Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht [6. neu bearbeitete und erweiterte Auflage] 9783504385156

Das Formularbuch bietet alle für die arbeitsrechtliche Praxis erforderlichen Formulare und Muster. Für die Gestaltung mi

237 51 13MB

German Pages 1530 [1570] Year 2017

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Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht [6. neu bearbeitete und erweiterte Auflage]
 9783504385156

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Bauer . Lingemann . Diller . Haußmann

Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht

AnwaltsFormularbuch Arbeitsrecht von

Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer Fachanwalt für Arbeitsrecht, Stuttgart Honorarprofessor in Tübingen

Dr. Stefan Lingemann

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Notar, Berlin

Prof. Dr. Martin Diller

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Stuttgart Honorarprofessor in Würzburg

Dr. Katrin Haußmann

Fachanwältin für Arbeitsrecht, Stuttgart

6. neu bearbeitete und erweiterte Auflage

2017

Zitierempfehlung: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, 6. Aufl. 2017, Kap. ... Rz. ... bzw. M ... Fn. ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet u¨ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Ko¨ln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-9 43 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-42694-1 ª 2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Ko¨ln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschu¨tzt. Jede Verwertung, die nicht ausdru¨cklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere fu¨r Vervielfa¨ltigungen, Bearbeitungen, ¨ bersetzungen, Mikroverfilmungen und die EinspeicheU rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und sa¨urefrei, alterungsbesta¨ndig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Scha¨per, Bonn Druck und Verarbeitung: Ko¨sel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort „Der Umgang mit Formularen erleichtert die Arbeit, ist aber nicht ungefährlich“. Diese Aussage der Vorauflagen gilt unverändert. Selten gab es so viele Veränderungen wie im letzten Jahr. Die Einführung des Mindestlohns führt zu zahlreichen Anpassungen bei verschiedenen Klauselvorschlägen. Schriftliche Geltendmachung kann in vielen Fällen nicht mehr verlangt werden, sondern nur noch Textform. Auch hat der Gesetzgeber das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zum 1.4.2017 in wichtigen Punkten reformiert; Höchstüberlassungsdauer, die Pflicht zur Konkretisierung zur Vermeidung von Vorratsgenehmigungen und weitere Einzelheiten haben eine grundlegende Überarbeitung des Musters erfordert. Aufgrund der Umwälzungen im Recht der Syndikusanwälte haben wir ein Muster dazu eingefügt. Nach dem neuen Bundesteilhabegesetz sind seit 30.12.2016 Kündigungen unwirksam, wenn die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt wird, daher gibt es auch dazu jetzt ein Muster. Die Anforderungen an die Einladung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement werden immer strenger, dazu gibt es einen Formulierungsvorschlag. Für viele Fragen bietet dieses Formularbuch Lösungen an unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs – Stand Oktober 2016, zT (insbesondere AÜG; Bundesteilhabegesetz) auch bis März 2017. Soweit keine „gesicherte“ höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, haben wir uns bemüht, Risiken aufzuzeigen. Aber Vorsicht: Die Verwendung vorgeschlagener Formulierungen unterliegt der Eigenverantwortung der Arbeitsvertragsparteien und ihrer Berater und bedarf immer auch der sachkundigen Anpassung an den Einzelfall. Das Konzept der Vorauflagen wurde beibehalten. Behandelt werden die für Praktiker wichtigen Fragen, nicht Vertiefungen rein akademischer Natur. Den Mustern gehen jeweils detaillierte Einführungen mit zahlreichen Hinweisen voraus. Die Formulierungen der Muster selbst werden zusätzlich unmittelbar in Fußnoten erläutert. Randziffern zum Text und Fettdruck der wesentlichen Begriffe in den Fußnoten zu den Mustern sowie ein wesentlich überarbeitetes Register sichern einen schnellen Zugriff. Für viele Anregungen und Hinweise danken wir unseren Partnern Prof. Dr. Gerhard Röder, Prof. Dr. Ulrich Baeck, Dr. Doris-Maria Schuster, Dr. Steffen Krieger, Dr. Thomas Winzer, Dr. Christian Arnold, Dr. Jens Günther sowie unserer Mitarbeiterin Anke Siemer der Sozietät Gleiss Lutz. Unser Dank gilt vor allem aber auch Frau Petra Fink, Frau Marie-Luise Bock sowie Herrn Walter Tschudowski, die neben der Referatsarbeit unermüdlich die Manuskripte betreut haben. Für weitere Anregungen und konstruktive Kritik sind wir im Übrigen stets dankbar. Etwaige Hinweise können dem Verlag gern unter [email protected] zugesandt werden. Berlin/Hamburg/Stuttgart, März 2017

Jobst-Hubertus Bauer Stefan Lingemann Martin Diller Katrin Haußmann

V

Kapitelübersicht Alle Muster auch auf der CD-ROM am hinteren Buchdeckel. Seite Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhalts- und Musterübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XLI

Erster Teil Individualarbeitsrecht Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern) Lingemann . . . . . . . . . .

39

Kap. 3

Verträge mit Angestellten Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

169

Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227

Kap. 7

Altersteilzeit Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

306

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge Lingemann

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

328

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses Lingemann/Diller . . . . . . . . .

366

Kap. 10 Arbeitnehmerüberlassung Lingemann Kap. 11 Auslandseinsatz Lingemann

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

430

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

471

Kap. 12 Vergütung Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

508

Kap. 13 Fehlverhalten, AGG und Mobbing Lingemann/Diller

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

598

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

642

Kap. 14 Urlaub Lingemann/Diller

Kap. 15 Krankheit Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

657

Kap. 16 Schwerbehinderte Menschen Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

672

Kap. 17 Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . .

696

Kap. 18 Betriebliche Altersversorgung Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

735

Kap. 19 Versetzung Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

766

Kap. 20 Änderungskündigung Lingemann/Diller

779

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 21 Anfechtung Lingemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

795

Kap. 22 Beendigungskündigung Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

809

Kap. 23 Einvernehmliche Beendigung Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

932

Kap. 24 Zeugnis Lingemann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

982

Kap. 25 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1000

Kap. 26–29

frei.

VII

Kapitelübersicht

Zweiter Teil Betriebsverfassung/Personalvertretung Kap. 30 Errichtung des Betriebsrats Diller

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 31 Interne Organisation des Betriebsrats Diller

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite 1023 1033

Kap. 32 Allgemeine Betriebsratsarbeit Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1037

Kap. 33 Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern Diller . . . . . . . . . . . . .

1060

Kap. 34 Betriebsversammlung Diller

1064

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 35 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Arbeitszeit Bauer/Haußmann/Diller

1070

Kap. 36 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Lohngestaltung Bauer/Haußmann

1087

Kap. 37 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Technische Einrichtungen Bauer/Haußmann/Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1093

Kap. 38 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Sozialeinrichtungen Bauer/Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1109

Kap. 39 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebsordnung/Verhaltensrichtlinien Bauer/Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1114

Kap. 40 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebliches Vorschlagswesen Bauer/Haußmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1126

Kap. 41 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Urlaub Bauer/Haußmann . . . . . .

1130

Kap. 42 Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten Bauer/Haußmann/Diller . . . . . .

1132

Kap. 43 Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten Bauer/Haußmann/Diller . . .

1155

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1182

Kap. 45 Euro-Betriebsrat Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 44 Einigungsstelle Diller

1195

Kap. 46 Personalvertretungsrecht Diller

1205

Kap. 47–49

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

frei.

Dritter Teil Tarifrecht/Arbeitskampfrecht Kap. 50 Tarifverträge Haußmann Kap. 51 Arbeitskampf Diller Kap. 52–59

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1209

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1225

frei.

Vierter Teil Betriebsübergang Kap. 60 Betriebsübergang Lingemann Kap. 61–69

VIII

frei.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1243

Kapitelübersicht

Fünfter Teil Datenschutz/Compliance Kap. 70 Compliance und Datenschutz Haußmann Kap. 71–79

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite 1301

frei.

Sechster Teil Insolvenzarbeitsrecht Kap. 80 Besondere Anträge im Insolvenzverfahren Diller Kap. 81–89

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1317

frei.

Siebter Teil Unternehmensmitbestimmung Kap. 90 Unternehmensmitbestimmung Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kap. 91–99

1323

frei.

Achter Teil Arbeitsgerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1343

Kap. 101 Urteilsverfahren erster Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 100 Das arbeitsrechtliche Mandat Diller

1346

Kap. 102 Urteilsverfahren zweiter Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1374

Kap. 103 Urteilsverfahren dritter Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1385

Kap. 104 Beschlussverfahren erster Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1402

Kap. 105 Beschlussverfahren zweiter Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1409

Kap. 106 Beschlussverfahren dritter Instanz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1413

Kap. 107 Einstweiliger Rechtsschutz Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1417

Kap. 108 Zwangsvollstreckung Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1430

Kap. 109 Verfahren vor dem EuGH nach Art. 267 AEUV Diller . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1448

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1453

IX

Inhalts- und Musterübersicht Alle Muster auch auf der CD-ROM am hinteren Buchdeckel. Seite Vorwort . . . . . . . . . . . . . . Kapitelübersicht . . . . . . . . . Allgemeines Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . .

. . . .

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. V . VII . XXXVII . XLI

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorstellungsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstellungs-/Personalfragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässige Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligung des Betriebsrats und Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . 3. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligung des Betriebsrats bei der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufklärungspflichten des Arbeitgebers bei ungesicherter Beschäftigung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einfühlungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

5 5 5 5 10 11 16

. . . . . . . .

17 18

Erster Teil Individualarbeitsrecht Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

II. Muster M 1.1 M 1.2 M 1.3.1 M 1.3.2 M 1.4

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorstellungseinladung mit Kostenübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorstellungseinladung ohne Kostenübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . Personalfragebogen im Bewerbungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personalfragebogen nach erfolgter Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . Einwilligung in ärztliche Untersuchung/psychologische und graphologische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 1.5 Einwilligung zur Aufnahme personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . M 1.6 Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . M 1.7 Klage auf Erstattung von Vorstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 1.8 Klage nach mündlicher Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 1.9 Klage auf Wiedereinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 1.10 Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung bei der Einstellung . . . . . M 1.11 Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz und Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeitsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 2

. . . . .

. . . . .

. . . . .

18 18 19 19 26

. . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

30 31 31 31 32 33 35

. . .

36

. . . . . . . .

45 45 46 46 47 48 48 48

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsvertrag . . a) Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten aufgrund der Verbraucherstellung cc) Abgrenzung zur Individualvereinbarung . . . . . . dd) Keine Klauselkontrolle zugunsten des Verwenders ee) Beteiligung des Betriebsrats bei Formularverträgen

. . . . . . . .

. . . . . . . .

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XI

Inhalts- und Musterübersicht Seite b) c) d) e) f)

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

49 49 50 51 52 52 53 54 54 55 55 57

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59 59 60 61 61 62 62 62 63 63 107 108 109 110 111 111 112 112 113

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 2.1a Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 2.1b Employment agreement with a (blue collar) employee without reference to a collective bargaining agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 2.2 Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 2.3 Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) mit teilweiser Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

113

2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einbeziehung in den Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorrang der Individualabrede/Schriftformklausel – § 305b BGB . . . . . . . . . . Überraschende Klauseln – § 305c Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unklarheitenregel – § 305c Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit – § 306 BGB . . . . . . aa) Zivilrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) BAG vor Einführung der AGB-Kontrolle/Geltung bei Individualverträgen . . . cc) BAG nach Einführung der AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Blue-pencil-test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Unangemessene Benachteiligung – § 307 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kontrollsperre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Transparenzgebot – § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Inhaltskontrolle – Materiell unangemessene Benachteiligung – § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vermutungstatbestände des § 307 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit – § 308 BGB . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rücktrittsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Widerrufsvorbehalt/Anrechnungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit – § 309 BGB . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot von Zurückbehaltungsrechten – § 309 Nr. 2b BGB . . . . . . . . . . . bb) Vertragsstrafe – § 309 Nr. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beweislastmodifikationen – § 309 Nr. 12 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . AGB-Klauselkontrolle von A–Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweisgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeiter/Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelvertragliche Einbeziehung des Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässige Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstöße gegen das ArbZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bereitschaftsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 3

113 126 131 139

Verträge mit Angestellten

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angestellte und leitende Angestellte . . . . . . a) Leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG b) Leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG 3. Syndikusanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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140 140 140 141 142 142

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 3.1 Ausführlicher Anstellungsvertrag mit einem Angestellten ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 3.2 Anstellungsvertrag mit einem Angestellten mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . .

143

XII

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143 158

Inhalts- und Musterübersicht Seite M 3.3 M 3.4 Kap. 4

Anstellungsvertrag mit einem leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . Anstellungsvertrag mit einem Syndikusanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

160 165

Dienstvertrag des Geschäftsführers

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an die Person des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . 2. Organstellung und Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages . bb) Form des Dienstvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichten und Verantwortlichkeiten des Geschäftsführers . . . . . . . . . . 4. Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Stellung des Geschäftsführers a) Arbeitsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. AGB-Kontrolle des Geschäftsführervertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anwendung des VorstAG auf die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

171 171 171 171 172 173 174 174 175 175 177 178 179

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 4.1a Dienstvertrag des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 4.1b Service Agreement of the Managing Director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179 179 194

Kap. 5

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an die Person des Vorstandes . . . . . . . . . . . . . . 2. Organstellung und Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages bb) Form des Dienstvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Dauer des Dienstvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichten und Verantwortlichkeit des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . 4. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) . . . . 5. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) . . . . . . . . . . . . 6. Sozialversicherungsrechtliche Stellung des Vorstandsmitglieds . . . . 7. AGB-Kontrolle des Vorstandsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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204 204 205 205 205 205 206 206 206 207 208 210 211

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 5.1 Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 5.2 Schreiben zur Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 5.3 Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . .

212 212

Kap. 6

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Besondere Arbeitsverträge

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befristung aufgrund eines sachlichen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kalendermäßige Befristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 1 TzBfG (M 6.1.1) bb) Zweckbefristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG (M 6.1.2; M 6.1.5) . cc) Auflösende Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Befristung einzelner Vertragsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befristung aufgrund gesetzlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 14 Abs. 2, 2a, 3 TzBfG – Sachgrundlose Befristung (M 6.1.6; M 6.1.9)

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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231 231 234 242 242 243 244 244 244

XIII

Inhalts- und Musterübersicht Seite

2.

3. 4. 5. 6. 7. 8.

bb) § 21 BEEG, § 6 PflegeZG und § 9 FPfZG . . . . . . . . . . . . . . cc) Befristungen im Hochschulbereich . . . . . . . . . . . . . . . . Teilzeitarbeit (M 6.2.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltendmachung des Teilzeitanspruchs (M 6.2.2; M 6.2.3) . . . . . c) Ablehnung des Teilzeitantrags (M 6.2.4) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Klage auf Teilzeitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Klageart bei wirksamer Ablehnung des Arbeitgebers (M 6.2.5) bb) Entgegenstehende betriebliche Gründe . . . . . . . . . . . . . (1) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verringerung (2) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verteilung . . (3) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . cc) Klageart bei Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und/oder 3 (M 6.2.6) dd) Einstweilige Verfügung (M 6.2.7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 5–7 BEEG . . . . . . . . . . . . . . . f) Teilzeitanspruch nach § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX . . . . . . . . . . . g) Teilzeitanspruch nach § 3 PflegeZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Durchführung der Teilzeitarbeit (M 6.2.8) . . . . . . . . . . . . . . . i) Rückkehr zur Vollzeitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geringfügige Beschäftigung/Minijobs (M 6.3) . . . . . . . . . . . . . . Job-Sharing (M 6.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abrufarbeit (M 6.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V/§ 28 SGB IX (M 6.7.1) . Telearbeit/Homeoffice (M 6.6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabbatical . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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246 247 248 248 249 250 251 251 251 252 254 254 254 255 256 257 257 257 259 260 263 263 264 265 267

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalendarisch befristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen . . . . . . . . Zweckbefristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen . . . . . . . . . . . . Mitteilung der Zweckerreichung nach § 15 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . . . . . Mitteilung des Ablaufs des vereinbarten Befristungszeitraums (vgl. § 15 Abs. 1 TzBfG) mit hilfsweiser Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.1.4 Traineevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.1.5 Doppelt befristeter Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.1.6 Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . M 6.1.7 Probearbeitsverhältnis mit Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.1.8 Verlängerung des Probearbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvertrag . . . M 6.1.9 Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.1.10 Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes über die Regelaltersgrenze hinaus, § 41 Satz 3 SGB VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.1.11 Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Befristung und Weiterbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.2.1 Teilzeitarbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.2.2 Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.2.3 Schreiben bei verspätetem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . M 6.2.4 Ablehnung des Antrags auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . M 6.2.5 Klage auf Zustimmung zur Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . M 6.2.6 Klage auf Feststellung der reduzierten Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.2.7 Einstweilige Verfügung auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . M 6.2.8 Änderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 6.3.1 Teilzeitvertrag mit geringfügiger Beschäftigung (Minijob) . . . . . . . . . . . . M 6.3.2 Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 6 Abs. 1b SGB VI . . . . . . . . . . . . M 6.4.1 Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit einem Job-Partner . . . . . . . . . . . . . . . .

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269 269 270 270

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271 272 272 273 274 274

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275

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276

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276 278 280 281 281 282 283 284 286 287

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289 289

II. Muster . M 6.1.1 M 6.1.2 M 6.1.3.1 M 6.1.3.2

XIV

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Inhalts- und Musterübersicht Seite M 6.4.2 M 6.5 M 6.6 M 6.7.1 M 6.7.2

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291 294 294 300

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300 302

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306 306 309 309 310 311 312 313 313 315

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 7.1 Altersteilzeit-Vertrag Kontinuitätsmodell – laufende Arbeitszeitverkürzung . . . . M 7.2 Altersteilzeit-Vertrag – Blockmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317 317 322

M 6.8 Kap. 7 I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

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. . . .

Altersteilzeit

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . Finanzielle Leistungen des Arbeitgebers Wiederbesetzung . . . . . . . . . . . . . Kontinuitäts- und Blockmodell . . . . . Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzsicherung . . . . . . . . . . . .

Kap. 8 I. 1. 2. 3. 4.

Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit allen Job-Partnern . . . . . . . . . . . . . Abrufarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsvertrag über alternierende Telearbeit/Homeoffice . . . . . . . . . Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (Wiedereingliederungsplan) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabbatical-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auszubildende . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktikanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortbildungsverträge . . . . . . . . . . . . . . a) AGB-Kontrolle von Rückzahlungsklauseln . c) Kollektivvertragliche Rückzahlungsklauseln

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329 329 334 335 337 337 342

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342 342 349 353 356 360 363 363

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer (M 9.1.1–9.1.6) . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gründungszuschuss, § 93 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arbeitnehmerähnliche Selbständige, § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI . . . . . . . . . . . cc) Anfrageverfahren, § 7a SGB IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen eines fälschlich als freie Mitarbeit eingeordneten Anstellungsverhältnisses 2. Beratervertrag (M 9.2)/Interimsmanagement (M 9.1.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Handelsvertretervertrag (M 9.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. In Heimarbeit Beschäftigte (M 9.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

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369 369 369 374 374 375 375 376 377 378 383

II. Muster M 8.1.1 M 8.1.2 M 8.2 M 8.3 M 8.4 M 8.5 M 8.6 Kap. 9

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufsausbildungsvertrag (ausführliche Form) . . . . . . . . . . . Berufsausbildungsvertrag (kurze Form) . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeiner Praktikantenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktikantenvertrag für Schüler und Studenten (Pflichtpraktikum) Werkstudentenvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Traineevertrag, s. M 6.1.4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel . . . . . . . . . . .

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

XV

Inhalts- und Musterübersicht Seite II. Muster M 9.1.1 M 9.1.2 M 9.1.3 M 9.1.4 M 9.1.5 M 9.1.6 M 9.2 M 9.3 M 9.4

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freier Mitarbeiter-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freier Mitarbeiter-Vertrag (Rahmenvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkvertrag mit einem Subunternehmer – Softwareentwicklung . . . . . . . . . Vereinbarung über die Miete von Betriebsmitteln – hier: Nutzung von PC . . . . Vertrag mit einem Interimsmanager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statusklage wegen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses (Scheinselbständigkeit) Beratervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handelsvertretervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heimarbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

385 385 393 396 406 408 412 413 417 428

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

434

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 10.1.1 Anstellungsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher ohne Bezugnahme auf einen Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 10.1.2 Anstellungsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 10.2 Arbeitnehmerüberlassungsvertrag – Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher M 10.3 Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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448

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448

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456 459 469

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473 473 473 473 479 481 481 482 488

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491 491

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498 501

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512 512 516 519 521 522 522 524 524 527 527 528 530 531 532

Kap. 10 Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 11 Auslandseinsatz I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbares Individualarbeitsrecht und Gerichtsstand Betriebliche Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 11.1 Entsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 11.2.1 Versetzung Auslandsvertrag – Dienstvertrag mit dem ausländischen Tochterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 11.2.2 Versetzung Stammhausbindungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 12 Vergütung I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwilligkeit, Widerruflichkeit und Anrechenbarkeit der Vergütung . . . Zulagen/Zuschläge (M 12.7 und M 12.8.1/M 12.8.2) . . . . . . . . . . . . . Tantiemen (M 12.10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter (M 12.11) Akkordvergütung (M 12.13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prämien (M 12.14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gratifikationen (M 12.15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögenswirksame Leistungen (M 12.20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz und Auslagen (M 12.21) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstwagen (M 12.22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstwohnung (M 12.23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitgeberdarlehen (M 12.24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändung/Abtretung (M 12.25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVI

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Inhalts- und Musterübersicht Seite 15. Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung (M 12.26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Zielvereinbarungen (M 12.27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Aktienoptionspläne (M 12.28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster . 12.1 M 12.1.1 M 12.1.2 M 12.1.3 M 12.1.4 M 12.1.5 M 12.2 M 12.3 M 12.4 M 12.5 M 12.6 12.7 M 12.7.1 M 12.7.2 M 12.7.3 M 12.7.4 M 12.7.5 M 12.7.6 M 12.7.7 M 12.8.1 M 12.8.2 M 12.9 12.10 M 12.10.1 M 12.10.2 M 12.10.3 M 12.10.4 M 12.11 M 12.12 12.13 M 12.13.1 M 12.13.2 12.14 M 12.14.1 M 12.14.2 M 12.14.3 12.15 M 12.15.1 M 12.15.2 M 12.16 M 12.17 M 12.18 M 12.19 M 12.20 M 12.21 M 12.22 M 12.23 M 12.24 M 12.25

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Festvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbliche Arbeitnehmer ohne Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbliche Arbeitnehmer mit Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angestellte ohne Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angestellte mit Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organmitglieder oder leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Gehaltszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gehaltsklage bei zu niedriger Eingruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlungsklage bei zweistufiger Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung . . . . . . . . . . . Klage im Urkundenprozess auf Geschäftsführervergütung nach fristloser Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertarifliche Zulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalt für die übertarifliche Zulage . . . . . . Erschwerniszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wechselschichtzulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslandszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialzulage mit Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überstundenzuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachtarbeits-, Sonn- und Feiertagszuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Überstundenvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tantieme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitender Angestellter oder Geschäftsführer einer GmbH . . . . . . . . . . . . Ermessenstantieme für einen leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Ermessenstantieme/Ermessensbonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorstand einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter . . . . . . . . Stufenklage wegen Abrechnung und Zahlung von Provision . . . . . . . . . . Akkordvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitakkord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geldakkord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwesenheitsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Treueprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderzuwendungen (Gratifikationen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderzuwendung mit Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderzuwendung mit Widerrufsvorbehalt und Bindungsklausel . . . . . . . . Sonderzuwendung nach Ermessen (Ermessensgratifikation) . . . . . . . . . . . Klage auf Sondervergütung wegen Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten Klage auf Ausgabe von Belegschaftsaktien wegen betrieblicher Übung . . . . Klage wegen Widerrufs/Teilkündigung von Sonderleistungen . . . . . . . . . Vermögenswirksame Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstwagenüberlassungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitgeberdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändung/Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

533 534 538

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540 540 540 540 540 540 540 541 543 544 545

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547 549 549 549 550 551 551 551 551 552 553 553 555 555 556 557 558 559 564 566 566 566 567 567 569 570 570 570 571 574 574 575 576 578 578 581 585 586 587

XVII

Inhalts- und Musterübersicht Seite 12.26 M 12.26.1 M 12.26.2 M 12.27 M 12.28 M 12.29 M 12.30 M 12.31

Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung . . . . . . . . . . Ausschluss der Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . Rahmenvereinbarung für eine Zielvereinbarung . . . . . . . . . Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf künftige Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage des Arbeitnehmers auf Gehaltserhöhung . . . . . . . . . . Klage des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung

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588 588 588 588 590 594 596 597

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600 600 600 601 601 602 604 606 608 609 610 612 613 615 615 617 617 621 622 624

Kap. 13 Fehlverhalten, AGG und Mobbing I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlverhalten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . a) Ermahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionen der Abmahnung . . . . . . . . . . . . . bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abmahnung . . c) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlverhalten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) . . . . . . . a) Struktur und Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . b) Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Organisationspflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . d) Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht . . . . f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Folgen für die betriebliche Praxis . . . . . . . . . . . . . h) Folgen für die Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . i) Missbräuchliche Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB II. Muster M 13.1 M 13.2 M 13.3 M 13.4 M 13.5 M 13.6 M 13.7 M 13.8 M 13.9 M 13.10 M 13.11 M 13.12 M 13.13

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Kap. 14 Urlaub I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

643

II. Muster M 14.1 M 14.2 M 14.3 M 14.4

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652 652 653 653

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654

XVIII

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urlaubsantrag und -bewilligung (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführliche Bewilligung von bezahltem und unbezahltem Urlaub (Brief) Urlaubsbescheinigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . Antrag auf Übertragung des Teilurlaubs vor Erfüllung der Wartezeit in das Folgejahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalts- und Musterübersicht Seite M 14.5 Erklärung über die Kürzung des Urlaubsanspruches während der Elternzeit nach § 17 Abs. 1 BEEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 14.6 Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 14.7 Klage auf Urlaubsabgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

654 654 656

Kap. 15 Krankheit I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

658

II. Muster M 15.1 M 15.2 M 15.3

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666 667

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671

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673 673 674 680 682 682 682 683 683 683 684 684 684 684 684 685

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 16.1 Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Verdachtskündigung gem. § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . M 16.2 Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Verdachtskündigung gem. § 102 BetrVG . M 16.3 Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen/gleichgestellten behinderten Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . M 16.4 Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . M 16.5 Klage des Arbeitgebers gegen die Versagung der Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 16.6 Anfechtung des Arbeitsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 16.7 Klage des Arbeitnehmers auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes .

686

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzeige der Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weisung zum Nachweis einer ärztlichen Bescheinigung . . . . . . . . . . . . . . Ergänzung zum Arbeitsvertrag zur Kürzung von Sonderleistungen im Krankheitsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 15.4 Klage auf Entgeltfortzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 15.5 Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 15.6 Formlose Antwort des Arbeitnehmers auf die Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 16 Schwerbehinderte Menschen I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwerbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antragstellung und Verfahren beim Integrationsamt (M 16.3) . . . . . . . . . . . . . . . a) Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen eines fehlenden Antrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Prüfung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anhörung des Betriebsrates und Beteiligung des Integrationsamtes (M 16.2, M 16.3) g) Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung (M 16.1) . . . . . . . . . . . . . . . h) Einvernehmliche Beendigung vor dem Integrationsamt . . . . . . . . . . . . . . . . i) Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Kündigungserklärungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anfechtung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 17 Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mutterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XIX

Inhalts- und Musterübersicht Seite 2. 3. 4. 5.

Elternzeit . . . . . . . . . . . . Elterngeld und Elterngeld Plus Pflegezeit . . . . . . . . . . . . Familienpflegezeit . . . . . . .

II. Muster M 17.1 M 17.2 M 17.3 M 17.4 M 17.5 M 17.6 M 17.7 M 17.8 M 17.9 M 17.10 M 17.11 M 17.12 M 17.13 M 17.14 M 17.15 M 17.16

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitteilung der Schwangerschaft nach § 5 MuSchG . . . . . . . . . . . . . . Informationsschreiben des Arbeitgebers an die schwangere Mitarbeiterin Antrag auf Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antwortschreiben des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Elternzeit . . . . . . . . . . Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablehnung des Antrags auf Teilzeit während Elternzeit . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit Antrag auf Pflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablehnung des Antrags auf Pflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Pflegezeit . . . . . . . . . . . Vereinbarung über eine Teilzeittätigkeit während der Pflegezeit . . . . . . Antrag der Familienpflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung zur Familienpflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Familienpflegezeit . . . . . . Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Familienpflegezeit . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelzusage auf betriebliche Altersversorgung für einen Geschäftsführer . Betriebliche Versorgungsordnung (Gesamtzusage) . . . . . . . . . . . . . . . Satzung einer Unterstützungskasse in der Rechtsform eines e.V. . . . . . . . Gehaltsumwandlungs-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unverfallbarkeitsbescheinigung nach § 4a BetrAVG für unmittelbare Versorgungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfindungsverlangen des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 2 BetrAVG . . . . . . Verlangen auf Übertragung von Versorgungsansprüchen ausgeschiedener Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 3 BetrAVG auf den neuen Arbeitgeber . . . . . Dreiseitige Vereinbarung zur Übertragung des Anwartschaftsbarwerts auf den neuen Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dreiseitige Vereinbarung zur Übernahme der Versorgungszusage durch den neuen Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Rentenzahlung gegen Unterstützungskasse . . . . . . . . . . . . . Klage auf Feststellung einer Rentenanwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . Schreiben an den Arbeitnehmer wegen unterbliebener Anpassung nach § 16 BetrAVG mit Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage nach § 16 BetrAVG auf Anpassung der Rente . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 18 Betriebliche Altersversorgung I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Unverfallbarkeit/ratierliche Kürzung . . . Abfindung von Anwartschaften . . . . . Übertragung der Versorgungsansprüche Insolvenzsicherung . . . . . . . . . . . . . Teuerungsanpassung . . . . . . . . . . . Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster M 18.1 M 18.2 M 18.3 M 18.4 M 18.5 M 18.6 M 18.7 M 18.8 M 18.9 M 18.10 M 18.11 M 18.12 M 18.13 M 18.14

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Inhalts- und Musterübersicht Seite Kap. 19 Versetzung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Individualarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsbegriff b) Zustimmungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der fehlenden Zustimmung . . . . . . . . d) Zustimmungsersetzungsverfahren . . . . . . . . . e) Vorläufige personelle Maßnahmen . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19.1 Ausübung des Direktionsrechts und vorsorgliche Änderungskündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19.2 Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG wegen beabsichtigter Versetzung und Umgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19.3 Klage gegen Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19.4 Klage auf Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz . . . . . . . . . . .

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Kap. 20 Änderungskündigung I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Erklärung (M 20.1) . . . . . . . . . . . Form der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Änderungskündigung . . . . . . . . . Kündigungsgründe und soziale Rechtfertigung a) Personenbedingte Änderungskündigung . . b) Verhaltensbedingte Änderungskündigung . c) Betriebsbedingte Änderungskündigung . . . d) Außerordentliche Änderungskündigung . . e) Überflüssige Änderungskündigung . . . . . 5. Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers . . a) Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Annahme unter Vorbehalt . . . . . . . . . . . c) Vorbehaltlose Annahme . . . . . . . . . . . . 6. Beteiligung des Betriebsrates . . . . . . . . . . .

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II. Muster M 20.1 M 20.2 M 20.3

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annahme/Annahme unter Vorbehalt/Ablehnung der Änderungskündigung Anhörung des Betriebsrates zur ordentlichen Änderungskündigung gemäß § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 20.4 Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . M 20.5 Klage gegen Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 21 Anfechtung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfechtung des Arbeitsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arglistige Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtung der Eigenkündigung oder des Aufhebungsvertrages (M 21.1) a) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalts- und Musterübersicht Seite c) Arglistige Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung durch den Arbeitgeber (M 21.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtung des Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang (M 21.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtbarkeit einer betrieblichen Übung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.1 Anfechtung einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21.2 Anfechtung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . M 21.3 Anfechtung des Widerspruchs durch den Arbeitnehmer gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber . . . . .

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Kap. 22 Beendigungskündigung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arten der Kündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zugang der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kündigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhaltensbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verdachtskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Leistungsbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Personenbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Häufige Kurzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigung wegen lang anhaltender Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit d) Kündigung wegen dauernder Leistungsminderung . . . . . . . . . . . . e) Kündigung wegen Suchterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Betriebsratsanhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Betriebsbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Soziale Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen fehlerhafter Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Herausnahme aus der Sozialauswahl, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG . . . . d) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Interessenausgleich mit Namensliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Betriebsratsanhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Abfindungsangebot nach § 1a KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Annahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalts- und Musterübersicht Seite 9. 10. 11. 12. 13. 14.

Massenentlassungsanzeige . . . . . . . . Interessenausgleich und Sozialplan . . . Wiedereinstellungsanspruch . . . . . . . Hinweis nach §§ 2, 38 Abs. 1 SGB III . . . Kündigungsschutzklage (M 22.18 ff.) . . . Auflösungsantrag (M 22.22 und M 22.23)

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.1 Ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.2 Ordentliche betriebsbedingte Kündigung nach § 1a KSchG durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.3 Ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.4 Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.5 Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . M 22.6 Außerordentliche sowie hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.7 Außerordentliche sowie hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.8 Außerordentliche Arbeitnehmerkündigung und Lossagung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.9 Aufforderung zur Mitteilung außerordentlicher Kündigungsgründe . . . . . . . . M 22.10 Kündigungszurückweisung wegen fehlender Vollmachtsvorlage . . . . . . . . . . M 22.11 Unternehmerentscheidung zur betriebsbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . M 22.12 Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG . . M 22.13 Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . M 22.14 Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen personenbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.15 Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.16 Anhörung des Betriebsrates zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Änderungskündigung sowie alternativ zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Beendigungskündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . M 22.17 Stellungnahme des Betriebsrats zu einem Anhörungsschreiben . . . . . . . . . . M 22.18 Kündigungsschutzklage mit Weiterbeschäftigungsantrag . . . . . . . . . . . . . . M 22.19 Klage gegen Kündigung bei Unanwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . . . . . . M 22.20 Kündigungsschutzklage bei betriebsbedingter Kündigung . . . . . . . . . . . . . M 22.21 Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage . . . . . . . . . M 22.22 Auflösungsantrag des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.23 Auflösungsantrag des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.24 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei offensichtlich unwirksamer Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.25 Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung während der Kündigungsfrist . . . . . M 22.26 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG . . . M 22.27 Einstweilige Verfügung des Arbeitgebers auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . M 22.28 Klage gegen fristlose Kündigung und auf Gehaltszahlung . . . . . . . . . . . . . . M 22.29 Gesellschafterbeschluss zur Abberufung und Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22.30 Einstweilige Verfügung auf Herausgabe von Arbeitspapieren . . . . . . . . . . . . M 22.31 Klage auf Wiedereinstellung nach Wegfall des Kündigungsgrundes . . . . . . . . M 22.32 Widerklage des Arbeitgebers auf Herausgabe des Dienstwagens und Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

887 887 890 891 892 893 893 895 897 897 897 898 899 900 901 903 904 905 907 909 910 912 913 915 916 919 920 922 925 927 928 930 931

XXIII

Inhalts- und Musterübersicht Seite Kap. 23 Einvernehmliche Beendigung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustandekommen des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beseitigung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §§ 24, 34 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenballung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fünftelungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anrufungsauskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Beitragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . . . . . dd) Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 158 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entschädigungen iSv. § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III . . . . . . . . . . . . . . (2) Maßgebliche Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Berechnung des Ruhenszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . (5) Folgen des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs . . . . . . . . . . . . (6) Ruhen wegen anderweitiger Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sperrzeiten nach § 159 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Echter Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Anrechnung von Abfindungen auf Arbeitslosengeld . . . . . . . . . . . . . . gg) Kürzung bei nicht rechtzeitiger Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Erstattung von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose nach § 147a SGB III aF ii) Vorzeitige Altersrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses durch einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sperrzeiten nach § 159 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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934 934 934 935 937 937 940 942 945 945 946 946 947 949 949 949 949 949 950 950 950 950 951 952 952 952 952 952 953 954 955 955 955

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955 956 956 956

II. Muster M 23.1a M 23.1b M 23.2 M 23.3 M 23.4

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Termination Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage wegen Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages Verzicht auf § 17 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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957 957 971 979 980 982

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983 983 984 985 986 986

Kap. 24 Zeugnis I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . Zeugnisanspruch . . . . . . . . . Zeugnisarten . . . . . . . . . . . Holschuld . . . . . . . . . . . . . Verzicht, Verwirkung, Verjährung Formalien . . . . . . . . . . . . .

XXIV

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Inhalts- und Musterübersicht Seite 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Einfaches Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GewO) . . . Qualifiziertes Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO) . Schlussformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung, Widerruf und Zurückbehaltungsrecht Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . Haftung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster M 24.1 M 24.2 M 24.3 M 24.4 M 24.5 M 24.6 M 24.7 M 24.8 M 24.9

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988 988 991 992 992 993 994

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfaches Zeugnis – kurze Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfaches Zeugnis – ausführliche Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenzeugnis für einen/eine Buchhalter/Buchhalterin mit guter Bewertung . . Qualifiziertes Zeugnis mit guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für einen Buchhalter/eine Buchhalterin mit guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für einen Leiter/eine Leiterin Controlling mit sehr guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für eine Assistentin mit unterdurchschnittlicher Bewertung Klage auf Erteilung eines Zeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Berichtigung eines Zeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

995 995 995 995 996 996 997 997 998 998

Kap. 25 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingte Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers/unbillige Erschwerung Anrechnung anderweitigen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . Lösung vom Verbot bei Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster M 25.1 M 25.2 M 25.3 M 25.4 M 25.5 M 25.6 M 25.7 M 25.8 M 25.9 M 25.10 M 25.11 M 25.12 M 25.13 Kap. 26–29

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1001 1001 1002 1002 1003 1003 1004 1004 1005 1005

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsverbot mit einem Organmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht des Arbeitgebers gem. § 75a HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungserklärung des Arbeitnehmers gem. § 75 Abs. 1 oder 2 HGB . . . . . . Angebot einer erhöhten Karenzentschädigung nach § 75 Abs. 2 HGB . . . . . Lösungserklärung des Arbeitgebers bei fristloser Kündigung nach § 75 Abs. 1, 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufforderung zur Mitteilung anderweitigen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . Erfüllungsablehnung des Arbeitgebers nach Verstößen des Arbeitnehmers . Fristsetzung/Ablehnungsandrohung des Arbeitnehmers bei Nichtzahlung der Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Zahlung von Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von nachvertraglichem Wettbewerb Schutzschrift gegen eine mögliche Unterlassungsverfügung wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes . . . .

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1006 1006 1007 1009 1010 1011

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1012 1013 1014

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1015 1016 1017

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1019 1020

frei.

XXV

Inhalts- und Musterübersicht

Zweiter Teil Betriebsverfassung/Personalvertretung

Seite

Kap. 30 Errichtung des Betriebsrats I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1023 1023 1024

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 30.1 Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 30.2 Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Durchführung einer Betriebsratswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 30.3 Antrag auf Klärung des Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 30.4 Anfechtung der Betriebsratswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 30.5 Strafanzeige wegen Wahlbehinderung nach § 119 BetrVG . . . . . . . . . . . .

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1025 1025

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1026 1029 1030 1032

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1034

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.1 Anfechtung der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 31.2 Anfechtung der Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds . . . . . . . . . . . .

1035 1035 1036

Kap. 31 Interne Organisation des Betriebsrats

Kap. 32 Allgemeine Betriebsratsarbeit I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1038

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.1 Einstweilige Verfügung wegen Zugangs eines Betriebsratsmitglieds zum Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.2 Antrag auf Feststellung des Status eines leitenden Angestellten . . . . . . . . . M 32.3 Antrag auf Duldung des Zugangs von Gewerkschaftsbeauftragten zum Betrieb M 32.4 Antrag auf Freistellung/Übernahme von Sachmittelkosten . . . . . . . . . . . . M 32.5 Antrag auf Erstattung von Schulungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.6 Antrag auf Gestattung der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.7 Antrag auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar wegen Prozessvertretung . . . M 32.8 Klage des Rechtsanwalts gegen den Betriebsrat auf Beratungshonorar bei eigenmächtiger Beauftragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.9 Antrag auf Unterlassung und Ordnungsgeld gegen den Arbeitgeber wegen grober Pflichtverletzung nach § 23 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.10 Antrag der Gewerkschaft auf Nicht-Durchführung einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.11 Antrag auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . M 32.12 Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts . . . . . . M 32.13 Antrag auf Feststellung eines Tendenzbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.14 Einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer mitbestimmungspflichtigen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 32.15 Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit . . . . . . . . . . . . . .

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1039 1041 1042 1043 1045

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1047 1049

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1051

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1053

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1060 1060

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1060

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 33.1 Antrag auf Auflösung des Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung . . . . . . M 33.2 Antrag auf Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds wegen Vorteilsannahme . . . .

1061 1061 1063

Kap. 33 Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Mitgliedern

XXVI

Inhalts- und Musterübersicht Seite Kap. 34 Betriebsversammlung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1065

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 34.1 Einstweilige Verfügung gegen geplante Betriebsversammlung . . . . . . . . . . . M 34.2 Einstweilige Verfügung wegen Teilnahme eines Gewerkschaftsbeauftragten an Betriebsversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1066 1066 1068

Kap. 35 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Arbeitszeit I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorrang von Gesetz und Tarifvertrag (§ 87 Abs. 1 BetrVG) Initiativrecht des Betriebsrates . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarungen zur Dauer der Arbeitszeit . . . . . . b) Flexibilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überstunden und Kurzarbeit . . . . . . . . . . . . . . d) Zeiterfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster M 35.1 M 35.2 M 35.3 M 35.4 M 35.5 M 35.6 M 35.7

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1074 1074 1075 1077 1080 1082 1083 1084

Kap. 36 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Lohngestaltung I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . Umfang der Mitbestimmung Kollektiver Tatbestand . . . . AT-Angestellte . . . . . . . . Freiwillige Zulagen . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 37.1 Gesamtbetriebsvereinbarung EDV-Systeme und Schutz personenbezogener Daten (Rahmenregelung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 37.1.1 Betriebsvereinbarung Customer-Relation-Management . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster M 36.1 M 36.2 M 36.3 M 36.4 M 36.5

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Kap. 37 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Technische Einrichtungen I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . EDV-Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telefondatenerfassung und Internet-/E-Mail-Nutzung „Whistleblowing-Hotlines“ . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrates

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XXVII

Inhalts- und Musterübersicht Seite M 37.2 M 37.3 M 37.4 M 37.5 M 37.6 M 37.7

Betriebsvereinbarung zur Nutzung der Telefonanlage . . . . . . . . . . . . Betriebsvereinbarung zur Telefondatenerfassung . . . . . . . . . . . . . . Betriebsvereinbarung zur elektronischen Zeiterfassung und Zeitwirtschaft Betriebsvereinbarung zur Nutzung von Internet und E-Mail . . . . . . . . . Betriebsvereinbarung „Bring your own device“ . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung wegen Unterlassung der Inbetriebnahme eines IT-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 38.1 Sozialfonds – Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 38.2 Betriebsvereinbarung zu Konzern-Mitarbeiterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . .

1110 1110 1113

Kap. 38 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Sozialeinrichtungen

Kap. 39 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebsordnung/Verhaltensrichtlinien I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umfang der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1114 1114 1115

II. Muster M 39.1 M 39.2 M 39.3 M 39.4

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1116 1116 1122 1124 1125

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des betrieblichen Vorschlagwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1126 1126 1126

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 40.1 Betriebsvereinbarung zu Verbesserungsvorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsvereinbarung zu Alkoholproblemen am Arbeitsplatz . . . . . . . Betriebsvereinbarung zur Einführung einer einheitlichen Arbeitskleidung Betriebsvereinbarung über Arztbesuche während der Arbeitszeit . . . . .

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Kap. 40 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Betriebliches Vorschlagswesen

Kap. 41 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten – Urlaub I. 1. 2. 3.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang des Mitbestimmungsrechtes . . . . . . Allgemeine Urlaubsgrundsätze und Urlaubsplan Lage des Urlaubs einzelner Arbeitnehmer . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 41.1 Betriebsvereinbarung Brückentage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 41.2 Betriebsferien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 42 Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . Einstellung und Eingruppierung . . . Versetzung und Umgruppierung . . . Stellenausschreibung . . . . . . . . . Auswahl-Richtlinien nach § 95 BetrVG

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1133 1133 1134 1135 1135 1135

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 42.1 Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XXVIII

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Inhalts- und Musterübersicht Seite M 42.2 M 42.3 M 42.4 M 42.5 M 42.6 M 42.7 M 42.8 M 42.9 M 42.10 M 42.11 M 42.12 M 42.13 M 42.14

Anhörung gemäß § 102 BetrVG zu betriebsbedingten Kündigungen wegen Betriebsstilllegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhörung gemäß § 102 BetrVG zur ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes gemäß § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 103 BetrVG . . . . . . . . . . . Antrag auf Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung eines Bewerbers nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Zustimmung zur Versetzung nach §§ 99, 100 BetrVG . . . . . . . . . Ablehnende Antwort des Betriebsrats auf einen Antrag nach §§ 99, 100 BetrVG Antrag des Arbeitgebers an das Arbeitsgericht nach §§ 99, 100 BetrVG . . . . . Antrag des Betriebsrats auf Aufhebung einer personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung wegen mitbestimmungswidriger Personalmaßnahmen Antrag des Arbeitgebers auf Entbindung von der Übernahmeverpflichtung für Jugendvertreter nach § 78a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl-Richtlinie für Versetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 43 Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . 1. Interessenausgleich und Sozialplan a) Interessenausgleich . . . . . . . b) Sozialplan . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlungen . . . . . . . . . . . 3. Wirtschaftsausschuss . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.1 Interessenausgleich Betriebsverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.2 Sozialplan Betriebsverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.3 Interessenausgleich Betriebseinschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.4 Sozialplan Betriebseinschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.5 Negativer Interessenausgleich Werkschließung . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.6 Positiver Interessenausgleich Betriebsstilllegung (kurz) . . . . . . . . . . . M 43.7 Positiver Interessenausgleich Betriebsstilllegung (ausführlich) . . . . . . . M 43.8 Sozialplan Betriebsstilllegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.8.1 Vertrag über die Einrichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.9 Einstweilige Verfügung gegen Kündigungen und weitere Maßnahmen vor Abschluss des Interessenausgleichs-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . M 43.10 Ordnungswidrigkeiten-Anzeige des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber wegen mangelhafter Unterrichtung nach § 111 BetrVG . . . . . . . . . . . M 43.11 Angaben der Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen im Rahmen eines Verschmelzungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 44 Einigungsstelle I. 1. 2. 3. 4.

Einführung . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . Besetzung der Einigungsstelle . Einberufung der Einigungsstelle Verfahren der Einigungsstelle . .

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XXIX

Inhalts- und Musterübersicht Seite 5. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anfechtung des Spruchs der Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1186 1186

II. Muster M 44.1 M 44.2 M 44.3 M 44.4

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1187 1187 1188 1190

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1196 1196 1197 1197 1198 1199

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 45.1 Vereinbarung über die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats . . . . . . . . . M 45.2 Klage des Betriebsrats auf Auskunftserteilung zwecks Errichtung eines Europäischen Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1199 1199

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Errichtung der Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag an das Arbeitsgericht auf Errichtung der Einigungsstelle nach § 100 ArbGG Einigungsstellenspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Untersagung der Durchführung eines Einigungsstellenspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 44.5 Anfechtung des Einigungsstellenspruchs nach § 76 Abs. 5 BetrVG . . . . . . . .

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Kap. 45 Euro-Betriebsrat I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für die Errichtung . . . . . . . . . . Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäischer Betriebsrat kraft Vereinbarung (M 45.1) Schutz der EBR-Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . .

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1203

Kap. 46 Personalvertretungsrecht I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1206 1206 1206

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 46.1 Antrag an das Verwaltungsgericht zur Einleitung eines Beschlussverfahrens . . . .

1207 1207

Kap. 47–49

frei.

Dritter Teil Tarifrecht/Arbeitskampfrecht Kap. 50 Tarifverträge I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Firmentarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entgelttarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manteltarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tarifverträge über die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen Entgeltumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschäftigungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tariflicher Sozialplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster M 50.1 M 50.2 M 50.3 M 50.4 M 50.5 M 50.6

XXX

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1210 1210 1211 1211 1211 1212 1212 1213

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entgelttarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Firmentarifvertrag in Form eines Anerkennungstarifvertrages . . Firmentarifvertrag nach Betriebsübergang/Gesellschafterwechsel Tarifvertrag zur Bildung von Regionalbetriebsräten . . . . . . . . Haustarifvertrag über einen gemeinsamen Gesamtbetriebsrat . . Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalts- und Musterübersicht Seite M 50.7 Verbandstarifvertrag zur Beschäftigungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 50.8 Sozialplantarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kap. 51 Arbeitskampf I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Friedenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . Streikbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . Wilder Streik . . . . . . . . . . . . . . . . Ultima-Ratio-Prinzip . . . . . . . . . . . . Ausgestaltung von Streiks . . . . . . . . . Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers Streikfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . Streikprämien/Maßregelung . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung gegen rechtswidrigen Streik . . . . . . Einstweilige Verfügung gegen rechtswidrige Streikmaßnahmen Einstweilige Verfügung wegen Einrichtung eines Notdienstes . Schlichtungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergang der Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirtschaftliche Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übergang und Zuordnung der Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterrichtung der Arbeitnehmer (M 60.1 und M 60.2) . . . . . . . . . . . . . . . e) Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Übergang der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Abweichende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kündigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeit einer Kündigung bei Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . b) Kündigungsschutzklage gegen Kündigung wegen Betriebsübergangs (M 60.5) 3. Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsratsamt und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Übergang des gesamten Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übergang eines Betriebsteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenschluss mehrerer Betriebe oder Betriebsteile . . . . . . . . . . . dd) Restmandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . a) Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderregelungen im Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1246 1246 1246 1250 1252 1253 1263 1266 1269 1270 1270 1271 1272 1272 1272 1273 1273 1274 1274 1274 1274 1277 1278

II. Muster M 51.1 M 51.2 M 51.3 M 51.4

Kap. 52–59

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frei.

Vierter Teil Betriebsübergang Kap. 60 Betriebsübergang

XXXI

Inhalts- und Musterübersicht Seite II. Muster M 60.1 M 60.2 M 60.3 M 60.4

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB – Übergang eines Betriebsteils Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB – Übergang eines Betriebes . Widerspruch nach § 613a BGB – Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsschutzklage gegen Kündigung wegen Betriebsübergangs . . . . . .

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1279 1279 1289 1297 1298

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1302 1302 1303

II. Muster M 70.1 M 70.2 M 70.3 M 70.4 M 70.5 M 70.6

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1307 1307 1309 1310 1311 1311

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 80.1 Antrag des Insolvenzverwalters wegen Durchführung einer Betriebsänderung nach § 122 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 80.2 Antrag des Insolvenzverwalters wegen Zustimmung zu Kündigungen nach § 126 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1319

Kap. 61–69

frei.

Fünfter Teil Datenschutz/Compliance Kap. 70 Compliance und Datenschutz

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsvereinbarung zur Whistleblowing-Hotline . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsvereinbarung Ethikrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belehrung zur Befragung durch den Arbeitgeber oder seine Anwälte . . . . . Amnestieregelung für Mitwirkung bei Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . Amnestieregelung für freiwillige Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einwilligung des Bewerbers in die Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 70.7 Einwilligung des eingestellten Arbeitnehmers in die Erhebung, Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 70.8 Verpflichtungsschreiben an Mitarbeiter nach § 5 BDSG . . . . . . . . . . . . . M 70.9 Bestellung des Datenschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Kap. 71–79

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Sechster Teil Insolvenzarbeitsrecht Kap. 80 Besondere Anträge im Insolvenzverfahren I. 1. 2. 3.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussverfahren nach § 122 InsO wegen Betriebsänderung . . . . . . . Beschlussverfahren wegen Kündigungsschutz nach §§ 125, 126 InsO . . .

Kap. 81–89

XXXII

frei.

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1319 1321

Inhalts- und Musterübersicht

Siebter Teil Unternehmensmitbestimmung

Seite

Kap. 90 Unternehmensmitbestimmung I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einführung . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . DrittelbG . . . . . . . . . . . . . . Mitbestimmungsgesetz 1976 . . Montan-Mitbestimmungsgesetz SE-Mitbestimmung . . . . . . . . Statusverfahren . . . . . . . . . .

II. Muster M 90.1 M 90.2 M 90.3

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekanntmachung des Vorstands nach § 97 AktG . . . . . . . . . . Statusklage nach § 98 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer SE

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1345 1345 1345 1345

Kap. 91–99

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Achter Teil Arbeitsgerichtsverfahren Kap. 100 Das arbeitsrechtliche Mandat I. 1. 2. 3.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenrechtliche Besonderheiten/Streitwerte . . . Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Muster M 100.1 M 100.2 M 100.3

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Kap. 101 Urteilsverfahren erster Instanz I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.1 Rubrum auf Klägerseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.2 Rubrum auf Beklagtenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.3 Allgemeines Muster für Klagen/Zahlungsklagen vor dem Arbeitsgericht . . . . . M 101.4 Rüge der örtlichen Unzuständigkeit, . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.5 Rüge der Unzulässigkeit des Rechtsweges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.6 Klageerwiderung vor der Güteverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.7 Prozessaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.8 Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.9 Sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung der Kündigungsschutzklage eines schwerbehinderten Menschen nach § 148 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.10 Sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung eines Kündigungsschutzverfahrens wegen vorgreiflichen Strafverfahrens nach § 149 ZPO . . . . . . . . . . . . M 101.11 Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.12 Einspruch gegen Versäumnisurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.13 Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG gegen nicht berufungsfähiges Urteil des Arbeitsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.14 Streitwertbeschwerde nach § 68 GKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1348 1348 1348 1352 1355 1356 1357 1358 1359 1361 1363 1365 1367 1368 1370

XXXIII

Inhalts- und Musterübersicht Seite M 101.15 Verzögerungsrüge nach §§ 198 GVG, 9 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 101.16 Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer . . . . . . . . . . .

1371 1372

Kap. 102 Urteilsverfahren zweiter Instanz I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit der Berufung . . . . . Allgemeine Verfahrensregeln . . . Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . Beschwerde/sofortige Beschwerde

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 102.1 Berufung mit Berufungsbegründung, und Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 102.2 Berufungseinlegung ohne Begründung und mit Fristverlängerungsantrag . . . M 102.3 Berufungserwiderung mit Anschlussberufung und Widerklage . . . . . . . . . . M 102.4 Sofortige Beschwerde gegen Rechtswegentscheidung . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einlegung der Revision mit Anträgen und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung . . . . . . . . . . Nichtzulassungsbeschwerde wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrunds sowie Verletzung rechtlichen Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Revisionsbegründung nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . Sofortige Beschwerde wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils nach § 72b ArbGG (Kassationsbeschwerde) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbeschwerde gegen Rechtswegentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . Revisionsbeschwerde gegen Verwerfung der Berufung als unzulässig . . . . . . .

1388 1388 1392 1394

Kap. 103 Urteilsverfahren dritter Instanz I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einführung . . . . . . . . . . Zulässigkeit der Revision . . Fristen, Formvorschrift . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . Entscheidung des BAG . . . . Nichtzulassungsbeschwerde BAG als Beschwerdegericht .

II. Muster M 103.1 M 103.2 M 103.3 M 103.4 M 103.5 M 103.6 M 103.7 M 103.8

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Kap. 104 Beschlussverfahren erster Instanz I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einführung . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . Antragstellung . . . . . . . . Beteiligte . . . . . . . . . . . Amtsermittlungsgrundsatz . Anhörung und Entscheidung Beschwerde . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . Einstweilige Verfügung . . .

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1403 1403 1403 1404 1405 1405 1406 1406 1407

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 104.1 Rubrum eines Beschlussverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 104.2 Antrag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1407 1407 1408

XXXIV

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Inhalts- und Musterübersicht Seite Kap. 105 Beschlussverfahren zweiter Instanz I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung . . . . . . . . Allgemeines/Zulässigkeit Aufschiebende Wirkung . Beschwerdebefugnis . . . Frist . . . . . . . . . . . . Form/Begründung . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 105.1 Beschwerde an das Landesarbeitsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 105.2 Beschwerde gegen Zwischenentscheidung des Arbeitsgerichts . . . . . . . . . .

1412 1412 1413

Kap. 106 Beschlussverfahren dritter Instanz I. 1. 2. 3.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde Formalien . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 106.1 Rechtsbeschwerde zum BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 106.2 Nichtzulassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1415 1415 1416

Kap. 107 Einstweiliger Rechtsschutz I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1417

II. Muster M 107.1 M 107.2 M 107.3 M 107.4 M 107.5 M 107.6 M 107.7

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1419 1419 1421 1423 1424 1424 1427 1428

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1430 1430 1431 1431 1431 1432 1432 1432 1433 1434

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1439 1440 1441

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf einstweilige Verfügung im Urteilsverfahren . . . . . . . . . . . . . . Schutzschrift im Urteilsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch gegen erlassene einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . Arrestantrag nebst Arrestpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . Berufung gegen Abweisung eines Verfügungsantrags im Urteilsverfahren . . . Beschwerde gegen Abweisung eines Verfügungsantrags im Beschlussverfahren

Kap. 108 Zwangsvollstreckung I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteilsverfahren . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckungsschutzantrag nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG c) Vollstreckungsschutzantrag nach § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG d) Vollstreckungsgegenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG . . . . . . . . 5. Vollstreckung im Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 108.1 Antrag auf Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung . . . . . . . . . . . M 108.2 Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . M 108.3 Antrag auf Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wegen nicht zu ersetzenden Nachteils . . . . . . . . . . . . M 108.4 Berufung mit Antrag auf nachträglichen Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . M 108.5 Antrag auf Gerichtsvollzieherpfändung wegen Geldforderungen . . . . . M 108.6 Antrag auf Zwangsvollstreckung wegen vertretbarer Handlung . . . . .

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XXXV

Inhalts- und Musterübersicht Seite M 108.7

Antrag auf Zwangsvollstreckung wegen unvertretbarer Handlung (Weiterbeschäftigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 108.8 Antrag auf Zurückweisung eines Zwangsvollstreckungsantrags nach § 888 ZPO (Weiterbeschäftigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 108.9 Zwangsvollstreckungsantrag nach § 890 ZPO wegen Unterlassungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 108.10 Antrag auf Festsetzung von Ordnungsgeld wegen Zuwiderhandlungen gegen eine Unterlassungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1442 1444 1446 1447

Kap. 109 Verfahren vor dem EuGH nach Art. 267 AEUV I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion des Vorabentscheidungsverfahrens Reichweite der EuGH-Entscheidung . . . . . Vorlagebeschluss des nationalen Gerichts . Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriftliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . Mündliche Verhandlung . . . . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1448 1448 1448 1449 1449 1449 1450 1450

II. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 109.1 Schriftsatz an den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1450 1450

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1453

XXXVI

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Allgemeines Literaturverzeichnis Weitere Literatur ist in den ausführlichen Literaturübersichten am Anfang der einzelnen Kapitel nachgewiesen. Bartenbach/Volz Bauer/Diller Bauer/Krieger

Arbeitnehmererfindungsgesetz ArbEG, 5. Aufl. 2013 Wettbewerbsverbote, 7. Aufl. 2015 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Kommentar, 4. Aufl. 2015 (zit. BGK) Bauer/Krieger/Arnold Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Aufl. 2014 Bauer/Röder Taschenbuch zur Kündigung, 2. Aufl. 2000 Bauer/Röder/Lingemann Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006 Baumbach/Hopt Handelsgesetzbuch, 37. Aufl. 2016 Baumbach/Lauterbach/Albers/ Zivilprozessordnung, 75. Aufl. 2016 Hartmann Beck’sches Personalhandbuch Band I: Arbeitsrechtslexikon, Band II: Lohnsteuer und Sozialversicherung, Loseblatt Däubler/Kittner/Klebe/Wedde

BetrVG – Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung und EBR-Gesetz, 15. Aufl. 2016 Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2015

Dörner/Luczak/Wildschütz/ Baeck/Hoß Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Aufl. 1999 (zitiert: Bearbeiter in Dunkl/Moeller) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht

hrsg. von /Müller-Glöge/Preis/Schmidt, 16. Aufl. 2016 (zitiert: ErfK/Bearbeiter)

Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier

Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Handkommentar, 28. Aufl. 2016 (zitiert: Fitting)

Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften (KR) Germelmann/Matthes/Prütting Gift/Baur

10. Aufl. 2014 (zitiert: GK-BetrVG/Bearbeiter)

Grigoleit Henssler/Willemsen/Kalb Herbst/Bertelsmann/Reiter Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/ Rose/Huke Höfer/Veit/Verhuven

11. Aufl. 2016 (zitiert: KR/Bearbeiter)

Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2013 Das Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen, 1993 Aktiengesetz, 2013 Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016 (zitiert: HWK/ Bearbeiter) Arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, 2. Aufl. 1998 Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 9. Aufl. 2014 (zitiert: HWGNRH/Bearbeiter) Betriebsrentenrecht (BetrAVG), Loseblatt XXXVII

Allgemeines Literaturverzeichnis

Hölters Hopt von Hoyningen-Huene/Linck Hüffer/Koch Hümmerich/Lücke/Mauer

Aktiengesetz: AktG, 2. Aufl. 2014 Handelsvertreterrecht, 5. Aufl. 2015 (zitiert: Hopt, HVR) Kündigungsschutzgesetz, Kommentar, 15. Aufl. 2013 Aktiengesetz, 12. Aufl. 2016 Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2014

Kasseler Kommentar

Sozialversicherungsrecht, Loseblatt (zitiert: Kasseler Kommentar/Bearbeiter) hrsg. von Zöllner/Noack, 3. Aufl. 1986 ff. (zitiert: KölnerKommAktG/Bearbeiter) siehe Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz Personalbuch 2016, 23. Aufl. 2016 (zitiert: Küttner/ Bearbeiter)

Kölner Kommentar zum Aktiengesetz KR Küttner Lingemann Löwisch/Kaiser Löwisch/Spinner/Wertheimer Lutter/Hommelhoff

Kündigungsschutz, 2011 Betriebsverfassungsgesetz, 7. Aufl. 2016 Kündigungsschutzgesetz, 10. Aufl. 2013 GmbH-Gesetz, Kommentar, 19. Aufl. 2016

Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung Münchener Vertragshandbuch

Band 4: Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2015 (zitiert: Münchener Handbuch AG/Bearbeiter) hrsg. von Richardi/Wlotzke, 3. Aufl. 2009 (zitiert: MünchArbR/Bearbeiter) hrsg. von Rixecker/Säcker/Oetker/Limperg, 7. Aufl. 2012 ff. (zitiert: MünchKommBGB/Bearbeiter) hrsg. von Krüger/Rauscher, 4. Aufl. 2012 (zitiert: MünchKommZPO/Bearbeiter) Band 1: Gesellschaftsrecht, hrsg. von Heidenhain/Meister, 7. Aufl. 2011 Zivilprozessordnung: ZPO, 13. Aufl. 2016

Musielak/Voit Palandt Preis Prütting/Wegen/Weinreich

Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016 (zitiert: Palandt/ Bearbeiter) Der Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015 (zitiert: Preis/Bearbeiter) BGB, Kommentar, 11. Aufl. 2016 (zitiert: PWW/Bearbeiter)

Richardi

Betriebsverfassungsgesetz, 15. Aufl. 2016

Schaub

Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl. 2015 (zitiert: Schaub, ArbR-Hdb.) Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Aufl. 2015 (zitiert: Schaub, Formularsammlung) Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 11. Aufl. 2015 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2016 (zitiert: Staudinger/Bearbeiter) Zivilprozessordnung, 22. Aufl. 2013 (zitiert: Stein/Jonas/ Bearbeiter)

Schaub/Schrader/Straube/ Vogelsang Stahlhacke/Preis/Vossen Staudinger Stein/Jonas

XXXVIII

Allgemeines Literaturverzeichnis

Thomas/Putzo Tschöpe

Zivilprozessordnung, 37. Aufl. 2016 Arbeitsrecht Handbuch, 9. Aufl. 2015 (zitiert: Tschöpe/ Bearbeiter)

Ulmer/Brandner/Hensen Ulmer/Habersack/Henssler

AGB-Recht, Kommentar, 12. Aufl. 2016 MistbestR, 3. Aufl. 2013

Wlotzke/Wissmann/Koberski/ Kleinsorge Wolf/Lindacher/Pfeiffer Wurm/Wagner/Zartmann

MitbestR, 4. Aufl. 2011

Zöller

AGB-Recht, Kommentar, 6. Aufl. 2013 Das Rechtsformularbuch, 17. Aufl. 2015 Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016 (zitiert: Zöller/ Bearbeiter)

XXXIX

Abkürzungsverzeichnis AA aA aaO ABl. abl. Abs. AcP AE aE AEntG AEUV aF AG AGB AGBG AGG AGg. AiB AktG Alt. AltTZG aM Anh. Anm. AnwBl AO AP ArbG ArbGG AR-Blattei ArbNErfG ArbPlSchG ArbRAktuell ArbRB ArbR-Hdb. ArbStättV ArbuR ArbZG ArEV ARGE ArGV ArNEG ARST Art. ASt. AuA AuB

Arbeitsrecht aktiv (Zeitschrift) anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt ablehnend Absatz Archiv für die civilistische Praxis Arbeitsrechtliche Entscheidungen (Zeitschrift) am Ende Arbeitnehmer-Entsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft (auch Zeitschrift); Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Antragsgegner(in) Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative AltersteilzeitgesetzAltersteilgesetz anderer Meinung Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung; Anordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechtsblattei Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift) Arbeitsrechts-Berater (Zeitschrift) Arbeitsrechts-Handbuch Arbeitsstättenverordnung Arbeit und Recht (Zeitschrift) Arbeitszeitgesetz Arbeitsentgeltverordnung Arbeitsgemeinschaft Arbeitsgenehmigungsverordnung Gesetz über Arbeitnehmererfingungen Arbeitsrecht in Stichworten Artikel Antragsteller Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Arbeit und Beruf (Zeitschrift) XLI

Abkürzungsverzeichnis

Aufl. AÜG AVmG Az. AZO

Auflage Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Altersvermögensgesetz Aktenzeichen Arbeitszeitordnung

BA BAG BAGE BAnz. BAP BArbBl. BAT BayObLG BB BBiG BBK BDSG BEEG Beil. Bekl. bEM BErzGG BeschFG BeSchuG

Bundesagentur für Arbeit Bundesarbeitsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister Bundesarbeitsblatt Bundesangestelltentarifvertrag Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Berufsbildungsgesetz Buchführung – Bilanz – Kostenrechnung (Zeitschrift) Bundesdatenschutzgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Beilage Beklagte(r) betrieblichen Eingliederungsmanagements Bundeserziehungsgeldgesetz Gesetz zur Förderung der Beschäftigung Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Beteiligte(r) betreffend Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Der Betriebsrat (Zeitschrift) Betriebsverfassungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskindergeldgesetz Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium der Finanzen BRAK-Mitteilungen Bundesrats-Drucksache Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundessozialgericht

Bet. betr. BetrAV BetrAVG BetrR BetrVG BfA BFH BFH/NV BFHE BFzA BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BKGG BlStSozArbR BMA(S) BMF BRAK-Mitt. BR-Drucks. BRTV BSG XLII

Abkürzungsverzeichnis

BSGE BStBl. BT BT-Drucks. BUKG BUrlG BuW BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVV BW BYOD CGZP

Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessteuerblatt Bundestag Bundestags-Drucksache Bundesumzugskostengesetz Bundesurlaubsgesetz Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags Baden-Württemberg Bring Your Own Device

c.i.c. CTA

Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen culpa in contrahendo Contractual Trust Arrangements

DA DB DCGK DEÜV DEVO dh. Diss. DrittelbG DS-GVO DStR DStRE DStZ DuD DVKA

Durchführungsanordnung Der Betrieb (Zeitschrift) Deutscher Corporate Governance Kodex Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung Datenerfassungsverordnung das heißt Dissertation Drittelbeteiligungsgesetz EU-Datenschutzgrundverordnung Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStR-Entscheidungsdienst Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Datenschutz und Datensicherung (Zeitschrift) Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland

EBRG Ed. EFG EFZG EG EG EGBGB EGMR ELStAM EMRK EStG EU EuGH EU-GRCh

Europäisches Betriebsräte-Gesetz Edition Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Entgeltfortzahlungsgesetz Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Erwägungsgrund Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale Europäische Menschenrechtskonvention Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Grundrechte-Charta der Europäischen Union

XLIII

Abkürzungsverzeichnis

EuGVVO EV EWiR EWS EzA f., ff. FA FamFG

Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Einigungsvertrag Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

FD-ArbR FG FLF Fn. FPersG FPfZG FS

folgende(r) Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fachdienst Arbeitsrecht Finanzgericht Finanzierung, Leasing, Factoring (Zeitschrift) Fußnote Fahrpersonalgesetz Familienpflegezeitgesetz Festschrift

GdB gem. GenDG GewArch. GewO GG ggf. GK GKG GmbH GmbHG GmbHR GRUR GS GVBl. GVG GWR

Grad der Behinderung gemäß Gendiagnostikgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Großer Senat Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

HAG Halbs. HGB hM HRG

Heimarbeitsgesetz Halbsatz Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Hochschulrahmengesetz

idR idS iHv. Info also insb. InsO iS IStR

in der Regel in diesem Sinne in Höhe von Informationen zum Arbeitslosenrecht und Sozialhilferecht (Zeitschrift) insbesondere Insolvenzordnung im Sinne Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)

XLIV

Abkürzungsverzeichnis

iVm.

in Verbindung mit

JA JArbSchG jM JurBüro JuS JZ

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jugendarbeitsschutzgesetz juris – Die Monatszeitschrift Das juristische Büro (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung

Kapovaz KG KJ KKZ Kl. KonTraG krit. KSchG KSZW KTS

Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kritische Justiz (Zeitschrift) Kommunal-Kassen-Zeitschrift Kläger Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich kritisch Kündigungsschutzgesetz Kölner Zeitschrift zum Wirtschaftsrecht Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Zeitschrift)

LAG LAGE Lit. LMK LPartG LS LStR LuftBO

Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Literatur Lindenmaier-Möhring, Kommentierte BGH-Rechtsprechung Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Leitsatz Lohnsteuerrichtlinien Betriebsordnung für Luftfahrtgerät

MDR MiLoG MitbestErgG MitbestG MontanMitbestG MünchArbR MüKo MünchKomm MuSchG mwN

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Mindestlohngesetz Mitbestimmungsergänzungsgesetz Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Kommentar Münchener Kommentar Mutterschutzgesetz mit weiteren Nachweisen

n. rkr. NachwG nF NJ NJOZ NJW NJW-RR Nr. nv.

nicht rechtskräftig Nachweisgesetz neue Fassung Neue Justiz (Zeitschrift) Neue juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungsreport Nummer nicht veröffentlicht XLV

Abkürzungsverzeichnis

NWB NZA NZA-RR NZG NZS

Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht/Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht

öAT OHG OLG OWiG

Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PartGmbH PersF PersR PflegeZG PISTB PM PrKG PStV PSVaG

Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung Personalführung (Zeitschrift) Der Personalrat (Zeitschrift) Pflegezeitgesetz Praxis internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Pressemitteilung Preisklauselgesetz Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit

RdA RdJB RDV RefE Rh.-Pf. RiA RIW RL Rpfleger RPflG RVG Rz. RzK

Recht der Arbeit (Zeitschrift) Recht der Jugend und des Bildungswesens (Zeitschrift) Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift) Referentenentwurf Rheinland-Pfalz Recht im Amt (Zeitschrift) Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie Der deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtspflegergesetz Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Randzahl Rechtsprechung zum Kündigungsrecht

S. sa. Sa.-Anh. SAE Schl.-Holst. SchwbG SGB sj SozR SPA SprAuG st. Rspr. Stbg StGB StPO str.

Seite siehe auch Sachsen-Anhalt Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Schleswig-Holstein Schwerbehindertengesetz Sozialgesetzbuch steuer-journal Sozialrecht Rechtsprechung und Schrifttum Schnellbrief für Personalmanagement und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Sprecherausschussgesetz ständige Rechtsprechung Die Steuerberatung (Zeitschrift) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig

XLVI

Abkürzungsverzeichnis

StuB

Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)

TransPuG TVG TVöD TzBfG

Transparenz- und Publizitätsgesetz Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Teilzeit- und Befristungsgesetz

uE UKlaG UmwG UrhG UStG UWG

unseres Erachtens Unterlassungsklagengesetz Umwandlungsgesetz Urheberrechtsgesetz Umsatzsteuergesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

Var. VermBG VersR vgl. VorstAG VorstKoG VVaG VVG

Variante Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Gesetz zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag

WiB WiJ WissZeitVG WO WPg

Wirtschaftsberatung (Zeitschrift) Journal der Wirtschaftsrechtlichen Vereinigung Wissenschaftszeitvertragsgesetz Wahlordnung Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

ZAS zB ZBVR ZGR ZD ZfA ZfV ZGR ZHR ZIAS Ziff. ZIP ZKF ZPO ZSteu ZTR

Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht zum Beispiel Zeitschrift für Betriebsverfassungsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Kommunalfinanzen Zivilprozessordnung Zeitschrift für Steuern und Recht Zeitschrift für Tarifrecht

XLVII

Erster Teil Kapitel 1

Individualarbeitsrecht Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

I. Einführung 1. Vorstellungsgespräch . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstellungs-/Personalfragebogen a) Zulässige Fragen . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligung des Betriebsrats und Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . 3. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligung des Betriebsrats bei der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufklärungspflichten des Arbeitgebers bei ungesicherter Beschäftigung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Einfühlungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster Vorstellungseinladung mit Kostenübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 1.1 Vorstellungseinladung ohne Kostenübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 1.2 Personalfragebogen im Bewerbungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M . .1.3.1

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Personalfragebogen nach erfolgter Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 1.3.2 Einwilligung in ärztliche Untersuchung/ psychologische und graphologische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 1.4 Einwilligung zur Aufnahme personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 1.5 Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 1.6 Klage auf Erstattung von Vorstellungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 1.7 Klage nach mündlicher Einstellung . . . . . . M . 1.8 Klage auf Wiedereinstellung . . . . . . . . . . . M . 1.9 Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung bei der Einstellung . . . . M . . 1.10 Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz und Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeitsstelle . . . . . . . . . . . . . M . . 1.11

Literatur: Zur Anbahnung des Arbeitsverhältnisses allgemein: Abele, Zum Auskunftsanspruch eines abgelehnten Stellenbewerbers, FA 2010, 330; Barth, Arbeitsrechtliche Einfühlungsverhältnisse rechtssicher gestalten, BB 2009, 2646; Bauer/Baeck/Merten, Scientology – Fragerecht des Arbeitgebers und Kündigungsmöglichkeiten, DB 1997, 2534; Beckschulze, Die arbeitsmedizinische Untersuchung – Vorsorge oder Eignung? – Teil 1, BB 2014, 1013; Beckschulze, Die arbeitsmedizinische Untersuchung – Vorsorge oder Eignung? – Teil 2, BB 2014, 1077; Behrens, Rechtsgrundlagen für routinemäßige Eignungsuntersuchungen, SPA 2014, 157; Bertzbach, Zur Zulässigkeit von sog. „Einfühlungsverhältnissen“, FA 2002, 340; Brecht-Heitzmann, Die Anfechtbarkeit von Arbeitsverträgen wegen verschwiegener Schwerbehinderung, ZTR 2006, 639; Breitfeld/Strauß, Stolperfallen für Arbeitgeber bei der Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit schwerbehinderten Arbeitnehmern, BB 2012, 2817; Fuhlrott/Hoppe, Einstellungsuntersuchungen und Gentests von Bewerbern, ArbRAktuell 2010, 183; Goepfert/Burkhard, Prophylaktische medizinische Untersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis – Praxishinweise, BB 2015, 1912; Hergenröder, Fragerecht des Arbeitgebers und Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers, ARBlattei SD 715; Lützeler/Kopp, HR mit System: Bewerbermanagement-Tools, ArbRAktuell 2015, 491; Kaehler, Das Arbeitgeberfragerecht im Anbahnungsverhältnis: Kritische Analyse und dogmatische Grundlegung, ZfA 2006, 519; Kleinebrink, Bedeutung von Gesundheitsuntersuchungen für Arbeitgeber nach neuem Recht, DB 2014, 776; Köhler, Keine Mitbestimmung bei der Durchführung von Assessmentcentern, GWR 2013, 132; Krimphove/Lüke, Rechtsfragen der Rekrutierung ausländischen Personals, BB 2014, 2106; Künzl, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung, ArbRAktuell 2012, 235; Lelley, Fragen darf man immer – aber nicht jeder darf fragen, FA 2010, 300; Lingemann/Gottschalk, Vertragsstrafengestaltung im Arbeitsrecht – ein kurzer Leitfaden, DStR 2011, 774; Meyer, Fragerecht nach der Gewerkschaftsmitgliedschaft bei Arbeitsbeginn?, BB 2011, 2362; Roesner, Rechtssicherer Umgang mit Stel-

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

lenausschreibung und Bewerbung, BC 2012, 214; Schierbaum, Ärztliche Untersuchungen an Arbeitnehmern, AiB 1997, 458; Söhl, Anfechtung und Abänderung von Arbeitsverträgen, ArbRAktuell 2014, 166; Vogt, Compliance und Investigations, NJOZ 2009, 4206; Weber/Wocken, Mitbestimmung bei Einstellungsuntersuchungen im öffentlichen Dienst, NZA 2012, 191. Zum AGG: Adomeit/Mohr, Benachteiligung von Bewerbern (Beschäftigten) nach dem AGG als Anspruchsgrundlage für Entschädigung und Schadensersatz, NZA 2007, 179; Adomeit/Mohr, Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2011; Annuß, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht, BB 2006, 1629; Bauer/Evers, Schadensersatz und Entschädigung bei Diskriminierung – Ein Fass ohne Boden?, NZA 2006, 893; Bauer/Krieger, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar, 4. Aufl. 2015 (zit. BK); Bauer/Krieger, Das neue Antidiskriminierungsgesetz – Rechtliche und taktische Konsequenzen im arbeitsrechtlichen Mandat, AnwBl 2006, 800; Bauer/Krieger, 10 Jahre AGG – Tops und Flops, NZA 2016, 1041; Bauer, Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbung?, ArbRAktuell 2015, 303; Bauer/Thüsing/Schunder, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien, NZA 2005, 32; Bauer/Thüsing/Schunder, Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Alter Wein in neuen Schläuchen?, NZA 2006, 774; Bayreuther, Diskriminierung und sachwidrige Ungleichbehandlung: nicht nur eine Frage des Anstandes, NZA Beilage 2011, 27; Beseler/Albers, Wie kann der Arbeitgeber-Vertreter „AGG-Hopper“ erkennen und behandeln?, AA 2009, 42; Besgen, Die Auswirkungen des AGG auf das Betriebsverfassungsrecht, BB 2007, 213; Bezani/Richter, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht, 2006; Boemke, Die Zulässigkeit der Frage nach Grundwehrdienst und Zivildienst, RdA 2008, 129; Boemke/Danko, AGG im Arbeitsrecht – Kommentar, 2007; Däubler, Die Kündigung als unmittelbare Diskriminierung, AiB 2007, 22; Brand/Rahimi-Azar, „AGG-Hopping“ – eine Einnahmequelle mit strafrechtlichen Risiken, NJW 2015, 2993; Däubler, AGG: Neue Aufgaben für Betriebsräte – Keine Benachteiligung bei der Einstellung, AiB 2006, 614; Däubler/Bertzbach, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Handkommentar, 3. Aufl. 2013; Deinert, Anwendungsprobleme der arbeitsrechtlichen Schadensersatzvorschriften im neuen AGG, DB 2007, 398; Diller, „AGG-Hopping“ – Und was man dagegen tun kann!, BB 2006, 1968; Diller, Antidiskriminierung von Kollegen für Kollegen?, FA 2006, 301; Diller, Einstellungsdiskriminierung durch Dritte, NZA 2007, 649; Diller/Kern, Befristung und Schwangerschaft, FA 2007, 103; Diller/Krieger/Arnold, Kündigungsschutzgesetz plus Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, NZA 2006, 887; Düwell, Die Neuregelung des Verbots der Benachteiligung wegen Behinderung im AGG, BB 2006, 1741; Franke/Merx, Positive Maßnahmen – Handlungsmöglichkeiten nach § 5 AGG, ArbuR 2007, 235; Fuhlrott/Wesemann, Abwehrmöglichkeiten bei der Inanspruchnahme durch AGG-Diskriminierungskläger, GWR 2014, 298 Gaul/Naumann, Praxisrelevante Fragen im Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, ArbRB 2007, 47; Göbel-Zimmermann/ Marquardt, Diskriminierung aus Gründen der „Rasse“ und wegen der ethnischen Herkunft im Spiegel der Rechtsprechung zum AGG, ZAR 2012, 369; Gola, Informationsrecht abgelehnter Bewerber, NZA 2013, 360; Grobys, Die Beweislast im Anti-Diskriminierungsprozess, NZA 2006, 898; Grobys, Einstellung von Arbeitnehmern im Licht des AGG, NJW-Spezial, Heft 2/2007, 81; Gruber, Zwei problematische Punkte des AGG: Die Anforderung eines Passfotos und die Suche nach dem „muttersprachlichen Mitarbeiter (m/w)“, NZA 2009, 1247; Hamann, Bewerberauswahl und Arbeitgeberkündigung im Lichte des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Jura 2007, 641; Hinrichs/Stütze, Die Sprache im Arbeitsverhältnis nach fünf Jahren AGG: Eine Bestandsaufnahme, NZA-RR 2011, 113; Hohenstatt/Naber, Diskriminierungsschutz für Organmitglieder – Konsequenzen für die Vertragsgestaltung, ZIP 2012, 1989; Hopfner/ Naumann, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Ein Leitfaden für die arbeitsrechtliche Praxis, 3. Aufl. 2009; Hoppe/Fuhlrott, Update Antidiskriminierungsrecht – Vorsicht im Stellenbesetzungsverfahren!, ArbRAktuell 2013, 91; Hoppe/Fuhlrott, Update Antidiskriminierungsrecht – Rechtsprechungs-Report 2015, ArbRAktuell 2016, 4; Horcher, Scheinbewerbungen auf dem unionsrechtlichen Prüfstand, NZA 2015, 1047; Hunold, Ausgewählte Rechtsprechung zur Gleichbehandlung im Betrieb, NZA-RR 2006, 56; Husemann, Die Information über die Schwerbehinderung im Arbeitsverhältnis, RdA 2014, 16; Joussen, Schwerbehinderung, Fragerecht und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174; Kaehler, Das Arbeitgeberfragerecht im Anbahnungsverhältnis: Kritische Analyse und dogmatische Grundlegung, ZfA 2006, 519; Kalmbach, Speicherung von Bewerberdaten zum Schutz vor AGG-Hoppern, DSB 2007, 26; Kania/Merten, Auswahl und Einstellung von Arbeitnehmern unter Geltung des AGG, ZIP 2007, 8; Kleinebrink, Inhaltliche Gestaltung von Personalfragebögen in Zeiten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) – eine Risikoabwägung, ArbRB 2006, 374; Koop, Auskunftsansprüche während des Einstellungsverfahrens, oeAT 2012, 199; Kort, Sind GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder diskriminierungsschutzrechtlich Arbeitnehmer?, NZG 2013, 601; Krieger/Günther, Vorsicht

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Kap. 1

Falle! – Diskriminierungsnachweis durch Testing-Verfahren, NZA 2015, 262; Laws, Die AGG-konforme Gestaltung von Stellenanzeigen, MDR 2013, 625; Leisten, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Leitfaden für Betriebsräte, 2007; Lingemann, AGG, in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 11. Aufl. 2016; Lingemann/Gotham, AGG – Benachteiligungen wegen des Alters in kollektivrechtlichen Regelungen, NZA 2007, 663; Lingemann/Müller, Die Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf die Arbeitsvertragsgestaltung, BB 2007, 2006; Lingemann, Diskriminierung in Entgeltsystemen – Ende der Anpassung nach oben?, NZA 2014, 827; Lingemann, Kein Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbungen, ArbRAktuell 2016, 374; Lingscheid, Starkes Übergewicht (Adipositas) als Behinderung und Diskriminierungsschutz, NZA 2015, 147; Löwisch, Kollektivverträge und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, DB 2006, 1729; Maier, Gleichbehandlung – Antidiskriminierung – in Betrieben, 2007; Meinel/ Heyn/Herms, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar, 2. Aufl. 2010; Michel/Möller/Peter, Tarifpluralität und die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft, ArbuR 2008, 36; Mohr, Altersdiskriminierung durch Stellenausschreibung für „Young Professionals“?, NZA 2014, 459; Moos/Bandehzadeh/Bodenstedt, Datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Aufbewahrung von Bewerberdaten unter Berücksichtigung des AGG, DB 2007, 1194; Nollert-Borasio/Perreng, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Basiskommentar zu den arbeitsrechtlichen Regelungen, 4. Aufl. 2015; Oberrath, Hinreichende Deutschkenntnisse des Arbeitnehmers im Spiegel der Rechtsprechung, NJ 2011, 8; Ohlendorf/ Schreier, AGG-konformes Einstellungsverfahren – Handlungsanleitung und Praxistipps, BB 2008, 2458; Olbert, Was beim Bewerbungsgespräch erlaubt ist, AuA 2007, 272; Pallasch, Diskriminierungsverbot wegen Schwangerschaft bei der Einstellung, NZA 2007, 306; Richardi, Neues und Altes – Ein Ariadnefaden durch das Labyrinth des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, NZA 2006, 881; Rittweger/Schmidl, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und Datenschutzrecht, FA 2006, 266; Röder/Krieger, Einführung in das neue Antidiskriminierungsrecht, FA 2006, 199; Rolfs, AGG-Hopping, NZA 2016, 586; Schleusener/ Suckow/Voigt, AGG – Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 4. Aufl. 2013; Schmidl, Dokumentationsdaten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), DuD 2007, 11; SchmitzScholemann/Brune, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – Eine Zwischenbilanz, RdA 2011, 129; Schrader/Klagges, Arbeitsrecht und schwerbehinderte Menschen, NZA-RR 2009, 169; Schreiner/Kolmhuber, Diskriminierungsschutz bei der Einstellung, ArbRB 2006, 314; Schroeder/Diller, Antidiskriminierung bei der Aufnahme als Gesellschafter?, NZG 2006, 728; Schulte, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Bewerbungsverfahren diskriminierungsfrei gestalten, AuA 2006, 724; Schwab, Diskriminierende Stellenanzeigen durch Personalvermittler, NZA 2007, 178; Seel, Schadensersatz für Diskriminierungen im Bewerbungsverfahren, MDR 2006, 1321; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz – Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und andere arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbote, 2. Aufl. 2013; Walk/Shipton, Zu den Beteiligungsrechten des Betriebsrats im Rahmen des AGG, BB 2010, 1917; Walker, Der Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG, NZA 2009, 5; Wichert/Zange, AGG: Suche nach Berufsanfängern in Stellenanzeigen, DB 2007, 970; Windel, Aktuelle Beweisfragen im Antidiskriminierungsprozess, RdA 2011, 193 Wisskirchen/Bissels, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellung unter Berücksichtigung des AGG, NZA 2007, 169; Zimmerling/ Zimmerling, Die Entschädigung gem. § 15 II AGG, öAT 2016, 175. Zum Datenschutz im Arbeitsverhältnis: Albrecht, Das neue EU-Datenschutzrecht – von der Richtlinie zur Verordnung, CM 2016, 88; Ambrock, Nach Safe Harbor: Schiffbruch des transatlantischen Datenverkehrs?, NZA 2015, 1493; Beckschulze, Internet- und E-Mail-Einsatz am Arbeitsplatz, DB 2009, 2097; Beckschulze/Natzel, Das neue Beschäftigtendatenschutzgesetz, BB 2010, 2368; Behrens, Eignungsuntersuchungen und Datenschutz, NZA 2014, 401; Benecke/Groß, Das Recht am eigenen Bild im Arbeitsverhältnis, NZA 2015, 833; Bissels/Lützeler/Wisskirchen, Facebook, Twitter & Co.: Das Web 2.0 als arbeitsrechtliches Problem, BB 2010, 2433; Bommer, Chancen im Arbeitnehmerdatenschutz erkennen und nutzen, ZD 2015, 123; Börding, Ein neues Datenschutzschild für Europa, CR 2016, 431; Brandt, Compliance und Datenschutz, AiB 2009, 288; Brandt, Datenschutz und Betriebsrat, AiB 2009, 80; v. Brühl/Sepperer, E-Mail-Überwachung am Arbeitsplatz, ZD 2015, 415; Carpenter, Assessment Center generell unbedenklich?, NZA 2015, 466; Däubler, Gläserne Belegschaften? Datenschutz für Arbeiter, Angestellte und Beamte, 6. Aufl. 2015; Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. 2016; Determann/ Weigl, EU-US-Datenschutzschild und Alternativen für internationale Datentransfers, EuZW 2016, 811; Deutsch/Diller, Die geplante Neuregelung des Arbeitnehmerdatenschutzes in § 32 BDSG, DB 2009, 1462; Düwell, Das Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften, FA 2009, 268; Düwell, Regelungen für den Schutz von Arbeitnehmerdaten, FA 2009, 168; Düwell/Brink, Die EU-Datenschutz-Grundverordnung und der Beschäftigtendatenschutz, NZA 2016, 665; Dzida, Beschäftigtendatenschutz: Nicht

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

auf die lange Bank schieben, BB 2011, 1; Dzida/Klopp, Zugriff des Arbeitgebers auf E-Mails ausgeschiedener Mitarbeiter, ArbRB 2015, 83; Erfurth, Die Betriebsvereinbarung im Arbeitnehmerdatenschutz, DB 2011, 1275; Erfurth, Der „neue“ Arbeitnehmerdatenschutz im BDSG, NJW 2009, 2723; Ernst, Social Networks und Arbeitnehmer-Datenschutz, NJOZ 2011, 953; Faust/Spittka/Wybitul, Milliardenbußgelder nach der DS-GVO?, ZD 2016, 120; Forst, Bewerberauswahl über soziale Netzwerke im Internet?, NZA 2010, 427; Franzen, Rechtliche Rahmenbedingungen psychologischer Eignungstests; NZA 2013, 1; Franzen, Arbeitnehmerdatenschutz – rechtspolitische Perspektiven, RdA 2010, 257; Fuchs, Jana, Personenbezogene Daten zwischen der EU und den USA, BB 2015, 3074; Gola, Beschäftigtendatenschutz und EUDatenschutz-Grundverordnung, EuZW 2012, 332; Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, 12. Aufl. 2015; Gola/Wronka, Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 6. Aufl. 2013; Howald, Datenerhebung im Internet bei Einstellungsverfahren, öAT 2013, 133; Grau/Granetzny, EU-US-Privacy Shield – Wie sieht die Zukunft des transatlantischen Datenverkehrs aus?, NZA 2016, 405; Grau/Schaut, Neue Spielregeln für die Verwendung von Bilddateien von Arbeitnehmern, NZA 2015, 981; Greßlin, Umgang mit Bewerberdaten – was geht und was geht nicht?, BB 2015, 117; Grimm/Schmidt-Lauber, Das EU-US-Privacy-Shield, ArbRB 2016, 243; Jordan/Bissels/Löw, Ist der Betriebsrat zur Speicherung von Arbeitnehmerdaten berechtigt?, BB 2010, 2889; Kania/Sansone, Möglichkeiten und Grenzen des Pre-EmploymentScreenings, NZA 2012, 360; Kleinebrink, Einwilligung in die Erhebung von Beschäftigtendaten und Datenschutz, ArbRB 2012, 61; Koch, Rechtsprobleme privater Nutzung betrieblicher elektronischer Kommunikationsmittel, NZA 2008, 911; Kock/Francke, Mitarbeiterkontrolle durch systematischen Datenabgleich zur Korruptionsbekämpfung, NZA 2009, 646; Kopp/Sokoll, Wearables am Arbeitsplatz – Einfallstore für Alltagsüberwachung?, NZA 2015, 1352; Kort, Arbeitnehmerdatenschutz gemäß der EUDatenschutz-Grundverordnung, DB 2016, 711; Kort, Das Dreiecksverhältnis von Betriebsrat, betrieblichem Datenschutzbeauftragten und Aufsichtsbehörde beim Arbeitnehmer-Datenschutz, NZA 2015, 1345; Kraska, Auswirkungen der EU-Datenschutzgrundverordnung, ZD-Aktuell 2016, 04173; LauberRönsberg, Das Recht am eigenen Bild in sozialen Netzwerken, NJW 2016, 744; Lelley/Winckler, Eine Betriebsvereinbarung zum Whistleblower-Schutz, ArbRB 2014, 237; v. Lewinski, Privacy Shield – Notdeich nach dem Pearl Harbor für die transatlantischen Datentransfers, EuR 2016, 405; Maschmann, Datenschutzgrundverordnung: Quo vadis Beschäftigtendatenschutz, DB 2016, 2480; Niklas/Faas, Arbeitnehmerdatenschutz: EU-US Privacy Shield – Ende der Rechtsunsicherheit bei Datentransfers in die USA?, ArbRAktuell 2016, 473; Oberwetter, Soziale Netzwerke im Fadenkreuz des Arbeitsrechts, NJW 2011, 417; Otto/Lampe, Terrorabwehr im Spannungsfeld von Mitbestimmung und Datenschutz, NZA 2011, 1134; Pollert, Arbeitnehmer-Smartphones als Betriebsmittel – ein kostensparendes Modell?, NZA-Beil. 2014, 152; Pötters, Beschäftigtendaten in der Cloud, NZA 2013, 1055; Raif, „Fragen Sie nach, oder besser nicht?“ Datenschutzrechtliche Änderungen im Einstellungsverfahren, ArbRAktuell 2010, 617; Riesenhuber, Die Einwilligung des Arbeitnehmers im Datenschutzrecht, RdA 2011, 257; Roeder/Buhr, Die unterschätzte Pflicht zum Terroristenscreening von Mitarbeitern, BB 2011, 1333; Schantz, Die DatenschutzGrundverordnung – Beginn einer neuen Zeitrechnung im Datenschutzrecht, NJW 2016, 1841; Scheben/ Klos, Analyse von Chatprotokollen und E-Mails – Was ist erlaubt? Was ist verwertbar?, CCZ 2013, 88; Schrader/Mahler, Interne Ermittlungen des Arbeitgebers und Auskunftsgrenzen des Arbeitnehmers, NZA-RR 2016, 57; Schreiber/Kohm, Rechtssicherer Datentransfer unter dem EU-US-Privacy-Shield? Der transatlantische Datentransfer in der Unternehmenspraxis, ZD 2016, 255; Schriever, Neue Löschungsfristen für Bewerberdaten, BB 2011, 2680; Schwartmann, Datentransfer in die Vereinigten Staaten ohne Rechtsgrundlage – Konsequenzen der Safe-Harbor-Entscheidung des EuGH, EuZW 2015, 864; Sörup/ Marquardt, Auswirkungen der EU-Datenschutzgrundverordnung auf die Datenverarbeitung im Beschäftigtenkontext, ArbRAktuell 2016, 103; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015; Straube/Klagges, Beschäftigtendatenschutzgesetz: Wiedervorlage in vier Jahren?, ArbRAktuell 2012, 81; Taeger/Rose, BB 2016, 819; Thüsing, Verbesserungsbedarf beim Beschäftigtendatenschutz, NZA 2011, 16; Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, 2. Aufl. 2014; Tiedemann, Auswirkungen von Art. 88 DSGVO auf den Beschäftigtendatenschutz: Gestaltungsspielräume für Gesetzgeber und Betriebsparteien, ArbRB 2016, 334; Weichert, EU-US-Privacy-Shield – Ist der transatlantische Datentransfer nun grundrechtskonform? Eine erste Bestandsaufnahme, ZD 2016, 209; Wiese, Genetische Untersuchungen und Analysen zum Arbeitsschutz und Rechtsfolgen bei deren Verweigerung oder Durchführung, BB 2011, 313; Vogt, Datenübertragung innerhalb und außerhalb des Konzerns, BB 2014, 245; Wisskirchen/ Schiller, Aktuelle Problemstellungen im Zusammenhang mit „Bring Your Own Device“, DB 2015, 1163; de Wolf, Kollidierende Pflichten: zwischen Schutz von E-Mails und „Compliance“ im Unternehmen, NZA 2010, 1206; Wybitul, Was ändert sich mit dem neuen EU-Datenschutzrecht für Arbeitgeber und

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Rz. 3 Kap. 1

Betriebsräte?, ZD 2016, 203; Wybitul, EU-Datenschutz-Grundverordnung in der Praxis – Was ändert sich durch das neue Datenschutzrecht, BB 2016, 1077; Wybitul, E-Mail-Auswertung in der betrieblichen Praxis, NJW 2014, 3605; Wybitul Neue Spielregeln bei Betriebsvereinbarungen und Datenschutz, NZA 2014, 225; Wybitul/Pötters, BAG definiert Beschäftigtendatenschutz neu, BB 2014, 437; Wybitul/SchultzeMelling, Datenschutz im Unternehmen, 2014; Wybitul/Sörup/Pötters, Betriebsvereinbarungen und § 32 BDSG: Wie geht es nach der DS-GVO weiter?, ZD 2015, 559; Wybitul/Böhm, Freier Wille auch im Arbeitsverhältnis? Einwilligungen als Mittel zum Umgang mit Beschäftigtendaten, BB 2015, 2101; Wolf/Mulert, Die Zulässigkeit der Überwachung von E-Mail-Korrespondenz am Arbeitsplatz, BB 2008, 442.

I. Einführung 1. Vorstellungsgespräch Veranlasst der Arbeitgeber ein Vorstellungsgespräch, trifft ihn grds. die Kostentragungspflicht, ohne dass es einer besonderen Vereinbarung bedarf. Es reicht dazu bereits aus, dass der Bewerber sich mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers vorstellt (M 1.1).1 Als Anspruchsgrundlage werden die Vorschriften des Auftragsrechts herangezogen, §§ 662–676 BGB.2 Der Anspruch umfasst die verkehrsüblichen und erforderlichen Auslagen (zB Fahrtkosten,3 Verpflegungsaufwand, ggf. Übernachtungskosten4), nicht aber den Zeitaufwand und Verdienstausfall, da der Arbeitgeber wegen des Entgeltfortzahlungsanspruchs des Bewerbers gegen seinen bisherigen Arbeitgeber (§ 616 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht mit einer Entgelteinbuße rechnen muss.5 Der Anspruch entsteht unabhängig davon, ob ein Arbeitsverhältnis zustande kommt.6

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Ein Anspruchsausschluss bzw. eine Anspruchsbeschränkung kann vereinbart werden. Es bedarf dazu seitens des Arbeitgebers einer ausdrücklichen und unzweideutigen Erklärung (M 1.2).7

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2. Einstellungs-/Personalfragebogen a) Zulässige Fragen Die Verwendung von Einstellungsfragebögen (M 1.3.1) ist grds. zulässig, da sie dem legitimen Interesse des Arbeitgebers an umfassender Information über den Bewerber entspricht. Da das Persönlichkeitsrecht und die Individualsphäre des Bewerbers jedoch ebenfalls schutzwürdig sind, ist er nur auf solche Fragen auskunftspflichtig, die in Zusammenhang mit der Arbeitsstelle stehen.8 Andere Fragen sind unzulässig.

1 LAG Nürnberg v. 25.7.1995, LAGE § 670 BGB Nr. 12; ErfK/Müller-Glöge, § 629 BGB Rz. 13 ff. 2 BAG v. 14.2.1977, DB 1977, 1193; BAG v. 29.6.1988 – 5 AZR 433/87, NZA 1989, 468; krit. Sieber/Wagner, NZA 2003, 1312. 3 Vgl. insb. zur Höhe der Fahrtkosten MünchKommBGB/Henssler, § 629 Rz. 31 f.; Roesner, BC 2012, 214, 217. 4 Diese sind nur erstattungsfähig, wenn eine An- und Abreise am selben Tag nicht zumutbar ist. 5 Str.; MünchKommBGB/Henssler, § 629 Rz. 35; Staudinger/Preis, § 629 BGB Rz. 26; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 25 Rz. 28; aA ArbG Berlin v. 25.6.1975, DB 1975, 1609. 6 Dies gilt nicht, wenn der Bewerber für die Stelle offensichtlich nicht in Betracht kommt oder den Arbeitgeber über seine Qualifikation getäuscht hat, Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 25 Rz. 25. 7 MünchKommBGB/Henssler, § 629 Rz. 27; ArbG Kempten v. 12.4.1994 – 4 Ca 0720/94, BB 1994, 1504. 8 BAG v. 7.6.1984 – 2 AZR 270/83, NZA 1985, 57; v. 11.11.1993 – 2 AZR 467/93, NZA 1994, 407; Riesenhuber, NZA 2012, 771. Zum Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellungsgesprächen im Ausland, Krimphove/Lüke, BB 2014, 2110 f.

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Kap. 1 Rz. 4

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Praxistipp: Unzulässige Fragen darf der Bewerber wahrheitswidrig beantworten. Ihm steht ein „Recht zur Lüge“ zu.9 Der Arbeitgeber kann einen daraufhin geschlossenen Arbeitsvertrag nicht wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anfechten, da es an der Rechtswidrigkeit der Täuschung fehlt.10 Auch eine Kündigung des Arbeitsvertrages aufgrund der wahrheitswidrigen Angabe scheidet dann aus.

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Neue Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Verwendung von Einstellungsfragebögen sind mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18.8.2006 entstanden.11 Die Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgeber sind dadurch stark eingeschränkt worden. Die vielen neuen Rechtsfragen, welche das AGG aufwirft, sind zum Großteil immer noch nicht höchstrichterlich geklärt.12 Bis dahin herrscht in diesem Bereich ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers bei der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien war es, den vermeintlich unzureichenden Diskriminierungsschutz im deutschen Recht durch das AGG umfassender zu gestalten.13 Das AGG erfasst Benachteiligungen aus Gründen – der Rasse, – der ethnischen Herkunft, – des Geschlechts, – der Religion oder Weltanschauung, – einer Behinderung, – des Alters oder – der sexuellen Identität.14

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Neben der unmittelbaren (§ 3 Abs. 1 AGG) ist auch die mittelbare (§ 3 Abs. 2 AGG) Benachteiligung untersagt. Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn Vorschriften, Kriterien oder Verfahren dem Anschein nach zwar neutral sind, aber tatsächlich Personen in besonderer Weise benachteiligen können, die durch die anerkannten Diskriminierungsmerkmale geschützt sind. Das ist schon bei der Stellenausschreibung zu beachten.15 Insoweit darf keines der in § 1 AGG genannten Merkmale als Einstellungsvoraussetzung formuliert werden, sofern nicht ausnahmsweise ein Rechtfertigungsgrund nach §§ 8 bis 10 AGG einschlägig ist. Verstöße beauftragter Dritter gegen die Diskriminierungsverbote des AGG im Rahmen der Stellenausschreibung werden dem Arbeitgeber zugerechnet.16

9 Das gilt auch nach Inkrafttreten des AGG, Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 170; Kania/Merten, ZIP 2007, 8, 11; Koop, oeAT 2012, 199. 10 Vgl. BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10, NZA 2012, 34; zur Anfechtung s. im Einzelnen Kap. 21. 11 Vgl. PWW/Lingemann, AGG, 12. Aufl. 2017; BK, AGG, 4. Aufl. 2015; ferner die Literaturübersicht „zum AGG“. 12 Zur Bilanz nach 10 Jahren AGG Bauer/Krieger, NZA 2016, 1041. 13 BT-Drucks. 16/1780, S. 22 f. 14 Vgl. § 1 AGG. 15 Zur AGG-konformen Ausgestaltung von Stellenausschreibungen vgl. Hoppe/Fuhlrott, ArbRAktuell 2013, 91; Laws, MDR 2013, 625. Zu den Anforderungen an eine Stellenausschreibung im Ausland, Krimphove/Lüke, BB 2014, 2108. 16 BVerfG v. 21.9.2006 – 1 BvR 308/03, NZA 2007, 195; BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 112/03, NZA 2004, 540; auch ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG richtet sich gegen den potentiellen Arbeitgeber und nicht gegen einen vom Arbeitgeber eingeschalteten Personalvermittler, selbst wenn dieser die endgültige Personalauswahl in alleiniger Verantwortung durchführt (vgl. BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 118/13, BB 2014, 1534 Rz. 26; Diller, NZA 2007, 649, 650 ff.). Der Personalberater kann sich gegenüber seinem Auftraggeber schadensersatzpflichtig machen, wenn er seine Verschwiegenheitspflicht dadurch verletzt, dass er die gegen das AGG verstoßenden Ablehnungsgründe an eine Bewer-

6 Lingemann

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Rz. 7 Kap. 1

Verstößt ein Arbeitgeber durch die Nichteinstellung eines Bewerbers aus diskriminierenden Motiven gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 AGG (der Bewerber gilt als Beschäftigter iSd § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG), kann dem Bewerber gemäß § 15 Abs. 1 AGG ein Schadensersatzanspruch sowie gemäß § 15 Abs. 2 AGG ein Entschädigungsanspruch zustehen,17 sofern der Arbeitnehmer den Anspruch innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG geltend macht.18 Die Ansprüche bestehen jedoch nicht, wenn eine unterschiedliche Behandlung gemäß §§ 8–10 AGG oder aufgrund einer positiven Maßnahme gemäß § 5 AGG gerechtfertigt ist. Eine mittelbare Benachteiligung scheidet bereits auf der Tatbestandsebene aus, sofern die unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt und angemessen und erforderlich ist (§ 3 Abs. 2 letzter Halbs. AGG).19 Nicht jede Frage nach einem Benachteiligungsgrund iSd. § 1 AGG muss deshalb zwingend eine verbotene Benachteiligung gemäß § 7 Abs. 1 AGG darstellen.20 In welchem Umfang die §§ 8–10 AGG unterschiedliche Behandlungen rechtfertigen können bzw. wann ein Sachgrund iSd. § 3 Abs. 2 letzter Halbs. AGG vorliegt, ist vor allem angesichts der Vielzahl der darin enthaltenden unbestimmten Rechtsbegriffe weiterhin unklar.

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berin weitergibt und diese in der Folge Entschädigungsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht (OLG Frankfurt v. 8.5.2014 – 16 U 175/13, NJW 2014, 3376 Rz. 27 ff.). Dieses Haftungsrisiko besteht nicht nur bei der Ablehnung ernsthafter Bewerber, sondern auch bei der Ablehnung von Bewerbern, die diskriminiert und abgelehnt werden wollen. Bei diesen Fällen des „AGG-Hoppings“ geht es dem Bewerber unter missbräuchlicher Anwendung des AGG lediglich darum, eine Geldentschädigung zu erhalten (dazu Diller, BB 2006, 1968; vgl. auch Einf. Kap. 13 Rz. 54; zu den strafrechtlichen Risiken vgl. Brand/Rahimi-Azar, NJW 2015, 2993). Ein Entschädigungsanspruch besteht nach bisherigem Stand jedoch nur dann, wenn der Bewerber objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht gekommen ist und sich subjektiv ernsthaft beworben hat, vgl. BAG v. 17.8.2010, NZA 2010, 153, 158. An einer solchen subjektiv ernsthaften Bewerbung fehlt es etwa dann, wenn der Bewerber auch für ihn erkennbar objektiv nicht für die Stelle in Betracht kommt, vgl. BAG v. 17.8.2010, NZA 2010, 153, 158; LAG Berlin-Brandenburg v. 31.10.2013 – 21 Sa 1380/13 oder zu als wesentlich erkennbaren Einstellungsvoraussetzungen keine Angaben macht oder völlig überzogene Vergütungsvorstellungen äußert, LAG Berlin v. 30.3.2006 – 10 Sa 2395/05, NZA-RR 2006, 513; vgl. auch PWW/Lingemann, § 2 AGG Rz. 4. Nach einem Vorlagebeschluss des BAG v. 18.6.2015, NZA 2015, 1063 hat der EuGH mit Urteil v. 28.7.2016 – Rs. C-423/15, NZA 2016, 1014 – Kratzer, entschieden, dass „Scheinbewerber“, die lediglich den Status als Bewerber erreichen wollen, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können, keinen „Zugang zur Beschäftigung“ iSd. Gleichbehandlungsrichtlinie suchen und insofern rechtsmissbräuchlich handeln; hierzu Bauer, ArbRAktuell 2015, 303; Horcher, NZA 2015, 1047; Rolfs, NZA 2016, 586; Schmidt, ZESAR 2015, 427; Stöhr, EWiR 2015, 555. Zur beweislastrelevanten Frage, ob bei Scheinbewerbern der Entschädigungsanspruch schon tatbestandlich oder erst auf Rechtsfolgenseite aufgrund eines Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen ist, nahm der EuGH keine Stellung; vgl. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 374. Zur Europarechtskonformität des § 15 Abs. 4 AGG s. EuGH v. 8.7.2010 – Rs. C-246/09, NZA 2010, 869 – Bulicke; s. auch Fischinger, NZA 2010, 1048; vom BAG wird diese Frist angewendet, vgl. BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 37/11, NZA 2012, 910. Bei Ablehnung (auch konkludent, BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 160/11) einer Bewerbung beginnt die Frist in dem Moment zu laufen, in dem der Bewerber von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Auf die Frist ist die Regelung des § 167 ZPO anzuwenden, BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 9 ff. Beachte hierzu aber auch BAG v. 16.3.2016 – 4 AZR 421/15, wonach § 167 ZPO im Rahmen einer tariflichen Ausschlussfrist keine Anwendung findet. Ob sich die Rechtsprechung auch auf § 15 Abs. 4 AGG übertragen lässt, ist offen. BK, § 3 AGG Rz. 31; PWW/Lingemann, § 3 AGG Rz. 11. Eine Benachteiligung ist aber nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Stelle nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens nicht mit einem anderen Bewerber besetzt wird. Die Benachteiligung liegt bereits in der Versagung einer Chance, sich in einem Vorstellungsgespräch zu beweisen. Ansonsten hätte es der Arbeitgeber in der Hand, einen Entschädigungsanspruch durch Nicht-Besetzung der Stelle zu verhindern (so BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 285/11, NZA 2013, 37 Rz. 23).

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Kap. 1 Rz. 8

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

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Der verschuldensabhängige21 Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG ist auf das positive Interesse, typischerweise den Verdienstausfall, gerichtet. Dabei dürfte nur die Vergütung bis zum ersten möglichen Kündigungstermin zu ersetzen sein, als Obergrenze ist jedenfalls § 10 KSchG entsprechend anzuwenden.22 Der verschuldensunabhängige23 Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG24 umfasst den Ersatz immaterieller Schäden. Eine Obergrenze existiert nur für den Fall, dass der benachteiligte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG. Im Umkehrschluss bedeutet dies zunächst, dass bei Nichteinstellung des bestplatzierten Bewerbers der Entschädigungsanspruch in der Höhe unbegrenzt besteht.25

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Eine unzulässige Frage selbst ist zwar benachteiligungsneutral, durch sie allein erfolgt noch keine Ablehnung und damit noch keine Benachteiligung des Bewerbers, zumal ihm bei unzulässigen Fragen das „Recht auf Lüge“ zusteht.

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Trotzdem ist hinsichtlich der in Einstellungsfragebögen enthaltenen Fragen äußerste Zurückhaltung geboten. Kann nämlich der Bewerber hinreichende Indizien beweisen,26 so bewirkt die Beweiserleichterung des § 22 AGG, dass dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast obliegt, er also das Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot und/oder eine Rechtfertigung zu beweisen hat.27 Solche Indizien28 können bereits Stellengesuche nach einem „jungen Mitarbeiter“29, Mitarbeiter für ein „junges 21 Teilweise wird unter Verweis auf EuGH v. 8.11.1990 – Rs. C-177/88, NZA 1991, 171 – Dekker; v. 22.4.1997 – Rs. C-180/95, NZA 1997, 645 – Draempaehl, geltend gemacht, das Verschuldenserfordernis in § 15 Abs. 1 AGG sei gemeinschaftsrechtswidrig und müsse insofern europarechtskonform ausgelegt werden (Deinert, DB 2007, 398, 399). Jedoch begründet bereits Abs. 2 einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch (PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 4; BK, § 15 AGG Rz. 15; Richardi, NZA 2006, 881, 885). 22 BK, § 15 AGG Rz. 26 ff.; PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 5 mwN; aA LAG Berlin-Brandenburg v. 26.11.2008 – 15 Sa 517/08, DB 2008, 2707. 23 Erforderlich ist allein ein dem Arbeitgeber zurechenbarer Verstoß; BAG v. 18.3.2010 – 8 AZR 1044/ 08, NZA 2010, 2970, 2973; v. 22.1.2009 – 8 AZR 906/07, NZA 2009, 945, 951. 24 Vgl. dazu die Zusammenfassungen bei Zimmerling/Zimmerling, öAT 2016, 175; Walker, NZA 2009, 5. 25 BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 530/09, NZA 2010, 1412 Rz. 78; a.A. MüKoBGB/Thüsing, § 15 AGG Rz. 10, der zu Recht auch bei der Nichteinstellung des bestplatzierten Bewerbers den Schadensersatz auf drei Monatsgehälter begrenzen möchte. 26 Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt und im Bestreitensfalle beweist, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Aus den Indizien muss lediglich der Schluss gezogen werden können, dass ein Benachteiligungsgrund für eine Benachteiligung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kausal geworden ist, vgl. BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, NZA 2015, 1380 Rz. 25; v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13, NJOZ 2015, 1065 Rz. 39 mwN; BK, § 22 AGG Rz. 4. 27 BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, NZA 2015, 1380 Rz. 25; v. 26.6.2014 – 8 AZR 547/13, NJOZ 2015, 1065 Rz. 39 mwN; v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10, NZA 2012, 34. 28 Zum sog. Testing-Verfahren, bei dem der Bewerber zugleich die Bewerbung eines fiktiven Bewerbers einreicht, um einen Diskriminierungsnachweis zu führen, vgl. Krieger/Günther, NZA 2015, 262. Danach hängt der Indizwert von Testing-Verfahren davon ab, ob zwei völlig identische Bewerbungen eingereicht wurden, die sich lediglich im Hinblick auf das geltend gemachte Diskriminierungsmerkmal unterscheiden. Speziell in Bezug auf das Diskriminierungsmerkmal „Alter“ vgl. LAG SchleswigHolstein v. 9.4.2014 – 3 Sa 401/13, BeckRS 2014, 69694. 29 BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 530/09, NZA 2010, 1412: Hier wurde im Stellengesuch nach einem „jungen“ Mitarbeiter gesucht. Die Stellenanzeige sei – so das BAG – nicht altersneutral verfasst und verstoße damit gegen die Verpflichtung aus § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz unter Verletzung des § 7 AGG nicht ausgeschrieben werden darf, soweit kein Rechtfertigungsgrund gemäß § 10 AGG vorliege.

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Rz. 11 Kap. 1

Team“30 oder „Berufsanfänger“31 bzw. „Young Professionals“32 entsprechende Fragen im Bewerbungsgespräch33, oder Fragen im Einstellungsfragebogen34 nach dem Vorliegen eines der Merkmale des § 1 AGG sein. Zulässig ist hingegen die Bezeichnung „Junior-…“ in Bezug auf die gesuchte Position.35 Dem Bewerber steht kein Auskunftsanspruch gegen den potentiellen Arbeitgeber dahingehend zu, ob ein anderer Bewerber eingestellt wurde und nach welchen Kriterien diese Einstellung erfolgt ist.36 Besondere Risiken bergen die Verfahrensvorschriften zum Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer und Bewerber. Der Arbeitgeber hat gemäß § 81 Abs. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 1 SGB IX nF37 zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Dazu hat er frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Kontakt aufzunehmen und die Schwerbehindertenvertretung über etwaige Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen zu unterrichten. Verletzt ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes diese Pflichten, so kann schon dies die Vermutung für eine Benachteiligung schwerbehinderter Beschäftigter wegen ihrer Behinderung gemäß §§ 1, 7, 22 AGG begründen.38 Zudem ist ein öffentlicher Arbeitgeber nach § 82 Satz 2 SGB IX/§ 165 Abs. 2 SGB IX nF grundsätzlich gehalten, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen.39 Zur Risikominimierung kann es insofern ratsam sein, zu den einzelnen Punkten im Fragebogen den Grund für das Interesse des Unternehmens an den Daten anzugeben. Auf diese Weise

30 Entscheidend sind hier aber die Umstände des Einzelfalles (LAG Kiel v. 29.10.2013 – 1 Sa 142/13; eine Diskriminierung hingegen aufgrund der Gesamtumstände verneinend LAG Nürnberg v. 16.5.2012 – 2 Sa 574/11; LAG München v. 13.11.2012 – 7 Sa 105/12). 31 BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498. 32 BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498; vgl. zu diesem Fall auch Mohr, NZA 2014, 459. 33 Nach BAG v. 17.12.2009 – 8 AZR 670/08, NZA 2010, 383 kann die Frage, ob der Bewerber an „Morbus Bechterew“ leide, ein Indiz für eine Diskriminierung wegen einer Behinderung gemäß § 22 AGG sein. 34 BAG v. 17.12.2009 – 8 AZR 670/08, NZA 2010, 383; PWW/Lingemann, § 22 AGG Rz. 5; Kania/Merten, ZIP 2007, 8, 13; Kleinebrink, ArbRB 2006, 374, 375; restriktiver jedoch BK, § 22 AGG Rz. 10, wonach idR weitere Umstände hinzutreten müssen, um die Indizwirkung zu begründen. 35 LAG Düsseldorf v. 9.6.2015 – 16 Sa 1279/14, NZA-RR 2015, 572. Ausführlich zu dem Thema auch Laws, MDR 2013, 628 ff. 36 EuGH v. 19.4.2012 – Rs. C-415/10, NZA 2012, 493 – Meister. Die unterbliebene Auskunft durch den Arbeitgeber kann allenfalls ein Indiz für eine Ungleichbehandlung darstellen. Entscheidend sind aber weiterhin alle Umstände des Einzelfalls. Dazu auch Koop, oeAT 2012, 199, 201 f. 37 Neufassung überwiegend ab 1.1.2018 gem. Bundesteilhabegesetz, BGBl. I 2016, 3234, Einzelheiten Kap. 16 Rz. 1 ff. 38 BAG v. 13.10.2011, AP AGG § 15 Nr. 9 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2011, 561; v. 12.9.2006 – 9 AZR 807/05, NZA 2007, 507. Zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung BAG v. 22.8.2013 – 8 AZR 574/12; v. 17.8.2010 – 9 AZR 839/08, NZA 2011, 153, 156. Unerheblich soll dabei sein, ob der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers hatte, BAG v. 13.10.2011, EzA § 15 AGG Nr. 16. Ausführlich zu dieser Problematik Kap. 16 Rz. 3. 39 Diese Pflicht besteht nur dann nicht, wenn der Bewerber offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Unterbleibt die erforderliche Einladung, ist eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu vermuten (BAG v. 11.8.2016 – 8 AZR 375/15, ArbRAktuell 2016, 433 m. Anm. Krieger; v. 16.2.2012 – 8 AZR 697/10, NZA 2012, 667; v. 21.7.2009 – 9 AZR 431/08, NZA 2009, 1087). Gleiches soll gelten, wenn der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle überqualifiziert ist und der Arbeitgeber seine ablehnende Entscheidung ausschließlich auf dieses Kriterium gestützt hat (LAG Saarbrücken v. 8.1.2014 – 1 Sa 61/12). Ein Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX/§ 165 Abs. 2 SGB IX nF kann nicht einmal dadurch geheilt werden, dass der Bewerber nachträglich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird (BAG v. 22.8.2013 – 8 AZR 563/12, NZA 2014, 82 Rz. 53).

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Kap. 1 Rz. 12

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

kann zum Zwecke der Rechtfertigung einer möglichen unterschiedlichen Behandlung dokumentiert werden, dass die Fragen nicht aus diskriminierenden Motiven gestellt werden.40 12

Zudem ist zu empfehlen, den Einstellungsfragebogen in zwei Fragebögen aufzuteilen: Der erste Fragebogen ist bereits im Bewerbungsverfahren auszufüllen,41 der zweite erst nach der Einstellung.42 Während der erste Fragebogen nach Möglichkeit nur Fragen enthalten sollte, die das AGG nicht berühren, können im zweiten auch Fragen gestellt werden, bei denen es zu Berührungen mit dem AGG kommt, wenn diese für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses zwingend erforderlich sind. Denn ist der Bewerber erst eingestellt, können die Fragen im Fragebogen kein Indiz für eine Benachteiligungen des Bewerbers bei der Einstellung mehr darstellen.43 Weiterhin sind jedoch Benachteiligungen – zB bei Beförderungen oder bei Probezeitkündigungen – denkbar. Deshalb gilt für beide Fragebögen, dass besonders risikobehaftete Fragen nur mit äußerster Zurückhaltung und nach eingehender Prüfung, ob eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt wäre, gestellt werden sollten. Maßgeblich für die Rechtfertigung sind idR die strengen Anforderungen des § 8 Abs. 1 AGG; danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen sind. Für die Benachteiligungsmerkmale „Religion“ und „Weltanschauung“ (§ 9 AGG) sowie wegen des Alters (§ 10 AGG) ist die Rechtfertigung gemäß §§ 9 bzw. 10 AGG unter leichteren Voraussetzungen möglich.

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Hinsichtlich beider Fragebögen ist wegen des Haftungsprivilegs, § 15 Abs. 3 AGG, die Verwendung aufgrund kollektivrechtlicher Vereinbarungen ratsam (dazu Rz. 17 ff.).

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Stellt der Arbeitgeber unzulässige Fragen, kann er sich neben den Ansprüchen aus dem AGG auch gemäß § 280 BGB bzw. aus c.i.c. gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB44 oder wegen unerlaubter Handlung nach den §§ 823 ff. BGB schadensersatzpflichtig machen (vgl. § 15 Abs. 5 AGG45). Beantwortet der Arbeitnehmer allerdings eine zulässige Frage46 bewusst falsch oder unvollständig, so kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anfechten (dazu näher Kap. 21) oder außerordentlich gemäß § 626 BGB kündigen, wenn die wahrheitswidrige Antwort für die Einstellung kausal war und der Bewerber dies wusste oder erkennen musste.47 b) Beteiligung des Betriebsrats und Haftungsprivilegierung

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Der Fragebogen bedarf der Zustimmung des Betriebsrats nach § 94 Abs. 1 BetrVG.48 Das gilt auch für Änderungen an bereits bestehenden Fragebögen. Dazu ist eine Betriebsvereinbarung 40 41 42 43 44 45 46 47

48

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Schrader, DB 2006, 2571, 2572. Vgl. M 1.3.1. Vgl. M 1.3.2. Kleinebrink, ArbRB 2006, 374, 377; Grobys, NJW-Spezial, Heft 2, 2007, 81, 82; Kania/Merten, ZIP 2007, 8, 13; Roesner, BC 2012, 214, 217. Str., BK, § 15 AGG Rz. 65; aA Däubler/Bertzbach/Deinert, § 15 AGG Rz. 24. BK, § 15 AGG Rz. 65 ff.; vgl. PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 20. Zum Fragerecht allgemein Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 26 Rz. 16 ff. BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10, NZA 2012, 34; v. 6.2.2003 – 2 AZR 621/01, NZA 2003, 848; v. 11.11.1993 – 2 AZR 467/93, NZA 1994, 407; Einzelheiten Einf. Kap. 21 Rz. 12 ff. Eine Anfechtung kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer eine besondere Vertrauensstellung einnehmen soll, dazu Söhl, ArbRAktuell 2014, 166. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich ausschließlich auf die Erhebung der persönlichen Daten der Bewerber, nicht hingegen auf die Entscheidung über die Einführung von Personalfragebögen als solchen, LAG Nürnberg v. 21.12.2010 – 6 TaBVGa 12/10.

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Rz. 20 Kap. 1

bzw. nach anderer Ansicht lediglich eine formfreie Regelungsabrede erforderlich.49 Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann sie durch die Einigungsstelle ersetzt werden, § 76 Abs. 5 BetrVG. Der Betriebsrat hat insoweit auch über die Einhaltung des AGG zu wachen (vgl. 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), wobei die Grenzen dieser Überwachungspflicht streitig sind.50 Praxistipp: Fragen, die in einem ohne Zustimmung des Betriebsrats verwendeten Fragebogen gestellt werden, muss der Bewerber gleichwohl wahrheitsgemäß beantworten, wenn die Fragen individualrechtlich zulässig sind.51

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Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats gemäß § 94 Abs. 1 BetrVG birgt für den Arbeitgeber auch einen Vorteil. Denn § 15 Abs. 3 AGG sieht eine Haftungsprivilegierung für den Fall vor, dass der Arbeitgeber eine kollektivrechtliche Vereinbarung (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Dienstvereinbarung) anwendet; er haftet dann nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.52

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Gemäß dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 AGG gilt die Haftungsprivilegierung nur für Entschädigungen, also Ansprüche gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Unseres Erachtens handelt sich dabei jedoch um ein Redaktionsversehen, da die „höhere Richtigkeitsgewähr“53 kollektivrechtlicher Vereinbarungen gegenüber Schadensersatzansprüchen gemäß § 15 Abs. 1 AGG ebenfalls besteht.54

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Praxistipp: Wegen der Privilegierungswirkung des § 15 Abs. 3 AGG ist eine „Absicherung“ des Einstellungsfragebogens mit Hilfe kollektivrechtlicher Vereinbarungen ratsam. Dadurch vermindert sich das Haftungsrisiko bei Fragen, deren Zulässigkeit nach Inkrafttreten des AGG zweifelhaft geworden ist.55

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3. Datenschutz Derzeit sind für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis und für dessen Anbahnung noch die Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) maßgeblich. Dabei spielt insbesondere die Regelung des § 32 BDSG eine Rolle, die der Datenerhebung im Beschäftigungsverhältnis enge Grenzen setzt.56 Die personenbezogenen Daten57 des Beschäftigten58 werden danach umfassend vor dem Zugriff des 49 Für die Betriebsvereinbarung: Richardi, § 94 BetrVG Rz. 43. Für die Regelungsabrede: Heinze/Heinze, NZA 1994, 580, 583; LAG Hessen v. 8.1.1991, DB 1992, 534. Wegen der Privilegierung (vgl. Rz. 17) empfiehlt es sich, sicherheitshalber eine Betriebsvereinbarung zu treffen. Diese bedarf nach § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG der Schriftform. 50 Vgl. Besgen, BB 2007, 213, 216; Däubler, AiB 2006, 614, 617. Der Betriebsrat erhält durch § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kein zusätzliches Mitbestimmungsrecht; durch § 17 AGG hat sich das nicht geändert, Fitting, § 80 BetrVG Rz. 14. Allgemein zu den Beteiligungsrechten Walk/Shipton, BB 2010, 1917. 51 BAG v. 2.12.1999 – 2 AZR 724/98, NZA 2001, 107 zum Personalvertretungsrecht; GK-BetrVG/Kraft, § 94 Rz. 24; aA Fitting, § 94 Rz. 35. 52 BT-Drucks. 16/1780, S. 38; s. auch Bauer/Evers, NZA 2006, 893, 897; ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rz. 14. 53 BT-Drucks. 16/1780, S. 38. 54 Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2005, 32, 35; Däubler/Berg, § 15 AGG Rz. 11. 55 BK, § 15 Rz. 43. 56 Neben dem BDSG sind auch die Regelungen der Landesdatenschutzgesetze zu beachten, vgl. zum DSG NRW BAG v. 15.11.2012 – 6 AZR 339/11, DB 2013, 584. 57 Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, in diesem Fall des Beschäftigten, § 3 BDSG. Diese Begriffsdefinition wurde fast wortwörtlich vom Unionsgesetzgeber aufgegriffen, Art. 4 Nr. 1 DSGVO; zur Definition nach der DSGVO Schantz, NJW 2016, 1841, 1842 f. 58 Der datenschutzrechtliche Begriff des Beschäftigten umfasst nach § 3 Abs. 11 BDSG neben Arbeitnehmern, auch vor und nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, u.a. Auszubildende, Heimarbeiter, Beamte, arbeitnehmerähnliche Personen und Zivildienstleistende. Zum Beschäftigtenbegriff der DSGVO vgl. Maschmann, DB 2016, 2480 f. Danach ist der Begriff „Beschäftigter“ in Art. 88 DSGVO eng auszulegen.

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Arbeitgebers geschützt. Zudem bestehen Beteiligungsrechte zugunsten des Betriebsrats.59 Die Beschäftigten genießen jedoch nicht nur den Schutz der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Vielmehr unterliegen sie selbst gewissen Bindungen. So ist ihnen gem. § 5 Satz 1 BDSG untersagt, persönliche Daten, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt werden, unbefugt zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen (Datengeheimnis). Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer zu Beginn ihrer Tätigkeit auf das Datengeheimnis zu verpflichten.60 Ab dem 2018 wird das BDSG durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) abgelöst, die das Datenschutzrecht auf europäischer Ebene weitreichend61 vereinheitlichen wird.62 Die DSGVO schreibt zwar im Kern die bisherigen datenschutzrechtlichen Grundprinzipien fort,63 sieht jedoch an einigen Stellen Abweichungen zur deutschen Rechtslage vor.64 Eine Datenverarbeitung kann nur dann rechtmäßig erfolgen, wenn die Vorgaben des Art. 5 DSGVO65 eingehalten werden und die Datenverarbeitung auf eine der Ermächtigungsgrundlagen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO66 gestützt werden kann. Von zentraler Bedeutung ist zudem die Regelung des Art. 24 Abs. 1 DSGVO, die eine umfassende Beweislastumkehr zu Lasten der datenverarbeitenden Stelle67 vorsieht.68 Zudem werden die Transparenzpflichten sowie die Rechte der von

59 Zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen an Betriebsvereinbarungen vgl. Gola/Schomerus/Klug/ Gola/Körffer, § 4 BDSG Rz. 10a; Wybitul, NZA 2014, 225. Von besonderer Bedeutung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Im Rahmen einer Interessenabwägung müssen die Betriebsparteien dem Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter hinreichend Rechnung tragen, (vgl. BAG v. 9.7.2013 – 1 ABR 2/13 (A), NZA 2013, 1433 Rz. 22). Diese Grundsätze gelten auch bei der Einführung eines Whistleblowing-Systems (Lelley/Winckler, ArbRB 2014, 237, 240); s. dazu auch M 70.1. Zum Verhältnis des Betriebsrats zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten s. Bommer, ZD 2015, 123; Kort, NZA 2015, 1345, 1348 ff. 60 Zu den Anforderungen an die Verpflichtungserklärung vgl. Gola/Klug/Körffer in Gola/Schomerus, § 5 BDSG Rz. 10 ff. 61 So wird das derzeit noch vorherrschende Territorialitätsprinzip durch das Marktortprinzip ersetzt. Sofern sich ein Angebot an einen bestimmten nationalen Markt richtet, unterliegt es daher auch der nationalen Datenschutzaufsicht, Art. 3 Abs. 2 DSGVO; dazu auch Albrecht, CR 2016, 88, 90; Schantz, NJW 2016, 1841, 1842; vgl. dazu auch die Beispiele bei Wybitul, BB 2016, 1077, 1079. 62 Zur Anpassung und Umsetzung s. Entwurf des Datenschutz-Anpassungs- und UmsetzungsgesetzesEU (DSAnpUG-EU), BT-Drucks. 18/11325 v. 24.2.2017. Ein allgemeiner Überblick über die Entstehungsgeschichte und Gewährleistungen der DSGVO findet sich ua. bei Albrecht, CR 2016, 88 ff. 63 Die Datenverarbeitung ist auch weiterhin als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet. Eine Datenverarbeitung ist daher nur dann möglich, wenn ein Erlaubnistatbestand iSv. Art. 6 DSGVO vorliegt. 64 Zu den Änderungen im Einzelnen Sörup/Marquardt, ArbRAktuell 2016, 103, 105; Wybitul/Sörup/Pötters, ZD 2015, 559. 65 Zu den in Art. 5 DSGVO aufgeführten Prinzipien zählen die Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Verarbeitung nach Treu und Glauben, der Zweckbindung, der Datensparsamkeit, der Richtigkeit und der Begrenzung der Speicherdauer; dazu Schantz, NJW 2016, 1841, 1843 f. 66 Für die Unternehmen von besonderer Bedeutung werden hierbei die Tatbestände der Einwilligung (lit. a), der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung (lit. c, d) und des berechtigten Interesses (lit. f) sein. Zu den „berechtigten Interessen“ kann auch die Datenübermittlung innerhalb einer Unternehmensgruppe zählen, Erwägungsgrund (EG) 48; dazu zählt auch die Datenübertragung im Beschäftigungskontext, Kort, DB 2016, 711, 715. 67 Zukünftig wird die verantwortliche Stelle als „Verantwortlicher“ bezeichnet, Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Die Auftragsdatenverarbeitung wird zukünftig in Art. 28 DSGVO geregelt; dazu Kort, DB 2016, 711, 716; Schantz, NJW 2016, 1841, 1846. 68 Danach hat der Verantwortliche sicherzustellen, dass die personenbezogenen Daten nach den Vorgaben der Verordnung verarbeitet werden, dazu Wybitul, BB 2016, 1077, 1078. Diese Rechtspflicht kann insbesondere bei späteren Rechtsstreitigkeiten mit Betroffenen relevant werden. Die Unternehmen sehen sich daher zukünftig erhöhten prozess- und haftungsrechtlichen Risiken ausgesetzt.

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der Datenverarbeitung Betroffenen erheblich ausgeweitet.69 Bei Verstößen gegen die Vorgaben der DSGVO drohen den Unternehmen erhebliche Sanktionen.70 Die DSGVO sieht in Art. 88 eine Öffnungsklausel im Bereich des Beschäftigungsdatenschutzes vor.71 Die Vorgaben des § 32 BDSG dürften daher grundsätzlich weiterhin Anwendung finden.72 Eine Datenerhebung im Beschäftigtenverhältnis wird auch unter dem Regime der DSGVO insbesondere dann zulässig sein, wenn der Arbeitnehmer im Vorfeld seine Einwilligung erklärt hat73 oder berechtigte Belange des Arbeitgebers74 die Datenerhebung rechtfertigen können. Auch Betriebsvereinbarungen können weiterhin einen Erlaubnistatbestand darstellen.75 69 Art. 12 ff. DSGVO; dazu auch Sörup/Marquardt, ArbRAktuell 2016, 103, 105; Wybitul, BB 2016, 1077, 1079. Der Betroffene ist umfänglich über die Datenverarbeitung zu informieren, Art. 13 Abs. 1 DSGVO. Damit korrespondierend besteht ein umfassendes Auskunftsrecht des Betroffenen, Art. 15 DSGVO. Zudem kann der Betroffene unter erleichterten Voraussetzungen die Löschung bzw. Berichtigung seiner personenbezogenen Daten verlangen, Art. 16 f. DSGVO. 70 Dazu Faust/Spittka/Wybitul, ZD 2016, 120 ff. Die maximale Geldbuße beträgt – je nach dem höheren Wert – bis zu 20 Mio. Euro oder 4 % des gesamten weltweiten Konzernumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr. Zudem können die Betroffenen Schadenersatz für materielle oder immaterielle Einbußen verlangen, Art. 82 Abs. 1 DSGVO. 71 Danach können die Mitgliedstaaten durch Rechtsvorschriften und Kollektivvereinbarungen spezifischere Vorschriften im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes erlassen; vgl. dazu Düwell/Brink, NZA 2016, 665 ff.; Kort, DB 2016, 711 ff.; Maschmann, DB 2016, 2480 ff.; Sörup/Marquardt, ArbRAktuell, 2016, 103 ff.; Taeger/Rose, BB 2016, 819, 830 f.; Tiedemann, ArbRB 2016, 334 ff. Der deutsche Gesetzgeber hat den ersten Entwurf für ein entsprechendes Öffnungsgesetz nach erheblicher Kritik aus dem Schrifttum wieder zurückgezogen. 72 Dazu Düwell/Brink, NZA 2016, 665, 667 f.; Tiedemann, ArbRB 2016, 334, 337. § 32 BDSG wird sich aber zukünftig auch maßgeblich am Grundprinzip der Transparenz messen lassen müssen. Insofern kann eine Umgestaltung der Norm angezeigt sein, Taeger/Rose, BB 2016, 819, 830 f. Maschmann, DB 2016, 2480 f., geht hingegen davon aus, dass § 32 BDSG von der Öffnungsklausel des Art. 88 DSGVO nicht gedeckt ist, da der persönliche Anwendungsbereich der Norm nicht nur Arbeitnehmer im klassischen Sinne erfasst. § 32 BDSG ist auch insofern weiter gefasst, als dass auch nichtautomatisierte Verarbeitungsvorgänge einer Ermächtigungsgrundlage bedürfen, vgl. Tiedemann, ArbRB 2016, 334, 337. 73 Unter der DSGVO sind auch im Beschäftigtenverhältnis freiwillige Einwilligungen denkbar, dazu EG 155. Die Voraussetzungen, unter denen der Betroffene wirksam in die Datenerhebung einwilligen kann, sind in Art. 7 DSGVO aufgeführt; zu den Voraussetzungen ausführlich Schantz, NJW 2016, 1841, 1844. Danach hat die Einwilligung zwar nicht zwingend schriftlich zu erfolgen, vgl. EG 32. Nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO hat der Verantwortliche jedoch nachzuweisen, dass eine wirksame Einwilligung vorliegt. Daher bietet sich auch unter der DSGVO eine schriftliche Einwilligungserklärung an. Zudem haben die Unternehmen zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Einwilligung jederzeit widerrufen kann, Art. 7 Abs. 3 DSGVO. Eines plausiblen Grunds – wie vom BAG vorausgesetzt (BAG v. 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13, AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 43) – bedarf es daher für den Widerruf nicht. 74 Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO. Durch die DSGVO wird – zumindest im eingeschränkten Umfang – das im deutschen Recht noch fehlende Konzernprivileg eingeführt; dazu Kort, DB 2016, 711, 715; Tiedemann, DB 2016, 334, 336 f.; Wybitul, BB 2016, 1077, 1081. Datenübertragungen im Konzern können daher auch ohne Zustimmung der Betroffenen zulässig sein. Erforderlich ist aber stets eine Interessenabwägung, die auch die Interessen des Betroffenen in den Blick zu nehmen hat, Sörup/Marquardt, ArbRAktuell 2016, 103, 104 f. Bei Datentransfers in Drittländer sind zudem die Vorgaben der Art. 40 ff. DSGVO zu beachten. Die Anforderungen an Datenübertragungen im Konzern nach der geltenden Rechtslage beschreibt Vogt, BB 2014, 245 ff. 75 Betriebsvereinbarungen dürfen aber nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer von den Vorgaben der DSGVO abweichen, dazu Kort, DB 2016, 711, 714 f.; Wybitul/Sörup/Potters, ZD 2015, 559, 561. Mit den Anforderungen, die die neue DSGVO an bestehende Betriebsvereinbarungen stellt, befassen sich Maschmann, DB 2016, 2480, 2485 f.; Tiedemann, ArbRB 2016, 334, 337; Wybitul, ZD 2016, 203 ff.; Wybitul/Sörup/Pötters, ZD 2015, 559, 561 ff. Danach sind die Betriebsparteien gehalten, die im Betrieb

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Stark umstritten ist die Zulässigkeit von Pre Employment Screenings durch Internet-Recherche. Hier dürfte die Recherche von Daten, die der Bewerber selbst ins Internet gestellt oder dort allgemein zugänglich gemacht hat, also Daten, die über die Suchmaschinen wie Google und Yahoo erhoben werden können, zulässig sein. Demgegenüber ist eine Nutzung sozialer Netzwerke zum Zwecke des Screenings wohl nicht zulässig, soweit es sich um freizeitorientierte Netzwerke handelt, wie zB Facebook. Die Daten in solchen Netzwerken sind insoweit nicht „allgemein zugänglich“ iSv. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG. Zudem überwiegt wegen der Freizeitorientierung das Interesse des Bewerbers gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG. Bei berufsorientierten Netzwerken wie Xing oder LinkedIn überwiegt das Interesse des potentiellen Arbeitgebers, soweit die Daten unmittelbar beim Profil des Bewerbers erhoben werden. Bei einer Erhebung auf dem Profil Dritter hingegen dürfte wiederum das Bewerberinteresse überwiegen, da diese Daten nicht zur Nutzung durch weitere Nutzer zur Verfügung gestellt wurden.76 Nach überwiegender Auffassung soll auch eine weitergehende Einwilligung den zulässigen Rahmen nicht erweitern können.77 Regelmäßig zulässig dürfte auch die Datenerhebung bei früheren Arbeitgebern sein, um die beruflichen Angaben des Bewerbers zu verifizieren.78 Bei der Durchführung von Assessment Centern ist die Erhebung von personenbezogenen Daten der Bewerber nur zulässig, wenn der Arbeitgeber die Daten benötigt, um den bestgeeigneten Kandidaten auszuwählen, und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt bleibt. Die Verhältnismäßigkeit ist für jede Einzelübung innerhalb des Assessment Centers gesondert zu betrachten.79 Datenschutzrechtliche Probleme können sich aber auch im bestehenden Arbeitsverhältnis ergeben.80 Zu Einzelheiten des Datenschutzes und Formulierungsvorschlägen für Einwilligungserklärungen s. Kap. 70 Einf. sowie M 70.6. Arbeitgeber haben regelmäßig ein Interesse daran, die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter zu kontrollieren bzw. auszuwerten, sei es aus geschäftlichen Interessen oder um mögliche Verstöße gegen arbeitsvertragliche Vorgaben oder strafrechtliche Vorschriften feststellen zu können.81 Die Anforderungen an die Verwertung von Erkenntnissen aus privater E-Mail-Kommunikation und privaten Chat-Unterhaltungen richten sich primär danach, ob der Arbeitgeber die private Nutzung zuvor zugelassen hat.82 Bei einem strikten Verbot der Privatnutzung sind ledig-

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geltenden Betriebsvereinbarungen auf ihre Konformität mit der DSGVO zu überprüfen und – soweit erforderlich – entsprechend anzupassen. Vgl. zum ganzen Howald, öAT 2013, 133; Kania/Sansone, NZA 2012, 360, 363. Gola, RDV 2011, 109, 114; Kania/Sansone, NZA 2012, 360, 363; Riesenhuber, RdA 2011, 257, 261. Kania/Sansone, NZA 2012, 360, 363. Überblick bei Carpenter, NZA 2015, 466, 467. Danach bergen Gruppendiskussionen höhere Risiken für eine unzulässige Diskriminierung nach dem AGG als Einzelübungen. Auch im bestehenden Arbeitsverhältnis können die Arbeitnehmer frei entscheiden, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen. Einer freien Entscheidung über die Einwilligung in eine Datenerhebung steht weder die Tatsache, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind, noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers entgegen, BAG v. 19.2.2015, AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 43 Rz. 30; v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13, NZA 2015, 604 Rz. 32. Dieser Grundsatz gilt auch unter der neuen DSGVO, dazu Fn. 72. Zu den datenschutzrechtlichen Risiken bei der Speicherung von Beschäftigtendaten in Cloud-Systemen vgl. Pötters, NZA 2013, 1055. Besondere Vorsicht ist bei der Überwachung mittels Videokameras geboten, vgl. Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 153 Rz. 14 f.; Schrader/Mahler, NZA-RR 2016, 57, 58 f. Zur Auswertung von E-Mails ausgeschiedener Mitarbeiter, Dzida/Klopp, ArbRB 2015, 83. Zur Kontrolle mittels eines Detektivs LAG BW v. 20.7.2016 – 4 Sa 61/15 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 532. Dies sollte ausdrücklich geregelt werden, bspw. durch eine Unternehmensrichtlinie oder durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung, s. M 37.5.

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lich die Vorgaben des § 32 BDSG zu beachten.83 In Gerichtsverfahren können solche Erkenntnisse als Beweise verwertet werden, wenn gegen den Arbeitnehmer der Verdacht einer Straftat oder eines schweren Vertrauensbruchs84 gegen das Unternehmen besteht, andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen und eine Abwägung zugunsten des Arbeitgebers ausfällt.85 Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer zuvor auf die mögliche Verwertung seiner persönlichen Daten hingewiesen worden ist.86 Werden private Endgeräten des Arbeitnehmers für betriebliche Interessen eingesetzt („Bring Your Own Device“)87 ist bei einem Zugriff auf personenbezogene Daten auf eine strikte Trennung des privaten vom dienstlichen Datenbereich zu achten.88 Ähnliche Erwägungen gelten bei der Nutzung von sog. Wearables am Arbeitsplatz.89 Anders stellt sich die Rechtslage hingegen bei der Nutzung von Bilddateien von Arbeitnehmern, insbesondere zu Werbezwecken, dar.90 Hier finden vorrangig die Regelungen des KUG Anwendung. Danach bedarf die Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos grundsätzlich der Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers.91 Möchte der Arbeitnehmer eine einmal erteilte Ein-

83 Wybitul, NJW 2014, 3605, 3607. Zu den Voraussetzungen des § 32 BDSG im Einzelnen s. v. Brühl/ Sepperer, ZD 2015, 415, 417 f. 84 AA LAG BW v. 20.7.2016 – 4 Sa 61/15 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 532. Danach sind Erkenntnisse, die der Arbeitgeber durch eine rechtswidrige Überwachungsmaßnahme erlangt hat, nur nach Maßgabe des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG verwertbar. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG lässt die Verwertung aber nur beim Vorliegen einer Straftat zu. Darunter fallen bloße Vertragsverletzungen aber gerade nicht. 85 LAG Hamm v. 10.7.2012 – 14 Sa 1711/10; zustimmend Scheben/Klos, CCZ 2013, 88; Wybitul, NJW 2014, 3605, 3609; aA bei Koch, NZA 2008, 911, 912 f.; de Wolf, NZA 2010, 1206, 1208, die den Arbeitgeber als Diensteanbieter iSd § 3 Nr. 6 TKG ansehen und daher eine Eingriffsmöglichkeit wegen des Fernmeldegeheimnisses verneinen; differenzierend v. Brühl/Sepperer, ZD 2015, 415, 416. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht insofern noch aus. Im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 206 StGB sollte daher bei der Auswertung privater E-Mails Zurückhaltung geübt werden. Ähnliche Erwägungen gelten bei der Auswertung von E-Mails ausgeschiedener Mitarbeiter, Dzida/Klopp, ArbRB 2015, 83. Ein Beweisverwertungsverbot besteht jedoch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen des Prozesses zum Inhalt der E-Mail-Korrespondenz vorträgt, LAG Hamm v. 4.9.2014 – 8 Sa 90/14 m. Anm. Herberger, DB 2016, 656. Zur Überprüfung des elektronischen Terminkalenders des Arbeitnehmers vgl. Grimm, jM 2016, 17, 21. 86 Ähnliche Erwägungen gelten bei einer heimlichen Schrankkontrolle. Ein solcher Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ist nur dann gerechtfertigt, wenn gegen den Arbeitnehmer der schwerwiegende Verdacht einer Straftat besteht und die Durchsuchung geeignet, erforderlich und angemessen ist. Im Regelfall wird die Durchsuchung im Beisein des Arbeitnehmers aber ein milderes Mittel darstellen, BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 546/12, NZA 2014, 143 m. Anm. Schuster, FD-ArbR 2014, 354958; kritisch Wybitul/Pötters, BB 2014, 437, 442. Die Durchsuchung des Büros des Arbeitnehmers ist im Regelfall vom Hausrecht des Arbeitgebers gedeckt und daher auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers zulässig, Schrader/Mahler, NZA-RR 2016, 57, 65. 87 Hier stellt sich wiederum das Problem, ob der Arbeitgeber als Diensteanbieter anzusehen ist und damit vorrangig die Regelungen des TKG Anwendung finden, s. dazu Fn. 90. 88 Hierfür können sog. Container-Apps verwendet werden. Zu den Anforderungen im Einzelnen vgl. Pollert, NZA-Beil. 2014, 152. Es bietet sich insofern der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung an, Wisskirchen/Schiller, DB 2015, 1163. 89 Dabei handelt es sich bspw. um Fitnessarmbänder, Datenbrillen oder Sensoren in der Kleidung, die als Arbeitsmittel eingesetzt werden oder betrieblich veranlasste Gesundheitsprogramme unterstützen können. Zu den datenschutzrechtlicher Problematik bei der Verwendung von Wearables in der betrieblichen Sphäre s. Kopp/Sokoll, NZA 2015, 1352. 90 Speziell zum Recht am eigenen Bild in sozialen Netzwerken, Lauber-Rönsberg, NJW 2016, 744. 91 Eine Einwilligung ist jedoch nicht erforderlich, wenn ein Ausnahmetatbestand des § 23 KUG einschlägig ist. Bei der Abbildung von Arbeitnehmerin kommen hierbei insbesondere die § 23 Nr. 1,

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willigung widerrufen, braucht er hierfür einen plausiblen Grund. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genügt hierfür für sich gesehen nicht.92 In Hinblick auf Datenübertragungen in die Vereinigten Staaten besteht nach der Safe-HarborEntscheidung des EuGH93 Rechtsunsicherheit. Mit Beschluss vom 12.7.2016 hat die EU-Kommission zwar die Nachfolgeregelung „EU-US Privacy Shield“ in Kraft gesetzt und damit eine neue rechtliche Grundlage für transatlantische Datenübertragungen geschaffen.94 Dennoch werden Zweifel geäußert an der Vereinbarkeit des EU-US Privacy Shield mit der EU-Datenschutzgrundverordnung.95 Bis zu einer Entscheidung durch den EuGH sollten die betroffenen Unternehmen daher auf alternative Rechtsgrundlagen – etwa individuelle Einwilligungserklärungen, Standardvertragsklauseln oder Binding Corporate Rules zurückgreifen.96 4. Beteiligung des Betriebsrats bei der Einstellung 22

Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor97 jeder Einstellung98 zu un-

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Nr. 2 KUG in Betracht, dh. bei Bildern aus dem Bereich der Zeitgeschichte oder bei denen der Arbeitnehmer nur als „Beiwerk“ abgebildet wird. Ist § 23 KUG nicht einschlägig, bedarf es hingegen einer ausdrücklichen anlassbezogenen Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers, die schriftlich abzugeben ist und freiwillig erfolgen muss, BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13, NZA 2015, 604 Rz. 26; BAG v. 19.2.2015 – 8 AZR 1011/13; zustimmend Benecke/Groß, NZA 2015, 833, 835; aA Dreier/Schulze/Dreier/Specht, UrhG, § 22 KUG Rz. 17, wonach die Einwilligung auch konkludent erfolgen kann. Die Freiwilligkeit ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil im Arbeitsverhältnis ein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht, BAG v. 11.12.2014, NZA 2015, 604 Rz. 32. Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung diese Grundsätze auch auf die Einwilligung nach § 4a BDSG übertragen wird, Wybitul/Böhm, BB 2015, 2101, 2104. Vielmehr ist eine Abwägung der gegenseitigen Interessen im Einzelfall vorzunehmen, BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13, NZA 2015, 604 Rz. 38 ff. Das BAG lässt dabei offen, ob auch der Widerruf schriftlich zu erfolgen hat, so Thüsing/Thüsing/Traut, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, § 5 Rz. 32 mwN; ablehnend hingegen Grau/Schaut, NZA 2015, 981, 984. EuGH v. 6.10.2015 – Rs. C-362/14, NZA 2015, 1373 – Schrems, In diesem Urteil hat der EuGH klargestellt, dass die Vereinigten Staaten auf Grundlage der Safe-Harbor-Vereinbarung kein angemessenes Schutzniveau in Bezug auf personenbezogene Daten gewährleisteten; dazu auch Fuchs, BB 2015, 3074. ABl. EU Nr. L 207 v. 1.8.2016, S. 1 ff. Kritisch etwa Börding, CR 2016, 431; Weichert, ZD 2016, 209. Ebenfalls kritisch hat sich die Art. 29Datenschutzgruppe zu dem Entwurf geäußert, dazu ZD-Aktuell 2016, 05108. Das Gremium bemängelt insbesondere die weitgehenden Zugriffsrechte der US-Sicherheitsbehörden. Zwar begegnen auch diese Übermittlungstatbestände vor dem Hintergrund der Safe-Harbor-Entscheidung des EuGH rechtlichen Bedenken. Da allein er über die Gültigkeit von EU-Rechtsakten entscheiden kann, haben diese Datenübermittlungsinstrumente jedoch bis zu einer eindeutigen Entscheidung durch den EuGH weiterhin die Gewähr der Richtigkeit für sich, v. Lewinski, EuR 2016, 405, 411 f. Zu dieser Thematik auch Determann/Weigl, EuZW 2016, 811; Grau/Granetzny, NZA 2016, 405, 407; Niklas/Faas, ArbRAktuell 2016, 473, 475. Die Unternehmen sollten die weitere Entwicklung in diesem Bereich aber weiterhin aktiv verfolgen. Die Unterrichtung hat rechtzeitig zu erfolgen. Einstellung ist die rein tatsächliche Eingliederung in den Betrieb, ohne dass es auf das Rechtsverhältnis zum Arbeitgeber ankommt. Daher ist auch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern von dem Begriff umfasst, BAG v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12, NZA 2014, 214 Rz. 21; v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/ 11, NZA 2013, 1296 Rz. 16; v. 9.3.2011 – 7 ABR 137/09, NZA 2011, 871. Dasselbe gilt für die Umwandlung von befristeten in unbefristete Arbeitsverhältnisse, BAG v. 27.10.2010 – 7 ABR 86/09, NZA 2011, 418 Rz. 22; v. 23.6.2009 – 1 ABR 30/08, NZA 2009, 1162; und die Auf- bzw. Übernahme von Auszubildenden, BAG v. 30.9.2008, NJOZ 2009, 288 Rz. 21; v. 20.4.1993 – 1 ABR 59/92, NZA 1993, 1096; v. 3.10.1989 – 1 ABR 68/88, NZA 1990, 366. Keine Einstellung ist zwar idR die Beschäftigung

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Rz. 25 Kap. 1

terrichten und dessen Zustimmung einzuholen (M 1.6). Er muss dazu die Personalien aller Bewerber mitteilen.99 Der Betriebsrat kann die Zustimmung nur in den in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Fällen verweigern; insbesondere kann er gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG seine Zustimmung zur Einstellung wohl auch verweigern, wenn diese gegen das AGG verstößt.100 Macht der Betriebsrat von diesem Recht Gebrauch, kann der Arbeitgeber die Zustimmung durch das Arbeitsgericht gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzen lassen. In dringenden Fällen kann er nach § 100 BetrVG vorgehen. Die Einstellung leitender Angestellter ist dem Betriebsrat gemäß § 105 BetrVG lediglich mitzuteilen; zu Einzelheiten und Formulierungsvorschlägen siehe Kap. 9. Wichtig: Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Betriebsrats ein, so ist der Vertrag individualrechtlich dennoch wirksam. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer jedoch nicht beschäftigen.101 Dabei bleibt er aber zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Dies kann zu erheblichen Kosten führen.

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Der Arbeitgeber setzt sich zudem der Sanktion des § 101 BetrVG aus (Zwangsgeld).

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5. Aufklärungspflichten des Arbeitgebers bei ungesicherter Beschäftigung des Arbeitnehmers Die Frage, ob und wann den Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis anwirbt, eine Aufklärungspflicht trifft, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unsicher ist, ist nicht abschließend geklärt. Aus § 242 BGB ergibt sich eine derartige Aufklärungspflicht über einen geplanten Stellenabbau jedenfalls dann, wenn die diesbezüglichen Planungen eine hinreichende Reife und Konkretheit aufweisen und der Stellenabbau hinreichend bestimmt und in Einzelheiten bereits absehbar ist.102 Ein Schadensersatzanspruch dürfte zudem bestehen, wenn der Arbeitgeber unwahre Tatsachenangaben macht, aufgrund derer sich der Bewerber zum Abschluss des Arbeitsvertrages entschließt;103 die unterlassene

99

100 101 102 103

freier Mitarbeiter und Handelsvertreter, BAG v. 30.8.1994 – 1 ABR 3/94, NZA 1995, 649. Etwas anderes soll jedoch gelten, wenn der Betriebsinhaber die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über den Arbeitseinsatz des Fremdpersonals trifft, BAG v. 13.5.2014 – 1 ABR 50/12, NZA 2014, 1149 Rz. 18. Zudem hat der Betriebsrat über § 80 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf Mitteilung des Aufgabengebietes, des Ortes der Tätigkeit, der Zeiten der Tätigkeit und der Art der Entlohnung der freien Mitarbeiter, um prüfen zu können, ob es sich nicht doch um Arbeitnehmer handelt, BAG v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98, NZA 1999, 722, 726. Nach dem AÜG-Reformgesetz sollen die Informationspflichten auf den Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben der freien Mitarbeiter erstreckt werden, § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nF. Zudem sollen dem Betriebsrat die Verträge vorgelegt werden, die dem Fremdpersonaleinsatz zugrunde liegen, § 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nF. Der Begriff „Bewerber“ bezeichnet jede Person, die ihr Interesse an einem konkreten zur Besetzung ausgeschriebenen Arbeitsplatz bekundet. Dazu zählen auch von vornherein aussichtslose Stellenbewerber, BAG v. 1.6.2011 – 7 ABR 117/09, NZA 2011, 1435; v. 28.6.2005 – 1 ABR 26/04, NZA 2006, 111; v. 19.5.1981 – 1 ABR 109/78, DB 1981, 2384. Das Informationsrecht des Betriebsrats erstreckt sich dabei auch auf solche Bewerbungen, die von einem unternehmensinternen Recruitment-Center vorab aussortiert und nicht an die Stelle weitergeleitet werden, die die Auswahlentscheidung trifft, BAG v. 21.10.2014 – 1 ABR 10/13, NZA 2015, 311. MünchKommBGB/Thüsing, § 17 AGG Rz. 23. Weitergehend zu den Auswirkungen des AGG auf das BetrVG Besgen, BB 2007, 213 ff. Str., BAG v. 2.7.1980 – 5 AZR 1241/79, DB 1981, 272; v. 26.1.1988 – 1 AZR 531/86, NZA 1988, 476; so auch DKKW/Bachner, § 99 BetrVG Rz. 250; ErfK/Kania, § 99 BetrVG Rz. 45; Richardi, § 99 BetrVG Rz. 330; aA Fitting, § 99 BetrVG Rz. 278. BAG v. 14.7.2005 – 8 AZR 300/04, NZA 2005, 1298. ArbG Wiesbaden v. 12.6.2001, NZA-RR 2002, 349.

Lingemann 17

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Kap. 1 Rz. 26

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.1

Aufklärung über eine bloß unsichere Auftragslage begründet aber noch keine Aufklärungspflicht und damit auch keine Schadensersatzpflicht.104 Rechtsfolge der Verletzung einer Aufklärungspflicht könnte ferner die Unwirksamkeit der Probezeitkündigung sein.105 6. Einfühlungsverhältnis 26

Zur Anbahnung des Arbeitsverhältnisses zählt auch das Einfühlungsverhältnis.106 Dabei handelt es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um eine unbezahlte Kennenlernphase von maximal einer Woche.107 Der Aspirant für ein Arbeitsverhältnis untersteht in diesem Fall lediglich dem Hausrecht des Arbeitgebers, nicht aber seinem Direktionsrecht und ist zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet,108 der eventuell spätere Arbeitgeber im Gegenzug nicht zur Zahlung von Vergütung.109 Das Einfühlungsverhältnis birgt erhebliche Risiken für den Arbeitgeber, zB im Hinblick auf das absolute Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Daher wird hier davon abgeraten. 104 LAG Köln v. 9.9.1998 – 8 Sa 532/98, nv.; dazu krit. Hümmerich, NZA 2002, 1305. 105 Hümmerich, NZA 2002, 1305. 106 Barth, BB 2009, 2646; vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 5.8.2015 – 7 Sa 170/15; LAG Schl.-Holst. v. 17.3.2005, AuA 2005, 431; LAG Sachsen v. 5.3.2004 – 2 Sa 386/03, nv.; LAG Bremen v. 25.7.2002, LAGE § 611 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 5; LAG Hamm v. 24.5.1989, LAGE § 611 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 2; Preis/Kliemt/Ulrich, Das Probearbeitsverhältnis, AR-Blattei SD 1270. 107 Ebenfalls kein Arbeitsverhältnis stellt die betriebliche Praxiserprobung gemäß § 16e SGB II dar. Es handelt sich vielmehr um ein von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägtes Rechtsverhältnis, welches keine Ansprüche auf Vergütungszahlung begründet, BAG v. 19.3.2008 – 5 AZR 435/07, NZA 2008, 760. Vgl. auch BSG v. 29.1.2008, NZA 2008, 806. 108 Maties, RdA 2007, 135, 142; Schaub/Koch, ArbR-Hdb. § 41 Rz. 2; aA ArbG Weiden/Oberpfalz v. 7.5.2008 – 1 Ca 64/08 C. 109 AA ArbG Weiden/Oberpfalz v. 7.5.2008 – 1 Ca 64/08 C; vgl. auch Bertzbach, FA 2002, 340.

II. Muster M 1.1

Vorstellungseinladung mit Kostenübernahme

Betr.: Ihre Bewerbung vom …1 Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, wir danken Ihnen für Ihre Bewerbung vom … Wir möchten Sie gerne kennen lernen. Wir bitten Sie daher, unsere(n) Herrn/Frau … am … (Datum) um … (Uhr) in … aufzusuchen. Sollte Ihnen dieser Termin nicht zusagen, bitten wir, mit uns einen anderen Termin zu vereinbaren. Mit freundlichem Gruß … (Unterschrift) 1 Zur Kostenübernahme s. Einf. Rz. 1 f.

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M 1.3.1

M 1.2

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

Vorstellungseinladung ohne Kostenübernahme

Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, aufgrund Ihrer Bewerbungsunterlagen vom … können wir nicht ausschließen, dass Sie zu dem aussichtsreichen Bewerberkreis gehören. Wir stellen Ihnen daher anheim, sich bei uns vorzustellen. In diesem Fall bitten wir Sie, mit dem Unterzeichner telefonisch einen Termin zu vereinbaren. Die Ihnen entstehenden Kosten können wir allerdings nicht übernehmen. Mit freundlichem Gruß … (Unterschrift)

M 1.3.1

Personalfragebogen im Bewerbungsverfahren

Ich bewerbe mich um die Einstellung als …1

I. Angaben des Bewerbers/der Bewerberin2 zur Person 1. Die Angabe Ihrer persönlichen Daten3 ist zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nötig.4 Ihre Kontaktdaten benötigen wir, um Sie erreichen zu können und um uns bei Bedarf mit Ihnen abstimmen zu können.5 Name: … Vorname: … 1 Seit Geltung des AGG ist zu empfehlen, die zu stellenden Fragen auf zwei Fragebögen aufzuteilen. Der erste Teil, der dem Bewerber im Bewerbungsverfahren vorgelegt wird, sollte nach Möglichkeit keine Fragen enthalten, deren Zulässigkeit aufgrund des AGG zweifelhaft ist, da das AGG gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG gerade für die Bedingungen, die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen sowie für den Zugang zu einer bestimmten Erwerbstätigkeit Anwendung findet; solche Fragen sollten – wenn überhaupt – erst nach erfolgter Einstellung gestellt werden (s. Einf. Rz. 3 ff.; vgl. zum Fragebogen nach erfolgter Einstellung M 1.3.2). In diesem Fragebogen sind grundsätzlich nur die Fragen aufgelistet, die auch seit Inkrafttreten des AGG im Einstellungsfragebogen noch in Betracht kommen können. Hinsichtlich der Fragen ist jedoch zu beachten, dass die jeweilige Frage nicht für jedes sich anbahnende Arbeitsverhältnis zulässig ist (vgl. näher bei den Fn. zu den einzelnen Fragen). Die Fragen müssen also entsprechend angepasst oder gestrichen werden, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Frage zulässig ist, nicht vorliegen. Grundsätzlich können Fragen, die im Fragebogen vor Einstellung gestellt werden dürfen, erst recht auch im Personalbogen nach bereits erfolgter Einstellung gestellt werden. 2 Es sollte darauf geachtet werden, den Fragebogen durchgehend geschlechtsneutral zu formulieren. Anderenfalls könnte das Gericht ein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts annehmen, Laws, MDR 2013, 628. 3 Zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von sog. „Background-Checks“ s. Kania/Sansone, NZA 2012, 360; Raif, ArbRAktuell 2010, 617; Ernst, NJOZ 2011, 953; Forst, NZA 2010, 427. 4 Zur Löschungsfrist für Bewerberdaten s. Schriever, BB 2011, 2680. Praxistipp: Es kann ratsam sein, den Bewerber in einer sehr frühen Phase des Bewerbungsverfahrens um eine Einwilligung, die der Schriftform bedarf und in einem gesonderten Schreiben enthalten sein sollte, zur Speicherung seiner Daten zu bitten (vgl. Schriever, BB 2011, 2680): „Hiermit willige ich in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung meiner personenbezogener Daten zum Zwecke … durch … ein. Mir ist bekannt, dass ich diese Einwilligung nicht erteilen muss und eine Nichterteilung [keine Folgen hat oder: … zur Folge hat].“ Eventuell muss auch auf die Speicherung besonders sensibler Daten nach § 3 Abs. 9 BDSG hingewiesen werden. S. dazu auch insbesondere M 70.5. 5 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie.

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.3.1

Wohnort: … Straße: … Nr.: … Ruf: … E-Mail: … Sofern Sie minderjährig sind: Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters: … 2. Staatsangehörigkeit:6 Besitzen Sie eine der folgenden Staatsangehörigkeiten: EU-28-Staaten (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, England, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern); EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen); Schweiz? □ ja □ nein 3. Sind Sie heimatloser Ausländer?7 □ ja □ nein 4. Bei Beantwortung der Fragen 2. und 3. mit „nein“: Besitzen Sie eine EU-Arbeitsgenehmigung oder einen Aufenthaltstitel, der Ihnen die Aufnahme der Tätigkeit erlaubt?8 □ ja □ nein 5. Bei Beantwortung der Frage 4. mit „ja“: Ist die Arbeitsgenehmigung bzw. ist der Aufenthaltstitel befristet? □ ja □ nein 6 Die Frage nach der Staatsangehörigkeit war wegen der besonderen Voraussetzungen der Einstellung von Ausländern nach alter Rechtslage zulässig. Nach Inkrafttreten des AGG könnte diese jedoch – zumindest nach den Gesamtumständen (MünchArbR/Oetker, § 14 Rz. 8) – als Diskriminierung im Hinblick auf das Merkmal „ethnische Herkunft“ angesehen werden. Sieht man darin eine mittelbare Diskriminierung, so wäre sie jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, sofern die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind, § 3 Abs. 2 AGG. Der Arbeitgeber hat insofern uE ein gewichtiges Interesse an der Beantwortung dieser Frage, als die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, das Europäische Unionsrecht, zwischenstaatliche Vereinbarungen und §§ 284 ff. SGB III zu beachten sind. Keine Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigung benötigen EU-25-Bürger, die ihnen gleichgestellten EWRStaaten-Bürger, Bürger der Schweiz sowie heimatlose Ausländer (vgl. Kleinebrink, ArbRB 2006, 374, 377). Die Übergangsregelungen zur Einschränkung der Beschäftigungsfreiheit für Bürger von Bulgarien und Rumänien liefen Ende 2013 aus. Ausländer aus Drittstaaten unterliegen dem Anwendungsbereich des AufenthG und dürfen ebenfalls nur nach Vorlage der genannten Genehmigungen eingestellt werden. Zuwiderhandlungen können mit einer Geldstrafe bis zu Euro 500 000,– sanktioniert werden, § 404 Abs. 2 Nr. 3–5 SGB III. Vor diesem Hintergrund ist die Information über die Nationalität des Bewerbers für den Arbeitgeber erforderlich. Statt nach der genauen Staatsangehörigkeit zu fragen, sollte jedoch wie hier mit Hilfe einer Kategorisierung hinsichtlich der unterschiedlichen Freizügigkeit von Ausländern vorgegangen werden (Schiefer/Ettwig/Krych, Rz. 98; Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 171). Nach Möglichkeit sollte diese Frage zudem über eine kollektivrechtliche Vereinbarung bzw. über eine vertragliche Bezugnahme einer solchen Vereinbarung abgesichert werden, um in den Genuss der Haftungsprivilegierung des § 15 Abs. 3 AGG zu kommen (vgl. Einf. Rz. 17 ff.). 7 § 12 HeimatlAuslG. 8 Die Frage nach einer Arbeitserlaubnis stellt keine unzulässige mittelbare Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer wegen Rasse oder ethnischer Herkunft dar, Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 26 Rz. 20.

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M 1.3.1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

6. Bei Beantwortung der Frage 5. mit „ja“: Bis wann gilt die Arbeitsgenehmigung bzw. der Aufenthaltstitel? …

II. Persönliche Verhältnisse des Bewerbers9 Die Fragen 1. und 2. dienen lediglich dem Ziel sicherzustellen, ob Sie gesundheitlich in der Lage sind, als … tätig zu werden. Keine der folgenden Fragen ist an sich ein Kriterium, eine Einstellung nicht vorzunehmen.10 9 (1) Insbesondere Fragen nach einer Schwerbehinderung oder Behinderung sollten – wenn überhaupt – nur mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung gestellt werden (BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/ 10, NZA 2012, 555), vgl. dazu M 1.3.2. (2) Die Frage nach einer Schwerbehinderung war früher wegen der mit der Einstellung eines schwerbehinderten Menschen verbundenen Rechte und Pflichten des Arbeitgebers nach dem SGB IX zulässig (BAG v. 7.6.1984 – 2 AZR 270/83, DB 1984, 2706; v. 11.11.1993 – 2 AZR 467/93, DB 1994, 939; v. 5.10.1995 – 2 AZR 923/94, DB 1996, 580; v. 3.12.1998 – 2 AZR 754/97, DB 1999, 852). Allerdings wurde auch schon aus dem später neu eingefügten Benachteiligungsverbot des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX/§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF zum Teil geschlossen, dass die Frage nach der Schwerbehinderung nur noch zulässig ist, wenn das Fehlen der Schwerbehinderung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit ist (Joussen, NZA 2007, 174, 176 f.; Messingschlager, NZA 2003, 301; Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1149; Trümner, FA 2003, 34; aA Schaub, NZA 2003, 299). Auch dann sollte nur nach der Behinderung, nicht aber nach der Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch gefragt werden dürfen wegen § 69 SGB IX/§ 152 SGB IX nF (Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1149; Trümner, FA 2003, 34; aA Schaub, NZA 2003, 299, 300). Und es wurde auch schon ausgeführt, dass nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 iVm. § 3 Abs. 9 BDSG die Frage nach einer Schwerbehinderung als Frage nach dem Gesundheitszustand nur noch eingeschränkt zulässig sein könnte (Gola, RDV 2000, 202, 207; Thüsing/Lambrich, BB 2002, 1152; Trümner, FA 2003, 34, Husemann, RdA 2014, 16, 24 f.). Ob die Frage im Bewerbungsverfahren auch gestellt werden darf, wenn keine Beeinträchtigung für die avisierte Stelle droht, ist vom BAG bisher offengelassen worden (zuletzt BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555, v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/ 10, NZA 2012, 34: „Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber weiterhin nach einer Anerkennung als Schwerbehinderter auch dann erkundigen darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ohne Bedeutung ist.“). Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Damit ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen, wenn er sie wahrheitswidrig verneint hat (BAG v. 16.2.2012, NZA 2012, 555). (3) Das AGG differenziert nicht zwischen Behinderung und Schwerbehinderung, es schützt vielmehr jede Behinderung iSd. § 1 AGG (vgl. zum Begriff der Behinderung auch Kap. 16 Rz. 1). (4) Die Frage nach dem Vorliegen einer Behinderung kann nur zulässig sein, wenn die Behinderung die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit einschränkt oder ausschließt und deshalb ihr Fehlen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung gemäß § 8 Abs. 1 AGG darstellt. Nach der gesetzgeberischen Wertung legitimieren auch wirtschaftliche Belastungen sowie organisatorische Probleme des Arbeitgebers die Frage nach einer Behinderung nicht mehr (Husemann, RdA 2014, 16, 18; Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 173; zurückhaltend Glatzel, NZA-RR 2012, 403, 404 f.). Demzufolge muss ein Bewerber die ihm gestellte Frage nicht mehr wahrheitsgemäß beantworten, der Arbeitgeber hat nach einer Einstellung auch bei wahrheitswidriger Beantwortung kein Anfechtungsrecht gemäß § 123 BGB vgl. auch Einf. Rz. 4). (5) Eine Ausnahme ist aber möglicherweise im folgenden Fall der Schwerbehinderung zulässig: Möchte der Arbeitgeber etwa die Quote des § 71 SGB IX/§ 154 SGB IX nF erfüllen oder ist in einer Integrationsvereinbarung (nach nF Inklusionsvereinbarung) nach § 83 Abs. 2a SGB IX/§ 166 Abs. 2a SGB IX nF eine Regelung zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier, frei werdender oder neuer Stellen getroffen worden, so muss es dem Arbeitgeber möglich sein, gerade mit diesem Ziel einstellen zu können (Ohlendorf/Schreier, BB 2008, 2458, 2461; Koop, oeAT 2012, 199, 200). Seine Frage nach der Schwerbehinderung dient dann allein dem Ziel, eine „positive Maßnahme“ iSd. § 5 AGG umzusetzen und ist dann ausnahmsweise zulässig (Joussen, NZA 2007, 174, 177 f.; Thüsing, Rz. 676; aA Künzl, ArbR 2012, 235). Die Beweislast liegt allerdings beim Arbeitgeber. 10 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt (vgl. Einf. Rz. 11).

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

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1. Leiden Sie an Erkrankungen, durch die die Tauglichkeit für die vorgesehene Tätigkeit eingeschränkt ist? Oder waren Sie in den letzten beiden Jahren wegen einer solchen Erkrankung arbeitsunfähig krank?11 2. Untersuchung12 a) Sind Sie bereit, sich auf Kosten der Firma ärztlich untersuchen zu lassen?13 b) Sind Sie bereit, auf Kosten der Firma ein Drogenscreening durchführen zu lassen?14 11 (1) Die Frage nach Erkrankungen war vor Inkrafttreten des AGG nur zulässig, soweit sie die Einsatzfähigkeit des Bewerbers auf dem konkreten Arbeitsplatz betraf (BAG v. 7.6.1984, EzA § 123 BGB Nr. 24; Ehrich, DB 2000, 421, 423; Künzl, ArbRAktuell 2012, 235 ff.; Trümner, FA 2003, 36). (2) Das AGG schränkt das Fragerecht weiter ein. So kann die Frage nach einer bestimmten Erkrankung uU als Frage nach einer Behinderung angesehen werden und eine Ungleichbehandlung indizieren (ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 274b; BAG v. 17.12.2009 – 8 AZR 670/08, NZA 2010, 383; zur Abgrenzung zwischen Behinderung und Krankheit ausführlich Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rz. 574). Eine Einschränkungen mit sich bringende Krankheit kann einer Behinderung gleichzustellen sein (EuGH v. 11.4.2013, NZA 2013, 553 – HK Danmark). Davon ausgehend kann auch die Frage nach einer AIDS-Erkrankung oder nach einer HIV-Infektion als Frage nach einer Behinderung iSd. § 1 AGG gewertet werden (BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372; Künzl, ArbRAktuell 2012, 235). Ebenfalls eine Benachteiligung wegen einer Behinderung kann vorliegen, wenn der Arbeitgeber den Bewerber wegen dessen starken Übergewichts nicht einstellt, sofern das Übergewicht den Bewerber an einer gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben hindert und die Einschränkung langfristig vorliegt. Die Benachteiligung wegen starken Übergewichts kann mithin auch dann eine Diskriminierung darstellen, wenn keine Behinderung im engeren Sinne vorliegt (EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-354/13, NZA 2015, 33 – Fag og Arbejde m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 45; ablehnend noch OVG Lüneburg v. 31.7.2012 – 5 LC 216/10; vgl. hierzu auch Lingscheid, NZA 2015, 147). Daher sollten darauf gerichtete Fragen nur dann gestellt werden, wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AGG vorliegen, ihr Nichtvorliegen also wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung ist. Bei Infektionsgefahr Dritter oder zu erwartenden Schäden an Rechtsgütern des Arbeitgebers oder Dritter dürften diese Voraussetzungen erfüllt sein. Eine Risikoverringerung kann auch in diesem Fall über die Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen erreicht werden (vgl. § 15 Abs. 3 AGG; Einf. Rz. 17 ff.). 12 Ärztliche Untersuchungen waren vor Inkrafttreten des AGG grds. zulässig, der Bewerber musste nicht zustimmen (vgl. zur Einwilligungserklärung M 1.4); er musste aber damit rechnen, in diesem Fall nicht eingestellt zu werden (Einzelheiten vgl. Fitting, § 94 BetrVG Rz. 25). Durch das AGG sind Untersuchungen zwar nicht generell unzulässig geworden, aber nur noch unter engen Voraussetzungen zulässig. Zunächst ist die Erforschung des Erkrankungszustands schon wegen der unklaren Abgrenzung zwischen einer Erkrankung und dem Benachteiligungsmerkmal „Behinderung“ risikoreich (s. bereits Fn. 11, dazu auch Beckschulze, BB 2014, 1016). Und auch wenn der entsprechende Arzt keine konkrete Aussage trifft, sondern nur eine (negative) Empfehlung gegenüber dem Arbeitgeber abgibt, kann diese zum einen ein Indiz für eine Benachteiligung wegen einer Behinderung, zum anderen aber auch für eine Benachteiligung wegen des Alters oder des Geschlechts (Schwangerschaft) sein. Infolgedessen sollte die Zustimmung zu einer ärztlichen Untersuchung nur dann eingeholt werden, wenn die Untersuchung zwingende Voraussetzung für die Einstellung ist (dazu ausführlich Behrens, NZA 2014, 403 f.; Schiefer/Ettwig/Krych, Rz. 102, 124 f.; vgl. zur Einwilligungserklärung M 1.4). Das dürfte etwa bei Busfahrern oder Piloten in Betracht kommen. Angesichts des mit diesem Punkt verbundenen hohen Risikos für den Arbeitgeber sollten entsprechende kollektivrechtliche Vereinbarungen geschlossen werden (vgl. § 15 Abs. 3 AGG; Einf. Rz. 17 ff.; eine Muster-Betriebsvereinbarung findet sich bei Beckschulze, BB 2014, 1082). Zur Zulässigkeit nach Einstellung s. M 1.3.2 Fn. 10; zur (Un-)Zulässigkeit genetischer Untersuchungen nach dem GenDG s. M 1.4 sowie M 1.4 Fn. 1; Wiese, BB 2011, 313. 13 Auch die Frage nach der Durchführung eines Gesundheitstests ist seit Inkrafttreten des AGG problematisch. Sie könnte ein Indiz für eine Benachteiligung sein, wenn der Gesundheitstest dazu geeignet ist, Vorerkrankungen des Bewerbers, die gleichzeitig eine Behinderung iSd. § 1 AGG darstellen, zu ermitteln (Beckschulze, BB 2014, 1013, 1016; vgl. zum Begriff „Behinderung“ iSd. § 1 AGG Kap. 16 Rz. 1). 14 Drogenscreenings waren schon vor Inkrafttreten des AGG nur zulässig, wenn eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit des Bewerbers eine Eignung für den Arbeitsplatz entfallen ließ (Diller/Powietzka, NZA 2001, 1227). Mit Inkrafttreten des AGG könnte eine Drogen- und/oder Alkoholsucht gleichzeitig als eine Behinderung iSd. § 1 AGG angesehen werden (schon vor Geltung des AGG hat das BAG eine Drogensucht als Behinderung iSd. § 2 Abs. 1 SGB IX eingeordnet, BAG v. 14.1.2004, NZA 2005, 839). Die Frage ist dann gemäß § 8 Abs. 1 AGG nur zulässig, wenn das Fehlen der Abhängigkeit eine wesentliche und

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Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

c) Entbinden Sie den Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht?15 3. Sind Sie bereit, an einem psychologischen Eignungstest teilzunehmen?16 4 Sind Sie bereit, an einem Assessment Center teilzunehmen?17 5. Bekleiden Sie ein Ehrenamt?

III. Ausbildung Die Informationen zu Ihrer Ausbildung benötigen wir um sicherzustellen, dass Sie die für die Tätigkeit als … erforderliche Qualifikation aufweisen. Die Fragen zu Kenntnissen und Fähigkeiten stellen wir, um zu ermitteln, in welchen Bereichen wir Sie einsetzen können.18 Schulbildung: … Abschluss: … Hochschulstudium: … Berufsausbildung als: … Bei welcher Firma: … Welche Abschlussprüfungen haben Sie abgelegt? … Haben Sie Fortbildungsveranstaltungen besucht? … Falls ja, welche? … Haben Sie Kenntnisse in Fremdsprachen?19… Falls ja, welche? … Sind Sie im Besitz einer Fahrerlaubnis?20…

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entscheidende berufliche Anforderung darstellt, die angemessen ist (vgl. auch Beckschulze, BB 2014, 1013, 1016; Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 171; Fuhlrott/Hoppe, ArbRAktuell 2010, 183; so wohl auch Künzl, ArbR 2012, 235, der Suchterkrankungen generell für so gravierend hält, dass sie der uneingeschränkten Einsetzbarkeit des Bewerbers entgegenstehen). Die Frage nach der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht könnte Indiz für eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG wegen einer Behinderung, des Alters und des Geschlechts (Schwangerschaft) sein. Infolgedessen sollte sie – wenn überhaupt – nach Möglichkeit nicht im Bewerbungsverfahren gestellt werden. Etwas anderes gilt, wenn ein bestimmter Gesundheitszustand Voraussetzung für die Ausübung der konkreten Tätigkeit ist (zB Pilot). Die Zulässigkeit von psychologischen Eignungstests ist nicht geklärt, sie dürften nach § 32 BDSG jedenfalls zulässig sein, wenn die zu testenden Eigenschaften für die vorgesehene Tätigkeit erforderlich sind, der Test für die Entscheidung über die Begründung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist und das Testverfahren die zu testenden Eigenschaften objektiv, valide und zuverlässig messen kann, vgl. Franzen, NZA 2013, 1, 3. Auch die Teilnahme an einem Assessment Center setzt die Zustimmung des Bewerbers voraus. Zur datenschutzrechtlichen Problematik vgl. Einf. Rz. 21. Zur Beteiligung des Betriebsrates bei Assessment Centern: Köhler, GWR 2013, 132; Schönfeld/Gennen, NZA 1989, 543. Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11. Die Frage nach Fremdsprachenkenntnissen dürfte auf keine AGG-rechtlichen Bedenken stoßen. Die Frage nach Deutschkenntnissen hingegen kann mittelbar diskriminierend sein und sollte nur dann gestellt werden, wenn sie für den Arbeitsplatz von Bedeutung ist (Göbel-Zimmermann/Marquardt, ZAR 2012, 371 f.; Hinrichs/Stütze, NZA-RR 2011, 113, 115; Ohlendorf/Schreier, BB 2008, 2458, 2461; aA ArbG Berlin v. 26.9.2007 – 14 Ca 10356/07, BB 2008, 115, krit. hierzu Maier, ArbuR 2008, 112). Die Voraussetzung „Deutsch als Muttersprache“ stellt eine unzulässige Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft dar (ArbG Berlin v. 11.2.2009 – 55 Ca 16952/08, NZA-RR 2010, 16). Die Frage nach einer Fahrerlaubnis könnte ein Indiz für eine mittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung gemäß § 3 Abs. 2 AGG sein. Da aber eine mittelbare Benachteiligung nicht vorliegt, wenn die Ungleichbehandlung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind, dürfte die Frage jedenfalls dann zulässig sein, wenn die Fahrerlaubnis zur Ausübung der konkreten Tätigkeit erforderlich ist (zB Kraftfahrer, evtl. auch Außendienstmitarbeiter).

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.3.1

Falls ja, welche? … Welche besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten haben Sie? …

IV. Nachweis der beruflichen Beschäftigung21 Die Angaben zu Ihrem beruflichen Werdegang erfragen wir ebenfalls, um Ihre Qualifikation für die Tätigkeit als … abschätzen zu können.22 1. Beschäftigungsnachweis seit der Ausbildung/der letzten … Jahre 2. Waren Sie in den letzten drei Jahren schon einmal in unserem Unternehmen beschäftigt; ggf. von wann bis wann?23

V. Sonstiges Die folgenden Fragen sollen das Bild, welches wir uns von Ihnen machen, abrunden. Insbesondere dienen sie folgenden Zwecken: [Evtl.:] Ihre Antwort zu eventuellen Vorstrafen und/oder laufenden Ermittlungsverfahren ist für uns von Interesse, da es sich bei der zu besetzenden Position als … um eine besondere Vertrauensstellung handelt. [Evtl.:] Die Angaben zu Ihren Vermögensverhältnissen sind wichtig, da die zu besetzende Position als … eine besondere Zuverlässigkeit beim Umgang mit Geld erfordert. [Evtl.:] Die Frage nach einem eventuellen Wettbewerbsverbot und Ihrer möglichen Arbeitsaufnahme dient unserer Planungssicherheit. [Evtl.:] Die Frage zu einer möglichen Gewerkschaftszugehörigkeit stellen wir, da wir ein sog. Tendenzbetrieb sind und die zu besetzende Position als … (Tendenzträger) ein besonderes darauf gerichtetes Vertrauen voraussetzt.24 1. Welches Gehalt wünschen Sie? 2. Wie hoch war ihr letzter Verdienst?25 3. Sind Sie Langzeitarbeitsloser i.S.d. § 18 Abs. 1 SGB III?26

21 Die Frage nach einem Nachweis des beruflichen Werdegangs ist – auch seit Inkrafttreten des AGG – zulässig, Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rz. 568. Etwas anderes gilt uU, wenn der Arbeitgeber durch das Verlangen eines lückenlosen Beschäftigungsnachweises das Recht des Bewerbers auf Verschweigen für das Arbeitsverhältnis nicht relevanter Vorstrafen zu umgehen sucht (vgl. Fitting, § 94 BetrVG Rz. 19). 22 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f. 23 Nach der Entscheidung des BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255, liegt eine Vorbeschäftigung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht vor, wenn sie mehr als drei Jahre zurückliegt. Nach diesem Zeitraum seien sachgrundlose Befristungen erneut möglich. Diese Rechtsprechung ist jedoch sehr umstritten, da sie mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar sei, vgl. LAG Baden-Württemberg v. 21.2.2014, öAT 2014, 105. Das ArbG Braunschweig hat mit Beschluss v. 3.4.2014 – 5 Ca 463/13, Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 366, die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. 24 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f. 25 Die Frage nach dem Verdienst ist nur zulässig, soweit der bisherigen Vergütung eine Aussagekraft für die neue Stelle zukommt (BAG v. 19.5.1983 – 2 AZR 171/81, DB 1984, 298). Gibt der Bewerber absichtlich ein höheres Gehalt an, um den Arbeitgeber zur Vereinbarung eines höheren Gehalts zu bewegen, berechtigt dies den Arbeitgeber zwar nicht speziell zur Anfechtung der Gehaltsabrede, wohl aber zur Anfechtung des gesamten Vertrages nach den allgemeinen Grundsätzen (LAG Düsseldorf v. 29.4.1966, DB 1966, 1137). Jedenfalls aus personalpolitischen Gründen ist von dieser Frage jedoch in der Regel abzuraten. 26 Seit dem 1.1.2015 sind Arbeitgeber verpflichtet, ihren Mitarbeitern den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, § 1 Abs. 1 MiLoG. Dies gilt nach § 22 Abs. 4 MiLoG jedoch nicht für Arbeitnehmer, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos iSd. § 18 Abs. 1 SGB III, dh. für mindestens sechs Monate ohne Beschäftigung waren. Um feststellen zu können, ob ein Anspruch auf den gesetzlichen

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M 1.3.1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

4. Sind Sie vorbestraft wegen eines der folgenden Delikte …?27 Schwebt gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen eines der folgenden Delikte …?28 5. a) Liegen Pfändungen vor?29 Falls ja, durch wen und in welcher Höhe? b) Haben Sie Ihre Bezüge verpfändet oder im Voraus abgetreten? 6. Haben Sie für das laufende Kalenderjahr bereits bei einem früheren Arbeitgeber Urlaub gehabt? 7. Wann können Sie die Arbeit aufnehmen? 8. Unterliegen Sie Wettbewerbsbeschränkungen? Ggf.: Was ist Inhalt der Wettbewerbsbeschränkungen? 9. Haben Sie gegen Ihren früheren Arbeitgeber einen Anspruch auf Betriebsrente oder eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft? 10. Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?30 Dieser Personalfragebogen31 ist Bestandteil des Arbeitsvertrages, unvollständige und unrichtige Angaben zu zulässigen Fragen können den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages oder zur

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Mindestlohn besteht, ist der Arbeitgeber berechtigt, den Bewerber nach Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis zu fragen, Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 26 Rz. 26a. Nach Vorstrafen darf nur gefragt werden, soweit sie im Zusammenhang mit der Arbeitsstelle stehen, zB bei einem Kassierer nach Vermögensdelikten. Dabei muss konkret nach den Delikten gefragt werden, die für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes bei objektiver Betrachtung relevant sind (BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 270/11, NJW 2013, 1115 Rz. 28). Der Bewerber ist berechtigt, die Frage zu verneinen, sobald die Straftat nicht mehr im Zentralregister geführt wird (BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1071/12, NZA 2014, 1131 Rz. 49; BAG v. 18.9.1987, BB 1988, 632; v. 21.2.1991 – 2 AZR 449/90, DB 1991, 1934; v. 5.12.1957, BAGE 5, 159 = AP Nr. 2 zu § 123 BGB) oder wenn die Verurteilung nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen oder zu tilgen ist (§§ 51, 53 BZRG; BAG v. 6.9.2012, NJW 2013, 1115 Rz. 24; v. 5.12.1957, DB 1958, 282; Ehrich, DB 2000, 421, 422). Ein darüber hinausgehendes Fragerecht besteht nur bei besonderen Vertrauensstellungen wie etwa Führungskräften, Künzl, ArbRAktuell 2012, 235, 238. Bei der Frage nach Vorstrafen ist ein Benachteiligungsmerkmal des AGG uE nicht einschlägig, so dass sich an der Rechtslage auch mit Inkrafttreten des AGG nichts geändert hat, Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rz. 600. An der Zulässigkeit der Frage nach Ermittlungsverfahren bestehen wegen der grundsätzlichen Unschuldsvermutung zu Gunsten des Bewerbers (Art. 6 Abs. 2 EMRK) Zweifel. Sie ist nur zulässig, wenn bereits ein Ermittlungsverfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen kann (BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 270/11, NJW 2013, 1115 Rz. 28; v. 27.7.2005, NZA 2005, 1244; aA ArbG Münster v. 20.11.1992 – 3 Ca 1459/92, NZA 1993, 461). Wie bei Vorstrafen ist auch hier nur konkret nach Delikten zu fragen, die für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes bei objektiver Betrachtung relevant sind (vgl. BAG v. 6.9.2012, NJW 2013, 1115 Rz. 28). Nach eingestellten Ermittlungsverfahren darf nur aufgrund der Wertentscheidung des § 53 BZRG nicht gefragt werden (BAG v. 15.11.2012 – 6 AZR 339/11, DB 2013, 584 m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2013, 198). Diese Grundsätze gelten auch für öffentliche Arbeitgeber (BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1071/12, NZA 2014, 1131 Rz. 49). Die Frage nach dem Vorliegen von Pfändungen ist nur zulässig, wenn die zu besetzende Stelle eine besondere Zuverlässigkeit im Umgang mit Geld erfordert (Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 174 mwN; a.A. Roesner, BC 2012, 214, wonach die Frage speziell nach Lohnpfändungen wegen des damit verbundenen Kostenaufwands stets zulässig sei). Die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ist nur ausnahmsweise zulässig, sofern sich der Arbeitnehmer in einem entsprechenden Tendenzbetrieb (zB Arbeitgeberverband) um eine leitende Position bewirbt, die das besondere persönliche Vertrauen des Arbeitgebers voraussetzt, sog. Tendenzträger (MünchArbR/Buchner, § 30 Rz. 328 ff.; Ehrich, DB 2000, 421, 426; Koop, oeAT 2012, 199, 200). Eine Nichteinstellung aufgrund einer Gewerkschaftszugehörigkeit wäre eine Maßnahme iSd. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG (BAG v. 28.3.2000, AP Nr. 27 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung). In allen anderen Fällen wird die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit jedenfalls erst nach erfolgter Einstellung für zulässig gehalten (vgl. näher dazu sowie zum möglichen Schutz gewerkschaftlicher Betätigung durch das AGG unter M 1.3.2 Fn. 18). Zur Aufbewahrung des Personalfragebogens: Kommt ein Arbeitsverhältnis nicht zustande, muss der Arbeitgeber den Fragebogen grundsätzlich vernichten. Der Arbeitnehmer kann dies gemäß § 1004 BGB verlangen (BAG v. 6.6.1984 – 5 AZR 286/81, DB 1984, 2626). Seit Inkrafttreten des AGG besteht jedoch

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.3.2

– gegebenenfalls auch fristlosen – Entlassung berechtigen und den Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichten. ein Aufbewahrungsrecht des Arbeitgebers unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG (Rittweger/Schmidl, FA 2006, 266, 267; Moos/Bandehzadeh/Bodenstedt, DB 2007, 1194). Danach können die Daten gespeichert werden, wenn und solange noch mit Rechtsstreitigkeiten mit dem Bewerber, insbesondere mit Entschädigungsklagen nach dem AGG, zu rechnen ist. Welche Aufbewahrungsdauer noch zulässig ist, ist jedoch in der Lehre umstritten. Es werden Fristen von zwei Monaten bis zu drei Jahren vertreten, vgl. zum Meinungsstand Greßlin, BB 2015, 118 mwN. Aufgrund dieser unsicheren Rechtslage empfiehlt es sich, die Einwilligung des Bewerbers in die Datenspeicherung einzuholen (zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einwilligung, vgl. Einf. Fn. 91). Sofern es im Anschluss an das Bewerbungsverfahren tatsächlich zu einem Rechtsstreit mit dem abgelehnten Bewerber kommt, müssen die Daten bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens aufbewahrt werden. Neben den persönlichen Daten sollte der Arbeitgeber auch das Anforderungsprofil und die Kriterien der Einstellungsentscheidung dokumentieren, um im Streitfall eine diskriminierungsfreie Einstellungsentscheidung nachweisen zu können. Zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen bei Anlegung einer Bewerberdatenbank (Greßlin, BB 2015, 120).

M 1.3.2

Personalfragebogen nach erfolgter Einstellung I. Angaben des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zur Person1

Die Angabe Ihrer persönlichen Daten2 ist zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erforderlich.3 1 Fragen, die das AGG berühren, für die Einstellung irrelevant sind, für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses aber erforderlich, können nach der Einstellung jedenfalls nicht mehr als Indiz gemäß § 22 AGG für eine Benachteiligung des Bewerbers wegen Nichteinstellung angeführt werden (s. Einf. Rz. 5 ff.); vgl. auch M 1.3.1. Das gilt insbesondere nach Ablauf der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses und damit dem Beginn des Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG; für die Frage nach einer Schwerbehinderung hat das BAG dies ausdrücklich nach Beginn des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen anerkannt (vgl. BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555). Fragen nach einem Merkmal gemäß § 1 AGG können jedoch ein Indiz für eine Benachteiligung im laufenden Arbeitsverhältnis begründen. Deshalb ist auch hier bei jeder Frage genauestens zu prüfen, ob sie eine AGG-Benachteiligung bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses indizieren kann und gegebenenfalls, ob das Vorliegen oder Fehlen der erfragten Tatsache wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Rahmen eines rechtmäßigen Zwecks ist, die auch angemessen ist (§ 8 Abs. 1 AGG; vgl. dazu schon Einf. Rz. 12 ff.). Hinsichtlich der einzelnen Fragen im Muster ist daher zu beachten, dass die jeweilige Frage nicht für jedes Arbeitsverhältnis zulässig ist (vgl. näher bei den Fußnoten zu den einzelnen Fragen), die Fragen in der Umsetzung also entsprechend angepasst oder gestrichen werden müssen. Fragen, die bereits im Bewerbungsverfahren gestellt wurden (M 1.3.1), werden in diesem Fragebogen – bis auf wenige Ausnahmen, bei denen im Einzelfall entschieden werden sollte, ob sie vor oder nach Einstellung gestellt werden – nicht mehr aufgeführt. Solche Fragen sind jedoch im Personalfragebogen nach erfolgter Einstellung im Grundsatz eher noch als vor der Einstellung zulässig. Sollte also im Bewerbungsverfahren noch kein Fragebogen verwendet worden sein, sondern soll dem neuen Mitarbeiter nur ein Fragebogen nach erfolgter Einstellung vorgelegt werden, so können diese Fragen – soweit vor der Einstellung zulässig – noch gestellt werden. Insbesondere gilt auch hier, dass kollektivrechtliche Vereinbarungen geschlossen werden sollten, um die Haftungsprivilegierung des § 15 Abs. 3 AGG zu bewirken (vgl. § 15 Abs. 3 AGG; Einf. Rz. 17 ff.). 2 Zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von sog. „Background-Checks“ s. Ernst, NJOZ 2011, 953; Forst, NZA 2010, 427; Kania/Sansone, NZA 2012, 360; Raif, ArbRAktuell 2010, 617. 3 Zur Löschungsfrist für Bewerberdaten s. Schriever, BB 2011, 2680. Praxistipp: Es kann ratsam sein, den Bewerber in einer sehr frühen Phase des Bewerbungsverfahrens um eine Einwilligung, die der Schriftform genügen muss, zur Speicherung seiner Daten zu bitten (vgl. Schriever, BB 2011, 2680): „Hiermit willige ich in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung meiner personenbezogener Daten zum Zwecke … durch … ein. Mir ist bekannt, dass ich diese Einwilligung nicht erteilen

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M 1.3.2

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Name: … Vorname: … Geburtstag:4… Geburtsort:5… Familienstand: led./verh./eingetr. Lebenspartnerschaft/gesch./verw. (ggf. seit wann):6… Kinder: …

II. Persönliche Verhältnisse des Bewerbers Die Fragen nach Ihren persönlichen Verhältnissen dienen dem Ziel sicherzustellen, dass Sie gesundheitlich in der Lage sind, als … tätig zu werden. Es geht lediglich darum, das Vorliegen der nötigen gesundheitlichen Voraussetzungen zu ermitteln. Unsere Kenntnis über eine möglicherweise bei Ihnen vorliegende Schwerbehinderung, Gleichstellung oder sonstige Behinderung ist darüber hinaus auch notwendig, da sich daran während des Arbeitsverhältnisses gesetzliche Pflichten knüpfen können.7 1. Sind Sie als schwerbehinderter Mensch anerkannt oder als Gleichgestellter, oder haben Sie einen Gleichstellungsantrag gestellt? Ggf. Grad der Behinderung?8

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muss und eine Nichterteilung [keine Folgen hat oder: … zur Folge hat].“ Eventuell muss auch auf die Speicherung besonders sensibler Daten nach § 3 Abs. 9 BDSG hingewiesen werden. S. dazu auch insbesondere M 70.5. Die Frage nach dem Geburtsdatum ist seit Inkrafttreten des AGG problematisch (Benachteiligung wegen des Alters, §§ 7, 10 AGG) und sollte jedenfalls nicht im Bewerbungsverfahren gestellt werden (vgl. Künzl, ArbR 2012, 235; Wolff, FA 2006, 260, 261; differenzierend Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rz. 593). Nach erfolgter Einstellung dürfte die Frage nach dem Lebensalter hingegen regelmäßig zulässig sein. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters schon zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, wobei die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sein müssen. Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber mit einer Auflistung an möglichen Rechtfertigungsgründen in § 10 Satz 1 Nr. 1–6 AGG konkretisiert; diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. ZB für die betriebliche Altersversorgung hat der Arbeitgeber ein legitimes Interesse daran, das Alter seiner Mitarbeiter zu kennen. Häufig kann aber auf die Frage nach dem Alter verzichtet werden, weil sich dieses aus den übrigen Dokumenten (Lebenslauf etc.) ergibt. Da die Frage nach dem Geburtsort bei Nichteinstellung als Indiz für eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft gewertet werden könnte, kann sie – wenn überhaupt – erst nach erfolgter Einstellung und Ablauf der Wartezeit von sechs Monaten gestellt werden (MüKoBGB/Thüsing, § 11 AGG Rz. 20). Sofern nicht ausnahmsweise die Kenntnis des Geburtsortes für die vorgesehene Tätigkeit von entscheidender Bedeutung iSv. § 8 Abs. 1 AGG ist, sollte die Frage nicht gestellt werden. Die Frage nach dem Familienstand könnte ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der sexuellen Identität sein; jedoch dürfte allein diese Frage nicht ausreichen, um eine Benachteiligung zu indizieren, vielmehr müssen weitere Indizien hinzutreten (BK, § 2 AGG Rz. 23). Im Bereich der Bundesverwaltung und der Gerichte des Bundes gilt § 7 Abs. 2 BGleiG, wonach die Frage nach dem Familienstand im Bewerbungsverfahren stets unzulässig ist. Sicherer ist es in jedem Fall, diese Frage – wenn überhaupt – erst nach erfolgter Einstellung zu stellen. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hat der Arbeitgeber nämlich ein gewichtiges Interesse an dieser Information, die er zur Entgeltabrechnung benötigt und die im Falle einer Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen erforderlich sein kann (Schaub/Linck, ArbR-Hdb, § 26 Rz. 22). Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11. Spätestens seit Inkrafttreten des AGG darf die Frage nach dem Vorliegen einer (Schwer-)Behinderung – von den oben M 1.3.1 Fn. 9 genannten Ausnahmefällen abgesehen – jedenfalls im Bewerbungsverfahren nicht mehr gestellt werden (BK, § 2 AGG Rz. 25). Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedoch nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen, die Frage zulässig. Damit ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen, wenn er sie wahrheitswidrig verneint hat (BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555; dazu auch Husemann, RdA 2014, 16, 19 f.). Die Frage ist jedenfalls im Vorfeld einer (betriebsbedingten) Kündigung zulässig, denn der Arbeitgeber ist durch seine Pflichtenbindung nach § 1 Abs. 3 KSchG gehalten, die Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.3.2

2. Leiden Sie an chronischen Erkrankungen, durch die die Tauglichkeit für die vorgesehene Tätigkeit eingeschränkt ist? Oder waren Sie in den letzten beiden Jahren wegen einer solchen Erkrankung arbeitsunfähig krank?9 3. Untersuchung10 a) Sind Sie bereit, sich auf Kosten der Firma untersuchen zu lassen? b) Sind Sie bereit, auf Kosten der Firma ein Drogenscreening durchführen zu lassen?11 c) Entbinden Sie den Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht?12

III. Sozialversicherung Diese Angaben benötigen wir zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses.13 1. In welcher Krankenkasse sind Sie versichert? 2. Wollen Sie Mitglied in der Betriebskrankenkasse werden?

IV. Sonstiges Die folgenden Fragen sollen das Bild, welches wir uns von Ihnen machen, abrunden. Insbesondere dienen sie folgenden Zwecken: [Evtl.:] Die Frage zu einer möglichen Gewerkschaftszugehörigkeit stellen wir, da wir ein sog. Tendenzbetrieb sind und die zu besetzende Position als … (Tendenzträger) ein besonderes darauf gerichtetes Vertrauen voraussetzt.14 [Evtl.:] Die Information über eine eventuelle Mitgliedschaft in einer Scientology-Organisation benötigen wir um sicherzustellen, dass Sie die beruflichen Anforderungen15 unserer Religionsgemein-

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und nach § 85 SGB IX/§ 168 SGB IX nF eine vorherige Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Die zulässige Frage nach der Schwerbehinderung soll es dem Arbeitgeber in derartigen Fällen ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten (BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555). Grund für die Zulässigkeit der Frage nach Einstellung kann uE auch sein, dass der Arbeitgeber wissen muss, ob er eine ausreichende Anzahl schwerbehinderter Menschen gemäß § 71 SGB IX/§ 154 SGB IX nF beschäftigt oder eine Ausgleichsabgabe gemäß § 77 SGB IX/§ 160 SGB IX nF zahlen muss (Thüsing, Rz. 676; BrechtHeitzmann, ZTR 2006, 639, 642). Zur Zulässigkeit dieser Frage bei der Umsetzung einer „positiven Maßnahme“ iSd. § 5 AGG M 1.3.1 Fn. 9 unter (5). Zur Frage nach einer Schwerbehinderung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses Husemann, RdA 2014, 16, 21 ff. Dazu bereits ausführlich M 1.3.1 Fn. 11; weniger riskant ist es, die Frage nach chronischen Erkrankungen – wenn überhaupt – erst an dieser Stelle mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung zu stellen. Vgl. dazu bereits M 1.3.1 Fn. 12; weniger riskant ist es, Untersuchungen – wenn überhaupt – erst an dieser Stelle mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung anzusprechen. Vgl. zur Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers M 1.4. Die Untersuchungen müssen aber stets geeignet, erforderlich und angemessen sein. Anlasslose Untersuchungen werden daher auch im bestehenden Arbeitsverhältnis im Regelfall nicht zulässig sein. Etwas anderes dürfte für Tätigkeiten gelten, bei deren Ausführung hohe Risiken für andere Beschäftigte oder Dritte bestehen bzw. bedeutende Sachgüter gefährdet werden können, vgl. dazu ausführlich Behrens, SPA 2014, 157. Auch hier bietet sich der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung an, vgl. M 1.3.1. Vgl. dazu bereits M 1.3.1 Fn. 14; weniger riskant ist es, ein Drogenscreening – wenn überhaupt – erst an dieser Stelle mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung anzusprechen. Vgl. zur Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers M 1.4. Vgl. dazu bereits M 1.3.1 Fn. 15; weniger riskant ist es, diese Frage – wenn überhaupt – erst an dieser Stelle mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung anzusprechen. Die Frage nach der Schwangerschaft dürfte insgesamt unzulässig sein (LAG Köln, NZA-RR 2013, 232; differenzierend Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rz. 586 auch mwN zur h.M.). Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f. Zur Zulässigkeit der Frage nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit vgl. im Einzelnen Fn. 15 sowie M 1.3.1 Ziff. V. 10 m. Anm. Vgl. § 9 AGG (sog. „Kirchenklausel“).

Lingemann

M 1.3.2

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

schaft/Vereinigung im Hinblick auf unser Selbstbestimmungsrecht oder die Art der Tätigkeit erfüllen.16 1. Haben Sie den Wehr- oder Zivildienst abgeleistet?17 2. Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?18 3. Wenden Sie Technologien von L. Ron Hubbard an, oder sind Sie Mitglied einer Scientology-Organisation?19 16 Durch diesen Einschub soll dokumentiert werden, dass die Datenerhebung nicht aus sachfremden oder diskriminierenden Erwägungen erfolgt, vgl. Einf. Rz. 11 sowie Schrader, DB 2006, 2571, 2572 f. Hinsichtlich einzelner Punkte wie zB der Mitgliedschaft bei Scientology ist zu beachten, dass eine solche Frage wohl nur in Ausnahmefällen zulässig ist (vgl. dazu näher M 1.3.1 Fn. 1), der Einschub also entsprechend angepasst werden muss. 17 Gemäß § 1 Abs. 1 ArbPlSchG ruht das Arbeitsverhältnis während des freiwilligen Wehrdienstes. Diese Frage sollte nicht im Einstellungsverfahren gestellt werden, da sie das Diskriminierungsmerkmal der Weltanschauung betreffen kann. Eine mögliche Diskriminierung wegen des Geschlechts ist hingegen nicht anzunehmen, da inzwischen auch Frauen freiwilligen Wehrdienst ableisten können. Demgemäß dürfte die Frage, inwiefern Ungleichbehandlungen wegen einer bevorzugten Einstellung von Wehrund Ersatzdienstleistenden in den juristischen Vorbereitungsdienst gerechtfertigt werden können, an Bedeutung verlieren (dazu EuGH v. 7.12.2000 – Rs. C-79/99, NZA 2001, 141, der diese Ungleichbehandlung für gerechtfertigt hält). Dennoch sollte die Frage – wenn überhaupt – nicht im Bewerbungsverfahren, sondern erst mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung im Personalfragebogen aufgeführt werden. Nach den gleichen Grundsätzen dürfte sich die Frage nach einer Tätigkeit nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder nach einem freiwilligen Sozialen/Ökologischen Jahr richten (Staudinger/ Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rz. 595). 18 Nach erfolgter Einstellung kann die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit wohl auch Nicht-Tendenzträgern in Nicht-Tendenzunternehmen gestellt werden, um sicherzustellen, dass der für das Arbeitsverhältnis geltende Tarifvertrag zur Anwendung kommt, es sei denn, dass der mit einer Gewerkschaft abgeschlossene Tarifvertrag ohnehin den Arbeitsbedingungen zugrunde gelegt wird (offengelassen von BAG v. 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, NJW 2015, 1548; Sprenger, NZA 2015, 721; Staudinger/ Richardi, § 611 BGB Rz. 150; MünchArbR/Buchner, § 30 Rz. 326; Thüsing, Rz. 680; Meyer, BB 2011, 2362; aA Künzl, ArbRAktuell 2012, 235 ff.; Michel/Möller/Peter, ArbuR 2008, 36; zur Rechtslage im Bewerbungsverfahren BAG v. 28.3.2000, AP Nr. 27 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung, s. dazu M 1.3.1 Fn. 30). Dies dürfte uE auch nach Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes gelten. Um feststellen zu können, welche Gewerkschaft die Mehrheit der Arbeitnehmer vertritt, muss es dem Arbeitgeber möglich sein, die Arbeitnehmer nach ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit zu fragen (Scholz/Lingemann/Ruttloff, NZA-Beil. 2015, 3, 30 f.). Das Interesse des Arbeitnehmers, seine Gewerkschaftszugehörigkeit nicht zu offenbaren, ist seit Inkrafttreten des AGG uE auch nicht durch das Merkmal „Weltanschauung“ iSd. § 1 AGG geschützt (aA Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 172). Der Begriff Weltanschauung ist eng auszulegen, politische Überzeugungen, Ansichten oder Meinungen sind mangels umfassenden Bezugs zum menschlichen Sein davon nicht erfasst (AG München v. 18.10.2012 – 423 C 14869/12; Nollert-Borasio/Perreng, § 1 AGG Rz. 15 f.; BK, § 1 AGG Rz. 27 ff.; PWW/Lingemann, § 1 AGG Rz. 6). Die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit während laufender Tarifvertragsverhandlungen verstößt allerdings gegen die negative Koalitionsfreiheit, vgl. BAG v. 18.11.2014, NJW 2015, 1548 Rz. 31. Vgl. zur datenschutzrechtlichen Problematik Sprenger, NZA 2015, 721 f. 19 Die Frage nach Scientology wurde früher, anders als die Frage nach der Religionszugehörigkeit, bei der Besetzung von Vertrauensstellungen als zulässig angesehen (BAG v. 22.3.1995 – 5 AZB 21/94, DB 1995, 1714; Bauer/Baeck/Merten, DB 1997, 2534; Nollert-Borasio/Perreng, § 1 AGG Rz. 14). Unklar ist aber mittlerweile, ob Scientology doch als Religionsgemeinschaft (so möglicherweise BVerwG v. 15.12.2005 – 7 C 20/04, NJW 2006, 1303; EGMR v. 5.4.2008, NJW 2008, 495; OVG Berlin-Brandenburg v. 9.7.2009 – OVG 5 S 5.09; aA BAG v. 22.3.1995, NZA 1995, 823; BK, § 9 AGG Rz. 9; Palandt/Ellenberger, § 1 AGG Rz. 4) oder Weltanschauungsgemeinschaft (BVerwG v. 15.12.2005, NJW, 2006, 1303; ErfK/Schlachter, § 1 AGG Rz. 8; aA Schleusener/Suckow/Voigt, § 1 AGG Rz. 48) anzusehen ist. Dann wäre die Frage nach einer Scientology-Mitgliedschaft auch vor dem Hintergrund des AGG unzulässig (Schiefer/Ettwig/Krych, Rz. 106; vgl. auch Röder/Krieger, FA 2006, 199, 200). Infolgedessen sollte die Frage nach einer Scientology-Mitgliedschaft – wenn überhaupt – erst mehr als sechs Monate nach erfolgter Einstellung gestellt werden, um nicht als Indiz für eine Benachteiligung wegen der Religion/Weltanschauung durch die Nichteinstellung gewertet zu werden; zusätzlich ist wegen der Haftungsprivilegierung die Anwendung aufgrund kollek-

Lingemann 29

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.4

Dieser Personalfragebogen ist Bestandteil des Arbeitsvertrages, unvollständige oder unrichtige Angaben zu zulässigen Fragen können den Arbeitgeber zur – gegebenenfalls auch fristlosen – Entlassung berechtigen und den Arbeitnehmer zum Schadensersatz verpflichten. tivrechtlicher Vereinbarungen zu empfehlen (vgl. § 15 Abs. 3 AGG; Einf. Rz. 17 ff.). Gestellt werden darf die Frage jedenfalls bei Kirchen und sonstigen weltanschaulichen Vereinigungen, da eine solche unterschiedliche Behandlung über die „Kirchenklausel“ gem. § 9 AGG gerechtfertigt ist; dies gilt jedoch nur für Tätigkeiten im verkündungsnahen Bereich (BK, § 9 AGG Rz. 13 ff.).

M 1.4

Einwilligung in ärztliche Untersuchung/psychologische und graphologische Untersuchung

Ich erkläre hiermit mein Einverständnis mit einer werks- oder vertrauensärztlichen Untersuchung1/ einem graphologischen Gutachten2/einer psychologischen Eignungsuntersuchung3/einem Drogenscreening.4 Die Untersuchung wird nur insoweit vorgenommen, als dies zur Feststellung erforderlich ist, ob ich aufgrund meines Gesundheitszustandes zum Zeitpunkt der Einstellung und in absehbarer Zeit nach diesem Zeitpunkt geeignet5 und in der Lage bin, die körperlichen Anforderungen an den Arbeitsplatz zu erfüllen. Den untersuchenden Arzt entbinde ich in dem Umfang von seiner Schweigepflicht, in dem sein Befund zur Beurteilung meiner Eignung für die vorgesehene Tätigkeit erforderlich ist. Ich erkläre mich damit einverstanden, dass der Arzt das Untersuchungsergebnis – geeignet/nicht geeignet – an meinen Arbeitgeber weiterleitet.6 … (Ort, Datum)

… (Unterschrift des Arbeitnehmers)

1 Die Zulässigkeit genetischer Untersuchungen ist speziell im GenDG geregelt. Nach § 19 GenDG ist es dem Arbeitgeber untersagt, die Vornahme genetischer Untersuchungen und Analysen vor und nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses zu verlangen. Zudem ist das Herausfordern, Entgegennehmen oder Verwenden von Ergebnissen bereits vorgenommener Untersuchungen und Analysen unzulässig. § 20 Abs. 1 GenDG untersagt weiterhin die Vornahme genetischer Untersuchungen oder Analysen im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen. Diese sollen nur ausnahmsweise unter den engen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 GenDG zulässig sein. Diese Vorschriften werden durch das arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbot des § 21 GenDG abgerundet, welches hinsichtlich der Rechtsfolgen in Abs. 2 auf die §§ 15 und 22 AGG verweist. 2 Hohenstatt/Stamer, NZA 2006, 1065; BAG v. 16.9.1982 – 2 AZR 228/80, DB 1983, 2780. 3 Behrens, NZA 2014, 401; Goepfert/Rottmeier, BB 2015, 1912. 4 Die Einwilligungserklärung sollte nach Möglichkeit nicht im Bewerbungsverfahren vorgelegt werden, da sie nach Inkrafttreten des AGG ein Indiz für eine Benachteiligung wegen einer Behinderung bei Nichteinstellung darstellen kann (vgl. dazu bereits Einf. Rz. 5 ff.). Eine Vorlage nach erfolgter Einstellung dürfte aber zulässig sein (vgl. dazu auch Einf. Rz. 12), jedenfalls dann, wenn ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Untersuchung vorliegt; bei einer rein routinemäßigen Untersuchung ist das nicht der Fall (MünchArbR/Kothe, § 296 Rz. 60; Behrens, SPA 2014, 158.). Die Einwilligung kann jederzeit vom Arbeitnehmer mit Wirkung für die Zukunft gem. § 4a BDSG widerrufen werden. 5 Es geht um die Frage der gegenwärtigen Eignung, die sich auf den Zeitpunkt der Einstellung oder die absehbare Zeit danach bezieht (ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 293). 6 Zu beachten ist allerdings, dass es der ausschließlichen Beurteilung des Arztes unterliegt, ob der gesundheitliche Zustand des Bewerbers den Anforderungen des Arbeitsplatzes genügt. Daher darf der Arzt nur Auskunft über die allgemeine Eignung geben und nicht über die einzelnen Untersuchungsergebnisse. Nur dieses allgemeine Ergebnis – geeignet/nicht geeignet – darf dann an den Arbeitgeber weitergeleitet werden (Kleinebrink, DB 2014, 779; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 296. Zur Tauglichkeitsmitteilung auch ausführlich Beckschulze, BB 2014, 1017 f.)

30

Lingemann

M 1.7

M 1.5

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Einwilligung zur Aufnahme personenbezogener Daten

S. dazu M 70.6.

M 1.6

Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG

S. dazu M 19.2.

M 1.7

Klage auf Erstattung von Vorstellungskosten

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro … brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem … an den Kläger zu zahlen.2

Begründung: Die Bekl. hat am … in der … Zeitung die Stelle eines … ausgeschrieben. Der Kl. hat daraufhin der Bekl. seine Bewerbungsunterlagen geschickt. Mit Schreiben vom … hat die Bekl. dem Kl. mitgeteilt, seine Bewerbung interessiere sie sehr, und er möge am … zu einem Vorstellungsgespräch in den Betrieb nach Neustadt kommen. Beweis: Schreiben vom …, Anlage K 1 Der Kl. nahm dieses Vorstellungsgespräch am … wahr, erhielt aber am … eine schriftliche Absage. Beweis: Schreiben vom …, Anlage K 2 Mit Schreiben vom … forderte der Kl. die Bekl. auf, ihm die Kosten für die Fahrt zum Vorstellungsgespräch nach Neustadt und zurück mit dem eigenen Pkw in Höhe von Euro … (x km × Euro 0,30) zu erstatten. Mit Schreiben vom … lehnte die Bekl. die Erstattung der Kosten ab und meinte, der Kl. habe sich „auf eigenes Risiko vorgestellt“, deshalb scheide eine Erstattung aus.3 Beweis: Schreiben vom …, Anlage K 3 … (Unterschrift)4 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 3 Zur Rechtslage s. Einf. Rz. 1. 4 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

Lingemann/Diller

31

Kap. 1

M 1.8

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.8

Klage nach mündlicher Einstellung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem … ein Arbeitsverhältnis des Inhalts besteht, dass der Kläger im Betrieb in … als … in Vollzeit2 zu einem Brutto-Monatsgehalt von Euro … beschäftigt wird. 2. Die Beklagte wird verurteilt, Euro … brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz3 seit dem …4 an den Kläger zu zahlen.5

Begründung: Am … schrieb die Bekl. in der … Zeitung die Stelle eines … aus. Beweis: Stellenanzeige vom …, Anlage K 1 Der Kl. bewarb sich mit Schreiben vom … auf diese Stelle und erschien auf Wunsch der Bekl. am … zu einem Vorstellungstermin. Nach einem etwa halbstündigen Gespräch mit dem Personalleiter … der Bekl. erklärte dieser, es sei „alles klar“. Der Kl. könne am … anfangen, das Gehalt betrage Euro … pro Monat. Auf ausdrückliche Frage des Kl. meinte Herr … weiter, diese mündliche Zusage genüge, schriftliche Arbeitsverträge seien bei der Bekl. nicht üblich.6 Beweis: Zeugnis des Herrn …, zu laden über die Bekl. Am … erschien der Kl. wie vereinbart morgens um 8.00 Uhr zur Arbeit. Zu seinem Erstaunen erklärte ihm jedoch Herr …, es handele sich um einen Irrtum. Die Bekl. habe sich für einen anderen Bewerber entschieden. Eine Einstellung des Kl. sei nur unverbindlich „angedacht“ worden, er habe aber keine verbindliche Zusage erhalten. Beweis: wie vor Mit Einschreiben vom … protestierte der Kl. schriftlich bei der Bekl. und verlangte seine sofortige Beschäftigung. Zugleich bot er ausdrücklich seine Arbeitskraft an. Beweis: Schreiben des Kl. vom …, Anlage K 2 Eine Reaktion der Bekl. erfolgte nicht. Deshalb ist Klage geboten. Herr … ist im Handelsregister als alleinvertretungsberechtigter Prokurist der Bekl. eingetragen. 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 S. M 1.9 Fn. 4. 3 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 4 Neben der Klage auf die Rückstände käme auch eine Klage auf künftige Leistung (s. M 12.29) in Betracht. 5 Die Klage könnte kombiniert werden mit einem Antrag auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur tatsächlichen Beschäftigung, wenn dem Arbeitnehmer daran gelegen ist; Voraussetzung für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen ist ein solcher Klagantrag nicht. In der Praxis werden Anträge auf tatsächliche Beschäftigung vor allem gestellt, um Druck auf den Arbeitgeber auszuüben (vgl. auch M 22.17 und die dortigen Erläuterungen). 6 Schriftform ist für den Abschluss von Arbeitsverträgen nicht erforderlich. Selbst eine tarifvertragliche Schriftformregelung (vgl. § 2 Abs. 3 TVöD) hat im Zweifel nur Dokumentationsfunktion, ist also nicht konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung des Arbeitsvertrages (BAG v. 6.9.1972, AP Nr. 2 zu § 4 BAT). Auch das Nachweisgesetz (NachwG) verlangt keine Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung des Arbeitsvertrages.

32

Diller

M 1.9

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

Beweis: Handelsregisterauszug der Bekl., Anlage K 3 Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wird das vereinbarte Gehalt für den Monat … geltend gemacht. Die Bekl. befindet sich in Annahmeverzug, § 615 BGB.7 … (Unterschrift)8 7 Zur Herbeiführung des Annahmeverzuges ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG kein (tatsächliches oder wörtliches) Arbeitsangebot des Arbeitnehmers erforderlich (BAG v. 9.8.1984 – 2 AZR 374/83, NZA 1985, 119). Es reicht aus, dass der Arbeitgeber erklärt, er werde die Arbeitsleistung nicht annehmen. 8 Der Streitwert des Antrags Ziff. 2 entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag. Der Antrag Ziff. 1 ist entsprechend § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG mit einem Vierteljahresbezug anzusetzen (LAG Berlin-Brandenburg v. 12.7.2007 – 17 Ta (Kost) 26186/07).

M 1.9

Klage auf Wiedereinstellung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab dem …2 als Produktionsarbeiter3 in Vollzeit4 im Betrieb in … zu betriebsüblichen Bedingungen und mit einem Brutto-Monatsgehalt von Euro5… einzustellen.6 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Nach BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11, NZA-RR 2013, 616 muss der Arbeitnehmer das Datum des Vertragsbeginns im Klagantrag angeben. Natürlich kann auch auf Einstellung „ab sofort“ geklagt werden. Nach Auffassung des BAG (v. 9.11.2006, EzA § 311a BGB Nr. 1, BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 608/08, NZA 2010, 32) kann seit der Schuldrechtsreform 2002 auch auf rückwirkende Wiedereinstellung geklagt werden. Unter dem Strich bringt die Klage auf rückwirkende Wiedereinstellung allerdings keine Vorteile, denn ob sich der Vergütungsanspruch für die Vergangenheit aus Annahmeverzug (bei rückwirkender Wiedereinstellung) oder aus Schadensersatz (bei Wiedereinstellung ex nunc) ergibt, ist gleich. Ganz im Gegenteil kann eine Schadenersatzzahlung unter Umständen steuer- und sozialversicherungsfrei sein. 3 Die Art der geschuldeten Tätigkeit muss hinreichend bestimmt im Klagantrag formuliert sein, sonst ist die Klage unzulässig. Nach BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11, NZA-RR 2013, 616 reicht es, wenn Beschäftigung in einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe begehrt wird, weil dann anhand der Tätigkeitsbeispiele und der Leistungsbeschreibungen die geschuldeten Dienste hinreichend feststellbar sind. Es ist weder erforderlich noch zulässig, die Art der geschuldeten Tätigkeit in der Klage so eng zu beschreiben, dass der Arbeitgeber in seinem Direktionsrecht beschränkt wird. 4 Nach der Entscheidung des BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11, NZA-RR 2013, 616 ist es nicht zwingend erforderlich, in der Klage den Umfang der Arbeitsleistung anzugeben, da sich dies ggf. aus den betriebsüblichen Umständen entnehmen lasse. Eine Präzisierung ist aber in jedem Fall sinnvoll und bei nicht-tarifgebundenen Arbeitgebern zur Streitvermeidung dringend anzuraten. 5 Sofern klar ist, dass die Arbeitsleistung überhaupt vergütet werden soll, ist die Angabe der Vergütung zwar sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich. Denn beim Arbeitsvertrag gehört die Regelung der Vergütung nicht zu den „essentialia negotii“, sondern der Vergütungsanspruch ist notfalls aus § 612 BGB abzuleiten (BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11, NZA-RR 2013, 616). 6 Die Klage „auf Einstellung …“ ist ein zulässiger Leistungsantrag (BAG v. 6.8.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2). Er ist auf die Abgabe einer Willenserklärung des Arbeitgebers gerichtet. Mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils gilt die Willenserklärung des Arbeitgebers gemäß § 894 Abs. 1

Diller

33

Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.9

Begründung: Der Kl. war bis zum … bei der Bekl. als Produktionsarbeiter beschäftigt. Zum … schied er im Zuge einer umfangreichen Personalreduzierung auf der Grundlage des Interessenausgleichs/Sozialplans vom … aus. Beweis: Kündigungsschreiben vom …, Anlage K 1 Ziff. … des Sozialplans vom … lautete wörtlich wie folgt: „Mitarbeiter, die aufgrund der im Interessenausgleich vom … genannten Maßnahmen entlassen werden, haben in der Zeit bis zum … bei gleicher Eignung Anspruch auf vorrangige Einstellung gegenüber externen Bewerbern“.7 Beweis: Sozialplan vom …, Anlage K 2 Am … schrieb die Bekl. in der … Zeitung die Stelle eines Produktionsarbeiters aus. Beweis: Stellenanzeige vom …, Anlage K 3 Der Kl. bewarb sich mit Schreiben vom … auf diese Stelle, wobei er ausdrücklich auf die Wiedereinstellungszusage des Sozialplans hinwies. Beweis: Schreiben des Kl. vom …, Anlage K 4 Dennoch sagte die Bekl. dem Kl. mit Schreiben vom … ab. Beweis: Schreiben der Bekl. vom …, Anlage K 5 Eine Mahnung des Kl. vom … blieb erfolglos. Deshalb ist Klage geboten. Der Kl. ist für die Stelle genauso geeignet wie jeder andere Bewerber, er war schließlich bei der Bekl. schon einmal Produktionsarbeiter. Ein Gehalt von Euro … entspricht der tariflichen Vergütung für ungelernte Produktionsarbeiter, diese Vergütung wird von der Bekl. auch üblicherweise im Betrieb gezahlt. … (Unterschrift)8 Satz 1 ZPO als abgegeben. Natürlich kann der Arbeitnehmer seine Klage auch ausdrücklich darauf richten, dass ihm der Arbeitgeber „ein Vertragsangebot als … unterbreitet“ (BAG v. 13.6.2012, NZA-RR 2013, 616), auch hier erfolgt die Vollstreckung nach § 894 ZPO. In beiden Fällen muss der Arbeitnehmer dann allerdings das nach § 894 ZPO als abgegeben geltende Vertragsangebot noch annehmen. Diesen Schritt spart sich der Arbeitnehmer, wenn er, was ebenfalls zulässig ist (BAG aaO), den Arbeitgeber auf Annahme eines bestimmten Vertragsangebots verklagt, weil dann mit Rechtskraft des Urteils zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen und der Vertrag unmittelbar zustande gekommen ist. Ob statt der Klage auf Einstellung die Klage sogleich auf die Rechtsfolgen des begehrten Arbeitsverhältnisses, nämlich (weitere) Beschäftigung und/oder Gehaltszahlung, gerichtet werden kann, ist umstritten (bejahend BAG v. 27.2.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1; offengelassen von BAG v. 6.8.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2). Zu den zeitlichen Grenzen des Wiedereinstellungsanspruchs vgl. Oberhofer, RdA 2006, 96 f. 7 Wichtig: Im Falle einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung besteht auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Wiedereinstellungszusage ein Wiedereinstellungsanspruch, wenn sich die für die Wirksamkeit der Kündigung maßgebenden Umstände noch während des Laufs der Kündigungsfrist verändern. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat, die die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verhindern würden (BAG v. 27.2.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1). Ergibt sich dagegen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, hat der Arbeitnehmer keinen Wiedereinstellungsanspruch. Das gilt selbst dann, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein Kündigungsschutzverfahren schwebt (BAG v. 6.8.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2), s. M 22.30. 8 Der Streitwert ist entsprechend § 42 Abs. 2 GKG mit einem Vierteljahresbezug anzusetzen.

34

Diller

M 1.10

M 1.10

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung bei der Einstellung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage2 und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro3… brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.4

Begründung: Die Bekl. hat am … in der … Zeitung die Stelle eines Vorstandsassistenten ausgeschrieben. Beweis: Stellenanzeige vom …, Anlage K 1 Die Kl. hat daraufhin der Bekl. ihre Bewerbungsunterlagen geschickt. Mit Schreiben vom … erhielt die Kl. eine schriftliche Absage. Gründe für die Absage wurden nicht genannt. Beweis: Schreiben der Beklagten vom …, Anlage K 2 Es ist gemäß § 22 AGG zu vermuten, dass die Absage allein auf dem Geschlecht der Kl. beruhte.5 Denn die Bekl. hat entgegen § 11 AGG die Stelle ausschließlich für männliche Bewerber ausgeschrieben, wie die Verwendung der männlichen Bezeichnung „Vorstandsassistent“ in der als Anlage K 1 vorgelegten Anzeige beweist. Mit der Klage macht die Kl. eine Entschädigung6 von fünf Monatsgehältern à Euro … geltend.7 Ein Monatsgehalt von Euro … liegt an der unteren Grenze für vergleichbare Positionen. Eine Entschädi1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Ausführlich zum AGG Einf. Kap. 13. 3 Statt eines bezifferten Klagantrags kann auch auf eine „ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung“ geklagt werden. Wie bei Schmerzensgeldanträgen ist es dann allerdings ein Kunstfehler, wenn nicht ein Mindestbetrag angegeben wird, da sonst bei einer niedrigen Festsetzung die Beschwer für eine Berufung fehlt. 4 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. Ein Anspruch auf Einstellung besteht bei Geschlechtsdiskriminierung gemäß § 15 Abs. 6 AGG grundsätzlich nicht, der Bewerber kann nur gemäß § 15 Abs. 2 AGG Entschädigung in Geld verlangen. 5 Das Hauptproblem bei der Geltendmachung einer Diskriminierung ist die Beweislast. Zwar trägt die Beweislast grundsätzlich der klagende Arbeitnehmer. Macht dieser allerdings Tatsachen glaubhaft, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe zu der Entscheidung geführt haben (§ 22 AGG). Indizien für eine geschlechtsbedingte Diskriminierung sind neben geschlechtsdiskriminierenden Äußerungen im Betrieb vor allem eine gegen § 11 AGG verstoßende geschlechtsspezifische Ausschreibung. 6 Wichtig: Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt voraus, dass es sich um eine subjektiv ernsthafte Bewerbung gehandelt hat und der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war (BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 365/97, DB 1998, 2420). Die in der Praxis immer wieder zu beobachtenden Bewerbungen männlicher Arbeitnehmer auf Sekretärinnenstellen etc. (dazu BAG v. 12.11.1998, DB 1998, 2420) sind meist nicht ernsthaft und allein darauf gerichtet, Schadensersatzklage erheben zu können (sog. „AGG-Hopping“), was aber nach der BAG-Entscheidung (BAG v. 12.11.1998, DB 1998, 2420) nicht funktioniert (ausf. Diller, BB 2006, 1968 und NZA 2007, 1321). Die Rechtsprechung des BAG ist europarechtskonform (EuGH v. 28.7.2016 – C-423/15 – „Kratzer“, NZA 2016,1014). Siehe ausführlich zu dieser Problematik und dem Vorlagebeschluss des BAG auch Fn. 15. 7 Wird neben der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG eingeklagt, ist es nicht zwingend, aber sinnvoll, zwei getrennte Klaganträge zu stellen, weil hinsichtlich des

Diller

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.11

gung von fünf Monatsgehältern ist angemessen8, da die Bekl. grob und nachhaltig gegen § 11 AGG verstößt.9 Wie weitere Stellenanzeigen der Bekl. vom … zeigen, schreibt die Bekl. Stellen für Führungskräfte grundsätzlich nur für männliche Bewerber aus. Beweis: Stellenanzeigen vom …, Anlagen K 3 und 4 Die Kl. hat ihre Ansprüche mit Einschreiben vom … geltend gemacht, mithin innerhalb der ZweiMonats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG.10 Beweis: Schreiben der Kl. vom …, Anlage K 5 Da die Bekl. auf das Schreiben nicht reagiert hat, ist Klage geboten, die Klage wahrt die Frist des § 61b ArbGG.11 … (Unterschrift)12

8 9

10 11 12

Wird neben der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG eingeklagt, ist es nicht zwingend, aber sinnvoll, zwei getrennte Klaganträge zu stellen, weil hinsichtlich des Schadensersatzes die Anrechnung anderweitigen Verdienstes oder von Arbeitslosengeld in Betracht kommt; außerdem dient das Auseinanderziehen der Anträge der Übersichtlichkeit. Da es sich bei der „angemessenen Entschädigung“ in § 15 Abs. 2 AGG um einen dem deutschen Recht ansonsten fremden „Strafschadensersatz“ (Punitive Damages) handelt, macht die korrekte Festsetzung des Schadensbetrages außerordentliche Probleme (ausführlich dazu BK, § 15 AGG Rz. 34 ff.). Wichtig: Macht der diskriminierte Arbeitnehmer eine Entschädigung von mehr als drei Monatsgehältern geltend, muss er nicht vortragen, dass er bei diskriminierungsfreier Bewerberauswahl die Stelle erhalten hätte. Denn nach richtiger Auffassung ist die Dreimonatshöchstgrenze (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) eine Einwendung des Arbeitgebers, deren Voraussetzungen dieser darzulegen und ggf. zu beweisen hat (statt aller Treber, NZA 1998, 857; BK, § 15 AGG Rz. 36). Unsinnig sind die in der Praxis verbreiteten Auskunftsklagen, mit denen der Arbeitgeber zunächst auf Mitteilung verklagt wird, wie hoch das (fiktive) Einstiegsgehalt gewesen wäre. Zum einen ist schon nicht recht ersichtlich, woher der Auskunftsanspruch materiell-rechtlich kommen sollte. Vor allem aber ist er überflüssig, da wie dargelegt die Dreimonatshöchstgrenze eine Einwendung des Arbeitgebers ist. Überdies beträgt der Entschädigungsanspruch ja nicht genau drei Monatsgehälter, sondern dies ist eine Höchstgrenze. Richtigerweise sollte der Arbeitnehmer daher den ihm angemessen erscheinenden Entschädigungsbetrag einklagen. Legt der Arbeitgeber dann dar und beweist ggf., dass der Arbeitnehmer auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre und die Dreimonatshöchstgrenze unter dem einklagten Betrag liegt, kann der Arbeitnehmer gefahrlos (und ohne Kostenfolge) die Klagesumme entsprechend reduzieren. Die kurzen Geltendmachungsfristen für Ansprüche nach dem AGG sind mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar (EuGH v. 8.7.2010 – Rs. C-246/09, NZA 2010, 869 – Bulicke; BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012, 1211. S. Fn. 10. Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

M 1.11

Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz und Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeitsstelle

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir die Klägerin.

1 S. M 101.1 und M 101.2.

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Diller

M 1.11

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

Kap. 1

Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen2: 1. Der Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.3 2. Der Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen. 3. Der Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.4 4. Hilfsweise: Der Beklagte wird verurteilt, als Vertragsstrafe Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.

Begründung: Die Kl. ist ein IT-Systemhaus. Im Januar … arbeitete die Kl. intensiv an der Fertigstellung eines großen IT-Programms für die Kundin X. Als Abnahmetermin war der 1.3. … vereinbart. Bei Überschreitung des Abnahmetermins war die Kl. gemäß dem Vertrag vom … zur Zahlung einer Konventionalstrafe von Euro … pro Tag verpflichtet. Beweis: Liefervertrag zwischen der Kl. und der Firma X vom …, Anlage K 1 Anfang Januar … fiel einer der wichtigsten Systemprogrammierer der Kl. aufgrund eines Autounfalls längerfristig aus. Die Kl. suchte daraufhin fieberhaft nach einem Ersatz. Der Kontakt mit dem Bekl. wurde über die Agentur für Arbeit vermittelt. Die Kl. wurde mit dem Bekl. schnell über die Konditionen des Anstellungsverhältnisses einig. Die Parteien schlossen am 15.1. … einen „Anstellungsvertrag“, nach dem der Bekl. am 1.2. … bei der Kl. als Systemprogrammierer mit einem Gehalt von Euro … pro Monat beginnen sollte. Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 2 Bei dem Vorstellungsgespräch am … wies die Kl. den Bekl. ausdrücklich darauf hin, dass seine pünktliche Dienstaufnahme am 1.2. … (vorher konnte der Bekl. aus persönlichen Gründen nicht anfangen) ganz wesentlich für die Einhaltung der Lieferverpflichtung gegenüber der Firma X sei. Beweis: Zeugnis des Personalleiters A, zu laden über die Kl. Der Bekl. hat jedoch seine Arbeit nicht wie vertraglich vereinbart am 1.2. … aufgenommen. Auf telefonische Nachfrage erklärte er vielmehr, er habe „sich für einen anderen Arbeitgeber entschieden“. In der Folgezeit versuchte die Kl., den Ausfall des Bekl. durch Mehrarbeit anderer Systemprogrammierer auszugleichen. In der Zeit vom 1.2. … bis zum 28.2. … leisteten andere Systemprogrammierer der Kl., die alle ausschließlich an dem Auftrag für Firma X arbeiteten, insgesamt … Überstunden. Die Überstunden sind in der Anlage K 3 einzeln nach Mitarbeitern, Tag und Uhrzeit aufgeschlüsselt. In den Verträgen aller Systemprogrammierer ist vorgesehen, dass für Überstunden ein Überstundenzuschlag von 50 % zu zahlen ist. Beweis: Anstellungsvertrag des Mitarbeiters B als Beispiel, Anlage K 4 2 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 3 Natürlich wäre es möglich, alle drei Schadenspositionen in einer Summe zusammenzufassen. Die Aufspaltung in drei verschiedene Klaganträge dient jedoch der Übersichtlichkeit. 4 Tritt der Arbeitnehmer schuldhaft die Arbeit nicht an, macht nur eine Klage auf Schadensersatz Sinn. Zwar könnte man den Arbeitnehmer gerichtlich dazu verurteilen lassen, zum Dienst zu erscheinen. Gemäß § 888 Abs. 2 ZPO wäre dieses Urteil aber nicht vollstreckbar, außerdem käme es regelmäßig zu spät. Auch die Festsetzung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG (s. M 108.2) führt nicht weiter. Denn eine Entschädigung darf nur festgesetzt werden, wenn der Arbeitgeber darlegt, dass ihm überhaupt ein Schaden entstanden ist. Dann kann aber auch gleich unmittelbar auf Schadensersatz in bezifferter Höhe geklagt werden. Der Schadensersatzanspruch ist nicht davon abhängig, dass zugleich die Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers anerkannt werden. Die Gehaltsansprüche sind – unabhängig von möglichen Schadensersatzansprüchen – bereits nach §§ 320 ff. BGB entfallen.

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Kap. 1

Anbahnung des Arbeitsverhältnisses

M 1.11

Die für die gemäß Anlage K 3 geleisteten Überstunden von der Kl. gezahlten Überstundenzuschläge betrugen insgesamt Euro … (Klageantrag Ziff. 1). In Anlage K 5 sind die einzelnen Zuschläge für jede einzelne geleistete Überstunde einzeln aufgeschlüsselt.5 Trotz der Überstunden der anderen Systemprogrammierer gelang es nicht mehr, das Programm für die Firma X termingerecht bis zum 1.3. … fertig zu stellen. Vielmehr erfolgte die Fertigstellung erst am … Daraufhin forderte die Firma X vertragsgemäß eine Konventionalstrafe von … × Euro … = Euro … (Klageantrag Ziff. 2), die mittlerweile gezahlt wurde.6 Beweis: Schreiben der Firma X-GmbH an die Kl. vom …, Anlage K 6 In ihrer Not versuchte die Kl. Ende Januar/Anfang Februar im Übrigen, so rasch wie möglich einen Ersatz für den Bekl. zu finden. Bislang hatte die Kl. ihr Personal immer entweder über die Agentur für Arbeit oder über Stelleninserate in Zeitungen angeworben. Ein sofortiger Anruf bei der Agentur für Arbeit am … ergab, dass der Agentur für Arbeit keine stellensuchenden Systemprogrammierer bekannt waren. Dies änderte sich auch in den darauf folgenden Tagen nicht. Da eine Stellensuche per Zeitungsinserat viel zu lange gedauert hätte, wandte sich die Kl. am … an einen ihr bekannten „Headhunter“, die Personalberatung Y und Partner. Der Kl. war bekannt, dass diese Personalberatung über eine ausgezeichnete Datenbank mit IT-Spezialisten verfügte und in der Lage sein könnte, binnen weniger Tage eine Ersatzkraft zu vermitteln. Mit der Personalberatung Y und Partner vereinbarte die Kl. ein nicht-erfolgsabhängiges Pauschalhonorar für die Suche nach einem neuen Systemprogrammierer in Höhe von Euro … (Klageantrag Ziff. 3). Die sofort eingeleitete Suche der Personalberatung blieb jedoch erfolglos. Erst zum … (mithin für die Abwicklung des Auftrags der X-GmbH zu spät) konnte eine Ersatzkraft eingestellt werden. Das vereinbarte Pauschalhonorar von Euro … zahlte die Kl. am …, diese Schadensposition wird mit dem Klageantrag Ziff. 3 geltend gemacht.7 Beweis: Zeugnis des Geschäftsführers der Personalberatung Y und Partner Der Bekl. hat schuldhaft ohne jeglichen Grund seine Arbeit am … nicht wie vertraglich vorgesehen aufgenommen.8 Kausal aufgrund der Nichtaufnahme der Arbeit sind der Kl. die mit den Klaganträ5 Praxistipp: Zahlungen an Aushilfskräfte sind normalerweise ebenso wenig schadensersatzfähig wie erhöhte Lohnkosten wegen überobligationsmäßiger Mehrarbeit anderer Mitarbeiter. Denn der Arbeitnehmer kann regelmäßig einwenden, die gleichen Kosten wären auch entstanden, wenn er den Dienst angetreten hätte, denn dann hätte er natürlich Gehaltsansprüche gehabt. Geltend machen kann der Arbeitgeber also nur Überstundenzuschläge, die bei Vertragserfüllung durch den Arbeitnehmer nicht angefallen wären. In der Praxis scheitern viele Klagen daran, dass eine entsprechende Substantiierung des Arbeitgebers fehlt. 6 Klassischer Fall eines einklagbaren Schadensersatzanspruchs bei Vertragsbruch ist eine aufgrund des Fehlens des Arbeitnehmers verwirkte Konventionalstrafe. Allerdings wird der Arbeitnehmer regelmäßig einwenden, auch bei rechtzeitigem Dienstantritt wäre die Konventionalstrafe unvermeidbar gewesen. Dann trifft den Arbeitgeber die Beweislast. 7 Inserats- und Headhunter-Kosten sind nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht erstattungsfähig. Denn erstattungsfähig ist nur der so genannte Verfrühungsschaden (BAG v. 22.5.1980, v. 26.3.1981 und v. 23.4.1984, AP Nr. 6–8 zu § 276 BGB – Vertragsbruch). Es kommt also darauf an, dass der Schaden nicht auch dann eingetreten wäre, wenn der Arbeitnehmer, statt den Vertrag zu brechen, ordentlich zum nächstmöglichen Termin gekündigt hätte. Das ist jedoch bei Headhunter-Inseratskosten regelmäßig der Fall. Erstattungsfähig sind diese Kosten also nur dann, wenn der Arbeitgeber darlegt, dass er durch den Vertragsbruch in eine derartige Zwangslage geraten ist, dass er diese Kosten ausnahmsweise aufwenden musste, und dass bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ein billigerer Weg für die Suche eines Nachfolgers gewählt worden wäre. Streitig ist, wer die Beweislast dafür trägt, dass die gleichen Kosten auch bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist angefallen wären. 8 Gemäß § 280 Abs. 1 BGB wird im Rahmen eines Schuldverhältnisses vermutet, dass eine Leistungsstörung auf Verschulden des anderen Vertragsteils beruht. Der Arbeitgeber muss deshalb kein Verschulden des Arbeitnehmers am Vertragsbruch darlegen. Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ihn an der Nichtaufnahme des Dienstes kein Verschulden trifft. Daran ändert auch § 619a BGB nichts. Die dort geregelte Beweislastumkehr gilt nur für Schadensfälle in der betrieblichen Sphäre (Oetker, BB 2002, 43).

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

gen Ziff. 1 bis 3 geltend gemachten Schadensbeträge entstanden. Der Bekl. ist für alle entstandenen Schäden ersatzpflichtig. Auf § 287 ZPO wird vorsorglich hingewiesen.9 Mit dem Klageantrag Ziff. 4 wird die in § 10 des Anstellungsvertrages vereinbarte Vertragsstrafe geltend gemacht. In § 10 hieß es wörtlich: „Bei Vertragsbruch des Mitarbeiters, insbesondere bei Nichtantritt der Arbeitsstelle ohne wichtigen Grund, ist der Mitarbeiter zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts verpflichtet.“ Diese Vertragsstrafe war entgegen der außergerichtlich geäußerten Rechtsauffassung des Bekl. auch wirksam vereinbart (wird ausgeführt).10 Da der Bekl., wie oben ausgeführt, die Arbeit ohne wichtigen Grund nicht angetreten hat, ist die Vertragsstrafe in Höhe von Euro … verwirkt. Allerdings ist gemäß § 340 Abs. 2 BGB der tatsächliche Schaden auf die Vertragsstrafe anzurechnen. Da im vorliegenden Fall die Schadenspositionen der Klageanträge Ziff. 1 bis 3 die Höhe der Vertragsstrafe übersteigen, wird der Klagantrag Ziff. 4 nur hilfsweise und insoweit gestellt, als die aus den Klaganträgen Ziff. 1 bis 3 zugesprochenen Beträge hinter dem Betrag des Klagantrags Ziff. 4 zurückbleiben.11 … (Unterschrift)12 9 Praxistipp: Das Hauptproblem bei Schadensersatzklagen wegen Nichtaufnahme der Arbeit ist die schlüssige Darlegung eines Schadens. Arbeitsgerichte sind aus unverständlichen Gründen bei der Anwendung von § 287 ZPO (Schadensschätzung, wenn keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Schadensberechnung vorliegen) außerordentlich zurückhaltend. Es kann nur dringend empfohlen werden, in der Klage das Gericht eindringlich auf die Anwendbarkeit der Vorschrift hinzuweisen (das Gericht hat insoweit kein Ermessen!). Die Schätzung eines Schadens darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Eine völlig abstrakte Berechnung eines Schadens ist daher nicht möglich (ausf. BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 370/10, NZA 2013, 152). 10 S. die Erläuterungen bei M 3.1 § 15. 11 Der Kl. hat die Wahl, ob er die Vertragsstrafe hilfsweise zum tatsächlichen Schaden oder umgekehrt geltend macht. Mit dem Hauptantrag wird zweckmäßigerweise diejenige Forderung geltend gemacht, die „sicherer“ erscheint. 12 Der Streitwert entspricht den eingeklagten Bruttobeträgen.

Kapitel 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Geschäftsbedingungen . . aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten aufgrund der Verbraucherstellung . . . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung zur Individualvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Keine Klauselkontrolle zugunsten des Verwenders . . . . . . . . . . . . . ee) Beteiligung des Betriebsrats bei Formularverträgen . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ 1 2 8 9

11 13 14

b) Einbeziehung in den Vertrag . . . . . . . c) Vorrang der Individualabrede/Schriftformklausel – § 305b BGB . . . . . . . . d) Überraschende Klauseln – § 305c Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unklarheitenregel – § 305c Abs. 2 BGB f) Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit – § 306 BGB . . . aa) Zivilrechtliche Grundsätze . . . . . bb) BAG vor Einführung der AGBKontrolle/Geltung bei Individualverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Diller/Lingemann

_ _ _ _ _ _ _ 16 17 21 25 30 31 35

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

gen Ziff. 1 bis 3 geltend gemachten Schadensbeträge entstanden. Der Bekl. ist für alle entstandenen Schäden ersatzpflichtig. Auf § 287 ZPO wird vorsorglich hingewiesen.9 Mit dem Klageantrag Ziff. 4 wird die in § 10 des Anstellungsvertrages vereinbarte Vertragsstrafe geltend gemacht. In § 10 hieß es wörtlich: „Bei Vertragsbruch des Mitarbeiters, insbesondere bei Nichtantritt der Arbeitsstelle ohne wichtigen Grund, ist der Mitarbeiter zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts verpflichtet.“ Diese Vertragsstrafe war entgegen der außergerichtlich geäußerten Rechtsauffassung des Bekl. auch wirksam vereinbart (wird ausgeführt).10 Da der Bekl., wie oben ausgeführt, die Arbeit ohne wichtigen Grund nicht angetreten hat, ist die Vertragsstrafe in Höhe von Euro … verwirkt. Allerdings ist gemäß § 340 Abs. 2 BGB der tatsächliche Schaden auf die Vertragsstrafe anzurechnen. Da im vorliegenden Fall die Schadenspositionen der Klageanträge Ziff. 1 bis 3 die Höhe der Vertragsstrafe übersteigen, wird der Klagantrag Ziff. 4 nur hilfsweise und insoweit gestellt, als die aus den Klaganträgen Ziff. 1 bis 3 zugesprochenen Beträge hinter dem Betrag des Klagantrags Ziff. 4 zurückbleiben.11 … (Unterschrift)12 9 Praxistipp: Das Hauptproblem bei Schadensersatzklagen wegen Nichtaufnahme der Arbeit ist die schlüssige Darlegung eines Schadens. Arbeitsgerichte sind aus unverständlichen Gründen bei der Anwendung von § 287 ZPO (Schadensschätzung, wenn keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Schadensberechnung vorliegen) außerordentlich zurückhaltend. Es kann nur dringend empfohlen werden, in der Klage das Gericht eindringlich auf die Anwendbarkeit der Vorschrift hinzuweisen (das Gericht hat insoweit kein Ermessen!). Die Schätzung eines Schadens darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Eine völlig abstrakte Berechnung eines Schadens ist daher nicht möglich (ausf. BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 370/10, NZA 2013, 152). 10 S. die Erläuterungen bei M 3.1 § 15. 11 Der Kl. hat die Wahl, ob er die Vertragsstrafe hilfsweise zum tatsächlichen Schaden oder umgekehrt geltend macht. Mit dem Hauptantrag wird zweckmäßigerweise diejenige Forderung geltend gemacht, die „sicherer“ erscheint. 12 Der Streitwert entspricht den eingeklagten Bruttobeträgen.

Kapitel 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Geschäftsbedingungen . . aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten aufgrund der Verbraucherstellung . . . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung zur Individualvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Keine Klauselkontrolle zugunsten des Verwenders . . . . . . . . . . . . . ee) Beteiligung des Betriebsrats bei Formularverträgen . . . . . . . . . . .

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11 13 14

b) Einbeziehung in den Vertrag . . . . . . . c) Vorrang der Individualabrede/Schriftformklausel – § 305b BGB . . . . . . . . d) Überraschende Klauseln – § 305c Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unklarheitenregel – § 305c Abs. 2 BGB f) Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit – § 306 BGB . . . aa) Zivilrechtliche Grundsätze . . . . . bb) BAG vor Einführung der AGBKontrolle/Geltung bei Individualverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Diller/Lingemann

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

cc) BAG nach Einführung der AGBKontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Blue-pencil-test . . . . . . . . . . . . . g) Unangemessene Benachteiligung – § 307 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kontrollsperre . . . . . . . . . . . . . . bb) Transparenzgebot – § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Inhaltskontrolle – Materiell unangemessene Benachteiligung – § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . dd) Vermutungstatbestände des § 307 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . h) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit – § 308 BGB . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rücktrittsvorbehalt . . . . . . . . . . bb) Widerrufsvorbehalt/Anrechnungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit – § 309 BGB . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot von Zurückbehaltungsrechten – § 309 Nr. 2b BGB . . . . . . . . bb) Vertragsstrafe – § 309 Nr. 6 BGB . cc) Beweislastmodifikationen – § 309 Nr. 12 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 2. AGB-Klauselkontrolle von A–Z . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 38 40 41 42 50 55 57 64 66 67 70 72 73 77 82

3. 4. 5. 6.

_ _ _ _ _ _ _ _

Nachweisgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Arbeiter/Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . 149 Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Einzelvertragliche Einbeziehung des Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 7. Arbeitszeit a) Zulässige Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . 156 b) Verstöße gegen das ArbZG . . . . . . . . 159 c) Bereitschaftsdienst . . . . . . . . . . . . . . 160 d) Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

II. Muster Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M. 2.1a Employment agreement with a (blue collar) employee without reference to a collective bargaining agreement . . . . . . . . . . . . . . M . . 2.1b Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 2.2 Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) mit teilweiser Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen . . . M . 2.3

_ _ _ _

Literatur: AGB und Arbeitsvertrag allgemein: Annuß, Grundstrukturen der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, BB 2006, 1333; Bauer, Arbeitsrechtliche Baustellen des Gesetzgebers – insbesondere im Befristungsrecht, NZA 2014, 889; Bauer/Arnold, Altersdiskriminierung von Organmitgliedern, ZIP 2012, 597; Bauer/Heimann, Flexibel, motivierend und „all-inclusive“ – Rechtssichere Vergütung von Führungskräften, NZA Beilage 2014, 114; Bauer/Kock, Arbeitsrechtliche Auswirkungen des neuen Verbraucherschutzrechts, DB 2002, 42; Bayreuther, Der gesetzliche Mindestlohn, NZA 2014, 865; Benedict, Der Maßstab der AGB-Kontrolle – oder die Suche nach dem „indispositiven Leitbild“ im Arbeitsvertragsrecht, JZ 2012, 172; Bissels/Schroeders/Ziegelmayer, Arbeitsrechtliche Auswirkungen der Geheimnisschutzrichtlinie, DB 2016, 2295; Brachmann/Diepold, Stolperfallen im Arbeitsvertrag, AuA 2009, 504; Clemenz/ Kreft/Krause, AGB-Arbeitsrecht, 2013; Crisolli/Zaumseil, BB-Rechtsprechungsreport zum arbeitsrechtlichen AGB-Recht, BB 2012, 1281; Foerster, Steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit – Voraussetzungen an die Steuerfreiheit, StuB 2010, 814; Haas/Fabritius, Auslegung von unwirksamen Formularklauseln, FA 2009, 130; Krieger, Anm. zu BAG: Rückforderung eines Provisionsvorschusses nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ArbRAktuell 2015, 278; Linck, Rechtsfolgen unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen, in Festschrift für Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 645; Lingemann/Müller, Die Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf die Arbeitsvertragsgestaltung, BB 2007, 2006; Lingemann/Weingarth, Zur Anwendung des AGG auf Organmitglieder, DB 2012, 2325; Lunk/Leder, Der Arbeitsvertrag – Allgemeine Grundlagen, NJW 2016, 1292; Lunk/Leder, Der Arbeitsvertrag – einzelne Vertragsklauseln, NJW 2016, 1577, 2472, 3766; Meier, Der Arbeitsvertrag des Compliance-Beauftragten – Rechtliche Notwendigkeiten und Möglichkeiten, NZA 2011, 779; Miethaner, AGB oder Individualvereinbarung – die gesetzliche Schlüsselstelle „im Einzelnen ausgehandelt“, NJW 2010, 3121; Münzel, Chefarztverträge und AGB-Recht, NZA 2011, 886; Preis, AGB-Recht und Arbeitsrecht – Eine Zwischenbilanz, NZA Beilage 3/2006, 115; Preis/Lukes, Mindestlohngesetz und Vertragsgestaltung, ArbRB 2015, 153; Reinecke, Zur AGB-Kontrolle von Arbeitsentgeltvereinbarungen, BB 2008, 554; Singer, Flexible Gestaltung von Arbeitsverträgen, RdA 2006, 362; Spiegelberger/Schilling, Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns, NJW 2014, 2897; Tiedemann/ Triebel, Warum dürfen sich Arbeitgeber nicht auf die Unwirksamkeit ihrer AGB-Vertragsklauseln berufen?, BB 2011, 1723; Tödtmann/Kaluza, Anforderungen an allgemeine Geschäftsbedingungen in arbeits-

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

rechtlichen Verträgen, DB 2011, 114; Zaumseil, Arbeitsvertraglicher Ausschluss des Annahmeverzugs, ArbRB 2011, 222; Zimmermann, Rechtsfolgen unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen, ArbRAktuell 2012, 105. Altersgrenze: Bauer, Anm. zu BAG: Tarifliche Altersgrenze 65, FD-ArbR 2008, 262318; Bader, Arbeitsrechtliche Altersgrenzen weiter flexibilisiert, NZA 2014, 749; Bauer, Anm. zu BAG: Auslegung einer Betriebsvereinbarung zur Altersgrenze, ArbRAktuell 2016, 36; Bauer, Anm. zu BAG: Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen, ArbRAktuell 2013, 155; Bauer, Anm. zu BAG: Befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen des Renteneintrittsalters, ArbRAktuell 2015, 354; Bauer/Diller, EuGH – Rosenbladt – rosiges oder dorniges Blatt für Altersgrenzen?, DB 2010, 2727; Bauer/von Medem, Altersgrenzen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen – Was geht, was geht nicht?, NZA 2012, 945; Bayreuther, Altersgrenzen, Kündigungsschutz nach Erreichen der Altersgrenze und die Befristung von „Altersrentnern“, NJW 2012, 2758; Berg/Natzel, Die Last des Alters aus arbeitsrechtlicher Sicht, BB 2010, 2885; Fischer, Der Rosenbladt-Drehtür-Effekt, FA 2011, 103; Heinz, „65 Jahre + X“ und arbeitswillig – Rechtliche Möglichkeiten der befristeten (Weiter-)Beschäftigung von Rentnern, BB 2016, 2037; Jesgarzewski, „Wirksamkeit von Altersgrenzenregelungen – Auswirkungen der Rechtsrechung des BAG auf die arbeitsvertragliche Praxis“, NWB 2016, 1593; Kösel/Reitz, „Flexi-Rente“ und Europarecht – Zur befristungs- und kündigungsrechtlichen Behandlung von Rentnerarbeitsverhältnissen, NZA 2014, 1366; Kramer, Gestaltung des Hinausschiebens einer vereinbarten Altersgrenze, ArbRAktuell 2015, 144; Poguntke, Neue Gestaltungsmöglichkeiten bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, NZA 2014, 1373; Rolfs, Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand, NZA Beilage 2010, 139; Tempelmann/Stenslik, Altersgrenzenregelungen im Arbeitsrecht, DStR 2011, 577. Anrechnungsvorbehalt: Feddersen, Die Anrechnung übertariflicher Leistungen bei Tariflohnerhöhungen, NWB 2010, 2546. Arbeit auf Abruf – Arbeitszeit: Bissels/Domke/Wisskirchen, Blackberry & Co.: Was ist heute Arbeitszeit?, DB 2010, 2052; Hohenstatt/Schramm, Neue Gestaltungsmöglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, NZA 2007, 238; Natzel, Bereitschaftsdienste – nicht nur eine Frage der Arbeitszeit, BB 2015, 2938; Preis/ Ulber, Direktionsrecht und Sonntagsarbeit, NZA 2010, 729; Thüsing/Hütter, Was ist Arbeit? – Oder: Warum Bereitschaftsdienst keine Arbeitszeit im Sinne des MiLoG ist, NZA 2015, 970; Thüsing/Pötters, Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Zeitkonten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung, BB 2012, 317. Arbeiter und Angestellte: Diller, Anm. zu BAG: Zulässige Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten bei der betrieblichen Altersversorgung, ArbRAktuell 2015, 580. Ausgleichsquittung: Arnold, Anm. zu BAG: Die Unterzeichnung einer vorformulierten Ausgleichsquittung stellt allenfalls ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis dar, ArbRAktuell 2014, 131. Ausschlussfrist/Ausschlussklausel: Brecht-Heitzmann, Verfassungsrechtliche Neubewertung zweistufiger Ausschlussfristen, DB 2011, 1523; Brors, Equal Pay Anspruch und Ausschlussfristen, NZA 2010, 1385; Ennemann, Das Ende der zweistufigen Ausschlussfrist, FA 2011, 133; Husemann, Ausschlussfristen im Arbeitsrecht, NZA-RR 2011, 337; Lakies, AGB-Kontrolle von Ausschlussfristen, ArbRAktuell 2013, 318; Lakies, Praktische Anwendungsprobleme bei Ausschlussfristen, ArbRAktuell 2013, 379; Lingemann/Otte, Der neue § 309 Nr. 13 BGB – Das Ende des schriftlichen Geltendmachens arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen, NZA 2016, 519; Lunk/Seidler, Neue Formvorschriften für Anzeigen und Erklärungen – (ungewollte?) Auswirkungen im Arbeitsrecht; Matthiessen, Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen und das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB, NZA 2007, 361; Matthiessen, Klageweise Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung einer zweistufigen Ausschlussfrist durch Kündigungsschutzklage, NZA 2008, 1165; Nägele/Gertler, Tarifliche Ausschlussfristen auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts, NZA 2011, 442; Preis/Ulber, Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz, 2014; Springer/von Kummer, Arbeitsverträge auf dem Prüfstand: Wichtige Änderungen für arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, DB 2016, 1940; Ulber, Ausschlussfristen und zwingendes Gesetzesrecht, DB 2011, 1808. Befristung einzelner Vertragsbedingungen: Dzida, Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, ArbRB 2012, 286; Fleddermann, Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, ArbAktuell 2015, 367 und 392; Fuhlrott, Anforderungen an die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, NZA 2016, 1000; Lunk/ Leder, Teilbefristungen – Neues Recht und alte Regeln?, NZA 2008, 504; Willemsen/Jansen, Die Befristung von Entgeltbestandteilen als Alternative zum Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt, RdA 2010, 1. Betriebliche Übung: Hampe/Endriß, Spielregeln der betrieblichen Übung, DB 2016, 1635; Hromadka, Die betriebliche Übung: Vertrauensschutz im Gewande eines Vertrags, NZA 2011, 65; Schneider, Betriebliche Übung und konkludente Vertragsanpassung, NZA 2016, 590.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Bezugnahmeklausel: Bauer/Günther, Bezugnahmeklauseln bei Verbandswechsel und Betriebsübergang – Ein Irrgarten?, NZA 2008, 6; Bayreuther, „Hinauskündigung“ von Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag, DB 2007, 166; Betz, Die Inbezugnahme tarifvertraglicher Regelungen im Wege der betrieblichen Übung, BB 2010, 2045; Clemenz, Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge – ein Paradigmenwechsel mit offenen Fragen, NZA 2007, 769; Däubler, Die gemeinsame Initiative von DGB und BDA zur Schaffung einer neuen Form von „Tarifeinheit“, 2010; Di Fabio, Gesetzlich auferlegte Tarifeinheit als Verfassungsproblem, 2014; Diller, Anm. zu BAG: Grenzen der Änderung von Versorgungszusagen mit Jeweiligkeitsklausel bei der betrieblichen Altersversorgung, ArbRAktuell 2015, 476; Diller/Beck, Neues von der ablösenden Betriebsvereinbarung: Abschied vom Großen Senat, BetrAV 2014, 345; Ernst, Tarifverträge und ihre Transparenzkontrolle bei arbeitsvertraglichen dynamischen Globalverweisungen, NZA 2007, 1405; Forst, Betriebsübergang: Ende der Dynamik einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag?, DB 2013, 1847; Gaul/Ludwig, Neues zu arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln, ArbRB 2012, 283; Greiner, Der unechte Tarifwechsel – Zu den Wirkungen kleiner dynamischer Bezugnahmeklauseln bei Tarifwechsel, Tarifsukzession und Tarifrestrukturierung, NZA 2009, 877; Haußmann, Anm. zu BAG: Kleine dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge nach einem Teilbetriebsübergang bleibt maßgeblich, auch wenn beim Erwerber allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten, FD-ArbR 2007, 240797; Haußmann, Bezugnahme auf Tarifvertrag und Branchenwechsel – Betriebsübergang: Tarifwechsel nur bei kongruenter Tarifgebundenheit, DB 2001, 1839; Haußmann, Tarifwechselklauseln in Arbeitsverträgen seit der Schuldrechtsreform („Neuverträgen“), DB 2013, 1359; Haußmann, Bleibt der Erwerber eines Betriebsteils nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB aufgrund dynamischer Bezugnahmeklausel dauerhaft an Tarifverträge gebunden?, DB 2015, 1605; Haußmann, Anm. zu BAG: Hat der Erwerber eines Betriebs nicht die Möglichkeit, an Verhandlungen über Kollektivverträge teilzunehmen, dürfen dynamische Verweisungsklauseln ihn an diese nicht binden, ArbRAktuell 2013, 469; Hexel, Vorsicht bei Vertragsänderungen – Anmerkung zum Urteil des BAG vom 13.05.2015, DB 2016, 417; Hohenstatt/Schuster, Auswirkungen des Tarifeinheitsgesetzes auf Umstrukturierungen, ZIP 2016, 5; Höppner, Nochmals: Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln, NZA 2009, 420; Höppner, Vertrauensschutz bei Änderung der Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln, NZA 2008, 91; Holthausen, Hinweise zur Gestaltung arbeitsvertraglicher Bezugnahmen, ArbRAktuell 2011, 29; Jacobs, Tarifpluralität statt Tarifeinheit – Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!, NZA 2008, 325; Jacobs, Bezugnahmeklauseln als Stolpersteine beim Betriebsübergang, BB 2011, 2037; Jacobs/Frieling, Keine dynamische Weitergeltung von kleinen dynamischen Bezugnahmeklauseln nach Betriebsübergängen, EuZW 2013, 737; Jordan/Bissels, Gilt „der jeweils anwendbare Tarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung“ noch?, NZA 2010, 71; Kempter, Verweisungsklauseln – alles neu nach Alemo-Herron?, BB 2014, 1785; Klebeck, Unklarheiten bei arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel – zur angekündigten Anwendbarkeit des § 305c II BGB auf arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln, NZA 2006, 15; Lakies, Die einzelvertraglich vereinbarte Anwendung von Tarifverträgen durch Bezugnahmeklauseln, ArbRAktuell 2014, 8; Lakies, Die Anwendung von Tarifverträgen nach einem Betriebsübergang, ArbR 2013, 564; Latzel, Unternehmerische Freiheit als Grenze des Arbeitnehmerschutzes – vom Ende dynamischer Bezugnahmen nach Betriebsübergang, RdA 2014, 110; Lingemann, Anm. zu BAG: „Andere Abmachung“ im Sinne von § 4 V TVG geht auch in AGB dem nachwirkenden Tarifvertrag vor, FD-ArbR 2007, 240798; Lingemann, Kleine dynamische Bezugnahmeklausel bei Änderung der Tarifbindung, FS ARGE Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 71; Lingemann, Anm. zu BAG: Dynamische Bezugnahmeklausel nach Betriebsübergang, ArbRAktuell 2015, 304; Lobinger, EuGH zur dynamischen Bezugnahme von Tarifverträgen beim Betriebsübergang, NZA 2013, 945; C. Meyer, Transformierende Betriebsvereinbarungen bei Betriebsübergang, NZA 2007, 1408; Preis/Greiner, Vertragsgestaltung bei Bezugnahmeklauseln nach der Rechtsprechungsänderung des BAG, NZA 2007, 1073; Riemer, Auslegung und Wirksamkeit dynamischer Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen, NWB 2012, 828; Scholz/Lingemann/Ruttloff, Tarifeinheit und Verfassung, NZA-Beilage 1/2015; Schwarz/Ziegler, Kleine dynamische Bezugnahmeklauseln – Abschied vom Tarifwechsel, BB 2010, 1021; Straube/Klagges, „In der jeweils geltenden Fassung“-Regelungen sind unwirksam!, ArbRAktuell, 2011, 421; Sutschet, Bezugnahmeklausel kraft betrieblicher Übung, NZA 2008, 679; Wass, Bezugnahme auf Tarifvertrag und Branchenwechsel, Anm. AP Nr. 12 zu § 1 TVG – Bezugnahme auf Tarifvertrag; Waas, Der Regelungsentwurf von DGB und BDA zur Tarifeinheit, 2010; Willemsen/Grau, Zurück in die Zukunft – Das europäische Aus für dynamische Bezugnahmen nach Betriebsübergang?, NJW 2014, 12; Willemsen/Mehrens, Das Ende der Tarifeinheit – Folgen und Lösungsansätze, NZA 2010, 1313. Bindungsklausel/Stichtagsklausel: Albicker/Wiesenecker, Sonderzahlungen und Stichtagsklauseln in Betriebsvereinbarungen, BB 2008, 2631; Baeck/Winzer, Neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht – Stichtags-

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

klauseln – was geht noch?, NZG 2012, 657; Dzida/Klopp, BAG verschärft Anforderungen an Stichtagsklauseln für Sonderzahlungen, ArbRB 2014, 149; Freckmann/Grillo, Das Ende der Stichtagsklauseln bei leistungsbezogenen Sonderzahlungen – was nun?, BB 2014, 1914; Groeger, Arbeitsvertragliche Vereinbarungen über Sondervergütungen, ArbRB 2010, 156; Heins/Leder, Stichtagsklauseln und Bonuszusagen – unvereinbar?, NZA 2014, 520; Krieger, Anm. zu BAG: Zulässigkeit einer Stichtagsklausel für Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter, ArbRAktuell 2014, 513; Lakies, AGB-Kontrolle von Sonderzahlungen, ArbRAktuell 2012, 306; Lakies, Begrenzte Vertragsfreiheit bei der Gewährung von Sonderzahlungen, DB 2014, 659; Lingemann, Anm. zu BAG: Stichtagsregelung für Jahressonderzahlung mit Mischcharakter ist unwirksam, ArbRAktuell 2013, 597; Lingemann/Gotham, Freiwilligkeits-, Stichtags- und Rückzahlungsregelungen bei Bonusvereinbarungen – was geht noch?, NZA 2008, 509; Salamon, Das Ende von Sonderzahlungen mit Mischcharakter?, NZA 2011, 1328. Dienstwagenrückforderung: Fröhlich, Herausgabe des Dienstwagens bei Kündigung und Freistellung, ArbRB 2011, 253; Günther/Günther, Widerrufsvorbehalt bei privater Dienstwagennutzung, ArbRAktuell 2011, 107; Hunold, AGB-Kontrolle: Widerruf der Gestellung eines Dienstwagens, NZA 2010, 1276. Ermessensvergütung/Ermessensgratifikationen: Arnold, Anm. zu BAG Festsetzung des Bonus-Budgets durch den Arbeitgeber, ArbRAktuell 2014, 286; Lingemann/Pfister/Otte, Ermessen bei Gratifikationen und Vergütung als Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, Bonuszahlung und Freiwilligkeitsvorbehalt – Die Gewichte verschieben sich, NJW 2014, 2400; Salamon, Einseitige Leistungsbestimmungsrechte bei variablen Entgelten, NZA 2014, 465. Freistellungsklausel: Bauer/Günther, Die Freistellung von der Arbeitspflicht – Grundlagen und aktuelle Entwicklungen, DStR 2008, 2422; Bonanni/Ludwig, Freistellung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen, ArbRB 2011, 379; Lingemann/Steinhauser, Der Kündigungsschutzprozess in der Praxis – Beschäftigungsanspruch, NJW 2014, 1428; Mues, Inhaltskontrolle von Freistellungsklauseln, ArbRB 2009, 214; Ohlendorf/Salamon, Freistellungsvorbehalte im Lichte des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, NZA 2008, 856; Richter/Lange, Kontrolle von Freistellungs- und Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen mit Fußballbundesliga-Trainern, NZA-RR 2012, 57. Freiwilligkeitsvorbehalt: Bauer, Anm. zu BAG: Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen, FD-ArbR 2008, 264804; Bayreuther, Freiwilligkeitsvorbehalte: Zulässig, aber überflüssig?, BB 2009, 102; Domke/Nikolaus, Bonusregelung und Freiwilligkeitsvorbehalt – wie passt das zusammen?, DB 2015, 1352; Fischer, Vom Ende einer arbeitsrechtlichen Kaffeefahrt – Hat der Freiwilligkeitsvorbehalt ausgedient?, FA 2007, 105; Fischer, Der langsame Tod des Freiwilligkeitsvorbehalts, FA 2011, 42; Grimm/Freh, Freiwilligkeitsund Widerrufsvorbehalte, ArbRB 2011, 285; Jensen, Arbeitsvertragsklauseln gegen betriebliche Übungen – was geht noch?, NZA-RR 2011, 225; Leder, Der Freiwilligkeitsvorbehalt sprengt den Kernbereich, BB 2009, 1367; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – gibt es sie noch?, DB 2007, 1754; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – es gibt sie noch!, DB 2008, 2307; Lingemann/Gotham, Freiwilligkeits-, Stichtags- und Rückzahlungsregelungen bei Bonusvereinbarungen – was geht noch?, NZA 2008, 509; Maaß, Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt – Welche Formulierung genügt dem Transparenzgebot?, ArbRAktuell 2011, 59; Preis, Der langsame Tod der Freiwilligkeitsvorbehalte und die Grenzen betrieblicher Übung, NZA 2009, 281; Preis/Sagan, Der Freiwilligkeitsvorbehalt im Fadenkreuz der Rechtsgeschäftslehre – Chronik eines angekündigten Todes, NZA 2012, 697; Salamon, Rechtsfolgen des Zusammentreffens von Freiwilligkeitsvorbehalten und Gratifikationszweckvereinbarungen, NZA 2009, 656; Schneider, Betriebliche Übung: Vertragstheorie oder Fiktion von Willenserklärungen?, DB 2011, 2718. Gewerbeordnung: Bauer, Arbeitsrechtliche Änderungen in der Gewerbeordnung, BB 2002, 1590; Hunold, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, AR-Blattei ST 600. Klageverzicht: Bauer, Anm. zu BAG: Wirksamkeit einer Klageverzichtsklausel in Aufhebungsvertrag, ArbRAktuell 2015, 150; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Lingemann, Anm. zu BAG: Formularmäßiger Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ohne Kompensation verstößt gegen § 307 I BGB, ArbRAktuell 2015, 155; Preis/Bleser/Rauf, Die Inhaltskontrolle von Ausgleichsquittungen und Verzichtserklärungen, DB 2006, 2812. Kurzarbeitsklausel: Bauer/Günther, Ungelöste Probleme bei Einführung von Kurzarbeit, BB 2009, 662; Bonanni/Naumann, Konjunkturelle Kurzarbeit: Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Voraussetzungen und Konsequenzen, DStR 2009, 1375.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale: Bauer/Arnold/Willemsen, Überstunden und ihre Tücken, DB 2012, 1986; Bissels/Haag, Rückzahlung von Fortbildungskosten und pauschale Abgeltung von Überstunden – Aktuelle Rechtsprechung, ArbRAktuell 2011, 83; Hunold, Überstunden – Überblick und aktuelle Fragen, DB 2014, 361; Kock, Pauschalabgeltung von Überstunden, DB 2012, 1328; Rosenau, Die Anordnung von Überstunden, NJW-Spezial 2010, 754; Salamon/Hoppe/Rogge, Überstunden im Fokus der jüngeren Rechtsprechung, BB 2013, 1720; Schramm/Kuhnke, Neue Grundsätze des BAG zur Überstundenvergütung, NZA 2012, 127. Nachweisgesetz: Boudon, Arbeitsvertragsschluss und Nachweisgesetz, ArbRB 2006, 155. Nebentätigkeitsverbot: Fuhlrott/Fabritius, Die Begrenzung von Nebentätigkeiten durch Wettbewerbsverbote, FA 2010, 194; Woerz/Klinkhammer, Arbeitsrechtliche Regelungen zur Beschränkung von Nebentätigkeiten, ArbRAktuell 2012, 183. Pauschalabgeltung: Bissels/Haag, Rückzahlung von Fortbildungskosten und pauschale Abgeltung von Überstunden – Aktuelle Rechtsprechung, ArbRAktuell 2011, 83; Hunold, Überstunden – Überblick und aktuelle Fragen, DB 2016, 361; Kock, Pauschalabgeltung von Überstunden, DB 2012, 1328; Salamon/Hoppe/Rogge, Überstunden im Fokus der jüngeren Rechtsprechung, BB 2013, 1720; Schramm/Kuhnke, Neue Grundsätze des BAG zur Überstundenvergütung, NZA 2012, 127. Rückzahlung von Ausbildungskosten: Arnold, Anm. zu BAG: Keine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung von Fortbildungskosten bei unwirksamer Erstattungsklausel, ArbRAktuell 2013, 442; Bissels/Haag, Rückzahlung von Fortbildungskosten und pauschale Abgeltung von Überstunden – Aktuelle Rechtsprechung, ArbRAktuell 2011, 83; Düwell/Ebeling, Rückzahlung von verauslagten Bildungsinvestitionen, DB 2008, 406; Elking, Rückzahlungsklauseln bei Fortbildungskosten – die aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung, BB 2014, 885; Jesgarzewski, Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten, BB 2011, 1594; Lingemann/Kiecza, Rückzahlungsvereinbarungen bei Fortbildungskosten, ArbRAktuell 2009, 156; Maier/Mosik, Unwirksame Rückzahlungsklauseln bei arbeitgeberseitiger Übernahme der Ausbildungskosten, NZA 2008, 1168. Schriftformklausel: Bauer, Doppelt hält nicht besser, BB 2009, 1588; Leder/Scheuermann, Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen – das Ende einer betrieblichen Übung?, NZA 2008, 1222; Lingemann, Betriebliche Übung und Schriftformklausel, Anm. zu BAG v. 24.6.2003, SAE 2005, 40; Lingemann/Gotham, Doppelte Schriftformklausel – gar nicht einfach!, NJW 2009, 268; Lingemann, Anm. zu BAG: AGB-Kontrolle einer doppelten Schriftformklausel, FD-ArbR 2008, 260623; Schramm/Kröpelin, Neue Anforderungen an die arbeitsvertragliche Gestaltung von Schriftformklauseln, DB 2008, 2363. Schuldversprechen/Schuldanerkenntnis: Fornasier/Werner, Formularmäßige Anerkenntnisse und Schuldversprechen nach Haftpflichtfällen: AGB-rechtliche und arbeitsrechtsspezifische Wirksamkeitsschranken, RdA 2007, 235. Späteheklausel: Bauer, Anm. zu BAG: Wirksamkeit einer Spätehenklausel im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, ArbRAktuell 2013, 545; Bauer, Anm. zu BAG: Altersdiskriminierung durch eine Spätehenklausel, ArbRAktuell 2015, 398; Bauer/Krieger, BAG kippt Spätehenklausel – (Wie) lassen sich finanzielle Risiken für die Hinterbliebenenversorgung noch wirksam beschränken?, NZA 2016, 22. Urlaubsklausel: Bauer/von Medem, Von Schultz-Hoff zu Schulte – der EuGH erweist sich als lernfähig, NZA 2012, 113; Bayreuther, Übertragung von Urlaub bei längerer Arbeitsunfähigkeit nach dem KHS-Urteil des EuGH, DB 2011, 2848; Brugger, Urlaubsrecht: Unentwegt unstet, NJW-Spezial 2012, 114; Düwell, Abgeltung des Urlaubsanspruchs als Surrogat? – Ein Luxemburger Missverständnis!, DB 2011, 2492; Falder, Arbeitszeit- und Urlaubsrecht in Zeiten des technologischen Wandels, NZA 2010, 1150; Franzen, Zeitliche Begrenzung der Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer, NZA 2011, 1403; Gehlhaar, Das BAG, der EuGH und der Urlaub, NJW 2012, 271; Kleinebrink, Strategien bei fehlendem Verfall von Urlaubsansprüchen, DB 2011, 2843; Moderegger, Urlaub ohne Grenzen?, ArbRB 2010, 276; Moderegger, Rolle rückwärts im Urlaubsrecht?, ArbRB 2012, 54; Oertel/Chmel, Verfällt der Urlaub bei Krankheit nun doch?, DB 2012, 460; Polzer/Kafka, Verfallbare und unverfallbare Urlaubsansprüche, NJW 2015, 2289; Powietzka/Fallenstein, Urlaubsklauseln in Arbeitsverträgen – Regelungsbedarf und Gestaltungsmöglichkeiten nach der „Schultz-Hoff“-Entscheidung, NZA 2010, 673; Rudkowski, Die Umrechnung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit und ihre Vereinbarkeit mit der Arbeitszeitrichtlinie, NZA 2012, 74; Schiefer/Brasse, Verfallbarkeit wegen Krankheit nicht genommenen Urlaubs – Richtungswechsel?, DB 2011, 1976, Schubert, Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach dem Abschied von der Surrogationsthese, RdA 2014, 9.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 2 Kap. 2

Versetzungsklausel: Dzida/Schramm, Versetzungsklauseln: mehr Flexibilität für den Arbeitgeber, mehr Kündigungsschutz für den Arbeitnehmer, BB 2007, 1221; Gehlhaar, Sozialauswahl: Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern bei unwirksamer Versetzungsklausel?, NJW 2010, 2550; Hromadka, Grenzen des Weisungsrechts, NZA 2012, 233; Hunold, AGB-Kontrolle einer Versetzungsklausel, NZA 2007, 19; Hunold, Die Rechtsprechung des BAG zur AGB-Kontrolle arbeitsvertraglicher Versetzungsklauseln, BB 2011, 693; Kleinebrink, Tätigkeitsklauseln in Formulararbeitsverträgen, ArbRB 2007, 57; Lakies, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers und Vertragsgestaltungsoptionen (Versetzungsklauseln), ArbRAktuell 2013, 3; Lingemann/Siemer, Grenzen des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts bei Änderung von Inhalt und Ort der Tätigkeit (Teil 1), ArbRAktuell 2015, 494; Lingemann/Siemer, Grenzen des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts bei Änderung von Inhalt und Ort der Tätigkeit (Teil 2), ArbRAktuell 2015, 518; Preis, Änderungsvorbehalte – Das BAG durchschlägt den gordischen Knoten, NZA 2006, 632; Preis/ Genenger, Die unechte Direktionsrechtserweiterung, NZA 2008, 969; Reinecke, Weisungsrecht, Arbeitsvertrag und Arbeitsvertragskontrolle – Rechtsprechung des BAG nach der Schuldrechtsreform, NZA-RR 2013, 393; Rid, Das Arbeitsverhältnis im Konzern und seine Auswirkungen auf den Kündigungsschutz, NZA 2011, 1121; Salamon/Fuhlrott, Die Festlegung des Arbeitsplatzes als Vorfrage der AGB-Kontrolle, NZA 2011, 839. Vertragsstrafe: Günther/Nolde, Vertragsstrafenklauseln bei Vertragsbruch – Angemessene und abschreckende Strafhöhe, NZA 2012, 62; Lingemann, Anm. zu BAG: Wird eine Vertragsstrafe für die „Beendigung des Vertrags ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ vereinbart, erfasst dies nur die rechtliche Beendigung, ArbRAktuell 2014, 326; Lingemann/Gottschalk, Vertragsstrafengestaltung im Arbeitsrecht – ein kurzer Leitfaden, DStR 2011, 774; Winter, Wirksamkeits- und Angemessenheitskontrolle bei Vertragsstrafen im Formulararbeitsvertrag, BB 2010, 2757. Wettbewerbsverbot: Diller, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Entschädigungsanspruch ohne Entschädigungszusage?, NZA 2014, 1184. Widerrufsvorbehalt: Feddersen, Möglichkeiten zur Entgeltflexibilisierung, NWB 2010, 1348; Freckmann/ Müller, Verschärfte Anforderungen an vertragliche Widerrufsvorbehalte – BAG, Urteil vom 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NWB 2011, 2552; Gaul/Kaul, Verschärfung der Rechtsprechung zum Widerrufsvorbehalt, BB 2011, 181; Grimm/Freh, Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte, ArbRB 2011, 285; Lakies, Neue Rechtsprechung zu Flexibilisierungsvarianten bei Sonderzuwendungen, ArbRAktuell 2013, 251; Lingemann, Widerruf übertariflicher Leistungen – AGB-Kontrolle, Anm. zu BAG v. 11.10.2006, NJW 2007, 539; Lingemann/Rolf, AGB-Kontrolle von Widerrufsklauseln, LAGReport 2004, 321; Maaß, Widerrufsund Freiwilligkeitsvorbehalt – Welche Formulierung genügt dem Transparenzgebot?, ArbRAktuell 2011, 59. Simon/Hidalgo/Koschker, Flexibilisierung von Bonusregelungen – eine unlösbare Aufgabe?, NZA 2012, 1071.

I. Einführung Gemäß § 105 GewO können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Abschluss, Inhalt und Form des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen.

1

1. Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsvertrag Praxistipp: Im Folgenden werden zunächst die Grundlagen und die Prüfungsfolge der AGB-Kontrolle dargestellt.1 Zum leichteren Auffinden werden verschiedene Klauseltypen im Anschluss unter 2. „Klau-

1 Näher dazu auch Benedict, JZ 2012, 172; Brachmann/Diepold, AuA 2009, 504; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281; Däubler/Bonin/Deiner, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2014; Hunold, BB 2011, 693; Junker, BB 2007, 1274; Lingemann, NZA 2002, 181 ff.; Lunk/Leder, NJW 2016, 1292 f.; MünchKommBGB/Basedow, §§ 305–306a, § 310; MünchKommBGB/Wurmnest, §§ 307–309; Preis, Der Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015; PWW/Berger, §§ 305–310 BGB; Reinecke, NZA-RR 2013, 393; Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 105.

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Kap. 2 Rz. 3

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

selkontrolle von A–Z“ (Rz. 82 ff.) alphabetisch jeweils mit den wichtigsten Hinweisen behandelt. Dort wird jeweils auf Beispielformulierungen in den Mustern verwiesen.

3

Die für die arbeitsrechtliche Vertragsgestaltung wohl wichtigste Einschränkung ist die Anwendung der AGB-Kontrolle auch auf Arbeitsverträge gemäß § 310 Abs. 4 BGB aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts.2

4

Die Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge ergibt sich daraus, dass Arbeitsverträge – anders als Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen – in der Ausnahmeregelung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB entgegen der Vorregelung nicht mehr genannt sind.3

5

Die AGB-Kontrolle gilt für Verträge, die seit dem 1.1.2002 geschlossen worden sind. Für (Alt)Verträge, die vorher geschlossen wurden, gilt sie seit dem 1.1.2003, Art. 229 § 5 EGBGB. Für solche Verträge gilt jedoch möglicherweise ein großzügigerer Maßstab: Um eine verfassungswidrige echte Rückwirkung zu vermeiden, legt das BAG Altverträge ggf. ergänzend danach aus, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die neue Rechtslage bekannt gewesen wäre.4

6

Seit Inkrafttreten des AGBG am 1.4.1977 regelte § 23 AGBG die Bereichsausnahme, nach der das AGBG keine Anwendung findet (ua.) bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. An die Stelle dieser Bereichsausnahme ist seit dem 1.1.2002 die Bereichseinschränkung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB getreten. Danach sind bei der Anwendung auf Arbeitsverträge „… die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“.

7

Damit sollen nicht nur rechtlich besonders ausgestaltete Arbeitsverhältnisse erfasst werden; vielmehr schreibt § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Klauselkontrolle in jedem Arbeitsverhältnis die Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten vor.5 Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten sind beispielsweise der Charakter der Arbeitsleistung als absolute Fixschuld, die fehlende Vollstreckbarkeit der Arbeitspflicht,6 kurze Ausschlussfristen, Anrechnungsvorbehalte,7 Besonderheiten der betrieblichen Altersversorgung8 sowie Besonderheiten der Arbeitsverträge mit Tendenzunternehmen und kirchlichen Einrichtungen. Allein die jahrelange Verwendung einer Klausel reicht demgegenüber nicht aus. a) Allgemeine Geschäftsbedingungen

8

Die Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB gilt nur für Allgemeine Geschäftsbedingungen. aa) Begriff

9

Das sind gemäß § 305 Abs. 1 BGB „alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt“. 2 V. 26.11.2001, BGBl. I 2001, 3138 ff. 3 Auch kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien unterliegen grds. einer Überprüfung nach §§ 305 ff. BGB, BAG v. 19.11.2009 – 6 AZR 561/08, NZA 2010, 583; v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872. 4 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NJW 2011, 2153; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; einschränkend noch BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. 5 BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, NZA 2011, 206; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727. 6 BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 Rz. 21; v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, NZA 2011, 206; v. 28.5.2009, AP BGB § 306 Nr. 6; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727. 7 BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, NZA 2011, 206; v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 52; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746. 8 BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, NZA 2011, 206, 209.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 12 Kap. 2

Davon werden typischerweise erfasst Formulararbeitsverträge und Formularaufhebungsverträge, die für eine mehrfache Verwendung vorgesehen sind, soweit sie vom Arbeitgeber gestellt werden. Mehrfach ist eine dreifache Verwendung, wobei die AGB-Kontrolle schon im ersten Verwendungsfall einsetzt.9 Gestellt sind AGB, wenn der Verwender ihre Einbeziehung in den Vertrag verlangt.10

10

bb) Besonderheiten aufgrund der Verbraucherstellung Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträgen) ist der Anwendungsbereich gemäß § 310 Abs. 3 BGB noch weiter: Da Arbeitnehmer und Fremdgeschäftsführer Verbraucher iSd. § 13 BGB sind und ihr Vertrag damit ein Verbrauchervertrag iSd. § 310 Abs. 3 BGB ist, finden diese Regeln auch für den Arbeitsvertrag und den Anstellungsvertrag des Fremdgeschäftsführers Anwendung:11 – Damit gelten AGB als vom Arbeitgeber gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. – Auch nur zur einmaligen Verwendung bestimmte Klauseln unterliegen, soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte, einer Inhaltskontrolle, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB.12 – Bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen, § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Dazu gehören bei richtlinienkonformer Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung des 16. Erwägungsgrundes zur Richtlinie 93/13/EWG des Rates v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen insbesondere – persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation, wie zB Überrumpelung einerseits oder Belehrung andererseits sowie untypische Sonderinteressen des Vertragspartners.13 – Diese können auch zugunsten des Verwenders berücksichtigt werden.14

11

Trotz Verbraucherstellung steht dem Arbeitnehmer allerdings kein Widerrufsrecht nach § 312 BGB zu, wenn er durch mündliche Verhandlungen am Arbeitsplatz zum Abschluss eines Änderungs- oder Aufhebungsvertrages bestimmt worden ist. Das BAG hat ein Recht zum Widerruf eines im Personalbüro geschlossenen Aufhebungsvertrags nach Sinn und Zweck des § 312 BGB verneint, da er nicht in einer atypischen Umgebung abgeschlossen wur-

12

9 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265, Rz. 15; v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; dabei kann sich schon aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass die Bedingungen zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind. 10 BGH v. 24.5.1995, BGHZ 130, 57 ff.; Palandt/Grüneberg, § 305 BGB Rz. 10 mwN. 11 BAG v. 18.5.2010 – 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935, 937 (Arbeitsvertrag); v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939, 940 (Geschäftsführervertrag); v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 12 BAG v. 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, NZA 2014, 433, v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265, Rz. 15; v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, NZA 2013, 268; v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229; dazu Lunk/Leder, NZA 2008, 504; NJW 2016, 1579; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 328. 13 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 328. 14 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 328.

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Kap. 2 Rz. 13

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

de. Schon unabhängig von der Verbraucherstellung des Arbeitnehmers kommt auch der erhöhte Zinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.15 cc) Abgrenzung zur Individualvereinbarung 13

Die AGB-Kontrolle gilt nicht, soweit die Bedingungen des Vertrages „zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind“, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.16 Ausgehandelt iSv. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist die Vertragsbedingung nicht schon dann, wenn sie lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Vertragspartners entspricht, sondern nur, wenn der Verwender den gesetzesfremden Kern inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingung zu beeinflussen.17 Der Verwender muss sich also deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklären. Auch ändert ein Aushandeln nur einzelner Vertragsbedingungen nichts daran, dass die übrigen Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen bleiben, wie sich schon aus der Gesetzesformulierung „soweit“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ergibt.18 Die Darlegungslast für das „Aushandeln“ trägt der Arbeitgeber als Verwender.19 Auch Klauseln in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen oder inhaltlich mit ihnen übereinstimmen, sind nach denselben Maßstäben auszulegen wie einseitig vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln.20 dd) Keine Klauselkontrolle zugunsten des Verwenders

14

Eine AGB-Kontrolle findet nicht zugunsten des Klauselverwenders statt.21 ee) Beteiligung des Betriebsrats bei Formularverträgen

15

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat das Recht, die in Formulararbeitsverträgen enthaltenen Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Nachweisgesetzes sowie den §§ 305 ff. BGB zu überwachen.22 Allerdings umfasst das Überwachungsrecht keine Zweckmäßigkeitskontrolle, sondern nur eine Rechtskontrolle der in den Formulararbeitsverträgen enthaltenen Vertragsklauseln. Will der Betriebsrat dazu einen Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG hinzuziehen, so muss er zuvor alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nutzen, um sich das notwendige Wissen anzueignen. Hat der Betriebsrat sich nicht zuvor bei dem Arbeitgeber um die Klärung der offenen Fragen bemüht, so ist die Beauftragung eines Sachverständigen nicht erforderlich.23 15 BAG v. 23.2.2005 – 10 AZR 602/03, NZA 2005, 694; v. 24.8.2006, AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 54. 16 Eingehend dazu Miethaner, NJW 2010, 3121. 17 BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725 Rz. 27; BAG v. 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, NZA 2014, 433; v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342; v. 18.12.2008, NZA-RR 2009, 519, 521; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, 44; vgl. auch BGH v. 15.12.1976, NJW 1977, 624, 625. 18 Vgl. BGH v. 6.3.1986, BGHZ 97, 215. 19 Vgl. BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1239; zum Arbeitsvertrag BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, NJW 2014, 2138; v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939. 20 BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634 f.; v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896. 21 BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257; BGH v. 30.6.1994 – VII ZR 116/93, BGHZ 126, 326, 332; krit. Tiedemann/Triebel, BB 2011, 1723. 22 Vgl. BAG v. 16.8.2011 – 1 ABR 22/10, NZA 2012, 342 Rz. 34; Fitting, 27. Aufl. 2014, § 80 Rz. 7. 23 BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05, NZA 2006, 553.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 19 Kap. 2

b) Einbeziehung in den Vertrag Die Bestimmungen in § 305 Abs. 2 und 3 BGB für die Einbeziehung in den Vertrag gelten nicht für Arbeitsverträge.24 An ihre Stelle treten die Sonderregelungen in § 2 NachwG (s. Rz. 144 ff.) und die allgemeinen Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre.25 Ohne die Aufnahme in die dortige Niederschrift entstehen Beweisnachteile für den Arbeitgeber, wenn er die Geltung seiner üblicherweise verwendeten Bedingungen für den konkreten Arbeitsvertrag nachweisen will.26 Dementsprechend führt der bloße Aushang gemäß § 305 Abs. 2 BGB auch nicht schon zur Einbeziehung in den Vertrag. Auch den in § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB aufgenommenen besonderen Anforderungen für die Kenntnisnahme durch eine Vertragspartei mit erkennbarer körperlicher Behinderung ist durch das Erfordernis der Aushändigung in § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG wohl Rechnung getragen. Die in § 305 Abs. 3 BGB vorgesehene Rahmenvereinbarung wird im Arbeitsverhältnis im Zweifel nicht praktisch werden. Auch eine konkludente Einbeziehung von Arbeitsvertragsbedingungen, die insbesondere bei der Bezugnahme auf Tarifverträge und andere allgemeine Regelwerke in Betracht kommt, soll zulässig sein. Die dynamische Bezugnahme auf ein einseitiges Regelungswerk des Arbeitgebers ist allerdings nicht dynamisch, wenn keinerlei Gründe für eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen genannt oder erkennbar sind.27

16

c) Vorrang der Individualabrede/Schriftformklausel – § 305b BGB Der Vorrang der Individualabrede gemäß § 305b BGB war als allgemeiner Rechtsgedanke auch schon vor Inkrafttreten des AGBG allgemein anerkannt.28 Dementsprechend hat eine nachgewiesene spätere mündliche Individualabrede oder ein Bestätigungsschreiben in Änderung des ursprünglichen Vertrages Vorrang vor dessen AGB.29

17

Auch eine Schriftformklausel in AGB30 setzt mündliche und wohl auch konkludente abweichende Vereinbarungen nicht außer Kraft. Denn soweit für Nebenabreden und Vertragsänderungen in AGB konstitutiv die Schriftform vereinbart würde, verstieße dies wiederum gegen den Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB.31 Vollständigkeitsklauseln („Nebenabreden bestehen nicht“) werden indes überwiegend als zulässig angesehen, da sie nur anderweitige Vereinbarungen für die Zeit bis zum Vertragsschluss ausschließen.32

18

Unklar ist allerdings, ob die Individualabrede im Arbeitsrecht nur Vorrang hat, wenn die Parteien ausdrücklich die Schriftformklausel außer Kraft setzen wollten,33 oder ob es ausreicht,

19

24 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076 Rz. 56; aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts von § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB kommt auch keine analoge Anwendung in Betracht. 25 BT-Drucks. 14/6857, S. 54; zum Nachweisgesetz im Einzelnen Rz. 144 ff. 26 Vgl. Rz. 148; LAG Köln v. 9.1.1998, LAGE § 2 NachwG Nr. 4. 27 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99c. 28 Vgl. BGH v. 13.1.1982 – IVa ZR 162/80, WM 1982, 447, 450; v. 25.6.1975, NJW 1975, 1693; v. 6.11.1967, BGHZ 49, 84, 86 f. 29 Zum Zivilrecht BGH v. 20.10.1994 – III ZR 76/94, NJW-RR 1995, 179; v. 9.4.1987 – III ZR 84/86, NJW 1987, 2011. 30 Zu Einzelheiten BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. 31 Vgl. auch BAG v. 24.6.2003, SAE 2005, 37, m. Anm. Lingemann. 32 BGH v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, ZIP 1999, 1887; v. 19.6.1985 – VIII ZR 238/84, NJW 1985, 2329; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Schäfer, § 305b BGB Rz. 30, 39; Preis/Preis, II V 60 Rz. 5. 33 BAG v. 4.6.1963, AP BGB § 127 Nr. 1.

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Kap. 2 Rz. 20

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

dass sie das mündlich Vereinbarte als maßgeblich gewollt haben, auch ohne an die Schriftform zu denken.34 20

Für die doppelte Schriftformklausel gilt der Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB, gleichfalls. Die Klausel ist daher zu weit gefasst, wenn der Vorrang darin nicht zum Ausdruck kommt.35 Auch eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus, § 306 Abs. 2 BGB.36 Die Grundsätze gelten auch für einen Freiwilligkeitsvorbehalt.37 Eine insoweit zu weit gefasste Schriftformklausel schützt daher auch nicht gegen eine betriebliche Übung.38 Einer ergänzenden Vertragsauslegung steht eine wirksame doppelte Schriftformklausel indes nicht entgegen, da der Vertrag damit nur ausgelegt und nicht geändert wird.39 d) Überraschende Klauseln – § 305c Abs. 1 BGB

21

Gemäß § 305c BGB werden „Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, … nicht Vertragsbestandteil“.

22

Überraschend ist eine Klausel, der ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ innewohnt. Daher wurde eine vertragliche Ausschlussfrist schon nach alter Rechtslage nicht Vertragsinhalt, wenn sie der Verwender ohne besonderen Hinweis und ohne drucktechnische Hervorhebung unter falscher oder missverständlicher Überschrift einordnete.40

23

Eine Klausel ist überraschend, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners des Verwenders deutlich abweicht und er mit ihr den Umständen nach insbesondere aufgrund der Gestaltung des Vertrags und dessen äußerem Erscheinungsbild nicht zu rechnen braucht.41 Daher sind insbesondere versteckt angebrachte Regelungen überraschend und damit unwirksam,42 zB, wenn die Befristung im Arbeitsvertrag drucktechnisch hervorgehoben wird, die kürzere Probezeitbefristung jedoch nicht. (Zumindest) letztere ist dann unwirksam.43 Das 34 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82; v. 10.1.1989, AP HGB § 74 Nr. 57; vgl. Schaub/ Linck, ArbR-Hdb., § 32 Rz. 56 mwN; zu betrieblicher Übung und Schriftformklauseln vgl. auch AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. 35 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233, dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268; anders noch BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1145 = SAE 2005, 37 m. Anm. Lingemann; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. 36 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233, dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268. 37 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 38 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233, dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268. 39 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423. 40 BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, NZA 1996, 702; im konkreten Fall handelte es sich um eine VierWochen-Verfallfrist, die dadurch in den Arbeitsvertrag einbezogen werden sollte, dass im sechsten Absatz des § 9 des Arbeitsvertrages unter der Überschrift „Verschiedenes“ ein Verweis auf die Betriebsordnung enthalten war, welche ihrerseits wiederum unter der Überschrift „Lohnberechnung und Zahlung“ die Ausschlussklausel enthielt. Als überraschende Klausel wurde diese nicht Vertragsbestandteil; vgl. schon früher BAG v. 21.12.1970, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 1. 41 BAG v. 29.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350 Rz. 15 ff.; v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076 Rz. 59; v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876. 42 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37, 38 f. (Altersgrenze); v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193, 1198 f. (unwirksame Ausgleichsklausel); v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 326 (unwirksame Verfallklausel); LAG Düsseldorf v. 13.4.2005, DB 2005, 1463 (unwirksame Ausgleichsquittung). 43 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 27 Kap. 2

Gleiche gilt für in Schlussbestimmungen versteckte Verfallklauseln44 oder einen Klageverzicht am Ende einer Empfangsquittung für Arbeitspapiere.45 Sind allerdings innerhalb einer im Arbeitsvertrag enthaltenen Vereinbarung unter der Überschrift „Wettbewerbsverbot“ alle das Wettbewerbsverbot konstituierenden und ausgestaltenden Einzelelemente geregelt und sind keine Regelungen enthalten, die damit in keinem Zusammenhang stehen, so ist eine innerhalb dieser Vereinbarung vorgesehene aufschiebende Bedingung für das Inkrafttreten des Wettbewerbsverbots nicht „überraschend“ iSv. § 305c Abs. 1 BGB.46 Auch dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge in Formularverträgen sind nicht überraschend.47 Maßgeblich für die Beurteilung ist nicht das Verständnis des konkreten Arbeitnehmers, sondern das Verständnis des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders.48 Der Überrumpelungseffekt tritt auch dann nicht ein, wenn ein sprachunkundiger Arbeitnehmer mit einer in deutscher Sprache verfassten Klausel konfrontiert wird, sofern kein inhaltlicher Widerspruch zwischen den Erwartungen des Vertragspartners und dem Inhalt der Klausel besteht.49

24

e) Unklarheitenregel – § 305c Abs. 2 BGB Gemäß § 305c BGB gehen „Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen … zu Lasten des Verwenders“.

25

Es ist Sache des Verwenders, sich klar und unmissverständlich auszudrücken.50 Eine unklare oder mehrdeutige Regelung ging auch vor Einführung der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge „zu Lasten des Arbeitgebers (…), der bei der Formulierung dieser Vereinbarung für die nötige Klarheit hätte sorgen müssen“.51 Eine Vertragsstrafe für den Fall des „Vertragsbruchs des Mitarbeiters“ umfasste daher schon vor Inkrafttreten der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge zwar den Fall der rechtswidrigen Eigenkündigung, nicht aber den Fall der vom Arbeitnehmer schuldhaft veranlassten vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Arbeitgebers. Auch die unklare Regelung des Anspruchs auf Karenzentschädigung in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Wettbewerbsverbot führte unabhängig von der AGB-Kontrolle zu dessen Unwirksamkeit.52

26

Seit Einführung der AGB-Kontrolle kommt der Unklarheitenregel insbesondere53 bei arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge erhebliche Bedeutung zu.54 So hat das

27

44 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 45 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 155. 46 BAG v. 13.7.2005, AP HGB § 74 Nr. 78; vgl. auch Junker, BB 2007, 1274, 1280; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 122 f. 47 BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154. 48 Vgl. BAG v. 29.6.2011, AP TVG § 1 Tarifvertrag Arzt Nr. 49; v. 23.2.2011, NZA-RR 2012, 122, 125; v. 13.6.2007 – 5 AZR 564/06, DB 2007, 2035, 2036. 49 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076 Rz. 62; zur Intransparenz solcher Klauseln s. Rz. 52. 50 Palandt/Grüneberg, § 305c BGB Rz. 15. 51 Vgl. zu einer unklar formulierten Ausgleichsquittung schon BAG v. 3.5.1979, DB 1979, 1465. 52 BAG v. 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, NZA 1996, 700, 701: „Die Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss so eindeutig formuliert sein, dass aus Sicht des Arbeitnehmers kein vernünftiger Zweifel über den Anspruch auf Karenzentschädigung bestehen kann.“ 53 Zu anderen Anwendungsbereichen s. BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 mit Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 245079 (Freiwilligkeitsvorbehalt bei Bonuszahlung); v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324 (in einer Ausschlussklausel muss zur Vermeidung von Intransparenz die Rechtsfolge mitgeteilt werden); Einzelheiten AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92. 54 Vgl. BAG v. 24.8.2011, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 94; v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965; v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607; v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202.

Lingemann 51

Kap. 2 Rz. 28

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

BAG in Anwendung der Unklarheitenregel die Auslegung von nach dem 1.1.2002 vereinbarten kleinen dynamischen Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede aufgegeben55 (dazu im Einzelnen Rz. 99 sowie M 2.2 Ziff. 5 mit Anm.). 28

Im Zweifel gilt die arbeitnehmerfreundlichste Auslegung,56 sofern sich die Klausel nicht bei arbeitnehmerfeindlichster Auslegung bereits als inhaltlich unwirksam erweist.57

29

Auf die Unklarheitenregel darf allerdings nur zurückgegriffen werden, wenn trotz Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare erhebliche Zweifel verbleiben.58 Führt also die Auslegung bereits zu einem eindeutigen Ergebnis, ist für die Unklarheitenregel kein Raum. Sie bedeutet daher nicht, dass eine auslegungsfähige Regelung zu Lasten des Verwenders auszulegen ist. f) Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit – § 306 BGB

30

§ 306 BGB enthält spezielle Rechtsfolgen für den Fall der nicht wirksamen Einbeziehung oder der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel.59 aa) Zivilrechtliche Grundsätze

31

Im Zivilrecht gilt für die AGB-Kontrolle: Entgegen § 139 BGB führt die Unwirksamkeit oder Nichteinbeziehung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt. Vielmehr bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1 BGB.60

32

Die Bestimmung selbst allerdings, die nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist, kann nicht auf ein zulässiges Maß zurückgeführt werden. Eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig.61 Gemäß § 306 Abs. 2 BGB richtet sich der Inhalt des Vertrages insoweit vielmehr nach den gesetzlichen Vorschriften, wozu auch die von Rechtsprechung und Literatur herausgebildeten ungeschriebenen Rechtsgrundsätze zählen.62

33

Dies gilt allerdings nicht ohne Einschränkungen. Fehlen beispielsweise für eine Vertragsergänzung geeignete Vorschriften oder Rechtsgrundsätze und ist die ersatzlose Streichung der Klausel keine interessengerechte Lösung, so schließt die Rechtsprechung die durch die Unwirksamkeit entstehende Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 242, 315 BGB.63 Die 55 BAG v. 20.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323; v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965; v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607. 56 Palandt/Grüneberg, § 305c BGB Rz. 18; PWW/Berger, § 305c BGB Rz. 17 mwN. 57 Vgl. BGH v. 23.3.2006, BGH v. 23.3.2006 – III ZR 102/05, NZA 2006, 551 sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Familienmitglieder als Arbeitnehmer“, Rz. 102; BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/ 09, NZA 2010, 1355, 1357; v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202, 203. 58 BAG v. 23.2.2011, NZA-RR 2012, 122, 125; v. 9.2.2011, AP BGB § 307 Nr. 52; v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, BB 2006, 2532. 59 Zu Einzelheiten Haas/Fabritius, FA 2009, 130; Zimmermann, ArbRAktuell 2012, 105. 60 BGH v. 21.6.2011, BAG AP BGB § 307 Nr. 54 Rz. 30; BGH v. 9.5.1996 – III ZR 209/95, BB 1996, 1524, 1525; PWW/Berger, § 306 BGB Rz. 1. 61 BGH v. 22.9.2015 – II ZR 340/14, ZIP 2015, 2414, Rz. 20; v. 29.7.2004, NJW-RR 2004, 1498; v. 3.11.1999, NJW 2000, 1113; PWW/Berger, § 306 BGB Rz. 4 ff. 62 BGH v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092, 2093; v. 11.7.1996, NJW 1996, 2788 (Vorlagebeschluss an den Großen Senat); Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rz. 12; PWW/Berger, § 306 BGB Rz. 13. 63 Vgl. BGH v. 11.10.2011 – VI ZR 46/10, NJW 2012, 222, 224; v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, NJW 2002, 3098; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110, st. Rspr.; BGH v. 31.10.1984 – VIII ZR 220/83, BB 1985, 481; Linck, FS Bauer, 2010, S. 645, 655 ff.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 37 Kap. 2

ergänzende Vertragsauslegung setzt allerdings voraus, dass ohne eine Ergänzung des Vertrages keine angemessene, den typischen und schutzwürdigen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung zu erzielen ist. Der Wegfall der Klausel muss demnach den Verwender über Gebühr benachteiligen und umgekehrt dessen Vertragspartner in einem Maße begünstigen, das durch dessen schutzwürdige Interessen nicht mehr gerechtfertigt ist.64 Eine ergänzende Vertragsauslegung soll jedoch scheitern, wenn verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung der Lücke in Betracht kommen und kein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit getroffen hätten.65 Nur wenn ein Festhalten an dem Vertrag unter Berücksichtigung dieser Grundsätze eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei – idR den Verwender – darstellen würde, erfasst die Unwirksamkeit der einzelnen AGB-Klausel den Vertrag insgesamt, § 306 Abs. 3 BGB. Diese Regelung ist jedoch eng auszulegen und auf den Fall beschränkt, dass der Wegfall der AGB das Vertragsgleichgewicht grundlegend stört.66 Diese zu der Vorgängerregelung in § 6 AGBG entwickelten Grundsätze gelten unverändert für den wortgleichen § 306 BGB.

34

bb) BAG vor Einführung der AGB-Kontrolle/Geltung bei Individualverträgen Das Bundesarbeitsgericht nahm vor Einführung der AGB-Kontrolle einzelfallbezogen zum Teil eine geltungserhaltende Reduktion vor, zum Teil leitete es aus der Unbilligkeit einer Klausel aber auch die vollständige Unwirksamkeit der jeweiligen Regelung her. So hat das BAG mit Urteil v. 30.9.199867 eine Vergütungsvereinbarung, die entgegen § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG unangemessen niedrig war, auf ein angemessenes Maß angehoben. Mit Urteil v. 11.4.198468 hat der 5. Senat auch die überhöhte Bindungsdauer bei der Verpflichtung zur Rückzahlung von Fortbildungskosten von fünf Jahren auf drei Jahre als angemessenes Maß herabgesetzt.

35

Umgekehrt hat das BAG vor allem bei Verstößen gegen die Unklarheitenregel zu Lasten des Arbeitgebers Unwirksamkeit angenommen; eine arbeitsvertragliche Klausel zur Rückzahlung des Weihnachtsgeldes war daher unwirksam, wenn sie weder Voraussetzungen für die Rückzahlungspflicht noch einen eindeutig bestimmten Zeitraum für die Bindung des Arbeitnehmers festlegte.69 Eine ergänzende Vertragsauslegung scheiterte daran, dass verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten bestanden und der Vertrag keinerlei Anhaltspunkte dafür enthielt, dass gerade auf die vom BAG als eine Möglichkeit angesehenen Rückforderungsmechanismen abgestellt werden sollte und nicht etwa auf abweichende Gestaltungen.

36

Eine unklare Regelung zur Karenzentschädigung führte nach der Entscheidung des 9. Senates des BAG v. 5.9.1995 zur Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbotes insgesamt.70 Auch eine überraschende Ausschlussklausel war insgesamt unwirksam.71

37

64 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946. 65 BGH v. 10.2.2009 – VI ZR 28/08, NJW 2009, 1482, 1484 mwN; v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110, 1111; für eine weiter gehende Lückenfüllung auch bei mehreren denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten Ulmer/Brandner/Hensen/H. Schmidt, § 306 BGB Rz. 38. 66 BGH v. 22.2.2002 – V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136; v. 9.5.1996 – III ZR 209/95, NJW-RR 1996, 1009, 1010 (unter IV 1 der Gründe); PWW/Berger, § 306 BGB Rz. 17 mwN. 67 BAG v. 30.9.1998 – 5 AZR 690/97, NZA 1999, 265. 68 BAG v. 11.4.1984, AP BGB § 611 Nr. 8. 69 BAG v. 14.6.1995, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 176. 70 BAG v. 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, NZA 1996, 700, 701. 71 BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, NZA 1996, 702.

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Kap. 2 Rz. 38

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

cc) BAG nach Einführung der AGB-Kontrolle 38

Auch nach Einführung der AGB-Kontrolle entscheidet das BAG eher einzelfallorientiert. Eine überhöhte Vertragsstrafe im Formularvertrag ist unwirksam und nicht auf ein angemessenes Maß herabzusetzen.72 Unwirksam ist auch eine Rückzahlungsklausel, die einen Mitarbeiter zur Rückzahlung von Ausbildungskosten verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird, ohne danach zu unterscheiden, wessen Sphäre der Grund für die Beendigung zuzuordnen ist.73 Bei einer zu langen Bindungsdauer für die Rückzahlung von Ausbildungskosten differenziert das BAG: Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer zu bestimmen.74 Auch eine zu kurze und deshalb unwirksame Ausschlussklausel kann nicht auf die zulässige Dauer ausgedehnt75 und eine zu lange Bindungsklausel nicht auf die zulässige Dauer eingeschränkt werden.76

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Hingegen kann der Einwendungsausschluss in einem Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB für sich alleine unwirksam sein, ohne dass das Schuldanerkenntnis insgesamt deswegen unwirksam wird.77 Auch kann eine unwirksame Vereinbarung über Arbeit auf Abruf mangels entsprechender gesetzlicher Regelung nicht gemäß § 306 Abs. 2 BGB ersetzt werden, so dass die entsprechende Lücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist.78 Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet auch nicht schon deswegen aus, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht innerhalb der Übergangsfrist bis zum 1.1.2003 (s. Rz. 5) eine Anpassung der Klausel angeboten hat.79 dd) Blue-pencil-test

40

Die Unwirksamkeit einer Teilregelung erfasst allerdings nicht automatisch die anderen Regelungen der Klausel. Kann die unwirksame Regelung herausgestrichen werden und bleibt die restliche Regelung verständlich („blue pencil test“), so bleibt die restliche Regelung wirksam.80 Das BAG hat den blue-pencil-test insbesondere angewendet bei einer zu kurzen Frist auf der zweiten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist,81 nicht allerdings bei einer zu kurzen Frist auf der ersten Stufe82, bei einer Stichtagsregelung zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum 72 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727. 73 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957 Rz. 17; v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435, 437 f.; v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748. 74 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342, 345 f.; im Einzelnen Lingemann/Kiecza, ArbRAktuell 2009, 156. 75 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149, 150. 76 Vgl. BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, Rz. 15; v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, Rz. 21. 77 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682. 78 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428. 79 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; aA BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; vgl. auch Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1287 f. 80 BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679; v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, NZA 2015, 231; v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, ArbRAktuell 2013, 597; v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971, Rz. 37; v. 21.6.2011 – 9 AZR 236/10, NZA 2011, 1274, 1277; v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2009, 285230; v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, BB 2007, 1624, 1626 mwN; v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822, 2824; vgl. auch Rz. 132 sowie Thüsing, BB 2006, 661. 81 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971 Rz. 37; v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699. 82 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 45 Kap. 2

Stichtag, jedoch nicht zum ungekündigten Fortbestand,83 bei zu engen Voraussetzungen für ein vertragliches Rückkehrrecht84 und bei einer Vertragsstrafe aufgrund zT konkreter und zT – und daher zu streichender – unkonkreter Voraussetzungen.85 g) Unangemessene Benachteiligung – § 307 BGB Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (materiell unangemessene Benachteiligung, Rz. 55 f. sowie 57 ff.). Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (formell unangemessene Benachteiligung, Transparenzgebot, Rz. 50 ff.).

41

aa) Kontrollsperre Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch nur dann der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2, §§ 308 und 309 BGB, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden („Kontrollsperre“). In jedem Falle aber gilt das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

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(1) Rechtsvorschriften iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, dh. auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten.86 Das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung führt zB nicht dazu, dass die formularmäßig vereinbarte Befristung einzelner Arbeitsbedingungen wegen § 307 Abs. 3 BGB nicht nach §§ 307 ff. BGB zu kontrollieren wäre. Auch gesetzlich nicht geregelte Vertragstypen können am Maßstab der §§ 307 ff. BGB gemessen werden.87

43

(2) Allerdings unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 BGB rein deklaratorische Vertragsklauseln, die in jeder Hinsicht mit einer bestehenden gesetzlichen Regelung übereinstimmen, nicht der Inhaltskontrolle. Denn bei Unwirksamkeit solcher Klauseln würde ohnehin gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung gelten.88

44

Auch Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern von den Vertragsparteien festgelegt werden müssen, sind der Inhaltskontrolle nicht unterworfen. Dies betrifft Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (Leistungsbeschreibung) und das dafür zu zahlende Entgelt sowie Klauseln, die das Entgelt für eine zusätzlich angebotene Sonderleistung festlegen, wenn hierfür keine Regelungen bestehen. Das gilt also insbesondere für Leistungsbeschreibungen, die Art,

45

83 84 85 86

BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783. BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 519/10. BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053. BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013 Rz. 27; v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 Rz. 20; v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455, 2458; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; v. 7.12.2005, AP TzBfG § 12 Nr. 4; v. 31.8.2005, AP ArbZG § 6 Nr. 8. 87 BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, NZA-RR 2010, 7, 11 f.; v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, 44 mwN. 88 BAG v. 9.2.2011, AP BGB § 307 Nr. 52; v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, NZA-RR 2010, 7, 11; v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, 44 mwN.

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Kap. 2 Rz. 46

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen.89 Ebenso sind Verweisungen auf die für die Berechnung des Ruhegehalts jeweils geltenden Vorschriften des Beamtenversorgungsrechts kontrollfrei, da sie die Hauptleistung, nämlich die Versorgung, festlegen. Solche Klauseln können nicht in einen den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung regelnden Teil und einen Teil, der die Hauptleistungspflicht modifiziert, aufgespalten werden.90 Kontrollfrei ist auch die Festlegung von Ort und Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers91 sowie die Herabsetzung der vergütungspflichtigen Arbeitszeit.92 Keine Abweichung von Rechtsvorschriften gemäß § 307 Abs. 3 BGB enthält auch die Beendigungsvereinbarung im Aufhebungsvertrag, so dass auch sie nicht der Inhaltskontrolle unterliegt.93 Sie kann aber überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB sein.94 46

(3) Klauseln hingegen, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, weichen im Allgemeinen von Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts. ab. Sie sind daher Gegenstand der Inhaltskontrolle.95 Im Falle der Unwirksamkeit derartiger Klauseln kann an ihre Stelle die gesetzliche Regelung treten.

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Bei den Leistungsbeschreibungen gilt die Inhaltskontrolle daher nur für solche Leistungsbezeichnungen nicht, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag schon nicht angenommen werden kann.96

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(4) Auch die Inhaltskontrolle der folgenden Regelungen (nach Kernbegriff alphabetisch) scheitert daher nicht an der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB: – Die befristete Erhöhung97 oder Verringerung98 der regelmäßigen Arbeitszeit stellt als befristete Änderung der synallagmatischen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eine Änderung des Hauptleistungsversprechens dar, die nach § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähig ist. Auch die befristete Aufstockung eines Stundendeputats für Lehrkräfte kann daher eine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung sein.99 – In einer zu weit gehenden Regelung zur Arbeit auf Abruf sah das BAG eine gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB verstoßende Verlagerung des den Arbeitgeber nach § 615 BGB treffenden Wirtschaftsrisikos und damit eine gemäß § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähige Regelung.100 – Auch eine Ausgleichsklausel unterfällt der Inhaltskontrolle, da ein einseitiger Rechtsverzicht vom ungeschriebenen Grundsatz des Äquivalenzprinzips abweicht. Erfolgt keine an-

89 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908, Rz. 24 ff.; v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, NZARR 2010, 7, 11; v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, 44 mwN. 90 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908, Rz. 24 ff.; v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08, NZARR 2011, 255; v. 4.12.2010 – 3 AZR 898/08, NZA 2011, 576, 579. 91 BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631. 92 BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, NZA 2013, 266 93 BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148; v. 3.6.2004 – 2 AZR 427/03; v. 22.4.2004, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 27; v. 27.11.2003, NZA 2004, 597. 94 BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614. 95 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, juris, Rz. 37 f.; v. 10.12.2014, NZA 2015, 811, Rz. 34 ff.; v. 9.2.2011, AP BGB § 307 Nr. 52; v. 10.12.2008, NZA-RR 2010, 7, 11; v. 27.7.2005, NZA 2006, 40, 44 mwN. 96 BAG v. 23.3.2011, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 88; v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, NZA-RR 2010, 7, 11; v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, 44 mwN. 97 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsteile“, Rz. 96. 98 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811, Rz. 34 ff. 99 BAG v. 18.1.2006, NZA 2007, 351. 100 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)



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Rz. 52 Kap. 2

gemessene Gegenleistung, ist die entsprechende Klausel auch unwirksam nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.101 In einer zu kurzen einzelvertraglichen Ausschlussfrist sah das BAG nicht nur einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern auch eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts entgegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und eine Einschränkung wesentlicher Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben derart, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist, entgegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.102 Ebenso weicht ein Einwendungsausschluss in einem Schuldanerkenntnis von § 812 Abs. 2, § 821 BGB ab und ist daher gemäß § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähig.103 Einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Verwender das Recht einräumen, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegen einer Inhaltskontrolle, denn sie weichen von dem allgemeinen Grundsatz pacta sunt servanda ab.104 Gleiches gilt für eine Rückzahlungsklausel von Weiterbildungskosten, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und seine Berufsfreiheit unzulässig beeinträchtigt, wenn die Rückzahlungsverpflichtung allein an eine Kündigung des Mitarbeiters anknüpft, ohne nach Kündigungsgrund bzw. -verantwortlichkeiten zu differenzieren.105 Die Pauschalierung von Überstunden soll der Inhaltskontrolle unterliegen, wenn der Vertrag gleichzeitig eine Anordnungsbefugnis regelt.106 Auch ein Widerrufsvorbehalt des Arbeitgebers unterliegt der AGB-Kontrolle, allerdings nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm.107

Einstweilen frei.

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bb) Transparenzgebot – § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB § 307 BGB enthält das Verbot, „den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen zu benachteiligen“. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hält ferner ausdrücklich fest, dass sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben (kann), „dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist“.

50

Dieses „Transparenzgebot“ verpflichtet den Verwender, seine AGB so zu gestalten, dass der rechtsunkundige Durchschnittsbürger in der Lage ist, die ihn benachteiligende Wirkung einer Klausel ohne Einholung von Rechtsrat zu erkennen.108

51

Das BAG hat auch vor Inkrafttreten der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge das Transparenzgebot bei Austauschverträgen außerhalb des eigentlichen Arbeitsverhältnisses – zB

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101 BAG v. 26.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338. 102 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 f. 103 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682. 104 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 105 BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738. 106 BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, NZA 2013, 266; v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908, Rz. 26. 107 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138. 108 BGH v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, NJW 2010, 2942, 2944; v. 19.10.1999, NJW 2000, 651; v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, NJW 1990, 2383; v. 24.11.1988, BGHZ 106, 49; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rz. 21.

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Kap. 2 Rz. 53

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Dienstwagenverträgen – uneingeschränkt angewendet,109 die Grundsätze aber auch für das Arbeitsverhältnis selbst. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung von Gratifikationen beispielsweise musste „ausdrücklich und eindeutig sowie für den Arbeitnehmer überschaubar und klar geregelt werden.“110 Fehlte es daran, war die Regelung schon deswegen unwirksam. Dies galt nicht nur für die Verständlichkeit der Formulierung, sondern auch für die mühelose Lesbarkeit der Vertragsregelung.111 53

Sinn des Transparenzgebotes im Rahmen der AGB-Kontrolle ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.112 Dagegen begründet die Verwendung englischer Begriffe nicht zwangsläufig die Intransparenz der Klausel.113 Ist der Vertrag nicht in der Muttersprache des Arbeitnehmers verfasst, führt dies ebenfalls nicht zur Intransparenz, wenn er aus Sicht der Vertragssprache klar und verständlich ist.114

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Das Transparenzgebot schließt insbesondere das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen, eine Klausel muss also im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben.115 Gleichwohl darf das Transparenzgebot den Verwender auch nicht überfordern, die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht daher nur im Rahmen des Möglichen.116 Die Auslegungsmöglichkeit einer AGB begründet daher auch nicht gleichsam automatisch deren Intransparenz. Lässt sich jedoch eine Bestimmung unschwer so for109 BAG v. 26.5.1993 – 5 AZR 219/92, NJW 1994, 213; zur neuen Rechtslage BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253, in diesem Fall entsprach die entsprechende Widerrufsklausel dem Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. 110 Vgl. BAG v. 14.6.1996, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 176; v. 8.11.1978, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 100; v. 26.6.1975, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 86. 111 Prägnant ArbG Berlin v. 24.8.2001, AiB 2002, 442, 443: „Der Arbeitsvertrag ist aufgrund seines Schriftbildes nur mit äußerster Mühe zu lesen. Wenn man versucht, den Text der maschinenschriftlichen Passagen des Arbeitsvertrages zu entziffern, beginnt das Schriftbild aufgrund der Größe der gewählten Schrift und des Abstandes zwischen den einzelnen Buchstaben vor den Augen zu tanzen, so dass man den Inhalt der einzelnen Vertragsklauseln nur mit äußerster Konzentration und nach wiederholtem Lesen inhaltlich erfassen kann. Damit ist die Vertragsstrafenabrede des § 6 des Formulararbeitsvertrags nicht zum Inhalt der arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien geworden.“ 112 BAG v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, NZA 2015, 871 Rz. 33; v. 21.6.2011 – 9 AZR 236/10, NZA 2011, 1274, 1277; v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; dazu Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754; BAG v. 14.3.2007, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45. 113 Das gilt zumindest für ein international tätiges Unternehmen, BAG v. 20.8.2014 – 10 AZR 453/13, NZA 2014, 1333, Rz. 30. 114 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076, Rz. 67. Zwar handelt es sich bei der Sprachunkundigkeit des Arbeitnehmers grundsätzlich um einen nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu berücksichtigenden Begleitumstand; dieser allein führt aber nicht zur Unwirksamkeit eines ansonsten der Inhaltskontrolle standhaltenden Vertragswerks, da dies dem abstrakt-generellen Prüfungsmaßstab des § 307 Abs.1 BGB widersprechen und zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde. 115 BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, NZA 2015, 231, Rz. 20; v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777, Rz. 23; v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335 f.; v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; BGH v. 3.3.2004, NZM 2004, 379. 116 BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335 f.; v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; BGH v. 6.10.2004 – VIII ZR 215/03, WuM 2004, 663; vgl. auch BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 57 Kap. 2

mulieren, dass das Gewollte klar zu erkennen ist, führt eine Formulierung, bei der das Gewollte allenfalls durch eine umfassende Auslegung ermittelbar ist, zu vermeidbaren Unklarheiten.117 Wegen der weit reichenden Folgen von Ausschlussfristen erfordert das Transparenzgebot beispielsweise regelmäßig einen Hinweis auf die Rechtsfolge des Verfalls der Ansprüche bei nicht fristgerechter Geltendmachung.118 Bei Bezugnahmeklauseln, die die Gleichstellung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern bezwecken, muss der Gleichstellungszweck hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen.119 cc) Inhaltskontrolle – Materiell unangemessene Benachteiligung – § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Zur Feststellung, ob die Klausel inhaltlich den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind bei der gebotenen generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt;120 die Klausel ist insbesondere dann unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.121

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Ein Großteil der Entscheidungen zur AGB-Kontrolle entfällt auf diese Inhaltskontrolle, insbesondere auch die in Rz. 48 aufgeführten Fälle. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu den einzelnen Klauseln unter „AGB-Klauselkontrolle von A–Z“, Rz. 82 ff., verwiesen.

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dd) Vermutungstatbestände des § 307 Abs. 2 BGB Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist“; nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB greift die Vermutung auch, wenn „die Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der 117 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946. 118 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. Eine Widerrufsklausel muss so gefasst sein, dass der Arbeitnehmer weiß, in welchen Fällen er mit der Ausübung des Widerrufs rechnen muss, BAG v. 19.12.2006 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; vgl. auch BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796. Eine Vertragsstrafe muss die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass der Arbeitnehmer sich darauf einstellen kann, BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777, Rz. 25, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2014, 326; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“ bzw. „Vertragsstrafe“, Rz. 138 f. bzw. 130 f. 119 BAG v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, NZA 2009, 151 mwN, s. Rz. 99 ff. 120 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 84; v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 426; v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 326; vgl. BAG v. 27.4.2000, AP BGB § 765 Nr. 1 zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. 121 BAG v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, NZA 2015, 871 Rz. 59 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2015, 278; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 84; v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; v. 10.1.2007 – 5 AZR 84/06, NZA 2007, 384; v. 9.5.2006, AP BGB § 307 Nr. 21; v. 11.4.2006, AP BGB § 307 Nr. 17; v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, 326; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110, 1112 mwN; im Einzelnen Lingemann/Kiecza, ArbRAktuell 2009, 156; Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rz. 12.

Lingemann 59

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Kap. 2 Rz. 58

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.“ 58

Allerdings gilt, wie oben (Rz. 42 ff.) dargestellt, § 307 Abs. 2 BGB nur, soweit von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, § 307 Abs. 3 BGB („Kontrollsperre“).122

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(1) Die Abweichung von gesetzlichen Vorschriften, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, ist etwa bei Freistellungsklauseln von Bedeutung, denn bei diesen muss insbesondere der allgemeine Beschäftigungsanspruch als Leitbild iSd. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB berücksichtigt werden.123 Die Entscheidungen zur Befristung von Arbeitszeiterhöhungen, zu Abrufarbeit, Ausschlussfrist oder Einwendungsausschluss in einem Schuldanerkenntnis stützte das BAG neben § 307 Abs. 1 BGB auch jeweils auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. auch Rz. 48 sowie unter Rz. 96, 89, 92 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsteile“, „Arbeit auf Abruf“ sowie „Ausschlussfrist“).

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(2) Maßstab für die Angemessenheitsregelung sind nicht Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB beschränkt sich darauf, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie umfassende Verweisungen auf diese in Arbeitsverträgen von der AGB-Kontrolle auszunehmen.124 Eine weitergehende Orientierung von arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten an Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen begründet sie nicht. Tarifverträge können allerdings bei der Beurteilung von Lohnwucher eine Rolle spielen. So liegt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung iSv. § 138 Abs. 2 BGB vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht.125

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Einstweilen frei.

(3) Fälle der Vertragszweckgefährdung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind selten. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB begrenzt zB Ausschlussklauseln (Verfallklauseln), da sie den sich aus der Natur des Arbeitsvertrags (§ 611 Abs. 1 BGB) ergebenden Vergütungsanspruch einschränken.126 Denn zu kurz bemessene Ausschlussklauseln für den Vergütungsanspruch bergen die Gefahr, dass der für das Arbeitsverhältnis wesentliche Leistungsaustausch verfehlt wird. Der Vertragszweck ist gefährdet, wenn die Leistung des Arbeitnehmers ohne Gegenleistung bleibt.127 h) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit – § 308 BGB

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Die spezifischen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeiten – § 309 BGB – sollen nach der Gesetzesbegründung im Arbeitsrecht nur eingeschränkt gelten. Hier soll der Hauptanwendungsbereich für die „Besonderheiten des Arbeitsrechts“ gemäß der Bereichseinschränkung, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, liegen. Eine ausdrückliche Aussage zu den Klauselverboten mit 122 S. dazu AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 98 f. 123 LAG München v. 7.5.2003, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“, Rz. 103; zur Vergütung während der Freistellung vgl. BAG v. 23.1.2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595. 124 Vgl. zu kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634 m. Anm. Thüsing, BB 2011, 190. 125 BAG v. 18.4.2012, NZA 2012, 978 m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2012, 378; v. 22.4.2009 – 5 AZR 436/ 08, NZA 2009, 837. 126 BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149, 152. 127 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971; v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149, 152.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 69 Kap. 2

Wertungsmöglichkeit – § 308 BGB – findet sich in der Gesetzesbegründung nicht. Jedoch werden hier die Besonderheiten des Arbeitsrechts, die nach dem Wortlaut des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB insgesamt bei der AGB-Kontrolle zu berücksichtigen sind, schon über die in § 308 BGB selbst vorgesehene Wertungsmöglichkeit einfließen. Bei den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit ist § 308 Nr. 3 BGB von Bedeutung (Rücktrittsvorbehalt, Rz. 66), ferner § 308 Nr. 4 BGB (eingeschränkte Wirksamkeit einseitiger Änderungsvorbehalte, insbesondere Widerrufsvorbehalte, Rz. 67 ff.).

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aa) Rücktrittsvorbehalt Ein Rücktrittsvorbehalt ist nach § 308 Nr. 3 BGB nur wirksam, wenn in dem Vorbehalt auch der Grund für die Lösung vom Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit angegeben ist und ein sachlich gerechtfertigter Grund für seine Aufnahme in die Vereinbarung besteht.128

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bb) Widerrufsvorbehalt/Anrechnungsvorbehalt § 308 Nr. 4 BGB stellt die Wirksamkeit einseitiger Änderungsvorbehalte unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit für den anderen Vertragsteil. Die Vorschrift betrifft Klauseln, in denen der Verwender sich das Recht vorbehält, die versprochene Leistung zu ändern – nicht anwendbar ist sie daher auf Änderungsvorbehalte, die etwa den Umfang der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers betreffen.129

67

Ein Widerrufsvorbehalt ist daher u.a. nur wirksam, wenn die Gründe für den Widerruf im Arbeitsvertrag genannt sind. Daneben gelten weitere enge Voraussetzungen, dazu verweisen wir auf Rz. 138 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“ sowie M 2.2 Ziff. 4 (2) mit Anm.). Für Formularverträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurden, kommt allerdings eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht, sofern der Widerrufsgrund nicht im Vertrag genannt ist.130

68

Nicht nötig ist die Nennung von Gründen dagegen bei der Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen, da die Tariferhöhung selbst „für sich gesehen bereits ein sachlicher, die Anrechnung rechtfertigender Grund“ ist.131 Dies gilt umso mehr, als die übertarifliche Zulage letztlich nur als bloßer Rechnungsposten die Differenz zwischen dem tariflichen und dem arbeitsvertraglichen Gehalt wiedergibt, die sich naturgemäß mit jeder Tariferhöhung verringert.132 Eines gesonderten Anrechnungsvorbehaltes bedarf es daher auch unter der Geltung des AGB-Rechts nicht, da sich die vereinbarte Vergütung nicht ändert.133

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128 BAG v. 27.7.2005, AP BGB § 308 Nr. 2; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rücktrittsvorbehalt“, Rz. 120. 129 BAG v. 17.2.2015 – 1 AZR 599/13, juris, Rz. 22; v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 427. 130 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; v. 12.1.2005, AP BGB § 308 Nr. 1. 131 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746, 748 f.; v. 22.8.1979, EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 3; vgl. auch die Nachweise in den nachstehenden beiden Fn.; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120, 2124; vgl. AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f.; Lingemann, NZA 2002, 181. 132 Vgl. schon BAG v. 27.8.2009 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; v. 16.4.1986 – 5 AZR 115/85, DB 1987, 1542. 133 Vgl. BAG v. 27.8.2009 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688; Lingemann, NZA 2002, 181; ferner Rz. 87.

Lingemann 61

Kap. 2 Rz. 70

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

i) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit – § 309 BGB 70

Auch die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit erfordern im Arbeitsrecht eine Wertung, denn sie sind ausweislich der Gesetzesbegründung134 in besonderer Weise an den Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß der Bereichseinschränkung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu messen.

71

Praxisrelevant bei den Klauselverboten ohne Wertungsmöglichkeit sind im Arbeitsrecht vor allem die Regelungen zum Zurückbehaltungsrecht, § 309 Nr. 2b BGB (Rz. 72), zur Vertragsstrafe, § 309 Nr. 6 BGB (Rz. 73 ff.) und zur Beweislastmodifikation, § 309 Nr. 12 BGB (Rz. 77 ff.): aa) Verbot von Zurückbehaltungsrechten – § 309 Nr. 2b BGB

72

Gemäß § 309 Nr. 2b BGB ist eine Bestimmung unwirksam, durch die ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird. Daraus wird zum Teil geschlossen, dass der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des Arbeitnehmers, welches typischerweise vereinbart wird für Gegenstände, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum Besitz überlassen hat (zB Pkw, Mobiltelefon, Laptop), ohne Wertungsmöglichkeit unwirksam sei.135 Indes sind auch bei § 309 BGB die Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu berücksichtigen. Solche Besonderheiten können jedenfalls bestehen, wenn der Arbeitgeber ein aus der spezifischen Struktur der Arbeitsbeziehung resultierendes berechtigtes Interesse am Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes hat, zB weil die weitere Besitzüberlassung eine Gefahr für Betriebsgeheimnisse darstellt,136 was typischerweise beim vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Notebook und Smartphone der Fall ist. bb) Vertragsstrafe – § 309 Nr. 6 BGB

73

Nach § 309 Nr. 6 BGB sind Vertragsstrafenklauseln137 in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie (u.a.) für den Fall vereinbart werden, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst.

74

Die Vertragsstrafe für den Fall der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist oder des Nichtantritts der Arbeitsstelle ist auch unter Geltung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB in den Grenzen von § 307 BGB weiterhin wirksam; der Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO ist eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit. Vertragsstrafenabreden sind deshalb nicht gemäß § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig.138

75–76

Einstweilen frei.

134 135 136 137

BT-Drucks. 14/6857, S. 53/54 zu Nr. 5. Schuster, AiB 2002, 274, 278. So namentlich Annuß, BB 2002, 458, 463; krit. Hümmerich, NZA 2003, 753, 764. S. ausführlich zu Vertragsstrafenklauseln auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 f. 138 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89 f.; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 f. Anders aber bei Vertragsstraferegelungen zugunsten gemeinnütziger Dritter, vgl. Weinbrenner, FA 2010, 229.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 82 Kap. 2

cc) Beweislastmodifikationen – § 309 Nr. 12 BGB Nach § 309 Nr. 12 BGB ist eine Bestimmung unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder b) ihn bestimmte Tatsachen bestätigen lässt; Letzteres gilt jedoch nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind (Rz. 79).

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Schon vor Einführung der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen hatte das BAG arbeitsvertragliche Eingriffe in die gesetzlichen oder richterrechtlichen Beweislastregeln im Arbeitsvertrag als unzulässig angesehen. Die Bestätigung des Arbeitnehmers beispielsweise, ihm sei bekannt, dass die Ausbildung viel teurer sei als der Betrag, den der Arbeitgeber bei fehlender Vertragstreue zurückfordere, sah das BAG als unzulässige Beweislastmodifikation an und bezog sich dabei ausdrücklich auf den Rechtsgedanken des § 11 Nr. 15b AGBG, der Vorgängerregelung des jetzigen § 309 Nr. 12b BGB.139

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Gem. § 309 Nr. 12b BGB sind Empfangsbekenntnisse nur wirksam, wenn sie gesondert unterschrieben sind.140

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Praxistipp: Wichtig ist, dass Empfangsbekenntnisse vom übrigen Vertragstext deutlich abgesetzt141 und vom Empfänger gesondert unterschrieben werden und nicht im Allgemeinen Vertragswerk „untergehen“.

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Festzuhalten bleibt, dass eine Reihe von Fragen immer noch ungeklärt sind, weil höchstrichterliche Rechtsprechung dazu noch nicht oder nicht abschließend vorliegt. Im Bereich der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen besteht daher nach wie vor eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Formulierungsvorschläge in diesem Buch geben die von uns erwartete Entwicklung wieder, können aber nicht unkritisch übernommen werden, sondern müssen für die praktische Anwendung jeweils dem dann aktuellen Stand der Rechtsprechung angepasst werden.

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2. AGB-Klauselkontrolle von A–Z

• Abgeltungsklausel142 (s. auch „Ausgleichsquittung“, Rz. 90a und „Klageverzicht“, Rz. 110a)

Abgeltungsklauseln in Abwicklungs- oder Aufhebungsverträgen sind grundsätzlich weit auszulegen und idR auch keine überraschenden oder ungewöhnlichen Klauseln iSd. § 305c BGB.143

139 BAG v. 16.3.1994, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18. 140 OLG Schl.-Holst.v. 5.11.2013 – 5 U 86/13, juris, Rz. 24. Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Klageverzichts BAG v. 20.6.1985 – 2 AZR 427/84, NZA 1986, 258: Die Erklärung „Ich erhebe gegen die Kündigung keine Einwendungen und werde meine Rechte, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, nicht wahrnehmen oder eine mit diesem Ziel erhobene Klage nicht durchführen“, reicht aus, nicht aber „Ich erkläre hiermit, dass mir aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Ansprüche mehr zustehen“, BAG v. 3.5.1979, DB 1979, 1465 = EzA KSchG § 4 Nr. 15 m. Anm. Heckelmann; zum Ganzen Preis/Rolfs, II A 100 7d), S. 493 ff. 141 LG Hamburg v. 26.3.2013 – 312 O 170/12, juris, Rz. 69; OLG Hamburg v. 5.9.1986, ZIP 1986, 1260; vgl. zu überraschenden Klauseln bereits Rz. 21 f. 142 Einzelheiten und Formulierungsvorschlag s. M 23.1a, § 26. 143 BAG v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856 m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2012, 325; v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355; v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318.

Lingemann 63

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Kap. 2 Rz. 82a

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

• Änderungsklausel (s. auch „Versetzungsklausel“, Rz. 129)144

82a

Soll mit Hilfe einer Änderungsklausel, also einer Klausel, die eine Änderung über § 106 Satz 1 GewO hinaus regelt („echte Direktionsrechtserweiterung“),145 die vertragliche Tätigkeit als solche geändert werden, so muss gewährleistet sein, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand hat.146 Andernfalls stellt sie eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, da sie mit wesentlichen Grundgedanken des arbeitsrechtlichen Inhaltsschutzes gemäß § 2 KSchG nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).147

82b

Das BAG geht bei der Auslegung einer Versetzungsklausel nach folgenden Grundsätzen vor:148 Durch Auslegung der vertraglichen Regelungen ist zunächst zu ermitteln, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und -ort vertraglich festgelegt wurde.149 Enthält der Vertrag hierüber eine nähere Festlegung, so unterliegt diese keiner Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, da es sich um eine inhaltliche Bestimmung der Hauptpflicht handelt. Vorzunehmen ist nur eine Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ist der Inhalt der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag nicht festgelegt, ergibt sich der Umfang des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht mehr an.150 Enthält der Vertrag neben einer Festlegung von Art oder Ort der Tätigkeit einen Versetzungsvorbehalt, unterliegt dieser nicht der gesetzlichen Angemessenheitskontrolle, wenn er inhaltlich der Regelung des § 106 Satz 1 GewO entspricht oder zugunsten des Arbeitnehmers davon abweicht. Auch dann gilt nur eine Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dabei muss die vertragliche Regelung die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen. Insbesondere muss sich aus dem Inhalt der Klausel oder aus dem Zusammenhang der Regelung deutlich ergeben, dass sich der Arbeitgeber nicht die Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten – gegebenenfalls noch unter Verringerung der Vergütung – vorbehält. Nicht zulässig wäre daher grundsätzlich eine Klausel, die nicht gewährleistet, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand hat.151 Ob im Einzelfall eine geringerwertige Tätigkeit, ggf. sogar mit einer geringeren Vergütung, einseitig zugewiesen werden kann152, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen einer Änderungskündigung erfüllt sind oder unter den Beschränkungen, die das BAG für Widerrufsvorbehalte aufgestellt hat,153 ist nicht geklärt. Im letzteren Fall müsste dies zusammen mit Widerrufsgründen in der Klausel auch ausdrücklich geregelt werden.154 Ob damit die Klausel dann angemessen ist, ist gleichwohl offen.

144 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 1 (2); zur Systematik Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 494, 518. 145 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355; Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 974 f.; krit. Hromadka, NZA 2012, 233, 236. 146 Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 518, 519. 147 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1358; Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 974 f.; aA Hromadka, NZA 2012, 233, 236 f. 148 Vgl. BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355 sowie BAG Jahresbericht 2010, S. 21; s. dazu ausführlich Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 494, 518. 149 BAG v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856 m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2012, 325; v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1357. 150 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1357 f. 151 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145. 152 Dagegen Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 974 f. Dafür Hromadka, NZA 2012, 233, 236 f. 153 S. unter Widerrufsvorbehalt, Rz. 138, also namentlich eine Reduzierung um nicht mehr als 20 %. 154 Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 974 f.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 85a Kap. 2

Dagegen erfordert auch die Verpflichtung zur transparenten Vertragsgestaltung gemäß § 307 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht, dass die Klausel Hinweise auf den Anlass der Ausübung des Weisungsrechts enthält.155 Geht der Vorbehalt über § 106 GewO hinaus, findet eine uneingeschränkte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB statt.156 Eine Versetzung nach § 106 GewO ist zudem nicht möglich, wenn die Auslegung des Arbeitsvertrags die Festlegung auf einen bestimmten Arbeitsort oder eine bestimmte Tätigkeit ergibt und die Versetzungsklausel unwirksam ist.157 Ist der Arbeitsort oder die Tätigkeit im Arbeitsvertrag hingegen nicht festgelegt, gelten bei unwirksamen Versetzungsvorbehalt wegen § 306 Abs. 2 BGB wieder die gesetzlichen Bestimmungen, hier § 106 Satz 1 GewO.158 Das kommt insbesondere in Betracht, wenn mit dem Tätigkeitsort im Vertrag nur der Ort des Tätigkeitsbeginns angegeben und gerade nicht ein dauerhafter Dienstsitz festgelegt wird.159 Auch die befristete Änderung einzelner Vertragsbedingungen unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB160 (im Einzelnen Rz. 96).

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Zu Einzelheiten s. auch unter „Versetzungsklausel“, Rz. 129.

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Änderungsvorbehalt (s. auch „Änderungsklausel“, Rz. 82a, und „Versetzungsklausel“, Rz. 129)161

Klauseln, durch die sich der Verwender das Recht vorbehält, die versprochene Leistung zu ändern, sind an § 308 Nr. 4 BGB zu messen. Insbesondere fallen darunter Änderungsvorbehalte, die bei unveränderter Arbeitspflicht des Arbeitnehmers die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers ändern. Dagegen unterfällt ein Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nicht § 308 Nr. 4 BGB, sondern nur § 307 BGB, da es nicht die Leistungspflicht des Arbeitgebers, sondern den Umfang der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers betrifft.162

• Aktienoptionsplan163

Die Grundsätze der AGB-Kontrolle zu Sonderzahlungen, Bindungsfristen und Verfallklauseln gelten für Aktienoptionspläne wegen des spekulativen Charakters dieser Pläne nur eingeschränkt. Auch können Aktienoptionsrechte grundsätzlich an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gebunden werden.164 Soweit sie vom Arbeitgeber zugesagt wurden, unterfallen sie auch grundsätzlich einer vertraglichen Ausgleichsklausel.165 Auch für die Gewährung von Aktienoptionen gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz.166

155 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1358 mwN. 156 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1358. 157 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1358; Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 518, 519. 158 Vgl. BAG v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856, Rz. 22. 159 BAG v. 28.8.2013 – 10 AZR 569/12, DB 2014, 123; vgl. auch BAG v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, Rz. 22; v. 13.11.2013, 10 AZR 1082/12, Rz. 31. 160 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811, Rz. 29; v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253, 1254; v. 18.1.2006, DB 2006, 1379. 161 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 1 (2). 162 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 427. 163 Formulierungsvorschlag s. M 12.28. 164 BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066. 165 BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066 = AP BGB § 305 Nr. 12 m. Anm. Lingemann/ Gotham. 166 BAG v. 21.10.2009 – 10 AZR 664/08, DB 2010, 115; vgl. auch BAG v. 5.8.2009 – 10 AZR 666/08, NZA 2009, 1135 m. Anm. Spielberger/Burkhardt, BB 2010, 3096.

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Kap. 2 Rz. 86

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

• Altersgrenze167

Eine Altersgrenze im Formulararbeitsvertrag stellt für sich alleine keine überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB dar, da ihr kein „Überrumpelungs- oder Übertöpelungseffekt“ innewohnt. Sie ist nicht so ungewöhnlich, dass ein Arbeitnehmer nicht mit ihr zu rechnen braucht. Insbesondere ist sie nicht überraschend, solange sie nicht an versteckter Stelle, sondern zB. unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ zu finden oder sonst deutlich sichtbar ist. Die Altersgrenze lediglich in den Schlussbestimmungen aufzuführen reicht hingegen nicht.168 Jedenfalls eine Altersgrenze, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters endet, ist wirksam, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine gesetzliche Altersrente erwerben kann oder bereits erworben hat169, oder die Auszahlung aus einer befreienden Lebensversicherung erhält.170 Der EuGH hat zudem mehrfach171 entschieden, dass die mit der Altersgrenze verbundene Ungleichbehandlung wegen des Alters objektiv und angemessen gerechtfertigt wird durch ein aus dem allgemeinen Kontext einer nationalen Regelung abgeleitetes Ziel, über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen den Beschäftigungszugang zu fördern. Dabei betont der EuGH den weiten Spielraum der Mitgliedstaaten172 bzw. der Sozialpartner173 und hält es für die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Altersgrenze für ausreichend, wenn nachgewiesen ist, dass diese zur Erreichung des verfolgten Ziels nicht unvernünftig ist.174 Auch nach der Rechtsprechung des BAG verstößt die Vereinbarung einer Altersgrenze (damals: „65“) nicht gegen das EU-Diskriminierungsrecht, jedenfalls wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf eine Rente wegen Alters iSd. § 35 SGB VI hat.175 Die Wirksamkeit der Befristung ist dabei nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Regelaltersgrenze abhängig, da es für die Wirksamkeit der Befristung nur darauf ankommt, ob bei Vertragsschluss ein entsprechender Befristungsgrund vorlag.176

167 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 2 (2); vgl. auch Tempelmann/Stenslik, DStR 2011, 577. 168 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37, 38 f. 169 BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695 (Arbeitsvertrag); v. 4.11.2015 – 7 Sa 770/12, NZA 2016, 634 (Betriebsvereinbarung); v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2016, 36 (Betriebsvereinbarung); v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 18 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 155 (Betriebsvereinbarung), v. 12.6.2013 – 7 AZR 917/11, NZA 2013, 1428 (Arbeitsvertragsrichtlinie/BAT); v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09, NZA 2011, 586 (Tarifvertrag). Zum Ganzen: Jesgarzewski, NWB 2016, 1593 ff. 170 BAG v. 16.11.2005 – 7 AZR 86/05, NZA 2006, 535. 171 Vgl. EuGH v. 12.10.2010 – Rs. C-45/09, NZA 2010, 1167 – Rosenbladt; v. 5.7.2012; v. 5.7.2012 – Rs. C-141/11, NZA 2012, 785 – Hörnfeldt; v. 5.3.2009 – Rs. C-388/07, NZA 2009, 305 – Age Concern; v. 16.10.2007 – Rs. C-411/05, NZA 2007, 1219 – Palacios. 172 EuGH v. 21.7.2011, NVwZ 2011, 1249 – Fuchs. 173 EuGH v. 12.10.2010 – Rs. C-45/09, NZA 2010, 1167 – Rosenbladt. 174 Ebenso EuGH v. 5.7.2012 – Rs. C-141/11, NZA 2012, 785 – Hörnfeldt. Vgl. auch allgemein Bauer/ von Medem, NZA 2012, 945, die von einem „rein abstrakten Prüfungsmaßstab“ sprechen. 175 Zu Arbeitsverträgen BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695; zu Tarifverträgen BAG v. 12.6.2013, 7 AZR 917/11 NZA 2013, 1428; zu Betriebsvereinbarungen BAG v. 4.11.2015 – 7 Sa 770/ 12, NZA 2016, 634; v. 9.9.2015 – 7 ABR 47/13, juris; v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 18, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 155. BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 134/10, NZA 2012, 271; v. 16.10.2008, DB 2009, 850; v. 18.6.2008 – 7 AZR 116/07, NZA 2008, 1302 sowie BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 155 zu einem Tarifvertrag, der auf das Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt. 176 Vgl. vorstehende Fn., ferner BAG v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09, NZA 2011, 586; Bauer/von Medem, NZA 2012, 945; Bayreuther, NJW 2012, 2758.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 86a Kap. 2

Stellt die Regelung nicht auf das Erreichen der Altersgrenze, sondern auf einen bestimmten Rentenbezug ab, so handelt es sich um eine auflösende Bedingung.177 Das Arbeitsverhältnis endet daher gem. §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schrifltichen Unterrichtung des Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Nach dem am 1.7.2014 eingeführten § 41 Satz 3 SGB VI können die Arbeitsvertragsparteien den Beendigungszeitpunkt ggf. aber auch mehrfach durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses hinausschieben.178 Eine so gestaltete Befristung bedarf dann – anders als eine Befristung nach Ende des Arbeitsverhältnisses179 – keines sachlichen Grundes.180 Die Vereinbarung muss allerdings im laufenden Arbeitsverhältnis getroffen werden und zu einem nahtlosen Übergang führen.181 Zum Teil werden Bedenken gegen die europarechtliche Konformität der Norm geäußert, da sie ohne jede Einschränkung beliebig viele Befristungen jenseits der Regelaltersgrenze ermögliche.182 Dies könne gegen Art. 6 der RL 2000/78/EG und damit gegen die Altersdiskriminierung verstoßen mit der Folge, dass § 41 Satz 3 SGB VI nicht anzuwenden sei.183 Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung sollte daher der Zeitraum des Hinausschiebens sowie die Anzahl der Verlängerungen beschränkt werden.184 Zulässig dürfte erst recht die Vereinbarung einer Altersgrenze auf einen Zeitpunkt sein, der später liegt als die gesetzliche Regelaltersgrenze.185 Offen ist, ob der Arbeitgeber, wenn er eine (Wieder)Einstellung des wegen Altersgrenze ausgeschiedenen Arbeitnehmers ablehnt, gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach §§ 1, 7 AGG verstößt.186 Auch für Organmitglieder ist die Befristung auf die Regelaltersgrenze zulässig,187 die Vereinbarung niedrigerer Altersgrenzen ist u.E. zulässig, aber nicht geklärt.188 Befristungen zum 60. Lebensjahr können bei Chefärzten aus Haftungsgründen oder bei Piloten aus Gründen der Flugsicherheit zulässig sein,189 sie verstoßen nicht gegen die Berufs-

177 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 851/13, NZA 2016, 634, Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 189; die Regelung in einer Gesamtbetriebsvereinbarung lautete: „Das Arbeitsverhältnis endet spätestens … mit Ablauf des Monats, in dem eine Rente wegen Alters in voller Höhe gewährt wird“. 178 Dazu Heinz, BB 2016, 2037, 2039; Kramer, ArbRAktuell 2015, 144. 179 Vgl. BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 21, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 354. 180 Heinz, BB 2016, 2037, 2039; Kramer, ArbRAktuell 2015, 144; zuvor bedurfte es für die Befristung eines sachlichen Grundes nach § 14 TzBfG, vgl. BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 21, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 354. 181 Heinz, BB 2016, 2037, 2039. 182 Bader, NZA 2014, 749; Bauer, NZA 2014, 889; Kramer, ArbRAktuell 2015, 144; a.A. Kösel/Reitz, NZA 2014, 1366; Poguntke, NZA 2014, 1373. 183 Bader, NZA 2014, 749; infolge der schrankenlosen Gewährung einer unbestimmten Anzahl von Befristungen sei insbesondere der arbeitsmarktpolitische Zweck der Beschäftigungsförderung jüngerer Arbeitnehmer nicht kohärent verfolgt. 184 ZB auf maximal 5 Verlängerungen im Zeitraum von 5 Jahren, Bauer, NZA 2014, 889; zusätzlich sollte, wenn bei Vereinbarung des Hinausschiebens ein sachlicher Befristungsgrund nach § 14 TzBfG vorliegt, dieser dokumentiert werden, Kramer, ArbRAktuell 2015, 144. 185 Bauer/von Medem, NZA 2012, 945. 186 So Fischer, FA 2011, 103; dagegen Bauer/Diller, DB 2010, 2727; Bauer/von Medem, NZA 2012, 945; Bayreuther, NJW 2012, 2758. 187 Vgl. BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797 m. Anm. Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325 und Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597. 188 Vom BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797 ausdrücklich offengelassen; Lingemann/ Weingarth, DB 2012, 2325; vgl. auch Bauer/von Medem, NZA 2012, 945. 189 BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 748/00, NZA 2002, 789; v. 12.2.1992 – 7 AZR 100/91, NZA 1993, 998.

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Kap. 2 Rz. 87

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

freiheit aus Art. 12 GG.190 Sie stellen jedoch bei Piloten einen Verstoß gegen die RL 2000/78/ EG dar, wenn nationale und internationale Regelungen eine höhere Altersgrenze für die Berufsausübung festsetzen, denn dann ist die Beschränkung unverhältnismäßig.191 Nicht zulässig ist auch die zT tarifvertraglich geregelte Altersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal im Flugverkehr.192 Unwirksam ist ferner eine Regelung, mit der der Arbeitgeber sich in Anlehnung an das Beamtenrecht die einseitige Versetzung des Arbeitnehmers in den einstweiligen Ruhestand vorbehält, ohne dafür eine Kündigung erklären zu müssen.193 Insgesamt sind Altersgrenzen ohne Bezug zu einer Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nur unter engen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Rechtsgüter wie Gesundheit und Leben zulässig.194

• Anrechnungsvorbehalt195

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Wird in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Zulage unter dem Vorbehalt der Anrechnung gewährt, ohne dass die Anrechnungsgründe näher bestimmt sind, führt das nicht zur Unwirksamkeit nach § 308 Nr. 4 BGB. Eine solche Klausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.196 Ohne Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch vereinbart werden, dass eine tarifliche Einmalzahlung auf übertariflich gezahlten Stundenlohn angerechnet wird.197 Typischerweise handelt es sich bei einer solchen Anrechnungsklausel um eine Bruttolohnabrede, wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB (Rz. 42 ff.) ist diese nur am Maßstab des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu überprüfen.198 Anrechnungsvorbehalte sind zudem in arbeitsvertraglichen Vergütungsabreden seit Jahrzehnten gang und gäbe. Sie stellen daher eine Besonderheit des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB dar.199

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Die vollständige und gleichmäßige Anrechnung bei allen Arbeitnehmern ist mitbestimmungsfrei.200

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• Arbeit auf Abruf201

Zur Vermeidung einer unangemessenen Verlagerung des Wirtschaftsrisikos entgegen § 615 BGB auf den Arbeitnehmer ist ein Anteil abrufbarer Arbeitsleistung, der über 25 % der ver190 BVerfG v. 25.11.2005 – 1 BvR 2459/04, BB 2005, 1231; anders aber bei Höchsteintrittsalter, BAG v. 8.12.2010 – 7 ABR 98/09, NZA 2011, 751. 191 EuGH v. 13.9.2011 – Rs. C-447/09, NZA 2011, 1039 – Deutsche Lufthansa; BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 575 und 691. 192 BAG v. 23.6.2010 – 7 AZR 1021/08, NZA 2010, 1248; v. 16.10.2008, DB 2009, 850 m. gleichzeitiger Vorlagefrage zur Vereinbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in der bis zum 30.4.2007 geltenden Fassung mit dem Gemeinschaftsrecht. 193 BAG v. 5.2.2009 – 6 AZR 151/08, DB 2009, 1710. 194 Bauer/von Medem, NZA 2012, 945. 195 Formulierungsvorschlag s. M 2.2 Ziff. 4 (3); M 12.7.2. 196 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, DB 2006, 1377. 197 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, DB 2006, 1276; vgl. auch BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49. Zur Anrechnung übertariflicher Leistungen im Allgemeinen vgl. Feddersen, NWB 2010, 2546. 198 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 52; v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, DB 2006, 1276; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, DB 2006, 1377, 1378; die Klausel lautete „freiwillige, jederzeit widerrufliche, anrechenbare betriebliche Ausgleichszulage …“. 199 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, DB 2006, 1377, 1378. 200 BAG v. 10.3.2009 – 1 AZR 55/08, NZA 2009, 684, 685; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, DB 2006, 1377, 1379. 201 Formulierungsvorschlag und Einzelheiten s. M 6.5 m. Anm.; zum Ganzen Bauer/Günther, DB 2006, 950.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 91 Kap. 2

einbarten Mindestarbeitszeit hinaus geht, unwirksam.202 Bei einer Vereinbarung über die Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit beträgt das Volumen dementsprechend 20 % der Arbeitszeit.203 Ausnahmen von diesem Grundsatz kann es jedoch geben für Tarifverträge204 oder zur Ermöglichung eines sozialverträglichen Personalabbaus.205 Bei einem zu großen flexiblen Anteil kann der Vertrag ergänzend ausgelegt werden.206 Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel bedacht hätten.207 Eine doppelte Schriftformklausel (Rz. 124) steht einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen, weil die Auslegung nur das bestimmt, was von Anfang an als vereinbarter Vertragsinhalt anzusehen ist.208 Die Überschreitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, auch über einen längeren Zeitraum, führt keine einvernehmliche Änderung des Vertrags herbei.209

• Aufhebungsvertrag210

Die Hauptleistungspflichten eines Aufhebungsvertrages (Beendigung und Abfindung) unterliegen wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (Rz. 42) nicht der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.211 Zu Einzelheiten der AGB-Kontrolle von Aufhebungsverträgen s. Kap. 23 Rz. 25 ff.

• Auflösende Bedingung

Eine auflösende Bedingung vor Ablauf einer Befristung ist im Vertragstext deutlich hervorzuheben.212

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90a

• Ausgleichsquittung (s. auch „Abgeltungsklausel“, Rz. 82 und „Klageverzicht“, Rz. 110a; Einzelheiten bei Kap. 23 Rz. 32 ff.)

Die Wirksamkeit von Ausgleichsquittungen ist nicht abschließend geklärt. Zum Teil werden umfassende Ausgleichsquittungen als unangemessen und damit unwirksam angesehen;213 zT soll hier zwar die Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB greifen, zur Vermeidung von Intransparenz, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, sollen aber alle Ansprüche, die ausgeschlossen werden sollen, in der Klausel im Einzelnen aufgeführt werden.214 Die Rechtsprechung des BAG215 spricht recht deutlich dafür, dass Erledigungsklauseln ohne detaillierte Aufzählung möglicher 202 Zulässig bleiben aber Rahmenvereinbarungen, die selbst keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründen, sondern insoweit auf den Abschluss einzelner (befristeter) Arbeitsverträge abzielen. Dem Arbeitnehmer bleibt hier die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Befristung im Einzelfall gerichtlich überprüfen zu lassen, vgl. BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733, 736; v. 16.5.2012 – 5 AZR 268/11, NZA 2012, 974 m. Anm. Günther, ArbRAktuell 2012, 401. 203 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428. 204 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194. 205 BAG v. 14.8.2007, NZA-RR 2008, 129. 206 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428. 207 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428 mwN. 208 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428 mwN. 209 BAG v. 21.6.2011, AP BGB § 307 Nr. 54. 210 Formulierungsvorschlag s. M 23.1a. 211 BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148 zur Vereinbarung über die Beendigung; v. 22.4.2004, NZA 2004, 1295; v. 27.11.2003, NZA 2004, 597, 603. 212 BAG v. 8.8.2007, NZA 2008, 1208 zu einem Altersteilzeitvertrag. 213 LAG Düsseldorf v. 13.4.2005, NZA 2006, 149; LAG Schl.-Holst. v. 24.9.2003, BB 2004, 608. 214 LAG Berlin v. 5.6.2007, LAGE BGB 2002, § 307 Nr. 13; auch Preis/Bleser/Rauf, DB 2006, 2812, 2815. 215 Vgl. BAG v. 8.3.2006, DB 2006, 1443; v. 19.3.2009, NZA 2009, 897; v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066, 1073.

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Kap. 2 Rz. 92

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Ansprüche auch unter der AGB-Kontrolle wirksam sind.216 Der rechtsgeschäftliche Erklärungswert einer Ausgleichsquittung außerhalb eines Vergleichs, Aufhebungsvertrags oder einer Abwicklungsvereinbarung ist nach allgemeinen Grundsätzen durch Auslegung zu ermitteln. In Betracht kommen (1) ein Erlassvertrag, (2) ein konstitutves negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB), wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüche zum Erlöschen zu bringen, oder (3) ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen.217 Eine bloße Ausgleichsquittung ohne kompensatorische Gegenleistung außerhalb eines Aufhebungsvertrags, nach der sich „beide Parteien darüber einig (sind), dass sämtliche gegenseitigen Ansprüche, insbesondere Lohn- und Gehaltsansprüche – ob bekannt oder unbekannt – aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung, aus welchem Rechtsgrund auch immer, erledigt sind“, soll danach lediglich ein deklaratorisches, negatives Schuldanerkenntnis sein.218 Auch ist eine Ausgleichsquittung überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB, wenn sie anlässlich der Übergabe der Arbeitspapiere gleichzeitig mit der Bestätigung des Empfangs von Arbeitspapieren, der Herausgabe von Firmeneigentum sowie weiterer Abwicklungsformalitäten auch einen Globalverzicht auf Rechte und Ansprüche enthält.219 Auch eine Ausgleichsquittung ohne drucktechnische Hervorhebungen ist überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB.220 92

• Ausschlussfrist/Ausschlussklausel221

Eine formularvertragliche Ausschlussfrist, die die schriftliche222 Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlangt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist aufgrund der unangemessen kurzen Frist insgesamt unwirksam, eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus (§ 306 Abs. 1, 2 BGB).223 In ab dem 1.10.2016 abgeschlossenen Verträgen ist gemäß § 309 Nr. 13b BGB zudem eine Klausel unwirksam, die für Anzeigen oder Erklärungen, die gegenüber dem Arbeitgeber abzugeben sind, eine strengere Form als die Textform vorsieht. Auch wenn die gesetzliche Schriftform nach § 126 BGB ohnehin für die Geltendmachung eines Anspruchs nicht erforderlich ist,224 dürfte eine Klausel, welche die „schriftliche“ Geltendmachung verlangt, künftig intransparent sein. Anstelle der Schriftform sollte daher für die Geltendmachung nunmehr die Textform (§ 126b BGB, dh eine E-Mail o.Ä.) aufgenommen werden.225

216 So auch BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 135/12, NZA 2014, 200, Rz 13 ff.; LAG Rheinland-Pfalz v. 14.9.2012 – 9 Sa 254/12, nv. 217 BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 135/12, NZA 2014, 200, Rz 14 ff.; v. 7.11.2007, BAGE 124, 249, Rz. 15. 218 BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 135/12, NZA 2014, 200, Rz. 18 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 131; eine solche Ausgleichsquittung führt daher nicht zum Erlöschen sämtlicher wechselseitiger Ansprüche. 219 BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193. 220 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338, 1340; v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193. 221 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 10. 222 Schriftform des § 126 BGB nicht erforderlich, Geltendmachung eines Anspruchs ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf die § 126 BGB auch nicht analog anwendbar ist (BAG v. 7.7.2010 – 4 AZR 549/08, NZA 2010, 1068 f.). 223 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971; v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149. 224 BAG v. 7.7.2010 – 4 AZR 549/08, NZA 2010, 1068, 1079, Rz. 92 ff. zur Schriftform gem. § 70 BAT. 225 Einzelheiten bei Lingemann/Otte, NZA 2016, 519; Lunk/Seidler, NJW 2016, 2153, Springer/von Kummer, DB 2016, 1940.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 92 Kap. 2

Zudem muss in der Ausschlussklausel selbst zur Vermeidung von Intransparenz, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, die Rechtsfolge, also der Verfall der Ansprüche, mitgeteilt werden.226 § 309 Nr. 7 BGB steht der Zulässigkeit umfassender Ausschlussfristen wohl nicht entgegen.227 Befindet sich die Ausschlussklausel an unerwarteter Stelle, wird sie nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil.228 Eine tarifliche Ausschlussfrist kann auch durch Bezugnahme Gegenstand des Arbeitsverhältnisses werden.229 Soweit gesetzliche Regelungen jedoch längere Ausschlussfristen vorschreiben230 oder keine Ausschlussfristen zulassen,231 haben sie natürlich Vorrang. Zum Umfang der Ausschlussfrist können die Parteien eines Arbeitsvertrages weder die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB) noch dem Schuldner die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus erlassen (§ 276 Abs. 3 BGB). Zudem haftet der Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen und Berufsunfähigkeit ausschließlich bei Vorsatz, § 104 Abs. 1 SGB VII. Gleichwohl mussten diese Tatbestände bisher von der Ausschlussfrist nicht ausgenommen werden.232 Sehr umstritten ist das indes für den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.233 Die Rechtsprechung des 8. Senates des BAG aus dem Jahr 2013,234 nach der auch Vorsatzdelikte in Verfallklauseln nicht ausdrücklich vorbehalten werden müssen, obwohl sie, wie ausgeführt, gemäß § 202 BGB nicht von den Verfallklauseln erfasst werden, sprach dafür, dass auch Ansprüche auf Mindestlohn nicht ausdrücklich ausgenommen werden müssen. Denn Ausschlussklauseln sind regelmäßig so auszulegen, dass nur die als regelungsbedürftig angesehenen Fälle erfasst sein sollen. Ohne Hinweise im Einzelfall ist, so das BAG, sei eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, gerade nicht gewollt.235 Dies deutete darauf hin, dass es eines Vorbehaltes für den gesetzlichen Mindestlohn ebenso wenig bedarf wie eines Vorbehaltes für § 202 BGB. Allerdings hat der 5. Senat des BAG im Jahr 2016 entschieden, dass Mindestentgeltansprüche aus § 2 PflegeArbbV wegen § 9 Satz 3 AEntG iVm. § 13 AEntG nicht von der Ausschlussklausel erfasst werden. Da diese Ansprüche im dortigen Fall nicht ausdrücklich aus der Verfallklausel ausgenommen waren, war die Klausel nach Auffassung des Senates intransparent und damit insgesamt nichtig, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.236

226 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 227 Vgl. BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149, 152; v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111, 1113; aA BGH v. 15.11.2006, BGH v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674, 675; Matthiesen, NZA 2007, 361; Ulber, DB 2011, 1808. 228 So LAG Köln v. 22.6.2012 – 10 Sa 88/12, für eine Ausschlussklausel, die sich unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ befand. 229 BAG v. 6.5.2009, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8; v. 30.10.2008, DB 2009, 1241. 230 So die Mindestfrist von sechs Monaten nach dem AEntG, dazu Kortstock, NZA 2010, 311. 231 § 8 Abs. 3 Satz 3 MiArbG, dazu Kortstock, NZA 2010, 311, § 3 MiLOG, dazu unten. 232 Vgl. die Ausschlussfrist in BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679, die diese Ausschlüsse nicht enthielt und trotzdem vom BAG als wirksam angesehen wurde; ferner BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265. 233 Dagegen Bayreuther, NZA 2015, 385, 387; Thüsing/Greiner, MiLoG/AEntG, 2. Aufl. 2016, § 3 MiLoG Rz. 12; aA ErfK/Franzen, 16. Aufl. 2016, § 3 MiLoG Rz. 3a; Preis/Ulber, Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz, 2014, S. 56; Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 156, Schaub/Vogelsang, ArbR-HdB, 16. Aufl., § 66 Rz. 48; Nebel/Kloster; BB 2014, 2933, 2936. 234 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265; enger LAG Hamm v. 25.11.2014 – 14 Sa 463/14 (Rev. unter 8 AZR 67/15). 235 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265; in diese Richtung auch BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539, Rz. 21. 236 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539.

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Kap. 2 Rz. 92a

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Ob das auch für Mindestlohnansprüche gilt, ist damit noch nicht abschließend geklärt. Für die ausdrückliche Herausnahme wird auch hier das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB angeführt: Einzelne Arbeitnehmer könnten sonst davon ausgehen, dass auch ihr Anspruch auf Mindestlohn bei Nichteinhaltung der Ausschlussfrist verfällt.237 Andererseits sieht § 3 MiLoG mit dem Terminus „insoweit“ gerade eine geltungserhaltende Reduktion vor, so dass der Transparenzgedanke nach der Konzeption des Gesetzgebers gerade nicht entgegensteht.238 Das spricht auch dagegen, dass die Klausel insgesamt nichtig ist, wenn die Ansprüche auf Mindestlohn nicht ausgenommen werden.239 Da die Fragen aber umstritten und Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht, wie etwa die Haftung wegen Vorsatzes, außergewöhnliche Ausnahmefälle sind240, ist es ratsam, Mindestlohnansprüche bis zu einer höchstrichterlichen Klärung von der Verfallklausel auszunehmen.241 Damit stellt sich die Folgefrage, ob dann nicht auch insgesamt Ansprüche, auf die die Arbeitsvertragsparteien nicht verzichten können, oder für die die Geltendmachungsfrist nicht verkürzt werden kann, ausgenommen werden müssen; denn anderenfalls könnte der Arbeitnehmer annehmen, nur Ansprüche auf Mindestvergütung seien von der Verfallfrist ausgenommen, nicht aber diese sonstigen Ansprüche. Allerdings denken die Parteien bei Abfassung der Klausel in erster Linie an laufende Vergütung, wie das BAG in der Entscheidung vom 20.6.2013242 ausgeführt hat, auch die Entscheidung vom 24.8.2016243 betraf den Mindestanspruch auf laufende Vergütung. Die weitergehenden Ansprüche sind hingegen typischerweise keine laufende Vergütung. Das spricht dafür, dass es zulässig ist, nur den Anspruch auf Mindestvergütung auszunehmen. Die Frage wird in Rechtsprechung und Literatur soweit ersichtlich auch gar nicht problematisiert. Da auch insoweit die Rechtslage aber ungeklärt ist, wäre daran zu denken, möglichst alle Ansprüche ausdrücklich auszunehmen, für die eine Verfallklausel nicht gilt.244 Allerdings lässt sich nicht vorhersehen, ob eine solche durchaus umfangreiche Klausel dann nicht als intransparent angesehen wird. Insgesamt halten wir es für gut vertretbar, nur den Anspruch auf Mindestvergütung auszunehmen, weil es sich hier um einen Anspruch handelt, der mit der laufenden Vergütung die zentrale Gegenleistung des Arbeitnehmers betrifft und damit mehr als andere Ansprüche im Fokus des Arbeitsvertragsparteien steht. 92a

Sofern eine Ausschlussklausel für bestimmte Ansprüche eine zu kurze, für andere aber eine ausreichend lange Frist regelt, kann letztere mittels blue pencil test wirksam sein.245 Ausschlussfristen erfassen trotz § 13 Abs. 1 BUrlG auch den Urlaubsabgeltungsanspruch, da dieser ein reiner Geldanspruch ist, der sich nicht mehr von anderen Entgeltansprüchen unter-

237 Vgl. Preis/Ulber Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz, 2014, S. 55; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II A 150, Rz. 35. 238 Bayreuther, NZA 2015, 385, 387; vgl. auch Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 156; Reinhard/Kettering, ArbRB 2014, 302 (303); Riechert/Nimmerjahn, 2015, § 3 MiLoG Rz. 18. 239 Bayreuther, NZA 2014, 865, 870; Bayreuther, NZA 2015, 385, 387; ErfK/Franzen, § 3 MiLoG Rz. 3a; Thüsing/Greiner, MiLoG/AEntG, 2. Aufl. 2016, § 3 MiLoG Rz. 12; Nebel/Kloster, BB 2014, 2933, 2936; Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 156; Reinhard/Kettering, ArbRB 2014, 302 (303); Riechert/Nimmerjahn, 2015, § 3 MiLoG Rz. 18; ablehnend Schaub/Vogelsang, ArbR-HdB, 16. Aufl, § 66 Rz. 48; Kothe-Heggemann, GmbHR, 2016, R297, 298. 240 Zu diesem Kriterium BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265, Rz. 21. 241 Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 156. 242 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265. 243 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, PM 44/16, NZA 2016, 1539. 244 Formulierungsvorschlag dazu in M 2.1a Ziff. 10. 245 BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NJW 2016, 1979.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 93 Kap. 2

scheidet.246 Gleiches gilt für Ansprüche auf Urlaubsgeld,247 nicht aber den Anspruch auf Korrektur des Arbeitszeitkontos.248 Einmal in einer schriftlichen Lohnabrechnung ausgewiesene Arbeitszeiten bzw. Lohnansprüche unterfallen ebenfalls keinen Ausschlussfristen, da sie durch die Ausweisung streitlos gestellt sind.249 Ausschlussfristen, die im Entleiherbetrieb gelten, muss der Leiharbeitnehmer bei der Geltendmachung seines equal-pay-Anspruches nicht einhalten.250 Eine für „tarifliche Ansprüche“ geltende Ausschlussfrist erfasst regelmäßig auch gesetzliche und vertragliche Ansprüche, deren Bestand von einem tariflich ausgestalteten Anspruch abhängig ist.251 Zumindest eine tarifliche Ausschlussfrist kann ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden. Das kommt in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist.252 Bei zweistufigen Ausschlussfristen darf die Frist auf jeder Stufe nicht weniger als drei Monate betragen.253 Bei einer zu kurzen Frist auf der zweiten Stufe bleibt aufgrund des „blue-pencil-tests“ (Rz. 40) die Ausschlussfrist für die erste Stufe wirksam254, bei einer zu kurzen Frist auf der ersten Stufe gilt das jedoch nicht.255 Allerdings kann durch (Teil-)Verweisung auf einen Tarifvertrag für den Arbeitnehmer auch eine kürzere Ausschlussfrist als für den Arbeitgeber vereinbart werden.256 Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz folgt, wie das BVerfG entschieden hat, dass einem Arbeitnehmer die Erhebung einer Leistungsklage zur Wahrung der Ausschlussfrist aus Kostengründen nicht zumutbar ist, solange das Verfahren über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.257 Verlangt die Klausel auf der zweiten Stufe die Einklagung der abgelehnten Ansprüche, genügt daher die Erhebung einer Bestandsschutzklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Bestandsschutzrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern.258 Nach den Entscheidungen des BAG v. 19.3.2008259 und v. 19.5.2010260 ergibt sich das durch Auslegung des Begriffes „geltend machen“ in der einzelvertraglichen Regelung. Das spricht dafür, dass eine weitere Ein246 BAG v. 9.8.2011 – 9 AZR 365/10, NZA 2011, 1421. 247 BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087; v. 20.4.2012 – 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982 m. Anm. Göpfert, ArbRAktuell 2012, 403. 248 BAG v. 26.1.2011 – 5 AZR 819/09, NZA 2011, 640, 642. 249 BAG v. 28.7.2010 – 5 AZR 521/09, NZA 2010, 1241. 250 BAG v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10, NZA 2011, 850; vgl. Brors, BZA 2010, 1385. 251 BAG v. 8.9.2010 – 7 AZR 513/09, NZA 2011, 159. 252 BAG v. 16.1.2013, ArbuR 2013, 228. 253 BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NJW 2016, 1979; v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971; v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701; v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 254 BAG v. 25.9.2013 – 5 AZR 778/12, NZA 2014, 94; v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699. 255 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971. 256 BAG v. 6.5.2009, NZA-RR 2009, 593. 257 BVerfG v. 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354, 355 f. = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 196 m. Anm. Husemann; Brecht-Heitzmann, DB 2011, 1523; Ennemann, FA 2011, 133; Nägele/ Gertler, NZA 2011, 442. 258 Zum Tarifvertrag BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101; zum Einzelvertrag BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 m. Anm. Ley, BB 2010, 2439; v. 19.3.2008 – 5 AZR 429/ 07, NZA 2008, 757 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2008, 262310; Matthiessen, NZA 2008, 1165; von Medem, NZA 2013, 345. 259 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701. 260 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939.

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Kap. 2 Rz. 94

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schränkung in der Klausel selbst, die diese Auslegung noch einmal ausdrücklich wiedergibt, nicht erforderlich ist.261 Die bloße Klageeinreichung bei Gericht wahrt eine tarifliche Ausschlussfrist allerdings nicht262, sondern erst der Zugang beim Anspruchsgegner. § 167 ZPO ist auf tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, nicht anwendbar. Die Geltendmachung nur in der Klageschrift führt daher leicht zu einem Haftungsfall. Inhaltlich muss zumindest zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist nicht nur Höhe und Zeitraum, für den der Anspruch begehrt wird, deutlich gemacht werden, sondern auch der Grund.263 Eine exakte Bezifferung ist nicht zwingend erforderlich, soweit möglich aber ratsam.264 94

Die – gegenüber den gesetzlichen Verjährungsfristen immer noch deutlich kürzeren – Ausschlussfristen stellen eine arbeitsrechtliche Besonderheit iSd. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB dar.265

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Für den Fristbeginn darf nicht mehr auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgestellt werden; vielmehr ist jeweils die Fälligkeit des Anspruchs maßgebend.266 Die Berufung auf eine Ausschlussfrist kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Informationen vorenthalten hat, die diesem die Einhaltung der Ausschlussfrist ermöglicht hätten.267

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• Befristung des Vertrages268

Die Befristung des Vertrages unterliegt wegen der Kontrollsperre (Rz. 42, 45) als Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (Leistungsbeschreibung) nicht der Inhaltskontrolle. Überraschend und damit nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksam ist aber eine Probezeitbefristung, wenn sie im Vertrag nicht drucktechnisch hervorgehoben wird, die längere probezeitunabhängige Befristung des Vertrages hingegen wohl.269

• Befristung einzelner Vertragsbedingungen270

Befristete Arbeitsbedingungen unterliegen im Grundsatz zwar nicht dem TzBfG, sondern der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB,271 allerdings kann bei erheblichem Umfang einer Erhöhung der Arbeitszeit doch eine Prüfung nach TzBfG erforderlich sein272 (dazu näher

261 Vorsorglicher Formulierungsvorschlag in Anm. zu M 2.1a, Ziff. 10. 262 BAG v. 16.3.2016 – 4 AZR 421/15, NZA 2016, 1154. 263 BAG v. 18.2.2016 – 6 AZR 628/14, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2016, 240; BAG v. 3.7.2013 – 4 AZR 476/12, FD-ArbR 2014, 355601; v. 19.08.2015 – 5 AZR 1000/13, FD-ArbR 2015, 374519, m. Anm. Günther, NZA 2006, 64. 264 Merten, FD-ArbR 2016, 378181. 265 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 266 BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 783; Bayreuther, DB 2011, 2267, 2268; Richter/Lange, NZA-RR 2012, 57, 60; dabei sollte zur Einhaltung des Transparenzgebots gem. § 307 Abs. 1 BGB einheitlich von „Fälligkeit“ und nicht auch von der Entstehung des Anspruchs gesprochen werden, da es sich dabei um zwei verschiedene Zeitpunkte handelt, BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 700/12, NZA 2014, 1097, Rz. 22. 267 BAG v. 13.10.2010 – 5 AZR 648/09, NZA 2011, 219. 268 Formulierungsvorschlag s. M 6.1.1 ff. 269 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876. 270 Formulierungsvorschlag s. M 11.1; Einzelheiten s. auch Kap. 6 Rz. 96. 271 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13 NZA 2016, 441; v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811, Rz. 29. 272 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, DB 2016, 1881.

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Rz. 96a Kap. 2

im übernächsten Absatz). Eine Angabe des Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag ist nicht erforderlich.273 Es findet eine „doppelte Billigkeitsprüfung“ statt. In einem ersten Schritt muss es billigem Ermessen entsprechen, dem Arbeitnehmer die höher bewertete Tätigkeit überhaupt zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen.274 Entspricht die vorübergehende Übertragung nicht billigem Ermessen, erklärt das Gericht sie gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zur – von Anfang an oder ab einem bestimmten Zeitpunkt – Tätigkeit auf Dauer.275 Die „Entfristung“ kann mit einer Leistungsklage auf Abgabe eines Angebotes auf Abschluss eine unbefristeten Vertrages geltend gemacht werden.276 Bei der Abwägung ist im Rahmen befristeter Arbeitszeitregelungen das rechtlich anerkennenswerte Interesse des Arbeitnehmers an einer unbefristeten Vereinbarung des Umfangs seiner Arbeitszeit zu berücksichtigen.277 Allein die Ungewissheit über den künftigen Arbeitskräftebedarf genügt daher nicht, um ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers zu begründen, die regelmäßige Arbeitszeit eines bei ihm unbefristet beschäftigten Arbeitnehmers befristet zu erhöhen. Dieses unternehmerische Risiko darf nicht auf den Arbeitnehmer verlagert werden.278 Auch darf eine zur Erprobung befristete Übertragung nicht über die für die Erprobung erforderlich Dauer hinausgehen.279 Hält die Befristung allerdings einer Prüfung nach dem TzBfG stand, so spricht dies gegen eine unangemessene Benachteiligung.280 Jedenfalls eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang – zB für drei Monate um 50 % oder bei einem Aufstockungsvolumen von mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses281 – bedarf eines sachlichen Grundes, der auch die Befristung eines gesondert im Umfang der Arbeitszeiterhöhung geschlossenen zusätzlichen Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würde.282 Eine befristete Verringerung der Arbeitszeit ist eine unangemessene Benachteiligung, wenn dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf eine unbefristete Verringerung nach § 8 TzBfG zusteht.283

• Betriebliche Übung284

Zur Vermeidung einer betrieblichen Übung durch doppelte Schriftformklausel oder Regelung in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen s. Rz. 124, 125 sowie zu Freiwilligkeitsvorbehalten Rz. 104 ff. Wegen der Beschränkungen des § 308 Nr. 5 BGB (fingierte Erklärungen)

273 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441; v. 2.9.2009, DB 2009, 2439; Dzida, ArbRB 2012, 286. 274 BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903. 275 BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903. 276 BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903. 277 Zur befristeten Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit s. BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441. 278 BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903; v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40. 279 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814. 280 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441; v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674; v. 2.9.2009, DB 2009, 2439; v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229; dazu Lunk/Leder, NZA 2008, 504. Gleiches gilt für die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung bestimmter Vertragsbestandteile nach BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, NZA 2011, 1289. 281 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, DB 2016, 1881. 282 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, DB 2016, 1881; v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674. 283 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811, Rz. 48; Für die Befristung der Arbeitszeitverringerung bedarf es dann auch keines Sachgrundes iSd. § 14 Abs. 1 TzBfG, BAG aaO Rz. 50. 284 Dazu Hampe/Endriß, DB 2016, 1635, 1637; Schneider, NZA 2016, 590. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 13.

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Kap. 2 Rz. 96b

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hat der 10. Senat des BAG seine ständige Rechtsprechung, wonach eine betriebliche Übung durch eine gegenläufige betriebliche Übung aufgehoben werden kann,285 aufgegeben286.

• Betriebsvereinbarungen

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Betriebsvereinbarungen unterliegen nicht der AGB-Kontrolle, wohl aber der Inhaltskontrolle nach § 75 BetrVG.287

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Regelungen zur Beweislast sind an § 309 Nr. 12 BGB zu messen. Empfangsbekenntnisse sollten wegen § 309 Nr. 12b BGB gesondert unterschrieben werden (§ 309 Nr. 12 BGB aE).288

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• Beweislastregelung

• Bezugnahmeklausel289

Bezugnahmeklauseln können verweisen auf einen oder mehrere Tarifverträge und ihnen so schuldrechtliche Geltung zwischen den Arbeitsvertragsparteien verleihen.290 Tarifverträge unterliegen selbst nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Nimmt der Formularvertrag in vollem Umfang auf einen sachlich und räumlich einschlägigen Tarifvertrag Bezug, ist der Tarifvertrag insoweit ebenfalls der Inhaltskontrolle entzogen.291 Umstritten ist dies jedoch bei Verweisungen auf branchenfremde Tarifverträge oder lediglich auf Teile von Tarifverträgen. Nach wohl herrschender Meinung sind die §§ 305 ff. BGB in diesen Fällen anwendbar, es sei denn, es wird auf ein in sich geschlossenes Regelungssystem des einschlägigen Tarifvertrages verwiesen.292 Auch bei vollständiger Inbezugnahme des einschlägigen Tarifwerkes wird die Bezugnahmeklausel vom BAG vorwiegend293 an der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB gemessen. Zweifel gehen dabei zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender.294 Enthält der Arbeitsvertrag, der pauschal auf einen Tarifvertrag Bezug nimmt, eine ausdrückliche Regelung, die von der pauschal in Bezug genommenen tariflichen Bestimmung abweicht, ist die arbeitsvertragliche Regelung jedenfalls bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern grundsätzlich vorrangig.295 Ist der Tarifvertrag jedoch kraft beiderseitiger Tarifbindung an-

285 BAG v. 26.3.1997 – 10 AZR 612/96, NZA 1997, 1007; vgl. für Fälle aus Zeiten vor der Schuldrechtsreform Bloching/Ortolf, NZA 2010, 1335. 286 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601; dazu Bieder, DB 2009, 1929; Leder, BB 2009, 1367; Roeder, NZA 2009, 883; Schmitt-Rolfes, AuA 2009, 84. 287 BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, NZA 2011, 989 Rz. 20; v. 1.2.2006 – 5 AZR 187/05, NZA 2006, 563. 288 Vgl. dazu ausführlicher Rz. 79 f. 289 Einzelheiten und Formulierungsvorschläge zu Bezugnahmeklauseln bei M 2.2 Ziff. 5 m. Anm. 290 Zur konstitutiven Wirkung der Bezugnahme auf einen Tarifvertrag bei tarifgebundenen Arbeitnehmern BAG v. 19.3.2003 – 4 AZR 331/02, NZA 2003, 1207; v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen können hingegen nur kraft Bezugnahme Anwendung finden, BAG v. 24.2.2011, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 59. 291 BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; v. 28.6.2007, NJW-Spezial 2007, 483; vgl. auch Reinecke, BB 2005, 378; einschränkend für Tarifverträge, die nach der Wiedereinführung der Tarifeinheit durch § 4a TVG auf den Mehrheitstarifvertrag verweisen Greiner, NZA 2015, 769, 777. 292 BAG v. 6.5.2009, NZA-RR 2009, 593. 293 So der 4. und 5. Senat (BAG v. 14.11.2012 – 5 AZR 107/11; v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965); anders wohl der 6. Senat, der die Unklarheitenregel nicht anwendet, weil sich die Frage der Günstigkeit für den Arbeitnehmer nicht eindeutig beantworten ließe (BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/ 07, NZA 2009, 154). 294 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202; ebenso BAG v. 13.5.2015 – 4 AZR 244/14, NZARR 2016, 6, Rz. 26. 295 BAG v. 20.1.2015, NZA-RR 2015, 399, Rz. 17; v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680, Rz. 40.

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Rz. 99 Kap. 2

wendbar, gilt nach dem Günstigkeitsprinzip die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung, § 4 Abs. 3 TVG.296 Statische Bezugnahmeklauseln verweisen auf einen bestimmten Tarifvertrag in einer bestimmten Fassung. Aufgrund der Unklarheitenregel wurde die Formulierung „Der Arbeitnehmer erhält folgende Vergütung“ mit Bezeichnung einer Tarifgruppe eines Gehaltstarifvertrages und Nennung des konkreten Gehaltsbetrags hinsichtlich ihrer Dynamik als unklar und damit zu Lasten des Arbeitgebers als dynamische Verweisung angesehen.297 Dynamische Bezugnahmeklauseln verweisen auf einen bestimmten Tarifvertrag oder ein bestimmtes Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung („kleine dynamische Klausel“)298 oder auf den jeweils für den Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung („große dynamische“ bzw. nach der neueren Terminologie des BAG „Tarifwechselklausel“).299 Ist der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses eines formularmäßigen Arbeitsvertrages tarifgebunden,300 legt das BAG solche Klauseln in vor dem 1.1.2002 geschlossenen Verträgen (Altverträgen) in ständiger Rechtsprechung als Gleichstellungsabrede aus.301 Das gilt für Verträge, die zwar vor diesem Datum geschlossen, aber danach geändert wurden, nur, wenn die Bezugnahmeklausel bei der Änderung nicht zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht wurde.302 Lautet die Klausel daher „Alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag vom … bleiben unberührt“, so handelt es sich nach der Rechtsprechung des BAG um einen Neuvertrag303, bei der Klausel „Des Weiteren bleibt es bei den bisherigen Arbeitsbedingungen“ hingegen um einen Altvertrag.304 Wegen dieses Risikos empfiehlt es sich, derartige Klauseln zur Fortgeltung aller übrigen Regelungen des Arbeitsvertrages nicht mehr aufzunehmen.305 Die Gleichstellungsabrede bewirkt, dass nicht oder anders 296 Vgl. nur BAG v. 20.10.2015 – 9 AZR 655/14 –, juris Rz. 20; v. 15.4.2015 – 4 AZR 587/13, NZA 2015, 1274, Rz. 28. 297 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202. 298 Vgl. M 2.2 Ziff. 5 Var. 2. Nicht erforderlich ist die sog. „Jeweiligkeitsklausel“, solange sich aus anderen Umständen ergibt, dass eine dynamische Verweisung gewollt ist (BAG v. 20.4.2012 – 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982 m. Anm. Göpfert, ArbRAktuell 2012, 403). Die Bezugnahme auf den BAT ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung als Bezugnahme auf den TVöD bzw. TV-L anzusehen (BAG v. 24.8.2011, AP TVG § 1. Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 94; v. 18.5.2011, NJOZ 2011, 1587; v. 25.8.2010, NZA-RR 2011, 248; v. 19.5.2010 – 4 AZR 796/08, NZA 2010, 1183). Zur Auslegung einer dynamischen Bezugnahmeklausel bei Nichtfortschreibung des in Bezug genommenen Regelwerkes BAG v. 16.6.2010, NJOZ 2011, 63. Dynamische Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen kirchlicher Arbeitnehmer sind regelmäßig dahin auszulegen, dass das gesamte kirchenrechtliche System der Arbeitsrechtsetzung erfasst werden soll. Zu ihm gehören auch alle Verfahrensordnungen und die daraus hervorgegangenen Beschlüsse Arbeitsrechtlicher Kommissionen, Unter- oder Regionalkommissionen, die auf dem sog. Dritten Weg zustande gekommen sind, BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440. 299 Vgl. M 2.2 Ziff. 5 Var. 3 und 4. 300 BAG v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323; v. 21.10.2009, NZA-RR 2010, 361; zusätzliche Allgemeinverbindlicherklärung des TV ist unbeachtlich, vgl. BAG v. 27.1.2010, NJOZ 2010, 1948. 301 BAG v. 23.2.2011, NZA-RR 2011, 510; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 537; v. 23.1.2008, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63; v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607. Es gibt keine zeitliche Begrenzung dieses Vertrauensschutzes – 4 AZR 79/10, DB 2012, 1211. Das gilt auch, wenn die Bezugnahme nur Teile eines Tarifvertrages erfasst – 4 AZR 473/12, NZA 2014, 900. 302 BAG v. 8.7.2015 – 4 AZR 51/14, NZA 2015, 1462; v. 24.2.2010, NZA-RR 2010, 530 m. Anm. Lipinski/Hund, BB 2011, 511; v. 18.11.2009 – 4 AZR 514/08, NZA 2010, 170, 172. 303 BAG v. 13.5.2015 – 4 AZR 244/14, NZA-RR 2016, 6 Rz. 26; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173. 304 BAG v. 19.10.2011 – 4 AZR 811709, DB 2011, 2783. 305 Hexel, DB 2016, 417.

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Kap. 2 Rz. 99a

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

organisierte Arbeitnehmer gleich behandelt werden wie organisierte Arbeitnehmer, für die der Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung gilt.306 99a

Das bedeutet für die kleine dynamische Klausel, soweit sie bis zum 31.12.2001 vereinbart wurde: Endet die Tarifbindung des Arbeitgebers zB durch Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber oder durch Verbandsaustritt, so gilt der Tarifvertrag gemäß dem Modell von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 4 Abs. 5 TVG nach diesem Ereignis auch für nicht organisierte Arbeitnehmer nur noch statisch fort.307 Soweit Tariferhöhungen308 oder ein Lebensaltersstufenaufstieg309 allerdings bereits vor dem Wegfall der Tarifbindung im Tarifvertrag vereinbart waren, gelten sie weiter. Der Gleichstellungszweck geht aber nicht so weit, dass bei einem Tarifwechsel des Arbeitgebers automatisch der neue Tarifvertrag in Bezug genommen wird; dazu bedarf es vielmehr besonderer Anhaltspunkte.310 Fehlen sie, so beschränkt sich die Gleichstellungsabrede auf das in Bezug genommene Tarifwerk.311 Für nach dem 31.12.2001 vereinbarte kleine dynamische Klauseln gilt diese Auslegung als Gleichstellungsabrede nicht mehr, wenn sich weder im Vertragswortlaut noch in den Begleitumständen des Vertragsschlusses ein Anhaltspunkt für den Gleichstellungszweck der Klausel findet.312 Der 4. Senat313 begründet dies mit der Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB), dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 BGB).314 Sofern ein etwaiger Gleichstellungszweck in der Klausel nicht ausdrücklich geregelt ist, bleibt der in Bezug genommene Tarifvertrag auch nach Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers dynamisch anwendbar, und zwar für organisierte wie für nicht

306 Einschränkend BAG v. 16.7.2011 – 4 AZR 706/09, NZA 2012, 100, 105 f. 307 BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 990/13, NZA 2016, 557; v. 13.5.2015 – 4 AZR 244/14, NZA-RR 2016, 6; v. 19.10.2011, DB 2011, 2783; v. 23.2.2011, NZA-RR 2011, 510 f.; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 537; v. 23.1.2008, ZTR 2008, 665; v. 14.12.2005, NZA 2006, 607; Einzelheiten bei Lingemann, FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 71 ff.; Jacobs, BB 2011, 2037. 308 BAG v. 19.9.2007 – 4 AZR 711/06, NZA 2008, 241. 309 BAG v. 14.11.2007 – 4 AZR 828/06, NZA 2008, 420. 310 BAG v. 16.5.2012, ZTR 2012, 707; v. 22.2.2012, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 110; BAG v. 16.7.2011 – 4 AZR 706/09, NZA 2012, 100; v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, NZA 2009, 151; v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 586; v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797. 311 BAG v. 16.7.2011 – 4 AZR 706/09, NZA 2012, 100; v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, NZA 2009, 151; v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 586; v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797. 312 BAG 14.12.2011 – 4 AZR 179/10, juris Rz. 21, st. Rspr.; v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323; v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965; v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607 (Ankündigung der Rechtsprechungsänderung). 313 BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, DB 2008, 874. 314 Überraschend sind nach Auffassung des 6. Senats dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge nicht, wenn sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge verweisen und diese vollständig in Bezug nehmen oder übernommen werden, BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154. Der Senat sieht dynamische Verweisungen auf das jeweils gültige Tarifrecht auch nicht als unklar an, weil die im Zeitpunkt der jeweiligen Tarifbindung geltenden in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind; ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet daher gleichfalls aus, BAG v. 24.9.2008, NZA 2009, 154. Bei Bezugnahme auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag kann jedoch Intransparenz vorliegen, ArbG Lübeck v. 15.3.2011 – 3 Ca 3147/10; aA Gaul/ Koehler, ArbRB 2011, 309.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 99b Kap. 2

organisierte Arbeitnehmer (sog. „unbedingte zeitdynamische Verweisung“315). Die Bezugnahmeklausel erfasst dann allerdings auch für den Arbeitnehmer ungünstige Sanierungstarifverträge.316 Soll nach einem Verbandswechsel oder Betriebsübergang der dann normativ anwendbare Tarifvertrag auch kraft Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis gelten, muss dies gleichfalls in der Bezugnahmeklausel klar zum Ausdruck kommen, sie muss für diesen Fall als Tarifwechselklausel (Rz. 99b) ausgestaltet sein.317 Nach der „Alemo-Herron“-Entscheidung des EuGH ist allerdings fraglich, ob das BAG an seiner Rechtsprechung zur dynamischen Fortgeltung von kleinen dynamischen Klauseln festhalten kann.318 Dort hatte der EuGH zugunsten der unternehmerischen Freiheit die dynamische Fortgeltung von Bezugnahmeklauseln in Fällen abgelehnt, in denen der Erwerber nach einem Betriebsübergang an Tarifverträge gebunden ist, die nach dem Erwerb in Kraft treten und auf deren Verhandlung er keinen Einfluss hat.319 Das BAG hat dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob die Auslegung von § 613a BGB dahin, dass der Erbwerber nach einem Betriebsübergang auch dann durch dynamische Verweisung an einen Tarifvertrag gebunden ist, wenn er nicht Mitglied in der tarifschließenden Koalition ist und deshalb keinen Einfluss auf die Tarifverhandlungen nehmen kann, mit Unionsrecht vereinbar ist.320 Die Rechtsprechung des BAG dürfte u.E. zumindest für den Fall anzupassen sein, dass der Erwerber objektiv an der Einflussnahme auf die Tarifverträge gehindert ist, weil ihm der Beitritt in den Arbeitgeberverband aufgrund dessen Satzung nicht gestattet ist.321 Auch Tarifwechselklauseln aus der Zeit seit dem 1.1.2002 werden eng nach ihrem Wortlaut ausgelegt. Dabei ergeben sich die Rechtsfolgen eines Tarifwechsels, nämlich die Geltung der dann normativ anwendbaren Tarifverträge, aus der Regelung, dass die für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.322 Soll bei Beendigung der 315 BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, BB 2010, 963; v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323; v. 18.4.2007, NZA 2007, 96; Einzelheiten und Formulierungsvorschläge in M 2.2 bei Ziff. 5. Dies gilt auch im Falle eines Betriebsübergangs (vgl. BAG v. 17.11.2010 – 4 AZR 403/09; v. 24.2.2010, NZARR 2010, 530; v. 21.10.2009 – 4 AZR 396/08, BB 2010, 2245 m. Anm. Heuchemer/Kloft); die dynamische Weitergeltung des Tarifvertrages verletzt die negative Koalitionsfreiheit des Betriebserwerbers nicht, BAG v. 21.10.2009, NZA-RR 2010, 361. 316 BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154; vgl. auch BAG v. 23.2.2011, AP BGB § 133 Nr. 60. 317 Vgl. BAG v. 22.10.2008, NZA 2009, 159; v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 586; v. 29.8.2007, NZA 2008, 264; Schwarz/Ziegler, BB 2010, 1021; Einzelheiten und Formulierungsvorschläge in M 2.2 bei Ziff. 5. 318 EuGH v. 18.7.2013 – Rs. C-426/11, NZA 2013, 835 – Alemo-Herron m. Anm. Haußmann, ArbRAktuell 2013, 469. 319 Der Entscheidung des EuGH lag ein Vorabentscheidungsersuchen des britischen Supreme Court zum Betriebsübergang von einem öffentlichen auf einen privaten Arbeitgeber zugrunde. Die Auswirkungen der Entscheidung auf das deutsche Recht sind umstritten. Vgl. zum Streitstand Willemsen/Grau, NJW 2014, 12, 14 f. Die überwiegende Ansicht in der Literatur geht von der Erforderlichkeit einer Rechtsprechungsänderung des BAG aus: Lobinger, NZA 2013, 945; Jacobs/Frieling, EuZW 2013, 737; Kempter, BB 2014, 1785; Latzel, RdA 2014, 110; Willemsen/Grau, NJW 2014, 12. Teilweise wird die Übertragbarkeit aufgrund der Unterschiede zwischen dem britischen und deutschem Recht bezweifelt, Forst, DB 2013, 1847; Lakies, ArbR 2013, 564, 565. 320 BAG v. 17.6.2015 – 4 AZR 61/14, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 304; Haußmann, DB 2015, 1605. 321 Haußmann, DB 2015, 1605, 1606. Tatsächlich wäre eine weitergehende Anpassung geboten, denn hätte der Erwerber die Möglichkeit eines Beitritts zum tarifschließenden Verband, kann ebenfalls noch nicht von der Wahrung der unternehmerischen Freiheit ausgegangen werden, da der Beitrittsdruck den Erwerber in seiner negativen Koalitionsfreiheit einschränken würde, Haußmann, ArbR 2013, 469; Latzel, RdA 2014, 110, 116. 322 So die Formulierung in BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359.

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99b

Kap. 2 Rz. 99c

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Tarifbindung die Dynamik der Tarifverträge insgesamt nach dem Modell von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 4 Abs. 5 TVG beendet werden, sollte das zusätzlich festgehalten werden.323 99c

Gegenstand der Bezugnahme sind häufig auch allgemeine Regelungswerke des Arbeitgebers, namentlich Arbeitsordnungen. In einer dynamischen Bezugnahmeklausel auf ein solches Werk in seiner jeweiligen Fassung sieht das BAG ein einseitiges Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers, welches den Arbeitnehmer unangemessen iSd. § 308 Nr. 4 BGB benachteiligt, wenn es Verschlechterungen ermöglichen soll, für die in der Klausel oder der darin in Bezug genommenen Regelung aber keinerlei Gründe genannt oder erkennbar sind.324 Denn ähnlich wie beim Widerrufsvorbehalt muss der Arbeitnehmer erkennen können, was auf ihn zukommt.325 Anders ist dies allerdings bei dynamischer Bezugnahme auf Versorgungsrichtlinien einer Unterstützungskasse. Hier müssen die Arbeitnehmer schon aufgrund des Ausschlusses eines Rechtsanspruchs stets mit einer Änderung auch zu ihren Lasten rechnen; der Ausschluss des Rechtsanspruchs begründet ein Widerrufsrecht, das jedoch an sachliche Gründe gebunden ist.326 Dynamische Verweisungen auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen begründen kein einseitiges Änderungsrecht des Arbeitgebers – die Dynamik hängt vielmehr von einer Änderung der in Bezug genommenen Vereinbarungen ab, solche Verweisungen sind daher nicht nach den vorstehenden Grundsätzen AGB-widrig.327

• Bindungsklauseln

100

Unter Bindungsklauseln versteht man Stichtags- und Rückzahlungsklauseln. Stichtagsklauseln sind Regelungen, nach denen die Leistung einer Sonderzahlung voraussetzt, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt (Stichtag) noch im Arbeitsverhältnis steht.328 Rückzahlungsklauseln hingegen verpflichten den Arbeitnehmer, erhaltene Sonderzahlungen zurückzuzahlen, wenn er vor einem bestimmten Zeitpunkt ausscheidet.329 Bindungsklauseln dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen, insbesondere ihn nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG behindern; sie unterliegen insoweit einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.330 Bei der Zulässigkeit von Stichtagsklauseln ist zu unterscheiden zwischen solchen, die eine Leistung betreffen, die keinerlei Entgeltcharakter hat, sondern ausschließlich vergangene oder künftige Betriebstreue honoriert einerseits, und solchen, die Entgeltcharakter haben andererseits, weil sie ausschließlich oder zumindest auch (Leistungen mit Mischcharakter) die Vergütung von Leistungen betreffen.331

100a

Bei Leistungen ohne jeden Entgeltcharakter (Gratifikationen) gilt Folgendes: Dient eine Sonderzuwendung nicht der Vergütung geleisteter Arbeit, sondern anderen Zwecken, und knüpft sie nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, kann ihre Zahlung von der Erbrin323 Einzelheiten insbesondere bei M 2.2, Ziff. 5 Var. 4 unter 2 b). 324 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; so auch BAG v. 24.2.2011, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 59, wobei die Unwirksamkeit der Jeweiligkeitsklausel nicht insgesamt die Unwirksamkeit der Bezugnahme begründen soll, da die Verweisungsklausel teilbar sei; vgl. hierzu auch Straube/Klagges, ArbRAktuell 2011, 421. 325 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. Anders bei kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind, BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634; v. 18.11.2009, NZA 2010, 599. 326 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, NZA 2011, 42. 327 Vgl. BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rz. 37. 328 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221. 329 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221. 330 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221. 331 Vgl. zum ganzen Baeck/Winzer, NZG 2012, 657 ff.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 100c Kap. 2

gung einer angemessenen Betriebstreue abhängig gemacht werden. Weihnachtsgratifikationen, Urlaubsgelder,332 Abschluss- und Treueprämien333 oder Jubiläumszuwendungen334 können daher von Stichtags- oder Rückzahlungsklauseln erfasst werden.335 Eine Weihnachtsgratifikation, die an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft und nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient, kann folglich vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht werden, ohne dass danach differenziert werden muss, wer die Kündigung ausgesprochen hat und ob sie auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers liegen.336 Bei solchen Gratifikationen sind Stichtage wohl auch außerhalb des Bezugszeitraums zulässig.337 Dafür spricht insbesondere die Entscheidung des BAG v. 16.1.2013.338 Dort war Stichtag für eine Ermessensgratifikation (dazu im Einzelnen Rz. 100d) der 31.3. des Folgejahres (zum Wortlaut M 12.15.2). Das BAG hat in der Begründung (Rz. 14) ausdrücklich diesen Stichtag herangezogen, ohne ihn zu monieren. Allerdings dürfen die zulässigen Bindungsfristen (dazu im Einzelnen Rz. 100g) nicht überschritten werden. Bei der Abgrenzung, welche Leistungen zumindest auch Entgeltcharakter haben, versteht der 10. Senat des BAG den Begriff des Entgelts weit: Knüpft die Sonderzuwendung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele an, so handelt es sich um Entgelt. Schädlich soll sogar schon die Formulierung sein: „Als Dank für bisherigen persönlichen Einsatz und zugleich als ein Stück Motivation … zahlen wir eine Weihnachtsgratifikation“, weil mit dem Bestandteil „Dank für den persönlichen Einsatz“ auch ein Vergütungselement genannt sei, so dass es sich um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter handele.339 Vorsicht ist also künftig selbst bei bisher üblichen Nettigkeiten in Form von Dankesformeln geboten. Ein Vergütungselement soll auch bereits vorliegen, wenn die Ziele nicht an die persönliche Leistung des Arbeitnehmers, sondern an das Betriebsergebnis anknüpfen.340 Gratifikationscharakter können zudem nur solche Sonderzuwendungen haben, die keinen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung ausmachen, sich also im üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen bewegen.341 Schließlich muss sich der Gratifikationscharakter auch noch deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben.342

100b

Für Leistungen mit Mischcharakter oder reinem Vergütungscharakter – das BAG behandelt beide nunmehr gleich343 – gilt Folgendes:

100c

332 BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 513; v. 3.10.1963, DB 1963, 1683. 333 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221. 334 LAG Köln v. 14.5.1993, LAGE § 611 BGB Gratifikation Nr. 19. 335 Einzelheiten s. Kap. 2 Rz. 40; zur – hiervon klar zu unterscheidenden – Rückzahlung von Fortbildungskosten s. Kap. 8 Rz. 12 ff. 336 BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 513; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 62; m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221. 337 Dafür auch Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 658. 338 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819, m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. 339 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368. 340 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561, m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249. 341 Einzelheiten zu dieser Voraussetzungen bei Einf. Rz. 100h; BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561, m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249; v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221; Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 658. 342 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561, m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249. 343 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2013, 597; v. 18.1.2012, NZA 2012, 561, m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249.

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Kap. 2 Rz. 100d

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Sie dürfen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb344 oder innerhalb345 des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden. In der Entscheidung vom 13.11.2013 erklärte der 10. Senat des BAG eine Stichtagsklausel, die den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum 31.12. voraussetzte, für unwirksam, da das Arbeitsverhältnis damit zwangsläufig außerhalb des Bezugszeitraums fortbesteht.346 Auch eine Klausel, die allein den (ggf. gekündigten) Bestand voraussetzt, sei unwirksam.347 Denn sobald die Sonderzahlung zumindest auch Gegenleistung einer Arbeitsleistung sei, habe der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf den Wert der Leistung keinen Einfluss.348 Ob auch solche Sonderzahlungen an Stichtage gebunden werden können, die allein vom Unternehmenserfolg zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängen, bleibt offen.349 Möglicherweise ist das zulässig und die Sonderzahlung wäre anteilig um 1/12 zu kürzen für jeden Monat, in dem das Arbeitsverhältnis noch nicht bestand oder nicht mehr besteht.350 100d

Jedenfalls soweit eine Sonderzahlung nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient, muss nach neuester Rechtsprechung eine Stichtagsregelung innerhalb des Bezugszeitraumes nicht mehr nach Beendigungsgründen differenzieren (Rz. 100a).351 Ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Stichtagen außerhalb des Bezugszeitraums eine Rolle spielt, ist jedoch offen. Zu Ausbildungskosten hatte das BAG bereits entschieden, dass Rückzahlungsklauseln den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, wenn die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind.352 Danach wäre eine Rückzahlungsklausel und eine Stichtagsklausel bei reinen Gratifikationen außerhalb des Bezugszeitraumes ohne Differenzierung nach dem Grund des Ausscheidens möglicherweise unwirksam, bei einer entsprechenden Differenzierung dürfte sie jedoch wirksam sein.353 Daher sollte bei diesen Gestaltungen vorsorglich eine Ausnahme für den Fall vorgesehen werden, dass die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen ist.

344 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334, Rz. 22, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 404; v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, Rz. 15; v. 18.1.2012, NZA 2012, 561, m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249. 345 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, Rz. 15; v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2013, 597. 346 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, Rz. 21. 347 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, Rz. 28. 348 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, Rz. 15. 349 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, Rz. 32; für einen solchen Gestaltungsspielraum Dzida/Klopp, ArbRB 2014, 149, 151; Freckmann/Grillo, BB 2014, 1914, 1916; Heins/Leder, NZA 2014, 520, 521 ff. 350 Lakies, DB 2014, 659, 661. 351 BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136; v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221. 352 BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042, 1044; v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; vgl. auch Lingemann/Kiecza, ArbRAktuell 2009, 156; Jesgarzewski, BB 2011, 1594 sowie Kap. 8 Rz. 20. 353 In der Entscheidung v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180 hat das BAG jedenfalls eine Bindung zum 31.3. des Folgejahres bei einer Ermessengratifikation akzeptiert, sofern als Grund für die Beendigung eine Kündigung des Arbeitnehmers, ein Aufhebungsvertrag oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses geregelt war. Die Gratifikation befand sich allerdings unter der Überschrift „Vergütung“, was nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des 10. Senates steht, wonach Stichtage außerhalb des Bezugszeitraums für Sonderzahlungen mit Vergütungscharakter nicht vereinbart werden dürfen (dazu Rz. 100f).

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 100g Kap. 2

Für Rückzahlungsklauseln hat das BAG hat offengelassen, ob gemäß der früheren Rechtsprechung354 strengere Voraussetzungen gelten als für Stichtagsklauseln, oder ob beide gleich zu behandeln sind.355 Jedenfalls aber werden die Anforderungen an Rückzahlungsklauseln nicht hinter denen an Stichtagsklauseln zurückbleiben, so dass letztere als Mindestanforderungen bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen sind:

100e

Daher sind bei Sonderzahlungen, die zumindest auch der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, Rückzahlungsklauseln unzulässig, weil dem Arbeitnehmer eine bereits verdiente Vergütung nicht rückwirkend entzogen werden kann.356 Nach der Rechtsprechung zu Stichtagsklauseln (Rz. 100c) dürfte das gleichermaßen für Rückzahlungsklauseln außerhalb und innerhalb des Bezugszeitraums gelten. Rückzahlungsklauseln können damit letztlich nur noch bei solchen Sonderzahlungen vorgesehen werden, die kein Vergütungselement enthalten, also ausschließlich der Honorierung geleisteter bzw. dem Ansporn zu künftiger Betriebstreue dienen.357 Dabei steht bei Rückzahlungsklauseln der Ansporn für künftige Betriebstreue im Mittelpunkt, da sie in der Regel auf Stichtage nach dem Bezugszeitraum abstellen.358

100f

Auch wenn die Sonderzahlung keinerlei Vergütungscharakter hat, müssen Bindungsdauer und Höhe der Zahlung in einem angemessenen Verhältnis stehen, um den Arbeitnehmer nicht entgegen Art. 12 GG in seiner Berufsausübung in unzulässiger Weise zu behindern.359 Nach bisheriger Rechtsprechung galt für Rückzahlungsklauseln folgende Staffelung: Erhält ein Arbeitnehmer zum Jahresende eine Sonderzahlung von Euro 100,– oder weniger, so kann keine Rückzahlungsverpflichtung vereinbart werden.360 Bei einer Sonderzahlung zum Jahresende von mehr als Euro 100,– und weniger als einer Monatsvergütung kommt eine Bindung bis zum 31.3. des Folgejahres in Betracht,361 bei einem Monatsgehalt ist eine Bindung über diesen Zeitpunkt hinaus bis zu dem darauf folgenden erstmöglichen Kündigungstermin zulässig.362 Bei einer Sonderzahlung von mehr als einem bis zu zwei Monatsgehältern kommt uU auch eine Bindung bis zum 30.6.,363 bei darüber hinaus gehenden Sonderzahlungen ggf. sogar bis zum 30.9. des Folgejahres364 in Betracht. Zahlt der Arbeitgeber in mehreren Einzelbeträgen aus, so werden diese zur Ermittlung der zulässigen Bindungsfrist nur zusammengerechnet, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; daran fehlt es im Verhältnis von Urlaubsgeld Mitte des Jahres und Weihnachtsgeld Ende des Jahres.365 Die Bindungsfrist beginnt zwar grundsätzlich mit dem Auszahlungszeitpunkt; bei der Weihnachtsgratifikation soll es jedoch auf das Ende des

100g

354 BAG v. 30.11.1989 – 6 AZR 21/88; v. 19.9.1984 – 5 AZR 366/84, nv.; Einzelheiten bei Kap. 12 Rz. 31 aE sowie M 12.15.2. 355 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 Rz. 21 m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249; v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, DB 2008, 126; Lingemann/Gotham, NZA 2008, 513. 356 Vgl. BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249. 357 Vgl. auch Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1286 f. 358 Vgl. BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620, Rz. 13. 359 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783, 784; v. 28.4.2004 – 10 AZR 356/03, NZA 2004, 924; v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875. 360 BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; v. 21.5.2003 – 10 AZR 390/02, NZA 2003, 1032, 1033. 361 BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875. 362 BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; v. 28.4.2004 – 10 AZR 356/03, NZA 2004, 924. 363 Vgl. LAG Köln v. 14.5.1993, LAGE § 611 BGB Gratifikation Nr. 19. 364 BAG v. 13.11.1969, DB 1970, 352. 365 BAG v. 15.3.1973, DB 1973, 973.

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Kap. 2 Rz. 100h

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kalenderjahres als Bezugszeitraum ankommen,366 bei Urlaubsgratifikationen auf den 1.7. eines Kalenderjahres.367 Das greift jedenfalls dann, wenn der Auszahlungszeitpunkt nicht mehr als zwei Monate zurückliegt. Liegt der Auszahlungstermin allerdings lange nach dem Ende des Bezugszeitraumes, so entscheidet Letzterer.368 Steht die Höhe der Sonderzahlung nicht fest, muss der Vertrag selbst eine Staffelung zur Abhängigkeit der Bindungsdauer von der Höhe enthalten.369 100h

Ob diese Staffel noch gilt, ist offen. Insbesondere ist fraglich, ob die Rückzahlung von mehr als einem Monatsgehalt noch verlangt werden kann, denn für Leistungen mit Entgeltcharakter ist ja, wie ausgeführt (Rz. 100c), ein Stichtag innerhalb wie außerhalb des Bezugszeitraumes nicht mehr zulässig. Und den Begriff des Entgelts versteht der 10. Senat des BAG weit: Gratifikationscharakter können nur solche Sonderzuwendungen haben, die u.a.370keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung ausmachen, sich also im üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen bewegen.371 Wo die Grenze zu ziehen ist, hat das BAG nicht eindeutig entschieden. In einer früheren Entscheidung ist das BAG bei Prüfung der Wirksamkeit einer Stichtagsklausel auf die Höhe der Bonuszahlung, die im konkreten Fall etwa 60 % der Gesamtjahresvergütung ausmachte, nicht eingegangen,372 die Entscheidung ist aber wahrscheinlich überholt. Denn in einer neueren Entscheidung wertete das BAG eine Sondervergütung, die rund 15 % der Jahresgesamtvergütung ausmachte und zusätzlich zum Weihnachtsgeld gezahlt wurde, als einen „nicht unwesentlichen Teil“ der Gesamtvergütung, die nicht Gegenstand einer Stichtagsklausel sein könne.373 Demnach liegt die Grenze nunmehr bei oder sogar unter 15 % der Gesamtvergütung.374 Aufgrund der unklaren Rechtslage ist es ratsam, zusätzlich zu der bereits empfohlenen Differenzierungsklausel die Rückzahlungspflicht bzw. die Bindungswirkung auf weniger als 15 % der Gesamtjahresvergütung zu begrenzen oder zur weiteren Verminderung des Risikos auf eine Monatsvergütung, um sich im „üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen“ zu bewegen.375

100i

Für Bindungs- und Verfallklauseln bei Aktienoptionen gelten die vom BAG für Sonderzahlungen entwickelten strengen Grundsätze nicht uneingeschränkt.376 Zu Einzelheiten der Rückzahlungsklausel bei Sonderzahlungen siehe auch M 12.15.2 mit Anm.

366 BAG v. 21.5.2003, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 250; v. 27.10.1978, DB 1979, 898; v. 12.10.1972, DB 1973, 285; 367 BAG v. 15.3.1973, DB 1973, 973. 368 BAG v. 12.10.1972, DB 1973, 285; Preis/Preis, II S 40 Rz. 105. Für einen Auszahlungstermin vor Ende des Bezugszeitraums verbleibt es bei Fristbeginn zum Zeitpunkt der Auszahlung, vgl. Reiserer/ Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1573 f. 369 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; dazu Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509 mit Formulierungsvorschlag; LAG München v. 24.1.2008 – 4 Sa 781/07. 370 Zu weiteren Anforderungen s. Rz. 100a. 371 BAG v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249; v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221; Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 658. 372 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783. 373 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, Rz. 25. 374 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992, Rz. 25; in Richtung 25 % noch BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; gegen eine Beschränkung auch Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509; Leder, RdA 2010, 93, 98 f. sowie Salamon, NZA 2011, 1328. 375 Vgl. Rz. 100g; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620; Baeck/Winzer, NZG 2012, 657, 658. 376 Vgl. Rz. 85a; BAG v. 28.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12 m. Anm. Lingemann/Gotham.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 101 Kap. 2

• Dienstwagenrückforderung377

Heranzuziehen sind die Grundsätze über den Widerrufsvorbehalt, so dass insbesondere die sachlichen Gründe in der Klausel genannt werden müssen, die zu einem Widerruf berechtigen; zudem muss der geldwerte Vorteil des Dienstwagens unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen.378 Sofern der Wert der Nutzung des Dienstwagens im Verhältnis zum Gesamtverdienst nur unbedeutend ist, kann eine Rückforderungsklausel möglicherweise auch ohne Angabe sachlicher Gründe wirksam sein.379 Im Falle der Erkrankung des Arbeitnehmers endet das Recht zur Privatnutzung des Dienstwagens – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung – allerdings mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums; der Vereinbarung eines entsprechenden Widerrufsvorbehaltes bedarf es für diesen Fall nicht.380 Auch bei einer wirksamen Dienstwagenwiderrufsklausel muss die Ausübung aber natürlich billigem Ermessen entsprechen (Ausübungskontrolle), so dass ggf. eine Ankündigungsfrist einzuhalten ist.381

• Ermessensvergütung/Ermessensgratifikation382

Ermessensvorbehalte sieht das BAG bei Leistungen des Arbeitgebers deutlich weniger kritisch als Freiwilligkeitsvorbehalte. Das gilt sowohl für Ermessengratifikationen383 als auch für Ermessentantiemen, sofern die Beurteilungsgrundsätze hinreichend transparent sind.384 Behält sich der Arbeitgeber daher im Formulararbeitsvertrag ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Hinblick auf die Höhe einer jährlichen Zuwendung vor, so ist das nicht AGBwidrig.385 Die Höhe der Sonderzahlung kann auch abhängig gemacht werden von der jährlichen Entscheidung über einen Bonustopf.386 Die Regelung, wonach der Arbeitnehmer je nach Betriebszugehörigkeit einen bestimmten Prozentsatz „von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation“ erhält, welche mit dem Novembergehalt gezahlt wird und bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers bis zum 31.3. des Folgejahres zurückzuzahlen ist, stellt keinen Freiwilligkeitsvorbehalt dar, sondern gewährt einen Anspruch auf Zahlung der Gratifikation in der vom Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB festzulegenden Höhe. Diese kann gemäß § 315 Abs. 3 BGB vom Gericht auch überprüft und ggf.

377 Einzelheiten zur Vertragsgestaltung s. Kap. 12 Rz. 42 ff.; Formulierungsvorschlag s. M 12.22, § 7 m. Anm. 378 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NJW 2012, 1756 mit der wirksamen Klausel: „wenn und solange der PKW für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt wird“; v. 13.4.2010, NZARR 2010, 457, 459; v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; LAG Niedersachsen v. 17.1.2006, NZA-RR 2006, 289; Gaul/Kaul, BB 2011, 181; Günther/Günther, ArbRAktuell 2011, 107; Fröhlich, ArbRB 2011, 253; s. auch Kap. 12 Rz. 43; allgemein zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; s. näher unter Rz. 138 ff., „Widerrufsvorbehalt“. 379 So offenbar LAG Hessen v. 20.7.2004 – 13 Sa 1992/03, MDR 2005, 459. Der Wert der Nutzung des Pkw lag im Verhältnis zur restlichen Vergütung allerdings auch nur bei 2,62 %; vgl. auch Kap. 12 Rz. 43. 380 BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NJW 2011, 1469; LAG BW v. 27.7.2009, DB 2009, 2050. 381 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616. 382 S. Formulierungsvorschlag M 12.16; für weitere Gestaltungshinweise s. Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65, 66 ff. 383 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180 und M 12.16. 384 BAG v. 14.11.2012, NJW Spezial 2013, 82 zu einer sehr aufwändigen Partnerregelung in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499 – dazu M 12.10.2. 385 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 286; v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. 386 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334, m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2016, 380604; v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595.

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Kap. 2 Rz. 101

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

ersetzt werden.387 Es handelt sich auch nicht um einen Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB, weil hier jeweils nur die erstmalige Leistung festgelegt wird.388 Die Regelung ist auch nicht intransparent, auch wenn keine Maßstäbe für die Höhe vereinbart sind, denn der Arbeitgeber könnte die Leistung sogar unter einem bei der jeweiligen Zahlung zu erklärenden Freiwilligkeitsvorbehalt gewähren; weitergehend als bei einem solchen Freiwilligkeitsvorbehalt erhält der Arbeitnehmer bei der Ermessensregelung aber einen klagbaren Anspruch.389 Schließlich ist die Leistung auch nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB, denn § 315 BGB lässt ja gerade einseitige Leistungsbestimmungsrechte zu.390 Der 10. Senat des BAG sieht bei einer solchen Regelung auch nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die leistungssteuernde Wirkung eine Versprechens für die Zukunft in Anspruch nehme, andererseits aber die Entscheidung über die Gewährung der Leistung ausschließlich von seinem Willen abhängig mache, da die Regelung keine spezifischen Leistungsanreize setze und Anspruchsvoraussetzung lediglich der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum 31.3. des Folgejahres sei.391 Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten, ob und ggf. in welchem Umfang ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Vertrag überhaupt noch wirksam vereinbart werden kann, könnte eine solche Ermessensgratifikation eine sinnvolle Alternative sein.392 Allerdings begründet sie einen Anspruch, und der Arbeitgeber muss jeweils im Einzelnen darlegen, warum seine Entscheidung, sie in bestimmter Höhe oder auch nicht zu gewähren, billigem Ermessen nach § 315 Abs. 1 BGB entspricht. Soll der Freiwilligkeitsvorbehalt allerdings nur dazu dienen, in Fällen schlechter Ertragslage an die unter Vorbehalt gestellten Leistungen nicht gebunden zu sein, könnte der Arbeitgeber die reduzierte Gewährung mittels der Ermessensgratifikation zumindest ebenso gut begründen.393 Auch wenn der Formularvertrag vorsieht, dass der Arbeitgeber über die Höhe eines variablen Vergütungsbestandteils abschließend nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) unter Beachtung bestimmter Faktoren zu entscheiden hat und sich die zugrunde zu legende individuelle Leistung des Arbeitnehmers nach dem Erreichen vereinbarter Ziele bestimmt, ist dies auch ohne Festlegung des Verhältnisses der verschiedenen Beurteilungsfaktoren zueinander nicht intransparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Festvergütung bestimmt und gesichert ist, ein Anspruch auf Festsetzung eines angemessenen Zieleinkommens besteht und die Festsetzung von Zieleinkommen und variabler Vergütung der gerichtlichen Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegt.394 Auf die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle muss in der Klausel

387 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334, m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2016, 380604. 388 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180; Salamon, NZA 2014, 465, 466. 389 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. 390 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. 391 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. 392 Vgl. dazu ausführlich Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; s. auch Bauer/Heimann, NZA Beilage 2014, 114, 117. 393 Vgl. auch Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. Gem. Urteil des BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, mit Anm. Schuster, ArbRAktuell 2013, 329, ist eine Reduzierung auf null nicht ausgeschlossen. Denn eine Regelung in einem Arbeitsvertrag, nach der ein Arbeitnehmer einen Leistungsbonus erhält, der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg des Arbeitnehmers richtet und jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird, enthält auch die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern im Ausnahmefall auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen. Der Vorbehalt des Arbeitgebers, den Leistungsbonus zu bestimmen, stellt keine unzulässige Benachteiligung dar, wenn die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfolgen muss. Vgl. auch BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 40 ff., 53 ff. m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 286. 394 BAG v. 14.11.2012, NJW Spezial 2013, 82.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 103 Kap. 2

zwar nicht hingewiesen werden.395 Der Vorbehalt freien Ermessens ist allerdings unzulässig.396 Da es sich um die Vergütung erbrachter Leistungen handelt, darf – nach den neuen Grundsätzen des BAG zu Bindungsklauseln397 – eine solche Regelung auch nicht vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisse über den Bezugszeitraum hinaus abhängig gemacht werden.398 Die richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ist auf Grundlage des Vortrags der Parteien zu treffen. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn besteht nicht. Jede Partei ist im Sinne einer Obliegenheit gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, damit sie vom Gericht berücksichtigt werden können.399 Anders als beim Freiwilligkeitsvorbehalt ist bei der Einführung der Ermessensgratifikation der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen.400 Die Bestimmung der Höhe der Vergütung ist dagegen mitbestimmungsfrei.

• Familienmitglieder als Arbeitnehmer

Die Verpflichtung eines Tankstellenpächters, bei Beendigung des Tankstellenvertrags die mit Familienmitgliedern eingegangenen Arbeitsverhältnisse „auf seine Kosten (zu) beenden“ und andernfalls den Verpächter oder den Nachfolgebetreiber „von allen daraus entstehenden Kosten freizuhalten bzw. entstandene Kosten (zu) erstatten“, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Eine solche Regelung ist schon mit § 613a Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 4 Satz 1 BGB unvereinbar.401 Sie ist auch in der Höhe nicht begrenzt; nach (kundenfeindlichster402) Auslegung der Klausel (vgl. § 305 Abs. 2 BGB) ist daher nicht auszuschließen, dass der Tankstellenbetreiber die Verpflichtung nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten erfüllen könnte, auch deswegen ist die Vereinbarung unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).403

• Freistellungsklausel404

Zweifelhaft ist, ob eine generelle Freistellungsklausel ohne besondere Voraussetzungen einer Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhält.405 Dabei muss insbesondere der allgemeine Beschäftigungsanspruch als Leitbild im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB berücksichtigt werden.406 Zulässig dürfte eine Freistellungsklausel jedenfalls dann sein, wenn die sachlichen Gründe, nach denen eine Freistellung möglich sein soll, in der Klausel aufgeführt sind.407 Soll die Freistellung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen erfolgen, sollte dies in der Klausel deutlich zum Ausdruck kommen.408 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405

BGH v. 25.11.2015 – VIII ZR 360/14. BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334, Rz. 21. Dazu Rz. 100 „Bindungsklausel“. BAG v. 14.11.2012, NJW Spezial 2013, 82. BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334, m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2016, 380604. Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65, 69 f. BGH v. 23.3.2006 – III ZR 102/05, NZA 2006, 551. Vgl. Rz. 28; PWW/Berger, § 305c BGB Rz. 17 mwN. BAG v. 23.3.2006, NZA 2006, 551, 552. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 3 (3). Bauer/Günther, DStR 2008, 2422; Mues, ArbRB 2009, 214; Ohlendorf/Salamon, NZA 2008, 856; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Richter/Lange, NZA-RR 2012, 57. 406 LAG Hessen v. 14.3.2011, NZA-RR 2011, 419; LAG München v. 7.5.2003, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2; Lingemann/Steinhauser, NJW 2014, 1428; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 1; Brachmann/Diepold, AuA 2009, 508. 407 Vgl. auch M 3.1 § 16 Abs. 6 m. Anm.; ferner die Klauseln bei Preis/Preis, II F 10 Rz. 15, 29a, 37; Bauer/Günther, DStR 2008, 2422; Mues, ArbRB 2009, 214; Ohlendorf/Salamon, NZA 2008, 856; aA ArbG Frankfurt v. 19.11.2003, NZA-RR 2004, 409; wie hier ArbG Stralsund v. 11.8.2004 – 3 Ga 7/04, NZA-RR 2005, 23. 408 Vgl. Bonanni/Ludwig, ArbRB 2011, 379.

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Kap. 2 Rz. 104

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

• Freiwilligkeitsvorbehalt409, 410

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Ursprünglich waren auch nach Geltung der AGB-Kontrolle Freiwilligkeitsvorbehalte jahrelang prinzipiell zulässig, jedenfalls, wenn sie sich auf Sonderzahlungen bezogen.411 Für die Wirksamkeit eines solchen Vorbehalts kam es nicht auf den mit der Zahlung verfolgten Zweck an. Bei einem klar und verständlich formulierten Vorbehalt fehlte es nämlich schon an einer versprochenen Leistung iSv. § 308 Nr. 4 BGB. Ein einmaliger klarer und eindeutiger Hinweis im Arbeitsvertrag reichte aus, der Freiwilligkeitsvorbehalt musste dann nicht vor jeder Sonderzahlung wiederholt werden.412 Das galt auch dann, wenn die Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich vergütete.413 Auch bei beträchtlicher Höhe der Sonderzahlung (Euro 25 000,– bis 30 000,– bei einem Jahresgehalt von Euro 55 000,–) war ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht ausgeschlossen.414 Demnach galt für Freiwilligkeitsvorbehalte die 25/30 %-Grenze, die das BAG für Widerrufsvorbehalte aufgestellt hat (Rz. 67 ff.), nicht.415 Ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz konnte der Arbeitgeber auch entscheiden, dass die Sonderleistung nur solchen Arbeitnehmern zukommen sollte, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs betriebsangehörig waren.416

104a

Der 10. Senat des BAG lehnt aber seit dem Urteil vom 14.9.2011 in st. Rspr. Freiwilligkeitsvorbehalte im Arbeitsvertrag letztlich ab.417 In jedem Fall unangemessen benachteiligt wird der Arbeitnehmer durch Freiwilligkeitsvorbehalte, die alle zukünftigen Leistungen unabhängig von Art und Entstehungsgrund erfassen,418 so dass zB folgende Formulierung unwirksam ist: „Sonstige, in diesem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruflich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regelmäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer dadurch keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.“419 Diese Formulierung erfasst nämlich neben Sonderzahlungen auch laufende Leistungen, soweit diese nicht im ursprünglichen Vertrag enthalten sind, so dass neben betrieblichen Übungen auch Gesamtzusagen und ausdrückliche Einzelabreden ausgeschlossen werden.420 409 Dazu Bayreuther, BB 2009, 102; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 f.; Grimm/Freh, ArbRB 2011, 285; Jensen, NZA-RR 2011, 225; Krause, FS J.-H. Bauer, 2010, S. 577; Lakies, ArbRAktuell 2012, 306; Maaß, ArbRAktuell 2011, 59; Preis, NZA 2009, 281; Preis/Sagan, NZA 2012, 697; Salamon, NZA 2009, 656; Schramm, NZA 2007, 1325; Simon/Greßlin, BB 2008, 2467. 410 Formulierungsvorschlag s. M 12.15.1; s. auch Domke/Nikolaus, DB 2015, 1352, 1353. 411 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.; v. 21.1.1009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, DB 2007, 1757; Feddersen, NWB 2010, 1348; Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307; Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754; Reinecke, BB 2008, 554; Schramm, NZA 2007, 1325; für die Wirksamkeit LAG Hamm v. 9.6.2005, NZA-RR 2005, 624; krit. zur Abgrenzung zwischen laufender Vergütung und Sonderzahlungen Bayreuther, BB 2009, 102. 412 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, DB 2008, 2194. 413 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, DB 2008, 2194. 414 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535. 415 Vgl. Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2310; für die Einbeziehung von Leistungen, die unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehen, in die 25(30) %-Regelung Bayreuther, BB 2009, 102, 104; LAG Düsseldorf, EzA-SD 2008, Nr. 14, 16. 416 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535. 417 BAG 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rz. 52; v. 16.01.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; dazu Bauer/von Medem, NZA 2012, 894; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. 418 Ebenso BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595. 419 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 420 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; krit. Bauer/Heimann, NZA Beilage 2014, 114, 116 m.w.N.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 105a Kap. 2

Auch sei ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der so ausgelegt werden kann, dass er Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließt, mit dem Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede, § 305b BGB, nicht vereinbar. Eine solche Regelung weiche zudem von dem allgemeinen Grundsatz „pacta sunt servanda“ ab, dieser gelte auch für nach Abschluss des Arbeitsvertrages im laufenden Arbeitsverhältnis eingegangene Verpflichtungen. Von diesen könne nicht unter Hinweis auf einen vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt wieder Abstand genommen werden. Auch arbeitsrechtliche Besonderheiten iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB würden eine abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen.421 Insoweit übernimmt der 10. Senat des BAG die Rechtsprechung des 9. Senats zur doppelten Schriftformklausel422 auch für Freiwilligkeitsvorbehalte.423 Zum Teil wird die Entscheidung so verstanden, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt nur noch bei Sonderzahlungen wirksam vereinbart werden könne.424 Angesichts der vom 10. Senat gewählten sehr umfassenden Formulierungen ist das aber zweifelhaft. Daher sollte der Arbeitgeber bei jeder Sonderzahlung eindeutig erklären, dass die Leistung einmalig ist, freiwillig erfolgt und keinen Anspruch für die Zukunft begründet.425 Die Aufnahme eines generellen Freiwilligkeitsvorbehalts im Arbeitsvertrag ist wahrscheinlich nur noch ein Anzeichen für den objektiven Willen des Arbeitgebers, durch freiwillige Sonderzahlungen keine dauerhaften, zukünftigen Leistungen anzubieten. Er wird aber – wenn überhaupt – bestenfalls noch eine betriebliche Übung ausschließen können, solange diese nicht als vorrangige Individualvereinbarung angesehen wird. In jedem Fall sollte künftig bei der Formulierung eines Freiwilligkeitsvorbehaltes ausdrücklich auf den Vorrang der Individualabrede hingewiesen werden. Nachdem dieser Hinweis nun bei der doppelten Schriftformklausel und beim Freiwilligkeitsvorbehalt erforderlich ist und der Vorrang der Individualabrede den gesamten Inhalt des Formularvertrages umfasst, ist zu erwägen, ihn in einer gesonderten Regelung aufzunehmen und die Einzelregelungen damit nicht zu überfrachten. Eine solche Gestaltung ist bisher aber nicht üblich und schon gar nicht von der Rechtsprechung abgesichert.

104b

Der Vorbehalt ist zudem auf Leistungen zu beschränken, die nicht laufende Entgelte sind. Denn laufende Entgelte – zB Leistungszulagen – können auch schon nach der älteren Rechtsprechung nicht als freiwillige Leistung vereinbart werden.426

105

Ein unwirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt kann auch nicht in einen Widerrufsvorbehalt umgedeutet werden, da in diesem die Voraussetzungen und der Umfang für einen Widerruf konkretisiert sein müssen.427 Da für Verträge, die bis zum 31.12.2001 geschlossen wurden, auch Widerrufsvorbehalte, die diesen strengen Anforderungen nicht genügen, aufgrund ergänzender Vertragsauslegung wirksam sein können, müsste auch für Freiwilligkeitsvorbehalte in solchen „Altverträgen“ jedoch eine Umdeutung möglich sein.428

105a

421 422 423 424 425

BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 85. Vgl. Rz. 124 f. sowie Formulierungsvorschlag M 2.1.a Ziff. 13. BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. Hunold, Schnellbrief Arbeitsrecht 5/2012, S. 2. Vgl. BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; die Klausel lautete: „Wir freuen uns, Ihnen für das Jahr 2001 eine Sonderzahlung in Höhe von Euro 25 000,– zukommen zu lassen. Die Auszahlung erfolgt mit dem Gehalt für April 2002. Diese Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Ansprüche aus. Wir danken Ihnen für Ihre bisherige Arbeit und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in unserem Hause.“ 426 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.; v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, DB 2007, 1757. 427 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, DB 2007, 1757; zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; vgl. auch unter Rz. 138 ff., „Widerrufsvorbehalt“. 428 Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754.

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Kap. 2 Rz. 105b 105b

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Der Vorbehalt muss – das galt auch schon vor der Entscheidung des BAG v. 14.9.2011 – nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB transparent formuliert sein. Der Ausschluss künftiger Leistungen muss daher im Wortlaut klar geregelt sein, indem insbesondere klargestellt wird, dass auch die mehrfache vorbehaltlose Gewährung keine Ansprüche begründet.429 Intransparent ist es, einerseits eine Sonderzahlung zuzusagen, andererseits aber zu bestimmen, dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch darauf hat. Dementsprechend muss die sprachliche Kombination von „Anspruch“ einerseits und „Freiwilligkeit“ andererseits vermieden werden. Anspruchsbegründend soll schon sein die Formulierung „Darüber hinaus erhalten Sie einen gewinn- und leistungsabhängigen Bonus“430 oder auch „Der Angestellte erhält Weihnachtsgratifikation“431 oder „Als freiwillige soziale Leistungen werden zurzeit … gewährt“,432 oder „Als Sonderleistung zahlt die Unternehmung (ab 1999) als Weihnachtsgeld …“433 oder „Sie nehmen an dem in unserem Haus üblichen Bonussystem teil“434 und sogar „Zur Zeit werden gewährt:…“435 sowie natürlich auch für die Formulierung „Der Anspruch auf Zahlung eines Bonus entfällt, wenn …“436 Alle diese Formulierungen sind nach der Rechtsprechung des 10. Senates zusammen mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt widersprüchlich und intransparent, der entsprechende Freiwilligkeitsvorbehalt daher unwirksam.437 Auch die Regelung „Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann“ ist nach Auffassung des 10. Senats intransparent, da daraus nicht klar hervorgeht, ob nur das „Ob“ und/oder auch das „Wie“ der Zahlung (als Weihnachts- oder Urlaubsgeld) im Belieben des Arbeitgebers stehe.438 Ein Anspruch wird auch dann begründet, wenn die Voraussetzungen für die Sonderzahlung präzise bestimmt sind, zB „jeweils 50 % des vereinbarten Brutto-Monatsverdienstes“, oder bei einer Staffelung je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit.439 Auch die Kombination von Freiwilligkeitsvorbehalt und Leistungsbonus benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.440 Bei einer 429 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 83; v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 f.; die Formulierung unter der Überschrift „Vergütung und Urlaub“ mit dem Wortlaut: „Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Gehalt von DM 3250,– brutto. Die Vergütung wird dem Arbeitnehmer jeweils bis zum 5. des Folgemonats gezahlt. Die Gewährung sonstiger Leistungen (zB Weihnachts- und Urlaubsgeld, 13. Gehalt, etc.) durch den Arbeitgeber erfolgt freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.“ hat das BAG als ausreichenden Freiwilligkeitsvorbehalt hinsichtlich des Weihnachtsgeldes angesehen, der weder gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB noch gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße. Vgl. schon BAG v. 12.1.2000, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 223; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 68. Möglicherweise hielt die Formulierung im Fall des BAG v. 21.1.2009 nur für das Weihnachtsgeld und somit nur mithilfe des „blue pencil test“ (Rz. 40); näher dazu Kap. 12 Rz. 5 ff. 430 Vgl. BAG v. 5.7.2011, AP BetrVG § 87 Lohngestaltung Nr. 139. 431 BAG v. 7.6.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234, 1236; v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 m. Anm. Bauer, FD-ArbR 2008, 264804 „an der Grenze zur Wortklauberei“. 432 BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203 zu einer sehr ähnlichen Formulierung. 433 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684. 434 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; FD-ArbR 2008, 250044 m. Anm. Lingemann. 435 BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015, Rz. 17. Weniger kritisch sehen das offenbar Lunk/Leder, NJW 2016, 3767 und Hampe/Endriß, DB 2016, 1637, die im Klauselvorschlag „Gewährung“ und Freiwilligkeitsvorbehalt verbinden. 436 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; FD-ArbR 2008, 250044 m. Anm. Lingemann. 437 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; eingehend dazu Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509. 438 BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 281/12, NZA 2013, 787 m. Anm. Fuhlrott, ArbRAktuell 2013, 327. 439 BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, BB 2013, 1203. 440 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 286. Vgl. dazu Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 108 Kap. 2

leistungs- oder erfolgsorientierten Sonderzahlung stellt der Bonus die Gegenleistung für das Erreichen vereinbarter Zielvorgaben dar.441 Ein Recht des Arbeitgebers, sich die Bonuszahlung trotz Erreichens der Vorgaben vorzubehalten, ist mit dem Gegenleistungscharakter unvereinbar. Dasselbe soll für Ermessensvergütungen nach § 315 BGB gelten.442 Wird im Arbeitsvertrag – ggf. durch eine dieser Formulierungen – ein Anspruch begründet, so ändert daran auch ein bei jeder Zahlung ausgesprochener Freiwilligkeitsvorbehalt nichts mehr, denn dieser würde nur eine betriebliche Übung verhindern, nicht aber einen im Arbeitsvertrag begründeten Anspruch beseitigen.443 Angesichts der Unsicherheit darüber, wie ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt ausgestaltet sein muss, kann es ratsam sein, im Vertrag die freiwillige Leistung und damit den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht mehr zu regeln und stattdessen bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu erklären.444 Bei der Kombination von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt in vorformulierten Arbeitsbedingungen sind wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB beide Vorbehalte unwirksam.445

106

Angesichts der zahlreichen Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten wäre eine Ermessensgratifikation, die das BAG446 gebilligt hat, eine valide Alternative.447

106a

• Haftung des Arbeitnehmers

Die Grundsätze der Haftungsbeschränkung bei der Arbeitnehmerhaftung448 haben grundsätzlich auch nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform weiter Bestand. Zu Abweichungen s. sogleich unter „Haftungsverschärfung“, Rz. 108.

• Haftungsverschärfung

Das BAG versteht die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung als einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, von dem nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann.449 Diese Auffassung wird seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in Zweifel gezogen.450 Haftungsverschärfungen zu Ungunsten des Arbeitnehmers in vorformulierten Arbeitsbedingungen seien grundsätzlich zulässig, eine Kontrolle sei am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB durchzuführen.451 Dem ist zuzustimmen. Die Regeln zur Arbeitnehmerhaftung sind jedoch nur insoweit abdingbar, wie das vom BAG bestimmte Schutzniveau nicht unterschritten wird; die Vereinbarung einer Haftungsverschärfung ist daher nur zulässig, wenn sie durch Risikoprämien ausgeglichen wird.452 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452

BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rz. 52 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 286. Vgl. BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334, Rz. 20. BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, BB 2013, 1203. Vgl. Bauer/Heimann, NZA Beilage 2014, 114, 115. BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; einschränkend BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628, m. Anm. Reinhard, NJW 2011, 2314. Vgl. BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 – dazu Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, DB 2013, 819, m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. S. dazu auch Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. Vgl. etwa BAG GS v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083; Kap. 13 Rz. 18 ff. Vgl. etwa BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141. ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 11 mwN. ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 11 mwN. MünchKommBGB/Henssler, § 619a Rz. 13.

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108

Kap. 2 Rz. 109

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

• Jahreswagen-Regelung

109

Um dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen, muss eine Klausel, nach der ein Preisnachlass beim Kauf eines vom Arbeitgeber produzierten Kfz entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Ablauf einer bestimmten Frist endet, nicht nur die Voraussetzungen für den Wegfall klar und verständlich darstellen, sondern auch die Höhe der Forderung des Arbeitgebers so deutlich machen, dass nicht erst eine intensive Beschäftigung mit den Arbeitsbedingungen oder eine Nachfrage notwendig ist.453

109a

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot kann nur so lange „geheilt“ werden, wie der Arbeitnehmer noch über den Abschluss des Kaufvertrags für das Kfz entscheiden kann.454

110

110a

110b

• Jeweiligkeitsklausel

Mit einer sog. Jeweiligkeitsklausel kann arbeitsvertraglich auf das Versorgungswerk in seiner jeweiligen Fassung verwiesen werden. Solche Jeweiligkeitsklauseln sind idR dynamisch zu verstehen, dh sie verweisen auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen.455 Die Auslegung als dynamische Verweisung geht weit. Sie soll selbst dann gelten, wenn die bei Vertragsschluss geltende Versorgungsregelung im Arbeitsvertrag konkret bezeichnet ist. Die Jeweiligkeitsklausel hält allerdings nur dann einer Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB stand, wenn die in Bezug genommenen Änderungen den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit – mithin dem vom BAG entwickelten Dreistufenschema – entsprechen.456 Nur dann ist der mit der Jeweiligkeitsklausel verbundene Änderungsvorbehalt für den Arbeitnehmer zumutbar. Anderenfalls gilt die ursprüngliche Versorgungsordnung fort.

• Klageverzicht

Ein formularmäßiger Klageverzicht ohne Gegenleistung ist als unangemessene Benachteiligung, § 307 Abs. 1 BGB, unwirksam.457 Wird der Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag erklärt, der eine außerordentliche Kündigung vermeiden soll, benachteiligt der Verzicht den Arbeitnehmer zudem unangemessen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nicht ernsthaft in Betracht ziehen durfte.458

• Konzernversetzungsklausel459

Konzernversetzungsklauseln sollen einen Arbeitgeberwechsel ermöglichen. Besonderheiten des Arbeitsrechts und die Vorteile für den Arbeitnehmer im Hinblick auf seine kündigungs-

453 454 455 456

LAG Düsseldorf v. 4.3.2005, ArbuR 2005, 341. LAG Düsseldorf v. 4.3.2005, ArbuR 2005, 341. BAG v. 14.7.2015, NZA-RR 2015, 595 m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2015, 476. BAG v. 14.7.2015, NZA-RR 2015, 595 Rz. 27 m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2015, 476. Nach dem vom BAG entwickelten Dreistufenschema kann auf der ersten Stufe in bereits erdiente Anwartschaften nur aus zwingenden Gründen, auf der zweiten Stufe in die erdiente Anwartschaftsdynamik nur aus triftigen Gründen und auf der dritten Stufe in noch nicht erdiente, dienstzeitabhängige Zuwächse aufgrund sachlich-proportionaler Gründe eingriffen werden, st. Rspr. vgl. schon BAG 17.4.1985 – 3 AZR 72/83, NZA 1986, 57. 457 Vgl. BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NJW 2016, 1195; v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 155; BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219, m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 241903. 458 BAG v. 12.3.2015, NZA 2015, 676, Rz. 27, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 150; s. auch Kap. 23 Rz. 33. 459 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 1 (2) 3. Var.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 113 Kap. 2

rechtliche Stellung lassen eine solche Klausel u.E. zu.460 Das BAG hat die Frage bisher offengelassen.461

• Kündigungsausschluss462

Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung vor Dienstantritt ist zulässig,463 der Ausschluss der außerordentlichen Kündigung nicht.464 Mangels geltungserhaltender Reduktion (vgl. § 306 Abs. 1, 2 BGB) sollte der Kündigungsausschluss im Vertrag daher ausdrücklich auf die ordentliche Kündigung beschränkt werden.

• Kurzarbeitsklausel465

Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nicht einseitig mit Hilfe seines Direktionsrechtes einführen. Er benötigt hierfür eine kollektivrechtliche Rechtsgrundlage, namentlich in Form einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages.466 Eine Betriebsvereinbarung bewirkt unmittelbar und zwingend eine vorübergehende Herabsetzung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit mit der Folge der Vergütungsminderung, ohne dass es auf den Willen der betroffenen Arbeitnehmer ankommt.467 Bei betriebsratslosen Betrieben und gegenüber leitenden Angestellten kann Kurzarbeit demgegenüber nur über eine Änderungskündigung oder nach Maßgabe einer Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag eingeführt werden.468 Ungeklärt ist, ob die Klauseln uneingeschränkt zulässig sind, auf die Voraussetzungen der §§ 95 f. SGB III zu beschränken sind469 oder die Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt470 erfüllen müssen.471

• Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale472

Die Zahl der pauschal abzugeltenden Überstunden ist – im Rahmen der gesetzlich zulässigen Überstunden – im Vertrag zu beschränken.473 Einzelheiten dazu unter „Pauschalabgeltung“, Rz. 118.

• Nachvertragliches Wettbewerbsverbot474

Eine Klausel, die auf die §§ 74 ff. HGB Bezug nimmt, verstößt nicht gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Angesichts der Regelungsdichte dieser Vorschriften

460 So wohl auch Rid, NZA 2011, 1121; aA Tödtmann/Kaluza, DB 2011, 114, 116; Hromadka, NZA 2012, 233, 238, der zumindest ein Widerspruchsrecht analog § 613a Abs. 5 BGB für erforderlich hält. 461 BAG v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625, 2626; v. 23.3.2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30; v. 23.11.2004 – 2 AZR 24/04, NZA 2005, 929. 462 Formulierungsvorschlag s. M 3.1 § 16 (1) Satz 2. 463 Preis/Preis, II K 10 Rz. 27. 464 Preis/Preis, II K 10 Rz. 16. 465 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 3 (2). 466 Einzelheiten Bauer/Günther, BB 2009, 662. 467 BAG v. 10.10.2006 – 1 AZR 811/05, NZA 2007, 637, 639; v. 14.2.1991 – 2 AZR 415/90, BB 1991, 2017; Fitting, § 87 BetrVG Rz. 158; Kleinebrink, DB 2009, 342, 344. 468 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 663 ff. 469 Gegen eine Angemessenheitskontrolle anhand der §§ 95 f. SGB III Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; dafür Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Becker, Arbeitsrecht, Rz. 19. 470 Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 471 Dazu im Einzelnen auch M 2.1a Ziff. 3 (2) mwN. 472 Formulierungsvorschlag s. M 3.1 § 3 (2). 473 BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, BB 2006, 327 m. Anm. Lindemann, BB 2006, 826. 474 Formulierungsvorschlag s. M 25.1.

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Kap. 2 Rz. 114

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

reicht eine Bezugnahme aus, um alle wesentlichen Elemente eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots abzudecken.475 114

Die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ist nicht unüblich und stellt damit keine überraschende Klausel iSd. § 305c Abs. 1 BGB dar, wenn sich die Regelung unter der Überschrift „Wettbewerbsverbot“ befindet und unter dieser Überschrift keine Regelungen enthalten sind, die von anderen Regelungsmaterien handeln.476

114a

Soweit ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot „im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit“ vereinbart wird, ohne dass ein Verweis auf die §§ 74 ff. HGB enthalten ist, kann der Arbeitnehmer nach Auffassung des LAG Köln und des LAG Hamm aufgrund der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB auch ohne Regelung im Arbeitsvertrag eine Karenzentschädigung verlangen.477

115

• Nebentätigkeitsverbot478

Ein absolutes Nebentätigkeitsverbot ist grundsätzlich wegen Art. 12 Abs. 1 GG unzulässig.479

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Zulässig sind jedoch Nebentätigkeitsverbote mit Erlaubnisvorbehalt, nach denen der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Genehmigung hat, wenn eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen des Arbeitgebers nicht zu befürchten ist.480

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Um dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen, sollte in der Klausel zudem ausdrücklich erwähnt werden, dass der Arbeitnehmer diesen Anspruch hat.481

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• Pauschalabgeltung482

Pauschale Überstundenabgeltungen sind grundsätzlich zulässig und nicht überraschend iSv. § 305c BGB.483 Soweit die Klausel ausschließlich die Vergütung der Überstunden, nicht aber auch die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden regelt, ist sie von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen, weil es sich um eine Hauptleistungsabrede handelt.484 Grenze ist damit die Sittenwidrigkeit, wobei der Umfang zulässiger Abgeltung ungeklärt ist. Das BAG hat die pauschale Abgeltung von 20 Stunden pro Monat akzeptiert485, das wären bei einer 40-Stunden-Woche somit 11,6 %. Die Literatur lehnt sich zT an die Rechtsprechung zum Widerrufsvorbehalt an (bis zu 25 %),486 ist teilweise aber 475 BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157, 1158 f.; vgl. auch Junker, BB 2007, 1274, 1280; ausführlich Gravenhorst, NJW 2006, 3609. 476 BAG v. 13.7.2005, AP HGB § 74 Nr. 78; vgl. auch Junker, BB 2007, 1274, 1280; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 122 f. 477 LAG Hamm v. 18.2.2014 – 14 Sa 806/13; LAG Köln v. 28.5.2010 – 10 Sa 162/10 m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2011, 126, der schon die Interpretation als nachvertragliches Wettbewerbsverbot kritisiert, vor allem aber die Annahme eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots wegen Nichtbeachtung des Schriftformgebots als unwirksam ansieht. Vgl. dazu auch Diller, NZA 2014, 1184. 478 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 9. 479 BAG v. 24.3.2010, DB 2010, 1240 zu mittelbarer Wettbewerbstätigkeit m. Anm. Fuhlrott/Fabritius, FA 2010, 194; v. 6.9.1990 – 2 AZR 165/90, NZA 1991, 221. 480 BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965; ausführlich Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69; Woerz/Klinkhammer, ArbRAktuell 2012, 183. 481 Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69; Woerz/Klinkhammer, ArbRAktuell 2012, 183. 482 Formulierungsvorschlag s. M 3.1 § 3 (2). 483 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908. 484 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908, 910 m. Anm. Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986. 485 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908. 486 Bauer/Merten, RdA 2012, 178; Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 118 Kap. 2

auch deutlich restriktiver (bis zu 10 %).487 ZT wird auch differenziert mit bis zu 10 % der Vergütung bis zur Beitragsbemessungsgrenze und bis zu 25 % darüber.488 Wir halten die Begrenzung auf 25 % gemäß der Rechtsprechung zur Abrufarbeit für angemessen.489 Die Vergütung für die Normalarbeitszeit wird nicht dadurch sittenwidrig, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer entgegen der Rechtslage die Vergütung von Mehrarbeit und Sonderformen der Arbeit vorenthält. Vielmehr besteht dann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung für geleistete Mehr und Sonderarbeit.490 Die Klausel muss transparent sein,491 die Zahl der pauschal abzugeltenden Überstunden ist daher im Vertrag zu beschränken.492 Aus dem Arbeitsvertrag muss sich ergeben, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang von der Pauschalierung erfasst werden soll. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.493 Eine Pauschalabgeltung kommt auch nur im Rahmen der gesetzlich zulässigen Überstunden in Betracht, so dass auch das in den Vertrag aufzunehmen ist.494 Soweit schon eine objektive Vergütungserwartung für die Vergütung von Überstunden fehlt (dazu im Einzelnen Rz. 127), kann die Abgeltung ausgeschlossen werden, eine unwirksame Pauschalabgeltungsklausel wäre dann unschädlich.495 Aufgrund des MiLoG muss jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde mit dem gesetzlichen Mindestlohn vergütet werden.496 Gem. § 3 Satz 2 MiLoG kann „die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer (…) auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen“. Insoweit ist die Konstellation bei einer pauschalen Überstundenabgeltungsklausel allerdings eine andere als bei einer Ausschlussklausel (vgl. dazu AGB-Klauselkontrolle von A–Z „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“, Rz. 92). Denn die Frage der Geltendmachung und damit der Ausschlussklausel regelt § 3 Satz 1 MiLoG und zielt, ebenso wie § 202 BGB, auf spezielle formelle Tatbestände der Geltendmachung.497 Demgegenüber geht es bei § 3 Satz 2 MiLoG um die materiell-rechtliche Frage der Verzichtbarkeit des Anspruches.498 Es war bisher aber auch nicht erforderlich, in Pauschalabgel-

487 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 92; LAG Hamm v. 22.5.2012, LAGE BGB § 611 Überarbeit Nr. 4. 488 Kock, DB 2012, 1328. 489 Ebenso Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986, 1989; Salamon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720; Spiegelberger/Schilling, NJW 2014, 2897. 490 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, NZA 2016, 487, Rz. 15. 491 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, NZA 2016, 487, Rz. 18, 22 ff. 492 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908, 909; v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335; v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; LAG Düsseldorf v. 11.7.2008, FD-ArbR 2008, 270554; LAG Hamm v. 18.3.2009, EzA-SD 18/2009, 13; vgl. Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986; Bissels/Haag, ArbRAktuell 2011, 83; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1283 f.; Hunold, DB 2016, 361; Kock, DB 2012, 1328; Schramm/Kuhnke, NZA 2012, 127; Hunold, DB 2014, 361, 363; ebenso für pauschale Abgeltung von Reisezeiten BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 200/10, NZA 2011, 917. 493 BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, NZA 2016, 487. 494 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861; v 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, NZA 2011, 575 f.; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, BB 2006, 327 m. Anm. Lindemann, BB 2006, 826; Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986, 1988; Kleinebrink, ArbRB 2006, 21, 23; vgl. M 3.1, § 3 Abs. 2, 3. Var. iVm. § 2 Abs. 2; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 92 hält sogar nur eine Abgeltung bei einer Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit um bis zu 10 % für zulässig. 495 So im Fall des BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908. 496 Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153; Riechert/Nimmerjahn, 2015, § 1 MiLoG Rz. 30; § 3 MiLoG Rz. 8 f. 497 Vgl. allgemein Hilgenstock in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 38. Ed., Stand 1.12.2015, § 3 MiLoG Rz. 11. 498 Vgl. Riechert/Nimmerjahn, 2015, § 3 MiLoG Rz. 43.

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Kap. 2 Rz. 118a

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

tungsklauseln unverzichtbare Ansprüche ausdrücklich auszunehmen, so z.B. Ansprüche auf Tariflohn bei Tarifbindung oder Ansprüche nach dem ArNEG.499 Das spricht dafür, dass auch ein entsprechender Vorbehalt zum Mindestlohn nicht erforderlich ist. Ohnehin ist die Pauschalabgeltung so zu berechnen, dass der Mindestlohn nicht unterschritten wird. 118a

Auch eine pauschale Vergütung von Reisezeiten kommt in Betracht. Die Regelung muss dem Arbeitnehmer allerdings verdeutlichen, „was auf ihn zukommt“. Daher muss angegeben werden, welche Reisetätigkeit mit der Vergütung abgegolten sein soll. Die bloße Regelung, dass Reisezeiten mit der Monatsvergütung abgegolten sind, reicht nicht aus.500

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Auch eine Pauschalierung von Nachtarbeitszuschlägen in AGB ist nicht ausgeschlossen.501 Natürlich darf auch sie nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent oder entgegen § 305c Abs. 1 BGB überraschend sein.502 Sie wäre nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB unangemessen, wenn sie das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung maßgeblich stört. Dies ist bei einem Pauschalgehalt, das wesentlich über dem Gehalt eines nicht nachts arbeitenden Arbeitnehmers liegt, jedoch nicht der Fall.503

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• Probezeitvereinbarung504

Eine Probezeitvereinbarung bis zu sechs Monaten ist wirksam, da sie nicht vom Gesetz abweicht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB;505 sie ist aber unwirksam, wenn nur eine längere Vertragsbefristung drucktechnisch hervorgehoben wird, § 305c Abs. 1 BGB.506

• Rücktrittsvorbehalt

Ein Rücktrittsvorbehalt ist nach § 308 Nr. 3 BGB nur wirksam, wenn in der vertraglichen Vorbehaltsregelung der Grund für die Lösung vom Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit angegeben ist und ein sachlich gerechtfertigter Grund für seine Aufnahme in die Vereinbarung besteht.507 Insbesondere kann die dem Arbeitgeber vorbehaltene einseitige Lösungsmöglichkeit von einem Vorvertrag einen Rücktrittsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 3 BGB darstellen. Die Privilegierung des § 308 Nr. 3 BGB für Rücktrittsvorbehalte in Dauerschuldverhältnissen gilt für einen Vorvertrag zu einem Arbeitsvertrag nicht.508

• Rückzahlung von Ausbildungskosten509

Die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist vom Arbeitgeber übernommene Ausbildungskosten zurückzahlen muss,510 ohne dass es auf den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ankommt, ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, denn sie würde die Rückzahlungsverpflichtung entgegen Treu und Glauben auch dann auslösen, wenn der Grund für die Beendigung des Ar499 500 501 502 503 504 505 506 507 508 509 510

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Vgl. etwa Salamon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720. BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 200/10, NZA 2011, 917. BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. Zur Steuerfreiheit vgl. Foerster, StuB 2010, 814. BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; vgl. für Abgeltung von Reisezeiten BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 200/10, NZA 2011, 917. BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 2 (1). BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521. Im Einzelfall kann auch eine längere Erprobungsdauer vereinbart werden, BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 85/09, NZA 2010, 1293. BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, BB 2008, 1736. BAG v. 27.7.2005, AP BGB § 308 Nr. 2. BAG v. 27.7.2005, AP BGB § 308 Nr. 2. Formulierungsvorschlag s. M 8.4, § 3. Düwell/Ebeling, DB 2008, 406; Lingemann/Kiecza, ArbRAktuell 2009, 156; dazu allgemein Bissels/ Haag, ArbRAktuell 2011, 83; Maier/Mosik, NZA 2008, 1168.

Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 122a Kap. 2

beitsverhältnisses allein in die Verantwortungs- oder Risikosphäre des Arbeitgebers fällt (Rz. 100d).511 Auch eine Klausel, die die Rückzahlung bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers unabhängig vom Grund der Eigenkündigung vorsieht, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, da sie den Fall einschließt, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ein (z.B. vertragswidriges) Verhalten des Arbeitgebers mitveranlasst wurde.512 Eine einschränkende Auslegung der Klausel dahingehend, dass sie nur gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer selbst oder wegen eines von ihm zu vertretenden Grundes durch den Arbeitgeber beendet wird, scheidet wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion (vgl. § 306 Abs. 1, 2 BGB) aus.513 Eine Rückzahlungsklausel ist auch unwirksam, wenn die Höhe der Ausbildungskosten und die Bindungsdauer nicht in angemessenem Verhältnis stehen.514 Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt dann nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer zu bestimmen.515 Die Klausel hält der AGB-Kontrolle auch nicht stand, wenn Art und Vergütung der Anschlusstätigkeit im Bindungszeitraum nicht klar und verständlich geregelt sind, oder wenn gar keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur weiteren Beschäftigung nach Ende der Ausbildung vereinbart ist.516 Dasselbe gilt, wenn eine Rückzahlungsvereinbarung über Studiengebühren auch für den Fall vereinbart ist, dass der potentielle Arbeitgeber dem potentiellen Arbeitnehmer keinen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz anbieten kann oder will.517

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Eine Rückzahlungsverpflichtung kann auch für die Fälle vereinbart werden, in denen das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Aus- oder Weiterbildung aufgrund von Umständen endet, die im alleinigen Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegen. Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil erhalten hätte und er nur die bis zum Ausscheiden tatsächlich angefallenen Kosten zurückzuzahlen hat.518 Eine Rückzahlungsklausel muss die zurückzuzahlenden Kosten möglichst genau beziffern. Dafür ist die konkrete und abschließende Bezeichnung der einzelnen Posten einschließlich deren Berechnungsfaktoren erforderlich, damit die Zahlungsverpflichtung so weit als möglich aus den Angaben in der Klausel selbst errechnet werden und der Arbeitnehmer seine potentielle Rückzahlungsverpflichtung absehen kann; anderenfalls würden dem Klauselverwender vermeidbare Spielräume verbleiben.519 Zusätzlich muss sich aus der Klausel ergeben, ob sich die Rückzahlungsverpflichtung auf die Brutto- oder Nettosumme richtet sowie, ob auch Fahrt-, Unterbringungs-, Verpflegungs- oder Entgeltfortzahlungskosten zu erstatten sind und wie diese berechnet werden.520

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511 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957; v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, 89; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042. 512 BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 442; v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738. 513 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042. 514 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957; v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342, 344 f.; v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; dazu Lingemann/Kiecza, ArbRAktuell 2009, 156. 515 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; dazu Lingemann/Kiecza, ArbRAktuell 2009, 156. 516 BAG v. 18.3.2008, BB 2008, 721; LAG Köln v. 27.5.2010, NZA-RR 2011, 11. 517 BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004; v. 18.11.2003, NZA 2009, 853. 518 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, 90; vgl. auch Jesgarzewski, BB 2011, 1594. 519 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361; v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428. 520 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361; s. dazu auch Elking, BB 2014, 885, 889 f.

Lingemann 97

Kap. 2 Rz. 123

123

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

• Rückzahlung von Sonderzahlungen521 → S. dazu Bindungsklauseln, Rz. 100 ff.

• Schriftformklausel522

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Individuelle Vertragsabreden haben gemäß § 305b BGB Vorrang vor Allgemeinen Arbeitsbedingungen. Eine im Formularvertrag vereinbarte Schriftformklausel ist daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie beim Arbeitnehmer den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen allgemeinen Grundsätzen unwirksam, und diesen damit von der Geltendmachung seiner Rechte abhält.523 Der Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB, muss daher in der Klausel ausdrücklich vorbehalten werden, anderenfalls ist sie zu weit gefasst, eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus, § 306 Abs. 2 BGB, und eine aufgrund dessen unwirksame Klausel schützt auch nicht (mehr) gegen eine betriebliche Übung.524 Zum Teil wird allerdings auch die Auffassung vertreten, dass eine doppelte Schriftformklausel ohnehin eine betriebliche Übung nicht verhindert525 oder nur dann, wenn sie ausschließlich auf die Vermeidung einer betrieblichen Übung gerichtet ist.526 Wir halten die doppelte Schriftformklausel demgegenüber unverändert für geeignet, die Entstehung einer betrieblichen Übung auszuschließen, da diese nicht als Individualvereinbarung gilt.527 Da es an Rechtsprechung fehlt, empfiehlt es sich jedoch, die doppelte Schriftformklausel auf die betriebliche Übung zu beschränken. Die Neuregelung des § 309 Nr. 13b BGB zum 1.10.2016, wonach eine Klausel unwirksam ist, die Anzeigen oder Erklärungen, die gegenüber dem Arbeitgeber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Textform bindet, gilt nicht für die Schriftformklausel. Unter „Erklärungen“ und „Anzeigen“ iSd. § 309 Nr. 13 BGB sind nach ganz überwiegender Auffassung keine auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen zu verstehen.528 Vertragliche Abreden sind daher von § 309 Nr. 13 BGB nicht erfasst529 und dürfen daher weiterhin von der Schriftform abhängig gemacht werden.

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Für einen über die betriebliche Übung hinausgehenden Schutz sollten Schriftformklauseln – soweit nicht bereits geschehen – statt in Arbeitsbedingungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen vereinbart werden.530 Regelt eine solche Tarifvorschrift allerdings nur, dass Neben521 S. M 12.15.2 m. Anm. 522 Vgl. auch Rz. 19 f., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 17 ff. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 14. 523 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2008, 260623; Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268; BGH v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/94, BB 1995, 742; Hromadka, DB 2004, 1261, 1264 mwN; Ulrici, BB 2005, 1902, 1903. 524 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2008, 260623; Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268; Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 14. 525 Preis/Preis, II S 30, Rz. 13. 526 Preis/Genenger, Anm. BAG EzA BGB § 307 Nr. 38. Demnach wären auch Zusätze, nach denen die Schriftformklausel „insbesondere“ eine betriebliche Übung ausschließt, schon schädlich. Rechtsprechung dazu findet sich jedoch nicht. 527 Vgl. auch Rz. 96a und M 2.1a Ziff. 14 m. Anm. 528 Lingemann/Otte, NZA 2016, 516; PWW/Berger, § 309 BGB Rz. 100; MüKo/Wurmnest, § 309 BGB Nr. 13 Rz. 3; Staudinger/Coester-Waltjen, Stand April 2013, § 309 Nr. 13 BGB Rz. 2. 529 Hintergrund dessen ist, dass es die im Regierungsentwurf des AGBG (BT-Drucks. 7/3919, S. 7) enthaltene Regelung § 9 Nr. 17, die ein Schriftformverbot für „vertragliche Abreden“ vorsah, nicht ins AGBG geschafft hatte (Vgl. Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, § 309 Nr. 13 BGB, Rz. 1). Daneben wird dies zum Teil auch mit dem Wortlaut begründet, wonach „Erklärungen, die (…) abzugeben sind“ zum Ausdruck bringt, dass das die Erklärung zur Rechtswahrnehmung oder Rechtswahrung erforderlich sein muss, woran es bei einer auf Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung fehlen würde (Dammann in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, § 309 BGB Nr. 13 Rz. 11). 530 Vgl. dazu Hromadka, DB 2004, 1261, 1266.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 127 Kap. 2

abreden der Schriftform bedürfen, so werden Vereinbarungen der Parteien über die beiderseitigen Hauptrechte und -pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach § 611 BGB nicht erfasst. Trotz einer solchen Klausel kann daher aus betrieblicher Übung ein Anspruch auf Sondervergütungen entstehen, die der Arbeitgeber ohne schriftliche Zusage vorbehaltlos gewährt hat.531

• Schuldversprechen/Schuldanerkenntnis

Die Vereinbarung eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses weicht für sich genommen nicht von Rechtsvorschriften ab, da sie vom zugrunde liegenden Rechtsgeschäft und damit den Rechtsnormen, denen dieses unterliegt, unabhängig ist.532 Insoweit greift für das Schuldanerkenntnis selbst die Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (s. Rz. 42 ff.). Schließt ein Schuldanerkenntnis jedoch die Möglichkeit aus, geltend zu machen, dass der zugrunde liegende Anspruch nicht besteht, so weicht es insoweit von den §§ 812 Abs. 2, 821 BGB ab und benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders unangemessen, § 307 Abs. 1 BGB.533 Demgegenüber wird mit einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis eine bestehende Schuld lediglich bestätigt. Das führt zu einem weitgehenden Einwendungsausschluss des Schuldners. Wegen des vergleichsähnlichen Charakters muss es mit den wesentlichen Grundgedanken von § 779 BGB vereinbar sein.534

• Späteheklausel

Nach der langjährigen Rechtsprechung des BAG waren Späteheklauseln zulässig.535 Eine Benachteiligung wegen Alters war aufgrund der mit der Klausel verfolgten rechtmäßigen Ziele – die Risiken der Hinterbliebenenversorgung zu begrenzen und die damit verbundenen Aufwendungen für den Arbeitgeber kalkulierbar zu halten – gerechtfertigt. Diese Rechtsprechung hat das BAG nun aufgegeben.536 Späteheklauseln, die an die Vollendung des 60. Lebensjahres anknüpfen oder nur die „jetzige“ Ehefrau begünstigen, sind demnach eine unzulässige Benachteiligung wegen Alters nach § 7 AGG und damit unwirksam. Wahrscheinlich bleiben aber Klauseln zulässig, welche die Hinterbliebenenversorgung von einer Eheschließung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder vor Eintritt des Versorgungsfalles abhängig machen.537

• Stichtagsklausel538

→ S. Bindungsklauseln, Rz. 100 ff.

126

126a

126b

• Überstundenklausel539

Der Arbeitgeber kann Überstunden anordnen, wenn dies im Vertrag vorgesehen ist. Ob die anzuordnenden Überstunden beschränkt oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu

531 BAG v. 1.4.2009, EzA-SD 2009, Nr. 13, S. 7; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82. 532 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682, 684 f.; weitergehend Fornasier/Werner, RdA 2007, 235. 533 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682, 685 f. 534 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14, NZA 2016, 1409. 535 Vgl. nur BAG v. 26.8.1997 – 3 AZR 235/96, NZA 1998, 817; v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, NZA 2014, 1203 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 545. 536 BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 398. 537 Vgl. BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, PM 11/17; v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447, Rz. 70: Nach Auffassung des BAG stellt die Vollendung des 60. Lebensjahres – anders als das Ende des Arbeitsverhältnisses oder der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer selbst – keine „Zäsur“ dar, die es ausnahmsweise hätte gestatten können, in den Bestimmungen über die Witwenversorgung daran anzuknüpfen. Vorschläge bei Bauer/Krieger, NZA 2016, 22. 538 Formulierungsvorschlag s. M 12.15.2. 539 Formulierungsvorschlag s. M 3.1 § 3 (2).

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Kap. 2 Rz. 127a

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

machen sind, ist nicht geklärt. Aus § 2 Abs. 2 Satz 3 MiLoG, wonach die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden monatlich jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen dürfen, wird zum Teil allgemein geschlossen, dass Überstunden bis zu dieser Höhe monatlich angeordnet werden dürfen, vorausgesetzt, die Bestimmungen des ArbZG werden eingehalten.540 Die Begrenzung der Überstundenanzahl ist jedenfalls ratsam.541 Sofern sie allerdings pauschal abgegolten werden sollen, ist die Zahl der pauschal abzugeltenden Überstunden zwingend im Rahmen der gesetzlich zulässigen Überstunden zu beschränken.542 Vgl. dazu unter „Pauschalabgeltung“, Rz. 118 f. Auch wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber längere Zeit unter Überschreitung der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit eingesetzt wird, bedeutet das für sich genommen noch keine einvernehmliche Vertragsänderung hin zu einer höheren Arbeitszeit.543 Die Anordnungsbefugnis kann ausdrücklich geregelt werden, die Abgeltungsklausel ist dafür wohl keine ausreichende Rechtsgrundlage.544 Überstunden sind allerdings gemäß § 612 Abs. 1 BGB nur dann zu vergüten, wenn auch eine objektive Vergütungserwartung besteht.545 Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es – gerade bei Diensten höherer Art – nicht.546 Diese Vergütungserwartung besteht im Zweifel, wenn es in der Branche Tarifverträge gibt, die für vergleichbare Arbeiten eine Überstundenvergütung vorsehen.547 Sie kann ferner grundsätzlich unterstellt werden bei Vollzeittätigkeit mit einer Vergütung unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze; bei einer höheren Vergütung muss der Arbeitnehmer die Erwartung substantiiert darlegen und beweisen.548 Dasselbe gilt bei einer hervorgehobenen Position zB nach § 18 Abs. 1 Nr. 12 ArbZG, so zB bei leitenden Angestellten549 und Chefärzten550. 127a

• Urlaubsklausel551

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf die jährliche Gewährung von Urlaub. Der Arbeitgeber hat ihn zeitweilig von seinen vertraglichen Arbeitspflichten unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen. Maßgeblich ist das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Werktage (§ 3 Abs. 1 BUrlG), bei sechs Werktagen/Woche somit vier Wochen. Darüber hinaus wird meist zusätzlicher Urlaub (Mehrurlaub) gewährt. Der Urlaub des Teilzeitbeschäftigten verringert sich entsprechend.552

540 Spiegelberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2900; ders. NZA 2014, 414; aA Riechert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz, § 2 MiLoG, 1. Aufl. 2015, Rz. 46, wonach mindestlohnrechtlich nur relevant sei, dass die Arbeit tatsächlich angefallen ist, nicht, ob sie vertrags- oder arbeitsschutzrechtlich überhaupt angeordnet werden durfte. 541 Spiegelberger/Schilling, NJW 2014, 2897, 2900; Bauer/Arnold, DB 2012, 1986; Peterhänsel, Juris-PR 36/2012, Anm. 1; Spielberger, AuA 2012, 573, 575 noch mit einer empfohlenen Grenze von 25%. 542 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939; v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861; v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, BB 2006, 327 m. Anm. Lindemann, BB 2006, 826; vgl. auch Rosenau, NJW-Spezial 2010, 754. 543 BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 133/08, DB 2009, 1652. 544 Vgl. BAG v. 16.5.2012, NZA 2012, 2683. 545 Hunold, DB 2014, 361, 363. 546 BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335. 547 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861. 548 BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335. 549 LAG Hamm v. 6.1.2012 – 19 Sa 896/11. 550 BAG v. 17.3.1982, NJW 1982, 2139. 551 Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 7 m. Anm. 552 BAG v. 5.9.2002 – 9 AZR 244/01, NZA 2003, 726; zur Umrechnung vgl. auch BAG v. 30.10.2001, NZA 2002, 815.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 127a Kap. 2

Abweichende einzel- oder tarifvertragliche Regelungen sind für den gesetzlichen Mindesturlaub nur in den Grenzen des § 13 BUrlG möglich. Der Urlaubsanspruch ist grundsätzlich an das Kalenderjahr gebunden, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG.553 Er erlischt daher mit dem Ende des Urlaubsjahres, sofern er nicht vom Arbeitnehmer so rechtzeitig geltend gemacht wird, dass er noch vorher vom Arbeitgeber erfüllt werden kann.554 Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Dann wird der Urlaubsanspruch kraft Gesetzes, also ohne eine Erklärung der Beteiligten, auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen, § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG.555 Konnte der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit den Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres nicht nehmen, widerspricht das Fristenregime des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG jedoch europarechtlichen Grundsätzen. Dann verfällt er erst 15 Monate nach dem Ende des Kalenderjahres.556 Die Unabdingbarkeit und die strengen Regeln für den Verfall gelten allerdings nur für den gesetzlichen Mindesturlaub.557 Für übergesetzlichen Urlaub (Mehrurlaub) können die Parteien andere Verfallsregelungen vereinbaren. Aus dem Vertrag muss allerdings ein klarer Regelungswille der Parteien dahingehend erkennbar sein, zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheiden zu wollen.558 Für den Arbeitgeber ist es daher ratsam, eine Unterscheidung von gesetzlichem Mindesturlaub und übergesetzlichem Urlaub vorzunehmen und eine entsprechende Verfallsregelung für übergesetzlichen Urlaub zu treffen (M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.). In der Praxis kann sich die Frage stellen, ob vorrangig der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch oder der zusätzlich gewährte Urlaub abgegolten wird, wenn der Arbeitgeber insofern keine Tilgungsbestimmung getroffen hat. Von Bedeutung ist dies vor allem dann, wenn hinsichtlich des zusätzlich gewährten Urlaubs eine kürzere Verfallsfrist vereinbart wurde (s.o.). Nach der Rechtsprechung soll dann mangels Leistungsbestimmung des Arbeitgebers zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers abgegolten sein.559 Denn § 366 Abs. 2 BGB enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken dahin, dass die Tilgungsreihenfolge nach einem vernünftigen Parteiwillen zu erfolgen habe. Aufgrund seiner Unabdingbarkeit sei der gesetzliche Mindesturlaub daher vorrangig abzugelten.560 Es empfiehlt sich, vorsorglich entweder

553 Eine Urlaubsgewährung im Vorgriff auf das nächste Urlaubsjahr ist daher ebenso unzulässig wie eine Anrechnung zu viel gewährter Freizeit des Vorjahres auf den Urlaubsanspruch des nächsten Jahres, AuA 2007, 52. 554 BAG v. 18.9.2001 – 9 AZR 570/00, NZA 2002, 895. 555 Die Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer Urlaub ohne Rücksicht auf das Bestehen gesetzlicher oder tariflicher Übertragungsgründe auch während des gesamten Folgejahres beanspruchen kann. Eine derartige Übertragungsregelung kann auch Gegenstand einer betrieblichen Übung sein (BAG v. 21.6.2005, NZA 2006, 232). 556 BAG v. 22.9.2015 – 9 AZR 170/14, NZA 2016, 37; v. 12.11.2013, AP Nr. 100 zu § 7 BUrlG; v. 15.10.2013, AP Nr. 102 zu § 7 BurlG Abgeltung, Rz. 11; v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216. Dazu Thüsing/Pötters/Stiebert, RdA 2012, 281, 286; ErfK/Gallner, § 7 BUrlG Rz. 34. S. auch Lingemann/Sy, KrV 2012, 106, 108; Bauer/von Medem, NZA 2012, 113, 115. 557 Vgl. BAG v. 12.11.2013 – 9 AZR 551/12, NZA 2014, 383; BAG v. 12.3.2013, ZTR 2013, 316; v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538; dazu Bauer/Arnold, NJW 2009, 631; Grobys, NJW 2009, 2177 mit Hinweis auf die sozialrechtlichen Folgen. 558 BAG v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810; v. 12.4.2011 – 9 AZR 80/10, NZA 2011, 1050. 559 BAG v. 12.1.1989 – 8 AZR 404/87, NZA 1989, 758; v. 22.1.2002 – 9 AZR 601/00, NZA 2002, 1041; ArbG Berlin v. 22.4.2009, NZA-RR 2009, 441. 560 So auch Leinemann/Linck, § 7 BUrlG Rz. 15; HWK/Schinz, § 7 BUrlG Rz. 14; Krieger/Arnold, NZA 2009, 530, 533.

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Kap. 2 Rz. 128

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

schon arbeitsvertraglich oder bei Bewilligung des Urlaubs deutlich zu machen, auf welchen Teil des Urlaubsanspruchs geleistet werden soll (M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.). 128

128a

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• Verfallklausel561 – s. auch „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff.

Eine Klausel, nach der Aktienoptionen unter bestimmten Umständen verfallen, unterliegt nicht den strengen Anforderungen wie Bindungs- und Verfallklauseln (Rz. 100), da Aktienoptionen per se ein spekulatives Element innewohnt. Daher ist auch die Verknüpfung des Bezugsrechtes nach Ablauf der Wartezeit mit dem ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses idR keine unangemessene Benachteiligung.562

• Vergütung563

Die Vereinbarung der Vergütungshöhe unterliegt wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (Rz. 42 ff.) nicht der Inhaltskontrolle.564 Demgegenüber sind Abreden zur Einschränkung, Veränderung, Ausgestaltung oder Modifizierung der Hauptleistungspflichten der Inhaltskontrolle unterworfen.565

• Versetzungsklausel – s. auch „Änderungsklausel“, Rz. 82a f.566

§ 308 Nr. 4 BGB gilt nicht für arbeitsvertragliche Versetzungsvorbehalte,567 da sie nicht die Leistung des Verwenders, sondern die dem Verwender geschuldete Gegenleistung betreffen.568 Eine § 106 Satz 1 GewO nachgebildete Versetzungsklausel stellt keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar; sie muss daher auch nicht konkrete Versetzungsgründe benennen.569 Soweit die Klausel nicht über § 106 Satz 1 GewO hinausgeht, unterliegt sie auch nicht der Inhaltskontrolle;570 da sie nicht von Rechtsvorschriften abweicht, greift die Kontrollsperre (Rz. 42 ff.), es handelt sich um eine „unechte Direktionsrechtserweiterung“.571 Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt idR nicht vor, da die Klausel erst später durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers konkretisiert werden kann.572 Der arbeitsvertragliche Vorbehalt, den Mitarbeiter entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Unternehmen des Arbeitgebers liegenden Tätigkeit zu betrauen,573 561 562 563 564 565 566 567

568 569 570 571 572 573

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Formulierungsvorschlag s. M 12.28 § 7. BAG v. 28.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12 m. zust. Anm. Lingemann/Gotham; s.o. Rz. 85a. Einzelheiten in Kap. 12; Formulierungsvorschlag s. M 12.1.1 ff.; M 2.1a Ziff. 5; M 3.1 §§ 3, 4. BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908; v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; vgl. Rz. 42 ff. Formulierungsvorschlag s. M 2.1a Ziff. 1. Gemeint sind damit Vorbehalte der Versetzung innerhalb der Reichweite von § 106 Satz 1 GewO, von Preis/Genenger, NZA 2008, 969 bezeichnet als „unechte Direktionsrechtserweiterung“; Einzelheiten bei Lakies, ArbRAktuell 2013, 3; s. dazu ausführlich Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 494; Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 518. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, BB 2006, 2195; vgl. auch Hunold, BB 2011, 693. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, BB 2006, 2195; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160; s. dazu auch M 2.1a Ziff. 1 mit Anm. BAG v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856 Rz. 21 m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2012, 325; v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1356; Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 494; krit. hierzu Hromadka, NZA 2012, 233, 234 f. Preis/Genenger, NZA 2008, 969; krit. hierzu Hromadka, NZA 2012, 233, 236. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, BB 2006, 2195. Das (nicht erweiterte) Direktionsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 GewO umfasst keine Abänderung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit, BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rz. 15.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 131 Kap. 2

benachteiligt den Arbeitnehmer nicht iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.574 Sofern sich die Klausel im Rahmen des § 106 Satz 1 GewO hält, ist es bei räumlicher Versetzung auch nicht erforderlich, die Gründe für eine Änderung des Beschäftigungsortes in die Vertragsklausel aufzunehmen575, einen maximalen Entfernungsradius oder eine angemessene Ankündigungsfrist. Letztere sind vielmehr erst im Rahmen der Ausübungskontrolle zu überprüfen.576 Dasselbe gilt auch bei einer bundesweiten Versetzungsklausel.577 Wir halten es jedoch für ratsam, in jedem Falle zumindest klarstellend zu regeln, dass nur eine gleichwertige Tätigkeit zugewiesen werden darf.578 Sofern die Versetzungsklausel selbst die in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränkt, ist das natürlich verbindlich.579 Die Versetzungsentscheidung selbst unterliegt zudem der Ausübungskontrolle, sie muss also billigem Ermessen entsprechen, § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB.580 Die Beweislast dafür, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 106 GewO für die Versetzung vorliegen und die Versetzung sich auch im Übrigen im Rahmen der gesetzlichen, arbeitsvertraglichen und gegebenenfalls kollektivrechtlichen Grenzen hält, trägt der Arbeitgeber.581 Zu Versetzungsklauseln, die die vertragliche Tätigkeit als solche ändern sollen, vgl. unter „Änderungsklausel“, Rz. 82a f.

• Vertragsstrafe582

(1) Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen sind trotz § 309 Nr. 6 BGB grundsätzlich zulässig. Dies folgt aus der Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB.583 Eine solche arbeitsrechtliche Besonderheit ist zB der Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO, der dem Arbeitgeber im Gegensatz zu anderen Gläubigern die Möglichkeit verwehrt, seinen Primäranspruch durchzusetzen.584

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(2) Die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede kann sich allerdings aus § 307 BGB ergeben.585 Dabei gilt ein strenger Maßstab.586 Eine vorformulierte Vertragsstrafenklausel in ei-

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574 BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160. 575 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1358; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160, 3165; Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 973. Die Beschränkung auf § 106 GewO muss allerdings aus der Klausel heraus erkennbar sein, BAG v. 25.8.2010, NZA 2010, 1356; Die durch den Versetzungsvorbehalt geregelte Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die Beschränkung auf den im Arbeitsvertrag genannten Ort der Arbeitsleistung, BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/ 09, NZA 2011, 631; vgl. hierzu Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1285 f.; Hromadka, NZA 2012, 233, 238; Salamon/Fuhlrott, NZA 2011, 839. 576 BAG v. 26.9.2012, AP Nr. 22 zu § 106 GewO; v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, NZA 2011, 64. 577 Vgl. BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631; v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, NZA 2011, 64; Hromadka, NZA 2012, 233, 239. 578 Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 518, 519; ebenso Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 975 ff.; einschränkend Hromadka, NZA 2012, 233, 236. 579 BAG v. 23.2.2010, AuR 2010, 180. 580 BAG v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10, NJW 2012, 331; v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160, 3166. 581 BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160, 3171. 582 Formulierungsvorschlag s. M 3.1, § 15; Günther/Nolde, NZA 2012, 62; Lingemann/Gottschalk, DStR 2011, 774; Winter, BB 2010, 2757. 583 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946; v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89 f.; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727. 584 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727, 731 f. 585 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89 f.; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727. 586 BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2014, 326.

Lingemann

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Kap. 2 Rz. 132

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

nem Arbeitsvertrag, die vorsieht, dass bei einer fristlosen Kündigung seitens des Arbeitgebers in Folge eines schuldhaften vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers der Arbeitnehmer eine Zahlung von einem Bruttomonatsgehalt an den Arbeitgeber zu leisten hat, benachteiligt den Arbeitnehmer treuwidrig und ist unwirksam, weil bereits die fristlose Kündigung das Fehlverhalten sanktioniert.587 Eine Klausel, die eine Vertragsstrafe für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer den Vertrag „ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet“, gilt nur für den Fall der rechtlichen Vertragsbeendigung, die aber weder bei Zugang der Kündigung noch bei der Einstellung der Arbeitsleistung eintritt.588 Die Formulierung „Einhaltung der Kündigungsfrist“ soll sich nur auf die vertragliche Kündigungsfrist beziehen, will man auch die gesetzliche – insbesondere des § 113 InsO einbeziehen – soll die Formulierung „Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist“ naheliegend sein.589 132

Auch globale Strafversprechen (zB „schuldhaft vertragswidriges Verhalten“590) sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam. Ist eine entsprechend unwirksame Regelung Teil einer umfassenden Vertragsstrafenklausel, die ausdrücklich auch Vertragsstrafen wegen Nichtantritts des Arbeitsverhältnisses oder bei Lösung des Arbeitsverhältnisses wegen Vertragsbruchs vorsieht, so erfasst die Unwirksamkeit der Teilregelung nicht automatisch die anderen Regelungen der Klausel.591 Kann die unwirksame Regelung nämlich herausgestrichen werden und bleibt die restliche Regelung nach dem „Blue-pencil-Test“ (Rz. 40) verständlich, bleibt letztere wirksam.592 Der „gravierende Vertragsverstoß“ kann auch durch in Klammern genannte Beispielaufzählungen konkretisiert werden, so dass klargestellt ist, dass von den Vertragsparteien zB ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot als gravierender Vertragsverstoß angesehen wird.593 Auch muss aus der Vertragsstrafenregelung insbesondere beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot hervorgehen, wann ein einzelner Verstoß und wann ein Dauerverstoß vorliegt, und ob die Vertragsstrafe bei jeder Wettbewerbstätigkeit oder nur einmal pro Monat anfällt.594

133

(3) Eine zu hohe Vertragsstrafe in AGB kann wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht gemäß § 343 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden, sondern ist unwirksam.595

134

Eine generelle Höchstgrenze für eine arbeitsvertraglich vereinbarte Vertragsstrafe gibt es nicht.596 In der Regel ist ein Monatsgehalt jedoch als Maßstab geeignet.597 Die Vertragsstrafe darf allerdings für den Fall des Nichtantritts oder vertragswidriger Lösung des Arbeitsverhältnisses nicht höher sein als das Arbeitsentgelt, welches der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses schulden würde.598 587 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822. 588 BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 Rz. 25 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2014, 326. 589 So in einem obiter dictum BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 Rz. 27 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2014, 326. S. auch M 3.1 § 15 mit Anmerkungen. 590 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053. 591 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89 f.; v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822. 592 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822, 2824 mwN. 593 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, BB 2006, 720. 594 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, DB 2008, 66; Diller, NZA 2008, 574 m. Formulierungsvorschlag. 595 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727. 596 BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, DB 2009, 2269; v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370. 597 So auch die Formulierung in BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, NZA 2009, 1337. 598 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946; v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89 f.; v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, DB 2009, 2269; v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370; wirksame Formulierung bei BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, NZA 2009, 1337.

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Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 138 Kap. 2

Bei verschieden langen Kündigungsfristen scheidet eine geltungserhaltende Reduktion auf Zeiträume, in denen längere Kündigungsfristen gelten, aus.599 Daher ist eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsverdiensten für den Fall vertragswidriger Kündigung unangemessen, wenn der Vertrag zwar nur eine einmalige jährliche Kündigungsmöglichkeit zum 31.7., jedoch mit einer zweimonatigen Frist vorsieht, weil die kürzestmögliche Kündigungsfrist dann zwei und nicht drei Monate beträgt.600 Diese Obergrenze gilt nur dann nicht, wenn das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers aufgrund besonderer Umstände den Wert der Arbeitsleistung, der sich in der Arbeitsvergütung bis zur vertraglich zulässigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dokumentiert, typischerweise und generell übersteigt.601 Unangemessen ist auch eine Klausel, die für jeden Einzelfall eines Wettbewerbsverstoßes eine Vertragsstrafe in Höhe des ein- bis dreifachen Monatsgehalts vorsieht, wobei die genaue Höhe vom Arbeitgeber nach der Schwere des Verstoßes festgelegt wird.602 Das gilt umso mehr, wenn die Vertragsstrafe in erster Linie der bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Arbeitgebers losgelöster Geldforderungen dient.603 Ferner kann nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg die Höhe der Vertragsstrafe nicht nach der „Bruttomonatsvergütung“ bemessen werden, wenn sich die Vergütung aus einem Festgehalt und einer variablen Umsatzbeteiligung zusammensetzt.604

135

Insgesamt wird man bei der Vertragsgestaltung darauf achten müssen, dass die Strafe in einem sachgerechten Verhältnis zur Bedeutung des Vertragsverstoßes für den Verwender steht.605

136

(4) Ist die Vertragsstrafenregelung im Text nicht hervorgehoben, enthält jedoch der gesamte Vertragstext ein einheitliches Schriftbild und keinerlei Hervorhebungen oder Überschriften, und ist die Regelung auch nicht versteckt bei einer anderen Thematik eingeordnet, so ist die Vertragsstrafenregelung nach Auffassung des LAG Schl.-Holst. nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.606

137

• Widerrufsvorbehalt607

Ein Widerrufsvorbehalt ist nur wirksam, wenn er Widerrufsgründe und Umfang erkennen lässt, der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25/30 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird.608 Auch der gesetzliche Mindestlohn darf dementsprechend durch den Widerrufsvorbehalt nicht unterschritten werden.609 Der widerrufliche Teil muss unter 25 % liegen, wenn er im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, ansonsten kann sich der widerrufliche Teil auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes erhöhen.610 599 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946; v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 92. 600 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370. 601 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946; v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89, 91; v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, DB 2009, 2269; nach LAG Schl.-Holst. v. 28.2.2012, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 29, kann bei besonderem Sanktionsinteresse auch eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern angemessen sein. 602 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37. 603 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, BB 2006, 720. 604 LAG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2009, GWR 2010, 255. 605 Vgl. LAG Düsseldorf v. 8.1.2003 – 12 Sa 1301/02, NZA 2003, 382; ferner BGH v. 3.4.1998 – V ZR 6/ 97, NJW 1998, 2600 unter II.3.b) der Urteilsgründe; OLG Düsseldorf v. 18.10.1991 – 16 U 173/90, DB 1992, 86. 606 LAG Schl.-Holst. v. 2.2.2005, BB 2005, 896. 607 Formulierungsvorschlag bei M 2.2 Ziff. 4 (2). 608 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 609 Der Mindestlohn sollte daher ausdrücklich vom Widerrufsvorbehalt ausgenommen werden, s. unter „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“ Rz. 92. 610 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann.

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Kap. 2 Rz. 139

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

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Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein. Hinsichtlich der Widerrufsgründe ist zumindest die Richtung anzugeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Gründe in der Leistung oder im Verhalten des Arbeitnehmers).611 Allerdings reicht die Klausel, die Überlassung des Dienstwagens könne „aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden“, nicht aus, weil sie einen Widerruf auch aus Marktaspekten oder verstärktem Gewinnstreben heraus ermöglichen würde.612 Die Angabe „wirtschaftliche Verluste“ hingegen reicht als Widerrufsgrund möglicherweise aus.613 Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, nicht ausreichender Gewinn etc.) muss konkretisiert werden, wenn der Arbeitgeber darauf abstellen will.614 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob bei der Auflistung der Gründe auch nur beispielhaften Aufzählungen, etwa eingeleitet durch „insbesondere“, zulässig sind. In der Entscheidung vom 21.3.2012615 hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Insoweit kann es ratsam sein, besonders wichtige Fälle beispielhaft aufzuzählen.

140

Der Arbeitgeber kann eine Gehaltserhöhung auch im vorformulierten Arbeitsvertrag gemäß einer tariflichen Regelung zusagen unter dem Vorbehalt, dass die tariflichen Entgelterhöhungen keine „strukturelle Änderung“ des Tarifwerks darstellen. Eine solche Klausel verstößt weder gegen die Unklarheitenregel gemäß § 305c Abs. 2 BGB noch gegen § 308 Nr. 4 BGB.616 § 308 Nr. 4 BGB erfasst nicht den Vorbehalt des Verwenders, die eigene Leistung zu erhöhen.617

141

Die Regelung eines Widerrufsvorbehalts in einer Betriebsvereinbarung unterliegt gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, wohl aber nach § 75 BetrVG.618 Für die Umsetzung gilt gleichfalls die Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.619

142

Zur Unwirksamkeit der Kombination von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt s. unter „Freiwilligkeitsvorbehalt“ (Rz. 106).

142a

• Zielvereinbarung620

Ist vereinbart, dass dem Arbeitnehmer ein Bonus zusteht, wenn er die von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam für eine Zielperiode festgelegten Ziele erreicht, unterliegt die von den Parteien getroffene Zielvereinbarung als Entgeltabrede grundsätzlich keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB.621 Sie muss aber dem Transparenzgebot genügen, dh. es muss erkennbar sein, welchen Anspruch der Arbeitnehmer bei Erreichung der Ziele hat.622 611 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann. Großzügiger jedoch bei tariflichen Regelungen BAG v. 7.7.2011, ZTR 2011, 678. 612 BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460; Freckmann/Müller, NWB 2011, 2552; Fröhlich, ArbRB 2011, 253; Gaul/Kaul, BB 2011, 181; Hunold, NZA 2010, 1276; krit. hierzu Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1286. 613 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796 f. 614 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann. 615 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616. 616 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 351/05, DB 2006, 1061. 617 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 351/05, DB 2006, 1061. 618 BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 187/05, BB 2006, 1057. 619 BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 187/05, BB 2006, 1057. 620 Formulierungsvorschlag und Einzelheiten s. M 12.27. 621 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409. 622 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 Rz. 30 ff.; v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rz. 34 ff.

106

Lingemann

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 147 Kap. 2

• Zillmerung

Voll gezillmerte Versicherungsverträge verstoßen zwar nicht gegen das Wertgleichheitsgebot des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG, können jedoch eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 308 BGB darstellen. Die Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten auf fünf Jahre könnte demgegenüber angemessen sein. Eine zu weit gehende Zillmerung führt nicht zur Unwirksamkeit der Entgeltumwandlungsvereinbarung, sondern zu höherer betrieblicher Altersversorgung.623

• Zugangsfiktion

Gemäß § 308 Nr. 6 BGB ist eine Klausel, die den Zugang wichtiger Erklärungen des Arbeitgebers (Mahnungen, Kündigungen etc.) fingiert, unwirksam.

142b

143

3. Nachweisgesetz Gemäß § 2 NachwG hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen: – Name und Anschrift der Vertragsparteien, – Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, – bei befristeten Arbeitsverhältnissen: vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, – Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, – eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, – Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgeltes und deren Fälligkeit, – vereinbarte Arbeitszeit, – Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, – Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, – ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

144

Das gilt in ähnlicher Weise gem. § 2 Abs. 1a NachwG auch bei der Einstellung eines Praktikanten. Gemäß § 2 Abs. 3 NachwG können die Vorgaben zum Arbeitsentgelt, zur Arbeitszeit, zum Erholungsurlaub und zu den Kündigungsfristen auch durch eine Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen und ähnliche Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten, ersetzt werden.

145

Besonderheiten gelten bei Auslandseinsatz. Dazu Kap. 11 Rz. 2.

146

Das NachwG gilt für alle Arbeitsverhältnisse.

147

623 BAG v. 15.9.2009 – 5 AZR 517/09, DB 2010, 61; vgl. auch Reinhard/Luchtenberg, BB 2010, 1277; Falkner, BB 2011, 2488.

Lingemann

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Kap. 2 Rz. 148 148

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Eine Verletzung der Nachweispflicht durch den Arbeitgeber berührt die Wirksamkeit des geschlossenen Arbeitsvertrages zwar nicht.624 Sie kann jedoch zu Beweiserleichterungen zugunsten des Arbeitnehmers625 führen bis hin zur analogen Anwendung der Beweisvereitelung nach § 444 ZPO626 und zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers.627 Letztere hat das BAG bejaht, wenn eine tarifvertragliche Ausschlussklausel aufgrund Betriebsüblichkeit in dem Betrieb gilt, der Arbeitgeber jedoch entgegen der Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG diese Geltung des Tarifvertrags nicht in den Nachweis aufnimmt. Zwar gilt die Ausschlussklausel auch ohne diese Aufnahme; der Arbeitnehmer hat jedoch einen Schadensersatzanspruch dahin, so gestellt zu werden, als sei er rechtzeitig darauf hingewiesen worden.628 Nimmt der Nachweis bereits auf einen bestimmten Tarifvertrag Bezug, bedarf es der gesonderten Erwähnung der darin geregelten Ausschlussfrist allerdings nicht mehr.629 4. Arbeiter/Angestellte

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Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten hat aufgrund der Entscheidung des BVerfG v. 30.5.1990630 und der Angleichung der Kündigungsfristen in § 622 BGB durch das am 15.10.1993 in Kraft getretene Kündigungsfristengesetz zu einem erheblichen Teil ihre rechtliche Bedeutung verloren. Eine Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten in der betrieblichen Altersversorgung ist gleichheitswidrig und damit unzulässig, sofern nicht weitergehende Gründe als nur der bloße Statusunterschied die Ungleichbehandlung rechtfertigen.631 Eine Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten bei der Gewährung von Weihnachtsgeld ist nur bei Vorliegen eines sachlichen Differenzierungsgrundes zulässig. Ein solcher Grund kann zwar das Bedürfnis des Arbeitgebers sein, Angestellte stärker an sich zu binden, das gilt jedoch nur, wenn diese stärkere Bindung der Angestellten einem objektiven wirklichen Bedürfnis entspricht, welches vom Arbeitgeber substantiiert darzulegen ist.632 Allerdings steht den Tarifvertragsparteien bei der Bemessung von Leistungen an Arbeitnehmergruppen wegen Art. 9 Abs. 3 GG eine Einschätzungsprärogative zu.633 Bei einigen Tarifverträ-

624 LAG Berlin v. 6.12.2002 – 2 Sa 941/02. 625 So zB die Auslegung einer Stundenlohnabrede als Nettolohnvereinbarung, LAG Köln v. 19.1.2010, AuA 2012, 370. 626 Vgl. Boudon, ArbRB 2006, 155 ff.; LAG Köln v. 9.1.1998, LAGE § 2 NachwG Nr. 4; Hohmeister, BB 1998, 587. 627 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 171/10, NZA 2011, 1173, 1175; v. 23.1.2002 – 4 AZR 56/01, NZA 2002, 800; ArbG Frankfurt/M. v. 25.8.1999 – 2 Ca 477/99, DB 1999, 2316. 628 BAG v. 23.1.2002 – 4 AZR 56/01, NZA 2002, 800. Der Arbeitnehmer muss aber die Kausalität zwischen unterbliebenem Nachweis und eingetretenem Schaden darlegen, es greift dann die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, vgl. BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 171/10, NZA 2011, 1173, 1175. 629 LAG Nds. v. 7.12.2000, NZA-RR 2001, 145; LAG Köln v. 6.12.2000, ZIP 2001, 336; LAG Bremen v. 9.11.2000, NZA-RR 2001, 98; LAG Hamm v. 10.9.1999 – 5 Sa 1868/98, MDR 2000, 463; aA LAG Schl.-Holst. v. 8.2.2000, NZA-RR 2000, 196; Koch, FS Schaub, 1998, S. 421, 438. 630 BVerfG v. 30.5.1990 – 1 BvL 2/83, 1 BvL 9/84, 1 BvL 10/84, 1 BvL 3/85, 1 BvL 11/89, 1 BvL 12/89, 1 BvL 13/89, 1 BvL 4/90, 1 BvR 764/86, NZA 1990, 721; so auch ausdrücklich BAG v. 10.12.2002 – 3 AZR 3/02, DB 2003, 2018 zur betrieblichen Altersversorgung, Vertrauensschutz des Arbeitgebers für eine Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten bestand danach nur bis zum 30.6.1993. 631 BAG v. 10.11.2015 – 3 AZR 575/14 m. Anm. Diller ArbRAktuell 2015, 580; BAG v. 17.6.2014, NJOZ 2014, 1947; BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 216/09, NZA 2010, 701; v. 23.4.2002, AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 54; v. 10.12.2003 – 3 AZR 3/02, DB 2003, 2018. 632 BAG v. 12.10.2005 – 10 AZR 640/04, DB 2006, 283. 633 BAG v. 16.8.2005 – 9 AZR 378/04, DB 2006, 790, 791; Einzelheiten zur Gleichbehandlung bei PWW/Lingemann, § 611 BGB Rz. 49 ff.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 152 Kap. 2

gen spielt diese Unterscheidung noch eine Rolle.634 Folgende Kriterien sind für die Unterscheidung maßgeblich: Checkliste: Abgrenzung Arbeiter/Angestellte

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Arbeiter □ überwiegend körperliche Tätigkeit □ überwiegend ausführende Tätigkeit in der Produktion/Technik □ Ferne zur Unternehmensleitung □ Produktionsbereich □ starke Umgebungseinflüsse Angestellte überwiegend geistige, dh. kaufmännische oder büromäßige Tätigkeit in Produktion/Technik stärker leitende Tätigkeit Nähe zur Unternehmensleitung höhere Qualifikation geringere Umgebungseinflüsse

□ □ □ □ □

Angestellte sind zB Kassierer in Selbstbedienungsläden, Krankenschwestern, Musiker, Telefonisten. Arbeiter sind zB Boten, Kellner, Lageristen, Portiers.635

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5. Tarifbindung Erst wenn feststeht, ob und ggf. welcher Tarifvertrag anwendbar ist, kann auch der Arbeitsvertrag sachgerecht gefasst werden. Bleibt der Arbeitsvertrag hinter den tariflich festgelegten Mindestnormen in einem anwendbaren Tarifvertrag zurück, so gelten die für den Arbeitnehmer günstigeren Tarifnormen (Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs. 3 TVG).636 Anwendbar ist der Tarifvertrag, wenn er nach seinem – räumlichen, – betrieblich/fachlichen und – persönlichen Geltungsbereich für das Arbeitsverhältnis einschlägig ist und Tarifbindung besteht. Tarifbindung wiederum besteht, wenn – der Arbeitgeber Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes ist und der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft, § 3 Abs. 1 TVG (beiderseitige Verbandsmitgliedschaft)637, oder – der Arbeitgeber selbst einen Haus- oder Firmentarifvertrag geschlossen hat und der Arbeitnehmer Mitglied der vertragschließenden Gewerkschaft ist, § 3 Abs. 1 TVG, oder

634 ZB der BRTV, ERTV und BAT, vgl. BAG v. 25.8.2010, NJOZ 2011, 812, 814; v. 17.12.2009, NJOZ 2010, 1452. 635 LAG Saarland v. 27.1.1982, BB 1982, 1302, fragwürdig. 636 Vgl. BAG GS v. 7.11.1989 – GS 3/85, DB 1990, 1724. 637 Ausreichend ist auch ein Eintritt des Arbeitnehmers in die tarifschließende Gewerkschaft nach dem Verbandsaustritt des Arbeitgebers während dessen Nachbindung, BAG v. 6.7.2011 – 4 AZR 424/09, NZA 2012, 281.

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Kap. 2 Rz. 153

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

– der Bundesminister für Arbeit und Soziales oder nach § 5 Abs. 6 TVG die entsprechenden obersten Landesbehörden den Tarifvertrag gemäß § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt haben. Dann gilt der Tarifvertrag auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber unmittelbar und zwingend. Die allgemeinverbindlichen Tarifverträge werden nach § 6 TVG bei den Tarifregistern beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales geführt. 153

Überschneiden sich die Geltungsbereiche mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb, sind nach der verfassungsrechtlich umstrittenen Neuregelung in § 4a TVG („Tarifeinheitsgesetz“) nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat, § 4a Abs. 2 Satz 2 TVG.638 Der verdrängte Tarifvertrag bleibt weiter wirksam, ist aber während der Dauer der Kollisionslage nicht unanwendbar.639 Die Rechtsnormen des anwendbaren Tarifvertrages gelten nach § 4 Abs. 5 TVG auch nach seinem Ablauf noch so lange weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt worden sind. In diesem „Nachwirkungszeitraum“ ist der Tarifvertrag nicht mehr zwingend, dh. seine Bestimmungen dürfen auch von tarifgebundenen Parteien durch eine einzelvertragliche Abmachung unterschritten werden.640 Ein Tarifvertrag kann auch auf einen anderen Tarifvertrag verweisen, soweit dessen Geltungsbereich mit dem verweisenden Tarifvertrag in einem engen sachlichen Zusammenhang steht, was regelmäßig dann anzunehmen ist, wenn beide Tarifverträge von denselben Tarifvertragsparteien geschlossen worden sind.641 Der tarifvertraglich in Bezug genommene Tarifvertrag gilt nicht als solcher, sondern nur als Teil des verweisenden Tarifvertrags für die Arbeitsvertragsparteien. Jede Änderung des inkorporierten Tarifvertrages steht daher einer Änderung des verweisenden Tarifvertrages gleich, so dass die Nachbindung an den verweisenden Tarifvertrag in dem Moment durch die Nachwirkung ersetzt wird, in dem der inkorporierte Tarifvertrag geändert wird.642 6. Einzelvertragliche Einbeziehung des Tarifvertrages

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Tarifverträge können auch durch Einzelarbeitsvertrag ganz oder teilweise einbezogen werden, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG. § 622 Abs. 4 BGB bestimmt dies beispielsweise ausdrücklich für die tariflichen Kündigungsfristen, § 4 Abs. 4 EFZG für die tariflichen Berechnungsvorschriften für die Krankenvergütung oder § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG für tarifliche Urlaubsregelungen. Die vertragliche Inbezugnahme muss allerdings bestimmt und eindeutig sein. Es muss klar ersichtlich sein, auf welchen Tarifvertrag und gegebenenfalls auf welche Bestimmungen im Einzelnen verwiesen werden soll.643 Daneben kann der Tarifvertrag in Bezug genommen werden durch – arbeitsvertragliche Einheitsregelung, – eindeutige Gesamtzusage,

638 Az. beim BVerfG 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16. Für die Verfassungsgemäßheit u.a. Scholz/Lingemann/Ruttloff, Tarifeinheit und Verfassung, NZA-Beilage 1/2015 mwN; Waas, Der Regelungsentwurf von DGB und BDA zur Tarifeinheit, 2010; aA u.a. Däubler, Die gemeinsame Initiative von DGB und BDA zur Schaffung einer neuen Form von „Tarifeinheit“, 2010; Di Fabio, Gesetzlich auferlegte Tarifeinheit als Verfassungsproblem, 2014. 639 ErfK/Franzen, § 4a TVG Rz. 17. 640 BAG v. 6.7.2011 – 4 AZR 424/09, NZA 2012, 281; v. 23.2.2005, NZA 2005, 1320. 641 BAG v. 22.2.2012, ZTR 2012, 436. 642 BAG v. 22.2.2012, ZTR 2012, 436. 643 BAG v. 2.3.1988, DB 1988, 1322; v. 29.7.1986 – 3 AZR 71/85, NZA 1987, 668; LAG Düsseldorf v. 10.8.2011 – 7 Sa 534/11; vgl. auch Jacobs, Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, 1999, S. 177 ff.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 157 Kap. 2

– Betriebsvereinbarung für die nicht organisierten Arbeitnehmer. Allerdings gilt dies nach § 77 Abs. 3 BetrVG nicht für Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt sind. Insoweit kann auch nicht auf Entgelttarifverträge verwiesen werden,644 es sei denn, der Tarifvertrag enthält eine Öffnungsklausel. Ist Gegenstand der Betriebsvereinbarung ein Tatbestand zwingender Mitbestimmung nach § 87 BetrVG (insbesondere Fragen der Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG), so hindert nach hM nur ein tatsächlich bestehender Tarifvertrag den Abschluss einer Betriebsvereinbarung;645 oder – betriebliche Übung.646 Die vertragliche Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen ist nicht an eine Form gebunden. Sie kann sich daher auch aus einer betrieblichen Übung oder konkludentem Verhalten der Arbeitsvertragsparteien ergeben. Sie ist in den Nachweis gemäß NachwG aufzunehmen (vgl. Rz. 144 ff.). Die betriebliche Übung kann nur durch Vereinbarung oder Änderungskündigung beendet werden, eine Beendigung durch „negative betriebliche Übung“ gibt es nicht mehr.647 Daneben kommt auch eine Ablösung durch Betriebsvereinbarung in Betracht.648 Der Grundsatz der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung führt nicht zur Tarifbindung nicht organisierter Arbeitnehmer, da die Unterscheidung zwischen organisierten Arbeitnehmern und Außenseitern eine sachliche Differenzierung rechtfertigt. Zu Einzelheiten der Wirkung und Auslegung von Bezugnahmeklauseln vgl. Rz. 98 ff. sowie M 2.2 Ziff. 5 mit Anmerkungen.

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7. Arbeitszeit a) Zulässige Arbeitszeit Für die zulässige Arbeitszeit nach dem ArbZG gilt Folgendes: Die werktägliche Arbeitszeit darf die Dauer von acht Stunden nicht überschreiten, § 3 Satz 1 ArbZG, bei sechs Werktagen pro Woche (Montag bis Samstag) somit 48 Stunden/Woche. Sie kann auf zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 3 Satz 2 ArbZG). Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben, § 5 ArbZG. Nachtarbeit ist nur acht Stunden werktäglich zulässig; bei einer Verlängerung auf zehn Stunden muss sichergestellt sein, dass innerhalb eines Ausgleichszeitraums von einem Monat oder vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 6 Abs. 2 ArbZG).

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Vor allem durch Tarifvertrag oder durch Betriebsvereinbarung sind nach § 7 ArbZG erhebliche Erweiterungen zulässig: Fällt in die Arbeitszeit regelmäßig oder in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft, so kann die werktägliche Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus verlängert

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644 Fitting, § 77 BetrVG Rz. 67. 645 BAG v. 20.8.1991 – 1 ABR 85/90, DB 1992, 275; v. 24.2.1987 – 1 ABR 18/85, BB 1987, 1246. 646 Vgl. BAG v. 23.1.2002 – 4 AZR 56/01, NZA 2002, 800; v. 19.1.1999, BB 1999, 1388 (LS); allerdings gelten bei Bezugnahme auf Tarifverträge im öffentlichen Dienst Besonderheiten: Im Geltungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes kann eine bloße betriebliche Übung, die eine vertragliche Nebenpflicht betrifft, wegen des Schriftformgebots des § 2 Abs. 2 TVöD (früher § 4 BMT-G II bzw. § 4 II BAT) keinen Anspruch auf die üblich gewordene Leistung begründen, vgl. BAG v. 18.9.2002, NZA 2003, 337. Vgl. auch Betz, BB 2010, 2045. 647 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601; v. 25.11.2009, BB 2010, 308; vgl. zur betrieblichen Übung BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 43/09, NZA 2010, 759; Hromadka, NZA 2011, 65; Schneider, DB 2011, 2718; Salamon, NZA 2010, 1272. 648 Vgl. BAG v. 10.3.2015, NZA-RR 2015, 371; v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916; s. dazu auch Diller/Beck, BetrAV 2014, 345.

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Kap. 2 Rz. 158

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 4a ArbZG), wenn die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von 12 Kalendermonaten nicht überschreitet (§ 7 Abs. 8 ArbZG). Der Ausgleichszeitraum kann ausgedehnt werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1a und Nr. 4b ArbZG). In Schichtund Verkehrsbetrieben können Kurzpausen von weniger als 15 Minuten zugelassen werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG). Auch die Ruhezeit kann um bis zu zwei Stunden gekürzt werden, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung innerhalb eines festzulegenden Zeitraums ausgeglichen wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG). Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, fällt sein Betrieb jedoch in den räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich eines entsprechenden Tarifvertrages, so kann er dessen Arbeitszeitregelungen durch Betriebsvereinbarung oder – soweit ein Betriebsrat nicht besteht – auch einzelvertraglich in Bezug nehmen. Diese Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer bedarf der Schriftform. Enthält der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel, kann der nicht tarifgebundene Arbeitgeber in seinem Betrieb durch Betriebsvereinbarung davon auch dann Gebrauch machen, wenn sein Betrieb nicht in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fällt (§ 7 Abs. 3 ArbZG). 158

Auch das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung (§ 9 ArbZG) gilt nicht uneingeschränkt649, wobei 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei bleiben müssen und Sonntagsarbeit wie Feiertagsarbeit durch einen Ersatzruhetag ausgeglichen werden muss (§ 11 ArbZG). Auch hier können in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung Ausgleichszeiträume geändert werden, § 12 ArbZG. Zur Form der Inbezugnahme von Tarifverträgen gilt das zu § 7 ArbZG Gesagte (vgl. § 7 Abs. 3, § 12 Satz 2 ArbZG). Die befristete Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit ist auch an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen (vgl. Kap. 6 Rz. 23). b) Verstöße gegen das ArbZG

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Verstöße gegen das ArbZG begründen gegenüber einem privatrechtlichen Arbeitgeber keine Vergütungsansprüche650, anders als gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber.651 Dieser kann den Schaden durch Gewährung von Freizeit ausgleichen; eine Verpflichtung dazu besteht jedoch nur für die Zeiträume ab Antragstellung. Die zu viel geleistete Arbeit ist dabei in vollem Umfang auszugleichen, insbesondere kann für zu viel geleisteten Bereitschaftsdienst keine Ermäßigung erfolgen652. c) Bereitschaftsdienst

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Wie auch § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG klarstellt, zählt der Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit653; Zeitzuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit sind auch für diese Zeiten zu zahlen.654 Ob auch der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen ist, hat das BAG noch nicht entschieden. Da der Mindestlohn aber an die Arbeitsleistung anknüpft, sind Zeiten der Bereitschaft u.E. nicht mit dem Mindestlohn zu vergüten.655 Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Ar649 650 651 652 653

Vgl. hierzu Preis/Ulber, NZA 2010, 729. BAG v. 24.3.2011, NJOZ 2011, 1589. Vgl. EuGH v. 25.11.2010 – Rs. C-429/09, NZA 2011, 53 – Fuß. BVerwG v. 29.9.2011 – 2 C 32.10, BVerwGE 140, 351. ErfK/Wank, § 2 ArbZG Rz. 23 ff.; vgl. auch BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 93/03, NZA 2004, 927; v. 23.6.2010 – 10 AZR 543/09, NZA 2010, 1081; zur Abgrenzung von Bereitschaftsdienst und Überstunden BAG v. 25.4.2007, EzA-SD 2007, Nr. 19.9; vgl. auch Falder, NZA 2010, 1150. 654 BAG v. 28.7.2010, NZA-RR 2011, 28. 655 So auch Natzel, BB 2015, 2938 und Thüsing/Hütter, NZA 2015, 970, die eine Vergütungspflicht nach dem MiLoG deshalb ablehnen, weil es sich bei der Bereitschaftszeit nicht um Arbeitszeit iSd. MiLoG handelt.

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Lingemann

M 2.1a

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Rz. 161 Kap. 2

beitsort gilt als Arbeitszeit und ggf. als Überstunden, Bereitschaftsdienst „in Form ständiger Erreichbarkeit“ – Rufbereitschaft – hingegen nicht.656 Umkleidezeiten und durch das Umkleiden veranlasste innerbetriebliche Wegezeiten sind vergütungspflichtige Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss.657 d) Überstunden Überstunde ist jede Arbeitsstunde, welche die tariflich, betrieblich oder arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit im Rahmen der gesetzlichen Höchstarbeitszeit überschreitet. Demgegenüber ist Mehrarbeit die die gesetzliche Arbeitszeit gemäß § 3 ArbZG überschreitende Arbeitszeit. Umstritten ist, in welchem Umfang der Arbeitgeber berechtigt ist, Überstunden anzuordnen und inwieweit sie pauschal abgegolten werden können. Dazu im Einzelnen Einführung, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 112 „Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale“. 656 EuGH v. 3.10.2000 – Rs. C-303/98, NZA 2000, 1227 – Simap; v. 9.9.2003; v. 9.9.2003 – Rs. C-151/02, NZA 2003, 1019 – Jaeger; v. 1.12.2005; v. 1.12.2005 – Rs. C-14/04, NZA 2006, 89, 90 – Dellas; sog. Rufbereitschaft. 657 BAG v. 19.9.2012, NZA-RR 2013, 63.

II. Muster M 2.1a Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag 1. Art und Ort der Tätigkeit1, 2 (1) Der Arbeitnehmer wird ab … als … in … eingestellt. (2) Der Arbeitgeber behält sich3 unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers4 die Zuweisung eines anderen gleichwertigen Arbeitsgebietes vor.5, 6 Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Arbeitsgebiete. 1 Mangels Tarifvertrag müssen hier auch die Regelungen in den Vertrag aufgenommen werden, die sonst Gegenstand des Tarifvertrages sind. 2 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 und 5 NachwG. Zu den Besonderheiten bei Compliance-Beauftragten Meier, NZA 2011, 779; Krieger/Günther, NZA 2010, 367; zu Chefarztverträgen Münzel, NZA 2011, 886. 3 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 NachwG iVm. § 106 GewO. Über die Versetzungsklausel hinaus kann eine andere Tätigkeit nur im Wege der Änderungskündigung zugewiesen werden. Je weiter die Versetzungsklausel reicht, desto weiter ist auch der Kreis vergleichbarer Arbeitsplätze im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 679, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 252; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160; v. 15.8.2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430; v. 29.3.1990 – 2 AZR 369/ 89, DB 1991, 173). Auch muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen der Versetzungsklausel gegebenenfalls versetzen, um einen leistungsgerechten Arbeitsplatz für einen leistungsgeminderten Arbeitnehmer zu schaffen (BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 9/96, BB 1997, 894; krit. Lingemann, BB 1998, 1106). Zur AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Konzernversetzungsklauseln s. Rz. 110b. 4 Zur Versetzungsklausel vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“, Rz. 129; § 308 Nr. 4 BGB ist nicht auf Versetzungsklauseln in Arbeitsverträgen anzuwenden (BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160), da diese Vorschrift nur ein einseitiges Bestimmungsrecht hinsichtlich der Leistung des Verwenders – also des Arbeitgebers – erfasst, nicht dagegen hinsichtlich der ihm geschuldeten Gegenleistung, der Arbeitsleistung. Ist die Versetzungsklausel § 106 Satz 1 GewO nachgebildet, stellt sie auch keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (Vgl. BAG v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856, Rz. 21

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.1a

oder7 (2) Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Aufgabe betrauen, ihn an einem anderen Ort8 sowie vorübergehend auch bei einem anderen Konzernunternehmen einsetzen. oder9 (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Tätigkeit zu betrauen. Der Vorbehalt erstreckt sich auch auf eine Beschäftigung an einem anderen Ort oder bei einer Tochtergesellschaft des Arbeitgebers.10

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m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2012, 325; Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 494). Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt idR nicht vor; denn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses kann die Klausel kaum konkretisiert werden, dies geschieht vielmehr erst durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Als Besonderheit des Arbeitsrechts gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB unterliegt die Zulässigkeit der Versetzung damit in erster Linie einer Ausübungskontrolle (BAG v. 28.8.2013, NZA-RR 2014, 181, Rz. 20; v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355, 1358 f.). Diese Klausel hat das BAG – ohne die Einschränkung auf ein „gleichwertiges“ Arbeitsgebiet – gebilligt (v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, BB 2006, 2195), da sie materiell § 106 Satz 1 GewO nachgebildet ist. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn auch eine Änderung der Art der Tätigkeit vorbehalten bleiben soll. Dann würde es sich um eine Änderungsklausel handeln, in die auch aufgenommen werden muss, dass nur gleichwertige Tätigkeiten zugewiesen werden können (BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355). Aufgrund dessen ist es ratsam, diese Einschränkung auch in reine Versetzungsklauseln aufzunehmen. Zu Einzelheiten s. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ und „Änderungsklausel“, Rz. 82a ff., 129 ff. Als Besonderheit des Arbeitsrechts wird das Arbeitsverhältnis mit einer weiten Versetzungsklausel sicherer, zum einen, weil sich der Kreis der Sozialauswahl erweitert, zum anderen, weil auch anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten ggf. in größerem Umfang zu prüfen sind (BAG v. 19.12.2013, NZA-RR 2014, 185; v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160; Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 494, 496; Lunk/Leder, NJW 2015, 2474, 2476; vgl. zu den Auswirkungen der konzernweiten Versetzungsklausel insoweit BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277, Rz. 37; v. 21.1.1999 – 2 AZR 648/97, DB 1999, 806; dazu Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161; diese Besonderheit steht u.E. auch der Unwirksamkeit einer Konzernversetzungsklausel nach § 309 Nr. 10 BGB entgegen; hier steht eine gerichtliche Klärung aber weiterhin aus). Gerade ein solcher angemessener Ausgleich für eine möglicherweise belastende Regelung ist bei der Bewertung der Unangemessenheit einer Klausel auch nach allgemeinen AGB-rechtlichen Grundsätzen zu berücksichtigen (vgl. BAG v. 13.3.2007, NJOZ 2008, 3160; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110). Sollte eine zu weite Versetzungsklausel dennoch unwirksam sein, so ist fraglich, wie sich diese Unwirksamkeit auf die Sozialauswahl auswirkt. Der Arbeitgeber wird idR im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Klausel einwenden. Damit würde er sich allerdings auf den eigenen Rechtsverstoß berufen, was im Grundsatz treuwidrig ist (vgl. Rz. 14 – keine Klauselkontrolle zugunsten des Verwenders, BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257). U.E. ist dies im Rahmen der Sozialauswahl jedoch ausnahmsweise zulässig, da die Sozialauswahl nicht nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft, sondern auch das Verhältnis zu Dritten, nämlich zu anderen vergleichbaren Arbeitnehmern. Sie können nicht mit Hilfe einer unwirksamen Versetzungsklausel in die Sozialauswahl einbezogen werden (so auch Gehlhaar, NJW 2010, 2550). Auch die nachfolgende Klausel hat das BAG (BAG v. 13.3.2007, AP BGB § 307 Nr. 26, Rz. 18) – auch hier ohne die Beschränkung auf eine gleichwertige Aufgabe – gebilligt. Sie umfasst auch eine Konzernversetzung, über die das BAG aber nicht entschieden hat, s. auch Anmerkungen zur weiteren Alternative, Fn. 10. Bei der Versetzung an einen anderen Ort über den Betrieb hinaus hat das BAG die Angabe der Gründe oder eines maximalen Entfernungsradius für wünschenswert, jedoch nicht für zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gehalten (so BAG v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625; vgl. ferner BAG v. 26.9.2012, DB 2013, 350; v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11, NZA 2012, 1154; v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631). Die Klausel ist in BAG v. 13.3.2007, AP BGB § 307 Nr. 26, zwar nicht wörtlich, aber sinngemäß wiedergegeben (Rz. 17) und dürfte nach den Entscheidungsgründen wohl gleichfalls zulässig sein. Ob auch die Konzernversetzung zulässig ist, ohne dass dafür nähere Gründe angegeben werden müssen (aA wohl Dzida/Schramm, BB 2007, 1221, 1227 mwN) ist offen, denn im konkreten Fall kam es nicht

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oder11 (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, ohne dass es einer Kündigung bedarf, dem Arbeitnehmer innerhalb des Unternehmens eine andere, seiner Ausbildung und beruflichen Entwicklung oder vorherigen Tätigkeit entsprechende Tätigkeit zu übertragen, soweit dies mit einem Wohnungswechsel nicht verbunden ist. oder12 (2) Der Arbeitgeber behält sich das Recht vor, den Arbeitnehmer im Bedarfsfall auch an einem anderen Arbeitsort und/oder bei einer anderen Gesellschaft des Konzerns … entsprechend seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten für gleichwertige Tätigkeiten einzusetzen. Hierbei werden seine persönlichen Belange angemessen berücksichtigt. oder13 (2) Das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung richtet sich nach § 106 GewO.

2. Probezeit und Vertragsdauer (1) Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit.14 Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.15 Danach gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Gesetzliche Verlängerungen der Kündigungsfristen gelten für beide Seiten. oder

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auf die Wirksamkeit der Konzernversetzung, sondern nur auf die räumliche Versetzung innerhalb des Betriebs oder Unternehmens an, insoweit war nach dem „blue pencil test“ (vgl. Rz. 40) die Wirksamkeit der Konzernversetzungsklausel nicht zwingend zu prüfen (ebenso BAG v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625, 2626 s. auch LAG Hessen v. 24.6.2014 – 8 Sa 1216/13, BeckRS 2015, 67867). Die Wirksamkeit der Konzernversetzung war auch für eine Regelung zum Arbeitsort nicht zu prüfen, die im Wesentlichen lautete: „1. Beginn und Inhalt des Arbeitsverhältnisses. (1) Der Arbeitnehmer wird ab 1.7.2000 als Manager für den Bereich TLS in der Niederlassung des Arbeitgebers in Bielefeld eingestellt“ (BAG v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625). Diese Klausel hat das BAG mit Urteil v. 3.12.2008, AP BGB § 307 Nr. 42, gebilligt, obwohl darin die Gleichwertigkeit der Verweisungstätigkeit nicht ausdrücklich genannt ist. Diese Klausel hat das BAG im Urteil v. 13.4.2010, NJOZ 2010, 2625 hinsichtlich der Versetzung an einen anderen Arbeitsort gebilligt; zur Wirksamkeit der Konzernversetzung s. Fn. 10. § 106 GewO gilt zwar auch, wenn er, anders als mit nachstehender Klausel, nicht ausdrücklich vereinbart ist. Das gilt aber nur, wenn die Position des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag nicht bindend festgelegt ist (BAG v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856, Rz. 22 zum Arbeitsort). In diesem Fall würde § 106 GewO sogar gem. § 306 Abs. 2 BGB als Rückfallposition greifen, wenn die Versetzungsklausel unwirksam ist (BAG, aaO). Zur Vermeidung der auftretenden Auslegungsschwierigkeiten ist es aus Arbeitgebersicht ratsam, eine Versetzungsklausel, zumindest aber die Verweisung auf § 106 GewO aufzunehmen. Wird keine Probezeit vereinbart, besteht trotzdem während der ersten sechs Monate kein Kündigungsschutz, § 1 Abs. 1 KSchG. Die Vereinbarung einer Probezeit dient daher nur dazu, für diese Zeit bis maximal sechs Monate die kürzere Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB anzuwenden anstelle der Mindestkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gem. § 622 Abs. 1 BGB. Soll die Kündigungsfrist nicht entsprechend verkürzt werden, so ist der Hinweis auf die Probezeit im Vertrag überflüssig. Umgekehrt kann die Sechs-Monats-Frist des § 1 Abs. 1 KSchG nicht vertraglich verlängert werden. Zulässig ist aber der Abschluss eines Aufhebungsvertrages über die Probezeit hinaus – im Fall des BAG vier Monate – mit Wiedereinstellungszusage für den Fall der Bewährung (M 6.1.8; BAG v. 7.3.2002, DB 2002, 1997; Lembke, DB 2002, 2648). Zulässig ist nach Auffassung des LAG BadenWürttemberg auch die Kündigung mit einer längeren Kündigungsfrist (LAG BW v. 6.5.2015 – 4 Sa 94/14, juris, Rz. 20). Darin läge jedenfalls dann keine unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzes, wenn dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündigungsfrist eine weitere Bewährungschance eingeräumt werden soll. Formulierungsvorschlag zum Kündigungsausschluss vor Dienstantritt s. M 3.1, § 16 (1) Satz 2 m. Anm.; im Einzelnen s. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kündigungsausschluss“, Rz. 111.

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(1) Es wird zunächst ein befristetes Probearbeitsverhältnis16 vereinbart; dieses endet am …, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das Probearbeitsverhältnis kann beiderseits mit einer Frist von … zum … vorzeitig gekündigt werden. Der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer spätestens … vor Ablauf darüber informieren, ob die Fortsetzung der Beschäftigung als (unbefristetes) Arbeitsverhältnis beabsichtigt ist. Wird die Beschäftigung als (unbefristetes) Arbeitsverhältnis fortgesetzt, so kann das Arbeitsverhältnis mit gesetzlicher Kündigungsfrist gekündigt werden.17 Gesetzliche Verlängerungen der Kündigungsfrist gelten für beide Seiten.18 (2) Das Arbeitsverhältnis endet spätestens, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die für ihn maßgebliche Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht (zur Zeit des Vertragsabschlusses das 67. Lebensjahr).19

3. Arbeitszeit, Kurzarbeit, Freistellung (1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 40 Stunden.20 Ihre Lage richtet sich nach der betrieblichen Einteilung.21 16 S. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Probezeitvereinbarung“, Rz. 119a. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG ist die Erprobung ein Sachgrund für eine Befristung; die Dauer wird sich jedoch an sechs Monaten orientieren müssen, sofern nicht Besonderheiten der Tätigkeit oder des Arbeitnehmers eine längere Erprobungszeit erfordern (vgl. BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 85/09, NZA 2010, 1293); Einzelheiten zur Erprobung als Befristungsgrund s. Kap. 6 Rz. 15 f. 17 Hier wird vorsorglich ein Kündigungsrecht geregelt, da der Vertrag in § 2 Abs. 2 altersbefristet ist, § 15 Abs. 3 TzBfG. Das ist möglicherweise entbehrlich, wenn es sich nur um eine Altersbefristung handelt (so für ein Arbeitsverhältnis, das an einen Tarifvertrag gebunden ist, der eine auflösende Bedingung oder Befristung vorsieht, BAG v. 23.7.2014, NZA 2015, 1341). Für den Arbeitgeber richtet sich die Kündigungsfrist gem. § 622 BGB nach der Beschäftigungsdauer. Entgegen § 622 Abs. 2 BGB müssen für die Berechnung der Beschäftigungsdauer auch solche Zeiten mitgerechnet werden, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen; § 622 Abs. 2 BGB bzw. darauf verweisende Tarifverträge sind unionsrechtswidrig (EuGH v. 19.1.2010 – Rs. C-555/07, NZA 2010, 85 – Kücükdeveci; BAG v. 29.9.2011 – 2 AZR 177/10, DB 2012, 807). 18 Ohne diese Regelung ist der Arbeitgeber an die sich verlängernden Kündigungsfristen gem. § 622 Abs. 2 BGB gebunden, der Arbeitnehmer kann hingegen mit der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB kündigen. 19 Regelungen, nach denen das Arbeitsverhältnis am Ende des Monats endet, in dem der Arbeitnehmer das gesetzliche Rentenalter erreicht, sind sowohl nach Art. 12 GG als auch nach § 14 Abs. 1 TzBfG wirksam und auch nicht AGB- oder AGG-widrig (BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695; v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37), vgl. im Einzelnen Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86. Zu Alternativen und Erweiterungen sowie der Vereinbarkeit einer solchen Klausel mit dem AGG vgl. ferner M 3.1 bei § 16 (3). 20 Die Dauer der Arbeitszeit ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 NachwG im Nachweis schriftlich niederzulegen. Sie unterliegt der Transparenzkontrolle; bei Fehlen einer Teilzeitvereinbarung wird im Zweifel ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet (BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 236/10, NZA 2011, 1274; krit. Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281, 1284 f.). Allein der faktische Einsatz als Vollzeitkraft bedeutet jedoch nicht die konkludente Vereinbarung einer Vollzeitbeschäftigung (BAG v. 24.6.2010, NJOZ 2011, 275). Die Arbeitszeit steht nicht zur freien Disposition des Arbeitgebers; eine Klausel, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, einseitig die Arbeitszeitdauer zu verändern, ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn die vom Arbeitgeber abrufbare über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinaus gehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit beträgt (BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; Bestätigung durch BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, NZA 2007, 85; zustimmend Preis, NZA 2006, 632; vgl. dazu Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238; im Einzelnen Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89). Auch eine Klausel, die den Arbeitnehmer verpflichtet, „im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten“, ist intransparent und damit unwirksam, da sie nicht regelt, ob die durchschnittliche Arbeitszeit monatlich, jährlich oder sogar über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses zu ermitteln ist (BAG v. 21.6.2011, NZA 2011, 1274). Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit allerdings nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart (BAG v. 15.5.2013 – 10 AZR 325/12, NZA-RR 2014, 519 = DB 2013, 2215). Wird die

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oder (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche ausschließlich der Pausen. Die Lage der Arbeitszeit und der Pausen bestimmt der Arbeitgeber nach billigem Ermessen. oder (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 40 Stunden/Woche. Sie kann aus betrieblichen Gründen auf mehrere Wochen ungleichmäßig verteilt werden, jedoch nur so, dass in … zusammenhängenden Wochen der Ausgleich erreicht wird.22 (2) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen,23 wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III).24 Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten.25 Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in Ziff. 5 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit. (3) Nach Ausspruch einer Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge und Anrechnung von Urlaub und Arbeitszeitguthaben von der Arbeitsleistung freizustellen, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer den Vertrag in grober, das Vertrauen beeinträchtigender Weise verletzt (zB durch

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Zahl der Wochenstunden nicht angegeben, und ist die Beschäftigung in „Vollzeit“ vereinbart, darf der Arbeitnehmer die Klausel so verstehen, dass die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden in der Woche nicht übersteigt (BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 602/13, NZA 2015, 1002, Rz. 14). Die Vereinbarung einer „Festbeschäftigung mit flexibler Arbeitszeit nach den betrieblichen Erfordernissen“ hat das BAG allerdings als Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung ausgelegt (BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 1024/12, NZA 2014, 1328; krit. Preis, RdA 2015, 244). Zulässig ist auch die Vereinbarung der „Arbeitsleistung, die arbeitszeitrechtlich erlaubt ist“, die Lage der Arbeitszeit bestimmt auch in diesem weiten Rahmen bei fehlender Bestimmung im Arbeitsvertrag der Arbeitgeber kraft seines Weisungsrechtes (BAG v. 18.4.2012 – 5 AZR 195/11, NZA 2012, 796). Vgl. BAG v. 8.10.2008, AuA 2009, 304; eine genaue Regelung der Lage der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag ist aus Arbeitgebersicht nicht sinnvoll. Die Festlegung der Lage der Arbeitszeit gehört zum Kernbereich des Direktionsrechtes des Arbeitgebers (BAG v. 18.4.2012 – 5 AZR 195/11, NZA 2012, 796, st. Rspr. vgl. BAG v. 17.7.2007 – 9 AZR 819/06, NZA 2008, 118), so dass eine vertragliche Regelung dieses beschränken würde; allerdings ist § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2 BetrVG zu beachten. Auch eine langjährig unveränderte Arbeitszeit führt nicht zu einer Konkretisierung und damit Beschränkung des Weisungsrechts für die Zukunft; auch die Übertragung von Mehrarbeit über mehrere Jahre begründet daher für sich alleine noch keine dauerhafte Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit (BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 133/08, DB 2009, 1652; v. 11.10.1995, DB 1996, 834; aA wohl ArbG Freiburg v. 15.9.1987 – 2 Ca 175/87, DB 1988, 184; BAG v. 19.6.1985, DB 1986, 132). Unterlässt der Arbeitgeber allerdings eine Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage, kommt er ohne entsprechendes Angebot des Arbeitnehmers mit Ablauf eines jeden Arbeitstages in Annahmeverzug, soweit er die Sollarbeitszeit nicht ausschöpft (BAG v. 26.1.2011 – 5 AZR 819/09, NZA 2011, 640; zur Möglichkeit, den Annahmeverzug für diesen Fall vertraglich auszuschließen, vgl. Zaumseil, ArbRB 2011, 222; Richter/Lange, NZA-RR 2012, 57). Für Sonntagsarbeit empfiehlt sich eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag, die in Ziff. 4 enthalten ist. Beachte aber § 3 ArbZG. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nur aufgrund einer kollektiven oder einzelvertraglichen Vereinbarung einführen; eine einseitige Einführung mit Hilfe seines Direktionsrechts ist nicht möglich, dann bedarf es zur Arbeitszeitverkürzung einer Änderungskündigung (BAG v. 14.2.1991, AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 4). Im Einzelnen Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a. Nach vordringender Auffassung muss der Arbeitnehmer gem. der Rechtsprechung zum Widerrufsvorbehalt (Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 111a, 138 f.) auch bei der Kurzarbeitsklausel „wissen, was auf ihn zukommt“. Daher sind hier die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit auf die Berechtigung zum Bezug von Kurzarbeitergeld beschränkt. Eine voraussetzungslose Kurzarbeitsklausel wird zT als unbillige Benachteiligung des Arbeitnehmers gem. § 307 Abs. 1 BGB angesehen (vgl. Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; Bonanni/Naumann, DStR 2009, 1374, 1375; Groeger/Sadtler, ArbRB 2009, 117, 118). Vgl. auch Groeger/Sadtler, ArbRB 2009, 117, 118.

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Kap. 2

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Konkurrenztätigkeit, Weitergabe von Interna) oder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann (zB wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes).26 oder (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge und Anrechnung von Urlaub und Arbeitszeitguthaben von der Arbeitsleistung freizustellen, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist,27 die konkrete Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer den Vertrag in grober, das Vertrauen beeinträchtigender Weise verletzt (zB durch Konkurrenztätigkeit, Weitergabe von Interna) oder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann (zB wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes).28

4. Mehrarbeit, Überstunden etc.29 (1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet30, auf Anordnung des Arbeitgebers31 Mehrarbeits- und Überstunden bis zu … Stunden/Monat32, höchstens jedoch in gesetzlich zulässigem Umfang, zu leisten. 26 Bei der Angemessenheitskontrolle einer Freistellungsklausel im Formularvertrag ist der allgemeine Beschäftigungsanspruch zu berücksichtigen; aus diesem Grund empfiehlt es sich, die sachlichen Gründe, die zu einer Freistellung berechtigen, in der Klausel aufzuführen (Brachmann/Diepold, AuA 2009, 508; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 25, 29a; s. unter Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“ Rz. 103). Zu einer Alternativformulierung mit weiteren Regelungen und Ergänzungen s. M 3.1 § 16 (6). 27 Die Klausel geht weiter als die erste Alternative, weil auch die Kündigung selbst als Sachgrund ausreichen soll. Ob das tatsächlich ein tauglicher Sachgrund ist, ist nicht geklärt. 28 Bei der Angemessenheitskontrolle einer Freistellungsklausel im Formularvertrag ist der allgemeine Beschäftigungsanspruch zu berücksichtigen; aus diesem Grund empfiehlt es sich, die sachlichen Gründe, die zu einer Freistellung berechtigen, in der Klausel aufzuführen (Brachmann/Diepold, AuA 2009, 508; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 25, 29a; s. unter Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“ Rz. 103). Zu einer Alternativformulierung mit weiteren Regelungen und Ergänzungen s. M 3.1 § 16 (6). 29 Vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Überstunden“, Rz. 127 sowie eingehend Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986 ff.; Hunold, DB 2014, 361. 30 Die Regelung zur Pauschalabgeltung von Überstunden unterliegt als Hauptleistungsabrede nicht der Inhaltskontrolle. Ob sich das ändert, wenn der Vertrag auch eine Anordnungsbefugnis vorsieht, ist offen (dagegen Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986). Ohne Regelung einer Anordnungsbefugnis ist der Arbeitnehmer allerdings nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet. Insoweit muss der Arbeitgeber abwägen, ob er das Risiko in Kauf nimmt, dass ein Arbeitnehmer keine Überstunden leistet, oder das Risiko, dass bei entsprechender Vereinbarung die Pauschalabrede der Inhaltskontrolle unterfällt. Vorliegend sind Anordnungsbefugnis und Vergütung streng getrennt, möglicherweise scheidet dann eine Inhaltskontrolle der Vergütungsregelung aus (so Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986). 31 Vgl. EuGH v. 8.1.2001 – Rs. C-350/99, NZA 2001, 381 – Lange; ob und ggf. inwieweit die Gründe für die Anordnung von Überstunden angegeben werden müssen, ist umstritten, s. dazu Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 127, „Überstunden“. Soweit man auf dem Standpunkt steht, dass die Gründe angegeben werden müssen, könnte die Klausel lauten wie folgt: – „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers bei betrieblichem Bedarf Mehrarbeit/Überstunden bis zu den Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes in seiner jeweils gültigen Fassung zu leisten. Für Teilzeitbeschäftigte gilt diese Regelung anteilig entsprechend. Betriebliche Bedarfe im Sinne dieser Klausel liegen vor bei Arbeitsmehrbedarfen – zur Einhaltung von Fertigstellungsterminen, Fristen etc. – zur Wahrnehmung von Terminen, die aufgrund Vorgaben Dritter (Kunden, Lieferanten o.Ä.) oder der Verfügbarkeit anderer Mitarbeiter Mehrarbeit/Überstunden bedingen; – zur Abdeckung von vorübergehenden Arbeitsspitzen; – zur Abdeckung von sonstigem nicht planbaren Personalbedarf, insbesondere in Vertretungssituationen; – im Falle sonstiger betrieblicher Erfordernisse, die im Einzelfall auch unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers die Anordnung vorübergehender Mehrarbeit/Überstunden rechtfertigen“. (Vorschlag von Chwalisz/Salamon auf der Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht 2013; ähnlich Salamon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720) UE bedarf es der Angabe von Gründen nicht. Bei Versetzungsklauseln verlangt das BAG wegen der erforderlichen Flexibilität und Nichtvorhersehbarkeit von Gründen für eine Versetzung keine Angabe von

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Kap. 2

Darüber hinaus ist er verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit33 sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten. Das gilt auch für Geschäftsreisen. evtl. Auch wenn der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers wiederholt Mehrarbeits- oder Überstunden leistet, bleibt die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Übrigen unverändert. Aus der wiederholten Anordnung von Mehrarbeits- und/oder Überstunden entsteht kein Anspruch auf deren künftige Anordnung oder entsprechende Vergütung.34 (Var. 1)35 (2) Mehrarbeits- und Überstunden werden durch Freizeitausgleich mit dem Faktor 1,25 abgegolten. (Var. 2) (2) Der Arbeitgeber zahlt für jede geleistete Mehrarbeits- oder Überstunde einen Zuschlag von 25 % zu dem Arbeitsentgelt nach Ziff. 5.36 Ziff. 5 Abs. 2 bleibt unberührt. (Var. 3) (2) Die ersten 2037 Über- und Mehrarbeitsstunden im Monat sind durch die Vergütung gemäß Ziff. 5 Abs. 1 abgegolten.38 Darüber hinausgehende Über- und Mehrarbeitsstunden werden durch Freizeitausgleich mit dem Faktor … abgegolten.

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Gründen. Die gleichen Erwägungen gelten bei Überstunden umso mehr, denn sie decken regelmäßig einen aus verschiedensten Gründen häufig nicht planbaren Mehrbedarf an Arbeit ab. Auch die Klausel belegt letztlich, dass eine Aufzählung von Gründen keine zusätzliche Vorhersehbarkeit für den Arbeitnehmer bringt. Eine Beschränkung der Überstundenanzahl ist ratsam. Maßgeblich für die Höhe ist, ob es sich um eine Arbeitsabruf-Klausel (dazu BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423) oder um eine Überstunden-Klausel handelt. Während erstere einen plan- und vorhersehbaren, jedoch unter Umständen schwankenden Personalbedarf decken soll, geht es bei letzterer um einen besonderen, unvorhergesehenen Umstand, der vorübergehend längere Arbeitszeit erfordert (BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 1024/12, NZA 2014, 1328 Rz. 20; v. 7.12.2005, NZA 2006, 423; Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238, 242). Bei einer Arbeitsabrufklausel gilt die Grenze von 25 % bzw. 30 % (vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89), bei einer Überstundenregelung wie hier in Ziff. 4 des Musters dürfte ua. wegen der vorübergehenden Natur der Mehrarbeit/Überstunden auch eine größere Ausdehnung zulässig sein. Zu den Anforderungen des ArbZG Rz. 156 ff. Die Aufnahme auch dieser Arbeitszeiten ist ratsam, vgl. BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 757/08. NJW 2010, 394. Die Klausel dient dazu, eine entsprechende betriebliche Übung oder Konkretisierung zu vermeiden; zurückhaltend zumindest gegenüber einer konkludenten Vertragsänderung bei Mehrleistung BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 133/08, DB 2009, 1652; vgl. auch Groeger/Sadtler, ArbRB 2009, 117, 120 sowie Fn. 20. Im Vertrag für gewerbliche Arbeitnehmer ist eine Pauschalabgeltung für Überstunden eher ungewöhnlich. Ein weiterer Formulierungsvorschlag findet sich in M 3.1, § 3 (2). Überstunden sind nicht zwingend gesondert zu vergüten (Rz. 127). Gerade bei Verschränkung von arbeitszeitbezogen und arbeitszeitunabhängig vergüteter Arbeitsleistung bedarf es einer ausdrücklichen Regelung (BAG v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11, NZA 2012, 1147; v. 21.9.2011 – 5 AZR 629/10, NZA 2012, 145). Im Übrigen kommt es auf die objektive Vergütungserwartung an (BAG v. 27.6.2012, NZA 2012, 1147 mit Anm. Bauer, FD-ArbR 2012, 338218; v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861). Die Anzahl der pauschal abzugeltenden Überstunden muss im Vertrag genannt werden (BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 Rz. 16; v. 17.11.2010 – 7 AZR 443/09, DB 2011, 61). Diese pauschale Abgeltung dürfte zulässig sein (BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908, 909; v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335). Nicht geklärt ist allerdings, ob eine weitere Einschränkung aufzunehmen ist, nach der durch die Pauschalabgeltung der Mindestlohn nicht unterschritten werden darf. UE bedarf es dieser Einschränkung nicht, denn der Arbeitgeber muss ohnehin die Pauschalierung so rechnen, dass dadurch der Mindestlohn nicht unterschritten wird. Denkbar wäre eine Klausel „Die Abgeltung greift nicht, soweit dadurch der Anspruch auf gesetzliches Mindestentgelt unterschritten wird“. Diese wäre zwar eine geltungserhaltende Reduktion, die uE aber in § 3 MiLoG angelegt ist, denn danach ist eine Vereinbarung nach § 3 MiLoG nur „insoweit“ unwirksam ist, wie der Mindestlohn unterschritten wird, vgl. dazu, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“ Rz. 118.

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Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

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5. Vergütung, sonstige Leistungen (1) Der Arbeitnehmer erhält folgende Grundvergütung und folgende Zuschläge:39 – Grundvergütung in Höhe von Euro …/Monat – Zuschläge für 1. Nachtarbeit in Höhe von … % pro Stunde, wobei Nachtarbeit die zwischen 23.00 und 6.00 Uhr geleistete Arbeit ist. 2. Wechselschicht in Höhe von Euro … je Schicht. 3. Sonn- und Feiertagsarbeit in Höhe von … % pro Stunde. 4. Arbeit an Samstagen in Höhe von … % pro Stunde. (2) Treffen mehrere Zuschläge zusammen, wird nur der höchste Zuschlag gezahlt. (3) Grundvergütung und Zuschläge sind fällig jeweils zum 3. Arbeitstag des Folgemonats. (4) Im Falle des Verzuges sind Zinsen nicht aus dem Bruttoentgelt, sondern aus dem Nettoentgelt geschuldet.40 (5) Ansprüche auf Arbeitsentgelt dürfen nicht abgetreten oder verpfändet werden.41 Bei Pfändungen von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt werden Euro 2,50 pro Pfändung, Euro 2,50 für jedes zusätzliche Schreiben sowie Euro 1,– je Überweisung vom Lohn einbehalten.42 Dies gilt nicht, soweit dadurch der unpfändbare Teil des Lohns geschmälert wird.43

39 Zu Einzelheiten der Vergütung, insbesondere auch zu Ermessensvergütungen sowie Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten vgl. Kap. 12 Rz. 5 ff. und auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ermessensvergütung/Ermessensgratifikationen“, Rz. 101, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. und „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 40 Gemäß BAG v. 7.3.2001 – GS 1/00, NZA 2001, 1195 sind Verzugszinsen aus dem Bruttolohn geschuldet. Eine abweichende Vereinbarung hat das BAG allerdings nicht ausdrücklich ausgeschlossen; die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist daher offen. 41 Die Abtretung von Lohnforderungen kann nach § 399 BGB wirksam ausgeschlossen werden mit der Folge, dass sie auch gegenüber dem Abtretungsempfänger (absolut) unwirksam ist. Dann ist auch eine Verpfändung unwirksam (§ 1274 Abs. 2 BGB). Ein solcher Ausschluss findet sich häufig in Verträgen mit gewerblichen Arbeitnehmern, seltener in Verträgen mit Führungskräften. Zahlreiche Lohnpfändungen oder Abtretungen können eine Kündigung rechtfertigen, wenn sie einen derartigen Arbeitsaufwand des Arbeitgebers verursachen, dass sie bei objektiver Beurteilung wesentliche Störungen im Arbeitsablauf – etwa in der Lohnbuchhaltung oder Rechtsabteilung – oder in der betrieblichen Organisation zur Folge haben (BAG v. 4.11.1981 – 7 AZR 264/79, DB 1982, 498; LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237). Zuvor muss der Arbeitnehmer jedoch abgemahnt worden sein (LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237). Bei besonderer Vertrauensstellung (zB Kassierer, Buchhalter) kann auch schon bei geringeren Beeinträchtigungen eine Kündigung in Betracht kommen (LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237; LAG Rh.-Pf. v. 18.12.1978, EzA KSchG § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5). 42 Auch wenn die Abtretung und Verpfändung vertraglich ausgeschlossen ist, hindert dies Gläubiger nicht, im Wege der Lohnpfändung auf das Arbeitseinkommen zuzugreifen (teilweise unpfändbar sind allerdings Ansprüche auf Weihnachtsvergütungen, vgl. BAG v. 14.3.2012 – 10 AZR 778/10, NZA 2012, 1246). Daher empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, zumindest für diesen Fall eine Kostenregelung zu vereinbaren. Ohne ausdrückliche vertragliche Regelung besteht kein Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der durch Gehaltspfändungen entstehenden Kosten (BAG v. 18.7.2006 – 1 AZR 578/05, DB 2007, 227), der Anspruch kann auch nicht durch freiwillige Betriebsvereinbarung begründet werden (BAG v. 18.7.2006, DB 2007, 227). Da der Arbeitsaufwand nicht von der gepfändeten Summe abhängt und gem. § 309 Nr. 5a BGB der pauschalierte Schadensersatz den nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigen darf, empfiehlt sich eher eine pauschalierte Anknüpfung an die tatsächlich entstehenden Kosten, wie im Muster vorgesehen. Vergleichbare Klauseln in den AGBBanken hat der BGH wegen Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung für unwirksam erklärt (vgl. BGH v. 19.10.1999, NJW 2000, 651; v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, NJW 1999, 2276). Ob dies auch im Arbeitsrecht gilt, ist unklar (vgl. Hannewald, NZA 2001, 19 noch unter Berücksichtigung des § 23 AGBG aF). 43 Vgl. BAG v. 18.7.2006, BB 2007, 220.

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Kap. 2

Dem Arbeitnehmer bleibt der Nachweis, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale ist, vorbehalten.44

6. Arbeitsunfähigkeit Der Arbeitnehmer zeigt jede Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich der Personalleitung an. evtl. Er weist sie binnen zwei Arbeitstagen45 durch ärztliches Attest nach, dasselbe gilt bei Folgeerkrankungen.46

7. Urlaub Der Arbeitnehmer erhält kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von … Arbeitstagen.47 oder48 (1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG von vier Wochen/Jahr. (2) Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer zusätzlich einen Urlaubsanspruch von zwei weiteren Wochen/Jahr. Für diesen zusätzlichen Urlaub gilt abweichend von den rechtlichen Vorgaben für den gesetzlichen Mindesturlaub, dass der Urlaubsanspruch im Jahr des Beginns und des Endes des Arbeitsverhältnisses für jeden vollen Monat der Beschäftigung zu 1/12 entsteht, und dass der 44 Die Einschränkung ist wegen § 309 Nr. 5b BGB erforderlich. 45 Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG gilt eine Frist von drei Tagen, gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ist der Arbeitgeber jedoch berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigungen früher zu verlangen. Der Arbeitgeber ist in der Entscheidung, wann er die Bescheinigung verlangt, frei (BAG v. 14.11.2012 – 5 AZR 886/ 11, NZA 2013, 322). 46 Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG; ob auch hier die Drei-Tages-Frist wie bei Erstbescheinigungen gilt, ist nicht sicher und sollte daher geregelt werden. 47 Der Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG beträgt 24 Werktage, wobei Werktage gem. § 3 Abs. 2 BUrlG alle Kalendertage außer Sonn- und Feiertagen sind, so dass auch arbeitsfreie Samstage auf den Urlaub nach Werktagen angerechnet werden. Wird der Urlaub – wie in der Praxis üblich und daher auch im Muster vorgesehen – nach Arbeitstagen festgelegt, so kommt es auf die konkreten Arbeitstage im Betrieb an, wobei der Urlaubsanspruch sich berechnet nach der Zahl der Urlaubswerktage geteilt durch 6, multipliziert mit der Zahl der Arbeitstage des Arbeitnehmers in einer Woche (BAG v. 27.1.1987 – 8 AZR 579/84, DB 1987, 340; v. 14.1.1992 – 9 AZR 148/91, DB 1992, 1889; v. 5.9.2002 – 9 AZR 244/01, NZA 2003, 726). Zur Berechnung bei Teilzeitarbeitnehmern vgl. BAG v. 5.9.2002, NZA 2003, 726; v. 14.2.1991 – 8 AZR 97/90, NZA 1991, 777. Zur Berechnung des Urlaubsentgelts vgl. EuGH v. 15.9.2011 – Rs. C-155/10, NZA 2011, 1167 – Williams. Der Urlaubsanspruch ist nicht abhängig von einer Mindestarbeitszeit, vgl. EuGH v. 24.1.2012 – Rs. C-282/10, NZA 2012, 139 – Dominguez. 48 Die nachfolgende Variante soll der EuGH-Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung (EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06, Rs. C-520/06, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff, und EuGH v. 22.11.2011 – Rs. C-214/10, BB 2012, 59 – KHS/Schulte) Rechnung tragen (vgl. auch Bauer/von Medem, NZA 2012, 113; Polzer/Kafka, NJW 2015, 2289; Schubert, RdA 2014, 9). Als Folge dieser Entscheidungen erlischt der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Übertragungszeitraums entgegen § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG nicht am 31.3. des Folgejahres, wenn der Arbeitnehmer vollständig oder teilweise krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat. Er verfällt jedoch 15 Monate nach Ende des Kalenderjahres, somit am 31.3. des übernächsten Jahres (EuGH v. 22.11.2011, BB 2012, 59 – KHS/Schulte; BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 399). Diese Einschränkungen von § 7 Abs. 3 BurlG beziehen sich jedoch nur auf den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG, so dass für einen etwaigen Mehrurlaub ein Verfall auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit vorgesehen werden kann (vgl. BAG v. 5.8.2014 – 9 AZR 77/13, NZA 2015, 625; v. 7.8.2012 – 9 AZR 760/10, NZA 2013, 104). Ferner hat das BAG seine bislang vertretene „Surrogatstheorie“ aufgegeben (BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087). Insbesondere § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG gilt daher nicht für den Abgeltungsanspruch als reinem Geldanspruch. Er unterliegt aber tariflichen Ausschlussfristen (BAG v. 9.8.2011 – 9 AZR 365/10, NZA 2011, 1421; vgl. auch Düwell, DB 2011, 2492).

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Urlaubsanspruch nach Ablauf des Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG auch dann verfällt, wenn der Urlaub bis dahin wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht genommen werden kann. Soweit der Urlaub verfällt, entfällt auch ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch. (3) Mit der Erteilung von Urlaub wird bis zu dessen vollständiger Erfüllung zunächst der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch erfüllt.49 evtl.50 (4) Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird nur der gesetzliche Mindesturlaub (Abs. 1), soweit er nicht in natura gewährt wurde, abgegolten.

8. Geheimhaltung51 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dritten Personen gegenüber Stillschweigen zu bewahren, und zwar auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch für solche Angelegenheiten, die der Arbeitgeber ausdrücklich als vertraulich bezeichnet.52 Sollte der Arbeitnehmer durch die nachvertragliche Geheimhaltungspflicht in seinem weiteren beruflichen Fortkommen unzumutbar beeinträchtigt werden, kann er vom Arbeitgeber die Befreiung von dieser Pflicht verlangen.53

9. Nebentätigkeit54 (1) Die Aufnahme einer anderweitigen entgeltlichen Tätigkeit ist dem Arbeitnehmer nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Arbeitgebers gestattet. Hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber schriftlich die beabsichtigte Tätigkeit unter Angabe von Art, Ort und Dauer angezeigt, so hat der Arbeitgeber unverzüglich zuzustimmen.55 Der Arbeitgeber kann die Zustimmung verweigern, wenn die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben mehr als nur unwesentlich beeinträchtigt oder sonstige berechtigte betriebliche Interessen durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt werden.56 Der Arbeitgeber kann seine Zustimmung auch befristet oder unter einem Widerrufsvorbehalt erteilen. Die Zustimmung bedarf der Schriftform. (2) Das Zustimmungserfordernis gemäß Abs. 1 besteht nicht für die Aufnahme ehrenamtlicher, karitativer, konfessioneller oder politischer Tätigkeiten, sofern sie die Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags nicht beeinträchtigen. 49 Diese Tilgungsbestimmung wird aufgenommen, um die Unterscheidung zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub gem. der Entscheidung des BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 760/10, NZA 2013, 104 deutlich zu machen. 50 Mit der nachfolgenden Klausel könnte der Arbeitgeber versuchen, als Kompensation für die gestiegenen Lasten durch längere Urlaubsabgeltung auch bei Dauererkrankung die Abgeltung insgesamt auf den gesetzlichen Mindesturlaub zu beschränken. 51 Die EU-Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geheimnisschutzrichtlinie) RL 2016/943/EU v. 8.6.2016 erfordert, dass Arbeitgeber in angemessener Weise Vorsorge gegen Geheimnisverletzungen schaffen, anderenfalls besteht zumindest die Gefahr, dass sie sich nicht mehr auf Geheimnisschutz berufen können, Einzelheiten bei Bissels/Schroeder/Ziegelmayer, DB 2016, 2295. 52 Zu Einzelheiten und Alternativen s. M 3.1 § 5 m. Anm. 53 Zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine solche Öffnungsklausel ratsam sein; vgl. Hunold, SPA 21/2002, S1. 54 Vgl. BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965; Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69; Woerz/Klinkhammer, ArbRAktuell 2012, 183; allerdings sind Neben- und auch Wettbewerbstätigkeiten, bei denen es sich lediglich um einfache Tätigkeiten handelt, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenten führen, von einem Nebentätigkeits- und Wettbewerbsverbot nicht erfasst, BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693 = AP GG Art. 12 Nr. 141 m Anm. Diller sowie Fuhlrott/Fabritius, FA 2010, 194; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff. 55 Vgl. BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965, 967; dies sollte im Hinblick auf das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erwähnt werden (vgl. Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69). 56 Vgl. Woerz/Klinkhammer, ArbRAktuell 2012, 183.

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10. Ausschlussfristen57 58

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(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen,60 wenn sie nicht binnen drei Monaten61 nach Fälligkeit62 gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform63 geltend gemacht werden. evtl.64 Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von drei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Drei-Wochen-Frist gerichtlich geltend gemacht wird.65 57 Vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. 58 Ausschlussfristen erfassen grds. nicht zwingende Ansprüche aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen (§ 4 Abs. 4 Satz 3 TVG; § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG) oder nicht abdingbare gesetzliche Ansprüche (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, betriebliche Altersversorgung, Urlaub). Diese Rechtsfolge ergibt sich jedoch jeweils aus dem Gesetz, sodass u.E. eine ausdrückliche Herausnahme aus der Ausschlussfrist im Formular nicht erforderlich ist. Auch nach Auffassung des BAG ist eine Ausschlussfrist dahin auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll und ohne besondere Hinweise im Einzelfall eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, regelmäßig gerade nicht gewollt ist (BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265, Rz. 22). Im konkreten Fall ging es um eine Ausschlussfrist, welche die Haftung wegen Vorsatzes trotz § 202 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich herausnahm. Dementsprechend ist die Herausnahme des Mindestlohns uE nicht erforderlich. Da es aber vielfach anders vertreten wird, s. Vorschlag in Abs. 3. 59 „Beiderseitig“ ist nach der Rechtsprechung des BAG nicht AGB-widrig, vgl. die Klausel in BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679. 60 Zur Vermeidung von Intransparenz muss auch die Rechtsfolge einer Versäumung der Ausschlussfrist in der vertraglichen Regelung genannt werden (BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324). 61 Eine drei Monate unterschreitende Ausschlussfrist benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist unwirksam. Der übrige Arbeitsvertrag bleibt wirksam (BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699 f.; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149). 62 Fristbeginn für die Verfallklausel kann entgegen früherer Praxis nicht mehr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein, sondern wegen der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur noch die Fälligkeit der Ansprüche (vgl. auch BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 700/12, NZA 2014, 1097, Rz. 22). Stellt die Klausel demgegenüber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab, benachteiligt sie den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 783). 63 In ab dem 1.10.2016 geschlossenen Verträgen sind gem. § 309 Nr. 13b BGB Bestimmungen, die für Anzeigen und Erklärungen eine strengere Form als die Schriftform vorsehen, unwirksam. Zur Klarstellung, dass mit „schriftlich“ nicht die Schriftform nach § 126 BGB gemeint ist, empfiehlt sich daher der Hinweis auf die Textform nach § 126b BGB. Einzelheiten bei Lingemann/Otte, NZA 2016, 516. 64 Auch zweistufige Ausschlussfristen sind zulässig, sofern die Fristen auf beiden Stufen jeweils drei Monate nicht unterschreiten (vgl. BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701; v. 24.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111). 65 Vgl. zu den Einzelheiten Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92. Sowohl zur Wahrung der ersten wie der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist genügt die Erhebung einer Bestandsschutzklage, also insbesondere Kündigungsschutz- oder Entfristungsklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern (ausgehend von BVerfG v. 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354, 355 f.: zum Tarifvertrag BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101; zum Einzelvertrag BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 m. Anm. Ley, BB 2010, 2439; v. 19.3.2008 – 5 AZR 429/07, NZA 2008, 757 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2008, 262310; von Medem, NZA 2013, 345). Das ergibt sich durch Auslegung des Begriffes „geltend machen“ in der einzelvertraglichen Regelung (BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701 und v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939). Das spricht dafür, dass eine weitere Einschränkung in der Klausel selbst, etwa „Mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (insbesondere eine Kündigungsschutzklage oder eine Entfristungsklage) gelten auch solche Ansprüche als geltend gemacht gem. Abs. 1 und als gerichtlich geltend gemacht gem. Abs. 2, die vom Erfolg der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen“, nicht erforderlich ist. Die bloße Klageeinreichung bei Gericht wahrt eine tarifliche Ausschlussfrist allerdings nicht (BAG v. 16.3.2016 – 4 AZR 421/15, PM 12/16), sondern erst der Zugang beim Anspruchsgegner. § 167 ZPO ist auf

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(2) Abs. 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen.66 (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.67 oder68 (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht (a) für Ansprüche, auf die die Arbeitsvertragsparteien nicht oder nicht ohne Beteiligung Dritter69 verzichten können, (b) für Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt,70 (c) für Ansprüche aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Arbeitnehmers,71 (d) für Ansprüche, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitgebers, eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers beruhen,72 (e) für Ansprüche aus einer Haftung wegen Vorsatzes.73

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tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, nicht anwendbar (BAG aaO.). Die Geltendmachung nur in der Klageschrift ist daher ein Haftungsfall. Praxistipp: Ansprüche sind daher stets gegenüber dem Anspruchsgegner unmittelbar geltend zu machen. Auf die fristgerechte Zustellung der Klage sollte nicht vertraut werden. Es ist nicht geklärt, ob die bisher übliche Einbeziehung auch von solchen Zusammenhangsansprüchen entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent ist. Sofern die Aufnahme in den Vertrag gewünscht ist, sollte sie in einem gesonderten Absatz erfolgen, damit sie im Falle der Unwirksamkeit gestrichen werden kann, ohne dass die Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gleichfalls unwirksam ist („blue pencil test“, BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822, 2824 mwN; vgl. auch Rz. 40; ausführlich Thüsing, BB 2006, 661). Zum Teil wird in der Literatur vorgeschlagen, (nur) die Ansprüche auf Mindestentgelt auszunehmen (Maschmann/Sieg/Göpfert, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2016, C. 432 Rz. 59; vgl. auch Lunk/Leder, NJW 2016, 1292, 1293). Zur Formulierung Maschmann/Sieg/Göpfert, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2016, C. 432 Rz. 59; vgl. auch Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 157 (Ziff. 4) und Preis/ Preis, Der Arbeitsvertrag, II A 150, Rz. 35 iVm. Muster Typ 2 lit. b, letzter Satz, (jeweils Herausnahme aus einer umfangreicheren Ausschlussklausel ähnlich dem nachfolgende Alternativvorschlag im Muster); Lunk/Leder, NJW 2016, 1292, 1293 (ausdrückliche Herausnahme als Teil der unverzichtbaren Ansprüche). Die Frage, ob Ansprüche auf Mindestentgelt auszunehmen sind, ist umstritten, Einzelheiten Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92. Insofern ist es ratsam, Mindestlohnansprüche bis zur höchstrichterlichen Klärung von der Ausschlussklausel auszunehmen, um nicht die Unwirksamkeit der gesamten Klausel zu riskieren (Bayreuther, NZA 2015, 385, 387; Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 155). Ob die Klausel damit intransparent wird, weil der Arbeitnehmer annehmen könnte, dass weitere Ansprüche – wie sie in der nachstehenden Alternative genannt sind – nicht ausgeschlossen sind, ist ungeklärt. Zu Einzelheiten vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92. Möglichweise müssen zur Vermeidung von Intransparenz, wenn man Ansprüche auf Mindestvergütung ausnimmt, auch Ansprüche, auf die die Arbeitsvertragsparteien nicht oder nicht ohne Beteiligung Dritter (vgl. § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG, § 4 Abs. 4 TVG) verzichten können, oder für die die Geltendmachungsfrist nicht verkürzt werden kann (vgl. §§ 309 Nr. 7a und 7b BGB), ausgenommen werden. UE ist das nicht erforderlich; Einzelheiten auch hierzu Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu einer solchen Klausel findet sich bisher nicht. Vgl. § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG, § 4 Abs. 4 TVG. Vgl. § 3 MiLoG, § 8 Abs. 3 Satz 3 MiArbG, § 9 AEntG; Einzelheiten Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92. Vgl. § 309 Nr. 7a BGB. Danach können Ansprüche wegen Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit in AGB nicht ausgeschlossen werden, wenn sie auf schuldhaftem – fahrlässigen oder vorsätzlichen – Verhalten beruhen. Insoweit geht die Klausel zugunsten der Klarheit etwas weiter als vom Gesetz gefordert. Ohne Verschulden werden allerdings idR ohnehin keine Ansprüche entstehen, so dass das vertretbar ist. Bei nicht vorsätzlicher Verursachung greift zudem idR. der Haftungsausschluss des § 104 SGB VII. Vgl. § 309 Nr. 7b BGB. Danach können Ansprüche bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in AGB nicht ausgeschlossen werden Vgl. § 202 BGB. Danach darf die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.

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M 2.1a

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

11. Geltung von kollektiven und betrieblichen Regelungen (1) Im Übrigen gelten die für den Betrieb jeweils einschlägigen Betriebsvereinbarungen. Dies gilt auch dann, wenn sie nach Abschluss des Vertrages geändert werden und für den Arbeitnehmer ungünstiger als der Vertrag sind.74 (2) Darüber hinaus gelten die für den Betrieb jeweils einschlägigen Betriebsordnungen, Arbeitsanordnungen, Dienstanweisungen etc. in ihrer jeweils gültigen Fassung.75 (3) Die in Abs. 1 und 2 genannten Vereinbarungen und Regelungen können in der Personalabteilung zu den üblichen Dienststunden und im Intranet unter … eingesehen werden.76

12. Datenschutz77 Der Arbeitnehmer willigt in die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten ein, soweit diese zur Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Das gilt auch für alle Daten, die er im Rahmen seiner Bewerbung unaufgefordert mitgeteilt hat. Soweit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Speicherung der Daten nicht mehr besteht, kann der Arbeitnehmer die Löschung der Daten jederzeit verlangen.78

13. Ausschluss abweichender Absprachen und Nebenabreden Mit Abschluss dieses Vertrages werden alle eventuell bisher vorhandenen schriftlichen oder mündlichen Absprachen und Nebenabreden hinfällig. Ergänzende mündliche Abmachungen zu diesem Vertrag wurden nicht getroffen.79 74 Ob auch für eine Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen die Einschränkungen wie bei einseitigen Regelungswerken des Arbeitgebers gelten (s. nachfolgende Fn.), ist nicht entschieden, in diese Richtung wohl LAG Köln v. 22.4.2008, AE 2009, 111 L; dagegen zu Recht Preis, NZA 2010, 361, 366, wenn die vom Vertrag zu Lasten des Arbeitnehmers abweichende Geltung ausdrücklich vereinbart ist. Dem trägt das Muster Rechnung. 75 Eine dynamische Bezugnahmeklausel auf ein solches einseitig vom Arbeitgeber gestaltetes Werk in seiner jeweiligen Fassung sieht das BAG als einseitiges Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers an, welches den Arbeitnehmer unangemessen iSd. § 308 Nr. 4 BGB benachteiligt, wenn in der Klausel oder der darin in Bezug genommenen Regelung keinerlei Gründe für eine Verschlechterung genannt oder erkennbar sind (BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428); soweit diese hingegen nur das Weisungsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 GewO umsetzen, sind im Rahmen dieses Weisungsrechtes auch künftige Änderungen zulässig und erfasst. Andernfalls wirkt die Bezugnahme auf diese Regelungen nicht dynamisch, sondern nur statisch (Einzelheiten Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 99c „Bezugnahmeklausel“). Die Reichweite der Klausel hängt damit letztlich vom Inhalt der in Bezug genommenen Regelungen ab. 76 Ob die Betriebsvereinbarungen etc. dem Vertrag auch jeweils beigefügt werden müssen, ist nicht abschließend geklärt. Nach hier vertretener Auffassung ist das nicht der Fall; ebenso wohl BAG v. 3.4.2007 – 9 AZR 867/06, NZA 2007, 1045 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 240798. 77 Gem. § 4a BDSG ist die Einwilligung besonders hervorzuheben, wenn sie zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt wird. 78 Vgl. § 4a iVm. § 32 BDSG. Gem. § 4a Abs. 1 Satz 4 BDSG muss die Einwilligung besonders hervorgehoben werden, wenn sie, wie hier, zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt wird. Sie ist im Muster daher fett gedruckt. Eine solche Einwilligung ist auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses möglich, da Arbeitnehmer über ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung frei entscheiden können. Mit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und der Eingliederung in einen Betrieb begeben sich Arbeitnehmer nicht ihrer Grund- und Persönlichkeitsrechte. Dem steht weder das Weisungsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO noch die Tatsache entgegen, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind (BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13, NZA 2015, 604, Rz. 32 entgegen anderslautender Auffassungen in der Literatur). Einzelheiten sowie ausführliche Formulierungsvorschläge s. Kap. 70 Rz. 7 sowie M 70.6. 79 Derartige Vollständigkeitsklauseln dürften der AGB-Kontrolle standhalten, vgl. im Einzelnen Rz. 18. Vor Unterzeichnung eines Formulararbeitsvertrages mündlich getroffene individuelle Vereinbarungen könnten jedoch Vorrang haben, BAG v. 23.5.2007 – 10 AZR 295/06, NZA 2007, 940, wodurch ein erheblicher Anwendungsbereich der Vollständigkeitsklauseln wegfiele.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.1b

14. Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung80 Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform81; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet,82 dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen. 80 Gegenüber einer einfachen („Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform“) oder auch doppelten Schriftformklausel („Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform, das gilt auch für die Änderungen dieses Schriftformerfordernisses“) haben mündliche Individualabreden Vorrang, § 305b BGB. Gemäß BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233 (dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268), muss dieser Vorrang daher auch in der Klausel zum Ausdruck kommen. Erweckt sie demgegenüber beim Arbeitnehmer den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform gem. § 125 Satz 2 BGB unwirksam, so ist die Schriftformklausel zu weit gefasst und daher unwirksam. Sie schließt dann auch eine betriebliche Übung nicht aus; vgl. Rz. 17 ff. und ausführlich Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. Das BAG hat damit seine frühere Rechtsprechung (BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1145 m. Anm. Lingemann, SAE 2005, 40; Ulrici, BB 2005, 1902, 1903) um diese formale Anforderung ergänzt, deren genaue Umsetzung allerdings nicht geklärt ist. U.E. nicht geändert hat sich die Rechtsprechung, nach der eine – wirksame – doppelte Schriftformklausel eine betriebliche Übung ausschließt, denn die betriebliche Übung stellt keine individuell ausgehandelte Regelung und damit keine Individualabrede gem. § 305b BGB dar. Allerdings ist dies bislang nicht höchstrichterlich entschieden und die Rechtsprechung tendiert dazu, Schriftformklauseln bzw. Freiwilligkeitsvorbehalte strenger zu bewerten (s. Rz. 104 ff.). In jedem Fall sollte daher bei jeder Leistung/Sonderzahlung ein entsprechender Vorbehalt ausdrücklich erklärt werden. Anders kann eine betriebliche Übung nicht verhindert werden. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Vertrag reicht nach neuerer Rechtsprechung das BAG (BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 28; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81) wohl nicht mehr aus (s. dazu auch Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400). Er könnte auch nur Sonderleistungen erfassen, wäre also vom Anwendungsbereich her enger als die Schriftformklausel. Für die Kündigung oder den Aufhebungsvertrag sowie die Befristung gilt ohnehin zwingend gesetzliche Schriftform, § 623 BGB. 81 Auch nach der Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB kann die Schriftform für Vertragsänderungen weiterhin vereinbart werden, § 309 Nr. 13 betrifft nach hM nicht auf Abschluss eines Vertrages gerichtete Erklärungen, Einzelheiten Lingemann/Otte, NZA 2016, 516. Vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. 82 Zum Teil wird vorgeschlagen, mit dem Zusatz „insbesondere“ den Anwendungsbereich der Klausel nicht auf den Ausschluss betrieblicher Übung zu beschränken (Meier-Rudolph, sj 2009, 45). Preis/Genenger, Anm. zu BAG EzA BGB § 307 Nr. 38, halten demgegenüber eine doppelte Schriftformklausel nur für wirksam, wenn sie ausschließlich darauf gerichtet ist, eine betriebliche Übung zu verhindern. Da dies der Hauptanwendungsbereich der Klausel sein soll, beschränkt das Muster die Klausel auf diesen Fall. In jedem Fall empfiehlt es sich dringend, bei der Gewährung von Leistungen unabhängig von den Regelungen im Arbeitsvertrag auch noch einmal ausdrücklich einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu erklären (s. Fn. 80).

M 2.1b Employment agreement with a (blue collar) employee without reference to a collective bargaining agreement 1. Type and place of work (1) The Employee shall be engaged as a … in … commencing on … (2) The Employer reserves the right, while safeguarding the Employee’s interests, to assign him to an equivalent area of operation. This reservation also applies to duties assigned to the Employee in the future. or (2) The Employer can entrust the Employee with an equivalent task corresponding to his performance and abilities if this is in the Employer’s interest, and/or transfer the Employee to a different location, and/or temporarily assign him to a different company within the group. 126 Lingemann

M 2.1b

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

or (2) The Employer reserves the right to entrust the Employee with an equivalent task corresponding to his performance and abilities if this is in the Employer’s interest. This reservation also extends to work at a different location or a subsidiary of the Employer. or (2) The Employer reserves the right, without a dismissal being necessary, to assign the Employee to a different or additional activity within the undertaking corresponding to his training and professional development or previous activity, as long as this is not associated with a change in residence. or (2) The Employer reserves the right to assign the Employee to equivalent work at a different place of work and/or different company within the group corresponding to his prior training and skills. In doing so, the Employee’s personal concerns shall be adequately taken into consideration. or (2) The Employer’s right to issue directives regarding the content, location and working hours shall be based on sec. 106 of the Trade Code (Gewerbeordnung – GewO).

2. Probationary period and term of Agreement (1) The first six months shall be deemed to be a probationary period. During this period, the employment relationship can be terminated with a notice period of two weeks. After this, the statutory notice periods apply. Statutory extensions to the notice periods apply to both sides. or (1) The employment relationship is initially entered into for a fixed probationary period of six months, which shall end on …, without a dismissal being necessary. During this period the employment relationship can be terminated by either party with a notice period of … to the end of … The Employer shall inform the Employee by no later than … before the fixed term expires if it intends to continue the Employee’s engagement as an (unlimited) employment relationship. If the Employee’s engagement is continued as an (unlimited) employment relationship, it can be terminated in compliance with the statutory notice period. Statutory extensions of the notice period shall be applicable for both sides. (2) Without a dismissal being necessary, the employment relationship ends no later than the end of the month in which the Employee reaches the normal age of retirement of the statutory pension fund (i.e. the age of 67 at the time of the conclusion of this Agreement).

3. Working hours, short-time work, release from work duties (1) The regular weekly working time, excluding breaks, comprises 40 hours. They shall be arranged in accordance with the company’s schedule. or (1) The regular working time, excluding breaks, comprises 40 hours per week. The location of working time shall be determined by the Employer at its due discretion. or (1) The regular working time, excluding breaks, comprises 40 hours/week. The working hours can be unevenly distributed over several weeks for operational reasons, but only in such a way that a balance is achieved over … consecutive weeks. or (2) The Employer shall be entitled to unilaterally introduce short-time work if a serious loss of work occurs due to economic grounds and/or an inevitable event and this loss of work is notified to the labour administration (sec. 95 ff. of the Social Security Code III (Sozialgesetzbuch III – SGB III)). Such short-time work must be announced three weeks in advance. For the duration of the short-time Lingemann

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.1b

work, the remuneration regulated in Clause 5 shall be reduced according to the proportion of the cancelled working time to the regular working time. (3) Upon termination of this Agreement or after a cancellation agreement has been concluded the Employer shall be entitled to release the Employee from his work duties subject to continued payment of the contractual remuneration and setting off vacation and working time credits if there are objective grounds for doing so. Objective grounds exist in particular if there is a specific danger that the Employee has grossly breached this Agreement in such a way as to undermine trust (e.g. competitive activity, disclosure of internal information) or the Employer can no longer occupy the Employee (e.g. due to job cuts). or (3) The Employer shall be entitled to release the Employee from his work duties subject to continued payment of the contractual remuneration and setting off vacation and working time credits if there are objective grounds for doing so. Objective grounds exist in particular if the employment relationship has been terminated, if there is a specific danger that the Employee has grossly breached this Agreement in such a way as to undermine trust (e.g. competitive activity, disclosure of internal information) or the Employer can no longer occupy the Employee (e.g. due to job cuts).

4. Additional work, overtime etc. (1) The Employee shall be obligated to perform additional work and overtime of up to … hours/ month at the Employer’s direction, but only up to the extent permissible by law. He is further obligated to work nights, perform shift work, work on Saturdays, Sundays and holidays, as well as be available for stand-by (Arbeitsbereitschaft) and on-call duty (Bereitschaftsdienst) to the extent permissible by law. This also applies to business trips. if applicable Even if the Employee repeatedly performs additional work or overtime at the Employer’s direction, the contractual working time shall remain unchanged. Repeated additional work and/or overtime shall not give rise to a claim for a renewed assignment to such work or for corresponding remuneration. (Var. 1) (2) Additional work and overtime shall be satisfied by compensatory time off at a factor of 1.25. (Var. 2) (2) The Employer shall pay a premium of 25 % of the remuneration pursuant to Clause 5 for each hour of additional work or overtime. Clause 5 para. 2 remains unaffected. (Var. 3) (2) The first 20 hours of additional work and overtime per month shall be discharged with the contractual remuneration pursuant to Clause 5 para 1. Additional work and overtime beyond this limit shall be satisfied by compensatory time off at a factor of … .

5. Remuneration, other payments (1) The Employee shall receive the following basic wage and premiums: – a monthly basic wage of EUR … – premiums for 1. night work in the amount of … % per hour, whereby night work is work performed between 11:00 p.m. and 6:00 a.m. 2. rotating shifts in the amount of EUR … per shift. 3. Sunday and holiday work in the amount of … % per hour. 4. Saturday work in the amount of … % per hour. (2) Should two or more premiums coincide, only the highest premium shall be paid. (3) Basic wage and premiums shall be payable on the third working day of the following month. 128

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M 2.1b

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

(4) In the event of default, interest shall not be owed on the gross remuneration, but rather on the net remuneration. (5) Claims for remuneration may not be assigned or pledged. Where remuneration claims are attached, the sum of EUR 2.50 per attachment, EUR 2.50 for each additional letter and EUR 1 for each transfer shall be retained and set off against the wage. This shall not apply if the offsetting would reduce the unseizable portion of the wage. The Employee shall have the right to prove that no damage was incurred at all or that it was substantially less than the lump-sum.

6. Inability to work The Employee is obliged to report any inability to work and its anticipated duration to the management. if applicable He shall provide proof within two working days by means of a medical certificate; the same shall apply for follow-up illnesses.

7. Vacation The Employee is entitled to … working days’ vacation per year. or (1) The Employee is entitled to the statutory minimum vacation of four weeks/year according to sec. 3 (1) of the Federal Vacation Act (Bundesurlaubsgesetz – BUrlG). (2) The Employer shall additionally grant the Employee a vacation claim of two additional weeks/ year. Notwithstanding the legal provisions on the statutory minimum vacation time, this additional vacation claim shall arise at a rate of 1/12 for each full month of employment in the year in which the employment relationship commences and ends, and be forfeited upon expiration of the carryover period defined in sec. 7 (3) of the Federal Vacation Act (Bundesurlaubsgesetz), even if the vacation cannot be taken by then due to the Employee’s inability to work. To the extent the vacation is forfeited, any claim to payment in lieu of vacation shall likewise be eliminated. (3) With the granting of vacation, the statutory minimum vacation time claim shall initially be fulfilled until the vacation has been taken in full. if applicable (4) Upon termination of this Agreement only the statutory minimum vacation time set forth in para. 1 shall be compensated to the extent that the vacation can no longer be granted due to the termination of the employment relationship.

8. Confidentiality The Employee is obliged to maintain confidentiality vis-à-vis third parties with regard to all business and trade secrets, even after the employment relationship comes to an end. This also applies to matters the Employer has expressly designated as confidential. Should the Employee be unreasonably impaired in his further career by this post-contractual duty to maintain confidentiality he may require the Employer to release him from this duty.

9. Secondary employment (1) The Employee shall be permitted to perform activities for remuneration elsewhere only with the Employer’s prior written consent. If the Employee has notified the Employer in writing of the intended activity, stating the nature, location and duration of such activity, the Employer must render its consent without delay. The Employer may refuse to grant consent if the secondary employment would impair the Employee’s peformance of his work duties more than merely insignificantly or other legitimate operationally interests would be impaired by the secondary employment. The Employer may also render its consent for a limited period of time only or subject to revocation. The consent shall require written form. Lingemann

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Kap. 2

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M 2.1b

(2) The consent requirement set forth in para. 1 shall not apply to the assumption of honorary, charitable, religious or political activities, provided that they do not interfere with the activity regulated in this Agreement.

10. Exclusionary periods (1) All claims by either Party arising from this employment relationship shall be forfeited if they are not asserted against the other Party in text form within three months of their maturity. if applicable Should the other Party reject the claim or it does not take a position on it within three weeks of the assertion of the claim, the claim shall be forfeited if it is not asserted in court within three months of the rejection or the expiration of the three-week period. (2) Para. 1 shall also apply to claims associated with the employment relationship. (3) Paras. 1 and 2 do not apply to claims to statutory minimum remuneration. or (3) Paras. 1 and 2 do not apply to (a) claims, which cannot be waived by the parties to this agreement or not without the participation of third parties, (b) claims to statutory minimum remuneration, (c) claims due to an injury to life, limb or health of the employee, (d) claims due to a liability for damage resulting from a grossly negligent breach of duty on the part of the Employer or of a legal representative or vicarious agent of the Employer, (e) claims due to a liability for intentional actions.

11. Application of works and other operational agreements (1) In all other respects, the relevant works agreements in force for the establishment shall apply, even if they are amended following the conclusion of this Agreement and are less favourable for the Employee than this Agreement. (2) Additionally, the relevant plant rules, work rules, service instructions, etc. in force for the establishment shall apply, as they may change from time to time. (3) The agreements and regulations set forth in paras. 1 and 2 can be inspected in the personnel department during normal business hours and in the intranet under …

12. Data protection By signing this Agreement the Employee consents to the collection, processing, use and storage of his peronal data, as far as this is necessary for the execution or termination of the employment relationship. This applies in particular to all data the Employee disclosed without being asked in the context of the application. To the extent a legitimate Employer’s interest in storing the data no longer exists, the Employee can at all time demand the deletion of the data.

13. Exclusion of diverging and side agreements Upon the signing of this Agreement any and all previous written or verbal agreements or side agreements shall lapse. No verbal agreements additional to this Agreement have been concluded.

14. Requirement of written form, exclusion of company practice (betriebliche Übung) Amendments of this Agreement through individual contractual agreements shall be effective in any form. Otherwise, contractual amendments shall require written form; this also applies to the amendment of this written form requirement. This means that no claims shall arise from company practice.

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M 2.2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

M 2.2

Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) mit Bezugnahme auf Tarifvertrag 1. Art und Ort der Tätigkeit

(1) Der Arbeitnehmer1 wird ab … als … in … eingestellt. (2) Der Arbeitgeber behält sich unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers die Zuweisung eines anderen gleichwertigen Arbeitsgebietes vor. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Arbeitsgebiete.2

2. Probezeit und Vertragsdauer Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.3

3. Arbeitszeit, Kurzarbeit, Freistellung (1) Die Arbeitszeit richtet sich nach den jeweiligen für den Betrieb geltenden gesetzlichen/tariflichen Regelungen und nach der betrieblichen Einteilung der Arbeitszeit. (2) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden bis zu … Stunden/Monat4, höchstens jedoch in gesetzlich zulässigem Umfang, zu leisten. (3) Darüber hinaus ist er verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten. Zur Abgeltung der in diesem Umfang angefallenen Mehrarbeits- und Überstunden gemäß Abs. 2 erhält der Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem Tariflohn/Grundgehalt nach Ziff. 4 eine Pauschale iHv. Euro … brutto.5 evtl. Auch wenn der Arbeitnehmer auf Anordnung des Arbeitgebers wiederholt Überstunden leistet, bleibt die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Übrigen unverändert. Aus der wiederholten Anordnung von Überstunden entsteht kein Anspruch auf deren künftige Anordnung oder entsprechende Vergütung.6 (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen,7 wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III). Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in Ziff. 4 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit.

1 Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 2 Zu weiteren Varianten und Einzelheiten vgl. M 2.1a Ziff. 1 m. Anm.; vgl. ferner Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ bzw. „Änderungsklausel“, Rz. 129 bzw. 82a f. 3 Vgl. M 2.1a Ziff. 1 (2) m. Anm. 4 Zur Beschränkung der Überstundenanzahl s. schon unter M 2.1a Ziff. 4 m. Anm. sowie Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Überstunden/Mehrarbeitsklausel“, Rz. 127. 5 Eine Pauschalabgeltung von Überstunden kommt nur im Rahmen der gesetzlich zulässigen Überstunden in Betracht (BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, BB 2006, 327; vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“, Rz. 118 f.; zu den Anforderungen des ArbZG s. Rz. 16 ff.). Auch Nachtarbeitszuschläge können pauschaliert werden (BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324). 6 Die Klausel dient dazu, eine entsprechende betriebliche Übung oder Konkretisierung zu vermeiden; zurückhaltend gegenüber einer konkludenten Vertragsänderung auch bei jahrelanger Mehrleistung BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 133/08, DB 2009, 1652; vgl. auch Groeger/Sadtler, ArbRB 2009, 117, 120. 7 Zu dieser Kurzarbeitsklausel s. im Einzelnen Anm. zu M 2.1a Ziff. 3 (2) sowie Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a.

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Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.2

(4) Nach Ausspruch einer Kündigung – gleichgültig, von welcher Seite – ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge und Anrechnung von Urlaub und Arbeitszeitguthaben von der Arbeitsleistung freizustellen, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer den Vertrag in grober, das Vertrauen beeinträchtigender Weise verletzt (zB Konkurrenztätigkeit, Weitergabe von Interna), oder der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann (zB wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes).8

4. Vergütung Der Arbeitnehmer wird in die tarifliche Entgeltgruppe: … eingruppiert.9 (1) Die Vergütung setzt sich wie folgt zusammen:10 Tariflohn (zurzeit): Euro … übertarifliche Zulage:11 Euro … Zuschläge für …: Euro … (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, die übertarifliche Zulage bei Vorliegen eines sachlichen Grundes unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers zu widerrufen.12 Sachliche Gründe sind13 8 Bei der Angemessenheitskontrolle einer Freistellungsklausel im Formularvertrag ist der allgemeine Beschäftigungsanspruch zu berücksichtigen; aus diesem Grund empfiehlt es sich, die sachlichen Gründe, die zu einer Freistellung berechtigen, in der Klausel aufzuführen (Brachmann/Diepold, AuA 2009, 508; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 22, 29a; s. unter Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“, Rz. 103). Zu einer Alternativformulierung mit weiteren Regelungen und Ergänzungen s. M 3.1 § 16 (6). 9 Damit verändert sich die Vergütung dynamisch mit Änderungen des Tarifvertrages für diese Entgeltgruppe. Eine solche Dynamik kann aber auch bestehen, wenn der Vertrag statt einer Bezugnahme einen konkret bezifferten Stundenlohn wiedergibt, weil der Arbeitnehmer „zwischen zwei Lohngruppen“ liegt, BAG v. 17.11.2011, NZA-RR 2012, 392. Im öffentlichen Dienst ist die Regelung ausnahmsweise konstitutiv, wenn bei Vertragsschluss die Entgeltgruppe nicht anhand der dort in Bezug genommenen Eingruppierungsregelungen zutreffend ermittelt werden kann (BAG v. 21.8.2013 – 4 AZR 656/11, NZA 2014, 561). 10 Aus der Formulierung geht nach Auffassung des BAG nicht bereits hervor, ob die tarifliche Vergütung bei einem Wegfall oder Wechsel der Tarifbindung des Arbeitgebers statisch oder dynamisch fortzuzahlen ist, diese Unklarheit geht gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers (BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202). Eine entsprechende Regelung ist daher im Rahmen der Bezugnahmeklausel erforderlich, wie im Muster unter Ziff. 5 geregelt. Ohne eine solche ausdrückliche Einschränkung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf dynamische Fortzahlung aller tariflichen Vergütungsbestandteile (BAG v. 21.10.2015, 4 AZR 649/14 zur Verweisung, dort wird jedoch bei einem Altvertrag noch eine Gleichstellungsabrede angenommen, BAG v. 9.11.2005, NZA 2006, 202). 11 Laufende Entgelte und damit auch übertarifliche Zulagen können nicht unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt werden (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82; v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796). Ein unwirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt kann auch nicht in einen Widerrufsvorbehalt umgedeutet werden (BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, DB 2007, 1757). Einzelheiten Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. sowie Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. Das Muster sieht daher unter Ziff. 4 Abs. 2 nur noch einen Widerrufsvorbehalt vor. 12 Ein Widerrufsvorbehalt ist gem. § 308 Abs. 4 BGB nur wirksam, wenn der widerrufliche Teil unter 25 bzw. 30 % der Gesamtvergütung liegt, der Tariflohn sowie der Mindestlohn nicht unterschritten wird und ein Sachgrund für den Widerruf vorliegt. Zudem muss die widerrufliche Leistung nach Art und Höhe eindeutig bestimmt sein. Aus der Klausel muss somit in groben Zügen hervorgehen, in welchen Fällen ein Widerruf möglich sein soll (BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 Rz. 16; v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796 Rz. 13; v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459; v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 f.; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536, m. Anm. Lingemann). Nicht klar ist, inwieweit der Arbeitgeber auch den Grad der Störung konkretisieren muss. Das Maß einer nötigen Konkretisierung dürfte je nach Art der Störung (zB Pflichtverletzung, wirtschaftliche Störung) und der betroffenen Leistung (Gegenseitigkeitsverhältnis oder nicht) unterschiedlich sein (Schimmelpfennig, NZA 2005, 603, 607). Vorsorglich sollte der Grad der Störung mit angegeben werden. Vgl. zum Ganzen

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Kap. 2

– wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens14 (insbesondere15 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als… im letzten Geschäftsjahr), – eine um … % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von … Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Das tarifliche Entgelt und das gesetzliche Mindestentgelt bleiben dabei unangetastet. Der widerrufliche Teil ist begrenzt auf 24,5 % der Gesamtvergütung.16 (3) Die übertarifliche Zulage kann auf den Tariflohn angerechnet werden, wenn sich dieser infolge von Tariferhöhungen oder infolge einer Umgruppierung des Arbeitnehmers erhöht.17 Dasselbe gilt bei einer Verkürzung der Arbeitszeit.

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Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Da das BAG in den genannten Entscheidungen verlangt, die widerrufliche synallagmatische Leistung müsse „weniger als 25 % der Gesamtvergütung“ (BAG v. 12.1.2005, BAG NZA 2005, 465, 467 unter I 4d) betragen, dürfte eine Klausel, die genau 25 % angibt, bereits unwirksam sein, 24,9 % hingegen sind danach wohl zulässig. Demgegenüber darf nach dem Wortlaut der Entscheidungen des BAG die Grenze von 30 % für nicht synallagmatische Leistungen nur nicht überschritten, folglich aber erreicht werden (vgl. BAG v. 11.10.2006, BAG NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann). Es ist nicht abschließend geklärt, ob nur beispielhafte Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). Die bloße Nennung „wirtschaftlicher Gründe“ reicht nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BAG nicht aus. Danach ist die Klausel, die Überlassung des Dienstwagens könne „aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden“, AGB-widrig, schon weil sie einen Widerruf auch bei einer unwirtschaftlichen Nutzung des Dienstwagens ermöglichen würde (BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460 ff.). Die Angabe „wirtschaftliche Verluste“ hingegen soll genügen (BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; s. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138, 139). S. zur beispielhaften Aufzählung die vorstehende Fn. 14. Vgl. auch Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 116; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766, 3767. Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 NachwG. Der Anrechnungsvorbehalt erlaubt die Anrechnung übertariflicher Bestandteile bei Erhöhungen des Tariflohns. Er ist im Grundsatz AGB-fest, da er nicht zu einer Kürzung des Gesamtverdienstes führt (BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, NZA 2011, 1289 Rz. 39; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; vgl. Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f.). Klauseln im Tarifvertrag, die eine solche Anrechnung verhindern sollen („Effektivklauseln“), sind unwirksam (BAG v. 26.9.2009, NZA-RR 2010, 305 Rz. 49; v. 14.2.1968, BB 1968, 665; v. 16.9.1987, DB 1987, 2522). Fehlt der Anrechnungsvorbehalt, so sind zumindest solche Zulagen anrechnungsfest, die an besondere Erschwernisse bei der Arbeit anknüpfen (vgl. BAG v. 21.9.2011, AP Nr 219 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; v. 20.9.1978, DB 1979, 215; v. 23.3.1993 – 1 AZR 520/92, NZA 1993, 806). Bei sonstigen übertariflichen Zulagen soll die Anrechnungsbefugnis nach der Rspr. vor Einführung der AGB-Kontrolle auch ohne Vorbehalt nicht verloren gehen, selbst wenn der Arbeitgeber mehrfach nicht angerechnet hat (BAG v. 1.3.2006, NZA 2006, 746; v. 8.12.1982, DB 1983, 997; v. 3.6.1987 – 4 AZR 44/87, DB 1987, 1943; v. 11.8.1992 – 1 AZR 279/90, DB 1993, 46). Wichtig: Vorsicht bei der Gestaltung: Wird nur die Anrechnung auf „kommende“ oder „künftige“ Tariferhöhungen vorbehalten, so kann nicht rückwirkend auf zuvor in Kraft getretene Tariferhöhungen angerechnet werden (BAG v. 17.9.2003 – 4 AZR 533/02, NZA 2004, 437). Die Anrechnung übertariflicher Bestandteile ist grds. mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (BAG GS v. 3.12.1991 – GS 2/90, NZA 1992, 749), es sei denn, es verbleibt – ausnahmsweise – keinerlei Regelungsspielraum, weil das Zulagenvolumen durch die Anrechnung vollständig aufgezehrt wird oder die Tariflohnerhöhung vollständig und gleichmäßig auf alle übertariflichen Zulagen angerechnet wird (BAG v. 22.5.2012 – 1 AZR 94/11, NZA 2012, 1234 Rz. 18; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BAG GS v. 3.12.1991, NZA 1992, 749; BAG v. 14.2.1995 – 1 AZR 565/94, DB 1995, 1917; v. 14.8.2001 – 1 AZR 744/00, NZA 2002, 342; vgl. auch Lunk/Leder, NZA 2011, 249). Wird der Betriebsrat nicht beteiligt, so bleibt die Zulage bis zur Einigung mit dem Betriebsrat – ggf. vor der Einigungsstelle – ungekürzt (BAG v. 19.9.1995, DB 1995, 2020).

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oder (3) Bei der übertariflichen Zulage handelt es sich um eine anrechenbare betriebliche Zulage.18

5. Bezugnahme auf Tarifvertrag (Var. 1 – statische Bezugnahmeklausel)19 Im Übrigen gilt der … Tarifvertrag in seiner Fassung vom … . Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Weitergabe künftiger Tarifänderungen. evtl.20 Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit auf das Arbeitsverhältnis Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft gesetzlicher Anordnung anwendbar sind. oder (Var. 2 – kleine dynamische Bezugnahmeklausel)21 18 Das BAG (BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746) hat die Formulierung „Es handelt sich um eine anrechenbare betriebliche Ausgleichszulage“ als hinreichenden Anrechnungsvorbehalt angesehen. 19 Sog. statische Bezugnahme. Auch bei einem Tarifwechsel bleibt damit der in der Bezugnahme konkret genannte Tarifvertrag vereinbart, die Bezugnahme begründet auch keinen Anspruch auf Weitergabe künftiger Tariferhöhungen. Sofern allerdings nicht auf eine konkret nach Datum festgelegte Fassung des Tarifvertrages Bezug genommen wird, ist regelmäßig anzunehmen, dass der Tarifvertrag in der jeweiligen Fassung gelten soll, dann sind auch künftige Änderungen erfasst (BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA 2015, 943, Rz. 15; v. 21.8.2013 – 5 AZR 581/11, NZA 2014, 271, Rz. 23; v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923 mwN). Das gleiche Risiko besteht, wenn vorbehaltlos jede Tariferhöhung weitergegeben wird. Bei beidseitiger Tarifbindung gilt aber natürlich das Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs. 3 TVG: Soweit im Betrieb dieser oder ein anderer Tarifvertrag gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern normativ gilt, werden durch diese Klausel daher bei höheren Tarifen in den normativ geltenden Tarifverträgen nicht organisierte Arbeitnehmer gegenüber organisierten schlechter gestellt. Die Klausel ergibt daher nur Sinn, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden und daher auch nicht an den in Bezug genommenen Tarifvertrag normativ gebunden ist. Auch ein fachlich oder räumlich nicht einschlägiger Tarifvertrag kann wirksam in Bezug genommen werden, dann greift allerdings die AGB-Kontrolle; Einf., AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 98 ff. 20 Bezugnahmeklauseln gelten auch für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer konstitutiv (so für die kleine dynamische Bezugnahmeklausel BAG v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797). Deshalb und nach dem – voraussichtlich nur zwischenzeitlichen – Wegfall der Tarifeinheit (BAG v. 27.1.2010 – 4 AZR 549/08, NZA 2010, 645; v. 23.6.2010, ZTR 2010, 354) ergab u.E. eine Bezugnahmeklausel, die auch tarifgebundene Arbeitnehmer erfasste, keinen Sinn mehr (vgl. auch Preis/Genenger, NZA 2007, 1073; Beck’sches Formularbuch Arbeitsrecht/Ubber, 2. Aufl. 2009, A II 2 Anm. 4). Mit dieser Regelung wird die Anwendung daher auf nicht organisierte Arbeitnehmer beschränkt. Diese ist zwar nur mit Fragen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit durchzuhalten (dazu BAG v. 19.3.2003 – 4 AZR 331/02, NZA 2003, 1207; zu Einschränkungen während Tarifverhandlungen BAG v. 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, NZA 2015, 306), die dann aber wohl zulässig sein dürften. Bei der statischen Bezugnahme würde sie nur den Fall absichern, dass der Arbeitgeber sie trotz Tarifbindung vereinbart hat oder später tarifgebunden wird (s. vorherige Fn.). Nach der Wiederherstellung der Tarifeinheit durch § 4a TVG könnte eine Bezugnahmeklausel, die auch tarifgebundene Arbeitnehmer erfasst, hingegen wieder Sinn ergeben, da der für sie kraft Tarifbindung anwendbare Tarifvertrag möglicherweise gem. § 4a TVG verdrängt wird und für sie dann über die Bezugnahmeklausel zumindest der dort genannte Tarifvertrag auch als Minderheitentarifvertrag weitergelten würde. Dieser kann auch wirksam in Bezug genommen werden, auch wenn er normativ durch den Mehrheitstarifvertrag verdrängt wird (Greiner, NZA 2015, 769, 775 f.; Hohenstatt/Schuster, ZIP 2016, 5, 8; Schliemann, NZA 2015, 1298, 1300; Vielmeier, NZA 2015, 1294; aA. Fischer, NZA 2015, 662, 665). Der Eventualvorschlag sollte daher nur verwendet werden, wenn der Verwender davon ausgeht, dass die Wiedereinführung der Tarifeinheit durch § 4a TVG der verfassungsgerichtlichen Kontrolle nicht standhält (Az. beim BVerfG: 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16). 21 (1) Sog. kleine dynamische Klausel (vgl. Lakies, ArbRAktuell 2014, 8; Holthausen, ArbRAktuell 2011, 29). Sie umfasst zwar künftige Entwicklungen des in Bezug genommenen Tarifwerkes, verweist aber bei einem Tarifwechsel des Arbeitgebers nicht dynamisch auf den neuen Tarifvertrag. Ist der Arbeitgeber bei Vertragsschluss tarifgebunden, so dient die Bezugnahmeklausel nach früherer Rechtsprechung regel-

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(1) Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge, an die der Arbeitgeber derzeit tarifgebunden ist und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge22 in ihren jeweils gültigen Fassungen. Das sind die Tarifverträge der …-Industrie. Diese Abrede gilt, weil und solange der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Sie bezweckt die Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten Arbeitnehmern.23 [Evtl.] Sie gilt nicht, soweit für das Arbeitsverhältnis Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft gesetzlicher Anordnung anwendbar sind.24 (2) Endet die Tarifbindung des Arbeitgebers oder geht der Betrieb durch Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber über25, finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der in Bezug genommenen Tarifverträge mit dem Inhalt Anwendung, den sie bei Ende der Tarifbindung des Arbeitgebers haben, soweit sie nicht durch andere Abmachungen ersetzt werden; der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer jeweils mitteilen, wenn seine Tarifbindung endet. oder

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mäßig dazu, nicht organisierte und organisierte Arbeitnehmer gleichzustellen. Das BAG legt daher auch die früher üblichen einfachen kleinen dynamischen Bezugnahmeklauseln (zB: „Im Übrigen gelten die Tarifverträge der … Industrie in ihrer jeweiligen Fassung“) in vor dem 1.1.2002 geschlossenen oder letztmals geänderten (zu Änderungen im Einzelnen Rz. 99) Arbeitsverträgen (Altverträgen) in st. Rspr. als Gleichstellungsabreden aus (BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 990/13, Rz. 19 f.; v. 13.5.2015 – 4 AZR 245/14; v. 11.12.2013, NZA 2014, 900; v. 18.11.2009, NZA 2010, 170; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 537, im Einzelnen Rz. 99, AGB-Kontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“ mwN). (2) In seit dem 1.1.2002 geschlossenen oder geänderten Verträgen (Neuverträge) stellt die Bezugnahmeklausel hingegen eine „unbedingte zeitdynamische Verweisung“ dar, so dass der in Bezug genommene Tarifvertrag auch nach Ende oder Wechsel der Tarifbindung des Arbeitgebers dynamisch weiter gilt (BAG v. 8.7.2015 – 4 AZR 51/14, NZA 2015, 1462; v. 13.05.2015 – 4 AZR 243/14, juris Rz. 27 f.; v. 17.11.2010 – 4 AZR 391/09, NZA 2011, 356; v. 20.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323; v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965; v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607; im Einzelnen Rz. 99, AGBKontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“ mwN). Für die Auslegung als Gleichstellungsabrede reicht in Neuverträgen die bloße Regelung des Gleichstellungszwecks wahrscheinlich nicht einmal mehr aus (vgl. BAG v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797), die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag muss vielmehr in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht werden (BAG v. 11.12.2013 – 4 AZR 473/12, NZA 2014, 900, Rz. 19; v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286; v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323). Dazu ist in dieser Variante (Var. 2 Abs. 1 Satz 3 iVm. Abs. 2) für den Fall der Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers ausdrücklich festgehalten, dass künftige Tarifänderungen nicht mehr berücksichtigt werden. (3) Die bloße Regelung des Gleichstellungszwecks (Var. 2 Abs. 1 Satz 4) reicht in Alt- wie in Neuverträgen erst recht nicht aus, um die kleine dynamische Klausel als Tarifwechselklausel auszulegen; der Gleichstellungszweck beschränkt sich vielmehr, sofern – wie meist – keine gegenteiligen besonderen Umstände bestehen, auf das in Bezug genommene Tarifwerk (BAG v. 10.12.2014, AP Nr 127 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; v. 16.5.2012, ZTR 2012, 707; v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, NZA 2009, 151 mwN; v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364 m. Anm. Haußmann, FD-ArbR 2007, 240797). Soll daher bei einem Tarifwechsel der neue Tarifvertrag gelten, ist idR die ausdrückliche Gestaltung als Tarifwechselklausel erforderlich (Vorschlag insbesondere in Var. 4). Damit werden solche Tarifverträge erfasst, die für den Arbeitgeber nicht aufgrund eines Tarifwechsels, sondern aufgrund einer von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages gelten (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286). Wenn die Klausel fehlt, kommt ggf. eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA 2015, 943, Rz. 18 ff.; v. 12.12.2012, BB 2013, 1716); einschränkend bei neuen Vergütungsformen im Nachfolgetarifvertrag BAG v. 17.11.2011, NJOZ 2012, 870. Hiermit soll knapp der Gleichstellungszweck der Abrede klargestellt werden. In Satz 3 wird die Tarifbindung als auflösende Bedingung der Vereinbarung geregelt. Eine umfangreiche Formulierung zum Gleichstellungszweck für die Tarifwechselklausel enthält Var. 4, Abs. (2). S.o. Fn. 20. U.E. ist der Fall des Betriebsübergangs auch schon durch den ersten Halbsatz erfasst, er wird hier vorsorglich nochmals ausformuliert.

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(Var. 3 – einfache Tarifwechselklausel)26 Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge27 und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge28 in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Derzeit sind dies die Tarifverträge der … - Industrie.29 oder (Var. 4 – ausführlichere Tarifwechselklausel)30 26 (1) Diese Bezugnahmeklausel ist nach der neueren Terminologie des BAG (v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286, vgl. auch Bauer/Haußmann, DB 2003, 610) eine einfache „Tarifwechselklausel“, dh. sie verweist auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag. Damit soll für den Fall eines Tarifwechsels des Arbeitgebers – zB aufgrund Verbandswechsels (vgl. etwa BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286; v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/ 07, NZA 2009, 323), Abschlusses eines Firmentarifvertrages mit einer anderen Gewerkschaft oder bei Veränderungen im Bereich des Unternehmens oder des betreffenden Betriebes, in deren Folge ein Tarifvertrag einer anderen Branche einschlägig wird (BAG v. 18.4.2007, BAGE 122, 74) – erreicht werden, dass die Bezugnahmeklausel entweder die Tarifverträge des anderen Verbandes, der anderen Gewerkschaft oder die fachlich oder betrieblich geltenden Tarifverträge der dann einschlägigen Branche erfasst (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286). Die vorliegende Klausel orientiert sich weitgehend an der Formulierung, die das BAG mit Urteil v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2013, 267, gebilligt und als geeignet für den Tarifwechsel im Falle eines Betriebsübergangs auf einen anders tarifgebundenen Arbeitgeber angesehen hat. Dazu im Einzelnen Haußmann, DB 2013, 1359. (2) Die Gestaltung von Bezugnahmeklauseln ist allerdings aufgrund der engen Wortlautauslegung des BAG bei dynamischen Klauseln in Verträgen ab dem 1.1.2002 (BAG v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 537; im Einzelnen Fn. 20 sowie Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99 mwN) mit Unsicherheiten behaftet. Für ab diesem Zeitpunkt geschlossene Verträge muss man davon ausgehen, dass auch Tarifwechselklauseln nicht mehr ohne weiteres als Gleichstellungsabrede ausgelegt werden können (dazu Bauer/Haußmann, DB 2005, 2815). Sollen daher künftige Tarifabschlüsse oder -änderungen nach einer Beendigung der Tarifbindung des Arbeitgebers nicht übernommen werden, also der Effekt einer Gleichstellungsabrede erreicht werden, sollte dies auch in Tarifwechselklauseln ausdrücklich geregelt werden (vgl. auch Giesen, NZA 2006, 625, 630; Wisskirchen/Lützeler, AuA 2006, 528, 531). Einen Formulierungsvorschlag enthält Var. 4 Abs. 2 ggf. iVm. Abs. 3. (3) Fehlt die ausdrückliche Vereinbarung, dass nur der jeweils für den Arbeitgeber einschlägige Tarifvertrag gemeint ist, und wird stattdessen ein konkretes Tarifwerk in seiner jeweiligen Fassung in Bezug genommen (BAG v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364 – kleine dynamische Klausel, s. Var. 2), so kann die Verweisung ohne besondere Umstände nicht (mehr) als Tarifwechselklausel ausgelegt werden (Fn. 20 mwN). 27 Gem. BAG (v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359) sind das die Bestimmungen, die von ihrem fachlichen oder betrieblichen Geltungsbereich, den die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit autonom festlegen, den Betrieb oder das Unternehmen, in dem der Arbeitnehmer jeweils tätig ist, erfassen. 28 Damit werden solche Tarifverträge umfasst, die für den Arbeitgeber nicht aufgrund eines Tarifwechsels, sondern aufgrund einer von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages gelten (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286). Wenn die Klausel fehlt, kommt ggf. eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BAG v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA 2015, 943, Rz. 18 ff.; v. 12.12.2012, BB 2013, 1716); einschränkend bei neuen Vergütungsformen im Nachfolgetarifvertrag BAG v. 17.11.2011, NJOZ 2012, 870. 29 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG; ist der Hinweis in den Vertrag aufgenommen, so kommt es auf eine Auslage der Tarifverträge im Betrieb gem. § 8 TVG nicht mehr an (BAG v. 23.1.2002 – 4 AZR 56/01, NZA 2002, 800). Ein vorformulierter Arbeitsvertrag ist auch nicht intransparent, wenn er einen Tarifvertrag nur in Bezug nimmt, ohne dass der Arbeitgeber ihn dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellt oder ohne besondere Schwierigkeiten bereit hält (BAG v. 3.4.2007 – 9 AZR 867/06, NZA 2007, 1045, 1048 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 240798). Die Hinweispflicht besteht auch, wenn der Tarifvertrag nur kraft betrieblicher Übung Anwendung findet; erfüllt der Arbeitgeber seine Nachweispflichten nicht, haftet er dem Arbeitnehmer gem. §§ 286, 284, 249 BGB auf Schadensersatz (BAG v. 17.4.2002 – 5 AZR 89/01, NZA 2002, 1096; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 148). 30 Die ausführlichere Tarifwechselklausel formuliert den Gleichstellungszweck der Bezugnahme auf die Tarifverträge aus (vgl. auch Holthausen, ArbRAktuell 2011, 29; Klebeck, NZA 2006, 15 und auch Lakies,

136

Lingemann

M 2.2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Kap. 2

(1) Im Übrigen sind auf das Arbeitsverhältnis anwendbar die jeweils für den Arbeitgeber kraft Tarifbindung geltenden Tarifverträge und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge31 in ihrer jeweils gültigen Fassung. Ist der Arbeitgeber an mehrere Tarifverträge gebunden, so sind auf das Arbeitsverhältnis anwendbar die Tarifverträge, in deren Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis fällt. Soweit das Arbeitsverhältnis in den Bereich mehrerer konkurrierender Tarifverträge fällt, ist der nach § 4a Abs. 2 TVG im Betrieb anwendbare Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.32 Anwendbar ist nach Auffassung des Arbeitgebers derzeit …33 (2) Diese Abrede bezweckt die Gleichstellung nicht organisierter mit organisierten Arbeitnehmern und ist daher eine Gleichstellungsabrede. Das bedeutet: (a) Sie ersetzt lediglich eine fehlende Tarifbindung auf Seiten des Arbeitnehmers. Einen weiter gehenden Zweck hat die Abrede nicht, insbesondere soll einem nicht organisierten Arbeitnehmer keine weiter gehende Rechtsstellung eingeräumt werden als diejenige, die für einen organisierten Arbeitnehmer nach Tarifrecht gilt. Die Tarifverträge gemäß Abs. 1 finden daher nur solange auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, wie der Arbeitgeber normativ gegenüber organisierten Arbeitnehmern tarifgebunden ist.34

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34

ArbRAktuell 2014, 8; Latzel, RdA 2014, 110). Endet die Tarifbindung, so sollen die Tarifverträge statisch fortgelten. Wird der Arbeitgeber in der Folge wieder tarifgebunden, so soll der dann anzuwendende Tarifvertrag wieder dynamisch gelten. Natürlich besteht ein erhebliches Risiko, dass eine zu detaillierte Klausel als intransparent angesehen wird, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, und deswegen unwirksam ist. Wo genau der Grat zwischen Unangemessenheit und Intransparenz verläuft, ist offen, gerade die Entscheidung des BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 (m. Anm. Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509) macht deutlich, wie schwer diese Grenze einzuschätzen ist. Nach der Entscheidung des BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359, ist jetzt aber geklärt, dass eine Tarifwechselklausel, die idR ja lange vor einem etwaigen Tarifwechsel vereinbart wird, einen solchen Tarifwechsel wirksam herbeiführt, obwohl das BAG eine „andere Abmachung“ iSv. § 4 Abs. 5 TVG vor Eintritt der Nachwirkung nur für zulässig hält, wenn sie „konkret und zeitnah vor dem bevorstehenden Ablauf des Tarifvertrages die sich aufgrund der Nachwirkung ergebende Situation regelt“ (BAG v. 6.7.2011 – 4 AZR 424/09, NZA 2012, 281; v. 20.5.2009, AuR 2009, 212; v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923; vgl. dazu auch Bauer/Günther, NZA 2008, 6). Damit werden solche Tarifverträge erfasst, die für den Arbeitgeber nicht aufgrund eines Tarifwechsels, sondern aufgrund einer von denselben Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages gelten (BAG v. 22.4.2009, NZA 2009, 1286). Wenn die Klausel fehlt, kommt ggf. eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht (BAG v. 12.12.2012, BB 2013, 1716); einschränkend jedoch bei neuen Vergütungsformen im Nachfolgetarifvertrag BAG v. 17.11.2011, NJOZ 2012, 870. Wird auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag verwiesen, muss zur Vermeidung von Intransparenz zudem aufgenommen werden, welcher Tarifvertrag im Falle einer Kollision gelten soll (BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 700/12, NZA 2014, 1097, Rz. 15; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 Rz. 30; krit. Müntefering, NZA 2015, 711 mwN), was vor allem im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung eine Rolle spielt. Nach der Wiedereinführung des Grundsatzes des Tarifeinheit in § 4a TVG ist hier zur Vermeidung des Auseinanderlaufens der vertraglichen und normativen Tarifgeltung die Kollisionsregelung des § 4a TVG aufgenommen, was zT für erforderlich gehalten wird (Hohenstatt/Schuster, ZIP 2016, 6). Schwieriger wird es, wie bei der statischen Bezugnahme (s. Var. 1) einen Tarifvertrag unabhängig von der normativen Geltung festzuschreiben, weil die Klausel dann die gewünschte Dynamik verliert, oder den im Kollisionsfall geltenden Tarifvertrag nach anderen Regeln zu bestimmen (s. dazu zB Var. 4 Satz 2 in der Voraufl.). Für die Gestaltung ist es letztlich ratsam, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Wirksamkeit von § 4a TVG abzuwarten (s. dazu Fn. 20). Welche Gewerkschaft die meisten Mitglieder hat, kann zum einen über die Frage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ermittelt werden (vgl. BAG v. 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, NZA 2015, 306). Daneben besteht nach § 99 ArbGG die Möglichkeit eines gerichtlichen Beschlussverfahrens zur Feststellung des nach § 4a TVG anwendbaren Tarifvertrags. Der Nachweis kann gem. § 58 Abs. 3 TVG auch durch öffentliche Urkunden und damit durch notarielle Tatsachenbescheinigung geführt werden. Formulierungsvorschlag zu Abs. 2 Satz 1–4 zur Klarstellung des Gleichstellungszwecks der Bezugnahmeklausel nach Brachmann/Diepold, AuA 2009, 504, 508.

Lingemann

137

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

M 2.2

(b) Endet die Tarifbindung des Arbeitgebers, finden die Bestimmungen der Tarifverträge mit dem Inhalt Anwendung, den sie bei Ende der Tarifbindung des Arbeitgebers haben; der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Weitergabe künftiger Tarifänderungen; der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer jeweils mitteilen, wenn seine Tarifbindung endet. Dasselbe gilt, wenn der Betrieb durch Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber übergeht. Diese Regelung gilt jeweils so lange, bis für den Arbeitgeber wieder kraft Tarifbindung ein oder mehrere Tarifverträge Anwendung finden; im Fall eines Verbandswechsels des Arbeitgebers, eines Betriebsübergangs oder eines Wechsels der Branche gelten daher die dann für den jeweiligen Arbeitgeber kraft Tarifbindung anwendbaren Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung für das Arbeitsverhältnis und zwar unabhängig davon, ob sie die Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer verbessern oder verschlechtern. Der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer die anwendbaren Tarifverträge jeweils mitteilen. (3) evtl.35 Der Arbeitgeber kann aus wirtschaftlichen Gründen durch schriftliche Erklärung die Anwendung der geltenden Tarifverträge auf die im Zeitpunkt der Erklärung geltende Fassung beschränken; der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Weitergabe zukünftiger Tarifänderungen. (4) evtl.36 Abs. 1–3 gelten nicht, soweit für das Arbeitsverhältnis Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung oder kraft gesetzlicher Anordnung anwendbar sind 6. ff. – Ergänzende Regelungen, soweit sie nicht schon im Tarifvertrag getroffen sind, zB Arbeitsunfähigkeit, Geheimhaltung, Nebentätigkeit, Datenschutz, Schriftformklausel, ggf. Geltung von Betriebsvereinbarungen, vgl. entsprechend M 2.1a. 35 Eine solche Klausel (vgl. Preis/Greiner, NZA 2007, 1073) war bislang noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Sie enthält zusätzlich einen Widerrufsvorbehalt, mit dem der Arbeitgeber gegenüber nicht normativ tarifgebundenen Arbeitnehmern unabhängig von der eigenen Tarifbindung (Abs. 4) die Dynamik des jeweils in Bezug genommenen Tarifvertrags beenden kann; die Wirksamkeit ist jedoch auch hier ungeklärt. Sie gilt nur für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer, denn bei tarifgebundenen kann von einer tariflichen Dynamik nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden, § 4 Abs. 3 TVG. Der Arbeitgeber sollte jedoch genau prüfen, ob eine solche mögliche Schlechterstellung nicht organisierter Arbeitnehmer wirklich gewünscht ist. Ungeklärt ist auch, ob der Klausel die Anforderungen des BAG an einen formularmäßigen Widerrufsvorbehalt entgegenstehen (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 138). Danach müssen die Voraussetzungen und der Gegenstand des Widerrufs konkret im Vertrag genannt sein, so dass der Arbeitnehmer erkennen kann „was auf ihn zukommt“. Eine abschließende Aufzählung der Widerrufsgründe dürfte nicht praktikabel sein. „Wirtschaftliche Gründe“ reichen nicht aus (BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460). Da die Arbeitnehmer aufgrund des Widerrufs jedoch keine Gehaltseinbuße hinnehmen müssen, sondern ihr Gehalt lediglich auf dem Stand zum Zeitpunkt des Widerrufs eingefroren wird, sollten die Anforderungen hier weniger streng sein (dazu Klebeck, NZA 2006, 15; Preis/Greiner, NZA 2007, 1073; Wisskirchen/Lützeler, AuA 2006, 528). 36 S. Fn. 19. Da die Bezugnahmeklausel auch für tarifgebundene Arbeitnehmer konstitutiv gilt, soll diese Klausel die Bezugnahme auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer beschränken und ein „Rosinenpicken“ tarifgebundener Arbeitnehmer vermeiden. Das ist allerdings nur sinnvoll, wenn es überhaupt zu Abweichungen zwischen Bezugnahme und Tarifbindung kommen kann. Die Klausel zeichnet als Gleichstellungsklausel die Tarifbindung nach, ein Unterschied könnte aber bei Anwendung von Abs. 3 entstehen. Alternativ kommt auch die Formulierung in Betracht „Hiervon unberührt bleibt die normative Geltung eines Tarifvertrags, an den der Arbeitnehmer kraft Gewerkschaftsmitgliedschaft oder Allgemeinverbindlichkeit gebunden ist. Ist der Arbeitnehmer an einen anderen als den nach obigen Grundsätzen bestimmten Tarifvertrag normativ gebunden, findet der für den Arbeitnehmer günstigere Tarifvertag Anwendung (§ 4 Abs. 3 TVG).“ (so der Vorschlag von Willemsen/Mehrens, NZA 2010, 1313, 1315, die damit die Bezugnahmeklausel für alle Arbeitnehmer anwenden und die Differenzierung über das Günstigkeitsprinzip vornehmen).

138 Lingemann

M 2.3

M 2.3

Kap. 2

Verträge mit gewerblichen Arbeitnehmern (Arbeitern)

Arbeitsvertrag mit einem gewerblichen Arbeitnehmer (Arbeiter) mit teilweiser Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen §§ 1 ff. (Beginn des Arbeitsverhältnisses usw. s. M 2.1a) § … Bezugnahme auf Tarifvertrag1

(Var. 1) Die Ansprüche auf Urlaub, zusätzliches Urlaubsgeld und Urlaubsabgeltung richten sich nach dem Urlaubsabkommen der … – Industrie … Im Übrigen gelten keine tarifvertraglichen Bestimmungen.2 oder (Var. 2) Die Arbeitszeit richtet sich nach den §§ … des Manteltarifvertrages der … Industrie in seiner jeweiligen Fassung. Im Übrigen gelten keine tarifvertraglichen Bestimmungen. (evtl. ergänzen gemäß M 2.2, Var. 2 zu Ziff. 5) oder (Var. 3) Die Ansprüche auf … richten sich nach den für den Betrieb des Arbeitgebers, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung. Derzeit sind dies die Tarifverträge der …-Industrie …3 (evtl. ergänzen gemäß M 2.2, Var. 4 zu Ziff. 5)

§§ … (weitere nicht von der Bezugnahme erfasste Regelungen, s. M 2.1a) 1 (1) Soweit keine Tarifbindung besteht (vgl. im Einzelnen Rz. 152 f.), können die Vertragsparteien die Arbeitsbedingungen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen frei vereinbaren. Dabei kommt sowohl die vollständige Inbezugnahme eines Tarifvertrages (hier: Urlaubsabkommen) als Auffangregelung in Betracht (Var. 1) als auch die bloße Bezugnahme auf einzelne tarifvertragliche Regelungen (Var. 2 und 3). (2) Eine solche Teilbezugnahme ist nicht überraschend (BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1989. Insbesondere bei tariflichen Kündigungsfristen, § 622 Abs. 3 Satz 2 BGB, tariflichen Berechnungsvorschriften für die Krankenvergütung, § 4 Abs. 4 EFZG, tariflichen Urlaubsregelungen gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG und bei Arbeitszeitregelungen, §§ 7 und 12 ArbZG oder bei der Vergütung (BAG v. 21.11.2012, NZA 2013, 512), bietet sich eine Bezugnahme auf einzelne Bestandteile eines Tarifvertrages an (vgl. auch Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 154 f.). In Betracht kommt auch eine pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag bei gleichzeitiger abweichender Regelung einzelner Bestimmungen; diese haben dann Vorrang vor der tariflichen Regelung (BAG v. 20.1.2015, NZA-RR 2015, 399; Anm. Günther, ArbRAktuell 2015, 315). (3) Allerdings gilt das Tarifprivileg der §§ 307 Abs. 3, 310 Abs. 4 Satz 3 BGB wohl nur für die vollständige Inbezugnahme des einschlägigen Tarifvertrages oder eines in sich geschlossenen Regelungssystems des einschlägigen Tarifvertrages im Arbeitsvertrag (BAG v. 6.5.2009, NZA-RR 2009, 593); werden hingegen nur einzelne tarifvertragliche Regelungen übernommen, so findet eine Inhaltskontrolle statt (vgl. Rz. 98 ff.). Auch muss bei der vollständigen Inbezugnahme eines einschlägigen Tarifvertrages mit Altersbefristung nicht die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG eingehalten werden, bei einer nur teilweisen Inbezugnahme hingegen schon, BAG v. 23.7.2014 – 7 AZR 771/12, NZA 2014, 1341. Vorschläge und Erläuterungen für Bezugnahmeklauseln finden sich in M 2.2 Ziff. 5. 2 Je nachdem, welche Wirkung mit der Bezugnahmeklausel erzielt werden soll, sollte diese entsprechend klar und ggf. einschränkend formuliert werden. Soll etwa nur auf die Urlaubsdauer verwiesen werden, muss das ausdrücklich so aufgenommen werden. Die Bezugnahme auf die tariflichen Regelungen für den „Urlaub“ ist als Bezugnahme auf den gesamten Regelungskomplex einschließlich eines zusätzlichen tariflichen Urlaubsgeldes zu verstehen (BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923, 926). 3 Weitere Formulierungsbeispiele in Ziff. 5 zu M 2.2. Will man den Effekt der früheren BAG-Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede erreichen, muss ein entsprechender Zusatz in die Klausel aufgenommen werden (vgl. M 2.2 Ziff. 5, Var. 2 Abs. 1 m. Anm.). In BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2013, 267; Haußmann, DB 2013, 1359, wurde zusammen mit einer Tarifwechselklau-

Lingemann

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Kap. 3 Rz. 1

Verträge mit Angestellten

sel gem. M 2.2 Ziff. 5 Var. 3 geregelt: „Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen“.

Kapitel 3 I. Einführung 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angestellte und leitende Angestellte . . . . a) Leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Syndikusanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Verträge mit Angestellten

_ _ _ _ _ 1 2 3 5 8

II. Muster Ausführlicher Anstellungsvertrag mit einem Angestellten ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anstellungsvertrag mit einem Angestellten mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . Anstellungsvertrag mit einem leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anstellungsvertrag mit einem Syndikusanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _

. .M . 3.1 . .M . 3.2 . .M . 3.3 . .M . 3.4

Literatur: Zu leitenden Angestellten: S. die Literaturübersicht zu Kap. 2; ergänzend: Bauer/Krieger, Bezugnahmeklausel und Statusveränderung – Alterssicherung für leitende Angestellte?, NZA 2004, 464; Blanke/ Weike, AT-Angestellte, 2. Aufl. 2012; Deich, Die Führungskraft zwischen den Stühlen, AuA 2006, 464; Faltermeier, Der Auflösungsantrag bei leitenden Angestellten, Der Syndikus 29, 15; Fuhlrott, Die rechtliche Stellung leitender Angestellter, ArbRAktuell 2011, 55; Kaiser, Leitende Angestellte, AR-Blattei SD 70.2; Kleinebrink, Besonderheiten bei der Beschäftigung von Prokuristen, ArbRB 2012, 90; Melot de Beauregard/Baur, Die Haftung des leitenden Angestellten, DB 2016, 1754; Zöll, Vorsicht Führungskraft!, AuA 2015, 202. Zum Anstellungsvertrag allgemein: S. die Literaturübersicht zu Kap. 2; ergänzend: Gennen, Auswirkungen der Reform des Arbeitnehmererfinderrechts, ArbRB 2011, 86; Hunold, Außertarifliche Angestellte: Gehalt, Arbeitszeit, Betriebsrat, NZA-RR 2010, 505; Lingemann/Winkel, Der Anstellungsvertrag des Rechtsanwaltes, NJW 2009, 343, 483, 817, 966, 1574 und 2195.

I. Einführung 1. Grundsätzliches 1

Zur Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten verweisen wir auf die Erläuterungen zu Kap. 2. Die unterschiedliche Art der Tätigkeit von Angestellten und die Nähe zur Unternehmensführung führt oft zu einer größeren Freiheit bei der Lage der Arbeitszeit und zu einem monatlichen Gehalt anstelle von Stundenlohn. Die flexiblere Art der Tätigkeit und die umfassendere Kenntnis des Know-hows des Unternehmens bedingen Regelungen zur Verschwiegenheit, ggf. zu Erfindungen und Urheberrechten sowie zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Häufig werden die vertraglichen Kündigungsfristen großzügiger bemessen. 2. Angestellte und leitende Angestellte

2

Innerhalb der Gruppe der Angestellten unterscheidet man insbesondere zwischen (einfachen) Angestellten und leitenden Angestellten. Im Gegensatz zu Organmitgliedern sind leitende Angestellte auch Arbeitnehmer, für die jedoch zahlreiche Sondervorschriften1 gelten. Der Begriff 1 Vgl. Fuhlrott, ArbRAktuell 2011, 55.

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Kap. 3 Rz. 1

Verträge mit Angestellten

sel gem. M 2.2 Ziff. 5 Var. 3 geregelt: „Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen“.

Kapitel 3 I. Einführung 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angestellte und leitende Angestellte . . . . a) Leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Syndikusanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Verträge mit Angestellten

_ _ _ _ _ 1 2 3 5 8

II. Muster Ausführlicher Anstellungsvertrag mit einem Angestellten ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anstellungsvertrag mit einem Angestellten mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . Anstellungsvertrag mit einem leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anstellungsvertrag mit einem Syndikusanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. .M . 3.1 . .M . 3.2 . .M . 3.3 . .M . 3.4

Literatur: Zu leitenden Angestellten: S. die Literaturübersicht zu Kap. 2; ergänzend: Bauer/Krieger, Bezugnahmeklausel und Statusveränderung – Alterssicherung für leitende Angestellte?, NZA 2004, 464; Blanke/ Weike, AT-Angestellte, 2. Aufl. 2012; Deich, Die Führungskraft zwischen den Stühlen, AuA 2006, 464; Faltermeier, Der Auflösungsantrag bei leitenden Angestellten, Der Syndikus 29, 15; Fuhlrott, Die rechtliche Stellung leitender Angestellter, ArbRAktuell 2011, 55; Kaiser, Leitende Angestellte, AR-Blattei SD 70.2; Kleinebrink, Besonderheiten bei der Beschäftigung von Prokuristen, ArbRB 2012, 90; Melot de Beauregard/Baur, Die Haftung des leitenden Angestellten, DB 2016, 1754; Zöll, Vorsicht Führungskraft!, AuA 2015, 202. Zum Anstellungsvertrag allgemein: S. die Literaturübersicht zu Kap. 2; ergänzend: Gennen, Auswirkungen der Reform des Arbeitnehmererfinderrechts, ArbRB 2011, 86; Hunold, Außertarifliche Angestellte: Gehalt, Arbeitszeit, Betriebsrat, NZA-RR 2010, 505; Lingemann/Winkel, Der Anstellungsvertrag des Rechtsanwaltes, NJW 2009, 343, 483, 817, 966, 1574 und 2195.

I. Einführung 1. Grundsätzliches 1

Zur Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten verweisen wir auf die Erläuterungen zu Kap. 2. Die unterschiedliche Art der Tätigkeit von Angestellten und die Nähe zur Unternehmensführung führt oft zu einer größeren Freiheit bei der Lage der Arbeitszeit und zu einem monatlichen Gehalt anstelle von Stundenlohn. Die flexiblere Art der Tätigkeit und die umfassendere Kenntnis des Know-hows des Unternehmens bedingen Regelungen zur Verschwiegenheit, ggf. zu Erfindungen und Urheberrechten sowie zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Häufig werden die vertraglichen Kündigungsfristen großzügiger bemessen. 2. Angestellte und leitende Angestellte

2

Innerhalb der Gruppe der Angestellten unterscheidet man insbesondere zwischen (einfachen) Angestellten und leitenden Angestellten. Im Gegensatz zu Organmitgliedern sind leitende Angestellte auch Arbeitnehmer, für die jedoch zahlreiche Sondervorschriften1 gelten. Der Begriff 1 Vgl. Fuhlrott, ArbRAktuell 2011, 55.

140 Lingemann

Verträge mit Angestellten

Rz. 3 Kap. 3

der leitenden Angestellten wird von den Sondervorschriften je nach ihrem Zweck unterschiedlich definiert. a) Leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG Nach § 5 Abs. 3 BetrVG gilt das BetrVG nicht für leitende Angestellte.2 Auch § 1 SprAuG und § 3 MitbestG verweisen auf diese Definition. § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG sind zwingend, eine vertragliche Bestimmung, nach der der Arbeitnehmer leitender Angestellter ist, wäre also nicht konstitutiv.3 Die Zuordnung kann im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geklärt werden4 sowie speziell für die Beteiligung an den Wahlen zum Betriebsrat bzw. Sprecherausschuss durch § 18a BetrVG. Leitende Angestellte nehmen unter eigener Verantwortung typische Unternehmerfunktionen mit einem eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum wahr. Kennzeichnend für den leitenden Angestellten ist gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG – die arbeitsvertraglich oder aufgrund der Stellung im Unternehmen vermittelte Berechtigung zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern. Die Berechtigung muss im Innenverhältnis zum Arbeitgeber bestehen und sich auf Einstellung und Entlassung (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG) beziehen. Die Personalverantwortung muss zudem von erheblicher unternehmerischer Bedeutung sein.5 Diese kann sich aus der Zahl der betreffenden Arbeitnehmer oder aus der Bedeutung von deren Tätigkeit für das Unternehmen ergeben. Die Ausübung der Personalkompetenz darf namentlich nicht von der Zustimmung einer anderen Person abhängig sein. Allerdings liegt keine Beschränkung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis vor, wenn der Angestellte lediglich Richtlinien oder Budgets zu beachten hat oder eine zweite Unterschrift einholen muss.6 – eine Generalvollmacht oder eine im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutende Prokura (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG). Gesamtprokura (§ 48 Abs. 2 HGB) oder Niederlassungsprokura (§ 50 Abs. 3 HGB) schaden nicht; „nicht unbedeutend“ ist die Prokura allerdings nur, wenn die Aufgaben den in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG umschriebenen Leitungsfunktionen (dazu sogleich) entsprechen7 und die Prokura für diese Aufgaben sachliche Bedeutung hat.8 – die Wahrnehmung sonstiger Aufgaben, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind (§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG). Entscheidend ist, dass der Angestellte unternehmerische Leitungsaufgaben im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Sofern ihm rechtlich und tatsächlich ein eigener erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht, reicht es auch aus, wenn er aufgrund seiner Position Entscheidungen so vorbereiten kann, dass die Entscheidungsträger an den Vorschlägen nicht vorbeigehen können.9 Derartige Aufgaben muss er regelmäßig, also nicht nur zur Vertretung, übernehmen. 2 Vgl. auch Fuhlrott, ArbRAktuell 2011, 55. 3 BAG v. 16.4.2002, NZA 2003, 56. Zulässig und verfassungskonform ist aber die in § 45 Satz 2 WPO unwiderleglich angeordnete Geltung der Bereichsausnahme für Wirtschaftsprüfer mit Prokura, BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10, NJW 2012, 873, 874 f. Zu angestellten Rechtsanwälten vgl. BAG v. 29.6.2011, NZA-RR 2011, 647 m. Anm. Reckin, AnwBl 2012, 461. 4 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 15/10, NJW 2012, 873 m. Anm. Reckin, AnwBl 2012, 461. 5 BAG v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/08, NZA 2009, 1296, 1298. 6 BAG v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/08, NZA 2009, 1296, 1298; v. 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, DB 2008, 590; v. 16.4.2002, NZA 2003, 56. 7 BAG v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/08, DB 2009, 1825; v. 11.1.1995 – 7 ABR 33/94, NZA 1995, 747; vgl. auch Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 92. 8 BAG v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/08, NZA 2009, 1296, 1297. 9 BT-Drucks. 11/2503, S. 30; BAG v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/08, DB 2009, 1825; v. 11.1.1995 – 7 ABR 33/ 94, NZA 1995, 747; vgl. auch Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 92.

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Kap. 3 Rz. 4 4

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Nur wenn das Ergebnis nach diesen Kriterien immer noch zweifelhaft ist, gibt § 5 Abs. 4 BetrVG eine Entscheidungshilfe. Danach ist leitender Angestellter im Zweifel, wer – aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrates, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 BetrVG), oder – einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind (§ 5 Abs. 4 Nr. 2 BetrVG), oder – ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist (§ 5 Abs. 4 Nr. 3 BetrVG), oder – falls auch bei der Anwendung von Nr. 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet (§ 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG). b) Leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG

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Während größere Unternehmen durchaus leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3, 4 BetrVG haben, sind leitende Angestellte nach §§ 14 Abs. 2, 17 Abs. 5 KSchG10 selten. Zwar gilt auch für diese leitenden Angestellten das KSchG, jedoch bedarf ein Antrag des Arbeitgebers auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 KSchG keiner Begründung, der Arbeitgeber kann sich also von einem leitenden Angestellten iSd. § 14 Abs. 2 KSchG im Kündigungsschutzprozess ohne Begründung trennen, wenn auch gegen Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung. Darüber hinaus hat der leitende Angestellte nicht die – praktisch wenig bedeutsame – Möglichkeit, gegen die Kündigung gemäß § 3 KSchG Einspruch beim Betriebsrat einzulegen; auch die Regelungen zu Massenentlassungen gelten für ihn nicht (§ 17 Abs. 5 Nr. 3 KSchG).

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Zentrales Merkmal eines leitenden Angestellten nach § 14 Abs. 2 KSchG ist die Befugnis zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern. Allein die vertragliche Befugnis reicht aber nicht aus, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt worden ist.11 Die Befugnis muss nicht nur im Außenverhältnis, sondern auch im Innenverhältnis uneingeschränkt bestehen,12 wobei es ausreicht, dass sie die Einstellung oder die Entlassung betrifft.13 Obwohl die Voraussetzungen insoweit weiter sind als nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG, finden sich leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG nur sehr selten, da leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG auch regelmäßig nicht nach dessen Nr. 1, sondern nach den Nummern 2 und 3 definiert werden.

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Daneben gilt für leitende Angestellte das ArbZG nicht, § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG. 3. Syndikusanwälte

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Im Unternehmen angestellte Juristen werden traditionell als „Syndikus“ bzw. „Syndika“ bezeichnet. Die gesetzliche Regelung beschränkte sich jahrzehntelang auf ein gerichtliches Vertretungsverbot (§ 46 BRAO aF), wonach der angestellte Jurist, auch wenn er sich im Nebenberuf als Anwalt zugelassen hatte, den eigenen Arbeitgeber nicht vor Gericht vertreten durfte. Von Bedeutung für den Syndikus war vor allem § 6 SGB VI. Danach konnte sich der Syn10 Vgl. auch Lingemann, Kündigungsschutz, S. 28 ff.; Fuhlrott, ArbRAktuell 2011, 55. 11 BAG v. 14.4.2011 – 2 AZR 167/10, DB 2011, 2496; v. 10.10.2002, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; vgl. auch Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 93. 12 BAG v. 14.4.2011 – 2 AZR 167/10, DB 2011, 2496; v. 18.10.2000 – 2 AZR 465/99, NZA 2001, 437. 13 BAG v. 27.9.2001, BB 2002, 2131; v. 10.10.2002, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122.

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Rz. 8 Kap. 3

dikus, der sich im Nebenberuf als „Feierabendanwalt“ zugelassen hatte und deshalb in den Versorgungswerken der Anwaltschaft versicherungspflichtig war, von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen. Dieser Befreiungspraxis machte dann jedoch das Bundessozialgericht mit mehreren Urteilen vom 3.4.201414 ein Ende und entschied, dass unabhängig von der Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 SGB VI für das Anstellungsverhältnis mit dem Unternehmen nicht in Betracht komme. Der Gesetzgeber nahm dies zum Anlass, das Berufsrecht des Syndikusanwalts erstmals gesetzlich zu regeln und in diesem Zusammenhang wieder die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung zu ermöglichen.15 Diese Befreiung, die für die Betroffenen große wirtschaftliche und psychologische Bedeutung hat, setzt allerdings voraus, dass der Anstellungsvertrag in bestimmten Umfang Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit einräumt. Zugleich stellen sich bei Syndikusanwälten schwierige Fragen bezüglich Haftung, Haftpflichtversicherung und Versetzung, s. im Einzelnen M 3.4. 14 BSG v. 3.4.2014 – B 5 RE 13/14 R, BSGE 115, 267 = NZA 2014, 971; v. 3.4.2014 – B 5 RE 9/14 R, WM 2014, 1883 und B 5 RE 3/14 R, ArbuR 2014, 476. 15 Mit Gesetz v. 21.12.2015, BGBl. I 2015, 2517.

II. Muster M 3.1

Ausführlicher Anstellungsvertrag mit einem Angestellten ohne Bezugnahme auf Tarifvertrag

Zwischen der X-AG (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau …1 wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Art und Ort der Tätigkeit2 (1) Herr/Frau … wird ab … als … in … eingestellt. (2) Der Arbeitgeber behält sich unter Wahrung der Interessen von Herrn/Frau … die Zuweisung eines anderen gleichwertigen Arbeitsgebietes vor.3 Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgabenbereiche.

§ 2 Arbeitszeit,4 Kurzarbeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ohne Pausen … Stunden wöchentlich.5 1 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NachwG. 2 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 und 5 NachwG. 3 Weitere Formulierungsvorschläge sowie Einzelheiten zur Versetzungsklausel Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ und „Änderungsklausel“, Rz. 129, 82a ff. sowie unter M 2.1a Ziff. 1. Die Versetzungsklausel verliert allerdings umso mehr an Bedeutung, je länger der Angestellte unverändert eine Tätigkeit erbracht hat; hat sich dadurch seine Vertragspflicht auf die Tätigkeit „konkretisiert“, so ist es ratsam, neben der Versetzung eine hilfsweise Änderungskündigung auszusprechen (dazu näher unten Kap. 19 und 20 sowie M 19.1). 4 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG. 5 Zu Einzelheiten der Arbeitszeit und alternativen Formulierungen vgl. oben M 2.1a, Anm. zu § 3. Zur Lage der Arbeitszeit hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht, § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, sofern ein kollektiver Tatbestand vorliegt.

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

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(2) Herr/Frau … wird seine/ihre ganze Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers einsetzen.6 Er/Sie ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden bis zu … Stunden/ Monat zu leisten, höchstens jedoch in gesetzlich zulässigem Umfang. Darüber hinaus ist er/sie verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten.7 (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III). Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in § 3 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit.8

§ 3 Vergütung9 (1) Herr/Frau … erhält eine am Monatsende zahlbare Bruttovergütung von Euro …/Monat. Im Falle von Tariferhöhungen oder -ermäßigungen erhöht oder ermäßigt sich die Bruttovergütung um den Prozentsatz, um den sich das Tarifgehalt der Gehaltsgruppe … für Angestellte des … Tarifvertrages verändert.10 Oder (Var. 1) (2) Mit dieser Vergütung sind Mehrarbeits- und Überstunden bis zum Umfang von § 2 Abs. 211 abgegolten, jedoch begrenzt auf 25 %12 der Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 1.13 Darüber hinausgehende Mehrarbeits- und Überstunden sind durch Freizeit auszugleichen.14 6 Es ist zweifelhaft, ob diese Klausel allein schon ein Nebentätigkeitsverbot enthält. Es sollte daher gesondert geregelt werden (dazu § 6). 7 Vgl. M 2.1a Ziff. 4, Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale“, Rz. 112. 8 Zu dieser Kurzarbeitsklausel s. im Einzelnen Anm. zu M 2.1a Ziff. 3 (2) sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a. 9 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG; weitere Formulierungsbeispiele und Hinweise s. Kap. 12. 10 Wertsicherungsklauseln sind gem. § 1 Abs. 1 PrKG grundsätzlich unzulässig. Zulässig sind Gehalts- und Lohngleitklauseln, die an Tarifgehälter gekoppelt werden („Spannungsklauseln“, § 3 (1) Satz 2 des Musters), vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG. 11 Bis zu welchem Anteil Überstunden pauschal abgegolten werden können, ist umstritten. Wir gehen hier von einer Obergrenze von 25 % der vereinbarten Arbeitszeit aus. Sofern diese schon mit der Obergrenze in § 2 Abs. 2 nicht überschritten wird, bedarf es in § 3 Abs. 2 dieser Einschränkung nicht mehr; Einzelheiten bei Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“, Rz. 118. 12 Die Regelung korrespondiert mit § 2 Abs. 2. Die Pauschalabgeltungsklausel ist unwirksam, wenn der Angestellte nur eine tarifliche Vergütung oder Mindestlohn erhält. In Formulararbeitsverträgen – Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“, Rz. 118 – sollte entweder die Anzahl der pauschal abgegoltenen Überstunden – wie hier in Var. 1 und 2 – beschränkt oder ausdrücklich eine Pauschale für die Abgeltung üblicherweise zu erwartender Überstunden vorgesehen werden (Var. 3). Es reicht für die Transparenz der Regelung dabei aus, wenn der Arbeitnehmer weiß, was ggf. „auf ihn zukommt“ und wie viel er maximal für seine Vergütung arbeiten muss (BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 m. Anm. Bauer/Arnold/Willemsen, NZA 2012, 908). Es reicht daher im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, wenn die Zahl der zu leistenden Überstunden begrenzt ist (für leitende Angestellte vgl. M 3.3 § 3 Abs. 3). 13 Nicht geklärt ist, ob eine weitere Einschränkung aufzunehmen ist, nach der durch die Pauschalabgeltung der Mindestlohn nicht unterschritten werden darf. UE bedarf es dieser Einschränkung nicht, denn der Arbeitgeber muss ohnehin die Pauschalierung so berechnen, dass dadurch der Mindestlohn nicht unterschritten wird. Denkbar wäre eine Klausel „Die Abgeltung greift nicht, soweit dadurch der Anspruch auf gesetzliches Mindestentgelt unterschritten wird“. Diese wäre zwar eine geltungserhaltende Reduktion, die uE aber in § 3 MiLoG angelegt ist, denn danach ist eine Vereinbarung nach § 3 MiLoG nur „insoweit“ unwirksam ist, wie der Mindestlohn unterschritten wird, vgl. dazu Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“ Rz. 118 sowie M 2.1a, § 5 (2) Var. 3 m Anm. 14 Bei der Entscheidung des Arbeitgebers darüber, ob ein Ausgleich für Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG durch bezahlte freie Tage oder durch Entgeltzuschlag zu gewähren ist, hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen. Die Zahl der freien Tage und die Höhe des Zu-

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Verträge mit Angestellten

Kap. 3

(Var. 2) (2) Mit der vereinbarten Bruttovergütung sind bis zu … Mehrarbeits- und Überstunden monatlich abgegolten.15 Darüber hinausgehende Mehrarbeits- und Überstunden sind durch Freizeit auszugleichen. (Var. 3) (2) Zur Abgeltung der Mehrarbeits- und Überstunden gemäß § 2 Abs. 2 erhält Herr/Frau … eine monatliche Pauschale in Höhe von Euro …16 (3) Die Pauschalabgeltung gemäß Abs. 2 kann von dem Arbeitgeber mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende widerrufen und die Ablösung durch eine Einzelabrechnung verlangt werden.17

§ 4 Sonstige Leistungen18 (1) Leistet der Arbeitgeber eine Weihnachtsgratifikation,19 geschieht dies freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten vorbehaltlosen Leistung ein Rechtsanspruch nur auf die jeweils erhaltenen Leistungen entsteht und kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird. Der Arbeitgeber behält sich vor, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine solche

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schlags sind hingegen eine Frage der Billigkeit. Da der Arbeitgeber insoweit rechtlich gebunden ist, besteht hier kein Mitbestimmungsrecht (BAG v. 26.4.2005 – 1 ABR 1/04, NZA 2005, 884, 887; v. 26.8.1997 – 1 ABR 16/97, NZA 1998, 441). BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 hält eine solche Klausel für wirksam, wobei der konkrete Fall eine Pauschalabgeltung von 20 Stunden pro Monat vorsah. Allerdings wurde nur die isolierte Pauschalabgeltung geprüft, nicht aber eine etwaige Anordnungsbefugnis. Möglicherweise wird bei einer Kombination von Anordnungsbefugnis und Pauschalabgeltung auch die Abgeltungsklausel kontrollfähig (vgl. Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986, die dies im Ergebnis ablehnen). UE sollte man in jedem Fall darauf achten, Anordnungsbefugnis und Abgeltungsklausel so zu trennen, dass bei einer unwirksamen Anordnungsbefugnis zumindest die Pauschalabgeltung im Wege des blue-pencil-tests bestehen bleiben kann, falls man nicht insgesamt auf die Anordnungsbefugnis verzichten will (vgl. zu dieser Möglichkeit Bauer/Arnold/Willemsen, DB 2012, 1986). Hinsichtlich der Anzahl der maximal pauschaliert abzugeltenden Überstunden kommt es jeweils auf den Einzelfall an, da eine Pauschalabgeltungsklausel die Vergütung des Arbeitnehmers senkt und er – je nach Branche und Gehalt – somit in den sittenwidrigen Bereich geraten kann, falls das Gehalt 2/3 des tarifüblichen Gehalts in dem Wirtschaftszweig unterschreitet (BAG v. 17.10.2012, EzA-SD 2013, Nr. 4, 8–10). Auch der gesetzliche Mindestlohn darf nicht unterschritten werden, dazu Var 1 m. Anm. Zur Pauschalabgelung s. Var 1 m. Anm. Ohne diese Klausel wäre eine Änderung von der Pauschalvergütung zur „Spitzabrechnung“ wohl nur durch Änderungskündigung zulässig (BAG v. 23.11.2000 – 2 AZR 547/99, NZA 2001, 492; Kleinebrink, ArbRB 2006, 21, 24). Ob diese Regelung allerdings der AGB-Kontrolle, insbesondere den Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt (s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.), standhält, ist offen. Vgl. im Einzelnen Kap. 12 Rz. 26 ff. und M 12.15.1 ff. mit weiteren Formulierungsbeispielen und Hinweisen. Die früher übliche Formulierung „Der Arbeitnehmer erhält“ sieht das BAG mittlerweile als anspruchsbegründend an, ein gleichzeitig vereinbarter Freiwilligkeitsvorbehalt, soweit er überhaupt noch wirksam wäre, stehe dazu im Widerspruch und sei daher intransparent und somit unwirksam (BAG v. 7.6.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234, 1236; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, eingehend dazu Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509). Zu weiteren Formulierungen, die anspruchsbegründend sein sollen und Einzelheiten Kap. 2, AGB-Kontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff., insbesondere Rz. 105b. Dasselbe gilt, wenn die Höhe der Leistung genau bestimmt ist; auch von der Angabe der Höhe ist daher abzuraten (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203; v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684). Auch ob die hier vorgeschlagene Klausel einer AGB-Kontrolle durch das BAG standhalten wird, kann nicht mit Sicherheit abgesehen werden. In der Entscheidung des BAG v. 30.7.2008 heißt es in Rz. 28 wörtlich: „Mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbundene Sonderzahlungen werden oft jahrelang geleistet“. Das Verb „leisten“ führt demnach wohl nicht zur Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts. Auch hier besteht aber Unsicherheit. Dem Arbeitgeber ist in jedem Falle dringend zu raten, den Freiwilligkeitsvorbehalt bei jeder Zahlung erneut zu erklären.

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

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Gratifikation geleistet wird. Dies gilt nicht für Leistungen, die auf einer individuellen Vertragsabrede mit dem Arbeitnehmer im Sinne des § 305b BGB beruhen.20 (2) Herr/Frau … erhält21 vermögenswirksame Leistungen nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz in Höhe von monatlich Euro …, sofern er/sie einen entsprechenden Vertrag nachweist. (3) Herr/Frau … erhält22 zusätzlich zur Vergütung einen Zuschuss zu seinen/ihren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr bis zur Höhe von Euro … pro Monat, sofern er/sie entsprechende Aufwendungen nachweist.23 Der Arbeitgeber behält sich vor, den Zuschuss bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens für die Zukunft zu widerrufen.24 Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind insbesondere25 ein Umsatzrückgang um … %. 20 Diese Formulierung ist angelehnt an Preis/Sagan, NZA 2012, 697 im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten (BAG 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rz. 52; v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; dazu Bauer/von Medem, NZA 2012, 894; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400), derzufolge nicht nur darauf zu achten ist, dass der Vorbehalt transparent formuliert ist, sondern auch, dass nur Sonderzahlungen erfasst werden, und der Vorrang der Individualabrede zu beachten ist. Auch ist dem Arbeitgeber dringend zu raten, bei jeder zusätzlichen Leistung nochmals ausdrücklich zu erklären, dass diese einmalig ist und freiwillig erfolgt, ohne einen Rechtsanspruch für die Zukunft zu begründen; vgl. auch Hromadka, DB 2012, 1037; Hunold, DB 2012, 1096; Lingemann/Otto, NZA 2015, 65. Wie eine rechtssichere Formulierung im Arbeitsvertrag aussieht, ist allerdings mehr denn je ungeklärt. Wird aber im Arbeitsvertrag zB bei unwirksamem Freiwilligkeitsvorbehalt ein Anspruch begründet, so ändert daran auch ein bei jeder Zahlung ausgesprochener Freiwilligkeitsvorbehalt nichts, denn dieser würde nur eine betriebliche Übung verhindern, nicht aber einen im Arbeitsvertrag begründeten Anspruch beseitigen (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203). Angesichts der Unsicherheit darüber, wie ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt ausgestaltet sein muss, kann es ratsam sein, im Vertrag die freiwillige Leistung und damit den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu regeln und stattdessen bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu erklären. Zum Freiwilligkeitsvorbehalt bei der Erbringung der Leistung selbst kann als Orientierung BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535 dienen: Die Klausel lautete: „Wir freuen uns, Ihnen für das Jahr 2001 eine Sonderzahlung in Höhe von Euro 25 000,– zukommen zu lassen. Die Auszahlung erfolgt mit dem Gehalt für April 2002. Diese Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Ansprüche aus. Wir danken Ihnen für Ihre bisherige Arbeit und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in unserem Hause.“ 21 Hier handelt es sich um einen Anspruch wegen des Begriffes „erhält“, die Leistung kann daher nicht gleichzeitig unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, sondern nur unter Widerrufsvorbehalt, Kap. 2 „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff., 105b; „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 22 Auch hier handelt es sich um einen Anspruch wegen der Begriffes „erhält“, die Leistung kann daher nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, sondern nur unter Widerrufsvorbehalt, Kap. 2 „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff., 105b; „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 23 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind Teil der privaten Lebensführung und daher vom Arbeitnehmer zu tragen (BAG v. 28.8.1991 – 7 ABR 46/90, DB 1991, 2594). Gewährt der Arbeitgeber Fahrtkostenzuschüsse, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zwar nicht bei der Frage, ob ein solcher Zuschuss eingeführt wird, wohl aber bei der Verteilung (BAG v. 9.7.1985 – 1 AZR 631/80, DB 1986, 230). Ein Initiativrecht des Betriebsrats besteht nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zu beachten. Praxistipp: Steuerfrei sind nach Maßgabe von § 3 Nr. 32 EStG die Kosten der Sammelbeförderung. Soweit Fahrtkostenersatz nicht steuerbefreit ist, kommt noch eine Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mit (zzt.) 15 % in Betracht. 24 Sofern die Leistung – wie hier – als Anspruch gewährt wird, kann sie nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden. Auch die Erklärung der Freiwilligkeit bei jeder Zahlung stünde wohl im Widerspruch zu einer solchen vertraglichen Formulierung. Sie könnte aber unter Widerrufsvorbehalt gestellt werden. Satz 2 enthält den Vorschlag für einen Widerrufsvorbehalt beschränkt auf wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens. Denkbar, hier aber uE nicht passend, wären auch Gründe in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers, Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff., weitere Formulierungsvorschläge s. M 12.15.2. 25 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009,

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Verträge mit Angestellten

Kap. 3

§ 5 Verschwiegenheitspflicht26 (1) Herr/Frau … ist verpflichtet, während des Arbeitsverhältnisses und nach seiner Beendigung27 über alle nicht allgemein bekannten geschäftlichen Angelegenheiten28 [alternativ:] über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse29 sowohl gegenüber Außenstehenden als auch gegenüber anderen Mitarbeitern, die mit dem betreffenden Sachgebiet nicht unmittelbar befasst sind, Verschwiegenheit zu wahren.30 Herr/Frau … verpflichtet sich ferner, Anweisungen der Geschäftsleitung zur Geheimhaltung zu erfüllen und im Zweifelsfall eine Weisung der Geschäftsleitung zur Vertraulichkeit bestimmter Tatsachen einzuholen. (2) Sollte die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht Herrn/Frau … in seinem/ihrem beruflichen Fortkommen unangemessen behindern, hat er/sie gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von dieser Pflicht.31

§ 6 Nebentätigkeit32 (1) Die Aufnahme einer anderweitigen entgeltlichen Tätigkeit ist Herrn/Frau … nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Arbeitgebers gestattet. Hat Herr/Frau … dem Arbeitgeber schriftlich

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310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). Die EU-Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geheimnisschutzrichtlinie) RL 2016/943/EU v. 8.6.2016 erfordert, dass Arbeitgeber in angemessener Weise Vorsorge gegen Geheimnisverletzungen schaffen, anderenfalls besteht zumindest die Gefahr, dass sie sich nicht mehr auf Geheimnisschutz berufen können, Einzelheiten bei Bissels/Schroeder/Ziegelmayer, DB 2016, 2295. Die Schweigepflicht über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse besteht – jedenfalls sofern es ausdrücklich geregelt ist, s. vorhergehende Fußnote – auch nach rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200). Der Schutz des § 17 UWG ist auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beschränkt, die vereinbarte Verschwiegenheitspflicht kann weiter gehen (MünchArbR/Reichold, § 48 Rz. 33, 38). Ob die Verschwiegenheitspflicht so weit wie im Muster gefasst werden kann, ist unsicher (dagegen möglicherweise LAG Hamm v. 5.10.1988 – 15 Sa 1403/88, DB 1989, 783). Will man dieses Risiko vermindern, müsste man die alternative Formulierung wählen und § 5 insoweit auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beschränken. Zulässig ist wahrscheinlich die Erstreckung der Schweigepflicht über Geschäftsgeheimnisse hinaus auf solche Daten, die der Arbeitgeber ausdrücklich als vertraulich bezeichnet (Preis/Reinfeld, ArbuR 1989, 361, 363; vgl. letzter Halbsatz des Musters). Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist auch keine Wettbewerbsabrede nach §§ 74 ff. HGB und daher nicht karenzentschädigungspflichtig (BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200, 201; v. 16.3.1982 – 3 AZR 83/79, BB 1982, 1792). Demgegenüber haben Kundenschutzabreden häufig die Wirkung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes (BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502 – Weinberater; v. 16.8.1988 – 3 AZR 664/87; BVerfG v. 10.10.1989, AP BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr. 5a), so dass sie ohne gleichzeitige Vereinbarung einer Entschädigung nach Maßgabe der §§ 74 ff. HGB unwirksam bzw. bei unzureichender Entschädigung für den (ehemaligen) Arbeitnehmer unverbindlich sein können (vgl. Lingemann/Winkel, NJW 2009, 966 zu Mandantenschutzklauseln). Die Alternative ist deutlich enger gefasst, allerdings ist damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie der Angemessenheitskontrolle gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhält, höher (vgl. Preis/Rolfs, II V 20 Rz. 33 ff.). Droht ein Verstoß, so kann der Arbeitgeber Unterlassung verlangen. Hält der Arbeitnehmer noch Geheimnismaterial in Händen, kann der Arbeitgeber die Herausgabe fordern. Im Übrigen kommen Schadensersatzansprüche in Betracht (vgl. BAG v. 13.12.2007, NZA-RR 2008, 421; v. 25.4.1989, NZA 1989, 860; Molkenbur, BB 1990, 1196 zu den prozessualen Problemen, insbesondere der Bestimmtheit des Antrags). In laufenden Arbeitsverhältnissen kann auch eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein (BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 282/10, NZA 2011, 1029). Zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine solche Öffnungsklausel ratsam sein; vgl. Hunold, SPA 21/2002, S. 1. Vgl. BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965; Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69; Woerz/Klinkhammer, ArbRAktuell 2012, 183; allerdings sind Neben- und auch Wettbewerbstätigkeiten, bei denen es sich lediglich um einfache Tätigkeiten handelt, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenten führen, von einem Nebentätigkeits- und Wettbewerbsverbot nicht er-

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die beabsichtigte Tätigkeit unter Angabe von Art, Ort und Dauer angezeigt33 und stehen sachliche Gründe der Aufnahme der Tätigkeit nicht entgegen34, hat der Arbeitgeber unverzüglich zuzustimmen.35 Er kann seine Zustimmung auch befristet oder unter einem Widerrufsvorbehalt36 erteilen. (2) Abs. 1 gilt auch für Vorträge und/oder Veröffentlichungen. (3) Das Zustimmungserfordernis gemäß Abs. 1 besteht nicht für die Aufnahme karitativer, konfessioneller oder politischer Tätigkeiten, sofern sie die Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags nicht beeinträchtigen.

§ 7 Urlaub Herr/Frau … erhält kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von … Arbeitstagen.37 oder38 (1) Herr/Frau … hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG von vier Wochen/Jahr. (2) Der Arbeitgeber gewährt Herrn/Frau … zusätzlich einen Urlaubsanspruch von zwei weiteren Wochen/Jahr. Für diesen zusätzlichen Urlaub gilt abweichend von den rechtlichen Vorgaben für den gesetzlichen Mindesturlaub, dass der Urlaubsanspruch im Jahr des Beginns und des Endes des Arbeitsverhältnisses für jeden vollen Monat der Beschäftigung zu 1/12 entsteht, und dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Übertragungszeitraums gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG auch dann verfällt, wenn der Urlaub bis dahin wegen Arbeitsunfähigkeit von Herrn/Frau … nicht genommen werden kann. Soweit der Urlaub verfällt, entfällt auch ein etwaiger Urlaubsabgeltungsanspruch. (3) Mit der Erteilung von Urlaub wird bis zu dessen vollständiger Erfüllung zunächst der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch erfüllt.39 evtl.40 (4) Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird nur der gesetzliche Mindesturlaub (Abs. 1), soweit er nicht in natura gewährt wurde, abgegolten.

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fasst, BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693 = AP GG Art. 12 Nr. 141 m. Anm. Diller sowie Fuhlrott/Fabritius, FA 2010, 194; vgl. auch Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff. Auch umfassende Anzeigepflichten werden weitgehend als wirksam angesehen (Hunold, NZA-RR 2002, 505; Löwisch/Röder, Anm. zu BAG AP BGB § 626 Nr. 68). Sie geben dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Beeinträchtigung von Arbeitgeberinteressen überhaupt erst zu prüfen (Löwisch/Röder, aaO). Die Aufnahme einer Nebentätigkeit ohne erforderliche Einwilligung und/oder der Verstoß gegen die Anzeigepflicht kann nach Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (vgl. BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, DB 2002, 1507). Vgl. Woerz/Klinkhammer, ArbRAktuell 2012, 183. Vgl. BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965, 967; dies sollte im Hinblick auf das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erwähnt werden (vgl. Gaul/Khanian, MDR 2006, 68, 69). Vgl. zum Widerrufsvorbehalt Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 NachwG; der gesetzliche Mindestanspruch auf Jahresurlaub beträgt 24 Werktage, § 3 Abs. 1 BUrlG. Zu Einzelheiten vgl. M 2.1a Ziff. 7 mit Anm. sowie Kap. 14. Die nachfolgende Variante soll der geänderten EuGH-Rechtsprechung zur Urlaubsgewährung EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06, Rs. C-520/06, NZA 2009, 135 – Schultz-Hoff und EuGH v. 22.11.2011 – Rs. C214/10, BB 2012, 59 – Schulte/KHS Rechnung tragen, Einzelheiten und Alternativen bei M 2.1a Ziff. 7. Diese Tilgungsbestimmung wird aufgenommen, um die Unterscheidung zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub gem. der Entscheidung des BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 760/10, NZA 2013, 104 deutlich zu machen. Mit der nachfolgenden Klausel könnte der Arbeitgeber versuchen, als Kompensation für die gestiegenen Lasten durch längere Urlaubsabgeltung auch bei Dauererkrankung die Abgeltung insgesamt auf den gesetzlichen Mindesturlaub zu beschränken.

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§ 8 Reisekosten41 Die Reisekosten werden Herrn/Frau … nach den42 Reisekostenrichtlinien des Arbeitgebers erstattet. evtl. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Regelungen gemäß Satz 1 aus sachlichen Gründen zu widerrufen. Sachliche Gründe sind – wirtschaftliche Gründe (insbesondere43 negatives wirtschaftliches Ergebnis, Rückgang der bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung), – Änderung der Tätigkeit des Arbeitnehmers, der rechtlichen Rahmenbedingungen oder veränderten gesetzlichen Vorgaben zur Benutzung von Verkehrsmitteln oder Hotels.44

§ 9 Erfindungen, Urheberrechte (1) Für die Behandlung von Diensterfindungen gelten die Vorschriften des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen in seiner jeweiligen Fassung sowie die jeweils hierzu ergangenen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmern im privaten Dienst.45 (2) Sonstige Rechte und Ansprüche an allen und auf alle Tätigkeitsergebnisse, die aufgrund der Tätigkeit von Herrn/Frau … unter diesem Vertrag entstehen („Arbeitsergebnisse“), sollen dem Arbeitgeber zustehen, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen. Herr/Frau … überträgt daher hiermit im vorstehenden Umfang alle Arbeitsergebnisse auf den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber ist berechtigt, Schutzrechte im eigenen Namen auf Arbeitsergebnisse anzumelden (ohne dazu jedoch verpflichtet zu sein); Absatz (1) bleibt unberührt. (3) Wenn und soweit Arbeitsergebnisse als solche nicht übertragbar sind (z.B. im Fall von Urheberrechten), räumt Herr/Frau… dem Arbeitgeber unwiderruflich das ausschließliche Recht ein, solche Arbeitsergebnisse für seinen Geschäftsbetrieb weltweit und – für die Schutzdauer der betroffenen Rechte – ohne zeitliche Beschränkung zu nutzen und zu verwerten. Umfasst werden hiervon alle bekannten Nutzungsarten, insbesondere das Recht, die Arbeitsergebnisse zu vervielfältigen, zu veröffentlichen, zu vertreiben, zu verbreiten, vorzuführen, und auszustellen. Der Arbeitgeber hat insbesondere auch das Recht, die Tätigkeitsergebnisse – im Falle von urheberrechtlich geschützten Werken unter Wahrung ihrer geistigen Eigenart – zu ändern bzw. umzugestalten und in der geän41 Zu ausführlichen Formulierungen, Alternativen und Einzelheiten vgl. M 12.21. 42 Eine dynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Reisekostenrichtlinien wäre wahrscheinlich unwirksam, wenn keine Gründe für eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen genannt oder erkennbar sind. BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; vgl. auch Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99c. Will man die Klausel daher flexibilisieren, muss man wohl einen Widerrufsvorbehalt aufnehmen, wie im nachstehenden Eventualvorschlag. 43 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). 44 Formulierungsvorschlag für den Widerrufsvorbehalt in Anlehnung an Gaul/Ludwig, BB 2010, 58. 45 Die Vorschriften des ArbNErfG sind zugunsten des Arbeitnehmers zwingend. Sie umfassen Erfindungen, soweit sie patent- oder gebrauchsmusterfähig sind (§ 2 ArbNErfG), und technische Verbesserungsvorschläge (§ 3 ArbNErfG). Diensterfindungen (§ 4 Abs. 2 ArbNErfG) kann der Arbeitgeber nach unverzüglicher Anzeige durch den Arbeitnehmer durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung in Textform freigeben (§ 8 Satz 1 ArbNErfG) oder sie – gegen angemessene Vergütung (vgl. §§ 9, 11, 12 ArbNErfG) – in Anspruch nehmen (§ 6 ArbNErfG). An freien Erfindungen muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mindestens ein nicht ausschließliches Recht zur Benutzung zu angemessenen Bedingungen anbieten (§ 19 Abs. 1 ArbNErfG). Abweichungen vom ArbNErfG zu Lasten des Arbeitnehmers sind erst nach Meldung von Diensterfindungen bzw. Mitteilungen freier Erfindungen im Rahmen der Billigkeit zulässig (§ 22 ArbNErfG). Zu den für die Berechnung der Vergütung maßgeblichen Umständen hat der Arbeitnehmer nach § 242 BGB einen Auskunftsanspruch, der sich bei Nutzung der Erfindung für andere Konzernunternehmen auch gegen diese richten kann (BAG v. 16.4.2002, BB 2002, 1490). Zur Reform des Arbeitnehmererfinderrechts vgl. Gennen, ArbRB 2011, 86.

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derten bzw. umgestalteten Form im gleichen Umfang wie in der ursprünglichen Form zu nutzen. (4) Der Arbeitgeber ist zur Weiterübertragung der vorstehend übertragenen oder eingeräumten Rechte an Dritte oder zur Einräumung von einfachen oder ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechten an Dritte befugt, wenn und soweit dies dem Geschäftsbetrieb dient. (5) Die vorstehende Übertragung und Einräumung von Rechten ist durch die Vergütung nach [§ 3] abgegolten.46 Vergütungsansprüche nach den zwingenden gesetzlichen Vorschriften (z.B. im Fall von Arbeitnehmererfindungen) bleiben unberührt.

§ 10 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot47 (1) Herr/Frau … wird in den zwei Jahren nach Beendigung dieses Anstellungsvertrages weder selbstständig noch unselbstständig oder in sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig werden, das auf den Arbeitsgebieten … mit dem Arbeitgeber oder einem deutschen mit ihm verbundenen Unternehmen in mittelbarem oder unmittelbarem Wettbewerb steht. Er/sie wird während dieser Zeit ein solches Unternehmen auch nicht errichten, erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar beteiligen. evtl. Dies gilt nicht für einfache Tätigkeiten, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung eines Konkurrenzunternehmens führen können und im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berühren.48 (2) Für die Dauer des Verbots erhält Herr/Frau … eine Entschädigung, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von ihm/ihr zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. (3) Im Übrigen gelten die §§ 74 ff. HGB entsprechend.49

§ 11 Altersversorgung50 (1) Herr/Frau … hat Anspruch auf betriebliche Altersversorgung im Rahmen der Betriebsvereinbarung vom …, deren Anwendbarkeit auf das vorliegende Anstellungsverhältnis hiermit vereinbart wird. oder (1) Herr/Frau … erhält betriebliche Altersversorgung aufgrund einer Ruhegeld-Direktzusage, die diesem Vertrag als Anlage beigefügt ist. (2) Die Firma bietet die Umwandlung künftiger Entgeltansprüche bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung über die Pensionskasse … an.51 46 Ob die Abgeltung der Übertragung der Nutzungsrechte mit dem Gehalt seit der 2002 erfolgten Neufassung der §§ 32, 32a UrhG noch wirksam ist oder an der Unabdingbarkeit in § 32 Abs. 3 UrhG scheitert, ist immer noch ungeklärt; Unwirksamkeit einer solchen Abgeltungsregelung nehmen an Grobys/ Förstel, NZA 2002, 1015, 1018. Gegen diese Auffassung spricht, dass mit der Abgeltung die Urheberrechtsvergütung ja nicht wegfällt, sondern lediglich im Arbeitsentgelt enthalten ist (so die wohl hM: vgl. Moll/Gennen, Münchener AnwaltsHdb ArbR, § 16 Rz. 246; Leuze, GRUR 2006, 552 jeweils mwN). Will man das Risiko vermindern, könnte gem. § 32 Abs. 3 Satz 3 UrhG formuliert werden: „Der Urheber räumt an sonstigen Urheberrechten aller Art, die aufgrund der Tätigkeit von Herrn/Frau … entstehen, dem Arbeitgeber ein einfaches Nutzungsrecht ein. Die Übertragung dieses Rechtes ist durch die Vergütung nach § 3 abgegolten.“ Diese Vereinbarung ist nach § 32 Abs. 3 Satz 3 UrhG ausdrücklich vorgesehen. 47 Zu ausführlichen Formulierungen, Alternativen und Einzelheiten vgl. Kap. 25. 48 Das BAG hat für das vertragliche Wettbewerbsverbot angedeutet, dass solche Nebentätigkeiten von diesem Verbot nicht erfasst werden, vgl. BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693. Ob dies auch für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gilt, ist offen. 49 Ggf. könnte noch eine Vertragsstrafe vereinbart werden, dazu M 25.1. 50 Zu ausführlichen Formulierungen, Alternativen und Einzelheiten vgl. Kap. 18. 51 Gemäß § 1a Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltumwandlung in dieser Höhe. Der Arbeitgeber kann die Durchführung über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse anbieten, anderenfalls kann der Arbeitnehmer die Durchführung über eine Direktversicherung verlangen, § 1a Abs. 1 Satz 3 und 4 BetrAVG. Allerdings muss der Arbeitgeber bei dem Angebot größte Vorsicht

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§ 12 Dienstverhinderung (1) Herr/Frau … ist verpflichtet, dem Arbeitgeber jede Dienstverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Auf Verlangen sind die Gründe der Dienstverhinderung mitzuteilen. (2) Jede Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit weist er/sie ferner binnen zwei Tagen durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach; dasselbe gilt für Folgeerkrankungen.52 (3) Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit erhält Herr/Frau … Entgeltfortzahlung nach den gesetzlichen Vorschriften.

§ 13 Umzugskosten (1) Der Arbeitgeber verpflichtet sich, Herrn/Frau … die Umzugskosten von … nach … gegen Vorlage der Belege zu erstatten. (2) Die Erteilung des Umzugsauftrages darf nur im Einverständnis mit dem Arbeitgeber erfolgen. Vorher hat Herr/Frau … die Angebote von mindestens … Möbelspediteuren beizubringen. (3) Scheidet Herr/Frau … vor Ablauf von drei Jahren nach dem Umzugstermin aufgrund einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus, ohne dass er/sie dafür einen wichtigen Grund hat, oder beruht eine Kündigung des Arbeitgebers innerhalb dieses Zeitraums auf Gründen, die Herr/Frau … zu vertreten hat, so ist Herr/Frau … verpflichtet, die Umzugskosten zurückzuzahlen, wobei pro Monat der Betriebszugehörigkeit nach dem Umzugstermin 1/ 36 der Umzugskosten als getilgt gelten.53

§ 14 Gehaltsabtretung/Verpfändung (1) Ansprüche auf Arbeitsentgelt dürfen nicht abgetreten oder verpfändet werden.54 (2) Bei Pfändungen von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt werden Euro 2,50 pro Pfändung, zusätzlich Euro 2,50 für jedes zusätzliche Schreiben sowie Euro 1,– je Überweisung von dem Gehalt einbehalten. Das gilt nicht, soweit dadurch der unpfändbare Teil des Gehalts geschmälert wird. Herrn/Frau … bleibt der Nachweis gestattet, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger ist als die Pauschale.55

§ 15 Vertragsstrafe56 (1) Nimmt Herr/Frau … vorsätzlich oder fahrlässig die Arbeit nicht oder verspätet auf, kündigt er/ sie das Anstellungsverhältnis außerordentlich, ohne dass ein wichtiger Grund für eine solche Kündi-

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walten lassen, insbesondere eine unangemessene Zillmerung kann dazu führen, dass der Arbeitgeber eine bei vorzeitiger Vertragsbeendigung aufgrund dessen zu niedrige Altersversorgung ausgleichen muss (BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, DB 2010, 61; weitergehend noch LAG München v. 15.3.2007 – 4 Sa 1152/06, ZIP 2007, 978; abl. Neumann/Schwebe, ZIP 2007, 981 ff.; Lingemann, FD-ArbR 2007, 233170; näher Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Zillmerung“, Rz. 142b). Wird keine Entgeltumwandlung angeboten, besteht keine Pflicht des Arbeitgebers, auf den gesetzlichen Anspruch hinzuweisen (BAG v. 21.1.2014 – 3 AZR 807/11, NZA 2014, 903 m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2014, 292). Zu Einzelheiten vgl. M 2.1a Ziff. 6 mit Anm. Klauseln über die Pro-rata-Rückzahlung von Ausbildungskosten nach Ende der Ausbildung müssen die Fälle ausschließen, in denen der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein in die Verantwortungs- oder Risikosphäre des Arbeitgebers fällt, BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rückzahlungsklausel“, Rz. 121 ff. Für Umzugskosten gilt wahrscheinlich nichts anderes, betriebsbedingte Kündigungen werden daher von § 13 Abs. 3 nicht erfasst; vgl. auch Kap. 12 und M 12.21, Ziff. 5 mit Anm. Zu den Einzelheiten vgl. Kap. 12 Rz. 53 sowie M 2.1a Ziff. 5 (5) und M 12.24. Die Ergänzung sollte zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 5b BGB aufgenommen werden; Näheres M 2.1a Ziff. 5 (6) mit Anm. Vertragsstrafen sind auch in Formulararbeitsverträgen in den Grenzen von § 307 BGB zulässig (BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945; v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, NZA 2009, 1337; v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, BB 2006, 720; v. 21.3.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; Einzelheiten Lingemann/Gottschalk, DStR 2011, 77 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 73 ff. und 130 ff.); zur zulässigen Formulierung einer Vertragsstrafe s. auch BAG v. 28.5.2009, NZA 2009, 1337, 1340 f.

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gung vorliegt57, oder veranlasst er/sie durch vertragswidriges Verhalten die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch den Arbeitgeber,58 so hat er/sie an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe zu zahlen.59 (2) Für den Fall des Nichtaufnehmens der Arbeit60 gem. Absatz 1 beträgt die Vertragsstrafe die Bruttovergütung gem. § 3 Abs. 1, welche Herr/Frau … bei Einhaltung der vertraglichen Mindestkündigungsfrist nach § 16 Abs. 1 erhalten hätte.61

57 Evtl. könnte man ergänzen: „oder löst er/sie in anderer Weise das Arbeitsverhältnis vorsätzlich oder fahrlässig ohne Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist“. Das BAG hat jedoch in der Entscheidung v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946 deutliche Bedenken gegen eine solche Formulierung geäußert, dagegen dürfte das Abstellen auf die außerordentliche Kündigung ohne wichtigen Grund nach dieser Entscheidung zulässig sein. Mit der Formulierung „ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ soll nach Auffassung des BAG (v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777, Rz. 25 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2014, 326) die vertragliche Kündigungsfrist gemeint sein. Das umfasst dann allerdings nicht die gesetzliche Kündigungsfrist und damit insbesondere auch nicht die ggf. verkürzte Kündigungsfrist im Insolvenzfall nach § 113 InsO. Das BAG sieht es in einem obiter dictum als naheliegend an, dass man, wenn die jeweils anzuwendenden Kündigungsfrist gemeint ist, auch formuliert „der jeweiligen Kündigungsfrist“, ähnlich in BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946, „maßgebliche Kündigungsfrist“. Will man sich darauf nicht verlassen, müsste man jeweils auf die vertragliche Kündigungsfrist verweisen und das Konkurrenzverhältnis von vertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfrist (dazu BAG v. 29.1.2015 – 2 AZR 280/14, NZA 2015, 673) ggf. im Vertrag selbst lösen; das würde im Zweifel erhebliche Transparenzprobleme auslösen. Ein Verweis nur auf die vertragliche Kündigungsfrist wäre wahrscheinlich erst recht intransparent, denn diese setzt sich nur gegen die gesetzliche durch, wenn sie in jedem Fall zu einer späteren Beendigung führt (dazu BAG v. 29.1.2015 – 2 AZR 280/14, NZA 2015, 673); mit einer solchen Regelung würde vom Arbeitnehmer daher die pflichtwidrige Beendigung und damit die Vertragsstrafe in vielen Fällen an eine zu lange Kündigungsfrist geknüpft. Im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff., 131. 58 Die Tatbestände für die Verwirkung der Vertragsstrafe müssen spätestens seit der Geltung der AGBKontrolle auch für Arbeitsverträge eindeutig bestimmt sein (BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; Lingemann, NZA 2002, 181, 191 mwN). Im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff., 132; zur Rechtslage bei Individualverträgen s. LAG Berlin v. 24.6.1991 – 9 Sa 22/ 91, DB 1992, 744; BAG v. 5.2.1986, NZA 1986, 782; v. 18.9.1991, DB 1992, 383: Soll die Vertragsstrafe auch die vom Arbeitnehmer schuldhaft veranlasste vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeberkündigung erfassen, so muss dies ausdrücklich vereinbart sein. 59 Die Vertragsstrafe sichert die Erfüllung und erleichtert gleichzeitig die Durchsetzung von Schadensersatz in ihrer Höhe. 60 Vgl. unten § 16 Abs. 1 Satz 2 m. Anm. 61 Die Höhe muss feststehen und billigem Ermessen entsprechen (BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946; BGH v. 11.5.1989 – VII ZR 305/87, DB 1989, 1868; v. 5.2.1986, NZA 1986, 782). Eine entgegen § 307 BGB in Formularverträgen zu hoch bemessene Vertragsstrafe kann nicht gem. § 343 Abs. 1 BGB auf einen angemessenen Betrag gerichtlich herabgesetzt werden, sondern führt zur Nichtigkeit der gesamten Klausel gem. § 306 BGB (BAG 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946; v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/ 07, NZA 2009, 370, 377; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727). Ein Monatsgehalt ist generell als Maßstab geeignet, nicht jedoch, wenn in der Probezeit die Kündigungsfrist nur zwei Wochen beträgt (BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727). Daher wird hier für den Fall des Nichtantritts auch nur die vertragliche Mindestkündigungsfrist zugrunde gelegt. Eine Vertragsstrafe, die höher ist als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit zwischen der vorzeitigen tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist an den Arbeitnehmer zu zahlen gewesen wäre, ist deshalb nur ausnahmsweise angemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BB. Dies kann nur angenommen werden, wenn das Interesse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung, der sich in der bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist geschuldeten Arbeitsvergütung niederschlägt, aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell übersteigt (BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 946; v. 28.10.2010 – 8 AZR 647/09, NZA 2011, 408; v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519, Rz. 54; v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 (unter B III 2 b bb). Unwirksam ist eine Klausel, welche angibt, dass die Strafe pauschal das ein- bis dreifache Monatsgehalt beträgt, und der Arbeitgeber die genaue Höhe anhand der Schwere des Verstoßes festlegen kann (BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34, 37). Vgl. auch Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 73 ff. und 130 ff.

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

(3) Für den Fall der verspäteten Arbeitsaufnahme gem. Abs. 1 beträgt die Vertragsstrafe für jeden Tag der verspäteten Arbeitsaufnahme die auf einen Tag entfallende Bruttovergütung gem. § 3 Abs. 1. Maximal beträgt die Vertragsstrafe die Bruttovergütung, welche Herr/Frau … bei Einhaltung der vertraglichen Mindestkündigungsfrist nach § 16 Abs. 1 erhalten hätte.62 (4) Für den Fall der außerordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses nach Abs. 1 ohne wichtigen Grund beträgt die Vertragsstrafe eine monatliche Bruttovergütung gem. § 3 Abs. 1. Maximal beträgt die Vertragsstrafe jedoch die Bruttovergütung, welche Herr/Frau … bei Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist erhalten hätte. (5) Für den Fall der von Herrn/Frau … durch vertragswidriges Verhalten veranlassten außerordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach Abs. 1 beträgt die Vertragsstrafe eine monatliche Bruttovergütung gem. § 3 Abs. 1. Maximal beträgt die Vertragsstrafe jedoch die Bruttovergütung, welche Herr/Frau … bei Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist erhalten hätte. (5) Das Recht des Arbeitgebers, einen weiter gehenden Schaden geltend zu machen, bleibt unberührt.63

§ 16 Beendigung des Anstellungsverhältnisses64, Freistellung (1) Während der ersten sechs Monate kann das Anstellungsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.65 Vor der Arbeitsaufnahme66 kann das Arbeitsverhältnis nicht ordentlich67 gekündigt68 werden.69 (2) Nach Ablauf von sechs Monaten kann das Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mit einer Kündigungsfrist von … Monaten zum Quartal/Halbjahresende/Jahresende gekündigt werden.70 Gesetzliche Verlängerungen der Kündigungsfrist gelten für beide Seiten.71

62 Auch hier wird auf die Mindestkündigungsfrist abgestellt, da dieser Fall in aller Regel noch während deren Anwendungsbereich auftreten wird. 63 Vgl. §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB; die Regelung gibt nur deklaratorisch die Gesetzeslage wieder. 64 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 NachwG; zu Einzelheiten s. unten Kap. 22. 65 Zur Mindestkündigungsfrist während der Probezeit vgl. § 622 Abs. 3 BGB. 66 Im Zweifel können beide Parteien auch vor Arbeitsaufnahme unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist ordentlich kündigen (BAG v. 25.3.2004 – 2 AZR 324/03, NZA 2004, 1089; v. 2.11.1978, BB 1979, 1038). Ein Vertragsbruch ist die Kündigung vor Dienstaufnahme daher nur, wenn sich aus dem Anstellungsvertrag – wie hier § 16 Abs. 1 Satz 2 – oder den sonstigen Umständen ergibt, dass eine solche Kündigung ausgeschlossen sein soll (vgl. BAG v. 25.3.2004, NZA 2004, 1089). 67 Die außerordentliche Kündigung kann nicht ausgeschlossen werden. Da eine geltungserhaltende Reduktion nicht zulässig ist, § 306 Abs. 2 BGB, ist zu empfehlen, den Kündigungsausschluss ausdrücklich auf die ordentliche Kündigung zu beschränken. 68 In einem Vorvertrag zu einem Arbeitsverhältnis (vgl. § 308 Nr. 3 Halbs. 2 BGB) kann auch ein Rücktrittsvorbehalt vereinbart werden. Um den Anforderungen des § 308 Nr. 3 BGB zu genügen, muss der Vorbehalt, soweit er dem Verwender ein Rücktrittsrecht gewährt, jedoch den Grund für die Lösung vom Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit angeben, zudem muss die Aufnahme des Vorbehalts in den Vorvertrag sachlich gerechtfertigt sein (BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539). 69 Praxistipp: Wird vertragswidrig gekündigt, entsteht in vielen Fällen nur ein theoretischer Schadensersatzanspruch, weil es dem Arbeitgeber schwer fällt, einen Schaden nachzuweisen. Inseratskosten können nur geltend gemacht werden, wenn sie bei ordnungsgemäßer Kündigung nicht entstanden wären (BAG v. 23.3.1984 – 7 AZR 37/81, DB 1984, 1731, st. Rspr.). 70 Hier wird vorsorglich ein Kündigungsrecht geregelt, da der Vertrag altersbefristet ist, § 15 Abs. 3 TzBfG. Das ist möglicherweise entbehrlich, wenn es sich nur um eine Altersbefristung handelt (so für ein Arbeitsverhältnis, das an einen Tarifvertrag gebunden ist, der eine auflösende Bedingung oder Befristung vorsieht, BAG v. 23.7.2014, NZA 2015, 1341). 71 Ohne diese Regelung ist der Arbeitgeber an die sich verlängernden Kündigungsfristen gem. § 622 Abs. 2 BGB gebunden, der Arbeitnehmer kann hingegen mit der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB kündigen.

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Kap. 3

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(3) Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Anstellungsverhältnis spätestens mit Ablauf des Monats, in dem Herr/Frau … die für ihn/sie maßgebliche Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit Vollendung des 67. Lebensjahres)72 erreicht.73 (4) Das Anstellungsverhältnis ist ferner auflösend bedingt74 auf den Ablauf des Monats, in dem ein Bescheid zugestellt wird, mit dem der zuständige Sozialversicherungsträger feststellt, dass Herr/ Frau … auf Dauer vollständig erwerbsgemindert ist, und Herr/Frau … nicht vor Ablauf der Widerspruchsfrist seinen/ihren Antrag zurücknimmt oder auf eine Rente auf Zeit einschränkt,75 bei späterem Beginn des entsprechenden Rentenbezugs jedoch erst auf den Ablauf des dem Rentenbeginn vorhergehenden Tages. Gewährt der Sozialversicherungsträger nur eine Rente auf Zeit, so ruht der Arbeitsvertrag für den Bewilligungszeitraum dieser Rente, längstens jedoch bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß Satz 1.76 Satz 1 und 2 gelten nicht, wenn Herr/Frau … noch ohne Einschränkungen in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen.77 (5) Jede Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.78

72 Der Klammerzusatz soll deutlich machen, dass das Bezugsalter für die gesetzliche Regelaltersrente sich ändern kann, das Arbeitsverhältnis würde sich mit dieser Klausel jeweils bis zu dem dann für den jeweiligen Arbeitnehmer geltenden Rentenbezugsalter verlängern. Vgl. zur Altersgrenze ferner Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86. 73 Ohne ausdrückliche Regelung endet das Arbeitsverhältnis nicht „automatisch“ mit Erreichen des Rentenalters oder des 65. Lebensjahres. Eine Bezugnahme auf die Regelaltersgrenze ist zwar nur wirksam bei Absicherung durch gesetzliche Altersrente (vgl. BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695; ferner zu Tarifverträgen BAG v. 12.6.2013 – 7 AZR 917/11, NZA 2013, 1428; v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09, NZA 2011, 586; zu Betriebsvereinbarungen BAG v. 4.11.2015 – 7 Sa 770/12, NZA 2016, 634; v. 9.9.2015 – 7 ABR 47/13, juris; v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 18 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 155. Zum Ganzen: Jesgarzewski, NWB 2016, 1593 ff.), möglicherweise allerdings auch, wenn der Arbeitnehmer die Auszahlung aus einer befreienden Lebensversicherung erhält (BAG v. 16.11.2005 – 7 AZR 86/05, NZA 2006, 535). Die Wirksamkeit der Befristung ist aber nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig, da es für die Wirksamkeit der Befristung nur darauf ankommt, ob bei Vertragsschluss ein entsprechender Befristungsgrund vorlag (BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695; vgl. auch BAG v. 8.12.2010, NZA 2011, 586). Im Einzelnen zur Altersgrenze Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86. 74 Gemäß BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 851/13, NZA 2016, 634, Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 189, handelt es sich bei der Regelung in einer Gesamtbetriebsvereinbarung „Das Arbeitsverhältnis endet spätestens … mit Ablauf des Monats, in dem eine Rente wegen Alters in voller Höhe gewährt wird“ um eine auflösende Bedingung. Das Arbeitsverhältnis endet daher gem. §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schrifltichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Aufgrunddessen gehen wir davon aus, dass Absatz (4) auch eine auflösende Bedingung darstellt. Dies wurde ausdrücklich auch so formuliert. Zwar hat das BAG in der genannten Entscheidung die Formulierung „endet…“ nicht beanstandet, allerdings handelte es sich dort auch um eine Gesamtbetriebsvereinbarung, für die die AGB-Kontrolle nicht gilt. Aus Arbeitgebersicht sollte die Mitteilung des Bedingungseintritts nicht versäumt werden. 75 Vgl. BAG v. 10.12.2014, NZA-RR 2016, 83 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2015, 318; v. 23.2.2000, AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 25. 76 Die Wirksamkeit von Beendigungsklauseln/auflösenden Bedingungen ist seit Einführung der AGB-Kontrolle ungeklärt. Auch für den Fall der dauernden vollständigen Erwerbsminderung dürfte eine auflösende Bedingung sachlich begründet sein (BAG v. 24.6.1987, AP BAT § 59 Nr. 5, die Rechtslage ist aber auch insoweit offen, ausf. Schmitt-Rolfes, NZA-Beil. 2010, 81), nicht aber bei einem nur vorübergehenden Bezug (Gaul, NZA 2000, Sonderbeil. zu Heft 3, 56). 77 So die Einschränkung in BAG v. 9.8.2000 – 7 AZR 214/99, NZA 2001, 737, die vorsorglich in die Klausel aufgenommen wurde. Bei nur teilweiser Erwerbsminderung könnte sich eine Regelung an § 33 TVöD orientieren (vgl. BAG v. 17.3.2016 – 6 AZR 221/15, NZA 2016, 1220, Anm. Schuster, ArbRAktuell 2016, 313). 78 Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag ohnehin zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die Regelung hat daher nur den Zweck, die Parteien an die Beachtung der Schriftform zu erinnern. Soweit im Anstellungsvertrag eine bestimmte Ver-

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Kap. 3

(6) Nach Ausspruch einer Kündigung – gleichgültig, von welcher Seite – ist der Arbeitgeber berechtigt, Herrn/Frau … unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freizustellen, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass Herr/Frau … den Vertrag in grober, das Vertrauen beeinträchtigender Weise verletzt (zB Konkurrenztätigkeit, Weitergabe von Interna) oder wenn der Arbeitgeber Herrn/Frau … nicht mehr beschäftigen kann (zB wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes).79 Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf den Erholungsurlaub. Im Falle einer jahresübergreifenden Kündigungsfrist wird dabei vorsorglich der gesamte Jahresurlaub des dem Ausspruch der Kündigung folgenden Jahres gewährt.80 Auf die nach Anrechnung etwaiger restlicher Urlaubsansprüche fortzuzahlenden Bezüge muss Herr/Frau … sich den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er/sie infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner/ihrer Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.81

§ 17 Vorschüsse und Arbeitgeberdarlehen Soweit der Arbeitgeber Herrn/Frau … Vorschüsse und Darlehen gewährt, werden die Restbeträge daraus bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf die bei Hingabe getroffenen Vereinbarungen fällig, es sei denn, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen gekündigt oder Herr/Frau … aus einem von dem Arbeitgeber zu vertretenden Grund außerordentlich gekündigt hat.

§ 18 Einstellungsfragebogen Angaben von Herrn/Frau … im Einstellungsfragebogen bzw. Personalfragebogen sind wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages.82

§ 19 Zahlungsabwicklung, Zinsen (1) Alle Zahlungen erfolgen bargeldlos. Herr/Frau … wird innerhalb von zehn Tagen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Konto errichten und die Kontonummer mitteilen.83 (2) Im Falle des Verzuges sind Zinsen aus dem Nettobetrag und nicht aus dem Bruttobetrag geschuldet.84

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sendungsart vereinbart wird („… und ist durch eingeschriebenen Brief zu erklären“), ist dies durch AGB wohl unwirksam gem. § 309 Nr. 13 BGB (PWW/Berger, § 309 BGB Rz. 102) und hätte ohnehin nur beweissichernde Funktion. Auch eine in anderer Weise übermittelte Kündigung ist wirksam, wenn ihr Zugang bewiesen werden kann. Zu Einzelheiten der Kündigung, auch der Kündigungsformalien s. Kap. 22 Rz. 1 ff. Bei der Angemessenheitskontrolle einer Freistellungsklausel im Formularvertrag ist der allgemeine Beschäftigungsanspruch zu berücksichtigen; aus diesem Grund empfiehlt es sich, die sachlichen Gründe, die zu einer Freistellung berechtigen, in der Klausel aufzuführen (Brachmann/Diepold, AuA 2009, 508; Hunold, NZA-RR 2006, 113, 118; Preis/Preis, II F 10 Rz. 21; zu Alternativen s. M 2.1 a Ziffer 3.(3); Einzelheiten auch unter Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“, Rz. 103). Vgl. hierzu BAG v. 17.5.2011 – 9 AZR 189/10, NZA 2011, 1032: Die Freistellung könnte ansonsten dahingehend verstanden werden, dass der Arbeitgeber nur den Teilurlaubsanspruch gem. § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG gewähren wollte, soweit er davon ausging, dass aufgrund der Kündigung das Arbeitsverhältnis in der ersten Hälfte des Kalenderjahres endet. Dies ginge dann zu Lasten des Arbeitgebers, wenn sich die Kündigung im Nachhinein als rechtsunwirksam herausstellte. Wichtig: Gemäß BAG v. 19.3.2002, NZA 2002, 1055 läuft der Arbeitgeber Gefahr, dass ohne eine solche ausdrückliche Anrechnungserklärung bei Freistellung keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes erfolgt. Einzelheiten zur Freistellung s. M 23.1a mit Anm. zu § 3. Sie begründen daher bei falscher Beantwortung zulässiger Fragen die Anfechtung des Anstellungsvertrages (dazu Kap. 1 und M 1.3.1, M 1.3.2 sowie Kap. 21). Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Art der Gehaltszahlung. Auch die einzelvertragliche Vereinbarung bargeldloser Zahlung schränkt dieses Mitbestimmungsrecht – anders als eine tarifliche Regelung – nicht ein (vgl. BAG v. 5.3.1991 – 1 ABR 41/ 90, NZA 1991, 611; v. 24.11.1987 – 1 ABR 25/86, NZA 1988, 405). Die Wirksamkeit dieser Klausel ist fraglich, da § 288 BGB insoweit möglicherweise zwingend ist; im Einzelnen vgl. M 2.1a Ziff. 5 (4).

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§ 20 Internetnutzung Herr/Frau … ist nicht berechtigt, den Internetzugang zu privaten Zwecken zu nutzen. Er/sie ist damit einverstanden, dass der Arbeitgeber den E-Mail-Verkehr auf die Einhaltung dieser Regelung hin prüft.85

§ 21 Ausschlussfristen86 (1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform geltend gemacht werden. Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von drei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Drei-Wochen-Frist gerichtlich geltend gemacht wird.87 (2) Abs. 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen.88 (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.89

§ 22 Geltung von kollektiven und betrieblichen Regelungen90 (1) Im Übrigen gelten die für den Betrieb jeweils einschlägigen Betriebsvereinbarungen. Dies gilt auch dann, wenn sie nach Abschluss des Vertrages geändert werden und für den Arbeitnehmer ungünstiger als der Vertrag sind. (2) Darüber hinaus gelten die für den Betrieb jeweils einschlägigen Betriebsordnungen, Arbeitsanordnungen, Dienstanweisungen etc. in ihrer jeweils gültigen Fassung.91 85 Sofern ein Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem Umfang nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt, kann dies einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 85/15, NZA 2016, 161, Anm. Diller, ArbRAktuell 2015, 376; v. 31.5.2007 – 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922; v. 7.7.2005 – 2 AZR 581/04, NZA 2006, 98; vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg v. 14.1.2016 – 5 Sa 657/15, BB 2016, 500). Die Pflichtverletzung wiegt umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt (BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 85/ 15, NZA 2016, 161, Anm. Diller, ArbRAktuell 2015, 376; v. 31.5.2007 – 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922; v. 7.7.2005 – 2 AZR 581/04, NZA 2006, 98). Einzelheiten bei Kap. 22 Rz. 42. 86 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 10; ferner Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“, Rz. 92 ff. 87 UE müssen gesonderte Ausschlüsse von der Verfallklausel nicht aufgenommen werden, daher auch nicht eine Einschränkung für den Mindestlohn nach § 3 MiLoG. Die Frage ist aber umstritten. Ein Formulierungsvorschlag für eine ausführlichere Klausel findet sich bei M 2.1a, Ziff. 10. Zu den Einzelheiten Kap. 2, AGB-Kontrolle von A–Z, „Ausschlussklausel“, Rz. 93. 88 Es ist nicht geklärt, ob die bisher übliche Einbeziehung auch von solchen Zusammenhangsansprüchen entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent ist. Sofern die Aufnahme in den Vertrag gewünscht ist, sollte sie in einem gesonderten Absatz erfolgen, damit sie im Falle der Unwirksamkeit gestrichen werden kann, ohne dass die Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gleichfalls unwirksam ist („blue pencil test“, BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822, 2824 mwN; vgl. auch Kap. 2 Rz. 40; ausführlich Thüsing, BB 2006, 661). 89 Zu Einzelheiten und Alternativen M 2.1a Ziffer 10 (3) m. Anm. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Kap. 2 Rz. 92. Es dürfte ratsam sein, zumindest Mindestentgeltansprüche bis zur höchstrichterlichen Klärung von der Ausschlussklausel auszunehmen, um nicht die Unwirksamkeit der gesamten Klausel zu riskieren (Bayreuther, NZA 2015, 385, 387; Preis/Lukes, ArbRB 2015, 153, 155). Ob die Klausel damit intransparent wird, weil der Arbeitnehmer annehmen könnte, dass weitere Ansprüche – wie sie in der nachstehenden Alternative genannt sind – nicht ausgeschlossen sind, ist ungeklärt. Zu Einzelheiten vgl. AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Kap. 2 Rz. 92. 90 Vgl. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“, Rz. 98 ff. ferner die Anm. zu M 2.1a Ziff. 11. 91 Die dynamische Bezugnahme auf ein einseitiges Regelungswerk des Arbeitgebers ist allerdings nicht dynamisch, wenn keinerlei Gründe für eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen genannt oder erkennbar sind. Das gilt insbesondere, wenn dieses Werk Regelungen zu Leistung und Gegenleistung enthält und die Jeweiligkeitsklausel deren Verhältnis verschieben könnte (vgl. BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/ 08, NZA 2009, 428; vgl. auch AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Kap. 2 Rz. 99c).

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(3) Die in Abs. 1 und 2 genannten Vereinbarungen und Regelungen können in der Personalabteilung zu den üblichen Dienststunden und im Intranet unter … eingesehen werden.

§ 23 Datenschutz92 Herr/Frau … willigt in die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Speicherung seiner/ihrer personenbezogenen Daten ein, soweit diese zur Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sind. Das gilt insbesondere auch für alle Daten, die er/sie im Rahmen seiner Bewerbung unaufgefordert mitgeteilt hat. Soweit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Speicherung der Daten nicht mehr besteht, kann Herr/Frau … die Löschung der Daten jederzeit verlangen.93

§ 24 Ausschluss abweichender Absprachen und Nebenabreden94 Mit Abschluss dieses Vertrages werden alle eventuell bisher vorhandenen schriftlichen oder mündlichen Absprachen und Nebenabreden hinfällig. Ergänzende mündliche Abmachungen zu diesem Vertrag wurden nicht getroffen.

§ 25 Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung95 Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.96

§ 26 Salvatorische Klausel Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages und/oder seiner Änderungen bzw. Ergänzungen unwirksam sein, so wird dadurch die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.97

§ 27 Gerichtsstand Für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, seiner Beendigung und Abwicklung ist das Arbeitsgericht … zuständig.98

§ 28 Vertragsaushändigung Der Vertrag wird in zwei Ausfertigungen erstellt, von denen jede Partei eine erhalten hat.99 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Unterschrift Arbeitgeber)

… (Unterschrift Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin)

92 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 12. 93 Vgl. § 4a iVm. § 32 BDSG; Einzelheiten sowie ausführlichere Formulierungsvorschläge s. Kap. 70 Rz. 10 sowie M 70.5 ff. 94 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 13. 95 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 14. 96 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 14. 97 Satz 1 der Klausel entspricht der gesetzlichen Regelung in § 306 Abs. 1 BGB. Zu Satz 2: Eine Ersetzungsklausel, wonach statt des dispositiven Rechts „automatisch“ eine Regelung gelten soll, die wirtschaftlich der unwirksamen Klausel am nächsten kommt, ist in Formularverträgen gem. §§ 306 Abs. 2, 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht mehr zulässig (BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12; v. 13.12.2011, NZA 2012, 738, 741; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rz. 15 mwN), daher ist hier eine Verhandlungsverpflichtung vorgesehen. 98 Eine Gerichtsstandsvereinbarung greift nur, wenn eine Partei im Inland keinen dauernden Wohnsitz hat, § 38 Abs. 2 ZPO. Auch dann gilt die Einschränkung des § 38 Abs. 2 Satz 3 ZPO. 99 Gemäß § 309 Nr. 12b BGB bedarf das Empfangsbekenntnis, um nicht AGB-widrig zu sein, der gesonderten Unterschrift.

Lingemann

157

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.2

Anstellungsvertrag mit einem Angestellten mit Bezugnahme auf Tarifvertrag

M 3.2

Zwischen der X-AG (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau … wird Folgendes vereinbart:1

§ 1 Art der Tätigkeit (1) Herr/Frau … wird ab … als … in … eingestellt. (2) Der Arbeitgeber behält sich unter Wahrung der Interessen von Herrn/Frau … die Zuweisung eines anderen gleichwertigen Arbeitsgebietes vor. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgabenbereiche.2

§ 2 Probezeit und Vertragsdauer3 (1) Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Anstellungsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. (2) Nach Ablauf von sechs Monaten kann das Arbeitsverhältnis nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mit einer Kündigungsfrist von … Monaten zum Quartal/Halbjahresende/Jahresende gekündigt werden. Jede gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist zugunsten von Herrn/Frau … gilt auch zugunsten des Arbeitgebers. (3) Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Anstellungsverhältnis spätestens mit Ablauf des Monats, in dem Herr/Frau … die für ihn/sie maßgebliche Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit Vollendung des 67. Lebensjahres) erreicht.

§ 3 Arbeitszeit (1) Die Arbeitszeit richtet sich nach den jeweils für den Betrieb geltenden gesetzlichen/tariflichen Regelungen und den für den Betrieb geltenden Einteilungen.4 (2) Herr/Frau … wird seine/ihre ganze Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers einsetzen.5 Er/Sie ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden bis zu … Stunden/ 1 Soweit die Vertragspartner tarifgebunden sind, sind nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) in dem Anstellungsvertrag nur solche Regelungen wirksam, die entweder im Tarifvertrag nicht geregelt sind oder, soweit sie von ihm abweichen, durch den Tarifvertrag gestattet sind oder von den tariflichen Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers abweichen. Je nach dem Inhalt des Tarifvertrages kommen also auch hier zusätzliche Regelungen gem. M 3.1 in Betracht. 2 Zu alternativen Formulierungsvorschlägen und Einzelheiten s. M 2.1a Ziff. 1 (2) m. Anm.; vgl. ferner Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z „Versetzungsklausel“ und „Änderungsklausel“, Rz. 82a ff., 129. 3 Vgl. im Einzelnen M 2.1a Ziff. 2 m. Anm. 4 Zur zulässigen Arbeitszeit vgl. Kap. 2 Rz. 156 ff. Die Klausel ist in erster Linie auf Angestellte zugeschnitten, die nicht an die Arbeitszeiten der Produktion gebunden sind, also insb. kaufmännische Angestellte. Für Angestellte – zB Abteilungsleiter – in der Produktion wäre die jeweilige Fassung des gewerblichen Vertrages (vgl. M 2.2 Ziff. 3) zu übernehmen, soweit die jeweiligen tariflichen Regelungen für Angestellte dem nicht entgegenstehen. Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit allerdings nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart (BAG v. 15.5.2012, NZA-RR 2014, 519). Wird die Zahl der Wochenstunden nicht angegeben, und ist die Beschäftigung in „Vollzeit“ vereinbart, darf der Arbeitnehmer die Klausel so verstehen, dass die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden in der Woche nicht übersteigt (BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 602/13, NZA 2015, 1002 Rz. 14). 5 Es ist zweifelhaft, ob diese Klausel allein schon ein Nebentätigkeitsverbot enthält. Es sollte daher gesondert geregelt werden (dazu unten unter § 6).

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Lingemann

M 3.2

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

Monat zu leisten. Darüber hinaus ist er/sie verpflichtet, Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten.6 (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III). Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in § 4 Abs. 1 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit.7

§ 4 Vergütung (1) Herr/Frau … wird nach der Tarifgruppe … vergütet wie folgt:8 Tarifgehalt (zurzeit):

Euro …/Monat 9

Übertarifliche Zulage

Euro …/Monat

Zuschläge für … (zurzeit):

Euro …/Monat

(2) Der Arbeitgeber behält sich vor, die übertarifliche Zulage bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen.10 Sachliche Gründe sind – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere11 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … im letzten Geschäftsjahr), – eine um … % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von … Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Das Tarifgehalt und das gesetzliche Mindestentgelt bleiben dabei unangetastet. Der widerrufliche Teil ist begrenzt auf 24,5 % der Gesamtvergütung.12 (3) Die übertarifliche Zulage kann auf den Tariflohn angerechnet werden, wenn sich dieser infolge von Tariferhöhungen oder infolge einer Umgruppierung des Arbeitnehmers erhöht.13 Dasselbe gilt bei einer Verkürzung der Arbeitszeit.

6 Vgl. Anm. zu M 2.1a Ziff. 4, Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Mehrarbeitsklausel“, Rz. 112. Vgl. ferner M 2.2 Fn. 4 ff. 7 Einzelheiten bei M 2.1a Ziff. 3 (2) und Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a. 8 Sofern der Vertrag nicht eine ausdrückliche Regelung dazu enthält, dass die tariflichen Regelungen nicht dynamisch gelten, wertet das BAG eine solche Vereinbarung als dynamische Verweisung (BAG v. 10.11.2010, NJOZ 2011, 376; v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202; Einzelheiten bei M 2.2 Ziff. 4 (1). 9 S. Anm. zu M 2.2 Ziff. 4 (1) sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104; Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754. 10 S. Anm. zu M 2.2 Ziff. 4 (2) sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Im Einzelnen s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 11 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f). 12 Die widerrufliche synallagmatische Leistung muss „weniger als“ 25 % der Gesamtvergütung (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465, 467 unter I 4d) betragen, 24,9 % oder, wie hier, sicherheitshalber 24,5 % müssten also zulässig sein, vgl. auch M 2.2 Ziff. 4 (2) m. Anm. sowie Bauer/Heimann, NZABeilage 2014, 114, 116; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766, 3767. 13 S. Anm. zu M 2.2 Ziff. 4 (3) sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f.

Lingemann

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.3

§ 5 Tarifgeltung Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem Herr/Frau … beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Derzeit sind dies die Tarifverträge der …-Industrie.14 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Unterschrift Arbeitgeber)

… (Unterschrift Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin)

14 § 5 enthält eine einfache Tarifwechselklausel, s. M 2.2 Ziff. 5, Var. 3 mit Anm. Zu Einzelheiten und weiteren Formulierungsvorschlägen, ferner zu kleinen dynamischen und statischen Bezugnahmeklauseln s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 98 ff., „Bezugnahmeklausel“ sowie M 2.2 Ziff. 5.

M 3.3

Anstellungsvertrag mit einem leitenden Angestellten

Zwischen der X-AG (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau … wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Art der Tätigkeit (1) Der Arbeitgeber überträgt Herrn/Frau … die Leitung der Abteilung … (2) Die Stelle ist mit Prokura/Handlungsvollmacht/Generalvollmacht ausgestattet. oder1 (2) Nach einer Einarbeitungszeit von … Monaten wird Herrn/Frau … bei Bewährung Prokura/ Handlungsvollmacht/Generalvollmacht erteilt. evtl. Die Prokura kann der Arbeitgeber jederzeit widerrufen.2 (3) Herr/Frau … ist leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG.3 (4) Sein/ihr Aufgabenbereich umfasst … Der Arbeitgeber behält sich vor, Herrn/Frau … entsprechend seinen/ihren Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Tätigkeit zu betrauen. Der Vorbehalt erstreckt sich auch auf eine Beschäfti1 Widerruft der Arbeitgeber vertragswidrig eine Prokura, so kann er schadensersatzpflichtig werden, oder der Arbeitnehmer kann außerordentlich kündigen; der Arbeitnehmer kann aber nicht verlangen, dass ihm die Prokura erteilt wird (BAG v. 26.8.1986 – 3 AZR 94/85, NZA 1987, 202; Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 91 f.). 2 Eine solche Regelung dient dazu, Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers bei Widerruf der Prokura auszuschließen, vgl. Kleinebrink, ArbRB 2012, 90, 92. 3 Eine solche Klausel findet sich in vielen Verträgen mit Führungskräften. Das Selbstverständnis und die Bezeichnung eines Angestellten als „Leitender Angestellter“ im Arbeitsvertrag ist jedoch für die Einordnung nach § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bindend (vgl. oben Rz. 2 ff.). Die Zuordnung eines leitenden Angestellten nach § 18a BetrVG beschränkt sich auch nur auf die Betriebsrats-/Sprecherausschusswahl. In Zweifelsfällen sollte der Arbeitgeber deshalb vor Ausspruch einer Kündigung den Betriebsrat hilfsweise nach § 102 BetrVG anhören. Besteht ein Sprecherausschuss, ist dieser vor der Kündigung eines leitenden Angestellten zu hören, § 31 SprAuG.

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M 3.3

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

gung an einem anderen Ort oder bei einer Tochtergesellschaft des Arbeitgebers. Soweit nicht dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, wird der Arbeitgeber die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes nur mit einer Ankündigungsfrist von … Wochen/Monaten erklären. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgabenbereiche.4 (5) Herr/Frau … tritt seine/ihre Stelle spätestens am … an.

§ 2 Arbeitszeit, Kurzarbeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt … Stunden wöchentlich.5 (2) Herr/Frau … ist verpflichtet, seine/ihre ganze Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers einzusetzen und, soweit erforderlich, auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus zu arbeiten.6 (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist (§§ 95 ff. SGB III). Dabei ist eine Ankündigungsfrist von drei Wochen einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit vermindert sich die in § 3 Abs. 1 geregelte Vergütung im Verhältnis der ausgefallenen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit.7

§ 3 Vergütung (1) Herr/Frau … erhält eine am Monatsende zahlbare Bruttovergütung von Euro … monatlich.8 evtl. Im Falle von Tariferhöhungen oder -ermäßigungen erhöht oder ermäßigt sich die Bruttovergütung um den Prozentsatz, um den sich das Tarifgehalt der Gehaltsgruppe … für Angestellte des … Tarifvertrages verändert.9 (2) Herr/Frau … erhält eine Gewinnbeteiligung (Tantieme)10 in Höhe von … % des Jahresgewinns gemäß Handelsbilanz des Arbeitgebers, vor Abzug der Tantieme, nach Abschreibungen, Wertberich4 Zu weiteren Formulierungsvorschlägen und Einzelheiten s. M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. sowie Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Versetzungsklausel“ und „Änderungsvereinbarung“, Rz. 82a ff., 129. 5 Das ArbZG gilt für leitende Angestellte nicht, § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG. 6 Vgl. M 2.2 Anm. zu Ziff. 1; für leitende Angestellte dürfte auch eine Regelung ohne Obergrenze wirksam sein; anderenfalls müsste man sich an M 3.1 § 2 Abs. 2 orientieren. 7 Einzelheiten bei M 2.1a Ziff. 3 Abs. 3 und Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Kurzarbeitsklausel“, Rz. 111a. Betriebsvereinbarungen zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit gelten für leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3, 4 BetrVG nicht. Daher kann Kurzarbeit einseitig nur durchgesetzt werden, wenn dies einzelvertraglich entweder aus konkretem Anlass oder bereits im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Setzt der Arbeitnehmer angeordnete Kurzarbeit tatsächlich um, so kann dies auch als konkludente Vereinbarung gedeutet werden (LAG Düsseldorf v. 14.10.1994, LAG Düsseldorf v. 14.10.1994 – 10 Sa 1194/94, DB 1995, 682). Fehlt indes eine entsprechende Vereinbarung, so bleibt dem Arbeitgeber nur die Änderungskündigung, die jedoch wegen Einhaltung der Kündigungsfristen regelmäßig erst (zu) spät greifen wird. 8 Leitende Angestellte sind im Hinblick auf die Wertigkeit ihres Aufgabengebietes stets AT-Angestellte, vgl. Hunold, NZA-RR 2010, 505 f., so dass das Gehalt unabhängig von einem Tarifvertrag vereinbart wird. 9 Zur Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln nach dem PrKG vgl. M 3.1, § 3 Abs. 1 Satz 2 m. Anm. Zulässig sind jedenfalls Gehalts- und Lohngleitklauseln, die – wie § 3 Abs. 1 Satz 2 – an Tarifgehälter gekoppelt werden („Spannungsklauseln“), vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG. Bei leitenden Angestellten ist das allerdings nicht unbedingt gewünscht. Tarifabstandsklauseln sind auch in Verbindung mit einer Pauschalabgeltung von Überstunden problematisch, da durch die faktische Inanspruchnahme die Vergütung unter das Tarifstundenniveau sinken kann und damit doch ein Anspruch auf Überstundenvergütung entsteht, vgl. Hunold, NZA-RR 2010, 505, 508. 10 Die strengen Regelungen des VorstAG (Kap. 5 Rz. 13 ff.) gelten für leitende Angestellte nicht unmittelbar. Will man verhindern, dass deren variable Vergütung sich von den für den Vorstand ggf. nach VorstAG zwingenden Strukturen der variablen Vergütung unterscheidet, kann man sich an der Gestaltung im Vorstandsvertrag (M 5.1 § 3 Abs. 2) orientieren. Anders als eine Beteiligung am Gewinn ist eine Beteiligung des Arbeitnehmers am Verlust sittenwidrig und damit schon gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn dafür kein angemessener Ausgleich gewährt wird, weil dem Arbeitnehmer damit in unzulässiger

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.3

tigungen und Bildung von Rückstellungen sowie abzüglich des Teils des Gewinns, der durch die Auflösung von Rückstellungen entstanden ist.11 Die Tantieme beträgt in den ersten zwei Jahren jedoch mindestens jährlich Euro …12 Die Tantieme wird binnen Monatsfrist nach Feststellung des Jahresabschlusses gezahlt. Scheidet Herr/Frau … innerhalb des laufenden Geschäftsjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus, besteht der Anspruch pro rata temporis.13 oder (2) Herr/Frau … erhält eine Tantieme, deren Höhe im billigen Ermessen der Gesellschaft liegt. Sie kommt nur zur Auszahlung, wenn die Gesellschaft ihren Aktionären eine Dividende ausschüttet und Herr/Frau … sich zum Zeitpunkt der Fälligkeit im ungekündigten Dienstverhältnis befindet.14 oder15 (2) An Herrn/Frau … kann nach Abschluss des Geschäftsjahres am 31.3. des folgenden Kalenderjahres eine Sonderzahlung erbracht werden.16

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Weise das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers überlastet wird (BAG v. 10.10.1990, DB 1991, 659). Die Gewinnbeteiligung (Tantieme) richtet sich nach Gewinn oder – im Ausnahmefall – Umsatz des Unternehmens, unabhängig vom Grad der Mitwirkung des Berechtigten. Demgegenüber setzt eine Provision voraus, dass eine bestimmte Tätigkeit des Arbeitnehmers für den die Provision begründenden Tatbestand (zB Geschäftsabschluss) kausal geworden ist. Rechtsgrundlage einer Gewinnbeteiligung kann zwar auch ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung sein; regelmäßig geht sie jedoch auf den Arbeitsvertrag zurück. Zulässig ist es, die Zahlung einer Gewinnbeteiligung von der Ausschüttung einer Dividende an die Aktionäre abhängig zu machen (vgl. BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499). Will der Arbeitgeber Gewinnbeteiligungen oder Umsatzprämien einführen, bedarf sowohl deren Einführung als auch die Ausgestaltung und Änderung des Beteiligungssystems zwar der Zustimmung des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (BAG v. 25.4.1995 – 9 AZR 690/93, NZA 1995, 1063 zur Einführung von Umsatzprämien). Das gilt aber nicht für Gewinnbeteiligungen für leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG. Der Betriebsrat kann die Einführung eines Gewinnbeteiligungssystems nicht erzwingen. Vgl. näher zum Ganzen Kap. 12, insb. M 12.10.1 ff. Häufig ist Bemessungsgrundlage der Jahresgewinn nach Handelsbilanz (nicht Steuerbilanz), uU auch mit den Einschränkungen nach dem Muster. Zur Durchsetzung des Anspruchs hat der Arbeitnehmer aus § 242 BGB gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung über den erzielten Gewinn, insbesondere durch Vorlage des Jahresabschlusses. Die Tantieme ist als Anspruch ausgestaltet durch die Formulierung „erhält“ (Kap. 2 Rz. 105b). Die Vereinbarung einer Mindesttantieme empfiehlt sich insbesondere in Turn-around-Situationen. Sie kann dann – wie im Muster – angemessen befristet sein. Alternativ käme die Ermittlung des Gewinns zum Ausscheidenszeitpunkt durch Erstellung einer Zwischenbilanz in Betracht; zur Vermeidung dieses enormen Aufwandes empfiehlt es sich, die Pro-rata-Geltung im Vertrag festzulegen. UE gilt die Pro-rata-Regelung auch, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund betriebsbedingter Kündigung beendet wurde. Formulierung wie in BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499. Das BAG hat diese Formulierung akzeptiert – auch ohne den Zusatz „billigen“, den wir aber für ratsam halten (BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 404, Rz. 21). Sie sei weder intransparent noch stelle sie eine unangemessene Benachteiligung dar. Auch die Tatsache, dass die Gesellschaft mehrere Jahre lang den Zahlungen keinen Hinweis auf den Dividendenvorbehalt beigefügt hatte, hielt der 10. Senat für unschädlich, die Mitteilung der Anspruchsvoraussetzung bei einer Leistung sei rechtsgeschäftlich ohne Bedeutung. Insofern ist genau zu differenzieren zwischen einem Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeweils bei jeder Zahlung erklärt werden muss (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81), und einer solchen rechtsgeschäftlichen Bedingung, bei der die Regelung im Vertrag ausreicht (Einzelheiten: Lingemann/Pfister/Otte, Ermessen bei Gratifikationen und Vergütung als Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt, NZA 2015, 65). Folgende Variante mit ausdrücklichem Freiwilligkeitsvorbehalt, Einzelheiten dazu s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. Zur Terminologie beim Freiwilligkeitsvorbehalt und den zahlreichen Formulierungen, die nach Ansicht des BAG einen Anspruch begründen sollen s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 105b. Nur „Erbringen“ und „leisten“ gehört, soweit ersichtlich, noch nicht dazu.

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Lingemann

M 3.3

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

Diese Sonderzahlung wird freiwillig erbracht und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten vorbehaltlosen Gewährung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird Der Arbeitgeber behält sich vor, vor Beginn eines jeden Jahr neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe die Sonderzahlung erbracht wird. Dies gilt nicht für Sonderzahlungen, die auf einer individuellen Vertragsabrede mit dem Arbeitnehmer im Sinne des § 305b BGB beruhen.17 oder (2) Herr/Frau … erhält eine Provision in Höhe von Euro … je …18 (3) Mit dieser Vergütung sind Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit abgegolten.19 17 Nach der neueren Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten (BAG 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595 Rz. 52; v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; dazu Bauer/von Medem, NZA 2012, 894; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400) muss der Vorbehalt nicht nur transparent formuliert sein, sondern auch den Vorrang der Individualabrede beachten. Zudem können Freiwilligkeitsvorbehalte wohl nur noch dazu dienen, eine betriebliche Übung hinsichtlich der konkreten Leistung zu vermeiden. In jedem Fall muss bei jeder Zahlung nochmals ausdrücklich erklärt werden, dass diese einmalig ist und freiwillig erfolgt, ohne einen Rechtsanspruch für die Zukunft zu begründen, da die Rechtsprechung Freiwilligkeitsvorbehalte in Formularverträgen zunehmend restriktiv beurteilt; sie reichen alleine zur Begründung der Freiwilligkeit wohl nicht mehr aus (Einzelheiten s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104). Angesichts der Unsicherheit darüber, wie ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt ausgestaltet sein muss, kann es ratsam sein, im Vertrag die freiwillige Leistung und damit den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu regeln und stattdessen bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu erklären. Zum Freiwilligkeitsvorbehalt bei der Erbringung der Leistung selbst als Orientierung BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; die Klausel lautete: „Wir freuen uns, Ihnen für das Jahr 2001 eine Sonderzahlung in Höhe von Euro 25 000,– zukommen zu lassen. Die Auszahlung erfolgt mit dem Gehalt für April 2002. Diese Zahlung ist einmalig und schließt zukünftige Ansprüche aus. Wir danken Ihnen für Ihre bisherige Arbeit und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg in unserem Hause.“ 18 Zu Einzelheiten der Provisionsansprüche vgl. M 12.11. 19 Anders als bei (einfachen) Angestellten (vgl. M 3.1 § 3 Abs. 2) ist bei leitenden Angestellten die gesonderte Vergütung von Überstunden die Ausnahme. Zwar gilt das MiLoG grundsätzlich auch für leitende Angestellte (vgl. Schmitz-Witte/Killian, NZA 2015, 415). UE muss der gesetzliche Mindestlohn jedoch nicht von der Pauschalabgeltung von Überstunden ausgenommen werden, wenn nach der Höhe der Vergütung und dem Umfang der Abgeltung eine Unterschreitung des Mindestlohns ausgeschlossen ist (vgl. Kap. 2, AGB-Kontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“ Rz. 118). Das dürfte bei Leitenden Angestellten der Fall sein. Ob und ggf. in welchem Umfang der Mindestlohn in einer Pauschalisierungsklausel ausgenommen werden muss, ist allerdings nicht höchstrichterlich geklärt. Ohne ausdrückliche Vereinbarung sind Überstunden nach der Rechtslage vor Einführung der AGB-Kontrolle nur gesondert zu vergüten, wenn die vertraglichen Bezüge lediglich eine bestimmte Normalleistung abgelten sollen oder wenn dem leitenden Angestellten zusätzlich Arbeiten außerhalb seines eigentlichen Aufgabenkreises übertragen werden (vgl. BAG v. 17.11.1966, AP BGB § 611 Leitende Angestellte Nr. 1; v. 13.3.1967, AP BGB § 618 Nr. 15). Ob auch bei leitenden Angestellten wegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB die Unwirksamkeit einer solchen Pauschalabgeltung in Formularverträgen droht, ist offen. Eine solche Pauschalabgeltung war in der Vergangenheit absolut üblich, was uE eine Besonderheit des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 BGB darstellt, so dass eine solche Regelung uE auch jetzt noch zulässig ist. Will man dieses Risiko vermindern, müsste man sich an § 3 Abs. 2, Var. 3 in M 3.1 orientieren. Bei der Beschränkung der pauschal abzugeltenden Überstunden gelten bei leitenden Angestellten aber möglicherweise großzügigere Maßstäbe, da das Arbeitszeitgesetz nicht anzuwenden ist. Auch wiegt das Risiko der Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel weniger schwer, da im Fall der Unwirksamkeit einer Abgeltungsklausel eine objektive Vergütungserwartung notwendig ist, um Überstunden ohne vertragliche Regelung vergüten zu müssen. Diese muss der Arbeitnehmer darlegen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind, bei Diensten höherer Art sowie bei Besserverdienern, deren Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet (vgl. BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861 mwN). In diesen Fällen ist also im Zweifel ohne vertragliche Regelung ohnehin keine Überstundenabgeltung geschuldet. Einzelheiten s. Kap. 2, AGB-Kontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“ Rz. 118 und „Überstundenklausel“ Rz. 127.

Lingemann

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.3

§ 4 Sonstige Leistungen § 5 Verschwiegenheitspflicht § 6 Nebentätigkeiten § 7 Urlaub § 8 Reisekosten § 9 Erfindungen, Urheberrechte § 10 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot § 11 Altersversorgung § 12 Dienstverhinderung20 (vgl. M 3.1 §§ 4–12)

§ 13 Sterbegeld (1) Sollte Herr/Frau … während des ungekündigten21 Bestands des Arbeitsverhältnisses sterben, so erhalten seine/ihre Erben oder unterhaltsberechtigten Angehörigen bis zum Ende des Sterbemonats und danach noch für … Monate das Monatsgehalt nach § 3 Abs. … als Sterbegeld. (2) Falls Herr/Frau … gegenüber dem Arbeitgeber keine schriftliche Bestimmung getroffen hat, bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, an welchen Erben oder Unterhaltsberechtigten das Sterbegeld nach Abs. 1 gezahlt wird. Die Erben bzw. Unterhaltsberechtigten haben sich ggf. selbst auseinander zu setzen.

§ 14 Umzugskosten (vgl. M 3.1 § 13)

§ 15 Vertragsstrafe § 16 Beendigung des Anstellungsverhältnisses22 § 17 Vorschüsse und Arbeitgeberdarlehen § 18 Zahlungsabwicklung, Zinsen § 19 Internetnutzung § 20 Ausschlussfristen (vgl. M 3.1 §§ 15–21)23 20 Gelegentlich wird bei leitenden Angestellten eine längere Dauer der Entgeltfortzahlung als nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz vereinbart. 21 Diese Voraussetzung ist uE wirksam, denn es geht hier um eine soziale Unterstützung und nicht die Vergütung von geleisteter Arbeit; dies spricht ebenso wie beim Weihnachtsgeld dafür, dass die Anknüpfung an den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zulässig ist (BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221). Bei einer Leistung, die zumindest auch Vergütungscharakter hat, wäre dies hingegen nicht zulässig (BAG aaO). Wahrscheinlich würde hier auch der blue-pencil-test helfen (BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783); im Einzelnen Kap. 2 Rz. 40. 22 Bei leitenden Angestellten werden die Kündigungsfristen allerdings regelmäßig großzügiger gewählt als die gesetzlichen Kündigungsfristen, auch als Ausgleich für den ggf. nach § 14 KSchG geminderten Schutz gegen Kündigungen. 23 Bei leitenden Angestellten sind Regelungen zur Gehaltsabtretung/Verpfändung (M 3.1 § 14) und zu Einstellungsfragebögen (M 3.1 § 18) weniger üblich; sofern die Bezugnahme auf einzelne kollektive Regelungen gewünscht ist, könnte diese in Anlehnung an M 3.1 § 22 erfolgen. Eine Bezugnahme auf tarifliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen ist bei leitenden Angestellten jedoch die Ausnahme.

164

Lingemann

M 3.4

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

§ 21 Datenschutz § 22 Ausschluss abweichender Absprachen und Nebenabreden § 23 Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung § 24 Salvatorische Klausel § 25 Gerichtsstand § 26 Vertragsaushändigung (vgl. M 3.1 §§ 23–28)24 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Unterschrift Arbeitgeber)

… (Unterschrift Arbeitnehmer)

24 Gemäß § 309 Nr. 12b BGB bedarf das Empfangsbekenntnis, um nicht AGB-widrig zu sein, der gesonderten Unterschrift.

M 3.4

Anstellungsvertrag mit einem Syndikusanwalt

Zwischen der X-AG (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau … wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Art der Tätigkeit (1) Herr/Frau … wird als Syndikusrechtsanwalt1 i.S.v. § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO2 eingestellt. Er/sie ist in Sachen des Rechts unabhängig und keinen inhaltlichen Weisungen unterworfen.3, 4 Die Tätigkeit von Herrn/Frau … besteht vor allem in Folgendem:5

1 S. allgemein zum Syndikus zunächst die Erläuterungen Rz. 8 ff. 2 Ein angestellter Volljurist hat grundsätzlich keinen Anspruch drauf, dass der Arbeitgeber das Anstellungsverhältnis so ausgestaltet, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO erfüllt sind und sich der Angestellte als Syndikusrechtsanwalt zulassen kann und damit auch in den Genuss der Befreiungsmöglichkeit von der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 SGB VI kommt. Scheut der Arbeitgeber beispielsweise die ausdrückliche Weisungsfreiheit in Angelegenheiten des Rechts, kann der Vertrag von vornherein so ausgestaltet werden, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO nicht vorliegen und deshalb der angestellte Jurist sich nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen kann. Es empfiehlt sich dringend, diese Frage vor Vertragsschluss zu besprechen und zu klären. 3 Unklar ist, ob der Syndikusrechtsanwalt aufgrund seiner Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit in jedem Fall leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG ist oder ob dies zusätzlich voraussetzt, dass er wichtige Aufgaben für das Unternehmen wahrnimmt. Für die generelle Einbeziehung in den Kreis der leitenden Angestellten spricht die Parallelregelung des § 45 Satz 2 WPO, wonach (weisungsfrei agierende) Wirtschaftsprüfer stets leitende Angestellte sind. 4 Die Weisungsfreiheit bezüglich der Analyse und der Beratung in Rechtsangelegenheiten ist konstitutives Merkmal des Syndikus gem. § 46 Abs. 4 BRAO. Wird diese Weisungsfreiheit vertraglich nicht eingeräumt,

Lingemann/Diller

165

Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.4

1. Rechtsberatung – Analysiert Verträge unabhängig (Mandatsverträge, Unternehmenskauf- und -verkaufverträge, Fusionsverträge, Vertraulichkeitsvereinbarungen, Underwriting-Verträge etc.) – erarbeitet Lösungsansätze für spezifische Probleme und stellt sie schriftlich dar – bewertet unabhängig Lösungsmöglichkeiten 2. Rechtsentscheidung – leitet die Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse zum Abschluss von oben genannten Verträgen – schließt Verträge ab und unterzeichnet sie persönlich 3. Rechtsgestaltung – führt selbstständig Vertragsverhandlungen mit Kunden 4. Rechtsvermittlung – erarbeitet abstrakte Regelungskomplexe (insbesondere im Bereich …) – arbeitet Regelungskomplexe schriftlich auf und präsentiert sie mündlich (2) Herr/Frau … hat Handlungsvollmacht.6 (3) Der Arbeitgeber stellt sicher, dass Herrn/Frau … ein Arbeitszimmer und eine Arbeitsumgebung zur Verfügung gestellt wird, welche den Anforderungen an eine Kanzlei i.S.v. § 27 BRAO erfüllen.7 (4) Der Arbeitgeber behält sich vor, Herrn/Frau … entsprechend seinen/ihren Kenntnissen und Fähigkeiten eine andere gleichwertige Tätigkeit zuzuweisen, gegebenenfalls auch an einem anderen Ort. In Betracht kommen aber nur solche Tätigkeiten, die die Voraussetzungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt i.S.v. § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO erfüllen.8, 9

5

6 7 8

9

liegen die Voraussetzungen einer Tätigkeit als Syndikusanwalt iSd. § 46 BRAO nicht vor, so dass die zuständige Anwaltskammer die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt versagen wird. Die nachfolgende Aufzählung ist sinnvoll, aber zur Sicherstellung des Status als Syndikus-Rechtsanwalt nicht erforderlich. Allerdings ist dem Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gem. § 46a Abs. 3 BRAO eine Kopie des Arbeitsvertrages beizufügen, so dass es hilfreich ist, wenn aus dem Arbeitsvertrag (oder einer als Anlage beigefügten Tätigkeitsbeschreibung) hervorgeht, dass insbesondere die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 BRAO erfüllt sind. Die Vertretungsbefugnis nach außen ist gem. § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO zwingende Voraussetzung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Sie muss nicht zwingend bereits im Arbeitsvertrag erteilt werden, dies ist aber hilfreich. Die Pflicht zur Unterhaltung einer räumlich/organisatorisch geschützten „Kanzlei“ ergibt sich für Syndikusrechtsanwälte aus § 46c Abs. 4 BRAO. Mit dieser Einschränkung des Versetzungsrechts kann der Angestellte sicherstellen, dass er auch bei künftigen Änderungen seines Tätigkeitsbereichs die Möglichkeit behält, sich zugunsten des anwaltlichen Versorgungswerks von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass eine Einschränkung des arbeitgeberseitigen Versetzungsrechts zum Bumerang werden kann, wenn betriebsbedingte Kündigungen im Raum stehen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind nur solche Tätigkeiten „vergleichbar“ iSv. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG, auf die der Arbeitgeber den Mitarbeiter ohne Änderungskündigung versetzen könnte (zB BAG v. 15.6.1989, NZA 1990, 226). Kommt es zu einem Arbeitsplatzabbau in der Rechtsabteilung und ist die hier beschriebene Einschränkung des Versetzungsrechts vereinbart, ist der vom Stellenabbau betroffene Syndikusrechtsanwalt also nicht vergleichbar mit anderen Mitarbeitern, die nicht in einer § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entsprechenden Position eingesetzt sind. Kann der Syndikus in den Vertragsverhandlungen mit dem Arbeitgeber eine solche Beschränkung des Versetzungsrechts nicht durchsetzen, ist er gleichwohl nicht schutzlos. Denn jede Versetzung unterliegt dem Billigkeitsgebot des § 315 BGB. Die Versetzung auf eine Position, in der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO nicht mehr erfüllt sind und deshalb die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt, ist für den Syndikus so nachteilig, dass sie nur in Betracht kommt, wenn wichtige Gründe für die Versetzung bestehen. Das kommt zB in Betracht, wenn ohne Versetzung eine Kündigung nicht vermeidbar wäre, aber auch bei betrieblich aufgrund wichtiger Gründe gebotener Umstrukturie-

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Diller

M 3.4

Verträge mit Angestellten

Kap. 3

§ 2 Arbeitszeit, Kurzarbeit (Vgl. M 3.1 § 2)

§ 3 Vergütung (1) Herr/Frau … erhält eine am Monatsende zahlbare Bruttovergütung von Euro … monatlich. (2) Herr/Frau … erhält in Abhängigkeit von seinen Leistungen einen Bonus, dessen Höhe jeweils nach Abschluss des Geschäftsjahres vom Arbeitgeber gem. § 315 BGB festgesetzt wird.10

§ 4 Sonstige Leistungen § 5 Verschwiegenheitspflicht § 6 Nebentätigkeiten § 7 Urlaub § 8 Reisekosten § 9 Erfindungen, Urheberrechte § 10 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot § 11 Altersversorgung § 12 Dienstverhinderung (vgl. M 3.1 §§ 4–12)

§ 13 Haftung/Versicherung (1) Herr/Frau … haftet gegenüber dem Arbeitgeber nur bei Vorsatz [und grober Fahrlässigkeit].11 rung. Demgegenüber werden bloße Hoffnungen, eine neue Struktur werde „schlagkräftiger“ oder „effektiver“ sein, eine solche Versetzung regelmäßig nicht rechtfertigen. 10 Zwar gilt für die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVG nicht (§ 1 Abs. 2 Satz 1 RVG). Für ihn gilt jedoch § 49b Abs. 1 BRAO, wonach eine erfolgsabhängige Vergütung nicht vereinbart werden darf. Welche Bedeutung diese, für freiberuflich tätige Rechtsanwälte konzipierte Regelung für den angestellten Syndikusrechtsanwalt hat, ist noch ungeklärt. Bei wörtlicher Anwendung würde sie einer Bonusregelung entgegenstehen, die (zB über eine Zielvereinbarung) eine Zusatzvergütung an den erfolgreichen Abschluss einzelner Rechtsangelegenheiten des Unternehmens knüpft. Nach Sinn und Zweck erscheint eine Anwendung des § 49b Abs. 1 BRAO hier allerdings nicht erforderlich; der Arbeitgeber als Auftraggeber sollte aufgrund seines Verhandlungs- und Informationsgleichgewichts in der Lage sein, selbst für die Wahrung seiner Interessen zu sorgen. Eine Anwendung des § 49b Abs. 1 BRAO auf den Syndikusrechtsanwalt ist auch deshalb fraglich, weil kein Gemeinwohlinteresse (Art. 12 GG) erkennbar ist. 11 In welchem Umfang der Syndikusrechtsanwalt gegenüber dem Arbeitgeber für Berufsfehler haftet, ist umstritten. In einer älteren Entscheidung hatte der BGH eine solche Haftung bejaht (BGH v. 7.10.1969 – VI ZR 223/67, DB 1969, 2224). Dieses Urteil stammt jedoch aus einer Zeit, in der das BAG die allgemein anerkannte Haftungserleichterung im Arbeitsverhältnis noch auf sog. „gefahrgeneigte Tätigkeiten“ beschränkte; der BGH hielt die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts für nicht „gefahrgeneigt“. Seit das BAG die Einschränkungen der Arbeitnehmerhaftung nicht mehr von einer Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit abhängig macht (s. im Einzelnen M 13.3), müsste an sich die Haftungserleichterung für einfache und mittlere Fahrlässigkeit auch dem Syndikusrechtsanwalt zukommen. Dies ist im Gesetzgebungsverfahren des Jahres 2015 allerdings mit dem Argument bestritten worden, die für den Syndikusrechtsanwalt ausdrücklich geforderte Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit müsse mit der Anwendung der allgemeinen vertraglichen Haftungsregelungen der §§ 276 ff. BGB korrelieren, für eine Haftungserleichterung anhand der vom BAG entwickelten Grundsätze sei kein Raum mehr. Es empfiehlt sich deshalb, die Frage des Haftungsumfangs vertraglich zu regeln. Unbedenklich wäre sogar ein vollständiger Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit, der Syndikusrechtsanwalt würde dann nur

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Kap. 3

Verträge mit Angestellten

M 3.4

oder: Die Haftung von Herrn/Frau … für Fahrlässigkeit [beschränkt sich auf Ansprüche, die dem Grund und der Höhe versichert sind/ist beschränkt auf maximal Euro 5.000 pro Schadensfall]. (2) Herr/Frau … ist über die D&O-Versicherung des Arbeitgebers abgesichert. Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Aufrechterhaltung dieses Versicherungsschutzes für die Dauer des Anstellungsverhältnisses.12

§ 14 Umzugskosten § 15 Vertragsstrafe § 16 Beendigung des Anstellungsverhältnisses § 17 Vorschüsse und Arbeitgeberdarlehen § 18 Zahlungsabwicklung, Zinsen § 19 Internetnutzung § 20 Ausschlussfristen § 21 Datenschutz § 22 Ausschluss abweichender Absprachen und Nebenabreden § 23 Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung § 24 Salvatorische Klausel § 25 Gerichtsstand § 26 Vertragsaushändigung (Vgl. M 3.1 §§ 13–28) … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Unterschrift Arbeitgeber)

… (Unterschrift Arbeitnehmer)

… noch für Vorsatz haften (vgl. § 276 Abs. 3 BGB). AGB-rechtliche Bedenken bestehen nicht, da die §§ 305 ff. BGB nicht zugunsten des Arbeitgebers gelten, der typischerweise die Arbeitsvertragsbedingungen vorgibt. Die Einschränkung der Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung des Rechtsanwalts nach § 52 BRAO gilt für den Syndikusrechtsanwalt nicht (§ 46c Abs. 3 BRAO). 12 Der Syndikusrechtsanwalt unterliegt nicht der Versicherungspflicht des § 51 BRAO. Eine Einbeziehung in eine D&O-Versicherung kann aber sinnvoll sein.

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kapitel 4

Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

I. Einführung 1. Anforderungen an die Person des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organstellung und Dienstvertrag a) Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages . . bb) Form des Dienstvertrages . . . . . 3. Pflichten und Verantwortlichkeiten des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . .

. .

_ _ _ _ _ _ 1 3 6

. 9 . 11 . 12

_ _ _ _ _ _

4. Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Stellung des Geschäftsführers a) Arbeitsrechtliche Stellung . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung 5. AGB-Kontrolle des Geschäftsführervertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anwendung des VorstAG auf die GmbH

17 21 24 25

II. Muster Dienstvertrag des Geschäftsführers . . . . . .M. 4.1a Service Agreement of the Managing Director . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 4.1b

Literatur: Armbrüster, Interessenkonflikte in der D&O-Versicherung, NJW 2016, 897; Baeck/Götze/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Geschäftsführervergütung – Welche Änderungen bringt das VorstAG?, NZG 2009, 1121; Baeck/Hopfner, Schlüssige Aufhebungsverträge mit Organmitgliedern auch nach Inkrafttreten des § 623 BGB, DB 2000, 1914; Baisch/Cardinale-Koc, Zusammentreffen mehrerer nachvertraglicher Wettbewerbsverbote – Reichweite und doppelte Abgeltung für den Gesellschafter-Geschäftsführer?, NJW 2016, 1914; Bauer, Nun Schriftform bei Beförderung zum Geschäftsführer?, GmbHR 2000, 767; Bauer/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Vorstandsvergütungen nach dem VorstAG, AG 2009, 717; Bauer/Arnold, Kein Kündigungsschutz für „Arbeitnehmer-Geschäftsführer“ – oder doch?, DB 2008, 350; Bauer/Göpfert/Siegrist, Abberufung von Organmitgliedern: Wegfall der variablen Vergütung?, DB 2006, 1774; Bauer/von Medem, Wettbewerbsverbote mit vertretungsberechtigten Organmitgliedern, ArbRAktuell 2011, 473; Bayreuther, Haftung von Organen und Arbeitnehmern für Unternehmensgeldbußen, NZA 2015, 1239; Bernsdorff, Die Bedeutung des Gesellschaftsvertragsrechts für das Recht der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung, DB 2014, 1551; Bork, Die Abberufung des Fremdgeschäftsführers – böswilliges Unterlassen bei Ablehnung einer Alternativtätigkeit im Unternehmen?, NZA 2015, 199; Bosse, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) – Überblick und Handlungsbedarf, BB 2009, 1654; Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 18. Aufl. 2006; Bross, Sozialversicherungsfreiheit von Geschäftsführern in Familiengesellschaften, DB 2014, 2651; Bruns, Lebenspartner und die betriebliche Altersversorgung, NZA 2009, 596; Diller, Nachträgliche Herabsetzung von Vorstandsvergütungen und -ruhegeldern nach dem VorstAG, NZG 2009, 1006; Cisch/Böhm, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und die betriebliche Altersversorgung in Deutschland, BB 2007, 602; Diller, Ordentliche Kündigung des Geschäftsführers sowie Verhältnis von Arbeitsverhältnis und Geschäftsführerdienstvertrag, NJW 2008, 1019; Diller, Kündigung des GmbH-Geschäftsführers wegen Spesenbetrugs, GmbHR 2006, 333; Diller, Konkurrenztätigkeit des GmbH-Geschäftsführers während des Kündigungsschutzprozesses, ZIP 2007, 201; Diller/Arnold/Kern, Abdingbarkeit des Betriebsrentengesetzes für Organmitglieder, GmbHR 2010, 281; Dimsic/André, Bestandsschutzstreitigkeiten von GmbH-Geschäftsführern, BB 2015, 3063; Döring/ Grau, Anwendbarkeit der Änderungen durch das VorstAG auf die mitbestimmte GmbH, DB 2009, 2139; Dzida/Naber, Diskriminierungsschutz für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, ArbRB 2012, 373; Ege/Grebler, Dienstverträge mit Geschäftsführern, AuA 2009, 462; Fischer, Die Fremdgeschäftsführerin und andere Organvertreter auf dem Weg zur Arbeitnehmereigenschaft, NJW 2011, 2329; Fleischer, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG 2009, 801; Forst, Unterliegen Geschäftsführer dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)?, GmbHR 2012, 821; Freckmann, Neues zur Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern, BB 2006, 2077; Freund, Abberufung und außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers, GmbHR 2010, 117; Friemel/Kamlah, Der Geschäftsführer als Erfinder, BB 2008, 613; Gaul/Janz, Das neue VorstAG – Veränderte Vorgaben auch für die Geschäftsführer und den Aufsichtsrat der GmbH, GmbHR 2009, 959; Geck/Fiedler, Alle Wege des Geschäftsführers führen zu den Arbeitsgerichten! Paradigmenwechsel bei der Bestimmung der Rechtswegzuständigkeit, BB 2015, 1077; Gehlhaar, Die Rechtsprechung zu (ruhenden) Arbeitsverhältnissen von Organen juristischer

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Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

Personen, NZA-RR 2009, 569; Geißler, Der Geschäftsführer der vertraglich konzernierten GmbH im Spannungsfeld gefährdender Weisungen des herrschenden Unternehmens, GmbHR 2015, 734; Graef/ Heilemann, Das Bundesarbeitsgericht und der GmbH-Geschäftsführer – eine Rechtsprechungsanalyse, GmbHR 2015, 225; Greven, Die Bedeutung des VorstAG für die GmbH, BB 2009, 2154; Grimm, Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers und AG-Vorstands?, DB 2012, 175; Grobys/Glanz, Kopplungsklauseln in Geschäftsführerverträgen, NJW-Spezial 2007, 129; Heidenhain/Meister, in Münchener Vertragshandbuch, Bd. I: Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011, IV 54; Hohenstatt, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, ZIP 2009, 1349; Hohenstatt/Kuhnke, Vergütungsstruktur und variable Vergütungsmodelle für Vorstandsmitglieder nach dem VorstAG, ZIP 2009, 1981; Hohenstatt/Naber, Sind Fremd-Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie?, NZA 2014; 637; Horstmeier, Geschäftsführer und Vorstände als „Beschäftigte“ – Diskriminierungsschutz für Organe nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, GmbHR 2007, 125; Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, 6. Aufl. 2016; Jooß, Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages, RdA 2008, 285; Kruse/Stenslik, Mutterschutz für Organe von Gesellschaften?, NZA 2013, 596; Lindemann, Herabsetzung der Geschäftsführervergütung in der Krise und Insolvenz, GmbHR 2009, 737; Lingemann/Pfister/Otte, Ermessen bei Gratifikation und Vergütung als Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, Bonuszahlungen und Freiwilligkeitsvorbehalt – Die Gewichte verschieben sich, NJW 2014, 2400; Lingemann/Weingarth, Zur Anwendung des AGG auf Organmitglieder, DB 2012, 1499; Lingemann, in Prütting/Wegen/Weinreich (PWW), § 611–630 BGB, 11. Aufl. 2016; Lücke, Der Status des GmbH-Geschäftsführers: (K)ein Arbeitnehmer!?, NJW 2009, 3207; Lunk, Der EuGH und die deutschen Fremdgeschäftsführer – Auf dem Weg zum Arbeitnehmerstatus?, NZA 2015, 917; Lunk/Hildebrand, GmbH Geschäftsführer und Massenentlassungen – Konsequenzen der Balkaya-Entscheidung des EuGH für Geschäftsführer, Arbeitnehmer und Gesellschafter, NZA 2016, 129; Lunk/Rodenbusch, Der Weiterbeschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers, NZA 2011, 497; Lutter, Anwendbarkeit der Altersbestimmungen des AGG auf Organpersonen, BB 2007, 725; Maiß, Das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV, ArbRAktuell 2011, 9; von Medem, Die Auswirkung einer Stimmbindungsvereinbarung auf die Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern, DStR 2014, 2027; Mertes, Tantieme-Gestaltung, GmbH-Stpr 2009, 108; Müller, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot von GmbH-Geschäftsführern, GmbHR 2014, 964; Picker, Die krankheitsbedingte Kündigung des Dienstvertrages eines GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2011, 629; Reiserer, GmbH-Geschäftsführer ohne Gesellschaftsanteile in der Sozialversicherung: frei oder pflichtig?, BB 2009, 718; Reiserer, Kündigung des Dienstvertrages des GmbH-Geschäftsführers, DB 2006, 1787; Reiserer/HessEmmerich, Der GmbH-Geschäftsführer, 3. Aufl. 2008; Röder/Lingemann, Schicksal von Vorstand und Geschäftsführer bei Unternehmensumwandlungen und Unternehmensveräußerungen, DB 1993, 1341; Röhrborn, Die Eigenkündigung des GmbH-Geschäftsführers bei Abberufung aus dem Amt, BB 2014, 1978; Röhrborn, Die örtliche Versetzung des GmbH-Geschäftsführers und AG-Vorstands, BB 2013, 394; Sasse/Schnittger, Das ruhende Arbeitsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers, DB 2007, 154; Schmitt-Rolfes, Anwendbarkeit von AGB-Recht auf Verträge mit Organmitgliedern, in FS Hromadka, 2008, S. 393; Schrader/Hilgenstock, Ist der Geschäftsführer Arbeitnehmer oder nicht?, ArbR 2011, 370; Schubert, Der Diskriminierungsschutz der Organvertreter und die Kapitalverkehrsfreiheit der Investoren im Konflikt, ZIP 2013, 289; Schuhmann, Amtsniederlegung des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2007, 305; Stagat, Der Rechtsweg des GmbH-Geschäftsführers zum Arbeitsgericht – Änderung der Rechtsprechung und Folgen für die Praxis, NZA 2015, 193; Stagat, Und es geht doch: Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer, NZA 2010, 975; Stephan, in Beck’sches Formularbuch zum Bürgerlichen, Handels- und Wirtschaftsrecht, 12. Aufl. 2016, IX 48; Tillmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, 10. Aufl. 2013; Tschöpe/ Wortmann, Abberufung und außerordentliche Kündigung von geschäftsführenden Organvertretern – Grundlagen und Verfahrensfragen, NZG 2009, 85; Uckermann/Heilck, Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer Vermeidung einer vGA durch Fremdvergleich und klare Vereinbarung, NZA 2014, 1187; Vielmeyer, GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Rahmen der Massenentlassungsrichtlinie, NJW 2014, 2678; Vogel/Kramp, Die An- und Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers, AuA 2008, 718; Wackerbarth, Die Festlegung der Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers, GmbHR 2009, 65; Werner, Koppelungsklauseln in Geschäftsführerdienstverträgen und ihre rechtlichen Rahmenbedingungen, NZA 2015, 1234; von Westphalen, Koppelungsklauseln in Geschäftsführer- und Vorstandsverträgen – das scharfe Schwert von § 307 BGB, BB 2015, 834; Weingarth, Das ruhende Arbeitsverhätlnise des „beförderten“ Geschäftsführers – unerkannte Verhandlungsmasse?, GmbHR 2016, 571; Willemsen, Koppelungsklauseln in Anstellungsverträgen mit Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern,

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

Rz. 5 Kap. 4

Festschrft für Herbert Buchner zum 70. Geburtstag, S. 971; Wilske/Arnold/Grillitsch, Streitbeilegungsklauseln in Vorstands- und Geschäftsführerverträgen – Vorzüge und Gestaltungsmöglichkeiten, ZIP 2009, 2425; Wübbelsmann, Die Vergütung des Geschäftsführers – Ausstrahlung des VorstAG auf die GmbH?, GmbHR 2009, 988.

I. Einführung 1. Anforderungen an die Person des Geschäftsführers Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG kann Geschäftsführer nur eine natürliche und voll geschäftsfähige Person sein. Eine juristische Person als Geschäftsführer scheidet aus. Zu weiteren Ausschlüssen vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Aufsichtsratsmitglieder in der mitbestimmten GmbH sind von der Geschäftsführerstellung ausgeschlossen, § 6 Abs. 2 MitbestG iVm. § 105 Abs. 1 AktG; § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG iVm. § 105 Abs. 1 AktG. Das gilt auch bei einem bloß fakultativen Aufsichtsrat.

1

Fehlt eine gesetzliche Eignungsvoraussetzung, so ist die Bestellung zum Organmitglied nichtig. Auch Ausländer können Geschäftsführer einer deutschen GmbH sein. Für EU-Ausländer ist die Situation unproblematisch. Nicht-EU-Ausländer benötigen eine Aufenthaltserlaubnis, nicht aber eine Arbeitserlaubnis.1 Die Satzung der Gesellschaft kann engere persönliche und sachliche Eignungsvoraussetzungen für die Organmitglieder aufstellen. Allerdings darf dadurch die Bestellungskompetenz des zuständigen Organs nicht unverhältnismäßig eingeengt werden. In der Regel handelt es sich um besondere Anforderungen an die Qualifikation und Erfahrung.

2

2. Organstellung und Dienstvertrag a) Organstellung Der Geschäftsführer ist Organ der GmbH. Die Organstellung beginnt mit der Annahme der Bestellung. Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 5 GmbHG, oder durch Entscheidung des von der Satzung dazu bestimmten Organs, zB eines Beirates. Unterliegt die GmbH dem Mitbestimmungsgesetz (bei idR mehr als 2000 Arbeitnehmern), ist gemäß § 31 Abs. 1 MitbestG der Aufsichtsrat zuständig. Unterliegt sie dem DrittelbG (idR mehr als 500 Arbeitnehmer), bleibt die Gesellschafterversammlung zuständig.

3

Als Organ obliegt dem Geschäftsführer die Vertretung der Gesellschaft nach außen, § 35 Abs. 1 GmbHG. Diese ist in der Sache nicht beschränkt. Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG vertreten mehrere Geschäftsführer die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich jedoch gemeinschaftlich. Die Satzung kann demgegenüber Einzelvertretungsbefugnis vorsehen oder auch die Befugnis zur Vertretung nur mit einem weiteren Geschäftsführer oder Prokuristen. Sie kann diese Bestimmung auch durch bloße Gesellschafterbeschlüsse zulassen. Willenserklärungen, die der Geschäftsführer unter Missachtung dieser Vorschriften abgibt, sind auch nach außen unwirksam. Zur Empfangnahme einer Willenserklärung ist indes jeder Geschäftsführer allein berechtigt, § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG.

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Von der Vertretung nach außen zu unterscheiden ist die Geschäftsführungsbefugnis, § 37 GmbHG. Sie regelt das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer. Sie ver-

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1 § 9 Nr. 1 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) iVm. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG und § 4 Nr. 2 Beschäftigungsverordnung (BeschV) neu gefasst, BGBl. I 2013, 1499.

Lingemann

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Kap. 4 Rz. 6

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pflichtet und berechtigt den Geschäftsführer, im Rahmen des in der Satzung bestimmten Unternehmensgegenstandes sämtliche Maßnahmen zu beschließen und auszuführen, die erforderlich sind, um den Unternehmensgegenstand nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsleitung (§ 43 Abs. 1 GmbHG) zu verwirklichen. Sie wird daher beschränkt – zB auf Geschäfte einer bestimmten Sparte oder Geschäfte bis zu einem bestimmten Volumen – durch die Satzung, die Geschäftsordnung, den Dienstvertrag und Beschlüsse, insbesondere Weisungen oder Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafterversammlung. Typisches Regelungsinstrument ist der Zustimmungskatalog in der Satzung oder Geschäftsordnung, welcher oft auch im Dienstvertrag Niederschlag findet. Vorrang haben die Satzung bzw. Geschäftsordnung gegenüber dem Dienstvertrag, soweit sie engere Regelungen treffen, also zB das Zustimmungserfordernis schon bei niedrigeren Beträgen auslösen als der Dienstvertrag. Enthält umgekehrt der Dienstvertrag engere Regelungen, so sind diese für den Geschäftsführer bindend. Schließt der Geschäftsführer entgegen einer solchen Beschränkung einen Vertrag, so ist er gegenüber dem Vertragspartner gleichwohl wirksam, § 37 Abs. 2 GmbHG. Der Geschäftsführer verstößt dadurch jedoch im Innenverhältnis gegen seine Pflicht, die Beschränkungen einzuhalten, die die Gesellschafterversammlung festgesetzt hat, § 37 Abs. 1 GmbHG. Entstehen daraus Schäden, so ist er für diese haftbar, § 43 Abs. 2 GmbHG. b) Dienstvertrag 6

Neben der Organstellung besteht in der Regel ein Dienstvertrag (oft synonym auch als Anstellungsvertrag bezeichnet) gemäß §§ 611, 612 ff. BGB zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer. Dieser bestimmt das schuldrechtliche Verhältnis. Er regelt insbesondere die Gegenleistung für die Tätigkeit, also Vergütung, Urlaubsansprüche, Ansprüche auf Betriebsrenten, Form und Frist von Vertragsänderung und Kündigung. Er bestimmt oft auch den Pflichtenkreis des Geschäftsführers (zB kaufmännische oder technische Leitung, Geschäftsführungsbefugnis) genauer (s. Rz. 5). Materiellrechtlich handelt es sich regelmäßig um ein freies Dienstverhältnis, welches eine entgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, §§ 611, 675 BGB.

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Ein in der Praxis entscheidender Unterschied zwischen Organstellung und Dienstverhältnis zeigt sich bei deren Beendigung. Die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers kann die Gesellschafterversammlung – sofern im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vereinbart ist – jederzeit widerrufen, § 38 Abs. 1 GmbHG.2 Zur Beendigung des Dienstvertrages hingegen muss sie die Vertragslaufzeit einhalten oder, wenn der Vertrag keine feste Laufzeit vorsieht, die vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen. Auch wenn der Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen wird, dauert sein Dienstverhältnis daher bis zum Ablauf dieser Fristen an, sofern es nicht gleichzeitig wirksam fristlos gemäß § 626 BGB gekündigt wird. Er hat damit auch Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einer Funktion unterhalb der Organebene besteht nicht,3 eine entsprechende Pflicht des Geschäftsführers wohl auch nicht.4 Folgerichtig kann sie dem abberufenen Geschäftsführer während der Freistellungsphase auch nicht § 615 Satz 2 BGB entgegengehalten werden, sofern dieser ein Angebot zur Übernahme einer Tätigkeit unterhalb der Organebene ablehnt und der Vertrag dies nicht vorsieht.5 Die Abberufung 2 Eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Abberufung gilt aufgrund der Danosa-Entscheidung des EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, NZA 2011, 143 wahrscheinlich auch bei Schwangerschaft der Geschäftsführerin; dazu Rz. 17; Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596; Dzida/Naber, ArbRB 2012, 373. 3 BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, GmbHR 2011, 82. 4 Kothe-Heggemann/Schelp, GmbHR 2011, 75; Lunk/Rodenbusch, NZA 2011, 497. 5 Kothe/Heggemann/Schelp, GmbHR 2011, 75; Röder/Lingemann, DB 1993, 1341; aA Bork, NZA 2015, 199.

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oder die Unterlassung einer vereinbarten Bestellung zum Geschäftsführer kann je nach den Umständen des Einzelfalles eine fristlose Kündigung durch den Dienstnehmer rechtfertigen sowie Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft gemäß § 628 Abs. 2 BGB begründen.6 Der Geschäftsführer ist in der Regel nicht Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne. Daher gelten die arbeitnehmerschützenden Normen für ihn regelmäßig nicht. Die neuere Rechtsprechung des EuGH könnte aber dazu führen, dass künftig doch einzelne Arbeitnehmerschutzregelungen für Geschäftsführer gelten, für das MuSchG7 und § 17 KSchG8 dürfte das bereits der Fall sein. Bisher gelten jedoch nicht: ArbNErfG,9 ArbZG, BEEG, BetrVG (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), EFZG, BUrlG (§ 1 BUrlG)10, KSchG (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), TzBfG und § 613a BGB. Soweit entsprechende Regelungen gewollt sind, müssen sie also in den Vertrag – ggf. durch Bezugnahme auf die Normen – aufgenommen werden. Das AGG gilt gemäß § 6 Abs. 3 AGG für Organmitglieder entsprechend, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft. Kündigungen wegen eines Merkmals nach § 1 AGG sind daher möglicherweise in den Grenzen des Missbrauchs zulässig, auch besondere Kündigungsrechte bei lang dauernder Erkrankung bleiben wohl auch dann zulässig, wenn die Erkrankung in eine Behinderung umschlägt. Auch wird die Beendigung von Geschäftsführerverträgen mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters, auch wenn dies nicht schon das Rentenbezugsalter ist, zulässig sein.11 Allerdings hat der BGH mit Urteil v. 23.4.201212 die alterbedingte Nichtverlängerung eines Vertrages als Entscheidung über eine Einstellung angesehen, so dass zwar die Befristung des Vertrages wirksam, die Nichtverlängerung aber AGG-widrig war mit den Folgen des § 15 AGG.

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aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages Der Abschluss des Dienstvertrages sowie seine Änderung und Kündigung obliegen dem für Bestellung und Abberufung zuständigen Organ, in der GmbH also der Gesellschafterversammlung, es sei denn, die Satzung trifft eine abweichende Regelung. In mitbestimmten Gesellschaften nach MitbestG ist der Aufsichtsrat zuständig, in Gesellschaften nach dem Drittelbeteiligungsgesetz für die Bestellung und den Dienstvertrag die Gesellschafterversammlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG)13.

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In der GmbH & Co. KG wird der Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH bestellt. Der Dienstvertrag kann gleichzeitig mit der KomplementärGmbH, auch insoweit vertreten durch ihre Gesellschafterversammlung, geschlossen werden. Zulässig, wenn auch in der Praxis seltener, ist auch der Dienstvertrag mit der GmbH & Co.

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6 BAG v. 8.8.2002, DB 2002, 2273; möglicherweise aA BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351. 7 EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09 – Danosa, NZA 2011, 143; näher Rz. 17. 8 EuGH v. 9.7.2015 – Balkaya, NJW 2015, 2841; näher Rz. 17. 9 Vergütungsansprüche können hier aber aus § 612 Abs. 2 BGB bestehen. 10 Jedenfalls für den Fremdgeschäftsführer und den Minderheitengesellschafter-Geschäftsführer der nicht quasiparitätisch mitbestimmten GmbH wird vertreten, dass diese als Arbeitnehmer iSd. BUrlG anzusehen sind und daher dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen, vgl. Forst, GmbHR 2012, 821; ErfK/Gallner, § 1 BUrlG Rz. 15. 11 BK, § 6 AGG Rz. 26 ff.; Jacobs, NZA Editorial 13/2012; Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325; Lutter, BB 2007, 725; PWW/Lingemann, § 6 AGG Rz. 6. 12 BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797, dazu Bauer/Arnold, NZG 2012, 921; Lingemann/ Weingarth, DB 2012, 2325. Zur Anwendung des AGG bereits Reufels/Molle, NZR-RR 2011, 281. 13 Ulmer/Habersack/Henssler/Habersack, MitbestR, 3. Aufl. 2013, § 1 DrittelbG Rz. 34; Wlotzke/Wissmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestR, 4. Aufl. 2011, § 1 DrittelbG Rz. 30.

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KG. Obwohl der Geschäftsführer dann nicht Organ der KG ist, gilt für ihn das Kündigungsschutzgesetz nicht ohne Weiteres.14 bb) Form des Dienstvertrages 11

Der Dienstvertrag des Geschäftsführers ist formfrei. Die Schriftform ist jedoch ratsam und üblich. Dies gilt in besonderem Maße für den Gesellschafter-Geschäftsführer, um die steuerliche Berücksichtigung seiner Bezüge als Betriebsausgaben zu sichern und die Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttung zu vermeiden.15 Auch wenn beim Wechsel eines (ggf. leitenden) Angestellten in die Geschäftsführerposition das frühere Arbeitsverhältnis wirksam beendet werden soll, ist wegen § 623 BGB Schriftform dringend anzuraten (Rz. 18).16 3. Pflichten und Verantwortlichkeiten des Geschäftsführers

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Der Geschäftsführer hat in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, § 43 Abs. 1 GmbHG, dh. er hat die Gesellschaft zu führen mit der Sorgfalt eines selbständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen.17

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Eine gesonderte Regelung zu diesem Punkt ist im Dienstvertrag des Geschäftsführers zwar üblich aber überflüssig, da die strengen Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers sich schon aus dem Gesetz ergeben. Die Gesellschaft muss im Haftungsfall – ggf. mit Hilfe von § 287 ZPO – nur darlegen und beweisen, dass ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist. Es ist dann Sache des Geschäftsführers, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.18 Ob Gesellschaften bei dem Geschäftsführer Regress für Unternehmensgeldbußen nehmen können, die ihnen aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens der Geschäftsführung auferlegt wurden, ist nicht abschließend geklärt. Für Geldbußen aufgrund kartellrechtswidriger Absprachen soll das im Hinblick auf die Vorteilsabschöpfungsfunktion nicht möglich sein.19

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Allerdings kommen Haftungsbeschränkungen in Betracht. Bei Vorsatz scheiden sie zwar aus, § 276 Abs. 3 BGB. Im Übrigen dürfte sowohl für die Teilnahme des Geschäftsführers am allgemeinen Rechtsverkehr (zB Führen eines Kfz)20 als auch für die spezifischen Pflichten des

14 BAG v. 13.7.1995 – 5 AZB 37/94, WiB 1996, 26. Gemäß BAG v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108 ist er nicht Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, so dass auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet ist. 15 Vgl. Ueckermann/Heilck, NZA 2014, 1187. 16 BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12, NZA 2014, 540 Rz. 23 ff. m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 255; v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095; vgl. bei M 4.1a § 3. 17 OLG Koblenz v. 23.12.2014 – 3 U 1544/13, GmbHR 2015, 357, Rz. 75; OLG Oldenburg v. 22.6.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434, 435; OLG Celle v. 21.12.2005 – 9 U 100/05, GmbHR 2006, 377; Brandenburgisches OLG v. 21.2.2001, NZG 2001, 756; OLG Zweibrücken v. 22.12.1998 – 8 U 98/98, GmbHR 1999, 715. 18 BGH v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, GmbHR 2013, 1044 Rz. 22; v. 4.11.2002, DB 2002, 2706. 19 LAG Düsseldorf v. 20.1.2015 – 16 Sa 459/14, BB 2015, 1018; aA Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1241; Revision beim BAG anhängig, Az. 8 AZR 189/15. 20 Vgl. OLG Koblenz v. 14.5.1998 – 5U 1639/97, GmbHR 1999, 344.

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Geschäftsführers eine Haftungsbeschränkung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig sein21, solange kein Verstoß gegen die Kapitalerhaltung nach § 43 Abs. 3 GmbHG vorliegt. Weisungen der Gesellschafterversammlung und Geschäftsverteilung können haftungsbeschränkende Wirkung haben.22

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Daneben führt die Entlastung (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG) durch die Gesellschafterversammlung zu einem Verzicht der Gesellschafterversammlung auf alle Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer, deren Haftungsvoraussetzungen aufgrund eines Rechenschaftsberichtes sowie der vorgelegten Unterlagen allen Gesellschaftern „erkennbar“ waren.23 Dies ist eine durchaus beachtliche Einschränkung der Wirkung der Entlastung. Daneben gibt es die „Generalbereinigung“. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft, vertreten idR durch die Gesellschafterversammlung, nach der keinerlei gegenseitige Ansprüche aus der Geschäftsführertätigkeit mehr bestehen. Ein solcher Vertrag erledigt etwaige Haftungsansprüche umfassend – allerdings nur, soweit sie aus dem Geschäftsführerverhältnis resultieren.24 Das gilt naturgemäß auch nur mit Ausnahme der nicht abdingbaren Haftung zB nach § 43 Abs. 3 iVm. § 9b GmbHG. Für den Abschluss einer Generalbereinigung mit dem ausscheidenden Geschäftsführer bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses.25

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4. Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Stellung des Geschäftsführers a) Arbeitsrechtliche Stellung Wie dargelegt (Rz. 8), ist der Geschäftsführer in der Regel nicht Arbeitnehmer. Das BAG hält jedoch eine Arbeitnehmerstellung je nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit ausnahmsweise für möglich. Dies gilt insbesondere, wenn die Gesellschafter dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen können.26 Maßgeblich sind letztlich die Kriterien für die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und freiem Mitarbeiter/ Dienstnehmer.27 Ist der Geschäftsführer allerdings zugleich Gesellschafter dergestalt, dass er jede ihm unangenehme Entscheidung verhindern kann, so scheidet eine Arbeitnehmerstellung aus.28 Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH ist zwar nicht jeder Fremdgeschäftsführer Arbeitnehmer, einzelne Arbeitnehmerschutzvorschriften sind aber wohl anwendbar, namentlich das Mutterschutzrecht29 und § 17 KSchG.30 21 BGH v. 16.9.2002, DB 2002, 2480 in ausdrücklicher Abweichung von der Entscheidung BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, DB 2000, 269. Vgl. zur Haftungsbeschränkung auch OLG Stuttgart v. 26.5.2003 – 5 U 160/02, GmbHR 2003, 835. 22 Vgl. Geißler, GmbHR 2015, 734; Lutter/Hommelhoff, 18. Aufl. 2012, § 43 GmbHG Rz. 22. 23 BGH v. 12.6.1989 – II ZR 246/88, NJW 1989, 2694; v. 19.1.1976, WM 1976, 736; Roth/Altmeppen, 8. Aufl. 2015, § 46 GmbHG Rz. 30. 24 Insgesamt zur Generalbereinigung vgl. BGH v. 7.4.2003 – II ZR 193/02, NZG 2003, 528; Ansprüche aus anderen Vertragsverhältnissen, insbesondere dem Gesellschafterverhältnis, bleiben unberührt, vgl. BGH v. 18.9.2000 – II ZR 15/99, DB 2000, 2422. 25 BGH v. 18.9.2000 – II ZR 15/99, DB 2000, 2422; v. 8.12.1997 – II ZR 236/96, NJW 1998, 1315. 26 BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, GmbHR 2006, 592 m. Anm. Haase; v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, GmbHR 1999, 925; Stück, GmbHR 2006, 1009, 1012. 27 Dazu Kap. 9 Rz. 3 ff. 28 BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 612/97, GmbHR 1998, 928; v. 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, GmbHR 1993, 35; Stück, GmbHR 2006, 1009, 1012. 29 EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09 – Danosa, NZA 2011, 143; für eine weitreichende Anwendung von Arbeitnehmerschutzvorschriften Fischer, NJW 2011, 2329; vgl. auch Bauer, GWR 2010, 686; Bauer/Arnold, ZIP 2012, 597, 598; Oberthür, NZA 2011, 253, Schrader/Hilgenstock, ArbRAktuell 2011, 370; von Steinau-Steinrück/Mosch, NJW-Spezial 2011, 178.

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Kap. 4 Rz. 18

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War der Geschäftsführer vor Übernahme des Amtes Arbeitnehmer, so lebt in der Regel nach der Bestellung und späteren Abberufung als Geschäftsführer das alte Arbeitsverhältnis nicht wieder auf.31 Das BAG bejaht jedoch ein „ruhendes“ Arbeitsverhältnis32, wenn ein (ggf. leitender) Angestellter zum Geschäftsführer bestellt wird, ohne dass ein neuer Vertrag mit ihm geschlossen wird oder seine Konditionen der geänderten Position angepasst werden, zB durch Erhöhung der Vergütung,33 eine Erhöhung des Sozialprestiges,34 ggf. Dienstwagenüberlassung auch zur privaten Nutzung,35 eine Verbesserung der Pensionszusage36 oder die Gewährung einer – wenn auch ggf. geringen – Mitgesellschafterstellung.37 Der Geschäftsführer wird natürlich auch dann wieder Arbeitnehmer, wenn nach Kündigung des Geschäftsführervertrages seine Weiterbeschäftigung ohne wesentliche Änderung seiner Arbeitsaufgaben im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses vereinbart wird.38 In dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages liegt im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses39 mit derselben Gesellschaft.40 Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB steht dieser Vermutung auch bei vorformulierten Vertragsbedingungen nicht entgegen.41 Ein schriftlicher Geschäftsführerdienstvertrag wahrt auch das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.42 Bei einem bloß mündlichen Geschäftsführervertrag wäre das vorherige Arbeitsverhältnis hingegen wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 623 BGB wohl nicht aufgehoben.43

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Da der Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer ist, genießt er auch keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer auf Grundlage eines Arbeitsvertrages tätig ist, die Kündigung jedoch vor Widerruf der Geschäftsführerbestellung ausgesprochen wird.44 Im Geschäftsführervertrag kann jedoch vereinbart werden, dass die materiellen Regeln des KSchG zugunsten des Geschäftsführers gelten sollen. In einem solchen Fall ist durch Auslegung des Vertrages festzustellen, ob sich

30 EuGH v. 9.7.2015 – Balkaya, NJW 2015, 2841 m. Anm. Arnold; hierzu kritisch Hohenstatt/Naber, NZA 2014, 637; Lunk, NZA 2015, 917; Vielmeier, NJW 2014, 2678; zu den Konsequenzen Lunk/Hildenbrand, NZA 2016, 129; s. auch oben Einf. Rz. 8. 31 Einzelheiten zum ruhenden Arbeitsverhältnis Gehlhaar, NZA-RR 2009, 569; Weingarth, GmbHR 2016, 571. 32 Vgl. dazu eingehend Schreiber, GmbHR 2012, 929; dagegen und für eine Umwandlung des Arbeitsvertrages in einen Dienstvertrag Stagat, DB 2010, 2801. 33 BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, GmbHR 2006, 592 m. Anm. Haase. 34 BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, GmbHR 2006, 592 m. Anm. Haase. 35 Stück, GmbHR 2006, 1009, 1017. 36 LAG Berlin v. 15.2.2006 – 13 Ta 170/06, DB 2006, 787. 37 ArbG Ulm v. 4.11.2005, EzA-SD 2006, Nr. 2, 14; Stück, GmbHR 2006, 1009, 1017. 38 BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, GmbHR 2006, 592 m. Anm. Haase. 39 BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12, NZA 2014, 540; v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095; v. 14.6.2006 – 5 AZR 592/05, DB 2006, 2239. 40 BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12, NZA 2014, 540 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 255; Weingarth, GmbHR 2016, 571. 41 BAG v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095. 42 BAG v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095. 43 BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12, NZA 2014, 540; v. 26.10.2012 – 10 AZB 60/12, DB 2012, 2699; v. 15.3.2011 – 10 AZB 32/10 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2011, 333; LAG Bremen v. 2.3.2006 – 3 Ta 9/06, NZA 2006, 623; Weingarth, GmbHR 2016, 571. 44 BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, DB 2008, 355; dazu Bauer/Arnold, DB 2008, 350.

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Rz. 21 Kap. 4

die Gesellschaft in Anlehnung an §§ 9 f. KSchG gegen Abfindung aus dem Vertrag lösen kann.45 Wendet sich der Geschäftsführer gegen die Wirksamkeit der Kündigung seines Dienstvertrages, so ist, solange die Organstellung noch nicht beendet ist, nur der Rechtsweg zu den Landgerichten gegeben. Das gilt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch dann, wenn das Dienstverhältnis aufgrund einer starken internen Weisungsabhängigkeit ausnahmsweise als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre46 oder der Geschäftsführerdienstvertrag mit der Muttergesellschaft geschlossen wurde.47 Ein Verweisungsbeschluss an das Arbeitsgericht für den Rechtsstreit eines Geschäftsführers gegen die GmbH wäre nicht bindend.48 Allerdings entfällt die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG mit der Beendigung der Organstellung des Geschäftsführers, namentlich durch Abberufung oder Amtsniederlegung. Erfolgt diese vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit,49 so sind die Arbeitsgerichte zuständig, wenn das Rechtsverhältnis des (ehemaligen) Geschäftsführers materiell – etwa wegen starker Weisungsunterworfenheit oder kraft Vereinbarung – ein Arbeitsverhältnis ist.50 Dasselbe gilt, wenn Gegenstand des Verfahrens ausschließlich Klaganträge sind, die nur dann begründet sein können, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte („sic-non-Fälle“).51 Seine frühere Rechtsprechung, wonach der Geschäftsführer vor den Arbeitsgerichten nur dann klagen konnte, wenn er bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebnung abberufen war,52 hat das BAG damit ausdrücklich aufgegeben. Besteht nach der Abberufung ein ruhendes Arbeitsverhältnis53 fort, können die daraus entstehenden Ansprüche – auch soweit sie während der Zeit der Organstellung entstanden sind – ebenfalls vor den Arbeitsgerichten geltend gemacht werden.54

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b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung55 Ob der GmbH-Geschäftsführer sozialversicherungsrechtlich abhängig Beschäftigter ist, richtet sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV. Wenn die Beschäftigung nach dem 1.1.2005 aufgenommen wurde, müssen geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH sowie mitarbeitende Ehegatten bzw. Lebenspartner gemäß § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV ein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren durchführen, nach dessen Ergebnis sich auch die Bundesagentur für Arbeit richtet.56 Der Geschäftsführer einer GmbH, der nicht am Stammkapital beteiligt ist (Fremd45 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, DStR 2010, 1390; Formulierungsvorschlag in M 4.1a, Alternative in § 3 Abs. 1. 46 LAG Köln v. 21.3.2006 – 7 Ca 14/06, EzA-SD 13/2006, S. 15. 47 LAG Hamm v. 18.8.2004 – 2 Ta 172/04, GmbHR 2004, 1588. 48 BAG v. 12.7.2006, NZA 2006, 1004. 49 BAG v. 8.9.2015 – 9 AZB 21/15, GmbHR 2015, 1211; v. 3.12.2014 – 10 AZB 98/14, NJW 2015, 718 Rz. 21 ff.; v. 22.10.2014 – 10 AZB 46/14, NZA 2015, 60 Rz. 26 ff. m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 60; vgl dazu Graef/Heilemann, GmbHR 2015, 225; Dimsic/André, BB 2015, 3063; Geck/Fiedler, BB 2015, 1077; Stagat, NZA 2015, 193. 50 BAG v. 8.9.2015 – 9 AZB 21/15, NZA 2015, 1342. 51 BAG v. 3.12.2014 – 10 AZB 98/14, NZA 2015, 180. 52 BAG v. 15.11.2013 – 10 AZB 28/13, GmbHR 2014, 137 Rz. 23. 53 Vgl. dazu Rz. 18. 54 BAG v. 26.10.2012 – 10 AZB 60/12, DB 2012, 2699 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 131; LAG Rheinland-Pfalz v. 21.4.2014, GmbHR 2014, 1259, Rz. 39. 55 Vgl. dazu Rundschreiben der Sozialversicherungsträger v. 13.4.2010; Ebert, ArbRB 2012, 24 und Grimm, DB 2012, 175, jeweils mit Checklisten zur Statusfeststellung; Klose, GmbHR 2012, 1097. 56 Dazu Grimm, DB 2012, 175, 177; Maiß, ArbRAktuell 2011, 9.

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Kap. 4 Rz. 22

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geschäftsführer), ist im Regelfall abhängig Beschäftigter der GmbH und versicherungs- und beitragspflichtig.57 Weitere Kriterien, die nachrangig für eine abhängige Beschäftigung sprechen können, sind ein Dienstvertrag mit Schwerpunkt bei der Fixvergütung, eine Tätigkeit nach Weisungen der Gesellschafter oder die Regelung einer wöchentlichen Arbeitszeit. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen namentlich eine Kapitalbeteiligung von mindestens 50 %, eine Vergütung, die im Wesentlichen gewinnabhängig ist, eine weisungsfreie Wahrnehmung der Unternehmensleitung und Geschäftsführung, eine Sperrminorität oder auch eine Beteiligung an der Familien-GmbH in der Gestalt, dass für den Geschäftsführer nachteilige Entscheidungen vermieden werden können.58 Auch bei einer Kapitalbeteiligung von weniger als 50 % kann der Geschäftsführer jedoch im Ausnahmefall sozialversicherungsfrei sein, wenn er aufgrund seines tatsächlichen Einflusses dort „schalten und walten“ kann wie er will.59 22

Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI und § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB VI ist60 der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer nicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI rentenversicherungspflichtig, wenn die GmbH mindestens einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt oder auf Dauer und im Wesentlichen für mehr als einen Auftraggeber tätig ist.61

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Für den abhängig beschäftigten Geschäftsführer hat die Gesellschaft auch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung und ggf. Kranken- und Pflegeversicherung abzuführen. 5. AGB-Kontrolle des Geschäftsführervertrages

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Die AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB gilt grundsätzlich auch für formularmäßige Geschäftsführerverträge.62 Sie gilt jedoch nicht für individuell ausgehandelte Verträge, bei denen der Verwender – idR also die Gesellschaft – den gesamten gesetzesfremden Kerngehalt der jeweiligen Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt hat.63 Wir gehen auf die Fragen der AGB-Kontrolle für ein Organmitglied im Rahmen des Vorstandsvertrages, M 5.1, näher ein.64 Hier wie dort stellen sich die Probleme insbesondere bei Regelungen über den Wegfall der variablen Vergütung bei Ende der Organstellung,65 Freistellungsklauseln,66 Kopplungsklauseln,67 Vertragsstrafen und ggf. Change-in-Control-Klauseln.68 57 BSG v. 18.12.2001, AuA 2002, 573. 58 Vgl. die Übersichten bei Freckmann, BB 2006, 2077, 2078, Reiserer, BB 2009, 718 f.; zur Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers einer Familien-GmbH vgl. BSG v. 29.8.2012, NZA-RR 2013, 252 und Bross, DB 2014, 2651. 59 LSG BW v. 26.6.2012 – L 11 KR 2769/11 m. Anm. Plagemann, FD-SozVR 2012, 336832; LSG Hessen v. 23.11.2006, GmbHR 2007, 847. Zur Bedeutung gesellschaftsrechtlicher Stimmbindungsvereinbarungen vgl. BSG v. 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R-, juris, Rz. 22 ff.; ausführlich auch von Medem, DStR 2014, 2014, 2027. Allgemein zum Verhältnis Gesellschaftsvertrags- und Sozialversicherungsrecht Bernsdorff, DB 2014, 1551. 60 Entgegen BSG v. 24.11.2005 – B 12 RA 1/04 R, GmbHR 2006, 367. 61 Einzelheiten bei Freckmann, BB 2006, 2077, 2082. 62 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939, 940; zur AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen s. eingehend Einf. Kap. 2 Rz. 2 ff., 82 ff. 63 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939, 940; BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544. 64 S. Einf. Kap. 5 Rz. 34 ff. 65 Vgl. M 5.1 Anm. zu § 3 Abs. 3d) und 4. 66 Vgl. M 5.1 Anm. zu § 2 Abs. 2 m. Anm. 67 Vgl. M 5.1 Anm. zu § 2 Abs. 2 m. Anm. 68 Vgl. dazu in Vorstandsverträgen Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 sowie Bauer/Arnold, DB 2006, 260.

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M 4.1a

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Rz. 25 Kap. 4

6. Anwendung des VorstAG auf die GmbH Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 18.6.200969 konkretisiert § 87 Abs. 1 AktG zur Vorstandsvergütung und verlangt insbesondere eine Orientierung der Gesamtvergütung an der nachhaltigen Unternehmensentwicklung sowie einen erheblichen Selbstbehalt des Vorstandsmitglieds bei der D&O-Versicherung.70 Dieser Nachhaltigkeitsgedanke ist nur für börsennotierte AGs gesetzlich geregelt. Auch wenn dies – zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten bei der GmbH – nicht im Gesetz steht, „sollte“ er, so die Begründung des Rechtsausschusses, grundsätzlich auch von nicht börsennotierten Gesellschaften berücksichtigt werden.71 Eine Ausdehnung dieser Grundsätze auf die GmbH ist uE jedenfalls nicht angebracht, wenn die Gesellschafter selbst über die Vergütung von Fremdgeschäftsführern entscheiden.72 Da die Gesellschafter selbst das Risiko der GmbH tragen, sind sie auch frei darin, wie sie die Geschäftsführer vergüten. Eine externe Angemessenheitskontrolle kommt daher nur in den Fällen in Betracht, in denen nicht die Gesellschafter selbst, sondern andere Organe der Gesellschaft über die Vergütung entscheiden, wie dies bei der AG oder der nach dem MitbestG mitbestimmten GmbH der Fall ist. Der Geschäftsführervertrag einer solchen GmbH orientiert sich ohnehin stark am Vorstandsvertrag einer AG. Insoweit wird auf M 5.1 und die Anmerkungen dazu verwiesen. 69 BT-Drucks. 16/12278 v. 17.3.2009 iVm. BT-Drucks. 16/13433 v. 17.6.2009; BGBl. I, 2509 ff.; dazu Arnold/Schansker, KSzW 2012, 39; Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121; Bauer/Arnold, AG 2009, 717; Bosse, BB 2009, 1650; Diller, NZG 2009, 1006; Fleischer, NZG 2009, 801 ff.; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 ff.; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40; Lingemann, BB 2009, 1918; Mertens, AG 2011, 57. 70 Einzelheiten bei Kap. 5, Einf. Rz. 13 ff. 71 BT-Drucks. 16/13433, S. 10. 72 Dafür bei der GmbH Wübbelsmann, GmbHR 2009, 988; für eine vorsichtige Ausdehnung nur auf die mitbestimmte GmbH Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121; Gaul/Janz, GmbHR 2009, 959 ff.; vgl. auch Döring/Grau, DB 2009, 2139; Greven, BB 2009, 2154; Wachter, GmbHR 2009, 953, 957. Gegen eine Ausdehnung auch auf die mitbestimmten GmbH Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40, 1, 5 f.; MüKoGmbHG/Jaeger, 2. Aufl. 2016, § 35 Rz. 305; Knapp, DStR 2010, 56, 57; Mohr, GmbHR 2011, 402, 402.

II. Muster M 4.1a Dienstvertrag des Geschäftsführers zwischen der Firma … (im Folgenden: Gesellschaft) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Geschäftsführer)1

1 Zu Fragen der AGB-Kontrolle vgl. insbesondere Einf. Rz. 24. Das Muster betrifft den Dienstvertrag des Geschäftsführers in einer nicht nach MitbestG oder DrittelbG mitbestimmten GmbH. Der Dienstvertrag des Fremdgeschäftsführers in einer nach DrittelbG mitbestimmten GmbH wäre an Muster M 4.1a zu orientieren, der Dienstvertrag eines Fremdgeschäftsführers in einer nach MitbestG mitbestimmten GmbH an Muster M 5.1.

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Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1a

Vorbemerkung2 Herr/Frau … wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom … mit Wirkung zum … zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Dazu wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Vertretung (1) Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft allein.3 oder (1) Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft zusammen mit einem anderen Geschäftsführer oder Prokuristen. (2) Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.4 (3) Die Gesellschaft kann die Vertretungsbefugnis jederzeit ändern.

§ 2 Geschäftsführung5 (1) Der Geschäftsführer führt die Gesellschaft oder den … Geschäftsbereich der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, dieses Vertrages, des Gesellschaftsvertrages, einer etwaigen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung in ihrer jeweils gültigen Fassung sowie den Bestimmungen der Gesellschafter. (2) Der Geschäftsführer bedarf für die in der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung/der Satzung der Gesellschaft jeweils aufgeführten Geschäfte der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. oder (2) Der Geschäftsführer bedarf für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung.6 Hierzu zählen insbesondere: – Veräußerung und Stilllegung eines Betriebs der Gesellschaft oder wesentlicher Teile hiervon; – Errichtung von Zweigniederlassungen; – Erwerb oder Veräußerung anderer Unternehmen oder Beteiligungen der Gesellschaft; – Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie die Verpflichtung zur Vornahme derartiger Rechtsgeschäfte; – Übernahme von Bürgschaften oder Garantien jeder Art; 2 Die Wiedergabe der Bestellung in der Vorbemerkung hat nur nachrichtliche Bedeutung. Die Bestellung wird dadurch insbesondere nicht zur Geschäftsgrundlage des Dienstvertrages dergestalt, dass mit Widerruf der Bestellung auch der Dienstvertrag gekündigt ist; anders wäre dies nur bei ausdrücklicher Regelung im Dienstvertrag (vgl. § 3 Abs. 4 des Musters). 3 Die Regelung der Alleinvertretung im Dienstvertrag hindert die Gesellschaft nicht, jederzeit wirksam die Gesamtvertretung zu beschließen. Da dies jedoch – sofern nicht, wie in Abs. 3, eine Öffnungsklausel geregelt ist – gegen den Dienstvertrag verstößt, könnte der Geschäftsführer dies zum Anlass für eine Amtsniederlegung und/oder fristlose Kündigung mit den Folgen des § 628 Abs. 2 BGB nehmen. Abs. 3 enthält die Öffnungsklausel für die Gesellschaft; ohne eine solche Öffnungsklausel im Interesse der Gesellschaft sollte die Vertretung nicht im Dienstvertrag geregelt werden. Es ist unproblematisch, dazu keinerlei vertragliche Regelungen zu treffen, sondern sich auf entsprechende Beschlüsse des Bestellungsorgans zu beschränken. 4 Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ist beim Fremdgeschäftsführer eher selten, soweit er nicht bei mehreren Konzerngesellschaften Geschäftsführer ist und daher Verträge zwischen diesen zeichnen muss oder besonderes Vertrauen der Gesellschafterversammlung genießt. 5 Zur Abgrenzung von Geschäftsführung und Vertretung vgl. Einf. Rz. 4 f. 6 Der Zustimmungskatalog sollte in der Geschäftsordnung oder der Satzung der Gesellschaft geregelt sein. Die Aufnahme in den Anstellungsvertrag ist nur dann sinnvoll, wenn das nicht der Fall ist.

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

– Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten oder Sicherheitsleistungen jeglicher Art, die Euro … übersteigen und nicht geschäftsüblich sind; – Abschluss, Änderung oder Aufhebung von Verträgen, die die Gesellschaft im Einzelfall mit mehr als Euro … belasten; – Einstellung, Beförderung oder Entlassung leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG; – Erteilung oder Widerruf von Prokuren und Handlungsvollmachten; – Erteilung von Versorgungszusagen jeder Art. Die Liste der Geschäfte und Maßnahmen, deren Ausführung der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter bedarf, kann jederzeit durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erweitert oder eingeschränkt werden.7 (3) Der Geschäftsführer haftet gegenüber der Gesellschaft nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.8 § 43 Abs. 3 GmbHG bleibt unberührt.9 (4) Alle Ansprüche aus dem Dienstverhältnis und dem Organverhältnis einschließlich deliktischer Ansprüche sind von den Vertragspartnern innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit in Textform10 geltend zu machen; andernfalls sind sie erloschen.11 7 Ohne diese Öffnungsklausel wäre eine Erweiterung der zustimmungspflichtigen Geschäfte in der Satzung oder Geschäftsordnung zwar wirksam, jedoch ein Verstoß gegen den Anstellungsvertrag mit den möglichen Folgen der Amtsniederlegung und/oder fristlosen Kündigung gemäß § 626 iVm. § 628 Abs. 2 BGB. Aus Sicht der Gesellschaft ist die Öffnungsklausel daher unabdingbar. Hat der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung vor Einholung der Zustimmung ordnungsgemäß unterrichtet, so befreit ihn deren Zustimmung von der Haftung für die Maßnahme. 8 Soweit der Geschäftsführer objektiv und subjektiv gegen die ihm obliegende Sorgfalt verstößt, haftet er nach § 43 GmbHG gegenüber der Gesellschaft. Zum Sorgfaltsmaßstab, zur Beweislast und zur Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen s. BGH v. 22.6.2009 – II ZR 143/08, NJW 2009, 2598; v. 14.7.2008, NJW 2008, 3361; v. 18.2.2008 – II ZR 62/07, WM 2008, 696; v. 16.9.2002, DB 2002, 2480; OLG München v. 8.7.2015 – 7 U 3130/14, GmbHR 2015, 1273; OLG Koblenz v. 23.12.2014, GmbHR 2015, 358 sowie Einf. Rz. 14 f. Unstreitig erfasst eine Haftungsbeschränkung nicht Verstöße gegen die gläubigerschützenden Regeln gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG, die im Muster daher auch klarstellend vorbehalten sind. Zur Nachhaftung eines früheren Geschäftsführers vgl. BAG v. 20.1.1998 – 9 AZR 593/96, BB 1998, 957. 9 Vgl. § 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG iVm. § 9b Abs. 1 GmbHG. Während der BGH mit Urteil v. 15.11.1999 – II ZR 122/98, DB 2000, 268, verjährungsverkürzende Regelungen schon immer dann als unwirksam angesehen hat, wenn die Schadensersatzansprüche zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger notwendig sind, hat er mit Urteil v. 16.9.2002, DB 2002, 2480, diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und die Unwirksamkeit auf den Verstoß gegen § 43 Abs. 3 GmbHG beschränkt. 10 In der seit 1.10.2016 geltenden Fassung von § 309 Nr. 13 BGB iVm. Art. 229 § 37 EGBGB dürfen Anzeigen und Erklärungen, die dem Verwender der AGB oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, nicht an eine strengere Form als die Textform gebunden werden (vgl. Lingemann/Otte, NZA 2016, 519). Dies dürfte damit auch für Erklärungen des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft gelten. Die Klausel sieht daher beiderseits nur ein Textformerfordernis vor. 11 Mit Urteil v. 16.9.2002, DB 2002, 2480, hat der BGH die haftungsverkürzende Wirkung einer entsprechenden Klausel bejaht; soweit deliktische Ansprüche nicht ausdrücklich darin genannt sind, ist die Erstreckung auf deliktische Ansprüche zweifelhaft. Ausschlussfristen sind gemäß BAG (BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265 Rz. 22) regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen sollen und ohne besondere Hinweise im Einzelfall eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, gerade nicht gewollt ist. Dies muss in der Ausschlussklausel nicht gesondert hervorgehoben werden (BAG v. 20.6.2013, NZA 2013, 1265 Rz. 22). Im dortigen Fall war die Ausschlussfrist wirksam, obwohl sie die Haftung wegen Vorsatzes trotz § 202 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich ausnahm. Ob die Herausnahme des Mindestlohns erforderlich ist, ist für Arbeitsverträge umstritten (Einzelheiten Kap. 2 Einf., AGB-Kontrolle von A–Z, Rz. 92, „Ausschlussfrist“). Bei Geschäftsführern halten wir es für vertretbar, ihn nicht ausdrücklich auszunehmen, da der Mindestlohn nur für Arbeitnehmer und somit für Geschäftsführer nur in den atypischen Konstellationen anwendbar wäre, in denen er ausnahmsweise Arbeitnehmer ist (Einf. Rz. 17) und seine Vergütung den Mindestlohn unterschreiten könnte. Rechtsprechung dazu findet sich aber bisher nicht.

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Kap. 4

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M 4.1a

(5) Die Gesellschaft kann jederzeit weitere Geschäftsführer bestellen. Die Gesellschafterversammlung bestimmt die Geschäftsverteilung12 unter den Geschäftsführern. (6) Der Geschäftsführer leitet den Geschäftsbereich … Die Gesellschaft ist berechtigt, ihm andere gleichwertige Aufgaben zuzuweisen, auch wenn sie mit einem Ortswechsel verbunden sind.13 oder (6) Das Vertragsverhältnis wird auf die vereinbarte Position im Unternehmen als … mit Sitz in … konkretisiert. Eine Änderung bedarf der Zustimmung des Geschäftsführers. oder (6) Die Versetzung des Geschäftsführers an einen anderen Ort ist ohne seine Zustimmung nur mit einer Ankündigungsfrist von … zulässig.14 (7) Der Geschäftsführer wird auf Verlangen der Gesellschafterversammlung auch Organtätigkeiten in verbundenen Unternehmen übernehmen; diese sind durch die Vergütung gemäß § 4 abgegolten.

§ 3 Vertragsdauer (1) Der Vertrag beginnt am … und wird auf … Jahr(e) geschlossen.15 Er verlängert sich jeweils um … Jahr(e), wenn er nicht mit einer Frist von … Monaten vor Vertragsende gekündigt wird. evtl. Er tritt an die Stelle des Arbeitsvertrages vom … mit allen späteren Änderungen, der damit endet.16 oder (1) Der Vertrag wird auf unbestimmte Dauer geschlossen. Er kann von jeder Partei mit einer Kündigungsfrist von … gekündigt werden. Für die Kündigung gelten im Übrigen zugunsten des Geschäftsführers die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes17 [evtl.: mit Ausnahme von § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG].18 12 Die wirksame Geschäftsverteilung befreit den Geschäftsführer von der Haftung, soweit der Schaden nicht in seinem Ressort verursacht wurde. Er muss auch dann aber seiner Überwachungspflicht genügen und Anhaltspunkten für Pflichtverletzungen nachgehen. Keine Haftungsbefreiung besteht bei Verantwortung der Gesamtgeschäftsführung, so insbesondere für den Jahresabschluss, aber auch für das Management in der Krise. Auch die durch das KonTraG v. 27.4.1998 eingeführte gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung und Fortführung eines Überwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG (vgl. dazu Lingemann/Wasmann, BB 1998, 853), soweit sie auf die GmbH anwendbar ist, ist Teil der Gesamtverantwortung der Geschäftsführung, so dass die Geschäftsverteilung nicht von der Haftung befreit. Die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO obliegt jedem Geschäftsführer unabhängig von der Geschäftsverteilung, er ist insoweit stets alleinvertretungsbefugt. 13 Wenn die Aufgaben im Anstellungsvertrag festgelegt sind, kann die Gesellschaft andere Aufgaben ohne Verstoß gegen den Vertrag nur zuweisen, wenn dies – wie im Muster – ausdrücklich vorbehalten ist. Aufgrund der AGB-Kontrolle (Einf. Rz. 24) sind sie auf gleichwertige Tätigkeiten beschränkt (Kap. 2 Rz. 129). 14 Die 2. und 3. Alternative begünstigen den Geschäftsführer, der mit diesen Klauseln die Übertragung neuer Aufgaben zur Verbesserung seiner Vertragsposition nutzen könnte (zu Einzelheiten Röder/Lingemann, DB 1993, 1341 ff., 1346); zur Versetzung von Organmitgliedern Röhrborn, BB 2013, 693. 15 Da der Geschäftsführer keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießt (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), ist für ihn eine lange Vertragslaufzeit von besonderer Bedeutung. Anders als im Arbeitsverhältnis sind Befristungen des Geschäftsführervertrages ohne sachlichen Grund wirksam und üblich. Dann ist der Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Dauer nicht ordentlich kündbar, es sei denn, der Vertrag sieht dies ausdrücklich vor (§ 620 Abs. 1 BGB). ZT wird die Befristung als AGB-widrig angesehen, wenn die Voraussetzungen des TzBfG nicht vorliegen (von Alvensleben/Haug/Schnabel, BB 2012, 774). Das würde allerdings zu einem unbefristeten Vertrag führen, den die Gesellschaft jederzeit mit gesetzlicher Kündigungsfrist beenden könnte, der Schutzzweck des TzBfG würde sich also in sein Gegenteil verkehren. 16 Die Ergänzung ist wegen § 623 BGB ratsam, wenn der Geschäftsführer zuvor Arbeitnehmer war. Sie dient dazu, ein „ruhendes Arbeitsverhältnis“ zu vermeiden (Einzelheiten Einf. Rz. 18 f.). 17 Die Formulierung ist angelehnt an diejenige, die der Entscheidung des BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, DStR 2010, 1390, zugrunde lag. Der BGH hat aufgrund der dortigen Regelung Kündigungsschutz nach dem KSchG für den Geschäftsführer bejaht (s. auch Einf. Rz. 19). Bisher ist die Aufnahme eine solchen

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

(2) Der Vertrag endet ohne Kündigung am Ende des Monats, in dem der Geschäftsführer die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht (das ist derzeit die Vollendung des 67. Lebensjahrs) oder seine volle Erwerbsminderung festgestellt wird.19 (3) Der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Ein wichtiger Grund liegt für die Gesellschaft insbesondere vor, wenn …20 – der Geschäftsführer gegen die ihm im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen der Geschäftsführung (insbesondere nach § 2 Abs. 2) verstößt,21 … evtl. Ein wichtiger Grund für den Geschäftsführer liegt insbesondere vor, wenn … – die Mehrheit der Geschäftsanteile an der Gesellschaft an Personen außerhalb des bisherigen Gesellschafterkreises veräußert wird. (4) Die Bestellung zum Geschäftsführer kann jederzeit durch Beschluss der Gesellschafterversammlung widerrufen werden.22 evtl. Der Widerruf der Bestellung (Abberufung) gilt als Kündigung dieses Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt.23 Beruht der Widerruf jedoch auf einem Grund, der nicht zugleich ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB für die fristlose Kündigung des Dienstvertrages ist, so endet der Dienstvertrag

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Regelung aber wenig üblich. Zu den kündigungsschutzrechtlichen Folgen Jaeger, DStR 2010, 2312, Stagat, NZA 2010, 975 ff. Den Ausschluss von § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG schlägt vor Stagat, NZA 2010, 975, 978; dann kann die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis nicht durch einseitige Erklärung auflösen. Ebenso wie eine Befristung ist auch eine auflösende Bedingung beim Geschäftsführerdienstvertrag ohne sachlichen Grund zulässig. Das AGG steht uE einer Altersbefristung in Verträgen mit Organen juristischer Personen nicht entgegen (PWW/Lingemann, § 6 AGG Rz. 6; Einf. Rz. 8). Zu Alternativen s. M 5.1 § 2 Abs. 6. Wichtige Gründe können im Rahmen des Zumutbaren vertraglich erweitert (BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, DB 1981, 1661; v. 9.7.1990 – II ZR 194/89, DB 1990, 1709) und wohl auch beschränkt werden (Palandt/Weidenkaff, § 626 BGB Rz. 2; PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 1 aE). Eine vertragliche Beschränkung darf jedoch die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafterversammlung nicht unangemessen einengen (Reiserer, BB 2002, 1199). Dementsprechend kann auch nicht im Anstellungsvertrag eine Abfindung für den Fall einer fristlosen Kündigung vereinbart werden (BGH v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, BB 2000, 1751). Ein solcher Verstoß kann auch ausnahmsweise keine fristlose Kündigung rechtfertigen (vgl. BGH v. 10.12.2007 – II ZR 289/06, DB 2008, 805). Sieht der Vertrag des Geschäftsführers vor, dass ein wichtiger Grund vorliegt, wenn „der Gesellschaftergeschäftsführer aus der Gesellschaft ausscheidet“, so ist damit nicht schon die bloße Abberufung des Geschäftsführers gemeint, sondern nur das Ausscheiden als Mitgesellschafter (BGH v. 1.12.1997 – II ZR 232/96, DB 1998, 874). Das Recht zum Widerruf der Bestellung nach § 38 Abs. 1 GmbHG ist unbeschränkt, soweit die Satzung es nicht gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG auf wichtige Gründe beschränkt. Eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Abberufung gilt aufgrund der Danosa-Entscheidung des EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, NZA 2011, 143 wahrscheinlich auch bei Schwangerschaft der Geschäftsführerin; dazu Einf. Rz. 7 und 17. Diese „Kopplungsklausel“ ist möglicherweise dahingehend auszulegen, dass mit Widerruf der Bestellung der Dienstvertrag zwar nicht sofort, wohl aber mit Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist des § 622 BGB endet (Lingemann, Kündigungsschutz, S. 380 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 38 Rz. 44; OLG München, v. 17.3.2011– 23 U 3673/10; OLG Hamm v. 20.11.2006 – 8 U 217/05, GmbHR 2007, 442, 443; BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, DB 1989, 1865; vgl. auch M 5.1, Anm. zu § 2 Abs. 2 m. Anm. sowie Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809). Aus Sicht des Geschäftsführers ist daher von der Vereinbarung einer solchen Klausel abzuraten, da sie letztlich dazu führen kann, dass die feste Laufzeit des Dienstvertrages durch Abberufung unterlaufen und damit wertlos wird. Da dies Abs. 4 Satz 2 nicht unmittelbar zu entnehmen ist, würde die Regelung in Satz 2 allein ohne ausdrückliche Klarstellung der Rechtsfolge in Formularverträgen wahrscheinlich gegen § 305c BGB, ggf. auch gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen (Grobys/Glanz, NJW Spezial 2007, 129). Im Muster ist die Rechtsfolge daher in Satz 3 klargestellt (vgl. Einl. Rz. 7).

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Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

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erst mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist24 ab Ende der Organstellung.25 [evtl.: Dasselbe gilt, wenn der Geschäftsführer sein Amt niederlegt.]26 oder Der Widerruf der Bestellung (Abberufung) gilt als Kündigung dieses Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt.27 Beruht der Widerruf jedoch auf einem Grund, der nicht zugleich ein wichtiger Grund gemäß § 626 BGB für die fristlose Kündigung des Dienstvertrages ist, so endet der Dienstvertrag erst mit Ablauf der Vertragsdauer gemäß Abs. 1. [evtl.: Dasselbe gilt, wenn der Geschäftsführer sein Amt niederlegt.]28 (5) Jede Kündigung/Abberufung bedarf der Schriftform. Ist der Geschäftsführer bei der Beschlussfassung anwesend, so ist die Kündigung ihm gegenüber abweichend von Satz 1 bereits dadurch formwirksam erklärt, dass der Versammlungsleiter den Beschluss über die Abberufung und/oder Kündigung feststellt. Ist der Geschäftsführer nicht anwesend, wird die Kündigung ihm gegenüber erklärt, indem der Versammlungsleiter ihm das Versammlungsprotokoll mit der Beschlussfassung über die Abberufung und/oder Kündigung übersendet.29 (6) Eine Kündigung des Geschäftsführers ist gegenüber dem Gesellschafter mit der höchsten Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft zu erklären. oder (6) Eine Kündigung des Geschäftsführers ist gegenüber dem weiteren Geschäftsführer zu erklären, soweit ein solcher nicht bestellt ist, gegenüber dem Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung. (7) Nach Kündigung dieses Vertrages, gleich durch welche Partei, [evtl: sowie im Falle des Widerrufs der Organstellung oder der Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer]30 ist die Gesellschaft berechtigt, den Geschäftsführer jederzeit unter Fortzahlung der Vergütung und Anrechnung von Urlaubsansprüchen von seiner Verpflichtung zur Dienstleistung für die Gesellschaft freizustellen. Für die Zeit der Freistellung gilt § 615 Satz 2 BGB.31

24 Bei der Berechnung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses, an das sich das Geschäftsführerverhältnis nahtlos angeschlossen hat, wohl anzurechnen (zum umgekehrten Fall LAG Rh.-Pf. v. 17.4.2008 – 9 Sa 684/07, DB 2008, 1632). 25 Satz 3 stellt die Rechtsfolgen dieser Klausel klar und ist zur Vermeidung von Unklarheiten gemäß § 305c Abs. 1 BGB jedenfalls in Formulargeschäftsführerverträgen ratsam (zu Vorstandsverträgen Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343). § 622 Abs. 6 BGB ist auf Geschäftsführer wohl nicht anwendbar, so dass die Kopplungsklausel nicht schon daran scheitert, dass im Falle der Abberufung die Kündigungsfrist für die Gesellschaft ggf. kürzer ist als die vertragliche Kündigungsfrist für den Geschäftsführer (Werner, NZA 2015, 1234, 1235 f.; Willemsen, FS Buchner 2009, 971, 974 ff.). Da eine Abberufung jedoch gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG auch ohne jeden Grund zulässig ist, ist die Kopplungsklausel möglicherweise insgesamt in Formularverträgen wegen Verstoßes gegen § 305c BGB, ggf. auch § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (Grobys/Glanz, NJW Spezial 2007, 129; von Westphalen, BB 2015, 834). UE ist die Klausel jedoch nicht unangemessen und daher wirksam (Willemsen, FS Buchner, S. 971). Unwirksam dürfte allerdings eine Klausel sein, durch die der Gesellschaft ein Recht zur außerordentlichen Kündigung für den Fall der Abberufung eingeräumt wird (Werner, NZA 2015, 1234, 1238). 26 Die Formulierung beugt dem denkbaren Einwand der Unvereinbarkeit mit § 622 Abs. 6 BGB vor, vgl. Bauer/von Medem, NZA 2014, 238, 240. 27 Das Recht zum Widerruf der Bestellung nach § 38 Abs. 1 GmbHG ist unbeschränkt, soweit die Satzung es nicht gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG auf wichtige Gründe beschränkt. 28 Die Formulierung beugt dem denkbaren Einwand der Unvereinbarkeit mit § 622 Abs. 6 BGB vor, vgl. Bauer/von Medem, NZA 2014, 238, 240. 29 Diese Regelung erleichtert die Abgabe der Willenserklärung, insbesondere Zurückweisungen nach § 174 BGB werden vermieden. 30 Vgl. Ebert, ArbRB 2011, 155. 31 Bei einer einvernehmlichen Freistellung kommt es für die Frage der Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Auslegung des Vertrages an. Ist die Anrechnung nicht ausdrücklich geregelt, gilt § 615 Satz 2 BGB im Zweifel nicht, was eine doppelte Vergütung zur Folge haben kann (BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207; vgl. auch BAG v. 19.3.2002, NZA 2002, 1055).

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§ 4 Vergütung32 (1) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit a) ein festes Jahresgehalt von Euro …, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von Euro … jeweils am Monatsende; b) für die Zeit bis zum … eine garantierte Tantieme33 von Euro …/Jahr, zahlbar jeweils am …; c) eine jährliche Tantieme,34 die die Gesellschafterversammlung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ergebnisse des Geschäftsjahres nach Feststellung des Jahresabschlusses festsetzt.35 oder a) ein Gehalt von monatlich Euro …, das am Ende eines jeden Monats gezahlt wird; b) eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehaltes zum 1.12. und ein Urlaubsgeld in Höhe eines Monatsgehaltes, das am 1.7. eines jeden Jahres zahlbar ist;36 c) eine Tantieme in Höhe von … % des Jahresgewinns der Gesellschaft. Bemessungsgrundlage ist der Jahresüberschuss nach Steuern und vor Abzug etwaiger Rücklagen und gewinnabhängiger Tantiemen der Geschäftsführer. Ein etwaiger Verlustvortrag aus dem Vorjahr ist bei Bildung der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Tantieme zu berücksichtigen.37 Erlöse aus außergewöhnlichen Geschäften (zB Veräußerung einer Geschäftssparte) sind bei der Bildung der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Tantieme nicht zu berücksichtigen. 32 Als Organmitglieder sind Geschäftsführer von Leistungen nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz („vermögenswirksame Leistungen“) ausgeschlossen. 33 Eine garantierte Tantieme ist in Turn-around-Situationen empfehlenswert, allerdings nur, wie im Muster, befristet. Vertragstechnisch wird eine garantierte Tantieme häufig vereinbart, um diesen Teil der Vergütung aus der Berechnungsgrundlage für die betriebliche Altersversorgung, die Karenzentschädigung beim Wettbewerbsverbot, die Berechnung des Sterbegeldes oder die Entgeltfortzahlung herauszunehmen. 34 Als Erfolgsbeteiligung wird idR eine Tantieme vereinbart. Bei überdurchschnittlicher Ertragssituation macht diese 15–35 % der Gesamtvergütung aus, bei unterdurchschnittlicher Situation ca. 10–20 %, Anteil steigend. Bezugsgröße der Tantieme ist meist der Gewinn bzw. Jahresüberschuss vor Steuern, EBT oder EBIT. Wichtig: Zulässig, jedoch die Ausnahme, ist auch eine am Umsatz orientierte Tantieme. Von einer solchen Tantieme ist zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung beim Gesellschaftergeschäftsführer abzuraten (vgl. BFH v. 12.10.2010, BFH/NV 2011, 301; v. 6.4.2005 – I R 10/04, GmbHR 2005, 1442; v. 19.5.1993, BFH/NV 1994, 124; v. 5.10.1977, GmbHR 1978, 93); steuerrechtlich anzuerkennen ist sie nur ausnahmsweise, wenn eine Gewinntantieme den gewünschten Zweck nicht erfüllen kann, etwa während der ertragsschwachen Aufbauphase des Unternehmens (BFH v. 12.10.2010, BFH/ NV 2011, 301; v. 20.9.1995 – I R 130/94, GmbHR 1996, 301). In jedem Fall muss eine umsatzorientierte Tantieme zeitlich und der Höhe nach begrenzt sowie branchenüblich sein (BFH v. 2.4.2008, ZSteu 2008, R 601); sie sollte auf den Vertrieb beschränkt werden (BFH v. 9.7.2007, BFH/NV 2007, 2148). Aus demselben Grund muss beim Gesellschaftergeschäftsführer die Tantiemeklausel ferner so formuliert sein, dass allein durch Rechenvorgänge die Tantiemehöhe ermittelt werden kann; ein Spielraum für eine Ermessensausübung durch die Gesellschafterversammlung darf nicht bestehen. 35 Zur recht weitgehenden AGB-rechtlichen Zulässigkeit von Ermessenstantiemen in Arbeitsverträgen BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020, m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. Auch die Festsetzung einer Tantieme auf „Null“ kann im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen, BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 286. Entspricht die Bestimmung der Ermessenstantieme durch die Gesellschaft nicht der Billigkeit, so kann gerichtlich eine andere Höhe bestimmt werden, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334, Anm. Lingemann, FD-ArbR 2016, 380604. Ausführlich zur Vereinbarung von Ermessenstantiemen im Arbeitsvertrag auch Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65 sowie Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400 sowie Kap. 2 Einf., AGB-Kontrolle von A–Z, Rz. 101, „Ermessensvergütung/Ermessensgratifikation“. 36 Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld besteht nur bei ausdrücklicher Vereinbarung, die bei Organmitgliedern eher selten ist. 37 Formulierungsvorschlag nach Jaeger, Anstellungsvertrag, S. 109. Ist der Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG nur bei der GmbH angestellt, so ist darauf zu achten, dass als Berechnungsgrundlage nicht auf den Gewinn bzw. Jahresüberschuss der GmbH, sondern der KG abgestellt wird.

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d) Die Tantieme wird einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. e) Kündigt die Gesellschaft den Geschäftsführervertrag aus wichtigem Grund, so entfällt für das Jahr, in dem die Kündigung wirksam wird, der Anspruch auf Tantieme oder e) Der Anspruch auf Tantieme besteht nur für die Dauer der Organstellung. Endet die Organstellung unterjährig, besteht der Anspruch pro rata temporis.38 (2) Eventuelle Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit ist mit diesen Bezügen abgegolten.39 (3) Sollte sich das Tarifgehalt eines technischen Angestellten der Gruppe … nach dem Tarifvertrag um mehr als 10 % erhöhen oder vermindern, so tritt mit Wirksamkeit dieser Erhöhung oder Verminderung im gleichen Verhältnis eine Erhöhung oder Verminderung des unter § 4 Abs. 1 lit. a bestimmten Gehaltes ein. Bei weiteren Erhöhungen oder Verminderungen gilt Satz 1 entsprechend.40 oder (3) Die Gesellschaft überprüft die Bezüge jeweils am 1.1. eines jeden Jahres, erstmals am 1.1. … (4) Soweit vorstehend nichts Abweichendes geregelt ist, ist die Vergütung bei unterjährigem Eintritt oder Ausscheiden zeitanteilig zu zahlen.

§ 5 Fortzahlung der Vergütung41 (1) Wird der Geschäftsführer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder einem anderen von ihm nicht zu vertretenden Grund an der Erbringung seiner vertraglichen Leistung verhindert, so wird ihm die Vergütung nach § 4 Abs. 1 lit. … sechs Monate, längstens aber bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses weitergezahlt. Der Geschäftsführer muss sich auf diese Zahlungen anrech38 Die Voraussetzungen, unter denen der Tantiemeanspruch bei Beendigung der Organstellung ausgeschlossen werden kann, sind ungeklärt. Wahrscheinlich gelten auch bei Formulargeschäftsführerverträgen nicht die engen Grenzen, die das BAG für den Widerruf vertraglicher Leistungen in Formulararbeitsverträgen (vgl. Kap. 2 Rz. 138 ff.) gezogen hat (so OLG Düsseldorf v. 4.3.2013 – I-14 U 144/12, Rz. 44, juris, zum Freiwilligkeitsvorbehalt im Geschäftsführervertrag; allgemein Bauer/Göpfert/Siegrist, DB 2006, 1774, 1776; Khanian, GmbHR 2011, 116; aA Thüsing in Graf v. Westfalen, Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, Geschäftsführerverträge, Rz. 109 c). Enthält der Vertrag keine gesonderte Regelung, so ist die Tantieme im Zweifel unabhängig von der Organstellung für die gesamte Dauer des Dienstvertrages geschuldet (Bauer/Göpfert/Siegrist, DB 2006, 1774, 1776). 39 Im Arbeitsverhältnis wäre eine solche Pauschalabgeltung im Formularvertrag wohl nicht zulässig, vgl. Kap. 2 Rz. 112, 118 f.; wir halten sie jedoch trotz der AGB-Kontrolle von Geschäftsführerverträgen (Einf. Rz. 24) aufgrund der Verpflichtung von Organen, umfassend zur Verfügung zu stehen, im freien Dienstverhältnis des Geschäftsführers oder auch Vorstandsmitgliedes für zulässig, zumal für diese auch das ArbZG nicht gilt. 40 Vgl. zur Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln M 3.1 § 3 Abs. 1 m. Anm. Zulässig sind jedenfalls Klauseln, die eine Anpassung an einen Tarifvertrag (1. Alt.) enthalten (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG, sog. Spannungsklauseln) oder Überprüfungsvorbehalte (2. Alt.), deren Ausübung nur nach § 315 BGB auf Unbilligkeit gerichtlich überprüft werden kann. 41 Für Organmitglieder gilt das Entgeltfortzahlungsgesetz weder unmittelbar noch analog. Sie haben nur gemäß § 616 BGB Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“, dh. nur für wenige Tage (Palandt/Weidenkaff, § 616 BGB Rz. 9, 14; PWW/Lingemann, § 616 BGB Rz. 3). Dies gilt auch für die Nebenleistungen. Die Vereinbarung einer längeren Entgeltfortzahlungszeit im Anstellungsvertrag ist daher aus Sicht des Geschäftsführers erforderlich. Nach der DanosaEntscheidung gilt wohl das MuSchG (dazu Einf. Rz. 17), die Geltung des BEEG ist jedoch offen, so dass vorsorglich für Zeiten der Schwangerschaft und Kindererziehung ggf. individuelle Regelungen zu vereinbaren sind. Ob das PflegeZG auf Geschäftsführer Anwendung findet, entscheidet sich nach dem Einzelfall, nämlich, ob der Geschäftsführer eine arbeitnehmerähnliche Person iSd. § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG ist. Das ist der Fall, wenn er auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Einkünfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Sicherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist (BAG v. 25.7.1996 – 5 AZB 5/96, NZA 1997, 63; ErfK/Gallner, § 7 PflegeZG Rz. 1; Überblick bei Küttner/Röller, Personalbuch, 22. Aufl. 2015, Arbeitnehmerähnliche Personen, Rz. 6 ff.).

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nen lassen, was er von Kassen oder Versicherungen an Krankengeld, Krankentagegeld oder Rente erhält, soweit die Leistungen nicht ausschließlich auf seinen Beiträgen beruhen. (2) Der Geschäftsführer tritt bereits jetzt etwaige Ansprüche an die Gesellschaft ab, die ihm gegenüber Dritten wegen der Arbeitsunfähigkeit zustehen. Die Abtretung ist begrenzt auf die Höhe der nach Abs. 1 geleisteten oder zu leistenden Zahlungen.42 (3) Stirbt der Geschäftsführer während der Dauer dieses Vertrages, so haben seine Witwe und seine unterhaltsberechtigten Kinder als Gesamtgläubiger Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes gemäß § 4 Abs. 1 für den Sterbemonat und die drei folgenden Monate. Hinterlässt der Geschäftsführer weder Witwe noch unterhaltsberechtigte Kinder, so besteht kein Anspruch gemäß Satz 1.

§ 6 Versicherungen (1) Die Gesellschaft schließt für die Dauer dieses Vertrages zugunsten des Geschäftsführers eine Unfallversicherung für Berufsunfälle und Unfälle des täglichen Lebens mit Deckungssummen von Euro … für den Todesfall und Euro … für den Invaliditätsfall ab. (2) Die Gesellschaft schließt für den Geschäftsführer eine Rechtsschutzversicherung mit einer Deckungssumme von Euro … je Schadensfall ab, die folgende Risiken erfasst: – Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für Vermögensschäden, – Verteidigung in Ermittlungs-, Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen fahrlässig begangener Delikte, – Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus diesem Dienstvertrag. (3) Die Gesellschaft versichert den Geschäftsführer gegen Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche, die der Gesellschaft und/oder Dritten gegen den Geschäftsführer aufgrund oder im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit zustehen können mit einer Deckungssumme von Euro … pro Schadensfall. Sie bezieht den Geschäftsführer in Haftpflichtversicherungen der Gesellschaft ein. Die Gesellschaft gewährt dem Geschäftsführer jederzeit auf Verlangen Einsicht in die Versicherungsunterlagen und legt die Belege über die Prämienzahlungen vor. Diese Verpflichtung gilt auch nach Beendigung dieses Dienstvertrages.43

§ 7 Versorgungszusage44 (1) Die Gesellschaft schließt zum Zwecke der Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung auf das Leben des Geschäftsführers eine Lebensversicherung mit einer Versicherungs42 Für Arbeitnehmer bestimmt § 6 Abs. 1 EFZG bereits einen entsprechenden Anspruchsübergang; Geschäftsführer dürften zu der entsprechenden Abtretung bereits aufgrund ihrer Treuepflicht verpflichtet sein, der Vertrag regelt dies jedoch vorsorglich auch ausdrücklich. 43 Auf die Einbeziehung auch von Ansprüchen der Gesellschaft in den Versicherungsschutz sollte geachtet werden, da sie in manchen D&O-Policen als „Anspruch zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer“ („insured vs. insured“) ausgeschlossen ist. Zur Interessenkollision bei der Inanspruchnahme Armbrüster, NJW 2016, 897. 44 Eingehend zur Versorgungszusage an einen GmbH-Geschäftsführer s. M 18.1. Der BFH akzeptiert eine Pensionszusage an neu bestellte Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH nur nach Einhaltung einer angemessenen Probezeit (BFH v. 28.4.2010 – I R 78/08, BB 2010, 2167, Rz. 37; v. 24.4.2002, BB 2002, 1999, Rz. 10 ff.). Allgemein zu der Vermeidung verdeckter Gewinnausschüttungen bei der Vereinbarung von Versorgungszusagen mit Gesellschaftergeschäftsführern vgl. Uckermann/Heilck, NZA 2014, 1187. Die 1. Alternative des Musters enthält eine Direktversicherung, die 2. Alternative eine Direktzusage. Versorgungszusagen werden in Form von Pensionszusagen (Ruhegeldzusagen), Zusagen für den Fall der Invalidität und Zusagen auf Hinterbliebenenversorgung gewährt. Sie sind ausdrücklich im Dienstvertrag festzulegen; die betriebliche Altersversorgung im Unternehmen erfasst Organmitglieder ohne entsprechende ausdrückliche Regelung nicht. Für Versorgungszusagen an Fremdgeschäftsführer gilt das Betriebsrentengesetz (BetrAVG), für Gesellschafter-Geschäftsführer gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG hingegen nur, soweit sie „unbedeutend“ an der GmbH beteiligt sind. Sie können gem. § 30a BetrAVG zB auch ab dem 60. Lebensjahr eine vorgezogene Betriebsrente verlangen (BAG v. 15.4.2014 – 3 AZR 114/12, NZA 2014, 767, Anm. Beck, ArbRAktuell,

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summe von Euro … ab, die mit Vollendung des 67. Lebensjahres, bei Eintritt [evtl.: teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI oder] voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI oder dem Tod des Geschäftsführers zur Zahlung fällig wird. (2) Die Versicherungsprämien werden für die Dauer dieses Dienstvertrages von der Gesellschaft zusätzlich zur Vergütung gemäß § 4 gezahlt. Sie sind steuerpflichtige Vergütung, werden jedoch, soweit gesetzlich zulässig, pauschal versteuert. (3) Unwiderruflich45 bezugsberechtigt aus der Versicherung sollen im Erlebensfall der Geschäftsführer, im Todesfall die von ihm bestimmten Personen oder bei Fehlen einer solchen Bestimmung seine Erben sein. Das unwiderrufliche Bezugsrecht kann nicht beliehen, abgetreten oder verpfändet werden. (4) Scheidet der Geschäftsführer vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung aus den Diensten der Gesellschaft aus, ohne dass eine teilweise oder volle Erwerbsminderung vorliegt, so wird die Gesellschaft die Versicherung mit allen Rechten und Pflichten auf den Geschäftsführer übertragen, sofern der Geschäftsführer zum Zeitpunkt seines Ausscheidens eine mindestens …-jährige Dienstzeit bei der Gesellschaft erfüllt hat. (5) Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 1 ff. BetrAVG.46 oder (1) Der Geschäftsführer erhält eine Pension in Höhe von … % des von ihm zuletzt bezogenen festen Gehalts gemäß § 4 Abs. 1 lit. a. Die Pension wird gezahlt ab Vollendung des 67. Lebensjahres47 oder vorher im Falle der [evtl.: teilweisen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI oder] vollen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI, in monatlichen Raten jeweils am Monatsende. (2) Stirbt der Geschäftsführer während der Laufzeit seines Vertrages mit der Gesellschaft oder nach seiner Pensionierung nach Ablauf der Vertragslaufzeit, so erhält seine Witwe, sofern die Ehe am Todestag bestanden hat, 60 % der Pension, die er bezogen hat oder die er bezogen hätte, wenn er am 2014, 320). Eine Beteiligung von mehr als 50 % schließt die Anwendung des BetrAVG und damit den Insolvenzschutz aus. Da der PSV dann nicht eintrittspflichtig ist, empfiehlt sich eine anderweitige Absicherung, zB eine an den Geschäftsführer verpfändete Rückdeckungsversicherung der Direktzusage. Auch soweit das BetrAVG anwendbar ist, kann von tarifdispositiven Regelungen des BetrAVG (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) auch zu Lasten des Organmitgliedes abgewichen werden (BAG v. 21.4.2009, ZTR 2009, 657; dazu Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). In Betracht kommen insbesondere Abweichungen beim Anspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG), der Ermittlung der Höhe der ratierlichen Anwartschaft (§ 2 BetrAVG), der Berechnung der vorzeitigen Altersrente (§ 2 iVm. § 6 BetrAVG), dem Abfindungsverbot (§ 3 BetrAVG), dem Übertragungsanspruch und der Übertragungsbeschränkung (§ 4 BetrAVG), dem Auskunftsanspruch (§ 4a BetrAVG), dem Auszehrungs- und Anrechnungsverbot (§ 5 BetrAVG), der Anpassungspflicht (§ 16 BetrAVG) und der Verjährung (§ 18a BetrAVG) (Einzelheiten bei Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). Solche Abweichungen sind bisher allerdings nicht Praxis. 45 Bei der Direktversicherung steht dem Geschäftsführer im Insolvenzfall nur dann ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO zu, wenn ihm ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt wurde, wobei auch ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht ausreicht (BGH v. 24.6.2015 – IV ZR 411/13, ZIP 2015, 1647 Rz. 19; v. 9.10.2014 – IX ZR 41/14, DB 2014, 2646 Rz. 16 ff.; BAG v. 31.7.2007, NZA-RR 2008, 32; BGH v. 3.5.2006 – IV ZR 134/05, NZA-RR 2006, 532; BAG v. 26.6.1990 – 3 AZR 651/88, NZA 1991, 60). Bei einem nur widerruflichen Bezugsrecht erhält er nur eine einfache Insolvenzforderung (OLG Düsseldorf v. 11.12.2007 – 4 U 205/06; BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 264/01, BB 2002, 2350). Die ausdrückliche Erklärung der GmbH muss insbesondere auch gegenüber dem Versicherer herbeigeführt werden (BAG v. 26.2.1991 – 3 AZR 213/90, NZA 1991, 845; OLG Hamm v. 15.11.1990, ZIP 1990, 1603). 46 Die Regelung ist beim Fremdgeschäftsführer nur klarstellend (s. M 4.1a). Das BetrAVG regelt auch die Beschränkung der Versicherungsansprüche bei Ausscheiden vor Eintritt des Versicherungsfalles auf die Leistungen gemäß § 2 Abs. 2 BetrAVG. Diese Regelung dürfte aber in Verträgen mit Organmitgliedern auch zu deren Lasten abdingbar sein (BAG v. 21.4.2009, ZTR 2009, 657; dazu Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). 47 Ursprünglich wurden Pensionszusagen für Organmitglieder steuerlich anerkannt bei einer Pensionsberechtigung ab dem 60. Lebensjahr. Gemäß Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums v. 24.7.2013 (BStBl. I 2013, 1022 Rz. 286) gilt dies für Versorgungszusagen, die nach dem 31.12.2011 erteilt werden, nur noch ab dem 62. Lebensjahr.

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Todestag in den Ruhestand getreten wäre. Das Witwengeld entfällt, wenn sich die Witwe wieder verheiratet. Ein Anspruch auf Witwengeld besteht nicht, wenn die Ehe erst nach der Pensionierung geschlossen wurde.48 (3) Abs. 2 gilt entsprechend für eingetragene Lebenspartner.49 (4) Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 1 ff. BetrAVG.

§ 8 Spesen (1) Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die dem Geschäftsführer in der Ausübung seiner Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehen, werden ihm nach den jeweiligen internen Richtlinien der Gesellschaft erstattet. oder (1) Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die dem Geschäftsführer in der Ausübung seiner Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehen, werden ihm gegen Beleg nach den steuerlich zulässigen Höchstsätzen erstattet. (2) Soweit sich der Geschäftsführer bei seinen geschäftlichen Reisen öffentlicher Verkehrsmittel bedient ist er berechtigt, die erste Klasse zu benutzen, bei Flügen Business Class. (3) Die Gesellschaft trägt die Kosten für ein dienstliches Mobiltelefon mit den dazugehörigen Vertrags-, Geräte- und Gesprächskosten. Der Geschäftsführer darf das Mobiltelefon in angemessenem Umfang auch privat nutzen. Die Einkommensteuer auf den Geldwertvorteil der Privatnutzung trägt der Geschäftsführer.

§ 9 Dienstfahrzeug (1) Die Gesellschaft stellt dem Geschäftsführer für seine Tätigkeit im Rahmen dieses Vertrages einen Pkw gemäß den jeweiligen internen Richtlinien der Gesellschaft/Typ … oder vergleichbar, zur Verfügung. Der Geschäftsführer darf den Pkw auch privat nutzen. Die Einkommensteuer auf den Geldwertvorteil der Privatnutzung trägt der Geschäftsführer.50 (2) Das Fahrzeug ist nach Beendigung der Organstellung als Geschäftsführer unverzüglich an die Gesellschaft zu übergeben. Der Geschäftsführer hat kein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug und keinen Anspruch auf Abgeltung entgangener Gebrauchsvorteile.51 48 Eine entsprechende Späteheklausel ist wirksam (BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, BB 2014, 2619, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 545). Unwirksam, da altersdiskriminierend (§§ 1, 7, 10 AGG), ist hingegen eine Klausel, nach der ein Anspruch auf Witwenrente nur besteht, wenn die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen wurde (BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 398) oder nur die „jetzige“ Ehefrau begünstigt wird, BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 397/15, PM 11/17. Zwar sind Späteheklauseln mit Organmitgliedern nicht am AGG zu messen (vgl. § 6 Abs. 3 AGG, der die entsprechende Anwendung der Diskriminierungsverbote für Organmitglieder nur hinsichtlich des Zugangs zur Erwerbstätigkeit und des beruflichen Aufstiegs anordnet [Cisch/Böhm, BB 2007, 602, 603]); angesichts der Tendenz des EuGH, Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu behandeln, kann es aber jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern und bei Geschäftsführern ohne Sperrminorität ratsam sein, sich an dieser Rspr. zu orientieren. Einzelheiten bei Kap. 2 Rz. 126a; M 5.1 Anm. zu § 7 Abs. 4. 49 Das würde aufgrund der Gleichstellung von Ehepartnern mit eingetragenen Lebenspartnern wohl auch ohne Aufnahme in den Vertrag gelten, wenn der Vertrag nach dem 1.1.2005 geschlossen worden ist, vgl. EuGH v. 1.4.2008 – Rs. C-267/06, NZA 2008, 459; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 20/07, NZA 2009, 490; v. 15.9.2009 – 3 AZR 294/09, NZA 2010, 216. 50 Die Privatnutzung ist, auch wenn sie dem Gesellschaftergeschäftsführer im Dienstvertrag zugesagt ist, geldwerter Vorteil, aber keine verdeckte Gewinnausschüttung, BFH v. 23.4.2009, DStR 2009, 1355. 51 Bei vorzeitiger Rückforderung des Dienstfahrzeugs ohne vertragliche Grundlage hat der Geschäftsführer einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Dies gilt bei Vereinbarung des Alternativvorschlages im Muster zB auch, wenn der Geschäftsführer das Fahrzeug zurückgibt, weil die Gesellschaft es trotz fortbestehenden Dienstvertrages nach der Abberufung zurückverlangt hat. Im Arbeitsverhältnis richtet sich die Höhe der Nutzungsentschädigung nicht nach den Kostentabellen des ADAC oder den Nutzungsausfalltabellen (so noch BAG v. 23.6.1994 – 8 AZR 537/92, DB 1994, 2239) oder nach einer konkre-

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oder (2) Das Dienstfahrzeug steht dem Geschäftsführer für die gesamte Dauer des Vertrages zu.

§ 10 Arbeitszeit52 Der Geschäftsführer stellt seine gesamte Arbeitskraft, fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung.

§ 11 Nebentätigkeit Eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit, ein Amt als Aufsichtsrat, Beirat oÄ oder ein Ehrenamt darf der Geschäftsführer nur mit schriftlicher Einwilligung der Gesellschaft übernehmen.53

§ 12 Urlaub54 (1) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Der Urlaub ist unter Berücksichtigung der Belange der Gesellschaft im Einvernehmen mit den anderen Geschäftsführern festzulegen. (2) Kann der Geschäftsführer Urlaub nicht nehmen, weil die Interessen der Gesellschaft entgegenstehen, so ist der restliche Urlaubsanspruch auf das nächste Jahr zu übertragen. Eine weitere Übertragung auf die folgenden Jahre findet nicht statt. (3) Der Geschäftsführer wird dafür sorgen, dass er auch im Urlaub kurzfristig erreichbar ist.

§ 13 Wettbewerbsverbot55 Dem Geschäftsführer ist es untersagt, während der Dauer dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Gesellschaft

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ten Schadensberechnung (so jedenfalls bei Nutzung eines gleichwertigen Privat-Pkw im Ausfallzeitraum, BAG v. 16.11.1995 – 8 AZR 240/95, NJW 1996, 1771), sondern nach der lohnsteuerrechtlichen Vorteilsermittlung (BAG v. 27.5.1999 – 8 AZR 415/98, NJW 1999, 3507; Küttner/Griese, Personalbuch, 22. Aufl. 2015, Dienstwagen Rz. 13). Unseres Erachtens gelten die strengen Voraussetzungen für die Rückforderung eines Dienstfahrzeuges im Arbeitsverhältnis (dazu Kap. 12 Rz. 43; M 12.21 § 7) für Geschäftsführer trotz der AGB-Kontrolle von Geschäftsführerverträgen (Einf. Rz. 24) nicht für die Verknüpfung der Dienstwagennutzung mit der Organstellung, zumal letztere schon gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG frei widerruflich ist. Andernfalls wäre die Formulierung in M 12.21 § 7 zu verwenden. Das ArbZG gilt für den Geschäftsführer nicht, da er nicht zu den Arbeitern und Angestellten gemäß § 2 Abs. 2 ArbZG zählt, vgl. auch § 18 ArbZG. Während beim Arbeitnehmer Nebentätigkeiten nur bei Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers untersagt werden können, gilt dies beim Geschäftsführer umfassend, da er seine gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft voll zur Verfügung stellen muss. Das BUrlG und damit auch der Mindesturlaub gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG gilt für Organmitglieder nicht, vgl. § 1 BUrlG. Wird der Urlaub nach Tagen berechnet, so ist zu beachten, dass Werktage auch den Samstag umfassen, Arbeitstage dagegen nur Montag bis Freitag. Schon aufgrund seiner Treuepflicht ist dem Geschäftsführer Wettbewerb mit der Gesellschaft untersagt. Dieses Wettbewerbsverbot zieht die Rechtsprechung weit. Es umfasst den gesamten in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand, jedenfalls, soweit die Gesellschaft ihn ausübt (BGH v. 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162). Auch Geschäftschancen („corporate opportunities“) muss der Geschäftsführer in diesem Bereich zunächst der Gesellschaft anbieten; nur wenn diese die Geschäftschance nicht wahrnimmt, darf er sie selbst nutzen (BGH v. 10.2.1992 – II ZR 23/91, BB 1992, 726; v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, ZIP 1985, 1484; KG v. 16.3.2010 – 14 U 45/09, GmbHR 2010, 869; OLG Frankfurt v. 13.5.1997, GmbHR 1998, 7; zum geschäftsführenden Gesellschafter einer GbR BGH v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361; ferner Fleischer, NZG 2003, 985. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot, insbesondere die Nutzung von Geschäftschancen der Gesellschaft zu eigenen Zwecken, rechtfertigt vielfach eine fristlose Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Ferner kann die Gesellschaft Unterlassung des wettbewerbswidrigen Verhaltens sowie Schadensersatz verlangen oder an Stelle des Schadensersatzes Herausgabe des aus den wettbewerbswidrigen Geschäften erzielten Erlöses (§ 88 Abs. 1 Satz 2 AktG; § 113 HGB).

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in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen iSv. § 15 AktG verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Geschäftsführer untersagt, während der Dauer dieses Vertrages ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen, es sei denn, der Anteilsbesitz ermöglicht keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zugunsten von mit der Gesellschaft iSv. § 15 AktG verbundenen Unternehmen.

§ 14 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot56 (1) Der Geschäftsführer verpflichtet sich, für die Dauer von … Monaten nach Beendigung dieses Vertrages nicht in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen iSv. § 15 AktG verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Geschäftsführer untersagt, während dieser Zeit ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen, es sei denn, der Anteilsbesitz ermöglicht keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gilt auch zugunsten von mit der Gesellschaft iSv. § 15 AktG verbundenen Unternehmen. Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich räumlich auf … (2) Die Gesellschaft verpflichtet sich, dem Geschäftsführer für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung von 50 % der von dem Geschäftsführer im Durchschnitt der letzten zwölf Monate bezogenen Vergütung nach § 4 Abs. 1 lit. a [und b] zu zahlen.57 Die Karenzentschädigung wird fällig am Schluss eines jeden Monats. Die Entschädigung wird auf laufende Leistungen aus der Versorgungszusage gemäß § 7 angerechnet. evtl. Auf die Entschädigung wird alles angerechnet, was der Geschäftsführer durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Karenzentschädigung und die Einkünfte die zuletzt bezogene Monatsvergütung nach § 4 Abs. 1 lit. a [und b] übersteigen.58 56 S. auch M 25.2. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers ist nicht an §§ 74 ff. HGB zu messen, sondern nur am Maßstab der Sittenwidrigkeit, § 138 BGB iVm. Art. 12 GG. Es muss einem berechtigten Interesse der Gesellschaft dienen; es gilt gleichfalls die zeitliche Höchstgrenze von zwei Jahren (zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot des Gesellschafters BGH v. 20.1.2015 – II ZR 369/13, NJW 2015, 1012 Rz. 11; zur Kollision zwischen nachvertraglichem Wettbewerbsverbot als Gesellschafter und als Geschäftsführer Baisch/Cardinale-Koc, NJW 2016, 1914). Bedingte Wettbewerbsverbote sind auch gegenüber Organmitgliedern unwirksam. Die Karenzentschädigung kann wohl unter der 50 %-Grenze des § 74 Abs. 2 HGB liegen, vor allem, wenn das Wettbewerbsverbot sehr eng begrenzt ist, zB. nur auf den Kundenstamm des Unternehmens. Selbst ein umfassendes Wettbewerbsverbot ist nach überwiegender Auffassung bei einer Karenzentschädigung von 50 % der zuletzt erhaltenen Festbezüge (also ohne erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile) wirksam. Will man ganz sichergehen, muss man jedoch eine Karenzentschädigung wie bei Arbeitnehmern vereinbaren (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 7. Aufl. 2015, Rz. 1076), somit mindestens „die Hälfte der von dem Geschäftsführer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen“ gemäß § 74 Abs. 2 HGB. Sieht der Vertrag keine Karenzentschädigung vor, so ist das Wettbewerbsverbot unwirksam. Ist die Karenzentschädigung zu niedrig, so wird das Wettbewerbsverbot nach einer Auffassung lediglich unverbindlich (Thüsing, NZG 2004, 14), dh. der Geschäftsführer kann entscheiden, ob er das Wettbewerbsverbot bei Zahlung der niedrigeren Karenzentschädigung annimmt oder ob er es nicht beachtet; nach unserer Auffassung ist es gemäß § 138 BGB nichtig (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 7. Aufl. 2015, Rz. 1084, sowie unten Kap. 25; Jaeger, Anstellungsvertrag, S. 160; vgl. auch BGH v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, NZG 2008, 753). Übersicht zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bei Organmitgliedern bei Bauer/ von Medem, ArbRAktuell 2011, 473, Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050; Müller, GmbHR 2014, 964. 57 S. vorstehende Fn. 56. 58 Sofern die Anrechnung nicht ausdrücklich geregelt ist, sind anderweitige Bezüge nicht auf die Karenzentschädigung anzurechnen, BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, WM 2008, 1226. Im Interesse des Geschäftsführers wäre es daher, keine Anrechnungsregelung aufzunehmen und, soweit auf §§ 74 ff. HGB verwiesen wird, § 74c HGB auszunehmen. Während die Anrechnungsgrenze analog § 74c HGB für Arbeitneh-

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oder § 74c HGB gilt entsprechend.59 (3) Der Geschäftsführer verpflichtet sich, während der Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auf Verlangen Auskunft über die Höhe seiner Bezüge zu geben und die Anschrift seines jeweiligen Arbeitgebers mitzuteilen. (4) Für jede Handlung, durch die der Geschäftsführer das Verbot schuldhaft verletzt, hat er eine Vertragsstrafe von Euro … zu zahlen.60 Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreteroder Beraterverhältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalmäßige Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung (zB Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruchs auf Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes etc.). (5) Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot tritt nicht in Kraft, wenn bei seinem Ausscheiden der Geschäftsführer das … Lebensjahr vollendet oder das Dienstverhältnis weniger als ein Jahr bestanden hat. (6) Die Gesellschaft kann jederzeit – auch nach Beendigung dieses Dienstvertrages – auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, dass die Gesellschaft mit Ablauf von sechs Monaten seit der Verzichtserklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei wird.61 (7) Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB entsprechend62 [evtl.: mit Ausnahme von § 74c HGB].63

§ 15 Geheimhaltung Der Geschäftsführer verpflichtet sich, über alle ihm während seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangten vertraulichen geschäftlichen Angelegenheiten der Gesellschaft oder deren Geschäftspartner, insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Entwicklungsarbeiten, Konstruktionen, Planung und Kundenbeziehungen Stillschweigen zu bewahren und diese Informationen weder für sich noch für Dritte zu verwenden. Solche Angelegenheiten dürfen unbefugten Personen außerhalb und innerhalb des Unternehmens nicht zugänglich gemacht werden. Die Verpflichtung gilt auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses.64

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mer erst bei 110 % bzw. 125 % liegt, kann gegenüber dem Geschäftsführer wohl auch bei geringeren Gesamtbezügen angerechnet werden. S. vorstehende Fn. 58. Aufgrund der AGB-Kontrolle auch von Geschäftsführerverträgen (Einf. Rz. 24) muss aus der Vertragsstrafenregelung hervorgehen, wann ein einzelner Verstoß und wann ein Dauerverstoß vorliegt, und ob die Vertragsstrafe bei jeder Wettbewerbstätigkeit oder nur einmal pro Monat anfällt, BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170. Vorsorglich wird daher auch hier im Anschluss an Diller, NZA 2008, 574 eine entsprechende Formulierung vorgeschlagen. § 75a HGB erlaubt den Verzicht nur während des Anstellungsverhältnisses und auch nur mit der Folge, dass der Arbeitnehmer sofort frei wird, der Arbeitgeber jedoch noch ein Jahr lang Karenzentschädigung zahlen muss. Beim Geschäftsführer dürfte ein Verzicht auch nachträglich mit abgekürzter Restlaufzeit zulässig sein, einzuhalten ist mindestens aber die Kündigungsfrist des Vertrages. Formulierung nach Bauer/von Medem, ArbRAktuell 2011, 473. Dh., dass auch die Varianten des § 75 HGB (analog) bei Beendigung aus wichtigem Grund bestehen. Ohne diese Herausnahme würde durch die Bezugnahme auf §§ 74 ff. HGB auch die Anrechnungsregelung des § 74c HGB gelten, s. Fn. 58. Zur Geheimhaltungspflicht im Arbeitsverhältnis vgl. M 3.1 § 5. Aufgrund von § 85 GmbHG und § 93 AktG ist uE ein Anspruch auf Freistellung von der Geheimhaltung beim Geschäftsführer nicht erforderlich.

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§ 16 Erfindungen Für Erfindungen, die der Geschäftsführer während der Dauer des Dienstvertrages macht, gilt das Arbeitnehmererfindungsgesetz.65 Die Verwertung von technischen oder organisatorischen Verbesserungsvorschlägen, die sich unmittelbar oder mittelbar aus den Aufgaben des Geschäftsführers in der Gesellschaft ergeben oder die mit dieser Tätigkeit zusammenhängen, steht ausschließlich der Gesellschaft zu. oder66 (1) Erfindungen, die der Geschäftsführer während der Dauer dieses Dienstvertrages macht, stehen ausschließlich der Gesellschaft zu. Das gilt ebenfalls für technische und organisatorische Verbesserungsvorschläge, die sich unmittelbar oder mittelbar aus den Aufgaben des Geschäftsführers ergeben oder mit ihnen zusammenhängen. (2) Der Geschäftsfüher ist verpflichtet, Erfindungen und Verbesserungsvorschläge der Gesellschaft oder einer von ihr benannten Person unverzüglich schriftlich mitzuteilen und die Gesellschaft bei der Erlangung von Patentschutz und sonstigen gewerblichen Schutzrechten zu unterstützen. (3) Ein Anspruch auf gesonderte Vergütung für Erfindungen und Verbesserungen besteht nicht. Die Leistung des Geschäftsführers ist mit der in § 4 vereinbarten Vergütung abgegolten.

§ 17 Rückgabe von Unterlagen Der Geschäftsführer hat bei seinem Ausscheiden alle die Angelegenheiten der Gesellschaft betreffenden Unterlagen, Urkunden, Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfe oder hiervon gefertigte Durchschriften oder Kopien, gleich auf welchem Datenträger, unaufgefordert an die Gesellschaft zurückzugeben. Ihm steht an diesen Unterlagen ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Gesellschaft nicht zu.

§ 18 Schriftform Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.67

§ 19 Ausschluss des Urkundenprozesses Keine Partei ist berechtigt, Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis im Wege des Urkundenprozesses gemäß §§ 592 ff. ZPO geltend zu machen.68

65 Das Arbeitnehmererfindungsgesetz gilt nicht unmittelbar für Organe einer juristischen Person. Alternativ kommt in Betracht, auch die Rechte an Erfindungen ohne gesonderte Vergütung der Gesellschaft zu übertragen. Enthält der Vertrag keine Regelung, so steht dem Geschäftsführer die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zu (BGH v. 24.10.1989 – X ZR 58/88, NJW-RR 1990, 349; v. 26.9.2006 – X ZR 181/ 03, GRUR 2007, 52). 66 Formulierungsvorschlag von Küttner/Röller, Personalbuch, 22. Aufl. 2015, M 25.3. Ausführlicher Formulierungsvorschlag bei Friemel/Kamlah, BB 2008, 613. 67 Zur Schriftformklausel im Arbeitsverhältnis vgl. im Einzelnen M 2.1a Ziff. 14; M 7.1 § 12. Die Problematik betrieblicher Übung stellt sich im Verhältnis zum Geschäftsführer allerdings nicht, da für den Geschäftsführer betriebliche Übungen nicht gelten, jedenfalls sofern er nicht ausnahmsweise Arbeitnehmer ist; uE kann die Klausel jedoch unabhängig von einer möglichen betrieblichen Übung auch im Dienstvertrag des Geschäftsführers verwendet werden. 68 Der BGH hält den Ausschluss des Urkundenprozesses bei Rückgriff aufgrund einer Bürgschaft auf erstes Anfordern für zulässig (BGH v. 12.7.2001 – IX ZR 380/98, NJW 2001, 3549). Der Ausschluss des Urkundenprozesses kann daher zumindest individualvertraglich vereinbart werden (ohne Differenzierung nach AGB und Individualvertrag: Münch-KommZPO/Braun, 4. Aufl. 2012, § 592 Rz. 8; Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 592 ZPO Rz. 15; Zöller/Greger, Vorbem. § 592 ZPO Rz. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 592 ZPO Rz. 2). In Formulargeschäftsführerverträgen ist der Ausschluss dann zulässig, wenn er für beide Vertragsparteien gilt. Er ist bisher allerdings noch wenig verbreitet.

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M 4.1b

§ 20 Salvatorische Klausel69 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, so soll hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt werden. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.70 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Gesellschaft)

… (Geschäftsführer)

69 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 70 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

M 4.1b Service Agreement of the Managing Director between the company … (hereinafter: Company) and Mr./Ms. … (hereinafter: Managing Director)

Preliminary remark Mr./Ms. … was appointed Managing Director of the Company by resolution of the shareholders’ meeting of … with effect as of … The following has been agreed in this respect:

§ 1 Representation (1) The Managing Director shall represent the Company alone. or (1) The Managing Director shall represent the Company together with another managing director or procuration officer (Prokurist). (2) The Managing Director is released from the restrictions set forth in section 181 of the German Civil Code (BGB). (3) The Company can change the authority to represent at any time.

§ 2 Management (1) The Managing Director shall run the Company or the … business area of the Company in accordance with the statutes, this Agreement, the articles of association, any rules of procedure for the management as they may change from time to time, as well as the stipulations of the shareholders. (2) The Managing Director shall require the explicit prior consent of the shareholders’ meeting for the transactions listed in the rules of procedure for the management/the articles of association of the Company. or

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(2) The Managing Director shall require the explicit prior consent of the shareholders’ meeting for all transactions and measures that go beyond the Company’s ordinary business operation. This includes in particular: – the sale and closure of the Company’s operation or material parts thereof; – the establishment of branches; – the acquisition or sale of other undertakings or participations of the Company; – the acquisition, sale or encumbrance of real properties and equivalent rights, as well as the obligation to enter into legal transactions of this nature; – the assumption of suretyships or guarantees of any kind; – the utilization or granting of loans or security payments of any kind that exceed EUR … and are not customary in the trade; – the conclusion, amendment or cancellation of contracts that burden the Company with more than EUR … in an individual case; – the hiring, promotion or dismissal of executive employees within the meaning of section 5 (3) and (4) of the German Works Constitution Act (BetrVG); – the issuance or revocation of full powers of attorney (Prokuren) and commercial powers of attorney (Handlungsvollmachten); – the issuance of pension commitments of any kind. This list of transactions and measures requiring the prior consent of the shareholders can be expanded or restricted at any time by resolution of the shareholders’ meeting. (3) The Managing Director bears liability toward the Company only for intent and gross negligence. Section 43 (3) of the German Limited Liability Companies Act (GmbHG) remains unaffected. (4) All claims arising from the service relationship and the status as a governing body, including claims in tort, shall be asserted in text form by the Parties within six months of their maturity; otherwise, they shall extinguish. (5) The Company may appoint additional managing directors at any time. The shareholders’ meeting shall determine the allocation of the business among the managing directors. (6) The Managing Director shall run the business area … The Company shall be entitled to assign other equivalent tasks to him, even if they involve a change of location. or (6) The contractual relationship is specified as the agreed upon position in the undertaking as a … with his workplace in … Any change shall require the consent of the Managing Director. or (6) The transfer of the Managing Director to a different location without his consent shall be permissible only in compliance with an advance notice period of … (7) At the request of the shareholders’ meeting, the Managing Director shall also perform governing body activities in affiliated companies; these shall be discharged by the remuneration pursuant to § 4.

§ 3 Term of Agreement (1) The Agreement commences on … and is concluded for a term of … year(s). It shall extend by … year(s) at a time if it is not terminated with a notice period of … months prior to the end of the Agreement. (if applicable It replaces the employment agreement of …, with all subsequent amendments, which thereby comes to an end.) or Lingemann

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(1) The Agreement is entered into for an indefinite period. The employment relationship may be terminated by either party with a notice period of … . Apart from that, the provisions of the Protection Against Wrongful Dismissals Act (KSchG) shall apply to the benefit of the Managing Director [if applicable: with the exception of section 14 (2) sentence 2 of the Protection Against Wrongful Dismissals Act.] (2) This Agreement shall end, without a dismissal being necessary, at the end of the month in which the Managing Director reaches the normal age of retirement of the statutory pension funds (currently the 67th birthday) or his complete reduction in earning capacity is determined. (3) The Agreement may be summarily terminated for good cause at any time. The Company shall in particular have cause for termination if … – the Managing Director violates the restrictions of management that have been imposed on him internally (in particular pursuant to § 2 (2)), … if applicable The Managing Director shall in particular have cause for termination if … – the majority of the shares in the Company are sold to persons outside of the current group of shareholders. (4) The appointment as Managing Director can be revoked at any time by resolution of the shareholders’ meeting. if applicable The revocation of the appointment (removal) shall be deemed to constitute a termination of this Agreement at the next possible date. However, if the revocation is due to grounds that do not at the same time constitute cause for summary termination of the Service Agreement pursuant to section 626 of the German Civil Code (BGB), the Service Agreement shall only end upon the expiration of the statutory notice period as of the end of the position as a governing body [if applicable: The same shall apply if the Managing Director resigns from his office.] or The revocation of the appointment (removal) shall be deemed to constitute a termination of this Agreement at the next possible date. However, if the revocation is due to grounds that do not at the same time constitute cause for summary termination of the Service Agreement pursuant to section 626 of the German Civil Code (BGB), the Service Agreement shall end only upon the expiration of the contractual term pursuant to paragraph 1. [if applicable: The same shall apply if the Managing Director resigns from his office.] (5) Any termination/removal must be in written form. If the Managing Director is present during the adoption of the resolution, notwithstanding sentence 1, the termination will have already been declared to him in a valid form by virtue of the announcement of the resolution on the removal and/or termination by the chairperson of the meeting. If the Managing Director is not present, the termination shall be declared to him by virtue of the transmission of the minutes of the meeting with the resolution on the removal and/or termination by the chairperson of the meeting. (6) A termination by the Managing Director must be declared to the shareholder with the greatest capital participation in the Company. or (6) A termination by the Managing Director must be declared to the other managing director or, if none has been appointed, to the chairperson of the shareholders’ meeting. (7) Following the termination of this Agreement, regardless of which Party has terminated [if applicable: as well as in the case of a revocation of the position as governing body or the Managing Director’s resignation from his office], the Company shall be entitled to release the Managing Director from his obligation to render services for the Company at any time, with continuation of the remuneration and an offsetting against vacation claims. For the period of the release, section 615 sentence 2 of the German Civil Code (BGB) shall apply. 196

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§ 4 Remuneration (1) The Managing Director shall receive for his services a) a fixed annual salary of EUR …, payable in monthly installments of EUR … at the end of each month; b) for the period up to …, a guaranteed bonus of EUR …/year, payable each year on …; c) an annual bonus to be determined by the shareholders’ meeting, taking into account the economic results of the fiscal year, following the adoption of the annual financial statement. or a) a salary of EUR … per month, to be paid at the end of each month; b) a Christmas bonus in the amount of a monthly salary as of 1 December and vacation money in the amount of a monthly salary as of 1 July, payable each year; c) a bonus in the amount of … % of the Company’s annual profit. Basis of assessment for the calculation of the bonus shall be the Company’s annual net income after taxes and before deduction of any reserves and profit-related bonuses of the managing directors. Any loss carried forward from the previous year shall be taken into account in forming the basis of assessment for the calculation of the bonus. Revenues from unusual transactions (e.g. sale of a business division) shall not be taken into account in forming the basis of assessment for the calculation of the bonus. d) The bonus shall be payable one month after the adoption of the annual financial statement by the shareholders’ meeting. e) Should the Company terminate the Service Agreement for cause, the Managing Director’s claim for a bonus for the year in which the termination comes into effect shall extinguish. or e) The claim for a bonus exists only for the duration of the position as a governing body. Should this position end during a year, the claim shall exist pro rata temporis. (2) Any additional, Sunday and holiday work shall be discharged with this remuneration. (3) Should the salary of a technical employee of the … group increase or decrease by more than 10 % pursuant to the collective bargaining agreement, then the salary defined in § 4 (1) (a) shall be increased or decreased in the same proportion. In the event of any further increases or decreases, sentence 1 shall apply mutatis mutandis. or (3) The Company shall review the remuneration on 1 January of each year, for the first time on 1 January … (4) Unless otherwise provided above, if the Managing Director joins or leaves the Company during a year, the remuneration shall be paid pro rata temporis.

§ 5 Continued payment of remuneration (1) Should the Managing Director be prevented from rendering services pursuant to this Agreement due to an inability to work resulting from illness or another reason beyond his control, the remuneration pursuant to § 4 (1) … shall continue to be paid for six months, but at most up to the end of the service relationship. The Managing Director must allow these payments to be set off against the sick pay, daily benefits or pension he receives from health insurance funds or insurances, to the extent these benefits are not based exclusively on his contributions. (2) The Managing Director here and now assigns to the Company any claims against third parties to which he is entitled due to his inability to work. This assignment shall be limited to the payments made or to be made pursuant to paragraph 1. (3) Should the Managing Director pass away during the term of this Agreement, his widow and dependent children shall have a claim as joint and several creditors to continued payment of the Lingemann

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salary pursuant to § 4 (1) for the month of death and the following three months. Should the Managing Director not leave behind a widow or dependent children, no claim pursuant to sentence 1 shall exist.

§ 6 Insurances (1) The Company shall take out accident insurance for the Managing Director against industrial accidents and accidents in daily life for the duration of this Agreement with a coverage of EUR … for death and EUR … for invalidity. (2) The Company shall take out legal expenses insurance for the Managing Director with a coverage of EUR … per damage event, which covers the following risks: – assertion of claims against him for financial losses due to statutory liability provisions, – defense in investigative, criminal or administrative offense proceedings for offenses committed through negligence, – protection of legal interests under this Service Agreement. (3) The Company shall insure the Managing Director against claims, in particular damages claims, to which the Company and/or third parties could be entitled due to or in connection with his activity, with a coverage of EUR … per damage event. The Company shall include the Managing Director in its third party liability insurance. It shall allow the Managing Director, upon his request at any time, to inspect the insurance documents and present the receipts for the premium payments. This obligation shall survive this Service Agreement.

§ 7 Pension commitment (1) The Company shall take out life insurance for the Managing Director for the purpose of providing an old age, reduction in earning capacity and survivor’s pension, with a coverage of EUR …, which shall be due and payable on his 67th birthday, at the onset [if applicable: of a partial reduction in earning capacity pursuant to section 43 (1) of the Social Security Code (SGB) VI or] of a full reduction in earning capacity pursuant to section 43 (2) Social Security Code VI or the death of the Managing Director. (2) The insurance premiums shall be paid by the Company for the duration of this Service Agreement, in addition to the remuneration pursuant to § 4. They are taxable remuneration but shall be taxed as a lump sum to the extent legally possible. (3) In the event of the Managing Director’s survival, he shall be irrevocably entitled to benefits from the insurance; in the event of his death, the persons designated by him or, if no such designation is made, his heirs shall be so entitled. This irrevocable entitlement to benefits cannot be used as collateral for a loan or assigned or pledged. (4) Should the Managing Director leave the Company before achieving the normal age of retirement of the statutary pension funds, without a partial or full reduction in earning capacity having occurred, the Company shall transfer the insurance, with all rights and duties, to the Managing Director, provided that at the time of his leaving, he has worked for the Company for at least … years. (5) In all other respects, the provisions of sections 1 et seqq. of the Act for the Improvement of Company Pension Plans (BetrAVG) shall apply. or (1) The Managing Director shall receive a pension amounting to … % of the fix salary most recently paid to him pursuant to § 4 (1) (a). The Pension shall be paid as of the Managing Director’s 67th birthday or earlier in the event of [if applicable: a partial reduction in earning capacity pursuant to section 43 (1) of the Social Security Code (SGB) VI or] a full reduction in earning capacity pursuant to section 43 (2) Social Security Code (SGB) VI in monthly installments at the end of each month. (2) Should the Managing Director pass away during the term of this Agreement with the Company or after his retirement upon expiration of the contractual term, then his widow, if the marriage was still legally valid on the date on which the Managing Director passed away, shall receive 60 % of 198

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the pension he received or would have received had he been retired on the day of his death. The widow’s benefits shall cease to be paid if she remarries. No claim to widow’s benefits exists if the marriage did not take place until after the retirement. (3) Paragraph 2 shall apply mutatis mutandis for a registered life partner (Lebenspartner). (4) In all other respects, the provisions of sections 1 et seqq. of the Act for the Improvement of Company Pension Plans (BetrAVG) shall apply.

§ 8 Expenses (1) Travel expenses and other expenditures the Managing Director incurs in the performance of his tasks within the scope of this Agreement shall be refunded to him in accordance with the relevant internal guidelines of the Company. or (1) Travel expenses and other expenditures the Managing Director incurs in the performance of his tasks within the scope of this Agreement shall be refunded to him upon presentation of receipts at the maximum rates permissible under the tax laws. (2) Where the Managing Director uses public transportation for his business trips, he shall be entitled to travel first class, and business class for air travel. (3) The Company shall bear the cost of a business mobile telephone with the accompanying contract, device and telephony costs. The Managing Director may also use the mobile telephone for his own private purposes to an appropriate extent. The income tax on the imputed income for the private use shall be borne by the Managing Director.

§ 9 Company vehicle (1) For his activity within the scope of this Agreement the Company shall provide the Managing Director with an automobile pursuant to the respective internal guidelines of the Company/type … or equivalent. The Managing Director may also use this car for his own private purposes. The income tax on the imputed income for the private use shall be borne by the Managing Director. (2) The vehicle shall be returned to the Company without delay once his position as Managing Director comes to an end. The Managing Director shall have no right of retention to the vehicle and no claim for compensation for lost use benefits. or (2) The Managing Director shall be entitled to use the company vehicle for the entire duration of this Agreement.

§ 10 Working time The Managing Director shall make his entire work capacity, technical knowledge and experience available to the Company.

§ 11 Secondary employment The Managing Director may assume a secondary employment, remunerated or unremunerated, a seat on a supervisory board, advisory board or the like, or an honorary position only with the Company’s written permission.

§ 12 Vacation (1) The Managing Director shall have a claim to a paid annual vacation of 30 working days. His vacation shall be scheduled in consideration of the Company’s interests in agreement with the other managing directors. (2) If the Managing Director cannot take a vacation because that would conflict with the interests of the Company, then the remaining vacation claim shall be carried over to the next year. It shall not be further carried over to the following years. Lingemann

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Kap. 4

Dienstvertrag des Geschäftsführers

M 4.1b

(3) The Managing Director shall ensure that he can be reached on short notice even while on vacation.

§ 13 Covenant not to compete The Managing Director shall be prohibited from working for a company during the term of this Agreement on a freelance, dependent or other basis that is in direct or indirect competition with the Company or is affiliated with a competitive company within the meaning of section 15 of the Stock Corporation Act (AktG). In the same way, the Managing Director shall be prohibited from forming, acquiring or directly or indirectly participating in such a company during the term of this Agreement unless his shareholding does not enable him to exert influence over the governing bodies of the company in question. The covenant not to compete shall also apply to the benefit of affiliates of the Company within the meaning of section 15 Stock Corporation Act.

§ 14 Post-contractual covenant not to compete (1) The Managing Director undertakes for the duration of … months after this Agreement comes to an end not to work for a company on a freelance, dependent or other basis that is in direct or indirect competition with the Company or is affiliated with a competitive company within the meaning of section 15 of the Stock Corporation Act (AktG). In the same way, the Managing Director shall be prohibited from forming, acquiring or directly or indirectly participating in such a company during the term of this Agreement unless his shareholding does not enable him to exert influence over the governing bodies of the company in question. The post-contractual covenant not to compete shall also apply to the benefit of affiliates of the Company within the meaning of section 15 Stock Corporation Act. The covenant not to compete shall cover the territory of … (2) The Company undertakes to pay the Managing Director for the duration of the post-contractual covenant not to compete compensation in the amount of 50 % of the average remuneration received by him over the last twelve months pursuant to § 4 (1) (a) [and (b)]. The compensation shall be payable at the end of each month. The compensation shall be credited against ongoing payments made pursuant to the pension commitment set forth in § 7. if applicable Any money the Managing Director acquires or maliciously fails to acquire by exploiting his work capacity elsewhere shall be credited against the compensation, to the extent the compensation payment and the income exceed the monthly remuneration most recently received pursuant to § 4 (1) (a) [and (b)]. or Section 74c of the German Commercial Code (HGB) applies mutatis mutandis. (3) The Managing Director undertakes for the duration of the post-contractual covenant not to compete to state the amount of his remuneration upon request and provide the address of his respective employer. (4) For every action by which the Managing Director culpably breaches the covenant not to compete, he must pay a contractual penalty of EUR … If the breaching activity consists of a capital participation in a competing company or entry into a contract for the performance for a continuing obligation (e.g. employment, service, commercial agent or consultancy relationship), the contractual penalty for each full or partial month in which the capital participation or the contract for the performance for a continuing obligation exists, shall be imposed anew (ongoing breach). Multiple breaches shall each trigger a separate contractual penalty, possibly even more than once within a month. On the other hand, if individual breaches occur within the scope of an ongoing breach, they shall be included in the contractual penalty owed for the ongoing breach. The Company reserves the right to assert damages above and beyond the forfeited contractual penalty, as well as to assert all other statutory claims and legal consequences arising from a breach

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Dienstvertrag des Geschäftsführers

Kap. 4

(e.g. cease and desist claims, forfeiture of the compensation claim for the duration of the breach, etc.). (5) The post-contractual covenant not to compete shall not enter into force if upon his resignation the Managing Director has reached the age of … or the service relationship lasted less than one year. (6) The Company may waive the covenant not to compete at any time – even after this Service Agreement comes to an end – with the result that it will be free of the obligation to pay the compensation upon the expiration of six months since the declaration of waiver. (7) In all other respects, the provisions of section 74 et seqq. of the German Commercial Code (HGB) shall apply mutatis mutandis [if applicable: with the exception of section 74c German Commercial Code].

§ 15 Confidentiality The Managing Director undertakes to maintain secrecy with regard to all confidential business matters of the Company or its business partners that become known to him during his activity, in particular regarding business and trade secrets, development work, constructions, planning and customer relationships and not to use this information for himself or for third parties. Such matters may not be made accessible to unauthorized persons inside or outside of the company. This obligation shall survive the service relationship.

§ 16 Inventions Inventions made by the Managing Director during the term of the Service Agreement shall be governed by the Act on Employees’ Inventions (Arbeitnehmererfindungsgesetz). The Company shall be exclusively entitled to exploit technical or organizational suggestions for improvement that arise directly or indirectly from the tasks of the Managing Director in the Company or are associated with this activity. or (1) The Company shall be exclusively entitled to inventions made by the Managing Director during the term of this Service Agreement. This shall also apply to technical and organizational suggestions for improvement that result directly or indirectly from the Managing Director’s tasks or are related to them. (2) The Managing Director shall be obligated to notify the Company, or a person designated by it, of any inventions and suggestions for improvement in writing without delay and assist the Company in obtaining patent protection and other intellectual property rights. (3) The Managing Director shall not have a claim to separate remuneration for inventions and suggestions for improvement. The Managing Director’s performance shall be discharged by the remuneration agreed upon in § 4.

§ 17 Return of documents Upon leaving the Company, the Managing Director shall return to the Company of his own accord all documents, deeds, records, notes, drafts or carbon copies or photocopies made thereof relating to the Company’s business, regardless of what data carrier they are on. He shall not be entitled to a right of retention to these documents against the Company.

§ 18 Written form Amendments to this Agreement by individual contractual arrangement shall be valid in any form. Otherwise, contractual amendments must be in written form; this also applies to the amendment of this written form agreement.

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

§ 19 Exclusion of procedure using only documentary evidence No Party shall be entitled to assert claims arising from or in connection with the services relationship by way of a procedure using only documentary evidence (Urkundenprozess) pursuant to sections 592 et seqq. German Code of Civil Procedure (ZPO).

§ 20 Severability clause Should any provision of this Agreement be or become wholly or partially invalid, this shall not affect the validity of the remaining provisions. In the event of an invalid provision, the Parties shall be obliged to negotiate on a valid and reasonable substitute provision which comes as close as possible to the economic purpose the Parties had pursued with the invalid provision. … (City, date)

… (City, date)

… (Company)

… (Managing Director)

Kapitel 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

I. Einführung 1. Anforderungen an die Person des Vorstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organstellung und Dienstvertrag a) Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages . . . bb) Form des Dienstvertrages . . . . . . cc) Dauer des Dienstvertrages . . . . . . 3. Pflichten und Verantwortlichkeit des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ 1 3 6

8 10 11 12 13

_ _ _ _ _ _

5. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sozialversicherungsrechtliche Stellung des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . 7. AGB-Kontrolle des Vorstandsvertrages .

18 33 34

II. Muster Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds . . . . M . 5.1 Schreiben zur Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . M . 5.2 Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 5.3

Literatur: Annuß/Theusinger, Das VorstAG – Praktische Hinweise zum Umgang mit dem neuen Recht, BB 2009, 2434; Arnold, Variable Vergütung von Vorstandsmitgliedern im faktischen Konzern, FS JobstHubertus Bauer, 2010, S. 35; Arnold/Schansker, Vergütungsgestaltung in Vorstandsverträgen – Rechtliche Anforderungen und praktische Umsetzung, KSzW 2012, 39; Baeck/Diller, Rettungsfonds für Banken: Welche Opfer müssen die Arbeitnehmer bringen?, DB 2008, 2423; Baeck/Götze/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Geschäftsführervergütung – Welche Änderungen bringt das VorstAG?, NZG 2009, 1121; Bauer, Rechtliche und taktische Probleme bei der Beendigung von Vorstandsverhältnissen, DB 1992, 1413; Bauer, Kündigung und Kündigungsschutz vertretungsberechtigter Organmitglieder, BB 1994, 855; Bauer/Arnold, AGB-Kontrolle von Vorstandsverträgen, ZIP 2006, 2337; Bauer/Arnold, Mannesmann und die Folgen für Vorstandsverträge, DB 2006, 546; Bauer/Arnold, Vorstandsverträge im Kreuzfeuer der Kritik, DB 2006, 260; Bauer/Arnold, Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen – Gute corporate governance?, BB 2007, 1793; Bauer/Arnold, Der „richtige Zeitpunkt“ für die Erstbestellung von Vorstandsmitgliedern, DB 2007, 1571; Bauer/Arnold, Sind Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen wirklich

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

§ 19 Exclusion of procedure using only documentary evidence No Party shall be entitled to assert claims arising from or in connection with the services relationship by way of a procedure using only documentary evidence (Urkundenprozess) pursuant to sections 592 et seqq. German Code of Civil Procedure (ZPO).

§ 20 Severability clause Should any provision of this Agreement be or become wholly or partially invalid, this shall not affect the validity of the remaining provisions. In the event of an invalid provision, the Parties shall be obliged to negotiate on a valid and reasonable substitute provision which comes as close as possible to the economic purpose the Parties had pursued with the invalid provision. … (City, date)

… (City, date)

… (Company)

… (Managing Director)

Kapitel 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

I. Einführung 1. Anforderungen an die Person des Vorstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organstellung und Dienstvertrag a) Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages . . . bb) Form des Dienstvertrages . . . . . . cc) Dauer des Dienstvertrages . . . . . . 3. Pflichten und Verantwortlichkeit des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) . . . . . . . . . .

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5. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sozialversicherungsrechtliche Stellung des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . 7. AGB-Kontrolle des Vorstandsvertrages .

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II. Muster Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds . . . . M . 5.1 Schreiben zur Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . M . 5.2 Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . 5.3

Literatur: Annuß/Theusinger, Das VorstAG – Praktische Hinweise zum Umgang mit dem neuen Recht, BB 2009, 2434; Arnold, Variable Vergütung von Vorstandsmitgliedern im faktischen Konzern, FS JobstHubertus Bauer, 2010, S. 35; Arnold/Schansker, Vergütungsgestaltung in Vorstandsverträgen – Rechtliche Anforderungen und praktische Umsetzung, KSzW 2012, 39; Baeck/Diller, Rettungsfonds für Banken: Welche Opfer müssen die Arbeitnehmer bringen?, DB 2008, 2423; Baeck/Götze/Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Geschäftsführervergütung – Welche Änderungen bringt das VorstAG?, NZG 2009, 1121; Bauer, Rechtliche und taktische Probleme bei der Beendigung von Vorstandsverhältnissen, DB 1992, 1413; Bauer, Kündigung und Kündigungsschutz vertretungsberechtigter Organmitglieder, BB 1994, 855; Bauer/Arnold, AGB-Kontrolle von Vorstandsverträgen, ZIP 2006, 2337; Bauer/Arnold, Mannesmann und die Folgen für Vorstandsverträge, DB 2006, 546; Bauer/Arnold, Vorstandsverträge im Kreuzfeuer der Kritik, DB 2006, 260; Bauer/Arnold, Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen – Gute corporate governance?, BB 2007, 1793; Bauer/Arnold, Der „richtige Zeitpunkt“ für die Erstbestellung von Vorstandsmitgliedern, DB 2007, 1571; Bauer/Arnold, Sind Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen wirklich

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Kap. 5

zu empfehlen? – Zur Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex, BB 2008, 1692; Bauer/ Arnold, Festsetzung und Herabsetzung der Vorstandsvergütung nach dem VorstAG, AG 2009, 717; Bauer/Göpfert/Siegrist, Abberufung von Organmitgliedern: Wegfall der variablen Vergütung?, DB 2006, 1774; Bauer/von Medem, Spielregeln und Usancen bei der Beendigung von Vorstandsverträgen, NZA 2014, 238; Cisch/Böhm, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und die betriebliche Altersversorgung in Deutschland, BB 2007, 602; Deilmann/Dornbusch, Drittanstellungen im Konzern, NZG 2016, 201; Diller, Nachträgliche Herabsetzung von Vorstandsvergütungen und -ruhegeldern nach dem VorstAG, NZG 2009, 1006; Diller/Göpfert, Rettungsfonds für Banken: Eingriffe in Vorstandsbeträge und -bezüge, DB 2008, 2579; Döring/Grau, Anwendbarkeit der Änderungen durch das VorstAG auf die paritätisch mitbestimmte GmbH, DB 2009, 2139; Dreher, Change of Control-Klausel bei Aktiengesellschaften, AG 2002, 214; Dzida/Naber, Diskriminierungsschutz für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, ArbRB 2012, 373; Faber/v. Werder, Nicht-finanzielle Ziele als Element nachhaltiger Vorstandsvergütung, AG 2014, 608; Fleischer, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), NZG 2009, 801; Fleischer, Aufsichtsratsverantwortlichkeit für die Vorstandsvergütung und Unabhängigkeit der Vergütungsberater, BB 2010, 67; Fleischer/Bauer, Von Vorstandsbezügen, Flugreisen, Festschriften, Firmensponsoring und Festessen: Vorstandshaftung für übermäßige Vergütung und „fringe benefits“, ZIP 2015, 1901; Fleischer/Thüsing, Handbuch des Vorstandsrechts, 2016, §§ 4–6; Goj, Die Festlegung betragsmäßiger Höchstgrenzen der Vorstandsvergütung nach Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 6 DCGK, AG 2015, 173; Grimm, Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers und AG-Vorstands?, DB 2012, 175; Haarmann/ Weiß, Reformbedarf bei der aktienrechtlichen Organhaftung, BB 2014, 2115; Hasselbach/Ebbinghaus, Anwendung der Business Judgement Rule bei unklarer Rechtslage, AG 2014, 873; Hecker, Die aktuellen Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex im Überblick, BB 2009, 1654; Hölters, in Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, Gesellschaftsrecht, 7. Aufl. 2011; Hoffmann-Becking, in Beck’sches Formularbuch zum Bürgerlichen, Handels- und Wirtschaftsrecht, 12. Aufl. 2016; Hoffmann-Becking/Krieger, Leitfaden zur Anwendung des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, NZG 2009, Beil. zu Heft 26; Hohaus/Weber, Die Angemessenheit der Vorstandsvergütung gemäß § 87 AktG nach dem VorstAG, DB 2009, 1515; Hohenstatt/Kuhnke, Vergütungsstruktur und variable Vergütungsmodelle für Vorstandsmitglieder nach dem VorstAG, ZIP 2009, 1981; Hohenstatt/Naber, Die „Abfindung der Restlaufzeit“ bei der vorzeitigen Auflösung von Vorstandsverträgen, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 447; Ihrig/Wandt/Wittgens, Die angemessene Vorstandsvergütung drei Jahre nach Inkrafttreten des VorstAG, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40; Jaeger, Die Auswirkungen des VorstAG auf die Praxis von Aufhebungsvereinbarungen, NZA 2010, 128; Jaeger, Zur Problematik von Altersgrenzen für Vorstandsmitglieder im Hinblick auf das AGG, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 495; Jaspers, Mehr Demokratie wagen – Die Rolle der Hauptversammlung bei der Festsetzung der Vergütung des Vorstands, ZRP 2010, 8; Kirschbaum, Deutscher corporate governance-codex überarbeitet, DB 2005, 1473; Klein, Die Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex 2012 aus Sicht der Unternehmenspraxis, AG 2012, 805; Kliemt, Altersgrenzen für Vorstandsmitglieder – noch rechtskonform?, RdA 2015, 232; Koch, Die Herabsetzung der Vorstandsbezüge gemäß § 87 Abs. 2 AktG nach dem VorstAG, WM 2010, 49; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981; Krienke/Schnell, VorstAG und weitere Neuregelungen als Reaktion auf die Finanzkrise, NZA 2010, 135; Kruse/Stenslik, Mutterschutz für Organe von Gesellschaften?, NZA 2013, 596; Kuthe/Geiser, Die neue Corporate Governance Erklärung, NZG 2008, 172; Küttner, Change of Control-Klauseln in Vorstandsverträgen, FS 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 493; Lange, Die Haftung des (versicherungsnehmenden) Unternehmens an Stelle des D&O-Versicherers, VersR 2010, 162; Lingemann, Angemessenheit der Vorstandsvergütung – Das VorstAG ist in Kraft, BB 2009, 1918; Lingemann/Wasmann, Mehr Kontrolle und Transparenz im Aktienrecht – Das KonTraG tritt in Kraft, BB 1998, 853; Lutter, Anwendbarkeit der Altersbestimmungen des AGG auf Organpersonen, BB 2007, 725; Meier, Der Vertrauensentzug nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG und die hierauf gestützte Beendigung des Vorstandsvertrages, FS 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, 2006, S. 505; Meier, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, ZKF 2010, 7; Melot de Beauregard/Gleich, Aktuelle Probleme bei der D&O Versicherung, NJW 2013, 824; Messmer, Quo Vadis VorstAG?, ZfV 2009, 737; Mock, Entsprechenserklärungen zum DCGK in Krise und Insolvenz, ZIP 2010, 15; Möllers/Christ, Selbstprüfungsverbot und die zweijährige Cooling-off-Periode beim Wechsel eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat nach dem VorstAG, ZIP 2009, 2278; Mutter, Zum notariellen Hauptverhandlungsprotokoll und zu den Folgen einer fehlerhaften Entsprechenserklärung, ZIP 2009, 470; Paschos, Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern, AG 2012, 736; Peltzer, Das Mannesmann-Revisionsurteil aus der Sicht des Aktien- und Allgemeinen Zivil-

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Kap. 5 Rz. 1

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

rechts, ZIP 2006, 205; Quante, Angemessene Vorstandsvergütung?, AiB 2009, 547; Reuter, Die aktienrechtliche Zulässigkeit von Konzernanstellungsverträgen, AG 2011, 274; Röder/Lingemann, Schicksal von Vorstand und Geschäftsführer bei Unternehmensumwandlungen und Unternehmensveräußerungen, DB 1993, 1341; Röhrborn, Die örtliche Versetzung des GmbH-Geschäftsführers und AG-Vorstands, BB 2013, 394; Schlitt, Die strafrechtliche Relevanz des Corporate-Governance-Kodexes, DB 2007, 326; Schmitt-Rolfes, Anwendbarkeit von AGB-Recht auf Verträge mit Organmitgliedern, FS Hromadka, 2008, S. 393; Schneider/Schneider, Vorstandshaftung im Konzern, AG 2005, 57; Schulz, Der zwingende D&O Selbstbehalt von Vorständen nach dem VorstAG, ZfV 2009, 558; Schubert, Der Diskriminierungsschutz der Organvertreter und die Kapitalverkehrsfreiheit der Investoren im Konflikt, ZIP 2013, 289; Schuster, Clawback-Klauseln – probates Mittel zukunftsgerichteter Gestaltung von Bonus-Vereinbarungen?, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 973; Steding, Corporate Governance aus rechtlicher Sicht, NJ 2007, 10; Suchan/Winter, Rechtliche und betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Festsetzung angemessener Vorstandsbezüge nach Inkraftreten des VorstAG, DB 2009, 2531; Teichmann, Pay without performance? Vorstandsvergütung in Deutschland und Europa, GPR 2009, 235; Thüsing, Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, AG 2009, 517; Thüsing/Traut, Angemessenheit Selbstbehalt bei D&O Versicherungen, NZA 2010, 140; Tödtmann/Schauer, Der Corporate Governance Kodex zieht scharf, ZIP 2009, 995; Veil/Brinckmann, Corporate Governance im Europäischen Gesellschaftsrecht, JURA 2007, 366; Vetter, Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern, aktienrechtliche Kompetenzverteilung und Exkulpation des Vorstands bei rechtlicher Beratung, NZG 2015, 889; Wagner/Wittgens, Corporate Governance als dauernde Reformanstrengung: Der Entwurf des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, BB 2009, 906; Weber, Nachträgliche Herabsetzung der Vorstandsbezüge wegen Verschlechterung der Lage der Gesellschaft, DB 2016, 403; Wirth, Vorstands-Doppelmandate im faktischen Konzern, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 1147; Wortmann, Die Spätehenklausel in der betrieblichen Altersversorgung, ArbRB 2016, 276.

I. Einführung 1. Anforderungen an die Person des Vorstandes 1

Die Anforderungen an GmbH-Geschäftsführer (vgl. dazu Einf. Kap. 4 Rz. 1) gelten auch für Mitglieder des Vorstandes, vgl. im Einzelnen § 76 Abs. 3 AktG. Ein Mitglied des Aufsichtsrates der AG kann nicht deren Vorstandsmitglied sein, § 105 Abs. 1 AktG. Ein Vorstandsmitglied ist allerdings nicht dadurch gehindert, dass es gleichzeitig Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft oder der Tochtergesellschaft ist (Vorstandsdoppelmandat). Es bedarf dazu jedoch der Zustimmung beider Aufsichtsräte gemäß § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG.1 Der Gefahr von Interessenkollisionen kann durch Stimmrechtsverzicht im konkreten Fall begegnet werden.2 Auch für ausländische Staatsangehörige als Vorstandsmitglieder gilt das zum Geschäftsführer Gesagte (vgl. Kap. 4 Rz. 2).

2

Die Satzung der Gesellschaft kann engere persönliche und sachliche Eignungsvoraussetzungen für die Organmitglieder aufstellen. Allerdings darf dadurch die Bestellungskompetenz des Aufsichtsrates nicht unverhältnismäßig eingeengt werden. In der Regel handelt es sich um besondere Anforderungen an die Qualifikation und Erfahrung.

1 Vgl. BGH v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105; zur Zulässigkeit von Konzernanstellungsverträgen und Doppelmandaten Reuter, AG 2011, 274. 2 Vgl. Münchener Handbuch AG/Spindler, § 76 Rz. 53; vgl. auch Wirth, FS J.-H. Bauer, 2010, S. 1147.

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Rz. 8 Kap. 5

2. Organstellung und Dienstvertrag a) Organstellung3 Die Organstellung des Vorstandsmitglieds beginnt mit der Annahme der Bestellung durch den Aufsichtsrat, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. Anders als bei der GmbH kann die Satzung der AG die Bestellungskompetenz keinem anderen Organ zuweisen. Die Dauer der Bestellung ist kraft Gesetzes beschränkt auf maximal fünf Jahre, § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG.

3

Anders als beim Geschäftsführer kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG nur widerrufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt4.

4

Die Vertretungsmacht des Vorstandes ist unbeschränkt und unbeschränkbar, §§ 78 Abs. 1, 82 Abs. 1 AktG. Im Gegensatz zum Geschäftsführer der GmbH ist der Vorstand jedoch auch im Innenverhältnis nicht Weisungen anderer Gesellschaftsorgane (Aufsichtsrat, Hauptversammlung) unterworfen, sondern unabhängig. Der (Gesamt-)Vorstand leitet die Gesellschaft – abgesehen von §§ 119 Abs. 2, 308 und 323 Abs. 1 AktG – „unter eigener Verantwortung“, § 76 Abs. 1 AktG. Unterschiede zwischen Geschäftsführungsbefugnis und Vertretung der Gesellschaft bestehen insbesondere nach Maßgabe eines Zustimmungskataloges gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG und im Rahmen der Geschäftsverteilung.

5

b) Dienstvertrag Hier gilt zunächst das zum Geschäftsführer (vgl. Kap. 4 Rz. 6) Gesagte. Da die Anforderungen an den wichtigen Grund für den Widerruf der Bestellung gemäß § 84 Abs. 3 AktG geringer sind als die Voraussetzungen für eine Kündigung des Dienstvertrages aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 BGB)5 – insbesondere der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung rechtfertigt regelmäßig nicht auch eine fristlose Kündigung des Dienstvertrages –, kommt es hier gleichfalls in der Praxis zu der Situation, dass zwar die Organstellung beendet ist, der Dienstvertrag und damit der Anspruch auf Bezüge jedoch fortbesteht. Dies ist jedoch seltener der Fall als beim Geschäftsführer, dessen Bestellung jederzeit ohne Grund widerrufen werden kann. Durch eine Koppelungsklausel kann die Dauer des Dienstvertrages mit der Dauer der Organstellung verknüpft werden.6

6

Für den Vorstand gelten die arbeitsrechtlichen Schutzgesetze nicht, also insbesondere ArbNErfG, BEEG, BetrVG (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), BUrlG, EFZG, KSchG (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), MuSchG, PflegeZG, TzBfG oder § 613a BGB. Die Danosa- und die Balkaya-Entscheidung des EuGH7, die für die Anwendung zumindest des MuSchG und von § 17 KSchG auf Geschäftsführer sprechen, stellen ausdrücklich auf die Weisungsunterworfenheit des Geschäftsführers ab und sind daher auf Vorstandsmitglieder einer AG, die gemäß § 76 Abs. 1 AktG nicht weisungsunterworfen sind, nicht anwendbar.

7

aa) Zuständigkeit für Abschluss und Änderung des Dienstvertrages Für die Bestellung zum Vorstand und den Widerruf der Bestellung ist ausschließlich das Aufsichtsratsplenum zuständig. Unterfällt die AG dem MitbestG, ist § 31 MitbestG zu beachten. 3 4 5 6 7

Vgl. zunächst Kap. 4 Rz. 3 ff. Ein Katalog wichtiger Gründe findet sich ua. bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 13, Rz. 34 ff. Eingehend zur Unterscheidung Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 13 Rz. 54. Einzelheiten M 5.1 § 2 Abs. 2. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, NZA 2011, 143 – Danosa; v. 9.7.2015 – Balkaya, NJW 2015, 2841 m. Anm. Arnold.

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205

8

Kap. 5 Rz. 9

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

9

Auch Abschluss, Änderung und Kündigung des Dienstvertrages des Vorstandsmitglieds obliegen dem Aufsichtsrat, § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG iVm. § 84 Abs. 1 Satz 1 bis 4 AktG.8 Allerdings muss hier nicht das Plenum entscheiden; die Entscheidung kann auch auf den Personalausschuss delegiert werden.9 Der Ausschuss muss, um entscheiden zu können, mit wenigstens drei Mitgliedern besetzt sein (vgl. § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG). Ein Beschluss nur durch den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter ist unwirksam.10 Da nach dem VorstAG (dazu sogleich Rz. 13) aber die Entscheidung über die Festsetzung der Gesamtbezüge und die Versorgungsbezüge gemäß § 107 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 87 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsratsplenum vorbehalten ist, ist die Zuständigkeit des Personalausschusses erheblich eingeschränkt. Er kann die Entscheidung des Plenums über die Vergütung allerdings vorbereiten.11 Mit dem Abschluss des Vertrages (Unterzeichnung) wiederum kann auch ein Mitglied des Aufsichtsrates, insbesondere der Vorsitzende, beauftragt werden. Da der Dienstvertrag der Bestellung zum Organmitglied nicht vorgreifen darf, wird er, soweit nicht ohnehin das Aufsichtsratsplenum darüber entscheidet, häufig erst nach der Bestellungsentscheidung des Aufsichtsratsplenums geschlossen. Bei Abschluss des Dienstvertrages vor der Bestellung zum Vorstandsmitglied kann die aufschiebende Bedingung der nachfolgenden Bestellung vereinbart werden, damit der Vertragsschluss die Entscheidung des Aufsichtsratsplenums über die Bestellung nicht präjudiziert.

9a

Wird ein Vorstandsmitglied aufgrund eines Vertrages tätig, den der Aufsichtsrat nicht beschlossen hat, so handelt es sich um einen fehlerhaften Vertrag, der für die Vergangenheit wirksam ist, für die Zukunft aber jederzeit ohne Einhaltung von Fristen vom Aufsichtsrat beendet werden kann.12 bb) Form des Dienstvertrages

10

Der Dienstvertrag des Vorstandes ist formfrei. Im Übrigen gilt das zum Geschäftsführerdienstvertrag Gesagte, Kap. 4 Rz. 11. cc) Dauer des Dienstvertrages

11

Um die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrates nach Ablauf der fünfjährigen Bestellungshöchstdauer (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG) nicht zu beschränken, darf auch der Dienstvertrag nur für maximal fünf Jahre geschlossen werden. Ein für einen längeren Zeitraum geschlossener Vertrag endet daher nach fünf Jahren.13 3. Pflichten und Verantwortlichkeit des Vorstandsmitglieds

12

Die strengen Sorgfaltspflichten des Vorstandes ergeben sich aus dem Gesetz, der Sorgfaltsmaßstab insbesondere aus § 93 Abs. 1 AktG,14 wobei dem Vorstand bei unternehmerischen 8 Das gilt auch bei Drittanstellung, BGH v. 28.4.2015 – II ZR 63/14, NJW-RR 2015, 988, Rz. 24. Dazu Deilmann/Dornbusch, NZG 2016, 201. 9 BGH v. 6.4.1964, BGHZ 41, 282, 285; v. 23.10.1975, BGHZ 65, 190, 191; Hüffer, § 84 AktG Rz. 12; Grigoleit/Vedder, AktG, § 84 Rz. 19; Münchener Handbuch AG/Wiesner, § 21 Rz. 21. 10 BGH v. 23.10.1975, BGHZ 65, 190, 192 f.; Hüffer, § 84 AktG Rz. 13. 11 Lingemann, BB 2009, 1918, 1922; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40, 27; MAH Arbeitsrecht/Moll/Eckhoff, § 81 Rz. 19; Hölters/Weber, AktG, § 84 Rz. 38. 12 „Faktisches Dienstverhältnis“, Einzelheiten zu den Rechtsfolgen bei Henze/Rosch, ArbRAktuell 2010, 310. 13 Zu Einzelheiten s. M 5.1 § 2 Abs. 1 m. Anm. 14 Vgl. BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BB 1997, 1169 ff.

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Rz. 15a Kap. 5

Entscheidungen die Business Judgement Rule, § 93 Abs. 1 Satz 2, zugute kommt. Teil der Gesamtverantwortung ist insbesondere die Einrichtung des Überwachungssystems nach § 91 Abs. 2 AktG.15 Hinweise auf den Sorgfaltsmaßstab finden sich in Vorstandsverträgen seltener. Haftungsbeschränkungen sind gemäß § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG im Vorhinein ohnehin unwirksam.16 Auch Weisungen des Aufsichtsrates befreien nicht von der Haftung, § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG, wohl aber ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung, § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG. 4. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) v. 31.7.200917 hat § 87 Abs. 1 AktG zur Vorstandsvergütung konkretisiert. Die Gesamtbezüge müssen insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen, wobei auch die Leistungen des Vorstands für die Angemessenheit von Bedeutung sind. Der Aufsichtsrat hat ferner dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen.

13

Bei börsennotierten Gesellschaften ist nach § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Variable Vergütungen sollen daher auf einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage erfolgen.18 Die mehrjährige Bemessungsgrundlage kann durch Bonus-Malus-Systeme19 und Performance-Betrachtungen über eine mehrjährige Laufzeit umgesetzt werden, Modelle können zB sein eine Bonusbank oder die Vereinbarung von Claw-Back-Clauses.20 Damit werden reine Fixvergütungen oder auch kurzfristige Verhaltensanreize nicht verboten, nur muss die Orientierung insgesamt langfristig sein.21 Dieser Nachhaltigkeitsgedanke ist zwar nur für börsennotierte AGs gesetzlich geregelt. Auch wenn dies – zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten bei der GmbH – nicht im Gesetz steht, „sollte“ er, so die Begründung des Rechtsausschusses, grundsätzlich auch von nicht börsennotierten Gesellschaften berücksichtigt werden.22

14

Auch soll bei börsennotierten AGs die variable Vergütung für außerordentliche Entwicklungen nach oben begrenzt werden, § 87 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AktG.

15

In börsennotierten Aktiengesellschaften kann gemäß § 120 Abs. 4 AktG die Hauptversammlung über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder beschließen. Der Beschluss begründet allerdings weder Rechte noch Pflichten; insbesondere lässt er die Verpflichtungen des Aufsichtsrates nach § 87 AktG unberührt. Der Beschluss ist auch nicht nach § 243 AktG anfechtbar.

15a

15 „KonTraG“, dazu Lingemann/Wasmann, BB 1998, 853, 859. 16 Zum Recht auf Einsichtnahme in Unterlagen der Gesellschaft im Haftungsfall Grooterhorst, AG 2011, 389. 17 BT-Drucks. 16/12278 v. 17.3.2009 iVm. BT-Drucks. 16/13433 v. 17.6.2009; BGBl. I 2009, 2509 ff.; dazu Arnold/Schansker, KSzW 2012, 39; Baeck/Winzer, NZG 2009, 823; Bauer/Arnold, AG 2009, 717; Diller, NZG 2009, 1006; Fleischer, NZG 2009, 801; Fleischer, BB 2010, 67; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beil. zu Heft 26; Hohaus/Weber, DB 2009, 1515; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 ff.; Hohenstatt/Kuhnke, ZIP 2009, 1981; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40; Jaeger, NZA 2010, 128; Lingemann, BB 2009, 1918; Mertens, AG 2011, 57; Thüsing, AG 2009, 517; Wagner/Wittgens, BB 2009, 906. 18 BT-Drucks. 16/13433, S. 4 iVm. S. 10; Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 3 DCGK. 19 Zur Gestaltung mit dem Ziel einer Beteiligung am Verlust Tödtmann/Bönninghaus, NWB 2011, 1466. 20 Einzelheiten Schuster, FS J.-H. Bauer, 2010, S. 973; Lingemann, BB 2009, 1919. 21 BT-Drucks. 16/13433, S. 10; Ziff. 4.2.3 Abs. 2 DCGK. 22 BT-Drucks. 16/13433, S. 10; vgl. auch Ziff. 1 Abs. 13 DCGK.

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Kap. 5 Rz. 16

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

16

Das VorstAG hat die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der laufenden Vergütung nach § 87 Abs. 2 AktG erleichtert, und auch nachlaufende Vorstandsvergütungen, namentlich Pensionen, können nunmehr in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft herabgesetzt werden (dazu M 5.2 und M 5.3). Nach der Entscheidung des BGH vom 27.10.201523 erfolgt die Herabsetzung durch dem Vorstandsmitglied mitzuteilenden Aufsichtsratsbeschluss. Herabzusetzen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mindestens auf einen Betrag, dessen Gewährung angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nicht mehr als unbillig iSd. § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG angesehen werden kann.24 Andererseits erlaubt § 87 Abs. 2 AktG auch keine Herabsetzung die weitergeht, als es die Billigkeit angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft erfordert.25 Die Vergütung der Leitenden Angestellten stellt keine Untergrenze dar26, selbst eine Herabsetzung auf Null ist nicht ausgeschlossen.27

17

Schließlich verlangt § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG bei der D&O-Versicherung einen Selbstbehalt in Höhe von mindestens 10 % des Schadens bis zur absoluten Obergrenze von mindestens der 1,5-fachen jährlichen Festvergütung.28 5. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK)29

18

§ 161 AktG verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten AG, jährlich zu erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommision Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält neben einer Darstellung der wesentlichen Punkte der Rechtslage eine Reihe von Empfehlungen, die auch für die Organstellung und den Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds von Bedeutung sind. Die Empfehlungen sind durch das Wort „soll“ gekennzeichnet („Soll-Regelungen“). Daneben gibt es Anregungen, die nicht Gegenstand der Entsprechenserklärung sein müssen, sie sind durch die Worte „kann“ oder „sollte“ ausgewiesen. Zu den wichtigsten Regelungen im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung:

19

Gemäß Ziff. 3.4 DCGK (Stand: 5. Mai 2015) soll der Aufsichtsrat die Informations- und Berichtspflichten des Vorstandes festlegen. Gemäß Ziff. 4.2.2 DCGK setzt das Aufsichtsratsplenum die jeweilige Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder fest. Besteht ein Ausschuss, der die Vorstandsverträge behandelt, unterbreitet er dem Aufsichtsratsplenum seine Vorschläge. Das Aufsichtsratsplenum beschließt das Vergütungssystem für den Vorstand und überprüft es regelmäßig.

23 BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, dazu Kort, AG 2016, 209; Weber, DB 2016, 815; allgemein Lingemann, BB 2009, 1920 ff. 24 BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236 Rz. 44. 25 BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236 Rz. 45. 26 BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236 Rz. 52. 27 BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236 Rz. 51. 28 Dazu Lange, VersR 2010, 162; Lingemann, BB 2009, 1922; Loritz/Wagner, DStR 2012, 2205, 2206; Schulz, ZfV 2009, 558; Wendler, ZfV 2009, 593. 29 Veröffentlicht unter www.corporate-governance-code.de und im Bundesanzeiger; dazu Bauer/Arnold, BB 2007, 1793; Bauer/Arnold, BB 2008, 1692; Bayer, NZG 2013, 1; Klein, AG 2012, 805; Krieger, ZGR 2012, 202; Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172; Mutter, ZIP 2009, 470; Mock, ZIP 2010, 15; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008, Rz. 491 ff.; Roth, WM 2012, 1285; Schlitt, DB 2007, 326; Schmidt-Bendun, AG 2014, 177; Steding, NJ 2007, 10; Veil/Brinckmann, JURA 2007, 366; Weber-Rey, KSzW 2013, 77.

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Rz. 27 Kap. 5

Dabei wird die Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder gemäß Ziff. 4.2.2 Abs. 2 DCGK vom Aufsichtsratsplenum unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen auf der Grundlage einer Leistungsbeurteilung festgelegt. Kriterien für die Angemessenheit der Vergütung bilden sowohl die Aufgaben des einzelnen Vorstandsmitglieds, seine persönliche Leistung, die wirtschaftliche Lage, der Erfolg und die Zukunftsaussichten des Unternehmens als auch die Üblichkeit der Vergütung unter Berücksichtigung des Vergleichsumfelds und der Vergütungsstruktur, die ansonsten in der Gesellschaft gilt. Hierbei soll der Aufsichtsrat das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft insgesamt auch in der zeitlichen Entwicklung berücksichtigen, wobei der Aufsichtsrat für den Vergleich festlegt, wie der obere Führungskreis und die relevante Belegschaft abzugrenzen sind.

20

Soweit vom Aufsichtsrat zur Beurteilung der Angemessenheit der Vergütung ein externer Vergütungsexperte hinzugezogen wird, soll auf dessen Unabhängigkeit vom Vorstand bzw. vom Unternehmen geachtet werden.

21

Gemäß Ziff. 4.2.3 DCGK umfasst die Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder die monetären Vergütungsteile, die Versorgungszusagen, die sonstigen Zusagen, insbesondere für den Fall der Beendigung der Tätigkeit, Nebenleistungen jeder Art und Leistungen von Dritten, die im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit zugesagt oder im Geschäftsjahr gewährt wurden.

22

Ziff. 4.2.3 Abs. 2 DCGK hält fest, dass die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. Die monetären Vergütungsteile sollen fixe und variable Bestandteile umfassen. Der Aufsichtsrat hat dafür zu sorgen, dass variable Vergütungsteile grundsätzlich eine mehrjährige Bemessensgrundlage haben. Sowohl positiven als auch negativen Entwicklungen soll bei der Ausgestaltung der variablen Vergütungsteile Rechnung getragen werden. Sämtliche Vergütungsteile müssen für sich und insgesamt angemessen sein und dürfen insbesondere nicht zum Eingehen unangemessener Risiken verleiten.

23

Gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 2 DCGK soll die Vergütung insgesamt und hinsichtlich ihrer variablen Vergütungsteile betragsmäßige Höchstgrenzen aufweisen. Die variablen Vergütungsteile sollen auf anspruchsvolle, relevante Vergleichsparameter bezogen sein. Eine nachträgliche Änderung der Erfolgsziele oder der Vergleichsparameter soll ausgeschlossen sein. Bei Versorgungszusagen soll der Aufsichtsrat gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 3 DCGK das jeweils angestrebte Versorgungsniveau – auch nach der Dauer der Vorstandszugehörigkeit – festlegen und den daraus abgeleiteten jährlichen sowie den langfristigen Aufwand für das Unternehmen berücksichtigen.

24

Gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 4 DCGK soll bei Abschluss von Vorstandsverträgen darauf geachtet werden, dass Zahlungen an ein Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (Abfindungs-Cap) und nicht mehr als die Restlaufzeit des Dienstvertrages vergüten. Wird der Anstellungsvertrag aus einem von dem Vorstandsmitglied zu vertretenden wichtigen Grund beendet, erfolgen keine Zahlungen an das Vorstandsmitglied. Für die Berechnung des Abfindungs-Caps soll auf die Gesamtvergütung des abgelaufenen Geschäftsjahres und ggf. auch auf die voraussichtliche Gesamtvergütung für das laufende Geschäftsjahr abgestellt werden.

25

Gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 5 DCGK soll eine Zusage für Leistungen aus Anlass der vorzeitigen Beendigung der Vorstandstätigkeit in Folge eines Kontrollwechsels (Change of Control) 150 % des Abfindungs-Caps nicht übersteigen.

26

Schließlich soll gemäß Ziff. 4.2.3 Abs. 6 DCGK der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Hauptversammlung einmalig über die Grundzüge des Vergütungssystems und sodann über deren Veränderung informieren.

27

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Kap. 5 Rz. 28

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

28

Die Gesamtvergütung eines jeden Vorstandsmitglieds wird, aufgeteilt nach fixen und variablen Vergütungsteilen, unter Namensnennung offengelegt. Gleiches gilt für Zusagen auf Leistungen, die einem Vorstandsmitglied für den Fall der vorzeitigen oder regulären Beendigung der Tätigkeit als Vorstandsmitglied gewährt oder die während des Geschäftsjahres geändert worden sind. Die Offenlegung unterbleibt, wenn die Hauptversammlung dies mit Dreiviertelmehrheit anderweitig beschlossen hat, Ziff. 4.2.4 DCGK.

29

Gemäß Ziff. 4.2.5 DCGK erfolgt die Offenlegung im Anhang oder im Lagebericht. In einem Vergütungsbericht als Teil des Lageberichts werden die Grundzüge des Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder dargestellt. Die Darstellung soll in allgemein verständlicher Form erfolgen. Der Vergütungsbericht soll auch Angaben zur Art der von der Gesellschaft erbrachten Nebenleistungen enthalten. Ferner sollen im Vergütungsbericht für die Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2013 beginnen, für jedes Vorstandsmitglied dargestellt werden: (1) die für das Berichtsjahr gewährten Zuwendungen einschließlich der Nebenleistungen, bei variablen Vergütungsteilen ergänzt um die erreichbare Maximal- und Minimalvergütung, (2) der Zufluss im bzw. für das Berichtsjahr aus Fixvergütung, kurzfristiger variabler Vergütung und langfristiger variabler Vergütung mit Differenzierung nach den jeweiligen Bezugsjahren, (3) bei der Altersversorgung und sonstigen Versorgungsleistungen der Versorgungsaufwand im bzw. für das Berichtsjahr. Es sollen die dem DCGK als Anlage beigefügten Mustertabellen verwandt werden.

30

Bei der D&O-Versicherung für den Vorstand ist schon gemäß § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG ein Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds zu vereinbaren, bei einer D&O-Versicherung für den Aufsichtsrat empfiehlt der DCGK eine entsprechende Vereinbarung, Ziff. 3.8 DCGK.

31

Bei Erstbestellungen sollte die maximal mögliche Bestelldauer von fünf Jahren nicht die Regel sein, Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 1 DCGK. Eine Wiederbestellung vor Ablauf eines Jahres vor dem Ende der Bestelldauer bei gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung soll zwar gemäß Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 2 DCGK nur bei Vorliegen besonderer Umstände erfolgen. Die Regelung ist jedoch aufgrund der Entscheidung des BGH vom 16.7.201230 überholt, der eine solche Wiederbestellung nach Amtsniederlegung unabhängig vom Grund zulässt.

32

Ferner soll eine Altersgrenze für Vorstandsmitglieder festgelegt werden, Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 3 DCGK. Für die Vertragsgestaltung von Bedeutung sind auch das umfassende Wettbewerbsverbot, Ziff. 4.3.1 DCGK und der Zustimmungsvorbehalt für Nebentätigkeiten, Ziff. 4.3.4 DCGK. 6. Sozialversicherungsrechtliche Stellung des Vorstandsmitglieds31

33

Gemäß § 1 Satz 3 SGB VI sind Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung,32 im Rahmen ihrer Vorstands30 BGH v. 17.7.2012 – II ZR 55/11, AG 2012, 677; dazu Paschos/von der Linden, AG 2012, 736. 31 Dazu Grimm, DB 2012, 175, 177. Zu Leitungsorganen in der SE Hinrichs/Plitt, DB 2011, 1692. 32 Vorstandsmitglieder einer „Voraktiengesellschaft“, die noch nicht in das Handelsregister eingetragen ist, unterliegen jedoch der Rentenversicherungspflicht, BSG v. 9.8.2006 – B 12 KR 3/06 R, NZG 2007, 32; die Sozialversicherungspflicht von Vorstandsmitgliedern ausländischer Aktiengesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland unterliegen, hängt davon ab, ob sich die Gesellschaft ausländischen Rechts für die tatbestandliche Gleichstellung mit einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts auf einschlägiges, unmittelbar zu beachtendes internationales Recht berufen kann (BSG v. 12.1.2011 – B 12 KR 17/09 R, NJOZ 2011, 1653 Rz. 18; v. 27.2.2008 – B 12 KR 23/06 R, GmbHR 2008, 1154 Rz. 24). Für europäische Kapitalgesellschaften gilt, dass das Gemeinschaftsrecht unter dem Gesichtspunkt der

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Rz. 34 Kap. 5

tätigkeit für die Aktiengesellschaft und verbundene Unternehmen iSd. § 18 AktG gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III auch nicht in der Arbeitslosenversicherung. In der Kranken- und Pflegeversicherung besteht idR schon deshalb keine Versicherungspflicht, weil das regelmäßige Jahresentgelt über der Jahresentgeltgrenze gemäß § 6 Abs. 6 und 7 SGB V33 liegen wird; bei niedrigerem Entgelt werden Vorstandsmitglieder jedoch nach umstrittener Auffassung gleichfalls nicht versicherungspflichtig, da sie mangels Weisungsunterworfenheit, § 76 AktG, nicht Beschäftigte iSv. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind.34 Dementsprechend besteht ohne gesonderte Vereinbarung auch kein Anspruch auf anteilige Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen insbesondere zur Krankenversicherung gegen die Gesellschaft. Vorstandsmitglieder sind auch nicht unfallversichert.35 7. AGB-Kontrolle des Vorstandsvertrages36 Vorstandsverträge unterliegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, soweit sie nicht individuell ausgehandelt wurden, das Unternehmen als Verwender also nicht den gesetzesfremden Kerngehalt des Vertrages inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt hat.37 Häufig werden Vorstandsverträge in diesem Sinne individualvertraglich ausgehandelt, zunehmend finden sich jedoch auch konzernweit vereinheitlichte Bedingungen, für die die AGB-Kontrolle gilt. Vorformulierte Vorstandsverträge sind namentlich am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen. Eine Angemessenheitskontrolle kommt insbesondere in Betracht bei Regelungen über den Wegfall der variablen Vergütung bei Ende der Organstellung,38 Freistellungsklauseln,39 Koppelungsklauseln,40 Vertragsstrafen und Change-in-ControlKlauseln.41 Angesichts der Position des Vorstandsmitglieds als typischerweise versiertem Vertragspartner ist der Gestaltungsspielraum in der Sache jedoch groß, wenn nur formal das Transparenzgebot beachtet wird.

33 34 35 36 37 38 39 40 41

Niederlassungsfreiheit eine Freistellung nur für Vorstandsmitglieder solcher europäischer Kapitalgesellschaften verlangt, die einer AG deutschen Rechts vergleichbar sind (BSG v. 27.2.2008 – B 12 KR 23/06 R, GmbHR 2008, 1154 Rz. 30). Grimm, DB 2012, 175, 177; zu Einschränkungen s. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. BSG v. 14.12.1999 – B 2 U 38/98 R, DB 2000, 329 und hLit., vgl. ErfK/Rolfs, § 7 SGB IV Rz. 23; Sagan/Hübner, AG 2011, 852; KK/Seewald, § 7 SGB IV Rz. 99 f.; str., aA BSG v. 31.5.1989 – 4 RA 22/88, NZA 1990, 668; v. 27.2.2008 – B 12 KR 23/06 R, GmbHR 2008, 1154. BSG v. 14.12.1999 – B 2 U 38/98 R, DB 2000, 329; Grimm, DB 2012, 175. Dazu Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337; zur AGB-Kontrolle bei Arbeitsverträgen eingehend Kap. 2 Rz. 2 ff., 82 ff. BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939, 940; BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543, 2544. M 5.1 Anm. zu § 3 Abs. 3 und 4. M 5.1 Anm. zu § 2 Abs. 1. M 5.1 Anm. zu § 2 Abs. 1. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337; Bauer/Arnold, DB 2006, 260; vgl. auch Schmitt-Rolfes, FS Hromadka, 2008, S. 393.

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

M 5.1

II. Muster M 5.1

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Zwischen1der … Aktiengesellschaft mit Sitz in …, vertreten durch den Aufsichtsrat, dieser vertreten durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats,2 Herrn … (im Folgenden: Gesellschaft) und Herrn/Frau … wird aufgrund des Beschlusses des Aufsichtsrates vom … folgender Dienst- und Pensionsvertrag geschlossen:

Vorbemerkung3 Herr/Frau … wurde durch Beschluss des Aufsichtsrats der Gesellschaft vom … zum ordentlichen Mitglied des Vorstands der Gesellschaft für die Zeit vom … bis zum …4 bestellt. Dazu wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Aufgaben und Pflichten (1) Herr/Frau … führt die Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der Gesellschaft und der Geschäftsordnung für den Vorstand.5

1 Zur AGB-Kontrolle vgl. Einf. Rz. 34; häufig wird der Vorstandsvertrag im Einzelnen ausgehandelt sein, so dass eine AGB-Kontrolle gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausscheidet; allerdings finden sich in jüngster Zeit vermehrt auch Standardvorstandsverträge, die für alle Mitglieder des Vorstandes oder sogar der Vorstände im Konzern einheitliche Vertragsbedingungen enthalten. Insoweit würde die AGB-Kontrolle gelten (vgl. auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337). 2 Zum Abschluss des Vertrages bedarf der Aufsichtsratsvorsitzende der Einzelermächtigung durch den Aufsichtsrat oder der generellen Ermächtigung durch Satzung oder Geschäftsordnung (BGH v. 6.4.1964, BGHZ 41, 282, 285). Über den Inhalt des Vertrages muss stets der Gesamtaufsichtsrat oder der Aufsichtsratsausschuss entscheiden (BGH v. 6.4.1964, BGHZ 41, 282, 285), die Festsetzung der Gesamtbezüge, der Versorgungsbezüge und die Entscheidung über die Herabsetzung der Bezüge obliegt zwingend dem Aufsichtsratsplenum, § 107 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG. Wird der Dienstvertrag vom unzuständigen Gremium geschlossen, ist er gemäß § 134 BGB unwirksam; dann gelten die Regeln über den fehlerhaften Dienstvertrag, dh. der Vertrag ist für die Zeit der Tätigkeit in der Vergangenheit wirksam, kann aber jederzeit für die Zukunft einseitig beendet werden (vgl. Einf. Rz. 9a; vgl. BGH v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, BB 2000, 1751; v. 23.10.1975, BGHZ 65, 190, 194 f.; v. 6.4.1964, BGHZ 41, 282, 285; LG Zweibrücken v. 18.5.2007 – 6 HK.O 86/02, BB 2007, 2350; Einzelheiten zu den Rechtsfolgen bei Henze/Rosch, ArbRAktuell 2010, 310). Ansprüche auf bis dahin erdiente Versorgungsbezüge bleiben erhalten (HenzeRosch, ArbRAktuell 2010, 310; Hüffer, § 84 AktG Rz. 19 mwN). 3 Die Wiedergabe der Bestellung in der Vorbemerkung hat nur nachrichtliche Bedeutung. Die Bestellung wird dadurch insbesondere nicht zur Geschäftsgrundlage des Dienstvertrages dergestalt, dass mit Widerruf der Bestellung auch der Dienstvertrag gekündigt ist; anders wäre dies nur bei ausdrücklicher Regelung im Dienstvertrag. 4 Die Dauer der Bestellung darf fünf Jahre nicht überschreiten; gemäß Ziff. 5.1.2 DCGK sollte sie bei Erstbestellungen dahinter zurückbleiben; eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig, § 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG. Der Beschluss des Aufsichtsrates über die Verlängerung darf jedoch frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden, § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG. Entgegen Ziff. 5.1.2 Abs. 2 DCGK kann ein Vorstandsmitglied bereits früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Bestelldauer nach einverständlicher Amtsniederlegung wiederbestellt werden, ohne dass es hierfür eines besonderen Grundes bedarf (BGH v. 17.7.2012 – II ZR 55/11, NZG 2012, 1027, 1029). Gegen eine vorzeitige Abberufung kann das Vorstandsmitglied klagen. Die AG wird in diesem Verfahren vertreten durch den Aufsichtsrat, § 112 AktG. 5 Die Aufnahme in den Vertrag ist üblich, aber entbehrlich, da die Verpflichtung ab der Bestellung ohnehin kraft Gesetzes besteht.

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Kap. 5

(2) Herr/Frau stellt seine/ihre gesamte Arbeitskraft, fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung. Eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit, ein Amt als Aufsichtsrat, Beirat oÄ bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Personalausschusses/des Aufsichtsrates, der diese jederzeit widerrufen kann.6 Die Niederlegung von Mandaten ist dem Aufsichtsratsvorsitzenden schriftlich mitzuteilen. Jede Gutachter- oder Schiedsrichtertätigkeit bedarf der vorherigen Zustimmung des Personalausschusses/des Aufsichtsrates. Über Veröffentlichungen und Vorträge mit Öffentlichkeitswirkung ist vorher im Vorstand zu berichten. (3) Herr/Frau … wird auf Wunsch des Vorstandes mit Zustimmung des Aufsichtsrates oder auf Wunsch des Aufsichtsrats7 ohne gesonderte Vergütung Aufsichtsratsmandate und ähnliche Ämter in Gesellschaften, an denen die Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, übernehmen. Dasselbe gilt für Tätigkeiten in Verbänden, denen die Gesellschaft angehört, oder Ehrenämter in Verwaltung und Rechtsprechung. Herr/Frau … wird diese Ämter niederlegen, wenn Vorstand oder Aufsichtsrat dies wünschen oder der Dienstvertrag endet.8

§ 2 Vertragsdauer (1) Der Dienstvertrag wird für die Zeit vom … bis zum … geschlossen.9 Er verlängert sich jeweils für den Zeitraum, für den der Aufsichtsrat mit Zustimmung von Herrn/Frau … seine/ihre Wiederbestellung zum Vorstandsmitglied der Gesellschaft beschließt. (2) Wird die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, so endet auch der Dienstvertrag.10 Beruht der Widerruf jedoch auf einem wichtigen Grund, der nicht zugleich ein wichtiger Grund gemäß 6 Bereits § 88 AktG enthält das Verbot, ohne Einwilligung des Aufsichtsrates ein Handelsgewerbe zu betreiben oder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen (vgl. BGH v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, ZIP 2001, 958). Dieses Verbot kann auch auf Nebentätigkeiten ausgedehnt werden, was Ziff. 4.3.4 DCGK auch empfiehlt. Angesichts dieser Wertung im Deutschen Corporate Governance Kodex halten wir die Regelung auch unter Berücksichtigung der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB nicht für unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB und die im Arbeitsverhältnis empfohlenen Einschränkungen nicht für erforderlich (zum Arbeitsverhältnis vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 115 ff.). Ziff. 4.3.4 DCGK enthält die Empfehlung, einen solchen Zustimmungsvorbehalt in den Vertrag aufzunehmen – „Vorstandsmitglieder sollen Nebentätigkeiten, insb. Aufsichtsratsmandate außerhalb des Unternehmens, nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates übernehmen.“ Eine abschließende Entscheidung über die Nebentätigkeit steht nur dem für den Vertragsschluss zuständigen Organ zu, also nicht dem Aufsichtsratsvorsitzenden allein, wohl aber dem Personalausschuss, wenn ihm diese Kompetenz vom Plenum zugewiesen wurde (vgl. KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 88 Rz. 16). Das gilt jedoch nur, soweit dadurch die Vergütung des Vorstandsmitglieds nicht betroffen ist, da für die Festsetzung der Vergütung ausschließlich das Aufsichtsratsplenum zuständig ist, § 107 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG. 7 Die Entscheidung des Vorstandes bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrates (KölnerKommAktG/Mertens, § 88 Rz. 2); vgl. auch Ziff. 4.3.4 DCGK. 8 Soweit öffentliche Ämter die Unabhängigkeit des Vorstandsmitglieds voraussetzen, ist diese vertragliche Regelung nicht wirksam. 9 Die Höchstdauer von fünf Jahren gilt nicht nur für die Bestellung, sondern auch für den Dienstvertrag, vgl. § 84 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 AktG. Eine Verlängerungsklausel wie in Satz 2 des Musters wird dadurch nicht gehindert. Eine stillschweigende Verlängerung nach § 625 BGB über die Fünf-Jahres-Frist hinaus wird jedoch überwiegend abgelehnt (vgl. Krieger, Personalentscheidungen, S. 123; KölnerKommAktG/ Mertens/Cahn, § 84 Rz. 19, 53; Hüffer/Koch, § 84 AktG Rz. 15). 10 Häufig wird auch vereinbart, dass der Dienstvertrag für die Dauer der Bestellung gilt; der Wortlaut erlaubt zum einen die Deutung, dass der Vertrag erst mit dem Ende der Bestellung gemäß der Vorbemerkung, Satz 1, endet, auch wenn das Vorstandsmitglied vorher bereits abberufen wurde, überwiegend wird die Klausel jedoch wie eine auflösende Bedingung des Dienstvertrages verstanden (vgl. BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683; zu Gestaltungsalternativen Bauer, DB 1992, 1413; zur Auslegung Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809). Zur Vermeidung von Unklarheiten, die gemäß § 305c Abs. 1 BGB zu Lasten der Gesellschaft gehen, ist von einer solchen einfachen Klausel abzuraten; vorliegend wird deshalb zusätzlich die Rechtsfolge in Satz 2 klargestellt (s. auch M 4.1a § 3 Abs. 4 m. Anm.). Die Kopplung des Dienstvertrages mit der Organstellung führt allerdings häufiger als früher dazu, dass (auch) die Beendigung der Organstellung gerichtlich angegriffen wird.

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

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§ 626 BGB für die fristlose Kündigung des Dienstvertrages ist (im Folgenden: „Widerrufsfall“),11 so endet der Dienstvertrag erst mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 und 2 BGB ab Ende der Organstellung.12 Dasselbe gilt, wenn die Bestellung zum Vorstandsmitglied durch Niederlegung endet.13 Bei vorzeitiger Beendigung der Organstellung ohne wichtigen Grund gemäß § 626 BGB für eine fristlose Kündigung des Dienstvertrages dürfen Zahlungen an Herrn/Frau … einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (Abfindungs-Cap) und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages vergüten. Für die Berechnung des AbfindungsCaps ist auf die Gesamtvergütung des abgelaufenen Geschäftsjahres und auf die voraussichtliche Gesamtvergütung für das laufende Geschäftsjahr abzustellen.14 Nach Kündigung des Vertrages oder Beendigung der Organstellung ist die Gesellschaft berechtigt, Herrn/Frau … jederzeit unter Fortzahlung der Vergütung und Anrechnung von Urlaubsansprüchen von seiner Verpflichtung zur Dienstleistung für die Gesellschaft freizustellen.15 Für die Zeit der Freistellung bleibt Herr/Frau … an das in § 11 vereinbarte Wettbewerbsverbot gebunden. Es gilt § 615 Satz 2 BGB.16 (3) Endet die Vertrag nach mindestens 10-jähriger ununterbrochener Bestellung von Herrn/Frau … als Vorstandsmitglied der Gesellschaft und vor Vollendung des 60. Lebensjahres von Herrn/Frau …, ohne dass ein Pensionsfall vorliegt, so erhält Herr/Frau … eine Abfindung in Höhe von einem Jah-

11 Zu den unterschiedlichen Voraussetzungen des wichtigen Grundes bei Abberufung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG und Kündigung des Dienstvertrages aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vgl. BGH v. 2.10.1995 – II ZR 130/94, WM 1995, 2064, 2065; OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211; ferner oben Einf. Rz. 6 sowie bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil 13, Rz. 54. Über Bestellung und Widerruf der Bestellung muss das Plenum des Aufsichtsrates entscheiden, ebenso über die Festsetzung der Vergütung, § 107 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG; über Abschluss und Kündigung des Dienstvertrages kann dann auch der Personalausschuss befinden. 12 Satz 2 der Alternative stellt die Rechtsfolgen dieser Klausel klar und ist zur Vermeidung von Unklarheiten gemäß § 305c Abs. 1 BGB jedenfalls in Formularvorstandsverträgen ratsam (vgl. auch Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2343 sowie M 4.1a § 3 Abs. 4 m. Anm.). 13 Die Formulierung beugt dem denkbaren Einwand der Unvereinbarkeit mit § 622 Abs. 6 BGB vor, vgl. Bauer/von Medem, NZA 2014, 238, 240. 14 Die Formulierung entspricht zur Vermeidung einer Einschränkung der Entsprechenserklärung iSd. § 161 AktG bei dieser in der Umsetzung höchst umstrittenen Regelung des DCGK (sehr kritisch Bauer/Arnold, BB 2007, 1793 und BB 2008, 1692; vgl. auch Hoffmann/Becking, NZG 2007, 2101) fast wörtlich Ziff. 4.2.3 Abs. 4 DCGK. Die Höhe einer etwaigen Abfindung muss dessen ungeachtet angemessen sein iSv. § 87 Abs. 1 AktG. ZT wird daher verlangt, dass auch eine Umwandlung der Vergütung für die Restlaufzeit in eine Abfindung einer gesonderten sachlichen Rechtfertigung bedarf, andere Einkunftsmöglichkeiten, Karenzentschädigungen und Ruhegehaltsansprüche sind in die Prüfung einzubeziehen (Hohenstatt/Naber, FS J.-H. Bauer, 2010, S. 447 ff.). 15 Ob solche Freistellungsklauseln in formularmäßigen Arbeitsverträgen zulässig oder gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sind, ist in der arbeitsrechtlichen Instanzgerichtsbarkeit umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden (Einzelheiten bei Einf. Kap. 2 Rz. 103). In formularmäßigen Vorstandsverträgen dürften sie jedoch wirksam sein, schon weil mit der Abberufung der Vorstand ohnehin seiner Vorstandstätigkeit nicht mehr nachgehen kann, so dass von gesetzlichen Regelungen nicht abgewichen wird und die Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 BGB greift (vgl. auch BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, NJW 2011, 920; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2342). 16 Bei einer einvernehmlichen Freistellung kommt es für die Frage der Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Auslegung des Vertrages an. Ist die Anrechnung nicht ausdrücklich geregelt, gilt § 615 Satz 2 BGB im Zweifel nicht, mit der Folge einer „doppelten Vergütung“ (BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207). Wird die Anrechenbarkeit ausdrücklich geregelt, ist dies im Zweifel als Verzicht auf das vertragliche Wettbewerbsverbot zu verstehen; einen abweichenden Willen muss die AG klar zum Ausdruck bringen (BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36, 38). In diesem Fall sollte allerdings der noch ausstehende Urlaub zeitlich genau bestimmt werden (LAG Baden-Württemberg v. 12.9.2011 – 9 Sa 45/11).

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

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resfestgehalt gemäß § 3 Abs. 1 („Vertragsabfindung“).17 Der Anspruch auf Vertragsabfindung besteht nicht, wenn der Vertrag aus einem von Herrn/Frau … verschuldeten wichtigen Grund gemäß § 626 BGB beendet wird, oder Herr/Frau … eine Vertragsverlängerung zu für ihn/sie nicht ungünstigeren Vertragsbedingungen abgelehnt hat.18 (4) Über die Wiederbestellung soll spätestens sechs Monate vor Ablauf der Amtszeit entschieden werden. (5) Wird Herr/Frau … während der Laufzeit des Dienstvertrags dauernd arbeitsunfähig, endet der Dienstvertrag mit dem Ende des sechsten Monats nach Feststellung der dauernden Arbeitsunfähigkeit. Absatz 1 bleibt unberührt. Dauernde Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieses Dienstvertrags liegt vor, wenn Herr/Frau … voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sein wird, die ihm/ihr übertragenen Aufgaben uneingeschränkt zu erfüllen.19 Sie gilt als festgestellt, wenn die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen länger als zwölf Monate dauerte, es sei denn, Herr/Frau … weist durch Gutachten eines einvernehmlich benannten Arztes nach, dass mit einer Wiederherstellung der uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen ist. Kommt eine Einigung auf einen Arzt nicht zustande, so ist die Ärztekammer am Sitz der Gesellschaft um die Benennung eines ärztlichen Gutachters zu bitten. (6) Der Vertrag endet spätestens am Ende des Monates, in dem Herr/Frau … die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (dh. zurzeit Vollendung des 67. Lebensjahres) erreicht.20

§ 3 Vergütung21 (1) Herr/Frau … erhält beginnend mit dem … als Festvergütung für seine/ihre Tätigkeit ein Jahresfestgehalt iHv. Euro … (in Worten: Euro …) brutto, das in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen jeweils zum Monatsende gezahlt wird.22 Die Angemessenheit der Festvergütung wird jeweils im Abstand von zwei Jahren geprüft.23 17 In früheren Vorstandsverträgen fand sich häufig ein Anspruch auf Übergangsgeld bis zum Beginn des Rentenbezugs (so auch M 5.1 der 3. Aufl.). Seit Inkrafttreten des VorstAG mit den verschärften Anforderungen an die Angemessenheit der Vergütung (Einf. Rz. 13 ff.) ist die Zulässigkeit eines umfassenden Übergangsgeldes zunehmend in die Diskussion geraten, auch, weil es wegen der zT enormen wirtschaftlichen Belastung die Freiheit des Aufsichtsrates bei der Entscheidung über die Wiederbestellung entgegen § 84 Abs. 1 AktG einschränken könnte. Wir halten eine Abfindungszahlung in der im Muster vorgeschlagenen Höhe mit den dort genannten Einschränkungen für vertretbar (ähnlich Beck’sches Formularbuch/Hoffmann-Becking, X 13, Anm. 21). Letztlich handelt es sich hier um eine Art Bleibeprämie, so dass uE auch das Cap von Ziff. 4.2.3 Abs. 4 (oben Abs. 2 Unterabs. 2) für die Vertragsabfindung nicht gilt. 18 Zur Frage, welche Konditionen günstiger/ungünstiger sind, Diller/Arnold, AG 2010, 721. 19 Arbeitsunfähigkeit entspricht weder der teilweisen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI noch der vollen Erwerbsminderung iSv. § 43 Abs. 2 SGB VI, sondern ist hier gesondert definiert. Insbesondere die Frage zumutbarer Verweisungsberufe iSv. § 43 Abs. 3 SGB VI stellt sich bei der hier vorliegenden Definition daher nicht. 20 Gemäß Ziff. 5.1.2 Abs. 2 Satz 3 des Deutschen Corporate Governance Kodex soll der Vorstandsvertrag eine Altersgrenze enthalten. Auch das AGG steht Altersgrenzen nicht entgegen, die auf das Renteneintrittsalter abstellen, § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG; BGK, § 10 AGG Rz. 39; Kliemt, RdA 2015, 232; Lutter, BB 2007, 725; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 15. Allerdings verstößt die Ablehnung einer Vertragsverlängerung aus Gründen des Alters gegen das AGG, BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797, dazu Bauer/ Arnold, NZG 2012, 921; Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325; Einzelheiten Kap. 4 Rz. 8. 21 Zum Corporate Governance Kodex s. Einf. Rz. 18 ff.; zur Gestaltung der Vorstandsvergütung bei Banken sind die Anforderungen nach § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 Kreditwesengesetz (KWG) sowie der Instituts-Vergütungsverordnung v. 16.12.2013 (BGBl. I 2013, 4270, zuletzt geändert am 11.3.2016, BGBl. 2016, 417) zu beachten. Seit 1.1.2014 greift das CRD-IV-Umsetzungsgesetz (BGBl. I 2013, 3395), das weitere Beschränkungen der Vorstandsvergütung (ua. grundsätzliche Begrenzung der Boni auf 100 % der Fixvergütung, nunmehr geregelt in § 25a Abs. 5 KWG) enthält. 22 Die Vergütung muss angemessen sein, s. im Einzelnen § 87 Abs. 1 AktG, Lingemann, BB 2009, 1918; erweitert wurde durch das VorstAG insbesondere die Einbeziehung auch der Leistungen des Vorstandes in die Angemessenheitsprüfung, ferner bestehen weitergehende Kürzungsmöglichkeiten nach § 87 Abs. 2 AktG: Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung der Gesamtbezüge so,

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

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(2) Herr/Frau … erhält ferner eine variable Vergütung.24 Sie besteht aus einer Tantieme (Short Termin Incentive = STI), die sich orientiert an der Erreichung jährlicher Ziele (Abs. 3), einem Bonus (Long Termin Incentive = LTI), der sich orientiert an der Erreichung von Zielen über mehrere Jahre (Abs. 4), und aus Aktienoptionen (Abs. 5). (3) Herr/Frau … erhält eine Tantieme (STI) nach folgenden Regelungen:25 a) Bezugsgröße für die jährliche Tantieme sind … % des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit nach IFRS gemäß testierter Gewinn- und Verlustrechnung zum Jahresabschluss der Gesellschaft zuzüglich Rückstellungen für Tantieme und Bonus des Vorstands, maximal jedoch Euro … Der Aufsichtsrat kann die Bezugsgröße angemessen kürzen, wenn sie auf Umständen basiert,

dass die Weitergewährung der Bezüge nach § 87 Abs. 1 AktG unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat oder in Fällen des § 85 Abs. 3 AktG das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen (M 5.2 und M 5.3). Dies gilt auch für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art, wobei diese allerdings nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft herabgesetzt werden können. Der Anstellungsvertrag besteht auch bei der Herabsetzung fort, allerdings hat das Vorstandsmitglied im Gegenzug das Recht, einmalig mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartal zu kündigen, § 87 Abs. 2 Satz 4 AktG. 23 Anstatt einer bisher gebräuchlichen Erhöhungsklausel sollte nach Inkrafttreten des VorstAG eher eine solche allgemeine Überprüfungsklausel vereinbart werden, um die Angemessenheit der Vorstandsvergütung sicherzustellen. 24 Auch nach Inkrafttreten des VorstAG dürfen neben langfristigen Verhaltensanreizen weiterhin auch kurzfristige Verhaltensanreize gewährt werden, wie sich schon daran zeigt, dass nach wie vor ja auch zB „Provisionen“ in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG genannt sind. Die Orientierung der Vergütung insgesamt muss jedoch langfristig sein (BT-Drucks. 16/13433, S. 10). Ein Verhältnis von 40 % fix, 20 % Jahres-Boni, 20 % langfristig ausgerichtete Boni und 20 % aktienbasierte Vergütung ist mE nicht zu beanstanden (Lingemann, BB 2009, 1918, 1919). Rspr. zu dieser Frage gibt es bisher nicht. In der neueren Lit. werden abstrakte prozentuale Vorgaben abgelehnt (vgl. etwa Arnold/Schansker, KSzW 2012, 39, 44; Ihrig/Wandt/ Wittgens, Beilage zu ZIP 40/2012, 1, 12), da die Umstände des Einzelfalls entscheidend seien. Allerdings soll das Erfordernis der Mehrjährigkeit und Nachhaltigkeit jedenfalls dann erfüllt sein, wenn die langfristigen variablen Vergütungselemente deutlich mehr als 50 % aller variablen Vergütungsbestandteile ausmachen. Das vorliegende Muster geht davon aus, dass die aktienbasierte Vergütung (vgl. Abs. 5) in Form von Aktienoptionen bzw. Aktien mit mehrjähriger Veräußerungssperre erfolgt und ein Verhältnis von 1/ 3 zu 2/ 3 besteht, welches auch diesen Anforderungen genügen dürfte. Die Tantieme des Vorstandes einer Konzernobergesellschaft oder einer eingegliederten Gesellschaft (vgl. KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 87 Rz. 25) kann auch auf den Konzernjahresabschluss abstellen (Münchener Handbuch AG/ Wiesner, § 21 Rz. 42). Das gilt jedoch nicht für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft (KölnerKommAktG/Mertens/Cahn, § 87 Rz. 25). 25 Alternativ kommen auch eine dividendenabhängige Tantieme (BGH v. 3.7.2000 – II ZR 12/99, BB 2000, 1748; Hüffer, § 86 AktG Rz. 2 in Betracht, zB „Die Tantieme beträgt Euro … (in Worten: Euro …) brutto für je 1 % der von der Gesellschaft im Verhältnis zum jeweiligen Grundkapital am Jahresende ausgeschütteten Dividende bis zu einer Dividende von 20 %. Boni, Sonderausschüttungen etc. an die Aktionäre gelten nicht als Dividende im Sinne dieser Regelung.“ Zulässig sind auch Ermessenstantiemen, zB „Der Aufsichtsrat setzt die Tantieme jeweils für das abgelaufene Geschäftsjahr fest. Bei der Festsetzung sind je hälftig zu berücksichtigen die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft und die Aufgaben und Leistungen von Herrn/Frau …“. Ermessenstantiemen können nach freiem Ermessen oder gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen vereinbart werden (vgl. BGH v. 21.4.1975, WM 1975, 761, 762 f.). Garantietantiemen werden zT für eine Übergangszeit in Sanierungsfällen vereinbart und dann durch eine variable Tantieme abgelöst. Soweit sie dauerhaft vereinbart sind, dient dies häufig der klaren Abgrenzung des Fixgehaltes von der übersteigenden Tantieme für die betriebliche Altersversorgung, Entgeltfortzahlung, Sterbegeld und ggf. Karenzentschädigung beim Wettbewerbsverbot (s. M 4.1a § 4 Abs. 1 lit. b m. Anm.). Umsatztantiemen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, vgl. BFH v. 9.6.2004 – I B 10/ 04, GmbHR 2004, 1160; Handbuch des Vorstandsrechts/Thüsing, § 6 Rz. 51; Münchener Handbuch GesR/ Kraft, § 49 Rz. 81. Auch die Vereinbarung nicht-finanzieller Ziele (z.B. Kundenerfolg, Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, spezifische Qualitätshürden für Produkte etc.) kommt als Bemessungsgrundlage variabler Vergütungskomponenten in Betracht (zu den Problemen im Hinblick auf die Messbarkeit vgl. Faber/v. Werder, AG 2014, 608).

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

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die nicht in entsprechendem Umfang auf der Leistung des Vorstandsmitglieds beruhen.26 Bei unterjährigem Beginn, Ende oder Ruhen des Dienstvertrages/bei unterjährigem Beginn oder Ende der Organstellung27 wird die Bezugsgröße pro rata temporis gekürzt. b) Die Tantieme beträgt maximal 30 % der Bezugsgröße gemäß lit. a. Die Höhe bestimmt sich nach dem Grad der Erreichung der persönlichen Ziele, die in einer jährlichen, an einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft ausgerichteten Zielvereinbarung festgelegt werden. c) Die Tantieme für das abgelaufene Geschäftsjahr wird zwei Monate nach dem Ende der ordentlichen Hauptversammlung fällig. Bestand der Dienstvertrag/die Organstellung28 während eines Geschäftsjahres nur zeitanteilig, so wird auch die Tantieme nur zeitanteilig gezahlt.29 (4) Herr/Frau … erhält einen Bonus (LTI) nach folgenden Regelungen:30 a) Der Bonus beträgt max. 70 % der Bezugsgröße gemäß Abs. 3 lit. a. Er wird zwei Monate nach Feststellung des Jahresabschlusses für das dritte Geschäftsjahr nach dem Geschäftsjahr fällig, für das jeweils die Tantieme gemäß Abs. 3 zu zahlen ist. b) Für die Höhe des Bonus ist maßgeblich die Abweichung zwischen dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gegenüber der vom Aufsichtsrat zuletzt genehmigten langfristigen Unternehmensplanung: – Liegt das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor Fälligkeit um nicht mehr als … % unter der vom Aufsichtsrat zuletzt genehmigten langfristigen Unternehmensplanung nach IFRS, so wird der Bonus in Höhe von 100 % ausgezahlt. – Liegt das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor Fälligkeit um mehr als … %, aber weniger als … % unter der vom Aufsichtsrat zuletzt genehmigten langfristigen Unternehmensplanung nach IFRS, so wird der LTI für jeden Prozentpunkt der Abweichung über … % hinaus um … % gekürzt. – Liegt das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr vor Fälligkeit um … % oder mehr unter der vom Aufsichtsrat zuletzt genehmigten langfristigen Unternehmensplanung nach IFRS, so wird kein Bonus ausgezahlt. c) Der Bonus ist auch dann zu zahlen, wenn das Dienstverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt gemäß lit. a nicht mehr besteht.31

26 Auf diesem Wege kann der Aufsichtsrat die Höhe von Tantieme und Bonus bei außerordentlichen Entwicklungen begrenzen, vgl. Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 4 DCGK. 27 Hier wäre jeweils auszuwählen, ob auf die Vertragslaufzeit oder die Organstellung abgestellt werden soll. 28 Grundsätzlich besteht der Anspruch auf Tantieme für die Dauer des Dienstvertrages und nicht nur für die Dauer der Organstellung. Soll sie daher mit Ende der Organstellung entfallen, muss dies ausdrücklich geregelt werden, Abs. 4 des Musters enthält eine solche Einschränkung (Einzelheiten bei Bauer/Göpfert/Siegrist, DB 2006, 1774). Soll der Tantiemeanspruch nur für die Dauer der Organstellung gelten, so wäre die Option „die Organstellung“ zu wählen, andernfalls die Option „der Dienstvertrag“. 29 Die Regelung hat in der Alternative „der Dienstvertrag“ nur klarstellende Bedeutung (vgl. zum GmbHGeschäftsführer OLG Hamm v. 8.10.1984 – 8 U 265/83, WM 1984, 1642; KölnKommAktG/Mertens, § 86 Rz. 12). 30 Zum Spielraum des Aufsichtsrates Mertens, AG 2011, 56; zur Zulässigkeit prospektiver und retrospektiver Gestaltung Rieckhoff, AG 2010, 617; Wagner, AG 2010, 774. 31 Die Interessen des Vorstandsmitglieds sind idR darauf gerichtet, dass der Bonus bei Beendigung des Dienstvertrages vollständig ausgezahlt wird. Dies könnte aber mit dem Nachhaltigkeitsgebot unvereinbar sein, da bei einer solchen Gestaltung das Vorstandsmitglied an einem kurzfristigen Erfolg im Jahr des Ausscheidens interessiert sein müsste. Daher wird hier die Lösung gewählt, dass der Bonus auch nach dem Ausscheiden des Vorstandsmitglieds noch fällig werden kann. Dadurch kann er aber in der Sache vom Erfolg oder Misserfolg des Nachfolgers des Vorstandsmitgliedes abhängen.

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Kap. 5

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

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(5) Herr/Frau … erhält Aktienoptionen nach Maßgabe des Aktienoptionsprogramms für Vorstandsmitglieder der Gesellschaft vom ….32 Evtl.33 (6) Erbringt Herr/Frau … während der Organstellung besondere Leistungen, die sich für die Gesellschaft signifikant vorteilhaft auswirken und die bei Abschluss dieses Dienstvertrages nicht voraussehbar waren, so kann der Aufsichtsrat über die Gewährung einer Sondervergütung entscheiden. Evtl.:34 Die Höhe der Sondervergütung richtet sich nach dem für die Gesellschaft erzielten Vorteil und wird wie folgt berechnet: … Kann über die Höhe dieser Sondervergütung zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied keine Einigung erzielt werden, entscheidet darüber endgültig (§ 317 BGB) die WP-Gesellschaft …35 Obergrenze für eine solche Sondervergütung ist ein Betrag von Euro …36

§ 4 Fortzahlung der Bezüge (1) Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit von Herrn/Frau …, die durch Krankheit oder einen von ihm/ihr nicht zu vertretenden Grund eintritt, werden ihm/ihr die Bezüge nach § 3 Abs. 1–4 bis zu zwölf37 Monate, längstens aber bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses weitergezahlt. Herr/Frau … muss sich auf diese Zahlungen anrechnen lassen, was er/sie von Kassen oder Versiche-

32 Näher zu Aktienoptionsplänen mit Formulierungsvorschlägen Kap. 12 Rz. 64 ff. sowie Adams, ZIP 2002, 1325; Baeck/Diller, DB 1998, 1405; Lingemann/Diller/Mengel, NZA 2000, 1191. Zur Beschränkung aktienbasierter Vergütungsbestandteile entsprechend Ziff. 4.2.3. Abs. 2 Satz 6 DCGK Goj, AG 2015, 173, 175 f. Anstelle echter Aktienoptionen werden auch phantom stocks oder stock appreciation rights vereinbart. 33 Gemäß BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72 (Mannesmann-Revisionsurteil) ist eine im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung für eine geschuldete Leistung, die ausschließlich belohnenden Charakter hat und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen kann („kompensationslose Anerkennungsprämie“) „als treupflichtwidrige Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens zu werten“ und damit Untreue gem. § 266 StGB (BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/ 04, ZIP 2006, 72, 74 unter (3)). Da sie bereits dem Grunde nach unzulässig ist, kommt es – so der BGH – auf eine eventuelle Verletzung des Angemessenheitsgebots nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht mehr an. Im Umkehrschluss müsste es zulässig sein, eine Anerkennungsprämie zu vereinbaren, wenn sie der Höhe nach dem Angemessenheitsgebot des § 87 AktG entspricht (Fleischer/Bauer, ZIP 2015, 1901, 1904 f.; Peltzer, ZIP 2006, 205, 207; Poguntke, ZIP 2011, 893, 895 f.). Das LG Essen (v. 9.9.2013 – 44 O 164/ 10, juris, Rz. 639), verlangt allerdings, dass die vertragliche Regelung die Grundsätze für die Ausübung eines Bonus-Ermessens des Aufsichtsrates selbst vertraglich festlegt und hierbei an „objektivierbaren und überprüfbaren Kriterien anknüpft“. Die vertragliche Regelung müsse „am „Geschäftserfolg“ anknüpfen“, also eine der Nachprüfung zugängliche kausale Verknüpfung zwischen einem wirtschaftlichen Unternehmenserfolg und der Prämie herstellen. Diese Ansicht wird zu Recht in der Literatur kritisiert (Fleischer/Bauer, ZIP 2015, 1901, 1905 ff.). Das LG Essen verkennt, dass auch der BGH bereits Ermessenstantiemen anerkannt hat (BGH v. 9.5.1994 – II ZR 128/93, DB 1994, 1351 zur GmbH & Co. KG). UE muss es ausreichen, wenn die Gewährung voraussetzt, dass sich die besonderen Leistungen des Vorstandes für die Gesellschaft signifikant vorteilhaft auswirken. Entspricht man den Anforderungen des LG Essen, würde es sich um eine normale Bonusvereinbarung handeln, wie in § 3 Abs. 2 bis 4 des Musters vorgesehen. Aus Sicht des Unternehmens ist die Vereinbarung einer Anerkennungsprämie, auch sofern sie zulässig ist, allerdings nicht ratsam, da sie insbesondere bei Aufhebung des Vorstandsvertrages zu erheblichen Auseinandersetzungen über Grund und ggf. Höhe einer solchen Prämie führen kann (Bauer/ Arnold, DB 2006, 546, 547). 34 Um den Anforderungen des LG Essen (v. 9.9.2013 – 44 O 164/10, juris, Rz. 639, s. Fn. 33) zu genügen, könnte man hier einen konkreten Berechnungsmodus aufnehmen. 35 Formulierung nach Peltzer, ZIP 2006, 205. 36 Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AktG soll der Aufsichtsrat für außerordentliche Entwicklungen eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbaren, sodass auch eine solche Prämie jedenfalls nicht mehr ohne Höchstgrenze gewährt werden darf. 37 Das EFZG gilt für Vorstandsmitglieder nicht, ebenso wenig wie für Geschäftsführer, vgl. Anm. zu M 4.1a § 5. Die Regelung im Muster ist großzügig, häufig werden auch sechs Monate vereinbart.

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Kap. 5

rungen an Krankengeld, Krankentagegeld oder Rente erhält, soweit die Leistungen nicht ausschließlich auf seinen/ihren Beiträgen beruhen. (2) Herr/Frau … tritt bereits jetzt etwaige Ansprüche an die Gesellschaft ab, die ihm/ihr gegenüber Dritten wegen der Arbeitsunfähigkeit zustehen. Die Abtretung ist begrenzt auf die Höhe der nach Abs. 1 geleisteten oder zu leistenden Zahlungen.38 (3) Stirbt Herr/Frau … während der Dauer dieses Vertrages, so haben seine Witwe/ihr Witwer, ersatzweise die nach § 7 Abs. 5–7 anspruchsberechtigten Kinder, Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes gemäß § 3 Abs. 1 für den Sterbemonat und die sechs folgenden Monate. Hinterlässt Herr/ Frau … weder Witwe/Witwer noch anspruchsberechtigte Kinder, so besteht kein Anspruch gemäß Satz 1. (4) Herr/Frau … wird sich mindestens einmal jährlich bei den Vertragsärzten der Gesellschaft auf Kosten der Gesellschaft einer gründlichen ärztlichen Untersuchung unterziehen und den Aufsichtsratsvorsitzenden von dem Ergebnis unterrichten.

§ 5 Versicherungen (1) Die Gesellschaft schließt für die Dauer dieses Vertrages zu Gunsten von Herrn/Frau … eine Unfallversicherung für Berufsunfälle und Unfälle des täglichen Lebens mit Deckungssummen von Euro … für den Todesfall und Euro … für den Invaliditätsfall ab. (2) Die Gesellschaft schließt für Herrn/Frau … eine Rechtsschutzversicherung mit einer Deckungssumme von Euro … je Schadensfall ab, die folgende Risiken erfasst: – Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für Vermögensschäden, – Verteidigung in Ermittlungs-, Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen fahrlässig begangener Delikte, – Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus diesem Dienstvertrag. (3) Die Gesellschaft schließt für Herrn/Frau … eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung („D&O“) mit einer Deckungssumme von Euro … und einem Selbstbehalt von 10 % des Schadens bis zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung39 zur Absicherung gegen Risiken aus der beruflichen Tätigkeit von Herrn/Frau … für die Gesellschaft ab.40 (4) Die Gesellschaft erstattet Herrn/Frau … im nachfolgenden Umfang die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Die Kostenerstattung beträgt grundsätzlich 50 % der von Herrn/ Frau … nachzuweisenden Aufwendungen, höchstens aber die Summe des von der Gesellschaft zu tragenden Anteils der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Falle des Bestehens eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses.

§ 6 Ruhegeld41 (1) Herr/Frau … hat im Pensionsfall Anspruch auf ein lebenslanges Ruhegeld. 38 Vgl. M 4.1a § 5 Abs. 2 m. Anm. 39 Angesichts der zahlreichen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit dem in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG vorgeschriebenen Selbstbehalt (vgl. nur Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2121 f.; Ihrig/Wandt/Wittgens, ZIP 2012, Beilage zu Heft 40, 22 ff.; Lange, VersR 2010, 162; Lingemann, BB 2009, 1918; Melot de Beauregard/ Gleich, NJW 2013, 824, 828 f.; Schulz, ZfV 2009, 558; Thüsing/Traut, NZA 2010, 140) wurde die Formulierung möglichst nah am Gesetzestext gewählt, allerdings wurde die Höhe des Selbstbehaltes festgelegt, während das Gesetz hier nur eine Mindestgrenze nennt. Zu Modellen zur Versicherung des Selbstbehaltes Gädtke/Wax, AG 2010, 851. 40 Die Formulierung zur Bezeichnung des D&O-Risikos wurde aus § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG übernommen. 41 Auch für Vorstandsmitglieder gelten die §§ 1–16 BetrAVG (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG). Dies gilt jedoch nicht, wenn das Vorstandsmitglied eine maßgebliche Beteiligung und Leitungsmacht in der Gesellschaft hat (BGH v. 2.6.1997 – II ZR 181/96, ZIP 1997, 1351, 1352). Bei einer Mehrheitsbeteiligung ist das BetrAVG daher nicht anwendbar (vgl. BGH v. 1.2.1999 – II ZR 276/97, NZA 1999, 380). Eine besondere unternehmerische Leitungsmacht kommt in Betracht, wenn die Kapitalbeteiligung nicht unerheblich ist, wovon man ab 10 % ausgeht (vgl. BGH v. 14.7.1980 – II ZR 224/79, WM 1980, 1114 einerseits BGH v. 9.6.1980 – II ZR

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(2) Der Pensionsfall liegt vor, wenn a) der Dienstvertrag mit oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 2 Abs. 6) endet42, b) der Dienstvertrag vor Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 2 Abs. 6) wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 5 endet. (3) Das Ruhegeld wird erstmals zum Monatsende für den Monat gezahlt, der auf den Eintritt des Pensionsfalls folgt. Versorgungsfähiges Einkommen ist das monatliche Fixgehalt gemäß § 3 Abs. 1. Das Ruhegeld beträgt 40 % dieses versorgungsfähigen Einkommens und erhöht sich pro Jahr (12 Monate) der Laufzeit der Vorstandsbestellung um 2 Prozentpunkte. Maximales Ruhegeld sind […] % des versorgungsfähigen Einkommens. Endet das Dienstverhältnis gemäß Abs. 2 lit. b, so erhält Herr/Frau … Ruhegeld in der Höhe, wie es bei einer Dienstzeit bis Vollendung des 62. Lebensjahres entstanden wäre. (4) Das Ruhegeld wird gemäß § 16 BetrAVG jeweils angepasst.43 (5) Im Falle von Abs. 2 lit. b muss sich Herr/Frau … bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 2 Abs. 6)44 auf das Ruhegeld … % anderweitiger Einkünfte aus selbständiger und unselbständiger Arbeit anrechnen lassen, soweit sie den anrechnungsfreien Betrag von insgesamt Euro … im Kalenderjahr überschreiten. Anrechnungspflichtige Einkünfte sind der Gesellschaft am Ende eines jeden Kalenderjahres unaufgefordert mitzuteilen. Die Gesellschaft kann eine vorläufige Kürzung des Ruhegeldes vorsehen. (6) Der Anspruch auf Ruhegeld ruht, solange Herr/Frau … ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden Wettbewerb iSv. § 11 betreibt.45 (7) Eine Abtretung oder Verpfändung des Ruhegeldanspruchs durch Herrn/Frau … ist ausgeschlossen. (8) Endet der Dienstvertrag vor Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 2 Abs. 6), ohne dass der Pensionsfall nach Abs. 2 lit. b eintritt, so behält Herr/Frau … seine/ihre Anwartschaft auf Versorgungsleistungen in dem nach § 2 Abs. 1 BetrAVG vorgeschriebenen Umfang, falls die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit erfüllt sind.46

42 43 44 45 46

180/79, WM 1980, 822 andererseits). Auch soweit das BetrAVG anwendbar ist, kann von tarifdispositiven Regelungen des BetrAVG (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) auch zu Lasten des Organmitgliedes abgewichen werden (BAG v. 21.4.2009, ZTR 2009, 657; dazu Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). In Betracht kommen insbesondere Abweichungen beim Anspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG), der Ermittlung der Höhe der ratierlichen Anwartschaft (§ 2 BetrAVG), der Berechnung der vorzeitigen Altersrente (§ 2 iVm. § 6 BetrAVG), dem Abfindungsverbot (§ 3 BetrAVG), dem Übertragungsanspruch und der Übertragungsbeschränkung (§ 4 BetrAVG), dem Auskunftsanspruch (§ 4a BetrAVG), dem Auszehrungs- und Anrechnungsverbot (§ 5 BetrAVG), der Anpassungspflicht (§ 16 BetrAVG) und der Verjährung (§ 18a BetrAVG) (Einzelheiten bei Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281). Solche Abweichungen sind bisher allerdings nicht sehr verbreitet. Zu Kürzungsmöglichkeiten s. M 5.1, § 6 Abs. 9 m. Anm. Bisher wurden Pensionszusagen für Organmitglieder steuerlich anerkannt bei einer Pensionsberechtigung ab dem 60. Lebensjahr. Gemäß Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums v. 31.3.2010 (BStBl. I 2010, 279, Rz. 249) gilt dies nunmehr nur noch ab dem 62. Lebensjahr. Soweit das BetrAVG für Vorstandsmitglieder gilt, greift auch § 16 BetrAVG, ist jedoch wohl abdingbar, Einzelheiten s. Fn. 41. Sollen anderweitige Einkünfte auch nach Erreichen der Altersgrenze angerechnet werden, so muss dies ausdrücklich geregelt sein (OLG Hamburg v. 13.3.1992 – 11 U 184/91, WM 1992, 786, 788). Das Muster sieht eine Anrechnung nur bis zur Altersgrenze vor. Die Wirksamkeit von Abs. 6 ist fraglich, da sie mittelbar ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot darstellt. Zu dessen Voraussetzungen im Einzelnen vgl. M 4.1a § 14 m. Anm. Soweit das BetrAVG für Vorstandsmitglieder gilt (Fn. 41), greift auch die gesetzliche Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG und damit der Insolvenzschutz über den Pensionssicherungsverein bei gesetzlicher Unverfallbarkeit. Damit greift grundsätzlich auch die ratierliche Kürzung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, die hier vorsorglich noch einmal geregelt ist; sie wäre wohl auch abdingbar, Einzelheiten s. Fn. 41. Soweit das BetrAVG nicht anwendbar ist, kann Insolvenzschutz nur in anderer Weise (zB Rückdeckungsversicherung) herbeigeführt werden (vgl. näher M 4.1a § 7 m. Anm.).

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(9) Die Befugnis der Gesellschaft zur Kürzung oder Einstellung der Ruhegeldzahlungen bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften.47

§ 7 Witwen- und Waisenversorgung48 (1) Stirbt Herr/Frau … während der Laufzeit des Dienstvertrages oder nach Eintritt des Pensionsfalls, so hat seine Witwe/ihr Witwer Anspruch auf ein lebenslanges Witwengeld/Witwergeld, sofern die Ehe im Zeitpunkt des Todes bestanden hat.49 (2) Das Witwengeld beträgt 60 % des Ruhegeldes. Stirbt Herr/Frau … nach Eintritt des Pensionsfalls, so ist Bezugsgröße das Ruhegeld, das er/sie am Todestag bezogen hat. Stirbt Herr/Frau … während der Laufzeit des Dienstvertrages, so ist Bezugsgröße das Ruhegeld, das er/sie bezogen hätte, wenn an diesem Tag der Pensionsfall gemäß Abs. 2 lit. b eingetreten wäre. (3) Das Witwengeld ermäßigt sich um … Prozentpunkte, falls Herr/Frau … mehr als 15 Jahre, und um … Prozentpunkte, falls Herr/Frau … mehr als 20 Jahre, und um … Prozentpunkte, falls Herr/Frau … mehr als 25 Jahre älter als seine Ehefrau/ihr Ehemann war. oder (3) Ist die Witwe/der Witwer 15 Jahre jünger als Herr/Frau …, so ruht der Anspruch auf Witwengeld für die Anzahl der Monate, die sich aus der Differenz des Altersunterschieds in Monaten abzüglich von 180 Monaten ergeben. Angebrochene Monate bleiben unberücksichtigt.50 47 Bis zum Inkrafttreten des VorstAG am 5.8.2009 konnten Ruhegeldansprüche nur nach Maßgabe der vertraglich auch nicht erweiterbaren Widerrufsvoraussetzungen gekürzt oder eingestellt werden (vgl. BAG v. 8.5.1990 – 3 AZR 152/88, DB 1990, 2173; v. 8.2.1983 – 3 AZR 463/80, DB 1983, 1770). Eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens (vgl. BGH v. 14.5.1964, WM 1964, 675; v. 11.2.1985 – II ZR 194/84, ZIP 1985, 760, 761 f.; BAG v. 11.9.1980 – 3 AZR 544/79, ZIP 1981, 307, 308 f.) oder „schwerste Verfehlungen“ bzw. außerordentliche Pflichtverletzungen, nach denen ein Entgelt auch für langjährige Tätigkeit nicht mehr verdient ist (BGH v. 25.11.1996 – II ZR 118/95, AG 1997, 265, 266; v. 22.6.1981 – II ZR 146/80, WM 1981, 940: „wenn die Pflichtverletzungen einen auf andere Weise nicht wieder gutzumachenden Schaden angerichtet haben“), konnten einen Widerruf rechtfertigen, ein besonders strenger Maßstab galt für den Widerruf bei Pflichtverletzungen des Pensionärs (BGH v. 7.1.1971, BGHZ 55, 274, 279; v. 19.12.1983 – II ZR 71/83, NJW 1984, 1529). Mit Einführung des VorstAG können nach § 87 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG auch Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezug und Leistungen verwandter Art bis zu drei Jahre nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch herabgesetzt werden, wobei die Frist wohl durch das Ende des Dienstvertrages ausgelöst wird (Lingemann, BB 2009, 1918, 1921). § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG ist sicherlich lex specialis gegenüber den restriktiven Widerrufsregelungen des BetrAVG, zu beachten ist zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wobei den Kriterien der Drei-Stufen-Theorie des BAG (BAG v. 9.12.2014 – 3 AZR 323/13, NZA 2015, 1198 Rz. 21 ff.; v. 15.1.2013 – 3 AZR 169/10, NZA 2013, 1028 Rz. 51 ff.; v. 28.6.2011 – 3 AZR 282/09, NZA 2012, 1229) besondere Bedeutung zukommt. Auch gilt für die Entscheidung über Ob und Umfang der Herabsetzung die Business Judgement Rule, §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, so dass vom Aufsichtsrat eine Punktlandung nicht verlangt werden kann (Einzelheiten Lingemann, BB 2009, 1918, 1921 f.; Diller, NZG 2009, 1006). 48 Die Versorgungszusage ist insoweit ein Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall gemäß §§ 328, 331 BGB. § 518 Abs. 2 BGB ist auch noch bei Aufnahme der Versorgungszusage nach dem Tod des Vorstandsmitglieds gewahrt (BGH v. 26.11.1974, BGHZ 66, 8, 12 ff.; v. 30.11.1974, NJW 1975, 382). 49 Zur Geltung auch für eingetragene Lebenspartnerschaften vgl. M 4.1a § 7, 2. Alt., Abs. 3 m. Anm. 50 Die Vereinbarung von Späteheklauseln (vgl. Kap. 2 Rz. 126a, wonach die Ehe vor der Vollendung des 60. Lebensjahres durch den Versorgungsberechtigen geschlossen sein muss oder nur die „jetzige“ Ehefrau begünstigt wird, hält das BAG nunmehr für unwirksam gem. § 7 Abs. 2 AGG, da es darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, 7 GG sieht, die nicht gem. § 10 AGG gerechtfertigt ist (BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 397/15, PM 11/17; v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447; str., anders noch BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 509/08, NZA 2011, 1092; LAG BW v. 12.11.2009, NZA-RR 2010, 315; OVG Rh.-Pf. v. 26.5.2010 – 6 A 10320/10, DStRE 2010, 1339; Thum, BB 2008, 2295; Rolfs, NZA 2008, 557). Für die Vereinbarung einer Späteheklausel mit Vorstandsmitgliedern gilt das uE jedoch nicht, da sie

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(4) Ein Anspruch auf Witwengeld besteht nicht, wenn die Ehe erst nach der Pensionierung geschlossen wurde51 oder wenn die Ehe nur geschlossen wurde, um den Hinterbliebenen die Leistungen zuzuwenden. Das Witwengeld entfällt, wenn die Witwe/der Witwer sich erneut verheiratet, mit Ablauf des Monats der Wiederverheiratung.52 Der Anspruch auf Witwengeld lebt wieder auf, wenn diese Ehe endet. Auf das Ruhegeld sind jedoch Versorgungsansprüche aus dieser Ehe in vollem Umfang anzurechnen. (5) Stirbt Herr/Frau … während der Laufzeit des Dienstvertrages oder nach Eintritt des Pensionsfalls, hat jedes seiner/ihrer unterhaltsberechtigten Kinder Anspruch auf ein Waisengeld in Höhe von jeweils 15 % der Bezugsgröße gemäß Abs. 2. Solange kein Anspruch auf Witwengeld besteht, beträgt das Waisengeld 25 % der Bezugsgröße gemäß Abs. 2. (6) Das Waisengeld wird bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gezahlt, darüber hinaus nur für Zeiten der Schul- oder Berufsausbildung einschließlich des Wehr- oder Zivildienstes, längstens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr.53 (7) Kinder aus einer Ehe, die nach der Pensionierung geschlossen wurde, haben keinen Anspruch auf Waisengeld. (8) Witwen- und Waisengelder dürfen zusammen den Betrag des Ruhegeldes nicht übersteigen. Ein übersteigender Betrag wird an den Waisenrenten zu je gleichen Teilen gekürzt. (9) Witwen- und Waisengelder werden jeweils am Monatsende gezahlt, letztmalig für den Monat, in dem die Anspruchsvoraussetzungen entfallen. Ansprüche auf Witwen- und Waisengelder bestehen solange nicht, wie die Bezüge nach § 4 Abs. 3 fortgezahlt werden. (10) Witwen- und Waisengelder kann die Gesellschaft mit befreiender Wirkung an die Witwe/den Witwer zahlen, Waisengelder an eine der Waisen. (11) § 6 Abs. 5, 6 und 7 gelten entsprechend für Witwen- und Waisengelder, Abs. 5 mit der Maßgabe, dass Euro … anrechnungsfrei sind. (12) Die Befugnis der Gesellschaft zur Kürzung oder Einstellung der Witwen- und Waisenversorgung bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften.54

§ 8 Dienstwagen55 (1) Die Gesellschaft stellt Herrn/Frau … bis zur Beendigung der Vorstandsbestellung einen Pkw, Typ … oder gleichwertig, mit Fahrer zur Verfügung. Herr/Frau … darf den Pkw ohne Fahrer auch privat nutzen. Die Einkommensteuer auf den Geldwertvorteil der Privatnutzung trägt Herr/Frau …

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nicht am AGG zu messen ist, vgl. § 6 Abs. 3 AGG, der die entsprechende Anwendung der Diskriminierungsverbote für Organmitglieder nur hinsichtlich des Zugangs zur Erwerbstätigkeit und des beruflichen Aufstiegs anordnet (vgl. auch Cisch/Böhm, BB 2007, 602, 603). Gleichwohl kann es ratsam sein, nicht mehr auf Lebensalter unterhalb der Versorgungsgrenze abzustellen. Zu Gestaltungsalternativen s. insbesondere Bauer/Krieger, NZA 2016, 22 ff.; vgl. auch Wortmann, ArbRB 2016, 276. Altersabstandsklauseln sind nach Auffassung des BAG hingegen mit dem Verbot der Alters- und Geschlechtsdiskriminierung vereinbar (BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 352/05 (A), NZA 2006, 1276; krit. EuGH v. 23.9.2008 – Rs. C-427/06, NZA 2008, 1119; Preis/Temming, NZA 2008, 1209). Der zweite Formulierungsvorschlag geht zurück auf Preis/Temming, NZA 2008, 1209, 1216, die dadurch den Altersunterschied nicht über die Höhe, sondern über einen Ruhenszeitraum europarechtskonform berücksichtigen wollen; s. auch ArbG Köln v. 20.7.2016 – 7 Ca 6880/ 15 zu einer zulässigen Altersabstandsklausel m. Anm. Mutter, AG 2016, R 302. In dieser Regelung liegt kein Verstoß gegen das AGG (BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 653/11, NZA 2014, 308). Zu den Gestaltungsalternativen, auch bei Späteheklauseln vgl. Bauer/Krieger, NZA 2016, 22 ff.; Reinecke, BB 2012, 1025, 1027 f. Pensionsrückstellungen sind nur für Versorgungen im Rahmen von § 32 Abs. 3 und 4 Satz 1–3 EStG zulässig, soweit die Versorgungszusage erstmals nach dem 31.12.2006 erteilt wurde. Höchstalter für Waisenversorgung ist damit das 25. Lebensjahr. Alternativ könnte man unmittelbar auf § 32 EStG in seiner jeweiligen Fassung Bezug nehmen. Zu Einzelheiten der Kürzungsmöglichkeiten s. Anm. zu § 6 Abs. 9 des Musters. Einzelheiten vgl. Einf. Kap. 12 Rz. 42 ff. und M 12.21.

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(2) Das Fahrzeug ist beim Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft oder nach einer Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unverzüglich an die Gesellschaft zu übergeben. Herr/ Frau … hat kein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug und keinen Anspruch auf Abgeltung entgangener Gebrauchsvorteile.56 oder (2) Das Dienstfahrzeug steht Herrn/Frau … für die gesamte Dauer des Vertrages zu.

§ 9 Spesen (1) Reisekosten und sonstige Aufwendungen, die Herrn/Frau … in der Ausübung seiner/ihrer Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehen, werden ihm/ihr … im angemessenen Rahmen ersetzt. (2) Die Gesellschaft trägt bis zur Beendigung der Vorstandsbestellung die einmaligen und laufenden Kosten eines zusätzlichen Telefon-, Internet und Telefaxanschlusses in der Wohnung von Herrn/ Frau … sowie die Kosten für ein dienstliches Smartphone, jeweils mit den dazugehörigen Vertrags-, Geräte- und Verbindungskosten; Herr/Frau … darf Telefon, Internet, Telefax und Smartphone in angemessenem Umfang auch privat nutzen. Die Einkommensteuer auf den geldwerten Vorteil für die private Nutzung trägt Herr/Frau …

§ 10 Urlaub (1) Herr/Frau … hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von sechs Wochen, der in Teilabschnitten genommen werden soll und dessen Lage mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats abzustimmen ist.57 Evtl. (2) Kann Herr/Frau … Urlaub nicht nehmen, weil die Interessen der Gesellschaft entgegenstehen, so ist der restliche Urlaubsanspruch auf das nächste Jahr zu übertragen. Eine weitere Übertragung auf die folgenden Jahre findet nicht statt. (3) Herr/Frau … wird dafür sorgen, dass er/sie auch im Urlaub kurzfristig erreichbar ist.

§ 11 Wettbewerbsverbot58 Herr/Frau … wird nicht ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Aufsichtsrates59 der Gesellschaft während der Dauer dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein 56 Bei vorzeitiger Rückforderung des Dienstfahrzeugs hätte das Vorstandsmitglied ohne diese Regelung einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. Dies wäre zB bei Vereinbarung des Alternativvorschlages im Muster der Fall. Zur Höhe s. M 4.1a § 9 Abs. 2 m. Anm. 57 Das BUrlG und damit auch der Mindesturlaub von 24 Werktagen gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG gilt für Vorstandsmitglieder nicht, vgl. § 1 BUrlG. Wird der Urlaub nach Tagen berechnet, so ist zu beachten, dass Werktage auch den Samstag umfassen (vgl. § 3 Abs. 2 BUrlG), Arbeitstage dagegen nur Montag bis Freitag. Sechs Wochen sind also 36 Werktage oder 30 Arbeitstage. Die Vereinbarung von Werktagen ist zwar Terminologie des BUrlG, aber unüblich. 58 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 7. Aufl. 2015, S. 408. Für den Vorstand enthält schon § 88 AktG ein weit gehendes Wettbewerbs- und zT Nebentätigkeitsverbot für die Amtszeit. Tätigkeit im Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft oder Beteiligung ohne Mitwirkung an der Geschäftsführung erfasst § 88 Abs. 1 AktG jedoch nicht (Hüffer, § 88 AktG Rz. 4). Das Wettbewerbsverbot wird im Dienstvertrag meist ausgedehnt zumindest auf Beteiligungen an Konkurrenzunternehmen. Ausgenommen ist in der Regel Anteilsbesitz im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung, der keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ermöglicht (vgl. § 11, letzter Satz des Musters; zu Aufklärungspflichten bei Aufsichtsratsmandaten in Kreditinstituten vgl. § 128 Abs. 3 AktG, dazu Lingemann/Wasmann, BB 1998, 853, 855). Nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG dürfen Vorstandsmitglieder auch nicht Mitglied des Vorstands, Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter einer anderen Gesellschaft sein. Vorstandsdoppelmandate sind mit Einwilligung des Aufsichtsrates beider Gesellschaften zulässig (vgl. BGH v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105); die Einschränkung von Nebentätigkeiten ist bereits in § 1 Abs. 2 des Musters geregelt. 59 Einwilligung bedeutet bereits vorherige Zustimmung (§ 183 BGB). Fehlt diese, so hindert auch eine spätere Genehmigung Ersatzansprüche der AG für die Zwischenzeit nicht (vgl. § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG).

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Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

M 5.1

Unternehmen tätig werden, welches mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es ihm/ihr untersagt, während der Dauer dieses Vertrages ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen.60 Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen. Herr/Frau … wird den Aufsichtsratsvorsitzenden unterrichten, falls ein Mitglied seiner/ihrer Familie (Angehörige iSv. § 15 AO) eine Beteiligung an einem solchen Unternehmen hält. Anteilsbesitz im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung, der keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens ermöglicht, gilt nicht als Beteiligung im Sinne dieser Bestimmung; dies wird bei einem Anteilsbesitz von bis zu 5 % vermutet.

§ 12 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot S. M 4.1a § 14.

§ 13 Geheimhaltung61 Herr/Frau … verpflichtet sich, über alle vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft und der mit ihr verbundenen Unternehmen, insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm/ihr durch seine/ihre Tätigkeit bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Diese Verpflichtung gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Dienstvertrages.

§ 14 Rückgabe von Unterlagen62 Herr/Frau … verpflichtet sich, die in seinem/ihrem Besitz befindlichen geschäftlichen Unterlagen und Schriftstücke der Gesellschaft einschließlich Abschriften, Ablichtungen, Kopien, EDV-Dateien etc. – gleich auf welchem Datenträger – nebst Zugangsdaten auf Aufforderung jederzeit, bei Beendigung der Organstellung auch ohne Aufforderung, dem Vorstand oder einem Beauftragten des Vorstands auszuhändigen. Ein Zurückbehaltungsrecht an solchen Unterlagen und Schriftstücken ist ausgeschlossen.

§ 15 Erfindungen63 Erfindungen, die Herr/Frau … während der Dauer des Dienstvertrages macht, sowie die Verwertung von technischen oder organisatorischen Verbesserungsvorschlägen, die sich unmittelbar oder mittelbar aus den Aufgaben von Herrn/Frau … in der Gesellschaft ergeben oder die mit dieser Tätigkeit

60 61

62

63

Über die Einwilligung kann nur der Aufsichtsrat oder ein zuständiger Ausschuss (§ 107 Abs. 3 AktG) beschließen (§ 108 Abs. 1 AktG). Duldung ersetzt die ausdrückliche Einwilligung nicht (Hüffer/Koch, § 88 AktG Rz. 5 mwN). Beteiligungen an anderen Gesellschaften werden von § 88 Abs. 1 AktG nicht erfasst, soweit sie nicht mit einer Geschäftsführung verbunden sind. Daher bedarf es gegebenenfalls gesonderter Regelung. Die Regelung hat nur klarstellende Bedeutung. Eine Verschärfung der in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG geregelten Geheimhaltung in Vertrag, Satzung oder Geschäftsordnung wäre wohl nicht wirksam (so zum Aufsichtsratsmitglied, § 116 iVm. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 = NJW 1975, 1412; für das Vorstandsmitglied dürfte dies gleichermaßen gelten). Auch ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag besteht der Anspruch der Gesellschaft auf Herausgabe von Unterlagen analog § 667 BGB (zum GmbH-Geschäftsführer BGH v. 7.7.2008 – II ZR 71/07, NZG 2008, 834; v. 3.12.1962, WM 1963, 161, 162; Münchener Handbuch AG/Wiesner, § 21 Rz. 102). Auch ein Zurückbehaltungsrecht scheidet wohl aus (zum GmbH-Geschäftsführer BGH v. 11.7.1968, WM 1968, 1325). Vgl. M 4.1a § 16 m. Anm. Nach hM ist das Arbeitnehmererfindungsgesetz ohne gesonderte Regelung weder unmittelbar noch analog auf Vorstandsmitglieder anwendbar (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 5. Aufl. 2013, § 1 Rz. 68 f.; zu einer Angebotspflicht auch des Vorstandes sowie zur Pflicht zur ggf. unentgeltlichen Übertragung vgl. Bauer, DB 1992, 1413, 1418 mwN). Die Vereinbarung der Anwendung des Gesetzes ist jedoch zulässig. Alternativ kommt in Betracht, auch die Rechte an Erfindungen ohne gesonderte Vergütung der Gesellschaft zu übertragen, wie im Muster vorgesehen; zu alternativen Formulierungen s. M 4.1a § 16. Enthält der Vertrag keine Regelung, so steht dem Vorstand die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zu (so zum Geschäftsführer BGH v. 24.10.1989 – X ZR 58/ 88, WM 1990, 350).

224

Lingemann

M 5.1

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

Kap. 5

zusammenhängen, stehen ausschließlich der Gesellschaft zu. Sie sind gegenüber Herrn/Frau … mit den Bezügen abgegolten; eine gesonderte Erfindervergütung steht Herrn/Frau … nicht zu.

§ 16 Ausschluss des Urkundenprozesses Keine Partei ist berechtigt, Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis im Wege des Urkundenprozesses gemäß §§ 592 ff. ZPO geltend zu machen.64

§ 17 Salvatorische Klausel65 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden oder sollte sich in diesem Vertrag eine Lücke befinden, so soll hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt werden. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.66 Im Falle einer Lücke gilt diejenige Bestimmung als vereinbart, die dem entspricht, was nach Sinn und Zweck dieses Vertrages vereinbart worden wäre, hätte man die Angelegenheit von vornherein bedacht. Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit einer Bestimmung auf einem in diesem Vertrag normierten Maß der Leistung oder Zeit beruht; in einem solchen Fall tritt ein dem Gewollten möglichst nahe kommendes rechtlich zulässiges Maß der Leistung oder Zeit an Stelle des Vereinbarten.

§ 18 Schlussbestimmungen (1) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.67 (2) Dieser Vertrag wird dreimal ausgefertigt, je eine Ausfertigung erhalten der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Herr/Frau … und die Gesellschaft. (3) Der Vertrag tritt an die Stelle des Vertrages vom … mit allen späteren Änderungen, der damit endet.68 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

Aktiengesellschaft Der Aufsichtsrat … (Vorsitzender)

… (Herr/Frau …)

64 Der BGH hält den Ausschluss des Urkundenprozesses bei Rückgriff aufgrund einer Bürgschaft auf erstes Anfordern für zulässig (BGH v. 12.7.2001 – IX ZR 380/98, NJW 2001, 3549). Der Ausschluss des Urkundenprozesses kann daher zumindest individualvertraglich vereinbart werden (ohne Differenzierung nach AGB und Individualvertrag: MünchKommZPO/Braun, 4. Aufl. 2012, § 592 Rz. 8; Musielak/Voit, 13. Aufl. 2016, § 592 ZPO Rz. 15; Zöller/Greger, Vorbem. § 592 ZPO Rz. 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, § 592 ZPO Rz. 2). In Formularverträgen für Organe ist der Ausschluss dann zulässig, wenn er für beide Vertragsparteien gilt. Er ist bisher allerdings noch wenig verbreitet. 65 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 66 S. M 3.1, § 26 m. Anm. 67 Zur Schriftformklausel im Einzelnen vgl. M 4.1a § 18 m. Anm. 68 Diese Regelung ist nur erforderlich, wenn das Vorstandsmitglied zuvor Angestellter der Gesellschaft war und dient dazu, ein ruhendes Arbeitsverhältnis zu beseitigen (dazu im Einzelnen M 4.1a § 3 Abs. 1 m. Anm.). Das Risiko ist allerdings beim Vorstandsmitglied gering.

Lingemann

225

Kap. 5

M 5.2

Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds

M 5.2

Schreiben zur Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG

[Briefkopf des Aufsichtsratsvorsitzenden der X AG] Herrn Ort, Datum Sehr geehrter Herr …, wie ich Ihnen bereits mündlich erläutert habe,1 hat der Aufsichtsrat der X AG Ihre Vergütung2 und Ihr Ruhegehalt3 herabgesetzt. Anbei erhalten Sie die Niederschrift über die Beschlussfassung des Aufsichtsrats der X AG vom … im Original.4 Danach hat mich der Aufsichtsrat beauftragt und bevollmächtigt, Ihnen die Beschlüsse des Aufsichtsrats mitzuteilen und alle Maßnahmen zur Durchführung der Beschlüsse zu ergreifen. Namens und im Auftrag des Aufsichtsrats der X AG teile ich Ihnen daher hiermit folgende Beschlüsse gemäß § 87 Abs. 2 AktG mit: 1. Ihre Festbezüge werden in Abweichung von § 3 Ihres Dienstvertrags vom … samt Nachträgen von Euro … brutto p.a. auf Euro …5 brutto p.a. herabgesetzt; Tantieme und Bonus entfallen. Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet.6 2. Ihr Ruhegehalt wird in Abweichung von § 7 Ihres Dienstvertrags vom … samt Nachträgen auf Euro … brutto p.a. herabgesetzt, damit reduziert sich auch die Hinterbliebenenversorgung entsprechend. Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet. Mit freundlichen Grüßen … (Aufsichtsratsvorsitzender der X AG) 1 Natürlich ist eine solche Erläuterung rechtlich nicht zwingend, kann aber zur Akzeptanz der Entscheidung beitragen. 2 Nach § 87 Abs. 2 AktG soll der Aufsichtsrat die Bezüge auf eine angemessene Höhe herabsetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft so verschlechtert, dass die Weitergewährung der Bezüge nach § 87 Abs. 1 AktG unbillig für die Gesellschaft wäre. Der Aufsichtsrat ist in diesem Fall idR zu einer Herabsetzung verpflichtet und darf nur in besonderen Fällen davon absehen, BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236 Rz. 43, dazu Kort, AG 2016, 209; Weber, DB 2016, 815. 3 Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 2 AktG können im Fall des § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft nach Satz 1 herabgesetzt werden, aber natürlich auch, wie hier, noch während des Bestandes des Dienstvertrages. 4 Die Kundgabe des Herabsetzungsbeschlusses gegenüber dem Vorstandsmitglied genügt in der Regel, um die Gestaltungswirkung und damit die Änderung der Vergütungsvereinbarung eintreten zu lassen, BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236 Rz. 31. 5 Die neu festgesetzte Höhe muss mindestens auf einen Betrag erfolgen, der nicht mehr unbillig iSd. § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG ist, andererseits darf er auch nicht weitergehen als es die Billigkeit erfordert, BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, Rz. 44/45, siehe auch Einf. Rz. 16. Der BGH verlangt damit letztlich, eine Punktlandung (aA Lingemann, BB 2009, 1819 ff., kritisch auch Kort, AG 2016, 209; Weber, DB 2016, 815). 6 Die Gesellschaft muss den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, das kann im Einzelfall bedeuten, dass die Herabsetzung nur befristet erfolgt, Lingemann, BB 2009, 1819 ff.

226 Lingemann

Besondere Arbeitsverträge

M 5.3

Kap. 6

Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG

Der Aufsichtsrat beschließt einstimmig gemäß § 87 Abs. 2 AktG: 1. In Abweichung von § 3 des Dienstvertrags vom … samt Nachträgen werden die Festbezüge von Herrn … von Euro … brutto p.a. auf Euro …1 brutto p.a. herabgesetzt; Tantieme und Bonus entfallen.2 Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet. 2. In Abweichung von § 7 des Dienstvertrags vom … samt Nachträgen wird das Ruhegehalt von Herrn … auf Euro … brutto p.a. herabgesetzt. Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet. 3. Der Aufsichtsratsvorsitzende wird beauftragt und bevollmächtigt, Herrn … diese Beschlüsse des Aufsichtsrats mitzuteilen und alle Maßnahmen zur Durchführung dieser Beschlüsse zu ergreifen. Dies schließt auch die Prozessführung und die Einlegung von Rechtsbehelfen aller Art ein. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist berechtigt, Untervollmacht zu erteilen. 1 Im Fall des BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, hatte der Aufsichtsrat nicht ausdrücklich über einen bestimmten Betrag Beschluss gefasst, der Beschluss war aber dahin auszulegen (BGH v. 27.10.2015, NJW 2016, 1236 Rz. 28). 2 Im Fall des BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236 hatte der Aufsichtsrat nicht festgelegt, welche Gehaltsbestandteile in welchem Umfang innerhalb des Maximalbetrages anteilig zu kürzen waren. Auch das hielt der BGH aufgrund Auslegungsmöglichkeit nicht für schädlich (Rz. 30). Die Angabe, ist gleichwohl zu empfehlen.

Kapitel 6 I. Einführung 1. Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befristung aufgrund eines sachlichen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kalendermäßige Befristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 1 TzBfG (M 6.1.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckbefristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG (M 6.1.2; M 6.1.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auflösende Bedingung . . . . . . . . dd) Befristung einzelner Vertragsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Befristung aufgrund gesetzlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 14 Abs. 2, 2a, 3 TzBfG – Sachgrundlose Befristung (M 6.1.6; M 6.1.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 21 BEEG, § 6 PflegeZG und § 9 FPfZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Befristungen im Hochschulbereich 2. Teilzeitarbeit (M 6.2.1) . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit . . .

Besondere Arbeitsverträge

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1

10 27 28 29 31 32 33 38 39 42 44

b) Geltendmachung des Teilzeitanspruchs (M 6.2.2; M 6.2.3) . . . . . . . . . . . . . . c) Ablehnung des Teilzeitantrags (M 6.2.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Klage auf Teilzeitarbeit aa) Klageart bei wirksamer Ablehnung des Arbeitgebers (M 6.2.5) . . . . . bb) Entgegenstehende betriebliche Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verringerung . . . (2) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verteilung . . . . . (3) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Klageart bei Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und/oder 3 (M 6.2.6) . . . . . dd) Einstweilige Verfügung (M 6.2.7) e) Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 5–7 BEEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Teilzeitanspruch nach § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Teilzeitanspruch nach § 3 PflegeZG . . h) Durchführung der Teilzeitarbeit (M 6.2.8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Lingemann

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 47 50 52 54 55 61 63 64 66 69 76 77 78

227

Besondere Arbeitsverträge

M 5.3

Kap. 6

Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Herabsetzung der Bezüge und Versorgung des Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 2 AktG

Der Aufsichtsrat beschließt einstimmig gemäß § 87 Abs. 2 AktG: 1. In Abweichung von § 3 des Dienstvertrags vom … samt Nachträgen werden die Festbezüge von Herrn … von Euro … brutto p.a. auf Euro …1 brutto p.a. herabgesetzt; Tantieme und Bonus entfallen.2 Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet. 2. In Abweichung von § 7 des Dienstvertrags vom … samt Nachträgen wird das Ruhegehalt von Herrn … auf Euro … brutto p.a. herabgesetzt. Die Herabsetzung wirkt sofort und unbefristet. 3. Der Aufsichtsratsvorsitzende wird beauftragt und bevollmächtigt, Herrn … diese Beschlüsse des Aufsichtsrats mitzuteilen und alle Maßnahmen zur Durchführung dieser Beschlüsse zu ergreifen. Dies schließt auch die Prozessführung und die Einlegung von Rechtsbehelfen aller Art ein. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist berechtigt, Untervollmacht zu erteilen. 1 Im Fall des BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236, hatte der Aufsichtsrat nicht ausdrücklich über einen bestimmten Betrag Beschluss gefasst, der Beschluss war aber dahin auszulegen (BGH v. 27.10.2015, NJW 2016, 1236 Rz. 28). 2 Im Fall des BGH v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, NJW 2016, 1236 hatte der Aufsichtsrat nicht festgelegt, welche Gehaltsbestandteile in welchem Umfang innerhalb des Maximalbetrages anteilig zu kürzen waren. Auch das hielt der BGH aufgrund Auslegungsmöglichkeit nicht für schädlich (Rz. 30). Die Angabe, ist gleichwohl zu empfehlen.

Kapitel 6 I. Einführung 1. Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befristung aufgrund eines sachlichen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kalendermäßige Befristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 1 TzBfG (M 6.1.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckbefristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG (M 6.1.2; M 6.1.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auflösende Bedingung . . . . . . . . dd) Befristung einzelner Vertragsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Befristung aufgrund gesetzlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 14 Abs. 2, 2a, 3 TzBfG – Sachgrundlose Befristung (M 6.1.6; M 6.1.9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 21 BEEG, § 6 PflegeZG und § 9 FPfZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Befristungen im Hochschulbereich 2. Teilzeitarbeit (M 6.2.1) . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit . . .

Besondere Arbeitsverträge

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1

10 27 28 29 31 32 33 38 39 42 44

b) Geltendmachung des Teilzeitanspruchs (M 6.2.2; M 6.2.3) . . . . . . . . . . . . . . c) Ablehnung des Teilzeitantrags (M 6.2.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Klage auf Teilzeitarbeit aa) Klageart bei wirksamer Ablehnung des Arbeitgebers (M 6.2.5) . . . . . bb) Entgegenstehende betriebliche Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verringerung . . . (2) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verteilung . . . . . (3) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Klageart bei Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und/oder 3 (M 6.2.6) . . . . . dd) Einstweilige Verfügung (M 6.2.7) e) Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 5–7 BEEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Teilzeitanspruch nach § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Teilzeitanspruch nach § 3 PflegeZG . . h) Durchführung der Teilzeitarbeit (M 6.2.8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Lingemann

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 47 50 52 54 55 61 63 64 66 69 76 77 78

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Kap. 6 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Besondere Arbeitsverträge

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

i) Rückkehr zur Vollzeitarbeit . . . . . . Geringfügige Beschäftigung/Minijobs (M 6.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Job-Sharing (M 6.4) . . . . . . . . . . . . . . Abrufarbeit (M 6.5) . . . . . . . . . . . . . . Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V/§ 28 SGB IX (M 6.7.1) . . . . . . . Telearbeit/Homeoffice (M 6.6) . . . . . . . Sabbatical . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 83 . 86 . 96 . 97

. 98 . 104 . 107

II. Muster Kalendarisch befristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen . . . . . . . . . . . . .M . .6.1.1 Zweckbefristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . .M . .6.1.2 Mitteilung der Zweckerreichung nach § 15 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . .M. .6.1.3.1 . Mitteilung des Ablaufs des vereinbarten Befristungszeitraums (vgl. § 15 Abs. 1 TzBfG) mit hilfsweiser Kündigung . . . .M. .6.1.3.2 . Traineevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M . .6.1.4 Doppelt befristeter Arbeitsvertrag . . . . . .M . .6.1.5 Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . . . . .M . .6.1.6 Probearbeitsverhältnis mit Befristung . . .M . .6.1.7 Verlängerung des Probearbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvertrag . . . . . .M . .6.1.8 Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M . .6.1.9 Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes über die Regelaltersgrenze hinaus, § 41 Satz 3 SGB VI . . . . . . . . . . M . . 6.1.10 . Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Befristung . . . . . . . . . . . . . . M . . 6.1.11 .

Teilzeitarbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit . Schreiben bei verspätetem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . Ablehnung des Antrags auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Zustimmung zur Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Feststellung der reduzierten Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . Teilzeitvertrag mit geringfügiger Beschäftigung (Minijob) . . . . . . . . . . . Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 6 Abs. 1b SGB VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit einem Job-Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit allen Job-Partnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abrufarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsvertrag über alternierende Telearbeit/Homeoffice . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (Wiedereingliederungsplan) . . . . . . . . . Sabbatical-Vereinbarung . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

.M . . 6.2.1 .M . . 6.2.2 .M . . 6.2.3 .M . . 6.2.4 .M . . 6.2.5 .M . . 6.2.6

.M . . 6.2.7 .M . . 6.2.8

.M . . 6.3.1

.M . . 6.3.2 .M . . 6.4.1

.M . . 6.4.2 . .M . 6.5 . .M . 6.6

.M . . 6.7.1

.M . . 6.7.2 . .M . 6.8

Literatur: Zur Befristung allgemein: Barkow von Creytz, Das Familienpflegezeitgesetz, DStR 2012, 191; Bauer, Tückisches Befristungsrecht, NZA 2011, 241; Braun, Anspruch auf Arbeitsvertrag nach wirksamer Befristung?, ZTR 2007, 78; Dörner, Neues aus dem Befristungsrecht, NZA 2007, 57; Fecker/Scheffzeck, Elternzeit – ungeklärte (Rechts)Fragen aus der Praxis, NZA 2015, 778; Forst, Mehr Zeit und Geld für den Nachwuchs – Die Neufassung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), DB 2015, 68; Glatzel, Das neue Familienpflegezeitgesetz, NJW 2012, 1175; Göttling/Neumann, Das neue Familienpflegezeitgesetz, NZA 2012, 119; Greiner, Methodenfragen des Befristungsrechts, NZA-Beilage 2011, 117; Haratsch/Holljesiefken, Studentische Hilfskraft auf Lebenszeit? – Die Befristung von Arbeitsverträgen mit studentischen Hilfskräften, NJW 2008, 207; Hirdina, Befristung wissenschaftlicher Mitarbeiter verfassungs- und europarechtwidrig!, NZA 2009, 712; Lingemann, Probleme der Schriftform bei Befristung, ArbR 2009, 79; Linsenmaier, Befristung und Bedingung – Ein Überblick über die aktuelle Rechtsprechung des Siebten Senats des BAG unter besonderer Berücksichtigung des Unionsrechts und des nationalen Verfassungsrechts, RdA 2012, 193; Lunk/Leder, Teilbefristungen – Neues Recht und alte Regeln?, NZA 2008, 504; Mosch, Aktuelle Entscheidungen zum Recht der befristeten Arbeitsverträge; NJW-Spezial

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Lingemann

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

2012, 562; Müller, Die Drittmittelbefristung nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), öAT 2010, 224; Reinecke, Teilzeitarbeit während der Elternzeit, FA 2007, 98, Richter, Elterngeld Plus und Elternzeit, DStR 2015, 366; Rudolf, Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen im Wandel der Zeit, BB 2011, 1808; Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 2. Teil, II. 4., 11. Aufl. 2015; Schiefer, Befristete Arbeitsverträge: Hindernisse und Fallstricke – Die aktuelle Rechtsprechung, DB 2011, 1164; von Steinau-Steinrück/Burkard-Pötter, Die Alten kommen – Rentnerbeschäftigung auf dem Vormarsch, NJW-Spezial 2012, 306; Stumpf, Befristete Arbeitsverhältnisse im Wissenschaftsbetrieb – Europarechtskonformität der in § 2 III WissZeitVG normierten Nichtanrechnungsklauseln, NZA 2015, 326. Zur Befristung nach TzBfG: Bader, Sachgrundlose Befristungen mit älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern neu geregelt (§ 14 III TzBfG), NZA 2007, 713; Bauer, Arbeitsrechtliche Baustellen des Gesetzgebers – insbesondere Befristungsrecht, NZA 2014, 889; Bauer, Befristete Verträge mit älteren Arbeitnehmern ab 1.5.2007 – oder der neue § 14 III TzBfG, NZA 2007, 544; Bauer, Neue Spielregeln für Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge, NZA 2000, 1039; Bauer/Fischinger, Sachgrundlose Befristung und Verbot der Vorbeschäftigung bei „demselben Arbeitgeber“, DB 2007, 1410; Bauer/Gottschalk, Beschäftigung von Altersrentnern, BB 2013, 501; Baumgarten, Der Widerspruch nach § 15 Abs. 5 TzBfG – Schaffung von Klarheit nicht Arbeit, BB 2014, 2165; Bauschke, Neues zur zulässigen Vertretungs- und unzulässigen Kettenbefristung – Erste Erkenntnisse aus der „Kücük“ – Entscheidung des EuGH vom 26.1.2012, öAT 2012, 27; Bayreuther, Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Altersgrenzen, NZA-Beilage 2015, 84; Bayreuther, Die Neufassung des § 14 Abs. 3 TzBfG – diesmal europarechtskonform?, BB 2007, 1113; Bitzer, Verlängerung der Probezeit – Was ist möglich?, AuA 2003, 16; Blang, Befristung von Arbeitsverträgen mit Lizenzspielern und Trainern, 2009; Bonanni/Schmidt, Kettenbefristung von Arbeitsverträgen und Missbrauchskontrolle, ArbRB 2013, 216; Braun/Kriesten, Praxistipps zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge, RiA 2009, 1; Brose, Die BAG-Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG – ein Fall für den EuGH, NZA 2009, 706; Bruns, Befristung von Arbeitsverträgen mit Sporttrainern, NZA 2008, 1269; Bruns, BB-Rechtsprechungsreport zur Teilzeitarbeit, BB 2010, 956; Drosdeck/Bitsch, Zulässigkeit von Kettenbefristungen, NJW 2012, 977; Drosdeck/Bitsch, Die rechtsmissbräuchliche Vertretungsbefristung, NJW 2013, 1345; Fischinger/Reiter, K.O. für den Befristungsschutz in der Fußball-Bundesliga?, NZA 2016, 661; Greiner, Befristungskontrolle im Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen – die „Jobcenter“-Fälle, DB 2014, 1987; Grimm/Brock, Sachgrundlose Befristung der Arbeitsverhältnisse älterer Menschen in § 14 Abs. 3 TzBfG, ArbRB 2007, 154; Groeger, Haushaltsrecht und Befristung von Arbeitsverträgen, NJW 2008, 465; Helm/Hjort/Hummel, Entfristungsanspruch für Betriebsratsmitglieder, ArbRAktuell 2011, 397; Hoentzsch, Befristung eines Arbeitsvertrages: Schriftformerfordernis, RdA 2008, 170; Höpfner, Die Reform der sachgrundlosen Befristung durch das BAG – Arbeitsmarktpolitische Vernunft contra Gesetzestreue, NZA 2011, 893; Hold/Kleinsorge, Befristete Arbeitsverhältnisse im Licht der neuen Rechtsprechung, NWB 2012, 1840; Hunold, Neue Entwicklungen im Befristungsrecht, schnellbrief Arbeitsrecht 11/2012; Hunold, Befristung zur Vertretung nur zulässig bei Totalausfall eines Mitarbeiters?, DB 2012, 288; Hunold, Sachgrundlose Befristung nach Ende der Berufsausbildung, NZA 2012, 431; Jörchel, Befristungsrecht – Ein Zwischenstopp, NZA 2012, 1065; Kast/Herrmann, Altersdiskriminierung und erleichterte Befristung gem. § 14 Abs. 3 TzBfG: ein Praxistest, BB 2007, 1841; Katzer/Frodl, Wird Müller den Sieg festhalten? Zulässigkeit von Befristungen im Berufsfußball, NZA 2015, 657; Kleinebrink, Vertragsgestaltung bei Befristung von Arbeitsverhältnissen mit älteren Menschen, MDR 2007, 762; Kossens, Aktuelle Rechtsprechung zum Befristungsrecht, NZA-RR 2009, 233; Kuhnke, Sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bei „Zuvor-Beschäftigung“, NJW 2011, 3131; Lakies, EuGH zu Vertretungsbefristungen: Grundsätzlich zulässig, aber Einzelfallabwägung erforderlich, ArbRAktuell 2012, 55; Lange, Die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle als Angemessenheitskontrolle, 2009; Lorenz, Die BAG-Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 TzBfG, FA 2007, 3; Lunk/Leder, Der Arbeitsvertrag – Befristung und Teilzeit, NJW 2016, 1705; Maaß, Die Befristung des Arbeitsvertrages auf Grund „gedanklicher“ Vertretung, ArbR 2010, 187; von Medem, Aktuelle Entwicklungen beim Anschlussverbot nach § 14 II 2 TzBfG, ArbRAktuell 2014, 425; Meinel/Heyn/Herms, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Kommentar, 5. Aufl. 2015; Mennemeyer/ Keysers, Befristungen im öffentlichen Dienst – Die Klassiker – Vertretungsbefristung und Befristung aus Haushaltsgründen, NZA 2008, 670; Mosch, Verträge für Fußballprofis auf dem arbeitsrechtlichen Prüfstand, NJW-Spezial 2015, 370; Richter/Wilke, Die Veränderung von Vertragsinhalten bei der Verlängerung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, RdA 2011, 305; Ritter/Armin, Der befristete Arbeitsvertrag unter besonderer Berücksichtigung des Teilzeit- und Befristungsrechts, NZA 2007, 57; Rolfs, Teilzeitund Befristungsgesetz, 2002; Schiefer/Köster/Korte, Befristung von Arbeitsverträgen – Die neue Alters-

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befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG, DB 2007, 1081; Schmidt, Neues zur Teilbefristung – Das TzBfG im Gewand der AGB-Kontrolle, NZA 2014, 760; Sittard/Ulbrich, Die Prozessbeschäftigung und das TzBfG, RdA 2006, 218; Sprenger, Die neue Altersbefristung – Ist § 14 Abs. 3 TzBfG jetzt sicher?, AuA 2007, 533; Städler, Die Verlängerungsmöglichkeit befristeter Arbeitsverträge nach § 14 II 1 Halbs. 2 TzBfG, NZA 2012, 1082; Steenfatt, Befristete Arbeitsverträge, AuA 2009, 154; vom Stein, Missbrauchskontrolle bei befristeten Arbeitsverträgen, NJW 2015, 369; Tilch/Vennewald, Update: Sachgrundlose Befristung, NJW-Spezial 2011, 690; Walker, Zur Zulässigkeit der Befristung von Arbeitsverträgen mit Berufsfußballspielern, NZA 2016, 657; Weth/Breyer, „Minenfeld“ Befristungsrecht, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 1093. Befristung einzelner Vertragsbedingungen: Dzida, Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, ArbRB 2012, 286; Fleddermann, Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, ArbRAktuell 2015, 367 und 392; Fuhlrott, Anforderungen an die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, NZA 2016, 1000; Lunk/Leder, Teilbefristungen – Neues Recht und alte Regeln?, NZA 2008, 504; Willemsen/Jansen, Die Befristung von Entgeltbestandteilen als Alternative zum Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt, RdA 2010, 1. Zur Teilzeitarbeit: Barth, Ablehnung eines Antrags auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit – Präklusion im Hinblick auf nicht oder nicht ordnungsgemäß geltend gemachte Gründe?, BB 2007, 2567; Bruns, BB-Rechtsprechungsreport zur Teilzeitarbeit, BB 2010, 956; Diller, Das neue Gesetz zur Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen, NZA 1998, 792; Diller, Der Teilzeitwunsch im Prozess: Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt, insbesondere bei nachfolgenden Tarifverträgen nach § 8 IV 3 TzBfG, NZA 2001, 589; Fieberg, Urlaubsanspruch bei Übergang in Teilzeit – Neues aus Luxemburg, NZA 2010, 925; Gruber, Gewährt § 8 TzBfG einen Anspruch auf eine zeitlich befristete Arbeitszeitverringerung?, DB 2007, 804; Hamann, Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG und Mitbestimmung des Betriebsrats, NZA 2010, 785; Jordan/ Falter/Meyer-Michaelis, Kundennähe als Grund für die Ablehnung eines Teilzeitbegehrens im Außendienst, BB 2016, 1205; Kock/Heyde, Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern nach einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit und umgekehrt, BB 2013, 2938; Kossens, Teilzeitarbeit, AiB 2006, 668; Lorenz, Fünf Jahre § 8 TzBfG – BAG-Rechtsprechung-Update, NZA-RR 2006, 281; Marschner, Teilzeitarbeit, AR-Blattei, SD 1560.1; Menke, Von nichts kommt nichts: Keine Präklusion der Ablehnungsgründe nach § 15 VII 4 BEEG, ArbRAktuell 2011, 112; Mosler, Teilzeitarbeit, AR-Blattei, SD 1560; Mühlhausen, Ausweitung der Inhaltskontrolle von unternehmerischen Entscheidungen im Teilzeitrecht?, NZA 2007, 1264; Oelkers, Anspruch auf Teilzeitarbeit, NJW-Spezial 2010, 562; Pauly/Osnabrügge, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung, 2. Aufl. 2007; Pietras, Der Teilzeitanspruch gem. § 8 TzBfG und das deutsche internationale Privatrecht, NZA 2008, 1051; Salamon/Reuße, Grenzen der arbeitgeberseitigen Darlegungslast zur Ablehnung von Teilzeitarbeit nach der jüngsten Ausweitung durch das BAG, NZA 2013, 865. Zur geringfügigen Beschäftigung/Minijobs: Bauer/Krets, Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, NJW 2003, 537; Bauer/Schuster, Kassenschlager „geringfügige Beschäftigung“?, DB 1999, 689; Bauschke, Geringfügige Beschäftigung, AR-Blattei SD 775; Beyer-Petz, Sozialversicherungsrechtliche Neuerungen zum Jahreswechsel 2012/13, DStR 2013, 47; Boemke, Sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Arbeitszeitkonten bei geringfügig Beschäftigten, BB 2008, 722; Foerster, Geringfügige Beschäftigung, 2009; Hanau, Das Rätsel Minijob, NZA 2006, 809; Laber, Geringfügig Beschäftigte mit mehreren Arbeitsverhältnissen: Was müssen Arbeitgeber beachten?, ArbRB 2009, 205; Pauly/Osnabrügge, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung, 2. Aufl. 2007; Schönfeld/Reimers/Hofmann, Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse/Mini-Jobs/400-Euro-Jobs, 10. Aufl. 2008. Zum Job-Sharing: Löw, Flexibilisierungsmodell mit Zukunft?, AuA 2006, 592; Schönefeldt, Teilzeit und Jobsharing – (k)ein Thema für Führungskräfte, PersF 2006, Heft 12, 30. Zur Abrufarbeit: Bauer/Günther, Heute lang, morgen kurz – Arbeitszeit nach Maß!, DB 2006, 950; Feuerborn, Die Flexibilisierung der Arbeit auf Abruf – Zur Neuinterpretation des § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG durch das BAG, SAE 2007, 59; Gastell, Arbeit auf Abruf, AuA 2008, 200; Kramer/Kiene, Arbeit auf Abruf – Spielräume bei der vertraglichen Gestaltung, ArbR 2010, 233; Mühlmann, Flexible Arbeitszeitvertragsgestaltung – Die Arbeit auf Abruf, RdA 2006, 356; Ostermeier, Die Lohnvereinbarung in Abrufarbeitsverhältnissen mit unterschiedlichen Stundenlöhnen, RdA 2008, 86. Zum Wiedereingliederungsvertrag: Gagel/Schian, Stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (§ 74 SGB V/§ 28 SGB IX), Behindertenrecht 2006, 53; Gawlick, Die stufenweise Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Arbeitnehmer in das Erwerbsleben nach § 28 SGB IX/§ 74 SGB V, 2009; Nebe, (Re-)Integration von Arbeitnehmern: Stufenweise Wiedereingliederung und Betriebliches Eingliederungsmanagement – ein neues Kooperationsverhältnis, DB 2008, 1801; Rose/Gilberger, Wiedereinglie-

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derung: Schrankenloser Anspruch schwerbehinderter Menschen?, DB 2009, 1986; Schimanski, Die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben, Behindertenrecht 2006, 49; Schmidt, Kündigungen im Rahmen des § 74 SGB V – Beendigung des Wiedereingliederungsverhältnisses sowie des Arbeitsverhältnisses, NZA 2007, 893. Zur Telearbeit: Bonanni/Kamps, Daten- und arbeitsschutzrechtliche Anforderungen an Home-OfficeVereinbarungen, ArbRB 2014, 83; Dietz, Steuerliche Fragen rund um Telearbeitsplätze, PersF 2010, Heft 2, 82; Hansen, Der sozialversicherungsrechtliche Status von Telearbeit, Die Beiträge 2009, 193, 257, 321, 385 und 449; Isenhardt, Homeoffice: Einrichtung und Ausgestaltung, DB 2016, 1499; Kamann, Arbeitsvertragliche Gestaltung von Telearbeitsverhältnissen, ArbRAktuell 2016, 75; Lammeyer, Telearbeit, 2007; Oberthür, Die Arbeitssicherheit im Mobile Office, NZA 2013, 246; Oberthür, Telearbeit im Homeoffice, MDR 2015, 1269; Schulze/Ratzesberger, Telearbeit: Fluch oder Segen? – Mitbestimmung des Betriebsrats bei mobiler Arbeit, ArbRAktuell 2016, 109; Wank, Telearbeit, AR-Blattei SD 1565; Wiese, Personale Aspekte und Überwachung der häuslichen Telearbeit, RdA 2009, 344. Zum Sabbatical: Karst/Rihn, Gestaltung bezahlter Freistellungsmodelle von der Arbeitsleistung, BB 2016, 2549; Peiter/Westphal, Zeitwertkonten – Wertguthabenvereinbarung und Freistellungsphase, BB 2011, 1781; Rolfs/Witschen, Neue Regeln für Wertguthaben, NZS 2009, 295; Seel, Auszeit auf Zeit als Personalinstrument in der Krise – Worauf ist bei „Sabbaticals“ zu achten?, DB 2009, 2210.

I. Einführung 1. Befristung Gemäß § 15 Abs. 1 und 2 TzBfG endet das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wird. Befristete Arbeitsverträge sind vor Ablauf der Frist nicht ordentlich kündbar, es sei denn, die Parteien haben dies ausdrücklich vereinbart, § 15 Abs. 3 TzBfG. Lediglich bei einer Befristung auf mehr als fünf Jahre besteht für den Arbeitnehmer ein Kündigungsrecht nach Ablauf von fünf Jahren, § 15 Abs. 4 TzBfG. Von dieser Regelung kann nach § 22 TzBfG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

1

Praxistipp: Soll das Arbeitsverhältnis auch vor Ablauf der Befristung kündbar sein, muss dies ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen werden.

2

Außerordentlich gemäß § 626 BGB kann auch das befristete Arbeitsverhältnis jederzeit gekündigt werden.

3

Gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.1 Sie muss daher von beiden Vertragsparteien auf derselben Urkunde unterschrieben sein, § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Unterzeichnung nur einer Anlage reicht nicht aus, es sei denn, dass die unmissverständliche Zusammengehörigkeit von Hauptteil und Anlage feststeht.2 Das Schriftformerfordernis gilt auch für die Vereinbarung über die befristete Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräf-

4

1 Zur Wahrung der hiernach erforderlichen Schriftform genügt es, wenn die eine Vertragspartei in einem von ihr unterzeichneten, an die andere Vertragspartei gerichteten Schreiben, den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages anbietet und die andere Vertragspartei das Angebot annimmt, indem sie das Schriftstück ebenfalls unterzeichnet, vgl. BAG v. 26.7.2006 – 7 AZR 514/05, NZA 2006, 1402. Erforderlich ist allerdings ein von beiden Vertragsparteien eigenhändig unterschriebenes Dokument, wobei ein individueller Schriftzug erforderlich ist, der die Identität der Unterzeichnenden ausreichend erkennen lässt; eine bewusste und gewollte Namensabkürzung – Paraphe – reicht nicht aus, vgl. BAG v. 20.8.2014, NZA-RR 2015, 9 Rz. 24, m. Anm. Günther, DB 2015, 74. Ob der Unterzeichner bevollmächtigt war, ist für die Wahrung der Schriftform unerheblich, BAG v. 9.9.2015 – 7 AZR 190/14, NZA 2016, 232 Rz. 30. 2 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 933/13, NZA 2016, 547.

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Kap. 6 Rz. 4

Besondere Arbeitsverträge

tigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses3 sowie für die Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG.4 Auf die Befristung einzelner Vertragsbedingungen im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist § 14 Abs. 4 TzBfG hingegen nicht anzuwenden.5 Keine Anwendung findet § 14 Abs. 4 TzBfG auch, wenn die Befristungsregelung Bestandteil eines einschlägigen Tarifvertrags ist, dessen Anwendung die Arbeitsvertragsparteien vereinbart haben.6 Bei einer Teilbezugnahme hingegen muss die Schriftform wohl eingehalten werden.7 Inhaltlich verlangt die Vorschrift bei kalendermäßiger Befristung nur die Festschreibung der Dauer des Arbeitsverhältnisses, nicht aber des Befristungsgrundes.8 Bei der Zweckbefristung/ auflösenden Bedingung dagegen bedarf auch die Angabe des Zweckes der Befristung bzw. des beendenden Ereignisses der Schriftform.9 Was den Zeitpunkt der schriftlichen Fixierung anbelangt, so muss das Schriftformerfordernis spätestens bei Abschluss des Arbeitsvertrages10 bzw. im Zeitpunkt der Befristungsverlängerung11 erfüllt sein, sofern die Parteien zuvor eine entsprechende mündliche Vereinbarung geschlossen haben.12 Wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages von der Einhaltung der Schriftform abhängig macht, kann die Annahme seines Vertragsangebots nur schriftlich erfolgen, nicht konkludent durch die Arbeitsaufnahme.13 Dies gilt zB, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ohne vorausgegangene Absprache ein von ihm bereits unterschriebenes Vertragsformular mit der Bitte um Unterzeichnung übersendet. Eine nachträgliche Unterzeichnung des Arbeitsvertrages/der Verlängerungsabrede heilt die unwirksame Befristungsabrede nicht, wenn es zuvor eine mündliche Vereinbarung gab. Haben die Parteien demgegenüber vor Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrages mündlich keine Befristung vereinbart oder haben sie eine Befristungsabrede getroffen, die inhaltlich mit der in dem schriftlichen Vertrag enthaltenen Befristung nicht übereinstimmt, so ist auch mit einer späteren Befristungsvereinbarung die gesetzliche Schriftform eingehalten.14 Die Befristungsabrede darf allerdings nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB sein. Überraschend ist sie, wenn in einem Formularvertrag neben einer fett gedruckten und durch die Schriftgröße optisch hervorgehobenen Befristung für die Dauer eines Jahres im folgenden Text ohne besondere Hervorhebung eine weitere Befristung zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit vorgesehen ist.15

3 BAG v. 22.10.2003, NZA 2004, 1275. 4 BAG v. 16.3.2005 – 7 AZR 289/04, NZA 2005, 923. 5 BAG v. 2.9.2009, NZA 2009, 1259, Rz. 17, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2009, 185; v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229; v. 18.1.2006, NZA 2007, 351; v. 3.9.2003 – 7 AZR 106/03, NZA 2004, 255; Einzelheiten Rz. 31. 6 BAG v. 23.7.2014 – 7 AZR 771/12, NZA 2014, 1341, Rz. 27 ff., m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 588. 7 BAG v. 23.7.2014 – 7 AZR 771/12, NZA 2014, 1341, Rz. 27 ff., m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 588. 8 BAG v. 26.7.2006, DB 2007, 59; v. 23.6.2004 – 7 AZR 636/03, NZA 2004, 1333. 9 BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rz. 15; v. 21.12.2005 – 7 AZR 541/04, BB 2006, 894 zur Zweckbefristung. 10 BAG v. 1.12.2004 – 7 AZR 198/04, BB 2005, 1116. 11 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 933/13, Rz. 26. 12 BAG v. 16.3.2005 – 7 AZR 289/04, NZA 2005, 923; Lingemann, ArbR 2009, 79. 13 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, NZA 2016, 358, Rz. 19 ff.; v. 16.4.2008, NZA 2008, 1184. 14 BAG v. 13.6.2007 – 7 AZR 700/06, NZA 2008, 108; allerdings funktioniert dies möglicherweise nur bei Vorliegen eines Sachgrundes, vgl. Bauer NZA 2011, 241, 247. 15 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876.

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Befristungen im Arbeitsverhältnis sind nur wirksam, wenn (a) ein sachlicher Grund vorliegt oder (b) gesetzliche Vorschriften die Befristung zulassen.16 Der Arbeitgeber muss den Sachgrund für die Befristung der Personalvertretung mitteilen; er genügt seiner Darlegungspflicht jedoch, wenn der typisierte Sachgrund (zB Vertretung) ohne Einzelheiten mitgeteilt wird.17 Im Betriebsverfassungsrecht umfasst die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nicht die Gründe für den Abschluss des befristeten Vertrags.18 Ist die Befristung unwirksam, so besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das nach Maßgabe des § 16 TzBfG gekündigt werden kann. Der Arbeitnehmer kann Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung erheben („Entfristungsklage“ vgl. M 6.1.11), wobei die Frist des § 17 TzBfG gilt: Die Klage muss innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses bzw. dem Zugang der Erklärung des Arbeitgebers nach § 17 Satz 3 TzBfG eingereicht werden.19 Bei Zweckbefristung wird die Frist mit Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers über die Zweckerreichung ausgelöst.20 Wird bei einer auflösenden Bedingung in der Mitteilung allerdings erst ein künftiger Zeitpunkt des Bedingungseintritts mitgeteilt, so löst erst dieser die Klagefrist aus.21 Ein gleichzeitig mit der Befristungsabrede vereinbarter Verzicht auf die Erhebung der Befristungskontrollklage ist nach §§ 22 Abs. 1, 17 Satz 1 TzBfG unwirksam.22 Die Klagefrist gilt auch für Befristungen außerhalb des TzBfG,23 zB nach § 21 BEEG, und gemäß §§ 21 iVm. 17 TzBfG für auflösende Bedingungen. Sie gilt auch, soweit der Arbeitnehmer sich gegen Altersgrenzen richtet, da auch diese insoweit als Befristungen angesehen werden.24 Sie beginnt bei mehreren aufeinander folgenden Befristungen mit Ablauf jeder Befristungsabrede für diese zu laufen.25 Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass die Befristung wirksam ist.26

5

Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, fortgesetzt, so gilt es gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG27 als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht. Diese Regelung ist nach § 22 TzBfG zwingend.

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16 Im Personalvertretungsrecht müssen zudem die einschlägigen Mitbestimmungsvorschriften eingehalten werden, BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 707/00, BB 2002, 1594 zur Zustimmung nach § 72 Abs. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 1 LPVGNW; LAG Berlin-Brandenburg v. 21.10.2015 – 23 Sa 1256/15, Rz. 37 zu §§ 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVGBBg; Mitbestimmungsrechte bestehen im Personalvertretungsrecht auch bei Vereinbarung der Befristung in einem gerichtlichen Vergleich, BAG v. 18.6.2008 – 7 AZR 214/07, NZA 2009, 35. 17 BAG v. 27.9.2000 – 7 AZR 412/99, NZA 2001, 339. 18 BAG v. 27.10.2010 – 7 ABR 86/09, NZA 2011, 418: Es besteht kein hinreichender Bezug zu einer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabe des Betriebsrats. 19 Vgl. BAG v. 15.8.2012 – 7 AZN 956/12, NZA 2012, 1116 sowie BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 704/09, NJW 2011, 2748. 20 BAG v. 9.9.2015 – 7 AZR 148/14, NZA 2016, 169 Rz. 17 21 BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 851/13, NZA 2016, 634, m. Anm. Lingemann, ArbR-Aktuell 2016, 189. 22 BAG v. 18.6.2008 – 7 AZR 214/07, NZA 2009, 35. 23 BT-Drucks. 14/4374, S. 21. 24 BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14 Rz. 15 ff. 25 BAG v. 16.4.2003 – 7 AZR 119/02, NZA 2004, 283; v. 24.10.2001, DB 2002, 536. 26 BAG v. 20.8.2014, NZA-RR 2015, 9, Rz. 33. Hinsichtlich verspäteter Klagen und der verlängerten Anrufungsfrist gelten die §§ 5, 6 KSchG entsprechend, § 17 Satz 2 TzBfG, BAG v. 24.6.2015 – 7 AZR 541/13, NZA 2015, 1511, Rz. 26, m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2015, 607 (zu § 15 BEEG); v. 15.5.2012 – 7 AZR 6/11, NZA 2012, 1148. Dabei ist zu beachten, dass § 6 KSchG durch die neuere Rechtsprechung des BAG „entschärft“ wurde, BAG v. 23.4.2008, NZA-RR 2008, 466. Auch kann der Arbeitnehmer, wenn er die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt hat, nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Unwirksamkeit der Befristung aus anderen Gründen als denjenigen geltend machen, die er innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist benannt hat, BAG v. 4.5.2011 – 7 AZR 252/10, NZA 2011, 1178. 27 Dies gilt auch für zweckbefristete Arbeitsverhältnisse.

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Kap. 6 Rz. 7

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Praxistipp: Der Arbeitgeber sollte darauf achten, dass er nach Ablauf der Befristung keine Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers entgegennimmt. Andernfalls gilt gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG das Arbeitsverhältnis als unbefristet.

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Wird der Arbeitnehmer trotz eines ausdrücklichen Widerspruchs des Arbeitgebers tatsächlich weiterbeschäftigt, hindert dies auch für die Zeit der tatsächlichen Beschäftigung den Eintritt der in § 15 Abs. 5 TzBfG vorgesehenen Fiktion.28 Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber nicht mehr an seinem Widerspruch festhält.29

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§ 18 TzBfG verpflichtet den Arbeitgeber, befristet Beschäftigte über unbefristete Beschäftigungsmöglichkeiten zu informieren. Gemäß § 19 TzBfG hat er Möglichkeiten zur Teilnahme an angemessenen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen. § 20 TzBfG verpflichtet ihn zur Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung über Anzahl und Anteil der befristet Beschäftigten. Allein aus einem entsprechenden vertrauensbegründenden Verhalten des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Verlängerung seines wirksam befristeten Arbeitsvertrages herleiten.30 Allerdings kann es eine nach § 612a BGB verbotene Maßregelung darstellen, wenn ein Arbeitgeber einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer keinen Folgevertrag anbietet, weil der Arbeitnehmer ihm zustehende Rechte ausgeübt hat.31 Dies kann den Arbeitnehmer zu Schadensersatz berechtigen, jedoch nicht zu einem Folgevertrag, da § 15 Abs. 6 AGG entsprechend anzuwenden ist.32 a) Befristung aufgrund eines sachlichen Grundes

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Soweit nicht gesetzliche Spezialvorschriften (dazu Rz. 32 ff.) eingreifen, ist eine Befristung nur wirksam, wenn ein sachlicher Grund besteht, § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG enthält nicht abschließend (s. Rz. 26) eine Vielzahl von Gründen, aus denen eine Befristung wirksam vereinbart werden kann. Auch eine nachträgliche Befristung muss sachlich begründet sein.33 Einseitig kann sie nur im Wege der Änderungskündigung durchgesetzt werden.34

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Ein Aufhebungsvertrag zu einem nahe liegenden Zeitpunkt ist jedoch auch ohne sachlichen Grund wirksam.35 Sofern ein Aufhebungsvertrag seinem Regelungsgehalt nach allerdings nicht auf die alsbaldige Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist und der gewählte Beendigungszeitpunkt die jeweilige Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreitet, bedarf er zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes iSd. Befristungskontrollrechts.36 Ein Aufhebungsvertrag, der lediglich eine nach § 1 KSchG nicht auf 28 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, Rz. 24 f. Allgemein zur Wirkung des Widerspruchs für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis trotz des Widerspruchs des Arbeitgebers noch länger fortgeführt wird vgl. Baumgarten, BB 2014, 2165. 29 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, Rz. 25. 30 BAG v. 13.8.2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27. Offengelassen hat das BAG die Frage, ob sich ein Anspruch auf unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben kann. 31 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317. 32 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317. 33 BAG v. 24.1.1996 – 7 AZR 496/95, DB 1996, 1779; aA LAG Berlin v. 12.5.1995 – 6 Sa 17/95, DB 1996, 231. 34 BAG v. 24.1.1996 – 7 AZR 496/95, DB 1996, 1779. 35 BAG v. 13.11.1996, DB 1997, 936. 36 BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348; maßgeblich für das Vorliegen eines Aufhebungsvertrags in Abgrenzung zu einer unzulässigen nachträglichen Befristung ist die Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere, ob die Vereinbarung für einen Aufhebungsvertrag typische Regelungen wie Freistellungen, Abfindungen oder Urlaubsregelungen enthält, s. auch Kap. 23 Rz. 21.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 12 Kap. 6

ihre Sozialwidrigkeit zu überprüfende Kündigung ersetzt, ist hingegen nicht wegen Umgehung zwingender Schutzvorschriften unwirksam. Sieht der Arbeitgeber daher die sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden an, so kann er regelmäßig, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, anstatt das Arbeitsverhältnis innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 KSchG mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist zu beenden, dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagt (dazu M 6.1.8). Diese Grundsätze gelten auch für einen entsprechenden Aufhebungsvertrag.37 Auch wenn nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung eine Beendigung mit einer Verzögerung von zwölf Monaten vereinbart wird, nach der Vereinbarung aber keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung mehr bestehen soll („Kurzarbeit 0“) und zugleich Abwicklungsmodalitäten wie Abfindung, Zeugniserteilung und Rückgabe von Firmeneigentum geregelt werden, handelt es sich nicht um einen befristeten Arbeits-, sondern um einen Aufhebungsvertrag.38 Alternativ kann der Arbeitgeber auch ohne verbindliche Wiedereinstellungszusage einem Arbeitnehmer innerhalb der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG mit einer längeren Kündigungsfrist kündigen, um dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance zu gewähren.39 Maßgeblich ist, dass die Überschreitung der Mindestkündigungsfrist nicht im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liegt. Bei mehreren Befristungen prüft das BAG den sachlichen Grund nur für die letzte Befristung.40 Kettenbefristungen sind dementsprechend im Grundsatz zwar zulässig, sie dürfen nach der Entscheidung des EuGH vom 26.1.2012 (Kücük) jedoch nicht rechtsmissbräuchlich sein, wobei alle Umstände des Einzelfalls einschließlich Zahl und Gesamtdauer der vorherigen Befristungen zu berücksichtigen sind.41 So kann eine besonders hohe Zahl von Befristungen und eine lange Gesamtdauer einen Rechtsmissbrauch indizieren, beispielsweise 15 Befristun37 BAG v. 7.3.2002, NZA 2002, 1000; näher Bitzer, AuA 2003, 16; vgl. auch BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 85/ 09, NZA 2010, 1293 zu Aufhebungsvertrag mit befristeter Einstellung am Folgetag zur weiteren Erprobung. 38 BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614. 39 LAG BW v. 6.5.2015, 4 Sa 94/14. Danach stellt die Tatsache, dass der Arbeitgeber nicht mit der kürzeren gesetzlichen Kündigungsfrist, sondern mit einer längere Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende dem Arbeitnehmer kündigt, keine funktionswidrige Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes dar. 40 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 945; v. 22.1.2014 – 7 AZR 243/12, NZA 2014, 483 Rz. 26, m. Anm. Günther, ArbRAktuell 2014, 230; v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214, Rz. 17; v. 24.8.2011 – 7 AZR 228/10, NZA 2012, 385; v. 18.4.2007 – 7 AZR 255/06, BeckRS 2009, 73625; v. 8.5.1985 – 7 AZR 191/84, NZA 1986, 569. Anders verhält es sich bei einem bloßen Annexvertrag, BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14, NZA 2016, 945, oder wenn die Parteien in einem nachfolgenden befristeten Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung prüfen zu lassen. Dieser Vorbehalt muss allerdings vertraglich vereinbart sein, ein vom Arbeitnehmer nur einseitig geäußerter Vorbehalt genügt nicht, BAG v. 24.8.2011, NZA 2012, 385. Haben die Arbeitsvertragsparteien allerdings nach Rechtshängigkeit einer Entfristungsklage gem. § 17 TzBfG weitere befristete Verträge ohne ausdrücklichen Vorbehalt abgeschlossen, so ist regelmäßig anzunehmen, dass die Folgeverträge einen konkludenten Vorbehalt enthalten, BAG v. 24.8.2011, NZA 2012, 385. 41 EuGH v. 26.1.2012 – Rs. C-586/10, NZA 2012, 135 – Kücük; vgl. auch EuGH v. 12.9.2016 – Rs. C614/15. Popescu, NZA 2016, 1323; v. 14.9.2016 – Rs. C-16/15 – Perez Lopez, m. Anm. Gooren, NZA 2016, 1265; v. 26.11. 2014 – Rs. C-22/13 – Mascolo u.a., NZA 2015, 153; BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 140/15, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2016, 551; v. 8.6.2016 – 7 AZR 259/14, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2016, 307; v. 7.10.2015 – 7 AZR 944/13, NZA 2016, 354; v. 29.4.2015 – 7 AZR 310/13, NJW 2016, 185, m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2015, 349; v. 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, NZA 2015, 379 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 129; v. 19.2.2014, NZA-RR 2014, 408 Rz. 36; v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351 und 1359; Drosdeck/Bitsch, NJW 2012, 977; Lakies, ArbRAktuell 2012, 55.

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Kap. 6 Rz. 13

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gen über 10 Jahre,42 13 Befristungen über elf Jahre,43 auch bereits über 61/2 Jahre,44 nicht dagegen vier Befristungen in sieben Jahren.45 Allerdings kann auch bei einer 18-maligen Vertragsverlängerung über 8 Jahre und 10 Monate ein Missbrauch im Einzelfall widerlegt werden.46 Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs spielt ua. eine Rolle die Dauer des Zeitraums, die Anzahl der befristeten Verträge, die Frage, ob der Arbeitnehmer immer am selben Arbeitsplatz eingesetzt wurde oder an wechselnden Arbeitsplätzen, ob die Dauer des befristeten Vertrages hinter dem Vertretungsbedarf zurückbleibt,47 dieser also durch eine Reihe kurzer Verträge gedeckt wird statt durch einen unbefristeten Vertrag, ferner sind zu beachten branchenspezifische Besonderheiten, bei denen Befristungen üblich sind, wie zB bei Saisonbetrieben oder bei Presse und Rundfunk.48 Auch spielt es – vor allem iRd. WissZeitVG – eine Rolle, ob die Befristung der wissenschaftlichen Qualifikation des Mitarbeiters dient.49 Mit Entscheidung vom 26.10.201650 hat der 7. Senat des BAG die Richtwerte für eine Rechtsmissbrauchsprüfung und einen indizierten Rechtsmissbrauch konkretisiert und unterschieden zwischen Fällen, in denen eine Prüfung nicht veranlasst ist, solchen, in denen sie veranlasst ist mit Darlegungslast des Arbeitnehmers und solchen, in denen Rechtsmissbrauch indiziert ist, der Arbeitgeber sich also entlasten muss. Auch die (Rück)Überlassung von Arbeitnehmern zur Aneinanderreihung sachgrundloser Befristungen kann rechtsmissbräuchlich sein.51 13

Dass der Arbeitnehmer häufig die Umstände, die den Missbrauch begründen können, nicht kennt, berücksichtigt die Rechtsprechung durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungsund Beweislast: Trägt der Arbeitnehmer einen Sachverhalt vor, der die Missbräuchlichkeit der Befristung indiziert, muss der Arbeitgeber sich substantiiert dazu einlassen. Unterlässt er dies, gilt der schlüssige Vortrag des Arbeitnehmers als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.52

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Ausnahmsweise unterliegt auch die Befristung eines früheren Vertrages der gerichtlichen Kontrolle, wenn ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt abgeschlossen wird, dass er das Arbeitsverhältnis nur regeln soll, wenn nicht bereits aufgrund des vorausgegangenen Vertrags ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.53 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zulässigkeit der Befristung ist der Abschluss des Arbeitsvertrages. Entsteht später ein sachlicher Grund für die Befristung, so wird sie dadurch nicht wirksam.54

42 BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 310/13, NZA 2015, 928, m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2015, 349; allgemein zur Missbrauchskontrolle vgl. vom Stein, NJW 2015, 369. 43 BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351. 44 BAG v. 13.2.2013 – 7 AZR 225/11, NZA 2013, 777 m. Anm. Günther, ArbRAktuell 2013, 296. 45 BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 783/10, NZA 2012, 1359. 46 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 944/13, NZA 2016, 354. 47 Zur missbräuchlichen Abdeckung von dauerhaftem Bedarf EuGH v. 21.9.2016 – Rs. C-614/15, Popescu; Anm. Merten, FD-ArbR 2016, 381724. 48 EuGH v. 26.2.2015 – Rs. C-238/14, NZA 2015, 424 Rz. 40; BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 783/10, NZA 2012, 1359. 49 BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 259/16, m. Anm. Bauer, FD-ArbR 2016, 379326; v. 18.5.2016 – 7 AZR 533/ 14, NJW 2016, 3259. 50 BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, juris. 51 BAG v. 24.6.2015 – 7 AZR 452/13, NZG 2016, 230, m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2015, 608; v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 323; v. 22.1.2014 – 7 AZR 243/12, NZA 2014, 483; v. 4.12.2013 – 7 AZR 290/12, DB 2014, 1023, m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2014, 178; v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214. 52 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 944/13, NZA 2016, 354 Rz. 16; v. 24.6.2015 – 7 AZR 452/13, NZA 2015, 1507 Rz. 25 f., m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2015, 608; v. 4.12.2013 – 7 AZR 290/12, NZA 2014, 426 Rz. 24 f., m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2014, 178. 53 BAG v. 24.8.2011 – 7 AZR 228/10, NZA 2012, 385. 54 ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 16.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 16 Kap. 6

(1) Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG liegt ein sachlicher Grund insbesondere vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Klassischer Fall ist ein projektbedingter personeller Mehrbedarf, zB infolge von Eilaufträgen, Inventur, Schlussverkauf, Messe, etc. Bei Projektarbeit muss es sich um eine auf vorübergehende Dauer angelegte und gegenüber den Daueraufgaben abgrenzbare Zusatzaufgabe handeln.55 Keine Projektbefristung liegt vor bei Tätigkeiten, die der Arbeitgeber im Rahmen des von ihm verfolgten Betriebszweckes dauerhaft wahrnimmt oder zu deren Durchführung er verpflichtet ist.56 Voraussetzung für die wirksame Befristung ist eine nachprüfbare Prognose, dass im Zeitpunkt der Befristung aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit der Wegfall des Mehrbedarfs mit dem Auslaufen des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erwarten ist. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen zeitweilig erhöhtem Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber gleichzeitig die anfallenden Arbeiten anders verteilt, indem er etwa Stammkräfte zur Erledigung bestimmter Projektarbeiten einteilt.57 Die bloße Unsicherheit des Arbeitgebers, ob der Mehrbedarf an Arbeitskräften von Dauer sein oder demnächst wegfallen wird, reicht demgegenüber nicht aus. Zumindest der Wegfall muss sich – wenn auch nicht unbedingt zeitlich zutreffend – prognostizieren lassen.58 Mängel der Prognose hinsichtlich der Befristungsdauer führen aber dann zur Unwirksamkeit der Befristung, wenn der Mehrbedarf an Arbeitskräften zeitlich nicht begrenzt ist und der Sachgrund des Mehrbedarfs an Arbeitskräften nur vorgeschoben wird.59 Die Prognose des Arbeitgebers ist aber nicht deshalb unzutreffend, weil der Arbeitnehmer nach Fristablauf aufgrund seiner Qualifikation auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Projekt oder unbefristet beschäftigt werden kann und der Arbeitgeber dies bei Vertragsschluss erkennen kann. Die Prognose des Arbeitgebers muss sich vielmehr nur auf das konkrete Projekt beziehen.60 Keine wirksame Befristung liegt daher vor, wenn der Arbeitnehmer befristet projektbezogen eingestellt, aber überwiegend mit projektfremden Tätigkeiten betraut wird, es sei denn, die Änderung der für die Befristung ursächlichen Umstände war bei Vertragsbeginn nicht absehbar.61 Auch die Unsicherheit über die künftige Trägerschaft kann bei einer dauerhaft anfallenden sozialstaatlichen Aufgabe die Befristung nicht rechtfertigen.62 Ein Betriebsteilübergang ist kein Sachgrund für eine Befristung, da dies zu einer Umgehung von § 613a BGB führen würde.63

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(2) Auch eine Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Die Reichweite dieser Regelung ist unklar. Ob „im Anschluss“ auch noch dann vorliegt, wenn zwischen dem Ende der Ausbildung und der befristeten Beschäftigung eine zeitliche Zäsur liegt, ist ebenso streitig wie die Frage, ob eine Anschlussbeschäftigung nur dann erleichtert wird, wenn eine konkrete Aussicht auf eine dauerhafte Übernahme besteht, oder ob es ausreicht, wenn der Bewerber allgemein seine Bewerbungschancen für andere Arbeitsverhältnisse dadurch verbessert, dass er sich aus einem laufenden Arbeitsverhältnis heraus bewirbt.64 In jedem Falle aber ermöglicht § 14 Abs. 1 Satz 2

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55 BAG v. 27.7.2016 – 7 AZR 545/14, NJW 2016, 3388, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 552. 56 BAG v. 7.11.2007 – 7 AZR 484/06, NZA 2008, 467; vgl. auch BAG v. 24.9.2014 – 7 AZR 987/12, NZA 2015, 301, Rz. 17. 57 BAG v. 20.2.2008, DB 2008, 2598. 58 BAG v. 15.5.2012 – 7 AZR 35/11, NZA 2012, 1366. 59 BAG v. 20.2.2008, DB 2008, 2598. 60 BAG v. 25.8.2004 – 7 AZR 7/04, DB 2005, 502. 61 BAG v. 24.9.2014 – 7 AZR 987/12, NZA 2015, 301, Rz. 19. 62 BAG v. 15.10.2014 – 7 AZR 893/12, NZA 2015, 362, Rz. 18; v. 4.12.2013 – 7 AZR 277/12, NZA 2014, 480, Rz. 18; v. 11.9.2013 – 7 AZR 107/12, NZA 2014, 150, Rz. 26, m. Anm. Mertens, ArbRAktuell 2014, 50. 63 BAG v. 30.10.2008 – 8 AZR 855/07, DB 2009, 739. 64 Einzelheiten bei MHH/Meinel, § 14 TzBfG Rz. 107, 110; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 32 f.

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Kap. 6 Rz. 17

Besondere Arbeitsverträge

Nr. 2 TzBfG nur den einmaligen Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages nach dem Ende der Ausbildung, weitere befristete Verträge können nur auf andere Sachgründe gestützt werden.65 Auch kann nur der erste Vertrag nach Ausbildung oder Studium auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG gestützt werden.66 17

(3) Auch ein vorübergehender Vertretungsbedarf67 rechtfertigt eine Befristung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG), sofern der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages den vorübergehenden Vertretungsbedarf belegbar prognostizieren kann.68 Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, kann der Arbeitgeber in Fällen von Krankheitsvertretung davon ausgehen, dass die zu vertretende Stammkraft zurückkehren wird.69 Unschädlich ist es, wenn die Befristungsdauer hinter der Dauer des Vertretungsbedarfs zurückbleibt.70 Stellt sich dann heraus, dass trotz Ablauf der Befristung weiterhin ein Vertretungsbedarf vorliegt, den der Arbeitgeber durch Einstellung decken will, so folgt daraus auch nicht ein Wiedereinstellungsanspruch des bisherigen Vertreters.71 Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Personalreserve vorzuhalten.72

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Das BAG unterscheidet zwischen unmittelbarer und mittelbarer Vertretung. Zum Nachweis der unmittelbaren Vertretung muss der Arbeitgeber darlegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren.73 Der Vertretungsbedarf kann auch zwischen mehreren Arbeitsverhältnissen wechseln, wenn der Vertreter in allen eingesetzt werden kann.74 Ein Vertretungsfall iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegt auch bei einer mittelbaren Vertretung vor, dh. wenn die Aufgaben des vorübergehend abwesenden Arbeitnehmers ganz oder teilweise anderen Arbeitnehmern übertragen werden, deren Aufgaben wiederum der Vertreter übernimmt.

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Der für den Sachgrund der Vertretung notwendige Kausalzusammenhang besteht in diesem Fall, wenn der Vertreter mit Aufgaben betraut wird, die dem Vertretenen nach dessen Rück-

65 Vgl. BAG v. 24.9.2014 – 7 AZR 987/12, NZA 2015, 301, Rz. 31; v. 10.10.2007 – 7 AZR 795/06, NZA 2008, 295. 66 BAG v. 24.8.2011, AP TzBfG § 14 Nr. 85, für den Fall, dass eine nur wenige Wochen dauernde Beschäftigung bei einem Dritten zwischen Studium und dem befristeten Vertrag lag. 67 Die befristete Abordnung einer Stammkraft kann hierbei ausreichen, BAG v. 16.1.2013 – 7 AZR 662/ 11, NZA 2013, 611. Zur Vertretung BAG 26.10.2016 – 7 AZR 135/15; v. 24.8.2016 – 7 AZR 41/15; v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617; v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351. 68 BAG v. 17.3.2010 – 7 AZR 640/08, NZA 2010, 633, m. Anm. Winzer, FD-ArbR 2010, 303237; v. 22.11.1995 – 7 AZR 252/95, NZA 1996, 878, 879. Das scheidet aus, wenn ein Betrieb unzureichend personell ausgestattet ist und einem zur Reduzierung von Bearbeitungsrückständen eingestellten Arbeitnehmer insoweit Daueraufgaben übertragen werden. 69 BAG v. 23.1.2002 – 7 AZR 440/00, NZA 2002, 665; v. 21.2.2001 – 7 AZR 200/00, DB 2001, 1509; bei Ungewissheit der Rückkehr ist eine auflösende Bedingung möglich nach BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 6/10, NZA 2011, 1346 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell, 2011, 614, auch wenn der Arbeitgeber hier weiterhin ebenfalls von einer Rückkehr ausgehen kann. 70 BAG v. 6.11.2013 – 7 AZR 96/12, NZA 2014, 430, Rz. 31, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 129; v. 13.10.2004, DB 2005, 504. 71 BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896. 72 Vgl. EuGH v. 26.1.2012 – Rs. C- 586/10, Kücük, NJW 2012, 989; v. 14.9.2016 – Rs. C-16/15 – Perez Lopez, m. Anm. Gooren, NZA 2016, 1265; BAG v. 24.8.2016 – 7 AZR 41/15; v. 13.2.2013 – 7 AZR 225/11, NZA 2013, 777; v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, m. Anm. Kock, NJW 2013, 1254. 73 St. Rspr., vgl. nur BAG v. 6.11.2013 – 7 AZR 96/12, NZA 2014, 430, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 129. 74 BAG v. 20.1.1999 – 7 AZR 640/97, NZA 1999, 928.

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kehr im Wege des Direktionsrechts zugewiesen werden könnten.75 Es kommt bei der gedanklichen Zuordnung nicht darauf an, ob und gegebenenfalls wie die bisherigen Aufgaben des Vertretenen wahrgenommen werden.76 Allerdings muss der Vertretene die dem Vertreter übertragenen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen können.77 Der erforderliche Kausalzusammenhang liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten gedanklich zuordnet und diese gedankliche Zuordnung entweder durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag oder im Rahmen der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung bei der Einstellung erkennbar ist.78 Damit stellt das BAG eher geringe Anforderungen an den Kausalzusammenhang, so dass dem Arbeitgeber umfangreiche Umorganisationen der Arbeit verbunden mit der Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes im Zuge der Vertretung ermöglicht werden.79 Allerdings reicht eine bloße gedankliche Zuordnung, auch wenn sie nach außen erkennbar ist, nicht aus, wenn der Vertreter nur eine vorübergehend innerhalb des Unternehmens abgeordnete Stammkraft vertreten soll.80 Der Kausalzusammenhang fehlt auch, wenn bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertrags feststeht, dass der Arbeitnehmer, der den abwesenden Arbeitnehmer unmittelbar ersetzt und seinerseits vom befristet eingestellten Arbeitnehmer vertreten wird, nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird.81 Keine Vertretung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer als Ersatz für einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer eingestellt wird, auch wenn eine Wiedereinstellungszusage vorliegt. Jedoch kann dies ein sonstiger Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG sein, wenn eine Geltendmachung der Zusage ernsthaft zu erwarten ist und die befristete Einstellung geeignet ist, den Arbeitsplatz des Ausgeschiedenen freizuhalten.82 Auch die Vereinbarung von Altersgrenzen auf die gesetzliche Regelaltersgrenze sieht die Rechtsprechung zwar als Befristung an, die Anforderungen an den sachlichen Grund sind allerdings auch unter Berücksichtigung des AGG weniger streng.83 Wird ein Arbeitsvertrag auf „unbestimmte Zeit“ geschlossen und sieht ein auf das Arbeitsverhältnis anwendbares tarifliches Regelwerk eine Altersgrenze vor, so wird diese nicht durch die Regelung im Arbeitsvertrag abbedungen.84

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(4) Sachlich begründet ist die Befristung auch, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung sie rechtfertigt, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG. Dies ist ein recht enger Tatbestand, der im We-

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75 BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617, Rz. 20, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2015, 246; v. 6.11.2013 – 7 AZR 96/12, NZA 2014, 430, Rz. 24, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 129; v. 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, NZA 2006, 781. 76 BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617, Rz. 21, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2015, 246. 77 BAG v. 14.4.2010 – 7 AZR 121/09, NZA 2010, 942. 78 BAG v. 20.1.2010 – 7 AZR 542/08, BB 2010, 2054; v. 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, NZA 2006, 781. 79 BAG v. 18.4.2007 – 7 AZR 293/06, NZA-RR 2008, 219. 80 BAG v. 10.7.2013 – 7 AZR 761/11, NZA 2014, 26 Rz. 16, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2014, 109; v. 16.1.2013 – 7 AZR 662/11, NZA 2013, 611, wonach eine „gedankliche Zuordnung“ nur zulässig sein soll, wenn der Vertretene vollständig aus dem Unternehmen abwesend ist. 81 BAG v. 6.11.2013 – 7 AZR 96/12, NZA 2014, 430, Rz 30, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 129. 82 BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 85/09, NZA 2010, 1293. 83 BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695 (Arbeitsvertrag – wobei die sachliche Rechtfertigung der Befristung mangels Anwendbarkeit nicht auf das TzBfG gestützt wurde); v. 4.11.2015 – 7 Sa 770/ 12, NZA 2016, 634 (Betriebsvereinbarung); v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2016, 36 (Betriebsvereinbarung); v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 Rz. 18 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 155 (Betriebsvereinbarung); v. 12.6.2013 – 7 AZR 917/11, NZA 2013, 1428 (Arbeitsvertragsrichtlinie/BAT); v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09, NZA 2011, 586 (Tarifvertrag). Zum Ganzen: Jesgarzewski, NWB 2016, 1593 ff. Vgl. im Einzelnen zu Altersgrenzen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86, M 3.1 § 16 Abs. 3 m. Anm. 84 BAG v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09, NZA 2011, 586 Rz. 19 ff.

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sentlichen beschränkt ist auf Verträge im Bereich des Rundfunks,85 der Künstler86 und Nachwuchssportler, möglicherweise auch Profisportler.87 22

(5) Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG ist auch die Befristung zur Erprobung sachlich gerechtfertigt. Sachlicher Grund für die Vereinbarung einer Probezeit von einem Jahr kann die Bewährung des Arbeitnehmers sein, sofern der Arbeitgeber sich bei Bewährung zur Übernahme verpflichtet.88 An dem sachlichen Grund der Erprobung fehlt es aber, wenn der Arbeitnehmer bereits ausreichende Zeit bei dem Arbeitgeber mit den nunmehr von ihm zu erfüllenden Aufgaben beschäftigt war und der Arbeitgeber deshalb die Fähigkeiten ausreichend beurteilen konnte.89 Im Übrigen geht das BAG davon aus, dass entsprechend § 622 Abs. 3 BGB und § 1 KSchG eine Probezeit von sechs Monaten im Allgemeinen ausreicht.90

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Praxistipp: Da eine anschließende Befristung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ausgeschlossen ist, empfiehlt sich für die Erprobung eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG.

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(6) Auch Gründe in der Person des Arbeitnehmers können die Befristung rechtfertigen, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG. Namentlich kann auch auf Wunsch des Arbeitnehmers wirksam befristet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers, ihn unbefristet zu beschäftigen, abgelehnt und auf der Befristung bestanden hat.91 Soziale Erwägungen können einen Befristungsgrund darstellen, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck nicht zum Abschluss eines unbefristeten oder befristeten Arbeitsvertrages gekommen wäre.92 § 41 Satz 3 SGB VI ermöglicht das befristete Herausschieben des vereinbarten Endes des Arbeitsverhältnisses, es muss allerdings vor dem vereinbarten Ende vereinbart werden (M 6.1.10). Soll hingegen mit einem Arbeitnehmer, der bereits die Regelaltersgrenze erreicht hat,93 ein befristeter Arbeitsvertrag geschlossen werden, so setzt eine Rechtfertigung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG voraus, dass der Arbeitnehmer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann, und dass die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses

85 BAG v. 4.12.2013 – 7 AZR 457/12, NZA 2014, 1018. 86 Vgl. Opolony, NZA 2001, 1351. 87 Ob auch die Befristung von Verträgen mit Profifußballern nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt ist, ist streitig. Dafür jüngst LAG Rh.-Pf. v. 17.2.2016 – 4 Sa 202/15; Revision anhängig unter 7 AZR 312/16; Katzer/Frodl, NZA 2015, 657; Fischinger/Reiter, NZA 2016, 661; Walker, NZA 2016, 657; aA noch ArbG Mainz, NZA 2015, 684, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2015, 328; dazu Mosch, NJW-Spezial 2015, 370. 88 BAG v. 31.8.1994, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 163. 89 Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer im Probearbeitsverhältnis eine höherwertige Tätigkeit zugewiesen wird, BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 636/03, DB 2004, 2585, oder wenn die Probezeit wegen besonderer Umstände nicht ausreichte, BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 85/09, NZA 2010, 1293. 90 BAG v. 2.6.2010 – 7 AZR 85/09, NZA 2010, 1293, wobei aber auch einschlägige Tarifverträge Anhaltspunkte sein können, so dass im Einzelfall auch nur kürzere Probezeiten zulässig sein könnten. 91 Vgl. BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 36; v. 19.1.2005, NZA 2005, 896; v. 6.11.1996, EzA BGB § 620 Nr. 146. 92 BAG v. 21.1.2009 – 7 AZR 630/07, NZA 2009, 727 zum Ruhen des Vollzeitarbeitsverhältnisses während der befristeten Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer. 93 Befristungen, die vor dem Inkrafttreten des § 41 Satz 3 SGB VI am 1.7.2014 vereinbart wurden, werden nicht an § 41 Satz 3 SGB VI gemessen, da für die Wirksamkeit der Befristung grundsätzlich die im Zeitpunkt der Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich ist, BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 20. Allgemein zur Befristung von Arbeitsverhältnissen mit „Altersrentnern“ vgl. Bayreuther, NZA-Beilage 2015, 84.

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Rz. 26 Kap. 6

einer konkreten, im Zeitpunkt der Befristungsabrede bestehenden Personalplanung des Arbeitgebers dient.94 (7) Haushaltsrechtliche Gründe (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG)95 rechtfertigen die Befristung eines Arbeitsvertrages, wenn der öffentliche Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen kann, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Einstellung nur mit Haushaltsmitteln möglich ist, die durch Beurlaubung der Stammkraft vorübergehend frei werden,96 oder der Haushaltsgesetzgeber eine für die Beschäftigung eines Beamten bestimmte Planstelle nur vorübergehend für die Besetzung mit einem Angestellten freigegeben hat,97 oder wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind und er entsprechend beschäftigt wird; die Haushaltsmittel müssen allerdings zweckgebunden für die Erledigung von zeitlich begrenzten Tätigkeiten und dürfen nicht nur allgemein für die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern zugewiesen sein.98 Ein vorübergehender Mehrbedarf an Arbeitskräften ist wie bei § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ausreichend, wobei es anders als dort genügt, dass der Mehrbedarf während der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses besteht, dh. die Prognose muss sich nicht darauf erstrecken, dass die Arbeit nach Befristungsende wieder mit dem Stammpersonal bewältigt werden kann.99

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(8) Wird die Befristung in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG), so ist sie wirksam, wenn eine frühere Befristung oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses streitig war.100 Erforderlich ist stets ein offener Streit der Parteien über die Rechtslage hinsichtlich des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses101 und ein Vergleichsabschluss unter Mitwirkung des Gerichts.102 Der Vergleich darf also nicht nur „inszeniert“ werden, um die Voraussetzungen einer Befristung zu schaffen. Ein von den Parteien vorgeschlagener Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO reicht zudem nicht aus,103 vielmehr ist ein entsprechender Vorschlag des Gerichts ge-

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94 BAG v. 13.2.2013 – 7 AZR 225/11, NZA 2013, 777 Rz. 25 ff., m. Anm. Günther, ArbRAktuell 2013, 296; v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 Rz. 32 f. Die Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung der Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG sind bei einer Befristungsvereinbarung nach Erreichen der Regelaltersgrenze gegenüber einer Altersgrenzenregelung, die zu Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird, erhöht. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass bei Beginn des Arbeitsverhältnisses eine konkrete Personalplanung für die Zeit des Erreichens der Regelaltersgrenze in der Regel nicht möglich ist, BAG v. 11.2.2015, NZA 2015, 1066 Rz. 28. 95 Die Vereinbarkeit dieser Regelung mit Europarecht stellt das BAG selbst in Frage, da so für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Sektor ein zusätzlicher Befristungsgrund geschaffen wurde, der im privaten Bereich nicht zur Verfügung steht, was gleichheitswidrig bzw. von der entsprechenden Rahmenvereinbarung nicht gedeckt sein könnte, vgl. BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674. Eine Entscheidung des EuGH bzw. ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen steht allerdings noch aus. 96 BAG v. 15.8.2001, DB 2002, 152. 97 BAG v. 7.7.1999 – 7 AZR 609/97, NZA 2000, 591. 98 BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, NZA 2007, 332; v. 17.3.2010 – 7 AZR 640/08, NZA 2010, 633; zudem muss der Haushaltsplangeber unmittelbar demokratisch legitimiert sein und darf nicht identisch mit dem Arbeitgeber sein, BAG v. 9.3.2011 – 7 AZR 728/09, NZA 2011, 911. 99 BAG v. 7.5.2008 – 7 AZR 198/07, NZA 2008, 880. 100 Vgl. BAG v. 12.11.2014 – 7 AZR 891/12, NZA 2015, 379 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 129; v. 4.12.1991, EzA BGB § 620 Nr. 113. 101 BAG v. 14.1.2015 – 7 AZR 2/14, NZA 2016, 39 Rz. 14, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 248. 102 BAG v. 26.4.2006, DB 2006, 2070. 103 BAG v. 15.2.2012 – 7 AZR 734/10, DB 2012 1573 m. Anm. Kern, FD-ArbR, 2012, 334950.

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Kap. 6 Rz. 27

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mäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO notwendig.104 Allerdings soll es ausreichen, wenn eine Partei einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, das Gericht daraufhin einen gleichlautenden Vergleichsvorschlag unterbreitet und dieser dann von der Gegenseite angenommen wird.105 Ob eine Partei den Vorschlag auch schon annehmen kann, bevor das Gericht ihn unterbreitet hat, hat der Senat ausdrücklich offengelassen;106 davon ist daher einstweilen abzuraten. Ein außergerichtlicher Vergleich rechtfertigt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG keine Befristung.107 (9) Die in § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG aufgeführten Sachgründe sind nicht abschließend. Sonstige Sachgründe rechtfertigen eine Befristung allerdings nur, wenn sie den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen und den aufgeführten Sachgründen von ihrem Gewicht her gleichwertig sind.108 Die personelle Kontinuität des Betriebsrats rechtfertigt eine Befristung jedenfalls dann nicht, wenn die Dauer der Befristung mit der verbleibenden Amtsdauer nicht übereinstimmt.109 aa) Kalendermäßige Befristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 1 TzBfG (M 6.1.1) → S. zu einem kalendarisch befristeten Arbeitsvertrag M 6.1.1. 27

Dies ist der häufigste Fall des befristeten Arbeitsverhältnisses. Wichtig ist, dass der Endzeitpunkt eindeutig bestimmt, jedenfalls aber einfach zu errechnen ist. Die bloße Unsicherheit der künftigen Entwicklung des Arbeitsanfalls und des Arbeitskräftebedarfs gehört allerdings grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers. Er kann sich bei nicht oder nur schwer vorhersehbarem quantitativem Bedarf nicht darauf berufen, mit befristeten Arbeitsverträgen könne er leichter und schneller auf Bedarfsschwankungen reagieren.110 bb) Zweckbefristung, § 3 Abs. 1 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG (M 6.1.2; M 6.1.5) → S. zu einem zweckbefristeten und einem doppelt befristeten Arbeitsvertrag M 6.1.2; M 6.1.5.

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Neben kalendermäßigen Befristungen sind auch Zweckbefristungen zulässig, wenn die Beendigung von einem Ereignis abhängig gemacht wird, dessen Eintritt die Parteien als sicher, den Zeitpunkt jedoch als ungewiss ansehen.111 Dies gilt insbesondere bei der Vertretung eines erkrankten Arbeitnehmers, da der Zeitpunkt der Genesung nicht sicher ist. Das Arbeitsverhältnis endet dann jedoch nicht mit dem Tag, an dem der Befristungszweck endet (zB Genesung 104 105 106 107 108

BAG v. 14.1.2015 – 7 AZR 2/14, NZA 2016, 39 Rz. 24, 26, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 248. Vgl. BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 339/14, NZA 2016, 1485. BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 339/14, NZA 2016, 1485. Offengelassen in BAG v. 24.6.1996, EzA BGB § 620 Nr. 139. BAG v. 20.1.2016 – 7 AZR 340/14, NZA 2016, 755 Rz. 13, v. 18.3.2015 – 7 AZR 115/13, NZA-RR 2015, 569 Rz. 13. Als sonstigen sachlichen Grund hat das BAG die geplante Besetzung des Arbeitsplatzes mit einem Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung, BAG v. 18.3.2015, NZA-RR 2015, 569 Rz. 13 ff., m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2015, 430, sowie die Anhängigkeit einer Konkurrentenklage um eine zu besetzende Stelle anerkannt, BAG v. 16.3.2005 – 7 AZR 289/04, BB 2005, 1856. Andere Sachgründe, auch wenn sie tariflich geregelt sind, müssen jedoch den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen, BAG v. 18.3.2015, NZA-RR 2015, 569 Rz. 13 m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2015, 430; v. 9.12.2009 – 7 AZR 399/08, NZA 2010, 495. 109 BAG v. 8.6.2016 – 7 AZR 467/14, NZA 2016, 755 Rz. 17 m. Anm. Winzer, ArbR-Aktuell 2016, 553. 110 BAG v. 13.11.1991, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 60; v. 16.10.1987 – 7 AZR 614/86, BAGE 56, 241, 249. 111 BAG v. 9.9.2015 – 7 AZR 148/14, NZA 2016, 169, Rz. 23, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2016, 64.

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Rz. 30 Kap. 6

des vertretenen Arbeitnehmers), sondern nach § 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung112 durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung. Für die Unterrichtung trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. § 15 Abs. 5 TzBfG fingiert gesetzlich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, wenn der Arbeitgeber diese Mitteilung unterlässt oder verspätet, dh. nicht unverzüglich, abgibt. Der Arbeitgeber kann aber auch schon vor Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses widersprechen. Die Ablehnung des Wunsches des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich fortzusetzen, stellt regelmäßig einen Widerspruch iSd. § 15 Abs. 5 TzBfG dar.113 Eine besondere gesetzlich geregelte Zweckbestimmung enthält § 21 Abs. 3 BEEG zur Schwangerschaftsvertretung; dazu unter Rz. 38. In der schriftlichen Vereinbarung über die Zweckbefristung muss der Zweck, mit dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden soll, so genau bezeichnet sein, dass hieraus der Eintritt dieses Ereignisses zweifelsfrei feststellbar ist. Erforderlich ist ferner die Prognose, dass der Zweck tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht werden wird, auch wenn noch nicht feststeht, wann das sein wird.114 cc) Auflösende Bedingung In der Praxis seltener ist die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung. Deren Eintritt führt – wiederum bei Vorliegen eines sachlichen Grundes – zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie wird vereinbart, wenn nicht nur unsicher ist, wann, sondern auch ob das die Bedingung auslösende Ereignis überhaupt eintritt. So kommt insbesondere die Einstellung „vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrats nach § 99 BetrVG“ in Betracht.115 Dagegen ist in einem Vertrag mit einem ausländischen Arbeitnehmer nur unter sehr engen Voraussetzungen die auflösende Bedingung zulässig, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Arbeitserlaubnis endet.116 Für Fußballtrainer ist hingegen die Vereinbarung des Abstiegs in die Regionalliga als auflösende Bedingung wirksam.117 Auch der Entzug einer Einsatzgenehmigung durch die US-Streitkräfte kann als auflösende Bedingung vereinbart werden, sofern für die Arbeitnehmer danach keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht.118 Das gleiche gilt für Krankheitsvertretungen, wenn die Genesung ungewiss ist.119 Auch ist die tarifliche Anknüpfung an eine Betriebsrentenberechtigung als auflösende Bedingung grundsätzlich möglich, greift aber nur, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr auf einem anderen ihm zumutbaren, freien Arbeitsplatz beschäftigt werden kann.120

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Schließlich ist auch die Kombination von auflösender Bedingung und Zeitbefristung möglich.121 Der Vorteil einer Kombination liegt in der Auffangwirkung der Zeitbefristung. Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit dem Ablauf der Zeitbefristung, auch wenn vorher bereits die auflösende Bedingung eingetreten ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer (versehentlich) widerspruchslos weiterbeschäftigt.122

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112 Gemäß § 126 BGB ist ein Original erforderlich, bzw. nach § 126a BGB die qualifizierte elektronische Form. 113 BAG v. 11.7.2007, NZA 2008, 1207. 114 BAG v. 15.5.2012 – 7 AZR 35/11, NZA 2012, 1366. 115 Vgl. LAG Nds. v. 26.2.1980 – 1 Sa 12/79, DB 1980, 1799. 116 LAG Köln v. 18.4.1997 – 11 (8) Sa 1268/96, NZA-RR 1997, 476, 477. 117 BAG v. 4.12.2002 – 7 AZR 492/01, NZA 2003, 611. 118 BAG v. 23.9.2015 – 5 AZR 146/14, NZA 2016, 293. 119 BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 6/10, NZA 2011, 1346. 120 Vgl. BAG v. 27.7.2011, EzA TzBfG § 17 Nr. 14 zur tariflichen „Postbeschäftigungsunfähigkeit“. 121 BAG v. 11.9.2013 – 7 AZR 107/12, NZA 2014, 150 Rz. 17 m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2014, 50. 122 Vgl. BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 6/10, NZA 2011, 1346; Linsenmaier, RdA 2012, 193.

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Kap. 6 Rz. 31

Besondere Arbeitsverträge

dd) Befristung einzelner Vertragsbedingungen 31

Die Vorschriften des TzBfG sind auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht anwendbar.123 Formularmäßige Befristungen einzelner Arbeitsbedingungen sind bei ansonsten unbefristetem Vertrag an den §§ 307 ff. BGB zu messen. Zwar bedarf es für eine solche Befristung keines sachlichen Grundes; bei der Angemessenheitskontrolle ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass der Arbeitnehmer ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der unbefristeten Vereinbarung der Arbeitsbedingungen hat. Besteht daher ein Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG, ist idR. die Befristung der Änderung der Arbeitsbedingungen wirksam.124 Je größer der Umfang einer vorübergehenden Arbeitszeiterhöhung ist, umso mehr Ähnlichkeit besteht zu einem zusätzlichen befristeten Arbeitsvertrag. Deshalb ist eine erhebliche befristete Aufstockung der Arbeitszeit – 25 % oder mehr eines Vollzeitarbeitsverhältnisses – nur wirksam, wenn auch ein entsprechender befristeter Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG wirksam gewesen wäre.125 Die bloße Ungewissheit über einen künftigen Arbeitskräftebedarf reicht nicht aus, die Befristung von Arbeitszeiterhöhungen zu rechtfertigen.126 Für die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gelten diese Grundsätze nicht.127 Die befristete Reduzierung der Arbeitszeit ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Arbeitnehmer nach § 8 TzBfG Anspruch auf entsprechende Teilzeit hätte und geltend gemacht hat.128 Die Erprobung rechtfertigt eine befristete Übertragung der Zieltätigkeit, wenn sie sie tatsächlich der Erprobung dient und die vereinbarte Vertragslaufzeit in einem angemessenen Verhältnis zum Erprobungszweck steht.129 b) Befristung aufgrund gesetzlicher Regelungen

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Aufgrund folgender gesetzlicher Sonderregelungen sind Befristungen auch ohne sachlichen Grund wirksam: aa) § 14 Abs. 2, 2a, 3 TzBfG – Sachgrundlose Befristung (M 6.1.6; M 6.1.9) → S. zu einem sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag und seiner Verlängerung M 6.1.6; M 6.1.9.

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Gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG ist die Befristung eines neu abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses bis zur Dauer von zwei Jahren wirksam.130 Die Angabe des § 14 Abs. 2 TzBfG als Befristungs123 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811 Rz. 29; v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674, m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2012, 328; v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229; v. 18.1.2006, NZA 2007, 351; vgl. dazu Fleddermann, ArbRAktuell 2015, 367 ff., 392 ff.; Fuhlrott, NZA 2016, 1000; Schmidt, NZA 2014, 760. Zu Einzelheiten s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsbedingungen“, Rz. 96, ferner M 11.1. 124 BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 51. 125 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441 Rz. 43; v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881 Rz. 52; v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674. 126 Vgl. BAG v. 27.7.2005, BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; vgl. Einf. Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsbedingungen“, Rz. 96. 127 BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441. 128 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811 Rz. 41. 129 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 815 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 315. 130 Das gilt auch für Betriebsratsmitglieder, BAG v. 25.6.2014 – 7 AZR 847/12, NZA 2014, 1209 Rz. 16, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 537; v. 5.12.2012 – 7 AZR 698/11, NZA 2013, 515. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist weder verfassungs- noch unionsrechtlich bedenklich, BAG v. 19.3.2014, NZA-RR 2014, 462 Rz. 26 ff.; v. 22.1.2014 – 7 AZR 243/12, NZA 2014, 483, Rz. 34 ff., m. Anm. Günther,

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 34 Kap. 6

grund im Arbeitsvertrag ist nicht erforderlich.131 Bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Vertragsverlängerung setzt zwar nicht voraus, dass die Bedingungen des Ausgangsvertrages während der Gesamtdauer der Vertragslaufzeit unverändert beibehalten werden. Die Änderung der Arbeitsbedingungen darf aber nicht im Zusammenhang mit der Vertragsverlängerung erfolgen, anderenfalls entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.132 Das gilt auch bei Vereinbarung von für den Arbeitnehmer günstigeren Arbeitsbedingungen,133 zB dem Wegfall eines ordentlichen Kündigungsrechtes im Anschlussvertrag.134 Zulässig sind aber bloße Anpassungen des Vertragstextes an die geltende Rechtslage oder die Vereinbarung von Arbeitsbedingungen, auf die der befristet beschäftigte Arbeitnehmer einen Anspruch hat.135 Bestand bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis136 mit demselben Arbeitgeber,137 so ist eine Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG unzulässig, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.138 Dabei sind nach neuerer Rechtsprechung des BAG parallel zur regelmäßigen Ver-

131 132 133 134 135 136

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ArbRAktuell 2014, 230. Durch Tarifvertrag kann bis zur Gesamtdauer von 5 Jahren eine fünfmalige Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen werden, BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 140/15, PM 58/16. BAG v. 24.10.2001, DB 2002, 536, 537. Auch die Angabe eines Sachgrundes für die Befristung verhindert in der Regel nicht, dass sich der Arbeitgeber zusätzlich auf § 14 Abs. 2 TzBfG berufen kann, BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151. BAG v. 18.1.2006 – 7 AZR 178/05, NZA 2006, 605; kritisch Richter/Wilke, RdA 2011, 305. BAG v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204 mit krit. Anm. Bauer, NZA 2007, 208. BAG v. 20.2.2008 – 7 AZR 786/06, NZA 2008, 883. BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 603/06, NZA 2008, 701 bzgl. des Anspruchs aus § 9 TzBfG nach entsprechendem Erhöhungsverlangen. Kein Arbeitsverhältnis in diesem Sinne sind ein Beamtenverhältnis, BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 712/ 13, NZA 2016, 758, ein Heimarbeitsverhältnis, BAG v. 14.8.2016 – 7 AZR 342/14, PM 43/16, ArbRAktuell 2016, 452, oder ein Berufsausbildungsverhältnis, BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255; vgl. auch Hunold, NZA 2012, 431 sowie kritisch Jörchel, NZA 2012, 1065. BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 323; v. 4.12.2013 – 7 AZR 290/12, NZA 2014, 426, m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2014, 178; v. 16.7.2008 – 7 AZR 278/07, NZA 2008, 1347; v. 25.4.2001 – 7 AZR 376/00, NZA 2001, 1384: Arbeitgeber ist die natürliche oder juristische Person, mit der der Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Diesem Verständnis stehen unionsrechtliche Vorgaben nicht entgegen, BAG v. 19.3.2014, NZA 2014, 840, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 323. Bei einem Gemeinschaftsbetrieb kommen Befristungen mit beiden Betriebsinhabern in Betracht; vgl. dazu Greiner, DB 2014, 1987. Zur Arbeitgebereigenschaft vgl. auch BAG v. 10.11.2004 – 7 AZR 101/04, NZA 2005, 514: Wird ein Unternehmen nach § 2 Nr. 1 UmwG mit einem anderen Unternehmen durch Aufnahme verschmolzen, ist das übernehmende Unternehmen nicht derselbe Arbeitgeber wie das übertragende Unternehmen. Auch die Überlassung eines Arbeitnehmers an seinen vormaligen Vertragsarbeitgeber, bei dem er zuvor zwei Jahre sachgrundlos befristet beschäftigt war, führt nicht zur Unwirksamkeit einer anschließend mit dem Verleiher iSd. § 1 AÜG nach § 14 Abs. 2 TzBfG vereinbarten sachgrundlosen Befristung, BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443; vgl. dazu Bauer/Fischinger, DB 2007, 1410; im Übrigen ist ein Rechtsmissbrauch nur bei besonderen Anzeichen anzunehmen, vgl. BAG v. 9.3.2011 – 7 AZR 657/09, NZA 2011, 1147 das mehrere mögliche Anzeichen aufzählt. Eine Beschäftigung im Rahmen einer unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung gilt als Vorbeschäftigung, BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 451/11, NZA 2012, 1369. § 14 Abs. 2 Satz 3 und 4 TzBfG enthalten aber eine weit reichende Öffnungsklausel für Tarifverträge, deren Anwendung auch nicht Tarifgebundene vereinbaren können. Dabei können Gesamtdauer und Anzahl möglicher Verlängerungen auch zuungunsten der Arbeitnehmer vereinbart werden, BAG v. 18.3.2015 – 7 AZR 272/13, NZA 2015, 821; v. 15.8.2012 – 7 AZR 184/11, DB 2012, 2697. Bislang nicht geklärt ist, wo mögliche Grenzen der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien liegen. Nicht beanstandet hat das BAG die Verlängerung der Höchstbefristungsdauer auf 48 Monate bei höchstens sechs Verlängerungen, BAG v. 18.3.2015, NZA 2015, 821, Rz. 20 ff.

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Kap. 6 Rz. 35

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jährungsfrist nur Beschäftigungen innerhalb der letzten drei Jahre zu berücksichtigen.139 Aufgrund der beim BVerfG anhängigen Vorlage des ArbG Braunschweig zur Verfassungsmäßigkeit des Anschlussbeschäftigungsverbots ist offen, ob diese Rechtsprechung auch künftig aufrechterhalten bleiben wird.140 Zur Klärung der Vorbeschäftigung steht dem Arbeitgeber ein Fragerecht zu, das bei unrichtiger Beantwortung zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigen kann.141 35

Praxistipp: Da den Arbeitgeber für den Anfechtungsgrund die Darlegungs- und Beweislast trifft, sollte eine entsprechende Erklärung vom Arbeitnehmer unterschrieben werden.

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In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist gemäß § 14 Abs. 2a TzBfG die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Für die Auslegung gelten die Grundsätze des § 112a Abs. 2 BetrVG, dem diese Vorschrift nachgestaltet ist; hier wie dort sind auch Neugründungen im Zusammenhang mit einer Konzernumstrukturierung ausgenommen, § 14 Abs. 2a Satz 2 TzBfG.142

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Gemäß § 14 Abs. 3 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos iSd. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen ist, Transferkurzarbeitgeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder III teilgenommen hat.143 Bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig. Trotz der auch hier bestehenden Zweifel dürfte die aktuelle Fassung des § 14 Abs. 3 TzBfG rechtswirksam sein,144 allerdings möglicherweise nur, soweit es sich um eine erstmalige Anwendung der Regelung zwischen den Vertragsparteien handelt.145 bb) § 21 BEEG, § 6 PflegeZG und § 9 FPfZG → S. hierzu auch Kap. 17 Rz. 11 ff., Rz. 56 ff. und Rz. 77 ff.

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Die Vertretung einer Arbeitnehmerin für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und für die Dauer der Elternzeit rechtfertigt gemäß § 21 BEEG die Befristung. 139 BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905 m. Anm. Tilch/Vennewald, NJW-Spezial 2011, 690; Kuhnke, NJW 2011, 3131 sowie BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255; kritisch Höpfner, NZA 2011, 893. Da bislang unklar ist, ob § 199 Abs. 1 BGB anwendbar ist, sollte man ihn vorläufig beachten. 140 Das ArbG Braunschweig ist der Auffassung, dass das Vorbeschäftigungsverbot nicht verfassungsgemäß ist und das BAG durch seine Rechtsprechung das Gewaltenteilungsprinzip aus Art. 20 GG verletzt, ArbG Braunschweig v. 3.4.2014 – 5 Ca 463/13, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 366. Zu Einzelheiten vgl. auch von Medem, ArbRAktuell 2014. 425 sowie Bauer, NZA 2014, 889. 141 Bauer, BB 2001, 2473, 2476; NZA 2011, 241; Kliemt, NZA 2001, 296, 300; zur Anfechtung s. Kap. 21. 142 Meinel/Heyn/Herms, § 14 TzBfG Rz. 180 unter Hinweis auf den RegE BR-Drucks. 421/03 v. 19.6.2003, S. 22. 143 Bisher nicht geklärt ist, ob § 14 Abs. 3 TzBfG auch den befristeten Abschluss von Arbeitsverhältnissen mit Rentnern erfasst, dafür Bauer/Gottschalk, BB 2013, 501; ablehnend von Steinau-Steinrück/ Burkard-Pötter, NJW-Spezial 2012, 306. 144 BAG v. 28.5.2014 – 7 AZR 360/12, DB 2014, 2475 Rz. 10 ff., m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 567; Grimm/Brock, ArbRB 2007, 154, 155 f.; vgl. auch Kleinebrink, MDR 2007, 762. 145 Offengelassen, allerdings mit der Ansage „erheblicher Bedenken“ BAG v. 28.5.2014 – 7 AZR 360/12, DB 2014, 2475, Rz. 36 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 56.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 40 Kap. 6

Ein formgerechter Elternzeitantrag gem. § 16 Abs. 1 BEEG muss bei Vereinbarung der Befristung noch nicht vorliegen, es reicht aus, wenn er angekündigt wurde.146 Gemäß § 21 Abs. 3 BEEG muss der Fristablauf nicht einmal kalendermäßig bestimmt sein; eine Zweckbefristung reicht aus. Auch eine weitergehende Befristung für notwendige Einarbeitungszeiten ist nach § 21 Abs. 2 BEEG zulässig; § 21 Abs. 4 BEEG enthält zudem ein Sonderkündigungsrecht des Arbeitgebers bei vorzeitiger Beendigung der Elternzeit. Entsprechende Regelungen treffen § 6 PflegeZG für die Dauer der Pflegezeit sowie § 2 Abs. 3 FPfZG iVm. § 6 PflegeZG für die Familienpflegezeit.147 cc) Befristungen im Hochschulbereich Der Abschluss befristeter Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen richtet sich nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), wobei das Recht der Hochschulen, unbefristete oder nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes befristete Arbeitsverhältnisse abzuschließen, unberührt bleibt, § 1 Abs. 2 WissZeitVG.

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Gemäß § 2 Abs. 1 WissZeitVG kann das wissenschaftliche und künstlerische Personal,148 das nicht promoviert ist, bis zu sechs Jahre befristet beschäftigt werden, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. Für studentische Hilfskräfte gilt nunmehr § 6 WissZeitVG, wonach befristete Arbeitsverträge zur Erbringung wissenschaftlicher oder künstlerischer Hilfstätigkeiten mit Studierenden, die an einer deutschen Hochschule für ein Studium, das zu einem ersten oder einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, eingeschrieben sind, bis zur Dauer von insgesamt sechs Jahren zulässig sind. Für sie gilt die Besonderheit, dass ihre Beschäftigungszeiten vor Abschluss des Studiums auf eine danach erfolgende Beschäftigung an der Hochschule gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 WissZeitVG nicht angerechnet werden.149 Nach Abschluss der Promotion ist eine Befristung bis zur Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG ist die vereinbarte Befristungsdauer so zu bemessen, dass sie im Verhältnis zu der angestrebten Qualifizierung angemessen ist. Daneben regelt § 2 Abs. 2 WissZeitVG die Befristung von Arbeitsverträgen aufgrund von Drittmittelfinanzierung.150 Erforderlich ist, dass die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird,151 die Finanzierung für eine

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146 BAG v. 9.9.2015 – 7 AZR 148/14, NZA 2016, 169 Rz. 29, 35. 147 Vgl. zu den Einzelheiten Göttling/Neumann, NZA 2012, 119; Barkow von Creytz, DStR 2012, 191; Glatzel, NJW 2012, 1175. 148 Unterrichtende Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug fällt nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des WissZeitVG, BAG v. 29.4.2015, ZTR 2015, 665, m. Anm. Kramer, ArbRAktuell 2015, 481. 149 Die neue gesetzliche Regelung hilft insbesondere Unsicherheiten, die sich bei der Frage der Anrechnung von Beschäftigungszeiten während eines Masterstudiengangs ergaben, ab. Auch eine studienbegleitende Beschäftigung während des Masterstudiums bleibt anrechnungsfrei, BT-Drs. 395/15, S. 11 f. Allgemein zur Europarechtskonformität der Nichtanrechnung von Beschäftigungszeiten vgl. Stumpf, NZA 2015, 326. 150 Die in § 2 Abs. 2 WissZeitVG a.F. vorgesehene Möglichkeit zur Befristung des „akzessorischen Personals“ (technische Angestellte, Laborpersonal, Projektmanagement) wurde ersatzlos gestrichen und ist nur noch auf Grundlage des TzBfG möglich, BT-Drs. 395/15, S. 9. 151 Dies ist der Fall, wenn ein Forschungsvorhaben nicht aus den der Hochschule zur Verfügung stehenden regulären Haushaltsmitteln, sondern anderweitig finanziert wird, BAG v. 22.11.1995, BAGE 81, 300. Dabei ist eine konkrete aufgaben- und zeitbezogene Mittelzuweisung erforderlich. Die Drittmittel müssen hinreichend zweckgebunden und für eine von vornherein feststehende Zeitspanne zur Verfügung gestellt sein, BAG v. 13.2.2013, DB 2013, 1556.

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Kap. 6 Rz. 41

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bestimmte Aufgabe oder Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung entsprechend beschäftigt wird.152 Die vereinbarte Befristungsdauer soll dem bewilligten Projektzeitraum entsprechen, § 2 Abs. 2 Halbs. 2 WissZeitVG. Außerdem ist das Zitiergebot des § 2 Abs. 4 WissZeitVG zu beachten. Im Vertrag muss daher angegeben werden, dass die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht, nicht aber, auf welchen.153 Wird während der Befristung nach dem WissZeitVG Elternzeit in Anspruch genommen, so dauert das Arbeitsverhältnis über das vereinbarte Fristende hinaus zunächst für die in Anspruch genommene Elternzeit fort und verlängert sich danach um die vor dem vereinbarten Fristende liegende Dauer der Elternzeit, § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WissZeitVG.154 41

Die alten Befristungsregeln der §§ 57b Abs. 1, 57d, 57f Abs. 2 Satz 1 HRG bewirken keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters iSd. Richtlinie 2000/78/EG.155 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt nach dem Wegfall der Rahmengesetzgebungskompetenz für das Hochschulwesen (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG aF) nunmehr als konkurrierende Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Arbeitsrecht), so dass abweichende landesrechtliche Befristungsregeln im Hochschulbereich nicht mehr möglich sind.156 2. Teilzeitarbeit (M 6.2.1) → Zum Teilzeitarbeitsvertrag s. M 6.2.1.

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Die Arbeitsvertragsparteien legen den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag frei fest. Teilzeitbeschäftigt sind Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die regelmäßige Wochenarbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (§ 2 Abs. 1 TzBfG). Ist eine regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, so ist die regelmäßige Arbeitszeit maßgeblich, die im Jahresdurchschnitt unter der eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers liegt (§ 2 Abs. 1 TzBfG; etwas anders noch § 2 Abs. 2 BeschFG). Fehlt eine Teilzeitvereinbarung, liegt im Zweifel ein Vollzeitarbeitsverhältnis vor.157

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Ohne ausdrückliche Vereinbarung ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers zur Lage und Dauer der Arbeitszeit im Teilzeitarbeitsverhältnis eingeschränkt, da der Teilzeitarbeitnehmer auch anderen Tätigkeiten nachgeht. Ein Genehmigungsvorbehalt im Arbeitsvertrag erstreckt sich allerdings auch auf Nebentätigkeiten.158 a) Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit

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§ 8 Abs. 1 TzBfG gewährt dem Arbeitnehmer, auch wenn er bereits in Teilzeit arbeitet,159 nach Maßgabe von § 8 Abs. 2–7 TzBfG einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit. 152 Nicht jede projektfremde Tätigkeit steht der Wirksamkeit einer Befristung entgegen. Ist aber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses absehbar, dass der Arbeitnehmer überwiegend nicht projektbezogen eingesetzt, sondern mit Daueraufgaben des Arbeitgebers beschäftigt werden wird, so ist die Befristung unwirksam, BAG v. 15.2.2006, ZTR 2006, 509. 153 BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 117/14, NZA 2016, 552. 154 BAG v. 28.5.2014 – 7 AZR, 456/12, ZTR 2014, 672 Rz. 10 ff. 155 BAG v. 19.3.2008, NZA 2009, 84. 156 Haratsch/Holljesiefken, NZA 2008, 207, 211. 157 BAG v. 15.5.2013, NZA-RR 2014, 519, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2013, 474; v. 21.6.2011, AP BGB § 307 Nr. 54. 158 Vgl. BAG v. 30.5.1996 – 6 AZR 537/95, NZA 1997, 145. 159 § 8 TzBfG gilt auch für Teilzeitbeschäftigte, BAG v. 13.11.2012 – 9 AZR 259/11, NJW 2013, 1835.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 48 Kap. 6

Wichtig: Teilzeitarbeit liegt nicht nur bei Verkürzung der täglichen Arbeitszeit, sondern auch bei Verkürzung der Wochen-, Monats- oder Jahresarbeitszeit vor. Daher ist das Verlangen nach Langzeiturlaub (Sabbatical), Monatsstundenkontingenten oder bestimmten Monaten mit und ohne Arbeitsleistung160 ein Verlangen iSv. § 8 Abs. 1 TzBfG. Es sind praktisch alle denkbaren Arbeitszeitmodelle vom TzBfG erfasst.161

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Der Anspruch auf Teilzeitarbeit besteht nach § 8 Abs. 1 TzBfG für alle Arbeitnehmer, also auch leitende Angestellte, Führungskräfte und befristet Beschäftigte. Bereits in Teilzeit Beschäftigte können eine weitere Verringerung ihrer Arbeitszeit verlangen.162 Der persönliche Anwendungsbereich ist allerdings auf Arbeitnehmer beschränkt, deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Antragstellung mehr als sechs Monate bestanden163 hat. Der sachliche Anwendungsbereich umfasst Arbeitgeber, die in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen (ohne Auszubildende).164

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b) Geltendmachung des Teilzeitanspruchs (M 6.2.2; M 6.2.3) → S. M 6.2.2 Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit und M 6.2.3 Schreiben bei verspätetem Antrag. Der Arbeitnehmer muss seinen Anspruch spätestens drei Monate vor Beginn der gewünschten Teilzeitarbeit unter Angabe des Umfangs der Verringerung geltend machen.165 Die Einhaltung dieser Mindestfrist ist jedoch keine materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung.166 Ein zu kurzfristig gestelltes Teilzeitverlangen richtet sich hilfsweise auf den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer die Verringerung frühestmöglich verlangen kann. Ein zu kurzfristig gestelltes Änderungsverlangen kann allerdings die in § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG geregelte Zustimmungsfiktion nicht auslösen, auch dann nicht, wenn sich der Arbeitgeber sachlich darauf einlässt.167 Im Übrigen wirkt ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Einhaltung der Drei-Monats-Frist zu Gunsten des Arbeitnehmers und ist daher nach § 22 Abs. 1 TzBfG zulässig. Ein solcher Verzicht ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber trotz Fristversäumnis mit dem Arbeitnehmer ohne jeden (zeitlichen) Vorbehalt erörtert, ob dem Teilzeitverlangen betriebliche Gründe entgegenstehen.168

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Die Geltendmachung unter Angabe der gewünschten Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit kann mündlich erfolgen.169 § 8 Abs. 1 und 2 TzBfG enthalten kein Formerfordernis

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160 LAG Düsseldorf v. 25.8.2011, LAGE § 8 TzBfG Nr. 20; v. 1.3.2002, NZA-RR 2002, 407; ablehnend dagegen LAG Düsseldorf v. 17.5.2006 – 12 Sa 175/06, DB 2006, 1682 mit der Begründung, § 8 TzBfG gewähre nur einen Anspruch auf verhältnismäßige Herabsetzung der vereinbarten Wochen- bzw. Monatsarbeitszeit, sei aber kein „Sabbatical-“ oder Sonderurlaubsgesetz, das den Arbeitnehmern größtmögliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten, angepasst an ihre individuellen Bedürfnisse, ermöglichen wolle. Dies dürfte aber auch BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 517/08, NZA 2009, 1207 widersprechen. 161 Meinel/Heyn/Herms, § 8 TzBfG Rz. 26. 162 Vgl. § 8 Abs. 6 TzBfG. 163 Elternzeiten werden mitgerechnet, da das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit fortbesteht. 164 Insoweit sind alle Arbeitnehmer des Unternehmens zu zählen; Teilzeitbeschäftigte zählen als ein Arbeitnehmer, § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG ist nicht entsprechend anwendbar. Diese Kleinunternehmensklausel ist laut LAG Köln v. 18.1.2002 – 4 Sa 1066/01, LAGReport 2002, 193, verfassungsgemäß. 165 Die gewünschte Verteilung muss nicht, sollte aber angegeben werden, um eine Erörterung zu ermöglichen und ggf. die Fiktionswirkung auszulösen, vgl. Rz. 48 und Oelkers, NJW-Spezial 2010, 562. 166 BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, NZA 2004, 1090. 167 BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, NZA 2004, 1090. 168 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 636/02, DB 2004, 986. 169 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 644/03, NZA 2005, 769.

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Kap. 6 Rz. 49

Besondere Arbeitsverträge

und sind nach § 22 Abs. 1 TzBfG vertraglich nicht abdingbar. Da an die Geltendmachung des Anspruchs die Frist des § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG geknüpft ist und der Arbeitnehmer den Zugang zu beweisen hat, ist die Schriftform jedoch anzuraten. Der Arbeitnehmer ist an seinen Antrag bis zum Ablauf der dem Arbeitgeber nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG eingeräumten Überlegungsfrist gebunden und kann nach einer Ablehnung durch den Arbeitgeber einen erneuten Antrag nur nach § 8 Abs. 6 TzBfG stellen.170 Ein Verringerungsangebot, das den Umfang der zu reduzierenden Arbeitszeit offen lässt und dem Arbeitgeber auch kein entsprechendes Recht zur Bestimmung des zeitlichen Umfangs einräumt, ist nicht hinreichend bestimmt und löst weder die Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG noch die zweijährige Sperrfrist gemäß § 8 Abs. 6 TzBfG aus.171 Zu einer nur befristeten Verringerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer nicht nach § 8 Abs. 1, 2 TzBfG die Zustimmung des Arbeitgebers verlangen.172 49

Der Arbeitnehmer muss sich bei der Angabe der Arbeitszeitreduzierung nicht im Rahmen seines bisherigen Arbeitszeitmodells halten, dh. es ist keine Reduzierung bei der Wochenarbeitszeit bezogen auf Wochen, bei anderen Arbeitszeitmodellen auf den entsprechenden Zeitraum, nötig.173 c) Ablehnung des Teilzeitantrags (M 6.2.4) → S. zur Ablehnung M 6.2.4.

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Vor der Ablehnung eines Teilzeitantrags soll der Arbeitgeber zunächst eine Erörterung mit dem Ziel einer Vereinbarung gemäß § 8 Abs. 3 TzBfG mit dem Arbeitnehmer durchführen.174

51

Der Arbeitgeber hat bis einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung seine Entscheidung schriftlich mitzuteilen, § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG. Die Schriftform des § 126 BGB ist einzuhalten;175 E-Mail176 oder Fax177 genügen nicht. Die Angabe von konkreten Ablehnungsgründen verlangt das Gesetz nicht.178 Lehnt der Arbeitgeber nicht form- und fristgemäß ab, so tritt die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG ein: Die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung sind entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festgelegt.179 Es handelt sich um gesetzliche Fiktionen arbeitsvertraglicher Vereinbarungen zur Dauer und Lage der Arbeitszeiten. Da die Verteilung der Arbeitszeit nur Annexfunktion zum 170 BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 514/07, NZA 2008, 1289. 171 BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 239/07, NZA 2008, 289 sowie BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 m. Anm. Ahrendt in jurisPR-ArbR 13/2012, wonach das Angebot durch ein schlichtes „Ja“ annehmbar sein muss; uE müssen auch alternative Angebote zulässig sein, obwohl sie nicht durch ein schlichtes „Ja“ annehmbar sind. Denn sie erweitern auch den Spielraum für die Entscheidung des Arbeitgebers. 172 BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 686/05, NZA 2007, 253. 173 BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 517/08, NZA 2009, 1207, vgl. auch Rz. 48. 174 Entgegen LAG Düsseldorf v. 1.3.2002, NZA-RR 2002, 407 führt die fehlende Verhandlung jedoch nicht zur fingierten Vertragsänderung nach § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG; vielmehr kommt es auch bei fehlender Verhandlung lediglich darauf an, ob betriebliche Gründe dem Arbeitszeitwunsch entgegenstehen, BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, NZA 2003, 911. 175 AA Hanau, NZA 2001, 1168, 1171. 176 Gemäß §§ 126 Abs. 3, 126a BGB genügt eine E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur nach dem Signaturgesetz der Schriftform. 177 Meinel/Heyn/Herms, § 8 TzBfG Rz. 88. 178 Straub, NZA 2001, 919, 924. 179 Der Arbeitgeber kann den status quo ante durch die Erklärung einer Änderungskündigung nur dann wieder herstellen, wenn er diese auf Tatsachen stützt, die er dem Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers nicht vor Ablauf der der einmonatigen Frist des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG hätte entgegenhalten können, BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 860/13, NZA 2015, 805, Rz. 37 ff.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 54 Kap. 6

gesetzlich normierten Anspruch auf Teilzeitarbeit hat, ist eine isolierte Fiktion der Arbeitszeitverteilung ohne Arbeitszeitverringerung nicht möglich.180 d) Klage auf Teilzeitarbeit aa) Klageart bei wirksamer Ablehnung des Arbeitgebers (M 6.2.5) Lehnt der Arbeitgeber den Antrag zur Arbeitszeitverringerung wirksam ab, so kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch gerichtlich nur mit einer Leistungsklage durchsetzen. Der Klageantrag richtet sich auf Abgabe einer Willenserklärung des Arbeitgebers mit dem Inhalt der Zustimmung zur gewünschten Verringerung der Arbeitszeit (s. M 6.2.5).181 Verbindet der Arbeitnehmer hiermit die Neuverteilung der Arbeitszeit, liegt regelmäßig nur ein prozessualer Anspruch und damit ein einheitlicher Klageantrag vor. Das Arbeitsgericht hat über den Antrag im Ganzen zu entscheiden und darf ihn nicht in zwei prozessuale Ansprüche aufteilen.182 Die Klage auf Verringerung der Arbeitszeit ist unbegründet, wenn der Arbeitnehmer die Verringerung der Arbeitszeit in Gestalt eines einheitlichen Vertragsangebots an eine bestimmte Verteilung knüpft und schon auf diese Verteilung der Arbeitszeit kein Anspruch besteht.183 Eine isolierte Klage auf Neuverteilung der Arbeitszeit ist demgegenüber möglich, wenn der Arbeitgeber einem vorausgegangenen Verringerungswunsch zugestimmt, den Neuverteilungsantrag aber abgelehnt hat.184 Auch der Anspruch auf Verteilung der Arbeitszeit ist auf Abgabe einer Willenserklärung (Antragsannahme) gerichtet, die mit der Leistungsklage verlangt und gemäß § 894 ZPO vollstreckt wird.185 Demgegenüber ist im Falle der nicht rechtzeitigen Ablehnung eines Teilzeitbegehrens, das gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG kraft gesetzlicher Fiktion zur Verringerung der Arbeitszeit führt, ein Feststellungsantrag zu stellen.186

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Einem isolierten Antrag auf Neuverteilung der Arbeitszeit fehlt die Anspruchsgrundlage, da die Neuverteilung nur Annex zum Verringerungsanspruch ist.187

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bb) Entgegenstehende betriebliche Gründe Der Arbeitgeber kann gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegenstehende betriebliche Gründe einwenden, und zwar sowohl gegen das Verlangen auf Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit als auch gegen deren Verteilung. Hierfür trägt er die Darlegungs- und Beweislast.188 180 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, § 8 TzBfG Rz. 24; Preis/Gotthardt, DB 2001, 145, 147; aA Straub, NZA 2001, 919 f. 181 BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 860/13, NZA 2015, 805, Rz. 19; Diller, NZA 2001, 589; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 51. 182 BAG v. 21.12.2005 – 7 AZR 541/04, NZA 2006, 321, Rz. 21; v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, NZA 2003, 1392; aA LAG Berlin v. 18.1.2002, ArbuR 2002, 190; Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1177. 183 BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 514/07, NZA 2008, 1289. 184 BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 893/07, NZA 2009, 565. 185 BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07, Rz. 21; v. 23.11.2004 – 9 AZR 644/03, NZA 2005, 769, Rz. 25; v. 16.3.2004 – 9 AZR 323/03, NZA 2004, 1047 Rz. 66; Bruns, BB 2010, 1151, 1152; aA LAG Hamm v. 15.1.2003 – 2 Sa 1393/02, Rz. 38; Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1176 und 117 wonach Ziel der Leistungsklage die Ausübung des Direktionsrechts sei. 186 Vgl. dazu Rz. 64. 187 LAG Hessen v. 23.4.2012 – 17 Sa 1598/11, Rz. 14; Preis/Gotthardt, DB 2001, 145, 147; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 6 mwN; aA Straub, NZA 2001, 919, 920. 188 BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 735/13, NZA 2015, 816, Rz. 18 m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2015, 316; v. 13.11.2012 – 9 AZR 259/11, NZA 2013, 373, Rz. 23; jedenfalls für eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast ArbG Bonn v. 20.6.2001 – 2 Ca 1414/01, NZA 2001, 973, 974. Siehe auch BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 874/06, NZA 2007, 1349 zum vergleichbaren § 9 TzBfG („negative Anspruchsvoraussetzung“) und BAG v. 21.2.2012, NZA-RR 2012, 444 zum ähnlich lautenden § 2 Abs. 3 TV ATZ.

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Kap. 6 Rz. 55

Besondere Arbeitsverträge

(1) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verringerung 55

§ 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG führt als Beispiel für betriebliche Gründe, die einer Arbeitszeitverringerung entgegenstehen können, wesentliche Beeinträchtigungen der Organisation, des Arbeitsablaufs oder der Sicherheit im Betrieb oder unverhältnismäßig hohe Kosten auf.189 Im Allgemeinen genügen rational nachvollziehbare Gründe des Arbeitgebers.190 Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich, die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein. Auch aus einer Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zur Lage der Arbeitszeit kann sich ein entgegenstehender betrieblicher Grund ergeben.191 Die Prüfung erfolgt dreistufig:192 In der ersten Stufe ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber für erforderlich gehaltenen Arbeitszeitregelung ein Organisationskonzept zugrunde liegt.193 Die organisatorische Entscheidung für ein solches Konzept haben die Gerichte hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich ist.194 In einer zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit diese Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch zu prüfen, ob der Wunsch mit dem Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzepts durch eine zumutbare Änderung betrieblicher Abläufe oder des Personaleinsatzes in Einklang gebracht werden kann. Ist das nicht der Fall, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Belange zu prüfen. Dabei ist zu fragen, ob die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die ihm zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beeinträchtigt.

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Die Gerichte stellen eher hohe Anforderungen.195 Der allgemein höhere Verwaltungs- und Betreuungsaufwand für Teilzeittätigkeiten kann für sich allein die Ablehnung des Teilzeitbegehrens nach § 8 TzBfG nicht rechtfertigen.196 Umsetzungen und Versetzungen im Rahmen des Direktionsrechts sollen dem Arbeitgeber zumutbar sein.197 Ein bestimmtes pädagogisches Konzept ist nur ein betrieblicher Grund, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass er dieses auch tatsächlich durchführt.198 Fehlende Ersatzarbeitskräfte mit dem Berufsbild des Arbeitnehmers rechtfertigen die Ablehnung nur, wenn der Arbeitgeber konkrete Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt darlegen kann; erforderlich ist regelmäßig eine Nachfrage bei der Agentur für Arbeit sowie das Schalten zumutbarer Stellenausschreibungen.199 189 Ob betriebliche Gründe iSd. § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG vorliegen, ist nicht allein bezogen auf den Arbeitsplatz, den der Arbeitnehmer innehat, zu prüfen, vgl. BAG v. 13.11.2012 – 9 AZR 259/11, NJW 2013, 1835, Rz. 19. 190 BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 735/13, NZA 2015, 816, Rz. 17, m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2015, 316. 191 BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 893/07, NZA 2009, 565. Offen lässt das BAG bisher die Frage, ob auch eine freiwillige Betriebsvereinbarung einem Teilzeitwunsch des Arbeitgebers entgegenstehen kann, vgl. BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 313/07, NZA 2008, 1309; vgl. Hamann, NZA 2010, 785 zu Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei Teilzeit im Allgemeinen. 192 BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 735/13, NZA 2015, 816, Rz. 18, m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2015, 316; v. 24.6.2008 – 9 AZR 313/07, NZA 2008, 1309. 193 Das Organisationskonzept muss jedoch auch praktisch umgesetzt werden, BAG v. 13.11.2007 – 9 AZR 36/07, NZA 2008, 314. Zur „Kundennähe“ als Organisationskonzept Jordan/Falter/Meyer-Michaelis, BB 2016, 1205. 194 Die Darlegung des Arbeitgebers, seine Arbeitsabläufe „bestmöglich“ und „effektiv“ gestalten zu wollen, ist zu allgemein, um ein von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf Willkür überprüfbares Organisationskonzept darstellen zu können, BAG v. 18.5.2004, DB 2004, 2701. 195 BAG v. 13.11.2007 – 9 AZR 36/07, NZA 2008, 314; v. 16.10.2007 – 9 AZR 239/07, NZA 2008, 289; v. 8.5.2007 – 9 AZR 1112/06, NJW 2007, 3661; s. auch die Salamon/Reuße, NZA 2013, 865. 196 LAG Köln v. 15.3.2006 – 3 Sa 1593/05, NZA-RR 2006, 515. 197 ArbG Stuttgart v. 23.11.2001, NZA-RR 2002, 183. 198 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, DB 2004, 319. 199 BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, NZA 2004, 1225.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 60 Kap. 6

Der Haushalts- bzw. Stellenplan eines öffentlichen Arbeitgebers allein genügt nicht als Ablehnungsgrund.200 Ein Organisationskonzept, das in einer Vertriebsabteilung wegen des Kundenkontakts und der hausinternen Abstimmung größtmögliche Präsenz durch Vollzeitarbeitskräfte vorsieht, wurde anerkannt.201 Gleiches kann für das Prinzip „one face to customer“ für Mitarbeiter im Kassenbereich gelten.202 Ein Schichtplan, der nur Vollzeitkräfte vorsieht, genügt nur dann, wenn im Übrigen keine Teilzeitkräfte mit vergleichbaren Aufgaben beschäftigt werden.203 Arbeitszeitvorgaben eines Entleihers an den Verleiher als Arbeitgeber können nur dann genügen, wenn es keine anderen Einsatzmöglichkeiten als bei dem Entleiher gibt.204

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Die Umstellung des Organisationskonzepts von einer Vollzeitstelle auf zwei Teilzeitstellen kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, wenn betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige Belange die Beschäftigung einer Vollzeitkraft erfordern und die Aufteilung auf zwei Teilzeitkräfte betriebswirtschaftlich nicht vernünftig erscheint.205 Der Arbeitgeber kann dem Verlangen des Arbeitnehmers nach Verringerung auch entgegenhalten, bei Gewährung von Teilzeit sei der Einsatz einer Ersatzkraft für die verbleibende Zeit erforderlich, deren laufende Fortbildung unverhältnismäßige zusätzliche Kosten verursachen würde.206 Auch die eingeschränkte Einplanbarkeit einer Flugbegleiterin im Rahmen aller Flugzeugumläufe wurde als betrieblicher Grund anerkannt.207

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Praxistipp: Entscheidend ist die konkrete, detaillierte Darlegung eines unternehmerischen Organisationskonzeptes, verbunden mit dem konkreten Nachweis der Unvereinbarkeit des Teilzeitwunsches mit diesem Konzept.

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Ablehnungsgründe können tarifvertraglich geregelt werden, § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG, und bei Bestehen einer solchen Regelung durch individualvertragliche Bezugnahme vereinbart werden, § 8 Abs. 4 Satz 4 TzBfG. Eine erhebliche Störung vom Arbeitgeber durchzuführender tariflicher Arbeitszeitmodelle stellt einen entgegenstehenden betrieblichen Grund gemäß § 8 Abs. 4 TzBfG dar.208 Eine bestimmte Quote von Teilzeitarbeitsverhältnissen im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten (sog. Überforderungsquote) kann nur durch die Tarifvertragsparteien festgelegt werden, nicht jedoch durch die Betriebspartner.209 Schöpft der Arbeitgeber aber eine tarifliche Härtefallquote für einen Teilzeitanspruch nicht vollständig aus, kann dies gegen eine wesentliche Beeinträchtigung betrieblicher Belange sprechen.210

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200 BAG v. 21.2.2012, NZA-RR 2012, 444. 201 BAG v. 30.9.2003 – 9 AZR 665/02, NZA 2004, 382; ablehnend dagegen LAG Köln v. 3.2.2006, NZARR 2006, 343, wonach eine unternehmerische Entscheidung, in Zukunft auf allen Arbeitsplätzen mit Kundenkontakt nur noch Vollzeitkräfte zu beschäftigen, zur Darlegung eines Organisationskonzepts alleine nicht genügt. 202 BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 239/07, NZA 2008, 289. 203 ArbG Frankfurt/M v. 19.12.2001, NZA-RR 2002, 402. 204 BAG v. 13.11.2012 – 9 AZR 259/11, DB 2013, 760. 205 LAG Düsseldorf v. 3.3.2004 – 12 Sa 1765/03, DB 2004, 1562. 206 BAG v. 21.6.2005 – 9 AZR 409/04, DB 2006, 105. 207 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 30/06, NZA 2007, 259. 208 BAG v. 13.11.2007 – 9 AZR 36/07, NZA 2008, 314. 209 BAG v. 24.6.2008 – 9 AZR 313/07, NZA 2008, 1309. 210 BAG v. 13.11.2007 – 9 AZR 36/07, NZA 2008, 314.

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Kap. 6 Rz. 61

Besondere Arbeitsverträge

(2) Betriebliche Gründe gegen die gewünschte Verteilung 61

Stimmt der Arbeitgeber der Verkürzung der Arbeitszeit zu, lehnt er aber deren gewünschte Verteilung ab,211 so ist auch diese Ablehnung nur wirksam, wenn die gewünschte Verteilung den Betrieb wesentlich beeinträchtigen würde. Das ergibt sich aus den in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten Beispielsfällen, die auch für die Neuverteilung der Arbeitszeit gelten.212 Erforderlich ist daher auch hier ein betriebliches Organisationskonzept. Die Abweichung von einer Betriebsvereinbarung mit einer Regelung zur Arbeitszeitverteilung kann dann ein entgegenstehender Grund sein, wenn der Verteilungswunsch des Arbeitnehmers einen kollektiven Bezug hat.213 Das ist regelmäßig der Fall, wenn es wegen der abweichenden Arbeitszeit zu Arbeitsverdichtung und Mehrarbeit kommt.214 Auch andere betriebsverfassungsrechtliche oder tarifvertragliche Regelungen stehen entgegen, wenn sie durch die individuelle Regelung verletzt werden.215 Die Betriebspartner sind nicht stets verpflichtet, im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums bei Abwägung von Individual- und Kollektivinteressen dem Interesse des Arbeitnehmers mit Familienpflichten den Vorrang einzuräumen.216 Unzulässig ist es aber, in einer Betriebsvereinbarung die Wahlmöglichkeiten, die das TzBfG den Arbeitnehmern hinsichtlich ihrer Teilzeitwünsche eröffnet, dadurch einzuschränken, dass nur ein in der Betriebsvereinbarung abschließend vorgesehener Katalog an Teilzeitmodellen den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden soll.217

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Praxistipp: Der Arbeitgeber kann vor seiner Entscheidung über die individuelle Arbeitszeitverteilung prüfen, ob er eine Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG218 ggf. als entgegenstehenden betrieblichen Grund geltend machen kann.

(3) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt 63

Umstritten ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen von entgegenstehenden betrieblichen Gründen. Maßgeblich ist wohl der Zeitpunkt der Ablehnung durch den Arbeitgeber.219 cc) Klageart bei Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und/oder 3 (M 6.2.6)

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Bei einer unwirksamen oder fehlenden Ablehnung des Antrags auf Teilzeitarbeit ist eine Feststellungsklage zulässig (s. M 6.2.6).220 Es bedarf hier keines auf die Zustimmung des Arbeitgebers gerichteten Leistungsantrags, da die begehrte Arbeitszeitverringerung bereits kraft der gesetzlichen Fiktion eintritt. Streitiges Rechtsverhältnis ist der Umfang der Pflicht zur Arbeitsleistung, dh., ob der Arbeitsvertrag durch die gesetzliche Fiktionen des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG geändert wurde. Hiervon zu trennen ist der Antrag zur Arbeitszeitverteilung. Wegen 211 Vgl. Rz. 48 f. 212 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, NZA 2003, 1392. 213 Vgl. Hamann, NZA 2010, 785 zur Beteiligung des Betriebsrats bei Teilzeitansprüchen im Allgemeinen sowie zum „kollektiven Bezug“. 214 BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 323/04, DB 2004, 2320. 215 Buschmann, ArbuR 2002, 191, 192. 216 BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 893/07, NZA 2009, 565. 217 BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 735/13, NZA 2015, 816, Rz. 26, m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2015, 316. 218 Für den Einzelfall sieht § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kein Mitbestimmungsrecht vor, erforderlich ist stets ein kollektiver Tatbestand mit Auswirkungen nicht nur auf einen Arbeitnehmer, BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 893/07, NZA 2009, 565. 219 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, NZA 2003, 911; aA LAG Niedersachsen v. 18.11.2002, DB 2003, 1064; Diller, NZA 2001, 589. 220 LAG Düsseldorf, NZA-RR 2002, 407, 408; Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1176 mwN.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 68 Kap. 6

der Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG ist auch hier die Feststellung der neuen Arbeitszeiten zu beantragen. Zusätzlich ist ein Leistungsantrag auf Beschäftigung zulässig, wenn der Arbeitgeber eine Beschäftigung zu den nunmehr geltenden Beschäftigungszeiten verweigert.221

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dd) Einstweilige Verfügung (M 6.2.7) Eine einstweilige Verfügung auf Beschäftigung zu einer bestimmten Arbeitsmenge und zu bestimmten Arbeitszeiten (s. M 6.2.7) bedarf nach §§ 935, 940 ZPO, § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG eines Verfügungsgrundes und -anspruchs. Die vorläufige Beschäftigung zu den geänderten Vertragsbedingungen kann der Arbeitnehmer verlangen, solange die Zustimmung des Arbeitgebers mangels rechtskräftiger Hauptsachentscheidung nach § 894 ZPO noch nicht rechtskräftig ersetzt wurde,222 oder eine rechtskräftige Feststellung des Eintritts der Fiktion nach § 8 Abs. 5 TzBfG noch nicht vorliegt.223 Der Arbeitnehmer muss darlegen und glaubhaft machen, dass die Beschäftigung in dem Umfang und zu diesen Zeiten vertraglich geschuldet ist und dass die sofortige Beschäftigung zu diesen Bedingungen zur Abwendung ihm sonst drohender Nachteile dringend geboten ist.224

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Auch eine einstweilige Verfügung über den Teilzeitanspruch selbst, dh. den Anspruch auf Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, kommt in Betracht.225 Wegen der teilweisen Befriedigung des streitigen Anspruchs sind an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs und -grundes allerdings hohe Anforderungen zu stellen.226 Aufgrund der Vorläufigkeit des Verfahrens müssen die Eingriffe in die Vertragsstruktur auf das notwendige Minimum beschränkt werden.227 Sie müssen zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten sein. Uneinigkeit besteht darüber, ob der Antrag auf einstweilige Zustimmung zur Arbeitszeitverringerung und -verteilung228 oder auf tatsächliche Beschäftigung229 zu richten ist. Richtigerweise wird dem Begehren des Arbeitnehmers bereits durch die tatsächliche Beschäftigung abgeholfen, weshalb die darüber hinaus gehende Verpflichtung zur vorübergehenden Zustimmung vermieden werden kann.230

67

Die dringend gebotene Betreuung von Kindern wird als Verfügungsgrund anerkannt, sofern alle Bemühungen, die Betreuung in zumutbarer Weise durch Dritte sicherzustellen, fehlgeschlagen sind.231

68

221 Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1176. 222 Vgl. zum Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren bei verweigerter Zustimmung des Arbeitgebers Rz. 52. 223 LAG Hamm v. 8.7.2008 – 14 SaGa 25/08, Rz. 31. Zum Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren bei einer Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 2, 3 TzBfG s. Rz. 64. 224 Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1181. 225 LAG Köln v. 15.10.2013 – 12 SaGa 3/13, Rz. 35; LAG Berlin-Brandenburg v. 14.3.2012 – 15 SaGa 2286/11, Rz. 20; ArbG Solingen v. 5.1.2016 – 3 Ga 20/15; im Einzelnen Gotthardt, NZA 2001, 1183, 1185. 226 LAG Köln v. 15.10.2013 – 12 SaGa 3/13, Rz. 35; LAG Hamburg v. 4.9.2006, NZA-RR 2007. 227 ArbG Berlin v. 12.10.2001 – 31 Ga 24 563/01, DB 2001, 2727, 2728; Oberthür, ArbRB 2005, 189, 192. 228 LAG Köln v. 23.12.2005, BB 2006, 1507; Gotthardt, NZA 2001, 1183, 1187. 229 LAG Köln v. 15.10.2013 – 12 SaGa 3/13, Rz. 33 ff.; BeckOK/Bayreuther, § 8 TzBfG Rz. 88; Bruns, BB 2010, 1151, 1153. 230 LAG Köln v. 15.10.2013 – 12 SaGa 3/13, Rz. 34; ebenso BeckOK/Bayreuther, § 8 TzBfG Rz. 88. 231 LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002 – 3 Sa 161/02, NZA 2002, 856; LAG Berlin v. 20.2.2002 – 4 Sa 2243/01, NZA 2002, 858. Die Entscheidung, die Erziehung der Kinder für die Dauer einer wesentlichen Entwicklungsphase selbst zu übernehmen, ist aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu respektieren, LAG Hamburg v. 4.9.2006 – 4 Sa 41/06, NZA-RR 2007, 122.

Lingemann

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Kap. 6 Rz. 69

Besondere Arbeitsverträge

e) Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 5–7 BEEG 69

Einen besonderen Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit gibt § 15 Abs. 5–7 BEEG.232

70

Für die Durchsetzung des Anspruchs ist eine schriftliche Mitteilung an den Arbeitgeber erforderlich, § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG. Der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit kann nicht vor der Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 16 BEEG, aber noch während des infolge der Elternzeit ruhenden Arbeitsverhältnisses gestellt werden. Der Arbeitnehmer kann die Inanspruchnahme von Elternzeit von der Zustimmung des Arbeitgebers zur Elternteilzeit abhängig machen.233 Im Gegensatz zum TzBfG muss der Arbeitnehmer bei Versäumung der siebenwöchigen (bei Geltendmachung von Elternzeit für den Zeitraum bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes) bzw. dreizehnwöchigen (bei Geltendmachung von Elternzeit für den Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes) Frist des § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 a), b) BEEG den Antrag wiederholen.234 § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG schreibt für die Ablehnung des Teilzeitantrags durch den Arbeitgeber eine schriftliche Begründung vor. Ob der Arbeitgeber im Prozess auf diese Gründe beschränkt ist, ist umstritten.235

71

Praxistipp: Vorsichtshalber sollte der Arbeitgeber in der schriftlichen Ablehnung des Teilzeitantrags alle in Betracht kommenden Gründe anführen.

72

Lehnt der Arbeitgeber den Antrag des Arbeitnehmers auf Verringerung nicht oder nicht rechtzeitig schriftlich ab, so gilt die Verringerung der Arbeitszeit gemäß § 15 Abs. 7 Satz 5 BEEG als festgelegt. Entsprechendes gilt gemäß § 15 Abs. 7 Satz 6 BEEG hinsichtlich des Verteilungswunsches des Arbeitnehmers. Eine Fiktionswirkung entsprechend § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG kannte das BEEG in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung nicht. Gemäß § 27 BEEG gilt sie jedoch für Elternteilzeitbegehren, die im Zusammenhang mit der Geburt von Kindern nach dem 1.7.2015 gestellt werden.

73

Entgegenstehende betriebliche Gründe müssen gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG dringend sein. Da die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und korrespondierend hierzu die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers während der Elternzeit ruht, stehen dem Teilzeitanspruch dringende betriebliche Gründe entgegen, wenn für eine Beschäftigung des Arbeitnehmers während der Elternzeit kein Bedarf besteht. Zur Ermittlung der Beschäftigungsmöglichkeit sind nur freie Arbeitsplätze zu berücksichtigen und eine Sozialauswahl findet nicht statt.236 Die Verringerung ist gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG auf einen Umfang von 15 bis 30 Wochenstunden begrenzt, und es darf nicht bereits zweimal eine Verringerung während der Elternzeit vorgenommen worden sein, § 15 Abs. 6 BEEG.237 232 Gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG gilt § 15 BEEG für Kinder, die bis zum 30.6.2015 geboren wurden, in der bis 31.12.3014 geltenden Fassung. Vgl. ausführlich zur Reform des BEEG Fecker/Scheffzeck, NZA 2015, 778; Forst, DB 2015, 68; Richter, DStR 2015, 366. 233 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07, NZA 2007, 1352. 234 Preis/Gotthardt, DB 2001, 145, noch zur Vorgängervorschrift § 15 BErzGG; aA BeckOK/Schrader, § 15 BEEG Rz. 55. 235 Vgl. Menke, ArbRAktuell 2011, 112; für eine Präklusion BeckOK/Schrader, § 15 BEEG Rz. 57; ausführlich Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1178 mwN; gegen eine Präklusion im gerichtlichen Verfahren Barth, BB 2007, 2567. 236 BAG v. 15.4.2008 – 9 AZR 380/07, NZA 2008, 998. 237 Ein Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 5–7 BEEG (Urteil ergangen zur im Wesentlichen gleich lautenden Vorgängervorschrift § 15 Abs. 5–7 BErzGG) im Laufe der Elternzeit ist auch dann zulässig, wenn zunächst nur die völlige Freistellung von der vertraglichen Arbeit (Elternzeit) in Anspruch genommen und keine Verringerung der Arbeitszeit (Elternteilzeit) beantragt worden war, BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, NZA 2005, 1354; bestätigt durch BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 78 Kap. 6

Im Verhältnis zu dem allgemeinen Teilzeitanspruch aus § 8 TzBfG handelt es sich hier um einen speziellen Anspruch nur für die Dauer der Elternzeit. Dieser verdrängt jedoch nicht den allgemeinen Anspruch, denn die Rechtsfolgen der Normen schließen sich nicht aus.238

74

Der Arbeitnehmer kann gemäß § 15 Abs. 6 BEEG während der Gesamtdauer der Elternzeit die zweimalige Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen. Wird die Verringerung der Arbeitszeit und deren Ausgestaltung im Konsensverfahren gemäß § 15 Abs. 5 BEEG vereinbart, führt dies jedoch nicht zur Erfüllung des Anspruchs auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit iSd. § 15 Abs. 6 BEEG.239 Darauf gestützt darf der Arbeitgeber ein drittes Elternzeitverlangen nach Auffassung des BAG daher nicht ablehnen.

75

f) Teilzeitanspruch nach § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX Der Arbeitnehmer kann eine kürzere Arbeitszeit verlangen, wenn dies wegen der Art oder Schwere seiner Behinderung notwendig ist. Einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf es hier nicht.240 Der Anspruch ist durch ein arbeitsmedizinisches oder amtsärztliches Attest zu belegen. Ablehnungsgründe sind gemäß § 81 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2 iVm. Abs. 4 Satz 3 SGB IX: unzumutbare oder unverhältnismäßige Aufwendungen des Arbeitgebers oder entgegenstehende staatliche oder berufsgenossenschaftliche Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften.

76

g) Teilzeitanspruch nach § 3 PflegeZG Der Beschäftigte kann gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung zwecks Pflege eines pflegebedürftigen241 nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung verlangen.242 Davon muss er den Arbeitgeber nach § 3 Abs. 3 PflegeZG spätestens zehn Tage vor Beginn der Pflegeteilzeit schriftlich in Kenntnis setzen und sich zugleich über Zeitraum und Umfang der Freistellung sowie die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit erklären. Seinen Wünschen hat der Arbeitgeber vorbehaltlich dringender betrieblicher Gründe, die § 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG nachgebildet sind, in einer schriftlichen Vereinbarung zu entsprechen, § 3 Abs. 4 PflegeZG243 (vgl. M 17.9, M 17.10 und M 17.12).

77

h) Durchführung der Teilzeitarbeit (M 6.2.8) → S. zum Änderungsvertrag M 6.2.8. Bei Einigung über die Arbeitszeitverringerung ist ein schriftlicher Änderungsvertrag auszufertigen, § 3 Satz 1 NachwG. Die Vergütung ist entsprechend dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag herabzusetzen.244 Problematisch ist die Höhe der Vergütung, wenn einzelne Vergütungsbestandteile nicht teilbar sind, wie zB die 238 239 240 241 242

Forst, DB 2015, 68, 73; Reinecke, FA 2007, 98, 99. BAG v. 19.2.2013 – 9 AZR 461/11, NZA 2013, 907, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 127. BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 100/03, NZA 2004, 614. Die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen ist zu belegen, § 3 Abs. 2 PflegeZG. Vgl. ausführlich: Kap. 17 Rz. 56 ff.; ferner Preis/Nehring, NZA 2008, 729; Joussen, NZA 2009, 69; HWK/Lembke, § 3 PflegeZG Rz. 9 f., 20 ff., wonach der Anspruch auf Teilfreistellung zu Pflegezwecken lex specialis gegenüber § 8 TzBfG ist. 243 Ein Verstoß gegen die Schriftform führt nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung, Joussen, NZA 2009, 69, 73; Küttner/Reinecke, Nr. 341 Pflegezeit, Rz. 33; BT-Drucks. 16/7439, S. 92; offengelassen von Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 735. 244 Kelber/Zeißig, NZA 2001, 577, 578. Eine spätere Anhebung der Stundenzahl von Vollzeitbeschäftigten kann zu einer Minderung der entsprechenden Vergütung eines Teilzeitbeschäftigten führen, BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 457/10, NZA 2012, 663.

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Kap. 6 Rz. 79

Besondere Arbeitsverträge

Privatnutzung eines Dienstwagens, oder der Umfang der Leistung nicht bestimmt war.245 Aus § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG lässt sich jedenfalls schließen, dass eine Vereinbarung, die ggf. gegen eine Ausgleichszahlung eine unteilbare Leistung entfallen lässt, nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Zudem soll beim Urlaubsentgelt zu beachten sein, dass sich die Höhe für in Vollzeit erworbenen Urlaub nach der Vollzeitvergütung bemisst, auch wenn dieser Urlaub erst in der Teilzeitphase genommen wird.246 79

Überwiegen die betrieblichen Interessen an einer Neuverteilung der Arbeitszeit die Interessen des Arbeitnehmers an deren Beibehaltung, so darf der Arbeitgeber sein Direktionsrecht zur Festlegung der Arbeitszeiten neu ausüben, § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG. Dies hat er einen Monat vorher anzukündigen. Der Arbeitnehmer kann hiergegen auf Feststellung der Unwirksamkeit dieser Anordnung klagen.247 Auch eine einstweilige Verfügung kommt in Betracht.248

80

Der Arbeitgeber hat nach § 10 TzBfG dafür Sorge zu tragen, dass auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Förderung der beruflichen Entwicklung und Mobilität teilnehmen können. Da es bisher an einem allgemeinen Aus- und Weiterbildungsanspruch fehlt,249 folgt hieraus ein konkreter Anspruch nur bei Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu s. Rz. 81).250

81

Bei Teilzeitbeschäftigten kommt dem Gleichbehandlungsgrundsatz besondere Bedeutung zu. Schon nach § 4 TzBfG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.251 Das Gebot der Gleichbehandlung gilt dabei sowohl für vertragliche Vereinbarungen als auch für einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers252 und verbietet auch, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander unterschiedlich behandelt werden.253 Daneben greift in besonderem Maße das Verbot der mittelbaren Diskriminierung gemäß § 3 Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 7 AGG,254 da der weit überwiegende Teil der Teilzeitarbeiter Frauen sind.255 Besondere Probleme bereitet die Pro-rata-Regel in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG bei der Ermittlung der Entgelthöhe; sie gilt auch für Zuschläge zB für die Anerkennung der Unternehmenszugehörigkeit.256 245 S. im Einzelnen Kelber/Zeißig, NZA 2001, 577, 578. 246 EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-486/08, NZA 2010, 557; dazu Fieberg, NZA 2010, 925. 247 BAG v. 23.6.1992 – 1 AZR 57/92, NZA 1993, 89, 90; MHH/Heyn, § 8 TzBfG Rz. 122; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 54; aA Kliemt, NZA 2001, 63, 67. 248 MHH/Heyn, § 8 TzBfG Rz. 130. 249 § 96 Abs. 2 BetrVG enthält lediglich eine allgemein gehaltene Verpflichtung zur Förderung der Berufsbildung. 250 Kliemt, NZA 2001, 63, 69. 251 Wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG gem. § 134 BGB unwirksam ist eine Regelung, die bei einer Änderung der Verteilung der Arbeitszeit auf weniger Tage im Verlauf eines Kalenderjahres die Anzahl der während einer Vollzeit erworbenen Urlaubstage reduziert, BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14, NZA 2015, 1005 Rz. 16. Vgl zum Urlaubsanspruch von Teilzeitarbeitnehmern auch Kock/ Heyde, BB 2013, 2938. 252 BAG v. 3.12.2008, AP TzBfG § 4 Nr. 18. 253 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 746/06, NZA 2007, 881 zur Ungleichbehandlung von geringfügig Beschäftigten. 254 BGK, § 3 AGG Rz. 20 ff.; PWW/Lingemann, § 3 AGG Rz. 11 ff. 255 Vgl. Art. 157 AEUV iVm. der Lohngleichheitsrichtlinie v. 10.2.1975, 75/117 und der Gleichbehandlungsrichtlinie v. 9.2.1976, 76/207; EuGH v. 2.10.1997 – Rs. C-1/95, NZA 1997, 1277. 256 BAG v. 24.9.2008, NZA 2008, 1422 für Schichtzulagen; v. 16.4.2003 – 4 AZR 156/02, NZA 2004, 991; zur Anwendung auf eine vom Arbeitgeber bezahlte Kinderzulage vgl. EuGH v. 5.11.2014 – Rs. C476/12, NZA 2015, 170 (Österreichischer Gewerkschaftsbund/Verbund Österreichischer Banken und Bankiers).

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 83 Kap. 6

Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung hinsichtlich der Entgelthöhe liegt vor, wenn Vollund Teilzeitkräften für die jeweils gleiche Stundenzahl nicht die gleiche Gesamtvergütung inklusive Urlaubsgeld, Zuwendungen und vermögenswirksamen Leistungen gezahlt wird.257 Fraglich ist, welcher Vollzeitarbeitnehmer bei unterschiedlicher Vergütung den Vergleichsmaßstab bildet, da es nach der Rechtsprechung258 keinen Grundsatz „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ gibt, sondern die Lohnhöhe individuell aushandelbar ist. Letztlich ist daher in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nur geregelt, dass die Teilzeitbeschäftigung als solche und kausal mit ihr zusammenhängende Umstände259 keinen sachlichen Grund für eine zeitanteilig geringere Entlohnung darstellt, Benachteiligungsverbote wie § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG und Vergütungssysteme einzuhalten sind.260 Wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung ist der Gleichheitsgrundsatz insbesondere im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung; hier steht Teilzeitbeschäftigten ein Anspruch pro rata zu.261 § 11 TzBfG enthält eine Regelung zum Verbot der Kündigung wegen der Weigerung des Arbeitnehmers zum Wechsel von Voll- in Teilzeit oder umgekehrt.

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i) Rückkehr zur Vollzeitarbeit § 9 TzBfG sieht vor, dass der Arbeitgeber den Teilzeitbeschäftigten auf Wunsch bei der Besetzung entsprechender freier Stellen und gleicher Eignung262 der Bewerber in ein Arbeitsverhältnis mit längeren Arbeitszeiten bevorzugt übernehmen muss. Der Teilzeitarbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz mit der vom Arbeitnehmer gewünschten längeren Arbeitszeit zu besetzen hat.263 Ein vergleichbarer Arbeitsplatz iSd. § 9 TzBfG liegt ausnahmsweise auch dann vor, wenn die Verlängerung der Arbeitszeit mit einem Wechsel auf eine höherwertige Tätigkeit verbunden ist, dh. wenn der Arbeitgeber nur auf niedrigeren Hierarchiestufen Teilzeitarbeit anbietet und der Arbeitnehmer bereits früher Tätigkeiten mit dem Anforderungsprofil der höher qualifizierten Stelle wahrgenommen hat.264 Die Tatsache, dass der andere Arbeitsplatz lediglich anders vergütet wird, nimmt ihm nicht die Vergleichbarkeit.265 Der Arbeitnehmer hat allerdings keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einzurichtende und zu besetzende Arbeitsplätze nach den Arbeitszeitwünschen des Arbeitnehmers zuschneidet oder die für einen anderen Arbeitsplatz vorgesehene Arbeitszeit ganz oder teilweise ihm zuteilt.266 Der Arbeitgeber muss ihn nur über den freien Arbeitsplatz informieren. Es ist dann der Entscheidung des Arbeitnehmers überlassen, ob er seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Termin und im entsprechenden Umfang erhöhen will. Ist das der Fall, so hat er ein hierauf bezogenes Vertragsangebot an den Arbeitgeber zu richten, der Arbeitgeber kann dessen Zugang abwarten.267 Bei schuldhafter Verletzung der Pflicht zur bevorzugten Berücksichtigung nach § 9 TzBfG durch den Arbeit257 BAG v. 24.9.2008, NZA-RR 2009, 221 zur Benachteiligung eines teilzeitbeschäftigten Lehrers nach Anordnung von Überstunden. 258 BAG v. 21.6.2000 – 5 AZR 806/98, NZA 2000, 1050. 259 ZB wäre hier an einen erhöhten Verwaltungsaufwand in der Lohnbuchhaltung im Verhältnis zu der zu leistenden Arbeitszeit zu denken. 260 Vgl. für Vollzeitbeschäftigung: BAG v. 21.6.2000 – 5 AZR 806/98, NZA 2000, 1050, 1051. 261 BAG v. 19.4.2016 – 3 AZR 526/14, NZA 2016, 820; v. 27.1.1998 – 3 AZR 430/96; v. 25.10.1994, NZA 1995, 730; v. 28.7.1992, NZA 1993, 215. 262 Eine wesentlich gleiche Eignung reicht nicht aus, Hanau, NZA 2001, 1168, 1174. 263 BAG v. 8.5.2007, ArbuR 2007, 210; v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255. 264 BAG v. 16.9.2008 – 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285. 265 BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 874/06, NZA 2007, 1349. 266 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255. 267 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255.

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Kap. 6 Rz. 84

Besondere Arbeitsverträge

geber steht dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Arbeitgeber die Stelle anderweitig besetzt.268 Die unternehmerische Entscheidung, nur Teilzeitkräfte zu beschäftigen, kann einem Verlängerungswunsch nach § 9 TzBfG entgegen gehalten werden, wenn es hierfür arbeitsplatzbezogene Gründe gibt und die Teilzeitkräfte tatsächlich nur in dem vorgesehenen Umfang beschäftigt werden.269 84

Die Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum stellt keine konkludente Annahme eines Vertragsangebots des Arbeitnehmers auf Verlängerung der Arbeitszeit dar, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich um Überstunden handelt.270

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Eine einstweilige Verfügung, mit der dem Arbeitgeber eine Stellenbesetzung mit einem gleich geeigneten Konkurrenten untersagt werden soll, ist zulässig. § 9 TzBfG erfordert einen freien Arbeitsplatz, so dass der Anspruch einstweilen nur durch das Verbot der Besetzung gesichert werden kann.271 3. Geringfügige Beschäftigung/Minijobs (M 6.3) → S. zum Teilzeitvertrag M 6.3.1 sowie M 6.3.2 zum Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht.

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Ein Sonderfall der Teilzeitarbeit ist die geringfügige Beschäftigung. Arbeitsrechtlich gelten für geringfügig Beschäftigte keine Abweichungen gegenüber Teilzeitbeschäftigten. Sozialversicherungsrechtlich und steuerlich bestehen jedoch Besonderheiten. Eine geringfügige Beschäftigung liegt gemäß § 8 Abs. 1 SGB IV vor, wenn 1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat Euro 450,– nicht übersteigt (Entgeltgeringfügigkeit),272 2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage (vom 1.1.2015 bis 31.12.2018 drei Monate oder 70 Arbeitstage)273 nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt Euro 450,– im Monat übersteigt (Zeitgeringfügigkeit).

87

Daneben gibt es haushaltsnahe Minijobs gemäß § 8a SGB IV. Eine geringfügige Beschäftigung im Privathaushalt liegt vor, wenn diese durch einen privaten Haushalt begründet ist und die Tätigkeit sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt wird.

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Mehrere gleichartige (dh. entweder nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB IV) geringfügige Beschäftigungen werden zusammengerechnet. Seit dem 1.1.2013 sind geringfügig Beschäftigte prinzipiell rentenversicherungspflichtig; sie können sich auf Antrag gegenüber dem Arbeitgeber274 jedoch von dieser Pflicht befreien lassen (§ 6 Abs. 1b SGB VI; sog. „Opt-Out268 269 270 271

BAG v. 16.9.2008 – 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285. LAG Köln v. 2.4.2008, NZA-RR 2009, 66. BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 504/06, NZA 2007, 801; v. 24.6.2010, ZTR 2010, 646. Nach der Besetzung der Stelle ist die Erfüllung des Anspruchs aus § 9 TzBfG unmöglich iSd. § 275 Abs. 1 BGB, LAG Köln v. 12.8.2015 – 11 Sa 115/15, Rz. 19. 272 Seit dem 1.1.2013 beträgt die Grenze Euro 450,– statt Euro 400,–. 273 Gem. § 115 SGB IV gilt Nr. 2 vom 1.1.2015 bis 31.12.2018 mit der Maßgabe, dass die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder siebzig Arbeitstage begrenzt sein muss. Vgl. zu den Einzelheiten Lakies, ArbRAktuell 2014, 527. 274 Der schriftliche Antrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. Es entscheidet die Minijob-Zentrale. Ein Vordruck eines entsprechenden Antrags findet sich auf www.minijob-zentrale.de.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 90 Kap. 6

Lösung“).275 Versicherungspflichtige Hauptbeschäftigungen werden mit geringfügigen Beschäftigungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV zusammengerechnet, wobei eine Nebenbeschäftigung bis zu Euro 450,– anrechnungsfrei bleibt.276 Werden mehrere Nebenjobs ausgeübt, bleibt die zeitlich zuerst aufgenommene Beschäftigung versicherungsfrei (vgl. § 8 Abs. 2 SGB IV).277 Nach § 8 Abs. 2 Satz 4 SGB IV tritt die evtl. Nachversicherungspflicht nicht erst mit dem Zeitpunkt des Satzes 3, sondern schon vorher ein, wenn der Arbeitgeber es vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung aufzuklären. Praxistipp: Ist die Vergütung für die zeitlich erste geringfügige Beschäftigung niedriger als das Entgelt für den zweiten Minijob, kann es sich empfehlen, den ersten Arbeitsvertrag einvernehmlich aufzuheben und neu abzuschließen. Dann ist die Nebentätigkeit mit der höheren Vergütung weiterhin versicherungsfrei möglich.278

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Sozialversicherungsrechtlich sind geringfügige Beschäftigungen seit dem 1.1.2013 versicherungspflichtig,279 jedoch kann sich der Beschäftigte auf Antrag befreien lassen.280 Lässt sich der geringfügig Beschäftigte nicht befreien, hat er einen Aufstockungsbeitrag zu zahlen.281 Nach erfolgter Befreiung besteht dagegen in allen Zweigen der Sozialversicherung für den Arbeitnehmer Beitragsfreiheit (vgl. § 7 SGB V, § 5 Abs. 2 und § 6 SGB VI, § 27 Abs. 2 SGB III). Der Arbeitgeber zahlt jedoch in jedem Fall bei geringfügigen Beschäftigungen iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (Entgeltgeringfügigkeit) Pauschalabgaben iHv. 30 % des der Beschäftigung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts, nämlich 15 % Rentenversicherung (§ 172 Abs. 3 SGB VI), 13 % Krankenversicherung (§ 249b Satz 1 SGB V) und 2 % Pauschalsteuer mit Abgeltungswirkung für die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer282 (§ 40a Abs. 2 EStG).283 Der Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung fällt nur an, wenn der Beschäftigte bereits aus anderen Gründen (zB versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung, Familienversicherung) gesetzlich krankenversichert ist. Anstatt der Pauschalsteuer kann der Arbeitgeber weiter-

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275 Bis zum 31.12.2012 war das Gegenteil der Fall: Minijobs waren rentenversicherungsfrei; es bestand jedoch die Möglichkeit, zur Rentenversicherungspflicht zu optieren (Beyer-Petz, DStR 2013, 47). Die Befreiung von der Versicherungspflicht ist für die Dauer der Beschäftigung bindend; sie kann nicht widerrufen werden. Die Befreiung wirkt ab Beginn des Kalendermonats des Eingangs beim Arbeitgeber, frühestens ab Beschäftigungsbeginn. 276 Seit dem 1.1.2 013 Euro 450,–. 277 Vgl. Minijobs – Informationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, S. 9, abzurufen unter www.mini job-zentrale.de. 278 Zur Frage, ob diese Vorgehensweise eine Umgehung darstellt, liegt allerdings noch keine Rechtsprechung vor. 279 Geringfügig Beschäftigte, die vor dem 1.1.2013 rentenversicherungsfrei waren, bleiben dies, können aber jederzeit freiwillig aufstocken. Wer bereits aufgestockt hat, bleibt daran weiterhin gebunden. Wer vor dem 1.1.2013 zwischen Euro 400,01,– und Euro 450,– verdiente und dies weiterhin tut, gilt prinzipiell als geringfügig beschäftigt nach dem neuen Recht. Allerdings gibt es eine Reihe von teilweise komplizierten Übergangsregelungen bis zum 31.12.2014, über die bei Bedarf ein 21-seitiger Frage-Antwort-Katalog auf www.minijob-zentrale.de informiert. 280 Der schriftliche Antrag ist dem Arbeitgeber zu übergeben. Es entscheidet die Minijob-Zentrale. Ein Vordruck eines entsprechenden Antrags findet sich auf www.minijob-zentrale.de. 281 Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung beträgt derzeit 18,7 % (BGBl. I 2014, 2396). Somit beträgt der Arbeitnehmeranteil für geringfügig Beschäftigte 3,7 % zur Rente bzw. bei geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten 13,7 %. 282 Es bleibt auch dann bei 2 % Pauschalsteuer, wenn der Arbeitnehmer keiner Kirche angehört. 283 Die Abwälzung der pauschalen Lohnsteuer auf den Arbeitnehmer im Innenverhältnis ist arbeitsrechtlich zulässig. Es liegt kein Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten vor, BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 628/04, DB 2006, 1059.

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hin Lohnsteuer nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen einbehalten und abführen.284 91

Handelt es sich um eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV (Zeitgeringfügigkeit oder auch Kurzfristbeschäftigung), so sind weder Kranken- noch Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten; der Pauschalsteuersatz beträgt jedoch 25 % (§ 40a Abs. 1 EStG).

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Arbeitszeitkonten sind gemäß § 7b Nr. 5 SGB IV auch bei geringfügig Beschäftigten nicht nur arbeits-, sondern auch sozialversicherungsrechtlich zulässig.285 Voraussetzung ist jedoch, dass die geringfügige Beschäftigung schon vor der Freistellungsphase ausgeübt wurde. Die Beitragspflicht entsteht allerdings gemäß § 23b Abs. 1 SGB IV abweichend vom sozialversicherungsrechtlichen Entstehungsprinzip nicht schon während der Ansparphase, sondern erst bei Inanspruchnahme des Wertguthabens.286

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Noch weiter gehend sind Minijobs in Privathaushalten begünstigt. Die Höhe der Pauschalabgaben beträgt bei haushaltsnahen Dienstleistungen nur 12 %, nämlich 5 % Rentenversicherung (§ 172 Abs. 3a SGB VI), 5 % Krankenversicherung (§ 249b Satz 2 SGB V) sowie 2 % Pauschalsteuer mit Abgeltungswirkung einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (§ 40a Abs. 2 EStG).287 Der Pauschalbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung ist hier unabhängig davon zu entrichten, ob der Arbeitnehmer gesetzlich krankenversichert ist.288 Zusätzlich werden Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich gefördert. Wer in seinem Privathaushalt eine haushaltsnahe Beschäftigung nach § 8a SGB IV anbietet, kann gemäß § 35a Abs. 1 EStG 20 % seiner Aufwendungen, maximal jedoch Euro 510,–, von seiner Steuerschuld abziehen. Bei sozialversicherungspflichtigen haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnissen, die keine geringfügige Beschäftigung iSd. § 8a SGB IV darstellen, können gemäß § 35a Abs. 2 EStG 20 %, höchstens jedoch Euro 4 000,– abgezogen werden. Dies gilt auch für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie Aufwendungen für die Unterbringung in einem Heim. Für die Inanspruchnahme von Handwerksleistungen ermäßigt sich die Einkommensteuer um 20 %, maximal Euro 1 200,–. Der Arbeitgeber erstattet der Einzugsstelle nach § 28a Abs. 7 SGB IV eine vereinfachte Meldung durch „Haushaltsscheck“.

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Seit In-Kraft-Treten des Mindestlohngesetzes am 1.1.2015 bestehen für Arbeitgeber, die Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 1 SGB IV beschäftigen, besondere Aufzeichnungspflichten.289 Gemäß § 17 Abs. 1 MiLoG muss der Arbeitgeber Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre lang aufbewahren. Ein Verstoß gegen die Pflichten des § 17 MiLoG kann mit Geldbußen in Höhe von bis zu Euro 30 000,– geahndet werden, § 21 Abs. 1 Nr. 7, 8, Abs. 3 MiLoG.

284 In den Steuerklasse I-IV ist die Versteuerung nach den individuellen Lohnsteuermerkmalen günstiger. Es fällt keine Lohnsteuer an. 285 Zum früheren Streit hierüber Boemke, BB 2008, 722, 724. 286 Umfassend Rolfs/Witschen, NZS 2009, 295, 296. 287 Der Aufstockungsbeitrag, wenn der geringfügig Beschäftigte sich nicht für die Versicherungsfreiheit entscheidet, beträgt derzeit 13,7 %. 288 Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 545; Rolfs, ZIP 2003, 141. 289 Vgl. im Einzelnen zu den Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse Lakies, ArbRAktuell 2014, 527. Vorsicht ist insbesondere auch bei der Anordnung von Überstunden geboten, denn die Anzahl der möglichen (Über-)Stunden sinkt natürlich, wenn zwar der Mindestlohn, nicht aber die finanzielle Obergrenze für geringfügige Beschäftigung angehoben wird.

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Rz. 97 Kap. 6

Zur Vermeidung eines abrupten Anstiegs der Sozialversicherungsbeiträge bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze wurde eine „Gleitzone“ eingeführt, § 20 Abs. 2 SGB IV.290 Der Arbeitnehmerbeitrag steigt zwischen Euro 450,01 und Euro 850,– nach § 226 Abs. 4 SGB V, § 163 Abs. 10 SGB VI, § 344 Abs. 4 SGB III stufenweise auf den vollen Arbeitnehmerbeitrag, wobei sich die Beitragsbemessung nach einem für das jeweilige Kalenderjahr vom BMAS festgelegten Faktor richtet. Der Arbeitgeberbeitrag bleibt allerdings unverändert.291 Detaillierte Angaben und ein Gleitzonenrechner finden sich unter www.minijob-zentrale.de.292

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4. Job-Sharing (M 6.4) → S. zu Job-Sharing-Arbeitsverträgen M 6.4.1 und M 6.4.2. Job-Sharing hat sich entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers kaum durchgesetzt. Beim Job-Sharing (Arbeitsplatzteilung) vereinbart der Arbeitgeber mit zwei oder mehr Arbeitnehmern, dass diese sich die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen (§ 13 TzBfG).293 Dann bestimmt nicht der Arbeitgeber, sondern die Job-Sharer untereinander die Aufteilung der Arbeitszeit zwischen ihnen. Fällt allerdings einer der Job-Sharer aus, so sind die anderen zu seiner Vertretung nur verpflichtet, wenn dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt ist, ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliegt und ihnen dies zumutbar ist. Darüber hinaus kann dies nur für jeden Vertretungsfall gesondert geregelt werden.294 Nach § 13 Abs. 4 TzBfG kann durch Tarifvertrag auch zuungunsten des Arbeitnehmers vom Gesetz abgewichen werden.

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5. Abrufarbeit (M 6.5) → S. M 6.5. Bei der Abrufarbeit (auch Kapovaz295) vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien gemäß § 12 TzBfG, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Zugleich muss eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit (pro Woche, Monat oder Jahr) festgelegt werden. Ohne eine solche Festlegung gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart, die auch dann zu vergüten ist, wenn tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wird (§ 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG).296 Nur durch Tarifvertrag kann Abrufarbeit auch ohne Mindestzeiten vereinbart werden mit der Folge, dass die Zehn-Stunden-Regelung nicht gilt (§ 12 Abs. 3 TzBfG).297 Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilen; andernfalls besteht keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, wohl aber Anspruch auf die Vergütung (§ 615 BGB iVm. § 12 290 Beschäftigungsverhältnisse in der Gleitzone werden auch als sog. Midijobs bezeichnet. 291 Übersicht bei Rolfs, NZA 2003, 65, 71. 292 Insbesondere auch zu den Übergangsvorschriften bis zum 31.12.2014 für Beschäftigte, die am 31.12.2012 entweder zwischen Euro 400,01,– und 450,– oder zwischen Euro 800,01,– und 850,– verdient haben. 293 Löw, AuA 2006, 592. 294 LAG München v. 15.9.1993 – 5 Sa 976/92, DB 1993, 2599. 295 Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit. 296 Die Nichtvereinbarung einer bestimmten Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Abrede, sondern zur Anwendbarkeit dieser Mindestbedingungen, BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 1024/12, NZA 2014, 1328, Rz. 24, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 562; kritisch dazu Preis, RdA 2015, 244. Zur Vereinbarkeit der Arbeit auf Abruf mit gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten vgl. Nicolai, DB 2004, 2812. 297 BAG v. 12.3.1992 – 6 AZR 311/90, DB 1992, 1785 m. Anm. Schüren. Zu den Grenzen der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien vgl. BeckOK/Bayreuther, § 12 TzBfG Rz. 23 ff. mwN.

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Kap. 6 Rz. 98

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Abs. 2 TzBfG). Zum Schutz des Arbeitnehmers gegen vielfache kurzfristige Inanspruchnahme muss der Arbeitgeber ihn jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden zur Arbeitsleistung in Anspruch nehmen, es sei denn, der Arbeitsvertrag enthält eine abweichende Regelung (§ 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG). Entgeltfortzahlungsansprüche können entstehen, wenn Arbeitsleistung an einem Tag ausfällt, an dem mit hoher Wahrscheinlichkeit gearbeitet worden wäre.298 Mit der Vereinbarung von Arbeit auf Abruf, die über eine vertragliche Mindestarbeitszeit hinausgeht, verlagert der Arbeitgeber entgegen § 615 BGB das Wirtschaftsrisiko teilweise auf den Arbeitnehmer. Das ist in einem vorformulierten Arbeitsvertrag nur zulässig, soweit die abrufbare Arbeit nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit beträgt.299 Auch bei witterungsabhängigen Unternehmen trägt der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls und kann demzufolge Abrufarbeit nicht in einem größeren Umfang vereinbaren.300 Außerhalb der AGB-Kontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wären weiter gehende Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung in den Grenzen des § 138 BGB möglich.301 6. Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V/§ 28 SGB IX (M 6.7.1) → S. M 6.7.1. 98

Arbeitsunfähige Arbeitnehmer können auch während der Arbeitsunfähigkeit bereits wieder in das Berufsleben eingegliedert werden, wenn sie gemäß § 74 SGB V/§ 28 SGB IX „nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden können“. In diesem Fall soll der Arzt auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben. In diesem Umfang kann der Arbeitnehmer seine Tätigkeit bei dem Arbeitgeber im Rahmen des Wiedereingliederungsvertrages wieder aufnehmen. Dieses Modell wird durch den § 28 SGB IX auf den gesamten Bereich der medizinischen Rehabilitation ausgedehnt. Eine Verpflichtung zum Abschluss eines solchen Vertrages gibt es jedoch nicht.302 Geschuldet ist bei diesem Vertragsverhältnis eigener Art nicht die Arbeitsleistung.303 Daher werden auch keine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung im üblichen Sinne begründet. Auch die unentgeltliche Tätigkeit für einen Arbeitgeber im Rahmen einer stufenweise Wiedereingliederung begründet kein die Arbeitslosigkeit ausschließendes leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis.304 Kern des Vertrages ist vielmehr die Rehabilitation des Arbeitnehmers. Ihm soll Gelegenheit gegeben werden zu erproben, ob er zunächst im Rahmen einer quantitativ und/ 298 BAG v. 24.10.2001 – 5 AZR 245/00, BB 2002, 1154 für Feiertage. 299 BAG v. 7.12.2005, DB 2006, 897; vgl. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89. 300 BAG v. 9.7.2008, DB 2008, 2599 zur Vereinbarung von Abrufarbeit für einen Zeitraum von drei Monaten ohne Festlegung einer Mindest- oder Höchstarbeitszeit und des Verhältnisses der festen zu den variablen Arbeitsbedingungen. 301 Bauer/Günther, DB 2006, 950. 302 BAG v. 29.1.1992 – 5 AZR 37/91, DB 1992, 1478; hingegen hat das BAG einen Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung eines Schwerbehinderten, gestützt auf § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX, bejaht. Erforderlich ist jedoch, dass der Arbeitnehmer spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, aus der sich Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, Beschäftigungsbeschränkungen, Umfang der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit sowie Dauer der Maßnahme ergeben; BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 229/05, NZA 2007, 91. 303 Der Arbeitgeber kann daher auch nicht in Annahmeverzug geraten, wenn der Arbeitnehmer lediglich die Tätigkeit im Rahmen des Wiedereingliederungsverhältnisses anbietet, BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407 Rz. 32, m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2015, 13. 304 BSG v. 21.3.2007, NZS 2008, 160.

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Rz. 104 Kap. 6

oder qualitativ gegenüber seiner bisherigen Arbeitsleistung verringerten Tätigkeit seine Arbeitsfähigkeit wiederherstellen kann.305 Gleichwohl bestehen auch im Wiedereingliederungsvertrag Nebenpflichten, soweit sie mit dem Zweck der Wiedereingliederungsmaßnahme vereinbar sind. Namentlich zu nennen sind das Weisungsrecht des Arbeitgebers, seine Fürsorgepflicht und die Treuepflicht des Arbeitnehmers.

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Während der Wiedereingliederungsmaßnahme wird keine Arbeitsvergütung gezahlt, soweit die Entgeltfortzahlungspflicht nach EFZG geendet hat. Der Arbeitnehmer hat dann vielmehr weiterhin Anspruch auf Krankengeld. Wird gleichwohl eine Vergütung vereinbart, so ruht in Höhe dieser Vergütung das vereinbarte Krankengeld.

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Da der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt, hat er auch keinen Anspruch auf Urlaub. Auch ein neuer Entgeltfortzahlungszeitraum beginnt nicht.

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Der Arbeitnehmer kann nach wohl überwiegender Auffassung seine Tätigkeit jederzeit abbrechen, wenn er sich der Belastung nicht gewachsen fühlt. Ob der Arbeitgeber jederzeit seine Zusage widerrufen kann, oder nur, wenn durch die nur teilweise Tätigkeit des Arbeitnehmers unerwartete Schwierigkeiten im betrieblichen Ablauf eintreten, ist umstritten.306

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Da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt, bestehen auch keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 99 BetrVG etc.

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7. Telearbeit/Homeoffice (M 6.6) → S. M 6.6. Allgemein geht man davon aus, dass Telearbeit/Home Office, in erheblichem Maße die bisherigen Arbeitsverhältnisse ersetzen wird. Der Arbeitnehmer erspart dadurch Wege von und zur Tätigkeitsstätte und geht davon aus, dass er dadurch zusätzliche Freiheit erlangt bei der Kombination von Beruf und Privatleben, der Arbeitgeber strebt ua. die damit verbundene erhebliche Ersparnis bei der Büromiete an. Telearbeit wird an EDV-Anlagen verrichtet, die sich außerhalb des Betriebes des Arbeit-/Auftraggebers befinden und mit diesem durch elektronische Kommunikationsmittel verbunden sind.307 Diese Darstellung beschränkt sich daher auf Telearbeit im Arbeitsverhältnis. Man spricht von ausschließlicher Telearbeit, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in vollem Umfang außerhalb des Betriebes – in der Regel an seinem häuslichen Arbeitsplatz308 – ausübt; ist er zeitweise auch im Betrieb, so handelt es sich demgegenüber um alternierende Telearbeit. Seit Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen309 am 3.12.2016 sind Telearbeitsplätze ausdrücklich von der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) erfasst. § 2 Abs. 7 ArbStättV definiert Telearbeitsplätze als vom Arbeitgeber fest eingerichtete 305 Vgl. Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung v. 3.9.1991, zuletzt geändert 19.9.2006, Bundesanzeiger 2006, Nr. 241, S. 7356. 306 Vgl. von Hoyningen-Huene, NZA 1992, 49, 53; Küttner/Reinecke, Nr. 351 Rehabilitation Rz. 14; Einzelheiten bei Schmidt, NZA 2007, 893, die insbesondere die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Beendigung des Wiedereingliederungsverhältnisses einerseits und des daneben ruhenden Arbeitsverhältnisses andererseits im Einzelnen darstellt. 307 Vgl. dazu im Einzelnen Kap. 9 Rz. 2 ff.; zur Heimarbeit Kap. 9 Rz. 39 ff., vgl. ferner Körner, NZA 1999, 1192 f.; Schaub BB 1998, 2108 f. 308 Vgl. Oberthür, NZA 2013, 246 zum sog. Mobile Office, dh. wenn die Arbeitsleistung unabhängig von einem festen Arbeitsplatz erfolgen soll. 309 BGBl. I 2016, 2681.

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Kap. 6 Rz. 105

Besondere Arbeitsverträge

Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist. Telearbeit erfordert daher eine klare Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Einrichtung eines Bildschirmarbeitsplatzes im Privatbereich, die Arbeitszeit sowie die Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzgestaltung. Nach dem Sinn der Vorschrift sind die Anforderungen des § 2 Abs. 7 ArbStättV an eine solche Vereinbarung erfüllt, wenn wesentliche Rahmenbedingungen, wie der Umstand und die Dauer der Telearbeit, die technische Einrichtung und Ausstattung des Telearbeitsplatzes und die Zutrittsrechte geregelt sind.310 Der Anwendungsbereich der ArbStättV wird nach § 1 Abs. 3 ArbStättV für Telearbeitsplätze iSd. § 2 Abs. 7 ArbStättV auf die Regelungen der Gefährdungsbeurteilung (§ 3 ArbStättV), die Unterweisung (§ 6 ArbStättV) und die „Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen“ nach Nr. 6 des Anhangs zur ArbStättV beschränkt. Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 ArbStättV iVm. § 3 ArbStättV hat bei Telearbeitsplätzen eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG nur bei der erstmaligen Beurteilung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsplatzes zu erfolgen. § 6 ArbStättV normiert inhaltliche Anforderungen an die Unterweisung der Beschäftigten. Unterweisungen haben gemäß § 6 Abs. 4 ArbStättV vor Aufnahme der Tätigkeit und danach in jährlichen Abständen zu erfolgen haben. Liegt kein Telearbeitsplatz iSd. § 2 Abs. 7 ArbStättV vor, etwa weil eine vertragliche Vereinbarung nicht den gestellten Anforderungen genügt, so gelten aufgrund der Fürsorgepflicht aus § 618 BGB die allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften.311 Das hat zur Folge, dass die ArbStättV ohne die Beschränkung des § 1 Abs. 3 ArbStättV Anwendung findet.312 Rechtsgrundlage für Telearbeit kann ein Arbeitsverhältnis sein, in Betracht kommen aber auch freie Dienst-, Werk- oder Werklieferungsverträge sowie Heimarbeit. Für die Abgrenzung zwischen freien Auftragsverhältnissen und einem Arbeitsverhältnis gelten die allgemeinen Grundsätze.313 Diese Darstellung beschränkt sich auf Telearbeit im Arbeitsverhältnis. Man spricht von ausschließlicher Telearbeit, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in vollem Umfang außerhalb des Betriebes – in der Regel an seinem häuslichen Arbeitsplatz314 – ausübt; ist er zeitweise auch im Betrieb, so handelt es sich um alternierende Telearbeit. 105

Unabhängig davon, ob von der EDV in der Wohnung des Telearbeitnehmers eine OnlineVerbindung zum Arbeitgeberbetrieb besteht oder nicht, gilt dessen Arbeitsstätte als unselbständiger Betriebsteil, der also mit dem Hauptbetrieb, dem er zugeordnet wird, eine Betriebseinheit darstellt.315 Voraussetzung ist natürlich immer, dass der Telearbeiter Arbeitnehmer ist, also trotz seiner außerbetrieblichen Tätigkeit einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers insbesondere nach Ort und Zeit seiner Tätigkeit unterliegt.316

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Aligbe, ArbRAktuell 2016, 596. Aligbe, ArbRAktuell 2016, 596. Aligbe, ArbRAktuell 2016, 596. Vgl. dazu im Einzelnen Kap. 9 Rz. 2 ff.; zur Heimarbeit Kap. 9 Rz. 39 ff.; vgl. ferner Körner, NZA 1999, 1192 f.; Schaub, BB 1998, 2108 f. 314 Vgl. Oberthür, NZA 2013, 246 zum sog. Mobile Office, dh. wenn die Arbeitsleistung unabhängig von einem festen Arbeitsplatz erfolgen soll. 315 Fitting, § 5 BetrVG Rz. 193 ff.; ErfK/Eisemann, § 5 BetrVG Rz. 11. 316 Vgl. BAG v. 5.5.1992, DB 1992, 1936.

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Besondere Arbeitsverträge

Rz. 108 Kap. 6

Zur Einführung von Telearbeit im bestehenden Arbeitsverhältnis bedarf es einer ergänzenden Vereinbarung für den Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder ggf. einer Änderungskündigung. Die Verlegung der Tätigkeit des Arbeitnehmers in dessen Wohnung ist von einer üblichen Versetzungsklausel, den Arbeitnehmer auch an einen anderen Arbeitsort oder auf einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, wegen des grundsätzlichen Schutzes der Wohnung des Arbeitnehmers nach Art. 13 GG nicht umfasst.317 Kommt eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, so kann der Arbeitgeber nur eine Änderungskündigung aussprechen, wenn deren allgemeine Voraussetzungen vorliegen (dazu im Einzelnen Kap. 20). Werden aufgrund unternehmerischer Entscheidung alle Arbeitsplätze in die Wohnung der Arbeitnehmer verlegt und lehnt ein Arbeitnehmer eine entsprechende zumutbare Änderungskündigung ab, so kann eine Beendigungskündigung sozial gerechtfertigt sein.

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8. Sabbatical Das Sabbatical318 ist eine zeitlich festgelegte, idR bezahlte Freistellung von der Arbeit. Es kann auf einzel- oder kollektivvertraglicher Ebene vereinbart werden.319 Der Arbeitnehmer wird als Teilzeitbeschäftigter geführt, füllt aber vor oder nach seiner Freistellungsphase sein Arbeitszeitkonto auf (Ansparphase), indem er außer seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zusätzliche Arbeit leistet.320 Sie wird nicht gleich entlohnt, sondern für die Zeit der Freistellung gutgeschrieben. Die Parteien sollten dabei klarstellen, ob und wie etwaige (Tarif-)Lohnerhöhungen in der Freistellungsphase umgesetzt werden.321 Der Zeitraum der Freistellung liegt idR zwischen drei und zwölf Monaten. Für den Arbeitgeber besteht auch in der Freistellungsphase Sozialversicherungspflicht, da der Arbeitnehmer weiter gegen Arbeitsentgelt beschäftigt wird. Voraussetzung ist gemäß § 7 Abs. 1a SGB IV, dass während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b SGB IV fällig ist und das in der Freistellung gezahlte Arbeitsentgelt nicht unangemessen von dem in den letzten zwölf Monaten der Ansparphase gezahlten Arbeitsentgelt abweicht.322

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Gemäß § 7e Abs. 1 SGB IV müssen die Vertragsparteien im Rahmen ihrer Wertguthabenvereinbarung durch den Arbeitgeber zu erfüllende Vorkehrungen treffen, um das Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrages gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers vollständig abzusichern, soweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht besteht und das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darin enthaltenen

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317 Oberthür, MDR 2015, 1269. Zur Frage, inwiefern der Betriebsrat bei der Einführung von Telearbeit zu beteiligen ist, s. Schulze/Ratzesberger, ArbRAktuell 2016, 109 ff. mit möglichen Formulierungshinweisen für eine Betriebsvereinbarung. Regelmäßig besteht ein zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG. 318 Darstellung und Muster orientieren sich mit freundlicher Genehmigung von Belling an Belling, Personalmanagement und Lebensgestaltung durch Sabbatical, AuA 5/2002, 1. 319 Vgl. zu einem möglichen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Arbeitszeitreduzierung in Form eines Sabbaticals Rz. 45. 320 Vgl. zur rechtlichen Einordnung von Wertguthaben und Freistellungsphase Peiter/Westphal, BB 2011, 1781. 321 Siehe BAG v. 22.5.2012 – 9 AZR 423/10, zu der vergleichbaren Problematik bei Altersteilzeit. 322 Die Spitzenverbände der Sozialversicherung gehen von Angemessenheit aus, wenn das aus dem Wertguthaben fällige Arbeitsentgelt mindestens 70 % des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der letzten zwölf Kalendermonate entspricht; vgl. das Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 29.8.2003, S. 54. Die entsprechende Verwaltungspraxis der Sozialversicherungsträger ist rechtlich nicht zu beanstanden, soweit nicht im Einzelfall Anhaltspunkte für zwischen dem Vergleichszeitraum und der Freistellung eingetretene wesentliche Änderungen im Einkommensgefüge bestehen, BSG v. 20.3.2013, BSGE 113, 144, Rz. 21 f.; zum Sozialversicherungsrecht bei bezahlter Freistellung Karst/Rihn, BB 2016, 2549.

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Kap. 6 Rz. 109

Besondere Arbeitsverträge

Gesamtsozialversicherungsbeitrags einen Betrag in Höhe der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung kann ein davon abweichender Betrag vereinbart werden. 109

Zur Erfüllung der Verpflichtung sind die Wertguthaben gemäß § 7e Abs. 2 SGB IV unter Ausschluss der Rückführung durch einen Dritten zu führen, der im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers für die Erfüllung der Ansprüche aus dem Wertguthaben für den Arbeitgeber einsteht, insbesondere in einem Treuhandverhältnis, das die unmittelbare Übertragung des Wertguthabens in das Vermögen des Dritten und die Anlage des Wertguthabens auf einem offenen Treuhandkonto oder in anderer geeigneter Weise sicherstellt. Zulässig sind allerdings auch gleichwertige Sicherungsmittel, namentlich Versicherungsmodelle oder schuldrechtliche Verpfändungs- oder Bürgschaftsmodelle mit ausreichender Sicherung gegen Kündigung, § 7e Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Bilanzielle Rückstellungen sowie konzerninterne Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte reichen hingegen nicht aus, § 7e Abs. 3 SGB IV.

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Der Arbeitgeber muss den Beschäftigten unverzüglich über seine Vorkehrungen zum Insolvenzschutz schriftlich unterrichten, § 7e Abs. 4 SGB IV, bei fehlender oder unzureichender Insolvenzsicherung haften sowohl der Arbeitgeber als auch seine organschaftlichen Vertreter gesamtschuldnerisch für den Schaden, § 7e Abs. 7 SGB IV.

111

Für die Anlage des Wertguthabens gelten die Einschränkungen des § 7d SGB IV, ua. ist eine Anlage in Aktien oder Aktienfonds nur bis zu einer Höhe von 20 % (zum Anlagezeitpunkt) zulässig.323 Da auch der Gesamtsozialversicherungsbeitrag gesichert werden muss, haben die Rentenversicherungsträger erweiterte Eingriffsmöglichkeiten bei Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV iVm. § 7e Abs. 6 SGB IV. Hinsichtlich der Beitragsfälligkeit bestimmt § 23b Abs. 1 SGB IV, dass die Beitragspflicht erst bei Inanspruchnahme des Wertguthabens entsteht. Die in Bezug genommenen Modelle umfassen sowohl das Sabbatical als auch andere längerfristig angelegte Freistellungsphasen wie Vorruhestand oder Zeiten für die Erziehung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen, nicht jedoch Gleitzeit- und Flexi-Konten.

112

Die Vertragsparteien können auch für einen bestimmten Zeitraum die arbeitsvertraglichen Pflichten vollständig ruhen lassen.324 Gleichzeitig räumen sie dem Arbeitgeber aber das Recht ein, im Bedarfsfall den Arbeitnehmer wieder zur Arbeitsleistung (gegen Entlohnung) zu verpflichten (sog. widerrufliches Sabbatical). Der Arbeitnehmer muss sich in diesem Fall während der vereinbarten Zeit stets bereithalten, wieder die Arbeit aufzunehmen. Dafür zahlt ihm der Arbeitgeber für die Dauer der Vereinbarung einen prozentualen Teil seiner monatlichen Bruttovergütung. Bei einer Unterbrechung kann die Vereinbarung nach der „Arbeitsphase“ für den Rest der vereinbarten Laufzeit fortgesetzt werden.

323 Vgl. Schlegel, juris PR-SozR 3/2009, Anm. 4. 324 Auch im Falle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses entsteht zugunsten des Arbeitnehmers der Urlaubsanspruch, da §§ 1, 3 BUrlG lediglich das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, BAG v. 6.5.2014 – 9 AZR 678/12, NZA 2014, 959, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014 283; vgl dazu Polzer/ Kafka, NJW 2015, 2289. Denkbar wäre aber, das Sabattical von vorneherein um den Urlaubsanspruch zu verkürzen und den Urlaub unmittelbar im Anschluss zu gewähren.

268

Lingemann

M 6.1.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

II. Muster M 6.1.1

Kalendarisch befristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen § 1 Befristung1

Herr/Frau … wird von der Firma für die Zeit vom … bis2 … als … eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf.3 Die Befristung erfolgt, weil …4

§ 2 Kündigung Während der Laufzeit des Vertrages kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von … Wochen/Monaten zum … gekündigt werden.5

§§ 3 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. vgl. M 3.1)

§ … Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III Herr/Frau … wird auf seine/ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hingewiesen. Er/Sie ist verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung seines/ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin ist er/sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.6 … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

1 Soweit es sich nicht um einen befristeten Arbeitsvertrag nach § 3 Abs. 1 iVm. § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG handelt, ist eine Befristung nur zulässig, wenn dafür ein sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt, vgl. Einf. Rz. 10 ff. Die Befristung des Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. Ist die Befristung nur mangels Schriftform unwirksam, so kann der Vertrag auch schon vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden, § 16 Satz 2 TzBfG, vgl. Einf. Rz. 4. 2 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NachwG. 3 Wichtig: Wegen § 15 Abs. 5 iVm. § 22 TzBfG sollte der Arbeitgeber nach Ablauf der Befristung oder Zweckerreichung keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mehr entgegennehmen, sondern widersprechen bzw. die Zweckerreichung unverzüglich mitteilen, § 15 Abs. 5 TzBfG. 4 Die Art der Befristung und ggf. der sachliche Grund müssen auch nach § 14 Abs. 4 TzBfG nicht im Vertrag schriftlich angegeben werden, vgl. BAG v. 26.7.2006 – 7 AZR 515/05, NZA 2007, 34. 5 Ohne diese Regelung wäre das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Befristung nur außerordentlich kündbar, § 15 Abs. 3 TzBfG. Die sog. Nichtverlängerungsanzeige ist grundsätzlich keine Kündigungserklärung, BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 156/96, NZA 1998, 220 Rz. 20; v. 26.11.1979, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 47, es sei denn, die Parteien hätten zuvor schon über die Rechtswirksamkeit der Befristung gestritten, BAG v. 26.11.1979, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 47. Sofern bei der Wirksamkeit des Befristungsgrundes Zweifel bestehen, sollte vorsorglich auch ordentlich gekündigt werden, vgl. M 6.1.3.2. 6 Die Belehrung ist nicht zwingend, eine Unterlassung des Hinweises hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge, BAG v. 29.9.2005, BB 2006, 48; Einzelheiten bei Kap. 22 Rz. 183.

Lingemann

269

Kap. 6

M 6.1.2

Besondere Arbeitsverträge

M 6.1.2

Zweckbefristeter Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen § 1 Befristung1

Herr/Frau … wird von der Firma für die Dauer der [zB Erkrankung des Mitarbeiters …]2 als … eingestellt.3 Das Arbeitsverhältnis endet mit Erreichen dieses Zwecks, ohne dass es einer Kündigung bedarf, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung von Herrn/Frau … durch die Firma über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.4

§ 2 Kündigung Während der Laufzeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von … Wochen/ Monaten zum … gekündigt werden.

§§ 3 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1) … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

1 Vgl. iÜ M 6.1.1. 2 Der Grund für die Zweckbefristung muss im Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 4 TzBfG angegeben werden, BAG v. 21.12.2005 – 7 AZR 541/04, NZA 2006, 321; vgl. auch BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rz. 27. 3 In der schriftlichen Vereinbarung über die Zweckbefristung muss der Zweck, mit dessen Erreichung das Arbeitsverhältnis enden soll, so genau bezeichnet sein, dass hieraus der Eintritt dieses Ereignisses zweifelsfrei feststellbar ist. Erforderlich ist ferner die Prognose, dass der Zweck tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht werden wird, auch wenn noch nicht feststeht, wann dies sein wird, BAG v. 15.5.2012 – 7 AZR 35/11, NZA 2012, 1366. 4 Gem. § 15 Abs. 2 TzBfG endet ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung; auch wenn der Zweck daher erreicht ist, endet das Arbeitsverhältnis frühestens mit Ablauf von zwei Wochen nach Zugang dieser Mitteilung, vgl. M 6.1.3.1.

M 6.1.3.1 Mitteilung der Zweckerreichung nach § 15 Abs. 2 TzBfG Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, mit Vertrag vom … hatten wir Sie zweckbefristet für die Dauer der [zB Erkrankung des Mitarbeiters …] eingestellt. Der Zweck ist nunmehr erreicht, da [zB Herr/Frau … nach Ende der Erkrankung seine/ihre Tätigkeit wieder angetreten hat]. Aufgrund der Zweckerreichung endet ihr Arbeitsverhältnis bei uns daher mit Ablauf des …1 Einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses widersprechen wir vorsorglich.2 Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei 1 Vgl. M 6.1.2. 2 Vgl. § 15 Abs. 5 TzBfG. Der Arbeitgeber kann auch schon vor Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses der Fortsetzung widersprechen, BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 1066/12, NZA 2014, 1330, Rz. 25, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2014, 619; v. 11.7.2007, NZA 2008, 1207; vgl. Einf. Rz. 28. Empfehlenswert ist insofern, dem Arbeitnehmer die Nichtverlängerungsanzeige bereits vor Ablauf des Befristungszeitraums zukommen zu lassen. Gleichwohl sollte der Arbeitgeber natürlich, auch wenn er wie im Muster schon in der Nichtverlängerungsanzeige der Weiterbeschäftigung widersprochen hat, den Widerspruch vorsorglich erneut erklären, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Befristung seine Arbeit aufnehmen möchte.

270 Lingemann

M 6.1.3.2

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.3 Wir danken Ihnen für Ihren Einsatz und wünschen Ihnen für Ihren weiteren Lebensweg alles Gute. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 3 Die Belehrung ist nicht zwingend, ein Unterlassen des Hinweises hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Einf. Kap. 22 Rz. 183).

M 6.1.3.2 Mitteilung des Ablaufs des vereinbarten Befristungszeitraums (vgl. § 15 Abs. 1 TzBfG) mit hilfsweiser Kündigung Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, mit Vertrag vom … hatten wir Sie befristet für die Dauer von … Wochen/Monaten/Jahren eingestellt. Der vereinbarte Befristungszeitraum läuft am … ab, an diesem Tag endet daher auch ihr Arbeitsverhältnis bei uns.1 Einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über diesen Tag hinaus widersprechen wir vorsorglich.2 Hilfsweise kündigen wir ihr Arbeitsverhältnis auch fristgemäß zum …3 Hinweis nach § 38 Abs. 1 SGB III, s. M 6.1.3.1. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 1 Gemäß § 15 Abs. 1 TzBfG endet ein kalendermäßig befristetes Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Zeit. Anders als bei der Zweckbefristung gem. § 15 Abs. 2 TzBfG ist eine Nichtverlängerungsanzeige nicht zwingend erforderlich, aber durchaus üblich. 2 Vgl. § 15 Abs. 5 TzBfG. Der Arbeitgeber kann auch schon vor Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses der Fortsetzung widersprechen, BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 1066/12, NZA 2014, 1330, Rz. 25, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2014, 619; v. BAG v. 11.7.2007, NZA 2008, 1207; vgl. Einf. Rz. 28. Empfehlenswert ist insofern, dem Arbeitnehmer die Nichtverlängerungsanzeige mit dem Widerspruch bereits vor Ablauf des Befristungszeitraums zukommen zu lassen. Gleichwohl sollte der Arbeitgeber natürlich, auch wenn er wie im Muster schon in der Nichtverlängerungsanzeige der Weiterbeschäftigung widersprochen hat, den Widerspruch vorsorglich erneut erklären, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Befristung seine Arbeit aufnehmen möchte. 3 Die hilfsweise Kündigung wird ausgesprochen für den Fall, dass die Befristung nicht wirksam ist, s. Kap. 22 Rz. 4.

Lingemann

271

Kap. 6

M 6.1.4

Besondere Arbeitsverträge

M 6.1.4

Traineevertrag § 1 Befristung

Herr/Frau … wird von der Firma für die Zeit vom … bis … als Trainee1 eingestellt.2 Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Befristung erfolgt, weil die Firma Herrn/Frau … im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses für diesen Zeitraum zusätzlich zu seinem/ihrem volkswirtschaftlichen Studium Einblicke in die industrielle Praxis vermitteln möchte. Der Ausbildungsplan für Trainees ist Bestandteil dieses Vertrages.

§ 2 Kündigung Während der Laufzeit des Vertrages kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von … Wochen/Monaten zum … gekündigt werden.

§§ 3 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1) … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

1 Bei Trainees steht – anders als bei Praktikanten – trotz begleitender Qualifikationsangebote die Arbeitsleistung im Vordergrund. Sie sind daher seit 1.1.2015 mit dem Mindestlohn zu vergüten, Picker/Sausmikat, NZA 2014, 942. 2 Vgl. die Anm. zu M 6.1.1.

M 6.1.5

Doppelt befristeter Arbeitsvertrag § 1 Befristung1

Herr/Frau … wird mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von … Stunden befristet eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet für die Dauer der Erkrankung von Herrn/Frau …, längstens jedoch bis zum … . Die Vergütung beträgt … monatlich.

§§ 2 ff. (Zur Kündigung vgl. M 6.1.4,2 zur Versetzungsklausel M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1)3 … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

1 Befristungsvereinbarungen können auch zeitlich gestaffelt hintereinander geschaltet werden. Wird der Arbeitnehmer über den ersten Befristungszeitraum hinaus weiter beschäftigt, so kommt es auf die Wirksamkeit der zweiten Befristung an. Dies wäre hier die kalendarische Befristung, vgl. BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 6/10, NZA 2011, 1346. Es wäre auch zulässig, die Befristung kalendarisch kürzer zu fassen als das mögliche Ende des Befristungszwecks, BAG v. 22.11.1995 – 7 AZR 252/95, BB 1996, 1615. 2 Es ist offen, ob bei einer solchen Kombination auch eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit zulässig ist, wie zB in M 6.1.4 § 2 vorgesehen. 3 Wichtig: Sollte die Zweckbefristung als erstes auslaufen und die Mitteilung nach § 15 Abs. 2 TzBfG vergessen werden, hat die Zeitbefristung eine Auffangwirkung (vgl. Einf. Rz. 30; BAG v. 29.6.2011 – 7 AZR 6/ 10, NZA 2011, 1346). Geht die Zweckbefristung jedoch über die kalendarische hinaus, darf die Mitteilung nach § 15 Abs. 2 TzBfG (vgl. M 6.1.3.1) nicht vergessen werden!

272 Lingemann

M 6.1.6

M 6.1.6

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 2 TzBfG § 1 Befristung1

Herr/Frau … wird von der Firma für die Zeit vom … bis … gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG als … eingestellt.2 Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf.3

§ 2 Kündigung Während der Laufzeit des Vertrages kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von … Wochen/Monaten zum … gekündigt werden.4

§ 3 Neueinstellung Die Firma weist Herrn/Frau … darauf hin, dass sie Herrn/Frau … nur aufgrund der Befristungsregelung des § 14 Abs. 2 TzBfG einstellt. Mit Rücksicht auf § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG versichert Herr/Frau … ausdrücklich, dass er/sie zuvor [alt: in den letzten drei Jahren]5 in keinem Arbeitsverhältnis zur Firma gestanden hat. Herr/Frau … ist darüber informiert, dass eine unrichtige Angabe diesbezüglich den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages nach § 123 BGB berechtigen kann.

§§ 4 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1) … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

1 Die Befristung eines Arbeitsvertrages und deren dreimalige Verlängerung sind bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren zulässig, sofern nicht vorher mit demselben Arbeitgeber schon ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. § 14 Abs. 2 TzBfG, vgl. Einf. Rz. 33 ff. 2 Auf die Norm muss nicht hingewiesen werden, BAG v. 8.12.1988 – 2 AZR 308/88, NZA 1989, 459; v. 24.10.2001, DB 2002, 536, 537. Für eine solche Befristung bedarf es keines sachlichen Grundes. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um eine neue Stelle handelt; es muss nur der Arbeitnehmer „neu eingestellt“ werden, BAG v. 10.6.1988 – 2 AZR 7/88, NZA 1989, 21. Eine Neueinstellung liegt nach Auffassung des BAG nicht vor, wenn zwischen den Vertragsparteien in den letzten drei Jahren ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905 und v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255. Das ArbG Braunschweig hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Aufgrund dessen ist derzeit unklar, ob die Regelung Bestand haben wird, ArbG Braunschweig v. 3.4.2014 – 5 Ca 463/13, m. Anm. Bauer, ArbR 2014, 366. S. Einf. Rz. 34. 3 Will man das Risiko vermindern, dass der Arbeitsvertrag durch bloßen Arbeitsbeginn ohne Unterzeichnung ausgelöst und die Befristung dadurch umgangen wird, § 15 Abs. 5 TzBfG, könnte man ergänzend aufnehmen: „Das Arbeitsverhältnis kommt nur zustande, wenn beide Vertragsparteien diese Vertragsurkunde unterzeichnen“, vgl. BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, NZA 2016, 358 Rz. 19 ff.; Vorschlag von Lunk/Leder, NJW 2016, 1705, 1706. Die Überschrift von § 1 wäre dann anzupassen: „Befristeter Vertrag“. 4 Diese Regelung kann wegen § 15 Abs. 3 TzBfG sinnvoll sein. 5 Eine solche Klausel sollte mit Rücksicht auf das Neueinstellungserfordernis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eingefügt werden. Zur Alternative: Es ist unsicher, ob die Rechtsprechung des BAG, nach der es nur auf eine Vorbeschäftigung in den letzten drei Jahren ankommt, BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255; v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905, Bestand haben wird, vgl. Vorlagebeschluss des ArbG Braunschweig v. 3.4.2014 – 5 Ca 463/13, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 366. Zu Einzelheiten Einf. Rz. 34. Sicherer ist es daher, nach jeglicher Vorbeschäftigung zu fragen.

Lingemann

273

Kap. 6

M 6.1.7

Besondere Arbeitsverträge

M 6.1.7

Probearbeitsverhältnis mit Befristung § 1 Beginn und Art der Tätigkeit

Herr/Frau … wird mit Wirkung ab dem … für die Tätigkeit als … angestellt.

§ 2 Probezeit Das Arbeitsverhältnis wird zunächst nur für die Probezeit vereinbart. Es endet daher nach sechs Monaten am …, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das Arbeitsverhältnis endet nicht, sofern die Vertragsparteien vorher die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren.

§§ 3 ff. (Zur Versetzungsklausel vgl. M 2.1a, zu Vergütung, Urlaub usw. M 3.1, zur Meldepflicht M 6.1.1) … (Ort, Datum)

M 6.1.8

… (Unterschriften)

Verlängerung des Probearbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvertrag Präambel

Der Arbeitgeber weist darauf hin, dass nach derzeitiger Einschätzung die Probezeit nicht bestanden ist und daher eine Probezeitkündigung ausgesprochen werden soll.1 Dem Arbeitnehmer sollen jedoch weitere vier Monate Einarbeitungszeit eingeräumt werden. Die Parteien schließen daher den folgenden Aufhebungsvertrag:2

§1 Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom … zum … enden wird. 1 Ein Aufhebungsvertrag, der lediglich eine nach § 1 KSchG nicht auf ihre Sozialwidrigkeit zu überprüfende Kündigung ersetzt, ist nicht wegen Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften unwirksam. Sieht der Arbeitgeber die sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden an, so kann er regelmäßig, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, anstatt das Arbeitsverhältnis innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 KSchG mit der kurzen Kündigungsfrist zu beenden, dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagen. Diese Grundsätze gelten auch für einen entsprechenden Aufhebungsvertrag. Ein unbedingter Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage ist nicht stets einem auflösend bedingten Aufhebungsvertrag gleichzustellen, BAG v. 7.3.2002, NZA 2002, 1000. Es empfiehlt sich, anlehnend an die vorgenannte Entscheidung, einen Zeitraum von vier Monaten für die zusätzliche Einarbeitung nicht zu überschreiten. Zur Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags ohne Sachgrund iSd. Befristungskontrollrechts s. auch Einf. Rz. 11 und Kap. 23 Rz. 21. Alternativ kann der Arbeitgeber auch ohne verbindliche Wiedereinstellungszusage einen Arbeitnehmer innerhalb der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG mit einer längeren Kündigungsfrist kündigen, um dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance zu gewähren. Maßgeblich ist, dass die Überschreitung der Mindestkündigungsfrist nicht im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liegt, LAG Baden-Württemberg v. 6.5.2015, 4 Sa 94/14. 2 Der Aufhebungsvertrag bedarf gem. § 623 BGB, die Befristungsabrede gem. § 14 Abs. 4 TzBfG der gesetzlichen Schriftform, zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform sind daher beide Vereinbarungen dauerhaft durch Heften miteinander zu verbinden, sofern sie nicht bereits in einer Urkunde enthalten sind, PWW/Ahrens, § 126 BGB Rz. 6; möglicherweise reicht auch eine beiderseitige eindeutige Bezugnahme aus, PWW/Ahrens, § 126 BGB Rz. 7 mwN.

274

Lingemann

M 6.1.9

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

§2 Der Aufhebungsvertrag wird im beiderseitigen Einvernehmen aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer die weitere Einarbeitungszeit bis zum Beendigungszeitpunkt gemäß § 1 besteht.

§3 Kommt die Aufhebung gemäß § 2 nicht zustande, endet das Arbeitsverhältnis zu dem in § 1 genannten Zeitpunkt.

§4 Für die Zeit bis zum in § 1 genannten Beendigungszeitpunkt gelten im Übrigen die Regelungen gemäß dem Arbeitsvertrag vom … fort.

§5 Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III (vgl. M 6.1.1)3 … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

3 Zu weiteren Regelungen in einem Aufhebungsvertrag vgl. M 23.1a.

M 6.1.9

Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG Verlängerung der Befristung1

Zwischen den Parteien besteht ein bis zum […]2 befristetes Arbeitsverhältnis. Die Parteien vereinbaren, dieses bis zum […] zu verlängern.3 Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unverändert.4 1 Die Befristung eines Arbeitsvertrages und deren dreimalige Verlängerung ist bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren zulässig, sofern nicht vorher mit demselben Arbeitgeber schon ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, § 14 Abs. 2 TzBfG, vgl. Einf. Rz. 34 ff. 2 Die Verlängerung muss vor Ablauf der Befristung vereinbart werden; das hier einzusetzende Datum muss also in der Zukunft liegen. Wird der Vertrag erst danach vereinbart, besteht ein erhebliches Risiko, dass er unbefristet fortgilt, BAG v. 4.11.2015 – 7 AZR 933/13, Rz. 26; Einzelheiten Einf. Rz. 4. 3 Will man das Risiko vermindern, dass der Arbeitsvertrag durch bloßen Arbeitsbeginn ohne Unterzeichnung ausgelöst und die Befristung dadurch umgangen wird, § 15 Abs. 5 TzBfG, könnte man ergänzend aufnehmen: „Die Verlängerung kommt nur zustande, wenn beide Vertragsparteien diese Vertragsurkunde unterzeichnen“, vgl. BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, NZA 2016, 358, Rz. 19 ff.; Vorschlag von Lunk/Leder, NJW 2016, 1705, 1706. 4 Wichtig: die Verlängerung darf keine Änderung sonstiger Vertragsbedingungen enthalten.

Lingemann

275

Kap. 6

M 6.1.10

Besondere Arbeitsverträge

M 6.1.10

Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes über die Regelaltersgrenze hinaus, § 41 Satz 3 SGB VI Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes1

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endet am […]2 durch Erreichen der Regelaltersgrenze. Die Parteien schieben hiermit diesen Beendigungszeitpunkt auf den […] hinaus.3 Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages bleiben unverändert.4 1 Nicht geklärt ist, wie oft der Beendigungszeitpunkt hinausgeschoben werden darf, und bis zu welcher Gesamtdauer, vgl. zB. Sprenger, BB 2016, 757, 760 – bis zu fünf Jahren in sieben Schritten, enger Groeger, ZTR 2015, 115, 121 – maximal 3 Jahre. 2 Der Vertrag muss vor Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart werden, das hier einzusetzende Datum muss also in der Zukunft liegen. Wird der Vertrag erst danach vereinbart, gelten strenge Maßstäbe für die Wirksamkeit der Befristung, die in der Praxis kaum einzuhalten sind, vgl. BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/ 13, NZA 2015, 1066 Rz. 20. Ferner Einf. Rz. 24. 3 Auch diese Vereinbarung erfordert gesetzliche Schriftform, Sprenger, BB 2016, 757, 760 unter 4. mwN. Will man das Risiko vermindern, dass die in der Vereinbarung liegende Befristung durch bloßen Arbeitsbeginn ohne Unterzeichnung ausgelöst und die Befristung dadurch umgangen wird, § 15 Abs. 5 TzBfG, könnte man ergänzend aufnehmen: „Diese Vereinbarung kommt nur zustande, wenn beide Vertragsparteien diese Vertragsurkunde unterzeichnen“, vgl. BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, NZA 2016, 358 Rz. 19 ff.; Vorschlag von Lunk/Leder, NJW 2016, 1705, 1706. 4 Wir gehen davon aus, dass auch die Vereinbarung über das Hinausschieben keine Änderung sonstiger Vertragsbedingungen enthalten darf.

M 6.1.11

Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Befristung und Weiterbeschäftigung

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1 Zu beachten ist die Drei-Wochen-Frist des § 17 Satz 1 TzBfG, innerhalb derer die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht werden muss. Die Frist läuft allerdings erst ab dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses, also nicht schon ab dem Moment, in dem der Arbeitgeber sich auf die Befristung beruft. Wird die Frist unverschuldet versäumt, kann die Klage gem. § 17 Satz 2 TzBfG in entsprechender Anwendung der §§ 5–7 KSchG nachträglich zugelassen werden. Die Drei-Wochen-Frist gilt allerdings nicht für die Klärung der Frage, ob eine Befristung überhaupt als vereinbart gilt, insbesondere wenn dies aus AGB-rechtlichen Gründen zweifelhaft ist (s. Fn. 5). Für den Fall eines Betriebsübergangs bleibt der veräußernde Betriebsinhaber im Rahmen des Befristungskontrollantrags entsprechend §§ 265, 325 ZPO passiv legitimiert. Offengelassen hat das BAG, ob diese Grundsätze auch gelten, wenn aufgrund einer fehlenden Erlaubnis nach dem AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiherbetrieb gem. § 10 Abs. 1 AÜG entsteht, BAG v. 23.7.2014, NZA 2015, 46. Die Klage auf Feststellung, dass eine Befristung unwirksam ist, setzt gem. § 256 ZPO ein Feststellungsinteresse voraus. Daran kann es fehlen, wenn der vereinbarte Befristungsablauf noch weit entfernt ist. Soll dagegen das Arbeitsverhältnis in absehbarer Zeit enden, ist die Feststellungsklage zulässig (BAG v. 12.10.1979, AP Nr. 48 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; v. 9.9.1981, v. 13.1.1983 und v. 13.1.1983, AP Nr. 38, 42, 43 zu § 611 BGB Abhängigkeit). 2 S. M 101.1 und M 101.2.

276 Lingemann/Diller

M 6.1.11

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien keine Befristung vereinbart ist.3 2. Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 26.6.20164 am 30.6.2017 endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht. 3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 25.5.2017 zum 30.6.2017 endet. 4. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände endet, sondern über den 30.6.2017 hinaus weiterbesteht. 5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 30.6.2017 hinaus zu unveränderten Bedingungen im Werk … als … mit einem Bruttogehalt von Euro … weiterzubeschäftigen.

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. im Werk … seit dem 31.3.2015 als … mit einem Bruttomonatsverdienst von Euro … beschäftigt. Der Bekl. beschäftigt im Werk … regelmäßig … Arbeitnehmer. Grundlage der Beschäftigung war zunächst der Anstellungsvertrag vom 25.3.2015, der bis zum 30.6.2016 befristet war.5 Beweis: Anstellungsvertrag vom 25.3.2015, Anlage K 1 Mit Vertragsnachtrag vom 26.6.2016 vereinbarten die Parteien, den Anstellungsvertrag bis zum 30.6.2017 zu verlängern. Beweis: Verlängerungsvereinbarung vom 26.6.2016, Anlage K 2 Mit Schreiben vom 25.5.2017 teilte die Bekl. dem Kl. mit, sein Arbeitsverhältnis ende zum 30.6.2017. Beweis: Schreiben der Bekl. vom 25.5.2017, Anlage K 3 Der Kl. antwortete der Bekl. mit Einschreiben vom 28.5.2017 und teilte mit, er sei mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht einverstanden und verlange Weiterbeschäftigung über den 30.6.2017 hinaus. Beweis: Schreiben des Kl. vom 28.5.2017, Anlage K 4 Auf dieses Schreiben reagierte die Bekl. jedoch nicht. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 begehrt der Kl. die Feststellung, dass es schon an einer wirksamen Vereinbarung über die Befristung fehlt. Der Antrag ist begründet, da die Befristung gegen das Verbot überraschender Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) verstieß. Die Befristung war unter der irreführenden Überschrift „Schlussbestimmungen“ untergebracht und drucktechnisch in keiner Weise hervorgehoben. Unter der Rubrik „Schlussbestimmungen“ fanden sich vor und nach dem die Bedingung enthaltenden Satz noch vielfältige andere Bagatellregelungen, insbesondere zu Geheimhaltung, Vollständigkeit, Gerichtsstand etc. Das „Verstecken“ einer Befristung unter einer irreführenden Überschrift führt dazu, dass diese gemäß § 305c Abs. 1 BGB als nicht vereinbart gilt. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wendet sich der Kl. hilfsweise gegen die Wirksamkeit der Befristung, wenn sie denn entgegen dem oben Ausgeführten vereinbart sein sollte. Ein sachlicher Grund für die 3 Das Auseinanderziehen der Klaganträge 1 und 2 dient der Verdeutlichung. Die Fragen, ob eine Befristung überhaupt vereinbart ist (Klagantrag Ziff. 1) und ob eine vereinbarte Befristung wirksam ist (Klagantrag Ziff. 2), kann man auch gemeinsam in einem wie Klagantrag Ziff. 2 formulierten Antrag unterbringen und dann lediglich in der Klagebegründung differenzieren. Praxistipp: Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, AP Nr. 12 zu § 305c BGB) fällt die Klärung der Frage, ob eine Befristung überhaupt als vereinbart gilt, nicht unter die Drei-Wochen-Frist des § 17 Satz 1 TzBfG (s. Fn. 1). 4 Unklar ist, ob der Klageantrag sich darauf beschränken kann, die Unwirksamkeit der Befristung zu einem bestimmten Datum geltend zu machen, oder ob entsprechend der Rechtsprechung zu § 4 KSchG im Klageantrag angegeben werden muss, wann und wo die Befristungsabrede vereinbart wurde. Vorsorglich ist dringend Letzteres zu empfehlen. 5 Aufgrund des § 14 Abs. 4 TzBfG bedürfen Befristungen der gesetzlichen Schriftform des § 126 BGB bzw. § 126a BGB (dazu Einf. Rz. 4).

Diller

277

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.1

Befristung bestand nicht. Die Befristung war auch nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässig. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG erlaubt zwar die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge, aber nicht über eine Gesamtdauer von zwei Jahren hinaus. Im vorliegenden Fall sollte die Befristung zusammen mit der Verlängerung jedoch zwei Jahre und drei Monate dauern. Die dreiwöchige Klagefrist nach § 17 Satz 1 TzBfG ist gewahrt. Mit dem Klageantrag Ziff. 3 wendet sich der Kl. gegen das Schreiben der Bekl. vom 25.5.2017 für den Fall, dass dieses Schreiben als Kündigungserklärung aufgefasst werden könnte. Vorsorglich wird bestritten, dass Kündigungsgründe nach § 1 KSchG vorliegen und dass der im Betrieb bestehende Betriebsrat ordnungsgemäß gemäß § 102 BetrVG angehört wurde. Im Betrieb sind mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG ist gewahrt.6 Mit dem Klageantrag Ziff. 4 begehrt der Kl. die Feststellung, dass das Anstellungsverhältnis auch durch sonstige Beendigungstatbestände nicht endet. Dem Kl. sind zwar derzeit keine weiteren Beendigungstatbestände bekannt. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass die Bekl. unverzüglich eine Kündigung aussprechen wird, wenn sie feststellt, dass die Befristung wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 TzBfG unwirksam war. Dies hat der Personalleiter der Bekl. … gegenüber dem Kl. in einem Telefonat vom … bereits angekündigt.7 Mit dem Klageantrag Ziff. 5 macht der Kl. den nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend,8 der nicht nur in Kündigungsschutzverfahren gilt, sondern auch bei Streit um die Wirksamkeit einer Befristung. … (Unterschrift)9 6 S. im Einzelnen die allgemeinen Muster zur Kündigungsschutzklage, M 22.17 ff. 7 S. im Einzelnen die allgemeinen Muster zur Kündigungsschutzklage, M 22.17 ff. 8 BAG GS v. 27.2.1985, NJW 1985, 298. Für die Dauer des Rechtsstreits besteht eine Weiterbeschäftigungspflicht aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs selbst dann, wenn der Arbeitnehmer die Verurteilung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung nicht beantragt hatte, BAG v. 22.7.2014, NZA 2014, 1330, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2014, 619. 9 Für die Bestimmung des Streitwerts bei einer Befristungsklage wird regelmäßig die für Kündigungen geltende Regelung des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG (Vierteljahresbezug) herangezogen (zB LAG Nürnberg v. 1.8.2003 – 6 Ta 98/03; LAG Hessen v. 15.7.2003 – 15 Ta 186/03), s. im Einzelnen M 22.17 Fn. 13.

M 6.2.1

Teilzeitarbeitsvertrag § 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses

(1) Herr/Frau … wird als Teilzeitarbeitnehmer/in1 die Tätigkeit eines … ausführen. Er/Sie wird seine/ ihre Tätigkeit am … beginnen.2 (2) Die Probezeit beträgt sechs Monate. Während dieser Zeit können die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis mit einmonatiger Frist zum Monatsschluss kündigen.3

§ 2 Arbeitszeit (1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 20 Stunden. oder (1) Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit beträgt 4 Stunden. 1 Vgl. Einf. Rz. 42 ff. Für ältere Arbeitnehmer ist noch das Altersteilzeitgesetz von Bedeutung. Zu Einzelheiten vgl. Kap. 7 sowie M 7.1, M 7.2. 2 Zu etwaigen Versetzungsklauseln vgl. M 2.1a bei Ziff. 1. 3 Gemäß § 622 Abs. 3 BGB wäre auch eine Kündigungsfrist von zwei Wochen zulässig.

278 Diller/Lingemann

M 6.2.1

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

(2) Die tägliche Arbeitszeit beginnt um 16.00 und endet um 20.00 Uhr. oder (2) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach der Betriebsvereinbarung für Teilzeitbeschäftigte vom … oder (2) Herr/Frau … wird jeweils von Montag bis Donnerstag fünf Stunden täglich arbeiten. oder (2) Herr/Frau … wird jede zweite Woche 40 Stunden arbeiten und in der dazwischenliegenden Woche jeweils aussetzen. (3) Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Lage der Arbeitszeit mit einer Ankündigungsfrist von … Tagen zu ändern.4 (4) Herr/Frau … ist verpflichtet, bis zu maximal … Überstunden/Woche zu leisten.5 Pro Überstunde werden 1/… der nach § 3 vereinbarten Monatsvergütung zzgl. einem Zuschlag von … % bezahlt. Die Überstunden werden … Tage vorher angekündigt.

§ 3 Vergütung Herr/Frau … erhält eine monatliche Bruttovergütung von Euro …, zahlbar jeweils am Monatsende.

§ 4 Urlaub Herr/Frau … erhält einen anteiligen Urlaub von 15 Arbeitstagen pro Jahr.6 oder Der Urlaub für Vollzeitarbeitnehmer beträgt … Arbeitstage; Herr/Frau … erhält dementsprechend für die Teilzeittätigkeit anteiligen Urlaub von … Tagen. oder Herr/Frau … erhält Urlaub wie ein Vollzeitarbeitnehmer, wobei die freien Arbeitstage als unbezahlter Urlaub gelten. Urlaubsentgelt wird im Verhältnis der Teilzeit- zur Vollzeitarbeit gezahlt. oder [Evtl.: ]7

4 Ohne eine solche Klausel besteht beim Teilzeitarbeitsvertrag kein Recht der Arbeitgebers zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit im Rahmen seines Direktionsrechts, wenn diese vertraglich festgelegt ist (Küttner/Reinecke, Nr. 402 Teilzeitbeschäftigung, Rz. 6). Die Ankündigungsfrist sollte in Anlehnung an § 12 Abs. 2 TzBfG mindestens vier Tage betragen.vgl. auch Preis/Preis, II T 10, Rz. 8. Zu den – uE nicht begründeten – Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Klausel, die die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit dem Arbeitgeber überlässt, s. M 2.1a bei Ziff. 3 Abs. 1 Var. 1 m. Anm.; BAG v. 17.7.2007 – 9 AZR 819/ 06, NZA 2008, 118. Besteht ein Betriebsrat, so hat er bei der Änderung ebenso wie bei der vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen. 5 Vgl. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89; M 2.1a Ziff. 4 m. Anm. Auch hier ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu beachten. 6 Der Urlaub von Teilzeitkräften berechnet sich nach folgender Formel: Gesamturlaubstage für Vollzeitkräfte geteilt durch Wochentage der Vollzeittätigkeit multipliziert mit Wochentagen der Teilzeittätigkeit ergibt Gesamturlaubstage der Teilzeittätigkeit, vgl. BAG v. 14.2.1991, DB 1991, 1789; zur Berechnung bei unregelmäßiger Verkürzung der Arbeitszeit BAG v. 5.9.2002 – 9 AZR 244/01, NZA 2003, 726. 7 Ob eine entsprechende Klausel wirksam ist, ist nicht geklärt. Da die Bemessung des Urlaubs nach dem BurlG auf Arbeitstage und nicht auf Arbeitsstunden bezogen ist, vgl. BAG v. 8.5.2001, NZA 2001, 1254, ist eine Urlaubsgewährung in Arbeitsstunden wahrscheinlich unzulässig, auch wenn der Arbeitnehmer an verschiedenen Wochentagen eine ungleichmäßige Stundenzahl leistet, ErfK/Gallner, § 3 BUrlG Rz. 14; HWK/Schinz, § 3 BUrlG Rz. 30. Um zu verhindern, dass Arbeitnehmer die Urlaubstage „gezielt“ auf lange Arbeitstage legen, wird für diese Fälle vorgeschlagen, wochenweise Urlaub zu gewähren, Lunk, AnwaltsFormulare Arbeitsrecht, § 1b Rz. 286.

Lingemann

279

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.2

Herr/Frau … erhält … Arbeitsstunden Erholungsurlaub. Für jeden gewährten Urlaubstag verringert sich der Urlaubsanspruch um die Anzahl der Stunden, die Herr/Frau … ohne den Urlaub gearbeitet hätte

§ 5 Nebentätigkeit Nebentätigkeiten, die die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen können, bedürfen seiner vorherigen schriftlichen Zustimmung. Die Aufnahme jeder Nebentätigkeit ist dem Arbeitgeber anzuzeigen.

§§ 6 ff. (Spesen, Erfindungen, Wettbewerbsverbot usw.) … (Ort, Datum)

M 6.2.2

… (Unterschriften)

Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit

Firma … z. Hd. der Personalleiterin (Ort, Datum) … Sehr geehrte Frau …, ich bin seit1 dem … bei Ihnen beschäftigt und beantrage,2 meine Arbeitszeit von bisher … h/Woche ab dem … um … h/Woche auf … h/Woche3 herabzusetzen. Als Verteilung der reduzierten Arbeitszeit bevorzuge ich montags von … bis …, dienstags von … bis …, mittwochs von … bis …, donnerstags von … bis … und freitags von … bis …. Alternativ schlage ich die Verteilung auf montags von … bis …, dienstags von … bis …, mittwochs von … bis …, donnerstags von … bis … und freitags von … bis … vor.4 Eine Verringerung meiner Arbeitszeit soll nur unter der Bedingung erfolgen, dass es zu einer der von mir gewünschten Arbeitszeitverteilungen kommt.5 Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu der verkürzten Arbeitszeit und ihrer Verteilung. Zu Gesprächen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. … (Unterschrift) 1 Mindestens sechs Monate, § 8 Abs. 1 TzBfG. 2 Vgl. Einf. Rz. 47 ff.; ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt, zB weil er nicht den Umfang der zu reduzierenden Arbeitszeit angibt, löst er nicht die für den Arbeitnehmer günstigen Fiktionswirkungen gem. § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG aus, BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 239/07, NZA 2008, 289. 3 § 8 Abs. 1 TzBfG bezieht sich auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Es werden auch flexible, auf längere Zeiträume angelegte Arbeitszeitregelungen erfasst. 4 Diese Verteilungsalternativen sind uE trotz des Urteils des BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 m. Anm. Ahrendt in jurisPR-ArbR 13/2012 zulässig, wonach das Angebot durch ein schlichtes „Ja“ annehmbar sein muss. Zwar kann der Arbeitgeber diesen Antrag nicht annehmen, ohne deutlich zu machen, welche der beiden Alternativen er bevorzugt; ein schlichtes „Ja“ reicht also nicht aus. Jedoch erweitern die Alternativen nur den Spielraum des Arbeitgebers. Er hat die Möglichkeit entweder die erste Alternative als die bevorzugte Variante anzunehmen oder die zweite Alternative. Reagiert er auf ein solches Aufforderungsschreiben, dürfte angesichts dieser eindeutigen Rangfolge die Fiktionswirkung bzgl. der ersten Alternative greifen. Allerdings ist eine solche alternative Formulierung bislang nicht höchstrichterlich geprüft; rechtssicherer ist eine Formulierung ohne Alternative. 5 Eine solche Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) dürfte zulässig sein.

280 Lingemann

M 6.2.4

M 6.2.3

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Schreiben bei verspätetem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit

Betr.: Ihr Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit vom 26.8.2017 … (Ort, Datum) … Sehr geehrter Herr/Frau …, Sie wünschen eine Reduzierung Ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 … auf 20 … Stunden ab dem 1.10.2017 … . Dies hätten Sie mit einer Frist von drei Monaten, also spätestens am 30.6.2017 …,1 beantragen müssen. Da Ihr Antrag erst am 26.8.2017 … bei uns eingegangen ist, werden wir ihn als zum 27.11.2017 …2 gestellt behandeln. Unsere Antwort erhalten Sie bis 30.9.2017 … .3 Mit freundlichem Gruß … (Unterschrift) 1 Bei § 8 Abs. 2 TzBfG handelt es sich um eine Vorschaltfrist, die vor dem Beginn der Verringerung abgelaufen sein muss, Hopfner, DB 2001, 2144, 2145; Straub, NZA 2001, 919, 921 f. 2 Der neue Beginn ist durch Auslegung des ursprünglichen Antrags zu ermitteln. Der Beginn verschiebt sich nach dem hypothetischen Willen des Antragstellers auf den nächstmöglichen fristgemäßen Zeitpunkt, BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, NZA 2004, 1090. 3 § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG verlangt die Entscheidung des Arbeitgebers bis spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung. Bei einer Verschiebung des vom Arbeitnehmer gewünschten Beginns mittels Auslegung des verspäteten Antrags, vgl. BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, NZA 2004, 1090, verschiebt sich auch die Vorfrist des Arbeitgebers. Zu beachten ist jedoch, dass ein zu kurzfristig gestelltes Änderungsverlangen die in § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG geregelte Zustimmungsfiktion nicht auslösen kann, s. Einf. Rz. 47.

M 6.2.4

Ablehnung des Antrags auf Reduzierung der Arbeitszeit

(Ort, Datum) … Herr/Frau … Betr.: Ihr Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit vom …1 Sehr geehrte/r Herr/Frau …, ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom … . Sie machen darin eine Verringerung und Neuverteilung Ihrer Arbeitszeit geltend. Wir haben zwischenzeitlich diesen Wunsch mit Ihnen mit dem Ziel erörtert, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Es konnte jedoch kein Einvernehmen erzielt werden.2

1 Vgl. Einf. Rz. 50 f. iVm. Rz. 44 ff. Gem. § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG bedarf die Ablehnung der Schriftform. Auch muss sie spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Teilzeittätigkeit dem Arbeitnehmer zugehen, andernfalls verringert sich die Arbeitszeit in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang, dh. der Arbeitsvertrag gilt insoweit als geändert. Aus Arbeitgebersicht muss die Monatsfrist daher unter allen Umständen beachtet werden. 2 Vgl. § 8 Abs. 3 TzBfG; allerdings tritt auch ohne Verhandlung nicht die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG ein, sondern die Wirksamkeit der Befristung hängt auch dann davon ab, ob betriebliche Gründe gem. § 8 Abs. 4 TzBfG entgegenstehen, BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, NZA 2003, 911. Jedoch kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dann keine Einwendungen entgegenhalten, die im Rahmen einer Verhandlung hätten ausgeräumt werden können.

Lingemann

281

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.5

Wir können wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe der Verringerung und Neuverteilung3 der Arbeitszeit nicht zustimmen. Die betrieblichen Gründe liegen darin, dass … [zB: die ganztägige Erreichbarkeit in Ihrer Funktion für Kunden zwingend notwendig ist, und wir trotz entsprechender Stellenanzeigen und Anfragen bei der zuständigen Arbeitsagentur keinen Mitarbeiter finden konnten, der die verbleibende Arbeitszeit abdecken würde; oder: dass aufgrund der projektgebundenen Art der Tätigkeit die Übergabe an einen anderen Arbeitnehmer, der Ihre Funktion in der verbleibenden Zeit übernehmen könnte, mehr als 40 % der Gesamtarbeitszeit ausmachen würde].4 Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 3 Um die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG zu vermeiden, ist immer auch die Neuverteilung ausdrücklich abzulehnen. 4 Einzelheiten zu betrieblichen Gründen s. Einf. Rz. 54 ff. Eine nähere Begründung ist nach dem Gesetz in der Ablehnung zwar – anders als für den Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 7 BEEG – nicht erforderlich und der Arbeitgeber ist mit nicht in dem Ablehnungsschreiben vorgebrachten Gründen grds. im Prozess nicht präkludiert, BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, NZA 2003, 911; jedoch ist eine sorgfältige Begründung dringend anzuraten, da jedenfalls Instanzgerichte zum Teil eine solche Präklusion annehmen und auch das BAG aaO von einer Präklusion ausgeht, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig seine Verhandlungsobliegenheit nach § 8 Abs. 3 TzBfG verletzt.

M 6.2.5

Klage auf Zustimmung zur Reduzierung der Arbeitszeit

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag des Klägers vom … auf Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zuzustimmen.2 2. Die Beklagte wird (hilfsweise für den Fall des Obsiegens)3 verurteilt, die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend dem Antrag des Klägers vom … auf montags von … bis …, dienstags von … bis …, mittwochs von … bis …, donnerstags von … bis … und freitags von … bis … festzulegen.

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit dem … beschäftigt. Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom … Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Der Antrag ist auch ohne Angabe eines Zeitpunkts, ab dem die Verringerung der Arbeitszeit greifen soll, bestimmt genug gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da gem. § 894 Abs. 1 ZPO die Abgabe der Willenserklärung erst mit Rechtskraft des Urteils als erfolgt gilt und ihre Wirkung erst dann eintreten kann. ArbG Essen v. 19.6.2001, NZA-RR 2001, 573, 574; Diller, NZA 2001, 589, 590, Fn. 10; Beckschulze, DB 2000, 2598, 2606. 3 Wird der Antrag wie hier als unechter Hilfsantrag gestellt, so bleibt er für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag Ziff. 1 im Streitwert unberücksichtigt (vgl. Grobys/Bram, NZA 2001, 1178).

282 Lingemann/Diller

M 6.2.6

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

Am … beantragte der Kl. schriftlich bei der Bekl. die Reduzierung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zum … Gleichzeitig bat er um die Festlegung seiner Arbeitszeit entsprechend dem Antrag Ziff. 2. Beweis: Schreiben des Klägers vom …, Anlage K 2 Mit Schreiben vom … lehnte die Bekl. dies aus betrieblichen Gründen ab, ohne diese näher zu bezeichnen. Beweis: Schreiben der Bekl. vom …, Anlage K 3 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 macht der Kl. seinen Anspruch auf Zustimmung zur Verringerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit aus § 8 Abs. 1 und 4 TzBfG geltend. Der Kl. ist seit mehr als sechs Monaten bei der Bekl. beschäftigt (§ 8 Abs. 1 TzBfG) und die Bekl. beschäftigt in ihrem Unternehmen regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ohne Auszubildende (§ 8 Abs. 7 TzBfG). Der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit wurde rechtzeitig gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG gestellt. Die Verringerung der Arbeitszeit sollte zum … beginnen, so dass bei Antragstellung am … mehr als drei Monate Zeit verblieben. Vorsorglich wird das Vorliegen betrieblicher Gründe, die der Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen, bestritten.4 Mit dem Klageantrag Ziff. 2 begehrt der Kl. seinen Anspruch auf Festsetzung der Verteilung der verringerten Arbeitszeit aus § 8 Abs. 4 TzBfG. … (Unterschrift)5 4 Bestreiten mit Nichtwissen kann ausreichen, wenn dem Kläger Einblicke in die Betriebsabläufe fehlen, Grobys/Bram, NZA 2001, 1175, 1180. 5 Der Streitwert wird in der Gerichtspraxis höchst unterschiedlich festgesetzt. Nach herrschender Auffassung ist gem. § 42 Abs. 1 GKG die 36-fache Vergütungsdifferenz anzusetzen, höchstens jedoch der Vierteljahresbezug nach § 42 Abs. 2 GKG (LAG Hamburg v. 8.11.2001, NZA-RR 2002, 551; LAG Sachsen v. 15.12.2003 – 4 Ta 277/03–5; LAG Nürnberg v. 12.9.2003 – 9 Ta 127/03; LAG Köln v. 5.3.2002 – 10 Ta 50/02, MDR 2002, 1257; LAG Nds. v. 14.12.2001, NZA 2002, 550; LAG Hessen v. 28.11.2001, NZA 2002, 404). Andere Gerichte setzen grundsätzlich zwei Bruttomonatsgehälter an (LAG Düsseldorf v. 12.11.2001, NZA-RR 2002, 103; LAG München v. 21.2.2003, NZA-RR 2003, 382) oder operieren mit dem Hilfswert von Euro 4 000 nach § 23 RVG (LAG Rh.-Pf. v. 30.5.2005, AE 2006, Nr. 244).

M 6.2.6

Klage auf Feststellung der reduzierten Arbeitszeit

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass seit dem …2 die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit des Klägers …3 beträgt. 2. Hilfsweise für den Fall des Obsiegens: 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Datum des Eintritts der Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG. 3 Je nach gewünschtem Arbeitszeitmodell, zB Jahresarbeitszeit von 800 Stunden oder 40 Stunden wöchentlich in den Monaten Juni bis November etc.

Diller

283

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.7

a) Es wird festgestellt, dass die Arbeitszeit auf … festgelegt ist. b) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger vertragsgemäß …4 zu beschäftigen.

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit dem … beschäftigt. Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom … Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1 Am … beantragte der Kl. schriftlich bei der Bekl. die Reduzierung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zum … Gleichzeitig bat er um die Festlegung seiner Arbeitszeit entsprechend dem Antrag Ziff. 2. Beweis: Schreiben des Kl. vom …, Anlage K 2 Darauf reagierte die Bekl. nicht. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 macht der Kl. die Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG geltend. Der Kl. ist seit mehr als sechs Monaten bei der Beklagten beschäftigt (§ 8 Abs. 1 TzBfG), und die Bekl. hat in ihrem Unternehmen regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ohne Auszubildende angestellt (§ 8 Abs. 7 TzBfG). Der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit wurde rechtzeitig gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG gestellt. Die Verringerung der Arbeitszeit sollte zum … beginnen, so dass bei Antragstellung am … mehr als drei Monate Zeit verblieben. Die fehlende Ablehnung löst die Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG aus. Mit dem Klageantrag Ziff. 2a) begehrt der Kl. die Feststellung der Fiktionswirkung des § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG hinsichtlich der Verteilung der verringerten Arbeitszeit. Auch hinsichtlich der Verteilung greift die Fiktionswirkung. Mit dem Klageantrag Ziff. 2b) begehrt der Kl. Beschäftigung entsprechend dem derzeitigen Vertragsinhalt. Die Kl. ist gemäß § 259 ZPO zulässig. Die Bekl. hat am … die Beschäftigung des Kl. zu den nunmehr geltenden Beschäftigungszeiten verweigert. Damit besteht die Besorgnis, dass die Beklagte den Kl. auch zukünftig nicht vertragsgemäß beschäftigen wird. Der Anspruch auf Beschäftigung folgt aus der Pflicht der Bekl., im bestehenden Arbeitsverhältnis das Persönlichkeitsrecht des Kl. zu achten.5 … (Unterschrift)6 4 Hier sind die Beschäftigungszeiten entsprechend den Anträgen Ziff. 1 und 2a) einzufügen. Die übrigen Arbeitsbedingungen müssen nur dann gesondert aufgeführt werden, wenn sie im Streit sind, Erman/ Edenfeld, § 611 BGB Rz. 357. 5 BAG v. 10.11.1955, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht. 6 Zum Streitwert s. M 6.2.5 Fn. 5.

M 6.2.7

Einstweilige Verfügung auf Reduzierung der Arbeitszeit

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: 1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung s. Kap. 107, insbesondere M 107.1.

284 Diller

M 6.2.7

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung2 verpflichtet, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den Antragsteller mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Freitag, jeweils vier Stunden von 8.00 bis 12.00 Uhr, zu beschäftigen.3

Begründung: Der ASt. ist bei der AGg. seit dem … beschäftigt. Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom … Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom …, Anlage AS 1 Am … beantragte der ASt. schriftlich bei der AGg. die Reduzierung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zum … Gleichzeitig bat er um die Festlegung seiner Arbeitszeit entsprechend dem Antrag. Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom …, Anlage AS 2; Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 3 Mit Schreiben vom … lehnte die AGg. dies aus betrieblichen Gründen ab, ohne diese näher zu bezeichnen. Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom …, Anlage AS 4 Die Frau des ASt. ist seit … ganztägig pflegebedürftig. Glaubhaftmachung: Ärztliches Gutachten vom …, Anlage AS 5 Der ASt. hat keine weiteren Familienangehörigen, und es ist ihm finanziell nicht möglich, Pflegepersonal über den Rahmen der Finanzierung durch die Pflegeversicherung hinaus zu beschäftigen. Derzeit wird die Ehefrau vom Pflegedienst … täglich in der Zeit von 8.00 bis 12.00 Uhr, also vier Stunden täglich betreut. Die übrige Pflege muss der ASt. übernehmen. Hierfür wendet er acht Stunden täglich auf. Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 3 Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 und 4 TzBfG.4 Der ASt. ist seit mehr als sechs Monaten bei der AGg. beschäftigt (§ 8 Abs. 1 TzBfG) und die AGg. hat in ihrem Unternehmen regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ohne Auszubildende angestellt (§ 8 Abs. 7 TzBfG). Der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit wurde rechtzeitig gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG gestellt. Die Verringerung der Arbeitszeit sollte zum … beginnen, so dass bei Antragstellung am … mehr als drei Monate Zeit verblieben, die jedoch inzwischen verstrichen sind. Betriebliche Gründe, die der Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen, liegen nicht vor. Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass die Pflegebedürftigkeit der Ehefrau des ASt. derzeit akut vorliegt und die Sicherung der erforderlichen Pflege nicht gewährleistet ist. Da die Pflege durch den ASt. während acht Stunden täglich erforderlich ist, muss er seine Arbeitszeit entsprechend dem Antrag reduzieren. Bezüglich der Verteilung der Arbeitszeit ergibt sich der Verfügungsgrund daraus, dass der ASt. aufgrund der Pflegezeiten des Pflegedienstes … darauf angewiesen ist, genau zu diesen Zeiten zu arbeiten. … (Unterschrift)5 2 Der sonst bei Verfügungsanträgen übliche (s. M 107.1) Antrag auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist bei Anträgen auf Arbeitszeitreduzierung fehl am Platze und sollte gleich weggelassen werden; schon wegen § 616 BGB kann die Sache nie so eilbedürftig sein, dass keine Zeit für eine mündliche Verhandlung wäre. 3 Das Bedürfnis für eine einstweilige Regelung besteht auch über eine erstinstanzliche Entscheidung hinaus, da die in der Hauptsache begehrte Abgabe einer Willenserklärung erst mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt (§ 894 ZPO). 4 Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familien-Pflegezeitgesetz (FPfZG) (s. M 17.9 und M 17.10) nützen dem Antragsteller hier nichts, weil er die Reduzierung der Arbeitszeit auf Dauer begehrt, während das PflegeZG nur für sechs Monate und das FPfZG nur für 24 Monate greifen. 5 Zum Streitwert auch M 6.2.5 Fn. 5. Ein Abschlag wegen des Eilverfahrens ist nicht angezeigt (LAG Nürnberg v. 12.9.2003 – 9 Ta 127/03); LAG Baden-Württemberg v. 7.12.2009 – 5 Ta 133/09, Rz. 15.

Diller

285

Kap. 6

M 6.2.8

Besondere Arbeitsverträge

M 6.2.8

Änderungsvertrag

Zwischen der X-AG (im Folgenden: Gesellschaft) und Herrn/Frau … wird Folgendes vereinbart:

Vorbemerkung1 Herr/Frau hat bei der Gesellschaft am … um die Reduzierung seiner/ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und deren Neuverteilung gebeten. Nach Erörterung dieses Wunsches vereinbaren die Parteien die folgenden Änderungen zum Arbeitsvertrag vom …:

§ 1 Arbeitszeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ab … Stunden wöchentlich. (2) Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit wird ab … folgendermaßen gestaltet: montags von … bis …, dienstags von … bis …, mittwochs von … bis …, donnerstags von … bis … und freitags von … bis …. Die Gesellschaft behält sich eine spätere Änderung der Lage der Arbeitszeit vor, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse von Herrn/Frau … erheblich überwiegt.2 Dies wird die Gesellschaft einen Monat vorher ankündigen.

§ 2 Vergütung (1) Herr/Frau … erhält ab … eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von Euro … (2) Herr/Frau … erhält ab … Urlaubs- und Weihnachtsgratifikation in Höhe von Euro … bzw. Euro … (3) Die betriebliche Altersversorgung wird beibehalten, wobei die Zuführungen pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt werden. (4) Die Regelungen über vermögenswirksame Leistungen bleiben unverändert bestehen. (5) Alle übrigen geldwerten Vorteile und Leistungen der Gesellschaft werden ab … pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt.3

§ 3 Fortgeltung Arbeitsvertrag Im Übrigen gelten die Regelungen des Arbeitsvertrags vom … fort. … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

1 Die Vorbemerkung erfolgt im Hinblick auf § 8 Abs. 6 TzBfG, wonach der Arbeitnehmer frühestens nach Ablauf von zwei Jahren, nachdem der Arbeitgeber einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat, eine erneute Verringerung der Arbeitszeit verlangen kann. 2 Diese Regelung gem. § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG ist sinnvoll, damit das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit nicht durch die vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen wird. Die Ankündigungsfrist sollte in Anlehnung an § 12 Abs. 2 TzBfG dabei mindestens vier Tage betragen, so dass die Monatsfrist im Formular unproblematisch ist, vgl. auch Preis/Preis, II T 10, Rz. 8. 3 Mit dieser Generalklausel lassen sich evtl. leicht zu übersehende Ansprüche aus betrieblicher Übung uÄ erfassen.

286 Lingemann

M 6.3.1

M 6.3.1

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Teilzeitvertrag mit geringfügiger Beschäftigung (Minijob) § 1 Beginn und Art der Tätigkeit

Herr/Frau … wird mit Wirkung ab dem … als geringfügig Beschäftigte/r für die Tätigkeit als … angestellt. Der Arbeitgeber behält sich vor, ihm/ihr … unter Berücksichtigung seiner/ihrer Interessen auch eine andere angemessene und gleichwertige Tätigkeit zuzuweisen.

§ 2 Arbeitszeit Die Arbeitszeit beträgt wöchentlich … Stunden.1

§ 3 Vergütung (1) Herr/Frau … erhält monatlich eine Vergütung von Euro …2 (2) Die Vergütung ist jeweils am Monatsende fällig und wird auf das von dem Mitarbeiter noch anzugebende Konto überwiesen.

§ 4 Steuer und Sozialversicherung (1) Da es sich um eine Teilzeitbeschäftigung mit geringfügiger Vergütung handelt, wird die Lohnsteuer pauschaliert durch den Arbeitgeber übernommen.3 oder (1) Die Parteien sind sich darüber einig, dass die vom Arbeitgeber zu tragende Lohnsteuer im Innenverhältnis vom Arbeitnehmer zu tragen ist und sein Lohn um den entsprechenden Betrag gekürzt wird.4 (2) Herr/Frau … wird darauf hingewiesen, dass er/sie Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann, wenn er/sie nach § 6 Abs. 1b SGB VI die Befreiung durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber beantragt.5 Die Befreiung wirkt ab Beginn des Kalendermonats des Eingangs beim Arbeitgeber, frühestens ab Beschäftigungsbeginn. Beantragt Herr/Frau … die Befreiung nicht, so ist er/sie verpflichtet, den gesetzlichen Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung von … % des Arbeitsentgelts6 auf den jeweils geltenden Rentenversicherungsbeitrag aufzustocken. Durch diese eigenen Zuzahlungen erwirbt Herr/Frau … volle Leistungsansprüche in der Rentenversicherung. Herr/Frau … wird darauf hingewiesen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Dauer der Beschäftigung bindend ist und nicht widerrufen werden kann. (3) Herr/Frau … erklärt, dass er/sie keine weiteren Beschäftigungsverhältnisse hat. oder

1 Die frühere zeitliche Obergrenze von 15 Stunden pro Woche gilt seit dem 1.4.2003 nicht mehr. Für regelmäßig ausgeübte Beschäftigungen ist nur noch die Verdienstobergrenze von Euro 450,– im Monat gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV maßgeblich. Da jede Arbeitsstunde seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes mit 8,50 Euro vergütet werden muss, schuldet der Arbeitnehmer maximal 52,9 Std./Monat. 2 Die Entgeltobergrenze beträgt gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV Euro 450,–. 3 Zu Einzelheiten der Lohnsteuerpauschalierung vgl. Einf. Rz. 90 ff. 4 Die Abwälzung der pauschalen Lohnsteuer auf den Arbeitnehmer im Innenverhältnis ist arbeitsrechtlich zulässig. Es liegt kein Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten vor, BAG v. 1.2.2006, DB 2006, 1059. 5 Der Arbeitgeber ist zu diesem Hinweis nicht verpflichtet. Zu Einzelheiten s. Einf. Rz. 86 ff. 6 S. dazu Einf. Rz. 90.

Lingemann

287

Kap. 6

M 6.3.1

Besondere Arbeitsverträge

(3a) Herr/Frau … erklärt, dass er/sie folgende weitere nicht geringfügige Beschäftigungsverhältnisse hat: Firma

Entgelt

Wöchentliche Arbeitszeit

versicherungspflichtig? KV/PV

□ □

a) b)

RV

□ □

ALV

□ □

(3b) Herr/Frau … erklärt, dass er/sie folgende weitere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse hat: Firma

Entgelt

Wöchentliche Arbeitszeit

Rentenversicherung? RV mit Eigen- RV ohne Eigenanteil anteil

□ □

a) b)

□ □

Bei Zusammenrechnung aller geringfügigen Beschäftigungen einschließlich der geringfügigen Beschäftigung gemäß diesem Vertrag beträgt das Arbeitsentgelt nicht mehr als Euro 450,– monatlich. (4) Herr/Frau … verpflichtet sich, jede Änderung der steuerlichen bzw. versicherungsrechtlichen Verhältnisse, insbesondere die Aufnahme weiterer Beschäftigungen, der Firma unverzüglich [ggf.: mit den Angaben nach Abs. 3] mitzuteilen.7 Herr/Frau … wird darauf hingewiesen, dass die Aufnahme weiterer Beschäftigungen oder deren Änderung zu einer umfassenden Sozialversicherungspflicht auch dieses Beschäftigungsverhältnisses führen kann. Verstößt Herr/Frau … daher gegen diese Mitteilungspflicht, so ist er/sie verpflichtet, der Firma aufgrund eventueller Ansprüche der Sozialversicherungsträger und der Finanzverwaltung entstehende Kosten zu erstatten.

§ 5 Urlaub Der Urlaubsanspruch für Vollzeitbeschäftigte beträgt … Arbeitstage, der Urlaubsanspruch für Herrn/Frau … somit anteilig für den vertraglich vereinbarten Arbeitszeitanteil … Arbeitstage.8

§ 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende schriftlich gekündigt werden.9 … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

7 Zur Zusammenrechnung von mehreren geringfügigen Beschäftigungen und geringfügigen Beschäftigungen mit dem Hauptberuf s. Einf. Rz. 88. Im Hinblick auf § 8 Abs. 2 Satz 4 SGB IV ist eine solche Anzeigepflicht dringend anzuraten. 8 Zur Urlaubsberechnung vgl. M 6.2.1 § 4 m. Anm. Bei § 5 des vorliegenden Musters gilt der gesetzliche Mindesturlaub gem. § 3 BUrlG von 24 Werktagen (bzw. 20 Arbeitstage bei einer Fünf-Tage-Woche für Vollzeitkräfte), geteilt durch die Wochentage der Vollzeittätigkeit multipliziert mit den Wochentagen der Teilzeittätigkeit. 9 Gemäß § 622 Abs. 1 BGB wäre für die ersten zwei Jahre des Arbeitsverhältnisses auch eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats zulässig. Greift ein Tarifvertrag ein, sind dessen Regelungen zu beachten.

288 Lingemann

M 6.4.1

M 6.3.2

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 6 Abs. 1b SGB VI

Arbeitnehmer:1 Name: … Vorname: … Rentenversicherungsnummer: … Hiermit beantrage ich die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung im Rahmen meiner geringfügig entlohnten Beschäftigung und verzichte damit auf den Erwerb von Pflichtbeitragszeiten. Ich habe die Hinweise auf dem „Merkblatt über die möglichen Folgen einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht“ zur Kenntnis genommen.2 Mir ist bekannt, dass der Befreiungsantrag für alle von mir zeitgleich ausgeübten geringfügig entlohnten Beschäftigungen gilt und für die Dauer der Beschäftigungen bindend ist; eine Rücknahme ist nicht möglich. Ich verpflichte mich, alle weiteren Arbeitgeber, bei denen ich eine geringfügig entlohnte Beschäftigung ausübe, über diesen Befreiungsantrag zu informieren. … (Ort, Datum)

… (Unterschrift des Arbeitnehmers)

Arbeitgeber: Name: … Betriebsnummer: … Der Befreiungsantrag ist am … bei mir eingegangen. Die Befreiung wirkt ab dem … . … (Ort, Datum)

… (Unterschrift des Arbeitgebers)3

1 Das Muster entspricht dem von der Minijob-Zentrale unter www.minijob-zentrale.de bereitgestellten Antragsmuster. Dort finden sich auch jeweils das Muster in der aktuellsten Version sowie etwaige Merkblätter. 2 Die aktuelle Version dieses Merkblatts findet sich ebenfalls unter www.minijob-zentrale.de. 3 Der Befreiungsantrag ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 4a BVV zu den Entgeltunterlagen zu nehmen und nicht an die Minijob-Zentrale zu senden. Der Arbeitgeber muss die Befreiung der Minijob-Zentrale jedoch innerhalb von 6 Wochen melden.

M 6.4.1

Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit einem Job-Partner § 1 Tätigkeit

(1) Herr/Frau … wird ab dem … im Job-Sharing1 tätig sein. (2) Herr/Frau … übernimmt folgende Aufgabe: … Der Arbeitgeber behält sich vor,2 unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers dem Arbeitnehmer auch eine andere gleichwertige und zumutbare, der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zu übertragen. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgaben.

1 Vgl. Einf. Rz. 96. 2 Zur Versetzungs- und Änderungsklausel vgl. M 2.1a Ziff. 1 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129.

Lingemann

289

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.4.1

§ 2 Beratung und Vertretung (1) Herr/Frau … wird in Abstimmung mit dem/den anderen am gleichen Arbeitsplatz Beschäftigten (Job-Partner) den zugewiesenen Arbeitsplatz während der betriebsüblichen Arbeitszeit ständig besetzen. Die Job-Partner können nicht gleichzeitig tätig sein. (2) Ist ein Job-Partner an der Arbeitsleistung verhindert, zB infolge Urlaub, Krankheit usw., so stellt der Arbeitgeber eine Vertretung. Die Job-Partner können die Vertretung im Einzelfall regeln. Bei dringenden betrieblichen Bedürfnissen verpflichtet sich Herr/Frau … zur Vertretung des ausgefallenen Job-Partners ganztägig oder zu den vom Arbeitgeber bestimmten Zeiten, sofern ihm/ihr dies zumutbar ist.3

§ 3 Aufteilung der Arbeitszeit (1) Die Job-Partner stimmen die Aufteilung der Arbeitszeit im Rahmen der betriebsüblichen Arbeitszeit untereinander ab. Sie legen jeweils für einen Zeitraum von … dem Arbeitgeber einen Arbeitsplan nach Maßgabe des § 2 vor; der Arbeitgeber kann in begründeten Fällen seine Zustimmung zu dem Plan ganz oder teilweise verweigern. Auch die Urlaubsplanung ist in den Plan einzubeziehen. (2) Die Arbeitszeit wird so aufgeteilt, dass jeder Job-Partner im Laufe eines Zeitraumes von … Monat(en) seinen Zeitanteil gemäß § 4 erreicht. Arbeitszeitguthaben oder Arbeitszeitschulden können nur bis zu 15 Stunden in den nächsten Abrechnungszeitraum übertragen werden. Herr/Frau … stimmt seine/ihre Urlaubsplanung mit den betrieblichen Belangen und den Wünschen des anderen Job-Partners ab. (3) Einigen die Job-Partner sich über die Aufteilung der Arbeitszeit oder die Urlaubsplanung nicht, so entscheidet der Arbeitgeber verbindlich.4 (4) Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer einen oder mehrere andere Job-Partner gemäß § 2 Abs. 2 vertritt, werden auf die Arbeitszeit gemäß § 4 nicht angerechnet, sondern mit Euro … je geleistete Stunde gesondert vergütet.

§ 4 Arbeitszeit/Urlaub5 (1) Die Arbeitszeit beträgt … Stunden je Woche. (2) Der Urlaubsanspruch für Vollzeitbeschäftigte beträgt … Arbeitstage/Jahr, der Urlaubsanspruch für den Arbeitnehmer somit anteilig … Arbeitstage.

§ 5 Vergütung (1) Herr/Frau … erhält eine Vergütung in Höhe von Euro … monatlich. § 3 Abs. 4 bleibt unberührt. (2) Herr/Frau … erhält Weihnachts- und Urlaubsgeld anteilig entsprechend dem Anteil der Arbeitszeit gemäß § 4 an der Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte. (3) Die Vergütung wird am Schluss eines jeden Kalendermonats fällig. Sind Vertretungszeiten abzurechnen, wird am Schluss des Kalendermonats ein angemessener Vorschuss gezahlt. Die Abrechnung und Auszahlung erfolgt bis zum 10. des Folgemonats.

3 Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 TzBfG können die Job-Partner zwar nicht von vornherein zur wechselseitigen Vertretung verpflichtet werden. Jede Vertretung bedarf der Vereinbarung für den Einzelfall (LAG München v. 15.9.1993, DB 1993, 2599). Jedoch kann die Verpflichtung zur Vertretung vorab für den Fall eines dringenden betrieblichen Erfordernisses vereinbart werden. Zur Vertretung ist der Job-Partner allerdings auch dann nur verpflichtet, wenn sie ihm zumutbar ist (§ 13 Abs. 1 Satz 3 TzBfG). 4 Das Direktionsrecht des Arbeitgebers zur Lage der Arbeitszeit ist beim Job-Sharing auch ohne dahin gehende Vereinbarung eingeschränkt: Die Job-Sharer bestimmen die Arbeitszeit untereinander selbst; nur wenn sie sich nicht einigen, fällt das Direktionsrecht an den Arbeitgeber zurück, Schaub/Linck, ArbRHdb., § 43 Rz. 20. 5 Sofern Regelungen zu Überstunden und deren Vergütung sowie umfassendere Urlaubsregelungen gewollt sind, könnte man sich an Ziff. 4 ff. und 7 in M 2.1a orientieren.

290

Lingemann

M 6.4.2

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

§ 6 Arbeitsverhinderung Eine Arbeitsverhinderung zeigt Herr/Frau … dem Arbeitgeber und den übrigen Job-Partnern unverzüglich an. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legt er/sie spätestens am zweiten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit vor.6 Dies gilt auch für Folgebescheinigungen.

§ 7 Beendigung (1) Das Job-Sharing-Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von … zum … gekündigt werden.7 (2) Scheidet ein Job-Partner aus dem Job-Sharing-System aus, so darf den übrigen Job-Partnern aus diesem Grunde allein nicht gekündigt werden. Unberührt bleibt das Recht des Arbeitgebers zur Änderungskündigung.8 Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden sich um eine Ersatzkraft bemühen. (3) Die verbleibenden Job-Partner haben ein Vorschlagsrecht für eine Ersatzkraft. Der Arbeitgeber darf diesen Vorschlag nur aus wichtigem Grund ablehnen.

§ 8 Geltung von kollektiven und betrieblichen Regelungen9 Für das Arbeitsverhältnis gelten im Übrigen die für den Betrieb geltenden tariflichen und betrieblichen Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung, soweit sich aus der Eigenart des Job-Sharing-Arbeitsvertrages nichts anderes ergibt.

§§ 9 ff. (ggf. ergänzen: Regelungen zur Geheimhaltung, Nebentätigkeit, Ausschlussfristen, Datenschutz, Vollständigkeit, Schriftform, vgl. M 2.1a Ziff. 8 ff.) … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

6 Die Frist des § 5 Abs. 1 EFZG (drei Kalendertage) wird dadurch verkürzt. Das ist nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG zulässig, vgl. auch BAG v. 14.11.2012, NJW 2013, 892, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2012, 582. Zu den Einzelheiten Bauer/Röder/Lingemann, S. 64 ff. 7 Die Kündigungsfrist darf die Kündigungsfrist eines Vollzeitarbeitsverhältnisses nicht unterschreiten. 8 Vgl. § 13 Abs. 2 TzBfG. 9 Vgl. M 2.1a Ziff. 11.

M 6.4.2

Job-Sharing-Arbeitsvertrag mit allen Job-Partnern § 1 Tätigkeit1 2

(1) Die Arbeitnehmer … werden ab dem … im Job-Sharing auf dem Arbeitsplatz … tätig sein. Sie werden sich diesen Arbeitsplatz teilen. (2) Der Arbeitgeber behält sich vor,3 unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers dem Arbeitnehmer auch eine andere gleichwertige und zumutbare, der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zu übertragen. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgaben.

§ 2 Besetzung und Vertretung (1) Die Arbeitnehmer werden in Abstimmung untereinander den zugewiesenen Arbeitsplatz während der betriebsüblichen Arbeitszeit ständig besetzen. Sie können nicht gleichzeitig tätig sein. 1 Der Vorteil dieses Vertrages liegt darin, dass auch die Handhabung des Systems im Verhältnis der Mitarbeiter zueinander festgelegt werden kann. 2 Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 3 Zur Versetzungs- und Änderungsklausel vgl. M 2.1a Ziff. 1 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129.

Lingemann

291

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

M 6.4.2

(2) Ist ein Job-Partner an der Arbeitsleistung verhindert, zB infolge Urlaub, Krankheit usw., so wird eine Vertretung durch den Arbeitgeber gestellt. Die Job-Partner können die Vertretung im Einzelfall regeln. Bei dringenden betrieblichen Bedürfnissen verpflichtet sich Herr/Frau … jedoch zur Vertretung des ausgefallenen Job-Partners ganztägig oder zu den vom Arbeitgeber bestimmten Zeiten, sofern ihm dies zumutbar ist.4

§ 3 Aufteilung der Arbeitszeit (1) Die Job-Partner stimmen die Aufteilung der Arbeitszeit im Rahmen der betriebsüblichen Arbeitszeit untereinander ab. Sie vereinbaren zunächst folgende Aufteilung:5 Job-Partner 1: montags bis mittwochs vormittags von … bis … Uhr, donnerstags nachmittags von … bis … Uhr, freitags nachmittags von … bis … Uhr. Job-Partner 2: montags bis mittwochs nachmittags von … bis … Uhr, donnerstags vormittags von … bis … Uhr, freitags vormittags von … bis … Uhr. Damit beträgt derzeit der Arbeitszeitanteil von Job-Partner 1 … h/Woche, von Job-Partner 2 … h/ Woche. Ändert sich die Aufteilung, so legen die Job-Partner zwei Wochen vorher jeweils für einen Zeitraum von … dem Arbeitgeber einen Arbeitsplan nach Maßgabe des § 2 vor. Der Arbeitgeber kann in begründeten Fällen seine Zustimmung zu dem Plan ganz oder teilweise verweigern. (2) Die Job-Partner legen zu Beginn des Jahres ihre Urlaubsplanung vor. Abs. 1 letzter Satz gilt entsprechend. (3) Auch bei abweichender Abstimmung beträgt der Arbeitszeitanteil jedes Job-Partners mindestens … Stunden pro Tag zusammenhängend am Vormittag oder Nachmittag. Die Abstimmung hat darüber hinaus so zu erfolgen, dass jeder Beteiligte im Laufe eines Zeitraumes von … Monat(en) seinen vertraglich vereinbarten Zeitanteil erreicht. Die Übertragung von Arbeitszeitguthaben oder von Arbeitszeitschulden ist bis zu 15 Stunden in den nächsten Abrechnungszeitraum zulässig. Die Übertragung größerer Arbeitszeitüberhänge bedarf der vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers. Die Job-Partner stimmen ihre Urlaubsplanung mit den betrieblichen Belangen und den Wünschen der anderen Job-Partner ab. (4) Können sich die Job-Partner über die Aufteilung der Arbeitszeit oder die Urlaubsplanung nicht einigen, so entscheidet der Arbeitgeber verbindlich. (5) Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer einen oder mehrere andere Job-Partner gemäß § 2 Abs. 2 vertritt, werden auf die vereinbarte Arbeitszeit nicht angerechnet, sondern mit Euro … je geleistete Stunde gesondert vergütet.

§ 4 Gesamtarbeitszeit/Urlaub6 (1) Die Gesamtarbeitszeit für alle Job-Partner zusammen beträgt … Stunden je Woche. (2) Der Urlaubsanspruch für Vollzeitbeschäftigte beträgt … Arbeitstage, der Urlaubsanspruch für die Job-Partner somit anteilig für den vertraglich vereinbarten Arbeitszeitanteil nach der derzeitigen Aufteilung gemäß § 3 für Job-Partner 1 … Arbeitstage und für Job-Partner 2 … Arbeitstage.

4 Zur wechselseitigen Vertretung vgl. M 6.4.1 § 2 Abs. 2 m. Anm. 5 Diese Vereinbarung bindet nur die Job-Partner untereinander. Eine Bindung gegenüber dem Arbeitgeber entsteht nur insoweit, als mit der ersten Änderung der Plan nach Abs. 1 letzter Absatz vorzulegen ist. 6 Sofern Regelungen zu Überstunden und deren Vergütung sowie umfassendere Urlaubsregelungen gewollt sind, könnte man sich an Ziff. 4 ff. und 7 in M 2.1a orientieren.

292

Lingemann

M 6.4.2

Kap. 6

Besondere Arbeitsverträge

§ 5 Vergütung (1) Für den vertraglich vereinbarten Arbeitszeitanteil nach der derzeitigen Aufteilung gemäß § 3 erhält der Job-Partner 1 Euro … monatlich und der Job-Partner 2 Euro … monatlich. § 3 Abs. 5 bleibt unberührt. (2) Weihnachts- und Urlaubsgeld wird anteilig entsprechend dem prozentualen Anteil der vereinbarten vertraglichen Arbeitszeit gezahlt. (3) Die Vergütung wird am Schluss eines jeden Kalendermonats fällig. Sind Vertretungszeiten abzurechnen, wird am Schluss des Kalendermonats ein angemessener Vorschuss gezahlt. Die Abrechnung und Auszahlung erfolgt bis zum 10. des Folgemonats.

§ 6 Arbeitsverhinderung (1) Eine Arbeitsverhinderung zeigt jeder Job-Partner dem Arbeitgeber und den übrigen Job-Partnern unverzüglich an. (2) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legt er spätestens am zweiten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit vor. Dies gilt auch für Folgebescheinigungen.

§ 7 Beendigung (1) Das Job-Sharing-Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von … zum … gekündigt werden.7 (2) Die Kündigung muss gegenüber dem jeweiligen Job-Partner jeweils gesondert erklärt werden. (3) Scheidet ein Job-Partner aus dem Job-Sharing-System aus, so darf den übrigen Job-Partnern aus diesem Grunde allein nicht gekündigt werden. Unberührt bleibt das Recht des Arbeitgebers zur Änderungskündigung. Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden sich um eine Ersatzkraft bemühen. (4) Die verbleibenden Job-Partner haben ein Vorschlagsrecht für eine Ersatzkraft. Der Arbeitgeber darf diesen Vorschlag nur aus wichtigem Grund ablehnen.

§ 8 Geltung von kollektiven und betrieblichen Regelungen8 Für das Arbeitsverhältnis gelten im Übrigen die für den Betrieb geltenden tariflichen und betrieblichen Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung, soweit sich aus der Eigenart des Job-Sharing-Arbeitsvertrages nichts anderes ergibt.

§§ 9 ff. (ggf. ergänzen: Regelungen zur Geheimhaltung, Nebentätigkeit, Ausschlussfristen, Datenschutz, Vollständigkeit, Schriftform, vgl. M 2.1a Ziff. 8 ff.) … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

7 Die Kündigungsfrist darf die Kündigungsfrist eines Vollzeitarbeitsverhältnisses nicht unterschreiten. 8 Vgl. M 2.1a Ziff. 11 m. Anm.

Lingemann

293

Kap. 6

M 6.5

Besondere Arbeitsverträge

M 6.5

Abrufarbeit §§ 1 ff. (Beginn, Art der Tätigkeit usw.)1 § 6 Arbeitszeit

(1) Der Arbeitnehmer/Die Arbeitnehmerin erbringt die Arbeit nach dem betrieblichen Bedarf. (2) Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 12 Stunden,2 wobei jeweils mindestens drei Stunden zusammenhängend zu arbeiten sind.3 Der Arbeitnehmer/Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, je nach Arbeitsanfall auf Aufforderung des Arbeitgebers bis zu 15 Stunden pro Woche zu arbeiten.4 (3) Die Firma teilt dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin spätestens bis Mittwoch jeder Woche die Arbeitszeitdauer für die Folgewoche und die Zeiteinteilung mit.5

§ 7 Vergütung Die Vergütung beträgt … Euro/Stunde. Sie erfolgt nach den angeordneten Stunden. … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

1 Vgl. Einf. Rz. 97 sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89; in der Praxis wird häufig von „Kapovaz“, dh. von kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit gesprochen. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über die Frage mitzubestimmen, ob Teilzeitkräfte zu festen Zeiten oder nach Bedarf beschäftigt werden sollen, BAG v. 28.9.1988, DB 1989, 385. 2 Nach § 12 Abs. 1 Satz 2, 3 TzBfG muss eine bestimmte Dauer der Arbeitszeit festgelegt werden, andernfalls gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Die Nichtvereinbarung einer bestimmten Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit führt daher nicht zur Unwirksamkeit der Abrede, sondern zur Anwendbarkeit dieser Mindestbedingungen, BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 1024/12, NZA 2014, 1328, Rz. 24, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 562; kritisch Preis, RdA 2015, 244. 3 Sinn eines „Kapovaz“-Vertrages ist es, von vornherein eben nicht die tägliche Arbeitsdauer und Arbeitszeit festzulegen. Andererseits ist § 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG zu berücksichtigen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen, wenn in der Vereinbarung die tägliche Dauer der Arbeitszeit nicht festgelegt ist. 4 Zur Vermeidung einer unangemessenen Verlagerung des Wirtschaftsrisikos entgegen § 615 BGB auf den Arbeitnehmer darf der Anteil abrufbarer Arbeitsleistung nicht über 25 % der vereinbarten Mindestarbeitszeit hinausgehen, BAG v. 7.12.2005, NZA 2006, 423, 428; s. auch Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Arbeit auf Abruf“, Rz. 89), bei 30 Stunden Mindestarbeitszeit wären also maximal 37,5 Stunden abrufbar, dazu Bauer/Günther, DB 2006, 950. 5 Der „Abruf“ muss mindestens vier Tage vor Arbeitsantritt erfolgen, andernfalls ist der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet, § 12 Abs. 2 TzBfG.

M 6.6

Arbeitsvertrag über alternierende Telearbeit/Homeoffice

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Arbeitnehmer) wird Folgendes vereinbart:1 1 Seit Novellierung der ArbStättV im Dezember 2016 gilt für Telearbeitsplätze die ArbStättV mit den Einschränkungen des § 1 Abs. 3 ArbStättV. Aus § 2 Abs. 7 ArbStättV ergeben sich bestimmte Mindestanforderungen an die Vereinbarung und Einrichtung eines „Telearbeitsplatzes“ iSd. ArbStättV (vgl. dazu ausführlich Einf. Rz. 104 ff.).

294 Lingemann

M 6.6

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

§ 1 Art und Dauer der Tätigkeit (1) Der Arbeitnehmer wird ab dem … in alternierender Telearbeit tätig.2 (2) Die Tätigkeit ist unbefristet. oder (2) Die Tätigkeit ist befristet bis zum … (3) Sein Aufgabenbereich umfasst … Der Arbeitgeber behält sich vor,3 unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers dem Arbeitnehmer auch eine andere oder zusätzliche gleichwertige und zumutbare, der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zuzuweisen. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgaben.

§ 2 Alternierende Telearbeit (1) Der Arbeitnehmer wird die Arbeitsleistung teilweise an dem nachbenannten Telearbeitsplatz in seiner Wohnung erbringen (außerbetriebliche Arbeitsstätte) und teilweise in der Betriebsstätte des Arbeitgebers (betriebliche Arbeitsstätte). Die außerbetriebliche Arbeitsstätte ist mittels Kommunikations- und Informationsmitteln mit der Betriebsstätte des Arbeitgebers verbunden. (2) Die Arbeitsstätten befinden sich vorbehaltlich Änderungen nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 an folgenden Adressen: Außerbetriebliche Arbeitsstätte: Betriebliche Arbeitsstätte:

… (Adresse) … (Adresse)

(3) Für die Tätigkeit an der betrieblichen Arbeitsstätte stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen für die Aufgabenerledigung geeigneten Arbeitsplatz zur Verfügung. Ein Anspruch auf einen ausschließlich für ihn persönlich bestimmten Arbeitsplatz besteht nicht.4 (4) Erfüllungsort für sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ist die Betriebsstätte des Arbeitgebers in …

§ 3 Arbeitszeit5 (1) Die wöchentliche/monatliche/jährliche Arbeitszeit beträgt unverändert … Stunden. Arbeitstage sind 5 Tage/Woche. Herr/Frau … wird erforderliche Mehr- und Überstunden, Nacht-/Schicht-/Samstags- und Feiertagsarbeit in gesetzlich zulässigem Umfang bis zu … Stunden/Woche leisten. Diese sind nur zu vergüten, wenn der Arbeitgeber sie im Voraus angeordnet hat. (2) Die Arbeitszeit in der Betriebsstätte beträgt einen Tag/8 Stunden pro Woche, und zwar montags von 8.00 bis 17.00 Uhr. Der Arbeitgeber ist nach billigem Ermessen berechtigt, sowohl die Dauer und Lage als auch das Verhältnis der Arbeit in der betrieblichen zu der Arbeit in der außerbetriebli2 Vgl. Einf. Rz. 104 ff. Der Vertrag geht davon aus, dass bereits ein Arbeitsverhältnis besteht und dieses nun in Form alternierender Telearbeit fortgeführt werden soll. Das Muster enthält weit gehende Direktionsrechte des Arbeitgebers Wir sind der Auffassung, dass diese weit reichenden Direktionsrechte aufgrund der Besonderheiten des Telearbeitsverhältnisses angemessen gem. § 307 Abs. 1 BGB, jedenfalls aber als arbeitsrechtliche Besonderheiten iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB erforderlich und daher auch nach Geltung der AGB-Kontrolle für Arbeitsverhältnisse wirksam sind. Einschränkungen bestehen wohl im Hinblick auf die Anordnung der Aufhebung einer außerbetrieblichen Arbeitsstätte, LAG Düsseldorf v. 10.9.2014 – 12 Sa 505/14 (Revision anhängig, Az. 9 AZR 754/14). 3 Zur Versetzungs- und Änderungsklausel vgl. M 2.1a Ziff. 1 mit Erl. und Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129. 4 Diese Regelung ist bei ausschließlicher Telearbeit natürlich entbehrlich. 5 Der Arbeitgeber kann die Pflicht zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes auf den Arbeitnehmer delegieren, wenn er in anderer Weise deren Einhaltung nicht sicherstellen kann, vgl. Oberthür, NZA 2013, 246 im Zusammenhang mit dem Einsatz mobiler Kommunikationsmedien; allgemein Kramer, DB 2000, 1329, 1331 mwN. Die Befugnis des Arbeitgebers in Abs. 2, die Verteilung der betrieblichen zur außerbetrieblichen Tätigkeit zu bestimmen, ist an § 307 BGB zu messen. UE ist sie aufgrund der Eigenart des Telearbeitsverhältnisses wirksam, zumal der letzte Satz auch eine Einschränkung des Rechtes des Arbeitgebers enthält. Rechtsprechung dazu liegt aber noch nicht vor.

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chen Arbeitsstätte zu ändern. Dabei wird er die Wünsche des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen, sofern dem nicht betriebliche Belange entgegenstehen. oder (2) Der Arbeitgeber legt fest, zu welchen Zeiten der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in der Betriebsstätte erbringt. Dabei wird er die Wünsche des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen, sofern dem nicht betriebliche Belange entgegenstehen. (3) Die verbleibende Arbeitszeit wird an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte erbracht.6 Die Lage der Arbeitszeit bestimmt der Arbeitnehmer selbst. Entscheidet er sich insoweit für Überarbeit, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, entstehen für diese Zeiten keine Ansprüche auf Zuschlagszahlungen. Soweit nach Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung für Arbeitsleistungen zu bestimmten Zeiten unabdingbare Ansprüche auf Zuschlagszahlungen bestehen, darf im Rahmen der selbstbestimmten Arbeitszeit ohne ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers die Arbeitsleistung nur zu den Zeiten erbracht werden, zu denen kein Anspruch auf Zuschlagszahlungen entsteht.7 (4) Der Arbeitnehmer wird an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte von Dienstag bis Freitag zwischen 9.00 und 10.30 Uhr erreichbar sein. (5) Der Arbeitnehmer wird während der Tätigkeit an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes beachten. Er wird insbesondere die tägliche Höchstarbeitszeit nicht überschreiten und die zwischen zwei Arbeitstagen liegende elfstündige Ruhepause (§ 5 Abs. 1 ArbZG) einhalten. Er wird ferner sämtliche geleisteten Arbeitszeiten sowie Urlaubs-, Krankheits- und sonstige Arbeitsfreistellungszeiten in dem Telearbeitsbuch festhalten. Das Telearbeitsbuch stellt der Arbeitgeber zur Verfügung. Der Arbeitnehmer wird die Aufzeichnung jeweils am nächsten auf das Monatsende folgenden betrieblichen Arbeitstag dem Arbeitgeber vorlegen. Die Zeiterfassung kann auf Grundlage einer entsprechenden Betriebsvereinbarung auch durch ein elektronisches Zeiterfassungssystem erfolgen. (6) Fahrten zwischen betrieblicher und außerbetrieblicher Arbeitsstätte gelten als nicht betriebsbedingt und sind daher keine Arbeitszeit.8

§ 4 Außerbetriebliche Arbeitsstätte (1) Der Arbeitnehmer bestätigt, dass die außerbetriebliche Arbeitsstätte für den dauernden Aufenthalt und für die Erbringung der Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der allgemeinen Arbeitsplatzanforderungen (Unfallverhütung, Arbeitssicherheit, Arbeitsstättenverordnung, Bildschirmarbeitsplatzverordnung etc.) geeignet ist. Sie ist abschließbar. (2) Soweit die Wohnung des Arbeitnehmers gemietet ist, liegt das Einverständnis des Vermieters zu der Nutzung als außerbetriebliche Arbeitsstätte dem Arbeitgeber bereits schriftlich vor. (3) Der Arbeitgeber informiert den Arbeitnehmer in geeigneter Weise (Merkblätter, Informationsveranstaltungen etc.) über die Anforderungen des Arbeitsschutzes. Der Arbeitnehmer wird die vom Arbeitgeber erteilten Arbeitsschutzanweisungen einhalten.

§ 5 Außerbetriebliche Zugangsrechte9 (1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber bzw. von diesem Beauftragten Zugang zur häuslichen Arbeitsstätte zu gewähren. Gleiches gilt für den Vorsitzenden des Betriebsrates, den betrieblichen Datenschutzbeauftragten und einen Mitarbeiter der Arbeitsschutzbehörde. 6 § 2 Abs. 7 ArbStättV erfordert eine Vereinbarung darüber, wie viel der wöchentlichen Arbeitszeit in Telearbeit zu erbringen ist. 7 Da der Arbeitnehmer an der außerbetrieblichen Arbeitsstätte seine Arbeitszeit selbst bestimmt, muss im Arbeitsvertrag klargestellt werden, dass die genannten besonderen Arbeitszeiten nicht durch Zuschläge honoriert werden. 8 Da der häusliche und der betriebliche Arbeitsplatz im Voraus vereinbarte Arbeitsorte sind, muss der Arbeitnehmer sich auf eigene Kosten und auf eigenes zeitliches Risiko dorthin begeben, so dass die Fahrtzeit keine Arbeitszeit ist, Hohmeister/Küper, NZA 1998, 208; Kramer, DB 2000, 1329, 1331. 9 Der außerbetriebliche Arbeitsplatz ist als Wohnung des Arbeitnehmers durch Art. 13 GG in besonderer Weise geschützt. Nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers haben Dritte daher Zugang. Diese Zustim-

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Der Zugang ist insbesondere zu gewähren, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hieran hat. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor bei Ausstattung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber gem. § 2 Abs. 7 ArbStättV, Durchführung der Gefährdungsbeurteilung gem. § 3 ArbStättV iVm. § 5 ArbSchutzG und Prüfung der Einhaltung von § 4. Unabhängig hiervon kann der Arbeitgeber mindestens einmal im Kalendervierteljahr auch ohne berechtigtes Interesse Zugang verlangen.10 (2) Außer in dringenden Fällen ist der Zugang mit dem Arbeitnehmer vorher abzustimmen. (3) Der Arbeitnehmer sichert zu, dass auch die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen mit dieser Regelung einverstanden sind.

§ 6 Arbeitsmittel11 (1) Der Arbeitgeber stattet den Arbeitsplatz gem. § 2 Abs. 7 ArbStättV aus, er stellt insbesondere die erforderlichen Arbeitsmittel für die außerbetriebliche Arbeitsstätte für die Dauer des Bestehens dieser Arbeitsstätte kostenlos zur Verfügung.12 Eine Inventarliste ist als Anlage diesem Vertrag beigefügt und wird im laufenden Vertragsverhältnis ggf. erweitert. Der Arbeitgeber trägt die Kosten für den Auf- und Abbau und die Wartung der Arbeitsmittel sowie die erforderlichen Leitungskosten für die technische Ausstattung.13 (2) Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel verbleiben in dessen Eigentum. Sie dürfen nicht für private Zwecke genutzt werden und auch nicht Dritten überlassen werden. Der Arbeitnehmer wird sie vor dem Zugriff Dritter schützen. (3) Auf Wunsch des Arbeitnehmers können eigene Arbeitsmittel in der außerbetrieblichen Arbeitsstätte genutzt werden, sofern diese den Arbeitsschutzbestimmungen genügen. Der Einsatz dieser Arbeitsmittel erfolgt auf Kosten und Risiko des Arbeitnehmers. (4) Der Arbeitgeber ist berechtigt, am außerbetrieblichen Arbeitsplatz einen Telefon- und/oder Telefaxanschluss einzurichten. Dieser darf ausschließlich für dienstliche Zwecke genutzt werden.

§ 7 Aufwendungen (1) Der Arbeitgeber beteiligt sich mit pauschal monatlich Euro … an den Miet-, Betriebs-, Heiz- und Reinigungskosten der außerbetrieblichen Arbeitsstätte, beginnend mit dem ersten und endend mit dem letzten Monat der Nutzung dieser Arbeitsstätte. Damit sind sämtliche beim Arbeitnehmer durch den außerbetrieblichen Arbeitsplatz anfallenden Kosten abgegolten. (2) Fahrtkosten zwischen betrieblicher und außerbetrieblicher Arbeitsstätte trägt der Arbeitnehmer.14

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mung muss im Arbeitsvertrag festgelegt sein, um eine ausreichende Kontrolle insbesondere auch der gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften zu sichern; gleichzeitig müssen auch dritte berechtigte Personen (Betriebsratsvorsitzender, Datenschutzbeauftragter, Mitarbeiter von Überwachungsbehörden) einbezogen werden. Vgl. zu der Problematik ausführlich Wiese, RdA 2009, 344, 349 ff. Zu diesem berechtigten Interesse Aligbe, ArbRAktuell 2016, 596; BR-Drucks. 506/16, S. 40. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitgeber die Kosten für die Arbeitsmittel. Die Nutzung für private Zwecke muss im Vertrag ausgeschlossen werden, nicht zuletzt um steuerliche Probleme infolge geldwerten Vorteils zu vermeiden. Ein Rückgriff auf private Endgeräte des Arbeitnehmers („Bring Your Own Device“ – BYOD) sollte aus datenschutz- und haftungsrechtlichen Gründen vermieden werden, Kamann, ArbRAktuell 2016, 75, 77. Sollte die Nutzung von BYOD dennoch vereinbart werden, sind dem Arbeitnehmer die dadurch entstehenden Kosten zu ersetzen. Insofern sollte aus praktischen Gründen vertraglich eine Kostenpauschale vorgesehen werden. Gem. § 2 Abs. 7 Satz 2 ArbStättV ist ein Arbeitsplatz erst dann eingerichtet, wenn die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber bereitgestellt und installiert ist. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Arbeitszeit, vgl. oben Fn. 6.

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§ 8 Haftung15 (1) Für Schäden, die der Arbeitnehmer, in seinem Haushalt lebende Personen oder sich dort berechtigt aufhaltende Dritte an den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln und Installationen verursachen, haftet der Arbeitnehmer nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. oder (1) Der Arbeitgeber wird die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und Installationen angemessen gegen Schäden versichern, die der Arbeitnehmer, in seinem Haushalt lebende Personen oder sich dort berechtigt aufhaltende Dritte verursachen. (2) Der Arbeitnehmer wird Beschädigungen, Verlust oder sonstige Funktionsbeeinträchtigungen der Arbeitsmittel unverzüglich dem Arbeitgeber oder einer von diesem beauftragten Person schriftlich anzeigen und das weitere Vorgehen mit diesem abstimmen. Steht der Schaden im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung, wird der Arbeitnehmer den Sachverhalt unverzüglich auch der Polizei mitteilen und dem Arbeitgeber eine Durchschrift dieser Mitteilung überlassen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, selbst oder durch von ihm beauftragte Dritte den Schaden zu besichtigen und ggf. zu beseitigen. (3) Soweit die Arbeitsleistung aufgrund einer technischen Störung oder aus sonstigen Gründen nicht in der außerbetrieblichen Arbeitsstätte erbracht werden kann, wird der Arbeitnehmer auf Verlangen des Arbeitgebers in der betrieblichen Arbeitsstätte tätig.

§ 9 Datenschutz16 (1) Datenschutz und Datensicherheit richten sich nach den gesetzlichen und unternehmensinternen Datenschutzbestimmungen. Der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer dazu in geeigneter Weise unterrichten. (2) Der Arbeitnehmer wird diese Regelungen beachten und anwenden. Jegliche Daten, Informationen, Passwörter etc. sind vom Arbeitnehmer gegen Einsicht oder Zugriff Dritter zu schützen.17 Dritte sind auch Personen, die zum Haushalt des Arbeitnehmers gehören. (3) Der Arbeitnehmer wird den Raum mit der außerbetrieblichen Arbeitsstätte abschließen, soweit er sich nicht darin aufhält. (4) Der jeweilige betriebliche Datenschutzbeauftragte ist berechtigt, nach Absprache mit dem Arbeitnehmer die außerbetriebliche Arbeitsstätte zu besichtigen und die Beachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften zu prüfen.

§ 10 Aufgabe des alternierenden Telearbeitsplatzes18 (1) Der Arbeitnehmer kann jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat schriftlich die Aufhebung der außerbetrieblichen Arbeitsstätte verlangen. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis über die Räumlichkeiten, in denen sich die außerbetriebliche Arbeitsstätte befindet, verkürzt sich die Ankündigungsfrist auf die Kündigungsfrist des Mietvertrages. 15 Auch am Telearbeitsplatz gelten für den Arbeitnehmer die Haftungsprivilegien der betrieblich veranlassten Tätigkeit, BAG GS v. 27.9.1994, DB 1994, 2237, Kap. 12 Rz. 40, vgl. beispielhaft zum Dienstwagen M 12.21. Allerdings sind Dritte, auch die Familienmitglieder des Arbeitnehmers, insoweit nicht einbezogen. Das Vertragsmuster erstreckt die Haftungsprivilegierung auch auf sie. 16 Allgemein zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen an Home-Office-Vereinbarungen, s. Bonanni/ Kamps, ArbRB 2014, 83 ff.; Schaub/Vogelsang, § 164 Rz. 37. 17 Zu denkbaren technischen oder organisatorischen Maßnahmen, s. Bonanni/Kamps, ArbRB 2014, 84 f. 18 Mit der Aufhebung der außerbetrieblichen Arbeitsstätte endet auch die (alternierende) Telearbeit. Das Arbeitsverhältnis fällt in seinen ursprünglichen Status zurück. Insbesondere der Arbeitnehmer muss die Befugnis haben, einseitig mit einer angemessenen Ankündigungsfrist die außerbetriebliche Arbeitsstätte aufzuheben, da es sich um seine nach Art. 13 GG besonders geschützte Wohnung handelt. Nach Ansicht des LAG Düsseldorf v. 10.9.2014 – 12 Sa 505/14, Rz. 92, handelt es sich bei der Aufhebung alternierender Telearbeit um eine Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Dies gelte selbst dann, wenn der Ortswechsel für das Arbeitsverhältnis charakteristisch sei. Somit bedarf die Aufhebung der Telearbeit der Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG, so auch Hülbach, ArbRB 2015, 10.

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(2) Der Arbeitgeber kann jederzeit nach billigem Ermessen mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat schriftlich festlegen, dass der Arbeitnehmer künftig seine Arbeitsleistung nur noch an dem betrieblichen Arbeitsplatz erbringt und der außerbetriebliche Arbeitsplatz daher aufgehoben wird, sofern die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden.19 (3) Die alternierende Telearbeit endet automatisch – mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses20, – bei einer Versetzung des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz ohne alternierende Telearbeit oder – bei Aufgabe/Kündigung der Wohnung, in der die außerbetriebliche Arbeitsstätte eingerichtet ist. Diese sowie die Kündigungsfrist wird der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich anzeigen. Die Errichtung eines alternierenden Telearbeitsplatzes nach einem Wohnungswechsel bedarf einer erneuten Vereinbarung. (4) Die überlassenen Arbeitsmittel wird der Arbeitnehmer nach Ende der alternierenden Telearbeit unverzüglich herausgeben. Etwaige Abbaukosten trägt der Arbeitgeber. (5) Der Arbeitnehmer wird, sofern das Arbeitsverhältnis fortbesteht, nach Aufgabe der alternierenden Telearbeit seine gesamte Arbeitsleistung an der betrieblichen Arbeitsstätte erbringen.

§ 11 Anwendbare Normen21 Ergänzend findet der zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag Anwendung. Evtl: Anzuwenden sind ferner die Tarifverträge … und die Betriebsvereinbarung(en) des Betriebes des Arbeitgebers.22

§ 12 Ausschluss von Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Nebenabreden bestehen nicht.

19 Die Anforderungen, die an das Recht zur einseitigen Aufhebung der außerbetrieblichen Arbeitsstätte zu stellen sind, sind noch nicht höchstrichterlich geklärt. Das LAG Düsseldorf geht davon aus, dass es sich bei der Vereinbarung einer außerbetrieblichen Arbeitsstätte mit einem Lösungsrecht zugunsten des Arbeitgebers um eine vertragliche Abänderung des Direktionsrechts handelt, LAG Düsseldorf v. 10.9.2014 – 12 Sa 505/14, Rz. 88, Revision eingelegt unter Az. 9 AZR 752/14; so auch Oberthür, MDR 2015, 1269, 1272. Die Vereinbarung sei deshalb am gesetzlichen Leitbild des § 106 GewO zu messen und müsse zumindest vorsehen, dass bei der Ausübung die Interessen des Arbeitnehmers nach dem Maßstab des § 315 Abs. 1 BGB angemessen berücksichtigt werden. Nach aA. sollen für die einseitige Aufhebung die strengen Kriterien des Widerrufsvorbehaltes (im Einzelnen Kap. 2, Einf., AGB-Kontrolle von A–Z, Rz. 138 ff., „Widerrufsvorbehalt“) gelten (Ricken in Besgen/ Prinz, Handbuch Internet, 3. Aufl. 2013, S. 267). UE handelt es sich jedoch um eine Ausübung des Direktionsrechtes, die billigem Ermessen gem. § 315 BGB entsprechend muss. Sofern allerdings eine Tätigkeit am Telearbeitsplatz aus dringenden betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist und ein „Rückruf“ an den betrieblichen Arbeitsplatz kraft Direktionsrechtes gleichfalls unzulässig wäre, könnte der Arbeitgeber uE noch im Wege der Änderungskündigung vorgehen, die auch hilfsweise zur Ausübung des Direktionsrechts ausgesprochen werden kann, vgl. M 19.1. 20 Nach § 2 Abs. 7 ArbStättV bedarf es einer Regelung über die Dauer der Einrichtung des Telearbeitsplatzes. Hierbei ist auch eine Befristung auf die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, vgl. Aligbe, ArbRAktuell 2016, 596, 21 Wie eingangs dargelegt, soll das Arbeitsverhältnis fortgelten; es wird durch die alternierende Telearbeit nur überlagert. Soweit keine spezifisch die Telearbeit betreffenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen bestehen, kann Satz 2 der Vorschrift gestrichen werden, wenn der entsprechende Bezug schon im Arbeitsvertrag hergestellt ist. 22 Einzelheiten zur Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen M 2.1a, Ziff. 11, auf Tarifverträge M 2.2 Ziffer 5, jeweils m. Anm.

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(2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.23

§ 13 Teilnichtigkeit Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.24 … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

23 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 24 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

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Wiedereingliederungsvertrag nach § 74 SGB V Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom …

Herr/Frau … ist infolge Arbeitsunfähigkeit an der Erfüllung seiner/ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten verhindert und arbeitsunfähig. Herr/Frau … wird im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung nach § 74 SGB V vom … bis … mit einer Arbeitszeit von … Stunden1 wöchentlich/täglich am bisherigen Arbeitsplatz (oder …) beschäftigt. Ein Anspruch auf Vergütung besteht nicht.2 oder Für die Dauer der Wiedereingliederungsmaßnahme wird eine Vergütung in Höhe von Euro … pro Stunde/Woche/Monat gezahlt.3 Im Übrigen wird der Arbeitsvertrag vom … durch diese Nebenabrede nicht berührt. … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

1 Der maximale Umfang der Tätigkeit ergibt sich aus der Bescheinigung des Arztes nach § 74 SGB V (s. M 6.7.2). Soweit die ärztliche Bescheinigung einen Stufenplan der Wiedereingliederung vorsieht, wäre dieser zu übernehmen. Alternativ könnte auch geregelt werden „Art und Umfang der Tätigkeiten im Rahmen der Wiedereingliederung ergeben sich aus der ärztlichen Bescheinigung nach § 74 SGB V, die diesem Vertrag angeheftet ist.“ 2 Ein Anspruch auf Vergütung besteht nicht, soweit – wie meist – der Entgeltfortzahlungszeitraum abgelaufen ist, da es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt (vgl. Einf. Rz. 100). 3 Dieses Arbeitsentgelt wird auf das Krankengeld angerechnet, § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.

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Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (Wiedereingliederungsplan)

Zuletzt ausgeübte Tätigkeit: … 300 Lingemann

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Besondere Arbeitsverträge

… Wie viele Std. tgl.: … Durch eine stufenweise Wiederaufnahme seiner Tätigkeit kann der og. Versicherte schonend wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden. Nach meiner ärztlichen Beurteilung empfehle ich mit Einverständnis des Versicherten und nach dessen Rücksprache mit dem Arbeitgeber folgenden Ablauf für die stufenweise Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit:1 von

bis

Stunden täglich

Art der Tätigkeit (ggf. Einschränkungen)

Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit absehbar?

□ ja, ggf. wann … □ zzt. nicht absehbar Vertragsarztstempel Unterschrift des Arztes Erklärung des Versicherten Mit dem vorgeschlagenen Wiedereingliederungsplan bin ich einverstanden. Falls nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen, kann nach Absprache mit dem behandelnden Arzt eine Anpassung der Belastungseinschränkungen vorgenommen oder die Wiedereingliederung abgebrochen werden.

Datum Unterschrift des Versicherten Erklärung des Arbeitgebers Mit dem vorgesehenen Wiedereingliederungsplan bin ich einverstanden.

□ ja □ nein □ nur unter folgenden Voraussetzungen: … … … …

Datum (Unterschrift des Arbeitgebers)

1 Der Wiedereingliederungsplan enthält den ärztlich bescheinigten Ablauf der Wiedereingliederung; zu Einzelheiten vgl. Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V, die neueste Version ist jeweils abrufbar unter http://www.g-ba.de/ informationen/richtlinien/.

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Besondere Arbeitsverträge

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Sabbatical-Vereinbarung

zwischen Herrn/Frau … (im Folgenden: Arbeitnehmer) und der Firma … (im Folgenden: Arbeitgeber) wird zur Durchführung eines Sabbaticals folgende Ergänzungsvereinbarung1 zum Arbeitsvertrag vom … geschlossen:2

§ 1 Laufzeit (1) Für die Zeit vom … bis … wird der oben genannte Arbeitsvertrag in einen Sabbatical-Vertrag umgewandelt. Das Sabbatical besteht aus einer Ansparphase vom … bis … und einer Freistellungsphase vom … bis …3 (2) Die Freistellungsphase soll sich an die Ansparphase anschließen. Die Parteien können sie aber einvernehmlich verlegen. (3) Nach Beendigung der Freistellungsphase wird der Arbeitnehmer wieder in seinem bisherigen Arbeitsbereich eingesetzt. Einen Anspruch auf den konkreten Arbeitsplatz, den er in seiner Ansparphase innehatte, hat der Arbeitnehmer nicht.4

§ 2 Arbeitszeit und Vergütung (1) Die tatsächliche Wochenarbeitszeit/Monatsarbeitszeit beträgt während der Ansparphase … Stunden. Während der Freistellungsphase ist der Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit. Die Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis bleiben unberührt.5 (2) Während der Gesamtdauer des Sabbaticals gilt der Arbeitnehmer als Teilzeitbeschäftigter mit einer Arbeitszeit von wöchentlich/monatlich … Stunden. (3) Der Arbeitnehmer erhält während der gesamten Laufzeit des Sabbaticals entsprechend dem vereinbarten Umfang der Teilzeitbeschäftigung eine anteilige Vergütung. Sie berechnet sich wie folgt: Sabbaticalbruttomonatsgehalt = Vollzeitbruttomonatsgehalt × (1 minus Laufzeit der Freistellungsphase in Monaten/Laufzeit der Sabbaticalvereinbarung insgesamt in Monaten).6 Damit verzichtet der Arbeitnehmer in der Ansparphase auf die Auszahlung von … % seines monatlichen Gehalts. Für diese einbehaltenen Gehaltsansprüche werden seinem Arbeitszeitkonto monatlich … Stunden gutgeschrieben.7 Während der Freistellungsphase wird das Stundenguthaben auf dem Arbeitszeitkonto entsprechend monatlich reduziert.

§ 3 Arbeitsunfähigkeit (1) Wird der Arbeitnehmer während der Ansparphase über den Zeitraum hinaus arbeitsunfähig, für den vom Arbeitgeber Entgeltfortzahlung zu leisten ist,8 verlängert sich die Ansparphase um den 1 Zum Erhalt des Sozialversicherungsschutzes nach § 7 Abs. 1a SGB IV bedarf es einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Freistellung, Seel, DB 2009, 2210, 2211. 2 Zur Frage eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf ein Sabbatical vgl. Einf. Rz. 44. 3 Es sind auch mehrjährige Zeiträume zulässig. Dann ist aber eine Entfremdung des Arbeitnehmers von seinem Arbeitsverhältnis zu befürchten. 4 Die Parteien können auch vereinbaren, eine während der Freistellungsphase erworbene, zusätzliche Qualifikation bei der Arbeitsplatzvergabe zu berücksichtigen. 5 Damit sollen Wettbewerbsklauseln, Geheimhaltungspflichten, Regelungen zu Nebentätigkeiten etc. fortgelten. 6 Läuft die Sabbaticalvereinbarung (Ansparphase + Freistellungsphase) insgesamt über 84 Monate und ist dabei eine Freistellung von zwölf Monaten vereinbart, ergibt sich bei einem Vollzeitbruttomonatsgehalt von Euro 3 500,– folgende Rechnung: Euro 3 500,– × (1 – 12 Monate/84 Monate) = Euro 3 500,– × (84/84 – 12/84) = Euro 3 500,– × 72/84 = Euro 3 000,–. 7 Vgl. Seel, DB 2009, 2010, 2012. 8 § 3 Abs. 1 EFZG; vgl. Kap. 15 Rz. 2.

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Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit, für den kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.9 Mit Einwilligung des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer diese Zeit auch im Anschluss an die Freistellungsphase nacharbeiten. (2) Eine Arbeitsunfähigkeit während der Freistellungsphase verlängert diese nicht.10 oder (2) Bei Arbeitsunfähigkeit während der Freistellungsphase gilt § 9 BUrlG entsprechend.11

§ 4 Urlaub (1) Vor und während der Ansparphase erworbene Urlaubsansprüche bleiben im Laufe der Freistellungsphase unberührt.12 Sie können im Einverständnis mit dem Arbeitgeber zu deren Verlängerung genutzt werden. (2) Während der Freistellungsphase erwirbt der Arbeitnehmer nur den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Der vertragliche Mehrurlaub gilt im Verhältnis von 1/ 12 pro Freistellungsmonat als genommen. (3) Urlaubsansprüche, die bis zum Beginn der Freistellungsphase nicht mehr genommen werden können, kann der Arbeitnehmer noch innerhalb von drei Monaten nach Ende des Sabbaticals nehmen.13

§ 5 Änderungen der Vertragsgrundlage (1) Die vorzeitige Beendigung oder eine Änderung dieser Vereinbarung ist nur einvernehmlich und schriftlich möglich.14 Diese Vorschrift kann nur schriftlich aufgehoben werden. (2) Bei einer vorzeitigen Beendigung dieser Vereinbarung gilt § 6 Abs. 2 entsprechend.

§ 6 Kündigung des Arbeitsverhältnisses15 (1) Die Vertragsparteien können während des Sabbaticals das Arbeitsverhältnis entsprechend den vertraglichen und gesetzlichen Regelungen kündigen.16 9 Das Krankengeld wird wegen § 47 Abs. 2 Satz 4 SGB V nach dem ausgezahlten Arbeitsentgelt bemessen. Maßgebend ist der Betrag, der die Beiträge zur Krankenversicherung bestimmt. Auf die höhere tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung kommt es nicht an. 10 § 9 BUrlG findet keine entsprechende Anwendung, die Freistellung wird nicht wie der Erholungsurlaub vom Arbeitgeber geschuldet. In der Freistellungsphase ruht der Anspruch auf Krankengeld, § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V. Da der Arbeitnehmer währenddessen ohnehin nicht gearbeitet hätte, ist er auch nicht infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert; § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG findet folglich keine Anwendung. Soll sich die Freistellungsphase um die krankheitsbedingten Fehlzeiten verlängern, muss nach vorheriger Vereinbarung der Arbeitnehmer entsprechend nacharbeiten. 11 So der Vorschlag von Seel, DB 2009, 1010, 1012. 12 Während der Ansparphase behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Erholungsurlaub, und zwar entsprechend dem Umfang seiner tatsächlich geleisteten Arbeit. Ihm wird also mehr Urlaub gewährt, als ihm nach dem Umfang seiner Teilzeitbeschäftigung zusteht. Der Urlaubsanspruch entsteht zwingend auch während der Freistellungsphase, BAG v. 6.5.2014, NZA 2014, 959, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 283. Hiervon kann hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs nicht zulasten des Arbeitnehmers abgewichen werden, § 13 BUrlG, Für etwaigen vertraglichen Mehrurlaub können die Parteien jedoch vereinbaren, dass dieser während der Freistellungsphase nicht entsteht oder als genommen gilt. Möglicherweise entsteht auch der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht bei Vereinbarung eines Aufhebungsvertrags mit Wiedereinstellungszusage, Polzer/Kafka, NJW 2015, 2289, 2294. 13 Damit wird im Interesse des Arbeitnehmers vermieden, dass gem. § 7 Abs. 3 BUrlG sein Urlaubsanspruch verfällt. 14 Zulässig ist es auch, dem Arbeitnehmer ein einseitiges Kündigungsrecht für besondere, unvorhersehbare Fälle zuzugestehen. Gleiches gilt dann auch für den Arbeitgeber, wenn dringende betriebliche Belange den Einsatz des Arbeitnehmers erfordern, und so die Freistellungsphase verschoben oder unterbrochen wird. 15 Die Bemessung des Arbeitslosengeldes richtet sich grds. nach der im Bemessungszeitraum tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung, § 151 Abs. 3 Nr. 2 SGB III. Maßgeblich ist das Entgelt, welches ohne die Ver-

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oder (1) Während der Freistellungsphase kann das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.17 (2) Ist bei einer Kündigung das eingebrachte Arbeitszeitguthaben noch nicht vollständig verbraucht, steht dem Arbeitnehmer die Auszahlung des verbleibenden Guthabens in einer Summe zu.18 Erfolgten Überzahlungen zu Gunsten des Arbeitnehmers, hat er die zu viel gezahlten Beträge dem Arbeitgeber zu erstatten. Gleiches gilt für die gezahlten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.19 § 818 Abs. 3 BGB findet keine Anwendung.

§ 7 Arbeitszeitkonto (1) Der Arbeitgeber führt für den Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto als Wertguthabenkonto gemäß § 7d SGB IV. Das Arbeitszeitguthaben wird in Arbeitsentgelt umgerechnet. Das Konto umfasst das Arbeitsentgeltguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Kosten trägt der Arbeitgeber. (2) Ein nach Ende des Sabbaticals etwa verbleibendes Arbeitszeitguthaben kann der Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitnehmer, nicht jedoch auf Dritte übertragen. (3) Das Wertguthaben auf dem Arbeitszeitkonto ist vererblich und wird mit … % verzinst. Es kommt nach Ende des Sabbaticals an den Arbeitnehmer oder einen von ihm bis dahin gemäß Abs. 2 bestimmten anderen Arbeitnehmer zur Auszahlung. (4) Der Arbeitgeber unterrichtet den Arbeitnehmer mindestens einmal jährlich in Textform über die Höhe seines im Wertguthaben enthaltenen Arbeitsentgeltguthabens.20

§ 8 Insolvenzsicherung21 (1) Der Arbeitgeber wird spätestens zum … eine sowohl für den Bürgen als auch für den Arbeitgeber bis zum vollständigen Verbrauch des Wertguthabens nicht kündbare Bankbürgschaft zu

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einbarung für die Arbeitsleistung erzielt worden wäre. An den Arbeitnehmer auszuzahlende Guthaben erhöhen das Arbeitslosengeld nicht, § 151 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Bei einer Beendigung während der Freistellungsphase kommt es auf das ausgezahlte Arbeitsentgelt an, die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung ist nicht maßgeblich. Fallen in den Bemessungszeitraum Anspar- und Freistellungsphasen, muss das Bemessungsentgelt zeitanteilig ermittelt werden. Der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers bleibt unberührt. Soweit das KSchG anwendbar ist, muss die arbeitgeberseitige Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Kein Kündigungsgrund ist für den Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer eine ihm angebotene Sabbatical-Vereinbarung ablehnt, § 7 Abs. 1b SGB IV. Vorschlag von Seel, DB 2009, 2210, 2212. Eine solche Gestaltung hätte für den Arbeitnehmer den Vorteil, dass er jedenfalls sicher sein kann, während des Sabbaticals im Arbeitsverhältnis und damit auch sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu bleiben. Der Auszahlungsbetrag des Guthabens ist als Arbeitsentgelt lohnsteuerpflichtig. Die auf den Auszahlungsbetrag entfallenden Sozialversicherungsbeiträge werden gleichmäßig auf die in der Vergangenheit liegenden Kalendermonate verteilt. Unerheblich ist, in welchem Monat die Guthaben tatsächlich angespart wurden, § 23b Abs. 2 SGB IV. Deshalb rückwirkend entrichtete Beiträge zur Rentenversicherung werden gem. § 70 Abs. 3 SGB VI als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge behandelt, so dass zusätzliche Entgeltpunkte daraus ermittelt werden. Dazu wird das Guthaben durch das vorläufige Durchschnittsentgelt für das Kalenderjahr geteilt, dem das Arbeitsentgelt zuzuordnen ist. Hat der Arbeitnehmer dagegen mehr Geld erhalten, als seiner tatsächlichen Arbeitsleistung entsprach, wird nicht rückwirkend in den Sozialversicherungsschutz eingegriffen. § 7d Abs. 2 SGB IV. Formulierungsvorschlag nach Hoß, ArbRB 2002, 28, 30; vgl. allgemein zur Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten auch Knospe, NZA 2006, 187; Rolfs/Witschen, NZS 2009, 295. Gemäß § 7e Abs. 1 SGB IV ist die Insolvenzsicherung erforderlich, soweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht besteht und das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrages einen Betrag in Höhe der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

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M 6.8

Besondere Arbeitsverträge

Kap. 6

Gunsten des Arbeitnehmers über die Höhe des während der Arbeitsphase aufzubauenden Wertguthabens bei der … Bank abschließen.22 (2) Die Bürgschaftsurkunde wird bis zum … dem Mitarbeiter ausgehändigt. (3) Die Kosten der Bürgschaft trägt die Gesellschaft. oder23 (1) Das Guthaben des Arbeitnehmers gemäß § 7 legt der Arbeitgeber bei einer inländischen Bank an in Form eines Fonds, der zum Zeitpunkt der Anlage gemäß § 7d SGB IV nicht mehr als 20 % Aktien oder Aktienfonds hält.24 Der Fonds stellt sicher, dass zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Wertguthabens ein Rückfluss mindestens in der Höhe des angelegten Betrages gewährleistet ist. Etwaige die Verzinsung gemäß § 7 Abs. 3 übersteigende Erträge stehen dem Arbeitgeber zu/dem Arbeitnehmer zu/dem Arbeitgeber zu … % und dem Arbeitnehmer zu … % zu. (2) Die Anteile an dem Fonds verpfändet der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer. Die Verpfändung ist unwiderruflich. Der Arbeitnehmer nimmt das Pfandrecht mit Unterzeichnung dieses Vertrages an. Unverzüglich nach Unterzeichnung des Vertrages zeigt der Arbeitgeber dem Fonds die Verpfändung an und weist dem Arbeitnehmer diese Anzeige nach. (3) Der Arbeitgeber übermittelt dem Arbeitnehmer auf Kosten des Arbeitgebers einmal monatlich Abschriften der Auszüge des Fonds.

§ 9 Schriftform Mündliche Nebenabreden zu dieser Sabbatical-Vereinbarung bestehen nicht. Änderungen oder Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, sofern nicht gemäß § 305b BGB eine individuelle Vertragsabrede zwischen den Parteien getroffen wurde. Dies gilt auch für die Aufhebung dieses Schriftformerfordernisses.25

§ 10 Salvatorische Klausel26 Sollte eine der vorstehenden Regelungen unwirksam sein, so bleibt die Wirksamkeit der übrigen Vereinbarungen davon unberührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.27 … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

22 Gemäß § 7e Abs. 2 Satz 2 SGB IV sind neben Treuhandverhältnissen weiter auch Bürgschaftsmodelle mit ausreichender Sicherung gegen Kündigung zulässig. 23 Gemäß § 7e Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist auch ein schuldrechtliches Verpfändungsmodell mit ausreichender Sicherung gegen Kündigung als Insolvenzschutz ausreichend. Die Alternative enthält einen Formulierungsvorschlag. 24 Vgl. § 7d Abs. 3 SGB IV. Ein höherer Anlageanteil in Aktien oder Aktienfonds ist insbesondere zulässig, wenn dies in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung vereinbart ist, § 7d Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB IV. 25 Die Vereinbarung einer Schriftformklausel ist auch nach Wirksamwerden der Gesetzesänderung von § 309 Nr. 13 BGB am 1.10.2016 wirksam, vgl. Lingemann/Otte, NZA 2016, 519, 520 sowie Kap. 2 Rz. 124. 26 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 27 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

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Kap. 7 Rz. 1

Altersteilzeit

Kapitel 7 I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einführung Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . Reduzierung der Arbeitszeit . . . . . . . . Finanzielle Leistungen des Arbeitgebers Wiederbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . Kontinuitäts- und Blockmodell . . . . . . Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Altersteilzeit

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. 1 . 4 . 5 . 6 . 7 . 12

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7. Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Störfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Insolvenzsicherung . . . . . . . . . . . . . . . .

14 15 19

II. Muster Altersteilzeit-Vertrag Kontinuitätsmodell – laufende Arbeitszeitverkürzung . . M . 7.1 Altersteilzeit-Vertrag – Blockmodell . . . . . M . 7.2

Literatur: Abeln/Gaudernack, Keine Altersrente nach Altersteilzeit bei völliger Freistellung schon während der Arbeitsphase im so genannten Blockmodell, BB 2005, 43; Berkowsky, Aktuelle arbeitsrechtliche Fragen in Krise und Insolvenz – Oktober/November 2008, NZI 2009, 33; Berkowsky, Aktuelle arbeitsrechtliche Fragen in Krise und Insolvenz – Februar/März 2008, NZI 2008, 288; Birk, Die Befristung von Altersteilzeitverträgen auf einen vorgezogenen Renteneintritt, NZA 2007, 244; Cirsovius, Alternativen der Frühverrentung, NZS 2008, 78; Engesser Means/Clauss, Eintritt in Altersteilzeitvertrag bei Arbeitgeberwechsel, NZA 2006, 293; Frank, Regelungsbedarf und Haftungsfallen in Wertkontenmodellen, NZA 2008, 152; Froehner, Das Altersteilzeitverhälntis in der Insolvenz des Arbeitgebers, NZA 2012, 1405; Gussone/Voelzke, Altersteilzeitrecht, 2000; Hamm, Insolvenzschutz von Arbeitszeitkonten, AiB 2005, 92; Hanau, Neue Altersteilzeit, NZA 2009, 225; Hanau, Noch einmal: Die Befristung von Altersteilzeitverträgen auf einen vorgezogenen Renteneintritt, NZA 2007, 848; Hanau/Veit, Neues Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze, NJW 2009, 182; Kerschbaumer, Altersteilzeit, AiB 2006, 682; Koch, Auswirkungen der Rente ab 63 auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse – Rechtliche Grundlagen, praktischer Umgang, BB 2014, 1589; Kock, Risiken bei endgültiger Freistellung des Arbeitnehmers während der Altersteilzeit, ArbRB 2005, 275; Koller-van Delden, Insolvenzsicherung von Altersteilzeitguthaben und Haftungsrisiken der Geschäftsführung am Beispiel des Bürgschaftsmodells, DStR 2008, 1835; Lingemann, Altersteilzeitverträge – Vertragsmuster mit Erläuterungen, MDR 2002, 382; Melms/Schwarz, Die verpasste Rente nach Altersteilzeit, DB 2006, 2010; Oberthür, Die vollständige Freistellung in der Altersteilzeit – Ein riskantes Trennungsmodell, NZA 2005, 377; Perreng, Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten, FA 2005, 333; Preis, Der Arbeitsvertrag – Handbuch der Vertragsgestaltung, 5. Aufl. 2015, Teil II A 30; Raffler, Einführung und Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten, FA 2011, 360; Rehwald, Auswirkungen der Insolvenz auf die Altersteilzeit-Blockmodell-Arbeitsphase, AiB 2006, 127; Rolfs/ Witschen, Neue Regeln für Wertguthaben, NZS 2009, 295; Rothländer, Rechtsprechungsübersicht zu Fragen der Altersteilzeit, PersR 2007, 185; Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Aufl. 2015 Rz. A 323 ff.; Schmid, Rente mit 63 und ihre Auswirkungen auf Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, schnellbrief Arbeitsrecht 18/2014, 140; Schmidbauer/Schmidbauer, Die neu geregelte Altersteilzeit – ABC der Altersteilzeitarbeit, 6. Aufl. 2009; Schreiner, Die Befristung von Altersteilzeitverträgen auf einen vorgezogenen Renteneintritt, NZA 2007, 846.

I. Einführung 1. Allgemeine Voraussetzungen 1

Altersteilzeitarbeit soll älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglichen, § 1 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz (AltTZG).1 Hat der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet, so können nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 AltTZG iVm. § 2 1 Art. 1 des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand v. 23.7.1996 (BGBl. I 1996, 1078 ff.), zuletzt geändert durch das Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz (BGBl. I 2016, 1710).

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Altersteilzeit

Rz. 2 Kap. 7

Abs. 1 Nr. 1 AltTZG Arbeitgeber und Arbeitnehmer Altersteilzeit vereinbaren. Die – für Verträge ab dem 1.1.2010 ausgelaufene (Rz. 3) – Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit hing ferner davon ab, dass bestimmte Vorversicherungszeiten erbracht waren (1080 Kalendertage innerhalb von fünf Jahren, Einzelheiten in § 2 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG).2 UE entfällt diese Voraussetzung nach Wegfall der Förderung, die Frage ist jedoch streitig.3 Natürlich kann Altersteilzeit auch erst beginnend mit einem höheren Alter vereinbart werden. Insbesondere auf Grund der Änderung des Renteneintrittsalters durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz v. 20.4.20074 muss im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der zulässigen Dauer der Altersteilzeit genau gerechnet werden, zu welchem Zeitpunkt der Beginn der Altersteilzeit vereinbart wird, damit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG der nahtlose Übergang von Altersteilzeit in Rente gewährleistet ist. Dieser beschränkt sich nicht auf den Übergang in Rente nach Altersteilzeit, in Betracht kommen vielmehr alle Rentenarten. Bei Vereinbarung der Laufzeit der Altersteilzeit muss zudem die durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz v. 1.7.20145 in Kraft getretene „Rente mit 63“ berücksichtigt werden. Der durch das Gesetz neu eingeführte § 263b SGB VI gewährt Arbeitnehmern bis zum Geburtsjahrgang 1964, die das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 45 Beitragsjahren erfüllt haben, die Möglichkeit, vor dem regulären gesetzlichen Rentenalter abschlagsfrei in Rente zu gehen. Der frühere gesetzliche Renteneintritt kann in die Berechnung der Dauer der Arbeits- und der Freistellungsphase einbezogen werden. Das AltTZG gewährt dem Arbeitnehmer jedoch keinen Anspruch auf den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages,6 sondern regelt nur die Mindestbedingungen, die ein Altersteil2 Zeiten mit Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe, Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld II sowie Zeiten, in denen Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 SGB III bestand, stehen der versicherungspflichtigen Beschäftigung gleich. 3 Nach HWK/Stindt/Nimscholz, § 1 AltTZG Rz. 2 ist die Erfüllung der Vorversicherungszeiten unverändert Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Altersteilzeit. 4 BGBl. I 2007, 554. Gemäß § 235 Abs. 2 SGB VI wird für Versicherte, die nach dem 31.12.1946 geboren sind, die Regelaltersgrenze je Monat der späteren Geburt um einen Monat hinaufgesetzt. Dies gilt nicht für Versicherte, die vor dem 1.1.1955 geboren und vor dem 1.1.2007 Altersteilzeitarbeit vereinbart haben, § 235 Abs. 2 SGB VI. Die Altersrente für langjährig Versicherte, die nach dem 31.12.1948 geboren sind, wird im gleichen Modus heraufgesetzt, auch hier gilt dieselbe Vertrauensschutzregelung, § 236 Abs. 2 SGB VI, wobei weitergehender Vertrauensschutz für Versicherte besteht, die nach dem 31.12.1947 geboren sind und vor dem 1.1.2007 Altersteilzeitvereinbarungen geschlossen haben, § 236 Abs. 3 SGB VI. Die Altersrente für schwerbehinderte Menschen wird für Versicherte, die nach dem 31.12.1951 geboren sind, im selben Modus von bisher 63 Jahren für die vorzeitige Inanspruchnahme angehoben, § 236a Abs. 2 SGB VI mit entsprechenden Vertrauensschutzregelungen, § 236a Abs. 2 und 3 SGB VI. Die Altersrente nach Altersteilzeitarbeit gilt nur noch für Versicherte, die vor dem 1.1.1952 geboren sind, § 237 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Auch steigt die Mindestaltersgrenze für diese Altersrente ab 2006 für Versicherte, die zwischen 1946 und 1948 geboren sind, in Monatsschritten von 60 auf 63 Jahre, § 237 Abs. 3 SGB VI iVm. Anlage 19. Wurde der Altersteilzeitvertrag nach dem 31.12.2006 geschlossen, so ändert sich für vor dem 1.1.1952 geborene Arbeitnehmer gem. § 77 SGB VI aufgrund des Rentenabschlags von 0,003 beim Rentenzugangsfaktor für jedes Jahr der vorzeitigen Inanspruchnahme die Rentenhöhe, für Arbeitnehmer, die nach dem 31.12.1951 geboren sind, bestimmt sich hingegen sowohl die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Altersteilzeit als auch die Befristungsmöglichkeit des Altersteilzeitvertrages nach der konkret für den jeweiligen Arbeitnehmer in Betracht kommenden Rentenart (s.o.), vgl. insb. Schreiner, NZA 2007, 846, 847. Eine Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren für den vorzeitigen Bezug einer Altersrente erfolgt allerdings nicht, wenn der/die Versicherte vor dem 1.1.2004 Altersteilzeitarbeit vereinbart hatte, § 237 Abs. 5 SGB VI. 5 BGBl. I 2014, 787. 6 Auch vor dem 1.1.2010 bestand angesichts des baldigen Auslaufens der Fördermöglichkeit durch die Bundesagentur kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines vorgezogenen Altersteilzeitvertrages, um zukünftige Verschlechterungen beim Rentenbezug zu vermeiden, ArbG Marburg v. 11.5.2007 – 2 Ca 523/06, DB 2007, 1420.

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Kap. 7 Rz. 3

Altersteilzeit

zeitarbeitsverhältnis erfüllen muss, damit die staatlichen Förderleistungen der Bundesagentur für Arbeit (zum Auslaufen der Förderung Rz. 3) und die sozialversicherungsrechtlichen Vergünstigungen (zB vorzeitige Rente nach Altersteilzeit) in Anspruch genommen werden können.7 Ein Anspruch auf Altersteilzeit kann sich jedoch aus einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben.8 Nach der Überforderungsquote des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG muss jedoch sichergestellt sein, dass der Arbeitgeber frei in seiner Entscheidung über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages ist, wenn bereits 5 % der Mitarbeiter des Betriebs Altersteilzeit in Anspruch nehmen bzw. durch den antragstellenden Arbeitnehmer diese Quote erstmals erreicht wird.9 3

Die Bundesagentur für Arbeit erbringt Förderleistungen im Rahmen von Altersteilzeitbeschäftigungen nur noch, wenn die Altersteilzeitbeschäftigung bis spätestens 31.12.2009 angetreten wurde. Dies ergibt bei der maximalen Förderdauer von sechs Jahren eine noch andauernde Förderung von Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit bis zum 31.12.2015. Davon unabhängig können auch ab dem 1.1.2010 Altersteilzeitbeschäftigungen vereinbart und angetreten werden, denn die besonderen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen werden durch den Wegfall der Förderungsmöglichkeit nicht berührt.10 Dies gilt insbesondere für die Steuer- und Beitragsfreiheit der Aufstockungsbeiträge (§ 3 Nr. 28 EStG). Das AltTZG regelt auch weiterhin die Voraussetzungen, unter denen eine Altersteilzeitbeschäftigung vereinbart werden kann. Auch Tarifverträge über Altersteilzeit können fortgelten, sofern sie die Förderungsmöglichkeit durch die Bundesagentur nicht voraussetzen.11 7 BAG v. 23.1.2007, AP AltTZG § 2 Nr. 8. 8 BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 115/14, BB 2015, 1854; v. 12.8.2008, DB 2008, 2839; v. 23.1.2007, AP AltTZG § 2 Nr. 8. Hat der Arbeitnehmer seinen Anspruch rechtzeitig vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeit in einem solchen Falle geltend gemacht, so kann der Arbeitgeber verurteilt werden, dem Antrag auf Vertragsabschluss auch rückwirkend zuzustimmen. Dem steht nicht entgegen, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis aus sozialrechtlichen Gründen vor seinem Beginn vereinbart worden sein muss. Eine Besserstellung älterer Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag, der für Arbeitnehmer, die noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Gewährung von Altersteilzeit nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung vorsieht, bei Arbeitnehmern ab Vollendung des 60. Lebensjahres dagegen einen Anspruch lediglich unter den Vorbehalt entgegenstehender dienstlicher oder betrieblicher Gründe stellt, ist zulässig und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, BAG v. 14.10.2008, NZA 2009, 456. Dringende betriebliche oder dienstliche Gründe liegen erst vor, wenn gewichtige Belange des Arbeitgebers in erheblichem Maße beeinträchtigt sind, wobei die Aufwendungen, die typischerweise mit jedem Altersteilzeitverhältnis anfallen, nicht ausreichen, BAG v. 21.2.2012, NZA-RR 2012, 444. Nicht möglich ist jedoch eine rückwirkende Umwidmung eines Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis, BAG v. 4.5.2010 – 9 AZR 155/09, NZA 2010, 1063. 9 Hierdurch soll insbesondere eine wirtschaftliche Belastung von Kleinunternehmen vermieden werden (sog. Überlastungsschutz). Praktisch ist der Arbeitgeber daher in Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern stets in seiner Entscheidung über den Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen frei. Maßgeblich ist die Größe des Hauptbetriebs, der Betriebsbegriff des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG ist nicht anzuwenden, BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 620/07, DB 2008, 2839. Trifft der Arbeitgeber allerdings mit mehr als 5 % seiner Mitarbeiter entsprechende Vereinbarungen, ist er im Folgenden durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, BAG v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 547. 10 Hierzu ausführlich Hanau, NZA 2009, 225, 226. 11 Hanau, NZA 2009, 225, 227. Ergibt eine Auslegung des Tarifvertrags, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages verbunden mit einer häufig über die Mindestsumme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG hinausgehenden Aufstockungsleistung des Arbeitgebers bedingt ist durch die fortbestehende Förderung der Bundesagentur, so kann zukünftig auf diese tarifliche Bestimmung kein Anspruch auf Altersteilzeitbeschäftigung mehr gestützt werden.

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Altersteilzeit

Rz. 5 Kap. 7

2. Reduzierung der Arbeitszeit Die Arbeitszeit muss gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG auf mindestens die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit12 (vgl. § 6 Abs. 2 AltTZG) reduziert werden und darf, soweit Förderung in Anspruch genommen werden soll, jedoch noch nicht geringfügig iSv. § 8 SGB IV sein (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG).13 Der Arbeitnehmer arbeitet danach bis zum Rentenbezug in Teilzeit. Der nahtlose Übergang von Altersteilzeit in Rente muss gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG gewährleistet sein.14 Das notwendige Mindestalter für den Bezug einer nicht durch Rentenabschläge gekürzten Altersrente ergibt sich insoweit derzeit15 aus §§ 35, 235 SGB VI für die Regelaltersgrenze,16 §§ 36, 236 SGB VI für die Altersrente für langjährige Versicherte, aus §§ 37, 236a SGB VI für die Altersrente für Schwerbehinderte, aus §§ 38, 236b SGB VI für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus § 237 SGB VI mit Anlage 19 für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit und aus §237a SGB VI mit Anlage 20 für die Altersrente für Frauen.17 Im Zweifelsfall sollte der Arbeitnehmer beim Rentenversicherungsträger rechtzeitig eine Auskunft über den frühestmöglichen Rentenbeginn nach § 109 SGB VI bzw. nach §§ 14, 15 SGB I einholen.18

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3. Finanzielle Leistungen des Arbeitgebers Der Arbeitgeber leistet eine Zuzahlung zum reduzierten Arbeitsentgelt („Aufstockungsbetrag“) iHv. mindestens 20 % des Regelarbeitsentgelts19 gemäß § 6 Abs. 1 AltTZG (§ 3 Abs. 1 12 Maßgeblich ist für die gesamte Dauer der Altersteilzeit die bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags geltende Stundenzahl. Die Vereinbarung einer variablen, vom jeweiligen Verhältnis zur Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten abhängigen Arbeitszeit ist ausgeschlossen. Wird die Arbeitszeit der Vollbeschäftigten daher während der Laufzeit des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhöht, so erhöht sich nicht die mit den Arbeitnehmern in Altersteilzeit vereinbarte Wochenstundenzahl, BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, DB 2006, 1684. Ist jedoch im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eine Aufstockungsmöglichkeit zulässigerweise in bestimmtem Umfang vorbehalten, so gilt die in Ausübung dieses einseitigen Gestaltungsrechts unmittelbar vor Beginn der Altersteilzeit erhöhte Arbeitszeit nicht als vorübergehende Mehrarbeit, sondern als vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit, BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194 u. Parallelverfahren NZA-RR 2008, 129 sowie v. 19.5.2009 – 9 AZR 145/08, NZA 2010, 176 und v. 17.7.2007, NZA-RR 2008, 162. Es ist zur Bestimmung der nach § 6 Abs. 2 AltTZG maßgeblichen Arbeitszeit keine Durchschnittsberechnung der schwankenden regelmäßigen Arbeitszeit durchzuführen, sondern ausschließlich auf die vereinbarte Arbeitszeit abzustellen. 13 Vgl. § 27 Abs. 2 SGB III iVm. § 8 SGB IV; BAG v. 26.6.2001, NZA 2002, 4; zu Einzelheiten geringfügiger Beschäftigung vgl. Einf. Kap. 6 Rz. 86 ff. iVm. M 6.3.1. 14 Hier kommen alle Rentenarten in Betracht, Einzelheiten oben Fn. 4. 15 Bereits das RV-Nachhaltigkeitsgesetz hat die Altersgrenzen für den Bezug der Altersrenten heraufgesetzt, zur derzeit letzten Heraufsetzung der Altersgrenzen durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vgl. oben Fn. 4. Der Vertrauensschutz gegenüber der Heraufsetzung nach dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz galt für Versicherte, die vor dem 1.1.2004 einen Altersteilzeit-Vertrag geschlossen haben, für den Vertrauensschutz nach dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz kommt es auf den Vertragsschluss vor dem 1.1.2007 an. 16 Die Regelaltersgrenze liegt nunmehr bei 67 Jahren; sie wird je nach Geburtsjahrgang frühestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Zur Anhebung vgl. oben Fn. 4. 17 Die besondere Altersrente für Frauen gilt nur noch für Versicherte, die vor dem 1.1.1952 geboren sind, § 237a Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. 18 Zu Einzelheiten vgl. Schlegel, FA 2000, 239 mwN. 19 Tariferhöhungen stehen dem Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell auch in der Freistellungsphase zu, BAG v. 17.11.2015 – 9 AZR 509/14, BeckRS 2016, 66948; v. 22.7.2014, ZTR 2014, 606 (obwohl er sie durch seine Arbeit in der Arbeitsphase letztlich nicht erworben hat). Allerdings können die Tarifparteien diesen Anspruch auch diskriminierungsfrei ausschließen, BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 564/14, NZA 2016, 776 m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2016, 324.

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Kap. 7 Rz. 6

Altersteilzeit

Nr. 1a AltTZG)20 und einen Zuschuss zu den Beiträgen zur Rentenversicherung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG). Der Aufstockungsbetrag ist steuer- und beitragsfrei (vgl. § 3 Nr. 28 EStG), das gilt auch, soweit er den im Gesetz genannten Mindestbetrag von 20 % des Regelarbeitsentgelts übersteigt; jedoch besteht ein Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 1g EStG). Da dieser nicht bei der Abführung der Lohnsteuer berücksichtigt wird, entstehen für den Arbeitnehmer Steuernachzahlungen; einen Erstattungsanspruch hat er insoweit gegen den Arbeitgeber nicht.21 Soweit der Aufstockungsbetrag aus der Nettovergütung berechnet wird, kann ein Wechsel der Steuerklasse des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber rechtsmissbräuchlich sein, wenn er steuerrechtlich nachteilig ist und nur zu höheren Aufstockungsbeträgen führt.22 Soweit die Rentenbeiträge aus dem Entgelt der Altersteilzeitarbeit zu zahlen sind, werden sie vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte getragen. Der Arbeitgeber allein leistet jedoch zusätzlich Rentenversicherungsbeiträge mindestens in Höhe des Beitrags, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit, allerdings begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze, § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG.23 Auch diese zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge sind gemäß § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei, auch soweit sie über die Mindestbeträge hinausgehen oder der frei gewordene Teilzeitarbeitsplatz nicht wieder besetzt wird.24 Die Beiträge unterliegen im Gegensatz zum Aufstockungsbetrag wohl auch nicht dem Progressionsvorbehalt, denn sie sind in § 32b Abs. 1 EStG nicht erwähnt.25 Werden in einem Interessenausgleich mit dem Ziel des Personalabbaus Altersteilzeitarbeitsverträge angeboten, so kann dieser finanzielle Anreize für die Arbeitnehmer vorsehen, die davon Gebrauch machen und Arbeitnehmer, die sich bereits in Teilzeit befinden, hiervon ausschließen.26 Nicht steuerfrei sind tarifvertraglich vorgesehene Abfindungen zur Minderung des Rentenverlustes; diese unterliegen jedoch der Fünftel-Regelung des § 34 EStG.27 4. Wiederbesetzung 6

Wollte der Arbeitgeber die staatlichen Förderungen der BA für vor dem 1.1.2010 angetretene Altersteilzeitbeschäftigung unter Ausschöpfung der maximalen sechsjährigen Förderdauer 20 Also des regelmäßig innerhalb eines Monats vom Arbeitgeber zu zahlenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgeltes, § 6 Abs. 1 AltTZG; einmalige oder nicht laufend geleistete Entgeltkomponenten bleiben außen vor und werden nicht aufgestockt; nach der Neufassung müssen auch nicht mehr 70 % des ursprünglichen Nettoentgelts als Mindestnettobetrag erreicht werden. Sieht ein Tarifvertrag höhere Aufstockungsleistungen vor, so kann der Arbeitgeber ohne tarifliche Öffnungsklausel hiervon nicht individualvertraglich zu Ungunsten der Arbeitnehmer abweichen, BAG v. 20.1.2009, DB 2009, 1474. Verweist ein Tarifvertrag, wie namentlich der TV ATZ, jedoch auf die Mindestnettobetragstabelle, so bleibt diese auch verbindlich, wenn sie über Jahre nicht angepasst wurde, BAG v. 19.2.2013 – 9 AZR 452/11, ZTR 2013, 388 = DB 2013, 1367. 21 BAG v. 25.6.2002, NZA 2003, 859; LAG Bremen v. 22.3.2001 – 4 Sa 255/00, DB 2001, 1785. 22 BAG v. 9.9.2003, AP APG § 4 Nr. 2. 23 Wodurch das frühere Aufstockungsniveau von mindestens 90 % im Ergebnis bestehen bleibt, BTDrucks. 15/1515, S. 133. 24 R 3.28 Leistungen nach dem AltTZG § 3 Nr. 28 EStG (Lohnsteuerrichtlinien 2011 mit Hinweisen 2013). 25 Küttner/Seidel, Altersteilzeit, Rz. 28 mwN. 26 BAG v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 580. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt allerdings vor, wenn für einen ein Jahr älteren Arbeitnehmer allein aufgrund der eingetretenen Verkürzung der Dauer der Altersteilzeit eine verdoppelte Abfindungssumme gewährt wird, BAG v. 18.9.2007, NZA 2008, 1264. Auch zwischen einem Altersteilzeiter in der Freistellungsphase und einem Mitarbeiter im Vorruhestand kann differenziert werden, da letzterer in keinem Arbeitsverhältnis mehr steht, BAG v. 20.5.2008, NZA-RR 2009, 18. 27 Daher ist es wohl aus steuerlichen Aspekten günstiger, diese Beträge für eine Erhöhung der Aufstockungen zu verwenden, vgl. Hanau, NZA 2009, 225, 226.

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Rz. 7 Kap. 7

längstens bis zum 31.12.2015 erhalten, so musste der durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit frei gewordene Arbeitsplatz wieder besetzt werden.28 Zu den Anforderungen an den Wiederbesetzer und an den Nachweis der Wiederbesetzung vgl. Vorauflage Rz. 6 ff. 5. Kontinuitäts- und Blockmodell Die Altersteilzeit kann als laufende Verkürzung der Arbeitszeit (Kontinuitätsmodell) oder als Blockmodell29 gestaltet werden dergestalt, dass der Altersteilzeiter zunächst voll weiterarbeitet, entsprechend dem Teilzeitanteil aber früher von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Ein Anspruch auf ein bestimmtes Modell bzw. ein entsprechendes Wahlrecht kann sich aus einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben.30 Beschränkt der Arbeitnehmer sein Angebot auf Altersteilzeit auf ein bestimmtes Modell, kann der Arbeitgeber es nur in dieser Form annehmen.31 In beiden Modellen erhält der Arbeitnehmer über die gesamte Laufzeit der Altersteilzeit die Leistungen des Arbeitgebers gemäß der reduzierten Arbeitszeit nach Rz. 4. Bislang war im Blockmodell während der Freistellungsphase spiegelbildlich dieselbe tarifliche Vergütungsgruppe zugrunde zu legen, nach der während der Arbeitsphase die Vergütung bemessen worden war.32 Inwieweit dies nach neuerer Rechtsprechung noch gilt, ist fraglich.33 Prinzipiell kommt es wohl auf die Vereinbarungen der Parteien an; fehlen besondere Regelungen, deutet diese Rechtsprechung darauf hin, dass Altersteilzeitbeschäftigte ebenso an Gehaltserhöhungen teilnehmen wie normale Teilzeitbeschäftigte.34 Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis wird regelmäßig auf bestimmte Zeit abgeschlossen; gemäß § 8 Abs. 3 AltTZG besteht eine besondere Befristungsmöglichkeit für den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Altersrente hat.35 28 Bei fehlender Arbeitgeberidentität infolge eines Widerspruchs gegen einen Betriebsübergang des Altersteilzeitberechtigten erfolgen keine Leistungen nach dem AltTZG, BSG v. 23.2.2011, NZA-RR 2011, 492. 29 Beschränkt ein Tarifvertrag zur Altersteilzeit den Anspruch des Arbeitnehmers nicht auf ein bestimmtes Modell, so besteht ein Wahlrecht, BAG v. 12.8.2008, DB 2008, 2839. 30 Nach dem TV ATZ besteht jedoch kein entsprechendes Wahlrecht, sondern nur die Verpflichtung des Arbeitgebers, nach billigem Ermessen zu entscheiden, vgl. BAG v. 12.4.2011 – 9 AZR 19/10, NZA 2011, 1044. 31 Vgl. BAG v. 17.8.2010, ZTR 2010, 637 zum TV ATZ. 32 Eine Sonderzuwendung war auch in der Freistellungsphase unabhängig von dem mit ihr verfolgten Zweck spiegelbildlich in der gleichen Höhe zu zahlen wie während der Arbeitsphase, vgl. BAG v. 4.10.2005, DB 2006, 1167. Jedoch nahmen Arbeitnehmer in der Freistellungsphase nicht am Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT teil, da die notwendige Bewährungszeit nicht in der Arbeitsphase vorgeleistet werden kann, vgl. BAG v. 4.5.2010 – 9 AZR 184/09, NZA 2011, 644. Auch entsprachen Erfolgsanteile in der Freistellungsphase in der Regel den Erfolgsanteilen in der Ansparphase, BAG v. 21.9.2010, NZA-RR 2011, 448. Gleiches galt für tarifvertraglich in der Arbeitsphase nur hälftig auszuzahlendes Urlaubsgeld, BAG v. 16.11.2010, ZTR 2011, 218, sowie nur hälftig ausgezahlte Ortszuschläge, BAG v. 20.3.2012 – 9 AZR 489/10, NZA 2012, 1169. 33 Vgl. BAG v. 22.5.2012, AP Nr. 57 zu § 1 TVG Altersteilzeit, wonach aus der Spiegelbildtheorie nicht folge, dass erst in der Freistellungsphase erfolgende Erhöhungen der regelmäßigen Vergütung nicht zu zahlen sind. Hinsichtlich der Höhe der Teilzeitvergütung soll es vielmehr auf die jeweilige (tarif) vertragliche Regelung ankommen. 34 Im Fall des BAG v. 22.5.2012, AP Nr. 57 zu § 1 TVG Altersteilzeit differenzierte der Tarifvertrag nicht zwischen Arbeits- und Freistellungsphase bzw. zwischen Teilzeit- und Altersteilzeitbeschäftigten, so dass die Regelungen für Teilzeitbeschäftigte auch für Altersteilzeitbeschäftigte galten; ähnlich auch LAG Berlin-Brandenburg – 4 Sa 1380/12 (bestätigt durch BAG v. 22.7.2014, ZTR 2014, 606, Rz. 11 ff.), das explizit darauf abstellt, dass in der Arbeitsphase ein Zeit- und kein Geldguthaben erarbeitet werde, welches anschließend in der Freistellungsphase bei fortlaufender Bezahlung inklusive etwaiger Erhöhungen durch Freistellung ausgeglichen werde. 35 Grundsätzlich handelt es sich beim Abstellen auf das Erreichen einer Altersgrenze um eine Zeit- oder Zweckbefristung, da der Eintritt zu einem bestimmten Zeitpunkt sicher ist. Jedoch ist der praktische

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Kap. 7 Rz. 8

Altersteilzeit

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Der Ausgleichszeitraum beträgt im Blocksystem drei Jahre, § 2 Abs. 2 AltTZG. Ein längerer Ausgleichszeitraum bis zu sechs Jahren ist nur dort möglich, wo ein (Haus-)Tarifvertrag dies zulässt, indem er entweder selbst eine Regelung oder eine Öffnungsklausel enthält. Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber kann auch durch Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag tarifliche Regelungen mit einem längeren Ausgleichszeitraum übernehmen. Bei einer tariflichen Öffnungsklausel kann der längere Ausgleichszeitraum auch durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Dies gilt entsprechend, wenn der Arbeitnehmer nicht tarifgebunden ist. Besteht kein Betriebsrat, so kann der längere Ausgleichszeitraum im Geltungsbereich eines Tarifvertrages auch durch Individualvereinbarung übernommen werden (zu Einzelheiten vgl. § 2 Abs. 2 AltTZG).

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Existiert keine tarifvertragliche Regelung über die Verteilung der Arbeitszeit und ist eine solche auch nicht tarifüblich gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG, so kann ein bis zu sechsjähriger Ausgleichszeitraum durch Betriebsvereinbarung oder, wenn ein Betriebsrat nicht besteht, einzelvertraglich vereinbart werden, § 2 Abs. 2 Satz 5 AltTZG. Grund für diese formalen Anforderungen sind die erhöhten Risiken des Arbeitnehmers bei längeren Ausgleichszeiträumen. § 8a AltTZG verlangt von den Vertragsparteien daher auch geeignete Sicherungen der Wertguthaben (vgl. Rz. 19).

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Hat der Arbeitnehmer bei Beginn der Freistellungsphase im Blockmodell noch nicht erfüllte Urlaubsansprüche, so sind diese nicht abzugelten, weil der Wechsel in die Freistellungsphase keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. Der Arbeitnehmer kann lediglich zum Zweck der Urlaubsgewährung von seiner Arbeitspflicht freigestellt werden.36

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Wichtig: Dringend abzuraten ist von einer Freistellung des Arbeitnehmers im Blockmodell schon für die Arbeitsphase. Sie führt zur Beendigung des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses mit der Folge, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Rente nach Altersteilzeit hat, möglicherweise ist auch die Befristung des Vertrages nicht mehr von § 8 Abs. 3 AltTZG gedeckt. Der Arbeitnehmer kann eine solche Vereinbarung sogar anfechten, wenn der Arbeitgeber ihn nicht auf die entsprechenden Risiken hingewiesen hat.37

6. Status 12

Nach Maßgabe von § 7 Abs. 1a SGB IV besteht auch während der Freistellungsphase (zweiter Block) ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, auch wenn der Arbeitnehmer sich in der Freistellungsphase faktisch im Ruhestand befindet. Nach Ende der Altersteilzeit wird idR keine dreimonatige Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III verhängt, denn ein wichtiger Grund für den Abschluss eines Unterschied gering, da nach § 21 TzBfG auch die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung eines Sachgrundes bedarf. § 8 Abs. 3 AltTZG geht als speziellere Vorschrift der Bestimmung des § 41 Satz 2 SGB VI vor und erfasst nicht nur die Altersrente wegen Altersteilzeit, vgl. ErfK/Rolfs, § 8 AltTZG Rz. 15 f. Wird in einem Formularvertrag der Beendigungszeitpunkt nicht deutlich herausgestellt, so kann eine überraschende oder intransparente Klausel vorliegen. Hierfür ist nicht nur auf die äußere Gestaltung der Klausel abzustellen, sondern auch auf den Verlauf der vorausgegangenen Verhandlungen über die Eingehung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und einen etwaig erteilten Hinweis an den Arbeitnehmer. Im Vertragstext muss eine solche Klausel deutlich hervorgehoben werden, vgl. BAG v. 8.8.2007, NJOZ 2008, 4217 (zum Ausnahmefall einer auflösenden Bedingung bei ungewissem Eintritt der Anspruchsberechtigung auf eine gesetzliche Altersrente wegen Schwerbehinderung, wenn eine Entscheidung über die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft noch aussteht). Vgl. im Übrigen auch M 7.1. 36 BAG v. 15.3.2005, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 13. 37 BAG v. 10.2.2004, BB 2004, 2696; dazu Kock, ArbRB 2005, 275; Oberthür, NZA 2005, 377; Abeln/Gaudernack, BB 2005, 43.

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Altersteilzeit

Rz. 15 Kap. 7

Altersteilzeitarbeitsvertrages und damit für eine Lösung des Arbeitsverhältnisses nach Ende der Freistellungsphase besteht bereits, wenn der Arbeitnehmer beabsichtigt hatte, nahtlos nach Ende der Altersteilzeit eine Altersrente zu beziehen oder er mit der Vereinbarung einer ansonsten drohenden betriebsbedingten Kündigung zuvorkommen wollte.38 Beschäftigungslosigkeit iSd. SGB III tritt jedenfalls erst nach Ende der Freistellungsphase ein, da das Arbeitsverhältnis auch in der Freistellungsphase fortbesteht. Arbeitsrechtlich ist der Altersteilzeiter in der Freistellungsphase des Blockmodells nicht mehr Arbeitnehmer des Betriebes und daher auch nicht mehr wählbar zum Betriebsrat39 oder als Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat.40 Mangels Bindung an den Betrieb dürfte damit auch die aktive Wahlberechtigung entfallen.41 Sowohl die Arbeitsphase als auch die Freistellungsphase steigert die Rentenansprüche fast in gleicher Höhe wie bei einer aktiven Arbeitstätigkeit während der gesamten Zeit. Ansonsten ist das Altersteilzeitverhältnis ein Arbeitsverhältnis. Es kann nur freiwillig vereinbart werden; eine Änderungskündigung in die Altersteilzeit ist unwirksam, § 8 Abs. 1 AltTZG. Es kann ausgestaltet sein als Teilzeitarbeitsverhältnis, Abrufarbeitsverhältnis oder auch als Job-Sharing (siehe Kap. 6 Rz. 42 ff., 97 ff. sowie M 6.2.1, M 6.4.1 f., M 6.5).

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7. Dauer Die maximale Förderungsdauer bei laufender Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit beträgt sechs Jahre, § 4 Abs. 1 AltTZG. Wird Altersteilzeit für mehr als sechs Jahre vereinbart, so können die Arbeitsvertragsparteien die Lage des Förderungszeitraumes innerhalb des Gesamtzeitraumes bestimmen. Die gesetzliche Förderungsregelung lief zum 31.12.2009 aus (§ 1 Abs. 2 AltTZG; Rz. 3).

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8. Störfälle Störfälle42 sind insbesondere im Blockmodell von Bedeutung. Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit erhält der Arbeitnehmer das Altersteilzeitarbeitsentgelt sowie die Aufstockungsleistungen.43 Ist der Arbeitnehmer allerdings über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus arbeitsunfähig erkrankt, so besteht kein Anspruch auf weitere Aufstockungsleistungen.44 Dann besteht auch kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iSv. § 7 Abs. 1a SGB IV mehr. Hier könnte durch anteilige Verlängerung der Arbeitsphase die notwendige neue Vorarbeit für die Freistellungsphase iSv. § 7 Abs. 1a SGB IV geleistet werden.45 Während des Bezuges von Krankengeld entfällt auch die Pflicht zur Zahlung der Aufstockungsbeträge gemäß § 3 Abs. 1 AltTZG. Zum Teil wird auch vorgeschlagen, Altersteilzeiter von Kurzarbeit auszunehmen.46

38 BSG v. 21.7.2009, BB 2009, 1693. 39 BAG v. 16.4.2003 – 7 ABR 53/02, NZA 2003, 1345, 1347; BVerwG v. 15.5.2002, AP Nr 1 zu § 10 LPVG NW; LAG Düsseldorf v. 31.10.2002, AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 6; vgl. Däubler, AiB 2001, 685, 688. 40 BAG v. 25.10.2000, DB 2001, 832 (zu § 76 BetrVG 1952). 41 BVerwG v. 15.5.2002, AP Nr 1 zu § 10 LPVG NW; aA Däubler, AiB 2001, 685, 689. 42 Dazu Rittweger, DStR 2001, 1394; Hoß, ArbRB 2002, 28. 43 BAG v. 15.8.2006, EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 22. 44 BAG v. 15.8.2006, EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 22. 45 Hoß, ArbRB 2002, 28. 46 Hoß, ArbRB 2002, 28, 29.

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Kap. 7 Rz. 16

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Eine vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit, die auch in der Freistellungsphase nicht ausgeschlossen ist,47 könnte dadurch abgesichert werden, dass der Mitarbeiter bzw. seine Erben bei der vorzeitigen Beendigung der Altersteilzeit einen Anspruch auf Auszahlung der Differenz zwischen dem bereits gezahlten Altersteilzeitentgelt und der Vergütung für die Zeit der tatsächlichen Beschäftigung haben, die ohne Eintritt in die Altersteilzeit angefallen wäre. Dieses Wertguthaben ist vollständig in allen Sozialversicherungszweigen zu verbeitragen, § 23b Abs. 2 SGB IV. Dies kann bei mehrjährigen Laufzeiten zu erheblichen Belastungen führen, weil Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Anteil fällig wird, und zwar in der Altersteilzeit regelmäßig aus dem hälftigen Entgelt.48 Die genaue Berechnung ergibt sich aus § 23b Abs. 2 SGB IV. Nach § 23b Abs. 3a SGB IV gilt das Wertguthaben jedoch nicht als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, wenn die Altersteilzeitvereinbarung bestimmt, dass Wertguthaben, die wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, für Zwecke der betrieblichen Altersversorgung verwendet werden sollen. Das gilt nur dann nicht, wenn die Vereinbarung über die betriebliche Altersversorgung eine Abfindung vorsieht oder zulässt oder Leistungen im Falle des Todes, der Invalidität und des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, nicht gewährleistet sind, oder soweit bereits im Zeitpunkt der Ansammlung des Wertguthabens vorhersehbar ist, dass es nicht für Zwecke der Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden kann, § 23b Abs. 3a Nr. 1 und 2 SGB IV. Hier kann es sich also anbieten, für den Störfall die Übertragung der Wertguthaben in die betriebliche Altersversorgung vorzusehen.49

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Seit dem Inkrafttreten des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes am 1.7.2014 (Rz. 1) kommt ein weiterer möglicher Störfall in Betracht: Viele Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zur Altersteilzeit sehen vor, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer eine ungeminderte Rente wegen Alters beanspruchen kann. In diesen Fällen würde das Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit Vorliegen der Voraussetzungen für die „Rente mit 63“ gem. § 263b SGB VI enden. Will der Arbeitgeber, dass die vorzeitige Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses aufgrund dieses Umstands eintritt, muss er dies dem Arbeitnehmer mindestens zwei Wochen vor Eintritt der auflösenden Bedingung mitteilen.50 Bei unwidersprochener Weiterarbeit besteht das Altersteilzeitverhältnis bis zum vertraglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt fort.51 Tritt die vorzeitige Beendigung auf diese Weise ein oder nimmt ein Arbeitnehmer in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell die „Rente mit 63“ auf Antrag in Anspruch, kann das in der Arbeitsphase angesparte Wertguthaben in der Freistellungsphase durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr vollständig aufgebraucht werden.

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Der Arbeitnehmer hat bei vorzeitiger Beendigung als Ausgleich für die von ihm in der Arbeitsphase erbrachte Vorleistung Anspruch auf die Differenz zwischen der ausgezahlten und der bis zur Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses erarbeiteten Vergütung.52 Bei einer Rückabwicklung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses werden die Anteile des in der Arbeitsphase gesammelten Guthabens abzüglich des bereits ausgezahlten Wertguthabens und der

47 48 49 50 51 52

BAG v. 5.12.2002 – 2 AZR 571/01, NZA 2003, 789. Rittweger, DStR 2001, 1394. Rittweger, DStR 2001, 1394. Koch, BB 2014, 1589, 1591. Koch, BB 2014, 1589, 1591. BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 146/03, NZA 2004, 860; BFH v. 15.12.2011, NZA-RR 2012, 370, 371.

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Rz. 21 Kap. 7

Aufstockungsbeiträge an den Arbeitnehmer ausgezahlt.53 Andere Rückabwicklungsmodalitäten sind abhängig von einzelvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelungen. 9. Insolvenzsicherung Gemäß § 8a Abs. 1 AltTZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Wertguthaben aus der Altersteilzeitvereinbarung einschließlich des auf sie entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gegen das Risiko seiner eigenen Insolvenz abzusichern54, soweit das Wertguthaben des Beschäftigten den Betrag des Dreifachen des Regelarbeitsentgelts einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag übersteigt.55 Diese Verpflichtung besteht gemäß § 8a Abs. 3 AltTZG bereits mit der ersten Gutschrift, dh. ab dem Zeitpunkt, in dem der zu sichernde Anspruch auf das in der Entsparphase (beim Blockmodell also der Freistellungsphase) auszuzahlende Arbeitsentgelt entsteht.56 Das Wertguthaben ist einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß § 7d Abs. 1 SGB IV als Entgeltguthaben zu führen. Gemäß § 8a Abs. 2 AltTZG ist bei der Bemessung des Wertguthabens eine Gegenrechnung bereits gezahlter Aufstockungsbeträge ausgeschlossen.57

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Das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze v. 29.12.2008 (sog. Flexi-II-Gesetz) erfasst auch Wertguthaben, die ein Altersteilzeiter im Blockmodell während der Arbeitsphase für Zeiten der Freistellung anspart, vgl. § 7c Abs. 1 Nr. 2a SGB IV.58 Damit finden insbesondere die Bestimmungen zur Führung und Anlage der Wertguthaben einschließlich der Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gemäß § 7d SGB IV und der Möglichkeit zur Übertragung des Wertguthabens auf einen neuen Arbeitgeber oder die Deutsche Rentenversicherung Bund gemäß § 7f SGB IV Anwendung.59 Für die Anlage von Wertguthaben aus Altersteilzeit gelten zudem Beschränkungen bei der Anlage in Aktien gemäß § 7d Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB IV.

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Zu den Sicherungsinstrumenten60 bei Altersteilzeit enthält § 8a Abs. 1 Satz 2 AltTZG einen Negativkatalog, der bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen begründete Einstandspflichten (Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte) als Sicherungsinstrumente ausschließt. Als Sicherungsmodelle in Betracht kommen hingegen Bankbürgschaften, Absicherungen im Wege dinglicher Sicherheiten (zB Verpfändungen von Wertpapieren, insbesondere Fondsanteilen oder auch Ansprüchen aus Rückdeckungsversicherungen61) zugunsten der Arbeitnehmer, zunehmend genutzt wird auch die Auslagerung auf Contractual Trust Arrangements (CTAs) im Wege ein- bzw. mehrstufiger Treuhandkonstruktionen oder dem Modell der doppelseitigen Treuhand, bei der Wertguthaben auf einem gemeinsamen Konto

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53 Schmid, schnellbrief Arbeitsrecht, 18/2014, 140, 141, vgl. zur Abrechnung von Störfällen auch ErfKRolfs, § 8 AltTZG Rz. 8 sowie zur steuerrechtlichen Behandlung dieser Ausgleichszahlung BFH v. 15.12.2011, NZA-RR 2012, 370. 54 Raffler, FA 2011, 360; Wiezer, AuA 2005, 105 mit zahlreichen instruktiven Beispielen; Perreng, FA 2005, 333; Höfer, DB 2004, 2057. 55 BT-Drucks. 15/1515, S. 64, 134. 56 BT-Drucks. 15/1515, S. 64, 134. 57 Eine vertragliche Vereinbarung, die eine Gegenrechnung bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Störfall) vorsieht, ist allerdings zulässig, LAG Hamm v. 12.12.2007, NZA-RR 2008, 462. 58 Dies ergibt der Umkehrschluss aus § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AltTZG, der den Insolvenzschutz nach § 7e SGB IV für unanwendbar erklärt, vgl. Hanau/Veit, NJW 2009, 182, 184 sowie die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/10289, S. 15. 59 Hierzu Rolfs/Witschen, NZS 2009, 295, 299 ff. und 302 f. 60 Vgl. auch Koller-van Delden, DStR 2008, 1835. 61 Wiezer, AuA 2005, 105.

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Kap. 7 Rz. 22

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des Treuhänders angelegt und verwaltet werden.62 Da Wertguthaben nicht in den Bereich der betrieblichen Altersversorgung fallen, scheidet eine Insolvenzsicherung durch den Pensionssicherungsverein (PSVaG) aus. Ausdrücklich keine Anwendung finden gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AltTZG die Bestimmungen des § 7e SGB IV über die Insolvenzsicherung von Wertguthaben. Dies schließt die dort vorgesehene Überprüfung des obligatorischen Insolvenzschutzes durch den Träger der Rentenversicherung, die Haftung organschaftlicher Vertreter für einen nicht geeigneten oder ausreichenden Insolvenzschutz und die Verpflichtung zur Insolvenzsicherung bereits ab Erreichen der monatlichen Bezugsgröße ein. Dennoch kann der Aufzählung in § 7e Abs. 2 SGB IV Hinweiswirkung für geeignete Sicherungsmittel beigemessen werden.63 22

Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf eine geeignete Insolvenzsicherung, § 8a Abs. 4 AltTZG. Über die zur Sicherung ergriffenen Maßnahmen ist der Arbeitnehmer mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform gemäß § 126b BGB zu unterrichten, wenn nicht eine andere gleichwertige Mitteilungsart zwischen den Betriebsparteien vereinbart wurde, § 8a Abs. 3 AltTZG. Weist der Arbeitgeber auf schriftliche Aufforderung des Arbeitnehmers nicht innerhalb eines Monats die Insolvenzsicherung in Textform nach, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass Sicherheit in Höhe des bestehenden Wertguthabens geleistet wird, § 8a Abs. 4 Satz 1 AltTZG. Für diese Sicherheit bestehen dann nicht die zahlreichen Möglichkeiten wie bei der Insolvenzsicherung (Rz. 19), sondern hier kommt nur die Bürgschaft oder Hinterlegung in Betracht, § 8a Abs. 4 Satz 2 und 3 AltTZG. Von den Regelungen zum Insolvenzschutz kann nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden, § 8a Abs. 5 AltTZG.

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Zum Teil wurde die Auffassung vertreten, dass Organen von Unternehmen persönliche Schadensersatzforderungen über § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 8a AltTZG drohen, wenn die gesetzlich geforderte Insolvenzsicherung nicht durchgeführt wird.64 Das BAG hat dies jedoch verneint.65 Spiegelt der Geschäftsführer einer Arbeitnehmerin allerdings wahrheitswidrig vor, die Insolvenzsicherung sei erfolgt, so haftet er im Insolvenzfall schon nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 Abs. 1 StGB.66 Auch eine Haftung des Geschäftsführers nach § 311 Abs. 3 BGB kommt in Betracht, wenn er bei Begründung des Altersteilzeitvertrages persönliches Vertrauen für die störungsfreie Durchführung des Vertrages in Anspruch genommen hat.67 Gegen eine grundsätzliche Haftung der Organvertreter bei unzureichender Insolvenzsicherung spricht jedoch, dass der Gesetzgeber § 7e SGB IV mit der dort in Abs. 7 vorgesehenen Haftung für die Insolvenzsicherung bei der Altersteilzeit nicht für anwendbar erklärt hat68 (vgl. Rz. 19).

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In der Insolvenz gilt: Wird Altersteilzeit im Blockmodell geleistet, so sind die Ansprüche, die der Arbeitnehmer in der Arbeitsphase für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung erarbeitet hat, Insolvenzforderungen. Nur die für die Zeit danach erarbeiteten Ansprüche sind Masseforderungen. Auch Zahlungen, die der Arbeitgeber während der Freistellungsphase zusätzlich zu demjenigen Teil der Arbeitsphase zu leisten hat, für den Masseforderungen entstanden sind, sind Masseforderungen.69 Die Masseforderungen umfassen sowohl das fortzuzahlende hälftige 62 BT-Drucks. 15/1515, S. 134; Langohr-Plato/Morisse, BB 2002, 2330, 2332; Ahsen/Nölle, DB 2003, 1385; Wiezer, AuA 2005, 106 ff. 63 Hanau, NZA 2009, 225, 226. 64 LAG Düsseldorf v. 10.12.2004, DB 2005, 838; Langohr-Plato/Morisse, BB 2002, 2330, 2332. 65 BAG v. 23.2.2010 – 9 AZR 44/09, NZA 2010, 1418. 66 BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 207/06, NJW 2007, 2573. 67 Im konkreten Fall allerdings abgelehnt von BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 106/06, NZA 2008, 121. 68 BAG v. 23.2.2016 – 9 AZR 293/15, NJW 2016, 2204. 69 BAG v. 30.10.2008 – 8 AZR 54/07, NZA 2009, 432; v. 23.2.2005 – 10 AZR 602/03, DB 2005, 1339; v. 19.10.2004, DB 2005, 779.

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Rz. 25 Kap. 7

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Arbeitsentgelt als auch den Aufstockungsbetrag.70 Eine monatliche Abfindungszahlung in der Altersteilzeit, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt wird, ist wie sonstige Abfindungszahlungen nicht als Entgelt zu werten und daher Insolvenzforderung, auch wenn der Anspruch erst nach Insolvenzeröffnung entsteht.71 Auch Altersteilzeit-Verhältnisse, die sich nach dem Blockmodell zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits in der Freistellungsphase befinden, gehen grundsätzlich nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Betriebserwerber über;72 dieser haftet jedoch nicht für das während der Freistellungsphase anfallende Entgelt, wenn die Arbeitsphase vor Betriebsübergang vollständig abgeschlossen ist und der Betriebserwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, da die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens insofern Vorrang beanspruchen.73 Der Verzugszinssatz für Ansprüche aus einem Altersteilzeitverhältnis beträgt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.74 70 71 72 73

BAG v. 19.10.2004, DB 2005, 779. BAG v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, NZA 2009, 89. BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 27/07, NZA 2008, 705. Diese Haftungsbeschränkung für den Betriebserwerber ist mit der Richtlinie 2001/23/EG vereinbar, vgl. BAG v. 30.10.2008 – 8 AZR 54/07, NZA 2009, 432. 74 BAG v. 23.2.2005 – 10 AZR 602/03, DB 2005, 1339.

II. Muster M 7.1

Altersteilzeit-Vertrag Kontinuitätsmodell – laufende Arbeitszeitverkürzung § 11 Beginn und Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses2

(1) Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis vom … nach Maßgabe dieser Vereinbarung ab dem …3 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fort. 1 Das Muster kann auch nach Auslaufen der Förderungsmöglichkeit durch die BA verwendet werden; die Vertragsbestimmungen, die auf §§ 4 und 5 AltTZG Bezug nehmen, haben für Verträge, bei denen die Altersteilzeit erst ab dem 1.1.2010 angetreten wurde, jedoch keine Relevanz mehr. Da eine Weiterverwendung gleichwohl im Einzelfall gewünscht sein kann, haben wir sie nicht gestrichen, sondern nur in eckige Klammern [ ] gesetzt. Vgl. dazu die Hinweise bei den einzelnen Bestimmungen. Zur Umsetzung vgl. auch AltTZG-DA, Stand 1.6.2015. Zum Erhalt der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Aufstockungsbeiträge müssen insbesondere die persönlichen Voraussetzungen von § 2 AltTZG erfüllt sein. 2 In einem Formularvertrag muss eine Klausel, die eine vorzeitige Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bei frühestmöglicher Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersrente vorsieht, nicht nur den Beendigungstatbestand hinreichend konkretisieren, sondern auch im Vertragstext deutlich hervorgehoben sein, um nicht als intransparent oder überraschend qualifiziert zu werden. Letzterem wird Genüge getan, wenn die Klausel unter die Überschrift „Beginn und Ende der Arbeitszeit“ gefasst ist, vgl. BAG v. 8.8.2007, NJOZ 2008, 4217, 4222. Vorsorglich sollten die Fälle, in denen eine Altersrente bezogen werden kann, im Einzelnen aufgezählt werden bzw. zumindest ein Verweis auf den insofern maßgeblichen § 37 SGB VI erfolgen. S. auch Einf. Rz. 1. 3 Datum nach Vollendung des 55. Lebensjahres, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG. Soweit die Voraussetzungen der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG nicht gem. § 16 AltTZG vor dem 1.1.2010 vorlagen, besteht nach der Befristung des subventionsrechtlichen Teils des Gesetzes kein Anspruch des Arbeitgebers mehr auf die Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach §§ 4 ff. AltTZG, vgl. Einf. Rz. 3. Je nach Dauer der Altersteilzeit und individuellem Rentenbezugsalter – zur Erhöhung und Herabsetzung des Rentenbezugsalters Einf. Rz. 1 Fn. 4 – kann zur Gewährleistung eines nahtlosen Übergangs in eine Altersrente Altersteilzeit im konkreten Fall auch erst für einen späteren Zeitraum vereinbart werden.

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Kap. 7

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(2) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet ohne Kündigung am …4 Es endet ferner vorzeitig, [– mit Ablauf der Kalendermonats, in dem der Arbeitnehmer die Altersteilzeitarbeit beendet],5 – mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters (Regelaltersrente, Altersrente für langjährig Versicherte, [evtl.: Altersrente für besonders langjährig Versicherte] für schwerbehinderte Menschen, für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, nach Altersteilzeitarbeit oder für Frauen),6 eine Knappschaftsausgleichsleistung, eine ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art oder, wenn er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist, eine vergleichbare Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens beanspruchen kann,7 [– wenn der Anspruch auf die Altersteilzeitleistungen gemäß § 9 erlischt.] – mit dem Tod des Arbeitnehmers. (3) Der Arbeitnehmer übergibt dem Arbeitgeber bei Abschluss dieses Vertrages eine Rentenauskunft des zuständigen Rentenversicherungsträgers, aus der sich der Zeitpunkt ergibt, zu dem der Arbeitnehmer erstmals eine Rente beanspruchen kann. (4) Das Recht zur Kündigung nach Maßgabe des Arbeitsvertrages und der Gesetze bleibt unberührt.8

§ 2 Arbeitsgebiet9 (1) Mit Beginn der Altersteilzeit übt der Arbeitnehmer die Tätigkeit als … aus. oder (1) Die Tätigkeit des Arbeitnehmers bleibt unverändert, soweit nicht Besonderheiten der Altersteilzeit Änderungen erfordern.

4 Gemäß § 8 Abs. 3 AltTZG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirksam vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung endet, sobald der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat. Für Versicherte, die ab dem 1.1.1952 geboren sind, gibt es keine Rente nach Altersteilzeitarbeit mehr, § 237 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Zu diesem Befristungsgrund s. auch Einf. Rz. 7. 5 Vgl. für Verträge, bei denen die Altersteilzeit bis zum 31.12.2009 angetreten wurde, § 5 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG. Nachdem wegen des Auslaufens der Fördermöglichkeit durch die BA eine Bezugnahme auf § 5 AltTZG ausscheidet, kann zukünftig auf eine entsprechende Bestimmung verzichtet werden. 6 Vgl. die Definition gem. § 33 Abs. 2 SGB VI; hierzu auch Schreiner, NZA 2007, 846, 847 mwN; s. auch Einf. Rz. 1 sowie Einf. Fn. 4. Eine Regelung, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet, sobald der Arbeitnehmer eine abschlagsfreie Rente wegen Alters in Anspruch nehmen kann, ist unmittelbar diskriminierend, wenn sie dazu führt, dass die Freistellungsphase eines schwerbehinderten Arbeitnehmers erheblich kürzer ist als die Arbeitsphase (vgl. BAG v. 12.11.2013, NZA 2014, 632). Das gleiche dürfte für die Altersrente für Frauen gelten (Schwab/Teschabai, DB 2016, 530). Im hier geregelten Kontinuitätsmodell dürfte sie aber mangels Freistellungsphase weiterhin zulässig sein. 7 Für Altersteilzeit, die bis zum 31.12.2009 angetreten wurde, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG. Eine tarifliche Regelung, die die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Altersteilzeit iSv. § 1 Abs. 2, 2. Spiegelstrich des Musters beschränkt, soll nach EuGH v. 20.3.2003 – Rs. C-187/00, NZA 2003, 506, wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Richtlinie 76/207/EWG europarechtswidrig sein, soweit sie, wie im Fall des EuGH, dazu führt, dass Frauen Altersteilzeit gar nicht in Anspruch nehmen können. Darin könnte auch eine Benachteiligung entgegen §§ 1, 7 AGG liegen. Das Problem verliert jedoch mit der Beschränkung der Altersrente für Frauen auf Jahrgänge bis 1951 an Bedeutung. Ein etwaiger tariflicher Anspruch auf Gewährung von Altersteilzeit selbst ist nach Maßgabe von § 315 BGB gerichtlich voll auf seine Billigkeit überprüfbar, BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, DB 2003, 1851. 8 Zur Kündigung im Blockmodell s. M 7.2 Fn. 32 (Anm. zu § 11). 9 Soweit der Arbeitgeber für eine vor dem 1.1.2010 angetretene Altersteilzeitbeschäftigung Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach §§ 4 ff. AltTZG in Anspruch nehmen möchte, sind die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Wiederbesetzung zu beachten, insbesondere soweit sie die erforderliche Identität des durch den Altersteilzeitbeschäftigten frei gemachten Arbeitsplatzes mit dem Arbeitsplatz des Wiederbesetzers betreffen, vgl. im Einzelnen Einf. Rz. 6.

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Altersteilzeit

Kap. 7

(2) Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § … des bestehenden Arbeitsvertrages auch andere zumutbare gleichwertige Arbeiten zu übertragen.

§ 3 Arbeitszeit (1) Die Arbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt im Wochendurchschnitt10 jeweils die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von … Stunden. Bei künftigen Veränderungen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird die Arbeitszeit angepasst, soweit sie damit versicherungspflichtig bleibt.11 (2) Für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wird der Arbeitnehmer montags bis donnerstags jeweils … Stunden arbeiten.12 (3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über die in Abs. 1 und 2 festgelegte Arbeitszeit hinaus notwendige zusätzliche Arbeit zu leisten, soweit sie angeordnet ist. Diese notwendige zusätzliche Arbeit ist innerhalb einer Frist von drei Monaten durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Kann der Freizeitausgleich wegen Krankheit, Urlaub oder aus ähnlichen Gründen nicht erfolgen, ist er in den darauf folgenden drei Monaten vorzunehmen. Die Mehrarbeit darf den Charakter der Altersteilzeitarbeit (Halbierung der Arbeitszeit) nicht verändern.13

§ 4 Vergütung (1) Der Arbeitnehmer erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt nach Maßgabe der gemäß § 3 reduzierten Arbeitszeit. Das Arbeitsentgelt wird unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend gezahlt. (2) Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld wird gleichfalls anteilig nach Maßgabe von Abs. 1 gezahlt.

§ 5 Aufstockungszahlungen14 (1) Der Arbeitnehmer erhält zusätzlich eine Aufstockungszahlung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG iHv. 20 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit. (2) Der Arbeitgeber entrichtet für den Arbeitnehmer zusätzlich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG in Höhe des Beitrags, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeit, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze.15 (3) Der Aufstockungsbetrag unterliegt derzeit nach § 3 Nr. 28 EStG nicht der Steuerpflicht. Der steuerfreie Aufstockungsbetrag unterliegt jedoch nach § 32b Abs. 1 Nr. 1g EStG dem Progressionsvorbehalt. Ein Ausgleich der Progressionsdifferenz durch den Arbeitgeber findet nicht statt.16 (4) Ein Ausgleich von gegebenenfalls anfallenden Rentenabschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Rente erfolgt nicht.

§ 6 Nebentätigkeitsverbot [(1) Der Arbeitnehmer darf neben seiner Altersteilzeitarbeit keine Beschäftigungen oder selbständigen Tätigkeiten ausüben, die die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschreiten. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer solchen Beschäftigung eine Lohnersatzleistung 10 Die Verteilung kann wöchentlich, monatlich oder jährlich erfolgen. 11 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG. 12 Zu möglichen Teilzeitgestaltungen vgl. M 6.2.1, zum Blockmodell vgl. sogleich M 7.2; zu den formalen Voraussetzungen für eine unterschiedliche Verteilung der Arbeitszeit über drei Jahre hinaus (zB: drei Jahre Vollarbeit, drei Jahre Freistellung – Blockmodell) s. Einf. Rz. 8 f. 13 Andernfalls wäre die Voraussetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG nicht mehr erfüllt und die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Aufstockungsbeiträge entfiele. 14 Die Aufstockungszahlungen (Altersteilzeitleistungen) sind steuer- und sozialabgabenfrei, auch soweit sie über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehen, vgl. Einf. Rz. 5. 15 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG Einf. Rz. 5. 16 S. Einf. Rz. 5.

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erhält. Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten bleiben unberücksichtigt, soweit sie der Arbeitnehmer bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit ständig ausgeübt hat. Andernfalls ruht der Anspruch auf die Aufstockungszahlungen nach § 5.17 Für die Mitteilungsund Erstattungspflichten gilt § 10.] (2) Vor Übernahme einer Nebentätigkeit hat der Arbeitnehmer die schriftliche Zustimmung der Geschäftsleitung der Firma einzuholen. Vorträge oder Veröffentlichungen bedürfen ebenfalls der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Geschäftsleitung, soweit ihr Inhalt die Interessen der Firma berühren könnte.18 [(3) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber jeden Schaden aus einer Zuwiderhandlung gegen Abs. 1 und 2 zu ersetzen.]

§ 7 Urlaub19 (1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen anteiligen Jahresurlaub von … Arbeitstagen.20 (2) Die Urlaubsplanung ist im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten festzulegen. Werden einheitliche Betriebsferien durchgeführt, so fällt der Urlaub gemäß Abs. 1 in die Betriebsferien. Der Mitarbeiter nimmt auf die betrieblichen Erfordernisse Rücksicht. Der Urlaub muss im Kalenderjahr genommen werden. Übertragungen bis zum 31.3. des Folgejahres müssen von der Geschäftsleitung genehmigt sein.

§ 8 Krankheit (1) Ist der Mitarbeiter durch Krankheit an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert, so hat er den Grund und die voraussichtliche Dauer dem Vorgesetzten bis 9.00 Uhr desselben Arbeitstages mitzuteilen. (2) Spätestens am dritten Tag der Erkrankung hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest über seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen.

[§ 9 Erlöschen des Anspruchs auf Aufstockungszahlungen Der Anspruch auf die Altersteilzeitleistungen erlischt, wenn er mindestens 150 Tage geruht hat.21 Mehrere Ruhenszeiten werden zusammengezählt Der Anspruch ruht bei Unterbrechung des Altersteilzeitverhältnisses.22] 17 Vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 3 und Abs. 4 AltTZG. Geringfügig ist die Beschäftigung gem. § 8 Abs. 1 SGB IV, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig weniger als Euro 450,– beträgt, vgl. im Einzelnen Einf. Kap. 6 Rz. 73 ff. iVm. M 6.3.1. Auch diese Bestimmung hat für einen Altersteilzeitvertrag ohne Förderungsmöglichkeit durch die BA keine Relevanz mehr. Es gelten daher allein die allgemeinen Nebentätigkeitsverbote. 18 Zur Zulässigkeit von Nebentätigkeitsbeschränkungen und ausführlicheren Formulierungsvorschlägen s. Einf. Kap. 2 Rz. 115, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“ sowie M 2.1a Ziff. 9 mwN. 19 Zu Einzelheiten und alternativen Formulierungen s. M 2.1a Ziff. 7 mwN. 20 Zu Varianten der Urlaubsvereinbarung bei Teilzeitarbeit vgl. M 6.2.1 § 4. 21 Das Ruhen des Anspruchs soll sozialversicherungs- und förderungsrechtlich unschädlich sein, Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit, Stand 1.6.2015, zu § 2 ATG, 2.2 (hier AltTZG). (18). Die Steuer- und die Sozialversicherungsfreiheit der Aufstockungsbeiträge entfällt jedoch, wenn die Voraussetzung der Altersteilzeit nach § 2 AltTZG nicht vorliegen, § 3 Nr. 28 EStG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung. Bei unzulässiger Mehrarbeit in der Freistellungsphase liegen die Voraussetzungen nach § 2 AltTZG nicht mehr vor. 22 Eine Unterbrechung des Altersteilzeitverhältnisses ist im AltTZG nicht vorgesehen. Bei der Altersteilzeit im Blockmodell soll eine Unterbrechung jedoch möglich sein bei einer betriebsbedingt notwendigen Rückkehr zur Beschäftigung mit bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit in der Arbeits- oder Freistellungsphase für einen eng begrenzten Zeitraum bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, bei Zubilligung einer Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung und bei unbezahltem Urlaub und Pflegezeit mit vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung nach § 3 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) während der Arbeitsphase. Die Altersteilzeit darf nicht über die in § 5 Abs. 1 AltTZG genannten Zeiträume des Rentenbeginns hinaus ausgedehnt werden, Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit, Stand 1.6.2015, zu § 2 ATG (hier AltTZG), 2.2. (18).

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Kap. 7

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§ 10 Mitteilungs-, Rentenantrags- und Erstattungspflichten (1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber alle Umstände und deren Änderungen, die seinen Vergütungsanspruch oder den Anspruch auf Aufstockungszahlungen berühren können, unverzüglich mitzuteilen. Er hat insbesondere den Arbeitgeber über Nebentätigkeiten zu unterrichten. (2) Der Arbeitnehmer wird frühestmöglich den Antrag auf eine Rente wegen Alters oder vergleichbarer Leistungen gemäß § 1 Abs. 2 [die zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG führen,]23 stellen und den Arbeitgeber hierüber unverzüglich unterrichten. Er wird auf Verlangen des Arbeitgebers den frühestmöglichen Zeitpunkt mitteilen, ab dem er eine solche Altersrente oder eine vergleichbare Leistung beanspruchen kann. (3) Der Arbeitgeber hat ein Zurückbehaltungsrecht an Vergütung und Aufstockungsbeträgen, wenn der Arbeitnehmer seine Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten nicht erfüllt oder die Richtigkeit oder Vollständigkeit von Angaben oder Auskünften zweifelhaft ist, die seinen Vergütungsanspruch, seinen Anspruch auf Aufstockungszahlung oder Beiträge zur Rentenversicherung berühren können. (4) Zu Unrecht empfangene Leistungen hat der Arbeitnehmer zu erstatten.

§ 11 Kündigung Die Kündigung richtet sich nach den Regelungen des Arbeitsvertrages.

§ 12 Ausschluss von Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung24 (1) Nebenabreden bestehen nicht.25 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.26

§ 13 Geltung von Arbeitsordnung und Betriebsvereinbarungen Die bestehende Arbeitsordnung27 und sämtliche Betriebsvereinbarungen sind Bestandteil des Vertrages.28

§ 14 Schlussbestimmungen29 (1) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ungültig sein oder werden, so hat dies auf die Gültigkeit des sonstigen Vertrages keinen Einfluss. [(2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom … weiter.] 23 Nach Wegfall der Fördermöglichkeit durch die BA ist § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG nicht mehr anwendbar, jedoch soll das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auch nach § 1 Abs. 2 des Mustervertrags zu dem Zeitpunkt enden, zu dem frühestmöglich eine Altersrente oder vergleichbare Leistung beansprucht werden kann, so dass der in eckige Klammer („[ ]“) gesetzte Verweis auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG entfallen sollte. 24 Zur Schriftformklausel s. Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff.; AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 25 Zur Wirksamkeit sog. Vollständigkeitsklauseln vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 18. 26 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 27 Dies ist eine statische Inbezugnahme, zu den Grenzen einer dynamischen Inbezugnahme s. Einf. Kap. 2 Rz. 99c; AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“. 28 Wird im Altersteilzeitarbeitsvertrag vereinbart, dass im Übrigen die „mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit“ gelten sollen, bringt das den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass überall dort, wo der vorformulierte Altersteilzeitvertrag keine ausdrückliche Regelung enthält, der Altersteilzeitarbeitsvertrag iVm. den sonstigen Regelungen zur Altersteilzeit gelten soll, BAG v. 18.2.2014 – 9 AZR 821/12, NZA 2014, 1036. 29 Zur AGB-Kontrolle der Schlussbestimmungen und alternativen Formulierungen s. Anm. zu M 2.1a Ziff. 13 und 14.

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Altersteilzeit

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Altersteilzeit-Vertrag – Blockmodell § 11 Beginn und Ende der Altersteilzeit

(1) Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis nach Maßgabe dieser Vereinbarung ab dem …2 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fort. (2) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet ohne Kündigung am …3 Es endet ferner, [– mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der Arbeitnehmer die Altersteilzeitarbeit beendet],4 – mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters (Regelaltersrente, Altersrente für langjährig Versicherte, [evtl.: Altersrente für besonders langjährig Versicherte] für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, nach Altersteilzeitarbeit),5 eine Knappschaftsausgleichsleistung, eine ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art oder, wenn er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist, eine vergleichbare Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens beanspruchen kann,6 – mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer eine abschlagsfreie Rente für Frauen oder für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen kann, sofern die Beendigung des Altersteilzeitvertrages zu diesem Zeitpunkt nicht dazu führt, dass die Freistellungsphase des schwerbehinderten Arbeitnehmers kürzer ist als die Arbeitsphase.7 Sollte es bei diesem Beendigungszeitpunkt zu einer Verkürzung der Freistellungsphase kommen, endet der Altersteilzeitvertrag erst mit Ablauf der nicht verkürzten Freistellungsphase. [– wenn der Anspruch auf die Altersteilzeitleistungen gemäß § 9 erlischt.] – mit dem Tod des Arbeitnehmers. (3) Der Arbeitnehmer übergibt dem Arbeitgeber bei Abschluss dieses Vertrages eine Rentenauskunft des zuständigen Rentenversicherungsträgers, aus der sich der Zeitpunkt ergibt, zu dem der Arbeitnehmer erstmals eine Rente beanspruchen kann. 1 Das Muster kann auch nach Auslaufen der Förderungsmöglichkeit durch die BA verwendet werden; die Vertragsbestimmungen, die auf §§ 4 und 5 AltTZG Bezug nehmen, haben für Verträge, bei denen die Altersteilzeit erst ab dem 1.1.2010 angetreten wurde, jedoch keine Relevanz mehr. Da eine Weiterverwendung gleichwohl im Einzelfall gewünscht sein kann, haben wir sie nicht gestrichen, sondern nur in eckige Klammern („[ ]“) gesetzt. Vgl. dazu die Hinweise bei den einzelnen Bestimmungen. Zur Umsetzung vgl. auch AltTZG-DA, Stand 1.12.2006. Zum Erhalt der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Aufstockungsbeiträge müssen insbesondere persönlichen Voraussetzungen von § 2 AltTZG erfüllt sein. 2 S. M 7.1 Fn. 5. 3 S. M 7.1 Fn. 6. 4 S. M 7.1 Fn. 7. 5 Vgl. die Definition gem. § 33 Abs. 2 SGB VI; hierzu auch Schreiner, NZA 2007, 846, 847 mwN; s. auch Einf. Rz. 1 sowie Einf. Fn. 4. 6 Für Altersteilzeit, die bis zum 31.12.2009 angetreten wurde, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG. Eine tarifliche Regelung, die die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Altersteilzeit iSv. § 1 Abs. 2, 2. Spiegelstrich des Musters beschränkt, soll nach EuGH v. 20.3.2003 – Rs. C-187/00, NZA 2003, 506, wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Richtlinie 76/207/EWG europarechtswidrig sein, soweit sie, wie im Fall des EuGH, dazu führt, dass Frauen Altersteilzeit gar nicht in Anspruch nehmen können. Darin könnte auch eine Benachteiligung entgegen §§ 1, 7 AGG liegen. Das Problem verliert jedoch mit der Beschränkung der Altersrente für Frauen auf Jahrgänge bis 1951 an Bedeutung. Ein etwaiger tariflicher Anspruch auf Gewährung von Altersteilzeit selbst ist nach Maßgabe von § 315 BGB gerichtlich voll auf seine Billigkeit überprüfbar, BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, DB 2003, 1851. 7 Die Regelung, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet, sobald der Arbeitnehmer eine abschlagsfreie Rente wegen Alters in Anspruch nehmen kann, ist unmittelbar diskriminierend, wenn sie dazu führt, dass die Freistellungsphase eines schwerbehinderten Arbeitnehmers erheblich kürzer ist als die Arbeitsphase vgl. BAG v. 12.11.2013, NZA 2014, 632). Das gleiche dürfte für die Altersrente für Frauen gelten (Schwab/ Teschabai, DB 2016, 530). Daher finden sich beide Renten nicht im Klammerzusatz im ersten Anstrich, sondern hier als Sonderregelung.

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(4) Das Recht zur Kündigung nach Maßgabe des Arbeitsvertrages und der Gesetze bleibt unberührt.8 evtl. (5) Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine etwaige Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und dem Entgelt für den Zeitraum seiner tatsächlichen Beschäftigung, das er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte. Sonntags-, Feiertagsund Nachtzuschläge bleiben außer Betracht. Bei Tod des Arbeitnehmers steht dieser Anspruch seinen Erben zu. evtl. Das Arbeitsverhältnis endet auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 263b SGB VI („Rente mit 63“) erst zum vereinbarten Termin.9 evtl. Endet das Arbeitsverhältnis vorzeitig wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, vorzeitigem Anspruch auf eine Altersrente oder Tod des Arbeitnehmers, so wird das Wertguthaben in die bestehende betriebliche Altersversorgung einbezahlt.10

§ 2 Arbeitsgebiet11 (1) Mit Beginn der Altersteilzeit übt der Arbeitnehmer die Tätigkeit als … aus. oder (1) Die Tätigkeit des Arbeitnehmers bleibt unverändert, soweit nicht Besonderheiten der Altersteilzeit Änderungen erfordern. (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer nach Maßgabe von § … des bestehenden Arbeitsvertrages auch andere zumutbare gleichwertige Arbeiten zu übertragen.

§ 3 Arbeitszeit (1) Die Arbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt im Wochendurchschnitt12 jeweils die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.13 Bei künftigen Veränderungen der bisherigen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird die Arbeitszeit angepasst, soweit sie damit versicherungspflichtig bleibt. (2) Die Arbeitszeit ist so zu verteilen, dass sie in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses geleistet wird und der Arbeitnehmer anschließend entsprechend der von ihm erworbenen Zeitguthaben von der Arbeit ohne Arbeitsverpflichtung freigestellt wird.14 8 Zur Kündigung im Blockmodell s. unten Fn. 32 (Anm. zu § 11). 9 Bei Verwendung dieser Klausel ist die Nennung der Rente für besonders langjährig Versicherte in Abs. (2) zu streichen. Soll das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auch bei Eingreifen einer vorzeitigen Rentenmöglichkeit bis zum ursprünglich vereinbarten Ende fortgesetzt werden, sollte eine solche Fortsetzungsklausel schriftlich vereinbart werden, vgl. dazu auch Koch, BB 2014, 1589, 1590. Eine solche Vereinbarung ist außerdem sinnvoll, weil der Arbeitgeber möglicherweise keinen Anspruch auf die Rückerstattung von überzahlten Aufstockungsbeiträgen bei vorzeitiger Beendigung eines Altersteilzeitverhältnisses hat. Das BAG hat generell Bedenken, Altersteilzeitarbeitnehmer zur Rückzahlung eines Negativsaldos zu verpflichten. Die Aufstockungsleistungen sind nach Ansicht des BAG Entgelt iSv. §§ 611 und 612 BGB, BAG v. 16.3.2004, AP Nr. 8 zu § 1 TVG Altersteilzeit. 10 Vgl. Einf. Rz. 15 ff.; Abs. 5 ist eine Besonderheit des Blockmodells. Auch ohne diese Regelung dürfte die bereits erdiente, aber noch nicht ausgezahlte Entgelthälfte bei vorzeitiger Beendigung zu erstatten sein, ErfK/Rolfs, § 8 AltTZG Rz. 8; Schafft, FA 2000, 370, 375. Bei Nachzahlung des Wertguthabens entstehen rückwirkend erhebliche Sozialversicherungsbeiträge gem. § 23b Abs. 2 SGB IV. Gemäß § 23b Abs. 3a SGB IV entstehen diese Sozialversicherungsbeiträge jedoch nicht, wenn die Einzahlung in eine betriebliche Altersversorgung, die den Kriterien des § 23b Abs. 3a SGB IV entspricht, vereinbart und durchgeführt wird, näher Rittweger, DStR 2001, 1394. 11 Vgl. im Einzelnen Einf. Rz. 6 und M 7.1 Fn. 11. 12 Die Verteilung kann wöchentlich, monatlich oder jährlich erfolgen. 13 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG iVm. § 6 Abs. 2 AltTZG. 14 Regelung des „Blockmodells“.

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(3) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über die in Abs. 1 und 2 festgelegte Arbeitszeit hinaus notwendige zusätzliche Arbeit zu leisten, soweit sie angeordnet ist. Diese notwendige zusätzliche Arbeit ist innerhalb einer Frist von drei Monaten durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Kann der Freizeitausgleich wegen Krankheit, Urlaub oder aus ähnlichen Gründen nicht erfolgen, ist er in den darauf folgenden drei Monaten vorzunehmen. Die Mehrarbeit darf den Charakter der Altersteilzeitarbeit (Halbierung der Arbeitszeit) nicht verändern.15

§ 4 Vergütung (1) Der Arbeitnehmer erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt nach Maßgabe der gemäß § 3 reduzierten Arbeitszeit.16 Das Arbeitsentgelt wird unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit fortlaufend gezahlt.17 evtl. (1) Das Altersteilzeitentgelt nimmt während der Arbeits- und der Freistellungsphase voll an der allgemeinen tariflichen Entwicklung teil.18 (2) Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld wird gleichfalls anteilig nach Maßgabe von Abs. 1 gezahlt.

§ 5 Aufstockungszahlungen19 (1) Der Arbeitnehmer erhält zusätzlich eine Aufstockungszahlung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1a AltTZG iHv. 20 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit. (2) Der Arbeitgeber entrichtet für den Arbeitnehmer zusätzlich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG in Höhe des Beitrags, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeit, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze.20 (3) Der Aufstockungsbetrag unterliegt derzeit nach § 3 Nr. 28 EStG nicht der Steuerpflicht. Der steuerfreie Aufstockungsbetrag unterliegt jedoch nach § 32b Abs. 1 Nr. 1g EStG dem Progressionsvorbehalt. Ein Ausgleich der Progressionsdifferenz durch den Arbeitgeber findet nicht statt.21 (4) Ein Ausgleich von gegebenenfalls anfallenden Rentenabschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Rente erfolgt nicht.

§ 6 Nebentätigkeitsverbot [(1) Der Arbeitnehmer darf neben seiner Altersteilzeitarbeit keine Beschäftigungen oder selbständigen Tätigkeiten ausüben, die die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschreiten. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer solchen Beschäftigung eine Lohnersatzleistung erhält. Beschäftigungen oder selbständige Tätigkeiten bleiben unberücksichtigt, soweit sie der Arbeitnehmer bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit ständig ausgeübt

15 Andernfalls wäre die Voraussetzung von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG nicht mehr erfüllt und die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Aufstockungsbeiträge entfiele. 16 Auch in der Freistellungsphase erfolgende Tariferhöhungen sind an den Altersteilzeitarbeitnehmer zu zahlen, BAG v. 17.11.2015 – 9 AZR 509/14, BeckRS 2016, 66948; v. 22.7.2014 – 9 AZR 946/12, ZTR 2014, 606; v. 22.5.2012, AP Nr. 57 zu § 1 TVG Altersteilzeit; allerdings können die Tarifparteien diesen Anspruch diskriminierungsfrei ausschließen, BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 564/14, NZA 2016, 776 m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2016, 324. 17 Diese Klarstellung ist aufgrund des Blockmodells erforderlich. 18 S. Fn. 16. Die Regelung ist bei Tarifbindung wohl nur deklaratorisch, weitergehend wohl BAG v. 15.3.2005, NZA 2005, 896. 19 Die Aufstockungszahlungen (Altersteilzeitleistungen) sind steuer- und sozialabgabenfrei, auch soweit sie über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehen, Einzelheiten s. Einf. Rz. 5. 20 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1b AltTZG, Einzelheiten s. Einf. Rz. 5. 21 S. Einf. Rz. 5.

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hat. Andernfalls ruht der Anspruch auf die Aufstockungszahlungen nach § 5.22 Für die Mitteilungsund Erstattungspflicht gilt § 10.] (2) Vor Übernahme einer Nebentätigkeit hat der Arbeitnehmer die schriftliche Zustimmung der Geschäftsleitung der Firma einzuholen. Vorträge oder Veröffentlichungen bedürfen ebenfalls der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Geschäftsleitung, soweit ihr Inhalt die Interessen der Firma berühren könnte.23 [(3) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber jeden Schaden aus einer Zuwiderhandlung gegen Abs. 1 und 2 zu ersetzen.]

§ 7 Urlaub24 (1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von … Arbeitstagen. Der Urlaub wird nur für jeden vollen Beschäftigungsmonat gewährt.25 (2) Die Urlaubsplanung ist im Einvernehmen mit dem Vorgesetzten festzulegen. Werden einheitliche Betriebsferien durchgeführt, so fällt der entsprechende Teil des Urlaubs in die Betriebsferien. Der Mitarbeiter nimmt auf die betrieblichen Erfordernisse Rücksicht. Der Urlaub muss im Kalenderjahr genommen werden. Übertragungen bis zum 31.3. des Folgejahres müssen von der Geschäftsleitung genehmigt sein. (3) Urlaubsansprüche gelten mit der Freistellung als erfüllt. Für das Kalenderjahr des Wechsels in die Freistellungsphase wird der Anspruch auf Urlaub anteilig für die Arbeitsphase berechnet.26

§ 8 Krankheit (1) Ist der Mitarbeiter durch Krankheit an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert, so hat er den Grund und die voraussichtliche Dauer dem Vorgesetzten bis 9.00 Uhr desselben Arbeitstages mitzuteilen. (2) Spätestens am dritten Tag der Erkrankung hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest über seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer vorzulegen. (3) Soweit eine Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters während der Arbeitsphase den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum überschreitet, verschiebt sich der Beginn der Freistellungsphase um die Hälfte des über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgehenden Zeitraums. Das festgelegte Ende der Altersteilzeit bleibt von der Verkürzung der Freistellungsphase unberührt.27 Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer während der gesamten aktiven Phase arbeitsunfähig war.28

22 23 24 25

S. M 7.1 Fn. 19. S. M 7.1 Fn. 20. S. M 7.1 Fn. 21. Aufgrund des Blockmodells ist diese Regelung abgewandelt gegenüber § 7 Abs. 1 des M 7.1. Gemäß BAG v. 16.10.2012 – 9 AZR 234/11, NZA 2013, 575 m. Anm. Kern, FD-ArbR 2013, 342770, begründet der Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsabgeltung; in diesem Fall besteht daher nur in den tarifvertraglich ausdrücklich geregelten Fällen ein Abgeltungsanspruch. 26 Klarstellung aufgrund der Besonderheiten des Blockmodells. Bei dem Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase entsteht kein Urlaubsabgeltungsanspruch, weil das Arbeitsverhältnis nicht beendet wird; der Arbeitnehmer kann lediglich zum Zwecke der Urlaubsgewährung von seiner Arbeitspflicht freigestellt werden, BAG v. 15.3.2005, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 13. Nach aA sind etwaige Urlaubsansprüche jedenfalls durch die Freistellungsphase abgegolten, LAG BW v. 11.12.2000, AiB 2000, 382; LAG Hamburg v. 26.6.2002, DB 2002, 2442. 27 Vgl. Einf. Rz. 15 ff.; Hoß, ArbRB 2002, 28. 28 Für die Zulässigkeit einer solchen Einschränkung spricht LAG Köln v. 11.5.2001, NZA-RR 2002, 580.

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[§ 9 Erlöschen des Anspruchs auf Aufstockungszahlungen Der Anspruch auf die Altersteilzeitleistungen erlischt, wenn er mindestens 150 Tage geruht hat.29 Mehrere Ruhenszeiten werden zusammengezählt. Der Anspruch ruht bei Unterbrechung des Altersteilzeitverhältnisses.30]

§ 10 Mitteilungs-, Rentenantrags- und Erstattungspflichten (1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber alle Umstände und deren Änderungen, die seinen Vergütungsanspruch oder den Anspruch auf Aufstockungszahlungen berühren können, unverzüglich mitzuteilen. Er hat insbesondere den Arbeitgeber über Nebentätigkeiten zu unterrichten. (2) Der Arbeitnehmer wird frühestmöglich den Antrag auf eine Rente wegen Alters oder vergleichbarer Leistungen gemäß § 1 Abs. 2 [‚die zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG führen‘]31 stellen und den Arbeitgeber hierüber unverzüglich unterrichten. Er wird auf Verlangen des Arbeitgebers den frühestmöglichen Zeitpunkt mitteilen, ab dem er eine solche Altersrente oder eine vergleichbare Leistung beanspruchen kann. (3) Der Arbeitgeber hat ein Zurückbehaltungsrecht, wenn der Arbeitnehmer seine Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten nicht erfüllt oder die Richtigkeit oder Vollständigkeit von Angaben oder Auskünften zweifelhaft ist, die seinen Vergütungsanspruch, seinen Anspruch auf Aufstockungszahlung oder Beiträge zur Rentenversicherung berühren können. (4) Zu Unrecht empfangene Leistungen hat der Arbeitnehmer zu erstatten.

§ 11 Kündigung (1) Die Kündigung richtet sich nach den Regelungen des Arbeitsvertrages. evtl. (2) Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, ab dem der Arbeitnehmer von der Arbeit freigestellt ist, nicht betriebsbedingt kündigen.32

29 Das Ruhen des Anspruchs soll sozialversicherungs- und förderungsrechtlich unschädlich sein, Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit, Stand 1.6.2015, zu § 2 ATG (hier AltTZG), 2.2. (18). Die Steuer- und die Sozialversicherungsfreiheit der Aufstockungsbeiträge entfällt jedoch, wenn die Voraussetzung der Altersteilzeit nach § 2 AltTZG nicht vorliegen, § 3 Nr. 28 EStG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung. Bei unzulässiger Mehrarbeit in der Freistellungsphase liegen die Voraussetzungen nach § 2 AltTZG nicht mehr vor. 30 Eine Unterbrechung des Altersteilzeitverhältnisses ist im AltTZG nicht vorgesehen. Bei der Altersteilzeit im Blockmodell soll eine Unterbrechung jedoch möglich sein bei einer betriebsbedingt notwendigen Rückkehr zur Beschäftigung mit bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit in der Arbeits- oder Freistellungsphase für einen eng begrenzten Zeitraum bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, bei Zubilligung einer Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung und bei unbezahltem Urlaub und Pflegezeit mit vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung nach § 3 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) während der Arbeitsphase. Die Altersteilzeit darf nicht über die in § 5 Abs. 1 AltTZG genannten Zeiträume des Rentenbeginns hinaus ausgedehnt werden, Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit, Stand 1.6.2015, zu § 2 ATG (hier AltTZG), 2.2. (18). 31 Vgl. M 7.1 Fn. 25. 32 Gemäß BAG v. 5.12.2002 – 2 AZR 571/01, NZA 2003, 789 ist eine ordentliche Kündigung auch in der Freistellungsphase nicht ausgeschlossen. Eine betriebsbedingte Kündigung scheidet allerdings aus, da mangels Beschäftigung des Arbeitnehmers ein dringendes betriebliches Erfordernis, das der Weiterbeschäftigung entgegensteht, nicht bestehen kann. Eine betriebsbedingte Kündigung während der Arbeitsphase ist im Blockmodell jedoch zulässig, sofern nicht ausnahmsweise die Kündigung zu unverhältnismäßigen Nachteilen für den Arbeitnehmer führt, während der Vorteil für den kündigenden Arbeitgeber gering ist, BAG v. 16.6.2005 – 6 AZR 476/04, NZA 2006, 270. Insoweit ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Regelung tatsächlich aufgenommen werden soll, da sie das Kündigungsrecht des Arbeitgebers beschränkt.

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§ 12 Arbeitszeitkonto33 (1) Der Arbeitgeber führt für den Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto als Wertguthabenkonto gemäß § 7d SGB IV. Die Arbeitszeitguthaben werden in Arbeitsentgelt umgerechnet. Die Wertguthaben werden als Arbeitsentgeltguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag geführt. (2) Der Arbeitgeber unterrichtet den Arbeitnehmer mindestens einmal jährlich in Textform über die Höhe seines im Wertguthaben enthaltenen Arbeitsentgeltguthabens.34

§ 13 Insolvenzsicherung35 (1) Der Arbeitgeber wird spätestens zum … eine Bankbürgschaft zugunsten des Arbeitnehmers über die Höhe des während der Arbeitsphase aufzubauenden Wertguthabens bei der … Bank abschließen. (2) Die Bürgschaftsurkunde wird bis zum … dem Mitarbeiter ausgehändigt. (3) Die Kosten der Bürgschaft trägt die Gesellschaft. (4) Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform nach.36

§ 14 Ausschluss von Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung37 (1) Nebenabreden bestehen nicht.38 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.39

§ 15 Geltung von Arbeitsordnung und Betriebsvereinbarungen Die bestehende Arbeitsordnung40 und sämtliche Betriebsvereinbarungen sind Bestandteil des Vertrages.41

§ 16 Schlussbestimmungen42 (1) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ungültig sein oder werden, so hat dies auf die Gültigkeit des sonstigen Vertrages keinen Einfluss. (2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Arbeitsvertrages vom … weiter. 33 Die Regelungen des § 7d SGB IV gelten auch für die Altersteilzeit, so dass Wertguthaben als Arbeitsentgeltguthaben zu führen sind; zu weiteren Varianten s. M 6.8 § 7. 34 § 7d Abs. 2 SGB IV. 35 Vgl. Einf. Rz. 19; § 7e SGB IV gilt gem. § 8a Abs. 1 AltTZG nicht, kann aber zur Orientierung dienen; zu Alternativen unter Berücksichtigung von § 7e SGB IV s. M 6.8 §§ 7 ff. 36 § 8a Abs. 3 Satz 1 AltTZG, Abweichungen durch Betriebsvereinbarung sind möglich, § 8a Abs. 3 Satz 2 AltTZG. 37 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 38 Zur Wirksamkeit sog. Vollständigkeitsklauseln vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 18. 39 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 40 Dies ist eine statische Inbezugnahme, zu den Grenzen einer dynamischen Inbezugnahme s. Einf. Kap. 2 Rz. 99c; AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“. 41 Wird im Altersteilzeitarbeitsvertrag vereinbart, dass im Übrigen die „mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarten betrieblichen Regelungen zur Altersteilzeit“ gelten sollen, bringt das den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, dass überall dort, wo der vorformulierte Altersteilzeitvertrag keine ausdrückliche Regelung enthält, der Altersteilzeitarbeitsvertrag iVm den sonstigen Regelungen zur Altersteilzeit gelten soll, BAG v. 18.2.2014 – 9 AZR 821/12, NZA 2014, 1036. 42 Zur AGB-Kontrolle der Schlussbestimmungen und alternativen Formulierungen s. M 2.1a Ziff. 11 und 13 m. Anm.

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Kap. 8

Kapitel 8 I. 1. 2. 3. 4.

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auszubildende . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktikanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortbildungsverträge . . . . . . . . . . . . . . a) AGB-Kontrolle von Rückzahlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kollektivvertragliche Rückzahlungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _

. 1 . 2 . 14 . 22 . 27 . 29 . 40

II. Muster Berufsausbildungsvertrag (ausführliche Form) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufsausbildungsvertrag (kurze Form) Allgemeiner Praktikantenvertrag . . . . Praktikantenvertrag für Schüler und Studenten (Pflichtpraktikum) . . . . . . . Werkstudentenvertrag . . . . . . . . . . . . Traineevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _

. .M . . 8.1.1 . .M . . 8.1.2 . . .M . 8.2 . . .M . 8.3 . . .M . 8.4 . . .M . 8.5 . . .M . 8.6

Literatur: Bayreuther, Der gesetzliche Mindestlohn, NZA 2014, 865; Blaha/Mehlich, Unbefristeter Arbeitsvertrag durch Wahl? – Vertragsfreiheit contra „Azubi-Schutz“, NZA 2005, 667; Benecke, Maßnahmen zur Feststellung und Förderung der Berufsausbildungsfähigkeit versus Verbot des „Anlernvertrags“, NZA 2012, 646; Berlinger/Schuster, Förderung der beruflichen Bildung, Loseblatt; Brecht-Heitzmann, Rechtlicher Status von Studierenden dualer Studiengänge, AuR 2009, 389; Burkard-Pötter/Sura, Das Praktikum im neuen Gewand – Praxiseinblicke zwischen Mindestlohn und prekärem Beschäftigungsverhältnis, NJW 2015, 517; Dorth, Gestaltungsgrenzen bei Aus- und Fortbildungskosten betreffenden Rückzahlungsklauseln, RdA 2013, 287; Düwell, Neue Regeln für Praktikanten: Qualitätsrahmen der EU, Mindestlohngesetz und Änderungen des Nachweisgesetzes, DB 2014, 2047; Düwell/Ebeling, Rückzahlung verauslagter Bildungsinvestitionen, DB 2008, 406; Elking, Rückzahlungsklauseln bei Fortbildungskosten – die aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung, BB 2014, 885; Ferme, Praktikantenverträge, AuA 2007, 456; Foerster, Beschäftigung von Schülern und Studenten, AuA 2007, 460; Fuhlrott/Gömöry, Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen, FA 2012, 133; Gehlhaar, Gesetzliche Wartezeitregelungen bei der Übernahme von Auszubildenden, DB 2011, 5901; Günther, Rückzahlungsklauseln in Arbeitsverträgen, öAT 2014, 137; Grimm/Linden, Teures Scheinpraktikum, ArbRB 2014, 51; Haratsch/Holljesiefken, Studentische Hilfskraft auf Lebenszeit? – Die Befristung von Arbeitsverträgen mit studentischen Hilfskräften, NZA 2008, 207; Herkert, Berufsbildungsgesetz: Kommentar, Loseblatt; Hirdina, Rechtsfragen zur Kündigung eines Praktikumsvertrages, NZA 2008, 916; Hirdina, Arbeitgeberkündigung während der Probezeit eines Ausbildungsverhältnisses, NZA-RR 2010, 65; Houben, Tarifvertragliche Ansprüche auf Übernahme in eine Arbeitsverhältnis – Chance oder Risiko für Auszubildende?, NZA 2011, 182; Houben, § 78a BetrVG – Schutz vor einer Schutznorm?, NZA 2006, 769; Hülsemann, Fallstricke bei der Kündigung von Ausbildungsverhältnissen, ArbRAktuell 2016, 107; Hunold, Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Studenten, NZA 2009, 476; Hunold, Sachgrundlage Befristung nach Ende der Berufsausbildung, NZA 2012, 431; Jesgarzewski, Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten, BB 2011, 1594; Kleinebrink, Problembereiche bei der Gestaltung von Fortbildungsvereinbarungen durch AGB, ArbRB 2006, 345; Knigge, Übersicht über das Recht der Berufsbildung, AR-Blattei, SD 400.1 und 400.2; Knopp/Kraegeloh, Berufsbildungsgesetz, 5. Aufl. 2005; Koch-Rust/Rosentreter, Mindestlohn auch für dual Studierende?, NZA 2015, 402; Koch-Rust/Rosentreter, Ausbildungsverträge bei praxisintegrierten dualen Studiengängen, NZA 2013, 879; Koch-Rust/Rosentreter, Rechtliche Gestaltung der Praxisphase bei dualen Studiengängen, NJW 2009, 3005; Kostorz, Krankenversicherung im Studium – zur versicherungsrechtlichen Einordnung von beschäftigten Studierenden und studierenden Beschäftigten, NZS 2012, 161; Krause, Schriftform für den Ausbildungsvertrag, AR-Blattei, ES 220.2 Nr. 16; Krimphove, Das Praktikum – Rechte und Pflichten eines arbeitsrechtsähnlichen Rechtsverhältnisses, BB 2014, 564; Lakies, Betriebliche Weiterbildung und Rückzahlungskosten, ArbRAktuell 2012, 216; Lakies, Ende der Ausbildung: Weiterbeschäftigungsanspruch von Jugendvertretern und Betriebsratsmitgliedern, ArbRAktuell 2012, 34; Lakies, AGBKontrolle von Rückzahlungsvereinbarungen über Weiterbildungskosten, BB 2004, 1903; Leinemann/Taubert, Berufsbildungsgesetz, 2. Aufl. 2008; Lingemann/Kiecza, Rückzahlungsvereinbarungen bei Fortbildungskosten, ArbR 2009, 156; Löwisch, Rückzahlungs- und Bestandsklauseln in Betriebsvereinbarungen,

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Rz. 2 Kap. 8

NZA 2013, 549; Maier/Mosig, Unwirksame Rückzahlungsklauseln bei arbeitgeberseitiger Übernahme von Ausbildungskosten, NZA 2008, 1168; Maties, Generation Praktikum – Praktika, Einfühlungsverhältnisse und ähnliche als umgangene Arbeitsverhältnisse, RdA 2007, 135; Natzel, Der Praktikant als Mindestlöhner, BB 2014, 2490; Natzel, Qualifizierung im tripolaren Rechtsverhältnis, NZA 2012, 650; Natzel, Duale Studiengänge – arbeitsrechtliches Neuland, NZA 2008, 567; Nehls, Fortbildungsvereinbarungen – insbesondere zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung und die Prüfung zum Fachberater, Stbg 2010, 263; Olbertz/Sturm, Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten – welche Spielregeln gelten?, GWR 2015, 510; Opolony, Die Weiterbeschäftigung von Auszubildenden nach § 78a BetrVG, BB 2003, 1329; Orlowski, Praktikantenverträge – transparente Regelung notwendig!, RdA 2009, 35; Reinartz, Beendigung von Berufsbildungsverhältnissen, DB 2015, 1347; Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 15. Aufl. 2016; Schade, Praktikum: Aktuelle Rechtslage 2012, NZA 2012, 654; Schade, Der Student im Pflichtpraktikum – ein rechtloses Wesen? NJW 2013, 1059; Schlewing, Vertragsgestaltung – Auslegung, Unklarheitenregel, geltungserhaltende Reduktion, blue-pencil-Test, ergänzende Vertragsauslegung und Verweisungsklauseln, NZA-Beil. 2012, 33; Siebert/Klagges, 8,50 EUR für alle! (mindestens), ArbRAktuell 2014, 577; Schmidt, Die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Kosten der beruflichen Bildung, NZA 2004, 1002; Schmidt, Volontär und Praktikant, AR-Blattei D; Schönhöft, Rückzahlungsverpflichtungen in Fortbildungsvereinbarungen, NZA-RR 2009, 625; Straube, Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln für Ausbildungskosten, NZA-RR 2012, 505; Stück, Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten – Was ist noch zulässig?, DStR 2009, 2020; Taubert, Neuregelungen im Berufsbildungsrecht, NZA 2005, 503; Voelzke, Das Eingliederungschancengesetz – neue Regeln für das Arbeitsförderungsrecht, NZA 2012, 177; von Vogel, Die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses, NJW-Special 2007, 33; Wohlfarth, Übernahme von Fortbildungskosten durch den Arbeitgeber – Folgerungen für Lohnsteuer, Umsatzsteuer und Sozialversicherung, BBK 2011, 629; Wohlgemuth, Berufsbildungsgesetz, 2011.

I. Einführung Zur Ausbildung dienen Berufsbildungsverträge und Verträge mit Praktikanten, zur Fortbildung eher Verträge mit Studenten und Referendaren. Hinzu kommen Fortbildungsverträge innerhalb des bestehenden Arbeitsverhältnisses, die regelmäßig mit einer Rückzahlungsklausel für die Fortbildungskosten verbunden sind.

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1. Auszubildende Wer einen anderen zur Berufsbildung einstellt (Ausbildender), hat mit dem Auszubildenden einen Berufsbildungsvertrag1 zu schließen, § 10 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Unverzüglich nach Abschluss des Berufsbildungsvertrages ist der wesentliche Inhalt des Vertrages schriftlich niederzulegen, die elektronische Form ist ausgeschlossen, § 11 Abs. 1 Satz 1 BBiG. Die Mindestanforderungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 BBiG sind in M 8.1.1 noch einmal deutlich hervorgehoben. Die Pflichten des Ausbildenden sind in § 14 BBiG normiert. Insbesondere hat der Ausbildende gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 BBiG selbst oder durch einen ausdrücklich damit beauftragten Ausbilder dafür zu sorgen, dass dem Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich ist. Dazu ist die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und 1 Für die Ausbildung zu einem staatlich anerkannten Beruf ist der Abschluss eines solchen Vertrages zwingend, er kann nicht in einem anderen Vertragsverhältnis nach § 26 BBiG, etwa in Form eines „Anlernvertrages“ umgangen werden. Dieser ist nach § 134 BGB nichtig. Stattdessen entsteht ein faktisches Arbeitsverhältnis, die Vergütung richtet sich dann nach § 612 Abs. 2 BGB. Ob der Arbeitgeber sich daraus lösen kann, ist zweifelhaft. Zum Ganzen BAG v. 27.7.2010, AP Nr. 3 zu § 4 BBiG; kritisch Benecke, NZA 2012, 646. S. auch Einf. Rz. 13. Ein Berufsausbildungsvertrag ist nach hM kein Arbeitsvertrag, er begründet somit kein Arbeitsverhältnis, vgl. schon den Wortlaut von § 10 Abs. 2 BBiG, BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255 und ErfK/Schlachter, 16. Aufl. 2016, § 10 BBiG Rz. 3a.

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sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann, § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBiG. Er muss kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe, zur Verfügung stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen erforderlich sind, § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG.2 Ferner hat er den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule sowie zum Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen – soweit diese verlangt werden – anzuhalten und diese durchzusehen, § 14 Abs. 1 Nr. 4 BBiG3, sowie dafür zu sorgen, dass der Auszubildende charakterlich gefördert wird, § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG. Auszubildenden dürfen vom Ausbildenden nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen, ihren körperlichen Kräften angemessen sind und die sie nicht gefährden, vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 BBiG. 3

Dem stehen die Pflichten des Auszubildenden gemäß § 13 BBiG gegenüber. Er hat sich insbesondere zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen, § 13 Satz 1 BBiG. Er muss seine Aufgaben sorgfältig ausführen, den Weisungen des Ausbildenden folgen, hat an Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen, die Einrichtungen pfleglich zu behandeln, die Betriebsordnung zu beachten und über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren, § 13 Satz 2 Nrn. 1–6 BBiG.4

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Das Ausbildungsverhältnis beginnt mit einer zwingenden Probezeit.5 Die maximale Probezeit beträgt vier Monate, § 20 Satz 2 BBiG.6 Ein vorausgegangenes Arbeitsverhältnis oder Praktikum ist nicht auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen.7 Bei einem vorangegangenen Ausbildungsverhältnis muss hingegen nach den Einzelfallumständen differenziert werden, ob zwischen neuem und vorangegangenem ein derart enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass es sich sachlich um dasselbe Ausbildungsverhältnis handelt.8 Wird ein solcher enger sachlicher Zusammenhang bejaht, ist die erneute Vereinbarung einer Probezeit wegen § 25 BBiG unzulässig.9

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Nach § 17 BBiG hat der Ausbildende dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen.10 § 22 Abs. 3 MiLoG nimmt Auszubildende aber vom Mindestlohn aus.11 Die Höhe einer angemessenen Vergütung beurteilt sich nach der Verkehrsanschauung und den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen der Vertragsparteien.12 Maßgeblicher An2 Dazu: LAG Schl.-Holst. v. 14.2.2006 – 2 Sa 551/05, NZA-RR 2006, 461. 3 Das OVG Münster v. 12.2.2015 – 19 A 644/13, juris, lehnt aber eine Pflicht der Berufsschule, den Ausbilder auf Nachfrage über Fehlzeiten zu informieren, ab. 4 Der Katalog ist nicht abschließend: BAG v. 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, NZA 2007, 977, Rz. 21. 5 Ein Absehen von einer Probezeit ist wegen § 25 BBiG unwirksam, BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NJW 2015, 2284, Rz. 19. 6 Die Probezeitvereinbarung als solche unterliegt keiner Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, da sie zwingendes Recht ist; die Länge der Probezeit kann jedoch, wenn sie formularvertraglich vereinbart ist, überprüft werden, BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NJW 2015, 2284, Rz. 19, 40. 7 Praktikum: BAG v. 19.11.2015 – 6 AZR 844/14, NZA 2016, 228; Arbeitsverhältnis: BAG v. 16.12.2004 – 6 AZR 127/04, NZA 2005, 578. 8 Als Umstände des Einzelfalls sind zB die Dauer der Unterbrechung, Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses (wie Anlass der Unterbrechung) oder der Branche (BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NJW 2015, 2284, Rz. 22 ff., insb. 29 f.). 9 BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NJW 2015, 2284, Rz. 29. 10 Sie ist unabdingbar nach § 25 BBiG und wohl auch unpfändbar nach § 850a Nr. 6 ZPO (letzteres str., vgl. Leinemann/Taubert, 2. Aufl. 2008, § 17 BBiG, Rz. 7). 11 Wegen § 10 BBiG hat die Vorschrift vor allem klarstellende Funktion, BT-Drucks. 18/1558, S. 43, da die Auszubildenden schon in keinem Arbeitsverhältnis stehen. 12 BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 108/14, NZA 2015, 1384, Rz. 13 ff. mit umf. Darlegung der Funktionen der Vergütung; v. 16.7.2013 – 9 AZR 784/11, NZA 2013, 1202, Rz. 12; v. 26.3 2013 – 3 AZR 89/11, ArbRAktuell 2013, 328, Rz. 10.

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haltspunkt für Verkehrsanschauung und Interessenabwägung sind die einschlägigen Tarifverträge, nachrangig branchenübliche Sätze oder die branchenübliche Verkehrsauffassung, wie sie sich aus Empfehlungen der Kammern und Innungen ergibt.13 Eine vereinbarte Ausbildungsvergütung ist in der Regel unangemessen, wenn sie die einschlägige tarifliche oder branchenübliche Vergütung um mehr als 20 % unterschreitet, wofür der Auszubildende die Darlegungs- und Beweislast trägt.14 Ausnahmen bestehen für öffentlich geförderte Ausbildungen, bei denen auch ein deutliches Unterschreiten der Grenze noch angemessen sein kann, solange der Betrag jedenfalls noch höher als 2/3 des Bedarfes nach § 12 BAföG ist.15 In besonders gelagerten Fällen kommt auch eine Orientierung an Sätzen des SGB III in Betracht.16 Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann der Ausbilder das Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nur aus wichtigem Grund kündigen.17

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Praxistipp: Die Kündigung gegenüber dem Auszubildenden muss nicht nur schriftlich erfolgen, sondern auch die Kündigungsgründe schriftlich mitteilen, § 22 Abs. 3 BBiG.18 Dies wird in der Praxis häufig übersehen mit der Folge, dass die Kündigung unwirksam ist. Fällt der Fehler später auf, so kann wegen Ablaufs der Zwei-Wochen-Frist eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 2 BGB nicht mehr nachgeholt werden.

Gegenüber einem minderjährigen Auszubildenden muss die Kündigung zudem vorbehaltlich § 113 BGB19 einem gesetzlichen Vertreter zugehen, § 131 Abs. 2 BGB.20 Das Vorliegen eines wichtigen Grundes richtet sich nach § 626 BGB.21 Ein wichtiger Grund kann auch der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden sein.22 Dem besonderen Charakter des Berufsausbildungsverhältnisses ist dabei jedoch für jeden Einzelfall Rechnung zu tragen:23 Anders als in einem Arbeitsverhältnis schuldet der Auszubildende nämlich keine Arbeitsleistung, sondern hat sich nach § 13 BBiG zu bemühen,

13 BAG v. 26.3.2013 – 3 AZR 89/11, ArbRAktuell 2013, 328, Rz. 11 f.; v. 17.3.2015 – 9 AZR 732/13, AP BBiG § 17 Nr. 11, Rz. 10 ff.; v. 16.7.2013, NZA 2013, 1202, Rz. 13. 14 BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 108/14, NZA 2015, 1384, Rz. 22; v. 16.7.2013 – 9 AZR 784/11, NZA 2013, 1202, Rz. 14; v. 23.8.2011 – 3 AZR 575/09, NZA 2012, 211, Rz. 14. Der Auszubildende genügt der Darlegungslast idR, indem er die tarifliche bzw. branchenübliche Vergütung darlegt und zeigt, dass die ihm gezahlte Vergütung diese um mehr als 20 % unterschreitet, BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 108/ 14, NZA 2015, 1384, Rz. 26 mwN. Wegen § 11 BBiG wird ihm dies leicht fallen. 15 BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 108/14, NZA 2015, 1384, Rz. 22; v. 17.3.2015 – 9 AZR 732/13, AP BBiG § 17 Nr. 11, Rz. 20 ff. 16 BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 108/14, NZA 2015, 1384, Rz. 22; v. 22.1.2008, NZA-RR 2008, 565, Rz. 48 ff. Noch weitgehender BAG v. 16.1.2003, NZA-RR 2003, 607 (II.3); v. 24.10.2002 – 6 AZR 626/00, NZA 2003, 1203 (III.3.b.bb.). 17 Allgemein zur Kündigung von Ausbildungsverhältnissen: Hülsemann, ArbRAktuell 2016, 107; Reinartz, DB 2015, 1347. 18 Zu Einzelheiten s. Erläuterung zu M 8.1.1, § 10 sowie Fuhlrott/Gömöry, FA 2012, 133; von Vogel, NJW Spezial 1/2007, 33. Anders als die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses bedarf die Kündigung oder Aufhebung eines Umschulungsvertrages iSv. §§ 1 Abs. 5, 58 ff. BBiG weder der Schriftform nach § 623 BGB noch der schriftlichen Begründung, es sei denn die Umschulung findet im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses statt, BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 638/04, NZA 2007, 97. 19 BAG v. 22.1.2008, NZA-RR 2008, 565, Rz. 18. 20 BAG v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, NZA 2012, 495, Rz. 19 ff., es genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil: § 1629 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB und BAG aaO, Rz. 23. Zu § 113 BGB BAG aaO, Rz. 18. 21 BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741, Rz. 38; Hülsemann, ArbRAktuell 2016, 107; ErfK/ Schlachter, 16. Aufl. 2016, § 22 BBiG Rz. 3, s. Kap. 22 Rz. 145 ff. 22 Mit ausführlicher Herleitung und Begründung BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741, Rz. 28 ff. 23 BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741, Rz. 36, 41.

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die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist; zudem hat er typischerweise eine geringe Lebens- und Berufserfahrung, während den Ausbildenden besondere Fürsorgepflichten sowohl in charakterlicher als auch körperlicher Hinsicht treffen (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 5 BBiG).24 8

Die Kündigungsschutzklage auch gegen eine außerordentliche Kündigung im Berufsausbildungsverhältnis muss innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 iVm. § 13 Abs. 1 KSchG erhoben werden, sofern nicht gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuss stattfinden muss.25

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Der Auszubildende selbst kann mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will, § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG.

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Nach § 23 BBiG kann der Gekündigte den Kündigenden auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn dieser den Grund für die Auflösung zu vertreten hat.26 Ein ersatzfähiger Schaden ist für den Auszubildenden denkbar in Gestalt von Aufwendungen zur Begründung eines neuen Ausbildungsverhältnisses, des Verdienstausfalles durch Verschiebung des Termins der Abschlussprüfung sowie der geschuldeten Ausbildungsvergütung bis zum vereinbarten Ende des Berufsausbildungsverhältnisses, wobei sich der Auszubildende dasjenige anrechnen lassen muss, was er während der Zeit durch eine anderweitige Tätigkeit verdient hat, die er bei Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht hätte ausüben können.27 Für den Ausbilder ergibt sich regelmäßig kein ersatzfähiger Schaden.28 Maßgeblich für den Beginn der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 23 Abs. 2 BBiG ist das vertragsgemäße rechtliche Ende des Berufsausbildungsverhältnisses, nicht die tatsächliche Beendigung der Ausbildung.29

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§ 78a BetrVG30 gibt Auszubildenden,31 die gleichzeitig Mitglied von Betriebsverfassungsorganen sind, das Recht, innerhalb von drei Monaten – ein früheres Verlangen ist unwirksam32 – vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich33 vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zu verlangen.34 Damit wird ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit 24 BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741, Rz. 37, 41. 25 BAG v. 23.7.2015, NZA-RR 2015, 628; v. 26.1.1999 – 2 AZR 134/98, NZA 1999, 934; Einzelheiten zur Fristwahrung bei den Erläuterungen zu M 8.1.1, § 12. 26 Ob als weitergehende Voraussetzung zu fordern ist, dass Kündigungsschutzklage erhoben wurde, ist offen (LAG Hamm v. 22.12.2015 – 14 Ta 468/15, juris. 27 BAG v. 16.7.2013 – 9 AZR 784/11, NZA 2013, 1202; v. 8.5.2007 – 9 AZR 527/06, NJW 2007, 3594. 28 Hierzu ErfK/Schlachter, § 23 BBiG Rz. 2 mwN. 29 BAG v. 17.7.2007, DB 2008, 709 zur inhaltsgleichen Regelung des § 16 Abs. 2 BBiG aF. 30 Einzelheiten bei Blaha/Mehlich, NZA 2005, 667; Lakies, ArbRAktuell 2012, 34; Oppolony, BB 2003, 1329. 31 Keine Anwendung findet § 78a BetrVG auf Vertragsverhältnisse, bei denen die Arbeitsleistung und nicht die Ausbildung im Vordergrund steht, BAG v. 1.12.2004 – 7 AZR 129/04, NZA 2005, 779 (Volontariat). Auch Praktikanten sind nicht erfasst, s. mwN Richardi/Thüsing, § 78a BetrVG Rz. 6. 32 BAG v. 5.12.2012, NZA-RR 2013, 241, Rz. 20 f.; v. 15.12.2011, NZA-RR 2012, 413. 33 Gemeint ist die Schriftform nach § 126 BGB, ein Weiterbeschäftigungsverlangen per E-Mail genügt nicht (ausführlich BAG v. 15.12.2011, NZA-RR 2012, 413, insb. Rz. 31, 37). Dem Arbeitgeber kann aber uU nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen (BAG aaO, Rz. 40: zB bei mehrmaligem Verlangen, wobei die Weiterbeschäftigung ursprünglich zwar formwirksam, aber nicht fristgemäß, sodann formunwirksam, aber fristgemäß geltend gemacht wurde). 34 Voraussetzung ist bei überbetrieblicher Ausbildung jedoch eine vertragliche Beziehung zwischen Auszubildendem und konkretem Arbeitgeber, vgl. BAG v. 17.8.2005, NZA 2006, 624; v. 1.12.2004 – 7 AZR 129/04, NZA 2005, 779. Zum Verhältnis zu tariflichen Übernahmeregelungen Houben, NZA 2011, 182.

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begründet. Soweit nicht ein nach § 15 KSchG, § 22 BBiG tragfähiger Kündigungsgrund vorliegt, kann der Arbeitgeber die Begründung dieses Arbeitsverhältnisses nur gemäß § 78a Abs. 4 BetrVG vermeiden, wenn er bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses die dort genannten Anträge beim Arbeitsgericht stellt, weil die Weiterbeschäftigung unzumutbar sei. Die Weiterbeschäftigung ist dem Arbeitgeber insbesondere dann unzumutbar, wenn im Ausbildungsbetrieb kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner erworbenen Qualifikation ausbildungsadäquat dauerhaft beschäftigt werden kann.35 Das gilt nicht, wenn der Auszubildende sich zumindest hilfsweise mit einer Beschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen einverstanden erklärt, wobei eine solche Bereitschaftserklärung unverzüglich abzugeben ist und nicht erst im gerichtlichen Verfahren nach § 78a Abs. 4 BetrVG.36 Ein zum Ausbildungsende fehlender Beschäftigungsbedarf führt jedoch nicht zu einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, wenn der Arbeitgeber einen innerhalb von drei Monaten vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses frei gewordenen Arbeitsplatz neu besetzt hat, da er in diesem Zeitraum mit einem Übernahmeverlangen rechnen muss.37 Gemäß § 24 BBiG gilt ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit begründet, wenn der Auszubildende im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis weiterbeschäftigt wird, ohne dass hierüber eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wird. Eine solche Anschlussbeschäftigung liegt allerdings nicht vor, wenn das Ausbildungsverhältnis verlängert wird.38 Schließt sich an das Ausbildungsverhältnis ohne zeitliche Unterbrechung ein Arbeitsverhältnis an, so gelten Normen eines (nachwirkenden) Tarifvertrages, der auf das Ausbildungsverhältnis Anwendung gefunden hat, auch für das neu begründete Arbeitsverhältnis, da insofern lediglich ein Statuswechsel und kein Wechsel der Vertragsparteien stattgefunden hat.39 Befristungen kommen im Anschlussarbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 und nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG in Betracht, ferner eine sachgrundlose Befristung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 TzBfG, denn das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Nr. 2 TzBfG greift nicht.40

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Liegt weder ein Berufsausbildungsverhältnis gemäß § 1 Abs. 2 BBiG zur Erlernung eines staatlich anerkannten Ausbildungsberufes noch ein Arbeitsverhältnis vor, so finden die Bestimmungen des BBiG teilweise, sowie modifiziert Anwendung, wenn eine Einstellung iSd. § 26 BBiG zum Erwerb beruflicher Fähigkeiten bzw. Erfahrungen erfolgt ist.41 Insbesondere ist dann die gesetzliche Probezeit verkürzt, eine Vertragsniederschrift nicht erforderlich und es besteht kein Schadensersatzanspruch bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des BBiG setzt jedoch nach ihrem Schutzzweck

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35 Ausführlich hergeleitet BAG v. 25.2.2009, DB 2009, 1473, Rz. 16 ff. 36 BAG v. 8.9.2010 – 7 ABR 33/09, NZA 2011, 221; v. 15.11.2006 – 7 ABR 15/06, NZA 2007, 1381: Der Auszubildende darf sich nicht darauf beschränken, sein Einverständnis mit allen in Betracht kommenden Beschäftigungen zu erklären, sondern muss eine angedachte Beschäftigungsmöglichkeit möglichst konkret bezeichnen. Genauso für den öffentlichen Arbeitgeber: BVerwG v. 18.1.2012, NZA-RR 2012, 336. 37 BAG v. 25.2.2009, DB 2009, 1473, Rz. 21 f. für den Einsatz von Leiharbeitnehmern. 38 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 427/07, NZA 2009, 738. 39 BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 288/07, NZA 2008, 886. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Vertragsparteien die Nachwirkung im Arbeitsvertrag ausdrücklich abbedingen. 40 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255; dazu Hunold, NZA 2012, 431. Allerdings soll das Berufsausbildungsverhältnis umfassend bei gesetzlichen Wartezeitregelungen (zB § 1 Abs. 1 KSchG, § 90 SGB IX, § 8 Abs. 1 TzBfG, § 4 BUrlG, § 3 Abs. 3 EFZG, § 8 Abs. 1 BetrVG, § 15 Abs. 7 Nr. 2 BEEG und § 1b BetrAVG) einbezogen werden, Gehlhaar, DB 2011, 590. Zur Befristung allgemein Kap. 6 Rz. 1 ff. 41 Unzulässig ist es jedoch, die Ausbildung in einem anderen Vertragsverhältnis iSv. § 26 BBiG durchzuführen, wie etwa im Rahmen eines „Anlernvertrags“, BAG v. 27.7.2010, AP Nr. 3 zu § 4 BBiG; vgl. dazu Benecke, NZA 2012, 646; s. auch Einf. Rz. 2.

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Kap. 8 Rz. 14

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voraus, dass gemäß der vertraglichen Vereinbarung den Ausbildungspflichten des anderen Vertragsteils auch Anwesenheits- und Arbeitspflichten der eingestellten Person gegenüberstehen.42 Bei den sog. dualen Studiengängen, etwa an einer Berufsakademie, bei denen feste Praxisphasen in das Studium integriert sind, handelt es sich jedoch nicht um ein von § 26 BBiG erfasstes Vertragsverhältnis, da solche Studiengänge abschließend von den entsprechenden Hochschulgesetzen der Länder geregelt werden, vgl. auch § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG.43 2. Praktikanten 14

Praktikanten durchlaufen eine – regelmäßig eng befristete – Ausbildung, die sie im Rahmen ihrer Hauptausbildung (zB Studium) absolvieren müssen.44 Der Praktikantenbegriff wurde nunmehr in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG und § 20 Abs. 1 Nr. 10 SGB XI definiert; die Definitionen divergieren aber.45 Jedenfalls für Praktika iSd. § 22 Abs. 1 MiLoG muss nach § 1 Satz 2, § 2 Abs. 1a NachwG nunmehr eine schriftliche, unterschriebene Vertragsniederschrift angefertigt werden, die vor Aufnahme der Tätigkeit ausgehändigt sein muss.46 Oft wird übersehen, dass ein Praktikum auch § 26 BBiG unterfallen kann und daher dann mit Ausnahmen den besonderen Vorschriften der §§ 10–23 und 25 BBiG unterliegt. Voraussetzung hierfür ist, dass das Praktikum freiwillig erfolgt und nicht voll in ein Studium integriert ist, vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG.47

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Ein Pflichtpraktikum, dh. ein nicht § 26 BBiG unterfallendes, begründet kein Arbeitsverhältnis. Dient ein Praktikum dagegen nicht dazu, praktische Kenntnisse zur Vorbereitung auf den Beruf zu erwerben, sondern steht der Leistungsaustausch im Vordergrund, liegt unter der Bezeichnung eines Praktikums häufig ein gewöhnliches Arbeitsverhältnis vor.48

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Sozialversicherungsrechtlich besteht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 10 SGB XI Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, soweit das Praktikum durch Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschrieben ist und kein Entgelt gezahlt wird. Erhält der Praktikant ein Entgelt oder handelt es sich um ein nicht vorgeschriebenes Praktikum, 42 BAG v. 17.7.2007 – 9 AZR 1031/06, NZA 2008, 416 zu einem „Lehrlingsvertrag“, der die Erlernung eines staatlich nicht anerkannten Ausbildungsberufes (Tätowierung und Piercing) beinhaltete. 43 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435; v. 16.10.2002 – 4 AZR 429/01, BB 2003, 906; dazu auch Koch-Rust/Rosentreter, NZA 2013, 879; Koch-Rust/Rosentreter, NJW 2009, 3005; Natzel, NZA 2008, 567, 569. 44 BAG v. 13.3.2003 – 6 AZR 564/01, juris mwN; v. 5.8.1965, ArbuR 1965, 312. Bei einem Praktikum steht in Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis die Aneignung der zur Vorbereitung auf einen Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen im Vordergrund, LAG Köln v. 31.5.2006 – 3 Sa 225/06, NZA-RR 2006, 525; vgl. auch Schade, NZA 2012, 654 und NJW 2013, 1039. Zur Gesetzgebungsentwicklung und gesellschaftlichen Diskussion Düwell, DB 2014, 2047. Dazu auch Grimm/ Linden, ArbRB 2014, 51. 45 Dazu Burkard-Pötter/Sura, NJW 2015, 517; BT-Drucks. 18/1558, S. 42; zur Problematik der divergierenden Definitionen: ErfK/Franzen, 16. Aufl. 2016, § 22 MiLoG Rz. 7. Die Definition in § 20 SGB XI wird nur für die soziale Pflegeversicherung verbindlich sein. 46 Dazu Düwell, DB 2014, 2047, 2049. Zu den Schwierigkeiten der Begriffsbestimmung ErfK/Franzen, 16. Aufl. 2016, § 22 MiLoG Rz. 6 f. Obgleich das NachwG keine unmittelbaren Sanktionen im Falle der Nichterfüllung bereithält, kann eine Nichterfüllung Auswirkungen auf die Beweisverteilung haben und zu Beweiserleichterungen für den Praktikanten führen (so Düwell, DB 2014, 2047, 2050). Daher wäre zu raten, für alle Praktikumsverträge die dort genannten Anforderungen einzuhalten. Sie sind in M 8.2 aufgeführt. 47 S. dazu Einf. Rz. 2 ff. und Burkard-Pötter/Sura, NJW 2015, 517; Düwell, DB 2014, 2047, 2048; Krimphove, BB 2014, 564. 48 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 694/12, AP TzBfG § 4 Nr. 25, Rz. 24 ff. für einen als Praktikant ohne Entgelt beschäftigten Rettungssanitäter/-assistenten; Maties, RdA 2007, 135, 138; ausführlich: Grimm/ Linden, ArbRB 2014, 51, 53 f.

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Rz. 23 Kap. 8

so folgt die Versicherungspflicht für die Kranken- und Pflegeversicherung aus den allgemeinen Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Auch wenn die berufspraktische Tätigkeit geringfügig ist, führt dies nicht zu einer Versicherungsfreiheit, da gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V eine Sonderregelung für die betriebliche Berufsbildung gilt. § 7 Abs. 2 SGB IV bestimmt, dass auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen als Beschäftigung iSd. § 7 SGB IV gilt, wozu nicht nur klassische Berufsausbildungsverhältnisse iSd. BBiG zählen, sondern auch andere Vertragsverhältnisse, die auf eine Vermittlung berufspraktischer Kenntnisse abzielen.49

17

In der Rentenversicherung sind Praktika versicherungsfrei, soweit sie durch Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschrieben sind, § 5 Abs. 3 SGB VI. Hierdurch soll eine Kontinuität hinsichtlich des versicherungsrechtlichen Status von Studenten, die auch während ihres Studiums nicht versicherungspflichtig sind, hergestellt werden.50

18

In der Arbeitslosenversicherung besteht nach § 27 Abs. 4 SGB III Versicherungsfreiheit für eine während des Studiums ausgeübte Tätigkeit, sofern das studentische Erscheinungsbild nicht verloren geht, unabhängig davon, ob eine praktische Tätigkeit nach der Studienordnung vorgeschrieben ist. Auch die Höhe eines etwaigen Entgelts spielt keine Rolle. Im Übrigen besteht für den Personenkreis der zur Berufsausbildung Beschäftigten gemäß §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III grundsätzlich Versicherungspflicht unabhängig von der Entgelthöhe und einer eventuellen Geringfügigkeit.

19

Auch in der Unfallversicherung gelten die allgemeinen Grundsätze, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB VII.

20

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG sind Praktikanten vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen, wenn das Praktikum für die Ausbildung verpflichtend ist (Nr. 1), bis zu drei Monaten und zur Orientierung absolviert wird (Nr. 2), erstmalig beim Ausbildenden und ausbildungsbegleitend bis zu drei Monaten geleistet wird (Nr. 3) oder im Rahmen von § 54a SGB III oder § 68-70 BBiG stattfindet (Nr. 4).51 Die Beweislast hierfür liegt beim Arbeitgeber.52 Unterfällt das Praktikum aber § 26 BBiG (vgl. Einf. Rz. 14), muss auch der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden.53

21

3. Studenten Die Tätigkeit von Studenten neben dem Studium dient weniger der Fortbildung als vielmehr der Finanzierung des Studiums. Soweit Studenten nicht als freie Mitarbeiter tätig sind, sind sie Arbeitnehmer.54 Über die Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG hinaus kann das Ende des Studiums auch einen sachlichen Grund für eine einmalige Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG darstellen.55

22

Sozialversicherungsrechtlich56 sind Studenten aufgrund ihres Status als Studenten krankenund pflegeversichert, § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 SGB XI. Vorrangig greift

23

49 50 51 52 53 54

Vgl. Küttner/Schlegel, Nr. 338 Praktikant, Rz. 14 ff., Rz. 20 mit Details. Vgl. BT-Drucks. 13/8671, S. 117. BT-Drucks. 18/1558, S. 42; Burkard-Pötter/Sura, NJW 2015, 517, 520; Natzel, BB 2014, 2490. Düwell, DB 2014, 2047, 2048; vgl. Wortlaut „es sei denn“ des § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG. BT-Drucks. 18/1558, S. 42; ErfK/Franzen, 16. Aufl. 2016, § 22 MiLoG Rz. 6. BAG v. 11.11.2008 – 1 ABR 68/07, NZA 2009, 450 bzgl. der Pflicht zur Eingruppierung von Werkstudenten in tarifliche Vergütungssysteme; zur Abgrenzung vgl. Einf. Kap. 9 Rz. 2 ff.; zur umfangreich tätigen Tankwartaushilfe als Arbeitnehmer vgl. BAG v. 12.6.1996 – 5 AZR 960/94, NZA 1997, 191. 55 BAG v. 10.10.2007 – 7 AZR 795/06, NJW 2008, 538, Rz. 18 ff. 56 Guter Überblick bei Küttner/Schlegel, Nr. 393 Studentenbeschäftigung, Rz. 22 ff.

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Kap. 8 Rz. 24

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

aber die beitragsfreie Familienversicherung, § 10 SGB V, oder eine etwaige Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1–8, 11 und 12 SGB V, § 5 Abs. 7 SGB V – etwa im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Rentenversicherungspflicht für den Studenten als solchen besteht nicht; Studienzeiten werden gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI jedoch bis zu acht Jahren als Anrechnungszeiten berücksichtigt. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind Studenten kraft Gesetzes bei Unfällen versichert, die mit ihrem Studium zusammenhängen, § 2 Abs. 1 Nr. 8c SGB VII. 24

Für entgeltliche Beschäftigungen von Studenten neben dem Studium („Studentenjobs“) gelten in der Sozialversicherung im Grundsatz die allgemeinen Regeln. Privilegierungen bestehen bei geringfügiger Beschäftigung/Minijobs iSv. § 8 SGB IV (vgl. Kap. 6 Rz. 86 ff., M 6.3.2).

25

Darüber hinaus besteht Versicherungsfreiheit für Werkstudenten in der Kranken- und Pflegeversicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V und in der Arbeitslosenversicherung nach § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB III (sog. Werkstudentenprivileg).57 Sie wird in der Praxis bei unbefristeten Tätigkeiten anerkannt, die nicht mehr als geringfügige Beschäftigung/Minijob zählen, soweit Zeit und Arbeitskraft der Studenten überwiegend durch das Studium beansprucht werden und die Wochenarbeitszeit während des Semesters 20 Stunden nicht überschreitet.58 In den Semesterferien gilt diese zeitliche Grenze nicht.59 In der Rentenversicherung gelten die allgemeinen Regeln. Lohnsteuerrechtlich bestehen – soweit es sich nicht um eine geringfügige Beschäftigung/einen Minijob handelt (Rz. 24) – keine Besonderheiten.

26

Bei dualen Studiengängen60 wird der Status der Studierenden während der Praxiszeiten diskutiert, insbesondere, ob § 26 BBiG anzuwenden ist.61 Die Einordnung hat Auswirkungen darauf, ob Mindestlohn für duale Studenten während der Praxiszeiten zu zahlen ist. Für den theoretischen bzw. universitären Teil kommt das BBiG und damit das MiLoG wegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht zur Anwendung. Für den Ausbildungsteil in ausbildungsintegrierten Studiengängen gilt das BBiG unmittelbar, womit § 26 BBiG und damit das MiLoG ebenfalls nicht anwendbar sind.62 Für die Praxisphase im Unternehmen spricht gegen eine Anwendbarkeit des § 26 BBiG, dass die Praxisphase im dualen Studium ein in die Studienordnung integrierter, praxisbezogener Ausbildungsteil ist und daher auch hier § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG die weitere Anwendung des BBiG sperrt.63 Damit unterfallen jene Studierenden zwar nicht der 57 Dazu im Einzelnen Korstorz, NZS 2012, 161; allgemein auch BSG v. 11.11.2003 – B 12 KR 24/03 R –, juris. 58 BSG v. 22.2.1980, DB 1981, 1420 mwN; aber auch kurzzeitige Überschreitungen sind möglich, vgl. Korstorz, NZS 2012, 161, 163 (Punkt 3.2.4 mwN). 59 Vgl. BSG v. 23.2.1988, SozR 2200, § 172 Nr. 20 S. 45; v. 22.2.1980, SozR 2200, § 172 Nr. 14. Die Krankenversicherungsträger haben aber vereinbart, dass Tätigkeiten mit über 20 Stunden/Woche an maximal 26 Wochen/Jahr in den Semesterferien erfolgen dürfen, um versicherungsfrei zu bleiben (mwN Korstorz, NZS 2012, 161, 163, Punkt 3.2.3). Als Arbeitgeber ist empfehlenswert, sich eine Studienbescheinigung und Bescheinigung über die Zeiten der Semesterferien der Hochschule vorlegen zu lassen. 60 Zu den verschiedenen Ausbildungsformen und zur Abgrenzung zu ausbildungsintegrierten Studiengängen, bei denen zusätzlich noch eine Ausbildung absolviert wird, s. nur Koch-Rust/Rosentreter, NZA 2015, 402 mwN. 61 Es läge dann für diese Zeit ein Praktikum iSd. § 26 BBiG vor, s. dazu Einf. Rz. 14. 62 Koch-Rust/Rosentreter, NZA 2015, 402; Koch-Rust/Rosentreter, NZW 2013, 879; Koch-Rust/Rosentreter, NJW 2009, 3005; Natzel, NZA 2008, 567. 63 Koch-Rust/Rosentreter, NZW 2013, 879; Natzel, NZA 2008, 567, 569; BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435, Rz. 19 verlangt aber, dass die Praxisphase in der Prüfungsordnung explizit geregelt sein muss. So im Ergebnis auch, aber für ein Arbeitsverhältnis Brecht-Heitzmann, AuR 2009, 389; zweifelnd Bayreuther, NZA 2014, 865, 871.

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Rz. 29 Kap. 8

Ausnahmeregel in § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG. Eine Pflicht zur Zahlung des Mindestlohnes wird aber mit Verweis darauf verneint, duale Studierende seien „zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte“ gemäß § 22 Abs. 3 MiLoG.64 4. Fortbildungsverträge Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten, zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich aufzusteigen, § 1 Abs. 4 BBiG. Die für das Berufsausbildungsverhältnis geltenden §§ 10 ff. BBiG sind auf den Fortbildungsvertrag nicht anwendbar. Meist übernimmt der Arbeitgeber die gesamten Fortbildungskosten, dh. die Kosten der Schulung einschließlich der materiellen Ausbildungsmittel, sowie damit zusammenhängende Reisekosten einschließlich Übernachtung und Verpflegung65. Während der Ausbildungszeit wird die Arbeitsvergütung weiter gezahlt, sofern nicht unbezahlter Urlaub vereinbart wurde. Ob die ordentliche Kündigung für die Dauer der Fortbildung ausgeschlossen ist,66 hängt von dem Zweck der jeweiligen Fortbildungsmaßnahme ab.

27

Mit dem Fortbildungsvertrag regelmäßig verbunden ist eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung der gesamten oder eines Teils der Fortbildungskosten, wenn aus von ihm veranlassten Gründen vorzeitig das Arbeitsverhältnis endet. Anders als im Berufsausbildungsverhältnis, vgl. §§ 12 Abs. 267, 26 BBiG, sind solche Rückzahlungsklauseln nicht von vornherein unwirksam.68 Welche Maßstäbe an die Wirksamkeit zu stellen sind, hängt von der Rechtsnatur der Rückzahlungsklausel ab.69

28

a) AGB-Kontrolle von Rückzahlungsklauseln Wegen § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB werden Rückzahlungsvereinbarungen70 inzwischen fast ausschließlich als Formularverträge (AGB) qualifiziert.71 Eine Rückzahlungsklausel muss daher der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standhalten.72 Entscheidend ist, ob auf64 65 66 67 68 69 70 71 72

Mit umfangreicher Begründung Koch-Rust/Rosentreter, NZA 2015, 402, 403 ff. mwN. Zur steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung Wohlfarth, BBK 2011, 629. Vgl. zur Umschulung BAG v. 15.3.1991 – 2 AZR 516/90, DB 1992, 896. BAG v. 25.4.2001 – 5 AZR 509/99, NZA 2002, 1396; vgl. zur Rechtmäßigkeit einer Rückzahlungsklausel für übernommene Studiengebühren unter Berücksichtigung von § 12 BBiG LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 14.12.2011 – 3 Sa 263/11, ArbR 2012, 204. Zur Zulässigkeit BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85; v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 17. Dorth, RdA 2013, 287; ausführlich Schmidt, NZA 2004, 1002. Dazu Elking, BB 2014, 885; Hoffmann, NZA-RR 2015, 337; Olbertz/Sturm, GWR 2015, 510; Lingemann/Kiecza, ArbRAktuell 2009, 156. Vgl. so auch Olbertz/Sturm, GWR 2015, 510 aE; Lakies, ArbRAktuell 2012, 216. Vgl. zur Inhaltskontrolle einer Rückzahlungsklausel BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361; v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419; v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85; v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; s. auch Einf. Kap. 2 AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rückzahlungsklausel“, Rz. 122; Überblick bei Düwell/Ebeling, DB 2008, 406; Stück, DStR 2008, 2020. In Individualvereinbarungen wird hingegen nur nach §§ 138, 242 BGB mit Hinblick auf das Recht des Arbeitnehmers zur freien Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG geprüft. Damit es sich um eine Individualabrede handelt, muss sichergestellt werden, dass die Klauseln vom Verbraucher im Zuge eines eigenen Gestaltungswillen in den Vertrag eingeführt wurden. Das dürfte bei Rückzahlungsklauseln auch wegen der Vermutung des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB kaum je der Fall sein. Darüber hinaus trägt der Arbeitgeber als Unternehmer die Beweislast hierzu (Einzelheiten s. MünchKommBGB/Basedow, 7. Aufl. 2016, § 305 BGB Rz. 21).

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Kap. 8 Rz. 30

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

grund einer Güter- und Interessenabwägung die Rückzahlung von Ausbildungskosten bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist angemessen ist. Dies ist auch nach der Schuldrechtsreform nach den vom BAG entwickelten Kriterien zu bestimmen.73 Eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB insbesondere, wenn der Arbeitnehmer in seinem Recht auf Arbeitsplatzwechsel beschränkt wird, indem er bei einem Wechsel ggf. erheblichen Rückzahlungsforderungen ausgesetzt wird, ohne dass dem ein adäquater Ausgleich gegenübersteht.74 30

Eine Rückzahlungsverpflichtung kommt daher nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer mit der Bildungsmaßnahme einen geldwerten Vorteil erlangt, dadurch also der Marktwert seiner Arbeitskraft erhöht wird.75 Das ist der Fall, wenn er durch die Maßnahme eine Qualifikation erhält, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder beim jetzigen Arbeitgeber berufliche Möglichkeiten eröffnet, die ihm zuvor verschlossen waren.76 Ist die Fortbildung daher vorrangig im Interesse des Arbeitgebers, sind Rückzahlungsklauseln nicht zulässig.77

31

Darüber hinaus muss in erster Linie die Bindungsdauer zur Fortbildungsdauer in einem angemessenen Verhältnis stehen.78 Zur Orientierung kann folgende Tabelle dienen, die die ständige Rechtsprechung wiedergibt.79 Den Entscheidungen lag jeweils eine Lehrgangsdauer ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung und unter Fortzahlung der Bezüge zugrunde: Lehrgangsdauer

Bindungsdauer

bis zu 1 Monat

bis zu 6 Monaten

bis zu 2 Monate

bis zu 12 Monaten

3 bis 4 Monate

bis zu 24 Monaten

6 bis 12 Monate

bis zu 36 Monaten

mehr als 24 Monate

bis zu 60 Monaten

Dabei geht es allerdings nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Regelwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind.80 Hat der Arbeitgeber erhebliche Mittel für die Fortbildung aufgewendet81 oder bringt die Teilnahme an 73 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 34; v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 14 ff.; v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435, Rz. 34 f.; s. auch Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 409; kritisch Jesgarzewski, BB 2011, 1594, 1597 f. 74 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 33 f. 75 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 34 mwN; Hoffmann, NZA-RR 2015, 337; Lakies, ArbRAktuell 2012, 216. 76 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 34, 39 ff.; Lakies, ArbRAktuell 2012, 216. 77 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435, 438; v. 5.12.2002, NZA 2003, 559. 78 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, Ls.; v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 34, 39 f.; dazu Olbertz/Sturm, GWR 2015, 510. 79 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 34; v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 18; v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342, Rz. 38; v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZARR 2008, 107. Für Individualvereinbarungen gelten die gleichen Zeitdauern: BAG v. 5.6.2007, NZARR 2008, 107; v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542, Rz. 21; v. 5.12.2002, NZA 2003, 559; v. 6.9.1995, NZA 1996, 321; v. 15.12.1993 – 5 AZR 279/93, NZA 1994, 835 (Punkt II.1.b). 80 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 34, 43; v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 18 ff.; zu offenen und kritischen Fällen Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 339 mwN; Elking, BB 2014, 885, 889. 81 Beträge von „deutlich unter 5 000 Euro“ (im konkreten Fall 4 427 Euro) hält das BAG bei einem mittelständischen Unternehmen nicht für einen besonders erheblichen Aufwand (vgl. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 20). Für kleine Unternehmen sollen 3 122 Euro kein erheblicher

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Rz. 34 Kap. 8

der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile,82 so kann auch bei kürzeren Fortbildungsmaßnahmen eine längere Bindung zulässig sein. Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls, so wurde etwa eine zulässige Bindungsdauer von zwei Jahren bei einem Umfang der Qualifizierungsmaßnahme von 24 % der Arbeitszeit in drei Jahren anerkannt.83 Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich das Prognoserisiko, dass er zu Unrecht von einer besonders teuren Ausbildung oder überdurchschnittlichen Vorteilen ausgeht und daher eine zu lange Bindungsdauer vereinbart.84 Ihm wird allerdings ein gewisser Fehlerspielraum bei der Prognose für den Rückzahlungszeitraum zugebilligt und die Klausel in Ausnahmefällen mittels ergänzender Vertragsauslegung auf das zumutbare Maß korrigiert.85

32

Eine Rückzahlungsvereinbarung sollte vor Beginn der Fortbildung vereinbart werden. Wird sie nach Beginn vereinbart, muss der Arbeitgeber eine angemessene Überlegungsfrist einräumen, innerhalb derer sich der Arbeitnehmer ohne Kostenrisiko entscheiden kann, ob er die Qualifizierung fortsetzen will oder nicht.86

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Die Rückzahlungsfrist wird meist durch Kündigung des Arbeitnehmers ausgelöst. Eine unangemessene Benachteiligung wegen unzulässiger Rückzahlungstatbestände liegt hier insbesondere vor bei Klauseln, die unabhängig von der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlungspflicht entstehen lassen.87 Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen.88 Die Kündigung darf also grundsätzlich nicht durch den Arbeitgeber veranlasst sein, sondern der Grund muss aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen.89 An eine Kündigung des Arbeitgebers aus verhaltensbedingten Gründen kann die Rückzahlungspflicht anknüpfen.90 Betriebsbedingte91 und wohl auch

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82 83

84 85 86 87 88

89 90 91

Aufwand sein (BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342, Rz. 41). Gleiches gilt für Individualklauseln, BAG v. 12.12.1979 – 5 AZR 1056/77, DB 1980, 1704. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 18, 20. Gleiches gilt für Individualklauseln, BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542, Rz. 21; v. 15.12.1993 – 5 AZR 279/93, NZA 1994, 835. BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107: zulässige Bindungsdauer von drei Jahren bei sechsmonatiger Ausbildungsdauer, kompletter Freistellung und Erwerb einer Qualifikation für die Eingruppierung in den höheren Sparkassendienst, s. aber BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 20. Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 339. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Ls. und Rz. 18. Für Individualvereinbarungen gilt das Gleiche: BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 542, Rz. 21; v. 15.12.1993 – 5 AZR 279/93, NZA 1994, 835. BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342, Rz. 44 ff.; v. 19.3.1980 – 5 AZR 362/78 –, juris; Lakies, ArbRAktuell 2012, 216. BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, Rz. 17; v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419, Rz. 18; v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 30 f.; v. 17.9.2009, NZA 2010, 37, Rz. 19. BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, Rz. 18; v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419, Rz. 18; v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, Rz. 15; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; dazu Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 340; Rückzahlungsverpflichtungen bei arbeitgeberveranlassten Kündigungen sollen daher nicht in Betracht kommen, Olbertz/Sturm, GWR 2015, 510, 512 mwN. BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, Rz. 17; v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419, Rz. 18; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, Rz. 19; v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/ 08, NZA 2012, 85, Rz. 30 f.; v. 17.9.2009, NZA 2010, 37, Rz. 19. Vgl. Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 340 f. Vgl. BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 17; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042.

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Kap. 8 Rz. 35

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

personenbedingte92 Gründe scheiden hingegen als Rückzahlungstatbestand aus.93 Werden sie in vorformulierten Vertragsbedingungen als Rückzahlungstatbestand nicht ausgenommen, so scheitert damit die gesamte Rückzahlungsverpflichtung.94 Auch wenn der Rückzahlungsverpflichtung eines Auszubildenden zum Ende der Ausbildung keine Beschäftigungsgarantie gegenübersteht, schränkt dies wesentliche Rechte des Auszubildenden gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein und ist daher unwirksam.95 In Formularverträgen muss eine Rückzahlungsklausel jeweils klar erkennen lassen, für welche Fälle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlungsverpflichtung besteht.96 35

Eine Rückzahlungsklausel kann auch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Abschluss bzw. während des Lehrgangs oder des Abbruchs des Lehrgangs vereinbart werden, wenn der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet97 Hier hat das BAG eine volle Rückzahlungspflicht akzeptiert. In AGB-Klauseln ist eine Überlegungsfrist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer sich im Rahmen eines Vorbereitungslehrgangs darüber klar werden kann, ob der Lehrgang insgesamt für ihn geeignet ist.98 Eine solche Rückzahlungsklausel ist auch dann angemessen, wenn die Aus- oder Weiterbildung in mehreren, zeitlich voneinander getrennten Abschnitten erfolgt. Voraussetzung ist jedoch, dass nach der Vereinbarung die zeitliche Lage der einzelnen Aus- oder Fortbildungsabschnitte den Vorgaben der Aus- oder Fortbildungseinrichtung entspricht und dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eingeräumt ist, allein nach seinen Interessen die Teilnahme an den jeweiligen Aus- oder Fortbildungsabschnitten oder deren zeitliche Lage festzulegen.99

36

Der Arbeitnehmer muss zudem mit der Aus- oder Weiterbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Bindung an das Arbeitsverhältnis erhalten, dh. sie muss für ihn einen geldwerten Vorteil darstellen, und er braucht nur die bis zum Ausscheiden tatsächlich entstandenen Kosten zurückzuzahlen.100

37

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt außerdem vor bei einer Klausel, die eine Gewährung der Ausbildungskosten als zinsloses Darlehen verbunden mit der Möglichkeit einer Abzahlung durch spätere Berufstätigkeit beim Ausbilder vorsieht, ohne jedoch die Arbeitsbedingungen im Zeitpunkt des Abschlusses der Ausbildungsvereinbarung näher zu konkretisieren, insbesondere hinsichtlich Beginn sowie Art und Umfang dieser Tätigkeit.101 Dem Transparenzgebot ist ferner nur dann genügt, wenn die gegebenenfalls zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen

92 Vgl. Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 408; BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435, Rz. 35; auch LAG Düsseldorf v. 8.5.2003, LAG Report 2003, 350. 93 Dazu mwN Hoffmann, NZA-RR 2015, 337; Olbertz/Sturm, GWR 2015, 510. 94 Vgl. § 306 Abs. 2 BGB; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, Rz. 19 f.; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; im Einzelnen dazu unten Einf. Rz. 35. 95 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435; v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004 zu Ausbildungskosten im Rahmen eines Volontariatsvertrages; LAG Schl.-Holst. v. 23.5.2007, NZARR 2007, 514 zur Unterbrechung einer Berufsausbildung zur Aufnahme eines dualen Studiums; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 14.12.2011 – 3 Sa 263/11 zu Ausbildungskosten im Rahmen eines Fernstudiums; dazu auch Maier/Mosig, NZA 2008, 1168. 96 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748. 97 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Ls. und Rz. 25. 98 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 30. 99 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 45. 100 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Ls. und Rz. 41. 101 BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004.

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Rz. 39 Kap. 8

angegeben sind.102 Es sind zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der gegebenenfalls zu erstatteten Kosten anzugeben.103 Dazu gehört auch die Angabe, ob es sich bei der Rückzahlungsverpflichtung um die Netto- oder Bruttosumme handelt und ob auch die Beträge zur Zusatzversorgung zu erstatten sind.104 Werden in einer Rückzahlungsklausel die Kosten auf einen bestimmten Betrag pauschaliert, muss die Zusammensetzung des Betrags transparent gemacht und darüber hinaus dem Vertragspartner die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis zu führen, dass tatsächlich nur Kosten in niedrigerer Höhe entstanden sind.105 Der Rückzahlungsbetrag darf die tatsächlichen Kosten der Maßnahme nicht übersteigen.106 Wegen § 32 SGB I dürfen die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nicht Gegenstand der Rückzahlungsverpflichtung sein.107 Der Umfang der Rückzahlungspflicht sollte ratenweise anteilig mit der Betriebszugehörigkeit nach Abschluss der Fortbildung abnehmen. Gegen eine monatliche Staffelung bestehen keine Bedenken.108 Während ursprünglich auch eine jährliche Staffelung zulässig war,109 hat das BAG dies zwischenzeitlich ausdrücklich offengelassen.110 In der Instanzrechtsprechung wird sie zum Teil für unzulässig gehalten.111

38

Wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion, § 306 Abs. 2 BGB, wird eine zu weit gehende Rückzahlungsklausel nicht auf das zumutbare Maß herabgesetzt; vielmehr entfällt bei einer zu weit gehenden Rückzahlungsklausel die Rückzahlungspflicht vollständig.112 Dies gilt bei einer zu langen Bindungsfrist113 ebenso wie bei zu weit gehenden Rückzahlungstatbeständen114 oder einem zu hohen Rückzahlungsbetrag.115 Allerdings will das BAG aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsrechts eine ergänzende Vertragsauslegung im Einzelfall zulassen, wenn die Fallgestaltung eine Bestimmung der zulässigen Bindungsdauer für den Arbeitgeber erschwert und es unangemessen erscheint, ihm das Prognoserisiko aufzubürden.116

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102 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15; v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428, Rz. 19 ff. Gegenstand der Rückzahlungsverpflichtung sind nicht nur die unmittelbaren Fortbildungskosten (Dozent, Reisekosten, etc.), sondern auch das während der Freistellung fortgezahlte Arbeitsentgelt einschließlich des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung, vgl. schon Einf. Rz. 29 ff. und BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85. 103 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15; v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428, Rz. 19 ff. 104 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15; dazu Elking, BB 2014, 885, 887. 105 LAG Köln v. 27.5.2010, NZA-RR 2011, 11; s. aber LAG Nürnberg, NZA-RR 2015, 123, 124 (II.2.a). 106 BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; v. 19.2.2004, BAGE 109, 345. 107 BAG v. 11.4.1984 – 5 AZR 430/82, NZA 1984, 288. 108 S. dazu M 8.3 und Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 340; Olbertz/Sturm, GWR 2015, 510, 512. 109 BAG v. 23.4.1986 – 5 AZR 159/85, NZA 1986, 741. 110 BAG v. 15.9.2009, NZA 2009, 342, Rz. 40. 111 LAG Rheinland-Pfalz v. 3.3.2015 – 8 Sa 561/14, juris n.rkr., Revision beim BAG anhängig unter Az. 9 AZR 434/15; anders wohl aber LAG Baden-Württemberg v. 12.9.2013 – 16 Sa 24/13 –, juris. 112 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 22 ff.; Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 339 f. mwN. 113 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 34; v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 18. 114 BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, Rz. 15; v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042. 115 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; zur Unwirksamkeit aufgrund Intransparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) der Rückzahlungshöhe BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15; v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428, Rz. 19 ff. 116 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666, Rz. 27 ff.; v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; in den vorbezeichneten Entscheidungen

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341

Kap. 8 Rz. 40

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.1.1

b) Kollektivvertragliche Rückzahlungsklauseln 40

Tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln unterliegen nicht der AGB-Kontrolle, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Sie tragen aufgrund der Beteiligung der Tarifvertragsparteien als gleichberechtigte Partner, vgl. Art. 9 Abs. 3 GG, eine Vermutung in sich, dass sie den Interessen beider Seiten gerecht werden und somit einen angemessenen Ausgleich darstellen.117 Kollektiv vereinbarte Rückzahlungsklauseln unterliegen daher nur einer eingeschränkten Rechtmäßigkeitskontrolle.118 Allerdings kommt auch bei kollektiven Regelungen eine Ausübungskontrolle nach § 315 BGB in Betracht.119 Eine Inhaltskontrolle findet jedoch ggf. statt bei Einzel- oder Teilverweisungen auf eine Rückzahlungsklausel in einem Tarifvertrag.120

41

Rückzahlungsklauseln in normativ geltenden Betriebsvereinbarungen sind nach § 88 BetrVG bzw. für die Modalitäten § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zulässig und unterliegen ebenfalls wegen § 310 Abs. 4 BGB keiner AGB Kontrolle. Überprüft werden Sie aber jedenfalls an § 75 Abs. 2 BetrVG.121

117 118 119 120 121

wurde das Vorliegen einer unzumutbaren Härte für den Arbeitgeber jedoch verneint. In späteren Urteilen wurde dies aber nicht mehr aufgegriffen, vgl. nur BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, Rz. 22; v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419, Rz. 14, die eine ergänzende Vertragsauslegung pauschal ablehnen. Dazu Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 339 f. mwN. Vgl. BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154. Dorth, RdA 2013, 287; Löwisch, NZA 2013, 549, 550 mwN. Vgl. zu Widerrufsvorbehalten BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 187/05, BB 2006, 1057. BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; allgemein auch BAG v. 15.7.2009 – 5 AZR 867/ 08, NZA 2009, 1366, Rz. 19; v. 6.5.2009, NZA-RR 2009, 593, Rz. 21 ff.; dazu Schlewing, NZA-Beil. 2012, 33. Vgl. auch Einf. Kap. 2 Rz. 98. Dorth, RdA 2013, 287; im Detail Löwisch, NZA 2013, 549 mwN.

II. Muster M 8.1.1

Berufsausbildungsvertrag (ausführliche Form)

Der Ausbildende1 (Unternehmen)2 und der Auszubildende3 schließen folgenden Ausbildungsvertrag:

1 M 8.1.1 umfasst zur Information der Vertragsbeteiligten zahlreiche Regelungen, die auch im BBiG enthalten sind und auf die in den Fußnoten verwiesen wird. Es orientiert sich zudem an den Mustern der IHKs, auch wenn sie zT über die gesetzlichen Erfordernisse des BBiG hinausgehen. Wo dies der Fall ist, wurde es in der entspr. Fn. angemerkt. Das M 8.1.2 (kurze Form) enthält demgegenüber nur die die Gesetzeslage ergänzenden Vertragsbestimmungen. Zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Ausbildenden können mehrere natürliche oder juristische Personen in einem Ausbildungsverbund zusammenwirken, soweit die Verantwortlichkeit für die einzelnen Ausbildungsabschnitte sowie für die Ausbildungszeit insgesamt sichergestellt ist (Verbundausbildung), § 10 Abs. 5 BBiG. 2 Zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Ausbildenden können mehrere natürliche oder juristische Personen in einem Ausbildungsverbund zusammenwirken, soweit die Verantwortlichkeit für die einzelnen Ausbildungsabschnitte sowie für die Ausbildungszeit insgesamt sichergestellt ist (Verbundausbildung), § 10 Abs. 5 BBiG. 3 Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form.

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M 8.1.1

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

§ 1 Art, Ziel und Gliederung der Ausbildung4 (1) Der Auszubildende wird nach Maßgabe der Ausbildungsordnung5 … zum Beruf des … ausgebildet. (2) Die sachliche und zeitliche Gliederung der Berufsausbildung bestimmt sich nach dem Ausbildungsplan … (Anlage 1) auf Grundlage des Ausbildungsrahmenplans …6

§ 2 Beginn und Dauer der Ausbildung7, 8 (1) Die Ausbildung beginnt am … (2) Die Ausbildungszeit beträgt nach der Ausbildungsordnung … Monate. Hierauf wird die Berufsbildung zum … (genaue Bezeichnung des Ausbildungsberufs) und/oder eine Vorbildung/Ausbildung in … (Schulart oder sonstige Ausbildungsstätte) mit … Monaten angerechnet. Die Ausbildung endet daher am …9 (3) Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit gemäß Abs. 2 die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlussprüfung.10 (4) Besteht der Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens jedoch um ein Jahr.11 (5) Bei Inanspruchnahme von Elternzeit verlängert sich die Ausbildungszeit um die Dauer der Elternzeit.12 4 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBiG. 5 Für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe sind Ausbildungsordnungen zu erlassen, die für die Ausbildung zwingend sind (§ 4 Abs. 1, 2 BBiG). 6 Zum Inhalt § 5 Abs. 1 Nr. 4 BBiG. 7 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBiG. 8 Wenn die Ausbildungsordnung vorsieht, dass die Berufsausbildung in sachlich und zeitlich besonders gegliederten, aufeinander abgestimmten Stufen erfolgt, soll zwar nach den einzelnen Stufen ein Ausbildungsabschluss vorgesehen sein, der zu einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt (sog. echte Stufenausbildung, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Auch in diesem Fall muss aber der Vertrag über die gesamte Ausbildungszeit abgeschlossen werden (§ 21 Abs. 1 BBiG). 9 Vgl. § 21 Abs. 1 BBiG. Die Ausbildungsdauer soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BBiG); Der Betriebsrat hat nach § 98 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber generell eine nach § 8 Abs. 1 BBiG verkürzte Ausbildung vorsehen will, vgl. BAG v. 24.8.2004 – 1 ABR 28/03, NZA 2005, 371. 10 Vgl. § 21 Abs. 2 BBiG. Findet die Abschlussprüfung erst einige Zeit nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses statt, verlängert sich das Ausbildungsverhältnis nicht kraft Gesetzes nach § 21 Abs. 3 BBiG über die vereinbarte Zeit hinaus, wobei das BAG jedoch eine analoge Anwendung für möglich hält, vgl. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 427/07, NZA 2009, 738; v. 13.3.2007, NZA 2007, 1391. 11 Vgl. § 21 Abs. 3 BBiG. Besteht der Auszubildende die erste Wiederholungsprüfung nicht und stellt er ein Verlängerungsverlangen, verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis kraft Gesetzes bis zur zweiten Wiederholungsprüfung, wenn diese noch innerhalb der Höchstfrist von einem Jahr abgelegt wird. Die Beendigungswirkung tritt unabhängig davon ein, ob die zweite Wiederholungsprüfung bestanden oder nicht bestanden wird (BAG v. 15.3.2000 – 5 AZR 622/98, NZA 2001, 214). Vor Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag vereinbarten Ausbildungszeit ist die Geltendmachung des Verlängerungsanspruchs nicht fristgebunden (vgl. BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 519/03, NZA 2005, 413). Macht der Auszubildende den Anspruch erst nach Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit geltend, verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis nur dann, wenn das Verlangen unverzüglich erklärt wird (BAG v. 23.9.2004, NZA 2005, 413). Das Verlängerungsverlangen kann analog § 21 Abs. 3 BBiG geltend gemacht werden, wenn die Prüfung zwar bereits abgelegt, das Ergebnis jedoch erst nach Ablauf der Ausbildungszeit bekannt gegeben wird (BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 427/07, NZA 2009, 738). 12 Vgl. § 20 Abs. 1 BEEG. Es wird vertreten, dass der Auszubildende bei Elternzeit ohnehin einen Anspruch auf Verlängerung der Ausbildungszeit hat (ErfK/Müller-Glöge, 16. Aufl. 2016, § 20 BEEG Rz. 1) bzw. dass sich die Ausbildungszeit bereits automatisch verlängert (Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl. 2008, § 20 BEEG Rz. 3). Daher wirkt diese Klausel nur deklaratorisch. Sie wird aber in den IHK-Mustern (§ 1, Punkt 4) verwendet und wurde daher auch hier angefügt.

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Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.1.1

§ 3 Probezeit13 14

(1) Die Probezeit beträgt … Monate. (2) Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung.

§ 4 Ausbildungsort (1) Die Ausbildung findet in … und den mit dem Betriebssitz für die Ausbildung üblicherweise zusammenhängenden Bau-, Montage- und sonstigen Arbeitsstellen statt. (2) Außerhalb der Ausbildungsstätte finden folgende Ausbildungsmaßnahmen statt: …15

§ 5 Vergütung16 (1) Der Auszubildende erhält eine Vergütung von z. Zt. monatlich brutto – im ersten Ausbildungsjahr Euro … – im zweiten Ausbildungsjahr Euro … – im dritten Ausbildungsjahr Euro …17 (2) Die Vergütung ist zahlbar zum Ende des jeweiligen Kalendermonats. (3) Mehrarbeit über die vereinbarte regelmäßige Ausbildungszeit hinaus wird durch Freizeit abgegolten18/wird gesondert vergütet/wird mit einem Zuschlag von … % vergütet. (4) Der Ausbilder trägt ferner die Kosten für19 – Kost und/oder Wohnung des Auszubildenden gemäß Anlage 2 zu diesem Vertrag;20 – Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind. Abzusetzen sind jedoch ersparte Verpflegungskosten des Auszubildenden. Die Anrechnung von anteiligen Kosten und Sachbezugswerten nach § 17 Abs. 2 BBiG darf 75 % der vereinbarten Bruttovergütung nicht übersteigen; 13 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 BBiG. 14 Die Probezeit muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen (§ 20 BBiG). Die Dauer kann gerichtlich überprüft werden, vgl. BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NJW 2015, 2284. Ging dem jetzigen Ausbildungsverhältnis bereits ein Ausbildungsverhältnis voran, ist bei einem engen sachlichen Zusammenhang die Vereinbarung einer weiteren Probezeit wegen § 25 BBiG unzulässig, BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NJW 2015, 2284, Rz. 29; Einzelheiten s. Einf. Rz. 2. 15 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BBiG. 16 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BBiG. Finden Tarifverträge Anwendung, sind diese zu nennen. 17 Der Ausbilder hat dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen (vgl. §§ 17 Abs. 1, 18 BBiG, dies meint aber nicht den Mindestlohn, s. § 22 Abs. 3 MiLoG), wobei wichtigster Anhaltspunkt die einschlägigen Tarifverträge sind. Ob die Vergütung nach § 850a Nr. 6 ZPO unpfändbar und damit gem. § 400 BGB auch nicht abtretbar ist, ist streitig (für Pfändbarkeit MünchArbR/Natzel, 3. Aufl. 2009, § 322 Rz. 84; Thomas/Putzo/Seiler, § 850a ZPO Rz. 7; Zöller/Stöber, § 850a ZPO Rz. 13; aA ErfK/Schlachter, § 17 BBiG Rz. 2 mwN). Werden die tariflichen Sätze um mehr als 20 % unterschritten, ist die Vergütung im Regelfall nicht mehr angemessen (vgl. nur BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 108/14, NZA 2015, 1384, Rz. 22; v. 26.3.2013, BB 2013, 1523; zu Ausnahmen vgl. BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 258/94, DB 1996, 1086). Die von den zuständigen Ausbildungsstellen festgelegten Tarife sind demgegenüber nur Empfehlungen und nicht verbindlich. Vgl. auch BAG v. 15.12.2005, NZA 2007, 1392 für die allein maßgebliche Bezugnahme auf den betreffenden Industrie- bzw. Gewerbezweig unabhängig vom jeweiligen Ausbildungsabschluss. Eine geringere Höhe der Ausbildungsvergütung ist gerechtfertigt, wenn durch begrenzt zur Verfügung stehende öffentliche Gelder zusätzliche Ausbildungsplätze für sozial benachteiligte Personengruppen geschaffen werden, die eine Ausbildung ohne die Förderung nicht durchführen könnten, wenn der Betrag jedenfalls noch höher als 2/3 des § 13 BAföG ist (BAG v. 29.4.2015, NZA 2015, 1384, Rz. 22; v. 17.3.2015 – 9 AZR 732/13, AP BBiG § 17 Nr. 11, Rz. 20 ff.; v. 19.2.2008, NZA 2008, 828; v. 22.1.2008, NZA-RR 2008, 565). Einzelheiten s. Einf. Rz. 2. 18 Vgl. § 17 Abs. 3 BBiG. 19 Zu Sachleistungen vgl. § 17 Abs. 2 BBiG. 20 Da es sich um einen in der Praxis seltenen Fall handelt, wurde davon abgesehen, die Anlage anzufügen.

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– besondere Berufskleidung. (5) Der Auszubildende erhält Vergütung auch21 – für die Zeit der Freistellung am Berufsschulunterricht und an Prüfungen22 sowie für Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte und nach § 43 JArbSchG23 – bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er – sich für die Berufsausbildung bereithält, diese aber ausfällt, oder – aus einem sonstigen, in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert ist, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Wenn der Auszubildende infolge einer unverschuldeten Krankheit, einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, einer Sterilisation oder eines Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt an der Berufsausbildung nicht teilnehmen kann, findet das Entgeltfortzahlungsgesetz Anwendung.

§ 6 Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit24 Die regelmäßige tägliche Ausbildungszeit beträgt … Stunden.25

§ 7 Urlaub26 (1) Der Auszubildende erhält Urlaub von … Arbeitstagen/Jahr. Er erhöht sich im Jahr … auf … und im Jahr … auf … Arbeitstage. (2) Der Urlaub soll zusammenhängend und in der Zeit der Berufsschulferien erteilt und genommen werden. Während des Urlaubs darf der Auszubildende keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten.

§ 8 Pflichten des Ausbildenden27 Der Ausbildende verpflichtet sich, – dafür zu sorgen, dass dem Auszubildenden die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die zum Erreichen des Ausbildungszieles nach der Ausbildungsordnung erforderlich sind, und die Berufsausbildung nach den Angaben zur sachlichen und zeitlichen Gliederung des Ausbildungsablaufs so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann; – selbst auszubilden oder einen persönlich und fachlich geeigneten Ausbilder/eine Ausbilderin ausdrücklich damit zu beauftragen und diesen/dieser dem Auszubildenden jeweils schriftlich bekanntzugeben; – dem Auszubildenden vor Beginn der Ausbildung die Ausbildungsordnung kostenlos auszuhändigen; – dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge, Werkstoffe und Fachliteratur zur Verfügung zu stellen, die für die Ausbildung in den betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildungsstätten und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, 21 22 23 24 25

Vgl. § 19 BBiG. Vgl. § 15 BBiG. Dh. Freistellung zu ärztlichen Untersuchungen nach §§ 32 ff. JArbSchG. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BBiG. Nach § 8 JArbSchG beträgt die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit (Ausbildungszeit) bei noch nicht 18 Jahre alten Personen (Jugendlichen) acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Zu Ausnahmen vgl. § 8 Abs. 2–3 JArbSchG. Für Volljährige gilt § 3 ArbZG. 26 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BBiG. Für die Dauer des Urlaubs gilt BUrlG, JArbSchG, ArbPlSchG und SGB IX. Die Dauer ist für jedes Jahr der Berufsausbildung gesondert anzugeben (ErfK/Schlachter, 16. Aufl. 2016, § 11 BBiG Rz. 3). 27 Diese Klausel orientiert sich wörtlich an den Mustern der IHKs (vgl. § 3 IHK-Muster). Sie geht hinsichtlich der Mehrzahl der Punkte aber über das gesetzlich nach §§ 14, 28 ff. BBiG und §§ 32 f. JArbSchG hinaus. Besonders starke Abweichungen sind im Folgenden gesondert gekennzeichnet.

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auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses und in zeitlichem Zusammenhang damit stattfinden, erforderlich sind28; den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule anzuhalten und freizustellen. Das Gleiche gilt, wenn Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte vorgeschrieben sind; dem Auszubildenden vor Ausbildungsbeginn und später die schriftlichen Ausbildungsnachweise für die Berufsausbildung kostenfrei auszuhändigen sowie die ordnungsgemäße Führung durch regelmäßige Abzeichnung zu überwachen, soweit schriftliche Ausbildungsnachweise im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden; dem Auszubildenden nur Aufgaben zu übertragen, die dem Ausbildungszweck dienen und seinen körperlichen Kräften angemessen sind; dafür zu sorgen, dass der Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet wird; sich von dem jugendlichen Auszubildenden Bescheinigungen gemäß §§ 32, 33 JArbSchG darüber vorlegen zu lassen, dass dieser – vor der Aufnahme der Ausbildung untersucht und – vor Ablauf des ersten Ausbildungsjahres nachuntersucht worden ist29; unverzüglich nach Abschluss des Berufsausbildungsvertrages die Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bei der zuständigen Stelle unter Beifügung der Vertragsniederschriften und – bei Auszubildenden unter 18 Jahren – einer Kopie der ärztlichen Bescheinigung über die Erstuntersuchung gemäß § 32 JArbSchG zu beantragen; Entsprechendes gilt bei späteren Änderungen des wesentlichen Vertragsinhaltes30; den Auszubildenden rechtzeitig zu den angesetzten Zwischen- und Abschlussprüfungen anzumelden und für die Teilnahme freizustellen sowie der Anmeldung zur Zwischenprüfung bei Auszubildenden unter 18 Jahren eine Kopie oder Mehrfertigung der ärztlichen Bescheinigung über die erste Nachuntersuchung gemäß § 33 Jugendarbeitsschutzgesetz beizufügen.

§ 9 Pflichten des Auszubildenden31 Der Auszubildende hat sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Er verpflichtet sich insbesondere, – die ihm im Rahmen seiner Berufsausbildung übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen; – am Berufsschulunterricht und an Prüfungen sowie an Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte teilzunehmen, für die er freigestellt wird; sein Berufsschulzeugnis unverzüglich dem Ausbildenden zur Kenntnisnahme vorzulegen und sich damit einverstanden zu erklären, dass sich Berufsschule, IHK und Ausbildungsbetrieb über seine Leistungen unterrichten;

28 Der Auszubildende kann das Prüfungsstück gegen Erstattung der Materialkosten erwerben. 29 Vgl. § 3 Ziff. 9 IHK-Muster. Diese Anforderungen sind in § 14 Abs. 1 BBiG nicht enthalten. Allgemein besteht ohne Vorlage der Bescheinigungen ein Beschäftigungsverbot nach §§ 32 f. JArbSchG. Für die Nachuntersuchungen muss der Arbeitgeber zudem Hinweispflichten erfüllen, wofür diese Klausel aber nicht ausreichen wird. Hält der Arbeitgeber die Hinweispflichten nicht ein, kommen ein Bußgeld oder eine Strafbarkeit in Betracht, vgl. zB § 58 Abs. 1 Nr. 22 f., Abs. 4–6, § 59 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 JArbSchG. Eine Weigerung des Auszubildenden, sich untersuchen zu lassen, kann ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein, vgl. ErfK/Schlachter, 16. Aufl. 2016, § 32 JArbSchG Rz. 1, § 33 JArbSchG Rz. 1. 30 Vgl. § 3 Ziff. 10 IHK-Muster. Diese Anforderungen sind in § 14 Abs. 1 BBiG nicht enthalten. Allerdings bestehen diese Pflichten allgemein in §§ 35 f. BBiG für den Ausbilder. Unterlässt er die Eintragung, droht ein Bußgeld nach § 102 Nr. 7 BBiG und ggf. eine Schadenersatzpflicht ggü. dem Auszubildenden aufgrund Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (so Leinemann/Taubert, 2. Aufl. 2008, § 36 BBiG Rz. 22). 31 Diese Klausel orientiert sich wörtlich an den Mustern der IHKs (vgl. § 4 IHK-Muster). Einige Punkte gehen aber über das gesetzlich nach § 13 BBiG Erforderliche hinaus. Auch ein Auszubildender unterliegt während des Bestandes des Ausbildungsverhältnisses einem vertragsimmanenten Wettbewerbsverbot, BAG v. 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, DB 2007, 346.

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– den Weisungen zu folgen, die ihm im Rahmen der Berufsausbildung vom Ausbildenden, vom Ausbilder oder von anderen weisungsberechtigten Personen, soweit sie als weisungsberechtigt bekannt gemacht worden sind, erteilt werden; – die für die Ausbildungsstätte geltende Ordnung zu beachten; – Werkzeug, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich zu behandeln und sie nur zu den ihm übertragenen Arbeiten zu verwenden; – über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren; – einen vorgeschriebenen schriftlichen Ausbildungsnachweis ordnungsgemäß zu führen und regelmäßig vorzulegen32; – bei Fernbleiben von der betrieblichen Ausbildung, vom Berufsschulunterricht oder von sonstigen Ausbildungsveranstaltungen dem Ausbildenden unter Angabe von Gründen unverzüglich Nachricht zu geben und ihm Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, hat der Auszubildende eine ärztliche Bescheinigung über die bestehende Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Ausbildende ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen; – soweit auf ihn die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes Anwendung finden, sich gemäß §§ 32 und 33 dieses Gesetzes ärztlich – vor Beginn der Ausbildung untersuchen, – vor Ablauf des ersten Ausbildungsjahres nachuntersuchen zu lassen – und die Bescheinigungen hierüber dem Ausbildenden vorzulegen33.

§ 10 Kündigung34 (1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.35 (2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden – von beiden Parteien aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,36 – vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. (3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Abs. 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen37.

32 Vgl. § 4 Ziff. 7 IHK-Muster. Dies kann eine Ausbildungsordnung vorsehen, vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 7 BBiG; außerdem läuft eine solche Pflicht parallel mit der Pflicht des Ausbilders nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 BBiG, vgl. oben § 8 Spiegelstrich 6. 33 Vgl. § 4 Ziff. 9 IHK-Muster; vgl. Nachweise und Details in Fn. zu § 8, Spiegelstrich 9. 34 Vgl. § 22 BBiG und § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 BBiG. Dazu Hülsemann, ArbRAktuell 2016, 107; Reinartz, DB 2015, 1347. 35 Das Berufsbildungsrecht verlangt auch bei minderjährigen Auszubildenden kein klärendes Gespräch mit den erziehungsberechtigten Eltern vor einer Kündigung gem. § 22 Abs. 1 BBiG in der Probezeit, BAG v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, NZA 2012, 495; vgl. zur Arbeitgeberkündigung während der Probezeit Hirdina, NZA-RR 2010, 65. 36 Schlechtleistungen bei der Zwischenprüfung stellen nur in seltenen Ausnahmefällen einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar, vgl. ArbG Essen v. 27.9.2005, NZA-RR 2006, 246; beleidigende Äußerungen des Auszubildenden über seinen Ausbilder auf der Internetplattform „Facebook“ können jedoch eine fristlose Kündigung begründen, vgl. LAG Hamm v. 10.10.2012 – 3 Sa 644/12, ArbRB 2013, 12. Regelmäßig ist vorab eine Abmahnung erforderlich, LAG Hamm v. 25.4.2013, NZA-RR, 2013, 406. Eine Verdachtskündigung ist möglich, BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741, Rz. 28 ff. 37 Hinsichtlich des Adressaten ist bei minderjährigen Auszubildenden § 131 Abs. 2 BGB zu beachten, Einzelheiten s. Einf. Rz. 6 f. mwN.

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(4)38 Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten bei Ausspruch der Kündigung länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein Schlichtungsverfahren gemäß § 12 eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt. (5)39 Bei vorzeitiger Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit kann der Ausbildende oder der Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn der andere den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Das gilt nicht bei Kündigung wegen Aufgabe oder Wechsels der Berufsausbildung nach Abs. 2 2. Spiegelstrich. Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird. (6) Bei Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses wegen Betriebsaufgabe oder wegen Wegfalls der Ausbildungseignung verpflichtet sich der Ausbildende, sich mit Hilfe der Berufsberatung der zuständigen Arbeitsagentur rechtzeitig um eine weitere Ausbildung im bisherigen Ausbildungsberuf in einer anderen geeigneten Ausbildungsstätte zu bemühen.

§ 11 Zeugnis40 Der Ausbildende stellt dem Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein Zeugnis aus. Hat der Ausbildende die Berufsausbildung nicht selbst durchgeführt, so soll auch der Ausbilder das Zeugnis unterschreiben. Das Zeugnis muss Angaben enthalten über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung sowie über die erworbenen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten des Auszubildenden. Auf Verlangen des Auszubildenden sind auch Angaben über Verhalten und Leistung aufzunehmen.

§ 12 Beilegung von Streitigkeiten Bei Streitigkeiten aus dem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis ist vor Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts der nach § 111 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes errichtete Ausschuss anzurufen.41

§ 13 Erfüllungsort Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag ist der Ort der Ausbildungsstätte.

§ 14 Nebenabreden, Schriftformerfordernis, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Ergänzend vereinbaren die Parteien Folgendes: … oder (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. 38 Vgl. § 22 Abs. 4 BBiG. 39 Vgl. § 23 BBiG. Kündigt etwa der Auszubildende aus Gründen, die der Ausbildende zu vertreten hat, besteht der Schaden in der Differenz zwischen der Vermögenslage, die eingetreten wäre, wenn das Berufsausbildungsverhältnis ordnungsgemäß beendet worden wäre, und der durch die vorzeitige Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses tatsächlich entstandenen Vermögenslage; der Auszubildende muss sich jedoch anderweitigen Verdienst anrechnen lassen, BAG v. 16.7.2013 – 9 AZR 784/11, NZA 2013, 1202; v. 8.5.2007 – 9 AZR 527/06, NJW 2007, 3594. Ob als weitergehende Voraussetzung zu fordern ist, dass Kündigungsschutzklage erhoben wurde, ist offen (LAG Hamm v. 22.12.2015 – 14 Ta 468/ 15, juris). 40 Vgl. § 16 BBiG; die elektronische Form ist ausgeschlossen, vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 BBiG. 41 Die Anrufung des Ausschusses – soweit ein solcher bei der zuständigen Kammer oder Innung gebildet ist – ist unverzichtbare Prozessvoraussetzung auch für das Kündigungsschutzverfahren (BAG v. 13.4.1989 – 2 AZR 441/88, DB 1990, 586). Die Entscheidung des Ausschusses ist verbindlich, wenn nicht binnen zwei Wochen dagegen Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben wird, § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG. Streitig ist, ob für das Kündigungsschutzverfahren die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG gilt (dafür Kreutzfeld/Kramer, DB 1995, 975, 976; vgl. auch BAG v. 26.1.1999 – 2 AZR 134/98, NZA 1999, 934) oder die Zwei-Wochen-Frist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG (LAG Düsseldorf v. 3.5.1988, LAGE Nr. 1 zu § 111 ArbGG 1979); die Einhaltung letzterer Frist ist daher anzuraten. Nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses entfällt die Zuständigkeit des Ausschusses und damit die Prozessvoraussetzung gem. § 111 Abs. 2 ArbGG (BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 1091/06, NZA 2008, 828).

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

(2) Änderungen und Ergänzungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.42 [ggf.] (3) Folgende Kollektivvereinbarungen finden Anwendung: …43 Dieser Vertrag ist in zwei gleich lautenden Ausfertigungen (bei Mündeln dreifach) ausgestellt und von den Vertragschließenden eigenhändig unterschrieben worden. … (Ort/Datum) Der Ausbildende: … (Stempel und Unterschrift)

Der Auszubildende: … (voller Vor- und Zuname) Ggf. Vertretungsberechtigte: …44 1) (voller Vor- und Zuname) 2) (voller Vor- und Zuname)

Die gesetzlichen Vertreter des Auszubildenden: (Falls ein Elternteil verstorben, bitte vermerken) Vater: … und/oder Mutter: … Vormund: … (voller Vor- und Zuname) 42 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 43 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 BBiG. Sind Kollektivvereinbarungen anwendbar, sind sie zu nennen. 44 § 11 Abs. 2 BBiG.

M 8.1.2

Berufsausbildungsvertrag (kurze Form)

Der Ausbildende1 (Unternehmen) und der Auszubildende2 schließen folgenden Ausbildungsvertrag:

§ 1 Art, Ziel und Gliederung der Ausbildung3 (1) Der Auszubildende wird nach Maßgabe der Ausbildungsordnung4 … zum Beruf des … ausgebildet. (2) Die sachliche und zeitliche Gliederung der Berufsausbildung bestimmt sich nach dem Ausbildungsplan … (Anlage 1) auf Grundlage des Ausbildungsrahmenplans …5

1 M 8.1.1 enthält zur Information der Vertragsbeteiligten zahlreiche Regelungen, die auch im BBiG enthalten sind und auf die in den Fußnoten verwiesen wird. Das vorliegende M 8.1.2 (kurze Form) enthält demgegenüber nur die die Gesetzeslage ergänzenden Vertragsbestimmungen. 2 Der Begriff umfasst sowohl die weibliche als auch die männliche Form. 3 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BBiG. 4 Für staatlich anerkannte Ausbildungsberufe sind Ausbildungsordnungen zu erlassen, die für die Ausbildung zwingend sind (§ 4 Abs. 1, 2 BBiG). 5 Zum Inhalt § 5 Abs. 1 Nr. 4 BBiG.

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§ 2 Beginn und Dauer der Ausbildung6, 7 (1) Die Ausbildung beginnt am … (2) Die Ausbildungszeit beträgt nach der Ausbildungsordnung … Jahre. Hierauf wird die Berufsbildung zum … (genaue Bezeichnung des Ausbildungsberufs) und/oder eine Vorbildung/Ausbildung in … (Schulart oder sonstige Ausbildungsstätte) mit … Monaten angerechnet. Die Ausbildung endet daher am …8 (3) Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit gemäß Abs. 2 die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlussprüfung.9 (4) Besteht der Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens jedoch um ein Jahr.10

§ 3 Probezeit11 12

(1) Die Probezeit beträgt … Monate. (2) Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung.

§ 4 Ausbildungsort (1) Die Ausbildung findet in … und den mit dem Betriebssitz für die Ausbildung üblicherweise zusammenhängenden Bau-, Montage- und sonstigen Arbeitsstellen statt. (2) Außerhalb der Ausbildungsstätte finden folgende Ausbildungsmaßnahmen statt: …13

§ 5 Vergütung14 (1) Der Auszubildende erhält eine Vergütung von z. Zt. monatlich brutto – im ersten Ausbildungsjahr Euro … – im zweiten Ausbildungsjahr Euro … – im dritten Ausbildungsjahr Euro …15 (2) Die Vergütung ist zahlbar zum Ende des jeweiligen Kalendermonats. (3) Mehrarbeit über die vereinbarte regelmäßige Ausbildungszeit hinaus wird durch Freizeit abgegolten16/wird gesondert vergütet/wird mit einem Zuschlag von … % vergütet. 6 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBiG. 7 Wenn die Ausbildungsordnung vorsieht, dass die Berufsausbildung in sachlich und zeitlich besonders gegliederten, aufeinander abgestimmten Stufen erfolgt, soll zwar nach den einzelnen Stufen ein Ausbildungsabschluss vorgesehen sein, der zu einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt (sog. echte Stufenausbildung, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Auch in diesem Fall muss aber der Vertrag über die gesamte Ausbildungszeit abgeschlossen werden (§ 21 Abs. 1 BBiG). 8 Vgl. § 21 Abs. 1 BBiG. Die Ausbildungsdauer soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BBiG). Der Betriebsrat hat nach § 98 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber generell eine nach § 8 Abs. 1 BBiG verkürzte Ausbildung vorsehen will, vgl. BAG v. 24.8.2004 – 1 ABR 28/03, NZA 2005, 371. 9 Vgl. § 21 Abs. 2 BBiG. Einzelheiten s. Fn. zu M 8.1.1 § 2 Abs. 3. 10 Vgl. § 21 Abs. 3 BBiG. Einzelheiten s. Fn. zu M 8.1.1 § 2 Abs. 4. 11 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 BBiG. 12 Die Probezeit muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen (§ 20 BBiG). Einzelheiten s. Fn. zu M 8.1.1 § 3 Abs. 1. 13 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BBiG. 14 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BBiG. Finden Tarifverträge Anwendung, sind diese zu nennen. 15 Der Ausbilder hat dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen (vgl. §§ 17 Abs. 1, 18 BBiG), dies meint aber nicht den Mindestlohn, s. § 22 Abs. 3 MiLoG. Einzelheiten s. Fn. zu M 8.1.1 § 5 Abs. 1. 16 Vgl. § 17 Abs. 3 BBiG.

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Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

(4) Der Ausbilder trägt ferner die Kosten für – Kost und/oder Wohnung des Auszubildenden gemäß Anlage 2 zu diesem Vertrag.17 – Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind. Abzusetzen sind jedoch ersparte Verpflegungskosten des Auszubildenden. Die Anrechnung von anteiligen Kosten und Sachbezugswerten nach § 17 Abs. 2 BBiG darf 75 % der vereinbarten Bruttovergütung nicht übersteigen. – besondere Berufskleidung.

§ 6 Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit18 Die regelmäßige tägliche Ausbildungszeit beträgt … Stunden.19

§ 7 Urlaub20 (1) Der Auszubildende erhält Urlaub von … Arbeitstagen/Jahr. Er erhöht sich im Jahr … auf … und im Jahr … auf … Arbeitstage. (2) Der Urlaub soll zusammenhängend und in der Zeit der Berufsschulferien erteilt und genommen werden. Während des Urlaubs darf der Auszubildende keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten.

§ 8 Pflichten der Parteien21 Die Ausbildungspflichten der Parteien richten sich nach den gesetzlichen Regelungen, insbesondere §§ 13 und 14 BBiG.

§ 9 Kündigung22 (1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.23 (2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden – von beiden Parteien aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist,24 – vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. (3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Abs. 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen25. (4)26 Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten bei Ausspruch der Kündigung länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein Schlichtungsverfahren gemäß § 12 eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt. 17 Da es sich um einen in der Praxis seltenen Fall handelt, wurde davon abgesehen, die Anlage anzufügen. 18 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BBiG. 19 Nach § 8 JArbSchG beträgt die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit (Ausbildungszeit) bei noch nicht 18 Jahre alten Personen (Jugendlichen) acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Zu Ausnahmen vgl. § 8 Abs. 2–3 JArbSchG. Für Volljährige gilt § 3 ArbZG. 20 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BBiG. Für die Dauer des Urlaubs gilt BUrlG, JArbSchG, ArbPlSchG und SGB IX. Die Dauer ist für jedes Jahr der Berufsausbildung gesondert anzugeben (ErfK/Schlachter, 16. Aufl. 2016, § 11 BBiG Rz. 3; Leinemann/Taubert, 2. Aufl. 2008, § 11 BBiG Rz. 47). 21 Vgl. §§ 13, 14 BBiG. 22 Vgl. § 22 BBiG und § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 BBiG. Ein bloßer Verweis auf § 22 BBiG oder auf den anwendbaren Tarifvertrag genügt nicht (ErfK/Schlachter, 16. Aufl. 2016, § 11 BBiGRz. 4 mwN). Dazu Hülsemann, ArbRAktuell 2016, 107; Reinartz, DB 2015, 1347. 23 Einzelheiten s. Fn. zu M 8.1.1 § 10 Abs. 1. 24 Einzelheiten s. Fn. zu M 8.1.1 § 10 Abs. 2 Spiegelstrich 1. 25 Hinsichtlich des Adressaten ist bei minderjährigen Auszubildenden § 131 Abs. 2 BGB zu beachten, Einzelheiten s. Einf. Rz. 6 f. mwN. 26 Vgl. § 22 Abs. 4 BBiG.

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Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.1.2

(5)27 Bei vorzeitiger Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit kann der Ausbildende oder der Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn der andere den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Das gilt nicht bei Kündigung wegen Aufgabe oder Wechsels der Berufsausbildung nach Abs. 2 2. Spiegelstrich. Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird. (6) Bei Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses wegen Betriebsaufgabe oder wegen Wegfalls der Ausbildungseignung verpflichtet sich der Ausbildende, sich mit Hilfe der Berufsberatung der zuständigen Arbeitsagentur rechtzeitig um eine weitere Ausbildung im bisherigen Ausbildungsberuf in einer anderen geeigneten Ausbildungsstätte zu bemühen.

§ 10 Zeugnis28 Der Ausbildende stellt dem Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein Zeugnis nach Maßgabe von § 16 BBiG aus.

§ 11 Beilegung von Streitigkeiten Bei Streitigkeiten aus dem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis ist vor Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts der nach § 111 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes errichtete Ausschuss anzurufen.29

§ 12 Erfüllungsort Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag ist der Ort der Ausbildungsstätte.

§ 13 Nebenabreden, Schriftform, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Ergänzend vereinbaren die Parteien Folgendes: … oder (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen und Ergänzungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.30 evtl. (3) Folgende Kollektivvereinbarungen finden Anwendung: …31 Dieser Vertrag ist in zwei gleich lautenden Ausfertigungen (bei Mündeln dreifach) ausgestellt und von den Vertragschließenden eigenhändig unterschrieben worden. … (Ort/Datum) Der Ausbildende: … (Stempel und Unterschrift)

Der Auszubildende: … (voller Vor- und Zuname) Ggf. Vertretungsberechtigte: …32 1) (voller Vor- und Zuname) 2) (voller Vor- und Zuname)

27 Vgl. § 23 BBiG. Einzelheiten s. Fn. zu M 8.1.1 § 10 Abs. 5. 28 Vgl. § 16 BBiG; die elektronische Form ist ausgeschlossen, § 16 Abs. 1 BBiG. 29 Die Anrufung des Ausschusses – soweit ein solcher bei der zuständigen Kammer oder Innung gebildet ist – ist unverzichtbare Prozessvoraussetzung (BAG v. 13.4.1989 – 2 AZR 441/88, DB 1990, 586). Vgl. Einzelheiten s. Fn. zu M 8.1.1 § 12. 30 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 31 § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 BBiG. Finden Kollektivverträge Anwendung, sind sie zu nennen. 32 § 11 Abs. 2 BBiG.

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M 8.2

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

Die gesetzlichen Vertreter des Auszubildenden: (Falls ein Elternteil verstorben, bitte vermerken) Vater: … und/oder Mutter: … Vormund: … (voller Vor- und Zuname)

M 8.2

Allgemeiner Praktikantenvertrag

Zwischen1, 2 der Firma … (im Folgenden: Arbeitgeber) – Anschrift –3 und Herrn/Frau … (im Folgenden: Praktikant) – Anschrift – wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Praktikumsgegenstand und Dauer4 (1) Der Arbeitgeber verpflichtet sich, dem Praktikanten in der Zeit vom … bis … (die „Praktikumszeit“) berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zu vermitteln. Der Praktikant wird im Bereich … eingesetzt. (2) Nach Ende der Praktikantenzeit endet das Praktikantenverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

§ 2 Probezeit und Kündigung des Praktikums5 (1) Der erste Monat/…, d.h. die Zeit bis zum …, gilt als Probezeit. Innerhalb dieser Zeit können beide Seiten den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Tag/… kündigen.

1 Für Praktikanten gelten die §§ 10–23 und § 25 BBiG mit Ausnahmen (§ 26 BBiG), soweit das Praktikum freiwillig erfolgt und nicht voll in ein Studium integriert ist, vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG. Gemäß § 10 Abs. 2 BBiG gelten damit – zugunsten des Praktikanten zwingend, § 25 BBiG, – grundsätzlich auch die für den Arbeitsvertrag geltenden Vorschriften. Für Praktikumsverhältnisse iSd. § 22 Abs. 1 MiLoG gilt § 1 Satz 2 und § 2 Abs. 1a NachwG. Zu Einzelheiten vgl. Einf. Rz. 21 sowie Burkard-Pötter/Sura, NJW 2015, 517; Krimphove, BB 2014, 564; Schade, NZA 20012, 654. Im Folgenden wird im Vertragsmuster stets darauf hingewiesen, welche Regelungen nach BBiG explizit erforderlich sind. 2 Soll das Praktikum als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ausgestaltet sein, sind die entsprechenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen zu beachten, s. Einf Rz. 14 ff. und M 6.3.1. und M 6.3.2. 3 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 NachwG: Die Vertragsniederschrift muss Name und Anschrift der Vertragsparteien enthalten. 4 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2, 3 NachwG: Die Vertragsniederschrift muss die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele sowie Beginn und Dauer des Praktikums enthalten. Unterfällt das Praktikum § 26 BBiG, gilt § 21 BBiG für die Beendigung. 5 Unterfällt das Praktikum § 26 BBiG, gilt für die Probezeit § 20 BBiG, die aber verkürzt werden kann, sowie für die Kündigung § 22 BBiG. § 23 BBiG (Schadenersatz) findet jedoch gem. § 26 BBiG keine Anwendung. Die Regelungen des BBiG sind in dieser Klausel aufgenommen. Für ein Pflichtpraktikum als Ausbildungsmaßnahme ist keine Probezeit vorgesehen, idR ist ein Praktikum auch zu kurz, um eine Probephase iSd. § 622 Abs. 3 BGB durchzuführen. Für Pflichtpraktika regeln außerdem die jeweiligen Prüfungs-, Lehr- und

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Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.2

(2) Nach Ablauf der Probezeit ist der Vertrag ordentlich kündbar nur durch den Praktikanten mit einer Frist von vier Wochen, wenn er die Praktikantentätigkeit aufgeben will. (3) Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt für beide Seiten unberührt. (4) Jede Kündigung nach Ende der Probezeit hat schriftlich unter Angabe der Kündigungsgründe zu erfolgen.

§ 3 Vergütung6 Der Praktikant erhält eine nachträglich fällig werdende Unterhaltsbeihilfe in Höhe von Euro … brutto monatlich/für jede geleistete Beschäftigungsstunde. evtl. Der Praktikant ist verpflichtet, einen Stundenzettel zu führen und diesen zum 15. eines jeden Monats bei der Personalabteilung einzureichen.

§ 4 Urlaub7 Der Urlaub des Praktikanten beträgt pro Kalenderjahr 20 Werktage8 (5-Tage-Woche), d.h. … (Anzahl) Werktage für die gesamte Praktikantenzeit. Die Unterhaltsbeihilfe gemäß § 3 wird während des Urlaubs weiter gewährt. oder Ein Anspruch auf Urlaub besteht nicht.9

§ 5 Einsatzzeit10 (1) Die Dauer der täglichen Einsatzzeit beträgt … Stunden, beginnend um … Uhr. (2) Der Praktikant verpflichtet sich, nach schriftlicher Anforderung ggf. auch über die vereinbarte regelmäßige tägliche Einsatzzeit hinaus im gesetzlich zulässigen Rahmen Überstunden zu leisten.

§ 6 Allgemeine Pflichten des Arbeitgebers11 Der Arbeitgeber verpflichtet sich, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten – dem Praktikanten die sein Fachgebiet betreffenden und nach dem Ausbildungsplan erforderlichen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen durch dazu befähigte Personen zu vermitteln;

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Studienordnungen die Einzelheiten (Krimphove, BB 2014, 564 f., ebenso zur Kündigung eines Pflichtpraktikums S. 566). § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 NachwG. Gilt § 26 BBiG, so muss die Vergütung angemessen sein, § 17 BBiG (Details, Einf. Rz. 5), und der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden (Details s. Einf. Rz. 14). Bei Praktika nach § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG oder wenn § 26 BBiG etwa wegen § 3 Abs. 2 BBiG nicht anwendbar ist, muss der Mindestlohn nicht gezahlt werden. § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 NachwG. Im Rahmen des Pflichtpraktikums besteht kein Urlaubsanspruch (Krimphove, BB 2014, 565). Für Praktika iSd. § 26 BBiG gelten dagegen für die Dauer des Urlaubs BUrlG, JArbSchG, ArbPlSchG und SGB IX. Nach § 4 BUrlG entsteht der gesetzliche Urlaubsanspruch aber erst nach sechs Monaten. Endet das Praktikum früher, sind die anteiligen Urlaubsansprüche daher nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Für Praktikanten unter 18 Jahren erhöht sich der Urlaubsanspruch nach § 19 JArbschG. Ein Anspruch auf anteiligen Urlaub kann allenfalls ausscheiden, wenn der Praktikant zB bei einem sehr kurzen Aufenthalt im Betrieb (weniger als einen Monat) oder bei passiven Betriebsbesuchen ohne Einbindung in den Arbeitsprozess keinen wirtschaftlich verwertbaren Beitrag zum Betriebsergebnis leistet. § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 NachwG. Nach § 8 JArbSchG beträgt die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit bei noch nicht 18 Jahre alten Personen (Jugendlichen) acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Zu Ausnahmen vgl. § 8 Abs. 2–3 JArbSchG. Für Volljährige gilt § 3 ArbZG. Ist § 26 BBiG anwendbar, gilt hier § 14 BBiG. S. dann zu den Pflichten M 8.1.1, § 8 mwN. Sie müssen aber nicht im Vertrag aufgenommen sein, wie M 8.1.2 zeigt.

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M 8.2

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

– nach Beendigung des Praktikums einen schriftlichen Tätigkeitsnachweis zu erstellen, das neben der Dauer und der Art der Tätigkeiten auf Wunsch des Praktikanten auch eine Beurteilung von Führung und Leistung enthält.12

§ 7 Allgemeine Pflichten des Praktikanten13 Der Praktikant verpflichtet sich, – den Ausbildungsplan einzuhalten und die ihm gebotenen Ausbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen; – die ihm übertragenen Arbeiten sorgfältig und gewissenhaft auszuführen; – die Betriebsordnung, die Werkstattordnung und die Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten sowie die Gegenstände des Betriebes sorgsam zu behandeln; – die Interessen des Arbeitgebers zu wahren und über Betriebsvorgänge – auch nach Beendigung des Praktikums – gegenüber Dritten Stillschweigen zu bewahren; – Verhinderungen unter Angabe des Grundes unverzüglich mitzuteilen und im Falle einer Erkrankung bis zum dritten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen; – die vorgesehenen Tätigkeitsberichte zu fertigen und die tägliche Einsatzzeit gemäß § 5 einzuhalten.

§ 8 Rückgabe von Arbeitsmaterial (1) Nach Beendigung des Praktikumsverhältnisses hat der Praktikant alle ihm überlassenen Arbeitsmaterialien an den Arbeitgeber zurückzugeben. (2) Der Praktikant ist nicht berechtigt, am Eigentum des Arbeitgebers ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.

§ 9 Ausschlussfristen14 (1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Praktikantenverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform15 geltend gemacht werden. [evtl.]16 Lehnt die andere Partei den Anspruch schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von drei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Drei-Wochen-Frist gerichtlich geltend gemacht wird. (2) Abs. 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Praktikantenverhältnis in Zusammenhang stehen. (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.17

12 Ist § 26 BBiG anwendbar, gilt hier § 16 BBiG, es besteht dann eine Pflicht zur Ausstellung eines schriftlichen Zeugnisses. 13 Ist § 26 BBiG anwendbar, gilt hier § 13 BBiG. S. dann zu den Pflichten M 8.1.1 § 9 mwN. Sie müssen aber nicht in den Vertrag aufgenommen sein, wie M 8.1.2 zeigt. 14 Vgl. detailliert und mit Alternativvorschlägen Kap. 2, Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. und M 2.1a Ziff. 10. 15 Ab dem 1.10.2016 sind gem. § 309 Nr. 13b BGB Bestimmungen, die für Anzeigen und Erklärungen eine strengere Form als die Schriftform vorsehen, unwirksam. Zur Klarstellung, dass mit „schriftlich“ nicht die Schriftform nach § 126 BGB gemeint ist, empfiehlt sich daher der Hinweis auf die Textform nach § 126b BGB. 16 Auch zweistufige Ausschlussfristen sind zulässig, sofern die Fristen auf beiden Stufen jeweils drei Monate nicht unterschreiten (vgl. BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701; v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111). 17 Ob und in welcher Form Abs. 3 erforderlich und zulässig ist, ist ungeklärt, zur Problematik und zu Alternativen siehe Kap. 2, Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. und M 2.1a Ziff. 10 m. Anm.

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Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.3

§ 10 Datenschutz Mit Unterzeichnung dieses Praktikantenvertrags willigt der Praktikant in die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten ein, soweit diese zur Durchführung oder Beendigung des Praktikantenverhältnisses erforderlich sind. Das gilt auch für alle Daten, die der Praktikant im Rahmen seiner Bewerbung unaufgefordert mitgeteilt hat. Soweit ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an der Speicherung der Daten nicht mehr besteht, kann der Praktikant die Löschung der Daten jederzeit verlangen.

§ 11 Nebenabreden, Schriftform, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Ergänzend vereinbaren die Parteien Folgendes: … oder (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen und Ergänzungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.18 evtl. (3) Folgende Kollektivvereinbarungen finden Anwendung: …19 (Ort/Datum) Arbeitgeber: …20 (Stempel und Unterschrift)

Praktikant/in: … (Unterschrift)

Anlage: Ausbildungsplan 18 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Einf. Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 19 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 7 NachwG. Sind Kollektivvereinbarungen anwendbar, sind sie zu nennen. 20 Nach § 26 BBiG kann zwar auf die Vertragsniederschrift gem. § 11 BBiG verzichtet werden. Jedoch gilt allgemein § 2 Abs. 1a Satz 1 NachwG: Der Praktikumsgeber hat jedenfalls unverzüglich nach Abschluss des Vertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. Daher kann dieser Nachweis bereits mit einem schriftlichen, unterschriebenen Praktikantenvertrag verbunden werden.

M 8.3

Praktikantenvertrag für Schüler und Studenten (Pflichtpraktikum)

Zwischen1 der Firma (im Folgenden: Arbeitgeber) … – Anschrift –2 und Herrn/Frau … (im Folgenden: Praktikant) – Anschrift – wird Folgendes vereinbart:

1 Vgl. auch Wurm/Wagner/Zartmann/Vogel, M 98.17; Scherer, NZA 1986, 280; Schade, NJW 2013, 1039. Als studienintegriertes Praktikum gilt das BBiG hier gem. § 3 Abs. 2 BBiG nicht. Zu lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten bei Studenten vgl. Einf. Rz. 16 ff. 2 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 NachwG: Die Vertragsniederschrift muss Name und Anschrift der Vertragsparteien enthalten.

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M 8.3

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

§ 1 Praktikumsgegenstand und Dauer3 (1) Der Arbeitgeber verpflichtet sich, dem Praktikanten in der Zeit vom … bis … (die „Praktikumszeit“) entsprechend beiliegendem Ausbildungsplan (der Fachhochschule) … Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse des jeweiligen Fachbereiches zu vermitteln. Der Praktikant wird im Bereich … eingesetzt. Bei dem Praktikum handelt es sich um ein Pflichtpraktikum innerhalb des Studiums. (2) Nach Ende der Praktikantenzeit endet das Praktikantenverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

§ 2 Probezeit und Kündigung des Praktikums4 (1) Die ersten zwei Wochen, d.h. die Zeit bis zum …, gelten als Probezeit. Innerhalb dieser Zeit können beide Seiten den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Frist von einem Tag kündigen. (2) Nach Ablauf der Probezeit ist der Vertrag ordentlich kündbar nur durch den Praktikanten mit einer Frist von zwei Wochen, wenn er die Praktikantentätigkeit aufgeben will. (3) Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt für beide Seiten unberührt. (4) Die Kündigung muss schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. oder Der Praktikumsvertrag kann von beiden Seiten nach Anhörung der Fachhochschule aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Praktikant das Ausbildungsziel aufgibt oder ändert.

§ 3 Einsatzzeit5, Freistellung und Fernbleiben (1) Die Dauer der täglichen Einsatzzeit beträgt … Stunden, beginnend um … Uhr. oder (1) Die Dauer der täglichen Einsatzzeit beträgt … Stunden. (2) Der Arbeitgeber wird die zur Verbindung des Praktikanten mit der Fachhochschule während der Vertragsdauer notwendige Freizeit gewähren.

§ 4 Vergütung6 und Urlaub7 (1) Der Praktikant erhält eine monatlich nachträglich fällig werdende Unterhaltsbeihilfe in Höhe von Euro … brutto. 3 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2, 3 NachwG: Die Vertragsniederschrift muss die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele sowie Beginn und Dauer des Praktikums enthalten. 4 Für ein Pflichtpraktikum als Ausbildungsmaßnahme ist keine Probezeit vorgesehen, idR ist ein Praktikum auch zu kurz, um eine Probephase iSd. § 622 Abs. 3 BGB durchzuführen. Für Pflichtpraktika regeln außerdem die jeweiligen Prüfungs-, Lehr- und Studienordnungen die Einzelheiten (Krimphove, BB 2014, 564 f., ebenso zur Kündigung eines Pflichtpraktikums S. 566). Die Probezeitklausel kann daher auch gestrichen werden. Hirdina, NZA 2008, 916, 917 ff., hält eine Probezeit von vier Wochen bei einer durchschnittlichen Praktikumsdauer von lediglich 18 Wochen für unangemessen lang, auch bewirke eine Frist für die ordentliche Kündigung von vier Wochen durch den Praktikanten eine unangemessen lange Bindung, wenn dieser das Praktikumsziel als nicht mehr erreichbar ansieht. Daher solle je nach angestrebter Dauer des Praktikums ganz auf eine Probezeit bzw. ordentliche Kündigungsmöglichkeit verzichtet werden. Ein ordentliches Kündigungsrecht sollte, wenn überhaupt, nur dem Praktikanten eingeräumt werden. Jedenfalls könne aber auch bei Verzicht auf eine solche ordentliche Kündigungsmöglichkeit die Aufgabe oder Änderung des Ausbildungszieles durch den Praktikanten ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung sein. 5 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 NachwG. Nach § 8 JArbSchG beträgt die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit bei noch nicht 18 Jahre alten Personen (Jugendlichen) acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Zu Ausnahmen vgl. § 8 Abs. 2–3 JArbSchG. Für Volljährige gilt § 3 ArbZG. 6 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 NachwG. Bei Praktika nach § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG oder wenn § 26 BBiG etwa wegen § 3 Abs. 2 BBiG nicht anwendbar ist, muss der gesetzliche Mindestlohn nicht gezahlt werden. 7 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 6 NachwG. Im Rahmen des Pflichtpraktikums besteht kein Urlaubsanspruch (Krimphove, BB 2014, 565). Für Praktika iSd. § 26 BBiG s. Einzelheiten in M 8.2 § 4.

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Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.3

(2) Der Urlaub des Praktikanten beträgt pro Kalenderjahr 20 Werktage8 (5-Tage-Woche), d.h. … (Anzahl) Werktage für die gesamte Praktikantenzeit. Die Unterhaltsbeihilfe gemäß Abs. 1 wird während des Urlaubs weiter gewährt. oder Eine Vergütung wird nicht gezahlt. Ein Anspruch auf Urlaub besteht nicht.

§ 5 Allgemeine Pflichten des Praktikanten Der Praktikant verpflichtet sich, – die ihm gebotenen Ausbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen; – die ihm übertragenen Aufgaben gewissenhaft auszuführen; – die Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten; – die Gegenstände des Betriebs sorgsam zu behandeln; – Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie betriebliche Angelegenheiten vertraulicher Natur, die als solche vom Unternehmen bezeichnet werden bzw. offensichtlich als solche zu erkennen sind – auch nach Beendigung des Praktikums – geheim zu halten; – spätestens bei Beendigung des Praktikantenverhältnisses unaufgefordert und ansonsten jederzeit auf Anforderung des Unternehmens sämtliche ihm überlassenen oder von ihm gefertigten Schriftstücke oder sonstige Gegenstände des Unternehmens an dieses unverzüglich herauszugeben.

§ 6 Allgemeine Pflichten des Arbeitgebers Der Arbeitgeber verpflichtet sich, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten – dem Praktikanten die sein Fachgebiet betreffenden praktischen Kenntnisse und Erfahrungen durch dazu befähigte Personen zu vermitteln; – nach der Beendigung des Praktikums einen Praktikumsnachweis auszustellen, der neben der Dauer und der Art der Tätigkeit auf Wunsch des Praktikanten auch eine Beurteilung von Führung und Leistung enthält.

§ 7 Ausschlussfristen9 (1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Praktikantenverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform10 geltend gemacht werden. [evtl.]11 Lehnt die andere Partei den Anspruch schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von drei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Drei-Wochen-Frist gerichtlich geltend gemacht wird. (2) Abs. 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Praktikantenverhältnis in Zusammenhang stehen. (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.12

8 Für Praktikanten unter 18 Jahren erhöht sich der Urlaubsanspruch nach § 19 JArbschG. 9 Vgl. detailliert und mit Alternativvorschlägen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. und M 2.1a Ziff. 10. 10 Ab dem 1.10.2016 sind gem. § 309 Nr. 13b BGB Bestimmungen, die für Anzeigen und Erklärungen eine strengere Form als die Schriftform vorsehen, unwirksam. Zur Klarstellung, dass mit „schriftlich“ nicht die Schriftform nach § 126 BGB gemeint ist, empfiehlt sich daher der Hinweis auf die Textform nach § 126b BGB. 11 Auch zweistufige Ausschlussfristen sind zulässig, sofern die Fristen auf beiden Stufen jeweils drei Monate nicht unterschreiten (vgl. BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699, 701; v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111). 12 Ob und in welcher Form Abs. 3 erforderlich und zulässig ist, ist ungeklärt, zur Problematik und zu Alternativen siehe Kap. 2, Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. und M 2.1a Ziff. 10 m. Anm.

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Lingemann

M 8.3

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

§ 8 Datenschutz Mit Unterzeichnung dieses Praktikantenvertrags willigt der Praktikant in die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten ein, soweit diese zur Durchführung oder Beendigung des Praktikantenverhältnisses erforderlich sind. Das gilt insbesondere auch für alle Daten, die der Praktikant im Rahmen seiner Bewerbung unaufgefordert mitgeteilt hat. Soweit ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an der Speicherung der Daten nicht mehr besteht, kann der Praktikant die Löschung der Daten jederzeit verlangen.

§ 9 Nebenabreden, Schriftform, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Ergänzend vereinbaren die Parteien Folgendes: … oder (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen und Ergänzungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.13 evtl. (3) Folgende Kollektivvereinbarungen finden Anwendung: …14 Unterschriften (Ort/Datum) Arbeitgeber: …15 (Stempel und Unterschrift)

Praktikant … (Unterschrift) Ggf. Vertretungsberechtigte: … 1) (Unterschrift) 2) (Unterschrift)

Die gesetzlichen Vertreter des Studenten/der Studentin: (Falls ein Elternteil verstorben, bitte vermerken) Vater: … und/oder Mutter: … Vormund: … (voller Vor- und Zuname) Anlage: Ausbildungsplan 13 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 2. 14 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 7 NachwG. Bestehen Kollektivvereinbarungen, sind sie hier zu nennen. 15 § 2 Abs. 1a Satz 1 NachwG: Der Praktikumsgeber hat jedenfalls unverzüglich nach Abschluss des Vertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. Daher kann dieser Nachweis bereits mit einem schriftlichen, unterschriebenen Praktikantenvertrag verbunden werden.

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Kap. 8

M 8.4

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.4

Werkstudentenvertrag

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Werkstudent) wird folgender Werkstudentenvertrag1 abgeschlossen:

§ 1 Beginn und Ende des Werkstudentenverhältnisses (1) Das Werkstudentenverhältnis beginnt am … [evtl.] (1) Das Werkstudentenverhältnis wird befristet für die Zeit vom … bis zum Ablauf des … befristet geschlossen. Es endet nach Ablauf der vereinbarten Befristung, ohne dass es einer Kündigung bedarf. (2) Die ersten sechs/… Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Werkstudentenverhältnis von beiden Parteien mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. (3) Nach Ablauf der Probezeit kann das Werkstudentenverhältnis nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mit einer Kündigungsfrist von einem/… Monat zum Monatsende gekündigt werden. Jede gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist zugunsten des Werkstudenten gilt auch zugunsten des Unternehmens. (4) Das Werkstudentenverhältnis endet automatisch, sofern der Werkstudent nicht mehr den Studentenstatus besitzt. evtl. Das Werkstudentenverhältnis endet spätestens, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Werkstudent die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht (zur Zeit des Vertragsabschlusses das 67. Lebensjahr). (5) Jede Kündigung bedarf zur Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.

§ 2 Aufgabenbereich (1) Der Werkstudent wird im Bereich … eingesetzt. Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Werkstudenten auch andere, der Vorbildung und den Fähigkeiten entsprechende gleichwertige und zumutbare Aufgaben zu übertragen. (2) Der Mitarbeiter/Die Mitarbeiterin verpflichtet sich, alle ihm/ihr übertragenen Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft auszuführen.

§ 3 Vergütung (1) Der Werkstudent erhält für seine Tätigkeit einen Brutto-Stundenlohn in Höhe von Euro …2, zahlbar am Monatsletzten. evtl. Der Werkstudent ist verpflichtet, einen Stundenzettel zu führen und diesen zum 15. eines jeden Monats bei der Personalabteilung einzureichen. (2) Die Gehaltszahlung erfolgt nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bargeldlos durch Überweisung.

1 Vertragsmuster für duale Studiengänge bei Koch-Rust/Rosentreter, NZA 2013, 879; Koch-Rust/Rosentreter, NJW 2009, 3005. 2 Werkstudenten sind als Arbeitnehmer vom MiLoG erfasst, Siebert/Klagges, ArbRAktuell 2014, 577.

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M 8.4

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

§ 4 Arbeitszeit Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt außerhalb der Semesterferien maximal 20 Stunden, in den Semesterferien maximal 40 Stunden.3

§ 5 Allgemeine Pflichten des Werkstudenten Der Werkstudent verpflichtet sich: – dem Arbeitgeber mit Unterzeichnung dieses Vertrages eine aktuelle Immatrikulationsbescheinigung vorzulegen; – stets zu Beginn eines jeden neuen Studiensemesters unaufgefordert eine neue Immatrikulationsbescheinigung in der Personalabteilung vorzulegen. – alle Änderungen über die Angaben zur Person, soweit sie für das Werkstudentenverhältnis von Bedeutung sind, unverzüglich mitzuteilen. – die Interessen des Arbeitgebers zu wahren und über Betriebsvorgänge – auch nach Beendigung des Praktikums – gegenüber Dritten Stillschweigen zu bewahren.

§ 6 Nebentätigkeit4 Die Ausübung einer Nebentätigkeit bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Arbeitgebers. Die Zustimmung wird erteilt, sofern nicht berechtigte betriebliche Interessen beeinträchtigt sind.

§ 7 Datenschutzklausel Der Werkstudent erteilt die Zustimmung, dass seine während des Werkstudentenverhältnisses anfallenden personenbezogenen Daten im Rahmen der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses maschinell gespeichert und verarbeitet werden. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist sichergestellt.

§ 8 Urlaub (1) Der Arbeitgeber gewährt dem Werkstudenten Erholungsurlaub von … Arbeitstagen pro Jahr.5 Bei unterjährigem Ein- oder Austritt wird der Erholungsurlaub jeweils anteilig gewährt. (2) Der Erholungsurlaub wird unter Berücksichtigung der Wünsche des Werkstudenten vom Arbeitgeber festgelegt.

§ 9 Arbeitsverhinderung und Krankheit (1) Der Werkstudent ist verpflichtet, dem Arbeitgeber jede Arbeitsverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen und dabei gleichzeitig auf etwaige dringliche Arbeiten hinzuweisen.

3 In der Praxis hat sich für die Zeit außerhalb der Semesterferien eine sog. 20-Stunden-Grenze etabliert, die nicht an der einzelnen Beschäftigung, sondern an der Person des Studenten festgemacht wird und ein starkes Indiz dafür ist, dass noch genügend Zeit für Studienzwecke zur Verfügung steht. Nur dann kommt dem Werkstudenten noch das „Studentenprivileg“ in der Sozialversicherung zugute. Es ist also darauf zu achten, dass der Student nicht mit einer weiteren Beschäftigung die Arbeitszeitgrenze überschreitet. Die 20-Stunden-Grenze kann nur in Ausnahmefällen überschritten werden, etwa während der vorlesungsfreien Zeit (zB Semesterferien). Diese vorlesungsfreie Zeit erkennen die Krankenversicherungsträger aber maximal für 26 Wochen im Jahr an. Im Detail und mwN Korstorz, NZS 2012, 161, 163. 4 Aufgrund der 20-Stunden-Grenze für jegliche Beschäftigung während des Semesters, die sich in der Praxis durchgesetzt hat und von den Versicherungsträgern praktiziert wird (s. Korstorz, NZS 2012, 161, 163), ist ratsam, eine Klausel für etwaige Nebentätigkeiten aufzunehmen. So ist der Arbeitgeber über etwaige andere Beschäftigungsverhältnisse informiert. 5 Bei einer 6-Tage-Woche beträgt der gesetzliche Mindesturlaub nach § 3 BurlG mind. 24 Tage. Zur Umrechnung auf eine Woche mit weniger Arbeitstagen s. Kap. 2 M 2.1a Ziff. 7 mwN; ErfK/Gallner, 16. Aufl. 2016, § 3 BUrlG Rz. 6 ff.

Lingemann

361

Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.4

(2) Bei einer Erkrankung von mehr als drei Arbeitstagen ist außerdem unverzüglich, spätestens am nächsten Arbeitstag, ein ärztliches Attest vorzulegen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegeben, wird der Werkstudent den Arbeitgeber unverzüglich, spätestens am letzten Tag der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, unterrichten und eine neue ärztliche Bescheinigung, spätestens innerhalb von drei weiteren Kalendertagen vorlegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, auch für die ersten drei Arbeitstage eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen.

§ 10 Rückgabe von Arbeitsmaterial (1) Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Werkstudent alle ihm überlassenen Arbeitsmaterialien an den Arbeitgeber zurückzugeben. (2) Der Werkstudent ist nicht berechtigt, am Eigentum des Arbeitgebers ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben.

§ 11 Ausschlussfrist6 (1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Werkstudentenverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform7 geltend gemacht werden. (2) Abs. 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Werkstudentenverhältnis in Zusammenhang stehen. (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.8

§ 12 Nebenabreden, Schriftform, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Ergänzend vereinbaren die Parteien Folgendes: … oder (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen und Ergänzungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.9 [ggf.] (3) Folgende Kollektivvereinbarungen finden Anwendung: …10 (Ort/Datum) Arbeitgeber: … (Stempel und Unterschrift)

Werkstudent: … (Unterschrift)

6 Vgl. auch die Ausschlussfristenklausel mit ausführlichen Nachweisen und Alternativen in Kap. 2, M 2.1a Ziff. 10; dazu Kap. 2,, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. 7 Ab dem 1.10.2016 sind gem. § 309 Nr. 13b BGB Bestimmungen, die für Anzeigen und Erklärungen eine strengere Form als die Schriftform vorsehen, unwirksam. Zur Klarstellung, dass mit „schriftlich“ nicht die Schriftform nach § 126 BGB gemeint ist, empfiehlt sich daher der Hinweis auf die Textform nach § 126b BGB. 8 Ob und in welcher Form Abs. 3 erforderlich und zulässig ist, ist ungeklärt, zur Problematik und zu Alternativen siehe Kap. 2, Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. und M 2.1a Ziff. 10 m. Anm. 9 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 10 § 2 Abs. 1a Satz 2 Nr. 7 NachwG. Bestehen Kollektivvereinbarungen, sind sie hier zu nennen.

362 Lingemann

M 8.6

M 8.5

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

Traineevertrag

S. M 6.1.4.

M 8.6

Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Arbeitnehmer) wird folgender Fortbildungsvertrag1 abgeschlossen:

§ 1 Fortbildungsmaßnahme (1) Der Arbeitnehmer nimmt vom … bis zum …/für die Dauer von … (zB acht) Monaten an einem Fortbildungskurs für … teil. Der Fortbildungskurs besteht aus …(zB acht) Lehreinheiten.2 (2) Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Teilnahme auf eigenen Wunsch des Arbeitnehmers im Interesse seiner beruflichen Fort- und Weiterbildung erfolgt.

§ 2 Fortbildungskosten (1) Der Arbeitgeber wird den Arbeitnehmer zur Teilnahme an den Kurseinheiten unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freistellen. Die Vergütung wird entsprechend dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate berechnet. (2) Der Arbeitgeber übernimmt die Lehrgangskosten, bestehend aus3 – Unterrichtsgebühr (Höhe pro Lehreinheit/… Euro … brutto/netto), – Prüfungsgebühr (iHv. … Euro brutto/netto), – Unterbringungskosten (Höhe pro Tag/… Euro … brutto/netto), – Verpflegungskosten (Höhe pro Tag Euro …brutto/netto),

1 Vgl. Einf. Rz. 27 ff. mwN; Elking, BB 2014, 885; Stück, DStR 2008, 2020, 2024. 2 Die zeitliche Lage der einzelnen Lehreinheiten soll den Vorgaben der Aus- oder Weiterbildungseinrichtung entsprechen, und die vertragliche Vereinbarung darf dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eröffnen, allein nach seinen Interessen die Teilnahme an den jeweiligen Aus- oder Weiterbildungsabschnitten oder deren zeitliche Lage festzulegen. Anderenfalls hätte er es in der Hand, den Arbeitnehmer länger als zur ordnungsgemäßen Absolvierung der Ausbildung nötig an sich zu binden und ihn dadurch in seinem beruflichen Fortkommen zu behindern, BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 45. 3 Anzugeben ist möglichst die genaue Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten, vgl. BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15; v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428, Rz. 18 ff. Die Klausel sollte die einzelnen Posten, deren Höhe und Berechnungsweise (zB Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten) enthalten sowie, ob die Rückzahlungssumme auf die Netto- oder Bruttosumme gerichtet ist, und ob auch Beiträge zur Zusatzversorgung zu erstatten sind (BAG v. 6.8.2013, NZA 2013, 1361, Rz. 15). Darlegung und Beweis, dass die Kosten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vorhersehbar waren, dürfte dem Arbeitgeber schwerfallen (vgl. BAG v. 6.8.2013, NZA 2013, 1361, Rz. 16). Ist die Höhe in der Vereinbarung nicht hinreichend bestimmt, bleibt die Fortbildungsvereinbarung im Übrigen wirksam, es besteht jedoch kein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers als Klauselverwender, auch nicht aus Bereicherungsrecht, BAG v. 21.8.2012, NZA 2012, 1428. Anzuraten ist daher, die Kosten soweit möglich bereits vor Abschluss der Vereinbarung zu bestimmen und unmittelbar nach Abschluss der Vereinbarung die erforderlichen (Reise-/Unterbringungs-/…)Verträge mit Dritten abzuschließen (so Elking, BB 2014, 885, 887). Dazu: Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 340; Olbertz/Sturm, GWR 2015, 510, 512.

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Kap. 8

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

M 8.6

– An- und Abreisekosten (Höhe pauschal Euro 0,30 je gefahrenem Kilometer/… Euro … brutto/netto), sowie4 – [ggf. weitere Posten wie] Schulungsmaterial … [jeweils konkrete Kosten mit Brutto-/Nettobeträgen angeben].

§ 3 Rückzahlungspflicht5 (1) Soweit der Arbeitgeber die Bezüge gem. § 2 Abs. 1 fortgezahlt und die Lehrgangskosten gem. § 2 Abs. 2 gezahlt hat, ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Bezüge brutto – mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung6/…-Zusatzversorgung7 – und der Lehrgangskosten brutto/netto8 verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von … (zB zwei)9 Jahren nach dem Ende des Lehrgangs, d.h. dem Ende der letzten Lehreinheit/nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird,10 auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden aus dem Dienstverhältnis zum Arbeitgeber ausscheidet.11, 12 oder (1) Soweit der Arbeitgeber die Bezüge gem. § 2 Abs. 1 fortgezahlt und die Lehrgangskosten gem. § 2 Abs. 2 gezahlt hat, ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Bezüge brutto – mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung13/…-Zusatzversorgung14 – und der Lehrgangskosten 4 Vgl. BAG v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, NZA 2012, 1428, 1430; Kilometerpauschale auch als Möglichkeit genannt bei BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15. 5 Zur Umgehung durch Darlehenskonstruktion vgl. BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004; LAG Schl.-Holst. v. 25.5.2005, BB 2006, 560; ferner BGH v. 17.9.2009 – III ZR 207/08, NZA 2010, 37; zur Frage der Rückzahlungsverpflichtung im Fall des Nichterreichens des Aus- und Fortbildungsziels s. Straube, NZA-RR 2012, 505, 507. 6 Vgl. Lakies, ArbRAktuell 2012, 216 unter III. 4. 7 Ggf. s. BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15. Alternativ: „Zu den zu erstattenden Kosten gehören daneben auch die vom Arbeitgeber getragenen Umlagen zur Zusatzversorgung.“ (Klausel von BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107 akzeptiert). 8 Vgl. BAG v. 6.8.2013, NZA 2013, 1361, Rz. 15. Sofern der Arbeitgeber bei der Zahlung der Lehrgangskosten vorsteuerabzugsberechtigt ist, dürfte ein Anspruch nur auf Zahlung der Kosten Netto, dh. ohne Mehrwertsteuer, bestehen. 9 Zur zulässigen Bindungsdauer in AGB v. Einf. Rz. 29 ff. mwN. 10 Letztere Voraussetzung hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85 jedenfalls für eine Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert. 11 Diese Formulierung im letzten Halbsatz hat das BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, Rz. 25 gebilligt und ausgeführt: „§ … der Lehrgangsvereinbarung knüpft die Verpflichtung zur Rückzahlung an das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis „auf eigenen Wunsch“ oder „aus seinem Verschulden“. Beide Voraussetzungen betreffen ausschließlich die Sphäre des Beklagten. Damit war für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar, dass er dann nicht mit Ausbildungskosten belastet werden sollte, wenn er sich wegen eines Fehlverhaltens des Klägers als zur Eigenkündigung berechtigt ansehen durfte oder wenn der Kläger aus betriebsdingen Gründen das Arbeitsverhältnis beendete“. Vgl. auch BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, Rz. 17; v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419, Rz. 17; v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, Rz. 19; v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107. 12 Eine Rückzahlungsverpflichtung, die auch bei Beendigungsgründen greift, die in die Sphäre des Arbeitgebers fallen, ist unwirksam, denn sie benachteiligt den Arbeitnehmer gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen. Aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion wäre die Klausel dann insgesamt unwirksam und würde nicht auf den wirksamen Kern zurückgeführt, BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957, Rz. 17; v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419, Rz. 17; v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85; v. 11.4.2006, NZA 2006, 1043. Vgl. auch Einf. Rz. 28, 34 ff. sowie Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rückzahlungsklausel“, Rz. 121 ff. 13 Vgl. Lakies, ArbRAktuell 2012, 216 unter III. 4. 14 Ggf. s. BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15. Alternativ: „Zu den zu erstattenden Kosten gehören daneben auch die vom Arbeitgeber getragenen Umlagen zur Zusatzversorgung.“ (Klausel von BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107 akzeptiert).

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Lingemann

M 8.6

Ausbildungs- und Fortbildungsverträge

Kap. 8

brutto/netto15 verpflichtet, wenn innerhalb von … (zB zwei)16 Jahren nach dem Ende des Lehrgangs, d.h. dem Ende der letzten Lehreinheit/nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird17 – dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird, – der Arbeitnehmer selbst kündigt, ohne dass ihn Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers (zB ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers) dazu veranlasst haben, oder – ein Aufhebungsvertrag18 infolge von verhaltensbedingten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers geschlossen wird.19 (2) Der zurückzuzahlende Betrag vermindert sich innerhalb des Zeitraumes von (zB zwei)20 Jahren für jeden vollen Monat, den der Arbeitnehmer nach dem Ende des Lehrgangs/nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird21, im Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber verbracht hat,22 um … (zB 1/ 24 ).23 Der hiernach verbleibende Restbetrag ist zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur sofortigen Rückzahlung fällig.24 (3)25 Soweit der Arbeitgeber die Bezüge gem. § 2 Abs. 1 fortgezahlt und die Lehrgangskosten gem. § 2 Abs. 2 gezahlt hat, ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Bezüge brutto – mit Ausnahme der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung26/…-Zusatzversorgung27 – und der Lehrgangskosten brutto/netto28 auch dann verpflichtet, wenn er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden a) die Anmeldung zum Lehrgang zurückzieht, aus dem Lehrgang ausscheidet oder ausgeschlossen wird, b) die Abschlussprüfung zu dem Lehrgang nicht ablegt oder c) aus dem Arbeitsverhältnis vor Abschluss des Lehrganges/vor Ablauf des Kalendermonats, in dem das Prüfungszeugnis ausgestellt wird29, ausscheidet. 15 Vgl. BAG v. 6.8.2013, NZA 2013, 1361, Rz. 15. Sofern der Arbeitgeber bei der Zahlung der Lehrgangskosten vorsteuerabzugsberechtigt ist, dürfte ein Anspruch nur auf Zahlung der Kosten Netto, dh. ohne Mehrwertsteuer, bestehen. 16 Zur zulässigen Bindungsdauer in AGB s. Einf. Rz. 29 ff. 17 Letztere Voraussetzungen hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85 jedenfalls für eine Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert. 18 Zur Rückzahlungsverpflichtung bei Beendigung durch Aufhebungsvertrag Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 409. 19 Der Formulierungsvorschlag orientiert sich an Düwell/Ebeling, DB 2008, 406, 410. Rspr. des BAG zu speziell dieser Formulierung gibt es bisher nicht. 20 Zur zulässigen Bindungsdauer in AGB s. Einf. Rz. 29.Der hier genannte Zeitraum sollte mit dem Zeitraum aus Abs. 1 übereinstimmen. 21 Letztere Voraussetzung hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85 jedenfalls für eine Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert. 22 Zu einer Kürzung des Rückzahlungsbetrages in Raten Einf. Rz. 38; Düwell/Ebeling, DB 2008 406, 410; Hoffmann, NZA-RR 2015, 337, 340; Olbertz/Sturm, GWR 2015, 510, 512; LAG Hamm v. 9.3.2012 – 7 Sa 1500/11, juris. 23 Zur zulässigen Bindungsdauer und damit auch der zulässigen zeitanteiligen Rückzahlungspflicht in AGB – hier 1/ 24 pro Monat bei zweijähriger Bindungsdauer – s. Einf. Rz. 29. 24 Vgl. BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107 (für einen Rückzahlbetrag von 13 005,79 Euro). 25 Zur Rückzahlungsverpflichtung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Abschluss der Aus- oder Weiterbildung s. BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85 und Einf. Rz. 35. 26 Vgl. Lakies, ArbRAktuell 2012, 216 unter III. 4. 27 Ggf. s. BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361, Rz. 15. Alternativ: „Zu den zu erstattenden Kosten gehören daneben auch die vom Arbeitgeber getragenen Umlagen zur Zusatzversorgung.“ (Klausel von BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107 akzeptiert). 28 Vgl. BAG v. 6.8.2013, NZA 2013, 1361, Rz. 15. Sofern der Arbeitgeber bei der Zahlung der Lehrgangskosten vorsteuerabzugsberechtigt ist, dürfte ein Anspruch nur auf Zahlung der Kosten Netto, dh. ohne Mehrwertsteuer, bestehen. 29 Letztere Voraussetzung hat das BAG im Urteil v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85 jedenfalls für die Rückzahlungsklausel bei einer Sparkassenfachprüfung akzeptiert.

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365

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

(4) Der nach Abs. 3 zurückzuzahlende Betrag ist beschränkt auf die Bezüge und Lehrgangskosten gemäß Abs. 3, die dem Arbeitgeber bis zu dem in Abs. 3 lit a) bis c) genannten Ereignis entstanden sind.30 30 Eine solche Einschränkung enthielt die Regelung im Fall des BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, nicht. Gleichwohl hielt das BAG die dortige Regelung für wirksam. Wir halten eine solche Einschränkung jedoch für ratsam (vgl. auch den Jahresbericht des BAG für 2011, S. 25).

Kapitel 9 Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer (M 9.1.1–9.1.6) . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gründungszuschuss, § 93 SGB III bb) Arbeitnehmerähnliche Selbständige, § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI . . . . . cc) Anfrageverfahren, § 7a SGB IV . . c) Folgen eines fälschlich als freie Mitarbeit eingeordneten Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beratervertrag (M 9.2)/Interimsmanagement (M 9.1.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Handelsvertretervertrag (M 9.3) . . . . . . . 4. In Heimarbeit Beschäftigte (M 9.4) . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 2 3

10 11 14 15 18 21 23 39

II. Muster Freier Mitarbeiter-Vertrag . . . . . . . . . . Freier Mitarbeiter-Vertrag (Rahmenvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkvertrag mit einem Subunternehmer – Softwareentwicklung . . . . . . . Vereinbarung über die Miete von Betriebsmitteln – hier: Nutzung von PC Vertrag mit einem Interimsmanager . . . Statusklage wegen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses (Scheinselbständigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beratervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handelsvertretervertrag . . . . . . . . . . . . Heimarbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _

.M . . 9.1.1 .M . . 9.1.2

.M . . 9.1.3 .M . . 9.1.4 .M . . 9.1.5 .M . . 9.1.6 . .M . 9.2 . .M . 9.3 . .M . 9.4

Literatur: Zur Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer: Bauer/Baeck/Schuster, Scheinselbständigkeit – Kriterien und Auswege, 2000; Bauer/Diller/Lorenzen, Das neue Gesetz zur „Scheinselbständigkeit“, NZA 1999, 169; Bauer/Diller/Schuster, Das Korrekturgesetz zur „Scheinselbständigkeit“, NZA 1999, 1297; Bauschke, Freie Mitarbeit, AR-Blattei, SD 720; Becker, Scheinwerkverträge und Scheinselbstständigkeit, DB 2015, 2267; Bisson/Schwab, Beschäftigung Scheinselbständiger, AuA 2005, Nr. 5, 276; Bodem, Abwicklung gescheiterter freier Mitarbeiterverhältnisse aus arbeits-, sozial-, steuer- und strafrechtlicher Sicht, ArbRAktuell 2012, 213; Bodem, Ernsthafte Konsequenzen bei falschen „Freien“, AuA 2009, 538; Bruns, Der Einfluss der Rundfunkfreiheit auf das Arbeitsrecht, RdA 2008, 135; Boss, Medienberufe aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht – Freie Mitarbeiter, Freelancer, Honorarkräfte und die ewige Gretchenfrage: selbständig, „scheinselbständig“ oder abhängig beschäftigt?; NZS 2010, 483; Buschbaum/Klösel, Interim Management aus Sicht der arbeitsrechtlichen Vertragspraxis, NJW 2012, 1482; Dißars, Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Person/Selbständiger: Abgrenzung, StWK Gruppe 19, 607; Eggert, Die Berufssituation von angestellten und frei mitarbeitenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich, BRAK-Mitt. 2010, 2; Erichsen, Vermeidung von Scheinselbständigkeit, sj 2009, Nr. 21, 34; Francken, Die Darlegungs- und Beweislast bei der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von Werk- und Dienstverträgen, NZA 2013, 985; Freckmann, Freie Mitarbeiter wieder im Trend – Flucht aus der Leiharbeit, DB 2013, 459; Gaul/Hahne, Der Versuch des Gesetzgebers zur Kennzeichnung von Arbeitnehmern, Leiharbeitnehmern und sonstigem Fremdpersonal durch § 611a BGB, BB 2016, 58; Greiner, Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung – Abgrenzungsfragen und aktuelle Rechtspolitik, NZA 2013, 697; Greiner, Die Ich-AG als Arbeitnehmer, BB 2003, 1058; Grobys, Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen, NJW-Spezial 2005, 81; Hochrathner, Die Statusrechtsprechung des 5. Senats des BAG seit 1994, NZA-RR 2001, 561; Hohmeister/Goretzki, Verträge über freie Mitarbeit,

366 Lingemann

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

(4) Der nach Abs. 3 zurückzuzahlende Betrag ist beschränkt auf die Bezüge und Lehrgangskosten gemäß Abs. 3, die dem Arbeitgeber bis zu dem in Abs. 3 lit a) bis c) genannten Ereignis entstanden sind.30 30 Eine solche Einschränkung enthielt die Regelung im Fall des BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85, nicht. Gleichwohl hielt das BAG die dortige Regelung für wirksam. Wir halten eine solche Einschränkung jedoch für ratsam (vgl. auch den Jahresbericht des BAG für 2011, S. 25).

Kapitel 9 Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer (M 9.1.1–9.1.6) . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gründungszuschuss, § 93 SGB III bb) Arbeitnehmerähnliche Selbständige, § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI . . . . . cc) Anfrageverfahren, § 7a SGB IV . . c) Folgen eines fälschlich als freie Mitarbeit eingeordneten Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beratervertrag (M 9.2)/Interimsmanagement (M 9.1.5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Handelsvertretervertrag (M 9.3) . . . . . . . 4. In Heimarbeit Beschäftigte (M 9.4) . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 2 3

10 11 14 15 18 21 23 39

II. Muster Freier Mitarbeiter-Vertrag . . . . . . . . . . Freier Mitarbeiter-Vertrag (Rahmenvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkvertrag mit einem Subunternehmer – Softwareentwicklung . . . . . . . Vereinbarung über die Miete von Betriebsmitteln – hier: Nutzung von PC Vertrag mit einem Interimsmanager . . . Statusklage wegen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses (Scheinselbständigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beratervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handelsvertretervertrag . . . . . . . . . . . . Heimarbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _

.M . . 9.1.1 .M . . 9.1.2

.M . . 9.1.3 .M . . 9.1.4 .M . . 9.1.5 .M . . 9.1.6 . .M . 9.2 . .M . 9.3 . .M . 9.4

Literatur: Zur Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer: Bauer/Baeck/Schuster, Scheinselbständigkeit – Kriterien und Auswege, 2000; Bauer/Diller/Lorenzen, Das neue Gesetz zur „Scheinselbständigkeit“, NZA 1999, 169; Bauer/Diller/Schuster, Das Korrekturgesetz zur „Scheinselbständigkeit“, NZA 1999, 1297; Bauschke, Freie Mitarbeit, AR-Blattei, SD 720; Becker, Scheinwerkverträge und Scheinselbstständigkeit, DB 2015, 2267; Bisson/Schwab, Beschäftigung Scheinselbständiger, AuA 2005, Nr. 5, 276; Bodem, Abwicklung gescheiterter freier Mitarbeiterverhältnisse aus arbeits-, sozial-, steuer- und strafrechtlicher Sicht, ArbRAktuell 2012, 213; Bodem, Ernsthafte Konsequenzen bei falschen „Freien“, AuA 2009, 538; Bruns, Der Einfluss der Rundfunkfreiheit auf das Arbeitsrecht, RdA 2008, 135; Boss, Medienberufe aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht – Freie Mitarbeiter, Freelancer, Honorarkräfte und die ewige Gretchenfrage: selbständig, „scheinselbständig“ oder abhängig beschäftigt?; NZS 2010, 483; Buschbaum/Klösel, Interim Management aus Sicht der arbeitsrechtlichen Vertragspraxis, NJW 2012, 1482; Dißars, Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Person/Selbständiger: Abgrenzung, StWK Gruppe 19, 607; Eggert, Die Berufssituation von angestellten und frei mitarbeitenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten 1998 und 2006 im Vergleich, BRAK-Mitt. 2010, 2; Erichsen, Vermeidung von Scheinselbständigkeit, sj 2009, Nr. 21, 34; Francken, Die Darlegungs- und Beweislast bei der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von Werk- und Dienstverträgen, NZA 2013, 985; Freckmann, Freie Mitarbeiter wieder im Trend – Flucht aus der Leiharbeit, DB 2013, 459; Gaul/Hahne, Der Versuch des Gesetzgebers zur Kennzeichnung von Arbeitnehmern, Leiharbeitnehmern und sonstigem Fremdpersonal durch § 611a BGB, BB 2016, 58; Greiner, Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung – Abgrenzungsfragen und aktuelle Rechtspolitik, NZA 2013, 697; Greiner, Die Ich-AG als Arbeitnehmer, BB 2003, 1058; Grobys, Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen, NJW-Spezial 2005, 81; Hochrathner, Die Statusrechtsprechung des 5. Senats des BAG seit 1994, NZA-RR 2001, 561; Hohmeister/Goretzki, Verträge über freie Mitarbeit,

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Kap. 9

2. Aufl. 2000; Karthaus/Klebe, Betriebsratsrechte bei Werkverträgen, NZA 2012, 417; Lembke, Der Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von freier Mitarbeit, Werkverträgen und Leiharbeit – Die Sicht eines unternehmensberatenden Anwalts, NZA 2013, 1312; Lingemann/Winkel, Der Rechtsanwalt als freier Mitarbeiter, NJW 2010, 38 (Teil 1) und NJW 2010, 208 (Teil 2); Maiß, Das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV, ArbRAktuell 2011, 9; Marburger, Neue Rechtsentwicklung in Zusammenhang mit dem Anfrageverfahren, WzS 2012, 9; Marburger, Das Anfrageverfahren, Die Beiträge 2008, 129; Mette, Brennpunkt Scheinselbstständigkeit, NZS 2015, 721; Moll, Scheinselbständigkeit und geringfügige Beschäftigung, DStR 2003, Heft 34, XVII; Müller, der Arbeitnehmerbegriff im Steuerrecht, SteuK 2013, 140; Niebler/Meier/Dubber, Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter?, 2. Aufl. 1995; Niepalla/Dütemeyer, Die vergangenheitsbezogene Geltendmachung des Arbeitnehmerstatus und Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers, NZA 2002, 712; Obenhaus, Umsatzsteuerliche Konsequenzen verdeckter Arbeitsverhältnisse, BB 2012, 1130; Ohle, Die Haushaltshilfe, ArbRB 2006, 309; Ohle, Statusverfahren von freien Mitarbeitern bei Presse, Rundfunk und Fernsehen, ArbRB 2006, 371; Plagemann/Schafhausen, Scheinselbstständig? Aktuelle Rechtsprechung zu den verschiedenen Gesundheitsberufen (Teil 1), ArbRAktuell 2015, 415; Powietzka/Bölz, Scheinselbstständigkeit von Honorarärzten in Kliniken, KrV 2012, 137; Rebhahn, Der Arbeitnehmerbegriff in vergleichender Perspektive, RdA 2009, 154; Reinecke, Rechtsprechung des BAG zum Arbeitnehmerstatus – Eine kritische Bestandsaufnahme, NZA-RR 2016, 393; Reiserer, Wege aus dem Arbeitsverhältnis in die Selbständigkeit – Freie Mitarbeit richtig gestalten, in FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 545; Reiserer, Die freie Mitarbeit wird wieder hoffähig, BB 2003, 1557; Reiserer/Freckmann, Scheinselbständigkeit – heute noch ein schillernder Rechtsbegriff, NJW 2003, 180; Retemeyer/Möller, „Scheinselbständigkeit“ und strafrechtliche Konsequenzen, BDZ 2010, R 1–F 6; Richardi, Arbeitnehmer als Beschäftigte, NZA 2010, 1101; Schmidt-Rolfes in Maschmann/Sieg/Göpfert, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012, S. 656 ff.; Schulze/Hintzen, GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer?, ArbRAktuell 2012, 263; Schüren, BB-Forum: Beweislastumkehr zur Bekämpfung von Scheinwerkverträgen, BB 2014, 2613; Seel, Selbstständig oder doch Arbeitnehmer? – Eine Analyse der sozial- und steuerrechtlichen Behandlung von Beschäftigten, NZS 2011, 532; Seewald, Zu scheinbarer und ernsthafter „Beschäftigung“ bei gespaltenen Arbeitsverhältnissen, NZS 2014, 481; Sommer, Das Ende der Scheinselbständigkeit?, NZS 2003, 169; Spatschek/Talaska, Strafrechtliche Gefahren des freien Mitarbeiters, AnwBl 2010, 203; Tillmanns, Arbeitnehmereigenschaft und Statuswechsel, RdA 2015, 285; Van Venrooy, Missbrauch des Dienstverschaffungsvertrags – Selbstständigen-„Contracting“ – ein Irrweg, NZA 2011, 670; Velten, Der „Manager auf Zeit“ zwischen Arbeitnehmerstellung und Selbstständigkeit, ArbRB 2013, 190; von Westphalen/Schneider, Software-Erstellungsverträge, 2. Aufl. 2014; Werths, Werkverträge – ein unkalkulierbares Compliancerisiko?, BB 2014, 697; Werths, Vom Auftraggeber eines Werkvertrages zum Arbeitgeber, NJW-Spezial 2014, 498; Willemsen/Müntefering, Begriff und Rechtsstellung arbeitnehmerähnlicher Personen: Versuch einer Präzisierung, NZA 2008, 193; Worzalla, Arbeitsverhältnis, Selbständigkeit, Scheinselbständigkeit, 1996. Allgemein zum freien Mitarbeitervertrag: Vgl. auch die Nachweise zur Abgrenzung freier Mitarbeiter/ Arbeitnehmer. Bartsch, Softwarerechte bei Projekt- und Pflegeverträgen, CR 2012, 141; Bayreuther, Generalunternehmerhaftung nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmerentsendegesetz, NZA 2015, 961; Bernhard, Grenzen vertraglicher Wettbewerbsverbote zwischen Unternehmen, NJW 2013, 2785; Bissels/Falter, Gesetzlicher Mindestlohn – Fallstricke bei der Haftung für Subunternehmer nach dem MiLoG, DB 2015, 64; Bissels/Falter/Krings, Gesetzlicher Mindestlohn: Keine Haftung des Auftraggebers für insolvente Nachunternehmer; Dück, Zivil- und Kartellrechtliche Grenzen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für Handelsvertreter, NJW 2016, 368; Mauthner/Rid, Haftungsfalle für Auftraggeber, AuA 2014, 518; Merkel/Götz, Der gesetzliche Mindestlohn in der Praxis – eine Bestandsaufnahme, DB 2015, 1407; Müller, Die Ermessensausübung beim Gründungszuschuss gem. § 93 SGB III in der aktuellen Rechtsprechung, NZS 2014, 725; Oltmanns/Fuhlrott, Die Auftraggeberhaftung bei Verstößen gegen das MiLoG, NZA 2015, 392; Schweiger, Der Gründungszuschuss im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, NZS 2014, 448; Sittard/Sassen, Ein Jahr Mindestlohn – ein Update, NJW 2016, 364; Stamm, Kehrtwende des BGH bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit, NJW 2014, 2145; Timmermann, Rentenversicherungspflicht des Franchise-Nehmers nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI und Stabilisierung des Vertragsverhältnisses des Franchise-Gebers durch „Sozialleistungen“ (zgl. Besprechung v. LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5.12.2011 – L 1 R 59/11), BB 2015, 309; Waltermann, Welche arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen empfehlen sich im Hinblick auf die Zunahme Kleiner Selbstständigkeit?, RdA 2010, 162; Werths, Werkverträge – ein unkalkulierbares Compliancerisiko?, BB 2014, 697. Zum Softwareentwicklervertrag: Fuchs/Meierhöfer/Morsbach/Pahlow, Agile Programmierung – Neue Herausforderungen für das Softwarevertragsrecht? – Unterschiede zu den „klassischen“ Softwareentwick-

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lungsprojekten, MMR 2012, 427; Habel, Software-Projektverträge: Werk- oder Dienstverträge, DSRITB 2015, 567; Klawitter, Fortgeltung der Unterlizenz nach Wegfall der Hauptlizenz, GRUR-Prax 2012, 425; Peifer, Der Referentenentwurf zum Urhebervertragsrecht, GRUR 2016, 6; Schwab, Der Arbeitnehmer als Urheber, NZA-RR 2015, 5; v. Olenhusen; Der Arbeitnehmer-Urheber im Spannungsfeld zwischen Urheber-, Vertrags-, und Arbeitsrecht, ZUM 2010, 474; Wandtke, 50 Jahre Urheberrechtsgesetz – eine unendliche Geschichte des Arbeitnehmerurheberrechts, GRUR 2015, 831. Zum Beratervertrag/Interimsmanagement: Vgl. insb. die Nachweise zur Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer und allgemein zum freien Mitarbeitervertrag, ferner Buschbaum/Klösel, Interim Management aus Sicht der arbeitsrechtlichen Vertragspraxis, NJW 2012, 1482; Mehnert, Einsatz von Interim Managern, AuA 2013, 14 (Sonderausgabe); Oltmann/Fuhlrott, Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte des Einsatzes von Interim-Managern, DB 2016, 591; Theiselmann, Gesellschaftsrechtliche Aspekte des Abschlusses von Drittanstellungsverträgen mit Interimsmanagern, ZIP 2015, 1712; Velten, Der „Manager auf Zeit“ zwischen Arbeitnehmerstellung und Selbstständigkeit, ArbRB 2013, 190. Zum Handelsvertreter- und Vertragshändlervertrag: Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, 3. Aufl. 2007; Budde, Das Ende der Einstandszahlung im Handelsvertreterrecht?, DB 2005, 2177; Eberstein, Der Handelsvertretervertrag, 9. Aufl. 2008; Emde, BB-Rechtsprechungs- und Literaturübersicht zum Vertriebsrecht des Jahres 2011, BB 2012, 3029; Emde, Das Handelsvertreterausgleichsrecht muss neu geschrieben werden, DStR 2009, 1478; Emde, Der Ausgleichsanspruch des Lizenznehmers analog § 89b HGB, WRP 2006, 449; Emde, Zum arbeitnehmerähnlichen Handelsvertreter, EWiR 2005, 505; Emde, Zum Schadensersatzanspruch nach HGB § 89a Abs. 2 Nr. 1, EWiR 2004, 557; Emde, Wege zur vereinfachten Berechnung des Handelsvertreterausgleichs (§ 89b HGB), VersR 2006, 1592; Emde/Kelm, Der Handelsvertretervertrag in der Insolvenz des Unternehmers, ZIP 2005, 58; Enders, Der Handelsvertreter im modernen Schuldrecht, ZGS 2006, 462; Fock, Die europäische Handelsvertreter-Richtlinie, 2001; Hopt, Handelsvertreterrecht, 5. Aufl. 2015; Hübsch/Hübsch, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht, WM 2005, Sonderbeilage Nr. 1, 2; Kapp/Schumacher, Die Delkredere-Haftung des Handelsvertreters im Kartellrecht, EuZW 2008, 167; Kiene, Der Verkauf einer Handelsvertretung, NJW 2006, 2007; Kroll, Provisionsänderungs- und Stornoklauseln zu Lasten des Kundenvermittlers, CR 2009, 147; Küstner, Wie frei ist der freigestellte Vertreter?, VW 2009, 361; Küstner, Der Einfluss einer unternehmensfinanzierten Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch im Handelsvertreterrecht, ZAP Fach 15, 493; Küstner, Das neue Recht des Handelsvertreters, 4. Aufl. 2003; Küstner/ Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. I, 5. Aufl. 2016; Bd. II, 9. Aufl. 2014, Bd. III, 4. Aufl. 2014; Leising, Der Buchauszug als Druckmittel des Handelsvertreters, sj 2006, 43; Martinek/Bergmann, Künstler-Präsentanten, -Agenten und -Manager als Handelsvertreter – Konkurrenzvertretung und Interessenwahrnehmung als Grundlagenprobleme des Handelsvertreterrechts, WRP 2006, 1047; Martinek/ Semler/Habermeier/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. 2016; Mesch, Die Gestaltung von Kündigungsklauseln in Vertragshändlerverträgen, ZVertriebsR 2015, 8; Nolte, Renaissance des Handelsvertretervertriebes?, WuW 2006, 252; Otto, Zahlungen auf den Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB: Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts, BB 2005, 1324; Schipper, Verletzung vorvertraglicher Wahrheits- und Aufklärungspflichten des Unternehmers bei Handelsvertreterverträgen und ihre Folgen, NJW 2007, 734; Stötter, Das Recht der Handelsvertreter, 6. Aufl. 2007; Ströbl, Der Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB in der Telekommunikationsbranche, BB 2013, 1027; Thume, Die Bedeutung des Kundenstammes im Vertriebsrecht, BB 2009, 1026; Thume, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters beim Vertrieb von Dauerverträgen, BB 2015, 387; Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975; Thume, Der alte und neue Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters und der anderen Vertriebsmittler, VersR 2012, 665; Thume, Das Handelsvertreterrecht in Deutschland, IHR 2006, 191; Wauschkuhn/Teichmann, Typische Probleme bei der Beendigung von Vertragshändlerverträgen; Westphal, Einstandszahlungen des Handelsvertreters, MDR 2005, 421. Zur Heimarbeit: Brandl, Telearbeit, AiB 2004, 349; Engelhardt, Kleine Tele-Heimarbeit, AiB 2006, 696; Fenski, Außerbetriebliche Arbeitsverhältnisse, 2. Aufl. 2000; Grobys, Besondere Beschäftigungsformen im Arbeitsrecht, NJW-Spezial 2006, 33; Hansen, Der sozialversicherungsrechtliche Status von Telearbeit – Teil 3, Die Beiträge 2009, 321; Herrmann, Organisation in virtuellen Teams, AuA 2004, Nr. 9, 28; Mehrle, Heimarbeitsrecht, AR-Blattei, Heimarbeit I, AR-Blattei, SD 910; Otten, Heimarbeitsrecht, 3. Aufl. 2012; Schaub, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Auflage 2015; Schmechel, Die Rolle des Betriebsrats bei der Einführung und Durchführung von Telearbeit, NZA 2004, 237; Wank, Telearbeit, AR-Blattei, SD 1565; Wank, Telearbeit, NZA 1999, 225; Wedde, Telearbeit, 3. Aufl. 2002.

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Rz. 5 Kap. 9

I. Einführung Neben dem Arbeitsverhältnis gibt es freie Dienstverhältnisse. Der entscheidende Unterschied zum Arbeitsverhältnis liegt gemäß dem Rechtsgedanken des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB darin, dass die Dienst- oder Auftragnehmer nicht persönlich abhängig sind, sondern im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen können.

1

1. Abgrenzung freier Mitarbeiter/Arbeitnehmer (M 9.1.1–9.1.6) → S. M 9.1.1–9.1.6. Die Abgrenzungskriterien zwischen freier Mitarbeit und Arbeitnehmerstellung1 sind im Arbeitsrecht, Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht im Wesentlichen gleich.2 Zwischen den unterschiedlichen Fachgerichtsbarkeiten besteht jedoch keine rechtliche Bindungswirkung für die Einstufung des jeweiligen Beschäftigten, insofern sind daher auch divergierende Entscheidungen möglich.3

2

a) Abgrenzungskriterien Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG unterscheidet sich der Arbeitnehmer vom Selbständigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit:4

3

„Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistungen im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. (…) Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. (…) Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht die Modalitäten der Bezahlung oder die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung. (…)

4

Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden. Umgekehrt gibt es Tätigkeiten, die regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses kann also auch aus Art oder Organisation der Tätigkeit folgen.“5

5

1 Ein Überblick über Einzelfälle, in denen die Arbeitnehmereigenschaft bejaht bzw. verneint worden ist, findet sich bei PWW/Lingemann, § 611 BGB Rz. 21 ff. 2 Vgl. Freckmann, DB 2013, 459, 462 mwN; dazu auch Seewald, NZS 2014, 481, 484. 3 BFH v. 20.10.2010 – VIII R 34/08, NZA 2011, 502; dazu Schulze/Hintzen, ArbRAktuell 2012, 263; zum Steuerrecht s. Müller, SteuK 2013, 140. 4 S. nur BAG v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14, FD-ArbR 2016, 375111, Rz. 20; v. 9.4.2014, NZA-RR 2014, 522, Rz. 16; v. 17.4.2013, NZA 2013, 903, Rz. 15; v. 29.8.2012, NZA 2012, 1433; v. 15.2.2012, NJW 2012, 2903. Dazu im Ganzen und zu den einzelnen Kriterien nur: Freckmann, DB 2013, 459; Seewald, NZS 2014, 481, 485; zum Referentenentwurf eines § 611a BGB: Gaul/Hahne, BB 2016, 58. Zur Abgrenzung mit (Schein-)Werkverträgen, Werths, BB 2014, 697 (699). Zur Abgrenzung zum Werkunternehmer s. nur Boemke, RdA 2015, 115. 5 St. Rspr., vgl. BAG v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14, FD-ArbR 2016, 375111, Rz. 20; v. 17.4.2013, NZA 2013, 903, Rz. 15; v. 29.8.2012, NZA 2012, 1433, Rz. 14 f.; v. 15.2.2012, NJW 2012, 2903; v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424; v. 25.5.2005, BAGE 115, 1, 7 f.; v. 12.12.2001, NZA 2002, 787, 788; v. 30.11.1994, AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 12.6.1996, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Werkstudent; v. 12.9.1996, AP Nr. 122 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; v. 16.7.1997 – 5 AZR 312/96, zT abgedruckt in DB 1997,

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Kap. 9 Rz. 6

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Inhaltlich ändert sich das auch nicht durch den seit 1.4.2017 geltenden neuen § 611a BGB.6 Dieser bestimmt in Abs. 1: „Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.“ 6

Zur Abgrenzung sind in einem ersten Schritt eine Vielzahl von Kriterien zu prüfen, die Indizwirkung haben. In einem zweiten Schritt sind die Kriterien im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu gewichten zur Feststellung, ob der Betreffende Arbeitnehmer oder Selbständiger/freier Mitarbeiter ist.

7

Dabei ist zunächst vom Vertrag auszugehen, § 611a Abs. 1 Satz 1, 6 BGB nF. Handelt es sich um einen Arbeitsvertrag, so ist das für die Einordnung maßgeblich, auch wenn Weisungsrechte nicht ausgeübt werden.7 Handelt es sich um den Vertrag eines Selbständigen, ist weiter die tatsächliche Durchführung zu prüfen. Erfüllt auch sie die Anforderungen an die Selbständigkeit, ist der Auftragnehmer selbständig. Entspricht sie hingegen einer abhängigen Beschäftigung, dann handelt es sich um eine solche, trotz des anders gestalteten Vertrages, § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB nF. Denn der Grundsatz der Vertragsfreiheit gestattet es nicht, ein Beschäftigungsverhältnis, das aufgrund objektiver Würdigung der Einzelumstände als Arbeitsverhältnis zu beurteilen ist, als Dienstvertragsverhältnis eines freien Mitarbeiters bzw. als Auftrag eines Selbständigen zu vereinbaren.8 Vielmehr lassen sich nach der Rechtsprechung gerade aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragspartner ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben.9

8

Allerdings: Lässt sich keine eindeutige Klärung des Vertragstypus herbeiführen, handelt es sich also um einen Grenzfall, so kann es auf den im Vertrag niedergelegten Willen der Parteien ankommen.10

9

Zur Abgrenzung dienen insbesondere folgende Kriterien: – Die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Tätigkeit ist wohl das wichtigste Abgrenzungskriterium zwischen freier Mitarbeit und Arbeitsverhältnis, § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB nF. Je weniger der Beschäftigte die Umstände seiner Arbeit selbst bestimmen

6 7 8 9 10

2437; BSG v. 29.8.2012, NZA-RR 2013, 252. Dazu und insb. zur Problematik der Abgrenzung bei wissensbasierten Tätigkeiten umfangreich Becker, DB 2015, 2267. Dazu auch PWW/Lingemann, § 611a BGB, Rz. 1 ff. BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11, NZA 2012, 733; v. 25.01.2007 – 5 AZB 49/06, NZA 2007, 580; v. 12.9.1996 –5 AZR 1066/94, NZA 1997, 194; vgl. BSG v. 29.7.2015 – B 12 Kr 23/13 R, BSGE 119, 216; Reinecke, NZA 2016, 393, 398. So sinngemäß auch BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 282/12, NZA 2013, 1348, Rz. 16 aE. BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, Rz. 16; v. 18.1.2012, NZA-RR 2012, 455, Rz. 28; v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NZA 2010, 877. BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, Rz. 22; v. 9.6.2010, NZA 2010, 877; BSG v. 14.5.1981 – 12 RK 11/80, BB 1981, 1581. Das kann etwa wie in BAG v. 11.8.2015 der Fall sein, wenn die vertraglich vereinbarte Tätigkeit sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbständig erbracht werden kann.

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kann, desto eher liegt ein Arbeitsverhältnis vor.11 Der Vertragsgegenstand muss daher im freien Mitarbeiterverhältnis so genau bezeichnet sein, dass Weisungen weitgehend entbehrlich sind. Die Bedeutung der freien zeitlichen Disposition als Indiz für Selbständigkeit geht möglicherweise zurück,12 unverändert ist aber ständige Dienstbereitschaft ein starkes Indiz für ein Arbeitsverhältnis.13 Ist der Beschäftigte in eine Betriebsorganisation eingegliedert, also bei seiner Tätigkeit von anderen Mitarbeitern oder vom technischen Apparat des Dienstherrn abhängig, so spricht dies für ein Arbeitsverhältnis.14 Ein eingerichteter Arbeitsplatz, der dem Mitarbeiter vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wird, ist ein Indiz für ein Arbeitsverhältnis. Umgekehrt spricht es für Selbständigkeit, wenn der Beschäftigte selbst sein Arbeitsgerät bereitzustellen hat.15 Eine die ganze Arbeitskraft des Beschäftigten bindende Tätigkeit soll nach der Rechtsprechung für ein Arbeitsverhältnis sprechen. Darf der Beschäftigte dagegen uneingeschränkt Nebentätigkeiten ausüben und damit über seine sonstigen Ressourcen frei disponieren, so spricht dies für Selbständigkeit,16 ebenso wie eine fehlende Arbeitsverpflichtung.17 Die Pflicht, die Leistung persönlich zu erbringen, ist nach der Rechtsprechung des BAG ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Nach § 613 Satz 1 BGB hat jedoch auch der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste „im Zweifel“ in Person zu leisten: „Da ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarungen, wonach die Dienstleistungen nicht persönlich zu erbringen sein sollen, in Arbeitsverträgen selten sind, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen haben. Ist der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, so steht ihm ein eigener Gestaltungsspielraum zu, der gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht.“18 Ohne Verpflichtung zur höchstpersönlichen Tätigkeit kommt ein Arbeitsverhältnis daher nur in Betracht, wenn „die persönliche Leistungserbringung die Regel und die Leistungserbringung durch einen Dritten eine seltene Ausnahme darstellt, die das Gesamtbild der Tätigkeit nicht nennenswert verändert.“19

11 BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903, Rz. 18; v. 15.2.2012, NZA 2012, 732, Rz. 14 f.; für den Werkvertrag, beispielhaft vgl. BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 282/12, NZA 2013, 1348, Rz. 17; v. 11.11.2008 – 1 ABR 68/07, NZA 2009, 450, 452, Rz. 28; v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424, 427; v. 20.8.2003 – 5 AZR 610/02, NZA 2004, 39; v. 16.3.1994 – 5 AZR 447/92, NZA 1994, 1132; v. 9.5.1984, DB 1984, 2203; v. 9.9.1981, DB 1981, 2500. 12 Vgl. BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903; Reinecke, NZA-RR 2016, 393, 396. 13 BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 301/10, NZA 2012, 731; Reinecke, NZA-RR 2016, 393, 396. 14 BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903, Rz. 18 für eine Cutterin; v. 15.2.2012 – 10 AZR 301/10, NZA 2012, 731 zum Lehrer; v. 25.5.2005, BAGE 115, 1, 10; v. 29.5.2002, NZA 2002, 1232 zum VHS-Dozenten; v. 3.10.1975, DB 1976, 392; v. 28.6.1973, DB 1973, 1804; v. 16.3.1972, NJW 1972, 1912; BSG v. 22.11.1973, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 15 BAG v. 20.1.2010, ArbRAktuell 2010, 173; v. 27.3.1991 – 5 AZR 194/90, NZA 1991, 933; v. 9.5.1984, DB 1984, 2203; v. 3.10.1975, DB 1976, 392. 16 BAG v. 12.2.1958, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten. Dazu Boss, NZS 2010, 483. 17 BAG 29.8.2012 – 10 AZR 499/11, NZA 2012, 1433. 18 So wörtlich BAG v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96, DB 1998, 624, bestätigt durch BAG v. 12.12.2001 – 5 AZR 253/00, NZA 2002, 787; vgl. auch BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, Rz. 25. 19 BAG v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96, NZA 1998, 364, 366.

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Muss der Beschäftigte die Tätigkeit also nicht selbst ausführen, sondern kann er sich nach seinem Ermessen von anderen Personen vertreten lassen, so ist dies ein Indiz für Selbständigkeit,20 schließt aber ein Arbeitsverhältnis auch nicht von vorneherein aus.21 Das BSG sieht in der Möglichkeit zur Delegation allerdings nur dann ein entscheidendes Kriterium für die Selbständigkeit, wenn auch realistischerweise von der Delegationsbefugnis Gebrauch gemacht werden kann und sie nach Art und Umfang der Einschaltung Dritter als prägend für die selbständige Tätigkeit angesehen werden kann.22 Trägt der Beschäftigte kein eigenes Unternehmerrisiko, so spricht dies für eine Arbeitnehmereigenschaft. Auf der anderen Seite begründet ein erhebliches Unternehmerrisiko des Dienstverpflichteten eine Vermutung dafür, dass er selbständig ist; dies gilt jedenfalls, wenn dem Risiko auch unternehmerische Chancen.23 und größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen.24 Auch eine fehlende Erwerbsabsicht kann im Rahmen der Gesamtwürdigung gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sprechen.25 Die Vergütung als solche soll für die Abgrenzung kaum Bedeutung haben.26 „Die Art der Vergütung spielt schon deshalb keine nennenswerte Rolle, weil entscheidend die Eigenart der Dienstleistung ist, nicht aber die Abwicklung der Entgeltzahlung“.27 Und: „Für die Abgrenzung von Bedeutung sind daher in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, und nicht die Modalitäten der Bezahlung.“28 Eine enge Bindung der Vergütung an den tatsächlichen Erfolg der Tätigkeit kann aber gegen ein Arbeitsverhältnis sprechen.29 Demgegenüber bildet nach Rechtsprechung des BSG eine gewisse Regelmäßigkeit des Zuflusses der Vergütung – insbesondere, wenn monatlich eine feste Vergütung ausgezahlt wird – einen Anhaltspunkt für eine abhängige Beschäftigung.30 Eine Kontrolle der Tätigkeit bzw. ihrer Qualität trifft für sich genommen keine Aussage über das Bestehen eines Arbeits- oder eines Dienstverhältnisses: „Mit einer Kontrolle der

20 BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, Rz. 25; v. 20.1.2010 – 5 AZR 99/09, NZA-RR 2011, 112; v. 12.12.2001 – 5 AZR 253/00, NZA 2002, 787; v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96, DB 1998, 624; v. 21.1.1966, AP Nr. 2 zu § 92 HGB; vgl. auch BAG v. 25.5.2005, BAGE, 115, 1, 9; auch kurz in BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, Rz. 30. 21 BAG v. 21.3.2002 – 6 AZR 108/01 (A), NZA 2003, 112; v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96, NZA 1998, 364, 366. 22 BSG v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R, juris, Rz. 33 f. 23 BSG v. 12.12.1990 – 11 RAr 73/90, NZA 1991, 907. Vgl. hierzu auch BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 282/ 12, NZA 2013, 1348, Rz. 16 aE und BFH, NZA-RR 2015, 592, Rz. 16 ff. 24 BSG v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R, juris, Rz. 36 f., wobei angesichts zunehmender Freiheiten bzgl. Arbeitsort und Arbeitszeit (Stichwort: „digitale Arbeitswelt – Arbeiten 4.0“) dies als Indiz für die Annahme der Selbständigkeit möglicherweise nur dann gelten soll, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen. 25 BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 499/11, NZA 2012, 1433 zur Frage der Arbeitnehmereigenschaft einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Seelsorgerin. 26 Deutlich BAG v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14, NZA-RR 2016, 344, Rz. 29. Vgl. auch BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 301/10, NZA 2012, 731, Rz. 28 mwN; BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit – unter III 4b der Entscheidungsgründe. 27 BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 301/10, NZA 2012, 731, Rz. 28 mwN. 28 BAG v. 16.7.1997, DB 1997, 2437. So auch BAG v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424, Rz. 34. 29 BSG v. 21.4.1993 – 11 RAr 67/92, NJW 1994, 341; v. 25.9.1981 – 12 RK 5/80, BB 1982, 806. 30 BSG v. 19.8.2015 – B 12 KR 9/14, juris, Rz. 24.

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Qualität seiner Arbeit muss auch der freie Mitarbeiter rechnen.“31 „Abhängige Arbeit wird nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Vertragspartner Korrekturen verlangt.“32 – Kein gewichtiges Kriterium für die Annahme einer Selbständigkeit soll nach – abzulehnender – Auffassung des BSG vorliegen, wenn der Beschäftigte – zB innerhalb eines Rahmenvertrages33 – jeweils frei entscheiden kann, ob er einen bestimmten Auftrag seines Dienstherrn annimmt.34 Die Situation vor Annahme eines Auftrags entspreche letztlich derjenigen eines Arbeitssuchenden, dem es ebenfalls freistehe, ihm angebotene Arbeitsgelegenheiten abzulehnen oder eines Teilzeitbeschäftigten, der auch angebotene Arbeitsmöglichkeiten ablehnen könne. Der Vergleich passt jedoch nicht. Denn (auch) der Arbeitssuchende ist ja gerade kein abhängig Beschäftigter, und der Teilzeitbeschäftigte kann nicht einfach Arbeitsaufgaben ablehnen. In jedem Fall spricht es für ein Arbeitsverhältnis, wenn eine pauschale Verpflichtung besteht, alle vom Auftraggeber zugewiesenen Aufgaben auszuführen.35 – Die Art der Tätigkeit spielt bei der Abgrenzung eine Rolle, § 611a Satz 3 Halbs. 2 BGB nF. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erbracht werden.36 Bei untergeordneten, einfachen Arbeiten ist eher eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten.37 Auch gibt es Tätigkeiten, die letztlich nur im Arbeitsverhältnis denkbar sind.38 – Die Berufung auf einen Arbeitnehmerstatus verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Kläger trotz erfolgreicher Statusklage auf eigenen Wunsch mit dem Arbeitgeber einen Vertrag abschließt, durch den das Arbeitsverhältnis aufgehoben wird, um wieder als freier Mitarbeiter tätig zu werden, später jedoch erneut die Feststellung verlangt, es habe ungeachtet des Aufhebungsvertrags ein Arbeitsverhältnis bestanden.39 Genauso handelt ein Dienstnehmer missbräuchlich, wenn er sich jahrelang allen Versuchen des Dienstgebers widersetzt hat, zu ihm in ein Arbeitsverhältnis zu treten, sich später aber nachträglich darauf beruft, Arbeitnehmer gewesen zu sein.40

31 BAG v. 14.3.2007, NZA-RR 2007, 424, 427; v. 19.1.2000 – 5 AZR 644/98, NZA 2000, 1102; v. 13.5.1992, RzK I 4a Nr. 51. 32 BAG v. 20.5.2009, NZA-RR 2010, 172, Rz. 26; LAG Köln v. 9.5.2014, NZA-RR 2014, 577, Rz. 34. 33 Bildet ein Rahmenvertrag die rechtliche Grundlage für eine Tätigkeit, soll für die Frage der Beschäftigteneigenschaft nicht auf den gesamten vom Rahmenvertrag erfassten Zeitraum, sondern jeweils auf die Verhältnisse abzustellen sein, die nach Annahme des einzelnen Auftragsangebots während dessen Durchführung bestehen, BSG v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R, juris, Rz. 19 f. 34 BSG v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R, juris, Rz. 28. 35 BAG v. 16.6.1998, DB 1998, 2276; v. 29.1.1992 – 7 ABR 25/91, NZA 1992, 835; s. aber auch BAG v. 30.11.1994 – 5 AZR 704/93, NZA 1995, 622. 36 Für die Statusbeurteilung kann dann der Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus Indizwirkung beigemessen werden, s. schon Rz. 8 (BAG v. 11.8.2015 – 9 AZR 98/14, NZA-RR 2016, 288, Rz. 22; v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NZA 2010, 877). An der Aussage, es gebe auch Tätigkeiten, die regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden können (BAG v. 30.11.1994 – 5 AZR 704/93, NZA 1995, 622 (B. II. 1. und 3)) hält das BAG gem. Entscheidung v. 17.4.2013 – 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903, Rz. 19 ausdrücklich nicht mehr fest. Vielmehr ist stets die Arbeitnehmereigenschaft anhand der allgemeinen Kriterien zu überprüfen. 37 BFH v. 24.7.1992 – VI R 126/88, BFHE 169, 154; v. 14.6.1985 – VI R 150/82, VI R 151/82, VI R 152/ 82, BFHE 144, 225; BAG v. 15.12.1999 – 5 AZR 566/98, NZA 2000, 447; v. 16.7.1997, DB 1997, 2437. 38 BAG v. 15.11.2005 – 9 AZR 626/04, NZA 2007, 1320, zur Leistung von Nachtdiensten im Krankenhaus. 39 BAG v. 4.12.2002, NZA 2003, 341; v. 11.12.1996 – 5 AZR 855/95, NJW 1997, 2617. 40 BAG v. 4.12.2002, NZA 2003, 341; v. 11.12.1996 – 5 AZR 708/95, NJW 1997, 2618.

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Kap. 9 Rz. 10

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

– Ob auch die Berufung auf eine Arbeitnehmereigenschaft rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Mitarbeiter auf eigenen Wunsch nur freier Mitarbeiter sein wollte, hat das BAG mit Urteil vom 21.1.199841 offengelassen. Die Entscheidung deutet jedoch darauf hin, dass auch dieser Einwand bei entsprechend substantiiertem Vortrag durchaus von Bedeutung ist. Ein Indiz für freie Mitarbeit liegt sicherlich vor, wenn der Dienstnehmer sich in freier und unbeeinflusster Weise für dieses Rechtsverhältnis entschieden hat und er nicht dazu bereit gewesen wäre, dieselbe Tätigkeit zu den Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses mit der branchenoder tarifüblichen Vergütung zu verrichten.42 Hingegen begründet es kein Indiz, wenn der Mitarbeiter die nur als freie Mitarbeiter angebotene Tätigkeit so annimmt.43 – Die Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses trägt im Kündigungsschutzprozess der Arbeitnehmer.44 Ansonsten bleibt es beim allgemeinen Grundsatz, dass derjenige die Tatsachen darlegen und beweisen muss, die für ihn günstig sind; bei Beweisnot kommt aber eine sekundäre Darlegungs- und Beweispflicht des Gegners in Betracht.45 b) Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten 10

Grundsätzlich kann ein Selbständiger sich nur auf eigene Initiative und auf eigene Kosten selbst in der Sozialversicherung versichern, ist dazu aber nicht vepflichtet. Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten bestehen ua. bei der Einrichtung des Gründungszuschusses (Rz. 11 ff.), dem Status als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger (Rz. 14) und dem Anfrageverfahren (Rz. 15 ff.). aa) Gründungszuschuss, § 93 SGB III

11

Einen Gründungszuschuss kann nach §§ 93 f. SGB III erhalten, wer durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit, seine Arbeitslosigkeit beendet.46 Ziel des Gründungszuschusses ist es, die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu fördern und für den Zeitraum zu unterstützen, in dem noch keine vollen Einnahmen erzielt werden, sowie Schwarzarbeit abzubauen.47 Durch Existenzgründungen sollen möglichst zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und so die Arbeitslosigkeit vermindert werden.

11a

Der Gründungszuschuss kann gemäß §§ 93 f. SGB III gewährt werden, wenn der Arbeitnehmer 1. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für mindestens 150 Tage besitzt, 41 BAG v. 19.11.1997 – 5 AZR 21/97, NZA 1998, 595, 597 unter V. der Entscheidungsgründe; vgl. dazu auch BAG v. 4.12.2002, NZA 2003, 341. 42 Vgl. auch ArbG Passau v. 13.3.1998, BB 1998, 1266. 43 BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 272/12, NZA 2013, 903, Rz. 31 f. 44 BAG v. 20.8.2003 – 5 AZR 610/02, NZA 2004, 39, 40; zur Beweislast in Statusfragen: LAG RheinlandPfalz v. 28.7.2014 – 3 Sa 153/14, AE 2015, 42. 45 Francken, NZA 2013, 985 mwN; Werths, NJW-Spezial 2014, 498. Wer sich etwa darauf beruft, dass ein Scheinarbeitsverhältnis (vgl. § 117 BGB) vorliege, muss dies darlegen und beweisen: BAG v. 18.9.2014 – 6 AZR 145/13, BB 2015, 442, Rz. 23 ff. 46 Dazu Gagel/Winkler, § 93 SGB III, Rz. 1 ff.; Kossens, AuA 2006, 484; Müller, NZS 2014, 725; Sartorius/Bubeck, ZAP Fach 18, 969; Schweiger, NZS 2014, 448. §§ 93, 94 SGB III gelten seit dem 1.4.2012, Vorgängerregelung waren §§ 57, 58 SGB III aF. Mit der Neuregelung wurden im Wesentlichen die maßgeblichen Zeit- und Bezugsräume geändert und aus der früheren Anspruchsnorm wurde eine Ermessensnorm gemacht. Den Modifikationen liegen haushaltspolitische Erwägungen zugrunde (BTDrucks. 17/6277, S. 83). Die vormaligen Regelungen zur sog. Ich-AG (§ 421l Abs. 1 SGB III aF) sind darüber hinaus ersatzlos weggefallen, da die Konzentration auf ein Instrument die Transparenz und Übersicht der Fördermaßnahmen erhöhen soll (Moll/Reiserer, MAH Arbeitsrecht, § 6 Rz. 86). 47 Dazu Schweiger, NZS 2014, 448 f.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Rz. 17 Kap. 9

2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung nachweist und 3. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.48 Ob der Gründungszuschuss gewährt wird, liegt im Ermessen der Arbeitsagentur. Dabei soll geprüft werden, ob die Förderung einer selbständigen Tätigkeit im Vergleich zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung die effektivere und effizientere Variante zur Beendigung der Arbeitslosigkeit ist.49 Die Höhe des möglichen Zuschusses richtet sich gemäß § 94 Abs. 1 SGB III nach dem zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld zuzüglich Euro 300,– pro Monat. Kann der Existenzgründer seine Geschäftstätigkeit nachweisen, besteht die Möglichkeit, dass er im Anschluss für weitere neun Monate einen Gründungszuschuss iHv. Euro 300,– pro Monat erhält, § 94 Abs. 2 SGB III.

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Für die arbeitsrechtliche Einordnung des Existenzgründers gelten die allgemeinen Abgrenzungskriterien (s. dazu im Einzelnen Rz. 3 ff.). Der Arbeitgeber hat beim Einsatz eines Existenzgründers iSd. §§ 93 f. SGB III folglich sicherzustellen, dass die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen eines freien Mitarbeiterverhältnisses gegeben sind.

13

bb) Arbeitnehmerähnliche Selbständige, § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI Über § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind „arbeitnehmerähnliche Selbständige“, also selbständig tätige Personen, die regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, rentenversicherungspflichtig. Die Beiträge tragen sie selbst. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1a SGB VI für Existenzgründer und ältere Selbständige möglich. Der Befreiungszeitraum kann gemäß § 6 Abs. 1a Satz 2 SGB VI auch für eine zweite Existenzgründung in Anspruch genommen werden, wobei eine bloße Umfirmierung oder unwesentliche Veränderung des Geschäftszweckes keine Existenzgründung im Sinne der Norm ist. Arbeitsrechtlich sind arbeitnehmerähnliche Selbständige als Selbständige zu behandeln.

14

cc) Anfrageverfahren, § 7a SGB IV Gemäß § 7a SGB IV kann jeder der Beteiligten beantragen,50 den sozialversicherungsrechtlichen Status des Erwerbstätigen feststellen zu lassen, ohne dass der Vertragspartner dies verhindern könnte.51 Die Zuständigkeit der Einzugsstelle gemäß § 28h Abs. 2 SGB IV ist insoweit eingeschränkt, es entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund.

15

Unter den weiteren Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV beginnt die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Deutsche Rentenversicherung Bund über das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Versicherungsverhältnisses, in allen übrigen Fällen mit Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis.

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Zudem wird gemäß § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrages in den Fällen eines Anfrageverfahrens jedoch auf den Zeitpunkt hinausgeschoben, zu dem die Statusentscheidung unanfechtbar wird. Er wird also erst mit den Beiträgen der Entgeltabrechnung des Kalendermonats fällig, der auf den Monat folgt, in dem die Entschei-

17

48 Zu den Voraussetzungen detailliert Schweiger, NZS 2014, 448, 449 ff. 49 BT-Drucks. 17/6277, S. 86; Gagel/Winkler, § 93 SGB III Rz. 61 ff.; Schweiger, NZS 2014, 448, 453 f. 50 Zur Höhe des Streitwerts in Statusfeststellungsverfahren vgl. LSG Essen v. 6.11.2007, Breith. 2008, 77. Allgemein zum Anfrageverfahren s. Maiß, ArbRAktuell 2011, 9; Marburger, Die Beiträge 2008, 129; Mette, NZS 2015, 721, 722. 51 Zum Umfang der Prüfungspflicht im Anfrageverfahren vgl. BSG v. 11.3.2009, NJOZ 2010, 195 sowie Richter, DStR 2009, 1856, 1857.

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Kap. 9 Rz. 18

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

dung unanfechtbar wurde. In diesem Fall ist der Lohnabzug nach § 28g SGB IV für den Arbeitnehmerbeitragsanteil nicht auf die letzten drei Monate begrenzt.52 c) Folgen eines fälschlich als freie Mitarbeit eingeordneten Anstellungsverhältnisses 18

Im Arbeitsrecht erlangt der Dienstnehmer die Stellung eines Arbeitnehmers mit allen Rechten und Pflichten.53 Damit hat der bisherige „freie Mitarbeiter“ in der Regel allerdings auch nur noch Anspruch auf die arbeitnehmerübliche Vergütung und es können Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers entstehen.54 Der Anspruch auf Erstattung überzahlter Honorare umfasst die Summendifferenz zwischen sämtlichen Honorarzahlungen und sämtlichen Vergütungsansprüchen; in die vorzunehmende Verrechnung ist auch ein etwaiger Abfindungsanspruch einzubeziehen.55 Nachzahlungen von Arbeitsentgelt für die Vergangenheit sind durch die dreijährige Verjährung gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB und ggf. vertragliche und tarifvertragliche Verfallklauseln beschränkt. Der Lauf einer tariflichen Verfallfrist beginnt dabei nicht erst mit der rechtskräftigen Feststellung des Arbeitsverhältnisses, vielmehr hat der Streit um den Status des Beschäftigten keine Auswirkungen.56 Der Lauf der Verfallfrist für Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers wegen Überzahlung der Vergütung beginnt dagegen erst mit der Rechtskraft eines solchen Urteils, da eine frühere Geltendmachung dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist.57 Er wäre sonst zu widersprüchlichem Verhalten gezwungen, wenn er einerseits im Statusprozess die Ansicht vertritt, es liege ein freies Mitarbeiterverhältnis vor, andererseits aber gleichzeitig bereits Rückforderungsansprüche aufgrund eines bestehenden Arbeitsverhältnisses geltend machen müsste. Auch steht zu einem früheren Zeitpunkt der Zeitraum für eine Geltendmachung nicht fest, da es in der Hand des klagenden Arbeitnehmers liegt, ab wann er eine Arbeitnehmereigenschaft geltend machen möchte. Es obliegt dem freien Mitarbeiter bzw. Arbeitnehmer, dieses Risiko vor einem solchen Prozess einzuschätzen. Auch eine Einbeziehung in die betriebliche Altersversorgung kommt bei Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft in Betracht.

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Sozialversicherungsrechtlich sind Sozialversicherungsbeiträge für das laufende Jahr und die vorangegangenen vier Jahre, bei Vorsatz 30 Jahre (§ 25 SGB IV), vom Arbeitgeber gemäß § 28e SGB IV nachzuzahlen.58 Die Nachzahlung umfasst den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil, Letzteren allerdings nur, soweit der Abzug nicht gemäß § 28g SGB IV bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden kann. Nur im Rahmen des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV kann der Abzug wohl weitergehend nach Unanfechtbarkeit der Statusentscheidung noch nachgeholt werden, § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV (str.). Der bei weitem überwiegende Anteil geht jedoch in allen anderen Fällen zu Lasten des Arbeitgebers. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt jedenfalls bei vorsätzlicher Nichtabführung der Beiträge ein Nettoentgelt als vereinbart; das führt dazu, dass der Arbeitgeber den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil aus einer idR rd. doppelt so hohen Bemessungsgrundlage abführen muss, so dass die nachzuzahlenden Beiträge fast die Höhe der zugrundeliegenden Vergütung erreichen können. 52 Vgl. Rundschreiben, Nr. 3.8.4. 53 Zu den Folgen eines fälschlich als freie Mitarbeit eingeordneten Anstellungsverhältnisses Bisson/ Schwab, AuA 2005, 276; Lampe, RdA 2002, 18; Seel, NZS 2011, 532; Tillmanns, RdA 2015, 285. 54 BAG v. 8.11.2006 – 5 AZR 706/05, NZA 2007, 321, Rz. 32 ff.; v. 29.5.2002 – 5 AZR 680/00, DB 2002, 2330; v. 21.11.2001, DB 2002, 537; v. 21.1.1998 – 5 AZR 50/97, NZA 1998, 594 in Abgrenzung zum Urteil BAG v. 9.7.1986 – 5 AZR 44/85, NZA 1987, 16; Bodem, ArbRAktuell 2012, 213; Niepalla/Dütemeyer, NZA 2002, 712; Reinecke, NZA 1999, 729, 736. Hierzu allgemein zu beachten ist die Rspr-Änderung des BGH zu § 817 BGB: BGH v. 11.6.2015 – VII ZR 216/14, NZA 2015, 941, Rz. 14 ff.; v. 10.4.2014 – VII ZR 241/13, NJW 2014, 1805; dazu Stamm, NJW 2014, 2145. 55 BAG v. 29.5.2002 – 5 AZR 680/00, DB 2002, 2330. 56 BAG v. 14.3.2001 – 4 AZR 152/00, NZA 2002, 155, 157. 57 BAG v. 14.3.2001 – 4 AZR 152/00, NZA 2002, 155, 159. 58 Die Verjährung tritt bei vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung jedoch erst nach 30 Jahren ein.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Rz. 22 Kap. 9

Steuerlich haftet der Arbeitgeber für die nicht abgeführte Lohnsteuer nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 38 Abs. 3 EStG und kann neben dem Arbeitnehmer nach § 191 Abs. 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Soweit der Arbeitgeber den ArbeitnehmerAnteil zur Sozialversicherung nachträglich abführen muss, ohne dass er nach § 28g SGB IV Rückgriff beim Arbeitnehmer nehmen kann, stellt die Zahlung durch den Arbeitgeber steuerpflichtigen Arbeitslohn dar,59 so dass auch insoweit Lohnsteuernachzahlungen entstehen können. Vom Mitarbeiter in Rechnung gestellte Umsatzsteuer kann das Unternehmen nicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG als Vorsteuer abziehen, da ein Arbeitnehmer kein Unternehmer ist, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG. Soweit die Vorsteuer vom Arbeitgeber unzulässig abgezogen wurde, muss er sie zurückzahlen.60 Der Arbeitnehmer schuldet dem Finanzamt nach § 14c Abs. 2 UStG die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, solange keine Berichtigung erfolgt ist.61 Da der Mitarbeiter gleichfalls nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorsteuerabzugsberechtigt war, kann das Finanzamt auch von ihm durch einen korrigierten Umsatzsteuerbescheid die zu Unrecht als Vorsteuer abgezogene Umsatzsteuer nachfordern. Aufgrund der für beide Parteien – besonders aber für den Arbeitgeber – verheerenden Konsequenzen kommt der Abgrenzung zwischen freier Mitarbeit und Anstellungsverhältnis also in der Praxis gravierende Bedeutung zu.

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2. Beratervertrag (M 9.2)/Interimsmanagement (M 9.1.5) → S. M 9.2; M 9.1.5. Mit dem freien Mitarbeitervertrag eng verzahnt ist der Beratervertrag. Hier gelten dieselben Abgrenzungskriterien. Die Besonderheit besteht darin, dass der Beratervertrag häufig unbefristet ist und auf Stundenbasis oder Tagessatzbasis vergütet wird. Die dadurch entstehende Indizwirkung für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis muss dadurch entkräftet werden, dass der Berater ansonsten bei der Erbringung seiner Tätigkeit weitestgehend frei ist und auch über andere Auftraggeber bzw. eine andere Existenzsicherung verfügt.

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Als Interimsmanagement wird der zeitlich befristete Einsatz von externen Führungskräften bezeichnet, die das Unternehmen durch ihre Expertise bei spezifischen Projekten unterstützen oder kurzfristige Vakanzen überbrücken sollen.62 In der Praxis kommen dabei verschiedene Modelle zum Einsatz: Zunächst kann direkt ein Vertrag zwischen Interimsmanager und Unternehmen geschlossen werden. Nicht selten wird dabei eine Agentur zwischengeschaltet, die mit dem Unternehmen einen Dienstverschaffungsvertrag abschließt und den Interimsmanager in der Folge an das Unternehmen vermittelt (sog. angelsächsisches Modell). Alternativ kann auch die Agentur selbst mit den spezifischen Managementleistungen beauftragt werden, wobei der Interimsmanager als Erfüllungsgehilfe gemäß § 278 BGB eingesetzt wird (sog. holländisches Modell). Bei letzterer Konstellation wird kein Vertrag zwischen Unternehmen und Interimsmanager geschlossen.63 Läge hier jedoch tatsächlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, wäre der Anwendungsbereich des AÜG eröffnet, was weitreichende Kon-

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59 Vgl. BFH v. 21.2.1992 – VI R 41/88, NJW 1992, 2587; v. 5.4.1974 – VI R 110/71, BStBl. II 1974, 463. S. auch BFH v. 13.9.2007 – VI R 54/03, NZA-RR 2008, 77, 78. 60 Näher zur Durchführung der Berichtigung der nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldeten Umsatzsteuer BMF-Schreiben v. 29.1.2004, BStBl. I 2004, 258, Rz. 82 ff.; Obenhaus, BB 2012, 1130. Die Berichtigung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Arbeitnehmer als Rechnungsaussteller gutgläubig war; vgl. EuGH v. 19.9.2000 – Rs. C-454/98, DStRE 2000, 1166 (Schmeink & Cofreth/Manfred Strobel); ebenso BFH v. 22.2.2001 – V R 5/99, BStBl. II 2004, 143. 61 Vertieft Obenhaus, BB 2012, 1130. 62 Zum Thema: Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482; Mehnert, AuA 2013, 14 (Sonderausgabe); Velten, ArbRB 2013, 190; Vogt/Deepen, ArbRAktuell 2012, 573). 63 Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482;Vogt/Deepen, ArbRAktuell 2012, 573.

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Kap. 9 Rz. 23

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

sequenzen mit sich brächte.64 Der Einsatz eines Interimsmanagers mag ein selbständiges Beschäftigungsverhältnis zwar indizieren, begründet ein solches jedoch nicht zwangsläufig, selbst wenn höhere Führungsaufgaben übertragen werden.65 Letztlich ist anhand der klassischen Abgrenzungsmerkmale zu klären, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis vorliegt.66 Daher sollte schon bei der Vertragsgestaltung darauf geachtet werden, dass der Interimsmanager selbständig und weisungsfrei agieren kann. Die übertragenen Management-Aufgaben sollten klar definiert sein und – soweit möglich – konkrete Zielvorgaben enthalten. Eine selbständige Beschäftigung liegt nahe, wenn sich sein Aufgabengebiet auf Projektarbeit außerhalb des Tagesgeschäftes beschränkt (zB Restrukturierungsmaßnahmen, Börsengänge, Unternehmenstransaktionen oder spezifische Produkteinführung).67 Eher für eine abhängige Beschäftigung spricht demgegenüber der Einsatz des Interimsmanagers im aktuellen Tagesgeschäft zur Überbrückung von personellen Engpässen.68 Darüber hinaus kommt es für die Abgrenzung auch hier maßgeblich auf die Vertragsdurchführung an.69 3. Handelsvertretervertrag (M 9.3) → S. M 9.3. 23

Neben dem Vertragshändler, der aufgrund einer dauernden vertraglichen Beziehung Waren des Unternehmens im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauft,70 ist insbesondere der Einsatz von Handelsvertretern eine weit verbreitete Vertriebsform. Anders als den Vertragshändler zeichnet den Handelsvertreter aus, dass er schon nach der gesetzlichen Konzeption nahe an den Auftraggeber herangerückt ist. Daher muss der Handelsvertreter einerseits sowohl von einem Arbeitnehmer, vgl. § 84 Abs. 2 HGB (dazu Rz. 25), als auch andererseits von weiteren Erscheinungsformen der Absatzmittlung abgegrenzt werden.71

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Nach der Legaldefinition des § 84 Abs. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer „als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.“ Zu unterscheiden ist zwischen Vermittlungsund Abschlussvertretern. Der Vermittlungsvertreter soll nur Vertragsschlüsse zwischen dem von ihm vertretenen Unternehmer und Dritten als Kunden in die Wege leiten.72 Demgegenüber ist der Abschlussvertreter zum Abschluss von Geschäften im Namen und für Rechnung 64 Zum AÜG s. Kap. 10. Handelte es sich um ein Leiharbeitsverhältnis, müsste die Agentur zB eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung innehaben, vgl § 1 Abs. 1 AÜG. Deren Fehlen stellte eine Ordnungswidrigkeit dar, § 16 Abs. 1 Nr. 1 AÜG. Zudem würde aufgrund der fehlenden Erlaubnis ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher (hier das beauftragende Unternehmen) und dem Interimsmanager fingiert, vgl. §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 AÜG, so dass sämtliche arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften Anwendung fänden (vgl. Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482 mwN; Mehnert, AuA 2013, 14, 16 (Sonderausgabe)). Zudem würde ab 1.4.2017 die maximale Verleihdauer von 18 Monaten gelten. Dazu und insb. zur Beweislast und zur Situation bei (Schein-)Werkverträgen, Schüren, BB 2014, 2613 mwN. 65 Dahl, DB 2005, 1738. 66 Zu den Abgrenzungskriterien s. Rz. 9. Vgl. dazu auch Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482 f.; Mehnert, AuA 2013, 14 (Sonderausgabe); Velten, ArbRB 2013, 190; Vogt/Deepen, ArbRAktuell 2012, 573. 67 Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482; Mehnert, AuA 2013, 14 (Sonderausgabe); Velten, ArbRB 2013, 190. 68 Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482; Mehnert, AuA 2013, 14 (Sonderausgabe); Velten, ArbRB 2013, 190; differenzierend nach Art der Führungsaufgabe Haag/Tiberius, NZA 2005, 190. 69 So auch Vogt/Deepen, ArbRAktuell 2012, 573. 70 Vgl. BGH v. 9.10.2002 – VIII ZR 95/01, NJW-RR 2003, 98, II.1.a); v. 21.10.1970, BGHZ 54, 338. 71 Zur Abgrenzung Arbeitnehmer – Handelsvertreter: BAG v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455; v. 20.8.2003 – 5 AZR 610/02, NZA 2004, 39. 72 MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 84 HGB Rz. 13.

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Rz. 25 Kap. 9

des vertretenen Unternehmens berechtigt.73 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können auch Betreiber von stationären Verkaufsstellen wie beispielsweise Selbstbedienungs-Tankstellen, Lotto- und Toto-Annahmestellen, Reisebüros, Tabakwarenund Zeitschriftengeschäfte etc. Handelsvertreter iSd. § 84 Abs. 1 HGB sein.74 Auch etwaige Annextätigkeiten wie Abwicklung der Kaufverträge, Retouren, des Warenumtauschs und der Gewährleistung stellen die Handelsvertretertätigkeit nicht in Frage.75 a) Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der Handelsvertreter selbständig, „wenn er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.“ Wird mit dem Handelsvertreter ein Anstellungsverhältnis begründet, so handelt es sich um einen Handlungsgehilfen, § 84 Abs. 2 HGB. Bei der Abgrenzung besteht die Besonderheit, dass auch der freie Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation des Unternehmers eingegliedert ist und schon kraft Gesetzes Weisungen des Unternehmers unterliegt.76 Er wird für den Unternehmer tätig und hat dessen Interessen wahrzunehmen, § 86 Abs. 1 HGB. Er ist dem Unternehmer laufend berichtspflichtig, § 86 Abs. 2 HGB. Dementsprechend kann das Unternehmen auch die Vertriebspolitik und den Kundenkreis selbst festlegen.77 Da der Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB namens und im Auftrag des Unternehmers handelt, bestimmt der Unternehmer auch die Preise einschließlich Rabatten und Skonti sowie die Vertragskonditionen und Zahlungsmodalitäten für das zu vertreibende Produkt. Auch Vorgaben über die Darstellung des Produktes sind beim Handelsvertreter kein Indiz für ein Anstellungsverhältnis. Dies gilt auch und insbesondere für Ausformungen der Nachrichts- und Rechenschaftspflicht nach § 86 Abs. 2 HGB. Vorschriften zur Verbuchung und Abrechnung von Lieferungen und erhaltenen Zahlungen, auch wenn sie über Formulare oder vorgegebene EDV-Masken erfolgen, berühren daher den freien Status des Handelsvertreters nicht. Dasselbe gilt für die Mitteilung von Geschäftsabschlüssen. Auch kann der Unternehmer bestimmen, wie oft vereinnahmte Gelder an ihn abzuführen sind. Auch die Einheitlichkeit der Vertriebsorganisation und des Erscheinungsbildes nach außen steht einem freien Handelsvertreterverhältnis nicht entgegen. Ohne entgegenstehende vertragliche Vereinbarung sind Handelsvertreter, wie der Umkehrschluss aus § 84 Abs. 3 HGB zeigt, nicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtet, sondern können ihrerseits zumindest Untervertreter einsetzen.78 Ein Anstellungsverhältnis kommt daher nur in Betracht, wenn die Selbständigkeit des Handelsvertreters in ihrem Kern beeinträchtigt wird, also die Beschränkung deutlich über das für Handelsvertreter Typische hinausgeht.79

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von Hoyningen-Huene, Die kaufmännischen Hilfspersonen, 1996, § 84 Rz. 13. Vgl. BGH v. 20.1.1964, VersR 1964, 331; OLG Köln v. 22.1.2003, VersR 2003, 1300. Vgl. BGH v. 21.12.1973, NJW 1974, 1982. Vgl. umfassend BAG v. 15.12.1999 – 5 AZR 169/99, NZA 2000, 1162; v. 15.12.1999 – 5 AZR 3/99, NZA 2000, 534; v. 15.12.1999 – 5 AZR 770/98, NZA 2000, 481; v. 15.12.1999 – 5 AZR 566/98, NZA 2000, 447; Hopt, DB 1998, 863 ff. 77 Insofern hat der Unternehmer zwar die Pflicht, das Vertriebssystem so auszugestalten, dass dem Handelsvertreter eine ausreichende Einnahmequelle ermöglicht wird. Darüber hinaus ist er jedoch in den Grenzen der Willkür frei, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Davon erfasst ist auch die Einführung einer neuen Vertriebsstruktur, die die Möglichkeit von Provisionseinnahmen verringert (BAG v. 16.2.2012, BB 2012, 571). 78 Vgl. auch GK-HGB/Genzow, § 84 Rz. 26. 79 Hierbei ist wieder eine Gesamtabwägung vorzunehmen: umfassend BAG v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455, Rz. 19 ff.; v. 20.8.2003 – 5 AZR 610/02, NZA 2004, 39; v. 15.12.1999 – 5 AZR 169/ 99, NZA 2000, 1162; v. 15.12.1999 – 5 AZR 3/99, NZA 2000, 534; v. 15.12.1999 – 5 AZR 770/98, NZA 2000, 481; v. 15.12.1999 – 5 AZR 566/98, NZA 2000, 447. Vgl. auch BGH v. 13.1.1966, BB 1966, 265; OLG Düsseldorf v. 30.1.1998, NJW 1998, 2978, 2980; LAG Nürnberg v. 26.1.1999 – 7 Sa 658/98, ZIP 1999, 769, 772.

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Kap. 9 Rz. 26

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b) Der Handelsvertreter „vermittelt“ Geschäfte, wenn er durch Einwirkung auf den Dritten deren Abschluss fördert.80 Es genügt Mitursächlichkeit, sofern diese nicht ganz nebensächlich ist.81 Die bloße Schaffung von Geschäftsbeziehungen ohne Vermittlung von Einzelgeschäften reicht allerdings nicht aus.82 Abschluss von Geschäften ist eine Unterform der Vermittlung, bei der der Handelsvertreter auch Abschlussvollmacht hat, vgl. § 91 Abs. 1 HGB.

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c) Gegenstand der Vermittlung können alle Arten von Geschäften sein, also nicht nur Waren- und Versicherungsverträge, sondern auch Dienstleistungen, Mietverträge, Lotto-Spielverträge oder auch Tankgeschäfte.

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d) „Betraut“ mit der Vermittlung ist der Handelsvertreter nur, wenn auch eine Tätigkeitspflicht und die Verpflichtung bestehen, die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen, vgl. auch § 86 Abs. 1 HGB. Dementsprechend muss auch der Vertrag mit dem Unternehmer auf ein wiederholtes Tätigwerden angelegt sein.83 Fehlt es daran, so handelt es sich um einen Handelsmakler.84

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e) Handelsvertreter können für eine oder mehrere Firmen tätig sein. Einfirmenvertreter, dh. Handelsvertreter, denen vertraglich die Tätigkeit für weitere Unternehmer untersagt ist, unterliegen besonderem Schutz gemäß § 92a HGB. Unterhalb eines Einkommens von Euro 1000,– monatlich ist gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG für Streitigkeiten zwischen dem Einfirmenvertreter und dem Unternehmer auch das Arbeitsgericht zuständig.85

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f) Den Handelsvertreter trifft eine allgemeine Interessenwahrnehmungspflicht, § 86 HGB. Danach ist er insbesondere auch verpflichtet, die Bonität des Kunden zu prüfen und Zweifel darüber dem Unternehmer mitzuteilen. Eine Delkredere-Haftung übernimmt er allerdings nur unter den engen Voraussetzungen des § 86b HGB.86

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g) Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen und ihm die erforderlichen Nachrichten – insbesondere über Abschluss von Geschäften und deren Ausführung oder Nichtausführung oder geänderter Ausführung – zu geben, § 86a HGB.87

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h) Die Vergütung des Handelsvertreters besteht regelmäßig in der Provision, §§ 87 ff. HGB. Dabei hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB.88 Ist dem Handelsvertreter ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen, so hat er auch Anspruch auf Provision für diejenigen Geschäfte, die 80 81 82 83 84 85 86 87 88

BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, NJW-RR 2006, 976, Rz. 19; v. 19.5.1982, NJW 1983, 42. BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, NJW-RR 2006, 976, Rz. 19; BAG v. 22.1.1971, BB 1971, 492. BGH v. 19.5.1982, NJW 1983, 42. BGH v. 1.4.1992 – IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818; OLG Düsseldorf v. 22.12.2011 – 16 U 133/10, IHR 2013, 36. Ist ein Vermittler sowohl als Handelsmakler als auch als Handelsvertreter tätig, so liegen getrennte Gewerbebetriebe vor und es ist bei jedem Geschäft zu prüfen, in welcher Weise und Form es vermittelt oder abgeschlossen wurde (OLG Bamberg v. 18.9.1964, BB 1965, 1167). Zur Ermittlung der Vergütungsgrenze vgl. BGH v. 21.10.2015 – VII ZB 8/15, NJW 2016, 316, Rz. 19; v. 28.6.2011 – VIII ZB 91/10, NJW-RR 2011, 1255. Zu den kartellrechtlichen Auswirkungen der Übernahme einer Delkredere-Haftung durch den Handelsvertreter vgl. Kapp/Schumacher, EuZW 2008, 167 mwN. BGH v. 4.5.2011 – VIII ZR 10/10, StuB 2011, 519. Zum Provisionsanspruch bei nichtigem Kundengeschäft vgl. BGH v. 22.9.2011 – IX ZR 209/10, NJWRR 2012, 625.

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Rz. 34 Kap. 9

ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirks oder seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses geschlossen wurden, § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB.89 Die bloße Bezeichnung eines Bezirks- oder Kundenkreises im Vertrag begründet diesen weit gehenden Provisionsanspruch zwar nicht, sondern er bedarf ausdrücklicher Vereinbarung. Bei Abschluss des Vertrages sollte zur Vermeidung von Zweifelsfällen jedoch ein Bezirk- oder Kundenschutz im Vertrag klar geregelt oder ausgeschlossen werden. Für Geschäfte nach Vertragsbeendigung hat der Handelsvertreter gemäß § 87 Abs. 3 HGB nur Anspruch auf Provision, wenn – er das Geschäft vermittelt hat oder er es eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist, und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist, § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB, oder – vor Beendigung des Vertragsverhältnisses das Angebot des Dritten zum Abschluss eines Geschäftes, für das der Handelsvertreter Anspruch auf Provision hat, dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen ist, § 87 Abs. 3 Nr. 2 HGB. Nach den Grundsätzen der Billigkeit kann auch dem nachfolgenden Handelsvertreter ein Anteil an der Provision zustehen, § 87 Abs. 3 Satz 2 HGB. Die Fälligkeit des Provisionsanspruches richtet sich nach § 87a HGB. Der Anspruch ist fällig, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Bei abweichenden Vereinbarungen hat der Handelsvertreter mit der Ausführung des Geschäftes durch den Unternehmer jedenfalls Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss zum Ende des jeweiligen Folgemonats, § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB. In jedem Falle besteht der Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Dritte das Geschäft ausgeführt hat, dh. im Regelfall, wenn der Dritte seine Zahlung erbracht hat, vgl. § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB. Daneben können, soweit der Handelsvertreter das Inkasso übernimmt, Inkassoprovisionen gemäß § 87 Abs. 4 HGB oder bei Verwaltungstätigkeiten auch Verwaltungsprovisionen geschuldet sein. Bei Übernahme des Bonitätsrisikos nach Maßgabe von § 86b HGB ist auch eine Delkredere-Provision zu zahlen. Schließlich ist bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gemäß § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine angemessene Entschädigung zu zahlen.90 i) Seine Aufwendungen trägt der Handelsvertreter regelmäßig selbst; Ersatz seiner im regelmäßigen Geschäftsverkehr entstandenen Aufwendungen kann er nur verlangen, wenn dies handelsüblich ist, § 87d HGB.

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j) Wirtschaftlich von großer Bedeutung ist der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB.91 Dieser entsteht gemäß § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB nach Beendigung des Vertragsverhältnisses, wenn und soweit – der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat, § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB, und

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89 Zur Auslegung einer Provisionsvereinbarung mit Bezirks- und Kundenkreisschutz für den Fall, dass der Handelsvertreter mit Zustimmung des Unternehmens außerhalb des geschützten Bezirks bzw. Kundenkreises tätig wird, vgl. BGH v. 5.4.2006 – VIII ZR 384/04, NJW-RR 2006, 976. 90 Nach BGH v. 25.10.2012 – VII ZR 56/11, BB 2012, 3098, findet § 90a HGB auch auf Wettbewerbsabreden Anwendung, die nach der formellen Beendigung des Handelsvertretervertrages vereinbart werden, wenn sich die Parteien über wesentliche Elemente der Wettbewerbsabrede schon während der Laufzeit des Handelsvertretervertrages geeinigt haben. 91 Thume, BB 2015, 387 zum Ausgleichsanspruch beim Vertrieb von Dauerverträgen, mwN.

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Kap. 9 Rz. 35

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

– die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht, § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB.92 Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht, vgl. § 89b Abs. 1 Satz 2 HGB. Der Ausgleich beträgt höchstens eine Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; diese berechnet sich nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters bzw. bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses nach dem Durchschnitt während dieser Zeit, § 89b Abs. 2 HGB. Nach Maßgabe von § 89b Abs. 3 HGB besteht der Anspruch allerdings nicht, wenn – der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB, oder – der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag, § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB, oder – aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Dritter an Stelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt;93 die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden, § 89b Abs. 3 Nr. 3 HGB. Wichtig ist, dass der Anspruch nur innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden kann, § 89b Abs. 4 Satz 2 HGB. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Auch kann der Anspruch nicht im Voraus ausgeschlossen werden, § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB.94 35

k) Eine besondere Form ist für den Handelsvertretervertrag nicht vorgeschrieben. Allerdings kann jede Seite verlangen, dass der Vertragsinhalt sowie spätere Vereinbarungen zu dem Vertrag in eine vom anderen Teil unterzeichnete Urkunde aufgenommen werden, § 85 HGB. Besondere formale Anforderungen bestehen bei der Übernahme der Delkredere-Haftung, § 86b Abs. 1 Satz 3 HGB, oder bei Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes, § 90a Abs. 1 Satz 1 HGB.

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l) Für die Kündigung gelten die allgemeinen Regeln.95 Für den freien Handelsvertreter gilt das KSchG selbstverständlich nicht. Die Kündigungsfristen bei einem Handelsvertretervertrag auf unbestimmte Zeit betragen im ersten Jahr einen Monat, im zweiten Jahr zwei Monate, im 92 Die bis dato gängige Lesart, wonach die Tatbestandselemente des § 89b Abs. 1 Nr. 1–3 HGB aF kumulativ vorliegen mussten und der Ausgleich die Höhe der Provisionsvorteile nicht übersteigen konnte, ist mit der Entscheidung des EuGH v. 26.3.2009 – Rs. C-348/07, DStR 2009, 759 unvereinbar. Der Gesetzgeber hat mit einer Gesetzesanpassung reagiert und das Tatbestandselement des § 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB aF (Provisionsvorteile) zu einem Unterfall der Billigkeit („insbesondere“) herabgestuft. Provisionsverluste sind damit nicht mehr zwingendes, sondern lediglich fakultatives Merkmal des § 89b Abs. 1 HGB; somit kann theoretisch auch bei fehlenden Provisionsverlusten ein Ausgleichsanspruch zuerkannt werden (ausführlich zum Urteil des EuGH und dessen Folgen Thume, VersR 2012, 665; Emde, DStR 2009, 1478 ff.). 93 Zu den rechtlichen Besonderheiten bei der Nachfolge im Wege des § 89b Abs. 3 Nr. 3 HGB s. Kiene, NJW 2006, 2007. 94 Vgl. dazu BAG v. 14.6.2006, NJW-RR 2006, 1542; BGH v. 10.7.1996 – VIII ZR 261/95, NJW 1996, 2867; v. 23.2.1994 – VIII ZR 94/93, NJW 1994, 1350. 95 Zur rechtlichen Stellung des freigestellten Handelsvertreters innerhalb der Kündigungsfrist vgl. Küster, VW 2009, 361.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Rz. 40 Kap. 9

dritten bis fünften Jahr drei Monate sowie nach einer Vertragsdauer von fünf Jahren sechs Monate jeweils zum Ende des Kalendermonats, § 89 Abs. 1 HGB. Verlängerungen sind wirksam möglich, allerdings darf die Frist für den Unternehmer nicht kürzer sein als die des Handelsvertreters, vgl. § 89 Abs. 2 Satz 1 HGB.96 Der Vertrag endet auch mit dem Tod des Handelsvertreters, § 673 BGB. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann nicht ausgeschlossen werden, § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB.97 m) Besondere Bestimmungen gelten für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter, vgl. § 89b Abs. 5 HGB, §§ 43–47 VVG, und für Handelsvertreter im Nebenberuf, vgl. § 92b HGB.

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n) Das international anzuwendende Recht richtet sich nach Art. 3 und 4, insbes. Art. 4 Abs. 2 Rom-I-VO. Wegen der damit entstehenden Unsicherheiten aufgrund insbesondere auch, da das internationale Privatrecht anderer beteiligter Staaten einbezogen werden kann, sollten bei internationalen Verträgen das anzuwendende Recht und der Gerichtsstand immer ausdrücklich geregelt sein.98 Die zwingenden Vorschriften des nationalen Rechts sind jedoch rechtswahlfest, wenn der Handelsvertreter innerhalb der Europäischen Union tätig wird oder in der EU seinen Sitz hat und die Rechtswahl die Rechtsordnung eines Nicht-EU-Staates bestimmt.99

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4. In Heimarbeit Beschäftigte (M 9.4) → S. zum Heimarbeitsvertrag M 9.4. An der Grenze zwischen freier Mitarbeit und Anstellungsverhältnis liegen die Vertragsverhältnisse der in Heimarbeit Beschäftigten. Dies sind gemäß § 1 Abs. 1 HAG Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende sowie gemäß § 1 Abs. 2 HAG diesen Gleichgestellte. Sie sind arbeitnehmerähnliche Personen, ihnen soll aber wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit ein besonderer Schutz zugutekommen.100

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a) Die Unterscheidung ist sozialversicherungsrechtlich von erheblicher Bedeutung. Heimarbeiter gelten gemäß § 12 Abs. 2 SGB IV als Beschäftigte und sind umfassend sozialversicherungspflichtig. Für diesen Gleichgestellte gemäß § 12 Abs. 5 SGB IV iVm. § 1 Abs. 2 lit. a, c und d HAG gilt dasselbe mit Ausnahme der Arbeitslosenbeiträge, § 12 Abs. 5 Satz 2 SGB IV. Hausgewerbetreibende sind demgegenüber nur versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Nr. 6 SGB VI und unterfallen der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII. Dabei ist die Abgrenzung im Sozialversicherungsrecht einerseits, § 12 SGB IV, und im Arbeitsrecht andererseits, §§ 1, 2 HAG, nicht völlig deckungsgleich. Insbesondere sind die in Betracht kommenden Auftraggeber nach § 12 Abs. 1 und 2 SGB IV eingeschränkt, was zum Teil über die Gleichstellung mit dem HAG nach § 12 Abs. 5 SGB IV wieder ausgeglichen wird.

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96 Zu lange Kündigungsfristen können allerdings gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen und unwirksam sein (vgl. BGH v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111 in Bezug auf eine gegenüber einem Handelsvertreter im Nebenberuf verwendete Formularbestimmung, wonach eine Vertragskündigung nach einer Laufzeit von drei Jahren nur unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres möglich sein sollte). 97 Eine unzulässige Beschränkung der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung kann auch mittelbar in Form finanzieller und sonstiger Nachteile entstehen (vgl. OLG Karlsruhe v. 18.2.2010, VersR 2011, 526). 98 Emde, MDR 2002, 191, 194. 99 BGH v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, m. Anm Ayad/Schnell, BB 2012, 3102; EuGH v. 9.11.2000 – Rs. C381/98, BB 2001, 10. 100 Küttner/Röller, Personalbuch, 22. Aufl. 2015, Stichwort „Heimarbeit“, Rz. 7; Richardi, NZA 2010, 1101. Zur Abgrenzung: BAG v. 3.4.1990 – 3 AZR 258/8n 8, NZA 1991, 267.

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Kap. 9 Rz. 41

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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b) Heimarbeiter ist, wer in selbst gewählter Arbeitsstätte allein oder mit seinen Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt, § 2 Abs. 1 Satz 1 HAG. Heimarbeit ist nicht auf einfache „gewerbliche“ Tätigkeiten beschränkt. „Erwerbsmäßig“ iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 HAG ist vielmehr auch eine reine Bürotätigkeit („Büroheimarbeit“) oder eine Tätigkeit als Programmierer.101 Heimarbeiter ist nicht, wer außer Familienangehörigen auch fremde Hilfskräfte einsetzt.102 Dasselbe gilt, wenn der Heimarbeiter mit seinen Familienangehörigen echte Arbeitsverträge schließt.103 Beschafft der Heimarbeiter die Roh- und Hilfsstoffe selbst, so wird hierdurch seine Eigenschaft als Heimarbeiter nicht beeinträchtigt, § 2 Abs. 1 Satz 2 HAG.

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c) Hausgewerbetreibender iSv. § 2 Abs. 2 HAG ist, wer in eigener Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebsstätte) mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften oder Heimarbeitern im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern Waren herstellt, bearbeitet oder verpackt, wobei er selbst wesentlich am Stück mitarbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt. Im Gegensatz zu Heimarbeitern sind Hausgewerbetreibende grundsätzlich selbständig.104 Sie arbeiten daher auch mit fremden Hilfskräften. Anders als bei Heimarbeitern scheidet Bürotätigkeit aus; kennzeichnend für den Hausgewerbetreibenden ist vielmehr, dass er „gewerblich“, vgl. § 12 Abs. 1 SGB IV, bzw. „am Stück“, § 2 Abs. 2 Satz 1 HAG, arbeitet.105 Liegen bei selbständiger Tätigkeit diese Voraussetzungen nicht vor, so handelt es sich nicht um Hausgewerbetreibende, sondern um sonstige Selbständige.

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d) Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden können unter bestimmten Voraussetzungen Personen in vergleichbaren Arbeitsverhältnissen gleichgestellt werden, wenn dies wegen ihrer Schutzbedürftigkeit gerechtfertigt erscheint, vgl. die Aufzählung in § 1 Abs. 2 HAG.

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e) Für Heimarbeiter, Hausgewerbetreibende und – je nach Umfang ihrer Gleichstellung – Gleichgestellte kommen die folgenden arbeitsrechtlichen Vorschriften in Betracht:106 – § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG – Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes, – § 10 EFZG – Entgeltzuschlag bei Krankheit, – § 11 EFZG – Feiertagsentgeltzahlung, – § 1 Nr. 2 MuSchG iVm. §§ 7 Abs. 4, 8 Abs. 5, 9 Abs. 1 und Abs. 4, 18 Abs. 2 und 24 MuSchG – Mutterschutz, – § 127 SGB IX/§ 210 SGB IX nF – Geltung des SGB IX, – § 12 BUrlG – Anspruch auf Urlaubsentgelt, – § 1 Abs. 2 Satz 2 5. VermBG – Gleichstellung bei der Vermögensbildung. – Eingeschränkt: § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG – Anspruch auf Elterngeld, sofern keine volle Erwerbstätigkeit vorliegt, – § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG – Anspruch auf Pflegezeit, – § 7 ArbPlSchG – Arbeitsplatzschutz bei der Einberufung zum Wehr- oder Zivildienst, – § 27 HAG iVm. §§ 850 ff. ZPO – Pfändungsfreigrenzen. 101 102 103 104

BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 305/15, 9 AZR 305/15, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 607. Kasseler Kommentar/Seewald, § 12 SGB IV Rz. 17. Otten, Heim- und Telearbeit, § 2 HAG Rz. 18. Kasseler Kommentar/Seewald, § 12 SGB IV Rz. 6, mit dem Argument, dass diese Personen hinsichtlich der Produktionsabläufe nicht an Weisungen gebunden seien und nicht in einem fremden Betrieb arbeiteten. 105 Kasseler Kommentar/Seewald, § 12 SGB IV Rz. 10. 106 Zur Ausdehnung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften auf sonstige arbeitnehmerähnliche Personen vgl. Willemsen/Müntefering, NZA 2008, 193, 200.

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Rz. 46 Kap. 9

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt das BetrVG auch für in Heimarbeit Beschäftigte und Hausgewerbetreibende, soweit sie die Tätigkeit in der Hauptsache für den Betrieb nur eines Auftraggebers verrichten. Sie sind dann nicht nur aktiv und passiv wahlberechtigt, sondern auch von Sozialplänen erfasst; bei Kündigungen ist der Betriebsrat einzuschalten.107 Die maßgebliche Kündigungsfrist richtet sich nach §§ 29 f. HAG. § 613a BGB gilt für Heimarbeiter nicht.108 f) Zum Schutze der Heimarbeiter treffen den Auftraggeber besondere Pflichten zur Dokumentation und Offenlegung gemäß §§ 6 ff. HAG, zum Arbeitszeitschutz gemäß §§ 10, 11 HAG und zum Gefahrenschutz gemäß §§ 12–16a HAG. Besonderheiten bestehen insbesondere bei dem Entgeltschutz. Über die normalen Anspruchsgrundlagen hinaus können insbesondere bindende Festsetzungen des Heimarbeitsausschusses mit Wirkung eines allgemein verbindlichen Tarifvertrages Entgelte für in Heimarbeit Beschäftigte bestimmen, § 19 HAG. Daneben können auch Tarifverträge nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 HAG die Vertragsbedingungen bestimmen, obwohl Heimarbeiter keine Arbeitnehmer sind. Typischerweise werden Heimarbeiter auf Basis von Stückentgelten vergütet und nur, wenn dies nicht möglich ist, in Form von entsprechenden Zeitentgelten, § 20 HAG. Die Entgelte und sonstigen Vertragsbedingungen werden durch Entgeltprüfer geprüft, § 23 HAG.

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Auch wenn arbeitsrechtlich daher Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende weitgehend gleich behandelt werden, kommt der Unterscheidung sozialversicherungsrechtlich zentrale Bedeutung zu.

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107 Vgl. zum besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung auch § 29a HAG sowie Pulte, NZA-RR 2008, 113, 124. 108 BAG v. 24.3.1998 – 9 AZR 218/97, BB 1998, 1691.

II. Muster M 9.1.1

Freier Mitarbeiter-Vertrag

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Firma) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Freier Mitarbeiter) wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Gegenstand der Vereinbarung1 (1) Die Firma erteilt dem freien Mitarbeiter folgenden Auftrag: … oder 1 Die genaue Bezeichnung des Gegenstandes ist für die Begründung eines freien Mitarbeiterverhältnisses wichtig. Wird der Gegenstand nicht präzise bezeichnet, so können insoweit Weisungsrechte entstehen, die für ein Arbeitsverhältnis sprechen würden. Genauso wichtig ist es, dass in der Praxis der Gegenstand des Vertrages nicht durch Weisung des Auftraggebers ausgedehnt wird, denn auch dies wäre ein Indiz gegen ein freies Vertragsverhältnis. Im freien Vertragsverhältnis kommt eine Ausdehnung des Gegenstandes nur einvernehmlich und damit durch ergänzende Vereinbarung in Betracht. Vgl. Freckmann, DB 2013, 459, 463.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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(1) Die Firma beauftragt den freien Mitarbeiter mit folgender Werkleistung: … oder (1) Die Firma beauftragt den freien Mitarbeiter mit folgender Dienstleistung: … (2) Herr/Frau … wird für die Firma als freier Mitarbeiter tätig. Ein Arbeitsverhältnis wird nicht begründet. (3) Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange sowie für die Gewerbeanmeldung wird der freie Mitarbeiter selbst Sorge tragen. Dies ist bei der Kalkulation der Vergütung berücksichtigt. (4) Der freie Mitarbeiter ist frei darin, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein.

§ 2 Leistungsumfang (1) Die Leistungen des freien Mitarbeiters umfassen im Einzelnen: … (2) Er wird das Auftragsergebnis am … bei der Firma in Schriftform und auf CD/DVD/USB-Stick abgeben. (3) Sofern der freie Mitarbeiter an der Auftragserfüllung gehindert sein sollte, verpflichtet er sich, die Firma unverzüglich schriftlich vorher darüber zu informieren. (4) Der freie Mitarbeiter ist in der Wahl von Ort, Zeit und Art der Durchführung seiner Tätigkeit frei. [evtl.] Die Parteien gehen davon aus, dass der Umfang der Tätigkeit bis zum Abgabezeitpunkt insgesamt … Stunden2 nicht überschreitet.

§ 3 Einsatz Dritter Der freie Mitarbeiter kann sich [evtl.: nach Maßgabe von § 9 und § 10 dieses Vertrages]3 bei der Erfüllung der Aufgabe auch anderer Personen bedienen. Er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Leistung gegenüber der Firma verantwortlich.

§ 4 Vergütung und Rechnungsstellung (1) Der freie Mitarbeiter erhält eine Pauschalvergütung von Euro … Er wird nach ordnungsgemäßer Abnahme seiner vertraglichen Leistung darüber Rechnung stellen.4 (2) Dem freien Mitarbeiter stehen keine Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche zu.5 oder (1) Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Honorar von Euro … pro …6 Das Honorar wird der freie Mitarbeiter jeweils bis zum … eines Monats für den vorangegangenen Monat in Rechnung stellen. Die Zahlung der Vergütung erfolgt zehn Tage nach Rechnungseingang. (2) Soweit der freie Mitarbeiter mehrwertsteuerpflichtig ist, ist die Vergütung jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Mehrwertsteuer ist auf der Rechnung gesondert auszuweisen. 2 Die Stundenanzahl sollte deutlich unter 40 Stunden pro Woche liegen oder deutlich über 40 Stunden pro Woche dergestalt, dass der freie Mitarbeiter eigene Mitarbeiter einsetzen muss. Jedenfalls wenn nicht nach Stunden vergütet wird, ist eine Angabe hier entbehrlich. 3 Der Vorbehalt ist vorgesehen für den Fall, dass die Mindestlohnklauseln aufgenommen werden sollen, die in §§ 9 und 10 vorgesehen und in den dortigen Fußnoten eingehend erläutert sind. 4 Die Vereinbarung einer Pauschalvergütung ist rein erfolgsabhängig und daher eher ein Indiz für ein freies Vertragsverhältnis. 5 Arbeitnehmerähnliche Personen, insbesondere solche, die gleichgestellt sind, vgl. zB Rz. 43, können einen Anspruch auf Urlaub gem. § 2 Satz 2 BurlG haben. Dieser ist dann zwingend und kann vertraglich nicht abbedungen werden. 6 Die Vereinbarung eines Stundenhonorars legt eher ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nahe und sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Eine alternative Gestaltung bietet sich etwa durch Vereinbarung einer Vergütung pro Stück an.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des freien Mitarbeiters abgegolten. oder (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des freien Mitarbeiters abgegolten. Dies gilt nicht für Reisekosten und Reisespesen, die durch die Erfüllung der Aufgaben veranlasst sind. Für Reisen mit dem eigenen Pkw zahlt die Firma insoweit pauschal Euro … pro gefahrenem Kilometer, für Bahnreisen werden die nachgewiesenen Kosten zweiter Klasse erstattet.

§ 5 Verschwiegenheit Der freie Mitarbeiter wird über alle ihm bekannt gewordenen oder bekannt werdenden Geschäftsund Betriebsgeheimnisse der Firma Stillschweigen bewahren, soweit er nicht gesetzlich zur Auskunft verpflichtet ist. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses.

§ 6 Herausgabe von Unterlagen Alle Unterlagen, die dem freien Mitarbeiter im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit übergeben wurden, wird er nach Beendigung des Vertrages unverzüglich zurückgeben. Ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu. oder Ein Zurückbehaltungsrecht kann nur geltend gemacht werden, soweit der Gegenanspruch auf demselben Vertragsverhältnis beruht.7

§ 7 Wettbewerbsverbot8 (1) Für die Dauer der Laufzeit dieses Vertrages ist es dem freien Mitarbeiter untersagt, ohne Genehmigung der Firma für ein mit der Firma im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig zu werden, ein solches zu gründen oder sich an einem solchen zu beteiligen. (2) Folgende Tätigkeiten des freien Mitarbeiters sind genehmigt: … evtl.9 (3) Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung verpflichtet sich der Auftragnehmer, an den Auftraggeber eine Vertragsstrafe in Höhe von Euro …10 zu bezahlen.

7 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen ist grundsätzlich wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam; zum Arbeitsverhältnis vgl. Kap. 2 Rz. 72. Im unternehmerischen Verkehr ist ein formularmäßiger Ausschluss zwar grundsätzlich wirksam, vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB (dazu MüKoBGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 20). Zum Teil wird aber angedeutet, dass er wegen § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB und der ggf. zu übernehmenden Wertung des § 309 Nr. 2b BGB auch dort unwirksam sein könnte (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 16). Höchstrichterliche Rspr. mit diesem Ergebnis liegt aber soweit ersichtlich nicht vor. Der Ausschluss könnte zwar individualvertraglich vereinbart werden, was aber in der Praxis häufig keine Option ist. Selbst für Verträge mit Verbrauchern kann das Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 15; dazu Kap. 2 Rz. 72), das gilt im unternehmerischen Verkehr erst recht. 8 Vor Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes sollte genau geprüft werden, ob ein solches erforderlich ist, da es die unternehmerische Tätigkeit des freien Mitarbeiters einschränkt und insoweit ein – wenn auch eher schwaches – Indiz für eine abhängige Beschäftigung sein kann. 9 Zur Vertragsstrafe vgl. auch M 25.1 m. Anm. sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff. 10 Bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe ist darauf zu achten, dass die Strafe in einem sachgerechten Verhältnis zur Bedeutung des Vertragsverstoßes für den Verwender steht (vgl. allgemein BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, BB 2016, 523, Rz. 34 ff.; v. 13.11.2013, NJW 2014, 2180, Rz. 17 ff.). Ist die Vertragsstrafe im Formularvertrag zu hoch bemessen, kann sie wegen des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion, § 306 Abs. 2 BGB, nicht über § 343 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden, sondern ist unwirksam.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.1

Besteht die Verletzungshandlung in der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterverhältnis),11 wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Die Vertragsstrafen sind auf insgesamt Euro … begrenzt.12 Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung.

§ 8 Datengeheimnis (1) Es ist dem freien Mitarbeiter gemäß § 5 BDSG untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu erheben, verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen. Die Verpflichtung des freien Mitarbeiters auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 oder § 44 BDSG oder anderen einschlägigen Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. (2) Sofern sich der freie Mitarbeiter eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedient, hat dieser ebenfalls eine Erklärung nach dem Bundesdatenschutzgesetz gemäß Absatz 1 (dazu Anlage …) abzugeben. Der freie Mitarbeiter ist dafür verantwortlich, dass diese Erklärung unterzeichnet wird. Er hat die entsprechende Erklärung des Erfüllungsgehilfen unverzüglich der Firma zuzuleiten. [Evtl. §§ 9, 10:]13 11 Die Formulierung dient der vom BAG (v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170) verlangten Abgrenzung zwischen einmaliger und Dauerverletzung (dazu Diller, NZA 2008, 574). 12 Das OLG Köln (v. 15.6.2010 – 19 U 53/10) hat eine Klausel zu einer Vertragsstrafe für nichtig erklärt, welche eine Vertragsstrafe iHv. Euro 10 000,– für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhanges zum Inhalt hatte. Das LG Erfurt (v. 1.6.2011 – 10 O 1247/10) hat klargestellt, dass eine Klausel über eine Vertragsstrafe in einer bestimmten Höhe für jede Begehungsform und jede denkbare Art eines Wettbewerbsverstoßes unangemessen und damit unwirksam sei. Regelungen über Vertragsstrafen müssten eine Obergrenze für den Fall mehrerer Verstöße vorsehen. Vorsorglich enthält daher auch das Muster eine Gesamtobergrenze. Vgl. M 25.1 m. Anm. sowie Diller, NZA 2008, 574. Allgemein zur Vertragsstrafe Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff. (Etwas differenzierter BGH v. 30.1.2016 – VIII ZR 26/15, BB 2016, 523, Rz. 34: „Ist ein bestimmter Betrag als pauschale Sanktion vorgesehen, ohne dass nach Art, Gewicht und Dauer der Vertragsverstöße differenziert wird, kann die Unangemessenheit schon daraus folgen; eine solche Sanktion wäre nur dann zulässig, wenn dieser Betrag auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes noch angemessen wäre.“) 13 § 13 MiLoG iVm. § 14 AEntG ordnet eine Haftung des Auftraggebers einer Werk-/Dienstleistung gleich einem selbstschuldnerischen Bürgen für den Fall an, dass ein Sub- oder Nachunternehmer oder ein von diesem beauftragtes Leiharbeitsunternehmen seinen Arbeitnehmern den Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG nicht bezahlt. Derzeit ist ungeklärt, wie weit die Haftung in § 13 MiLoG reichen soll. Bei unbefangenem Lesen könnte die Norm für jeglichen „Auftraggeber“ (vgl. Überschrift) – also auch schon für dieses Vertragsmuster – einschlägig sein. Andererseits verweist sie auf § 14 AEntG. Dort ist anerkannt, dass nur der „Generalunternehmer“, der sich zur Erfüllung eigener vertraglicher Leistungen an Subunternehmer hält, erfasst sein soll. Ein Erstauftraggeber, der am Markt bloß eine Leistung einkauft, zu der er nicht selbst verpflichtet ist, wäre also nicht erfasst. Eine derartige Einschränkung ergibt sich aber nicht aus dem Gesetz, sondern muss erst begründet werden (vgl. zum Ganzen Bayreuther, NZA 2015, 961, 962; Bissels/Falter, DB 2015, 64; Bissels/Falter/Krings, DB 2015, 1963; Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 393; Mauthner/Rid AuA 2014, 518 f.; Sittard/Sassen, NJW 2016, 364; BMAS Broschüre „Das Mindestlohngesetz im Detail“, S. 24 ff., 26 ff., abgerufen am 25.12.2016 unter http://www.der-mindestlohn-wirkt.de/SharedDocs/Downloads/ ml/informationen-zum-mindestlohngesetz-im-detail.pdf?__blob=publicationFile). Überwiegend wird im Rahmen von § 13 MiLoG für einen Gleichlauf mit § 14 AEntG plädiert (vgl. nur Baeck/Winzer/Kramer, NZG 2015, 265; Bayreuther, NZA 2015, 961; Bissels/Falter, DB 2015, 65; Insam/Hinrichs/Tacou, NZA-RR

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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§ 9 Einsatz eigener Arbeitnehmer und Mindestlohn (1) Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, seinen Arbeitnehmern mindestens die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlöhne zu zahlen.14 (2) Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, der Firma jeweils zum Quartalsende [oder: jeweils zum Monatsende] oder auf deren Verlangen jederzeit Bestätigungen seines Steuerberaters bzw. Wirtschaftsprüfers über die Zahlungen des Mindestlohns an die Arbeitnehmer vorzulegen, die er im Rahmen des Vertrags/der Verträge mit der Firma einsetzt.15 Auf Verlangen der Firma erstreckt sich die Vorlagepflicht des freien Mitarbeiters auf Lohnabrechnungen für die vorgenannten Arbeitnehmer und/oder auf Dokumente nach § 17 MiLoG. Auf Verlangen der Firma erstreckt sich die Vorlagepflicht des freien Mitarbeiters auf Auskünfte auf dem Gewerbezentralregister. (3) Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, die Firma im Falle eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des MiLoG von allen mit einem solchen Verstoß verbundenen Verpflichtungen umfassend freizustellen16 und der Firma darüber hinaus einen etwaigen aus einem schuldhaften Verstoß resultierenden Schaden zu ersetzen. evtl. Dies gilt auch für etwaige erforderliche Kosten, die der Firma wegen der Geltendmachung von Ansprüchen seitens der Arbeitnehmer oder Dritter (zB Sozialversicherungsträger) entstehen. Hierunter fallen auch Rechtsanwaltskosten [gem. RVG] für eine etwaig erforderliche außergerichtliche und gerichtliche Rechtsverteidigung bei Inanspruchnahme.17 (4) Verstößt der freie Mitarbeiter schuldhaft gegen die Bestimmungen des MiLoG, hat er der Firma für jeden Fall der Zuwiderhandlung, sowie zudem bei andauernder Zuwiderhandlung je angefangenem Kalendermonat, eine Vertragsstrafe in Höhe der … [z.B. pauschal vereinbarten monatlichen Vergütung] zu zahlen.18 Mehrere/verschiedene Zuwiderhandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, gegebenenfalls auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne, gleichartige Zuwiderhandlungen im Rahmen einer andauernden Zuwiderhandlung, sind sie von der für die andauernde Zuwiderhandlung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Bei der Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen ist der Gesamtbetrag der zu zahlenden Vertragsstrafe auf das … [z.B. sechsfache der pauschal

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2014, 569; Lembke, NZA 2016, 1; Sittard/Sassen, NJW 2016, 364), die Gesetzeslage wird aber ausdrücklich als unklar dargestellt (vgl. insb. Bayreuther, NZA 2015, 961, 963). Eine Klarstellung soll jedenfalls für Zollbehörden durch das BMAS erfolgen: http://www.der-mindestlohnwirkt.de/ml/DE/Service/Meldungen/2015/Weitere-Klarstellungen-Vereinfachungen-Umsetzung-Mindest lohn.html (Home > Service > Meldungen > Weitere Klarstellungen und Vereinfachungen bei der Umsetzung des Mindestlohns) v. 1.7.2015. Die Haftung ist prinzipiell nicht abdingbar, so dass sich der Auftraggeber gegenüber den Arbeitnehmern des Subunternehmers der Haftung nicht entziehen kann (Riechert/ Nimmerjahn, § 13 MiLoG, 1. Aufl. 2015, Rz. 69). Eine Risikoverteilung ließe sich damit nur im Verhältnis zum Auftragnehmer, dh. hier zum freien Mitarbeiter, erreichen (vgl. auch Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 396). Aufgrund der offenen gesetzlichen Formulierung bleibt daher auch für den Erstauftraggeber ein Risiko, weswegen hier eine vertragliche Regelung aufgenommen ist. Diese Klausel kann die Durchsetzung sekundärer Sanktionen wie Schadenersatz oder eine außerordentliche Kündigung erleichtern, weil die Pflichtverletzung ausdrücklich vertraglich geregelt ist. Zudem zeigt der Auftraggeber (hier: die Firma), dass er sich gesetzeskonform verhalten will (vgl. § 21 Abs. 2 MiLoG, was dann im Rahmen dieses Tatbestandes gegen Vorsatz/Fahrlässigkeit des Auftraggebers sprechen kann, vgl. Merkel/Götz, DB 2015, 1407, 1410). Aufgrund datenschutzrechtlicher Regelungen muss die Verpflichtung des freien Mitarbeiters im Zweifel anonymisiert erfolgen. Dennoch bietet eine derartige Auskunft weitgehende Klarheit über mögliche Verstöße, so dass die Möglichkeit besteht, rechtzeitig zu reagieren (zB durch Kündigung). Vgl. hierzu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627, 633 unter (2). Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627, 633 unter (2); s. auch Formulierungsvorschlag bei Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 396 f. Klauselvorschlag von Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 396. Bei unangemessen hohen Vertragsstrafen in AGB besteht das Risiko der Unwirksamkeit nach § 307 BGB; vorliegend wurde deshalb „nur“ eine Monatsvergütung angesetzt.

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vereinbarten monatlichen Vergütung] begrenzt. Die Geltendmachung weiterer Rechte oder Ansprüche bleibt der Firma unbenommen. Die Vertragsstrafe wird auf etwaige Ansprüche angerechnet. (5) Verstößt der freie Mitarbeiter wiederholt gegen seine Pflicht, seinen Arbeitnehmern mindestens die gesetzlich geschuldeten Mindestlöhne zu zahlen, ist die Firma zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigt. (6) Zur Sicherung von Ansprüchen wegen etwaiger Verstöße gegen das MiLoG durch den freien Mitarbeiter19 behält die Firma pro Monat … % der gemäß …/§ 4 dieses Vertrages pauschal vereinbarten monatlichen Vergütung/…20 ein. Der Einbehalt wird aufgrund der jeweils zum Jahresende beginnenden dreijährigen Verjährungsfrist von Lohnansprüchen für die Dauer von vier Jahren vereinbart. Die Firma gibt die Sicherheit vorzeitig frei, wenn der freie Mitarbeiter die Beachtung des MiLoG durch ihn gem. Abs. 2 nachweist. Die Sicherheit ist spätestens sechs/… Monate nach vollständiger Abwicklung des Vertrages freizugeben, sofern bis zu diesem Zeitpunkt keine Ansprüche gegenüber der Firma im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung geltend gemacht worden sind. Der Firma bleibt vorbehalten, die Freigabe der Sicherheit auch über diesen Zeitraum hinaus zu verweigern, wenn sie spätestens bis zum Ablauf der Freigabefrist berechtigte Anhaltspunkte darlegt, die einen Verstoß des freien Mitarbeiters gegen die Verpflichtungen zur Zahlung des Mindestlohnes und die Gefahr späterer Inanspruchnahme begründen. §§ 194 ff. BGB bleiben unberührt.21 (7) Der freie Mitarbeiter übergibt der Firma spätestens bei Vertragsbeginn eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft22 eines in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes oder Kreditversicherers zur Sicherung von Ansprüchen der Firma gegen den freien Mitarbeiter wegen eines Verstoßes gegen das MiLoG. Die Bürgschaft beläuft sich auf … % der gemäß …/§ 4 dieses Vertrages während der Laufzeit des Vertrags vorgesehenen gesamten Nettoauftragssumme. Kommt der freie Mitarbeiter seiner Übergabeverpflichtung nicht nach, ist die Firma berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von … Wochen zu kündigen. (8) Sollte die Firma von einem Arbeitnehmer des freien Mitarbeiters auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch genommen werden, verpflichtet sich der freie Mitarbeiter gegenüber der Firma zur Erteilung sämtlicher Auskünfte, die für die Verteidigung gegen die Anspruchserhebung sowie eine etwaige Zahlungsklage erforderlich sind. Dies gilt auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen der Firma und dem freien Mitarbeiter. Für den Fall der Zuwiderhandlung durch den freien Mitarbeiter gelten Abs. 4 und Abs. 5 entsprechend.

§ 10 Subunternehmer und Mindestlohn (1) Will sich der freie Mitarbeiter zur Erfüllung des Auftrages Subunternehmern bedienen, bedarf der Einsatz dieser Subunternehmer wegen der in § 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG enthaltenen Subunternehmerhaftung der vorherigen schriftlichen Zustimmung durch die Firma.23 Der freie Mitarbeiter 19 Durch diese präventive Absicherung können finanzielle Risiken verringert werden. Jedoch könnten dadurch Zahlungsprozesse verkompliziert werden und es entsteht für den Auftraggeber (hier: die Firma) ein erhöhter Dokumentations- und Verwaltungsaufwand. 20 Bei anderer Zahlungsvereinbarung entsprechend anzupassen; es ist ein Prozentsatz zu wählen, der den Auftragnehmer nicht unangemessen überfordert, vgl. auch Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 397. 21 Klauselvorschlag in diesem Unterabsatz nach Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 397. 22 Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627, 633 unter (2). Gesichert werden kann zB der Freistellungsanspruch des Auftraggebers (hier: der Firma) gegen den freien Mitarbeiter/Auftragnehmer nach Abs. 6 dieses Vertragsmusters (Zweck: Befriedigung des Arbeitnehmeranspruchs durch die Bank, bevor der Auftraggeber zahlen muss) oder der Regressanspruch des Auftraggebers gegen den freien Mitarbeiter nach § 774 Abs. 1 BGB, nachdem der Auftraggeber den Arbeitnehmer befriedigt hat. Idealerweise sollte der Freistellungsanspruch abgesichert werden. Eine möglichst bestimmte Umschreibung des zu sichernden Anspruchs ist anzuraten. 23 § 13 MiLoG iVm. § 14 AEntG ordnet eine Haftung des Auftraggebers (hier: der Firma) für Werk-/Dienstleistungen, gleich einem selbstschuldnerischen Bürgen an. Die Haftung ist nicht abdingbar, so dass

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verpflichtet sich, nur seriöse und bekannte Subunternehmer auszuwählen. Bei der Auswahl sind folgende Kriterien zu beachten: … Der freie Mitarbeiter informiert die Firma über den Namen und die Anschrift der Person bzw. der Firma des Nachunternehmers bzw. des Verleihers schriftlich. Die Firma darf die Erteilung der Zustimmung nur bei Vorliegen berechtigter Gründe verweigern.24 (2)25 Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, nur solche Subunternehmer zu beauftragen, die sich ihm gegenüber vertraglich verpflichten, ihren Arbeitnehmern mindestens die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlöhne zu zahlen. Der freie Mitarbeiter wird die von ihm beauftragten Subunternehmer entsprechend Satz 1 und § 9 Abs. 1 und 2 dieses Vertrages verpflichten. (3)26 Der freie Mitarbeiter sichert zu, Subunternehmern entsprechende Vorlagepflichten, wie die ihm selbst in § 9 Abs. 2 dieses Vertrages obliegenden, aufzuerlegen und die übermittelten Unterlagen zu kontrollieren. Sollten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Subunternehmer seinen Zahlungspflichten nach dem MiLoG nicht nachkommt, hat der freie Mitarbeiter die Firma hierüber unverzüglich zu informieren. (4) Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, die Firma im Falle eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des MiLoG durch einen von ihm beauftragten Subunternehmer von allen mit einem solchen Verstoß verbundenen Verpflichtungen umfassend freizustellen27 und der Firma darüber hinaus einen etwaigen aus einem schuldhaften Verstoß resultierenden Schaden zu ersetzen. Evtl. Dies gilt auch für etwaige erforderliche Kosten, die der Firma wegen der Geltendmachung von Ansprüchen seitens der Arbeitnehmer oder Dritter (zB Sozialversicherungsträger) entstehen. Hierunter fallen auch Rechtsanwaltskosten [gem. RVG] für eine etwaig erforderliche außergerichtliche und gerichtliche Rechtsverteidigung bei Inanspruchnahme.28 (5) Verstößt der freie Mitarbeiter schuldhaft gegen eine der Pflichten, die die Firma ihm im Zusammenhang mit der Beauftragung von Subunternehmern auferlegt hat (z.B. die Zustimmungspflicht der Beauftragung von Subunternehmern nach Abs. 2 dieses Paragraphen oder die Vorlagepflicht nach Abs. 5 dieses Paragraphen, … [ggf. um weitere Pflichten zu ergänzen, die von der Vertragsstrafe erfasst sein sollen]), hat er der Firma für jeden Fall der Zuwiderhandlung, sowie zudem bei andauernder Zuwiderhandlung je angefangenem Kalendermonat eine Vertragsstrafe in Höhe der … [z.B. pauschal vereinbarten monatlichen Vergütung] zu zahlen.29 Mehrere/verschiedene Zuwiderhandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, gegebenenfalls auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne, gleichartige Zuwiderhandlungen im Rahmen einer andauernden Zuwiderhandlung, sind sie von der für die andauernde Zuwiderhandlung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Bei der Verwirkung mehrerer Vertragsstra-

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sich der Auftraggeber gegenüber den Subunternehmern der Haftung nicht entziehen kann (Riechert/ Nimmerjahn, 2015, § 13 MiLoG Rz. 69). Eine Risikoverteilung lässt sich nur im Verhältnis zum Auftragnehmer, dh. zum freien Mitarbeiter erreichen, auch hier ist ein gänzlicher Haftungsausschluss faktisch wohl kaum durchsetzbar. Die Klausel ermöglicht eine Regelung und Kontrolle der Unterbeauftragten (vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627, 633 unter (2)). Sie schränkt den freien Mitarbeiter in seiner unternehmerischen Eigenständigkeit ein, zu der grundsätzlich auch die freie Wahl der Subunternehmer gehört. Sie könnte daher ein Indiz für eine Scheinselbständigkeit darstellen. Nach der Gesetzesbegründung soll ein solcher Vorbehalt aber kein Indiz für zB einen Scheinwerkvertrag sein, s. BT-Drucks. 18/1558, S. 40. Klauselvorschlag in diesem Unterabsatz nach Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 397. Vgl. Fn. 4, 6 zu § 4 Abs. 1. Vgl. Fn. 5 zu § 4 Abs. 2 und BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627, 633 unter (2). Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627, 633 unter (2) für verschuldensunabhängige Haftung und Freistellungsoption. Klauselvorschlag von Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 396. Bei unangemessen hohen Vertragsstrafen besteht das Risiko der Unwirksamkeit nach § 307 BGB; vorliegend wurde deshalb „nur“ eine Monatsvergütung angesetzt.

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fen ist der Gesamtbetrag der zu zahlenden Vertragsstrafe auf das … [z.B. sechsfache der pauschal vereinbarten monatlichen Vergütung] begrenzt. Die Geltendmachung weiterer Rechte oder Ansprüche bleibt der Firma unbenommen. Die Vertragsstrafe wird auf etwaige Ansprüche angerechnet. (6) Verstößt der freie Mitarbeiter wiederholt gegen eine der in diesem Paragraphen geregelten Pflichten, insbesondere gegen die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung der Firma gem. Abs. 3 Satz 2, ist die Firma zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses berechtigt. (7)30 Zur Sicherung von Ansprüchen wegen etwaiger Verstöße gegen das MiLoG durch den von dem freien Mitarbeiter beauftragten Subunternehmer behält die Firma pro Monat … % der gemäß …/§ 4 dieses Vertrages pauschal vereinbarten monatlichen Vergütung/…31 ein. Der Einbehalt wird aufgrund der jeweils zum Jahresende beginnenden dreijährigen Verjährungsfrist von Lohnansprüchen für die Dauer von vier Jahren vereinbart. Die Firma gibt die Sicherheit vorzeitig frei, wenn der freie Mitarbeiter die Beachtung des MiLoG durch von ihm beauftragte Subunternehmer in geeigneter Form (vgl. § 9 Abs. 2 sowie § 10 Abs. 3 dieses Vertrages) nachweist. Die Sicherheit ist spätestens sechs/… Monate nach vollständiger Abwicklung des Leistungsvertrages freizugeben, sofern bis zu diesem Zeitpunkt keine Ansprüche gegenüber der Firma im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung geltend gemacht worden sind. Der Firma bleibt vorbehalten, die Freigabe der Sicherheit auch über diesen Zeitraum hinaus zu verweigern, wenn sie spätestens bis zum Ablauf der Freigabefrist berechtigte Anhaltspunkte darlegt, die einen Verstoß des Subunternehmers gegen die Verpflichtungen zur Zahlung des Mindestlohnes und die Gefahr späterer Inanspruchnahme begründen. §§ 194 ff. BGB bleiben unberührt.32 (8)33 Der freie Mitarbeiter übergibt der Firma spätestens bei Vertragsbeginn eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes oder Kreditversicherers zur Sicherung von Ansprüchen der Firma gegen den freien Mitarbeiter oder gegen von ihm beauftragte Subunternehmer wegen eines Verstoßes gegen das MiLoG. Die Bürgschaft beläuft sich auf … % der gemäß …/§ 4 dieses Vertrages während der Laufzeit des Vertrags vorgesehenen gesamten Nettoauftragssumme. Kommt der freie Mitarbeiter seiner Übergabeverpflichtung nicht nach, ist die Firma berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von … Wochen zu kündigen. (9) Sollte die Firma von einem Arbeitnehmer eines vom freien Mitarbeiters beauftragten Subunternehmers auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch genommen werden, verpflichtet sich der freie Mitarbeiter gegenüber der Firma zur Erteilung sämtlicher Auskünfte sowie Herausgabe der erforderlichen Informationen, die für die Verteidigung gegen die Anspruchserhebung sowie eine etwaige Zahlungsklage erforderlich sind. Dies gilt auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen der Firma und dem freien Mitarbeiter. Der freie Mitarbeiter sichert zu, von ihm beauftragte Subunternehmer entsprechend § 9 Abs. 8 Satz 1 und 2 dieses Vertrages zu verpflichten. Für den Fall der Zuwiderhandlung durch den freien Mitarbeiter gelten Abs. 5 und Abs. 6 entsprechend.

30 Durch diese präventive Absicherung können finanzielle Risiken verringert werden. Jedoch könnten dadurch Zahlungsprozesse verkompliziert werden und es entsteht für den Auftraggeber (hier: die Firma) ein erhöhter Dokumentations- und Verwaltungsaufwand. 31 Bei anderer Zahlungsvereinbarung entsprechend anzupassen. 32 Klauselvorschlag in diesem Unterabsatz nach Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 392, 397. 33 Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627, 633 unter (2). Gesichert werden kann zB der Freistellungsanspruch des Auftraggebers (hier: der Firma) gegen den freien Mitarbeiter/Auftragnehmer nach Abs. 6 dieses Vertragsmusters (Zweck: Befriedigung des Arbeitnehmeranspruchs durch die Bank, bevor der Auftraggeber zahlen muss) oder der Regressanspruch des Auftraggebers gegen den freien Mitarbeiter nach § 774 Abs. 1 BGB, nachdem der Auftraggeber den Arbeitnehmer befriedigt hat. Idealerweise sollte der Freistellungsanspruch abgesichert werden. Eine möglichst bestimmte Umschreibung des zu sichernden Anspruchs ist anzuraten.

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§ 11 Vertragsende (1) Der Vertrag endet mit dem Abschluss des Auftrags …/zum … [Evtl.] Darüber hinaus kann der Vertrag von beiden Seiten ordentlich mit einer Frist von …/einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. oder (1) Der Vertrag kann von beiden Seiten mit einer Frist von …/einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. (2) Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. (3) Jede Kündigung bedarf zu Ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

§ 12 Schlussbestimmungen (1) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als ungültig oder unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.34 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.35 (3) Gerichtsstand ist … … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Firma)

… (Freier Mitarbeiter)

34 S. M 3.1, § 26 m. Anm. 35 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für den freien Mitarbeiter nicht.

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Freier Mitarbeiter-Vertrag (Rahmenvertrag)

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Firma) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Freier Mitarbeiter)1 1 Rahmenverträge waren bisher ein verbreitetes Mittel, um eine abhängige Beschäftigung zu vermeiden. Die persönliche Unabhängigkeit des Auftragnehmer manifestiert sich bei dieser Gestaltung in seiner Freiheit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, die der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis gerade nicht hat. Nach abzulehnender Entscheidung des BSG v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R, juris/BeckRS 2016, 66641, Rz. 19 f. soll ein Rahmenvertrag jedoch kein Indiz mehr für die freie Stellung des Auftragnehmers sein. Die Situation vor Annahme eines Auftrags entspreche derjenigen eines Arbeitssuchenden, dem es ebenfalls freistehe, ihm angebotene Arbeitsgelegenheiten abzulehnen. Es komme daher für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit regelmäßig entscheidend auf die Verhältnisse während der Durchführung der jeweiligen Einzeltätigkeit an. Dabei wird verkannt, dass es auf den Vergleich mit der

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wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Gegenstand der Vereinbarung (1) Die Firma beabsichtigt, dem freien Mitarbeiter Aufträge als … zu erteilen. Es wird kein Arbeitsverhältnis begründet. (2) Der freie Mitarbeiter ist frei darin, die Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Für die Firma begründet dieser Vertrag keine Verpflichtung, Aufträge zu erteilen. (3) Der freie Mitarbeiter ist frei darin, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. (4) Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange sowie für die Gewerbeanmeldung wird der freie Mitarbeiter selbst Sorge tragen. Dies ist bei der Kalkulation der Vergütung berücksichtigt.

§ 2 Leistungsumfang (1) Die Leistungen des freien Mitarbeiters umfassen: … (2) Der freie Mitarbeiter ist in der Wahl von Ort, Zeit und Art der Durchführung seiner Tätigkeit frei. Etwaige Termine zur Besprechung bei der Firma werden nach Ort und Zeit in dem jeweiligen Auftrag vereinbart. (3) Sofern der freie Mitarbeiter trotz Annahme des Auftrages an der Auftragserfüllung gehindert sein sollte, verpflichtet er sich, die Firma unverzüglich vorher darüber zu informieren.

§ 3 Einsatz Dritter Der freie Mitarbeiter kann sich [evtl.: nach Maßgabe von § 7 und § 8 dieses Vertrages]2 bei der Erfüllung der Aufgabe auch anderer Personen bedienen. Er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Leistung gegenüber der Firma verantwortlich.

§ 4 Vergütung und Rechnungsstellung (1) Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Pauschalhonorar von Euro … pro … oder (1) Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit ein Honorar von Euro … pro …3 Das Honorar wird jeweils bis zum … eines Monats für den vorangegangenen Monat abgerechnet. Die Zahlung der Vergütung erfolgt zehn Tage nach Rechnungseingang. (2) Soweit der freie Mitarbeiter mehrwertsteuerpflichtig ist, ist die Vergütung jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Mehrwertsteuer ist auf der Rechnung gesondert auszuweisen. (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des freien Mitarbeiters abgegolten. oder (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des freien Mitarbeiters abgegolten. Dies gilt nicht für Reisekosten und Reisespesen, die durch die Erfüllung der Aufgaben veranlasst sind. Für Reisen mit dem eigenen Pkw zahlt die Firma insoweit pauschal Euro … pro gefahrenem Kilometer, für Bahnreisen werden die nachgewiesenen Kosten zweiter Klasse erstattet.

§ 5 Laufzeit/Kündigung (1) Diese Vereinbarung tritt mit dem … in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Situation eines Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis ankommt, der diese Freiheit gerade nicht hat. Hinzu kommt, dass (auch) der Arbeitssuchende ja gerade kein abhängig Beschäftigter ist, vgl. Rz. 9. 2 Der Vorbehalt gilt für den Fall, dass die Subunternehmerklausel gem. M 9.1.1, §§ 9, 10, auch in diesem Vertrag verwendet werden soll. Ansonsten ist der Zusatz zu streichen. 3 Die Vereinbarung eines Stundenhonorars legt eher ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nahe und sollte nach Möglichkeit vermieden werden.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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(2) Sie ist von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende kündbar. Unberührt bleibt das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund. (3) Jede Kündigung bedarf der Schriftform.4

§ 6 Datengeheimnis (1) Es ist dem freien Mitarbeiter gemäß § 5 BDSG untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu erheben, verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen. Die Verpflichtung des freien Mitarbeiters auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 oder § 44 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. (2) Sofern sich der freie Mitarbeiter eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedient, hat dieser ebenfalls eine Erklärung nach dem Bundesdatenschutzgesetz gemäß Absatz 1 (dazu Anlage …) abzugeben. Der freie Mitarbeiter ist dafür verantwortlich, dass diese Erklärung unterzeichnet wird. Er hat die entsprechende Erklärung des Erfüllungsgehilfen unverzüglich der Firma zuzuleiten. [Evtl.5 § 7 Einsatz eigener Arbeitnehmer und Mindestlohn [s. M 9.1.1, §§ 9 f.] § 8 Subunternehmer und Mindestlohn [s. M 9.1.1, § 10]]

§ 7 Schlussbestimmungen (1) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als ungültig oder unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die ungültige oder unwirksame Bestimmung ist durch eine andere gültige Bestimmung zu ersetzen, die dem Willen der Parteien so nahe wie möglich kommt. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.6 (3) Gerichtsstand ist … … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Firma)

… (Freier Mitarbeiter)

4 § 623 BGB ist nur auf Arbeitsverhältnisse anwendbar. Daher ist hier eine explizit vereinbarte Schriftformklausel empfehlenswert. 5 Derzeit ist ungeklärt, wie weit die Haftung in § 13 MiLoG reichen soll. Bei unbefangenem Lesen könnte die Norm für jeglichen „Auftraggeber“ (vgl. Überschrift) einschlägig sein. Andererseits verweist sie auf § 14 AEntG. Dort ist anerkannt, dass nur der „Generalunternehmer“, der sich zur Erfüllung eigener Aufträge an Subunternehmer hält, erfasst sein soll. Überwiegend wird für einen Gleichlauf mit § 14 AEntG plädiert (Baeck/Winzer/Kramer, NZG 2015, 265; Bayreuther, NZA 2015, 961; Bissels/Falter, DB 2015, 65; Insam/Hinrichs/Tacou, NZA-RR 2014, 569; Lembke, NZA 2016, 1; Sittard/Sassen, NJW 2016, 364), die Gesetzeslage ist aber unklar (vgl. Bayreuther, NZA 2015, 961, 963). Daher könnte es sich empfehlen, auch hier die Haftungsklauseln aufzunehmen. 6 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für den freien Mitarbeiter nicht.

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Werkvertrag mit einem Subunternehmer – Softwareentwicklung

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Auftraggeber) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Auftragnehmer) wird Folgendes vereinbart:

§ 1 Vertragliche Leistungen des Auftragnehmers1 (1) Der Auftraggeber ist mit der Erstellung des Projektes … beauftragt. Im Rahmen dieses Projektes beauftragt er seinerseits den Auftragnehmer als Subunternehmer mit der Herstellung des folgenden Werkes: …2 (zB) Planung und Erstellung von System-/Anwendersoftware … Standard-/Individualsoftware … einschließlich Dokumentation für folgenden Zweck: … Der genaue Gegenstand der Leistung, die Funktionen und Aufgaben, die das Werk zu erfüllen hat, die einzelnen Teilleistungen (Milestones), der Zeitpunkt der Ablieferung und die Ausführungsfristen für die einzelnen Teilleistungen ergeben sich aus dem als Anlage … beigefügten Pflichtenheft und dem von den Parteien abgeschlossenen Leistungsschein. Diese sind Vertragsgegenstand. evtl. (2) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, auch nach Inbetriebnahme des herzustellenden Werkes bis zur Dauer von … Jahren die Software zu pflegen, um die fortdauernde Gebrauchstauglichkeit der Software sicherzustellen.3 Die Pflege der Software umfasst Störungsbeseitigung, Optimierung und Aktualisierung sowie externe Beratung. Die genaue Leistungsbeschreibung zur Pflege sowie die entsprechenden Zeitkontingente ergeben sich aus dem als Anlage … beigefügten Pflichtenheft. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Pflegeverpflichtung eine Hauptpflicht des Auftragnehmers ist.4 (3) Der Auftragnehmer verpflichtet sich ferner zur Einräumung der uneingeschränkten Nutzungsrechte an der Software und Übertragung des Eigentums an den Datenträgern hierfür sowie an der Dokumentation.

1 Es ist nicht abschließend geklärt, ob ein Vertrag über die Entwicklung einer Software als Werkvertrag einzuordnen ist oder als Werklieferungsvertrag mit der Folge, dass gem. § 651 BGB Kaufvertragsrecht anzuwenden wäre (zum Meinungsstand MüKoBGB/Busche, 6. Aufl. 2012, § 631 BGB Rz. 254; vgl. auch Fuchs/ Meierhöfer/Morsbach/Pahlow, MMR 2012, 427; Habel, DSRITB 2015, 567 Redeker, NJOZ 2008, 2917. Installation und Integration von Software als Werkvertrag: BGH v. 5.6.2014, NJW-RR 2014, 1214, Rz. 14; Entwicklung individueller Software als Werkvertrag: OLG München v. 23.12.2009 – 20 U 3515/09, NJW-RR 2010, 789). Die vertragsnotwendigen Instrumente des Werkvertragsrechts (zB zur Abnahme des Werkes) sollten daher immer in den Vertrag mit aufgenommen werden. Softwareverträge, die nicht als AGB ausgestaltet sind, können auch prinzipiell dem werkvertraglichen Regelungsregime unterworfen werden (BGH v. 10.5.1979, NJW 1979, 2207). 2 Das Werk muss so genau wie möglich beschrieben werden, damit keine Weisungen mehr erteilt werden müssen. Das herzustellende Werk muss so beschrieben werden, dass es für sich abnahmefähig ist. 3 Software befindet sich häufig auch nach erfolgreicher Installation und Inbetriebnahme noch in einem optimierungsbedürftigen Entwicklungsprozess, so dass es sinnvoll ist, den Hersteller des Werkes auch nach Abnahme zur fortlaufenden Anpassung an die jeweilige Systemumgebung zu verpflichten. 4 Bei einem separaten Abschluss der Pflegevereinbarung kann problematisch sein, ob es sich um eine Haupt- oder Nebenpflicht zum Softwareentwicklungsvertrag handelt und ob insofern Konnexität besteht (dazu Moritz in Kilian/Heussen, Computerrechts-Handbuch, Teil 3 Rz. 189 ff.).

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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(4) Dokumentation im Sinne dieses Vertrages sind die Beschreibungen der Entwicklung der Software und ihrer Anwendung einschließlich ihrer Nutzungsmöglichkeiten und aller Software-Spezifikationen, rechnerischen Aufzeichnungen, Systemhandbücher, Zeichnungen, Ablaufdiagramme, Programmaufzeichnungen in schriftlicher und in maschinenlesbarer Form, die für die Installation, die Nutzung und die Pflege der Software erforderlich sind. (5) Der Auftragnehmer ist über die vereinbarten Termine hinaus in der Wahl und Einteilung sowie dem Umfang, den Zeiten, dem Ablauf und der Organisation seiner Tätigkeit frei. Der Auftragnehmer unterliegt keinen Weisungen, sondern hat die Leistung vertragsgemäß zu erbringen. Weisungsrechte des Auftraggebers bestehen auch nicht gegenüber Personen, die der Auftragnehmer gemäß § 2 dieses Vertrages zur Vertragserfüllung einsetzt.5 Es wird kein Arbeitsverhältnis begründet. (6) Der Auftragnehmer kommt selbst für seine soziale Absicherung auf und führt die erforderlichen Steuern ab. Dies ist bei der Kalkulation der Vergütung berücksichtigt. (7) Der Auftraggeber kann jederzeit Auskunft über den Stand und den Umfang der Arbeiten verlangen. (8) Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers sind ausgeschlossen.

§ 2 Einsatz Dritter Der freie Mitarbeiter kann sich [evtl.: nach Maßgabe von § 11 und § 12 dieses Vertrages]6 bei der Erfüllung der Aufgabe auch anderer Personen bedienen. Er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Leistung gegenüber der Firma verantwortlich.

§ 3 Durchführung des Vertrages (1) Der Auftragnehmer beginnt seine Arbeiten am … (2) Der Auftragnehmer ist frei darin, wo er das Werk herstellt. oder (2) Das Werk ist vor Ort bei dem Auftraggeber in … an den mit dem Projektleiter vereinbarten Standorten, die voraussichtlich in … sein werden, herzustellen. oder (2) Das Werk ist beim Endkunden in … herzustellen. (3) Soweit das Werk vor Ort bei dem Auftraggeber hergestellt wird, wird der Auftragnehmer die auf dem Gelände des Auftraggebers geltenden Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften einhalten und dafür Sorge tragen, dass Personen, die er zur Vertragserfüllung einsetzt, diese Vorschriften ebenfalls beachten. Soweit das Werk beim Endkunden hergestellt wird, gilt Satz 1 entsprechend. (4) Änderungen des Leistungsumfangs nach Vertragsschluss bedürfen gesonderter schriftlicher Vereinbarungen. Entstehende Mehrkosten und Terminverschiebungen sind vor der Änderungsvereinbarung dem Auftraggeber mitzuteilen und mit ihm zu vereinbaren. oder (4) Erkennt der Auftragnehmer, dass bei Auftragsausführung aufgrund technischer Probleme oder Schwierigkeiten Abweichungen vom Leistungsschein erforderlich werden, so wird er dies dem Auftraggeber unverzüglich unter Angabe der Gründe und der Abweichungen mitteilen. Die Parteien werden das weitere Vorgehen vereinbaren und schriftlich in einem von beiden Seiten zu unterschreibenden Protokoll festhalten. Dieses Protokoll wird Vertragsbestandteil. Mehrkosten aufgrund unterbliebener oder verspäteter Mitteilung trägt der Auftragnehmer. oder 5 Wichtig: Ein Weisungsrecht gegenüber dem vom Auftragnehmer eingesetzten Personal würde zur Arbeitnehmerüberlassung an den Auftraggeber führen und muss daher vermieden werden. Weisungen können nur dem Auftragnehmer selbst erteilt werden. (Zur Arbeitnehmerüberlassung s. Kap. 10.) 6 Der Vorbehalt gilt für den Fall, dass die Subunternehmerklausel gem. M 9.1.1, §§ 9, 10, auch in diesem Vertrag verwendet werden soll. Ansonsten ist der Zusatz zu streichen.

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(4) Erkennt der Auftragnehmer, dass er die Ausführungsfristen nicht einhalten kann, wird er dies dem Auftraggeber unverzüglich unter Angabe der Gründe einschließlich der voraussichtlichen Dauer der Verzögerung mitteilen. Ein Anspruch auf Verlängerung der Fristen entsteht dadurch nicht. (5) Jeder Vertragspartner benennt jeweils einen Ansprechpartner für alle vertraglichen Fragen. Auskünfte des Ansprechpartners des Auftraggebers sind nur verbindlich, wenn sie schriftlich erteilt oder bestätigt wurden. (6) Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer auf Wunsch die für die Durchführung des Auftrages erforderliche Hardware und Software gemäß gesonderter Nutzungsvereinbarung7 zur Verfügung. Alle weiteren Kosten, insbesondere auch für seine Mitarbeiter, trägt der Auftragnehmer. (7) Der Zugang zum Geschäftsbetrieb des Auftraggebers wird gewährleistet, soweit dies zur Werkherstellung erforderlich ist. (8) Der Auftraggeber verpflichtet sich, dem Auftragnehmer auf Wunsch eine Einweisung zu geben. (9) Der Auftragnehmer wird den Auftraggeber nach dem im Leistungsschein festgelegten Zeitplan über den Stand der Arbeiten und die Einhaltung der Anforderungen an die Programme unterrichten.

§ 4 Abnahme (1) Die Parteien vereinbaren eine förmliche Abnahme. Das Werk gilt jedoch auch als abgenommen, wenn die Software nach Einweisung des Personals mindestens sechs Wochen mangelfrei beim Endabnehmer im Echtbetrieb gearbeitet hat. (2) Der Auftragnehmer wird die voraussichtliche Fertigstellung des Werkes oder der jeweiligen Teilleistung … Wochen vor der Fertigstellung schriftlich ankündigen und die Fertigstellung schriftlich mitteilen. (3) Der Auftraggeber wird die Abnahme zusammen mit dem Auftragnehmer binnen eines Zeitraumes von … Wochen ab der Mitteilung, dass das Werk fertig gestellt ist, durchführen. (4) Die Abnahme ist abhängig von der Endabnahme durch den entsprechenden Endkunden, welche baldmöglich herbeizuführen ist.8 (5) Über die Abnahme wird ein Abnahmeprotokoll erstellt. (6) Sind Teilleistungen vereinbart, so ist jede Teilleistung gesondert abzunehmen. Abs. 1–5 gelten entsprechend. (7) Der Abnahme geht die nach Form, Art, Umfang und Dauer im Leistungsschein festgelegte Funktionsprüfung voraus. Der Auftragnehmer liefert dem Auftraggeber dazu eine Testkopie des Programms in kodierter und eingearbeiteter Form und die gesamte zugehörige Dokumentation. Ergibt die Funktionsprüfung, dass die erbrachte Leistung der Leistungsbeschreibung im Leistungsschein entspricht, hat der Auftraggeber schriftlich die Abnahme zu erklären. Der Auftraggeber ist verpflichtet, dem Auftragnehmer während der Funktionsprüfung auftretende Abweichungen von den Anforderungen mitzuteilen. Erfolgt die Abnahme trotz Feststellung von Abweichungen während der Funktionsprüfung, so sind diese Abweichungen in dem Abnahmeprotokoll als Mängel festzuhalten. (8) Wird die Abnahme von dem Auftraggeber wegen eines Mangels verweigert, kann der Auftragnehmer eine erneute Abnahme erst verlangen, wenn er die Beseitigung des Mangels nachgewiesen hat. (9) Wird die Abnahme nicht fristgemäß erklärt, kann der Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Abnahme setzen, die drei Wochen nicht unterschreiten darf. Nach Ablauf dieser Frist gilt das Werk als abgenommen, wenn der Auftraggeber weder die Abnahme erklärt noch Gründe für eine Verlängerung der Funktionsprüfung nennt und selbst keine Nachfrist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat. 7 Vgl. M 9.1.4. 8 Soweit die Abnahme von der Endabnahme durch den Endkunden abhängig gemacht wird, ist dies jedenfalls in Bauverträgen wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. OLG München v. 3.11.1983 – 6 U 1390/83, BB 1984, 1386, 1388, Ziff. 9 zum damaligen § 9 AGBG; BGH v. 23.2.1989 – VII ZR 89/87, NJW 1989, 1602). Eventuell könnte vereinbart werden: „Die Gewährleistungsfrist beginnt erst mit der Endabnahme durch den Endkunden.“

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Kap. 9

§ 5 Gewährleistung und Haftung (1) Der Auftragnehmer sichert zu,9 – dass die von ihm erbrachten Leistungen dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen; – dass das Werk den mit dem Auftrag verbundenen Richtlinien und technischen Vorschriften entspricht, die dem Auftragnehmer zuvor schriftlich bekannt gegeben worden sind; – dass das Werk insbesondere folgende Eigenschaften hat: … (2) Die Gewährleistungsfrist beträgt … Monate und beginnt – auch bei der vorherigen Abnahme von Teilleistungen – mit der Abnahme des gesamten Werkes. (3) Im Übrigen gelten die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften des BGB. (4) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, sein mit der Vertragsverpflichtung übernommenes Risiko durch eine ausreichende Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung abzudecken und diese dem Auftraggeber auf Verlangen nachzuweisen.

§ 6 Rechte am Werk10 (1) Das Werk einschließlich der dazugehörigen Unterlagen und Datenträger wird mit seiner Erstellung – und zwar im jeweiligen Bearbeitungszustand – Eigentum des Auftraggebers. Unterlagen und Datenträger, die der Auftragnehmer von dem Auftraggeber erhalten hat, verbleiben im Eigentum des Auftraggebers. Sie sind auf Anfrage an den Auftraggeber herauszugeben, spätestens aber nach Beendigung des Werkes oder des Vertrages, zusammen mit dem Werk. Die Herausgabeverpflichtung erstreckt sich auch auf sämtliche Kopien.11 (2) Ein Zurückbehaltungsrecht an den in Abs. 1 genannten Gegenständen besteht nicht. oder (2) Ein Zurückbehaltungsrecht an den in Abs. 1 genannten Gegenständen kann nur geltend gemacht werden, soweit der Gegenanspruch auf demselben Vertragsverhältnis beruht.12 9 Pauschale Zusicherungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen könnten wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein. Ist eine Klausel auch nach einer Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden unklar oder mehrdeutig, gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2; vgl. schon Kap. 2 Rz. 25 ff.). Es empfiehlt sich daher, wie hier im dritten Spiegelstrich, konkret die Eigenschaften anzugeben, auf deren Zusicherung es dem Auftraggeber in besonderer Weise ankommt. 10 Es empfiehlt sich, die eingeräumten Nutzungsrechte bzw. Nutzungsarten einzeln zu bezeichnen. Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt, § 31 Abs. 5 UrhG. Im Zweifel räumt der Urheber Nutzungsrechte nur in dem Umfang ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Die übrigen Rechte bleiben beim Urheber. Das gilt selbst dann, wenn der Vertrag eine pauschale Übertragung sämtlicher Rechte vorsieht (vgl. BGH v. 31.5.2012 – I ZR 73/10; NJOZ 2012, 1638, Rz. 17; v. 27.9.1995, BGHZ 131, 8, 12; NJW 1995, 3252 – pauschale Rechtseinräumung; v. 26.4.1974, GRUR 1974, 786, 787 – Kassettenfilm. Vgl. außerdem BGH v. 22.9.2015 – X ZB 11/14, juris). Will der Auftraggeber sichergehen, muss er deshalb im Einzelfall sämtliche Nutzungsarten auflisten, zu denen er zukünftig berechtigt sein will. Zu den neusten Rechtsentwicklungen s. Peifer, GRUR 2016, 6. 11 Das urheberrechtliche Zugangsrecht zum Werk aus § 25 UrhG als Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts kann hingegen vertraglich im Voraus nicht zeitlich unbeschränkt ausgeschlossen werden (vgl. Wandtke/Bullinger/Bullinger, UrhR, 4. Aufl. 2014, § 25 UrhG Rz. 21 mwN). 12 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen ist grundsätzlich wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam, zum Arbeitsverhältnis vgl. Kap. 2 Rz. 72. Im unternehmerischen Verkehr ist ein formularmäßiger Ausschluss zwar grundsätzlich wirksam, vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB (dazu MüKoBGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 20). Zum Teil wird aber angedeutet, dass er wegen § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB und der ggf. zu übernehmenden Wertung des § 309 Nr. 2b BGB auch dort unwirksam sein könnte (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 16). Höchstrichterliche Rspr. mit diesem Ergebnis liegt aber soweit ersichtlich nicht vor. Der Ausschluss könnte zwar individual-

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(3) Der Auftragnehmer überträgt alle bestehenden und künftigen übertragungsfähigen Rechte und Ansprüche an dem Werk auf den Auftraggeber, jeweils mit Wirkung zum Zeitpunkt ihres Entstehens, so dass der Auftraggeber Inhaber dieser Rechte wird, ohne dass es eines weiteren Übertragungsaktes bedürfte. Wenn und soweit Rechte an dem Werk selbst nicht übertragbar sind (insbesondere im Fall von Urheberrechten), räumt der Auftragnehmer dem Auftraggeber für die Dauer des Bestehens etwaiger Schutzrechte unwiderruflich13 und ohne jede örtliche und sachliche Beschränkung das ausschließliche14 Recht ein, das Werk ohne jegliche Einschränkungen für alle bekannten Nutzungsarten für eigene Zwecke sowie für Zwecke des Endkunden zu nutzen und zu verwerten. Umfasst ist insbesondere das Recht, das Werk ganz oder teilweise dauerhaft oder vorübergehend zu vervielfältigen durch Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern zum Zwecke der Ausführung und der Verarbeitung der darin enthaltenen Datenbestände, sowie das Recht, das Werk zu verbreiten, vorzuführen, über Fernleitungen oder drahtlos zu übertragen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (zB über das Internet). Umfasst ist auch das Recht, das Werk zu ändern, zu übersetzen, zu bearbeiten, zu arrangieren oder sonst wie umzuarbeiten und die hierdurch geschaffenen Leistungsergebnisse in der gleichen Weise wie die ursprünglichen Fassungen zu nutzen und zu verwerten. Die Rechtseinräumung bezieht sich außerdem auf Nutzungsarten, die gegenwärtig noch unbekannt15 sind, wobei dem Auftragnehmer die ihm nach dem Urheberrechtsgesetz insoweit vorgesehenen Rechte verbleiben. (4) Der Auftraggeber ist berechtigt, ohne weitere Zustimmung16 des Auftragnehmers an einzelnen oder sämtlichen der vorstehend übertragenen oder eingeräumten Rechte einfache oder ausschließliche Lizenzen17 an Endkunden18 zu vergeben oder die erworbenen Rechte ganz oder teilweise auf Dritte zu übertragen.

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vertraglich vereinbart werden, was aber in der Praxis häufig keine Option ist. Selbst für Verträge mit Verbrauchern kann das Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 15; dazu Kap. 2 Rz. 72), das gilt im unternehmerischen Verkehr erst recht. Der Urheber kann im Voraus jedoch nicht wirksam auf sein Rückrufsrecht wegen Nichtausübung (§ 41 Abs. 4 UrhG) und sein Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung (§ 42 Abs. 2 UrhG) verzichten. Die Ausübung des Rückrufsrecht wegen Nichtausübung kann aber immerhin für bis zu fünf Jahre ausgeschlossen werden (§ 41 Abs. 4 Satz 2 UrhG). Die Voraussetzungen des Rückrufsrechts wegen gewandelter Überzeugung werden bei Software in der Regel nicht erfüllt sein. Bei Einräumung bloß einfacher Nutzungsrechte ist fraglich, ob der Auftraggeber dem Endabnehmer Unterlizenzen (vgl. hierzu Abs. 4) einräumen kann. Der BGH hat im Fall „Reifen Progressiv“ angedeutet, dass auch die Inhaber einfacher Lizenzen Unterlizenzen erteilen können, soweit eine entsprechende Zustimmung des Urhebers vorliegt (vgl. BGH v. 26.3.2009, GRUR 2009, 946; auch BGH v. 19.7.2012 – I ZR 24/11, NJW-RR 2012, 1127; v. 19.7.2012 – I ZR 70/10, NJW 2012, 3301). Nach § 31a UrhG kann der Urheber auch Rechte für bisher unbekannte Nutzungsarten einräumen. Die Einräumung muss schriftlich erfolgen (§ 126 BGB). Außerdem sind das in § 31a UrhG vorgesehene Widerrufsrecht und der im Voraus nicht verzichtbare Vergütungsanspruch (§ 32c UrhG) zu beachten. Ob die gem. §§ 34, 35 UrhG erforderliche Zustimmung durch AGB vorweggenommen werden darf, ist durch den BGH noch nicht abschließend geklärt. Instanzgerichte haben die formularmäßige Zustimmung des Urhebers zur Übertragung von Nutzungsrechten jedoch für ausreichend befunden (OLG Thüringen v. 19.5.2012, ZUM-RD 2012, 393; LG Berlin v. 5.6.2007, ZUM-RD 2008, 18, 23). Nach der Rspr. des BGH erlöschen Unterlizenzen, die sich von einem ausschließlichen Nutzungsrecht ableiten, jedenfalls dann nicht, wenn das ausschließliche Nutzungsrecht aufgrund eines wirksamen Rückrufs wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) erlischt (BGH v. 26.3.2009, GRUR 2009, 946 – Reifen Progressiv). Dies soll nach neuerer Rspr. auch dann gelten, wenn die Hauptlizenz aus anderen Gründen erlischt (BAG v. 19.7.2012, NJW-RR 2012, 1127; v. 19.7.2012, BGHZ 194, 136; vgl. auch Dreier/Schulze, 5. Aufl. 2015, § 41 UrhG Rz. 37; Schricker/Peukert in Schricker/Loewenheim, UrhR, 4. Aufl. 2010, § 41 UrhG Rz. 24; Klawitter, GRUR-Prax 2012, 425; Scholz, GRUR 2009, 1107). Will der Auftragnehmer, dass die Unterlizenzen vom Bestand des ausschließlichen Nutzungsrechts des Auftraggebers abhängen, sollte dies hier ergänzend ausdrücklich geregelt werden. Falls der Endkunde am Werk seinerseits weitere Rechte vergeben will, zB an verbundene Unternehmen, so muss das ergänzend klargestellt werden. Am besten geschieht dies mE dadurch, dass der Auftraggeber und Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts zur Unterlizenzierung an den Kunden und/ oder an mit diesem verbundene Unternehmen ermächtigt wird.

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(5) Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber mit der Abnahme des Werkes auch eine Kopie des Quellcodes und der Entwicklungsdokumentation für das Werk zur Verfügung stellen. Der Auftraggeber ist berechtigt, die Quellcodes in demselben Umfang zu nutzen und zu verwerten wie das Werk selbst. (6) Der Auftragnehmer verzichtet auf die Ausübung seines Rechts auf Autorennennung bzw. Namensnennung.19 (7) Der Auftragnehmer sichert zu, dass die von ihm erstellten Arbeitsergebnisse frei von Rechten Dritter sind.20 (8) Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber unverzüglich alle Erfindungen oder Verbesserungen, nachstehend Erfindungen genannt, die er in Ausübung einer aufgrund dieses Vertrages erbrachten Leistung entwickelt oder zum ersten Mal in der Praxis verwirklicht hat, vollständig schriftlich zu melden, gleichgültig, ob sie patentfähig sind oder nicht. Für all diese Erfindungen hat der Auftragnehmer in seiner Meldung besonders die Punkte herauszustellen, die nach seiner Auffassung neu oder andersartig sind. (9) Der Auftragnehmer wird den Auftraggeber bei der Vorbereitung und Durchführung von Patentanmeldungen unterstützen und alle Erklärungen oder sonstigen Urkunden anfertigen lassen, die der Auftraggeber für die Durchführung von Maßnahmen als erforderlich oder angemessen erachtet. (10) Die in diesem Vertrag vorgesehene Vergütung deckt die Übertragung und Einräumung aller vorstehend genannten Rechte ab.21 19 Ob dieser generelle Verzicht in AGB wirksam ist, ist fraglich. Instanzgerichte haben einen solchen generellen Verzicht in AGB schon für unwirksam erklärt (vgl. LG Berlin v. 5.6.2007, K&R 2007, 588, 590). Gegenstand dieser Entscheidung war jedoch nicht Software. Da bei Software als industrialisiertem Produkt die Urheberpersönlichkeitsrechte weniger stark ins Gewicht fallen, dürfte hier ein genereller Verzicht eher wirksam sein. Zu Software mit dem Erfordernis strenger Anforderungen, OLG Hamm, 7.8.2007, ZUM-RD 2008, 8, 15. Unwirksamkeit eines generellen Verzichts: LG Berlin v. 4.11.2014, ZUM 2015, 264, 265; LG Hamburg v. 5.2.2010, ZUM 2010, 541, 544. Dazu Dreier/Schulze, 5. Aufl. 2015, § 13 UrhG Rz. 25. 20 Die Regelung hat gegenüber dem Auftragnehmer nur Hinweisfunktion. Tatsächlich hält die Garantie einer AGB-Kontrolle wohl nicht stand und ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Aufgrund der strengen gesetzlichen Haftung (§§ 434, 435, 437, 440, 280 ff., 323, 326 Abs. 5 BGB) kann dies jedoch hingenommen werden. 21 In einem Arbeitsverhältnis wäre eine unentgeltliche Übertragung der Arbeitsergebnisse nach den zwingenden Vorschriften des Arbeitnehmererfindungsgesetzes nicht möglich. Sollte die Leistung des Arbeitnehmers patentierfähig sein, hat der Arbeitgeber das Recht, die Erfindung oder den technischen Verbesserungsvorschlag in Anspruch zu nehmen. Er ist dann aber verpflichtet, dem Arbeitnehmer neben dem Arbeitslohn eine Vergütung zu zahlen. Durch Vereinbarung der unentgeltlichen Übertragung kann sich daher ein Einfallstor für Klagen von freien Mitarbeitern öffnen, mit denen sie über die Behauptung, Arbeitnehmer zu sein, versuchen, Vergütungen nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz zu erzielen. Nach § 32 Abs. 1 Satz 3 UrhG hat der Urheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung und gem. § 32a UrhG einen Anspruch auf Anpassung der vereinbarten Vergütung, sollte sich herausstellen, dass die vereinbarte Vergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen steht, die der Auftraggeber aus der Nutzung des Werkes zieht (Bestsellerparagraf). Sollte die in § 6 geregelte Vergütung diesen Anforderungen nicht genügen, könnten daher darüber hinausgehende Ansprüche entstehen, die auch durch Vertrag nicht im Voraus abdingbar sind, §§ 32 Abs. 3, 32a Abs. 3, 32b UrhG. Ungeklärt ist hingegen, ob die §§ 32, 32a UrhG auch für den Arbeitnehmerurheber eines Computerprogramms gelten. Zwar hat der BGH entschieden, dass einem Arbeitnehmer, der ein Computerprogramm in Wahrnehmung seiner betrieblichen Aufgaben geschaffen hat, grundsätzlich kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung zusteht (BGH v. 24.10.2000 – X ZR 72/98, GRUR 2001, 155 – Wetterführungspläne). Ausgenommen hat der BGH hiervon jedoch § 36a UrhG aF, den alten Bestsellerparagrafen (BGH v. 23.10.2001, GRUR 2002, 149 – Wetterführungspläne II). Nahe liegend ist, dass die Rspr. für den neuen § 32a UrhG ähnlich entscheiden wird. Ist die Vergütung allerdings tarifvertraglich bestimmt und für den Fall des § 32a Abs. 1 UrhG ausdrücklich eine weitere angemessene Vergütung im Tarifvertrag vorgesehen, ist ein zusätzlicher Anspruch des Urhebers ausgeschlossen, §§ 32 Abs. 4, 32a Abs. 4 UrhG (vgl. im Einzelnen Wandtke/Bullinger/Grützmacher, UrhR, 4. Aufl. 2014, § 69b UrhG Rz. 22 ff.; Grobys/Foerstl, NZA 2002, 1015; Haas, Das neue Urhebervertragsrecht, 2002, Rz. 427, 419 ff. und 286 ff.; Schwab, NZA-RR 2015, 5, 9; v. Olenhusen, ZUM 2010, 474; Wandtke, GRUR 2015, 831, 838).

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§ 7 Vergütung22 (1) Der Auftragnehmer erhält für die gesamten vertraglichen Leistungen eine Pauschalvergütung von Euro …, zu zahlen binnen … Tagen nach Abnahme und Rechnungseingang bei dem Auftraggeber. Bei der Feststellung auch von unwesentlichen Mängeln ist der Auftraggeber berechtigt, angemessene Beträge zurückzubehalten.23 evtl. (2) Für die nach erfolgter Endabnahme vereinbarte Pflege der Software erhält der Auftragnehmer eine zusätzliche Vergütung von Euro … Diese ist auf die Dauer der Pflegevereinbarung zu verteilen und ratierlich jeweils zum … eines Monats zu zahlen. evtl. (3) Hält der Auftragnehmer den im als Anlage … beigefügten Pflichtenheft vereinbarten Zeitpunkt der Ablieferung ein, erhält der Auftragnehmer eine zusätzliche Vergütung (Bonus) von … % auf die in Abs. 1 vereinbarte Pauschalvergütung.24 Dieser Bonus verringert sich um … % pro angefangener Woche, wenn der Auftragnehmer den vereinbarten Zeitplan nicht einhält. Überschreitet der Auftragnehmer die Frist der vereinbarten Abnahme um … Wochen, steht ihm kein Bonus mehr zu. Ab diesem Zeitpunkt reduziert sich die in Abs. 1 vereinbarte Pauschalvergütung pro angefangener Woche um … %, höchstens jedoch um … %.25 Das Recht des Auftraggebers, für eine verspätete Ablieferung einen Verzugsschadensersatzanspruch geltend zu machen, ist für diesen Zeitraum von … Wochen ab vereinbarter Ablieferung ausgeschlossen.26 oder (1) Der Auftragnehmer erhält für die gesamten vertraglichen Leistungen eine Pauschalvergütung von Euro … Diese ist wie folgt zur Zahlung fällig: a) Abschlagszahlung in Höhe von … binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang bei dem Auftraggeber und Abnahme der Teilleistung … b) Abschlagszahlung in Höhe von … binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang bei dem Auftraggeber und Abnahme der Teilleistung …

22 Vgl. auch M 9.1.1 § 3 m. Anm. 23 Bei wesentlichen Mängeln kann der Auftraggeber die Abnahme ohnehin verweigern. Angemessen ist in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten, § 641 Abs. 3 Halbs. 2 BGB. 24 Angelehnt an Bartsch in Hoffmann-Becking/Rawert, Beck’sches Formularbuch, Bürgerliches, Handelsund Wirtschaftsrecht, 11. Aufl. 2013, G, 4. Häufig wird ein eher straffer Zeitplan aufgestellt, dessen Einhaltung prämiert wird. 25 Der Sache nach handelt es sich bei einer solchen Vereinbarung um eine – zeitlich verzögert einsetzende – Vertragsstrafe für verspätete Leistung. Hierbei ist zu beachten, dass die vereinbarte Strafe in einem sachgerechten Verhältnis zu dem möglichen Schaden des Auftraggebers stehen muss (näher Graf von Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsstrafe 38 Rz. 14 ff.; BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, BB 2016, 523, Rz. 34 ff.; v. 13.11.2013, NJW 2014, 2180, Rz. 17 ff.). Der BGH hat im Rahmen von Bauverträgen eine formularmäßig vereinbarte Vertragsstrafe iHv. 5 % der Auftragssumme für unwirksam erklärt (BGH v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, NJW 2003, 1805; vgl. auch BGH v. 27.11.2013 – VII ZR 371/12, NJW 2014, 456). Aufgrund der Kumulation von Bonus und Malus, sowie der erst verzögert einsetzenden Strafzahlung, sollte hier eine höhere Summe gerechtfertigt sein. 26 Soll die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches daneben möglich bleiben, ist das in § 340 Abs. 2 BGB und § 341 Abs. 2 BGB verankerte Kumulierungsverbot zu beachten. Die Vertragsstrafe muss den Mindestbetrag des geltend gemachten Schadensersatzes darstellen, wobei der Auftraggeber für einen darüber hinausgehenden Schaden beweispflichtig bleibt (BGH v. 21.11.1991 – I ZR 87/90, NJW 1992, 1096; vgl auch. BGH v. 8.5.2008 – I ZR 88/06, NJW 2008, 2849, Rz. 9 ff.). Zum Ganzen MüKoBGB/ Gottwald, 7. Aufl. 2016, § 340 BGB Rz. 15 ff.

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c) Die Schlusszahlung erfolgt abzüglich eines Sicherheitseinbehaltes von 5 % binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang oder nach erfolgter Endabnahme. d) Der Sicherheitseinbehalt von 5 % ist nach Ablauf der Gewährleistungsfrist auszuzahlen, soweit er nicht im Rahmen der Gewährleistung in Anspruch genommen wurde. evtl. (2) Der Verzugszins beträgt für alle Forderungen der beiden Vertragsparteien einheitlich … % pro Jahr.27 oder (1) Der Auftragnehmer erhält für die gesamten vertraglichen Leistungen eine Vergütung in Höhe von Euro … Davon sind a) … % bei Auftragsbeginn, b) … % nach Abnahme jeder der … Teilleistungen, c) … % nach erfolgter Endabnahme evtl. d) … % nach Ablauf der Pflegevereinbarung zu zahlen. Die jeweiligen Einzelzahlungen sind binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang bei dem Auftraggeber zur Zahlung fällig. oder (1) Der Auftragnehmer erhält für seine tatsächlich erbrachte Leistung eine Vergütung von Euro …/Stunde.28 Der Auftragnehmer rechnet die erbrachten Stunden monatlich unter Beifügung eines Stundennachweises ab und weist anfallende Mehrwertsteuer gesondert aus. Die jeweiligen Einzelzahlungen sind binnen 30 Tagen nach Rechnungseingang bei dem Auftraggeber zur Zahlung fällig. (2) Soweit der Auftragnehmer mehrwertsteuerpflichtig ist, sind die Zahlungen zuzüglich Mehrwertsteuer zu leisten. (3) Bei einer Zahlung binnen … Tagen wird ein Skonto von … % gewährt. (4) Damit sind alle vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen einschließlich Fahrtzeiten, Reise- und Aufenthaltskosten abgegolten. oder (4) Damit sind alle vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen mit Ausnahme der Auslagen gemäß Satz 2 abgegolten. Der Auftraggeber ersetzt Auslagen, wenn der Auftragnehmer auf schriftliche Veranlassung des Auftraggebers Reisen außerhalb des Einsatzortes übernehmen muss. Erstattet werden auf Nachweis – Deutsche Bahn 2. Klasse oder Flugzeug „Economy“ ab 400 km oder Kilometergeld von Euro …/km; – Übernachtungskosten und Tagegelder entsprechend den steuerlich anerkannten Beträgen.

§ 8 Geheimhaltung (1) Der Auftragnehmer wird alle Vorgänge, die ihm aus und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Auftraggeber zur Kenntnis gelangen, geheim halten. Die Auftragnehmer wird bei der Geheimhaltung mindestens die gleiche Sorgfalt anwenden, mit der er eigene Geschäfts- oder Betriebs27 Die Vereinbarung eines fixen Betrages vereinfacht die Berechnung der Verzugszinsen, die sonst unter Berücksichtigung der Änderungen des Leitzinses vorzunehmen ist. Jedoch unterliegen formularvertragliche Abreden über einen pauschalierten Verzugszins der AGB-Kontrolle. Sinnvoll wäre eine Orientierung am Verzugszinssatz des § 288 Abs. 2 BGB. 28 Eine Vergütung nach Stunden ist ein Indiz für ein Anstellungsverhältnis. Sie sollte im Werkvertrag daher nur erfolgen, wenn eine andere Vergütung nicht möglich ist.

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geheimnisse schützt. Er wird die Informationen nur den Mitarbeitern und Erfüllungsgehilfen zugänglich machen, die mit der Erfüllung von Pflichten oder Obliegenheiten nach diesem Vertrag befasst sind und die zuvor zu entsprechender Geheimhaltung verpflichtet wurden. Die vorstehenden Verpflichtungen gelten jedoch nicht, wenn und soweit die jeweiligen Informationen nachweislich allgemein bekannt sind oder ohne Verschulden des Auftragnehmers und ohne Verstoß gegen diese Vereinbarung allgemein bekannt werden; Stand der Technik sind oder werden; dem Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Übermittlung bereits bekannt sind, was durch Unterlagen bewiesen werden muss, die eine solche Kenntnis belegen; dem Auftragnehmer von einem Dritten rechtmäßig bekannt oder zugänglich gemacht wurden oder werden; aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder vollstreckbarer behördlicher Verfügungen oder gerichtlicher Entscheidungen offen gelegt werden müssen. Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes trägt der Auftragnehmer. In jedem Fall ist der Auftraggeber rechtzeitig vor Weitergabe der Informationen an Dritte zu informieren. (2) Die Auswertung von Informationen, Unterlagen und der vom Auftragnehmer im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber erstellten Unterlagen und Ergebnisse sowie die Anfertigung von Aufzeichnungen und Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch ist dem Auftragnehmer nicht gestattet. (3) Veröffentlichungen in Wort, Schrift und Bild, die sich auf die Tätigkeit oder die Ergebnisse dieses Projektvertrages beziehen und den Geschäfts- und Interessenbereich des Auftraggebers betreffen, bedürfen der vorherigen Zustimmung des Auftraggebers. (4) Die in Absatz 1–3 genannten Verpflichtungen gelten auch bezüglich Unterlagen, Daten und Informationen des Endkunden. (5) Vorstehende Vereinbarungen behalten auch nach Beendigung des Vertrages ihre Gültigkeit.

§ 9 Wettbewerb und Abwerbung (1) Der Auftragnehmer verpflichtet sich, den Endkunden mindestens zwei Jahre29 nach der Beendigung des Vertrages nicht mit Dienstleistungen direkt zu beliefern oder abzuwerben. Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung verpflichtet sich der Auftragnehmer, an den Auftraggeber eine Vertragsstrafe in Höhe von Euro …30 zu bezahlen. (2) Besteht die Verletzungshandlung in der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterverhältnis),31 wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Die Vertragsstrafen sind auf insgesamt Euro … begrenzt.32 29 Beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot sind auch die Schranken des Kartellrechts zu berücksichtigen. Sind spürbare Auswirkungen des Wettbewerbsverbotes nicht auszuschließen, sollte die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes auf ein Jahr beschränkt werden (vgl. BGH v. 12.5.1998 – KZR 18/97, NJW-RR 1998, 1508 – Subunternehmervertrag; v. 24.2.1975, WuW/E BGH 1353, 1355 – Schnittblumentransport). Dazu im Detail Bernhard, NJW 2013, 2785. 30 Bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe ist darauf zu achten, dass die Strafe in einem sachgerechten Verhältnis zur Bedeutung des Vertragsverstoßes für den Verwender steht (vgl. allgemein BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, BB 2016, 523, Rz. 34 ff.; v. 13.11.2013, NJW 2014, 2180, Rz. 17 ff.). Ist die Vertragsstrafe im Formularvertrag zu hoch bemessen, kann sie wegen des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion, § 306 Abs. 2 BGB, nicht über § 343 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden, sondern ist unwirksam. 31 Die Formulierung dient der vom BAG (v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170) verlangten Abgrenzung zwischen einmaliger und Dauerverletzung (dazu Diller, NZA 2008, 574). 32 Das OLG Köln (v. 15.6.2010 – 19 U 53/10) hat eine Klausel zu einer Vertragsstrafe für nichtig erklärt, welche eine Vertragsstrafe iHv. Euro 10 000,– für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhanges zum Inhalt hatte. Das LG Erfurt (v. 1.6.2011 – 10 O 1247/10) hat klargestellt, dass eine Klausel über eine Vertragsstrafe in einer bestimmten Höhe für jede Begehungsform und jede denkbare Art eines Wettbewerbsverstoßes unangemessen und damit unwirksam sei. Regelungen über Ver-

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Kap. 9

(3) Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung.

§ 10 Vertragsdauer und Kündigung (1) Dieser Vertrag tritt mit Unterzeichnung durch beide Vertragspartner in Kraft. (2) Er endet mit dem vollständigen Erbringen der vom Auftraggeber geschuldeten Leistungen. (3) Der Auftraggeber ist berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende zu kündigen, bei vorzeitiger Beendigung des dem Auftragnehmer erteilten Auftrages mit einer Frist von zwei Wochen. In diesem Fall ist die bis dahin erbrachte Teilleistung entsprechend zu vergüten.33 (4) Unberührt bleibt das Recht der Vertragsparteien zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. (5) Eine Kündigung ist nur wirksam, wenn sie schriftlich oder per Fax erfolgt. [Evtl.34 § 11 Einsatz eigener Arbeitnehmer und Mindestlohn, s. M 9.1.1, §§ 9 f., § 12 Subunternehmer und Mindestlohn, s. M 9.1.1, § 10.]

§ 11 Schlussbestimmungen (1) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.35 (2) Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ist …. (3) Sind oder werden einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen gültig. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.36 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Auftraggeber)

… (Auftragnehmer)

33 34

35 36

tragsstrafen müssten eine Obergrenze für den Fall mehrerer Verstöße vorsehen. Vorsorglich enthält daher auch das Muster eine Gesamtobergrenze. Vgl. M 25.1 m. Anm. sowie Diller, NZA 2008, 574. Allgemein zur Vertragsstrafe Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff. (Etwas differenzierter BGH v. 30.1.2016 – VIII ZR 26/15, BB 2016, 523, Rz. 34: „Ist ein bestimmter Betrag als pauschale Sanktion vorgesehen, ohne dass nach Art, Gewicht und Dauer der Vertragsverstöße differenziert wird, kann die Unangemessenheit schon daraus folgen; eine solche Sanktion wäre nur dann zulässig, wenn dieser Betrag auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes noch angemessen wäre.“). Die Kündigung dürfte allerdings auch die Rechte des Auftragnehmers nach § 649 BGB auslösen. Derzeit ist ungeklärt, wie weit die Haftung in § 13 MiLoG reichen soll. Bei unbefangenem Lesen könnte die Norm für jeglichen „Auftraggeber“ (vgl. Überschrift) einschlägig sein. Andererseits verweist sie auf § 14 AEntG. Dort ist anerkannt, dass nur der „Generalunternehmer“, der sich zur Erfüllung eigener Aufträge an Subunternehmer hält, erfasst sein soll. Überwiegend wird für einen Gleichlauf mit § 14 AEntG plädiert (Baeck/Winzer/Kramer, NZG 2015, 265; Bayreuther, NZA 2015, 961; Bissels/Falter, DB 2015, 65; Insam/Hinrichs/Tacou, NZA-RR 2014, 569; Lembke, NZA 2016, 1; Sittard/Sassen, NJW 2016, 364), die Gesetzeslage ist aber unklar (vgl. Bayreuther, NZA 2015, 961, 963). Daher könnte es sich empfehlen, auch hier die Haftungsklauseln aufzunehmen. Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Kap. 2 Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für Werkunternehmer nicht. S. M 3.1, § 26 m. Anm.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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Vereinbarung über die Miete von Betriebsmitteln – hier: Nutzung von PC

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Auftraggeber) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Auftragnehmer) wird Folgendes vereinbart: Zwischen den Parteien besteht der Werkvertrag vom … Auf Wunsch des Auftragnehmers wird gemäß § … dieses Vertrages1 folgende Vereinbarung getroffen:

§ 1 Nutzungsgegenstand (1) Der Auftraggeber vermietet dem Auftragnehmer folgende Soft- und Hardware … (im Folgenden: der Nutzungsgegenstand). a) Software monatliche Vergütung Euro … b) Hardware monatliche Vergütung Euro … c) Laserdrucker monatliche Vergütung Euro … d) … monatliche Vergütung Euro … (2) Für die Nutzung dieses Systems zahlt der Auftragnehmer ab Übergabe des Systems jeweils bis zum 5. des laufenden Monats eine monatliche Vergütung in Höhe von Euro …, ggf. zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer. (3) Weitere Materialkosten sowie die Betriebs-/Betreiberkosten trägt der Auftraggeber. Die Vergütung ist jeweils am ersten Werktag eines Monats im Voraus fällig. (4) Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, die Gegenstände gemäß Absatz 1 zu nutzen.

§ 2 Pflichten des Auftragnehmers (1) Der Auftragnehmer hat den Nutzungsgegenstand von Eingriffen Dritter oder sonstigen Belastungen (zB Pfandrechten) jeglicher Art freizuhalten. Er hat dem Auftraggeber den etwaigen Zugriff Dritter unverzüglich schriftlich und unter Erteilung aller erforderlichen Auskünfte anzuzeigen. Er trägt die erforderlichen Kosten für alle Maßnahmen zur Abwehr des Zugriffs Dritter, es sei denn, er hat den Zugriff Dritter nicht zu vertreten. (2) Kopien der Software oder Dokumentationen der Hard- und Software, in welcher Form auch immer, darf der Auftragnehmer nicht an Dritte weitergeben oder Dritten zugänglich machen. (3) Der Auftragnehmer wird für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen gemäß Absatz 1 und 2 eine Vertragsstrafe in Höhe von Euro … an den Auftraggeber zahlen, höchstens jedoch Euro …2

§ 3 Pflichten des Auftraggebers (1) Der Auftraggeber führt während der Vertragslaufzeit die notwendigen Instandsetzungsarbeiten/ Funktionsprüfungen durch. Die Kosten sind von der monatlichen Nutzungsvergütung gemäß § 1 Abs. 2 abgedeckt.

1 Vgl. M 9.1.3, § 3 Abs. 6. 2 Allgemein zur Vertragsstrafe Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff., M 25.1 m. Anm. sowie Diller, NZA 2008, 574.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(2) Der Auftragnehmer wird alle Störungen unverzüglich mitteilen. Der Auftraggeber wird auftretende Störungen unverzüglich nach Mitteilung des Auftragnehmers beheben. (3) Den Mitarbeitern des Auftraggebers oder von ihm beauftragten Dritten wird für die in diesem § 3 aufgeführten Tätigkeiten der Zugang zu den Geräten ermöglicht. (4) Kosten für Diagnose- und Instandsetzungsarbeiten, die aus vom Auftragnehmer zu vertretenden Gründen erforderlich werden (u.a. unsachgemäße Bedienung), trägt der Auftragnehmer.

§ 4 Ausschluss von Schadensersatzansprüchen (1) Schadensersatzansprüche gleich aus welchen Rechtsgründen gegen den Auftraggeber sind ausgeschlossen, sofern sich aus Nachstehendem nichts anderes ergibt. Dies gilt insbesondere für Schäden, die nicht selbst an dem Nutzungsgegenstand entstehen, insbesondere für entgangenen Gewinn und sonstige Vermögensschäden. (2) Der Auftraggeber haftet jedoch, wenn die Schadensursache auf Verschulden seiner Geschäftsleitung oder der leitenden Angestellten oder auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit seiner sonstigen Erfüllungsgehilfen oder auf dem Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft beruht. Im Falle grober und einfacher Fahrlässigkeit haftet der Auftraggeber nur auf den vorhersehbaren Schaden. evtl.3 (2) Nicht ausgeschlossen ist eine Haftung des Auftraggebers, seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit sowie bei Schäden, die aus der fahrlässigen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit resultieren. (3) Vorstehende Haftungsregelung gilt für alle Ansprüche auf Schadensersatz, ausgenommen solche Ansprüche des Auftraggebers, die auf dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) beruhen.

§ 5 Vertragsdauer und Pflichten bei Vertragsbeendigung (1) Der Mietvertrag wird für die Dauer von … Jahren geschlossen, beginnend mit dem Tag der Betriebsbereitschaft. Er verlängert sich automatisch um jeweils … Monate, wenn er nicht zuvor unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich oder per Fax gekündigt wird. Der Vertrag endet spätestens mit Beendigung des in der Erläuterung genannten Werkvertrages zwischen den Parteien. (2) Mit dem Ende der Vertragslaufzeit gibt der Auftragnehmer alle bei ihm befindlichen Datensicherungen/Speichermedien sowie alle ihm überlassenen Gegenstände an den Auftraggeber zurück. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. oder Ein Zurückbehaltungsrecht kann nur geltend gemacht werden, soweit der Gegenanspruch auf demselben Vertragsverhältnis beruht.4 3 Zwar gilt § 309 Nr. 7 BGB zwischen Unternehmern aufgrund § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht. Allerdings bestimmt § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass die Wertungen über § 307 BGB auch dort Gültigkeit haben können, vgl. BGH v. 10.9.2014 – XII ZR 56/11, NJW 2014, 3722, Rz. 32; v. 19.9.2007 – VIII ZR 141/06, NJW 2007, 3774, Rz. 12 (Indizwirkung der Verbote auch im unternehmerischen Verkehr). Dementsprechend sollte bei diese Klausel gegenüber einem Auftragnehmer, dessen Position der eines Verbrauchers, § 14 BGB, nahekommt (das soll bei wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Auftraggeber in Betracht kommen, MüKoBGB/Basedow, 7. Aufl. 2016, § 310 BGB Rz. 7 f.), an die Bestimmungen des § 309 Nr. 7 BGB angepasst werden. Für verbrauchernahe Verträge daher das nachstehende Klauselangebot. 4 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen ist grundsätzlich wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam, zum Arbeitsverhältnis vgl. Kap. 2 Rz. 72. Im unternehmerischen Verkehr ist ein formularmäßiger Ausschluss zwar grundsätzlich wirksam, vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB (dazu MüKoBGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 20). Zum Teil wird aber angedeutet, dass er wegen § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB und der ggf. zu übernehmenden Wertung des § 309 Nr. 2b BGB auch dort unwirksam sein könnte (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 16). Höchstrichterliche Rspr. mit diesem Ergebnis liegt aber soweit ersichtlich nicht vor. Der Ausschluss könnte zwar individualvertraglich vereinbart werden, was aber in der Praxis häufig keine Option ist. Selbst für Verträge mit Verbrauchern kann das Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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§ 6 Schlussbestimmungen (1) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.5 (2) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hierdurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.6 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Auftraggeber)

… (Auftragnehmer)

demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 15; dazu Kap. 2 Rz. 72), das gilt im unternehmerischen Verkehr erst recht. 5 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a, Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für Werkunternehmer nicht. 6 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

M 9.1.5

Vertrag mit einem Interimsmanager

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Firma) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Interimsmanager) wird Folgendes1 vereinbart:2

§ 1 Gegenstand der Vereinbarung3 (1) Der Interimsmanager erbringt für die Firma die unter § 2 näher bezeichnete Dienstleistung.4 1 Vertragsmuster in Anlehnung an Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482. 2 Diesem Muster liegt ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Unternehmen und Interimsmanager zugrunde. Zu Alternativen s. Rz. 22. 3 Zu Beteiligungsrechten des Betriebsrates beim Einsatz von Interimsmanagern Oltmanns/Fuhlrott, DB 2016, 591. 4 Wird der Interimsmanager, anders als im Muster, als Geschäftsführer bestellt, besteht einer erhebliches Risiko einer abhängigen Beschäftigung: Das BSG geht in st. Rspr. davon aus, dass Fremdgeschäftsführer, also Geschäftsführer ohne Gesellschaftsanteile, in der Regel in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis iSv § 7 SGB IV stehen (vgl. nur BSG v. 29.8.2012 – B 12 R 14/10 R, BeckRS 2013, 66534; vgl. auch LSG Bayern v. 20.10.2016 – L 7 R 920/15, BeckRS 2016, 74110). Grund hierfür ist, dass ein Fremdgeschäftsführer grundsätzlich an die Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden ist, ohne dass er auf diese von ihm zu vollziehenden Beschlüsse der Gesellschaft einen unmittelbaren Einfluss hat. Der Vertrag enthält zwar eine ganze Reihe von Indizien gegen eine abhängige Beschäftigung – Freiheit zur Tätigkeit für andere Auftraggeber, Freiheit beim Einsatz Dritter, freie Wahl von Ort, Zeit und Art der Durchführung der Tätigkeit, Einschränkung des Weisungsrechtes. In jedem Fall ist zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung aber ein Verfahren nach § 7a SGB IV dringend anzuraten.

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M 9.1.5

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(2) Die Parteien sind sich darüber einig, dass dieser Vertrag kein Arbeitsverhältnis begründet, sondern als Dienstleistungsvertrag durchgeführt wird. Dies geschieht auf ausdrücklichen Wunsch des Interimsmanagers. (3) Der Interimsmanager ist frei darin, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein, solange dies seine Leistungsfähigkeit gegenüber der Firma nicht beeinträchtigt.

§ 2 Aufgabengebiet und Leistungsumfang (1) Die Dienstleistung des Interimsmanagers umfasst im Einzelnen: …5 (2) Der Interimsmanager ist vorbehaltlich konkret projektbezogener Vorgaben der Projektmanager nicht an Weisungen der Firma gebunden. Er ist bei der Durchführung der Geschäfte an die Gesetze, diesen Vertrag sowie den Gesellschaftsvertrag und die Geschäftsordnung für die Gesellschafter in der jeweils gültigen Fassung gebunden und hat die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes6 zu führen. (3) Der Interimsmanager ist in der Wahl von Ort, Zeit und Art der Durchführung seiner Tätigkeit frei.7 (4) Sofern der Interimsmanager an der Auftragserfüllung gehindert sein sollte, wird er die Firma rechtzeitig vorher darüber informieren. evtl. (5) Der Interimsmanager kann sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben auch anderer Personen bedienen.8 Er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Leistungen gegenüber der Firma verantwortlich.9

§ 3 Vergütung und Rechnungsstellung (1) Der Interimsmanager erhält eine Pauschalvergütung von Euro … Diese ist innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf der Vertragslaufzeit zu zahlen. (2) Der Auftragnehmer kommt selbst für seine soziale Absicherung auf und führt die erforderlichen Steuern und Sozialabgaben ab. Dies ist bei der Berechnung der Vergütung einkalkuliert.

5 Um kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen, ist darauf zu achten, dass der Interimsmanager im Wesentlichen selbständig und weisungsfrei agieren kann. Die Führungsaufgaben sollten im Vertrag klar definiert sein. Eine selbständige Beschäftigung liegt nahe, wenn sich das Aufgabengebiet des Interimsmanagers auf Projektarbeit außerhalb des Tagesgeschäftes beschränkt, zB Restrukturierungsmaßnahmen, Börsengänge, Unternehmenstransaktionen oder spezifische Produkteinführung. Eher für eine abhängige Beschäftigung spricht demgegenüber der Einsatz des Interimsmanagers im aktuellen Tagesgeschäft zur Überbrückung von personellen Engpässen. Vgl. Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 573; Dahl, DB 2005, 1738, 1740; Mehnert, AuA 2013, 14 (Sonderausgabe); Velten, ArbR 2013, 190. 6 Zu diesem Maßstab vgl. etwa OLG Koblenz v. 12.5.1999 – 1 U 1649/97, NJW-RR 2000, 483. 7 Ein deutliches Indiz für eine abhängige Beschäftigung wäre es, wenn die Firma den zeitlichen oder örtlichen Rahmen der Arbeitsleistung des Interimsmanagers einseitig festlegen könnte. Das sollte daher möglichst unterbleiben. Werden trotzdem Zeitvorgaben vereinbart, sollten diese sich möglichst von der für ein Arbeitsverhältnis typischen 40-Stunden-Woche unterscheiden, indem sie deutlich darunter oder – bei Einsatz eigener Mitarbeiter des Interimsmanagers – auch deutlich darüber liegen. Die Vereinbarung, Termine einzuhalten oder bei Besprechungen anwesend zu sein, schadet demgegenüber wohl nicht (Dahl, DB 2005, 1738, 1740). 8 Anders als M 9.1.1, M 9.1.2 und M 9.1.3 enthält dieser Vertrag an dieser Stelle keinen Vorbehalt für eine Mindestlohnklausel und im weiteren Muster keine solche Klausel. Der Grund liegt darin, dass der Einsatz eigener Mitarbeiter unterhalb des Mindestlohns bei Einsatz eines Interimsmanagers die klare Ausnahme darstellt, so dass das Risiko überschaubar sein dürfte. Sollte gleichwohl eine entsprechende Absicherung gewollt sein, müsste man sich an M 9.1.1, § 3 iVm. §§ 9, 10 orientieren. 9 Die Befugnis, eigene Hilfspersonen einzusetzen, ist ein Indiz gegen eine abhängige Beschäftigung (vgl. Rz. 9 mwN).

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.5

(3) Dem Interimsmanager stehen keine Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche zu. oder (1) Der Interimsmanager erhält für seine Tätigkeit eine Tagespauschale von Euro … evtl. Die Parteien gehen dabei von einer durchschnittlichen Tätigkeit von … Stunden pro Tag aus.10 Das Honorar wird der Interimsmanager jeweils bis zum … eines Monats für den vorangegangenen Monat in Rechnung stellen. Die Zahlung der Vergütung erfolgt zehn Tage nach Rechnungseingang. (2) Soweit der Interimsmanager mehrwertsteuerpflichtig ist, ist die Vergütung jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Mehrwertsteuer ist auf der Rechnung gesondert auszuweisen. (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des Interimsmanagers abgegolten. oder (3) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des Interimsmanagers abgegolten. Dies gilt nicht für Reisekosten und Reisespesen, die durch die Erfüllung der Aufgaben veranlasst sind. Für Reisen mit dem eigenen Pkw zahlt die Firma insoweit pauschal Euro … pro gefahrenem Kilometer, für Bahnreisen werden die nachgewiesenen Kosten zweiter Klasse erstattet.

§ 4 Vertragsdauer und Kündigung (1) Dieser Vertrag ist befristet und endet zum … (2) Er kann von beiden Seiten mit einer Frist von … zum Monatsende gekündigt werden, frühestens jedoch zum … . Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt. (3) Jede Kündigung bedarf der Schriftform.

§ 5 Herausgabe von Unterlagen11 (1) Der Interimsmanager hat auf Verlangen der Firma, spätestens aber beim Ausscheiden, alle in seinem Besitz befindlichen Gegenstände, Firmenunterlagen nebst Abschriften oder Ablichtungen einschließlich der Kundenkartei herauszugeben. (2) Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. oder (2) Ein Zurückbehaltungsrecht kann nur geltend gemacht werden, soweit der Gegenanspruch auf demselben Vertragsverhältnis beruht.12

10 Die Vereinbarung eines Stundenhonorars würde demgegenüber eher ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nahelegen und sollte daher vermieden werden. 11 Auch während der Laufzeit des Vertrages darf der Interimsmanager keine Kopien von Firmenunterlagen zu privaten Zwecken anfertigen, um sich gegen mögliche spätere Vorwürfe angemessen verteidigen zu können. Ein solches Verhalten könnte ggf. den Auftraggeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigen (Tauth/Roeder, BB 2013, 1333 mwN). 12 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen ist grundsätzlich wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam, zum Arbeitsverhältnis vgl. Kap. 2 Rz. 72. Im unternehmerischen Verkehr ist ein formularmäßiger Ausschluss zwar grundsätzlich wirksam, vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB (dazu MüKoBGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 20). Zum Teil wird aber angedeutet, dass er wegen § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB und der ggf. zu übernehmenden Wertung des § 309 Nr. 2b BGB auch dort unwirksam sein könnte (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 16). Höchstrichterliche Rspr. mit diesem Ergebnis liegt aber soweit ersichtlich nicht vor. Der Ausschluss könnte zwar individualvertraglich vereinbart werden, was aber in der Praxis häufig keine Option ist. Selbst für Verträge mit Verbrauchern kann das Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 15; dazu Kap. 2 Rz. 72), das gilt im unternehmerischen Verkehr erst recht.

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M 9.1.5

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

§ 6 Verschwiegenheit (1) Der Interimsmanager wird über alle ihm bekannt gewordenen oder bekannt werdenden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Firma Stillschweigen bewahren. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. (2) Die Firma wird dem Interimsmanager von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden im Hinblick auf solche Informationen, zu deren Offenlegung der Interimsmanager gesetzlich verpflichtet ist.

§ 7 Datengeheimnis (1) Es ist dem Interimsmanager gemäß § 5 BDSG untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu erheben, verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen. Die Verpflichtung des Interimsmanagers auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 oder § 44 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. (2) Sofern sich der Interimsmanager bei der Erfüllung seiner Aufgaben einer anderen Person bedient, hat diese ebenfalls eine Erklärung nach dem Bundesdatenschutzgesetz gemäß Absatz 1 (dazu Anlage …) abzugeben. Der Interimsmanager ist dafür verantwortlich, dass diese Erklärung unterzeichnet wird. Er hat die entsprechende Erklärung des Erfüllungsgehilfen unverzüglich der Firma zuzuleiten.

§ 8 Wettbewerbsverbot (1) Für die Dauer der Laufzeit dieses Vertrages ist es dem Interimsmanager untersagt, ohne Genehmigung der Firma für ein mit der Firma im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig zu werden, ein solches zu gründen oder sich an einem solchen zu beteiligen. (2) Folgende Tätigkeiten des Interimsmanagers sind genehmigt: … [evtl. (3) Vertragsstrafe [s. M 9.1.1, § 7 (3) sowie M 25.1 mwN]

§ 9 Haftung und Gewährleistung13 (1) Der Interimsmanager wird geeignete Haftpflichtversicherungen schließen und insofern Nachweise binnen eines Monats nach Abschluss dieses Vertrages bei der Firma einreichen.14 Durch die Versicherungen müssen alle direkten und indirekten Schäden abgedeckt werden, die durch die Tätigkeit des Interimsmanagers im Rahmen seiner Vertragspflichten entstehen können. Dies umfasst Vermögens, Sach- und Personenschäden, die der Firma und/oder Kunden aufgrund nicht ordnungsgemäßer Erfüllung dieses Vertrages entstehen können. (2) Bedient sich der Interimsmanager bei der Erfüllung seiner Aufgaben anderer Personen, hat er dafür Sorge zu tragen, dass diese von den entsprechenden Versicherungen umfasst sind. (3) Reicht der Interimsmanager die Versicherungsnachweise nicht fristgemäß ein, ist die Firma berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von … Wochen zu kündigen.

13 Eine Regulierung der Haftungsrisiken spielt in der vertraglichen Ausgestaltung eine wichtige Rolle. Denn Haftungsrisiken können vertraglich nur bedingt ausgeschlossen werden, so dass die versicherungsrechtliche Regulierung in den Vordergrund rückt (Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482, 1484.). Diese Klausel orientiert sich am Vorschlag von Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482, 1485; s. auch Schaub/Siebert, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Aufl. 2015, 2. Teil, S. 170 f. 14 Im Regelfall wird dies eine Betriebshaftpflichtversicherung und eine Vermögensschadensversicherung umfassen; bei Übernahme einer Führungsposition beim Kunden ggf. auch eine D&O-Versicherung (Buschbaum/Klösel, NJW 2012, 1482, 1484).

Lingemann

411

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.1.6

§ 10 Ausschlussfristen Alle Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von …/sechs Monaten15 ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

§ 11 Schlussbestimmungen (1) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als ungültig oder unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer ungültigen oder unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame, gültige und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.16 (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.17 (3) Gerichtsstand ist … … (Ort, Datum) … (Firma)

… (Ort, Datum) … (Interimsmanager)

15 Eine zu kurze Frist würde die Klausel unwirksam machen. In der arbeitsgerichtlichen Rspr. sind als Untergrenze drei Monate anerkannt (BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111, 1114 (unter d)). 16 S. M 3.1, § 26 m. Anm. 17 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a, Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für den Interimsmanager nicht.

M 9.1.6

Statusklage wegen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses (Scheinselbständigkeit)

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1 Bei der Klage auf Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft (bzw. des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses) fallen Begründetheit der Klage und Zulässigkeit des Rechtswegs zur Arbeitsgerichtsbarkeit nach §§ 2, 5 ArbGG zusammen. In diesen sog. „sic-non-Fällen“ findet eine Prüfung des Rechtswegs auf der Zulässigkeitsebene nicht statt, wenn der Kläger schlüssig das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses behauptet. Vielmehr hat in solchen Fällen das Arbeitsgericht ohne weitere Prüfung von der Zulässigkeit des Rechtswegs auszugehen und unmittelbar in die Prüfung der Begründetheit der Klage einzutreten. Deshalb machen Anträge des Bekl. auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht keinen Sinn (BAG v. 22.10.2014, NZA 2015, 60, Rz. 21; v. 22.6.1977, AP Nr. 22 zu § 611 BGB Abhängigkeit; v. 9.10.1996, AP Nr. 2 zu § 2 ArbGG Zuständigkeitsprüfung; dazu auch ErfK/Koch, 16. Aufl. 2016, § 2 ArbGG Rz. 36 f.). Wird unmittelbar über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gestritten, ergibt sich die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten auch aus § 2 Nr. 3b ArbGG. 2 Vgl. M 101.1 und M 101.2.

412 Lingemann/Diller

M 9.2

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

Es wird festgestellt,3 dass zwischen den Parteien gemäß Vertrag vom … ein Arbeitsverhältnis4 besteht.

Begründung: Der Kl. hat mit der Bekl. am … einen Vertrag als „selbständiger Frachtführer“ geschlossen. Gegenstand des Vertragsverhältnisses war die Durchführung von Transportleistungen für die Bekl. Beweis: Vertrag vom …, Anlage K 1 Bei dem Vertragsverhältnis handelt es sich um eine klassische Scheinselbständigkeit, der Kl. ist in Wahrheit Arbeitnehmer. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertragsverhältnisses an, sondern auf die tatsächliche Durchführung.5 Im vorliegenden Fall deuten alle Indizien darauf hin, dass ein Arbeitsverhältnis vorlag. Insbesondere unterlag der Kl. schon nach dem Wortlaut des Vertrages vom … folgenden Bedingungen und Einschränkungen: – Der Kl. erhielt eine feste Vergütung von Euro … monatlich, er wurde also nicht in Abhängigkeit von den erbrachten Transportleistungen bezahlt; – der Kl. konnte nicht irgendeinen beliebigen Pkw nutzen, vielmehr hatte er ein bestimmtes Fahrzeug von der Bekl. zu leasen; – der Kl. hatte jeden Morgen pünktlich um 6.00 Uhr an der Verladerampe der Bekl. zu erscheinen und bis 17.00 Uhr „im Dienst“ zu bleiben, anderenfalls drohte ihm eine Vertragsstrafe; – dem Kl. war es untersagt, für Konkurrenzunternehmen der Bekl. tätig zu werden; – der Kl. musste sich jede Freizeit vorab von der Bekl. genehmigen lassen, ihm wurden 25 Tage Urlaub pro Jahr zugebilligt; – der Kl. hatte alle Aufträge persönlich auszuführen, die Einschaltung von Subunternehmern oder eigenen Mitarbeitern war ihm untersagt; – der Kl. war verpflichtet, die ihm von der Bekl. zugewiesenen Transportleistungen auszuführen; ein Recht, Aufträge abzulehnen, hatte er nicht. Der Kl. hat mit Schreiben des Unterzeichners vom … die Bekl. um Bestätigung gebeten, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Beweis: Schreiben des Unterzeichners vom …, Anlage K 2 Auf dieses Schreiben reagierte die Bekl. jedoch nicht, so dass Klage geboten ist. … (Unterschrift)6 3 Das Feststellungsinteresse für die „Statusklage“ auf Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist regelmäßig gegeben, da die Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft für eine Vielzahl von Rechten und Pflichten (insbesondere hinsichtlich der Sozialversicherung) entscheidend ist (BAG v. 3.10.1975 [3] und v. 2.6.1976, AP Nr. 15, 16, 17, 20 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Ist dagegen das Vertragsverhältnis bereits beendet, ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob noch ein ausreichendes Feststellungsinteresse besteht. 4 Zu Aufhebungsverträgen mit (Schein-)Selbständigen s. M 23.1a. 5 Vgl. Rz. 7. 6 Richtigerweise bestimmt sich der Streitwert in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 GKG (Vierteljahresbezug), LAG Berlin-Brandenburg v. 12.7.2007 – 17 Ta (Kost) 26186/07.

M 9.2

Beratervertrag

Zwischen der Firma … (im Folgenden: Auftraggeber) Diller/Lingemann

413

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.2

und Herrn/Frau … (im Folgenden: Berater) wird Folgendes vereinbart:1

§ 1 Aufgabengebiet und Leistungsumfang (1) Herr/Frau … wird als Berater den Auftraggeber in allen Fragen der Verkaufsförderung,2 insbesondere … beraten. evtl. Die Leistungen des Beraters umfassen im Einzelnen … (2) Das Vertragsverhältnis wird auf eigenen, ausdrücklichen Wunsch von Herrn/Frau … als freies Beraterverhältnis begründet; insbesondere, um auch anderen Tätigkeiten nachgehen zu können, soweit sie nicht gegen § 5 dieses Vertrages verstoßen.3 Der Berater ist frei darin, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. (3) Der Berater ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes, seiner Arbeitszeit und des Arbeitsablaufes frei. Er verpflichtet sich aber, für den Auftraggeber wöchentlich während … Stunden, maximal … Stunden tätig zu sein.4 evtl. (4) Der Berater verpflichtet sich, höchstpersönlich für den Auftraggeber tätig zu werden.5 (5) Sofern der Berater an der rechtzeitigen Auftragserfüllung gehindert sein sollte, verpflichtet ser sich, dem Auftraggeber unverzüglich darüber schriftlich/per Mail/Fax zu informieren. evtl. (6) Für den Auftraggeber begründet dieser Vertrag keine Verpflichtung, Aufträge zu erteilen. Der Berater ist frei darin, einzelne Aufträge abzulehnen. Die Ablehnung muss binnen … Tagen schriftlich/ per Mail/Fax gegenüber dem Auftraggeber erfolgen.6

1 Vgl. auch Schaub/Siebert, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Aufl. 2015, Muster A 402, S. 177 ff. 2 Damit nicht in der vertraglichen Praxis ein Weisungsrecht entsteht, das dann zu einem Arbeitsverhältnis führt (vgl. Rz. 9), muss der Vertragsgegenstand so präzise wie möglich angegeben werden. 3 Zum Vertragswunsch des Auftragnehmers vgl. Rz. 9, vorletzter Spiegelstrich. Wenn der Vertragswunsch geäußert wurde, sollte er auch festgehalten werden, notfalls auch durch internen Aktenvermerk außerhalb des Vertrages. 4 Die Stundenzahl sollte möglichst von 40 Stunden/Woche – der typischen Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer – entfernt sein. Soweit der Auftragnehmer Dritte einsetzen kann, kann auch eine deutlich darüber liegende Stundenzahl vereinbart werden, die nur unter Einsatz von Dritten durchgeführt werden kann. Ist der Auftragnehmer – wie typischerweise beim Beratervertrag – persönlich tätig, so sollte die Stundenzahl deutlich unter 40 Stunden liegen. 5 Vgl. die Zweifelsregelung in § 613 BGB. Die höchstpersönliche Verpflichtung ist ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und begründet damit ein erhöhtes Risiko hierfür. Daher sollte eine derartige Formulierung nur bei bestehender Notwendigkeit und dann verwendet werden, wenn gleichzeitig starke Indizien für eine selbständige Tätigkeit vorhanden sind. 6 Die persönliche Unabhängigkeit des Auftragnehmer manifestiert sich hier in seiner Freiheit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, die der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis gerade nicht hat. Nach abzulehnender Entscheidung des BSG v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R, juris/BeckRS 2016, 66641, Rz. 19 f. soll dies jedoch kein Indiz mehr für die freie Stellung des Auftragnehmers sein. Die Situation vor Annahme eines Auftrags entspreche derjenigen eines Arbeitssuchenden, dem es ebenfalls freistehe, ihm angebotene Arbeitsgelegenheiten abzulehnen. Es komme daher für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit regelmäßig entscheidend auf die Verhältnisse während der Durchführung der jeweiligen Einzeltätigkeit an. Dabei wird verkannt, dass es auf den Vergleich mit der Situation eines Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis ankommt, der diese Freiheit gerade nicht hat. Hinzu kommt, dass (auch) der Arbeitssuchende ja gerade kein abhängig Beschäftigter ist, Rz. 9.

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M 9.2

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

§ 2 Vergütung (1) Der Berater erhält für seine Tätigkeit ein Stundenhonorar von Euro …, soweit er mehrwertsteuerpflichtig ist, zzgl. Mehrwertsteuer. Das Honorar wird jeweils bis zum … eines Monats für den vorangegangenen Monat abgerechnet. (2) Steuern und Sozialabgaben führt der Berater selbst ab. Ansprüche auf Urlaub und Vergütungsfortzahlung bestehen nicht. (3) Es bestehen keine Ansprüche auf Urlaub und Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall. (4) Mit der Vergütung sind sämtliche Aufwendungen des Beraters abgegolten.

§ 3 Aufwendungsersatz7 (1) Der Auftraggeber ersetzt dem Berater die erforderlichen und nachgewiesenen Aufwendungen für Reisen, Telefon und Porto, die in Ausübung seiner Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehen, bis zu einer Höhe von Euro … monatlich.8 (2) Die Erforderlichkeit von größeren Reisen ist vor Reiseantritt mit dem Auftraggeber abzustimmen. (3) Der Berater wird seine Aufwendungen monatlich, spätestens bis zum … Werktag des nachfolgenden Monats abrechnen.

§ 4 Vertragsdauer und Kündigung (1) Der Berater nimmt die Beratungstätigkeit am … auf. (2) Der Vertrag kann ohne Angabe von Gründen spätestens am 15. eines Monats zum Schluss des Kalendermonats gekündigt werden.9 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. (3) Jede Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

§ 5 Verschwiegenheit und Treuepflicht (1) Der Berater wird über alle ihm bekannt gewordenen oder bekannt werdenden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Auftraggebers Stillschweigen bewahren, soweit er nicht gesetzlich zur Auskunft verpflichtet ist. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. (2) Für die Dauer des Vertrages ist es dem Berater untersagt, für ein mit dem Auftraggeber konkurrierendes oder im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig zu werden, ein solches zu gründen oder sich an einem solchen zu beteiligen. Folgende Tätigkeiten des Beraters sind vom Verbot ausgenommen: …10 evtl. (3) Vertragsstrafe [s. M 9.1.3, § 8 Abs. 2; sowie M 25.1 mwN]

7 Die Stellung von Betriebsmitteln durch den Auftraggeber ist ein Indiz gegen ein freies Vertragsverhältnis. Sie sollte daher möglichst auf den Ersatz von Spesen beschränkt werden. 8 Die Verwendung eines firmeneigenen Kfz ist typischer Bestandteil eines Arbeitsverhältnisses. Dadurch werden auch Betriebsmittel zur Verfügung gestellt. Sie ist vertretbar, soweit andere Indizien gegen ein Arbeitsverhältnis überwiegen. 9 Nach § 621 Nr. 3 BGB kann das Dienstverhältnis am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats gekündigt werden, wenn die Vergütung nach Monaten bemessen ist. Auch wenn im vorliegenden Beispiel auf Stundenbasis abgerechnet wird, empfiehlt sich diese Regelung, vor allem auch im Hinblick auf § 1 Abs. 2 Satz 2 des Musters. 10 Ein generelles Nebentätigkeitsverbot wäre – anders als ein Konkurrenzverbot – ein starkes Indiz für ein Arbeitsverhältnis. Zum Nebentätigkeitsverbot in Arbeitsverhältnissen s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff. sowie unter M 2.1a Ziff. 9.

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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§ 6 Aufbewahrung und Rückgabe von Unterlagen11 (1) Der Berater verpflichtet sich, alle ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen sowie sämtliche selbst angefertigten Schriftstücke oder andere Aufzeichnungen, auch Konzepte, die sich in seinem Besitz befinden und die Angelegenheiten des Auftraggebers betreffen, ordnungsgemäß aufzubewahren, insbesondere dafür zu sorgen, dass Dritte nicht Einsicht nehmen können. (2) Unterlagen und Aufzeichnungen nach Absatz 1 sind während der Dauer des Vertragsverhältnisses auf Anforderung, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses unverzüglich und unaufgefordert dem Auftraggeber zurückzugeben. (3) Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. oder (3) Ein Zurückbehaltungsrecht kann nur geltend gemacht werden, soweit der Gegenanspruch auf demselben Vertragsverhältnis beruht.12

§ 7 Datengeheimnis (1) Es ist dem Berater gemäß § 5 BDSG untersagt, geschützte personenbezogene Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck zu erheben, verarbeiten, bekannt zu geben, zugänglich zu machen oder sonst zu nutzen. Die Verpflichtung des Beraters auf das Datengeheimnis besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit fort. Verstöße können nach § 43 oder § 44 BDSG oder anderer einschlägiger Rechtsvorschriften mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. evtl. (2)13 Sofern sich der Berater eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedient, hat dieser ebenfalls eine Erklärung nach dem Bundesdatenschutzgesetz gemäß Absatz 1 (dazu Anlage …) abzugeben. Der Berater ist dafür verantwortlich, dass diese Erklärung unterzeichnet wird. Er hat die entsprechende Erklärung des Erfüllungsgehilfen unverzüglich dem Auftraggeber zuzuleiten.

§ 8 Schlussbestimmungen (1) Gerichtsstand ist … (2) Sonstige Vereinbarungen bestehen nicht. (3) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.14 (4) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als ungültig oder unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragspar11 Zur Formulierung Schaub/Siebert, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Aufl. 2015, Muster A 402, S. 178. 12 Der uneingeschränkte Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts in Formularverträgen ist grundsätzlich wegen § 309 Nr. 2b BGB unwirksam, zum Arbeitsverhältnis vgl. Kap. 2 Rz. 72. Im unternehmerischen Verkehr ist ein formularmäßiger Ausschluss zwar grundsätzlich wirksam, vgl. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB (dazu MüKoBGB/Wurmnest, 7. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 20). Zum Teil wird aber angedeutet, dass er wegen § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB und der ggf. zu übernehmenden Wertung des § 309 Nr. 2b BGB auch dort unwirksam sein könnte (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 16). Höchstrichterliche Rspr. mit diesem Ergebnis liegt aber soweit ersichtlich nicht vor. Der Ausschluss könnte zwar individualvertraglich vereinbart werden, was aber in der Praxis häufig keine Option ist. Selbst für Verträge mit Verbrauchern kann das Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen werden, wenn der Gegenanspruch nicht auf demselben Vertragsverhältnis beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 309 BGB Rz. 15; dazu Kap. 2 Rz. 72), das gilt im unternehmerischen Verkehr erst recht. 13 Absatz 2 kommt nur in Betracht, wenn entgegen § 1 Abs. 4 der Einsatz Dritter erlaubt ist, bei Verwendung wäre also § 1 Abs. 4 entsprechend anzupassen. 14 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für Berater nicht.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

teien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten Zweck möglichst nahe kommt.15 … (Ort, Datum) … (Firma)

… (Ort, Datum) … (Herr/Frau …)

15 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

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Handelsvertretervertrag

Die Firma … (im Folgenden: der Unternehmer) und Herr/Frau … (im Folgenden: der Handelsvertreter) schließen folgenden

Handelsvertretervertrag1 § 1 Rechtsstellung des Handelsvertreters (1) Der Handelsvertreter wird als selbstständiger2 Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff., 87 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) im Vertragsgebiet … für den Unternehmer tätig.3 (2) Der Handelsvertreter hat keinen Bezirks- oder Kundenschutz. oder – zur Vereinbarung von Kundenschutz4 (2) Der Handelsvertreter hat Kundenschutz nach Maßgabe von § 2 Abs. 4. oder – zur Vereinbarung von Bezirksschutz5 (2) Der Handelsvertreter hat Bezirksschutz für das Vertragsgebiet … 1 Für formularmäßige Handelsvertreterverträge iSv. § 305 BGB gilt insbesondere § 307 BGB. Soweit das Muster daher formularmäßig verwendet werden soll, können einige Regelungen gegen § 307 BGB verstoßen. 2 Zu den Abgrenzungskriterien vgl. BAG v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455, Rz. 19 ff.; v. 15.12.1999 – 5 AZR 169/99, NZA 2000, 1162; v. 15.12.1999 – 5 AZR 3/99, NZA 2000, 534; v. 15.12.1999 – 5 AZR 770/98, NZA 2000, 481; v. 15.12.1999 – 5 AZR 566/98, NZA 2000, 447 und Rz. 9 ff. mwN. Der Regelung der Selbständigkeit im Vertrag kommt nur geringe Indizwirkung zu. 3 Die Verpflichtung zum Tätigwerden muss aufgenommen werden; andernfalls handelt es sich nur um einen Handelsmakler. 4 Wird ein bestimmter Kundenkreis (zB auch eine bestimmte Geschäftssparte) zugewiesen, so hat der Handelsvertreter gem. § 87 Abs. 2 HGB Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen wurden. Eine Einschränkung besteht nur, soweit die Provision dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht, § 87 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 87 Abs. 3 HGB. 5 Hier gilt sinngemäß das zum Kundenschutz Gesagte, vgl. Fn. 4. Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter hier Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirkes während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen wurden. Eine Einschränkung besteht nur, soweit die Provision dem ausgeschiedenen Handelsvertreter zusteht, § 87 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 87 Abs. 3 HGB.

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Kap. 9

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oder – zur Vereinbarung einer Alleinvertretung6 (2) Der Handelsvertreter ist Alleinvertreter für das Vertragsgebiet … nach Maßgabe von § 2 Abs. 4. (3) Der Unternehmer kann das Vertragsgebiet neu regeln. Das Vertragsgebiet kann verkleinert werden. Verliert der Handelsvertreter dadurch Kunden, hat er Anspruch auf Entschädigung gemäß § 89b HGB. Bei Übernahme von einem früheren Handelsvertreter ist zu ergänzen: (4) Der Handelsvertreter übernimmt den Kundenstamm im Vertragsgebiet gemäß der Aufstellung Anlage 1. Diese enthält alle Kunden im Vertragsgebiet und die Umsätze während der vergangenen 12 Monate vor Beginn dieses Vertrages.7

§ 2 Gegenstand der Vertretung (1) Die Vertretung umfasst alle gegenwärtigen und zukünftigen Erzeugnisse und Dienstleistungen des Unternehmers sowie alle sonstigen von dem Unternehmer angebotenen Leistungen im Vertragsgebiet, vorbehaltlich Abs. 2 und 3. (2) Folgende Kunden sind von der Vertretung ausgenommen:8 … in … … in … … in … (3) Folgende Erzeugnisse sind von der Vertretung ausgenommen:9 … … (4) Der Unternehmer darf im Vertragsgebiet auch selbst oder durch andere Beauftragte tätig werden.10 oder – bei Kundenschutz11 (4) Der Handelsvertreter hat Kundenschutz für die in der Anlage 2 genannten Erzeugnisse und a) für Geschäfte mit Kunden, die der Handelsvertreter neu für den Unternehmer wirbt; b) für Kunden, die in der Anlage 3 zu diesem Vertrag verzeichnet sind. Darin sind auch die Umsätze angegeben, die in den letzten zwölf Monaten vor Vertragsbeginn mit ihnen erzielt worden sind.12 Abs. 2 und 3 bleiben unberührt. oder – bei Bezirksvertretung (4) Der Handelsvertreter ist Bezirksvertreter für das Vertragsgebiet. Abs. 2 und 3 bleiben unberührt.

6 Alleinvertretung bedeutet je nach vertraglicher Abrede entweder nur einen Ausschluss von Direktgeschäften des Unternehmers oder ein alleiniges Betätigungsrecht des Vertreters unter Ausschluss auch anderer Handelsvertreter. Im Regelfall ist der Begriff umfassend gemeint, wie im Muster unter § 2 Abs. 4 zur Alleinvertretung auch geregelt. Ein Verstoß gegen das Alleinvertretungsrecht führt zu Schadensersatzansprüchen des Handelsvertreters (vgl. BGH v. 17.4.2002, NJW-RR 2002, 1256 (unter II.1.); BGH v. 30.5.1975, BB 1975, 1409) und gibt ihm ein Recht zur fristlosen Kündigung nach § 89a HGB. 7 Dies erleichtert später die Berechnung des Ausgleichsanspruches, der gem. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB Neukunden umfasst und nach § 89b Abs. 1 Satz 2 HGB wesentliche Erweiterungen der Geschäftsverbindung mit einem bereits bestehenden Kunden. 8 Hier besteht oft ein Interesse des Unternehmens, bestimmte Großkunden ausschließlich selbst zu betreuen. 9 Es kann sinnvoll sein, Produkte, die spezifisches Know-how erfordern, auszunehmen. 10 § 1 Abs. 2 dieses Vertrages – kein Bezirks- oder Kundenschutz. 11 Steht im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 dieses Vertrages – Kundenschutz. 12 Vgl. § 1 Abs. 4 m. Fn. 7.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

oder – bei Alleinvertretung13 (4) Der Unternehmer darf im Vertragsgebiet … nicht selbst oder durch Beauftragte zur Vermittlung oder zum Abschluss von Geschäften tätig sein oder weitere Handelsvertreter bestellen. Abs. 2 und 3 bleiben unberührt.

§ 3 Aufgaben und Befugnisse des Handelsvertreters14 Für den Vermittlungsvertreter: (1) Der Handelsvertreter vermittelt Verkaufs- und …-geschäfte15 für den Unternehmer.16 (2) Er ist nicht zum Abschluss von Geschäften im Namen des Unternehmers und nicht zum Inkasso berechtigt.17 Für den Abschlussvertreter: (1) Der Handelsvertreter ist berechtigt, neben der Vermittlung von Verkaufs- und …-geschäften18 für den Unternehmer, diese auch in dessen Namen und für dessen Rechnung abzuschließen.19 (2) Zum Inkasso ist der Handelsvertreter nicht berechtigt.20 oder – bei Inkassoberechtigung (3) Der Handelsvertreter ist gemäß anliegender Vollmacht zum Inkasso berechtigt und verpflichtet. Dazu wird Folgendes vereinbart: a) Ratenzahlungen sind nur nach Maßgabe anliegender Richtlinie für Ratenkäufe einzuräumen. b) Eingezogene Gelder führt der Handelsvertreter treuhänderisch auf einem von seinem sonstigen Vermögen getrennt zu führenden Sonderkonto. Er führt sie jeweils zum Ende der Woche an den Unternehmer ab. c) Die Inkassoprovision21 beträgt … % der eingezogenen Gelder ausschließlich Mehrwertsteuer. Sie ist zu zahlen jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer, sofern der Handelsvertreter umsatzsteuerpflichtig ist. Für Abrechnung und Fälligkeit gilt § 10 entsprechend. d) Die Inkassovereinbarung kann unabhängig von dem Handelsvertretervertrag mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.22 (4) Der Handelsvertreter ist berechtigt, seine Aufgaben auch durch Hilfspersonen, Untervertreter oder Reisende zu erfüllen. Er ist nicht zur höchstpersönlichen Leistung verpflichtet.23 (5) Im Falle der Untervertretung hat der Handelsvertreter jedoch sicherzustellen, dass die Tätigkeiten mit derselben Sorgfalt erfüllt werden wie durch den Handelsvertreter. In jedem Fall ist ausschließlich der Handelsvertreter für die ordnungsgemäße Erfüllung der übertragenen Aufgaben ge13 Steht im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 dieses Vertrages – Alleinvertretung. 14 Wegen § 84 Abs. 2 HGB, vgl. dazu Rz. 25 und 9, sollte darauf geachtet werden, dass der Handelsvertreter nicht zu eng an den Auftraggeber gebunden wird, damit er seine Selbständigkeit behält und nicht als Arbeitnehmer angesehen wird. 15 Auch Dienstleistungen können durch Handelsvertretungen vermittelt werden, s. Rz. 27. 16 Vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB. 17 Die Inkassoberechtigung und -verpflichtung bedarf gesonderter Vereinbarung (§ 55 Abs. 3, Abs. 1 HGB). Als solche gehört sie gleichfalls zum Pflichtenkreis des Handelsvertreters, das Interesse des Unternehmens gem. § 86 Abs. 1 HGB wahrzunehmen. 18 Auch Dienstleistungen können durch Handelsvertretungen vermittelt werden, s. Rz. 27. 19 Vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HGB. 20 Die Inkassoberechtigung und -verpflichtung bedarf gesonderter Vereinbarung (§ 55 Abs. 3, Abs. 1 HGB). Als solche gehört sie gleichfalls zum Pflichtenkreis des Handelsvertreters, das Interesse des Unternehmens gem. § 86 Abs. 1 HGB wahrzunehmen. 21 Bei Inkassoberechtigung hat der Handelsvertreter Anspruch auf Inkassoprovision, vgl. § 87 Abs. 4 HGB. 22 Durch diese Regelung kann das Vertragsverhältnis auch ohne Inkassoberechtigung fortgeführt werden. 23 Die Berechtigung zum Einsatz Dritter ist ein Indiz gegen ein Arbeitsverhältnis. Ein Zustimmungsvorbehalt, zB „Der Handelsvertreter darf Hilfspersonen, Untervertreter oder Reisende nur mit Zustimmung des Unternehmers beschäftigen“, würde dieses jedoch weitgehend entkräften. Daher sollte in jedem Einzelfall genau geprüft werden, ob er trotz des damit verbundenen Risikos wirklich notwendig ist.

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genüber dem Unternehmer voll verantwortlich. Zwischen Unternehmer und Hilfspersonen, Untervertreter oder Reisenden entstehen keine Vertragsbeziehungen. (6) Der Handelsvertreter wird die Geschäftsbedingungen und Preislisten des Unternehmers beachten. Sondervereinbarungen darf er nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Unternehmers treffen.24 (7) Der Handelsvertreter darf nicht Geschäfte auf eigene Rechnung mit den in § 2 Abs. 1 genannten Erzeugnissen, Dienstleistungen und Leistungen abschließen.

§ 4 Pflichten des Unternehmers (1) Der Unternehmer stellt dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen (Muster, Zeichnungen, Preislisten, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Werbedrucksachen, sowie …) unentgeltlich zur Verfügung.25 Sie bleiben Eigentum des Unternehmers und können von ihm jederzeit herausverlangt werden.26 (2) Der Unternehmer hat den Handelsvertreter bei der Ausübung seiner Tätigkeit nach besten Kräften zu unterstützen und ihm stets die erforderlichen Nachrichten und Auskünfte zu geben.27 (3) Der Handelsvertreter erhält Kopien des Schriftwechsels mit Kunden; er ist über Verhandlungen und geplante Geschäfte mit Kunden und Interessenten zu unterrichten.28

§ 5 Pflichten des Handelsvertreters29 (1) Auf Verlangen des Unternehmers hat der Handelsvertreter eine Kundenkartei zu führen. oder (1) Auf Verlangen des Unternehmers hat der Handelsvertreter die ihm bei Vertragsbeginn übergebene Kundenkartei laufend zu vervollständigen. (2) Der Handelsvertreter wird an Informationsveranstaltungen und Vertreterbesprechungen teilnehmen.30 (3) Der Handelsvertreter wird vorhandene und potentielle Kunden regelmäßig besuchen und neue Absatzmöglichkeiten erkunden. (4) Der Handelsvertreter wird den Unternehmer über die wirtschaftliche Entwicklung, die Marktverhältnisse und die Tätigkeit von Wettbewerbsfirmen unterrichten. (5) Der Handelsvertreter wird dem Unternehmer mindestens einmal monatlich berichten und dabei die Geschäftsvermittlungen mitteilen. Auf neu vermittelte Kunden wird er besonders hinweisen. Aus

24 Es ist umstritten, ob dem Handelsvertreter untersagt werden kann, Provisionsbestandteile an den Kunden weiterzugeben, um so einen günstigeren Preis zu vermitteln (vgl. OLG München v. 27.1.2005 – 29 W 1400/04, NJW-RR 2005, 770 mwN). 25 Vgl. § 86a Abs. 1 iVm. Abs. 3 HGB. 26 Soll der freie Status des Handelsvertreters gesichert werden, so sollte der letzte Satz gestrichen werden. Dann sind die Gegenstände jedenfalls bei Vertragsbeendigung herauszugeben. 27 Vgl. § 86a Abs. 2 iVm. Abs. 3 HGB. 28 Vgl. § 86a Abs. 2 iVm. Abs. 3 HGB. 29 Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der Handelsvertreter selbständig, wenn er „im Wesentlichen“ frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dies schließt Weisungen also nicht grundsätzlich aus, da der Handelsvertreter gem. § 86 Abs. 1 HGB auch die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen hat, vgl. Rz. 25 mwN und 9. Sofern aufgrund der Struktur des Handelsvertreterverhältnisses kaum mit Weisungen zu rechnen ist, sollte eine entsprechende Regelung zu Weisungen nicht aufgenommen werden. Sind Weisungen erforderlich, so müssen diese restriktiv praktiziert werden. Eine Regelung „Der Handelsvertreter hat Weisungen des Unternehmers zu beachten. Bei Weisungen des Unternehmers an den Handelsvertreter ist seine Stellung als selbständiger Gewerbetreibender zu berücksichtigen.“ ist vertretbar, aber nicht ohne Risiko. Zu Einzelheiten vgl. auch Hopt, DB 1998, 863 ff.; Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86 HGB Rz. 15 ff. 30 Auch diese Verpflichtung stellt ein – eher leichtes – Indiz für eine abhängige Beschäftigung dar. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob es tatsächlich einer solchen Verpflichtung im Vertrag bedarf.

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den Berichten muss auch hervorgehen, bei welchen Kunden seine Vermittlungstätigkeit erfolglos geblieben ist.31 (6) Der Handelsvertreter wird die Bonität der Kunden prüfen und die Bemühungen des Unternehmers zur Feststellung der Zahlungsfähigkeit unterstützen. Zweifel an der Bonität eines Kunden wird er unverzüglich mitteilen.32 (7) Der Handelsvertreter wird den Unternehmer unterrichten, falls ihm Bedarf nach Erzeugnissen des Unternehmers außerhalb seines Kundenkreises oder seines Warenangebotes bekannt wird.33 (8) Der Handelsvertreter wird auf Wunsch des Unternehmers auf Messen, Verkaufstagungen und Ausstellungen präsent sein.34 (9) Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm während seiner Tätigkeit bekannt werden, wird der Handelsvertreter geheim halten. Dies gilt auch für die Zeit nach Vertragsende.35 Der Handelsvertreter hat dafür zu sorgen, dass diese Geheimhaltungspflichten auch von Mitarbeitern und sonstigen Hilfspersonen des Handelsvertreters eingehalten werden.

§ 6 Delkredere36 (1) Der Handelsvertreter haftet nach gesonderter Vereinbarung [ggf. in Anlage …] für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Kunden in voller Höhe/zu … %.37 Die gesonderte Vereinbarung bedarf der Schriftform.38 (2) In diesen Fällen gelten folgende Bestimmungen: a) Die Kunden, für deren Geschäfte eine Delkrederehaftung übernommen wird, werden in der Vereinbarung genau bezeichnet.39 b) Der Unternehmer übergibt dem Handelsvertreter mit der Provisionsabrechnung eine Aufstellung der Geschäfte des vergangenen Monats, für die der Handelsvertreter die Delkrederehaftung über31 MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 86 HGB Rz. 48. Zur Berichtspflicht vgl. auch OLG Braunschweig v. 30.11.1995 – 2 U 48/95, NJW-RR 1996, 1316. Ergänzend wird zu Auskunftspflichten häufig sinngemäß Folgendes aufgenommen: „Bei Geschäftsanbahnungen wird der Handelsvertreter Kopien der (gesamten) Korrespondenz bzw. Aktenvermerke übermitteln. Stellt der Unternehmer Formulare für die Erstattung von Berichten zur Verfügung, sind diese ausschließlich zu verwenden.“ Die Übermittlung der gesamten Korrespondenz und die Verwendung von Formularen liegt indes in der Nähe zu arbeitsrechtlichen Weisungen und sollte daher im freien Handelsvertreterverhältnis möglichst eingeschränkt werden (vgl. BGH v. 20.1.1964, VersR 1964, 331; v. 24.9.1987, WM 1988, 33; BAG v. 21.1.1966, DB 1966, 546). 32 Auch wenn der Handelsvertreter, anders als beim Delkredere, § 86b HGB, nicht für die Bonität einstehen muss, gehört die Prüfung der Bonität und die Mitteilung von Zweifeln, auch wenn er sie selbst nicht teilt (BGH v. 19.6.1969, BB 1969, 1196, vgl. EBJS/Löwisch, 3. Aufl. 2014, § 86 HGB 39), zur allgemeinen Interessenwahrnehmungspflicht des Handelsvertreters gem. § 86 HGB. 33 Der Handelsvertreter muss zwar den Markt beobachten; eine allgemeine Markt-, Produkt- oder Kundenpflege insbesondere in Form konkreter Werbung obliegt ihm allerdings nicht. 34 Die Präsenzpflicht gefährdet den freien Status des Handelsvertreters, jedenfalls wenn weitere Einschränkungen hinzukommen. 35 Vgl. § 90 HGB. 36 Vgl. § 86b HGB. § 6 des Musters enthält einen Rahmenvertrag für die Übernahme einer Delkrederehaftung jeweils durch gesonderte Vereinbarung. 37 Nach überwiegender Auffassung stellt die Delkredere-Vereinbarung idR eine Form der Bürgschaft dar (Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86b HGB Rz. 6). Je nach Parteiwillen und konkreter Ausgestaltung kann jedoch nach Teilen der Literatur auch eine Schuldübernahme oder ein Garantievertrag vorliegen (Kapp/ Schumacher, EuZW 2008, 167 mwN). 38 Vgl. § 86b Abs. 1 Satz 3 HGB. Der Schriftform bedarf nur die Erklärung des Handelsvertreters, nicht ihre Annahme durch den Unternehmer (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86b HGB, Rz. 5). Seine Unterschrift muss dem Unternehmer im Original vorliegen. 39 In der Vereinbarung muss das bestimmte Geschäft, oder es müssen Geschäfte mit bestimmten Dritten genau bezeichnet werden. Der Handelsvertreter haftet nur, wenn er die Geschäfte selbst vermittelt oder abgeschlossen hat, § 86b Abs. 1 HGB.

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nommen hat. Widerspricht der Handelsvertreter nicht binnen zwei Wochen, ist die Aufstellung für die Parteien bindend. c) Die Delkrederevereinbarung kann unabhängig von dem Handelsvertretervertrag mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden.40 d) Die Delkredereprovision beträgt … % der zugrunde liegenden Forderung. oder Eine Delkrederehaftung des Handelsvertreters ist ausgeschlossen.41

§ 7 Vergütung (1) Der Handelsvertreter erhält für seine Tätigkeit eine Provision nach Maßgabe von § 9.42 oder (1) Der Handelsvertreter erhält eine Vergütung, bestehend aus a) einem monatlichen Fixum in Höhe von Euro … und43 b) einer Provision nach Maßgabe von § 9. (2) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte, die während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen und ausgeführt werden und die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind.44 oder – bei Kundenschutz45 (2) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte gemäß § 2 Abs. 4 (Erst- und Folgegeschäfte). oder – bei Bezirksvertretern46 (2) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision nach Maßgabe von § 9 auch für alle Geschäfte (Erst- und Folgegeschäfte), die der Unternehmer während des Bestehens des Vertragsverhältnisses mit gemäß §§ 1, 2 geschützten Kunden im Vertragsgebiet schließt. (3) Der Handelsvertreter hat keinen Provisionsanspruch für Direktgeschäfte des Unternehmers mit den in § 2 Abs. 2 genannten Kunden und für die in § 2 Abs. 3 genannten Erzeugnisse. (4) Lieferungen von Ersatz- und Reserveteilen sind provisionspflichtig. Dies gilt auch für Montage und ähnliche Leistungen, die im Wesentlichen Arbeitsaufwand sind und dem Kunden gesondert in Rechnung gestellt werden. (5) Der ausgeschiedene Handelsvertreter hat keinen Provisionsanspruch für Geschäftsabschlüsse, die nach Vertragsende zustande kommen, gleichgültig, ob der Geschäftsabschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist oder nicht.47 40 Durch diese Gestaltung kann das Handelsvertreterverhältnis auch ohne Delkrederevereinbarung fortgeführt werden. 41 Nach Auffassung der Europäischen Kommission geht mit der Übernahme des Delkredere-Risikos der Verlust des Handelsvertreterprivilegs im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV einher (Mitteilung der Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen v. 19.5.2010, ABl. Nr. C 130, S. 4–6, Rz. 12–21; krit. Kapp/ Schumacher, EuZW 2008, 167, 168 f.). 42 Zu Provisionsansprüchen nach §§ 87 ff. HGB: Thume, BB 2012, 975. 43 Auch ein existenzsicherndes Fixum kann die Selbständigkeit des Handelsvertreters beeinträchtigen, da sie sein unternehmerisches Risiko als ein Kriterium für die freie Stellung vermindert. Dem Risiko müssen auch unternehmerische Chancen gegenüberstehen. Zu empfehlen ist, ggf. eine höhere rein provisionsabhängige Vergütung zu vereinbaren, wie in der ersten Alternative zu § 7 Abs. 1. Dadurch steigen auch die unternehmerischen Chancen des Handelsvertreters. 44 Vgl. § 87 Abs. 1 HGB. 45 S. § 2 Abs. 2, Abs. 4 jeweils m. Anm. 46 S. § 2 Abs. 2, Abs. 4 jeweils m. Anm. 47 Der Anspruch aus § 87 Abs. 3 HGB aus Nachgeschäften kann wohl nur durch Individualvereinbarung beschränkt oder ausgeschlossen werden, ebenso wie der Anspruch auf Überhangprovision (vgl. BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298; v. 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, WM 1998, 723; v. 11.7.1960,

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(6) Der Handelsvertreter hat keinen Provisionsanspruch für Geschäfte, für die sein Vorgänger Provision verlangen kann.48 (7) Der Handelsvertreter hat keinen Provisionsanspruch, wenn und soweit das Geschäft aus Gründen nicht ausgeführt wurde, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.49 Dies gilt auch, wenn der Kunde ganz oder teilweise nicht zahlt.50 (8) Steht fest, dass der Dritte nicht leistet,51 so entfällt der Anspruch auf Provision; bereits empfangene Beträge sind zurück zu gewähren und werden mit fälligen Provisionsansprüchen verrechnet. Der Nachweis, dass der Dritte nicht leistet, gilt als geführt, wenn eine Auskunftei dem Unternehmer bestätigt, dass nach ihren Unterlagen eine Zwangsvollstreckung voraussichtlich nicht zum Ziel führen wird,52 oder wenn der Unternehmer dies auf andere Weise glaubhaft macht.53 (9) Der Unternehmer ist zur gerichtlichen Geltendmachung oder Vollstreckung einer Forderung gegenüber dem Kunden nur verpflichtet, wenn sie aussichtsreich ist.

§ 8 Entstehung des Provisionsanspruches (1) Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht, wenn und soweit der Kunde den Kaufpreis bezahlt hat.54 (2) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provisionsvorschuss, wenn der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat. Der Vorschuss beträgt … % der Provision, die dem Handelsvertreter für das Geschäft insgesamt zusteht.55

§ 9 Berechnung und Höhe des Provisionsanspruches (1) Die Provision errechnet sich aus dem in Rechnung gestellten Netto-Warenpreis bzw. dem NettoAuftragswert (Wert ohne Mehrwertsteuer). (2) Die Provision beträgt … %.56 oder (2) Die Provision beträgt

48 49

50 51

52 53 54 55 56

BGHZ 33, 92, 94). Eine pauschale Verminderung oder Abbedingung dieses Anspruches auf Überhangprovision ist für Handlungsgehilfen iSd. § 59 Satz 1 HGB in vorformulierten Vertragsbedingungen regelmäßig nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BAG v. 20.2.2008 – 10 AZR 125/07, NZA 2008, 1124). Vgl. § 87 Abs. 2 Satz 2 HGB. Vgl. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB. Zu vertreten hat der Unternehmer die Umstände, auf denen die Nichtausführung des Geschäfts beruht, nicht nur, wenn ihm oder seinen Erfüllungsgehilfen insoweit persönliches Verschulden zur Last fällt, sondern auch dann, wenn diese Umstände dem unternehmerischen oder betrieblichen Risikobereich zuzuordnen sind (BGH v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930, Rz. 13; v. 10.10.2013 – VII ZR 228/12, juris, Rz. 11); die Insolvenz des Unternehmers fällt grds. in dessen Risikosphäre (BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, NJOZ 2008, 2449). Vgl. § 87a Abs. 2 HGB. Gemäß § 87a Abs. 2 HGB muss objektiv feststehen, dass der Dritte nicht leistet. Abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Vertreters sind unwirksam, § 87a Abs. 5 HGB. Die Bestimmung des § 87a Abs. 2 HGB kommt jedoch dann nicht zur Anwendung, wenn die Nichtleistung des Dritten darauf zurückzuführen ist, dass der Unternehmer seinerseits das Geschäft nicht ausführt, oder wenn die Nichtleistung des Dritten auf vom Unternehmer zu vertretenden Gründen beruht (BGH v. 10.10.2013 – VII ZR 228/12, juris, Rz. 11; v. 5.3.2008, NJOZ 2008, 2449). Vgl. Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, S. 62. Zur anderweitigen Glaubhaftmachung kommt zB die Erklärung des Abnehmers selbst in Betracht, zahlungsunfähig zu sein. Vgl. § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB. Vgl. § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB; der Anspruch auf Vorschuss kann gem. § 92b Abs. 1 Satz 3 HGB beim Handelsvertreter im Nebenberuf ausgeschlossen werden. Wird nur eine Gesamtprovision vereinbart, obwohl auch eine Inkassoprovision enthalten ist (vgl. § 3), so ist der Anteil der Inkassoprovision gem. § 87b Abs. 1 HGB in „üblicher Höhe“ zu schätzen. Dies ist insbesondere beim Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB von Bedeutung, da dieser die Inkassoprovision nach § 87 Abs. 4 HGB nicht umfasst (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, § 89b HGB, Rz. 25).

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

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a) für Geschäfte mit Neukunden … % b) für Geschäfte mit übernommenen Altkunden … % c) für Direktgeschäfte des Unternehmers, soweit diese provisionspflichtig sind … %. oder (2) Die Provision beträgt a) für Geschäfte mit Kunden, mit denen im Vorjahr ein Umsatz von mindestens Euro … erzielt worden ist, … %; b) für Geschäfte mit Kunden, mit denen im Vorjahr ein Umsatz von mindestens Euro … erzielt worden ist, … %; c) für Neukunden … %. (3) Gewährte Nachlässe (Skonti, Mengen- und Treuerabatte) sind vom Nettorechnungsbetrag (nicht) abzuziehen. Nebenkosten (zB Fracht, Porto, Zoll, Steuern etc.) sind nur abzuziehen, wenn sie dem Kunden gesondert in Rechnung gestellt sind. (4) Die Provision ist zu zahlen jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer, sofern der Handelsvertreter umsatzsteuerpflichtig ist. (5) Spesen, Aufwendungsersatz oder sonstige Vergütungen des Handelsvertreters sind mit der Provision abgegolten. oder (5) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Spesen und Aufwendungsersatz in folgenden Fällen: … (6) Inkasso- und Delkredereprovisionen nach gesonderter Regelung bleiben unberührt.

§ 10 Abrechnung und Fälligkeit (1) Der Unternehmer hat über die Provision monatlich, spätestens bis zum Ende des folgenden Kalendermonats abzurechnen. Der Provisionsanspruch wird mit der Abrechnung fällig.57 (2) Der Handelsvertreter wird die Durchschrift der Abrechnung prüfen und binnen zwei Wochen nach Zugang etwaige Einwendungen mitteilen.

§ 11 Tätigkeitsunterbrechungen58 (1) Der Handelsvertreter wird den Unternehmer von Tätigkeitsunterbrechungen von mehr als einer Woche unterrichten. Dauert die Unterbrechung länger als zwei Wochen, ist der Unternehmer berechtigt, selbst oder durch Beauftragte tätig zu werden. (2) Der Handelsvertreter ist verpflichtet, geplante Unterbrechungen und deren Termine rechtzeitig dem Unternehmer mitzuteilen. Er wird dafür sorgen, dass während dieser Zeit die Betreuung der Kundschaft sichergestellt ist. evtl.59 (3) Während einer Tätigkeitsunterbrechung nach Abs. 1 oder 2 hat der Handelsvertreter keinen Anspruch auf das anteilige monatliche Fixum gemäß § 7 Abs. 1 lit. a).

§ 12 Vertragsdauer60 (1) Der Vertrag beginnt am …

57 Vgl. § 87a Abs. 4 iVm. § 87c Abs. 1 HGB. 58 Ein Verfahren nach § 7 BUrlG wäre ein klares Indiz für ein Arbeitsverhältnis. Bloße Anzeigepflichten des Handelsvertreters dürften für den freien Status jedoch unschädlich sein. Dies gilt insbesondere, wenn diese – wie im Muster – erst bei Unterbrechungen von mehr als einer Woche einsetzen. 59 Nur wenn entgegen der Anmerkung oben Fn. 6 tatsächlich ein monatliches Fixum vereinbart ist. 60 Für den Vertragshändler s. dazu Mesch, ZVertriebsR 2015, 8; Wauschkuhn/Teichmann, ZVertriebsR 2013, 139.

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Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

(2) Im ersten Jahr der Vertragslaufzeit kann der Vertrag von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat, im zweiten Jahr mit einer Frist von zwei Monaten, im dritten bis fünften Jahr mit einer Frist von drei Monaten, danach mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.61 (3) Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.62 (4) Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. (5) Der Vertrag endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem der Handelsvertreter das 67. Lebensjahr vollendet.

§ 13 Herausgabe von Unterlagen, Zurückbehaltungsrecht (1) Die dem Handelsvertreter gemäß § 4 Abs. 1 überlassenen Unterlagen und die Kundenkartei63 sind innerhalb von zwei Wochen nach dem Vertragsende zurückzugeben. (2) Ein Zurückbehaltungsrecht des Handelsvertreters nach Beendigung des Vertrages besteht nicht; § 88a Abs. 2 HGB bleibt unberührt.

§ 14 Wettbewerb des Handelsvertreters64 (1) Der Handelsvertreter vertritt bei Vertragsbeginn folgende Firmen und/oder übt folgende gewerbliche Tätigkeiten aus: … … … Der Unternehmer ist mit der Weiterführung dieser Tätigkeiten einverstanden. (2) Der Handelsvertreter ist während der Vertragsdauer nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Unternehmers berechtigt, Firmen zu vertreten, die in Absatz 1 nicht genannt sind, und die gleiche oder gleichartige Erzeugnisse herstellen, vertreiben bzw. Leistungen anbieten. Er darf sich an solchen Firmen weder direkt noch indirekt beteiligen oder sie in anderer Weise fördern. Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Unternehmers.65 [evtl. 61 Es handelt sich hier um die Mindestfristen des § 89 Abs. 1 HGB (vgl. Oetker, 4. Aufl. 2015, § 89 HGB Rz. 24). Die Kündigungsfristen können nur einvernehmlich verlängert werden, wobei die Frist für den Unternehmer nicht kürzer sein darf als für den Handelsvertreter (§ 89 Abs. 2 HGB, s. auch schon Rz. 36). Eine zu lange Kündigungsfrist kann jedoch gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein. So erachtete der BGH eine Klausel gegenüber einem Handelsvertreter (im Nebenberuf) als unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 BGB, die nach einer Laufzeit von drei Jahren eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres vorsah (BGH v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111). 62 Vgl. § 89a Abs. 1 HGB. Der Schadensersatzanspruch aus § 89a Abs. 2 HGB wegen einer vom Kündigungsgegner schuldhaft veranlassten fristlosen Kündigung ist zeitlich nicht begrenzt, wenn der Kündigungsgegner auf sein Recht zur ordentlichen Kündigung eines unbefristeten Handelsvertreterverhältnisses verzichtet hat (BGH v. 16.7.2008, NJW 2008, 3436). 63 Kundenlisten, die der Handelsvertreter selbst erstellt hat, muss er dem Unternehmer schon im Rahmen seiner Nachrichtspflicht nach § 86 Abs. 2 HGB zugänglich machen; nach Vertragsende muss er sie herausgeben (vgl. BGH v. 26.2.2009, NJW 2009, 1420, Rz. 18; v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786). Dies gilt erst recht für Kundenlisten, die er vom Unternehmer bei Vertragsbeginn erhalten und während der Vertragslaufzeit fortgeführt hat (vgl. Hopt, Handelsvertreterrecht, § 86a HGB, Rz. 6). 64 Auch ohne besondere Vereinbarung unterliegt der Handelsvertreter während der Vertragslaufzeit aufgrund seiner Interessenwahrnehmungspflicht gem. § 86 Abs. 1 Halbs. 2 HGB einem Wettbewerbsverbot. Nach Vertragsende bedarf dieses gesonderter Vereinbarung (vgl. § 13 Abs. 3 des Musters) nach Maßgabe von § 90a HGB. 65 Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot stellt regelmäßig einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 89a HGB dar (vgl. OLG München v. 4.2.2009, BB 2009, 2002). Im Einzelfall kann eine außerordentliche Kündigung auch noch mehrere Monate nach Kenntniserlangung von dem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot gerechtfertigt sein (BGH v. 29.6.2011 – VIII ZR 212/08, NJW 2011, 3361).

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Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.3

(3) Vertragsstrafe [s. M 9.1.1, § 7 Abs. 3 sowie M 25.1 mwN] (4) Für die Zeit nach Vertragsende gilt folgendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot:66 a) Der Handelsvertreter darf für die Dauer von zwei Jahren67 nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht für ein Konkurrenzunternehmen innerhalb des dem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirks oder Kundenkreises und in Bezug auf die ihm zugewiesenen Gegenstände tätig werden. Er darf sich an einem solchen Unternehmen auch nicht direkt oder indirekt beteiligen, ein solches errichten oder es auf andere Weise fördern. b) Für jeden Fall der schuldhaften68 Zuwiderhandlung hat der Handelsvertreter eine Vertragsstrafe in Höhe von Euro …69 zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterverhältnis),70 wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalgemäße Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Die Vertragsstrafen sind auf insgesamt Euro … begrenzt.71 Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung (zB Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruches auf Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes etc.). c) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Wettbewerbsentschädigung.72 Sie ist monatlich zahlbar und beträgt … %73 der während der letzten 36 Monate – bei kürzerer Vertragsdauer während dieser – durchschnittlich verdienten Vergütung. Ein anderweitiger Erwerb wird entsprechend § 74c HGB auf die Wettbewerbsentschädigung angerechnet.

66 Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot bedarf gem. § 90a HGB der Schriftform und der Aushändigung einer vom Unternehmer unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Handelsvertreter, § 90a Abs. 1 Satz 1 HGB. Es ist darauf zu achten, die verbotenen Tätigkeiten klar und transparent darzustellen, vgl. § 307 Abs. 1 BGB, sonst kann die Klausel unwirksam sein (BGH v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401, Rz. 22). Dazu: Dück, NJW 2016, 368. 67 Vgl. § 90a Abs. 1 Satz 2 HGB. 68 Formularbestimmungen, wonach der Handelsvertreter eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden verwirkt, sind in der Regel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (BGH v. 21.3.2013 – VII ZR 224/12, NJW 2013, 2111, Rz. 23). Nur ausnahmsweise können gewichtige Interessen der Vertragspartei eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe rechtfertigen (vgl. BGH v. 21.3.2013, NJW 2013, 2111, Rz. 23; v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056). 69 Bei der Bemessung der Höhe der Vertragsstrafe ist darauf zu achten, dass die Strafe in einem sachgerechten Verhältnis zur Bedeutung des Vertragsverstoßes für den Verwender steht. Ist die Vertragsstrafe im Formularvertrag zu hoch bemessen, kann sie wegen des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion, § 306 Abs. 2 BGB, nicht über § 343 BGB auf ein angemessenes Maß reduziert werden, sondern ist unwirksam. 70 Die Formulierung dient der vom BAG (v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170) verlangten Abgrenzung zwischen einmaliger und Dauerverletzung (dazu Diller, NZA 2008, 574). 71 Zur Gesamtobergrenze vgl. M 9.1.3, § 9 Abs. 2 m. Anm.; ferner allgemein M 25.1 m. Anm. sowie Diller, NZA 2008, 574. Allgemein zur Vertragsstrafe Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff. 72 Die Verpflichtung zur Entschädigungszahlung gem. § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB gilt auch, wenn sie im Vertrag nicht ausdrücklich festgehalten ist (Hopt, Handelsvertreterrecht, § 90a HGB, Rz. 18). 73 § 90a Abs. 1 Satz 3 verlangt nur eine „angemessene“ Entschädigung. Danach soll eine Abwägung erfolgen zwischen den Nachteilen, die dem Handelsvertreter durch die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes entstehen, und den Vorteilen, die der Unternehmer hieraus zieht (BGH v. 19.12.1974, BGHZ 63, 353, 355 f.; vgl. auch Baumbach/Hopt/Hopt, § 90a HGB Rz. 19).

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M 9.3

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

Kap. 9

§ 15 Verjährung Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren zwei Jahre nach Fälligkeit.74

§ 16 Anwendbares Recht und Gerichtsstandsvereinbarung (1) Die Auslegung und die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag bestimmen sich nach deutschem Recht. Die Niederlassung des Handelsvertreters befindet sich in … (2) Ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist …75 Der Unternehmer behält sich vor, den Handelsvertreter auch an seinem allgemeinen Gerichtsstand zu verklagen.

§ 17 Sonstige Bestimmungen (1) Mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bestehen nicht. Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede.76 (2) §§ 84 ff. HGB gelten ergänzend. (3) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.77 (4) Folgende Anlagen sind wesentlicher Bestandteil dieses Vertrages: bei Regelung gemäß § 1 Abs. 4 – Anlage 1 – Liste der bisherigen Kunden bei Kundenschutz gemäß § 2 Abs. 4 – Anlage 2 – Liste der Erzeugnisse, für die Kundenschutz besteht – Anlage 3 – Liste der Kunden, für die Kundenschutz besteht bei Regelung der gesonderten Delkrederevereinbarung gem. § 6 – Anlage … – Delkrederevereinbarung (5) Die Parteien haben die Schiedsvereinbarung und die Zusatzvereinbarung getroffen, die als Anlage … beigefügt und gesondert unterzeichnet sind. … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Unternehmer)

… (Handelsvertreter)

74 Es gelten die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB, die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gem. § 195 BGB drei Jahre, sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, § 199 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift ist dispositiv (vgl. PWW/Kesseler, § 195 BGB Rz. 2; Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, S. 74), so dass die Verjährungsfrist wie hier vertraglich verkürzt werden kann. 75 Zu den Einschränkungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung vgl. §§ 38 ff. ZPO. 76 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff. sowie AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. S. auch M 2.1a Ziff. 14. Betriebliche Übungen gelten für freie Handelsvertreter nicht. 77 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

Lingemann

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Kap. 9

M 9.4

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

M 9.4

Heimarbeitsvertrag

Zwischen der Firma … (im Folgenden: die Firma) und Herrn/Frau … (im Folgenden: der/die Heimarbeiter/in) wird folgender

Heimarbeitsvertrag1 geschlossen:

§ 1 Art der Heimarbeit Die Firma überträgt dem/der Heimarbeiter/in folgende Arbeiten in Heimarbeit: … oder Die Firma überträgt dem/der Heimarbeiter/in Heimarbeit der Art, wie sie im Betrieb anfällt.

§ 2 Beginn und Ende des Vertrages (1) Der Vertrag beginnt am … (2) Während der sechsmonatigen Probezeit beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen.2 (3) Danach gelten für beide Parteien die gesetzlichen Kündigungsfristen nach dem Heimarbeitsgesetz (HAG).3

§ 3 Vergütung (1) Die Vergütung richtet sich nach der einschlägigen Entgeltregelung gemäß § 17 Abs. 2 HAG und den darauf basierenden Stückentgelten.4 (2) Fehlt eine Regelung nach Absatz 1, so sind die Stückentgelte aus einem Mindeststundenentgelt von Euro … zu berechnen.

§ 4 Abrechnung (1) Die Vergütung umfasst – das reine Arbeitsentgelt, – den Kostenzuschlag, 1 Vgl. Otten, Heim- und Telearbeit, S. 361 ff. 2 Vgl. § 29 Abs. 3 Satz 2 HAG. 3 Vgl. § 29 HAG. Um ein Unterlaufen der sozialen Kündigungsfrist durch Ausgabe einer geringeren Menge an Arbeit zu verhindern, sieht § 29 Abs. 7 HAG für die Dauer der Kündigungsfrist eine Verdienstsicherung zu. Bei deren Berechnung sind das Stückentgelt, der Unkostenzuschlag und der Krankengeldzuschlag, nicht aber Feiertagsgelder zu berücksichtigen. Urlaubszahlungen sind einzubeziehen, soweit dem Heimarbeiter auf seinen Antrag Urlaub gewährt worden ist (BAG v. 11.7.2006 – 9 AZR 516/05, NZA 2007, 1365). 4 Entgeltverzeichnis und Nachweis über die sonstigen Vertragsbedingungen sind gem. § 8 HAG offen auszulegen. Soweit Heimarbeit dem Beschäftigten in die Wohnung oder Betriebsstätte gebracht wird, hat der Auftraggeber dafür zu sorgen, dass das Entgeltverzeichnis zur Einsichtnahme vorgelegt wird, § 8 Abs. 1 Satz 3 HAG. Gemäß § 9 HAG sind den in Heimarbeit Beschäftigten Entgeltbücher auszuhändigen, in die bei jeder Ausgabe und Abnahme von Arbeit ihre Art und ihr Umfang, die Entgelte und die Tage der Ausgabe und der Lieferung einzutragen sind. Anstelle der Entgeltbücher können auch Entgelt- oder Arbeitszettel nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 HAG verwendet werden.

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M 9.4

Kap. 9

Dienstverträge außerhalb des Arbeitsverhältnisses

– den Feiertagszuschlag, – den Zuschlag für die wirtschaftliche Sicherung im Krankheitsfall, – die Urlaubsvergütung (Urlaubsentgelt und etwaiges zusätzliches Urlaubsgeld), – den Transportkostenausgleich sowie – die vermögenswirksamen Leistungen gemäß § 9. (2) Die Heimarbeit wird monatlich nachträglich abgerechnet. (3) Die Vergütung wird zum selben Zeitpunkt wie bei den (Betriebs-)Arbeitern ausgezahlt.

§ 5 Umfang der Heimarbeit5 (1) Der/die Heimarbeiter/in ist nicht verpflichtet, monatlich eine bestimmte Heimarbeitsmenge zu bearbeiten. (2) Die Firma ist nicht verpflichtet, monatlich eine bestimmte Heimarbeitsmenge bereitzustellen. oder (1) Der/die Heimarbeiter/in ist verpflichtet, eine Heimarbeitsmenge zu bearbeiten und abzuliefern, deren Bearbeitungszeit unter Berücksichtigung der Normalleistung … Stunden wöchentlich/monatlich beträgt. (2) Die Firma wird monatlich mindestens eine entsprechende Heimarbeitsmenge bereitstellen. oder – bei geringfügiger Beschäftigung (1) Die monatliche Heimarbeitsmenge wird auf Basis des Stundenentgelts nach der maßgeblichen Entgeltregelung bzw. des auf dieser Basis ermittelten Stückentgelts als Gesamtvergütung die Geringfügigkeitsentgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nicht übersteigen. (2) Bei Bearbeitungsrückständen wird keine Heimarbeitsmenge abgenommen, die im Monat die Grenze gemäß Absatz 1 überschreitet.

§ 6 Steuern Die Firma führt für den/die Heimarbeiter/in Lohnsteuer nach den allgemeinen Regeln ab.6

§ 7 Material- und Produkthandhabung (1) Die Firma wird das Material anliefern und die fertig gestellten Artikel abholen. oder (1) Der/die Heimarbeiter/in wird das zu verarbeitende Material abholen und die fertiggestellten Artikel abliefern. (2) Abholung und Anlieferung gemäß Absatz 1 erfolgen jeweils gleichzeitig montags in der Zeit von … Uhr bis … Uhr. oder (2) Abholung und Anlieferung gemäß Absatz 1 erfolgen jeweils zeitgleich am dritten Arbeitstag eines jeden Monats in der Zeit von … Uhr bis … Uhr.

§ 8 Vermögenswirksame Leistungen Der/die Heimarbeiter/in erhält vermögenswirksame Leistungen nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz in Höhe von monatlich Euro …, sofern er/sie einen entsprechenden Vertrag nachweist.

5 Bei Ausgabe von Heimarbeit an mehrere in Heimarbeit Beschäftigte soll die Arbeitsmenge auf die Beschäftigten gleichmäßig unter Berücksichtigung ihrer und ihrer Mitarbeiter Leistungsfähigkeit verteilt werden, § 11 Abs. 1 HAG. 6 Diese Regelung ist im Grunde entbehrlich, sie dient im Formular zur Abgrenzung gegenüber den Alternativen zur geringfügigen Beschäftigung.

Lingemann

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

§ 9 Ergänzende Bestimmungen Ergänzend gelten die jeweilige Entgeltregelung, das Heimarbeitsgesetz und die gesetzlichen Vorschriften. … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Firma)

… (Heimarbeiter/in)

Kapitel 10 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ 1

II. Muster Anstellungsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher ohne Bezugnahme auf einen Tarifvertrag . . . . M . . 10.1.1 .

_

Arbeitnehmerüberlassung

_ _ _

Anstellungsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . M . . 10.1.2 . Arbeitnehmerüberlassungsvertrag – Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher . . . M . . 10.2 Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 10.3

Literatur: Arbeitnehmerüberlassung allgemein: Bartl/Romanowski, Keine Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen!, NZA 2012, 845; Baeck/Winzer, Aktuelle Entwicklungen im Arbeitsrecht – Aktuelle Problemstellungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, NZG 2013, 251; Bauer/von Medem, § 613a BGB – Übergang von Leiharbeitsverhältnissen bei Übertragung des Entleiherbetriebs?, NZA 2011, 20; Bauschke, Aktuelle Rechtsfragen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, insbesondere seine Anwendung im öffentlichen Dienst, öAT 2014, 181; Böhm, Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie – mit Fragezeichen?!, DB 2011, 473; Boemke/Lembke, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 3. Aufl. 2013; Brors/Schüren, Neue gesetzliche Rahmenbedingungen für den Fremdpersonaleinsatz, NZA 2014, 569; Ebert, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung, ArbRB 2007, 37; Eismann, Lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberpflichten nach Änderung des AÜG, ArbR 2012, 8; Forst, Leiharbeitnehmer beim Betriebsübergang, RdA 2011, 228; Franßen/Haesen, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Loseblatt; Franzen, Neuausrichtung des Drittpersonaleinsatzes – Überlegungen zu den Vorhaben des Koalitionsvertrages, RdA 2015, 141; Freckmann, Freie Arbeit wieder im Trend – Flucht aus der Leiharbeit, DB 2013, 459; Fuhlrott, Die Übernahme von know-how-Trägern ohne Eingehung von Arbeitsverhältnissen als Betriebsübergang, NZA 2013, 183, 186; Gerdom, Neue Spielregeln bei der Personalgestellung, öAT 2011, 150; Greiner, Zwischen Kücük, Albron Catering, Della Rocca und Cartesio, NZA 2014, 284; Hamann, Fremdpersonal im Unternehmen, 4. Aufl. 2011; Hamann, Die Vereinbarkeit der privilegierten Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG mit der Richtlinie Leiharbeit, ZESAR 2012, 103; Hoch, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung, BB 2015, 1717; Huke/Neufeld/Luickhardt, Das neue AÜG: Erste Praxiserfahrungen und Hinweise zum Umgang mit den neuen Regelungen, BB 2012, 961; Kock, Neue Pflichten für Entleiher: Information über freie Stellen und Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten (§ 13a und § 13b AÜG), BB 2012, 323; Krieger/Ampatziadin, Die Reform der Arbeitnehmerüberlassung – Auf was müssen Unternehmen achten?, NJW 2017, 593; Kühn, Der Betriebsübergang bei Leiharbeit, NJW 2011, 1408; Küpperfahrenberg/ Lagardère, Vermittlungsprovisionen für Zeitarbeitsfirmen – „Jobwechsel schwer gemacht?“ – Über die Rechtmäßigkeit von Vermittlungsprovisionen, BB 2012, 2952; Lembke, Neue Rechte von Leiharbeitnehmern gegenüber Entleihern, NZA 2011, 319; Lembke, Gesetzesvorhaben der großen Koalition im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, BB 2014, 1333; Lembke/Fesenmeyer, Abreden über Vermittlungsprovisionen in Arbeitnehmerüberlassungsverträgen, DB 2007, 801; Lembke/Ludwig, Die Leiharbeit im Wechselspiel europäischer und nationaler Regulierung, NJW 2014, 1329; Lipinski, Die Konsequenzen des Zeit-

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

§ 9 Ergänzende Bestimmungen Ergänzend gelten die jeweilige Entgeltregelung, das Heimarbeitsgesetz und die gesetzlichen Vorschriften. … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Firma)

… (Heimarbeiter/in)

Kapitel 10 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ 1

II. Muster Anstellungsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher ohne Bezugnahme auf einen Tarifvertrag . . . . M . . 10.1.1 .

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Arbeitnehmerüberlassung

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Anstellungsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher mit Bezugnahme auf Tarifvertrag . . . . . . . . M . . 10.1.2 . Arbeitnehmerüberlassungsvertrag – Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher . . . M . . 10.2 Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 10.3

Literatur: Arbeitnehmerüberlassung allgemein: Bartl/Romanowski, Keine Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen!, NZA 2012, 845; Baeck/Winzer, Aktuelle Entwicklungen im Arbeitsrecht – Aktuelle Problemstellungen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, NZG 2013, 251; Bauer/von Medem, § 613a BGB – Übergang von Leiharbeitsverhältnissen bei Übertragung des Entleiherbetriebs?, NZA 2011, 20; Bauschke, Aktuelle Rechtsfragen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, insbesondere seine Anwendung im öffentlichen Dienst, öAT 2014, 181; Böhm, Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie – mit Fragezeichen?!, DB 2011, 473; Boemke/Lembke, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 3. Aufl. 2013; Brors/Schüren, Neue gesetzliche Rahmenbedingungen für den Fremdpersonaleinsatz, NZA 2014, 569; Ebert, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung, ArbRB 2007, 37; Eismann, Lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberpflichten nach Änderung des AÜG, ArbR 2012, 8; Forst, Leiharbeitnehmer beim Betriebsübergang, RdA 2011, 228; Franßen/Haesen, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Loseblatt; Franzen, Neuausrichtung des Drittpersonaleinsatzes – Überlegungen zu den Vorhaben des Koalitionsvertrages, RdA 2015, 141; Freckmann, Freie Arbeit wieder im Trend – Flucht aus der Leiharbeit, DB 2013, 459; Fuhlrott, Die Übernahme von know-how-Trägern ohne Eingehung von Arbeitsverhältnissen als Betriebsübergang, NZA 2013, 183, 186; Gerdom, Neue Spielregeln bei der Personalgestellung, öAT 2011, 150; Greiner, Zwischen Kücük, Albron Catering, Della Rocca und Cartesio, NZA 2014, 284; Hamann, Fremdpersonal im Unternehmen, 4. Aufl. 2011; Hamann, Die Vereinbarkeit der privilegierten Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG mit der Richtlinie Leiharbeit, ZESAR 2012, 103; Hoch, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung, BB 2015, 1717; Huke/Neufeld/Luickhardt, Das neue AÜG: Erste Praxiserfahrungen und Hinweise zum Umgang mit den neuen Regelungen, BB 2012, 961; Kock, Neue Pflichten für Entleiher: Information über freie Stellen und Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten (§ 13a und § 13b AÜG), BB 2012, 323; Krieger/Ampatziadin, Die Reform der Arbeitnehmerüberlassung – Auf was müssen Unternehmen achten?, NJW 2017, 593; Kühn, Der Betriebsübergang bei Leiharbeit, NJW 2011, 1408; Küpperfahrenberg/ Lagardère, Vermittlungsprovisionen für Zeitarbeitsfirmen – „Jobwechsel schwer gemacht?“ – Über die Rechtmäßigkeit von Vermittlungsprovisionen, BB 2012, 2952; Lembke, Neue Rechte von Leiharbeitnehmern gegenüber Entleihern, NZA 2011, 319; Lembke, Gesetzesvorhaben der großen Koalition im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, BB 2014, 1333; Lembke/Fesenmeyer, Abreden über Vermittlungsprovisionen in Arbeitnehmerüberlassungsverträgen, DB 2007, 801; Lembke/Ludwig, Die Leiharbeit im Wechselspiel europäischer und nationaler Regulierung, NJW 2014, 1329; Lipinski, Die Konsequenzen des Zeit-

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Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

arbeit-Beschlusses des BAG für die Praxis, NZA 2013, 1245; Löwisch/Domisch, Zur Anwendbarkeit des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auf Personalgestellungen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts, BB 2012, 1408; Oberthür, Die „misslungene“ Unternehmensdienstleistung – Zum Umgang mit (versehentlicher) Kettenüberlassung in der Leiharbeit, ArbRB 2012, 117; Oetter, Anwendung der Leiharbeitsrichtlinie auf Rote-Kreuz-Schwestern, ArbRB 2015, 233; Preis, Der Arbeitsvertrag – Handbuch der Vertragspraxis und -gestaltung, II A 55, 5. Aufl. 2015; Ramstetter/Hartmann, Umdenken bei der Leiharbeit, AuA 2013, 410; Rieble, Zulässigkeit einer Vermittlungsprovision in AGB zwischen Verleiher und Entleiher bei Übernahme eines Arbeitnehmers, LMK 2007, 213195; Rieble/Vielmeier, Umsetzungsdefizite der Leiharbeitsrichtlinie, EuZA 2011, 474; Sandmann/Marschall, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Loseblatt; Schlegel, Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen des CGZP-Beschlusses, NZA 2011, 380; Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Loseblatt; Schüren/Fasholz, Inhouse-Outsourcing und der Diskussionsentwurf zum AÜG – Ein Diskussionsbeitrag, NZA 2015, 1473; Schüren/Hamann, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 5. Aufl. 2012; Seel, Neues AÜG in der Praxis – Eine Übersicht über die wesentlichen „vorübergehend unklaren“ Fragen, öAT 2013, 23; Seel, Neue Spielregeln für die Arbeitnehmerüberlassung – Eine Analyse des Referentenentwurf des AÜG, öAT 2016, 27; Spieler/Pollert, Arbeitnehmerüberlassungsverträge, AuA 2011, 270; Steinheimer/Haeder, Erdbeben in der Zeitarbeitsbranche, NZA Online Aufsatz 4/2012; Thüsing, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – Kommentar, 3. Aufl. 2012; Thüsing, Von der Quadratur einer gesetzlichen Arbeitnehmerdefinition zur Zwangssolidarisierung der Leiharbeitnehmer, NZA 2015, 1478; Thüsing/Pötters, Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Zeitkonten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung, BB 2012, 317; Thüsing/Thieken, Der Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ im neuen AÜG, DB 2012, 347; Timmermann, Die Beweisnot des Arbeitnehmers bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung, BB 2012, 1729; Ulber, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 4. Aufl. 2011; Wiebauer, Zeitarbeit und Arbeitszeit, NZA 2012, 68; Willemsen, Erosion des Arbeitgeberbegriffs nach der Albron-Entscheidung des EuGH? – Betriebsübergang bei gespaltener Arbeitgeberfunktion, NJW 2011, 1546; Ziegelmeyer/Bissels, Terra Incognita: die Abwerbung von Zeitarbeitnehmern am Arbeitsplatz, DB 2015, 1659; Zimmermann, Die neuen Pflichten des Einsatzunternehmen nach der AÜG-Reform 2011, ArbR 2011, 264. Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung/Werkvertrag: Deich, Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag? Was passt am besten?, AuA 2009, 412; Düwell, Überlassung zur Arbeitsleistung – Neues aus Rechtsprechung und Gesetzgebung, DB 2011, 1520; Greiner, Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung – Abgrenzungsfragen und aktuelle Rechtspolitik, NZA 2013, 697; Grimm/Linden, Die Überlassung von Maschinen und Bedienpersonal, ArbRB 2014, 115; Hennecke/Tuengerthal, Werkvertrag: Fiktion, Vermutung und Verfassung, BB 2015, 1269; Köhler, Dauerbrenner Scheinselbstständigkeit und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung, GWR 2014, 28; Lembke, Der Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von freier Mitarbeit, Werkverträgen und Leiharbeit, NZA 2013, 1312; Lipinski/Praß, BAG zu „vorübergehend“ – mehr Fragen als Antworten!, BB 2014, 1465; Maschmann, Fremdpersonaleinsatz im Unternehmen und die Flucht in den Werkvertrag, NZA 2013, 1305; Schindele, Aktuelle Fragestellungen zum Drittpersonaleinsatz (Scheinselbstständigkeit – Werkvertrag – Dienstleister), ArbRAktuell 2015, 363; Schönhöft/Lermen, Der Gemeinschaftsbetrieb im Vergleich zur Arbeitnehmerüberlassung – eine Alternative zur Personalkostensenkung?, BB 2008, 2515; Schüren, Scheinwerk- und Scheindienstverträge mit Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis – Vorschlag zu einer Korrektur des AÜG, NZA 2013, 176; Tuengerthal/Andorfer, Neue Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag ? BB 2016, 1909. Betriebsverfassung/Mitbestimmung: Blanke, Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Leiharbeit, DB 2008, 1153; Böhm, Leiharbeitnehmer: Wahlrecht zum Betriebsrat im Kundenbetrieb?, DB 2006, 104; Düwell/Dahl, Mitbestimmung des Betriebsrats beim Einsatz von Leiharbeitnehmern, NZA-RR 2011, 1; Giesen, Tarifvertragliche Erweiterung von Betriebsratsrechten beim Leiharbeitseinsatz, ZfA 2012, 143; Haas/Hoppe, Neue Spielregeln zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Berechnung der Schwellenwerte im BetrVG?, NZA 2013, 294; Hay/Grüneberg, Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung?!, NZA 2014, 814; Hunold, Die Rechtsprechung zu den Beteiligungsrechten des Entleiher-Betriebsrates bei Einsatz von Leiharbeitnehmern, NZARR 2008, 281; Hunold, § 99 BetrVG: Die Bedeutung der Personalhoheit bei drittbezogenem Personaleinsatz (Werk- und Dienstverträge), NZA-RR 2012, 113; Karthaus/Klebe, Betriebsratsrechte bei Werkverträgen, NZA 2012, 417; Kort, Informationsrechte von Betriebsräten bei Arbeitnehmerüberlassung, DB 2010, 1291; Künzel/Schmid, Wählen ja, zählen nein? Leiharbeitnehmer und Unternehmensmitbestimmung, NZA 2013, 300; Lambrich/Reinhard, Schwellenwerte bei der Unternehmensmitbestimmung – Wann beginnt die Mitbestimmung?, NJW 2014, 2229; Lambrich/Schwab, Betriebsverfassungsrechtliche Fragen beim konzernweiten Personaleinsatz, NZA-RR 2013, 169; Linsenmaier/Kiel, Der Leiharbeitnehmer in der

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Betriebsverfassung – „Zwei-Komponenten-Lehre“ und normzweckorientierte Gesetzesauslegung, RdA 2014, 135; Lunk, Schwellenwerte Leiharbeitnehmer, NZG 2014, 778; Mosig, „Wahlberechtigte“ Leiharbeitnehmer müssen gezählt werden!, NZA 2012, 1411; Rieble, Leiharbeitnehmer zählen doch?, NZA 2012, 485; Seel, § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG als Verbotsgesetz gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, FA 2012, 360; Seel, Rechtsstellung von Leiharbeitnehmern im Betriebsverfassungsrecht – Ein Überblick über die neusten Entwicklungen, MDR 2012, 813; Sieweke, Voraussetzungen und Folgen der missbräuchlichen Ausübung von Mitbestimmungsrechten – Eine Untersuchung am Beispiel der Leiharbeit, NZA 2012, 426; Trebeck, Möglichkeit einer befristeten Zustimmung zur Einstellung im Rahmen des § 99 BetrVG bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern, ArbR 2012, 343; Zimmermann, Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei Schwellenwerten der Betriebsverfassung – Status quo, DB 2014, 2591. Bezugnahmeklauseln: Stoffels/Bieder, AGB-rechtliche Probleme der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf mehrgliederige Zeitarbeitstarifverträge, RdA 2012, 27; Brors, Zweifelhafte Zulässigkeit der gestaffelten individualvertraglichen Verweisung auf die Zeitarbeitstarifverträge der Christlichen Gewerkschaften und des DGB, BB 2006, 101; Lembke/Distler, Die Bezugnahme auf Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche durch Unternehmen mit Mischbetrieben, NZA 2006, 952; Müntefering, Die formularvertragliche Bezugnahme auf Zeitarbeitsverträge, NZA 2015, 711; Schindele/Söhl, Bezugnahmeklauseln auf die Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit, NZA 2014, 1049. Erlaubnispflicht/fiktives Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher: Baeck/Winzer, Drittpersonaleinsatz: Risiko der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Auftraggeber, NZA 2015, 269; Brose, Die Wirkung der vorsorglichen Verleiherlaubnis im AÜG, DB 2014, 1739; Giese/Scheuer, Arbeitnehmerüberlassung – Der Scheinwerkvertrag und die Wirkung der Arbeitnehmerüberlassung „auf Vorrat“, BB 2015, 1461; Francken, Neuregelung der Darlegungs- und Beweislast im Verfahren nach §§ 9, 10 AÜG, NZA 2014, 1064; Hamann/Rudnik, Scheinwerkvertrag mit Überlassungserlaubnis – Ein probates Mittel zur Vermeidung illegaler Arbeitnehmerüberlassung?, NZA 2015, 449; Seier, Zur Wirksamkeit einer vorsorglichen Verleiherlaubnis im AÜG, DB 2015, 494; Ulrici, Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung und Vorratserlaubnis, BB 2015, 1209. Gleichstellungsgebot/Equal Pay/Equal Treatment: Bayreuther, Nachwirkung von Zeitarbeitstarifverträgen im Kontext des Equal Pay/Treatment Gebots des AÜG, BB 2010, 309; Böhm, Lohndumping durch konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung?!, DB 2010, 672; Böhm/Röder/Krieger, Arbeitnehmerüberlassung: Ausweg aus der equal pay-Falle ein Holzweg?, DB 2007, 168; Däubler, Totale Verdrängung von Equal Pay durch Leiharbeitstarife?, DB 2008, 1914; Freckmann/Gallini, Verändert Equal Pay die Leiharbeitsbranche?, BB 2013, 309; Fuchs, Das Gleichbehandlungsgebot in der Leiharbeit nach der neuen Leiharbeitsrichtlinie, NZA 2009, 57; Oberwetter, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Bereich der Personaldienstleistungen, BB 2007, 1109; Riechert, Grenzen tariflicher Abweichung vom Equal PayGrundsatz des AÜG, NZA 2013, 303; Röder/Krieger, Arbeitnehmerüberlassung: Kein Ausweg aus der equal pay-Falle?, DB 2006, 2122; Stoffels, Die Verjährung von Equal-Pay-Ansprüchen, NZA 2011, 1057; Thüsing/Stiebert, Equal Pay in der Arbeitnehmerüberlassung zwischen Unionsrecht und nationalem Recht, ZESAR 2012, 199; Ulber, Wirksamkeit tariflicher Regelungen zur Ungleichbehandlung von Leiharbeitnehmern, NZA 2009, 232; Vielmeier, Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen nach § 13b AÜG, NZA 2012, 535; Zimmer, Der Grundsatz der Gleichbehandlung in der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG und seine Umsetzung ins deutsche Recht, NZA 2013, 289. Haftung: Faust/Rehner, Entleiherhaftung für Sozialversicherungsbeiträge nach dem Einsatz von CGZPTarifbeschäftigten, DB 2013, 874; Lanzinner/Nath, Beitragsrechtliche Folgen der verdeckten Überlassung von Scheinselbstständigen – Teil I, NZS 2015, 210; Legerlotz, Haftung für Mindestlohn bei Beauftragung von Subunternehmen, ArbRB 2011, 29; Plagemann/Brand, Sozialversicherungsbeiträge für nicht erfüllte „Equal pay“-Ansprüche?, NJW 2011, 1488; Ricke, Haftungsbeschränkung nach § 104 SGB VII für „weitere“ Unternehmer – zum Meinungsumschwung des BGH, NZS 2011, 454; Tuengerthal/Geißer, Anspruch der Sozialversicherungsträger in Deutschland bei Fiktion eines Arbeitsverhältnisses, BB 2014, 2874; Schöttler/Müllerleile, Entleiherhaftung auf dem Prüfstand – Auswirkungen des BAG-Beschlusses zur Tarifunfähigkeit der CGZP, BB 2011, 3061; Anton-Dyck/Böhm, Kein Arbeitsschutz für Leiharbeitnehmer – Schutzpflichten von Ver- und Entleihern im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung, ArbRB 2012, 58. Höchstüberlassungsdauer: Brors, „Vorübergehend“, AuR 2013, 108; Giesen, Vorübergehend unklar, FA 2012, 66; Gussen, Der vorübergehend dauerhaft beschäftigte Leiharbeitnehmer, FA 2013, 134; Hamann, „Vorübergehend“ iSd § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG – Regelungsauftrag für den Gesetzgeber, RdA 2014, 271; Happ/van der Most, Die Höchstüberlassungsdauer im AÜG – eine „vorübergehende“ Idee?, BB 2015,

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565; Krannich/Simon, Das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – zur Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 AÜG nF, BB 2012, 1414; Ludwig, Das Problem der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung, BB 2013, 1276; Nießen/Fabritius, Was ist vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung – Das Rätsel weiter ungelöst?, NJW 2014, 263; Niklas/Schauß, Die Arbeitnehmerüberlassung ist endlich – was kommt dann?, BB 2014, 2810; Seel, Dauerarbeitsplatz und dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung, FA 2013, 132; Steinmeyer, Was bedeutet „vorübergehend“? – Die neue Grundsatzfrage des deutschen Arbeitsrechts, DB 2013, 2740; Teusch/Verstege, Vorübergehend unklar – Zustimmungsverweigerungsrechts des Betriebsrats bei Einstellung von Leiharbeitnehmern, NZA 2012, 1326; Thüsing, Vorübergehende und nicht-vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung: Das Rätselraten geht weiter, NZA 2013, 1248; Thüsing, Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung: Neues vom BAG, vom EuGH und auch vom Gesetzgeber, NZA 2014, 10; Thüsing/Stiebert, Zum Begriff „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, DB 2012, 632; Zimmermann, Tatbestandsrätsel „vorübergehend“ – weiter ungelöst, NZS 2015, 528; Zimmermann, Leiharbeitnehmer bei den Eingangsschwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung, BB 2015, 1205. Konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung: Abele, Betriebsübergang und Arbeitnehmerüberlassung im Konzern, FA 2011, 7; Böhm, Änderungen für konzerninterne Personalgestellung durch § 1 AÜG nF, DB 2012, 918; Krieger/Kruchen, Die Drehtürklausel im Konzern – raus, rein, Gehalt hoch?, NZA 2014, 393; Lembke, Arbeitnehmerüberlassung im Konzern, BB 2012, 2497; Schüren, Kostensenkung durch konzerneigene Verleihunternehmen, BB 2007, 2346. Kündigung und Befristung: Brose, Sachgrundlose Befristung und betriebsbedingte Kündigung von Leiharbeitnehmern – Ein unausgewogenes Rechtsprechungskonzept, DB 2008, 1378; Düwell/Dahl, Arbeitnehmerüberlassung und Befristung, NZA 2007, 889; Düwell/Dahl, Leiharbeitnehmer: First in, first out – Vorrang der Beendigung von Leiharbeitsverhältnissen vor betriebsbedingter Kündigung der Stammbelegschaft?, DB 2007, 1699; Lembke, Neues vom EuGH zum Befristungsschutz von Leiharbeitnehmern, NZA 2013, 815; Moll/Ittmann, Betriebsbedingte Kündigung und Leiharbeit, RdA 2008, 321. Mindestentgelt: Deckers, Der Mindestentgeltbegriff in § 1a AEntG, NZA 2008, 321; Düwell, Lohnuntergrenzen bei vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung, DB 2013, 756. Streikbrecherverbot: Bauer/Haußmann, Arbeiten verboten! – Das neue Streikbrecherverbot für Leiharbeitnehmer, NZA 2016, 803; Boemke/Sachadae, Rechtscharakter tariflicher Einsatzverbote für Leiharbeitnehmer in bestreikten Betrieben (sog. Streikklauseln), DB 2015, 1467; Boemke/Sachadae, Tarifliche Einsatzverbote für Leiharbeitnehmer in bestreikten Betrieben – Folgen von Verstößen, BB 2015, 1781. Tarifverträge: Bayreuther, Ausschlussfristen und Verjährung im Umfeld der CGZP-Tarifverträge, DB 2011, 2267; Bayreuther, Tarifzuständigkeit beim Abschluss mehrgliedriger Tarifverträge im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, NZA 2012, 14; Bayreuther, Die Stellung von Leiharbeitnehmern im Einsatzbetrieb nach den jüngsten Tarifabschlüssen in der Zeitarbeitsbranche und der M- und E-Industrie, NZA Beilage 4/2012, 115; Bayreuther, Branchenzuschlagstarifverträge und Geltung kollektivrechtlicher Arbeitsbedingungen des Entleihers im Leiharbeitsverhältnis, BB 2014, 1973; Betz, Verfallklauseln im Arbeitsrecht und deren Auswirkungen auf Equal Pay-Klagen nach Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP, NZA 2013, 350; Bissels, Die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Tarifunfähigkeit der CGZP – das BSG bringt (ein wenig) Licht in das Dunkel, BB 2016, 249; Bissels/Khalil, Die Anwendbarkeit von Tarifverträgen der Zeitarbeit in Mischbetrieben, BB 2013, 315; Bissels/Mehnert, Tarifverträge über Branchenzuschläge in der Zeitarbeit – ein Rechtsprechungsüberblick, DB 2014, 2407; Bissels/Raus, Tarifunfähigkeit der CGZP: Entscheidungen der Landessozialgerichte im einstweiligen Rechtsschutz, BB 2013, 885; Franzen, Tarifzuständigkeit und Tariffähigkeit im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, BB 2009, 1472; Giesen, Neue BAG-Beschlüsse zur Tariffähigkeit der CGZP, FA 2012, 226; Krause, Neue tarifvertragliche Regeln für die Leiharbeit in der Metallindustrie, NZA 2012, 830; Lembke, Der CGZP-Beschluss des BAG vom 14.12.2010 und seine Folgen, NZA-Beilage 2012, 66; Mehnert/Stubbe/Haber, Branchenzuschlagstarifverträge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Zeitarbeit – Regelungen, Anwendungsbereiche, Konkurrenzen, BB 2013, 1269; Nießen/Fabritius, Die neuen Branchenzuschläge in der Zeitarbeit – Auswirkung auf die Praxis, BB 2013, 375; Rieble, CGZP-Tarifunfähigkeit und Vertrauensschutz, BB 2012, 2945; Ruge/von Tiling, Die tarifliche Personalgestellung im öffentlichen Dienst nach der Reform des AÜG, ZTR 2012, 263; Schindele/Söhl, Update: Die Folgen der CGZP-Entscheidung, ArbRAktuell 2013, 535; Schüren, Tarifwidrige Personalkostensenkung für Leiharbeitnehmer durch unbezahlte Nichteinsatzzeiten, BB 2012, 1411; Schumann, Tarifverträge zur Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie, AiB 2012, 423; Ulber, Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit der CGZP als Spitzenorganisation, NZA 2008, 438; Zeppenfeld/Faust, Zeitarbeit nach dem CGZP-Beschluss des BAG, NJW 2011, 1643.

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Arbeitnehmerüberlassung

I. Einführung 1

1. Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis, § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG.1 Die Überlassung von Arbeitnehmern an den Entleiher erfolgt gem. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG vorübergehend bis zur Höchstüberlassungsdauer gem. § 1 Abs. 1b AÜG von (tarifdispositiv) 18 Monaten. Arbeitnehmerüberlassung setzt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer voraus, § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG. Zu unterscheiden ist zwischen diesem Arbeitsvertrag des Verleihers mit dem Arbeitnehmer (M 10.1.1– M 10.1.2) und dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher, § 12 AÜG (M 10.2 und M 10.3). „Überlassen“ wird der Arbeitnehmer, wenn er vollständig in den Betrieb des Dritten eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Anders als bei der Arbeitsvermittlung bleibt bei der Arbeitnehmerüberlassung der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers mit dem Verleiher unabhängig von dem konkreten Einsatz beim Entleiher.2 Verfolgen die beteiligten Arbeitgeber allerdings im Rahmen einer unternehmerischen Zusammenarbeit mit dem Einsatz ihrer Arbeitnehmer jeweils ihre eigenen Betriebszwecke, so handelt es sich nicht um Arbeitnehmerüberlassung.3 Die Überlassung von Maschinen mit Personal ist so lange keine Arbeitnehmerüberlassung, wie die Überlassung der Maschine Hauptvertragszweck ist und die Zurverfügungstellung des Personals nur dienende Funktion hat und ausschließlich dem Einsatz des Gerätes dient.4 Keine Arbeitnehmerüberlassung ist zudem die Abordnung zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a AÜG. Für Mischunternehmen, die gelegentlich Arbeitnehmerüberlassung betreiben, gilt die Erlaubnispflicht ebenfalls.5 Unzulässig sind gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG nunmehr Kettenüberlassungen, bei denen der Entleiher den Leiharbeitnehmer wiederum an einen Dritten überlässt.

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2. In der Praxis bereitet insbesondere die Abgrenzung zwischen erlaubnisfreien Dienstoder Werkverträgen und erlaubnispflichtiger Arbeitnehmerüberlassung Schwierigkeiten.6 Bestimmt der Dienstherr oder Werkbesteller über den Einsatz der Arbeitnehmer nach Inhalt, Ort und Zeit, so spricht dies für eine Arbeitnehmerüberlassung.7 Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert ist8 und seinen Weisun-

1 Mit dem Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze v. 21.2.2017, BGBl. I 2017, 258, wurde das AÜG mit Wirkung zum 1.4.2017 erheblich geändert. Die Änderungen sind eingearbeitet, auch die Nummerierung der §§ entspricht dieser Neuregelung. 2 BVerfG v. 4.4.1967, DB 1967, 640; BAG v. 11.9.2001, EzA § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 10, st. Rspr. 3 BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 365/05, juris, Rz. 41; v. 25.10.2000 – 7 AZR 487/99, NZA 2001, 259. Zum Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen auch Schönhöft/Lermen, BB 2008, 2515. 4 BAG v. 17.2.1993 – 7 AZR 167/92, DB 1993, 2287, ausführlich Grimm/Linden, ArbRB 2014, 115. 5 Zur Anwendbarkeit der Tarifverträge für die Leiharbeit Bissels/Khalil, BB 2013, 315. 6 Hierzu und insbesondere zu sog. Scheinwerkverträgen, die als illegale Arbeitnehmerüberlassung zu werten sind und daher ebenfalls den Regelungen des AÜG unterfallen, ausführlich Baeck/Winzer, NZA 2015, 269; Maschmann, NZA 2013, 1305; Schindele, ArbRAktuell 2015, 363; s. auch Deich, AuA 2009, 412; Timmermann, BB 2012, 1729. 7 BAG v. 18.1.2012, NZA-RR 2012, 455, Rz. 26. 8 BAG v. 13.5.2014 – 1 ABR 50/12, NZA 2014, 1149, Rz. 18: Eingegliedert ist, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die der Arbeitgeber organisiert. Der Beschäftigte muss so in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert sein, dass der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft. Der Betriebsinhaber muss diese Arbeitgeberfunktion wenigstens im Sinn einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung teilweise ausüben. Zur Abgrenzung im Einzelnen Tuengerthal/Andorfer, BB 2016, 1909.

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Rz. 4 Kap. 10

gen unterliegt, § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Maßgeblich ist die praktische Umsetzung,9 nicht der Wortlaut oder Inhalt des Vertrages, vgl. § 12 Satz 2 AÜG. Werden an Stelle von Arbeitnehmern freie Mitarbeiter eingesetzt, besteht keine Arbeitnehmerüberlassung; handelt es sich jedoch um Scheinselbständige, so werden auch diese kraft der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG Arbeitnehmer des Entleihers.10 Werden Arbeitnehmer auf Basis eines Scheinwerkvertrags überlassen und hält der vermeintliche Werkunternehmer für den Fall seiner Entdeckung eine Verleiherlaubnis vorrätig (sog. „Vorratserlaubnis“), verhinderte dies bis zum 31.3.2017 die Rechtsfolgen der illegalen Arbeitnehmerüberlassung.11 Nach des Neufassung des AÜG gilt das nicht mehr: Verleiher und Entleiher müssen die Überlassung nunmehr ausdrücklich im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als solche bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen und tätig werden lassen, § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG; zudem müssen sie vor der Überlassung die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag konkretisieren, § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG. 3. Die Überlassung muss im Rahmen der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ des Verleihers erfolgen, § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Der Begriff hat im Rahmen der AÜG Reform 2011 die vorherige Voraussetzung der Gewerbsmäßigkeit ersetzt und dient der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie12 in deutsches Recht. Darunter wird jede Tätigkeit verstanden, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten.13 Der Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ geht damit über den der Gewerbsmäßigkeit hinaus, da eine Gewinnerzielungsabsicht nicht notwendig ist.14 Erfasst werden nunmehr auch konzerninterne Personalservicegesellschaften, die Leiharbeitnehmer zum Selbstkostenpreis anderen Konzernunternehmen überlassen.15 Auch gemeinnützige Organisationen benötigen eine Erlaubnis nach § 1 AÜG.16

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4. Auf das Leiharbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer können Mindestarbeitsbedingungen Anwendung finden. Sowohl für ausländische Verleiher, die Arbeitnehmer in das Inland verleihen, als auch für inländische Verleiher, vgl. § 8 Abs. 3 AEntG, gelten die Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG).17 Danach können Normen eines Tarifvertrags auf in dessen Geltungsbereich tätige Arbeitnehmer (auch aus dem Ausland entsandte) entweder kraft Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG oder aufgrund einer Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, § 7 AEntG, erstreckt werden.18 Dies betrifft im Wesentlichen die Regelung des Mindestentgelts einschließlich der Überstundenvergütung, die Dauer des Erholungsurlaubs, die Höhe von Urlaubsentgelt und -geld,

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9 BAG v. 15.4.2014, AP Nr. 71 zu BetrAVG, Rz. 21; v. 18.1.2012, NZA-RR 2012, 455, Rz. 28; v. 10.10.2007, AP Nr. 21 zu § 10 AÜG; BGH v. 6.8.2003, EzA § 1 AÜG Nr. 13 m. Anm. Hamann. 10 Näher zu Scheinselbstständigen Köhler, GWR 2014, 28; Lanzinner/Nath, NZS 2015, 210; Lembke, NZA 2013, 1312. 11 BAG v. 12.7.2016 – 9 AZR 352/15, ZIP 2016, 2338; es entsteht kein fingiertes Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Nr. 1 AÜG. Gegen die Anwendung der §§ 9, 10 AÜG auch LAG BW v. 7.5.2015, NZA-RR 2015, 520; v. 18.12.2014 – 3 Sa 33/14, BB 2015, 955; Hamann/ Rudnik, NZA 2015, 449; Scharff, BB 2014, 1980, 1984; Seier, DB 2015, 494; Ulrici, BB 2015, 1209; aA Brose, DB 2014, 1739. 12 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.11.2008 über Leiharbeit; abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu. 13 EuGH v. 10.1.2006, Slg. 2006, I-289. 14 BAG v. 21.10.2014 – 9 AZR 1021/12, AP AÜG § 1 Nr. 36; v. 23.7.2014 – 7 AZR 853/12, NZA 2015, 46, Rz. 28; Hamann, RdA 2011, 321, 323. 15 BT-Drucks. 17/4804, S. 8; BAG v. 21.10.2014 – 9 AZR 1021/12, AP AÜG § 1 Nr. 36. 16 Hamann, RdA 2011, 321, 323. 17 Düwell, DB 2013, 756, 757; Schwab, NZA-RR 2010, 225, 228. 18 Eine Übersicht über die aktuellen Mindestlöhne nach dem AEntG ist unter www.bmas.de unter der Rubrik Themen/Arbeitsrecht/Mindestlohn abrufbar: http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/ Mindestlohn/inhalt.html.

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§ 3 Satz 1, § 5 Nr. 1 und 2 AEntG,19 sowie das Urlaubs- oder Lohnausgleichskassenverfahren, § 5 Nr. 3 AEntG. Die Erstreckung kann nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 AEntG auch auf weitere als die in § 4 Abs. 1 AEntG genannten Branchen ausgedehnt werden. Wird ein Leiharbeitnehmer vom Entleiher mit Tätigkeiten beschäftigt, die in den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags fallen, hat der Verleiher zumindest die in diesem Tarifvertrag vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren, § 8 Abs. 3 AEntG. Dies gilt auch bei illegaler Überlassung.20 Der Anspruch der Leiharbeitnehmer besteht nach Ansicht des BAG aber nur, wenn zugleich auch der Entleiherbetrieb in den betrieblichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrages fällt.21 Der Verleiher hat die Einhaltung der tariflich geregelten Mindestlöhne zu beachten. Gemäß § 14 AEntG haftet ein (General-) Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von diesem beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an einen Arbeitnehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat.22 5

Der Leiharbeitnehmer ist sozialversicherungsrechtlich dem Verleiher zugeordnet.23 Der Entleiher haftet dennoch für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuerzahlungen nach § 28e Abs. 2 SGB IV, § 42d Abs. 6 EStG.24 Dies gilt nicht bei einem legalen grenzüberschreitenden Verleih, da die Bürgenhaftung nur gegenüber den inländischen Trägern der Sozialversicherung besteht.25 In diesem Fall sind aber die Meldepflichten nach § 17b AÜG durch den Entleiher zu beachten.26 Zu beachten sind zudem die Dokumentationspflichten von Ver- und Entleiher nach § 17c AÜG. Weiterhin obliegen dem Entleiher bestimmte Meldepflichten nach § 18 Abs. 3, 4 AEntG für den Fall, dass ihm Leiharbeitnehmer eines im Ausland ansässigen Verleihers überlassen werden und diese unter einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag oder eine Rechtsverordnung iSd. AEntG fallen.27

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Ferner sind etwaige Lohnuntergrenzen nach § 3a AÜG zu beachten: Die Tarifparteien der Zeitarbeitsbranche können danach in einem Tarifvertrag Mindestentgelte festlegen, die durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales als verbindliche Lohnuntergrenze festgesetzt werden. Ab dem 1.4.2014 galt die Zweite Verordnung über eine Lohn19 Vgl. BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 167/07, NZA 2008, 236, wonach unter § 5 Nr. 2 AEntG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AEntG aF) nach erweiternder Auslegung auch der Urlaubsabgeltungsanspruch sowie der Entschädigungsanspruch für einen verfallenen Urlaubsanspruch bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch fallen. 20 BAG v. 17.4.2013, ArbRAktuell 2013, 363, m. Anm. Schuster. 21 BAG v. 21.10.2009 – 5 AZR 951/08, NZA 2010, 237. 22 Näher dazu Kap. 9, M 9.1.1, §§ 9, 10 m. Anm. zu § 13 MiLoG, der vollumfänglich auf § 14 AEntG verweist. 23 Der Entleiher ist aber in seiner Haftung für Arbeitsunfälle nach § 104 Abs. 1 SGB VII privilegiert, BAG v. 18.11.2014, NZA 2015, 689, Rz. 24. 24 Hamann, RdA 2011, 321, 330; das LSG Rh.-Pf. v. 28.5.2014, NZS 2014, 704 (n.rkr, anhängig unter B 12 R 8/14 R) hat hierzu entschieden, dass ein illegaler Entleiher nicht verpflichtet ist, zusätzlich zum im Ausland tätigen illegalen Verleiher Sozialversicherungsbeiträge im Inland nachzuzahlen, wenn der Verleiher diese im Ausland entrichtet hat. Umfassend zum Urteil Tuengerthal/Geißer, BB 2014, 2874. 25 Das Leiharbeitsverhältnis untersteht dem Sozialversicherungsrecht des Entsendestaats; Schüren/Hamann/Riederer von Paar, Einl. AÜG Rz. 718; Hamann, RdA 2011, 321, 331. 26 Weitere Informationen dazu sind bei der für die Kontrolle zuständigen Zollbehörde abrufbar unter Home/ Fachthemen/ Arbeit/ Meldungen bei Entsendung: http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Ar beit/Meldungen-bei-Entsendung/meldungen-bei-entsendung_node.html. 27 Weitere Informationen dazu sind bei der für die Kontrolle zuständigen Zollbehörde unter http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Meldungen-bei-Entsendung/meldungen-bei-entsendung_ node.html.

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Rz. 7 Kap. 10

untergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung vom 21.3.2014 (im Folgenden: VO).28 Die VO ist jedoch zum 31.12.2016 außer Kraft getreten; eine Dritte Verordnung ist nicht ersichtlich. Gemäß § 24 MiLoG gehen bis zum 31.12.2017 abweichende Regelungen aus Rechtsverordnungen, welche aufgrund von § 11 AEntG sowie § 3a AÜG erlassen wurden, vor. Damit erlaubt die Vorschrift, die nach § 9 Abs. 1 MiLoG vorgesehene Anpassung des Mindestlohns erst zum 1.1.2018 zu vollziehen.29. Mit Außerkrafttreten der VO gilt das MiLoG im Übrigen nun für die Arbeitnehmerüberlassung vollumfänglich. Vorsorglich: Ist eine Lohnuntergrenze durch Rechtsverordnung festgelegt, kann der Verleiher nicht zu Lasten der Leiharbeitnehmer davon abweichen. Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer mindestens das in der Rechtsverordnung für die Zeit der Überlassung und der verleihfreien Zeiten festgesetzte Mindeststundenentgelt zu zahlen, § 8 Abs. 5 AÜG. Das gilt auch bei Anwendung eines anderen Leiharbeitstarifvertrages nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AÜG.30 Wendet der Verleiher dagegen einen vom Gleichstellungsgrundsatz abweichenden Tarifvertrag an, der die Lohnuntergrenze unterschreitet, hat er dem Leiharbeitnehmer das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren, § 8 Abs. 2 Satz 4 AÜG. Damit findet im Falle des Verstoßes gegen die Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG nicht die Lohnuntergrenze, sondern der Gleichstellungsgrundsatz (Equal Pay/Equal Treatment) in Bezug auf die Entgelthöhe Anwendung, § 8 Abs. 2 Satz 4 AÜG. Bei einer längeren ununterbrochenen Einsatzdauer in demselben Entleiherbetrieb sehen einige Tarifverträge die Zahlung von Branchenzuschlägen31 an die Leiharbeitnehmer vor; kurze Unterbrechungen des Einsatzes schaden nicht. Dadurch sollen die Entgelte der Leiharbeitnehmer an diejenigen vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers angeglichen und dem Gleichstellungsgrundsatz Rechnung getragen werden. Derartige Regelungen bestehen derzeit namentlich für den Bereich der Metall- und Elektroindustrie,32 der chemischen Industrie,33 der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie,34 der Kunststoff verarbeitenden Industrie,35 für den Schienenverkehrsbereich,36 für die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie,37 die

28 Zur bisherigen Verordnung s. unter http://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze/zweite-vo-lohnunter grenze-arbeitnehmerueberlassung.html. 29 Henssler, RdA 2015, 43; MüKoBGB/Müller-Glöge, § 24 MiLoG Rz. 1. 30 Dazu auch Rz. 11. 31 Dazu Bayreuther, BB 2014, 1973, 1975; Bissels/Mehnert, DB 2014, 2407; Mehnert/Stubbe/Haber, BB 2013, 1269, Nießen/Fabritius, BB 2013, 375. 32 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie zwischen BAP und iGZ sowie IG Metall v. 22.5.2012, gültig seit 1.11.2012, erstmals kündbar zum 31.12.2017. 33 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Chemischen Industrie zwischen BAP und iGZ sowie IG BCE v. 19.6.2012, gültig seit 1.11.2012, erstmals kündbar zum 31.12.2017. 34 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie zwischen BAP und iGZ sowie ver.di v. 14.12.2012, gültig seit 1.5.2013, erstmals kündbar zum 31.12.2017. 35 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Kunststoff verarbeitenden Industrie zwischen BAP und iGZ sowie IG BCE v. 14.12.2012, gültig seit 1.1.2013, erstmals kündbar zum 31.12.2017. 36 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen im Schienenverkehrsbereich zwischen BAP und iGZ sowie EVG, gültig seit 1.4.2013. 37 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie zwischen BAP und iGZ sowie IG Metall v. 25.10.2012, gültig seit 1.4.2013, erstmals kündbar zum 31.12.2017.

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Kap. 10 Rz. 8

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Textil- und Bekleidungsindustrie,38 die Kautschukindustrie,39 die Druckindustrie,40 die Papiererzeugung41 sowie für den Kali- und Steinsalzbergbau.42 Die Tarifverträge über Branchenzuschläge richten sich an die Verleiher als Arbeitgeber, denen daher die Kontrolle obliegt, welcher Branche der Einsatzbetrieb angehört. Da die Branchenzuschlagstarifverträge hierzu umfassende und teilweise diffizile Regelungen enthalten, ist der Verleiher auf Informationen des Entleihers angewiesen.43 Auf Arbeitnehmerseite gelten die Tarifverträge grds. für die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaften. Die Zuschläge erhöhen sich mit zunehmender Einsatzdauer im Betrieb des Entleihers. 8

5. Die Neufassung des AÜG regelt eine tarifdispositive Höchstüberlassungshöchstdauer von 18 Monaten, § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG.44 Darauf werden vorherige Überlassungen an denselben Arbeitgeber angerechnet, wenn zwischen den beiden Einsätzen nicht mehr als drei Monate liegen, § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG. In Tarifverträgen der Einsatzbranche können abweichende Höchstüberlassungszeiten festgelegt werden, bei fehlender Tarifbindung ggf. auch durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung bis zu 24 Monate, § 1 Abs. 1b Satz 3 ff. AÜG. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG ist das Arbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam, sobald die Höchstüberlassungsdauer überschritten wird. Gleichzeitig wird gem. § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. Zu weiteren Rechtsfolgen s. Rz. 41. Der Leiharbeitnehmer kann die Unwirksamkeit und damit die Fiktion jedoch durch Festhaltenserklärung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG verhindern, indem er schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält.

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Die Festhaltenserklärung ist eine bedingungsfeindliche einseitige Willenserklärung.45 Sie muss folgende zusätzliche formale Anforderungen erfüllen: Sie darf nicht vor Beginn der Fristen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1–1b AÜG abgegeben werden, § 9 Abs. 3 AÜG. Sie ist gem. § 9 Abs. 2 AÜG auch nur wirksam, wenn (1) der Leiharbeitnehmer sie vor ihrer Abgabe persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegt, (2) die Agentur für Arbeit die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages der Vorlage und dem Hinweis versieht, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmer festgestellt hat, und (3) die Erklärung spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für Arbeit dem Ver- oder Entleiher zugeht, § 9 Abs. 2 AÜG.

38 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie zwischen BAP und iGZ sowie IG Metall v. 25.10.2012, gültig seit 1.4.2013, erstmals kündbar zum 31.12.2017. 39 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Kautschukindustrie zwischen BAP und iGZ sowie IG BCE, gültig seit 1.1.2013, erstmals kündbar zum 31.12.2017. 40 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der Druckindustrie zwischen BAP und iGZ sowie ver.di v. 21.2.2013, gültig seit 1.7.2013, erstmals kündbar zum 31.12.2017. 41 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Überlassungen von gewerblichen Arbeitnehmern in die Papier erzeugende Industrie zwischen BAP und iGZ sowie IG BCE v. 14.5.2014, gültig seit 1.7.2014, erstmals kündbar zum 30.6.2019. 42 Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in den Kali- und Steinsalzbergbau zwischen BAP und IG BCE v. 14.5.2014, gültig seit 1.7.2014, erstmals kündbar zum 30.6.2019. 43 Eine Auskunft über die Branchenzugehörigkeit könnte bereits im Überlassungsvertrag aufgenommen werden. 44 Überlassungszeiten vor dem 1.4.2017 werden bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG und der Berechnung der Überlassungszeiten nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG nicht berücksichtigt, § 19 Abs. 2 AÜG. 45 BT-Drucks. 18/9232, S. 26.

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Rz. 13 Kap. 10

6. Ausnahmen von der Arbeitnehmerüberlassung regeln § 1 Abs. 1a und 3 AÜG. Insbesondere zu nennen ist die Überlassung zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und § 1a AÜG. Weitgehend keine Anwendung findet das AÜG auch bei der nur gelegentlichen Überlassung von Arbeitnehmern, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird, § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG. Nach seinem Zweck als Ausnahmevorschrift ist der Begriff „gelegentlich“ allerdings eng auszulegen.46

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Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG finden die Regelungen des AÜG weitgehend47 keine Anwendung auf Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen iSd. § 18 AktG, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird (Konzernprivileg).48 Damit sind konzerninterne reine Personalführungsgesellschaften nicht vom Konzernprivileg erfasst.49 Sie sind zudem wirtschaftlich tätig iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG und benötigen daher auch dann eine Verleiherlaubnis, wenn der Verleih zum Selbstkostenpreis erfolgt.50 Das BAG hat angedeutet, dass das Konzernprivileg europarechtskonform ist.51

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7. Hat der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, so sind seine Verträge mit den Entleihern und den Leiharbeitnehmern gem. § 9 Abs. 1 AÜG unwirksam, und kraft gesetzlicher Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG entsteht ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ab tatsächlicher Überlassung.52 Die Fiktion gilt mit allen Konsequenzen, insb. der Pflicht zur rückwirkenden Lohnnachzahlung in der Höhe, in der der Leiharbeitnehmer beim Entleiher verdient hätte und der rückwirkenden Nachzahlung von Sozialabgaben berechnet nach diesem Lohn. Die Fiktion erzeugt beispielsweise auch Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung beim Entleiher.53 Gemäß § 9 Abs. 1 AÜG Nr. 1 kann der Leiharbeitnehmer auch hier den Übergang auf den Entleiher durch Festhaltenserklärung verhindern, wenn er schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so beginnt die Frist mit Eintritt der Unwirksamkeit. Die in Rz. 9 aufgeführten weiteren formalen Anforderungen gelten auch für diese Festhaltenserklärung.

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8. Befristete Arbeitsverträge mit Leiharbeitnehmern unterliegen den §§ 14 ff. TzBfG.54 Eine Synchronisation von Leiharbeitsverhältnis und Verleihzeiten kann nicht im Wege der Befris-

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46 BT-Drucks. 17/4804, S. 8. 47 Ausnahmen sind in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG im Einzelnen aufgeführt. 48 Das Konzernprivileg ist 2011 umfassend reformiert worden, so dass die zuvor ergangene Rspr. nur bedingt übertragbar ist. 49 BT-Drucks. 17/4804, S. 8. 50 BT-Drucks. 17/4804, S. 8; BAG v. 21.10.2014 – 9 AZR 1021/12, AP AÜG § 1 Nr. 36. 51 BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 735/13, NZA 2015, 816, Rz. 21. 52 BAG v. 20.1.2016 – 7 AZR 535/13, DB 2016, 1701. 53 BAG v. 18.2.2003, DB 2003, 2181. Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 Abs. 1 AÜG unwirksam ist, ist er neben dem Entleiher auch zur Zahlung der hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet. Hinsichtlich dieser Zahlungspflicht gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber, so dass beide als Gesamtschuldner haften, § 28e Abs. 2 SGB IV. Zur Darlegungs- und Beweislast, Francken, NZA 2014, 1064. 54 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214, Rz. 19; hierzu Greiner, NZA 2014, 284; Lembke, NZA 2013, 815; zur Befristung allgemein Kap. 6 Rz. 1 ff.

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tung eingeführt werden.55 Auch ist zu beachten, dass der Sachgrund für die Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG im Verhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer vorliegen muss und gerade nicht an die Situation beim Entleiher oder die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Verleiher und Entleiher anknüpft.56 Dies gilt insbesondere für § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG; der die Befristung begründende vorübergehende Bedarf muss beim Verleiher vorliegen. Dazu genügt es nach überwiegender Auffassung nicht, dass die Überlassung an den Entleiher ihrer Natur nach nur vorübergehend ist57 oder die Höchstüberlassungsdauer gem. § 1 Abs. 1b AÜG einzuhalten ist. Der Sachgrund könnte allerdings gegeben sein, wenn die Nachfrage dieser Tätigkeit durch die Entleiher am gesamten Markt vorübergehend ist (zB Saisonkräfte) oder der Verleiher begründete Anhaltspunkte hat, dass der Leiharbeitnehmer aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten oder Anforderungen nicht über den konkreten Verleih hinaus einsetzbar sein wird.58 14

Dagegen ist eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG zu Beginn des Leiharbeitsverhältnisses mit dem Verleiher zulässig, sofern nicht zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher bestanden hatte. Ob die vom BAG vorgenommene Beschränkung dieser Voraussetzung auf 3 Jahre59 weiterhin Bestand haben wird, ist offen.60 Ein vorheriges Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher schadet hingegen grundsätzlich nicht.61 Allerdings kann bei Hinzutreten weiterer Umstände eine missbräuchliche Befristung vorliegen, wenn ein Leiharbeitnehmer an seinen bisherigen Arbeitgeber entliehen wird.62 Sachgrundlos kann das Leiharbeitsverhältnis nur bis zur Dauer von zwei Jahren befristet werden.63

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9. Gemäß § 8 Abs. 1 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz).64 Diese Gleichstellung gilt grundsätzlich ab dem ersten Tag der Beschäftigung, nicht jedoch während verleihfreier Zeiten, vgl. § 8 Abs. 1 AÜG.65 55 Schüren/Hamann/Schüren, § 3 AÜG, Rz. 90; Sandmann/Marschall, § 9 AÜG Rz. 3a. 56 Düwell/Dahl, NZA 2007, 889, 891; Schüren/Hamann/Schüren, § 3 AÜG Rz. 90; Werthebach, NZA 2005, 1044, 1045; aA Frik, NZA 2005, 386. 57 Düwell/Dahl, NZA 2007, 889, 891; Schüren/Hamann/Schüren, § 3 AÜG Rz. 99. 58 Düwell/Dahl, NZA 2007, 889, 890; Schüren/Hamann/Schüren, § 3 AÜG Rz. 100. 59 BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905. 60 Einzelheiten dazu s. Kap. 6 Rz. 34. 61 BAG v. 9.3.2011 – 7 AZR 657/09, NZA 2011, 1147, 1149, Rz. 16; v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, BB 2007, 943. 62 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214, Rz. 16, 20 ff.; v. 9.3.2011 – 7 AZR 657/09, NZA 2011, 1147, Rz. 16. Zu beachten ist zudem die „Drehtürklausel“ nach § 8 Abs. 3 AÜG (dazu Rz. 17). 63 Davon kann grundsätzlich durch Tarifvertrag abgewichen werden (§ 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG), vgl. zB die Manteltarifverträge des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP) für die Leiharbeit. 64 Diese Vorschriften sind verfassungsgemäß, BVerfG v. 29.12.2004 – 1 BvR 2582/03, 1 BvR 2283/03, 1 BvR 2504/03, NZA 2005, 153; zur Beweislast: BAG v. 13.3.2013, AP AÜG § 10 Nr. 29, Rz. 27 ff. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines Entgeltschema an, so ist unerheblich, ob er tatsächlich vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt. Die Differenzvergütung berechnet sich dann aufgrund einer fiktiven Eingruppierung des Leiharbeitnehmers beim Entleiher, s. dazu BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 254/13, Rz. 31, AP AÜG § 10 Nr. 46. 65 Für verleihfreie Zeiten darf der Verleiher als Vertragsarbeitgeber daher den Lohn mit dem Arbeitnehmer frei vereinbaren, wenn kein Tarifvertrag gilt. Untergrenze ist nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG der § 615 Satz 1 BGB, wonach der Verleiher das Beschäftigungsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen darf, ErfK/Wank, § 11 AÜG Rz. 16 f. Daher muss der Arbeitnehmer auch dann eine Vergütung erhalten, wenn er nicht verliehen ist. Zudem darf die vereinbarte Vergütung – auch wenn sie durch Tarifvertrag festgelegt wird – nicht eine ggf. nach § 3a AÜG festgesetzte Lohnuntergrenze unterschreiten, vgl. dazu näher oben Rz. 6.

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Rz. 19 Kap. 10

Durch Tarifvertrag oder arbeitsvertraglich vereinbarte Anwendung eines solchen Tarifvertrages (Bezugnahmeklausel)66 kann zu Ungunsten eines Leiharbeitnehmers vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden, § 8 Abs. 2 Satz 1, § 3 AÜG. Das gilt allerdings nur, wenn der fachlich, räumlich und zeitlich einschlägige Tarifvertrag in Bezug genommen wird, § 8 Abs. 2 Satz 1–3 AÜG.67 Damit können die Parteien insbesondere keinen fremden Haustarifvertrag oder firmenbezogenen Verbandstarifvertrag in Bezug nehmen. Hinsichtlich des Arbeitsentgelts kann ein solcher Tarifvertrag nur für die ersten neun Monate einer Überlassung an den Entleiher vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG. Eine Abweichung bis zu 15 Monate ist durch Branchenzuschlagstarifvertrag zulässig, wenn die stufenweise Heranführung des Arbeitsentgelts spätestens nach einer Einarbeitungszeit von 6 Wochen einsetzt, § 8 Abs. 4 Satz 2 AÜG.

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Durch Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz allerdings nicht abgewichen werden, wenn der Leiharbeitnehmer in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis mit diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern nach § 18 AktG bildet, ausgeschieden ist (Drehtürklausel), §§ 8 Abs. 3 AÜG.68 Dadurch soll verhindert werden, dass Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheiden und anschließend über eine Zeitarbeitsfirma oder eine konzerneigene Personalgestellungsgesellschaft zu den Arbeitsbedingungen der Zeitarbeit wieder auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt werden. Leiharbeitnehmer, die vor der Überlassung in einem Ausbildungsverhältnis zum Einsatzunternehmen gestanden haben, sind nicht erfasst.69 Das als Folge der Drehtürklausel geltende Gleichstellungsgebot ist zeitlich nicht auf sechs Monate beschränkt.70

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Eine etwaige Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG (dazu näher Rz. 6) begrenzt den Gleichstellungsgrundsatz ebenfalls. Auch durch Tarifvertrag kann nur insoweit vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden, wie die geregelten Tarife nicht eine Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG unterschreiten, § 8 Abs. 2 Satz 1, 4 AÜG. Bei Unterschreitung gilt nicht die Lohnuntergrenze, sondern der Gleichstellungsgrundsatz, § 8 Abs. 2 Satz 4 AÜG (Rz. 6).

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Bei Anwendung des Gleichstellungsgrundsatzes richten sich die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers nach denen vergleichbarer Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers. Leiharbeitnehmer sind zunächst mit solchen Arbeitnehmern des Entleihers vergleichbar, die dieselbe oder zumindest ähnliche Tätigkeiten ausführen.71 Zudem kommt es auf persönliche Merkmale wie Berufserfahrung, Qualifikation, Kompetenz, Arbeitsort sowie Lage und Dauer der Arbeitszeit an, wenn daran die Gewährung bestimmter Arbeitsbedingungen geknüpft ist.72 Fehlt es an einem vergleichbaren Arbeitnehmer beim Entleiher, ist auf einen

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66 Einzelvertraglich kann nicht vom Equal Pay Gebot abgewichen werden. Zulässig ist aber ein Verzicht im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs; eine allgemeine Ausgleichsklausel erfasst auch den Equal Pay Anspruch: BAG v. 27.5.2015 – 5 AZAR 137/14, NZA 2015, 1125. 67 Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 151; zur Frage, ob auch nachwirkende Tarifverträge vom Gleichstellungsgrundsatz befreien können, Bayreuther, BB 2010, 309. 68 Für Verleiher ist es daher in Zukunft wichtig, Auskunft über die vorherigen Arbeitgeber seiner Leiharbeitnehmer und deren konzernrechtliche Einbindung zu haben. Hierzu könnte eine entsprechende Auskunftsklausel in den Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer aufgenommen werden, nach der der Leiharbeitnehmer mitteilen muss, bei welchen Arbeitgebern er wann innerhalb der letzten 6 Monate aus einem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, vgl. Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 467; BT-Drucks. 17/4804, S. 9 (s. M 10.2, § 9). 69 BT-Drucks. 17/3807, S. 34. 70 Sandmann/Marschall, § 19 AÜG Rz. 4. Unklar ist, ob damit eine dauerhafte Gleichstellung des Leiharbeitnehmers entstehen kann. 71 BT-Drucks. 15/25, S. 38; Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 104. 72 Thüsing/Pelzner/Kock, § 3 AÜG Rz. 80; Thüsing/Stiebert, ZESAR 2012, 199, 202; aA Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 105.

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Kap. 10 Rz. 20

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hypothetischen Vergleichsarbeitnehmer abzustellen.73 Fehlt dieser, ist auf die üblichen Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitnehmer vergleichbarer Betriebe abzustellen und/oder ein Tarifvertrag heranzuziehen.74 20

Die Gleichstellung erstreckt sich gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG auf alle wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts. Art. 3 Abs. 1 lit. f der Leiharbeitsrichtlinie nennt als wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen die Dauer der Arbeitszeit,75 Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub, arbeitsfreie Tage und Arbeitsentgelt. Die Aufzählung ist abschließend und auch für das AÜG maßgebend.76 Arbeitsentgelt ist im weiteren Sinn zu verstehen, umfasst also nicht nur das laufende Entgelt, sondern auch Zuschläge, Ansprüche auf Entgeltfortzahlung und Sozialleistungen und andere Lohnbestandteile.77 Der Günstigkeitsvergleich ist zwischen den Arbeitsbedingungen des Verleihers mit dem Leiharbeitnehmer auf der einen Seite und den im Entleiherbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen auf der anderen Seite durchzuführen.78 Dabei kommt es weder auf einen Gesamtvergleich der beiden Regelungen noch auf einen Einzelvergleich einzelner Arbeitsbedingungen an; vielmehr ist ein Sachgruppenvergleich maßgeblich, bei dem Regelungen zu einer Gruppe zusammengefasst werden, die in einer sachlichen Einheit zueinander stehen.79 Das maßgebliche Tätigkeitsentgelt beim Entleiher ist tätigkeitsbezogen zu bestimmen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Arbeitnehmer.80 Erhält der Leiharbeitnehmer das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Entleihbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt, so wird vermutet, dass er hinsichtlich des Arbeitsentgelts gleichgestellt ist, § 8 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Werden in dem Entleiherbetrieb Sachbezüge gewährt, so können diese auch in Euro ausgeglichen werden, § 8 Abs. 1 Satz 3 AÜG. In einem nachträglichen Aufhebungsvertrag kann der Arbeitnehmer auf die aufgrund des Gleichstellungsgrundsatzes entstandenen Ansprüche verzichten.81

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Der Leiharbeitnehmer hat nach § 13 AÜG einen Auskunftsanspruch gegen den Entleiher auf Mitteilung der wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts für im Entleiherbetrieb tätige vergleichbare Arbeitnehmer.82 Für die Schlüssigkeit einer Klage auf Ge73 BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 1047/12, NZA 2014, 915, Rz. 34, 44; Geschäftsanweisung der BA zum AÜG, Stand 7/2015, Ziff. 3.1.5. (6), S. 53. 74 Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 111; ErfK/Wank, § 3 AÜG Rz. 16. 75 Dazu BAG v. 16.4.2014 – 5 AZR 483/12, NZA 2014, 1262. 76 BAG v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10, NZA 2011, 850. 77 Nach Art. 3 Abs. 2 der Leiharbeitsrichtlinie richtet sich der Begriff des Arbeitsentgelts nach den nationalen Bestimmungen, so dass die bisherige Auslegung davon unberührt bleibt; Sandmann/Marschall, § 3 AÜG Rz. 21d; Thüsing/Mengel, § 9 AÜG Rz. 31; Ulber, § 9 AÜG Rz. 46 ff.; Röder/Krieger, DB 2006, 2122. 78 Ulber, § 9 AÜG Rz. 55; Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 144; Thüsing/Stiebert, ZESAR 2012, 199, 204; Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 538; aA ErfK/Wank, § 3 AÜG Rz. 19. 79 Thüsing/Stiebert, ZESAR 2012, 199, 204; Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 148; Thüsing/Pelzner/Kock, § 3 AÜG Rz. 65. 80 BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 604/14, NZA 2016, 422. 81 BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762, Anm. Arnold, ArbRAktuell 2016, 317 zu Ansprüchen auf equal pay. 82 BAG v. 19.2.2014, NZA 2014, 916, Rz. 44 mwN: Gibt es beim Entleiher keine eigenen vergleichbaren Stammarbeitnehmer, muss die Auskunft auf Grundlage einer hypothetischen Betrachtung erfolgen. Maßgeblich sind dann die Arbeitsbedingungen, die für den Leiharbeitnehmer anzuwenden wären, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre. Nach BAG v. 24.4.2014 – 8

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Rz. 24 Kap. 10

währung der vergleichbaren Arbeitsbedingungen reicht es aus, wenn der Leiharbeitnehmer den Inhalt der Auskunft mitteilt.83 Wird der Gleichstellungsgrundsatz nicht beachtet, führt dies u.a. zur Unwirksamkeit der entsprechenden Vereinbarung mit dem Leiharbeitnehmer, § 9 Abs. 1 Nr. 2 AÜG iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG. Zudem kann der Leiharbeitnehmer nach § 8 Abs. 1 AÜG statt der unwirksamen Arbeitsbedingungen diejenigen eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers verlangen.84 Dabei muss er im Entleiherbetrieb geltende Ausschlussfristen nicht beachten.85 Dass § 10 Abs. 1 AÜG anders als die bisherige Regelung den gesamten § 9 in Bezug nimmt, könnte dafür sprechen, dass die Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG auf alle Unwirksamkeitstatbestände des § 9 Abs. 1 AÜG erstreckt werden soll. Allerdings geht die Literatur – soweit ersichtlich – einhellig davon aus, dass die Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG nur die Tatbestände der Nrn. 1 bis 1b des § 9 Abs. 1 AÜG umfasst.86 U.E. zu Recht: Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 AÜG spricht nur von einem nach § 9 AÜG unwirksamen „Vertrag“. „Verträge“ sind in § 9 Abs. 1 AÜG aber nur in den Nrn. 1 bis 1b genannt, die Nrn. 2 ff. sprechen demgegenüber von „Vereinbarungen.“ Vor allem aber ist auch nur in den Fällen des § 9 Nr. 1 bis 1b AÜG und nicht in den Fällen der Nrn. 2 ff. des § 9 AÜG ein letztlich aus Art. 12 GG resultierendes Widerspruchsrecht und damit eine Festhaltenserklärung vorgesehen.87

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Bei Verstößen kann ein Bußgeld verhängt werden, § 16 Abs. 1 Nr. 7a, Abs. 2 AÜG (zu weiteren Rechtsfolgen von Verstößen Rz. 41).

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10. Gemäß § 11 Abs. 2 AÜG ist der Verleiher nicht nur verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer bei Vertragsschluss ein Merkblatt der Erlaubnisbehörde über den wesentlichen Inhalt diese Gesetzes auszuhändigen, auf Verlangen in der Muttersprache des Arbeitnehmers, sondern er muss ihn nach der Neuregelung in § 11 Abs. 2 Satz 4 AÜG auch vor jeder Überlassung darüber informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird. Nach § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG müssen Verleiher und Entleiher ferner die Überlassung ausdrücklich im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als solche bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen und tätig werden lassen; zudem müssen sie vor der Überlassung die

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AZR 1081/12, NZA 2014, 968, Rz. 15 ff. handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch, der mit Überlassung entsteht und gem. §§ 194, 195 BGB der Regelverjährung von 3 Jahren unterliegt. BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 1047/12, NZA 2014, 915, Rz. 39; v. 13.3.2013 – 5 AZR 146/12, NZA 2013, 782, Rz. 22; v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10, NZA 2011, 850. Somit ist die Darlegungs- und Beweislast abgestuft. Bestreitet der Verleiher die maßgeblichen Umstände der Auskunft substantiiert, muss der Leiharbeitnehmer die Vergleichbarkeit und die wesentlichen Arbeitsbedingungen darlegen und beweisen; BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 556/12, NZA 2014, 313, Rz. 25: Der Arbeitnehmer muss hingegen von § 13 AÜG nicht Gebrauch machen, sondern kann die Umstände auch anders darlegen und beweisen. Rz. 27 f.: Die Darlegungspflicht umfasst auch die Darlegung des Gesamtvergleichs und die Berechnung der Differenzvergütung. Dazu Sandmann/Marschall, § 10 AÜG Rz. 30 ff.; BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 1047/12, NZA 2014, 915. Dies gilt auch für Auslandseinsätze, wenn deutsches Recht anwendbar ist: BAG v. 28.5.2014 – 5 AZR 422/12, NZA 2014, 1264. Der Anspruch unterliegt der Regelverjährung von 3 Jahren gem. § 195 BGB, BAG v. 20.11.2013, ArbR 2014, 102. BAG v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10, NZA 2011, 850, 853, Rz. 29; dazu krit. Anm. Ulber, AP Nr. 23 zu § 10 AÜG. Neighbour/Schröder, BB 2016, 2869, 2872; Olbertz/Groth, GWR 2016, 371, 374; Siebert/Novak, ArbRAktuell 2016, 391, 394; Seel, öAT 2016, 27, 29. Vgl. dazu, dass die Widerspruchsmöglichkeit den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 10 AÜG Abhilfe schaffen soll, Brors, NZA 2016, 672; Hennecke, NZA 2016, 1309.

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Kap. 10 Rz. 25

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Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag konkretisieren, § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG. Geschieht das nicht, sind auch hier gem. § 9 Nr. 1a AÜG die Arbeitsverträge mit den jeweiligen Leiharbeitnehmern unwirksam, und gem. § 10 Abs. 1 AÜG wird ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fingiert. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG kann der Leiharbeitnehmer auch hier den Übergang auf den Entleiher durch Festhaltenserklärung verhindern, wenn er schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem zwischen Verleiher und Entleiher für den Beginn der Überlassung vorgesehenen Zeitpunkt gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Die in Rz. 9 aufgeführten weiteren formalen Anforderungen gelten auch für diese Festhaltenserklärung. Zu Bußgeld- und Schadensersatzfolgen s. Rz. 41. 25

Nach § 11 Abs. 1 AÜG gelten ferner die Vorschriften des Nachweisgesetzes, ergänzt durch die für das Leiharbeitsverhältnis spezifischen Angaben der Nummern 1 und 2. Der Verleiher muss dem Leiharbeitnehmer daher zu Beginn des Arbeitsverhältnisses, spätestens jedoch einen Monat danach, die wesentlichen Vertragsbedingungen iSd. § 2 Abs. 1 NachwG schriftlich und unterzeichnet aushändigen. Schwierigkeiten, die Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG zu erfüllen, ergeben sich durch § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG: Soweit kein Tarifvertrag Anwendung findet, hat der Leiharbeitnehmer während der Zeit der Überlassung Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das im Entleiherbetrieb gezahlt wird.88 Bei jedem Wechsel des Entleihers ändert sich daher das vom Verleiher zu zahlende Mindestentgelt. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ist aber noch nicht absehbar, welche Mindestvergütung der Leiharbeitnehmer jeweils verlangen kann. Eine Verpflichtung des Verleihers, die Entgelthöhe der Stammarbeitnehmer des Entleihers gegenüber dem Leiharbeitnehmer nachzuweisen, ergibt sich weder aus dem AÜG noch aus dem NachwG.89 Sowohl NachwG als auch AÜG verlangen allein, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen beim Verleiher, nicht hingegen die beim Entleiher nachzuweisen sind. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 AÜG sind ferner Art und Höhe der Leistung für Zeiten anzugeben, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist.

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Findet ein Tarifvertrag Anwendung, der den Gleichstellungsgrundsatz gem. § 8 Abs. 2, 4 AÜG abbedingt, so genügt für § 2 Abs. 1 Nr. 6 NachwG – sowohl für die Zeit des Verleihs als auch für verleihfreie Zeiten – ein Verweis auf die Regelung im Tarifvertrag.90

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11. Betriebsverfassungsrechtlich bleiben Leiharbeitnehmer auch während ihrer Überlassung dem Betrieb des Verleihers zugeordnet, § 14 Abs. 1 AÜG91, so dass dieser grundsätzlich beteiligungspflichtig ist. Für die Eingruppierung eines Leiharbeitnehmers ist allein der Verleiherbetrieb zuständig.92 § 14 AÜG regelt darüber hinaus jedoch betriebsverfassungsrechtliche Besonderheiten, die sich aus dem Schutzbedürfnis bei Eingliederung der Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Ent-

88 Ablehnend Ulber, AP Nr. 23 zu § 10 AÜG. 89 BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 368/13, NZA 2015, 877, Rz. 35 vgl. auch BAG v. 23.3.2011 – 5 AZR 7/10, NZA 2011, 850, Rz. 18. 90 ErfK/Wank, § 11 AÜG Rz. 6; Sandmann/Marschall, § 11 AÜG Rz. 8; Schüren/Hamann/Schüren, § 11 AÜG Rz. 48, 63; aA Ulber, § 11 AÜG Rz. 74. 91 Der Betriebsrat beim Verleiher hat aber kein Zugangsrecht zum Betrieb des Entleihers nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, denn aus der gesetzlichen Zuordnung nach § 14 Abs. 1 AÜG folgt nicht zwingend die Zuständigkeit des Verleiherbetriebsrates in allen betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten, BAG v. 15.10.2014 – 7 ABR 74/12, NZA 2015, 560. 92 BAG v. 17.6.2008, NZA 2009, 112; v. 14.8.2007 – 9 AZR 167/07, NZA 2008, 236; Schüren/Hamann/ Hamann, § 14 AÜG Rz. 326.

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Rz. 28 Kap. 10

leihers ergeben: Vor Übernahme eines Leiharbeitnehmers – also der tatsächlichen Arbeitsaufnahme93 – ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebes nach § 99 BetrVG zu beteiligen, § 14 Abs. 3 AÜG.94 Dieser Betriebsrat ist dementsprechend unter Vorlage der Erklärung des Verleihers, über eine Überlassungserlaubnis zu verfügen, vgl. § 14 Abs. 3 Satz 2 AÜG, über den Namen des zu überlassenden Leiharbeitnehmers, sowie u.a. über Einsatzdauer, den vorgesehenen Arbeitsplatz und die Art der Tätigkeit zu unterrichten.95 Das Zustimmungsverweigerungsrecht besteht nur hinsichtlich der Einstellung an sich. Dem Betriebsrat kann ein Zustimmungsverweigerungsrecht ua. zukommen bei fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, bei Verstoß gegen die Prüf- und Meldepflichten nach § 81 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB IX96/ § 164 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB IX nF,97 wenn der Leiharbeitnehmer länger als nur vorübergehend beschäftigt wird,98 oder wenn die nach § 93 BetrVG erforderliche innerbetriebliche Ausschreibung unterblieben ist,99 jedoch nicht bei einem Verstoß gegen das Gleichstellungsgebot100 oder bei Beendigung des Einsatzes des Leiharbeitnehmers infolge Kündigung des ihn betreffenden Personalüberlassungsvertrages.101 Weitere Beteiligungsrechte dieses Betriebsrates können sich aus § 80 Abs. 2 Satz 1, 3, §§ 81, 82 Abs. 1, §§ 84–86 und § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergeben. Maßgeblich dafür, ob der Betriebsrat des Verleiherbetriebes oder derjenige des Entleiherbetriebes nach § 87 BetrVG mitzubestimmen hat, ist letztlich, ob der Verleiher oder der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft.102 So kann der Betriebsrat des Entleiherbetriebs zB das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG für die im Betrieb eingesetzten Leiharbeitnehmer ausüben.103 93 BAG v. 9.3.2011 – 7 ABR 137/09, NZA 2011, 871, 872, Rz. 26. Dies ist insbesondere von Relevanz für die sog. Arbeitnehmer-Pools, bei denen der Verleiher einen bestimmten Personalpool auf Abruf dem Entleiher bereitstellt. In diesem Fall hat der Betriebsrat erst vor jedem Kurzeinsatz mitzubestimmen und nicht bereits einmalig bei der Aufnahme eines Mitarbeiters in den Pool, vgl. BAG v. 23.1.2008 – 1 ABR 74/06, NZA 2008, 603, 605, Rz. 24, 26. Bei fehlender Kooperationsbereitschaft des Betriebsrates bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit, nach § 100 BetrVG vorzugehen,vgl. dazu auch Kap. 42. 94 Str. ist, ob § 14 Abs. 3 AÜG als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung auf § 99 BetrVG verweist. Bei einer Rechtsfolgenverweisung wäre der Entleiherbetriebsrat auch zu beteiligen, wenn im Entleiherbetrieb in der Regel weniger als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Für eine Rechtsgrundverweisung: Boemke/Lembke/Boemke, § 14 AÜG Rz. 101; Schüren/Hamann/ Hamann, § 14 AÜG Rz. 146; Thüsing/Thüsing, § 14 AÜG Rz. 147; dagegen ErfK/Wank, § 14 AÜG Rz. 18; Sandmann/Marschall, § 14 AÜG Rz. 26; Ulber/zu Dohna-Jaeger, § 14 AÜG Rz. 186. 95 BAG v. 9.3.2011 – 7 ABR 137/09, NZA 2011, 871, Rz. 29, mit Anm. Boemke, AP Nr. 63 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung: Der Entleiher kann sich nicht auf Unkenntnis berufen, da es ihm zumutbar ist, beim Verleiher auf Auswahl der Leiharbeitnehmer und Mitteilung ihrer Namen zu drängen, um seiner Unterrichtungspflicht nachzukommen. 96 BAG v. 23.6.2010 – 7 ABR 3/09, NZA 2010, 1361, Rz. 29. 97 Die nF bezeichnet die ab 1.1.2018 geltende neue Nummerierung im SGB IX gem. dem Bundesteilhabegesetz. 98 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 79/12, NZA 2015, 240; v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296, Rz. 24; das dürfte dann auch bei einem Verstoß gegen die Höchstüberlassungdauer gelten. 99 BAG v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12, NZA 2014, 214, Rz. 21. 100 BAG v. 21.7.2009 – 1 ABR 35/08, NZA 2009, 1156, Rz. 28. Ausführlich dazu Düwell/Dahl, NZA-RR 2011, 1 und auch Linsenmaier/Kiel, RdA 2014, 135; zur Frage, ob ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats bei einer nicht „vorübergehenden“ Überlassung vorliegt, vgl. Einf. Rz. 27. 101 BAG v. 17.2.2015 – 1 ABR 45/13, NZA 2015, 762, Rz. 27, 29. 102 BAG v. 19.6.2001 – 1 ABR 43/00, DB 2001, 2301, Rz. 27: Die Entsendung von Leiharbeitnehmern in Betriebe, deren betriebsübliche Arbeitszeit die vom Leiharbeitnehmer vertraglich geschuldete Arbeitszeit übersteigt, ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig, sofern die Entsendung für eine entsprechend verlängerte Arbeitszeit erfolgt. Das Mitbestimmungsrecht steht dem beim Verleiher gebildeten Betriebsrat zu. s. auch Linsenmaier/Kiel, RdA 2014, 135, 149. 103 BAG v. 15.12.1992 – 1 ABR 38/92, DB 1993, 888; Boemke/Lembke/Boemke, § 14 AÜG Rz. 124.

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Kap. 10 Rz. 29

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Leiharbeitnehmer, die voraussichtlich länger als drei Monate beim Entleiher eingesetzt werden,104 sind nach § 7 Satz 2 BetrVG aktiv wahlberechtigt bei der Betriebsratswahl im Entleiherbetrieb, ebenso wie bei Aufsichtsratswahlen im mitbestimmten Entleiherunternehmen, § 10 Abs. 2 Satz 2 MitBestG bzw. § 5 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG. Ein passives Wahlrecht besteht für Leiharbeitnehmer bei Betriebsratswahlen im Entleiherbetrieb allerdings nicht, § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 ff. AÜG „zählen“ Leiharbeitnehmer im Rahmen des BetrVG (Ausnahme: § 112a BetrVG), EBRG bzw. der Wahlordnungen im Entleiherbetrieb mit, soweit ein bestimmter Anteil oder eine bestimmte Anzahl an Arbeitnehmern vorausgesetzt wird.

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Bei einem (echten) Dienst- oder Werkvertrag bestehen im Regelfall mangels Eingliederung in den Entleiherbetrieb keine Mitbestimmungsrechte des dortigen Betriebsrates.

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Leiharbeitnehmer sind auch bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung nach den Mitbestimmungsgesetzen, insbesondere dem MitbestG und dem DrittelbG, mitzuzählen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt, § 14 Abs. 2 Satz 5 AÜG.

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§ 14 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3 AÜG gelten sinngemäß auch für die Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes.105

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Einstweilen frei.

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12. Kündigungsschutzrechtlich sind Leiharbeitnehmer für die Berechnung der Schwellenwerte nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG und damit für die Prüfung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf den Betrieb mitzuzählen, soweit ihr Einsatz auf einem in der Regel vorhandenen Personalbedarf beruht, sie also aufgrund eines regelmäßigen und nicht eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt sind.106

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Ferner wirkt sich der Einsatz von Leiharbeitnehmern im von Kündigungen betroffenen Entleiherbetrieb wie folgt aus: Beschäftigt der Entleiher Leiharbeitnehmer, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken, kann von einer anderen freien Beschäftigungsmöglichkeit auszugehen sein, die vorrangig für sonst zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer genutzt werden muss.107 Etwas anderes kann hingegen gelten, wenn Leiharbeitnehmer lediglich zur Abdeckung von „Auftragsspitzen“ oder als „Personalreserve“ zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftigt werden.

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13. Nach § 13a AÜG ist der Entleiher verpflichtet, den Leiharbeitnehmer über Arbeitsplätze des Entleihers, die besetzt werden sollen, zu informieren. Das gilt nicht nur für freie Arbeitsplätze in dem Betrieb, in dem der Leiharbeitnehmer eingesetzt ist, sondern unternehmensweit.108 Die Information kann durch allgemeine Bekanntgabe an einer geeigneten, dem Leiharbeitnehmer ungehindert zugänglichen Stelle im Betrieb oder Unternehmen erfolgen, § 13a Satz 2 AÜG. Eine Pflicht zur bevorzugten Einstellung des sich bewerbenden Leiharbeitnehmers wird dadurch jedoch nicht begründet.109 Möglicherweise besteht ein Zustimmungsver104 Aufgrund des Wortlauts „eingesetzt werden“ und nicht „eingesetzt wurden“ wird zT davon ausgegangen, dass das Wahlrecht bereits bei Beginn der Überlassung besteht, sofern eine dreimonatige Überlassung prognostiziert werden kann, Düwell/Dahl, NZA-RR 2011, 1, 2. In diese Richtung auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/5741, S. 36 zu Nr. 7. 105 Dazu BVerwG v. 7.4.2010, NZA-RR 2010, 389. 106 BAG v. 24.1.2013 – 2 AZR 140/12, NZA 2013, 726, Rz. 10, 20, 24. 107 BAG v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044, Rz. 30; vgl. auch Lingemann, Teil 3 Rz. 187 ff. 108 Forst, AuR 2012, 97; Boemke/Lembke/Lembke, § 13a AÜG Rz. 10. 109 Hamann, RdA 2011, 321, 334; Kock, BB 2012, 323; Zimmermann, ArbR 2011, 264, 265.

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weigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, wenn der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nach § 13a AÜG nicht nachgekommen ist.110 14. Der Entleiher ist zudem verpflichtet, Leiharbeitnehmern Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten im Unternehmen zu den gleichen Bedingungen zu gewähren wie vergleichbaren Mitarbeitern in dem Betrieb, in dem der Leiharbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, § 13b AÜG.111 Gemäß § 13b Satz 2 AÜG sind Gemeinschaftseinrichtungen oder -dienste insbesondere Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel; nicht erfasst sind hingegen Geldleistungen, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung oder Geldsurrogate wie Gutscheine.112 Eine unterschiedliche Behandlung zwischen Leiharbeitnehmern und Mitarbeitern des Entleiherbetriebs hinsichtlich des Zugangs zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten kann aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein: Das kann nach der Gesetzesbegründung dann zulässig sein, wenn der Zugang gemessen an der individuellen Einsatzdauer einen unverhältnismäßig hohen Organisations- bzw. Verwaltungsaufwand erfordert.113

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15. Der Verleiher kann dem Entleiher nicht untersagen, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht, § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG.114 Auch entsprechende Vereinbarungen zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer sind unwirksam, § 9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG. Schließlich kann der Leiharbeitnehmer nicht wirksam zur Zahlung einer Vermittlungsvergütung115 an den Verleiher verpflichtet werden, § 9 Abs. 1 Nr. 5 AÜG. Entgegen dem zu weit geratenen Wortlaut des § 10 Abs. 1 AÜG schließt sich an die Nrn. 3 ff. des § 9 Abs. 1 AÜG keine Fiktion eines Arbeitgeberwechsels an, vgl. dazu näher bereits Rz. 22.

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16. Der Entleiher darf nach der Neuregelung116 in § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG den Leiharbeitnehmer nicht mehr tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Eine Ausnahme gilt gem. Satz 2 nur dann, wenn der Entleiher sicherstellt, dass Leiharbeitnehmer keine Tätigkeiten übernehmen, die bisher von Arbeitnehmern erledigt wurde, die sich entweder selbst im Arbeitskampf befinden oder die ihrerseits Tätigkeiten von Arbeitnehmern übernommen haben, die sich im Arbeitskampf befinden. Nicht vom Verbot umfasst sind nach der Gesetzesbegründung ferner Sachverhalte, in denen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, die bereits vor Beginn des Arbeitskampfs im Betrieb des Entleihers tä-

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110 Dafür unter Hinweis auf die BAG-Rechtsprechung zum Zustimmungsverweigerungsrecht bei Verstoß gegen die Prüf- und Konsultationspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB IX: Hamann, RdA 2011, 321, 335; Kock, BB 2012, 323, 324; Lembke, NZA 2011, 319, 322; dagegen Zimmermann, ArbR 2011, 264, 265. 111 Dazu im Einzelnen Vielmeier, NZA 2012, 535; Kock, BB 2012, 323, 324 ff. 112 Huke/Neufeld/Luickhardt, BB 2012, 961, 968; Kock, BB 2012, 323, 325. 113 BT-Drucks. 17/4804, S. 10. Der Rechtfertigungsgrund sollte vorsichtig verwendet werden, da der Gesetzgeber weiter ausführt, es sei im weiteren zu prüfen, inwieweit die Bedingungen für den Zugang von Leiharbeitnehmern so ausgestaltet werden können, dass ihnen der Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten ermöglicht wird (BT-Drucks. 17/4804, S. 10; aA Kock, BB 2012, 323, 326; Vielmeier, NZA 2012, 535, 540, unter Hinweis darauf, dass eine solche Prüfpflicht keinen Ausdruck im Gesetzeswortlaut gefunden hat). 114 § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG erfasst wohl nur den Fall, dass der Entleiher den Leiharbeitnehmer selbst einstellt. Will er den Leiharbeitnehmer an einen anderen Verleiher vermitteln (zB weil er nun mit diesem zusammenarbeitet), gilt § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG wohl nicht, Ziegelmayer/Bissels, DB 2015, 1659, 1660 f. 115 Zur Vereinbarung einer Vermittlungsprovision zwischen Verleiher und Entleiher vgl. M 10.2 § 14. 116 Kritisch Bauer/Haußmann, NZA 2016, 803 zu Anwendungsfolgen und zur Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung.

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tig waren, während des Arbeitskampfs ihre bisherigen Tätigkeiten fortführen. Das gilt auch für erst nach Beginn des Arbeitskampfes hinzukommende Leiharbeitskräfte, deren Tätigkeiten ausschließlich abseits des Arbeitskampfes erfolgen.117 Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 3 AÜG besteht ferner weiterhin ein Leistungsverweigerungsrecht für den Leiharbeitnehmer. Er ist nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. Auf dieses Recht muss der Verleiher ihn hinweisen, § 11 Abs. 5 Satz 4 AÜG.118 Teilweise enthalten Tarifverträge Einsatzverbote für Leiharbeitnehmer in bestreikten Betrieben (sog. Streikklauseln). Ob diese normativ oder schuldrechtlich wirken, ist nicht geklärt.119 40

17. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher aus der Überlassung ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG gegeben.120 Dies betrifft u.a. Ansprüche des Leiharbeitnehmers nach § 13a und § 13b AÜG.

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18. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ff. AÜG stellen zahlreiche Verstöße gegen das AÜG eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Zusätzlich können durch die Verstöße entstandene wirtschaftliche Vorteile nach § 17 Abs. 4 OWiG abgeschöpft werden, wobei auch ein angedrohtes Höchstmaß des Bußgeldes überschritten werden kann.121 Soweit nach §§ 9, 10 AÜG der Arbeitsvertrag mit dem Verleiher unwirksam ist, besteht nach § 10 Abs. 2 AÜG ferner ein Schadensersatzanspruch des Leiharbeitnehmers gegen den Verleiher auf Ersatz des Schadens, den dieser dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut, es sei denn, ihm war der Grund der Unwirksamkeit bekannt.122 Verstöße können zudem zum Widerruf oder der Rücknahme der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis führen.

117 BTDrucks. 18/9232, S. 28. 118 Zu den Anforderungen an die Hinweispflicht Boemke/Lembke, § 11 AÜG Rz. 138, wonach ein allgemeiner Hinweis bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht ausreicht, sondern vielmehr jeweils ein konkreter Hinweis erforderlich ist, wenn der Entleiher von einem Arbeitskampf bereits betroffen ist, bzw. sobald er beginnt. 119 Zur Problematik mwN Boemke/Sachadae, DB 2015, 1467 und BB 2015, 1781. 120 BAG v. 15.3.2011 – 10 AZB 49/10, NZA 2011, 653, Rz. 12. 121 Zu den Risiken einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung Deich, AuA 2009, 412, 415; Timmermann, BB 2012, 1729. 122 Regelmäßig liegt in der Praxis, wenn der Verleiher das geschuldete Arbeitsentgelt zahlt, allerdings kein Schaden des Leiharbeitnehmers vor, vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 10 AÜG Rz. 145.

II. Muster M 10.1.1

Anstellungsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher ohne Bezugnahme auf einen Tarifvertrag

zwischen der Firma … Anschrift …1 (im Folgenden: Firma) und 1 Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG ist neben der Firma auch die Anschrift des Verleihers anzugeben.

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Kap. 10

Herrn/Frau … wohnhaft in …

Vorbemerkung2 Unternehmensgegenstand der Firma ist ua. … Die Firma stellt außerdem ihren Kunden zur Erledigung von Aufgaben vorübergehend, vorwiegend aushilfsweise, Personal zur Verfügung.3 Die Firma ist seit dem …4 im Besitz der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG). Die Erlaubnis wurde von der [Erlaubnisbehörde] … am … erteilt.5 Die Firma beabsichtigt, Herrn/Frau … je nach Auftragslage entweder im eigenen Bereich … oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung6 als Leiharbeitnehmer bei Kunden (= Entleihern) einzusetzen.7 Dies vorausgeschickt wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen:

I. Allgemeine Regelungen des Arbeitsverhältnisses § 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses8 (1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am … evtl. (2) Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. oder

2 Gemäß § 11 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Leiharbeitsverhältnisses entsprechend § 2 Abs. 1 NachwG in die Niederschrift aufzunehmen. Der Vertrag enthält vorsorglich zahlreiche Regelungen, die sich auch aus den gesetzlichen Vorschriften bereits ergeben. Bei den jeweiligen vertraglichen Regelungen wird auf die zugrunde liegende Bestimmung verwiesen. Der Vertrag bedarf zwingend der Schriftform, wenn das Arbeitsverhältnis befristet eingegangen wird (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Im Übrigen sehen auch die Manteltarifverträge den Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages vor. Nimmt der Leiharbeitsvertrag nicht Bezug auf einen einschlägigen Tarifvertrag der Zeitarbeit, gilt der Gleichstellungsgrundsatz im Leiharbeitsverhältnis, dazu Einf. Rz. 15 ff. 3 Für die Abgrenzung der Leiharbeit von anderen Formen der Fremdfirmenarbeit vgl. die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit, zuletzt Stand: 1/2016, S. 13, abrufbar unter www.arbeitsagentur.de (Suchtext: „Geschäftsanweisung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) https://www.arbeitsagentur.de/ web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mtaw/~edisp/l6019022dstbai397835.pdf?_ba.sid =L6019022DSTBAI397838, sowie Baeck/Winzer, NZA 2015, 269, 270; Deich, AuA 2009, 412. Demnach liegt trotz entsprechender Vereinbarung kein Werkvertrag vor, wenn von vornherein eine nicht „werkvertragsfähige“ Leistung vereinbart wird, das Werk zu unpräzise beschrieben wird, die Vergütung nicht erfolgsoder projektbezogen erfolgt, die Fremdleistungen nicht hinreichend klar von den Aufgaben des Einsatzbetriebs abgegrenzt sind und die maßgebliche Personalhoheit in der Praxis auf das Einsatzunternehmen übergegangen ist. 4 Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG. 5 In dem Vertrag muss die Erlaubnisbehörde angegeben werden, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG. 6 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG haben Verleiher und Entleiher die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Nach dem Gesetzeswortlaut bedarf es dieser Angabe nur im Vertrag zwischen Ver- und Entleiher, sie ist hier daher wohl entbehrlich, gleichwohl aber unschädlich und ratsam, sofern nur Arbeitnehmerüberlassung als Fremdeinsatz in Betracht kommt. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung des Arbeitgebers, gem. § 11 Abs. 2 Satz 4 AÜG den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber zu informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird, vgl. § 2 (4) Satz 3 des Musters. 7 Dieser Hinweis auf den Einsatz sowohl im eigenen als auch im Kundenbetrieb ist bei Mischunternehmen zu empfehlen, wenn die Mitarbeiter sowohl als eigene Arbeitnehmer als auch als Leiharbeitnehmer tätig werden sollen. 8 Anzugeben ist der Beginn des Arbeitsverhältnisses, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NachwG.

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(2) Das Arbeitsverhältnis wird befristet abgeschlossen bis zum …9

§ 2 Tätigkeit10 (1) Herr/Frau … wird als … eingestellt. (2) Die Firma behält sich vor, unter Wahrung der Interessen des/der Herrn/Frau …, das jeweilige Arbeitsgebiet zu ändern, Herrn/Frau … auch eine andere gleichwertige und zumutbare, seiner/ihrer Vorbildung und seinen/ihren Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen, sowie ihn/sie auch an auswärtigen Arbeitsplätzen der Firma einzusetzen.11 Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Arbeitsgebiete.12 (3) Herr/Frau … ist verpflichtet, die Belange der Firma zu wahren und die ihm/ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und nach bestem Können auszuführen. (4) Herr/Frau … ist verpflichtet, auch bei Kunden (= Entleihern) der Firma als … tätig zu werden. Diese Verpflichtung gilt auch für Einsätze außerhalb von …. Die Firma wird Herrn/Frau … vor jeder Überlassung an Kunden darüber informieren, dass er/sie als Leiharbeitnehmer tätig wird.13 (5) Die Firma ist berechtigt, Herrn/Frau … nach Maßgabe dieses Vertrages jederzeit von seinem/ihrem Einsatzort beim Kunden abzuberufen und anderweitig einzusetzen.14 Solange Herr/Frau … im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei Kunden der Firma eingesetzt ist, unterliegt er/sie im Übrigen dem Weisungsrecht des Kunden, jedoch nur im Rahmen dieses Vertrages. (6) Herr/Frau … ist nicht verpflichtet, bei einem Kunden tätig zu werden, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist.15

§ 3 Arbeitszeit16 (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt … Stunden wöchentlich. (2) Die derzeitige Lage und Verteilung der Arbeitszeit ist bekannt gemacht worden. Die Firma ist berechtigt, aus betrieblichen Gründen die Lage und Verteilung der täglichen Arbeitszeit und der Pausen einseitig zu ändern. (3) Wird Herr/Frau … bei Kunden eingesetzt, muss er/sie die dort geltenden Arbeits- und Pausenzeiten einhalten. (4) Herr/Frau … ist verpflichtet,17 auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden bis zu … Stunden/Monat, höchstens jedoch in gesetzlich zulässigem Umfang, zu leisten. Darüber 9 Für eine Befristung gilt das TzBfG, s. Rz. 13. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Nr. 3 NachwG ist die vorhersehbare Dauer der Befristung anzugeben. 10 Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG ist im Vertrag eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der von dem Leiharbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit anzugeben. 11 Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. 12 Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. 13 Vgl. § 11 Abs. 2 Satz 4 AÜG. 14 Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NachwG. 15 Vgl. § 11 Abs. 5 Satz 3 und 4 AÜG. Vgl. nur Boemke/Lembke, § 11 AÜG Rz. 138; ErfK/Wank, § 11 AÜG Rz. 20; Thüsing/Mengel, § 11 AÜG Rz. 54: Über diesen allgemeinen Hinweis hinaus muss der Leiharbeitnehmer im konkreten Fall erneut durch den Verleiher informiert werden. Wenn der Entleiherbetrieb bereits von einem Arbeitskampf betroffen ist, hat dies vor dem geplanten Arbeitseinsatz zu geschehen. Beginnt der Arbeitskampf erst während des Einsatzes, muss unverzüglich bei Beginn der Arbeitskampfmaßnahme informiert werden. Nach der Neuregelung per 1.4.2017 verbietet § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG weitergehend den Einsatz des Leiharbeitnehmers als Streikbrecher, Satz 2 regelt Ausnahmen dazu, näher Rz. 39. Das Leistungsverweigerungsrecht gem. Satz 3 und die Hinweispflicht gem. Satz 4 gilt aber fort. 16 Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG. 17 Einzelheiten und Alternativen zur Anordnungsbefugnis s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Mehrarbeitsklausel/Überstundenpauschale“, Rz. 112 sowie M 2.1a Ziff. 4 m. Anm.

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hinaus ist er/sie verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Nacht-, Schicht-, Samstags-, Sonnund Feiertagsarbeit sowie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten. Das gilt auch für Geschäftsreisen.18

§ 4 Vergütung19 (1) Herr/Frau … erhält für seine/ihre vertragliche Tätigkeit für Zeiten, während derer er/sie nicht verliehen ist, einen Stundenlohn von Euro … brutto.20 (2) Die Vergütung ist jeweils am … fällig. Die Auszahlung erfolgt bargeldlos.

§ 5 Weihnachtsgratifikation21 (1) Die Firma gewährt eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von Euro … (2) Die Firma behält sich vor, die Weihnachtsgratifikation bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind,22 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … im letzten Geschäftsjahr), – eine um mindestens … % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung von Herrn/Frau … über einen Zeitraum von … Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung von Herrn/Frau … Das Tarifgehalt/Grundgehalt sowie das gesetzliche Mindestentgelt bleiben dabei unangetastet. Zudem umfasst der widerrufliche Teil max. 24,5 % der Gesamtvergütung. (3) Die Weihnachtsgratifikation wird mit dem Novembergehalt ausgezahlt (Stichtag). Die Auszahlung ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag endet. Anteilige Zahlungen werden nicht gewährt. (4) Eine Auszahlung der Weihnachtsgratifikation ist ferner ausgeschlossen, wenn sich das Arbeitsverhältnis am Stichtag in gekündigtem Zustand befindet. Dies gilt unabhängig davon, in wessen Sphäre der Grund für die Kündigung liegt. Diese Regelung gilt sinngemäß für Aufhebungsvereinbarungen.23 (5) Eine nach den Vertragsbedingungen des Kunden gewährte Gratifikation wird auf den Anspruch angerechnet.24

§ 6 Sonstige Leistungen25 (1) Die Firma gewährt jeweils im Juli ein Urlaubsgeld in Höhe von Euro … 18 Einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeitkonten, die eine Verrechnung der Plusstunden während der verleihfreien Zeiten zulassen, sind unzulässig BAG v. 16.4.2014 – 5 AZR 483/12, NZA 2014, 1262, Rz. 22 Schüren, BB 2012, 1411; Ulber, NZA 2009, 232; aA Thüsing/Pötters, BB 2012, 317. Arbeitszeitkonten sind ohnehin nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 der 2. VO über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung möglich. Danach ist insbesondere eine tarifliche Regelung erforderlich, sonst ist der Mindestlohn am 15. des Folgemonats fällig. 19 Anzugeben ist die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie andere Bestandteile des Arbeitsentgelts und der Fälligkeit, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG. 20 Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AÜG sind im Arbeitsvertrag anzugeben Art und Höhe der Leistungen für Zeiten, in denen der Leiharbeitnehmer nicht verliehen ist. 21 Zur Einzelheiten s. M 12.15.2 iVm. M 12.15.1 m. Anm. 22 Zur Widerrufsklausel s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 sowie M 2.2 Ziff. 4 Abs. 2 m. Anm. 23 Eine solche Stichtagsregelung ist nur zulässig, wenn es sich nicht um Arbeitsvergütung handelt, sondern um eine von der Arbeitsleistung unabhängige Sonderzahlung des Arbeitgebers, Einzelheiten Kap. s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100. 24 Anrechnungsklausel nach Preis/Preis, III B 53. 25 Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 NachwG. Dem Leiharbeitnehmer darf nicht untersagt werden, Gemeinschaftseinrichtungen und – dienste des Entleihers zu nutzen, da § 13b AÜG als eine zwingende Regelung nicht im Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer abbedungen werden kann.

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.1.1

(2) Die Firma gewährt vermögenswirksame Leistungen nach den jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen in Höhe von monatlich Euro … (3) Herr/Frau … erhält einen Zuschuss zu den ihm/ihr durch die Ausübung seiner/ihrer Aufgaben im Rahmen dieses Vertrages entstehenden Aufwendungen gemäß den jeweiligen26 betriebsüblichen Sätzen. Die derzeit gültige betriebliche Spesenregelung ist diesem Vertrag als Anlage … beigefügt.

§ 7 Arbeitsverhinderung/Entgeltfortzahlung (1) Herr/Frau … ist verpflichtet, der Firma jede Arbeitsverhinderung und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich, spätestens jedoch bis … Uhr, anzuzeigen. Die Benachrichtigung muss auf dem schnellsten Beförderungswege, notfalls fernmündlich, per Telefax oder per E-Mail erfolgen. Diese Verpflichtung gilt auch, wenn aus Gründen, die der Mitarbeiter nicht zu vertreten hat, die von der Firma mit dem Kunden vereinbarte Einsatzzeit nicht oder nicht voll abgeleistet werden kann, zB weil der Kunde keinen oder nur einen kürzeren Einsatz ermöglicht. (2) Im Falle einer Erkrankung ist Herr/Frau … außerdem verpflichtet, diese spätestens bis zum Ablauf des dritten Tages durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, so ist Herr/Frau … verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung innerhalb von drei weiteren Kalendertagen vorzulegen. (3) Durch Nichteinsatz wird der Vergütungsanspruch des Mitarbeiters nach § 4 Abs. 1 nicht berührt, sofern Herr/Frau … seine/ihre Arbeitskraft rechtzeitig anbietet und der Firma während der üblichen Arbeitszeit zur Verfügung steht.27 § 615 Satz 2 BGB bleibt unberührt.28

§ 8 Urlaub29 (1) Herr/Frau … hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung der Bezüge. Der Jahresurlaub beträgt … Werktage.30 (2) Der Zeitpunkt des Jahresurlaubes wird nach den Wünschen des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse von der Firma festgelegt. (3) Herr/Frau … erhält für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel des ihm zustehenden Jahresurlaubes. Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub entsteht erstmals nach sechsmonatiger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit. (4) Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgeltes außer Betracht.

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27 28 29 30

Eine entgegenstehende vertragliche Regelung ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a AÜG unwirksam. Dagegen wird es nicht zweckmäßig sein, den Leiharbeitnehmer zur Mitteilung der für Besteuerung des Dritteinkommens notwendigen Kennzahlen (Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen nach § 13b AÜG) zu verpflichten, da er diese regelmäßig nicht kennen wird (Kock, BB 2012, 323, 326). Vgl. daher M 10.2 § 12. Eine solche dynamische Inbezugnahme eines einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Regelungswerkes kann unwirksam sein, sofern darin nicht die Voraussetzungen für einen Widerruf im Einzelnen geregelt sind, vgl. BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 99c, „Bezugnahmeklausel“. § 615 BGB kann nicht ausgeschlossen werden, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG, denn das Beschäftigungsrisiko darf in verleihfreien Zeiten nicht vom Verleiher auf den Leiharbeitnehmer verlagert werden, vgl. Ulber, NZA 2009, 232, 233. Öffentlich-rechtliche Leistungen zB aufgrund Arbeitslosigkeit sind dagegen anders als bei § 11 Nr. 3 KSchG nicht anzurechnen; daher kommt es zum gesetzlichen Forderungsübergang des Vergütungsanspruchs auf den Leistungsträger. Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 NachwG, Urlaub. Zu Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Urlaub“, Rz. 127a ff.; zu weiteren Formulierungsvorschlägen insbesondere auch im Hinblick auf den Verfall übergesetzlicher Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankung s. M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.

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M 10.1.1

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

II. Regelungen für die Zeiten, in denen Herr/Frau … verliehen ist (Verleihzeiten) Für die Zeiten, in denen Herr/Frau … verliehen ist, werden jeweils gesondert nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 Nr. 2 AÜG die wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers vereinbart. [Evtl: Herr/Frau … erhält dazu jeweils einen gesonderten Nachweis gemäß Anlage 1.31] Dies gilt nicht, soweit beim Entleiher für Herrn/Frau … schlechtere Arbeitsbedingungen als gemäß oben I. bei der Firma gelten.

III. Sonstige Bestimmungen des Arbeitsverhältnisses32 § 1 Verschwiegenheitspflicht33 Herr/Frau … hat über alle im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden vertraulichen geschäftlichen Angelegenheiten und Vorgänge der Firma und der Kunden, insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Stillschweigen gegenüber Unbefugten – auch innerhalb des Unternehmens – zu bewahren. Diese Verpflichtung gilt auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses.

§ 2 Nebenbeschäftigung34 (1) Einer Nebenbeschäftigung während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses darf Herr/Frau … nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung der Firma nachgehen. Zeigt Herr/Frau … die beabsichtigte Nebentätigkeit unter Angabe von Art, Ort und Dauer an und stehen der Ausübung der Nebentätigkeit keine sachlichen Gründe entgegen, muss die Firma ihre Zustimmung unverzüglich erteilen. Sie kann ihre Zustimmung auch befristet oder mit Widerrufsvorbehalt zu erteilen. (2) Das Zustimmungserfordernis entfällt bei karitativen, konfessionellen oder politischen Nebentätigkeiten, sofern diese die Tätigkeit des/der Herrn/Frau … nach Maßgabe dieses Vertrages nicht beeinträchtigen.

§ 3 Beendigung des Arbeitsverhältnisses35 (1) Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Vollendung des 67. Lebensjahres bzw. der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages dem 67. Lebensjahr entsprechenden Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.36 31 Grundsätzlich muss der Verleiher als Arbeitgeber dem Leiharbeitnehmer den Nachweis gem. § 11 AÜG iVm. § 2 Abs. 1 NachwG erbringen. Allerdings muss der Verleiher nur die bei ihm geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen nachweisen, nicht hingegen diejenigen beim Entleiher (BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 368/13, NZA 2015, 877, Rz. 35). Hierfür gilt nur § 13 AÜG (BAG v. 24.4.2014 – 8 AZR 1081/12, NZA 2014, 968). Ein gesonderter Nachweis dürfte daher nicht erforderlich sein; näher Rz. 25. 32 Der Gleichstellungsgrundsatz gilt gem. § 8 Abs. 1 AÜG nur für „wesentliche Arbeitsbedingungen“, im Einzelnen Einf. Rz. 15 ff. Demnach dürften die unter III. gefassten Regelungen nicht zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen zählen. 33 Diese Regelung ist nach dem AÜG nicht vorgeschrieben, kann aber in den Vertrag aufgenommen werden. 34 Diese Regelung ist nach dem AÜG nicht vorgeschrieben, kann aber in die Urkunde aufgenommen werden. Zur arbeitsvertraglichen Beschränkung von Nebentätigkeiten Gaul/Khanian, MDR 2006, 68. Vgl. dazu auch schon Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff. sowie M 2.1a Ziff. 9. 35 Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 NachwG sind die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gem. III. § 3 Abs. 2 des Musters anzugeben. Zu den Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung eines Leiharbeitnehmers BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 412/05, DB 2006, 1962; Dahl, DB 2006, 2519. Zu beachten ist auch, dass dem Leiharbeitnehmer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG nicht untersagt werden kann, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Verleiher ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher aufzunehmen. Ebenso kann der Leiharbeitnehmer nicht zur Zahlung einer Vermittlungsvergütung an den Verleiher verpflichtet werden, § 9 Abs. 1 Nr. 5 AÜG. Mit dem Leiharbeitnehmer kann aber ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden. Allerdings bietet sich dies regelmäßig nicht an, da der Leiharbeitnehmer seinem bisherigen Arbeitgeber (Verleiher) nur dann Wettbewerb macht, wenn er selbst als Verleiher tätig wird. 36 Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Altersgrenze“, Rz. 86, sowie M 2.1a Ziff. 2.

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.1.1

(2) Die beiderseitige Kündigungsfrist beträgt zwei Wochen. Jede Verlängerung der Kündigungsfrist gilt für beide Vertragsparteien. Jede Kündigung bedarf der Schriftform. (3) Zur Kündigung bevollmächtigt sind die jeweils zuständigen Regionalleiter, Niederlassungsleiter und …37 Diese werden jeweils durch Aushang [alternativ: im Intranet] bekanntgegeben.38 (4) Die Firma ist berechtigt, Herrn/Frau … nach Ausspruch einer Kündigung, gleich durch welche Vertragspartei, unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freizustellen.39 Ein Weiterbeschäftigungsanspruch ist insoweit ausgeschlossen.

§ 4 Rückgabepflicht Auf Verlangen der Firma, spätestens aber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind sämtliche der Firma zustehenden Gegenstände sowie Firmenunterlagen nebst Kopien und handschriftlichen Aufzeichnungen zu betrieblichen Vorgängen herauszugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht.

§ 5 Ärztliche Untersuchung40 Herr/Frau … erklärt sich bereit, sich auf Verlangen der Firma ärztlich untersuchen zu lassen. Die hierdurch anfallenden Kosten trägt die Firma. Herr/Frau … befreit den untersuchenden Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht, soweit das Untersuchungsergebnis Einfluss auf seine/ihre Einsatzfähigkeit haben kann.

§ 6 Merkblatt/Informationsschrift Herr/Frau … bestätigt, das Merkblatt für Leiharbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit in seiner/ ihrer Muttersprache,41 und zwar der … Sprache, sowie ein von der Firma unterschriebenes Exemplar dieses Anstellungsvertrages ebenfalls in dieser Sprache erhalten zu haben.42

§ 7 Unfallverhütung43 Herr/Frau … ist zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften verpflichtet. Die wichtigsten Unfallverhütungsvorschriften hängen … aus. Weitere im Kundenbetrieb geltende Unfallverhütungs37 Auch wenn der Arbeitsvertrag regelt, dass der jeweilige Niederlassungsleiter kündigen darf, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die kündigende Person dieser im Arbeitsvertrag genannten Stelle des Kündigungsberechtigten zuordnen oder zumindest einen Weg aufzeigen, auf dem der Arbeitnehmer vor Zugang der Kündigung unschwer erfahren kann, welche Person die Position innehat, mit der nach dem Arbeitsvertrag das Kündigungsrecht verbunden ist, BAG v. 9.6.2011 – 6 AZR 687/09, NZA 2011, 847. 38 Ob eine solche Bekanntgabe ausreicht, ist nicht geklärt. Auf das Intranet sollte nur verwiesen werden, wenn die Arbeitnehmer auch problemlos Zugang dorthin haben. 39 Zur Freistellungsklausel vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freistellungsklausel“, Rz. 103, sowie M 2.1a Ziff. 3 Abs. 3 m. Anm. 40 Diese Klausel ist möglicherweise ein Indiz gem. § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen einer Behinderung, des Alters oder des Geschlechts (Schwangerschaft). Zulässig ist eine solche Klausel daher nur, sofern ein gewisser Gesundheitszustand zwingende Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist. Zu Einzelheiten Einf. Kap. 1 sowie M 1.3.1 unter II m. Anm. 41 Gemäß § 11 Abs. 2 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer auf dessen Verlangen hin bei Vertragsschluss das Merkblatt der Erlaubnisbehörde in der Muttersprache des Leiharbeitnehmers auf Kosten des Verleihers zu übergeben. Das Merkblatt ist u.a. abrufbar unter https://www3.arbeitsagen tur.de/web/content/DE/Veroeffentlichungen/Detail/index.htm?dfContentId=L6019022DSTBAI508313. 42 Gemäß § 11 Abs. 1 AÜG iVm. § 2 NachwG hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer den Nachweis über die Vertragsbedingungen auszuhändigen. Auf Verlangen muss dies ebenfalls in der Muttersprache erfolgen. 43 Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 AÜG hat der Entleiher den Leiharbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderungen in seinem Arbeitsbereich über Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, denen er bei der Arbeit ausgesetzt sein kann, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren zu unterrichten. Er hat den Leiharbeitnehmer gem. § 11 Abs. 6 Satz 3 AÜG zusätzlich über die Notwendigkeit besonderer Qualifikationen oder beruflicher Fähigkeiten oder einer besonderen ärztlichen Überwachung sowie über erhöhte besondere Gefahren des Arbeitsplatzes zu unterrichten.

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M 10.1.1

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

vorschriften liegen dort zur Einsicht aus. Herr/Frau … hat sich über die Gefahren seines/ihres Arbeitsplatzes durch einen entsprechend qualifizierten Mitarbeiter des Kunden zu informieren.

§ 8 Auskunftspflichten des Arbeitnehmers

(1) Herr/Frau … wird im Hinblick auf § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG die Firma vor Überlassung an einen Kunden informieren, sofern er/sie innerhalb der letzten drei Monate vor der Überlassung über einen anderen Verleiher an denselben Kunden überlassen wurde. (2) Herr/Frau … ist verpflichtet, sämtliche Änderungen seiner/ihrer Anschrift umgehend der Firma mitzuteilen.

§ 9 Vertragsstrafe44

(1) Nimmt Herr/Frau … vorsätzlich oder fahrlässig die Arbeit nicht oder verspätet auf oder verlässt er/sie den Arbeitsplatz vorsätzlich oder fahrlässig vertragswidrig, so hat er/sie an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe zu zahlen.45 (2) Für den Fall des Nichtantritts der Arbeit beträgt die Vertragsstrafe das Bruttoarbeitsentgelt, welches Herr/Frau … bei Einhaltung der Mindestkündigungsfrist erhalten hätte.46 (3) Für den Fall des Verlassens des Arbeitsplatzes beträgt die Vertragsstrafe für jeden Fehlarbeitstag das auf einen Arbeitstag entfallende Bruttoentgelt. Eine Fehlzeit von drei Stunden oder mehr gilt als ein Fehlarbeitstag. Maximal beträgt die Vertragsstrafe das Bruttoarbeitsentgelt, welches Herr/Frau … bei Einhaltung der Mindestkündigungsfrist erhalten würde. (4) Das Recht der Firma, einen weiter gehenden Schaden geltend zu machen, bleibt unberührt.47

§ 10 Ausschlussfristen48

(1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Evtl. Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von drei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Ablauf der Drei-Wochen-Frist gerichtlich geltend gemacht wird. (2) Absatz 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.49

§ 11 Vertragsänderungen, Ausschluss betrieblicher Übung

(1) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.50 44 Eine Vertragsstrafe ist in Leiharbeitsverträgen durchaus verbreitet. Zu Einzelheiten vgl. Kap. 2 Rz. 73 ff. und 130 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Vertragsstrafe“ 45 Die Vertragsstrafe sichert die Erfüllung und erleichtert gleichzeitig die Durchsetzung von Schadensersatz in ihrer Höhe. 46 Die Höhe muss feststehen und billigem Ermessen entsprechen. Eine entgegen § 307 BGB in Formularverträgen zu hoch bemessene Vertragsstrafe kann nicht gem. § 343 Abs. 1 BGB auf einen angemessenen Betrag gerichtlich herabgesetzt werden und führt zur Nichtigkeit der gesamten Klausel gem. § 306 BGB (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727). Einzelheiten Kap. 2 AGB-Klauselkontrolle von A– Z, „Vertragsstrafe“, Rz. 130 ff. 47 Vgl. §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB; die Regelung gibt nur deklaratorisch die Gesetzeslage wieder. 48 Vgl. die Anm. zu M 2.1a Ziff. 10; zur AGB-Klauselkontrolle von Ausschlussfristen unter Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“, Rz. 92 ff. 49 Zur Herausnahme von Ansprüchen auf gesetzliches Mindestentgelt und alternativen Formulierungen im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“, Rz. 92 ff. sowie M 2.1a Ziff. 10 m. Anm. 50 Vgl. zur Schriftformklausel Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 f. sowie M 2.1a Ziff. 14 m. Anm.

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.1.2

(2) Sollten sich einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung als unwirksam erweisen, werden die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung dadurch nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.51 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Firma)

… (Herr/Frau …)

Anlage 1 Wesentliche Arbeitsbedingungen beim Entleiher … (Name und Anschrift des Entleihers) für eine Tätigkeit als …52 Arbeitsbedingungen53 – Vergütung/h: – Zuschläge: – Sonderzahlungen:54 – Arbeitszeit: – … Ggf. Anwendbarer Tarifvertrag Anwendbare Betriebsvereinbarungen 51 S. M 3.1, § 26 m. Anm. 52 Zur Gruppenbildung vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 121 ff. 53 Ein gesonderter Nachweis über Arbeitsbedingungen beim Entleiher ist nach der neuen BAG-Rspr. nicht mehr erforderlich. Vgl. auch M 10.1.1, Ziff. II. m. Anm. Die Anlage 1 kann dem Arbeitnehmer aber freiwillig ausgehändigt werden. 54 Diese sind nur zu zahlen, wenn sie auch einem im Entleiherbetrieb entsprechend befristet Beschäftigten gewährt würden, vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 132 ff.

M 10.1.2

Anstellungsvertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher mit Bezugnahme auf Tarifvertrag

Zwischen der Firma … Anschrift …1 (im Folgenden: Firma) und Herrn/Frau … wohnhaft in …

1 Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG ist neben der Firma auch die Anschrift des Verleihers anzugeben.

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M 10.1.2

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

Vorbemerkung2 Unternehmensgegenstand der Firma ist ua. … Die Firma stellt außerdem ihren Kunden zur Erledigung von Aufgaben vorübergehend, vorwiegend aushilfsweise, Personal zur Verfügung.3 Die Firma ist seit dem …4 im Besitz der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG). Die Erlaubnis wurde von der der [Erlaubnisbehörde] … am … erteilt.5 Die Firma beabsichtigt, Herrn/Frau … je nach Auftragslage entweder im eigenen Bereich … oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung6 als Leiharbeitnehmer bei Kunden (= Entleihern) einzusetzen.7 Dies vorausgeschickt wird folgender Arbeitsvertrag geschlossen:

§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses8 (1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am … evtl. (2) Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. 2 Gemäß § 11 Abs. 1 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen des Leiharbeitsverhältnisses entsprechend § 2 Abs. 1 NachwG in die Niederschrift aufzunehmen. Soweit die Vertragspartner tarifgebunden sind, sind nach dem Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs. 3 TVG, in dem Anstellungsvertrag nur solche Regelungen wirksam, die entweder im Tarifvertrag nicht geregelt sind oder, soweit sie von ihm abweichen, durch den Tarifvertrag gestattet sind oder von den tariflichen Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers abweichen. Je nach dem Inhalt des Tarifvertrages kommen also auch hier zusätzliche Regelungen gem. M 10.1.1 in Betracht, diese sollten allerdings sorgfältig mit den Regelungen des jeweils einschlägigen Tarifvertrages abgeglichen werden. Sofern der Tarifvertrag keine Regelung oder eine arbeitsvertragsoffene Regelung enthält, können weitere Regelungen in den Leiharbeitsvertrag aufgenommen werden. Besonderheit ist, dass durch Tarifvertrag in den Grenzen von § 8 Abs. 2 AÜG auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers vom Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich lediglich arbeitsvertraglich in Bezug genommen wird. Soll der Gleichstellungsanspruch des Leiharbeitnehmers durch die Anwendung des Tarifvertrages abbedungen werden, sollte dieser möglichst umfassend vereinbart werden, da bei nur teilweiser Anwendung die gesetzlichen Regelungen und damit der Gleichstellungsgrundsatz vorgehen könnten. Vgl. zum Problem Freckmann/Gallini, BB 2013, 309. Die Tarifvertragsprivilegierung iSd. AÜG greift auch nur, wenn die Gewerkschaft, mit welcher der entsprechende Tarifvertrag abgeschlossen worden ist, tariffähig ist. 3 Für die Abgrenzung der Leiharbeit von anderen Formen der Fremdfirmenarbeit vgl. die Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit, zuletzt Stand: 1/2016, S. 13, abrufbar unter www.arbeitsagentur.de (Suchtext: „Geschäftsanweisung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“) https://www.arbeitsagentur.de/ web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mtaw/~edisp/l6019022dstbai397835.pdf?_ba.sid =L6019022DSTBAI397838, sowie Baeck/Winzer, NZA 2015, 269, 270; Deich, AuA 2009, 412. Demnach liegt trotz entsprechender Vereinbarung kein Werkvertrag vor, wenn von vornherein eine nicht „werkvertragsfähige“ Leistung vereinbart wird, das Werk zu unpräzise beschrieben wird, die Vergütung nicht erfolgsoder projektbezogen erfolgt, die Fremdleistungen nicht hinreichend klar von den Aufgaben des Einsatzbetriebs abgegrenzt sind und die maßgebliche Personalhoheit in der Praxis auf das Einsatzunternehmen übergegangen ist. 4 Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG. 5 In dem Vertrag muss die Erlaubnisbehörde angegeben werden, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AÜG. 6 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG haben Verleiher und Entleiher die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Nach dem Gesetzeswortlaut bedarf es dieser Angabe nur im Vertrag zwischen Ver- und Entleiher, sie ist hier daher wohl entbehrlich, gleichwohl aber unschädlich und ratsam, sofern nur Arbeitnehmerüberlassung als Fremdeinsatz in Betracht kommt. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung des Arbeitgebers, gem. § 11 Abs. 2 Satz 4 AÜG den Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung darüber zu informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird (vgl. I § 2 (4) Satz 3 des Musters) 7 Dieser Hinweis auf den Einsatz sowohl im eigenen als auch im Kundenbetrieb ist bei Mischunternehmen zu empfehlen, wenn die Mitarbeiter sowohl als eigener Arbeitnehmer als auch als Leiharbeitnehmer tätig werden sollen. 8 Anzugeben ist der Beginn des Arbeitsverhältnisses, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NachwG.

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.1.2

oder (2) Das Arbeitsverhältnis wird befristet abgeschlossen bis zum …9

§ 2 Tätigkeit10 (1) Herr/Frau … wird als … eingestellt. (2) Die Firma behält sich vor, unter Wahrung der Interessen des/der Herrn/Frau …, das jeweilige Arbeitsgebiet zu ändern, Herrn/Frau … auch eine andere gleichwertige und zumutbare, seiner/ihrer Vorbildung und seinen/ihren Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen sowie ihn/sie auch an auswärtigen Arbeitsplätzen der Firma einzusetzen.11 Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Arbeitsgebiete.12 (3) Herr/Frau … ist verpflichtet, die Belange der Firma zu wahren und die ihm/ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und nach bestem Können auszuführen. (4) Herr/Frau … ist verpflichtet, auch bei Kunden (= Entleihern) der Firma als … tätig zu werden. Diese Verpflichtung gilt auch für Einsätze außerhalb von …. Die Firma wird Herrn/Frau … vor jeder Überlassung an Kunden darüber informieren, dass er/sie als Leiharbeitnehmer tätig wird.13 (5) Die Firma ist berechtigt, Herrn/Frau … nach Maßgabe dieses Vertrages jederzeit von seinem/ihrem Einsatzort beim Kunden abzuberufen und anderweitig einzusetzen.14 Solange Herr/Frau … im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei Kunden der Firma eingesetzt ist, unterliegt er/sie im Übrigen dem Weisungsrecht des Kunden, jedoch nur im Rahmen dieses Vertrages. (6) Herr/Frau … ist nicht verpflichtet, bei einem Kunden tätig zu werden, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist.15

§ 3 Tarifgeltung Im Übrigen gelten die für den Betrieb der Firma einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung. Derzeit sind dies die Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche, bestehend aus16 … und abgeschlossen zwischen … und …17. 9 Für eine Befristung gilt das TzBfG, s. Rz. 13. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Nr. 3 NachwG ist die vorhersehbare Dauer der Befristung anzugeben. 10 Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG ist im Vertrag eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der von dem Leiharbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit anzugeben. 11 Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. 12 Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. 13 Vgl. § 11 Abs. 2 Satz 4 AÜG. 14 Vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NachwG. 15 Vgl. § 11 Abs. 5 Satz 3 und 4 AÜG. Vgl. nur Boemke/Lembke, § 11 AÜG Rz. 138; ErfK/Wank, § 11 AÜG Rz. 20; Thüsing/Mengel, § 11 AÜG Rz. 54: Über diesen allgemeinen Hinweis hinaus muss der Leiharbeitnehmer im konkreten Fall erneut durch den Verleiher informiert werden. Wenn der Entleiherbetrieb bereits von einem Arbeitskampf betroffen ist, hat dies vor dem geplanten Arbeitseinsatz zu geschehen. Beginnt der Arbeitskampf erst während des Einsatzes, muss unverzüglich bei Beginn der Arbeitskampfmaßnahme informiert werden. 16 Zur Befreiung vom Equal Pay Gebot muss das gesamte Tarifwerk übernommen werden, die Aufzählung muss daher vollständig sein (Bayreuther, NZA Beilage 4/2012, 115, 116; Nießen/Fabritius, BB 2013, 375, 377). Auch ein Verweis lediglich auf die Entgelttarifverträge unter Ausnahme der Branchenzuschlagstarifverträge dürfte nicht zur Befreiung vom Gleichstellungsgrundsatz führen (Bayreuther, NZA Beilage 4/2012, 115, 116; Nießen/Fabritius, BB 2013, 375, 377) hierzu auch Rz. 16. Sofern der Branchenzuschlag mit etwaigen übertariflichen Zulagen verrechnet werden soll, müsste eine Verrechnungsklausel aufgenommen werden. 17 § 3 enthält eine einfache Tarifwechselklausel. Zu Einzelheiten und weiteren Formulierungsvorschlägen, insbesondere auch kleinen dynamischen und statischen Bezugnahmeklauseln s. M 2.2 Ziff. 5 m. Anm. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag kann intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein, wenn sich für den Arbeitnehmer nicht ersehen lässt,

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Kap. 10

§ 4 Merkblatt/Informationsschrift Herr/Frau … bestätigt, das Merkblatt für Leiharbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit in seiner/ ihrer Muttersprache,18 und zwar der … Sprache, sowie ein von der Firma unterschriebenes Exemplar des Mitarbeitervertrages ebenfalls in dieser Sprache erhalten zu haben.19 … (Ort, Datum)

… (Ort, Datum)

… (Firma)

… (Herr/Frau …)

welches der tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll (BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680, dazu für Tarifverträge des DGB: Müntefering, NZA 2015, 711; Schindele/Söhl NZA 2014, 1049). Hier wird zT eine gestaffelte Bezugnahme vorgeschlagen, je nachdem, in welcher Branche der Arbeitnehmer jeweils eingesetzt wird, also zB „für die Zeit der Überlassung in Betriebe der X-Industrie gelten die Tarifverträge …, bestehend aus …, abgeschlossen zwischen … und …, für die Zeit der Überlassung in Betriebe der Y-Industrie gelten [usw.].“ (Preis/Greiner, II V 40, Rz. 65 j). 18 Gemäß § 11 Abs. 2 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer auf dessen Verlangen hin bei Vertragsschluss das Merkblatt der Erlaubnisbehörde in der Muttersprache des Leiharbeitnehmers auf Kosten des Verleihers zu übergeben. Das Merkblatt ist abrufbar unter https://www3.arbeitsagen tur.de/web/content/DE/Veroeffentlichungen/Detail/index.htm?dfContentId=L6019022DSTBAI508313. 19 Gemäß § 11 Abs. 2 AÜG iVm. § 2 Abs. 1 NachwG hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer den Nachweis über die Vertragsbedingungen auszuhändigen, auf Verlangen muss dies ebenfalls in der Muttersprache erfolgen.

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Arbeitnehmerüberlassungsvertrag – Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher

zwischen der Firma … (im Folgenden: Verleiher) und der Firma … (im Folgenden: Entleiher)

§ 1 Verleihererklärung1 (1) Der Verleiher erklärt, dass er die unbefristete Erlaubnis2 zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 AÜG besitzt.3 Eine Kopie der Erlaubnisurkunde der zuständigen [Erlaubnisbehörde] ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. oder 1 Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher bedarf der Schriftform, § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Sofern wiederholte Überlassungen zwischen Verleiher und Entleiher geplant sind, könnte sich auch der Abschluss eines Rahmenvertrages anbieten, in dem die Bedingungen für eine Mehrzahl von Überlassungen geregelt sind, vgl. dazu M 10.3. 2 Die Verleiherlaubnis wird zunächst auf ein Jahr befristet erteilt, § 2 Abs. 4 Satz 1 AÜG. Sie kann dann im weiteren Verlauf unbefristet erteilt werden, wenn der Verleiher drei aufeinanderfolgende Jahre lang durchgehend als Verleiher tätig war, § 2 Abs. 5 Satz 1 AÜG. 3 In der Vertragsurkunde hat der Verleiher zu erklären, ob er die Erlaubnis nach § 1 AÜG besitzt, § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG.

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(1) Der Verleiher hat die befristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 AÜG. Diese Erlaubnis wurde von der … [Erlaubnisbehörde] am …ausgestellt und ist zunächst befristet bis zum … . Eine Kopie der Erlaubnisurkunde ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. Der Verleiher wird den Entleiher spätestens drei Monate vor Ablauf der Erlaubnis darüber informieren, ob er fristgemäß den Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 4 AÜG gestellt hat. Der Verleiher wird dem Entleiher unverzüglich nach Erhalt die Verlängerung der Erlaubnis in Kopie zusenden. (2) Der Verleiher verpflichtet sich, den Wegfall4 und alle Änderungen der Erlaubnis sowie bei Nichtverlängerung, Rücknahme oder Widerruf der Erlaubnis auch das voraussichtliche Ende der Abwicklung und die gesetzliche Abwicklungsfrist nach § 12 Abs. 2 AÜG dem Entleiher unverzüglich schriftlich anzuzeigen. (3) Der Verleiher erklärt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und den nach § 2 zu überlassenden Arbeitnehmern gem. § 8 Abs. 2 AÜG die Tarifverträge – in ihrer jeweils aktuellen Fassung – zwischen … und … Anwendung finden und er die beim Entleiher eingesetzten Leiharbeitnehmer nach diesem Tarifvertrag vergütet.5 Der Verleiher trägt dafür Sorge, dass die gesetzlichen und/oder tariflichen Entgeltuntergrenzen nicht unterschritten werden.6 (4) Vorbehaltlich der Geltung eines Tarifvertrages gem. Abs. (3) gewährt der Verleiher den überlassenen Arbeitnehmern die im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen gem. § 8 AÜG. Er stellt den Entleiher von etwaigen Ansprüchen Dritter, die sich aus einer Verletzung dieser Pflicht ergeben, frei; das gilt nicht, soweit der Entleiher gegen seine Auskunftspflichten gem. § 12 verstößt. (5) Der Verleiher versichert, dass zwischen ihm und den gem. § 2 überlassenen Arbeitnehmern ein Arbeitsverhältnis besteht.7

§ 2 Gegenstand des Vertrages8 Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher die nachfolgend genannten Arbeitnehmer zur nachstehend näher bezeichneten Arbeitsleistung vorübergehend, maximal jedoch für die Dauer von 18 aufeinander folgenden Monaten seit Beginn der Überlassung, somit bis zum …, in seinem Betrieb zu überlassen. Dabei handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung gem. §§ 1 ff. AÜG.9 … (Name) … (Adresse) … (Tätigkeit, ggf. besondere Merkmale) … (Qualifikation) von … bis … (Einsatzzeit)10 4 Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 AÜG muss der Verleiher den Entleiher unverzüglich über den Zeitpunkt des Wegfalls der Erlaubnis unterrichten. 5 Vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 378. Findet auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers kein den Gleichstellungsgrundsatz ausschließender Tarifvertrag der Zeitarbeit Anwendung, ist der Entleiher verpflichtet, im Verleihvertrag Angaben zu wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers zu machen, § 12 Abs. 1 Satz 4 AÜG. 6 Vgl. Spieler/Pollert, AuA 2011, 270, 271. Die weite Formulierung erfasst neben der Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG auch die Mindestlöhne nach dem AEntG und MiLoG, vgl. dazu Rz. 4 ff. 7 Gemäß § 1 Abs. 1 AÜG darf kein Ketten-/Zwischen-/Weiterverleih stattfinden. 8 In der Urkunde muss der Entleiher auch erklären, welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist, § 12 Abs. 1 Satz 4 AÜG. 9 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG haben Verleiher und Entleiher die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Schon wegen der drastischen Rechtsfolgen – u.a. Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1a iVm. § 10 Abs. 1 AÜG – empfiehlt es sich, den Hinweis ausdrücklich aufzunehmen, s. auch Fn. 13. 10 Die Angabe ist ratsam zur Einhaltung der Höchstüberlassungsdauer von (tarifdispositiv) 18. Monaten gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1b AÜG, vgl. Rz. 8 ff.

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oder Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher die in der Anlage 2 zu diesem Vertrag namentlich aufgeführten Arbeitnehmer11 (ggf: „die überlassenen Arbeitnehmer“) bis zu dem dort jeweils genannten Zeitpunkt12 vorübergehend, maximal jedoch für die Dauer von 18 aufeinander folgenden Monaten seit Beginn der Überlassung zur Arbeitsleistung13 zu überlassen. Dabei handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung gem. §§ 1 ff. AÜG.14 oder Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher Arbeitnehmer mit den Qualifikationen und für die Tätigkeiten, die in der Anlage 2 zu diesem Vertrag aufgeführt sind, vorübergehend, maximal jedoch bis zum …,15 [maximal für die Dauer von 18 aufeinander folgenden Monaten seit Beginn der Überlassung] zur Arbeitsleistung zu überlassen. Dabei handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung gem. §§ 1 ff. AÜG.16 Der Verleiher wird dem Entleiher die Namen der überlassenen Arbeitnehmer spätestens 10 Tage vor dem Einsatzbeginn schriftlich unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen Vertrag mitteilen.17 Sollte der Einsatz vor Ablauf der im Satz 3 genannten Frist erfolgen, ist der Verleiher verpflichtet, die Namen unverzüglich sowie vor der Überlassung mitzuteilen. Kommt der Verleiher dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Entleiher berechtigt, den Einsatz der betreffenden Arbeitnehmer abzulehnen.

§ 3 Beginn und Dauer der Arbeitnehmerüberlassung, Vertragslaufzeit (1) Die Arbeitnehmerüberlassung beginnt und endet zu den für jeden Arbeitnehmer in der Anlage 2 angeführten Zeitpunkten. 11 Der Betriebsrat des Entleihers ist vor dem Einsatz der Leiharbeitnehmer ua. auch über deren Namen zu unterrichten. Seine Unkenntnis schützt den Entleiher nicht; er sollte im Überlassungsvertrag entweder die zu überlassenden Leiharbeitnehmer namentlich aufführen oder regeln, dass der Verleiher die Namen rechtzeitig, mindestens eine Woche, vor der Überlassung übermittelt, damit er den Betriebsrat rechtzeitig vor Beginn der Überlassung nach § 99 BetrVG informieren kann. 12 Die Angabe ist ratsam zur Einhaltung der Höchstüberlassungsdauer von (tarifdispositiv) 18 Monaten gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1b AÜG, vgl. Rz. 8 ff. 13 Da die Verpflichtung zur Zahlung von Branchenzuschlägen nicht für sämtliche Branchen gilt, in denen Leiharbeitnehmer eingesetzt werden, werden Verleiher von Entleihern zukünftig Auskunft über die Branchenzugehörigkeit des Entleiherbetriebs verlangen, sofern die geplante Dauer der Überlassung die Zahlung von Branchenzuschlägen auslösen könnte. Eine verbindliche Auskunft des Entleihers könnte allerdings zu dessen Haftung führen, wenn sie fehlerhaft ist und ein Branchenzuschlagstarifvertrag tatsächlich Anwendung findet. 14 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG haben Verleiher und Entleiher die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden lassen. Schon wegen der drastischen Rechtsfolgen – u.a. Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1a iVm. § 10 Abs. 1 AÜG – empfiehlt es sich, den Hinweis ausdrücklich aufzunehmen. Dabei sollte die Aufnahme im Vertrag ausreichen, wobei unterstellt wird, dass dieser vor Einsatzbeginn geschlossen wird, vgl. Seel, öAT 2016, 27 (28); Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins durch den Ausschuss Arbeitsrecht zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des AÜG und anderer Gesetze, RdA 2016, 173, 174/175. Die Begriffe „überlassen oder tätig werden lassen“ in § 1 Abs. 1 Nr. 5 AÜG nF beziehen sich auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Tätigwerdens, eine Konkretisierung des einzelnen Leiharbeitnehmers iSd. § 1 Abs. 1 Nr. 6 AÜG nF muss spätestens bei Einsatzbeginn vorliegen, Zimmermann, BB 2016, 53, 55. 15 Soweit die Überlassungsdauer nicht im Vertrag oder in der Anlage bei dem jeweiligen Arbeitnehmer festgehalten ist, wie in den beiden vorstehenden Alternativen, sollte sie jedenfalls hier angegeben werden zum Nachweis der Einhaltung der Höchstüberlassungsdauer von (tarifdispositiv) 18 Monaten gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1b AÜG, vgl. Rz. 8 ff. 16 S. Fn. 14. 17 Verleiher und Entleiher müssen vor der Überlassung die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkretisieren, § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG. Das kann entweder in dem Vertrag (s. Ausgangsvariante) oder einer Anlage dazu geschehen (s. Alt. 1) oder durch gesonderte Erklärung, wie in dieser Variante; diese muss dann gem. § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG allerdings ausdrücklich auf den Vertrag Bezug nehmen. Ob sie schriftlich erfolgen muss, ist nicht geklärt; § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG schreibt die Bezugnahme, nicht aber Schriftform vor. Zumindest Textform sollte daher zulässig sein.

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oder (1) Die Arbeitnehmerüberlassung beginnt und endet zu den in § 2 genannten Zeitpunkten. Krankheit und Urlaub verlängern die Frist nicht. (2) Jede Seite ist berechtigt, diesen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsende zu kündigen. (3) Die Parteien sind sich einig, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Entleiher insbesondere besteht, wenn die Erlaubnis des Verleihers gemäß § 1 Abs. 1 AÜG ihre Gültigkeit verliert.18

§ 4 Arbeitsumfang (1) Die in der Anlage 2 aufgezählten/in § 2 genannten Arbeitnehmer haben in der Zeit vom … bis … eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von … Stunden (tägliche Normalarbeitszeit von … Stunden) an den Wochentagen Montag bis Freitag. Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit kann zwischen 6.30 Uhr und 20.15 Uhr abgeleistet werden. (2) Der Verleiher kann pro Woche bis zu … Überstunden anordnen. Zu darüber hinausgehenden Überstunden, zu Arbeitszeiten außerhalb des genannten Zeitkorridors und/oder zur Arbeit in Wechselschicht müssen die Arbeitnehmer nur dann zur Verfügung stehen, wenn und soweit dies in der Anlage 2 ausdrücklich aufgeführt ist.

§ 5 Vergütung und Abrechnungsmodus (1) Der Entleiher verpflichtet sich, dem Verleiher für jeden überlassenen Arbeitnehmer die aus der Anlage 2 ersichtliche Vergütung pro Arbeitsstunde zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer zu zahlen.19 (2) Die Vergütung nach Absatz 1 erhöht sich entsprechend der prozentualen Staffelung in dem in § 1 Abs. 3 genannten Tarifvertrag über die Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung, wenn die dort jeweils genannten Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Arbeitnehmer einen Anspruch auf den Branchenzuschlag hat.20 (3) Die Vergütung wird monatlich aufgrund der Arbeitsnachweise der eingesetzten Arbeitnehmer für den jeweils zurückliegenden Monat abgerechnet. Der Zeitaufwand ist mit Hilfe von Zeiterfassungsbelegen auf vom Entleiher zur Verfügung gestellten Formularen nachzuweisen. (4) Die Vergütung wird am 25. des der Arbeitsleistung folgenden Monats gezahlt, wenn die Rechnung zusammen mit den vom Entleiher bestätigten Arbeitsnachweisen spätestens am fünften Arbeitstag dieses Monats bei der Rechnungsprüfung des Werkes des Entleihers vorliegt, welches den Verleiher beauftragt hat. Der Entleiher stellt sicher, dass die Arbeitsnachweise des abzurechnenden Monats dem Verleiher spätestens am ersten Arbeitstag (ab 13.00 Uhr) des der Arbeitsleistung folgenden Monats zur Verfügung stehen. (5) Der Arbeitnehmer ist nicht zur Entgegennahme von Vorschüssen oder sonstigen Zahlungen berechtigt. evtl.: 18 Die Regelung soll dem Risiko vorbeugen, dass der Verleih ohne Verleiherlaubnis erfolgt, da in diesem Fall ein fingiertes Arbeitsverhältnis zum Entleiher nach §§ 9 Abs.1 Nr. 1, 10 Abs. 1 AÜG entsteht. 19 Die Vergütung inklusive etwaiger Zuschläge ist umfassend in der Anlage aufzunehmen. Verleiher sollten bei der Kalkulation auch beachten, dass sich die Vergütung der zu überlassenden Leiharbeitnehmer während der Vertragslaufzeit zB aufgrund Erhöhung des Tariflohns verändern könnte. Sofern die Erhöhung auf den Entleiher ohne Vertragsänderung umgelegt werden soll, müsste eine entsprechende Anpassungsklausel in den Vertrag aufgenommen werden. 20 Vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 378. Sind nach dem jeweiligen Tarifvertrag Branchenzuschläge an die Leiharbeitnehmer zu zahlen, können diese auf zwei Wegen gegenüber dem Entleiher verrechnet werden: Entweder kann in Anlehnung an die Zuschläge ein zeitgestaffelter Zuschlag beim Verrechnungssatz angesetzt werden oder es wird auf Basis der prognostizierten Gesamtdauer der Überlassung ein Durchschnittswert gebildet, so dass der Ansatz eines einheitlichen durchgängigen Verrechnungssatzes möglich ist (Nießen/Fabritius, BB 2013, 375, 379).

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(6) Die Einarbeitung neuer Arbeitnehmer wird mit 50 % der Stundenvergütung berechnet. Als Einarbeitung gelten nur Zeiten, bei denen die Arbeitnehmer des Verleihers durch Mitarbeiter des Entleihers angeleitet werden. (7) Im Falle eines berechtigten Austauschverlangens gemäß § 9 Abs. 5 dieses Vertrages werden dem Entleiher die ersten … Stunden nicht in Rechnung gestellt.

§ 6 Weisungsbefugnis und Fürsorgepflicht des Entleihers (1) Der Entleiher darf die überlassenen Arbeitnehmer im Rahmen der in der Anlage 2 zu diesem Vertrag/in § 2 vereinbarten Tätigkeiten beschäftigen. Der Verleiher tritt dem Entleiher insoweit seine Ansprüche auf Arbeitsleistung gegen die überlassenen Arbeitnehmer ab. Es ist dem Entleiher untersagt, ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verleihers den Arbeitnehmer mit der Beförderung, mit dem Umgang oder mit dem Inkasso von Geld und anderen Zahlungsmitteln zu beauftragen. (2) Der Entleiher ist berechtigt, den überlassenen Arbeitnehmern wegen der Arbeitsausführung Weisungen zu erteilen und die Arbeitsausführung zu überwachen. (3) Der Entleiher verpflichtet sich, die sich aus dem Einsatz der überlassenen Arbeitnehmer in seinem Betrieb ergebenden gesetzlichen Fürsorgepflichten zu erfüllen. (4) Der Verleiher gewährleistet, dass die überlassenen Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des Betriebes des Entleihers integriert werden können.

§ 7 Arbeitsschutz21 (1) Nach § 11 Abs. 6 AÜG unterliegt die Tätigkeit der überlassenen Arbeitnehmer den für den Betrieb des Entleihers geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzes. Die sich hieraus ergebenden Pflichten für den Arbeitgeber obliegen dem Entleiher unbeschadet der Pflichten des Verleihers. (2) Der Entleiher wird die überlassenen Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderungen in seinem Arbeitsbereich über Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, denen sie bei der Arbeit ausgesetzt sein können, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren unterrichten.22 evtl (3) Die überlassenen Arbeitnehmer benötigen für die in der Anlage 2/in § 2 genannten Tätigkeiten die folgende persönliche Schutzausrüstung: … Diese wird vom Verleiher [alternativ: Entleiher] gestellt. Sollten weitere persönliche Schutzausrüstungen notwendig sein, werden diese vom Entleiher gestellt.23

§ 8 Unfallmeldepflicht (1) Der Entleiher wird dem Verleiher einen Arbeitsunfall der überlassenen Arbeitnehmer unverzüglich melden. (2) Ein meldepflichtiger Arbeitsunfall ist gemeinsam zu untersuchen. Der Entleiher gewährt dem Verleiher freien Zutritt zu den Arbeitsplätzen/Bereichen, in denen Arbeitnehmer nach der Anlage 2/ § 2 eingesetzt werden.24

§ 9 Auswahl und Abberufung von Arbeitnehmern (1)25 Der Entleiher verpflichtet sich, unverzüglich zu prüfen, ob der jeweils zu überlassende Arbeitnehmer in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung aus einem Arbeitsverhältnis bei ihm oder einem Arbeitgeber, der mit ihm einen Konzern im Sinne von § 18 AktG bildet, ausgeschieden 21 Sofern notwendig, könnte hier auch eine Regelung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge getroffen werden. 22 Vgl. § 11 Abs. 6 Satz 2 AÜG. 23 Die Risikoverteilung zwischen Verleiher und Entleiher kann auch – je nach Zweckdienlichkeit – anders geregelt werden. 24 Da der Verleiher ebenfalls für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften verantwortlich ist, sollte er sich ein Zutrittsrecht zum Arbeitsplatz vertraglich vorbehalten. Entleiher, die dies nicht zulassen möchten, sollten diesen Absatz streichen. 25 S. „Drehtürklausel“ in § 8 Abs. 3 AÜG, vgl. Rz. 17.

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ist; er wird das Ergebnis der Prüfung unverzüglich, jedenfalls vor dem geplanten Beginn der Überlassung, dem Verleiher mitteilen.26 (2) Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers beim Entleiher, der in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung aus einem Arbeitsverhältnis bei dem Entleiher oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne von § 18 AktG bildet, ausgeschieden ist, ist nur mit vorheriger Zustimmung des Verleihers zulässig. Verstößt der Entleiher gegen die Pflichten gem. Abs. (1) und (2), hat er dem Verleiher den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.27 (3) Der Entleiher versichert im Hinblick auf § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG, dass die überlassenen Arbeitnehmer in den 3 Monaten vor dem Beginn der Überlassung nicht bei ihm eingesetzt waren. oder (3) Vor Beginn der Überlassung wird der Entleiher den Verleiher im Hinblick auf § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG informieren, ob der Leiharbeitnehmer in den 3 Monaten vor dem Beginn der Überlassung bei dem Entleiher eingesetzt war. (4) Der Entleiher kann einen überlassenen Arbeitnehmer binnen … Stunden nach Beginn der Überlassung durch schriftliche Erklärung zurückweisen, wenn dieser nicht für die vorgesehene Tätigkeit geeignet ist. Der Verleiher ist zur sofortigen Gestellung einer geeigneten Ersatzkraft verpflichtet. (5) Zu einem späteren Zeitpunkt kann der Entleiher vom Verleiher die Abberufung eines überlassenen Arbeitnehmers für den nächsten Arbeitstag durch schriftliche Erklärung verlangen, wenn der Entleiher dessen Weiterbeschäftigung aus leistungs-, personen- oder verhaltensbedingten Gründen28 ablehnt. (6) Der Entleiher kann einen überlassenen Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Verleiher zurückweisen, wenn ein Grund vorliegt, der den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung (§ 626 BGB) berechtigen würde. In diesem Fall ist der Verleiher zur sofortigen Gestellung einer geeigneten Ersatzkraft verpflichtet. (7) In den Fällen des entschuldigten oder unentschuldigten Fehlens eines überlassenen Arbeitnehmers hat der Verleiher auf Anforderung des Entleihers sofort geeigneten Ersatz zu stellen. (8) Kommt der Verleiher dem Verlangen nach Stellung einer Ersatzkraft entsprechend den vorherigen Absätzen nicht nach, kann der Entleiher den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag über den betreffenden überlassenen Arbeitnehmer fristlos kündigen. Etwaige Schadensersatzansprüche des Entleihers bleiben unberührt.

§ 10 Austausch von Arbeitnehmern Der Verleiher ist berechtigt, aus innerbetrieblichen, organisatorischen oder gesetzlichen Gründen den überlassenen Arbeitnehmer auszutauschen und einen fachlich gleichwertigen Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Der Verleiher wird dabei die besonderen Interessen und Verhältnisse im Betrieb des Entleihers zu berücksichtigen.29

26 Klausel nach Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 468; für Details s. Rz. 17. 27 Klausel nach Boemke/Lembke, § 9 AÜG Rz. 468; für Details s. Rz. 17. 28 Verleiher sollten die Ablehnung auf solche Gründe beschränken, die einen Arbeitgeber nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes zu einer personen- und/oder verhaltensbedingten Kündigung berechtigen würde. 29 Vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 387. Der Verleiher ist ohne vertragliche Regelung nicht ohne weiteres zum Austausch von Leiharbeitnehmern berechtigt; insbesondere wenn die zu überlassenden Leiharbeitnehmer bereits im Vertrag benannt sind. Verleiher sollten sich daher vorsorglich ein Austauschrecht einräumen lassen; dies kann aber den Interessen des Entleihers zuwiderlaufen, wenn der Leiharbeitnehmer bereits gut eingearbeitet ist. Zudem sollten Verleiher bei Vereinbarung des Austauschrechts beachten, dass daraus auch eine Austauschverpflichtung folgen kann, wenn vergleichbare Leiharbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt werden sollen und eine Sozialauswahl durchzuführen ist (vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 394).

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Kap. 10

§ 11 Pflichten des Verleihers (1) Der Verleiher steht dafür ein, dass die überlassenen Arbeitnehmer die notwendige Qualifikation für die Ausführung der in der Anlage 2 zu diesem Vertrag/in § 2 näher bezeichneten Tätigkeiten besitzen. Auf Verlangen ist der Verleiher zur Vorlage von Zeugnissen oder sonstigen Qualifikationsnachweisen der überlassenen Arbeitnehmer verpflichtet. (2) Der Verleiher hat die überlassenen Arbeitnehmer auf die Wahrung der Firmeninteressen des Entleihers zu verpflichten, soweit nicht berechtigte Interessen des Verleihers entgegenstehen. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung zur Verschwiegenheit über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowohl während der Dauer der Tätigkeit im Betrieb des Entleihers als auch nach deren Beendigung. (3) Der Verleiher verpflichtet sich, bei der Überlassung eines nicht-deutschen Arbeitnehmers, der der Arbeitserlaubnis bedarf, die jeweils gültige Arbeitserlaubnis sowie – soweit erforderlich – die entsprechende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz vorzulegen.30 (4) Bei Streik, Aussperrung, vorübergehender Betriebsstilllegung und während der Dauer von Betriebsversammlungen kann der Entleiher verlangen, dass die Vertragspflichten ruhen. Der Verleiher verpflichtet sich, im Falle des § 11 Abs. 5 Satz 3 AÜG die überlassenen Arbeitnehmer auf ihr Arbeitsverweigerungsrecht hinzuweisen.31 (5) Der Verleiher verpflichtet sich, auf Verlangen des Entleihers mit Rücksicht auf die nach §§ 28e SGB IV bzw. 42d EStG bestehende Haftung des Entleihers für die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer der überlassenen Arbeitnehmer entweder Bürgschaftserklärungen oder Garantieerklärungen (Avalkredite) beizubringen.32 (6) Der Entleiher kann vom Verleiher jederzeit die Vorlage von Bescheinigungen über die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer für die überlassenen Arbeitnehmer an die zuständigen Einzugsstellen bzw. das Finanzamt verlangen. (7) Wird der Entleiher gemäß §§ 28e SGB IV bzw. 42d EStG von der zuständigen Einzugsstelle bzw. dem Finanzamt in Anspruch genommen, ist er berechtigt, die dem Verleiher geschuldete Vergütung in Höhe der von der jeweiligen Einzugsstelle bzw. dem Finanzamt geltend gemachten Forderungen einzubehalten, bis der Verleiher nachweist, dass er die Beiträge bzw. die Lohnsteuer ordnungsgemäß abgeführt hat.

§ 12 Pflichten des Entleihers (1) Der Entleiher informiert den Verleiher, ob und zu welchen Gemeinschaftseinrichtungen/-diensten im Sinne des § 13b AÜG die überlassenen Arbeitnehmer Zugang erhalten. Der Entleiher wird dem Verleiher die für die Lohnbesteuerung erforderlichen Kennzahlen für den den überlassenen Arbeitnehmern nach § 13b AÜG gewährten Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen/-diensten auf Anfrage übermitteln.33 30 Die Überlassung eines ausländischen Arbeitnehmers ohne eine Aufenthaltsgestattung oder eine Duldung, die zur Ausübung der Beschäftigung berechtigen, oder ohne die Genehmigung nach § 284 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist gem. § 15 Abs. 1 AÜG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht, in besonders schweren Fällen sogar mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. 31 Das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 11 Abs. 5 Satz 3 AÜG besteht weiterhin für den Leiharbeitnehmer, er ist nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. Auf dieses Recht muss der Verleiher ihn nach wie vor hinweisen, § 11 Abs. 5 Satz 4 AÜG., vgl. Rz. 39. 32 Die Sozialversicherungsträger können den Entleiher im Rahmen seiner gesetzlich angeordneten Bürgenhaftung in Anspruch nehmen, wenn der Verleiher keine oder zu geringe Sozialversicherungsbeiträge für den betreffenden Leiharbeitnehmer abführt, § 28e Abs. 2 SGB IV. Der Entleiher haftet zudem nach § 42d EStG für die Abführung der Lohnsteuer, wenn der Verleiher über keine Verleiherlaubnis verfügt; die Haftung ist ausgeschlossen, wenn er über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte. 33 Der Verleiher ist darauf angewiesen, vom Entleiher die für die Lohnbesteuerung erforderlichen Daten zu erhalten; die Übermittlung wird aber regelmäßig nicht kostenlos erfolgen (Kock, BB 2012, 323, 326); der Zugang der Leiharbeitnehmer zu den Gemeinschaftseinrichtungen darf wegen § 9 Abs.1 Nr. 2a iVm. § 13b AÜG nicht vertraglich ausgeschlossen werden.

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.2

(2) Der Entleiher ist nach § 17c Abs. 1 AÜG verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der überlassenen Arbeitnehmer aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren.34 (3) Der Entleiher ist auf Verlangen des Verleihers verpflichtet, diesem Ablichtungen seiner Aufzeichnungen nach Absatz 2 zur Verfügung zu stellen.35 Die Kosten der Ablichtungen werden vom Verleiher getragen. evtl36 (4) Der Entleiher gibt in der Anlage 3 an, welche besonderen Merkmale die für die überlassenen Arbeitnehmer nach Anlage 2/§ 2 vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist sowie welche wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts im Betrieb des Entleihers für alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gelten.37 Der Entleiher unterrichtet den Verleiher während der Laufzeit dieses Vertrages ständig schriftlich über Veränderungen der Angaben nach Satz 1. (5) Der Entleiher stellt den Verleiher von allen Ansprüchen der aufgrund dieses Vertrages überlassenen Arbeitnehmer frei, die diese über die bei Beginn der Überlassung festgesetzte Vergütung hinausgehend deshalb erlangen, weil die Angaben nach Absatz 1[–4]38 unvollständig oder unzutreffend sind oder waren.

§ 13 Haftung Haftungsbeschränkung des Verleihers:39 (1) Der Verleiher haftet nicht für die Ausführung der Arbeiten durch den überlassenen Arbeitnehmer sowie für Schäden, die dieser in Ausübung seiner Tätigkeit verursacht. Der Entleiher ist verpflichtet, den Verleiher von allen Ansprüchen freizustellen, die Dritte im Zusammenhang mit der Ausführung und der Verrichtung der dem überlassenen Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeiten erheben. (2) Für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit haftet der Verleiher bei eigenem Verschulden oder bei Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen nach den gesetzlichen Bestimmungen. (3) Für alle sonstigen Schäden haftet der Verleiher bei eigenem Verschulden oder bei Verschulden seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Die Haftung für leichte und normale Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen. Dies gilt sowohl für die Haftung für die sorgfältige Auswahl des Arbeitnehmers als auch für alle anderen Fälle (Verzug, Unmöglichkeit, positive Vertragsverletzung, Verschuldung bei Vertragsschluss, etc.). (4) Verletzt der Verleiher eine Pflicht aus diesem Vertrag, hat der Entleiher darzulegen und zu beweisen, dass die Pflichtverletzung durch den Verleiher zu vertreten ist. Alternativ: Haftungsbeschränkung des Entleihers: (1) Die Haftung des Entleihers gegenüber dem Verleiher ist bei Sach- und Vermögensschäden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Die Haftung für schuldloses Handeln wird auch bei Personenschäden ausgeschlossen. (2) Haftet der Entleiher gegenüber Dritten auf Schadensersatz infolge von rechts- oder vertragswidrigen Handlungen des Verleihers oder seiner Leiharbeitnehmer, wird ihn der Verleiher von dieser Haftung gegenüber Dritten freistellen. 34 Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann mit einem Bußgeld geahndet werden, § 16 Abs. 1 Nr. 17 AÜG. 35 Vgl. § 17c Abs. 2 AÜG. 36 Diese Regelung soll den Verleiher vor dem Risiko einer Fehlkalkulation schützen, wenn er unerwartet eine höhere Vergütung zahlen muss, weil es besser bezahlte vergleichbare Arbeitnehmer beim Entleiher gibt, vgl. § 12 Abs. 1 AÜG. Das gilt auch bei Tarifbindung des Verleihers jedenfalls nach Ablauf der Fristen des § 8 Abs. 4 AÜG (9 bzw. 15 Monate). Bleibt bei Tarifbindung die Überlassungsdauer dahinter zurück, bedarf es der Klausel nicht, anderenfalls könnte die Klausel auf die Zeit nach Ablauf dieser Fristen beschränkt werden. 37 Zur Auskunftspflicht s. § 12 Abs. 1 Satz 4 AÜG. 38 Dies wäre je nach beabsichtigter Reichweite anzupassen. 39 Formulierungsvorschläge nach Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 387 ff.

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M 10.2

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

(3) Der Verleiher wird den Entleiher sowie dessen Erfüllungsgehilfen von Schadensersatzansprüchen der überlassenen Leiharbeitnehmer des Verleihers freistellen. Dies gilt nicht, soweit vorsätzliches Handeln des Entleihers oder des Erfüllungsgehilfen gegeben ist oder soweit ein Versicherungsträger für den Schaden eintritt.

§ 14 Vermittlungsprovision40 (1) Übernimmt der Entleiher den Arbeitnehmer aus dem Überlassungsvertrag, so gilt dies als Vermittlung. (2) Für diese Vermittlung gilt ein Vermittlungshonorar gemäß nachstehender Tabelle als vereinbart:41 – Überlassung bis zu drei Monaten Euro … (zB 3 000)42 – Überlassung von bis zu sechs Monaten Euro … (zB 2 000), jeweils zzgl. gesetzlicher MwSt. (3) Nach einer Überlassungsdauer von mehr als sechs Monaten wird kein Honorar mehr berechnet. (4) Das jeweilige Honorar ist fällig mit Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen dem Arbeitnehmer und dem Entleiher.

§ 15 Einhaltung des AGG43 (1) Der Verleiher sichert zu, dass alle überlassenen Arbeitnehmer nach § 12 AGG hinreichend geschult sind. (2) Der Entleiher stellt sicher, dass die überlassenen Arbeitnehmer von ihm und seinen Arbeitnehmern nach Maßgabe des AGG behandelt werden. (3) Im Falle eines Verstoßes durch den Entleiher oder seine Arbeitnehmer gegen die Pflichten gemäß Absatz 1 und 2 gilt Folgendes: 40 Vereinbarungen von Vermittlungshonoraren sind für Verleiher insbesondere dann wichtig, wenn auf dem Arbeitsmarkt gefragte Leiharbeitnehmer überlassen werden. Der Verleiher kann sich damit seine Vermittlungsleistung – Vermittlung unter Erprobungsbedingungen – vergüten lassen. Die Höhe der Vermittlungsprovision darf allerdings nicht den sozialpolitisch erwünschten Wechsel des Leiharbeitnehmers zum Entleiher erschweren und muss sich insofern an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB messen lassen (BGH v. 7.12.2006 – III ZR 82/06, NJW 2007, 764: Euro 3 000,– für eine Vermittlung nach einer Überlassung von bis zu drei Monaten wurde als angemessen erachtet; vgl. auch Küpperfahrenberg/Lagardère, BB 2012, 2952; Lembke/Fesenmeyer, DB 2007, 801; Rieble, LMK 2007, 213295). 41 Für die Höhe des Honorars sind drei Kriterien maßgeblich, nämlich (1) die Dauer des vorangegangenen Verleihs, (2) die Höhe des vom Entleiher für den Verleih bereits gezahlten Entgelts und (3) der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers (BT-Drucks. 15/1749, S. 29; BT-Drucks. 15/6008, S. 11; BAG v. 11.3.2010, BB 2010, 1478 m. Anm. Ulrici). Das BAG hat eine Klausel gem. diesem Muster in der Entscheidung v. 7.12.2006, BB 2007, 332, 333, gebilligt (strenger aber zB Lembke/Fesenmeyer, DB 2007, 801, 803). Da die Klausel bereits nach der Verleihdauer differenziert, muss bei der Vereinbarung der Provision – im Beispiel Euro 3 000 bzw. Euro 2 000 – für jede Vereinbarung noch jeweils das Entgelt und der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers einbezogen werden. Insbesondere bei einfachen Tätigkeiten kann die Vereinbarung einer Vermittlungsprovision unangemessen hoch sein und den Entleiher damit von der Übernahme des Leiharbeitnehmers abhalten (Küpperfahrenberg/Lagardère, BB 2012, 2952, 2954); anders BGH v. 10.11.2011, NZA-RR 2012, 67, Rz. 14 ff., wenn die Höhe der Provision an das Entgelt anknüpft, wodurch in aller Regel ein stimmiges Verhältnis zur Qualifikation und Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers sowie zum „Marktwert“ seiner Arbeitsleistung und einer hierauf bezogenen Personalvermittlung hergestellt wird. Die Vereinbarung eines nicht nach der Dauer gestaffelten Fixbetrages ist nicht zulässig (BAG v. 11.3.2010, BB 2010, 1478 m. Anm. Ulrici). 42 In der Literatur werden Provisionen zwischen einem und drei Bruttomonatsgehältern diskutiert (Benkert, BB 2004, 998; Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 82). Der BGH hielt eine Provision iHv. 1,8 Bruttomonatsgehältern für eine Übernahme nach bis zu dreimonatiger Überlassungsdauer für angemessen (BGH v. 10.11.2011, NZA-RR 2012, 67, Rz. 16 ff.). Die Provision sollte daher vorsorglich nicht mehr als zwei Bruttomonatsgehälter betragen. 43 Der Leiharbeitnehmer kann Verstöße des Entleihers gegen das AGG vor den Arbeitsgerichten geltend machen (BAG v. 15.3.2011 – 10 AZB 49/10, NZA 2011, 653).

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.2

a) Der Entleiher ist verpflichtet, den Verleiher unverzüglich von dem Verstoß zu unterrichten. b) Der Verleiher ist berechtigt, den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag hinsichtlich des betroffenen überlassenen Arbeitnehmers fristlos zu kündigen; er ist nicht zur Stellung eines Ersatzes verpflichtet, Schäden aufgrund der vorzeitigen Beendigung hat der Entleiher zu ersetzen. c) Der Entleiher stellt den Verleiher von allen Ansprüchen des betroffenen überlassenen Arbeitnehmers nach dem AGG frei. d) Der Entleiher ersetzt dem Verleiher durch den vorzeitigen Abbruch des Vertrages entstandene Schäden.

§ 16 Schriftform

Änderungen und/oder Ergänzungen zu diesem Vertrag durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Änderungen und/oder Ergänzungen dieses Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das gilt auch für die Änderung des Schriftformerfordernisses.44

§ 17 Sonstige Vereinbarungen

(1) Die Einkaufsbedingungen und die Liefervorschriften des Entleihers [alternativ: die Allgemeinen Verleihbedingungen des Verleihers] sind Bestandteile dieses Vertrages und finden sinngemäß Anwendung. (2) Sollten eine oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages nichtig sein oder werden oder dem AÜG nicht entsprechen, so sind Verleiher und Entleiher verpflichtet, die nichtige Bestimmung durch eine neue, dem Sinn und Zweck des Vertrages entsprechende Bestimmung schriftlich zu ersetzen. Die übrigen Vertragsteile werden dadurch nicht berührt. (3) Gerichtsstand ist für beide Teile … … (Ort, Datum) … (Verleiher)

… (Ort, Datum) … (Entleiher)

Anlage 1 zum Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen … und … vom …45 (Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis) Anlage 2 zum Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen … und … vom …46 Konkretisierung der Leiharbeitnehmer nach diesem Vertrag gem. § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG Name, Vorname: Anschrift: Tätigkeit, ggf. besondere Merkmale: Qualifikation: Einsatzzeit:47 44 Vgl. zur Schriftformklausel Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14 m. Anm. 45 Da der Überlassungsvertrag die Schriftform wahren muss, vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG, müssen die Anlagen vorsorglich hinreichend deutlich auf den Vertrag Bezug nehmen. 46 Verleiher und Entleiher müssen vor der Überlassung die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkretisieren, § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG. Das kann entweder in dem Vertrag (s. § 2, Ausgangsvariante) oder, wie hier, in einer Anlage dazu geschehen (s. § 2, 2. Variante) oder durch gesonderte Erklärung (§ 2 Var. 3). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG ist die „Bezugnahme auf diesen Vertrag“ erforderlich. Daher ist es ratsam, ausdrücklich darauf Bezug zu nehmen. S. ferner § 2 des Vertrages m. Anm. Sofern für den Einsatz beim Entleiher besondere Voraussetzungen erforderlich sind, bspw. Führungszeugnis ohne Eintragung, sollte dies ebenfalls in der Anlage 2 aufgenommen werden. 47 Die Angabe ist ratsam zur Einhaltung der Höchstüberlassungsdauer von (tarifdispositiv) 18 Monaten gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1b AÜG, vgl. Rz. 8 ff., soweit sie sich nicht schon im Vertrag befindet.

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M 10.3

Arbeitnehmerüberlassung

Kap. 10

Krankenkasse: Vergütung: ggf.: Tarif: Arbeitszeit: Anlage 3 zum Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen … und … vom … Wesentliche Arbeitsbedingungen beim Entleiher48 … (Name und Anschrift des Entleihers) für eine Tätigkeit als …49 Vergütung – Lohn/h: – Zuschläge: – Sonderzahlungen:50 Arbeitszeit: Ggf.: Anwendbarer Tarifvertrag Anwendbare Betriebsvereinbarungen 48 Zur Frage, welche Bedingungen wesentlich sind, vgl. Röder/Krieger, DB 2006, 2122; Schüren/Hamann/ Schüren, § 9 AÜG Rz. 121 ff. 49 Zur Gruppenbildung vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 121 ff. 50 Diese sind nur zu zahlen, wenn sie auch einem im Entleiherbetrieb entsprechend befristet Beschäftigten gewährt würden, vgl. Schüren/Hamann/Schüren, § 9 AÜG Rz. 132 ff.

M 10.3

Rahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung

zwischen der Firma … (im Folgenden: Verleiher) und der Firma … (im Folgenden: Entleiher)

§ 1 Verleihererklärung1 (1) Der Verleiher hat die unbefristete Erlaubnis2 zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 AÜG.3 Diese Erlaubnis wurde von der … [Erlaubnisbehörde] am … ausgestellt. Eine Kopie der Erlaubnisurkunde ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. oder 1 Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher bedarf der Schriftform, § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Sofern nur eine einmalige Überlassung zwischen Verleiher und Entleiher geplant ist, kann das Vertragsmuster M 10.2 verwendet werden. 2 Die Verleiherlaubnis wird zunächst auf ein Jahr befristet erteilt, § 2 Abs. 4 Satz 1 AÜG. Sie kann dann im weiteren Verlauf unbefristet erteilt werden, wenn der Verleiher drei aufeinanderfolgende Jahre lang durchgehend als Verleiher tätig war (§ 2 Abs. 5 Satz 1 AÜG). 3 In der Vertragsurkunde hat der Verleiher zu erklären, ob er die Erlaubnis nach § 1 AÜG hat, § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG nF.

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Kap. 10

Arbeitnehmerüberlassung

M 10.3

(1) Der Verleiher hat die befristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 AÜG. Diese Erlaubnis wurde von der [Erlaubnisbehörde] am … ausgestellt und ist zunächst befristet bis zum … . Eine Kopie der Erlaubnisurkunde ist diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügt. Der Verleiher wird den Entleiher spätestens drei Monate vor Ablauf der Erlaubnis darüber informieren, ob er fristgemäß den Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 4 AÜG gestellt hat. Der Verleiher wird dem Entleiher unverzüglich nach Erhalt die Verlängerung der Erlaubnis in Kopie zusenden. (2) Der Verleiher verpflichtet sich, den Wegfall4 und alle Änderungen der Erlaubnis sowie bei Nichtverlängerung, Rücknahme oder Widerruf der Erlaubnis auch das voraussichtliche Ende der Abwicklung und die gesetzliche Abwicklungsfrist nach § 12 Abs. 2 AÜG dem Entleiher unverzüglich schriftlich anzuzeigen. (3) Der Verleiher erklärt, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und den nach § 2 zu überlassenden Arbeitnehmern gem. § 8 Abs. 2 AÜG die Tarifverträge – in ihrer jeweils aktuellen Fassung – zwischen … und … Anwendung finden.5 Der Verleiher trägt dafür Sorge, dass die gesetzlichen und/oder tariflichen Entgeltuntergrenzen nicht unterschritten werden.6 (4) Vorbehaltlich der Geltung eines Tarifvertrages gem. Abs. (3) gewährt der Verleiher den überlassenen Arbeitnehmern die im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen gem. § 8 AÜG. Er stellt den Entleiher von etwaigen Ansprüchen Dritter, die sich aus einer Verletzung dieser Pflicht ergeben, frei; das gilt nicht, soweit der Entleiher gegen seine Auskunftspflichten gem. § 12 verstößt. (5) Der Verleiher versichert, dass zwischen ihm und den gem. § 2 überlassenen Arbeitnehmern ein Arbeitsverhältnis besteht.7

§ 2 Gegenstand des Vertrages (1) Vertragsgegenstand ist die entgeltliche vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern des Verleihers an den Entleiher auf der Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in der jeweils gültigen Fassung, maximal für die Dauer von 18 aufeinander folgenden Monaten seit Beginn der Überlassung. (2) Durch diesen Rahmenvertrag wird keine Verpflichtung des Entleihers begründet, Arbeitnehmer beim Verleiher zu entleihen. Der konkrete Abruf von Arbeitnehmern ist gesonderten Personalanforderungen gemäß § 4 vorbehalten.

§ 3 Beginn und Dauer des Vertrages (1) Dieser Rahmenvertrag tritt zum … in Kraft und endet am … . Die Laufzeit verlängert sich jeweils um …, sofern der Vertrag nicht von einer Vertragspartei bis spätestens … vor Laufzeitende gekündigt wird.8 (2) Beide Parteien können diesen Rahmenvertrag mit einer Frist von … kündigen. (3) Beide Vertragsparteien können diesen Vertrag jederzeit aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen. Die Parteien sind sich einig, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Entleiher insbesondere besteht, wenn die Erlaubnis des Verleihers zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern ihre Gültigkeit verliert. (4) Die Kündigung ist schriftlich zu erklären. 4 Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 AÜG muss der Verleiher den Entleiher unverzüglich über den Zeitpunkt des Wegfalls der Erlaubnis unterrichten. 5 Vgl. Schneider, Handbuch Zeitarbeit, Rz. 378. Findet auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers kein den Gleichstellungsgrundsatz ausschließender Tarifvertrag der Zeitarbeit Anwendung, ist der Entleiher verpflichtet, im Verleihvertrag Angaben zu wesentlichen Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers zu machen, § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG. 6 Vgl. Spieler/Pollert, AuA 2011, 270, 271. Die weite Formulierung erfasst neben einer etwaigen Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG, dazu Rz. 6, auch die Mindestentgelte nach dem AEntG und MiLoG, vgl. dazu Rz. 4 ff. 7 Gemäß § 1 Abs. 1 AÜG darf kein Ketten-/Zwischen-/Weiterverleih stattfinden. 8 Die Laufzeit kann auch abweichend von den im Muster genannten Zeiten geregelt werden.

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Kap. 11

Auslandseinsatz

§ 4 Personalanforderung; Benennung der zu überlassenden Arbeitnehmer (1) Über die konkrete Arbeitnehmerüberlassung werden separate Verträge geschlossen (nachfolgend: „Personalanforderung“). Für die Personalanforderung gelten die Bedingungen dieses Rahmenvertrages, sofern keine abweichenden Regelungen getroffen werden. (2) Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher Arbeitnehmer mit den Qualifikationen und für die Tätigkeiten, die in der Anlage 2 zu diesem Vertrag aufgeführt sind, zur Arbeitsleistung zu überlassen. (3) Die Personalanforderung wird im Regelfall durch eine Anfrage des Entleihers per E-Mail eingeleitet, die noch keine rechtliche Bindung erzeugt. (4) Der Verleiher fertigt eine schriftliche Personalanforderung und sendet diese mit Originalunterschrift unverzüglich per Post an den Entleiher. Der Entleiher zeichnet vor der Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers auf derselben Urkunde gegen. Der Verleiher verzichtet gemäß § 151 Satz 1 BGB auf den Zugang dieser Annahmeerklärung.9 (5) In den Personalanforderungen sind insbesondere anzugeben: – die Bezugnahme auf ein in der Anlage 2 zu diesem Rahmenvertrag niedergelegtes Tätigkeitsprofil; wird hiervon abgewichen, ist konkret anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Arbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist, – die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer sowie – Beginn und voraussichtliches Ende der vorgesehenen Tätigkeit, Überlassung nur vorübergehend, maximal jedoch für die Dauer von 18 aufeinander folgenden Monaten seit Beginn der Überlassung. (6) Der Verleiher wird dem Entleiher die Namen der zu überlassenden Arbeitnehmer spätestens zehn Tage vor dem Einsatzbeginn [schriftlich] unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen Vertrag mitteilen.10 Sollte der Einsatz vor Ablauf der in Satz 1 genannten Frist erfolgen, ist der Verleiher verpflichtet, die Namen unverzüglich sowie vor der Überlassung mitzuteilen. Kommt der Verleiher dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Entleiher berechtigt, den Einsatz der betreffenden Arbeitnehmer abzulehnen.

§§ 5 ff. s. M 10.2, §§ 5 ff. Für Anlage 1 und 2 s. M 10.2 Anlage 1 und 2. 9 Diese Auftragserteilung dient der Einhaltung des Schriftformerfordernisses nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG. 10 Verleiher und Entleiher müssen vor der Überlassung die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkretisieren, § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG. Das kann entweder in dem Vertrag (s. Ausgangsvariante) oder einer Anlage dazu geschehen (s. Alt. 1) oder durch gesonderte Erklärung, wie in dieser Variante; diese muss dann gem. § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG allerdings ausdrücklich auf den Vertrag Bezug nehmen. Zur Frage der Schriftform s. M 10.2 Fn. 17.

Kapitel 11 I. 1. 2. 3.

Einführung Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbares Individualarbeitsrecht und Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Betriebliche Altersversorgung . . . . . . . .

Auslandseinsatz

_ _ _ _ 1 2 3 8

5. 6. 7. 8.

Betriebsverfassungsrecht Tarifverträge . . . . . . . . Sozialversicherungsrecht Steuerrecht . . . . . . . . .

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II. Muster Entsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 11.1

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Kap. 11

Auslandseinsatz

§ 4 Personalanforderung; Benennung der zu überlassenden Arbeitnehmer (1) Über die konkrete Arbeitnehmerüberlassung werden separate Verträge geschlossen (nachfolgend: „Personalanforderung“). Für die Personalanforderung gelten die Bedingungen dieses Rahmenvertrages, sofern keine abweichenden Regelungen getroffen werden. (2) Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher Arbeitnehmer mit den Qualifikationen und für die Tätigkeiten, die in der Anlage 2 zu diesem Vertrag aufgeführt sind, zur Arbeitsleistung zu überlassen. (3) Die Personalanforderung wird im Regelfall durch eine Anfrage des Entleihers per E-Mail eingeleitet, die noch keine rechtliche Bindung erzeugt. (4) Der Verleiher fertigt eine schriftliche Personalanforderung und sendet diese mit Originalunterschrift unverzüglich per Post an den Entleiher. Der Entleiher zeichnet vor der Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers auf derselben Urkunde gegen. Der Verleiher verzichtet gemäß § 151 Satz 1 BGB auf den Zugang dieser Annahmeerklärung.9 (5) In den Personalanforderungen sind insbesondere anzugeben: – die Bezugnahme auf ein in der Anlage 2 zu diesem Rahmenvertrag niedergelegtes Tätigkeitsprofil; wird hiervon abgewichen, ist konkret anzugeben, welche besonderen Merkmale die für den Arbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat und welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist, – die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer sowie – Beginn und voraussichtliches Ende der vorgesehenen Tätigkeit, Überlassung nur vorübergehend, maximal jedoch für die Dauer von 18 aufeinander folgenden Monaten seit Beginn der Überlassung. (6) Der Verleiher wird dem Entleiher die Namen der zu überlassenden Arbeitnehmer spätestens zehn Tage vor dem Einsatzbeginn [schriftlich] unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen Vertrag mitteilen.10 Sollte der Einsatz vor Ablauf der in Satz 1 genannten Frist erfolgen, ist der Verleiher verpflichtet, die Namen unverzüglich sowie vor der Überlassung mitzuteilen. Kommt der Verleiher dieser Verpflichtung nicht nach, ist der Entleiher berechtigt, den Einsatz der betreffenden Arbeitnehmer abzulehnen.

§§ 5 ff. s. M 10.2, §§ 5 ff. Für Anlage 1 und 2 s. M 10.2 Anlage 1 und 2. 9 Diese Auftragserteilung dient der Einhaltung des Schriftformerfordernisses nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG. 10 Verleiher und Entleiher müssen vor der Überlassung die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkretisieren, § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG. Das kann entweder in dem Vertrag (s. Ausgangsvariante) oder einer Anlage dazu geschehen (s. Alt. 1) oder durch gesonderte Erklärung, wie in dieser Variante; diese muss dann gem. § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG allerdings ausdrücklich auf den Vertrag Bezug nehmen. Zur Frage der Schriftform s. M 10.2 Fn. 17.

Kapitel 11 I. 1. 2. 3.

Einführung Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbares Individualarbeitsrecht und Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Betriebliche Altersversorgung . . . . . . . .

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5. 6. 7. 8.

Betriebsverfassungsrecht Tarifverträge . . . . . . . . Sozialversicherungsrecht Steuerrecht . . . . . . . . .

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II. Muster Entsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 11.1

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Kap. 11

Auslandseinsatz

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Versetzung Auslandsvertrag – Dienstvertrag mit dem ausländischen Tochterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 11.2.1 .

_

Versetzung Stammhausbindungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 11.2.2 .

Literatur: Alio, Die Neufassung der Brüssel I-Verordnung, NJW 2014, 2395; Bayreuther, Ist die Lohnwucherrechtsprechung international-privatrechtlich zwingend?, NZA 2010, 1157; Bayreuther, Vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit zu Gunsten der MOE-Staaten, DB 2011, 706; Becker/Bohn, Doppelbesteuerungsrisiken bei Dienstleistungserbringung im Ausland, DB 2013, 1195; Böhm/Klein, bAV bei Entsendungen ins Ausland, AuA 2015, 172; Brors, Arbeitnehmerüberlassung und Territorialitätsprinzip, DB 2013, 2097; Diller/Beck, Konzernzusagen – ohne die Fesseln des BetrAVG, NZA 2015, 274; Eisenbeis, Auslandseinsatz und Kündigungsschutz, FA 2011, 357; Emmert/Widhammer, Multinationale Arbeitsverhältnisse in Europa – Welches Arbeitsvertrags- und Sozialversicherungsrecht gilt?, ArbRAktuell 2010, 214; Gemmel, Personaleinsatz über Grenzen hinweg, AuA 2008, 270; Gravenhorst, Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug, RdA 2007, 283; Gosch, Das EuGH-Urteil ‚Petersen und Petersen‘ und seine Konsequenzen für den Auslandstätigkeitserlass und die öffentliche Entwicklungshilfe, IStR 2013, 325; Günther/Pfister, Arbeitsverträge mit internationalen Bezügen – Teil 1: Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarungen, ArbRAktuell 2014, 215; Günther/Pfister, Teil 2: Entsendungen, ArbRAktuell 2014, 346; Günther/Pfister, Teil 3: Anwendbares Arbeitsrecht bei Arbeitsverhältnissen besonderer Arbeitnehmergruppen, ArbRAktuell 2014, 451; Günther/Pfister, Teil 4: Kündigungsschutz, ArbRAktuell 2014, 532; Günther/Pfister, Teil 5: Equal-Pay-Grundsatz beim Einsatz von Leiharbeitnehmern im Ausland, ArbRAktuell 2014, 601; Hantel, Der Schutz arbeitsrechtlicher Mindeststandards bei einem grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz innerhalb der EU (Teil I), ZESAR 2014, 261; Hantel, Arbeitsrechtliche Probleme beim Auslandseinsatz, NJ 2008, 486; Heilmann, Auslandsarbeit, AR-Blattei, 1; Hoch, Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung, BB 2015, 1717; Jochimsen/Gradl, Normhierarchische Einordnung von Treaty Overrides – und Abgleich konkreter Beispiele mit aktuellen DBA sowie der DBA-Verhandlungsgrundlage, IStR 2015, 236; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 1992; Lindemann, Vorzeitige Rückkehr von entsandten Arbeitnehmern aus Krisenregionen – Rechte und Pflichten von Unternehmen und Mitarbeitern, ArbRAktuell 2011, 133; Lingemann/von Steinau-Steinrück, Konzernversetzung und Kündigungsschutz, DB 1999, 2161; Lüdicke, Subject-to-tax-Klauseln nach den DBA – Bemerkungen zum BMF-Schreiben vom 20.6.2013, IStR 2013, 721; Majer, Staatenimmunität bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zwischen ausländischen Staaten und deren Mitarbeitern, NZA 2010, 1395; Marburger, Versicherungspflicht zur Rentenversicherung bei Ausstrahlung deutscher Beschäftigungsverhältnisse ins Ausland, rv 2015, 110; Martiny, Europäisches Internationales Schuldrecht – Rom I – und Rom II-Verordnungen in der Bewährung, ZEuP 2015, 838; Mauer, Personaleinsatz im Ausland, schnellbrief Arbeitsrecht 2015, 92; Mauer, Herausforderungen bei einer Auslandsentsendung, AuA 2009, 334; Mauer, Personaleinsatz im Ausland, 2. 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Auslandseinsatz

Rz. 3 Kap. 11

gesetzes für im Ausland tätige Mitarbeiter, FS v. Hoyningen-Huene, S. 595; Ziesecke/Gelsheimer/Meyen, Steuerberatungskosten als Arbeitslohn bei Tätigkeit im Ausland und Vorliegen einer Nettolohnvereinbarung, IStR 2010, 770; Ziesecke/Meyen, Mitarbeiterentsendung: Praktische Konsequenzen der potentiellen Verfassungswidrigkeit unilateraler Rückfallklauseln bei Arbeitnehmereinkünften, DB 2014, 1953.

I. Einführung 1. Vertragstypen Beim Auslandseinsatz von Arbeitnehmern ist zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Vertragstypen1 zu unterscheiden, der (hier so genannten) Entsendung und der Versetzung. Bei der Entsendung bleibt der ursprüngliche Anstellungsvertrag mit dem Stammhaus bestehen.2 Die Besonderheiten des Auslandseinsatzes werden in einem gesonderten Entsendevertrag – oft auch in Form eines bestätigten Entsendeschreibens – vereinbart, der nur für die Zeit des Auslandseinsatzes gilt. IdR kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig kraft Direktionsrecht oder arbeitsvertraglicher Versetzungsklausel ins Ausland versetzen.3 Demgegenüber schließt der Mitarbeiter bei der Versetzung einen Anstellungsvertrag mit dem Tochterunternehmen oder der Niederlassung im Ausland. Der Anstellungsvertrag mit dem Inlandsunternehmen ruht für die Zeit der Entsendung. An seine Stelle tritt ein Stammhausbindungsvertrag, der Verpflichtungen des Stammhauses während des Auslandseinsatzes regelt. Wird der Arbeitnehmer nur kurzfristig ins Ausland entsandt – zB für eine Montage –, so spricht man auch von einer Abordnung. Wird die vertragliche Verbindung zum Stammhaus vollständig gelöst und besteht nur noch eine Verbindung zum ausländischen Unternehmen, so spricht man von Übertritt. Dargestellt werden hier die Entsendung und Versetzung als häufigste vertragliche Regelung.

1

2. Nachweispflichten § 2 Abs. 2 NachwG enthält Mindestanforderungen an die Vereinbarungen für einen Auslandseinsatz.4 Sofern der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mehr als einen Monat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen hat, muss ihm vor seiner Abreise die Niederschrift ausgehändigt werden. Über den Anstellungsvertrag hinaus muss diese zusätzliche Angaben enthalten über – die Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit; – die Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird; – ein zusätzliches mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes Arbeitsentgelt und damit verbundene Sachleistungen; – die vereinbarten Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.5

2

3. Anwendbares Individualarbeitsrecht und Gerichtsstand Für das anwendbare Individualarbeitsrecht und den Gerichtsstand gilt Folgendes:6

3

1 Vgl. zu den einzelnen Vertragsgestaltungen auch Reiter, NZA-Beil. 2014, 22; Seel, MDR 2011, 5. 2 War dieses Arbeitsverhältnis einem inzwischen auf einen Betriebserwerber übergegangenen Betriebsteil zugeordnet, so ist der Betriebserwerber nach Auslaufen des Auslandsarbeitsverhältnisses alleiniger Arbeitgeber gem. § 613a BGB, BAG v. 14.7.2005 – 8 AZR 392/02, NZA 2005, 1411. 3 Ausdrücklich offengelassen: BAG v. 13.4.2010, NZG 2010, 1181, m. Anm. Baeck/Winzer. 4 Rspr.-Übersicht zum NachwG: Melms, RdA 2006, 171. 5 Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes vgl. Einf. Kap. 2 Rz. 148. 6 Dazu eingehend Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 346.

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Kap. 11 Rz. 3

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Nach europäischem internationalem Privatrecht7 unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht, Art. 3 Rom-I-VO. Dabei können die Parteien die Rechtswahl für den ganzen Vertrag oder nur für einen Teil treffen. Die Rechtswahl kann auch konkludent erfolgen, etwa durch Verweis auf deutsches Recht im Arbeitsvertrag oder Inbezugnahme deutscher Tarifverträge.8 Dieser Grundsatz der freien Rechtswahl wird allerdings eingeschränkt durch Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO.9 Danach darf die Rechtswahl bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das gemäß Art. 8 Abs. 2, 3 und 4 Rom-I-VO mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Zu den zwingenden Vorschriften deutschen Rechts zählen alle nicht dispositiven Normen, insbesondere der Kündigungsschutz nach §§ 1 ff. KSchG,10 die Kündigungsfristen, § 613a BGB, §§ 74 ff. HGB,11 das EFZG, der Equal Pay Grundsatz des § 8 AÜG12 sowie das Arbeitnehmererfindungsgesetz. Im Regelfall ist von einer Rechtswahl abzuraten. Wenn ein Recht gewählt wird, das nicht identisch ist mit dem mangels Rechtswahl anwendbaren Recht, müssen zwei Rechtsordnungen parallel angewendet werden. Der Arbeitnehmer könnte sich nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO jeweils auf das für das für ihn günstigere Recht berufen. Mangels Rechtswahl findet auf den Arbeitsvertrag grundsätzlich das Recht des gewöhnlichen Verrichtungsorts Anwendung, Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO. Bei nur vorübergehender Entsendung aus Deutschland bleibt deutsches Recht aber anwendbar, Art. 8 Abs. 2 Satz 2 Rom-IVO. Bei einer nicht nur vorübergehenden Entsendung ist demgegenüber nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO das Recht des Einsatzlandes anwendbar.13 Eine Entsendung ist vorübergehend, wenn von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach seiner Rückkehr seine Tätigkeit beim entsendenden Arbeitgeber wieder aufnimmt.14 Bei einer Versetzung gilt für den ruhenden deutschen Anstellungsvertrag regelmäßig deutsches Recht; für den Vertrag mit der ausländischen Niederlassung oder Tochtergesellschaft

7 Die Art. 27–37 EGBGB gelten nicht für Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden. Für diese Verträge gilt vielmehr die Rom-I-VO, die auch hier zugrunde gelegt wird. Die Rom-I-VO gilt für Verträge, die zwar vor dem 17.12.2009 geschlossen wurden, aber später durch Konsens der Parteien verändert wurden, nur, wenn das Arbeitsverhältnis durch gegenseitiges Einvernehmen der Parteien, das sich ab diesem Zeitpunkt manifestiert hat, in einem solchen Umfang geändert wurde, dass davon auszugehen ist, dass ab diesem Zeitpunkt ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen wurde, EuGH v. 18.10.2016 – Rs. C 135/15, ABl. EU 2016 Nr. C 475, 4 = NZA 2016, 1389; s. auch Martiny, ZEuP 2015, 838, 841. 8 BAG v. 28.5.2014 – 5 AZR 422/12, NZA 2014, 1264 m. Anm. Krieger, FD-ArbR 2014, 360675. 9 PWW/Lingemann, Art. 8 Rom-I-VO Rz. 1 ff. 10 BAG 10.4.2014, ArbRAktuell 2014, 515 m. Anm. Merten; vgl. auch Reiter, NZA 2004, 1246. 11 LAG Hessen v. 14.8.2000, IPRspr. 2000, Nr. 40, S. 82; vgl. auch Thomas/Weidmann, Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote in Fällen mit Auslandsbezug, DB 2004, 2694. 12 BAG v. 28.5.2014, ArbRAktuell 383 m. Anm. Krieger; Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 601, 602. 13 Der Vorschlag für eine Änderung der Entsenderichtlinie 96/71/EG könnte zu einer Anwendung des Rechtes des Aufnahmestaates führen, wenn der Aufenthalt des Arbeitnehmers dort 24 Monate übersteigt, vgl. BR-Drucks. 114/16. 14 Erwägungsgrund 36 der Rom-I-VO. Die neue Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU zur Entsenderichtlinie 96/71/EG enthält in ihrem Art. 4 Abs. 3 Indizien, die bei der Feststellung einer tatsächlichen Entsendung heranzuziehen sind. Außerdem soll es nach ihrem 12. Erwägungsgrund gegen das Vorliegen einer vorübergehenden Entsendung sprechen, wenn keine Entsendebescheinigung A-1 (dazu Rz. 15) ausgestellt wurde. Der Begriff der Entsendung iSd. der Durchsetzungsrichtlinie ist zwar nicht deckungsgleich mit dem der Rom-I-VO; es ist aber möglich, dass der Gerichtshof auf die dort genannten Kriterien zurückgreifen wird.

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Rz. 3 Kap. 11

hingegen regelmäßig das Recht des Einsatzlandes;15 der Stammhausbindungsvertrag wiederum unterliegt in der Regel deutschem Recht, jedenfalls weil sich in der Regel gemäß Art. 8 Abs. 4 Rom-I-VO aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis die engsten Verbindungen zum deutschen Recht aufweist. Die Parteien sind deutsch, die Sprache ist deutsch, die Leistungen aus dem Stammhausbindungsvertrag werden regelmäßig in deutscher Währung erbracht, Ort des Vertragsschlusses ist regelmäßig Deutschland, ebenso der Sitz des Arbeitgebers. Im Hinblick auf Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten ausüben (Monteure, Arbeitnehmer im transportierenden Gewerbe, Seeleute), hat der EuGH16 entschieden, dass das Kriterium „gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ weit auszulegen sei. Erfasst sei auch der Ort, von dem aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübe, sog. Einsatzbasis oder base rule. Das Kriterium der „Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat“, Art. 8 Abs. 3 Rom-I-VO, könne demgegenüber nur zur Anwendung kommen, wenn das angerufene Gericht weder einen Staat, in dem, noch einen Staat, von dem aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit gewöhnlich verrichtet, ermitteln kann. Diese Rechtsprechung des EuGH ergibt sich inzwischen direkt aus Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO. Es bleiben damit wenige Fälle, in denen das anwendbare Recht anhand der einstellenden Niederlassung nach Art. 8 Abs. 3 Rom-I-VO ermittelt wird (in Einzelfällen zB Seeleute17). Sofern der Vertrag in diesen Fällen mit der deutschen Niederlassung oder dem deutschen Stammhaus geschlossen wurde, gilt deutsches Recht. Das Kriterium „Niederlassung, … die den Arbeitnehmer eingestellt hat“ zielt allein auf den formalen Abschluss des Arbeitsvertrags ab,18 auf tatsächliche Umstände, wie etwa die Eingliederung in einen Betrieb, kommt es regelmäßig19 nicht an.20 Dabei umfasst die „Niederlassung“ jede dauerhafte Struktur eines Unternehmens (zB Tochtergesellschaften, Zweigstellen, Büros eines Unternehmens).21 Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für Leiharbeitnehmer. Wenn ein Leiharbeitnehmer nur vorübergehend ins Ausland überlassen wird, bleibt sein gewöhnlicher Arbeitsort in der Regel in seinem Heimatstaat. Es findet das Heimatrecht Anwendung.22 Der Begriff „vorübergehend“ iSd. Rom-I-VO ist wahrscheinlich nicht völlig deckungsgleich mit dem Begriff „vorübergehend“ oder der Einhaltung des Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten gem. § 1 Abs. 1b AÜG, da die Rom-I-VO den Begriff danach bestimmt, ob die Rückkehr des Arbeitnehmers beabsichtigt ist,23 während § 1 Abs. 1b AÜG ihn rein zeitlich an der Einsatzdauer beim selben Entleiher ausrichtet. Ist der Auslandseinsatz des Leiharbeitnehmers danach nicht vorübergehend iSd. Rom-I-VO, gilt während des Auslandseinsatzes das Recht des Einsatzstaates. Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Verrichtungsorts oder der einstellenden Nie15 Erwägungsgrund 36 Satz 2 der Rom-I-VO; BAG v. 21.1.1999 – 2 AZR 648/97, DB 1999, 806; Reiter, NZA-Beil. 2014, 22, 26; ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 9 Eingriffsnormen Rz. 15; aA Mauer, Personaleinsatz im Ausland, schnellbrief Arbeitsrecht 2015, 92. 16 EuGH v. 15.3.2011 – Rs. C-29/10, NJW 2011, 1578 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2011, 192. 17 Palandt/Thorn, (IPR) Rom I 8 Rz. 12. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern (v. 19.3.2014 – 2 Sa 172/ 13, juris) stellt bei Seeleuten nur auf die engste Verbindung nach Art. 8 Abs. 4 der Rom-I-VO; ausf. zur Anknüpfung von Seearbeitsverhältnissen: Günter/Pfister, ArbRAktuell 451, 452. 18 EuGH v. 15.12.2011 – Rs. C-384/10, NZA 2012, 227. 19 Einzig, wenn das einstellende Unternehmen nur im Namen und auf Rechnung eines anderen Unternehmens tätig geworden ist (etwa bei sog. Briefkastenfirmen), gilt das letzte Unternehmen als einstellende Niederlassung, EuGH v. 15.12.2011 – Rs. C-384/10, NZA 2012, 227. 20 EuGH v. 15.12.2011 – Rs. C-384/10, NZA 2012, 227. 21 EuGH v. 15.12.2011 – Rs. C-384/10, NZA 2012, 227. 22 Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 451, 452; Hoch, BB 2015, 1717, 1718; Wilde, NZS 2016, 48, 50. 23 Erwägungsgrund 36 der Rom-I-VO.

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Kap. 11 Rz. 4

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derlassung ausweist, ist das Recht dieses Staates anzuwenden, Art. 8 Abs. 4 Rom-I-VO. Eine engere Verbindung zu einem anderen Staat kann sich etwa daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer dort Steuern und Sozialabgaben entrichtet24 und das Gehalt zB in der Währung dieses Staates ausgezahlt wird. 4

Selbst wenn ausländisches Recht anwendbar und/oder vereinbart ist, gelten gemäß Art. 9 Abs. 2 der Rom-I-VO die Eingriffsnormen, also die Bestimmungen des deutschen Rechts, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln, wenn ein deutsches Gericht angerufen ist. Es bleibt also bei der Anwendung ausländischen Rechts, das lediglich partiell durch deutsches Recht überlagert wird. Art. 9 der Rom-I-VO ist eng auszulegen. Die bloße Unabdingbarkeit einer Norm nach deutschem Recht reicht nicht aus.25 Die Norm darf nicht nur Arbeitnehmerinteressen schützen, sondern muss auch Interessen der Allgemeinheit dienen.26 Das KSchG (§§ 1–14),27 § 613a BGB, § 8 TzBfG28 und § 2 EFZG29 zählen nicht dazu,30 wohl aber § 17 KSchG,31 Mindestkündigungsfristen, auch öffentlich-rechtliche Erlaubnisvorbehalte für Kündigungen nach SGB IX, MuSchG und BEEG,32 der Mindestlohn,33 außerdem die in § 2 AEntG genannten Arbeitsbedingungen (Mindestentgeltsätze, Mindesturlaub, ArbZG, die individualrechtlichen Vorschriften des AÜG,34 Sicherheits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz; MuSchG; Nichtdiskriminierung).35 Nach § 3 AEntG sind auch allgemeinverbindliche Tarifverträge oder durch Rechtsverordnung nach § 7 AEntG erstreckte Tarifverträge international zwingende Normen. § 3 EFZG ist nach Ansicht des BAG Eingriffsnorm, wenn der Arbeitnehmer in Deutschland sozialversicherungspflichtig ist.36 Nach Art. 9 Abs. 3 der Rom-I-VO kann ein deutsches Gericht umgekehrt auch die Eingriffsnormen desjenigen Staates anwenden, in den der Arbeitnehmer entsandt war, auch wenn für den Vertrag ansonsten deutsches Recht gilt. Ob Art. 9 Abs. 3 Rom-I-VO abschließend ist, oder auch die Anwendung von Eingriffsnormen eines anderen Staates als des Entsendestaats erlaubt, war jüngst Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH.37 Dieser 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

34

35 36 37

EuGH v. 12.9.2013 – Rs. C-64/12 – Schlecker, NZA 2013, 1163. BAG v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89, DB 1990, 1666. BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 200/11, NZA 2012, 1152. BAG v. 1.7.2010, RIW 2011, 167. BAG v. 13.11.2007 – 9 AZR 134/07, NZA 2008, 761. BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 200/11, NZA 2012, 1152. BAG v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92, DB 1993, 637; v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89, DB 1990, 1666. BAG v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89, NZA 1990, 841. BAG v. 12.12.2001 – 5 AZR 255/00, NZA 2002, 734; v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89, DB 1990, 1666; zum Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gem. § 14 Abs. 1 MuSchG; zur Lohnwucherrechtsprechung des BAG vgl. Bayreuther, NZA 2010, 1157; Schipp, ArbRB 2010, 247. S. § 20 MiLoG, dh. jeder in Deutschland eingesetzte Arbeitnehmer hat Anspruch auf den Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro/Stunde. Unklar ist zurzeit, ob die Anwendung des MiLoG auf LKW-Fahrer bei reinen Transitfahrten durch Deutschland wegen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit europarechtswidrig ist. Die Kommission hat dazu ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Nach hM sind jedenfalls die §§ 9 und 10 AÜG Eingriffsnormen, BSG v. 29.6.2016 – B 12 R 8/14 R, juris; Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 601, 602; Hoch, BB 2015, 1717, 1718; Ulber, ZESAR 2015, 3, 5 f. mwN; unklar ist, ob die Arbeitnehmerüberlassung erlaubnispflichtig nach § 1 AÜG ist, wenn sowohl Verleiher als auch Entleiher ihren Sitz im Ausland haben und nur der Leiharbeitnehmer im Inland tätig wird; unklar ist die Erlaubnispflicht ebenfalls, wenn nur der Entleiher im Inland sitzt und der Verleiher und der Leiharbeitnehmer aus dem Ausland kommen und der Leiharbeitnehmer auch nur im Ausland tätig wird; dazu Brors, DB 2013, 2087; Hoch, BB 2015, 1717, 1720. BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 200/11, NZA 2012, 1152; dazu Hantel, ZESAR 2014, 261. BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 200/11, NZA 2012, 1152. EuGH v. 18.10.2016 – Rs. C-135/15, ABl. EU 2016 Nr. C 475, 4 = NZA 2016, 1389.

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Rz. 6 Kap. 11

lehnte die Befugnis, andere Eingriffsnormen anwenden zu dürfen, ab, stellte aber klar, dass es den Gerichten nicht verwehrt sei, andere Eingriffsnormen als tatsächliche Umstände zu berücksichtigen, soweit das nationale Recht dies vorsieht. Art. 21 Rom-I-VO enthält eine weitere Schranke für die freie Rechtswahl. Wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts, insbesondere Grundrechte und Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Ordnung, sind unabhängig vom sonst anwendbaren Recht zwingend zu beachten.38 Ist deutsches Arbeitsrecht – im Regelfall kraft Vereinbarung – anwendbar, so gilt deutsches Individualarbeitsrecht umfassend. Der Arbeitnehmer genießt Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz.39 Allerdings werden im Rahmen der Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG Auslandsmitarbeiter nicht hinzugerechnet.40 Etwas anderes gilt möglicherweise, wenn deren Arbeitsverträge deutschem Arbeitsrecht unterliegen.41 Daneben gelten das BUrlG,42 das EFZG etc. Die AGB-Kontrolle gilt für Entsendeverträge nur, soweit sie deutschem Recht unterliegen. Sie greift also nicht, wenn wirksam die Anwendung anderen Rechtes vereinbart wird. In der Sache spielt sie insbesondere eine Rolle bei der Bezugnahme auf allgemeine Entsenderichtlinien, namentlich, wenn diese dynamisch erfolgt, bei der Rückrufklausel und bei der Regelung zum Wegfall der Kostenerstattung im Falle eines vom Arbeitnehmer zu vertretenden Rückrufs.43

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Soweit Sonderkündigungsschutz behördliches Tätigwerden vor Ausspruch der Kündigung voraussetzt – insbesondere nach dem SGB IX und dem Mutterschutzgesetz – ist es nicht Gegenstand vertraglicher Vereinbarung, sondern unterliegt dem Territorialitätsprinzip. Daher soll die Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Stellen vor Kündigung von Mitarbeitern bei einem Auslandseinsatz nicht erforderlich sein, wenn die Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts der einzige Berührungspunkt mit der Bundesrepublik ist.44

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38 Reichel/Spieler, BB 2011, 2741. 39 BAG v. 21.1.1999, DB 1999, 807; einschränkend Winzer/Kramer, FS v. Hoyningen-Huene, S. 595, 604. 40 Das KSchG gilt nur für Betriebe, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfüllen. Auslandsmitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse nicht dem deutschen Recht unterliegen, zählen nicht bei der Berechnung des Schwellenwerts, wenn sie nicht in die betriebliche Struktur des inländischen Betriebs eingebunden sind, BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/ 15, NZA 2016, 1196; auch reicht es nicht aus, wenn die ausländische Arbeitsstätte mit der deutschen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet, BAG v. 26.3.2009, DB 2009, 1409; s. auch Anm. Arnold, FD-ArbR 2009, 284, 649 sowie Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 532; Otto/Mückl, BB 2009, 1926. Der Betriebsbegriff des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt auch für § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG, sodass sich ein Arbeitnehmer nicht auf einen freien Arbeitsplatz im Ausland berufen kann, BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730, Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 496. Unklar ist, ob der Arbeitnehmer sich auf freie Arbeitsplätze im Ausland berufen kann, wenn sein Arbeitsvertrag eine Konzernversetzungsklausel enthält; s. auch Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 532, 533. Für die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG sind demgegenüber Beschäftigungszeiten in demselben Betrieb auch dann relevant, wenn das Arbeitsverhältnis zeitweise ausländischem Recht unterlag, BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148. 41 LAG Hessen v. 7.5.2015 – 9 Sa 1036/14, juris; (im Revisionsverfahren BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/ 15, NZA 2016, 1196 nicht entschieden, da nicht entscheidungserheblich): Auslandsmitarbeiter sind zu berücksichtigten, wenn auf ihren Vertrag deutsches Recht Anwendung findet; nicht aber, wenn deutsches Recht nur partiell im Wege des Günstigkeitsvergleichs nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom-I-VO Anwendung findet; s. auch Reichel/Spieler, Vertragsgestaltung bei internationalem Arbeitseinsatz, BB 2011, 2741, 2744. 42 BAG v. 21.3.1985, NZA 1986, 25. 43 Vgl. zB M 11.1, § 5 (1), § 11 (3), ferner Straube, DB 2012, 2808, 2809. 44 BAG v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89, DB 1990, 1666; BAG v. 30.4.1987 – 2 AZR 192/86, DB 1987, 1897.

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Für den Gerichtsstand gilt im Geltungsbereich der EuGVVO (auch Brüssel Ia-VO)45 Folgendes: Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber in dessen Wohnsitzstaat verklagen (Art. 21 Abs. 1 lit. a EuGVVO). Wenn der Arbeitgeber im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zwar keinen Wohnsitz, wohl aber eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung hat, kann der Arbeitnehmer vor den Gerichten dieses Mitgliedstaates klagen (Art. 20 Abs. 2 iVm. Art. 21 Nr. 1 EuGVVO). Wahlweise kann er jedoch auch vor dem Gericht des Ortes klagen, an dem er gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (Art. 21 Nr. 2 lit. b (i) EuGVVO)46 oder, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand (Art. 21 Nr. 2 lit. b (ii) EuGVVO). Dies gilt nach der am 10.1.2015 in Kraft getretenen Neufassung der EuGVVO auch dann, wenn der Arbeitgeber keinen Wohnsitz in der EU hat (Art. 21 Abs. 2 EuGVVO). Durch diese Erweiterung enthält die EuGVVO für nahezu alle Konstellationen, in denen der Arbeitgeber nicht in der EU wohnt, einen Gerichtsstand.47 Die Neuregelung erlaubt dem Arbeitnehmer außerdem, den Arbeitgeber gemeinsam mit einem anderen Beklagten an dessen Wohnsitz zu verklagen, wenn die Klagen konnex sind (Art. 20 Abs. 1 iVm. Art. 8 Abs. 1 EuGVVO). Im Fall einer Versetzung kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber des ruhenden Arbeitsvertrags oder des Stammhausbindungsvertrags auch vor den Gerichten seines Tätigkeitsstaates verklagen.48 Demgegenüber sind die Gerichtsstände für Klagen des Arbeitgebers eingeschränkt. Er kann nur vor Gerichten des Mitgliedstaates klagen, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat (Art. 22 Abs. 1 EuGVVO); nur eine Widerklage kann er auch vor dem Gericht erheben, bei dem der Arbeitnehmer geklagt hat. Abweichende Vereinbarungen sind nur zulässig, wenn sie nach Entstehen der Streitigkeit getroffen werden oder wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumen, andere als die in der EuGVVO angeführten Gerichte anzurufen. Die Vereinbarung von Gerichtsständen, die die Zuständigkeiten nach EuGVVO einschränken, ist damit zu Lasten des Arbeitnehmers nur nach Entstehen der Streitigkeit zulässig.49 Dafür muss ein Gerichtsverfahren unmittelbar oder in Kürze bevorstehen.50 Finden auf ein Arbeitsverhältnis hingegen weder die EuGVVO noch andere internationale Verträge oder Übereinkommen Anwendung, so wird die internationale Zuständigkeit idR durch die örtliche Zuständigkeit indiziert.51 Örtlich zuständig ist damit für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis gemäß § 29 Abs. 1 ZPO das Gericht des Ortes, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.52 Die Bestimmung des Erfüllungsortes richtet sich bei Arbeitsverhältnissen mit

45 VO (EU) Nr. 1215/2012; abgedruckt im Schönfelder, Ergänzungsband unter Nr. 103; die Entscheidung des BAG v. 9.10.2002, NZA 2003, 339 betraf diese nicht. 46 BAG v. 27.1.2011 – 2 AZR 646/09, NZA 2011, 1309, wonach der gewöhnliche Arbeitsort iSd. Art. 21 Nr. 2 lit. b (i) EuGVVO der Ort ist, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag erfüllt; dem Urteil des BAG folgend: LAG Köln v. 19.9.2011 – 2 Sa 415/ 11. 47 Alio, NJW 2014, 2395, 2398. 48 EuGH v. 10.4.2003 – Rs. C-437/00, NZA 2003, 711. 49 Vgl. Art. 23 Nr. 1 und 2 EuGVVO. Dies gilt wohl auch für Tarifverträge, so dass auch dort keine Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers vor Entstehen der Streitigkeit getroffen werden kann (Günther/ Pfister, ArbRAktuell 2014, 215, 216). 50 BAG v. 8.12.2010, NZA-RR 2012, 320. 51 BAG v. 13.11.2007, EzA Art. 30 EGBGB Nr. 9; v. 9.10.2002, NZA 2003, 339; v. 17.7.1997 – 8 AZR 328/95, NZA 1997, 1182. 52 Den Parteien bleibt es jedoch auch im Arbeitsrecht unbenommen, die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 1 ZPO abweichend von § 29 ZPO zu vereinbaren (LAG Berlin-Brandenburg v. 27.2.2009 – 13 Sa 2192/08).

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ausländischen Arbeitgebern nach dem gemäß Art. 3 ff. Rom-I-VO anwendbaren Recht.53 Dabei ist zur Bestimmung des Erfüllungsortes bei Arbeitsverhältnissen in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen, nämlich dem Ort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat, an dem somit der tatsächliche Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit liegt.54 Arbeitsrechtliche Streitigkeiten unterliegen dann nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn ein hoheitliches Handeln eines anderen Staates betroffen ist.55 4. Betriebliche Altersversorgung Für das der betriebliche Altersversorgung zugrundeliegende Versorgungsverhältnis kann eine eigenständige Rechtswahl unabhängig vom übrigen Arbeitsvertrag getroffen werden.56 Die Rechtswahl unterliegt den gleichen Schranken wie die Wahl des auf den gesamten Arbeitsvertrag anwendbaren Rechts, insbesondere Art. 8 Abs. 1 Satz 2 und Art. 9 Rom-I-VO. Mangels Rechtswahl gilt Folgendes: Die betriebliche Altersversorgung des Stammhauses erfasst den Auslandsmitarbeiter dann, wenn es sich nur um eine Entsendung handelt, er also nach wie vor dem Stammhaus zuzuordnen ist und für sein Arbeitsverhältnis deswegen deutsches Recht gilt. Die Versorgungszusage richtet sich in dem Fall ebenfalls nach deutschem Recht.57 Die Auslandszeiten zählen also sowohl für die Dauer der Betriebszugehörigkeit als auch für die Zusagedauer als Voraussetzung für die Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG. Es besteht auch gleichermaßen Insolvenzschutz.58 Der Arbeitgeber darf ins Ausland entsandte Arbeitnehmer nicht wegen ihres Auslandseinsatzes von der Versorgung ausnehmen.59

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Schwieriger ist die Rechtslage bei der Versetzung. Zwar sollen maßgebend für den Geltungsbereich des BetrAVG der Sitz des Versorgungsschuldners und das Recht sein, dem das Versorgungsverhältnis unterliegt.60 Insoweit steht der Anwendung des BetrAVG nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer in einem ausländischen Arbeitsverhältnis steht und im Ausland die Arbeitsleistung erbringt.61 Allerdings kann die Versorgungszusage nicht an das ausländische Arbeitsverhältnis anknüpfen, da dieses, wie dargelegt, nicht deutschem Recht unterliegt.62 Anknüpfungspunkt könnte daher nur das ruhende inländische Arbeitsverhältnis oder der Stammhausbindungsvertrag sein. Es genügt insoweit für die Fortgeltung des BetrAVG, wenn die Versorgungszusage von der inländischen Konzernmutter erteilt wurde, während der Arbeitnehmer bei ihr im Inland angestellt war und der Auslandseinsatz Teil der vertraglichen Verpflichtung (auch aus dem ruhenden Arbeitsvertrag) gegenüber dem inländischen Arbeitgeber ist.63 Der Wechsel zu einer Konzerntochter ins Ausland hat dann insbesondere keine

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53 Vgl. BAG v. 9.10.2002, NZA 2003, 339; v. 12.12.2001 – 5 AZR 255/00, NZA 2002, 734. 54 EuGH v. 9.1.1997 – Rs. C-383/95, NZA 1997, 225; st. Rspr.; BAG v. 9.10.2002, NZA 2003, 339; v. 3.11.1993, NZA 1994, 479; zur Bestimmung des Erfüllungsortes für Betriebsrentenansprüche vgl. BAG v. 20.4.2004 – 3 AZR 301/03, DB 2004, 2483. 55 EuGH v. 19.7.2012 – Rs. C-154/11, NZA 2012, 935; vgl. Majer, NZA 2010, 1395. 56 BAG v. 20.4.2004, NZA 2005, 797; Höfer/Höfer/de Groot, BetrAVG, Kap. 10 Rz. 47. 57 Böhm/Klein, AuA 2015, 172; Höfer/Höfer/de Groot, BetrAVG, Kap. 10, Rz. 209. 58 Pensionssicherungsverein, Merkblatt 300/M 7, 12.10, Ziff. 2 59 EuGH v. 10.3.2011 – Rs. C-379/09, NZA 2011, 561. 60 BAG v. 6.8.1985 – 3 AZR 185/83, DB 1986, 131. 61 BAG v. 6.8.1985 – 3 AZR 185/83, DB 1986, 131. 62 BAG v. 21.1.1999 – 2 AZR 648/97, DB 1999, 806, 808. 63 Pensionssicherungsverein, Merkblatt 300/M 7, 12.10, Ziff. 2.2.1; Böhm/Klein, AuA 2015, 172, 173.

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Auswirkungen auf die Insolvenzsicherung.64 Wenn die inländische Konzernmutter die Versorgungszusage aber erteilt, während der Arbeitnehmer bei der ausländischen Konzerntochter angestellt ist, fällt die Zusage nicht unter das BetrAVG und ist insbesondere nicht insolvenzgeschützt.65 Es fehlt am nach § 1 BetrAVG erforderlichen Arbeitsverhältnis zwischen dem Zusagenden und dem Empfänger. Es empfiehlt sich deswegen, im Stammhausbindungsvertrag zu vereinbaren, dass die im Ausland verbrachte Zeit bei der Ermittlung der Unverfallbarkeitsfristen und bei der Höhe einer unverfallbaren Anwartschaft berücksichtigt wird.66 Insolvenzschutz kann auch bspw. über die Verpfändung von Rückdeckungsversicherungen oder durch CTAs (Contractual Trust Arrangements) erreicht werden.67 10

Die Frage, ob Auslandszulagen oder ausländische Sozialversicherungsrenten auch auf die betriebliche Altersversorgung anzurechnen sind, beantwortet sich nach der jeweiligen Versorgungsordnung.

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Hinzuweisen ist schließlich auf zwei europäische Richtlinien zum Schutz der Betriebsrenten eines Arbeitnehmers, der ins Ausland wechselt. Die RL 98/49/EG68 verlangt eine Gleichstellung bei der Unverfallbarkeit der Altersversorgung der ins Ausland wechselnden Versorgungsberechtigten mit den im Inland verbleibenden. Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung § 1b BetrAVG eingeführt. Zudem ermöglicht das Gesetz eine weitere Entrichtung der Beiträge, wodurch eine Doppelbezahlung im Entsendeland und im Einsatzland vermieden wird. Erfasst sind in erster Linie jedoch entsandte Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis weiterhin den Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaates unterliegt. Insbesondere für die Versetzung sind also unverändert vertragliche Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung im Stammhausbindungsvertrag69 anzuraten. Weitere Regelungen zur Verbesserung des Erwerbs und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen enthält die Mobilitäts-Richtlinie70. Der Bundestag hat diese durch Gesetz v. 21.12.201571 umgesetzt, das größtenteils am 1.1.2018 in Kraft tritt. Das Gesetz enthält nur eine spezielle Regelung für ins Ausland wechselnde Arbeitnehmer: Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG nF dürfen Kleinstanwartschaften nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers abgefunden werden, wenn dieser nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeitsverhältnis im europäischen Ausland aufnimmt und dies innerhalb von drei Monaten seinem Arbeitgeber mitteilt. Die übrigen Änderungen, die die Mobilitätsrichtlinie verlangt, hat der Gesetzgeber überschießend für alle Arbeitnehmer unabhängig von deren Auslandseinsatz umgesetzt.72 Ein Tarifvertrag, der Dienstjahre nicht berücksichtigt, die ein Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber in einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte zurückgelegt hat,

64 Vgl. BAG v. 25.10.1988, AP Nr. 46 zu § 7 BetrAVG; LAG Köln v. 31.5.2006 – 8 Sa 1586/05, Rz. 101; Diller/Beck, NZA 2015, 274. 65 BAG v. 20.5.2014 – 3 AZR 1094/12, NZA 2015, 225; m. Anm. Diller/Beck, NZA 2015, 274. 66 Klauselvorschlag in M 11.2.2, § 15. 67 Diller/Beck, NZA 2015, 274. 68 Richtlinie 98/49/EG des Rates v. 29.6.1998 zur Wahrung ergänzender Ansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern. 69 Klauselvorschlag in M 11.2.2, § 15. 70 Richtlinie 2014/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten durch Verbesserung des Erwerbs und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen. 71 BGBl. I 2015, 2553; s. auch BT-Drucks. 18/6283; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales v. 11.11.2015, BT-Drucks. 18/6673. 72 Insb.: Verkürzung der Unverfallbarkeitsfristen; Wahrung von Anwartschaften und Benachteiligungsverbot bei Arbeitgeberwechsel; neue Informationsansprüche des Arbeitnehmers; mehr Flexibilität bei Pensionsfonds als Durchführungsweg; vgl. Kap. 18.

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Rz. 13 Kap. 11

verstößt gegen Art. 45 AEUV.73 Dies gilt ebenso, wenn der Tarifvertrag die Versetzung eines Arbeitnehmers in eine in einem anderen Mitgliedstaat gelegene Betriebstätte dieses Arbeitgebers einem freiwilligen Verlassen des Arbeitgebers gleichsetzt.74 5. Betriebsverfassungsrecht Für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes gilt grundsätzlich das Territorialitätsprinzip.75 Der Betriebsrat ist nur zuständig, wenn der Sitz des Betriebes im Inland liegt. Allerdings können einzelne Auslandsmitarbeiter im Einzelfall nach wie vor dem Inlandsbetrieb zuzuordnen sein.76 Wichtige Indizien dafür sind der Fortbestand von Weisungsrechten des inländischen Unternehmens, ein nur vorübergehender Auslandseinsatz, insbesondere ein Rückrufsrecht des Stammhauses;77 dagegen spricht insbesondere eine Einstellung des Arbeitnehmers nur für die Auslandstätigkeit.78 Die Beweislast für die (fortdauernde) Zuständigkeit des Betriebsrates trägt der Arbeitnehmer.79 Sofern der Betriebsrat für den einzelnen Mitarbeiter zuständig ist, hat der Auslandsmitarbeiter wohl ein aktives Wahlrecht.80 Ob auch ein passives Wahlrecht besteht, ist umstritten.81 Das BAG hat auch ein Recht der Betriebsratsmitglieder, die Arbeitnehmer im Ausland aufzusuchen, verneint, die Frage ist gleichfalls streitig.82 Betriebsversammlungen im Ausland können nicht verlangt werden.83 Allerdings umfasst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten auch die Auslandsmitarbeiter; so gilt ua. für Auslandszulagen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.84 Dasselbe gilt für personelle Angelegenheiten: Entsendung und Rückruf sind in der Regel Versetzungen iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG, § 99 BetrVG, so dass es dazu der Zustimmung des Betriebsrates bedarf; auch vor Kündigungen des Auslandsmitarbeiters ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören.85

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6. Tarifverträge Tarifverträge gelten auch für die ausländischen Mitarbeiter, wenn diese unverändert dem inländischen Betrieb zuzuordnen sind und dementsprechend deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet.86 Eine nur vorübergehende Entsendung in das Ausland reicht für einen Austritt aus der einmal begründeten Geltung eines Tarifvertrages nicht aus.87 Ob Tarifverträge auch 73 EuGH v. 10.3.2011 – Rs. C-379/09, NZA 2011, 561. 74 EuGH v. 10.3.2011 – Rs. C-379/09, NZA 2011, 561. 75 BAG v. 20.2.2001 – 1 ABR 30/00, NZA 2001, 1033; v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98, NZA 2000, 1119; v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89, DB 1990, 992. 76 Vgl. BAG v. 20.2.2001 – 1 ABR 30/00, NZA 2001, 1033; v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89, DB 1990, 992. 77 BAG v. 20.2.2001 – 1 ABR 30/00, NZA 2001, 1033; v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89, DB 1990, 992; v. 21.10.1980 – 6 AZR 640/79, DB 1981, 696; v. 20.2.2001, NZA 2001, 1033; Kramer/Winzer, FS v. Hoyningen-Huene, S. 595, 600. 78 BAG v. 21.10.1980 – 6 AZR 640/79, DB 1981, 696; LAG München v. 8.7.2009 – 11 TaBV 114/08. 79 LAG Rh.-Pf. v. 10.12.1996 – 6 Sa 927/96, BB 1997, 2002. 80 Vgl. ErfK/Koch, § 7 BetrVG Rz. 5; Küttner/Kreitner, Nr. 80 Auslandstätigkeit Rz. 17. 81 Bejahend Richardi, BetrVG, Einleitung Rz. 80. 82 AA Däubler, ArbuR 1990, 1; Küttner/Kreitner, Nr. 80 Auslandstätigkeit Rz. 17; LAG München v. 7.7.2010 – 5 TaBV 18/09. 83 BAG v. 27.5.1982, DB 1982, 2519; aA Boemke, NZA 1992, 112; Küttner/Kreitner, Nr. 80 Auslandstätigkeit Rz. 18. 84 BAG v. 30.1.1990 – 1 ABR 2/89, NZA 1990, 571. Darüber hinaus ist der Betriebsrat bei der Gestaltung von Richtlinien für internationale Einsätze (sog. Expat-Guidelines oder International Mobility Policies) zu beteiligen, Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 346; Mauer, AuA 2009, 334, 336. 85 BAG v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89, DB 1990, 992. 86 Däubler/Däubler, TVG, Einl. Rz. 625; Mauer/Lindemann, Personaleinsatz im Ausland, Rz. 538. 87 LAG Rh.-Pf. v. 23.11.2010 – 3 Sa 319/10.

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Arbeitsverhältnisse erfassen können, auf die kein deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet, ist umstritten. Das BAG hat dies verneint.88 7. Sozialversicherungsrecht 14

Gemäß § 3 Nr. 1 SGB IV gilt deutsches Sozialversicherungsrecht im Arbeitsverhältnis für alle Personen, die im Geltungsbereich des SGB IV beschäftigt sind (Territorialitätsprinzip).89 Gemäß § 4 SGB IV bleibt der deutsche Sozialversicherungsschutz für die Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung sowie für die Arbeitslosenversicherung für den ins Ausland entsandten Arbeitnehmer jedoch bestehen, wenn der Auslandseinsatz im Voraus der Natur der Sache nach oder aufgrund des Vertrages zeitlich begrenzt ist90 („Ausstrahlung“); vgl. Rz. 17. Andernfalls richtet sich die Versicherungspflicht nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates. Gemäß § 6 SGB IV haben jedoch multilaterale (Rz. 15) oder bilaterale (Rz. 16) Vereinbarungen (Sozialversicherungsabkommen) Vorrang.

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a) Für die EU-Länder (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern) sowie inzwischen für Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz sind seit dem 1.5.2010 die Verordnungen (EG) Nr. 883/04 und (EG) Nr. 987/ 09 maßgebend, sofern es sich um die Entsendung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates in einen anderen Mitgliedstaat handelt.91 Für Drittstaatenangehörige finden über die Verordnung (EU) Nr. 1231/10 die Verordnungen (EG) Nr. 883/04 und Nr. 987/09 Anwendung. Die Verordnung 1231/10 gilt nicht für die EWR-Staaten, die Schweiz, Großbritannien und Dänemark. Drittstaatenangehörige sind in Fällen, die das Vereinigte Königreich betreffen, weiterhin durch die Verordnung Nr. 859/03 (in Verbindung mit der Verordnung Nr. 1408/ 71) geschützt. Der Arbeitnehmer unterliegt grundsätzlich den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften desjenigen Staates, in dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird, Art. 11 Abs. 3a VO (EG) Nr. 883/2004. Deutsches Recht findet bei einer Beschäftigung außerhalb Deutschlands nur Anwendung, wenn die Verordnung eine Ausnahme zu dem vorgenannten Beschäftigungslandprinzip enthält, insbesondere wenn der Arbeitnehmer entsandt iSv. Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 ist. Eine Entsendung in diesem Sinne hat folgende Voraussetzungen: – Der Arbeitnehmer muss in einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen im Herkunftsstaat stehen und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden. Der Arbeitnehmer muss sich also auf Anweisung seines Arbeitgebers vom In- ins Ausland begeben. Werden am Einsatzort Ortskräfte rekrutiert, liegt keine Entsendung vor. Nicht zwingend erforderlich ist, dass 88 BAG v. 20.8.2003, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 245; v. 9.7.2003, RdA 2004, 175; Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 346, 347; aA. Däubler/Däubler, TVG, Einl. Rz. 613ff.; ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 9 Eingriffsnormen, Rz. 34. 89 Vgl. zum angestellten Geschäftsführer, LSG BW v. 17.2.2012 – L 4 R 617/10. 90 Vgl. zur Fortzahlung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung bei Auslandsschuldienst eines Angestellten BAG v. 15.11.2005, NZA 2006, 502. 91 Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, die bereits vor dem 1.5.2010 bestanden haben, ergeben sich für die EU-Mitgliedstaaten gem. Art. 87 Abs. 8 VO (EG) Nr. 883/04 keine Änderungen des anzuwendenden Sozialversicherungsrechts, so dass die EWG-Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 maßgebend bleiben, wenn nicht die Geltung der VO (EG) Nr. 883/04 beantragt wird; vgl. auch Novellierung der Verordnungen 883/2004 und 987/2009 zur Verbesserung des Sozialschutzes für Flugbesatzungen und grenzüberschreitend Berufstätige.

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der Arbeitnehmer vor und/oder nach dem Auslandseinsatz beim entsendenden Arbeitgeber im Inland arbeitet. Auch eine Einstellung nur zum Zweck der Entsendung kann die Voraussetzungen erfüllen, wenn der entsandte Arbeitnehmer vor der Entsendung aus anderen Gründen dem Sozialversicherungsrecht des Herkunftsstaates unterlag.92 Es kommt letztendlich nur darauf an, dass während des Auslandseinsatzes eine ernsthafte arbeitsrechtliche Bindung zwischen Arbeitgeber und entsandtem Arbeitnehmer fortbesteht,93 dafür ist bspw. die Ausübung des Weisungsrechts, die Gewährung von Urlaub oder die Entscheidung über die Kündigung relevant.94 Eine Entsendung liegt regelmäßig nicht mehr vor, wenn der Arbeitnehmer vom aufnehmenden Unternehmen weiter entsandt wird (sog. Kettenentsendung).95 – Der entsendende Arbeitgeber muss gewöhnlich im Herkunftsstaat tätig sein. Diese Voraussetzung dient dazu, die Rekrutierung von Arbeitnehmern durch sog. Briefkastenfirmen zu verhindern. Der Beschluss Nr. A2 der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer nennt die Kriterien, nach denen sich die ernsthafte Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers im Herkunftsstaat feststellen lässt.96 – Die voraussichtliche Dauer der Entsendung überschreitet 24 Monate nicht. Die Entsendungshöchstdauer kann überschritten werden, wenn der Herkunfts- und der Tätigkeitsstaat eine Ausnahme vereinbaren, Art. 16 VO 883/2004. Es handelt sich dabei um eine Ermessensentscheidung.97 – Der Arbeitnehmer löst keinen anderen Arbeitnehmer ab. Seit dem 1.5.2010 liegt dem Wortlaut nach bei jeder Ablösung eines Arbeitskollegen schon keine Entsendung mehr vor, unabhängig davon, ob dessen Entsendungshöchstdauer abgelaufen ist. Eine Ausnahme dazu

92 Art. 14 Abs. 1 VO 987/2009; regelmäßig genügt dafür ein Zeitraum von einem Monat, vgl. Art. 1 des Beschlusses Nr. A 2 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit. 93 Art. 1 des Beschlusses Nr. A 2 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit. 94 Praktischer Leitfaden der EU-Kommission zum anwendbaren Recht; abrufbar unter dvka.de. 95 Zu den Einzelfällen der Kettenentsendung: Art. 4 des Beschluss Nr. A 2 der Verwaltungskommission für die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. 96 Zu berücksichtigen sind dabei der Ort, an dem das Unternehmen seinen Sitz und seine Verwaltung hat, die Zahl der im Mitgliedstaat seiner Betriebsstätte bzw. in den anderen Mitgliedstaaten in der Verwaltung Beschäftigten, der Ort, an dem die entsandten Arbeitnehmer eingestellt werden, der Ort, an dem der Großteil der Verträge mit den Kunden geschlossen wird, das Recht, dem die Verträge unterliegen, die das Unternehmen mit seinen Arbeitnehmer bzw. mit seinen Kunden schließt, der während eines hinreichend charakteristischen Zeitraums im jeweiligen Mitgliedstaat erzielte Umsatz sowie die Zahl der im entsendenden Staat geschlossenen Verträge. Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend, da die Auswahl der Kriterien vom jeweiligen Einzelfall abhängt, und auch die Art der Tätigkeit, die das Unternehmen im Staat der Niederlassung ausübt, zu berücksichtigen ist; Beschluss abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32010D0424(02); Beispiele zur Ermittlung der gewöhnlichen Tätigkeit des Arbeitsgebers im Herkunftsstaats finden sich im Praktischen Leitfaden der EU-Kommission zum anwendbaren Recht; abrufbar unter dvka.de. 97 Die Mitgliedstaaten erteilen die Ausnahmegenehmigung nur, wenn sie im Interesse des Arbeitnehmers ist, mindestens ein ruhendes Arbeitsverhältnis im Herkunftsstaat besteht, bestimmte Nebenpflichten gegenüber dem heimischen Arbeitgeber während des Auslandseinsatzes fortbestehen und das heimische Arbeitsverhältnis nach der Rückkehr voll wieder auflebt. Auch wenn diese Voraussetzungen vorliegen, besteht kein Anspruch auf die Erteilung der Ausnahmegenehmigung. Die Verlängerung wird idR für maximal fünf Jahre erteilt. In seltenen Ausnahmefällen kann danach nochmal um drei Jahre, also auf insgesamt acht Jahre, verlängert werden. (Vgl. die Merkblätter zur Entsendung („Arbeiten in …“), S. 7 f., unter dvka.de).

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soll nach Ansicht der DVKA gelten, wenn der Arbeitskollege die Entsendung unplanmäßig, zB wegen Krankheit frühzeitig abbrechen musste.98, 99 – Auch Leiharbeitnehmer sind regelmäßig entsandt iSd. VO, so dass sie während einer Überlassung ins Ausland weiter in ihrem Heimatstaat sozialversichert bleiben. Voraussetzung ist aber auch hier, dass der Arbeitgeber (= Verleiher) in dem jeweiligen Herkunftsstaat gewöhnlich tätig ist. Diese Voraussetzung ist wohl nur erfüllt, wenn der Verleiher auch im Herkunftsstaat Arbeitnehmer überlässt. Wenn die Arbeitnehmerüberlassung allerdings ohne Erlaubnis erfolgt und deswegen illegal ist, wird nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum (ausländischen) Entleiher fingiert.100 Das inländische Beschäftigungsverhältnis zum heimischen Verleiher ist nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam, so dass keine Entsendung mehr vorliegt. Der Leiharbeitnehmer unterliegt dann uneingeschränkt der ausländischen Sozialversicherung, die Sozialversicherungsbeiträge müssen idR. rückwirkend entrichtet werden.101 Dass eine Entsendung vorliegt und damit heimisches Sozialversicherungsrecht anwendbar ist, kann sich der Arbeitnehmer durch die zuständige Behörde102 in seinem Heimatstaat bescheinigen lassen, sog. A-1 Bescheinigung (ehemals E-101 Bescheinigung).103 Die A-1 Bescheinigung bindet alle Behörden anderer Mitgliedstaaten hinsichtlich des anwendbaren Sozialversicherungsrechts.104 Wenn der Heimatstaat eine A-1 Bescheinigung ausgestellt hat, darf, solange diese Bescheinigung nicht zurückgenommen wurde, kein anderer Mitgliedstaat sein Sozialversicherungsrecht anwenden. Dies gilt auch dann, wenn die A-1 Bescheinigung evident falsch oder sogar durch Täuschung erschlichen wurde. Belgien erkennt zur Zeit, die vorgenannte Bindungswirkung der A-1 Bescheinigung nicht an, die Kommission hat deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.105 Eine A-1 Bescheinigung schützt auch vor einer Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen.106 Wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft in zwei oder mehr Mitgliedstaaten gewöhnlich tätig ist, unterfällt er dem Sozialversicherungsrecht seines Wohnsitzstaates, wenn er dort einen wesent-

98 Vgl. die Merkblätter zur Entsendung („Arbeiten in …“) unter www.dvka.de, großzügiger: Praktischer Leitfaden der EU-Kommission zum anwendbaren Recht, S. 13; abrufbar unter dvka.de. Auch Schüren/Wilde, NZS 2011, 121, 123; wonach die Ablösung einer anderen Person immer schon dann zulässig ist, wenn die nacheinander entsandten Arbeitnehmer zusammen nicht die Entsendungshöchstdauer überschreiten. 99 Vgl. zur Gewährung von Kindergeld durch den nicht zuständigen Mitgliedstaat: Schlussantrag des GA v. 16.2.2012 – Rs. C 611/10, C 612/10. 100 Die gilt unabhängig vom anwendbaren Arbeitsrecht, § 10 AÜG ist Eingriffsnorm iSd. Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO, s. dazu Rz. 4. 101 Im umgekehrten Fall, der illegalen Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland nach Deutschland, sind rückwirkend Sozialabgaben zur deutschen Sozialversicherung zu entrichten (BSG v. 29.6.2016 – B 12 R 8/14 R, juris); krit. Hamann, jurisPR-ArbR 34/2014 Anm. 2; Ulber, ZESAR 2015, 442; Wilde, NZS 2016, 48, 50 f.; zust. Tuengerthal/Geißer, BB 2014, 2874. 102 In Deutschland sind die gesetzlichen Krankenkassen, bei Privatversicherten die Rentenversicherungen zuständig. 103 Der Vordruck zur Beantragung einer A-1 Bescheinigung kann auf den Seiten der DVKA heruntergeladen werden. 104 Art. 5 VO (EG) Nr. 987/2009. 105 http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-4666_de.htm; französische Gerichte haben die Bindungswirkung der Vorgängerbescheinigung E-101 bezweifelt (Cour de cassation v. 11.3.2014, 1188420, v. 11.3.2014). Zur A-1 Bescheinigung haben französische Gerichte – soweit ersichtlich – nicht entschieden. 106 BGH v. 24.10.2006 – 1 StR 44/06, NJW 2007, 233.

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lichen Teil seiner Tätigkeit ausübt (idR 25 % seines Verdienstes und 25 % der Arbeitszeit, Art. 14 Abs. 8 VO (EG) 987/2009).107 Das heimische Sozialversicherungsrecht kann auch bei Auslandseinsatz eines Selbständigen weitergelten, wenn dieser in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und diese Tätigkeit bis zu 24 Monate in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, Art. 12 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Auch in den beiden vorgenannten Konstellationen wird das anwendbare Sozialversicherungsrecht durch eine A-1 Bescheinigung bindend festgestellt. In diesen Konstellationen ist dafür in Deutschland die DVKA zuständig. Wenn nach der VO (EG) 883/2004 deutsches Sozialversicherungsrecht während des Auslandseinsatzes anwendbar bleibt, hat der Arbeitnehmer auch im Ausland Ansprüche gegen die deutsche Sozialversicherung. Insbesondere ist sein Krankenversicherungsschutz nach den Art. 17 ff. der Verordnung gewährleistet. b) Wird der Arbeitnehmer in einen Staat entsandt, mit dem ein (bilaterales) Sozialversicherungsabkommen besteht,108 gelten die jeweiligen Regelungen dieses Sozialversicherungsabkommens. Meist bestimmen diese bei einer vorübergehenden Entsendung von Arbeitnehmern in den jeweiligen Abkommensstaat weiterhin die Geltung deutscher Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit. Dabei sind in den einzelnen Abkommen zeitliche Grenzen vorgesehen, die auf Antrag verlängert werden können. Sofern Arbeitnehmer von der Verordnung (EG) 883/04 bzw. 1408/71 erfasst sind, finden Vorschriften bilateraler Abkommen jedoch nur Anwendung, soweit sie im Anhang der jeweiligen Verordnung aufgeführt sind. Bilaterale Abkommen sehen häufig der europäischen A-1 Bescheinigung vergleichbare Bescheinigungen vor. Anders als die A-1 Bescheinigung haben die Bescheinigungen aufgrund bilateraler Abkommen jedoch keine absolute Bindungswirkung für die Behörden anderer Staaten. Jedenfalls wenn die Bescheinigung evident falsch ist, sind andere Staaten nicht daran gebunden.109

16

c) Wird der Arbeitnehmer in einen Staat entsandt, mit dem weder eine mehrseitige Vereinbarung besteht, noch ein bilaterales Sozialversicherungsabkommen, bedarf es eines Rückgriffes auf das innerstaatliche Kollisionsrecht. Für die Versicherungs- und Beitragspflicht gilt nach deutschem Recht § 4 SGB IV, der für die gesetzliche Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung direkt und auch für die Arbeitslosenversicherung Anwendung findet.110 Demnach bleiben die deutschen Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung maßgebend (Grundsatz der „Ausstrahlung“),111 wenn folgende Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 SGB IV kumulativ vorliegen:

17

aa) Es muss sich um eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses handeln:

18

Entsendung bedeutet, dass sich ein Beschäftigter auf Weisung eines inländischen Arbeitgebers von der Bundesrepublik Deutschland ins Ausland begibt, um dort eine Beschäftigung für die-

19

107 Einzelheiten dazu im Praktischen Leitfaden der EU-Kommission zum anwendbaren Recht; S. 23; abrufbar unter dvka.de. 108 Überblick zu den zurzeit geltenden Sozialversicherungsabkommen bei der Deutschen Rentenversicherung, abrufbar unter: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/2_Ren te_Reha/01_rente/01_grundwissen/05_rente_und_ausland/01a_grundlagen/01_02_grundlagen_sozial versabkommen.html#doc222336bodyText1. 109 BGH v. 24.10.2007 – 1 StR 160/07, NJW 2008, 595; zuletzt LSG NRW v. 3.7.2013 – L 17 U 235/08. 110 Zu Besonderheiten bei der Berechnung des Beitrages für die Rentenversicherung Figge, DB 2002, 2532, 2547. 111 Zum Anspruch auf Kindergeld bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft LAG Niedersachsen v. 21.9.2011 – L 2 EG 3/11.

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sen Arbeitgeber auszuüben. Das ist auch dann der Fall, wenn der Beschäftigte eigens für den Auslandseinsatz eingestellt wurde, sofern er einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. In jedem Fall muss nach dem Auslandseinsatz eine Wieder- oder Weiterbeschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber gewährleistet sein.112 Es bedarf insoweit, wenn nicht vertraglicher, so doch konkreter Absprachen, wie sich eine weitere Tätigkeit gestalten sollte, und dies bereits zu Beginn der Entsendung.113 Dabei genügt es nicht, wenn im Arbeitsvertrag für den Fall der Beendigung des Auslandseinsatzes die Rückkehr ins Inland oder alternativ der Einsatz an einem neuen Einsatzort vorgesehen ist.114 Keine Entsendung iSv. § 4 Abs. 1 SGB IV liegt vor, wenn der Arbeitnehmer schon im Ausland lebt und von dort eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber beginnt. Auch fehlt es an einer Entsendung, wenn der Arbeitnehmer im anderen Staat eingestellt und von dort in einen Drittstaat entsandt wird. 20

Das inländische Beschäftigungsverhältnis besteht fort, wenn der Entsandte organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt oder wird. Die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen (zB Entscheidungen über die Begründung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, Entsendung und Rückkehr, Art und Ort der Tätigkeit) müssen dem inländischen Arbeitgeber zustehen. Als Indiz für das Vorliegen des inländischen Beschäftigungsverhältnisses kann dabei ua. die Einbeziehung in das inländische Lohn- und Gehaltsabrechnungsverfahren und die Bezahlung vom inländischen Unternehmen115 dienen. Wird der Arbeitnehmer bei einer ausländischen Tochter beschäftigt, fehlt es am Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses, wenn er in die Binnenstruktur des Tochterunternehmens eingegliedert ist. Die steuerliche Berücksichtigung des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe durch die aufnehmende Konzerngesellschaft ist nach Ansicht der Sozialversicherungsträger unschädlich, sofern der Arbeitnehmer dort für maximal zwei Monate eingesetzt wird, der Arbeitnehmer keinen zuvor vorübergehend dort eingesetzten Arbeitnehmer ablöst und sich der Entgeltanspruch ausschließlich gegen den entsendenden inländischen Arbeitgeber richtet.116 Ein erneuter Einsatz in einem Konzernunternehmen löst die Ausstrahlung nach § 4 SGB IV aus, wenn seit dem letzten Einsatz mehr als zwei Monate vergangen sind.117

21

bb) Der Auslandseinsatz muss nach der Natur der Sache oder durch Arbeitsvertrag im Voraus zeitlich begrenzt sein:118

22

Die vertragliche Begrenzung kann sich aus der vertraglichen Beschränkung auf ein naturgemäß begrenztes Vorhaben (zB Bau eines Flughafens) oder aus der fest vereinbarten Beschäftigungsdauer ergeben. Es genügt aber auch, wenn sich ohne jede Vereinbarung aus den Gesamtumständen ergibt, dass die ausländische Beschäftigung zeitlich begrenzt ist. Entscheidend ist, dass die Gesamtdauer der Entsendung bei Beginn feststeht. Eine Höchstdauer für ausländische Beschäftigung gilt nicht. Allerdings wird empfohlen, die Entsendung auf max. zwei bis drei Jahre zu beschränken. Die bloße Vereinbarung eines Rückrufrechtes stellt keine zeitliche Befristung dar.

23

Auch wenn nach § 4 SGB IV infolge der Ausstrahlung deutsches Sozialversicherungsrecht anwendbar bleibt, schließt dies eine Versicherungspflicht nach den jeweiligen Vorschriften des Einsatzlandes nicht aus. Es besteht also die Gefahr einer Doppelversicherung. 112 113 114 115

LSG Hessen v. 20.9.2011 – L 3 U 170/07. LSG Hessen v. 20.9.2011 – L 3 U 170/07. LSG Hessen v. 5.12.2011 – L 3 U 174/10. BSG v. 7.11.1996, BSGE 79, 214; LSG Hessen v. 1.10.2010 – L 7 AL 73/07 ZVW; Marburger, rv 2015, 110, 111. 116 Ricken, NZA 2012, 198. 117 Ricken, NZA 2012, 198. 118 Die zeitliche Grenze des § 4 SGB IV kann einen sachlichen Grund für eine Befristung des Auslandsarbeitsverhältnisses iSd. § 14 TzBfG darstellen; BAG v. 14.7.2005 – 8 AZR 392/02, NZA 2005, 1411.

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Rz. 33 Kap. 11

d) Auch wenn deutsches Sozialversicherungsrecht nach § 4 SGB IV für den entsandten Mitarbeiter anwendbar ist, besteht eine Versorgungslücke im Krankenversicherungsrecht.

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Grundsätzlich ruht, soweit nicht über- oder zwischenstaatliche Vereinbarungen bestehen, nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Leistungsanspruch des Krankenversicherten, der sich im Ausland aufhält, gleichgültig, ob der Aufenthalt nur kurzfristig oder von längerer Dauer ist. Ruhen bedeutet dabei, dass die Leistungsansprüche zwar dem Grunde nach zur Entstehung kommen, jedoch von der Krankenkasse nicht zu erfüllen sind. Die Beitragspflicht hingegen besteht fort. Als Folge hat der Versicherte die Kosten allein zu tragen.

25

Jedoch hat der Versicherte nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB V einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber.119 Nach § 17 Abs. 2 SGB V ist die Krankenkasse verpflichtet, diesem die Kosten bis zu der Höhe zu ersetzen, in der sie im Inland entstanden wären. Hier entsteht jedoch eine Versorgungslücke, da die Kosten im Ausland häufig deutlich über den im Inland zu ersetzenden Kosten liegen. Der Arbeitgeber sollte diese durch eine private Zusatzversicherung decken.

26

e) Unterfällt ein Arbeitnehmer weder nach § 4 SGB IV (Ausstrahlung, Entsendung) noch nach den über- bzw. zwischenstaatlichen Vereinbarungen der deutschen Sozialversicherung, bleibt ihm dennoch der Weg in den deutschen Versicherungsschutz offen.120

27

In der deutschen Rentenversicherung kann eine Pflichtversicherung auf Antrag nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI beantragt werden, sofern die Beschäftigung im Ausland zeitlich begrenzt ist und der entsandte Arbeitnehmer Deutscher ist oder Bürger eines EU-/EWR-Staates oder der Schweiz; ist der Auslandseinsatz nicht zeitlich begrenzt, so bleibt die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 7 Abs. 1 SGB VI.

28

In der Arbeitslosenversicherung besteht gem. § 28a SGB III die Möglichkeit, durch Antragstellung des Berechtigten ein Versicherungspflichtverhältnis zu begründen. Zum berechtigten Personenkreis zählen nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III auch im Ausland Beschäftigte, soweit sie außerhalb der EU/dem EWR und der Schweiz beschäftigt sind. Ansonsten gilt das vorrangige EU-Recht.

29

In der Krankenversicherung ist eine freiwillige Versicherung oder Anwartschaftsversicherung zur Sicherung der späteren Wiederaufnahme möglich, vgl. § 9 SGB V.121 Zu beachten ist wiederum die Form der Leistungsgewährung nach § 17 SGB V.

30

Auch die soziale Pflegeversicherung ermöglicht nach § 26 Abs. 2 SGB XI eine Anwartschaftsversicherung.

31

Soweit Unfallversicherungsträger eine besondere Auslandsunfallversicherung eingerichtet haben, können über Gruppenversicherungen des Unternehmens höhere Versicherungssummen erzielt werden. Eine freiwillige Versicherung für im Ausland Tätige sieht das Gesetz jedoch nicht vor, vgl. § 6 SGB VII, so dass hier nur eine private Unfallversicherung verbleibt.

32

§§ 1 Satz 3 SGB VI und 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III, die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung ausnehmen, sind nach Ansicht des BSG122 auf Mitglieder der Leitungsorgane ausländischer Aktiengesellschaften nur anwendbar, wenn eine gesetzliche Äquivalenz-

33

119 § 17 SGB V findet keine Anwendung auf privat Versicherte. Der Arbeitgeber muss jedoch aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht ein vergleichbares Sicherungsniveau gewährleisten (Nowak/ Bollin, NZS 2010, 668). 120 Vgl. Raspels/Elert/Buschermöhle, S. 250 ff.; Schwab/Engelmann/Tischler-Kolbe, NWB 26/2010, 2063. 121 Zur Beitragsberechnung nach § 240 Abs. 4a SGB V s. Figge, DB 2002, 2532, 2547. 122 BSG v. 12.1.2011 – B 12 KR 17/09 R, DB 2011, 1759.

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regelung sie einer deutschen Aktiengesellschaft gleichstelle.123 Im Hinblick auf in Deutschland beschäftigte Mitglieder eines US-Board of Directors einer US-Kapitalgesellschaft fehle eine Äquivalenzregelung, sodass die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung nicht nach §§ 1 Satz 4 SGB VI und 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III ausgenommen sei. 8. Steuerrecht 34

Steuerrechtlich gelten folgende Grundsätze:124 a) Hat der im Ausland eingesetzte Arbeitnehmer einen Wohnsitz (vgl. § 8 AO) oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. § 9 AO) im Inland, unterliegt er nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Bundesrepublik Deutschland der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, wird also grundsätzlich mit seinem Welteinkommen besteuert (Welteinkommensprinzip).

34a

Sofern ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Staat, in dem der Arbeitnehmer tätig wird, besteht125, ist jedoch das Besteuerungsrecht für die Vergütungen aus unselbständiger Arbeit nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens idR nicht dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers, sondern dem Tätigkeitsstaat zugeordnet (Arbeitsortprinzip).126 In einem solchen Fall vermeidet Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers eine Doppelbesteuerung regelmäßig durch Freistellung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend Art. 23 A des OECD-Musterabkommens. Nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG ist die Freistellung in Deutschland allerdings davon abhängig, dass der Steuerpflichtige den Nachweis erbringt, dass die in dem Tätigkeitsstaat festgesetzten Steuern entrichtet wurden oder dass der Tätigkeitsstaat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat.127 Eine durch diese Regelung bewirkte einseitige Überschreibung eines Doppelbesteuerungsabkommens (sog. Treaty Override) stellt keinen Verstoß gegen das Grundgesetz dar.128 Daneben kommt eine Freistellung auch dann nicht in Betracht, wenn die Einkünfte infolge eines Qualifikationskonfliktes zwischen den Vertragsstaaten (zB aufgrund einer unterschiedlichen Auslegung der Abkommensbestimmungen) im Ausland nicht oder zu niedrig besteuert werden (vgl. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder mangels Einbeziehung in die beschränkte Steuerpflicht im Ausland unversteuert bleiben (vgl. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG).129 123 Dazu kritisch Sagan/Hübner, AG 2011, 852. 124 Vgl. Portner, BB 2012, 351; Reichel/Spieler, BB 2011, 2741. 125 Zum Stand der von Deutschland geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen und der Abkommensverhandlungen zum 1.1.2016 vgl. BMF-Schreiben v. 19.1.2016, BStBl. I 2016, 76. 126 Dazu insbesondere BMF-Schreiben v. 12.11.2014, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 50 f.; Becker/Bohn, DB 2013, 1195; Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 346; Schafitzl/Hulde, IStR 2014, 317. 127 Hierzu BMF-Schreiben v. 21.7.2005, BStBl. I 2005, 821. Nach Tz. 4.2 dieses Schreibens ist eine Freistellung aus Vereinfachungsgründen auch ohne das Erbringen von Nachweisen zu gewähren, wenn der nach deutschem Recht ermittelte Arbeitslohn in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum nicht mehr als 10.000 Euro beträgt (Bagatellgrenze). – Neuere von Deutschland geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen gewähren die Freistellung regelmäßig ohnehin nur dann, wenn die entsprechenden Einkünfte tatsächlich im ausländischen Staat besteuert werden (zB DBA-Niederlande v. 12.4.2012, dort Art. 22 Abs. 1 lit. a). Vgl. hierzu Lüdicke, IStR 2013, 721; Schmitt/Meyen, DB 2014, 1450. 128 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359. 129 Vgl. BMF-Schreiben v. 12.11.2014, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 42 ff. Der BFH hält § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG für verfassungswidrig, soweit hierdurch ein Treaty Override bewirkt wird, und hat die Regelung dem BVerfG vorgelegt; vgl. BFH v. 20.8.2014 – I R 86/13, BStBl. II 2015, 18. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359, zu § 50 Abs. 8 EStG ist anzunehmen, dass das BVerfG auch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG für verfassungskonform erachten wird.

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Auslandseinsatz

Rz. 39 Kap. 11

Abweichend von Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen steht das Besteuerungsrecht für Vergütungen aus der im Ausland ausgeübten unselbständigen Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 2 OECD-Musterabkommen ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zu, wenn – sich der Arbeitnehmer im anderen Vertragsstaat (Tätigkeitsstaat) insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten (der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet) aufhält130 und – die Vergütungen von einem Arbeitgeber131 oder für einen Arbeitgeber bezahlt werden, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist, und – die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte getragen werden, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat. – Nur wenn diese drei Voraussetzungen zusammen vorliegen, wird das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zugewiesen.

35

Für den Aufenthalt iSd. genannten 183-Tage-Frist kommt es allein auf die Tage der physischen Anwesenheit an, wobei auch Tage, an denen der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat nur kurze Zeit oder stundeweise anwesend ist, als voller Aufenthaltstag berücksichtigt werden.132

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Demgegenüber zählen bei der Berechnung der Dauer des Aufenthalts im Tätigkeitsstaat volle Tage außerhalb dieses Staates einschließlich der Tage des Transits in einem Durchreisestaat nicht mit, wohl aber der Ankunfts- und Abreisetag und alle übrigen Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat unmittelbar vor, während und nach der Tätigkeit (einschließlich Feiertagen, Ferientagen sowie Krankheitstagen, es sei denn, die Krankheit steht der Abreise des Arbeitnehmers entgegen).133

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Gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen die durch ein Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Einkommensteuer freigestellten ausländischen Einkünfte dem Progressionsvorbehalt.134 Die ausländischen Einkünfte erhöhen also den anwendbaren Steuersatz für das zu versteuernde Einkommen, welches sich ohne die ausländischen Einkünfte ergibt.

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Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen bzw. kein Doppelbesteuerungsabkommen, in das Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind, so können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach dem auf § 34c Abs. 5 EStG beruhenden Auslandstätigkeitserlass135 von der Einkommensteuer freigestellt sein. Voraussetzung für die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses ist, dass ein Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers136 Arbeitslohn

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130 Den Arbeitgeber trifft bei Abschluss eines Arbeitsvertrages, der einen Einsatz des Arbeitnehmers im Ausland vorsieht, grds. keine Hinweispflicht, dass ab einer bestimmten Aufenthaltsdauer in einem ausländischen Staat dort eine Verpflichtung zur Abführung von Einkommens-/Lohnsteuer entstehen kann, LAG Rh.-Pf. v. 17.11.2011 – 10 Sa 350/11. Eine solche folgt auch nicht aus § 2 Abs. 2 NachwG, vgl. BAG v. 22.1.2009, DStR 2009, 987. 131 Zur Bestimmung des Arbeitgebers im DBA-Sinne bei Mitarbeiterentsendungen vgl. BFH v. 23.2.2005 – I R 46/03, BB 2005, 1482 sowie BMF-Schreiben v. 12.11.2014, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 90 ff.; vgl. auch Portner, IStR 2014, 435 zu den Besonderheiten beim Einsatz von Leiharbeitnehmern. 132 Vgl. BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, DStR 1996, 1966. 133 Vgl. zur 183-Tage-Frist im Einzelnen BMF-Schreiben v. 12.11.2014, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 57 ff., ausführlich mit zahlreichen Beispielen. 134 Im Ausland gezahlte Sozialversicherungsbeiträge wirken sich im Rahmen des Progressionsvorbehalts hingegen nicht aus. Es kommt insofern nur auf die ausländischen Einkünfte an, § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG. Diese Nichtberücksichtigung begegnet weder verfassungs- noch europarechtlichen Bedenken, FG Saarland v. 17.7.2008, EFG 2008, 1708. 135 BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470. 136 S. dazu H 38.3 LStH 2016 „Inländischer Arbeitgeber“.

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Auslandseinsatz

aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses für eine begünstigte Auslandstätigkeit im Sinne des Erlasses137 erhält. Zudem muss diese Auslandstätigkeit ununterbrochen für mindestens drei Monate ausgeübt werden, wobei Unterbrechungen aufgrund Urlaubs oder Krankheit unschädlich sind. Da die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf ein Tätigwerden für einen inländischen Arbeitgeber nach Auffassung des EuGH einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV darstellt,138 gewährt die Finanzverwaltung die Steuerfreistellung nach dem Auslandstätigkeitserlass mittlerweile auch dann, wenn der Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem EWR-Staat tätig wird und die übrigen Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses erfüllt sind.139 Nach dem Auslandstätigkeitserlass von der deutschen Einkommensteuer freigestellte Einkünfte unterliegen ebenfalls dem Progressionsvorbehalt.140 40

Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen und sind die Voraussetzungen für den Auslandstätigkeitserlass nicht gegeben, so kann eine Doppelbesteuerung nach Maßgabe von § 34c EStG im Wege der Anrechnung vermieden bzw. vermindert werden.

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b) Von der Frage der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht des Arbeitnehmers und der Zuweisung des Besteuerungsrechts nach einem Doppelbesteuerungsabkommen zu trennen ist die Frage, ob der Arbeitgeber in Bezug auf den Arbeitslohn zum Einbehalt von Lohnsteuer verpflichtet ist. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG unterliegt grundsätzlich jeder von einem inländischen Arbeitgeber oder von einem ausländischen Verleiher gezahlte Arbeitslohn der Lohnsteuer. Der Begriff des inländischen Arbeitgebers umfasst jeden Arbeitgeber, der im Inland einen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung, seinen Sitz, eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter iSd. §§ 8 bis 13 AO hat (vgl. § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Im Fall der Arbeitnehmerentsendung nach Deutschland ist gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG auch das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen, das den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt, inländischer Arbeitgeber, ohne dass es darauf ankäme, dass dieses Unternehmen dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt.141 Im Fall der Arbeitnehmerentsendung ins Ausland kommt es darauf an, ob der Arbeitslohn weiterhin von einem inländischem Arbeitgeber gezahlt wird.

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Auch wenn das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn nach Maßgabe eines Doppelbesteuerungsabkommens dem Tätigkeitsstaat zugeordnet ist und daher insoweit keine Einkommensteuerpflicht des Arbeitnehmers in Deutschland besteht, sollte der Arbeitgeber aus Haftungsgründen (vgl. § 42d EStG) auf den Lohnsteuerabzug erst dann verzichten, wenn ihm eine Freistellungsbescheinigung des Betriebsstättenfinanzamtes nach § 39b Abs. 6 EStG aF vorliegt.142 Diese Bescheinigung wird auf Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers erteilt, wenn der von einem inländischen Arbeitgeber gezahlte Arbeitslohn nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der Lohnsteuer bzw. Einkommensteuer freigestellt ist. Die in § 39 Abs. 4 Nr. 5 EStG im Rahmen des Verfahrens zur Bildung elektronischer Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) vorgesehene elektronische Mitteilung an den Arbeitgeber, dass vom Arbeitslohn aufgrund einer Steuerfreistellung nach einem Doppelbesteuerungsabkommen keine 137 ZB eine Tätigkeit im Ausland für einen inländischen Lieferanten, Hersteller oder Auftragnehmer im Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen. 138 EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C 544/41, BStBl. II 2013, 847. 139 Vgl. OFD NRW, Vfg. v. 5.12.2013, DB 2013, 2892. Zum Konflikt einer solchen Ausdehnung des Anwendungsbereiches des Auslandstätigkeitserlasses mit dem Verfassungsrecht vgl. Gosch, IStR 2013, 325. 140 Vgl. BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470, Abschn. IV. 141 Vgl. hierzu auch R 38.3 Abs. 5 LStR 2015. 142 Näher R 39b.10 LStR 2015.

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Rz. 44 Kap. 11

Lohnsteuer einzubehalten ist, wird erst im Rahmen einer zukünftigen weiteren programmtechnischen Ausbaustufe des ELStAM-Verfahrens zur Verfügung stehen (vgl. § 52 Abs. 36 EStG).143 Bis dahin soll das Betriebsstättenfinanzamt weiterhin eine Bescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG aF im Papierverfahren ausstellen.144 Der Arbeitgeber hat diese Freistellungsbescheinigung als Beleg zum Lohnkonto des Arbeitnehmers aufzubewahren. Liegen die Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses vor, darf der Arbeitgeber ebenfalls erst dann vom Lohnsteuerabzug absehen, nachdem auf Antrag des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers vom Betriebsstättenfinanzamt eine Freistellungsbescheinigung erteilt wurde, die vom Arbeitgeber als Beleg zum Lohnkonto des Arbeitnehmers zu nehmen ist.145 Sofern der Auslandstätigkeitserlass aufgrund europarechtskonformer Auslegung auf die Auslandstätigkeit für einen ausländischen, nicht zum Lohnsteuerabzug verpflichteten Arbeitgeber Anwendung findet, muss der Arbeitnehmer die Steuerfreistellung ggf. selbst im Rahmen des Einkommensteuerveranlagungsverfahrens geltend machen.

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c) Für den Betriebsausgabenabzug der Aufwendungen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerentsendung bei verbundenen Unternehmen kommt es grundsätzlich darauf an, ob die Entsendung im Interesse des entsendenden oder des aufnehmenden Unternehmens erfolgt.146

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143 144 145 146

Vgl. BT-Drucks. 17/6263, S. 51; Herrmann/Heuer/Raupach/Becht, EStG/KStG, § 39b EStG Rz. 66. Vgl. BT-Drucks. 17/6263, S. 51. Vgl. BMF v. 31.10.1983, BStBl. I 1983, 470, Abschn. VI. Näher BMF-Schreiben v. 9.11.2001, BStBl. I 2001, 796; Schaflitzl/Hulde, IStR 2014, 317.

II. Muster M 11.1

Entsendung

Absender: Stammhaus (Arbeitgeber) An Herrn/Frau … Sehr geehrte(r) …, in Ergänzung zu Ihrem Anstellungsvertrag vom … vereinbaren wir für die Dauer Ihrer Tätigkeit bei … (Auslandsunternehmen) Folgendes:

§ 1 Aufgabengebiet (1) Sie werden zu dem Unternehmen … (Auslandsunternehmen) in … (Einsatzland) als … entsandt. Sie werden dort folgende Aufgabe übernehmen … (2) Sie sind Herrn/Frau … unterstellt. Sie berichten gleichzeitig Herrn/Frau … in Deutschland bei auftretenden Schwierigkeiten und Problemen. (3) Wir behalten uns vor, Ihnen, unter Wahrung Ihrer Interessen, auch eine andere gleichwertige und zumutbare, Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zu übertragen. Der Vorbehalt gilt auch für künftige übertragene Aufgaben.1 1 Eine Änderungsklausel stellt nur dann keine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn die Zuweisung eine mindestens vergleichbare Tätigkeit zum Gegenstand hat. Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und in diesem Zusammenhang auch „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 sowie M 2.1a Ziff. 1 m. Anm.

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(4) Sie bleiben für die Dauer des Auslandseinsatzes Angestellte(r) unserer Gesellschaft.2

§ 2 Dauer der Entsendung Die Tätigkeit beginnt am … Sie ist für ein Jahr vorgesehen. Sie kann im gegenseitigen Einvernehmen um ein Jahr verlängert werden. Sie endet spätestens sechs Monate nach Abschluss der Aufgabe gemäß § 1 Abs. 1.3

§ 3 Vergütung4 (1) Sie erhalten Ihre Vergütung unverändert. An Gehaltssteigerungen im Inland nehmen Sie wie bisher teil. (2) Zusätzlich erhalten Sie für die Dauer der Tätigkeit gemäß § 1 eine Auslandszulage in Höhe von 50 % des Inlandsgehalts. Diese Auslandszulage gilt alle vorhersehbaren zusätzlichen Erschwernisse, die mit dem Auslandsaufenthalt verbunden sind, ab. oder (2) Sie erhalten für die Dauer des Auslandsaufenthalts folgende zusätzlichen Leistungen: Schulgebühren pro schulpflichtigem Kind Sprachkurse (für Sie und ihre Familie) Bekleidungszuschuss Einrichtungsbeihilfe

… … … …

(3) Wir werden Verhandlungen über eine Anpassung des Gehaltes für den Fall führen, dass der Wechselkurs sich um mehr als … % gegenüber dem Wechselkurs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ändert. (4) Die Dauer der Tätigkeit wird auf die Betriebszugehörigkeit und alle daraus resultierenden Ansprüche angerechnet. (5) Das Auslandsgehalt nimmt für die Dauer des Auslandseinsatzes an etwaigen allgemeinen Gehaltsänderungen teil. Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung richten sich nach dem Inlandsgehalt. (6) Die Erstattung von Reisekosten und Spesen richtet sich nach den Richtlinien des ausländischen Unternehmens, soweit dieser Vertrag keine abweichenden Regelungen enthält.5

2 Es liegt im Wesen des Entsendevertrages, dass gleichzeitig das Anstellungsverhältnis mit dem Stammhaus bestehen bleibt. Im Entsendevertrag sollte dies ausdrücklich festgelegt werden zur Klarstellung, dass der Entsendevertrag nicht an die Stelle des Anstellungsvertrages mit dem Stammhaus tritt, sondern diesen nur ergänzt. 3 Eine Befristung auf zwei Jahre ist bei einer Entsendung innerhalb der Europäischen Union im Hinblick auf die Entsendungshöchstdauer des Art. 12 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 geboten (vgl. Rz. 15); auch bei einer Entsendung in Staaten außerhalb der Europäischen Union ist die Befristung der Entsendung nach § 4 SGB IV zur Erhaltung des deutschen Sozialversicherungsschutzes idR geboten (vgl. Rz. 21). 4 Regelmäßig wird die Inlandsvergütung beibehalten. Hinzu kommen Auslandszulagen und zusätzliche Sachleistungen (Wohnung pp.). Nicht abschließend geklärt ist, ob Reisekosten, besondere Kosten am Arbeitsort, Kosten für die doppelte Haushaltsführung etc. vom Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht ohnehin weitestgehend übernommen werden müssen, auch wenn dies nicht vertraglich geregelt ist. Vorherrschend ist diese Auffassung wohl nicht. Eventuelle Zahlungsansprüche können auch in ausländischer Währung vor einem deutschen Gericht geltend gemacht werden (BAG v. 26.7.1995, DB 1996, 533); treffen die Parteien keine Vergütungsregelung, so schuldet der Arbeitgeber nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung. Maßgeblich ist dann die übliche Vergütung eines von einem inländischen Arbeitgeber vorübergehend ins Ausland entsandten Arbeitnehmers und nicht die übliche Vergütung eines im Ausland beim dort ansässigen Arbeitgeber angestellten Arbeitnehmers (BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 171/10, NZA 2011, 1173). 5 Solche finden sich insbesondere in § 5.

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(7) Zahlungen6 leisten wir auf Ihr bisheriges Gehaltskonto, sofern Sie nicht mindestens sechs Wochen vor der nächsten fälligen Zahlung ein anderes Konto im Einsatzland mitteilen. Die Zahlung erfolgt in Euro. Die Kosten des Transfers tragen Sie/wir.

§ 4 Arbeitsbedingungen7 (1) Für den Auslandseinsatz gelten die Arbeitsbedingungen, insbesondere die Arbeitszeit- und Feiertagsregelungen des Einsatzlandes. Ostersonntag und Pfingstsonntag sowie 1. und 2. Weihnachtstag gelten in jedem Fall als Feiertag. (2) Für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gelten die Bestimmungen des Inlandsarbeitsvertrages. (3) Sie nehmen an dem von uns angebotenen Sprachkurs und Cultural Training teil.8 (4) Die Urlaubsdauer richtet sich nach dem Inlandsarbeitsvertrag. Überschreitet die Entsendung ein Jahr, erhalten Sie zwei Wochen zusätzlichen Urlaub. (5) Die Abwesenheit von dem Auslandsunternehmen soll sechs Wochen nicht überschreiten. (6) Urlaubsansprüche aus vorangegangenen Jahren, die während des Auslandseinsatzes erworben werden, verfallen erst mit Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Auslandsaufenthaltes und sind unmittelbar nach Ende des Auslandsaufenthaltes zu gewähren und zu nehmen.

§ 5 Reisekosten9 (1) Wir übernehmen die Reisekosten der Hin- und Rückreise und Familienheimreisen per Flugzeug in der … Klasse inkl. Übergepäck bis zu 100 kg, der Kosten für den Transport des Hausrates, der dafür erforderlichen Reiseversicherungen, Zoll und der für die Umzugsperiode anfallenden Hotelkosten auf Nachweis bis zu Euro … Das Stammhaus nimmt die Buchungen unmittelbar vor. Sofern Sie auf eigenen Wunsch vor Beendigung des vertraglich vereinbarten Auslandeinsatzes aus unseren Diensten ausscheiden, besteht kein Anspruch auf Übernahme der Rückreisekosten, es sei denn, wir haben den Kündigungsgrund zu vertreten.10 Im Falle einer außerordentlichen Kündigung aufgrund eines von Ihnen zu vertretenden wichtigen Grundes besteht kein Anspruch auf Zahlung der Rückreisekosten.11 oder tragen Sie die Rückreisekosten bis zur Höhe einer Monatsvergütung selbst.12 6 Da das Arbeitsverhältnis zum Stammhaus fortbesteht, wird von dort idR auch die Vergütung gezahlt. Die Zahlung erfolgt regelmäßig auf ein deutsches Konto, auf das der Mitarbeiter aus dem Ausland Zugriff nimmt. Die Übernahme der entstehenden Kosten ist Verhandlungssache. Sie sind meist in der Auslandszulage enthalten. 7 Regelungen sind nur erforderlich, soweit sie von dem Anstellungsvertrag abweichen. Dies kann für Arbeitszeit- und Feiertagsregelungen sowie Urlaubsregelungen der Fall sein. Insbesondere bietet es sich an, Urlaubsansprüche über den 31.3. des Folgejahres hinaus zu erhalten (§ 4 Abs. 5 des Musters) und eine Regelung zu treffen, nach der nur Feiertage des Einsatzlandes anerkannt werden (§ 4 Abs. 1 des Musters). 8 Das wäre mit den Zusatzleistungen gem. § 3 Abs. 2 Var. 2 abzustimmen, das Cultural Training und der Sprachkurs wären an einer dieser beiden Stellen zu streichen. 9 Reisekosten werden regelmäßig vom Arbeitgeber übernommen. Soweit zusätzliche Kosten wegen übergewichtigen Gepäcks nicht übernommen werden sollen, muss dies geregelt werden. 10 Hier wird man zur Vermeidung der AGB-Widrigkeit solche Gründe auszunehmen haben, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, wie in der Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln bei Ausbildungsverträgen bereits ständige Rechtsprechung, dazu Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rückzahlung von Ausbildungskosten“, Rz. 122 ff.; vgl. auch Straube, DB 2012, 2808, 2809. 11 Zum Teil wird eine Begrenzung der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Rückreisekosten in Anlehnung an BAG v. 24.2.1975, DB 1975, 1083 auf eine Monatsvergütung vorgeschlagen, vgl. Straube, DB 2012, 2808, 2809 mwN. 12 Kumulativ könnte auch vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer bestimmte im Einzelnen zu definierende und anzugebende Kosten bei Beendigungen, die nicht in seiner Sphäre begründet sind, selbst trägt. Hier wird man sich an den Regelungen zur Rückzahlung von Fortbildungskosten orientieren müssen (dazu M 8.6). Hier wie dort wird die Rückzahlung nur pro rata im Verhältnis der noch nicht verstrichenen zu der geplanten Zeit des Aufenthalten vereinbart werden können, wobei die Praxis von einem

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(2) Die Hin- und Rückreisetage gelten als Arbeitstage. (3) Bei einem Notfall (zB lebensbedrohliche Erkrankung, Erkrankung von mehr als drei Wochen oder schwere Erkrankung oder Todesfall in der unmittelbaren Familie [Eltern, Geschwister, Ehefrau, eingetragener Lebenspartner,13 Kinder]) übernehmen wir die Kosten eines Rücktransports, ggf. Krankentransports nach Deutschland. (4) Wir übernehmen die Reisekosten der Hin- und Rückreise für eine Besuchsreise Ihrer Familie einmal jährlich.

§ 6 Wohnung14 und Dienstfahrzeug15 (1) Wir stellen Ihnen am Einsatzort eine möblierte Zweizimmerwohnung in gehobener Ausführung zur Verfügung. oder (1) Wir übernehmen die Kosten für eine möblierte Zweizimmerwohnung in gehobener Ausführung bis zur Höhe von Euro … pro Monat. (2) Wir stellen Ihnen am Einsatzort ein Dienstfahrzeug, Typ … oder vergleichbar, auch zur privaten Nutzung zur Verfügung.16 Die Firma behält sich vor, bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die Rückgabe des Fahrzeugs zu verlangen. Sachlicher Grund ist insbesondere: – eine Erkrankung von Ihnen, soweit diese über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgeht; – der Ausspruch der Kündigung; – die Freistellung von der Arbeitsleistung. Die Rückgabepflicht gilt nur, sofern der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % Ihrer Gesamtvergütung ausmacht.17 Bei Beendigung des Anstellungsvertrages oder bei Ende des Auslandsaufenthalts geben Sie das Fahrzeug unverzüglich zurück. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht. (3) Etwaige auf vorgenannte Sachleistungen entfallende Einkommensteuer tragen Sie.

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maximalen Bindungszeitraum von 3 Jahren ausgeht. Auch wenn der Auslandsaufenthalt für einen längeren Zeitraum geplant war, können demnach maximal 1/36 pro noch nicht verstrichenem Monat zurückverlangt werden. Die Ungleichbehandlung von Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern bei Zahlung eines Auslandszuschlags ist verfassungswidrig (BAG v. 18.3.2010, NZA-RR 2010, 664). Gleiches könnte auch für die hier vorgesehenen Leistungen gelten. Als Gestaltung kommt in Betracht entweder die Übernahme von Hotelkosten, die Gestellung einer Wohnung oder die Zahlung eines Mietzuschlags am Einsatzort oder die Zahlung eines Zuschusses für den Fortbestand der Wohnung am Stammsitz. Vgl. auch M 11.2.1 § 4. Für die Überlassung eines Dienstfahrzeugs gelten die allgemeinen Regeln, vgl. M 12.21. Bei einem zulässigen Einsatz des Arbeitnehmers im Ausland besteht kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung wegen Vorenthaltung der privaten Nutzung des Dienstwagens im Inland, wenn dem Arbeitnehmer der überlassene und ins Ausland mitgeführte Dienstwagen dort auch zur Privatnutzung zur Verfügung steht und die abgeschlossene Vereinbarung den Arbeitgeber nicht zur Überlassung eines weiteren Fahrzeugs im Inland zum Zwecke einer reinen Privatnutzung verpflichtet (LAG Rh.-Pf. v. 31.1.2012 – 3 Sa 552/11). Heranzuziehen sind möglicherweise die Grundsätze über den Widerrufsvorbehalt. Dann müssen die sachlichen Gründe in der Klausel genannt werden, die zu einem Widerruf berechtigen, und der Widerruf ist nur wirksam, wenn der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % des Gesamtverdienstes beträgt. Sofern der Wert der Nutzung des Dienstwagens im Verhältnis zum Gesamtverdienst nur unbedeutend ist, kann eine Rückforderungsklausel möglicherweise auch ohne Angabe sachlicher Gründe wirksam sein (so offenbar LAG Hess. v. 20.7.2004 – 13 Sa 1992/03, MDR 2005, 459; der Wert der Nutzung des Pkw lag dort im Verhältnis zur restlichen Vergütung nur bei 2,62 %). Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGBKlauselkontrolle von A–Z, „Dienstwagenrückforderung“ und „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 100j, 138 ff. sowie Kap. 12 Rz. 42 ff.

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§ 7 Familienheimreisen Je Monat haben Sie Anspruch auf eine Familienheimreise von drei Arbeitstagen, wobei Reisetage nicht mitgezählt werden.

§ 8 Versicherungen18 (1) Wir sehen Ihren Auslandseinsatz als Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne an und zahlen während des Auslandseinsatzes die Beiträge zur deutschen Sozialversicherung weiter. Wir werden gemeinsam mit Ihnen für den Auslandseinsatz die Entsendebescheinigung A-1/die Entsendebescheinigung nach dem Sozialversicherungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit… beantragen. (2) Wir schließen für Sie eine private Auslandszusatzkrankenversicherung für die Zeit des Auslandsaufenthaltes zur Deckung der Differenz zwischen den tatsächlich entstehenden Kosten und der Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenkasse ab. (3) Wir übernehmen die Kosten für eine Reisegepäckversicherung bis zu einer Deckungssumme von Euro … (4) Wir schließen für Sie eine Unfallversicherung ab für berufliche und außerberufliche Unfälle weltweit mit einer Versicherungssumme von Euro 200 000,– für den Todesfall und Euro 400 000,– für den Fall der Invalidität. Der Versicherungsschutz beginnt mit der Ausreise und endet mit der Beendigung der Entsendung.

§ 9 Steuern19 (1) Sie werden die steuerrechtlichen Vorschriften des Einsatzlandes beachten und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllen. (2) Aufgrund des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Einsatzland bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens20 ist die Vergütung von der deutschen Besteuerung freigestellt. Sobald uns eine entsprechende Freistellungsbescheinigung des zuständigen Finanzamtes vorliegt, werden wir daher vom Lohnsteuereinbehalt absehen. Eventuell im Ausland zu entrichtende Steuern gehen zu Ihren Lasten.

§ 10 Einreisebestimmungen (1) Sie werden unverzüglich die zur Einreise und Arbeitsaufnahme erforderlichen behördlichen Genehmigungen im Einsatzland beantragen.21 (2) Sie werden ferner auf unsere Kosten unverzüglich eine Bescheinigung des Hausarztes über die körperliche Eignung für den Auslandseinsatz beibringen und gegebenenfalls erforderliche Schutzimpfungen durchführen lassen. (3) Bei Fehlen einer behördlichen Genehmigung oder des ärztlichen Nachweises behalten wir uns Ihren Rückruf22 und die Zuweisung einer Tätigkeit im Inland vor.

18 Anhand der sozialversicherungsrechtlichen Situation (s. im Einzelnen Rz. 14 ff.) ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Zusatzversicherungen erforderlich sind. Dabei ist immer darauf zu achten, dass Unterschiede zwischen der Versicherungspflicht und dem tatsächlichen Versicherungsschutz bestehen können. Als weitere Versicherungen kommen in Betracht: private Lebensversicherung, Reisegepäckversicherung, private Haftpflichtversicherung für den Auslandsaufenthalt, Kraftfahrzeugversicherungen, die Mitnahme des eigenen Fahrzeugs, Hausratsversicherung für Hausrat im Ausland, Versicherung für Umzugsgut. 19 Vgl. Rz. 34 ff. 20 Zum Stand der von Deutschland geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen und der Abkommensverhandlungen zum 1.1.2016 vgl. BMF-Schreiben v. 19.1.2016, BStBl. I 2016, 76. 21 Die Nichteinhaltung der Einreisebestimmungen ist in der Praxis ein häufiges Problem. Regelmäßig müssen diese vor Einreise in das Einsatzland erfüllt sein. 22 Alternativ käme eine auflösende Bedingung des Entsendevertrages in Betracht, die dann aber an exponierter Stelle aufgenommen werden sollte.

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§ 11 Beendigung des Auslandseinsatzes (1) Bei vorzeitiger Beendigung des Auslandseinsatzes aus Gründen, die Sie nicht zu vertreten haben, werden Sie unmittelbar in das Unternehmen im Inland wieder eingegliedert. (2) Keine Vertragspartei ist während des Auslandseinsatzes zur ordentlichen Kündigung23 berechtigt.24 (3) Wir behalten uns vor, Sie in folgenden Fällen nach billigem Ermessen mit einer Ankündigungsfrist von drei25 Monaten zurückzurufen:26… – Bei vorzeitiger Beendigung des Auslandsprojektes … – Bei einem dringenden betrieblichem Erfordernis, Sie im Stammhaus einzusetzen. – Bei Gefahr für Sie durch politische Unruhen, Naturkatastrophen oder Anschläge an Ihrem Arbeitsort für die Dauer der Krisensituation.27 – Sofern Sie schwerwiegend gegen Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.28 – Sofern Sie grob gegen die Verhaltensanforderungen des Einsatzlandes verstoßen. – (…) (4) Bei vorzeitigem Abbruch des Auslandseinsatzes aus Gründen, die Sie zu vertreten haben, zahlen Sie uns einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe eines Bruttomonatsgehalts.29 Es bleibt Ihnen jedoch der Nachweis gestattet, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich geringer ist als die Pauschale.30 (5) Nach Beendigung des Auslandseinsatzes erhalten Sie eine Stellung, die hinsichtlich Verantwortungsbereich, Einkommen und Anforderungen Ihren im In- und Ausland gesammelten Erfahrungen und Leistungen entspricht (Re-entry-Garantie). oder 23 Einzelheiten zur kündigungsrechtlichen Stellung des Auslandsmitarbeiters: Günther/Pfister, ArbRAktuell 2014, 532. 24 Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung kann ratsam sein, wenn der Mitarbeiter in einem konkreten Projekt tätig ist und dessen Durchführung nicht gefährdet werden soll. 25 Zum Teil werden auch zwei Monate als ausreichend angesehen, nicht aber ein fristloser Widerruf, Straube, DB 2012, 2808, 2810. 26 Sofern dies nicht ausdrücklich im Anstellungsvertrag geregelt ist, ist die Entsendung ins Ausland nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst. Daher bedarf auch der Rückruf einer vertraglichen Regelung. Um im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam zu sein, müssen sich sowohl Rückrufklausel als auch die Ausübung des Rückrufsrechts innerhalb der Grenzen des Angemessenen und Zumutbaren halten. Dies erfordert möglicherweise die Vereinbarung einer Frist zur Ausübung sowie eine Abwägung der betrieblichen Belange mit den persönlichen Belangen des Arbeitnehmers. Möglicherweise müssen auch die Voraussetzungen für einen Rückruf in der Klausel genannt werden (Reiter, NZA-Beil. 2014, 22, 26. In dem Rückruf liege gleichzeitig ein Widerruf der Auslandszulage). Die für Widerrufsvorbehalte geltende Obergrenze von 25 % der Gesamtvergütung (Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.) greift hier mE aber nicht, weil die Zulage als Ausgleich für Erschwernisse gezahlt wird, die mit dem Rückruf in das Heimatland entfallen, ebenso Straube, DB 2012, 2808, 2810. 27 Vgl. Lindemann, ArbRAktuell 2011, 133; Raspels/Elert/Preiss/Moissa, S. 40 ff.; Straube, DB 2012, 2808, 2810. 28 Vgl. Straube, DB 2012, 2808, 2810. 29 Ob der Mitarbeiter wirksam verpflichtet werden kann, pauschalierten Schadensersatz zu zahlen, wenn er seinen Auslandseinsatz aus Gründen abbricht, die er selbst zu vertreten hat, ist nicht völlig geklärt. Dafür spricht jedoch, dass das Unternehmen mit der Entsendung erhebliche Kosten und Einarbeitungszeiten im Ausland auf sich genommen hat, die dadurch wertlos werden, ohne dass der Arbeitgeber dies zu vertreten hat. Berücksichtigt man weiter die regelmäßig erhöhte Vergütung im Ausland, so erscheint eine solche Vertragsstrafeklausel angemessen. Nach einer Entscheidung des LAG Hessen sollen die Ansprüche des Arbeitgebers jedoch auf einen Monatsverdienst beschränkt sein (LAG Hess. v. 22.6.1981 – 11 Sa 548/80, DB 1982, 656). 30 Aufgrund der Geltung der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge gem. § 310 Abs. 4 BGB sollte dieser Vorbehalt aufgenommen werden (§ 309 Nr. 5b BGB).

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Auslandseinsatz

(5) Nach Beendigung des Auslandseinsatzes erhalten Sie eine Stellung, die hinsichtlich Verantwortungsbereich, Einkommen und Anforderungen der Stellung entspricht, die Sie vor dem Auslandseinsatz hatten. Eine höherwertige Tätigkeit im Ausland begründet keinen Anspruch auf eine vergleichbare Tätigkeit nach Rückkehr ins Inland.31

§ 12 Ausschlussklausel32 (1) Ansprüche aus diesem Vertrag verfallen, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform33 geltend gemacht werden. (2) Abs. 1 gilt auch für Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen.34 (3) Abs. 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.35

§ 13 Vertragslaufzeit Der Vertrag tritt mit dem Tag Ihrer Ausreise in Kraft. Er endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit dem Ende Ihrer Rückreise in die Bundesrepublik Deutschland.

§ 14 Fortgeltung des Arbeitsvertrages Ergänzend gelten die Vereinbarungen des Arbeitsvertrages vom …

§ 15 Rechtswahl – Gerichtsstandsvereinbarung Für diesen Vertrag gilt deutsches Recht.36 Gerichtsstand ist …37

§ 16 Nebenabreden, Schriftformklausel, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht.

31 Die Re-entry-Garantie enthält einen gewissen Prüfstein des Mitarbeiters für das Unternehmen. Ohne eine solche Garantie kann der Mitarbeiter sich meist nicht auf einen Auslandsaufenthalt einlassen. Er müsste dann befürchten, dorthin „abgeschoben“ zu werden. Die Rechtswirkungen einer solchen Garantie sind ungeklärt. Man wird sie mindestens dahin auslegen müssen, dass eine betriebsbedingte Kündigung jedenfalls nicht deshalb ausgesprochen werden kann, weil infolge der Rückkehr des Mitarbeiters ins Inland ein Personalüberhang besteht und dem Mitarbeiter auch nach der Sozialauswahl infolgedessen eigentlich gekündigt werden könnte. Ein Kündigungsrecht aus anderen Gründen bleibt unberührt. In der hier geregelten verbindlichen Form entstehen auch Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers, wenn er keine vergleichbare Stelle erhält. Als Alternative käme eine weniger verbindliche „Verhandlungsklausel“ in Betracht. Diese dürfte allerdings die Motivation für den Auslandseinsatz schwächen. 32 Einzelheiten zur Wirksamkeit von Ausschlussklauseln allgemein, zur Textform und zur ausdrücklichen Herausnahme von Mindestentgelt s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff., M 2.1a Ziff. 10 m. Anm., M 3.1 § 21 m. Anm. 33 In ab dem 1.10.2016 geschlossenen Verträgen sind gem. § 309 Nr. 13b BGB Bestimmungen, die für Anzeigen und Erklärungen eine strengere Form als die Schriftform vorsehen, unwirksam. Zur Klarstellung, dass mit „schriftlich“ nicht die Schriftform nach § 126 BGB gemeint ist, empfiehlt sich daher der Hinweis auf die Textform nach § 126b BGB. Einzelheiten bei Lingemann/Otte, NZA 2016, 516. 34 Es ist nicht geklärt, ob die bisher übliche Einbeziehung auch von solchen Zusammenhangsansprüchen entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent ist. Sofern die Aufnahme in den Vertrag gewünscht ist, sollte sie in einem gesonderten Absatz erfolgen, damit sie im Falle der Unwirksamkeit gestrichen werden kann, ohne dass die Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gleichfalls unwirksam ist („blue pencil test“, BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, BB 2005, 2822, 2824 mwN; vgl. auch Kap. 2 Rz. 40; ausführlich Thüsing, BB 2006, 661). 35 Einzelheiten zu den weitgehend ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit der Herausnahme des Anspruches auf gesetzliches Mindestentgelt s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 sowie M 2.1a Ziff. 10 m. Anm., M 3.1 § 21 m. Anm. 36 Von einer Rechtswahl ist idR. abzuraten, vgl. Rz. 3. 37 Vgl. Art. 20 bis 22 EuGVVO: Die Gerichtsstandsvereinbarung schließt andere Gerichtsstände im Geltungsbereich des EuGVVO nicht aus, Näheres unter Rz. 7.

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(2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.38

§ 17 Salvatorische Klausel39 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.40 38 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 39 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 40 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

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Versetzung Auslandsvertrag – Dienstvertrag mit dem ausländischen Tochterunternehmen

Absender: Stammhaus1 An Herrn/Frau … Sehr geehrte(r) …, in Vertretung der Gesellschaft … (ausländische Tochter) (im Folgenden: „Auslandsgesellschaft“) vereinbaren wir für die Dauer Ihrer Tätigkeit als Angestellter der Auslandsgesellschaft2 Folgendes:

§ 1 Aufgabengebiet (1) Sie beginnen Ihre Tätigkeit am … Sie sind zuständig für … (2) Sie sind unmittelbar dem Geschäftsführer unterstellt. Die Auslandsgesellschaft behält sich vor, Ihnen, unter Wahrung Ihrer Interessen, auch eine andere gleichwertige und zumutbare, Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten entsprechende Aufgabe zu übertragen. Der Vorbehalt gilt auch für künftig übertragene Aufgaben.3 (3) Sie stellen Ihre volle Arbeitskraft der Auslandsgesellschaft zur Verfügung. Sie werden die Ziele des Unternehmens unter Wahrung der Interessen des Konzerns eigenverantwortlich verfolgen.

1 Beim Versetzungsvertrag ist zwischen dem neuen Dienstvertrag mit dem ausländischen Unternehmen (M 11.2.1) und der vertraglichen Beziehung zum Stammhaus (M 11.2.2) zu unterscheiden. Die Versetzung kann erforderlich sein, wenn die Regelungen des Einsatzlandes einen Arbeitsvertrag mit der dortigen Gesellschaft verlangen. Nachteil ist regelmäßig, dass sozialversicherungsrechtlich keine Ausstrahlung nach § 4 SGB IV vorliegt. Die Versetzung wird insbesondere auch dann gewählt, wenn ein Fortbestand der deutschen Sozialversicherung gar nicht erwünscht, sondern private Vorsorge gewollt ist. 2 Der Vertrag mit dem ausländischen Unternehmen ist ein Standardvertrag nach dortigem Recht (vgl. Rz. 1). 3 Vgl. zur Zulässigkeit von Versetzungsklauseln Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ bzw. „Versetzungsklausel“, Rz. 82a f., 129 und M 2.1a Ziff. 1 m. Anm. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 10 BGB dürfte nicht vorliegen, da die Auslandsgesellschaft im Muster ja Vertragspartner ist und durch die Inlandsgesellschaft nur vertreten wird.

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M 11.2.1

Auslandseinsatz

Kap. 11

§ 2 Vertragsdauer4 Der Vertrag wird fest für die Zeit vom … bis zum … geschlossen. Er verlängert sich um jeweils … Jahr(e), sofern der Verlängerung nicht von einer der Vertragsparteien mit einer Frist von … Monaten zum Ende der Laufzeit widersprochen wird. Er endet spätestens nach … Jahren.

§ 3 Vergütung5 (1) Sie erhalten eine Vergütung in Höhe von Euro … brutto jährlich, zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen jeweils zum Monatsende. (2) Ferner erhalten Sie einen erfolgsabhängigen Bonus wie folgt … (3) Die Vergütung wird jeweils zum Jahresbeginn überprüft. (4) Die Vergütung wird in Euro/US-Dollar/… gezahlt.

§ 4 Wohnung6 (1) Die Auslandsgesellschaft stellt Ihnen und Ihrer Familie für Ihre Einsatzzeit eine angemessene Wohnung mietfrei zur Verfügung. Sie übernimmt auch die Mietnebenkosten sowie die Kosten für Versicherung, Kaution und Instandhaltung. Die Angemessenheit der Wohnung stimmen Sie mit der Geschäftsführung der Auslandsgesellschaft ab. oder (1) Sie erhalten einen Mietzuschuss in der einen Mietpreis von umgerechnet Euro … übersteigenden Höhe, bis zur Höhe eines Zuschusses von Euro … Die Auslandsgesellschaft trägt ferner die Kosten für Makler, Kaution, Instandhaltungs- oder Schönheitsreparaturen für eine Wohnung. oder (1) Die Auslandsgesellschaft zahlt einen Zuschuss in Höhe von … % der Kosten der Miete, soweit die Miete den Betrag von … % des Bruttoeinkommens in Euro übersteigt. (2) Die Auslandsgesellschaft übernimmt Maklerkosten für die erstmalige Anmietung einer Wohnung am Auslandssitz sowie Kosten doppelter Mietzahlung auf Nachweis bis zu Euro … Sie beauftragt den Makler unmittelbar.

§ 5 Schulgeld Die Auslandsgesellschaft zahlt für Ihre schulpflichtigen Kinder ein Schulgeld bis zur Höhe von Euro … pro Monat sowie Transportkosten für den Schulbesuch bis zu Euro … pro Monat. Wir behalten uns vor, das Schulgeld unmittelbar an die Schule zu zahlen.

§ 6 Urlaub Sie haben Anspruch auf … Arbeitstage Urlaub pro Jahr. Während des Urlaubsjahres nicht genommener Urlaub wird automatisch auf das Folgejahr übertragen.7

4 Die Regelung sollte der entsprechenden Regelung im Vertrag mit dem Stammhaus entsprechen (vgl. M 11.2.2 § 2). 5 Hier wird häufig die Vergütung gesplittet zwischen einem in Deutschland auszuzahlenden Bestandteil und dem von der ausländischen Gesellschaft zu leistenden. Durch die Inlandszahlung kann insbesondere der Wechselkursausgleich und Kaufkraftausgleich gegenüber dem Einsatzland weitgehend vermieden werden. Auch werden die die ortsübliche Vergütung im Einsatzland oft deutlich übersteigenden Gehaltsanteile bei Auszahlung im Inland für Ortskräfte der ausländischen Tochtergesellschaft nicht transparent. 6 Die Frage, ob die Wohnung vom Unternehmen gestellt oder nur deren Kosten getragen werden, entscheidet sich regelmäßig nach steuerlichen Gesichtspunkten; die Gestellung einer Wohnung kann weitaus günstiger sein, wenn diese nicht oder nur zum Teil als geldwerter Vorteil zu versteuern ist. 7 Die vertraglich vereinbarte Urlaubsdauer wird länderspezifisch geregelt. Sie richtet sich nach den lokalen Gepflogenheiten. Hinzu kommt idR ein – im gesonderten Vertrag mit dem Stammhaus (M 11.2.2) zu vereinbarender – Heimaturlaub. In Verbindung mit dem Heimaturlaub sollte das Gesamtvolumen nicht geringer sein als das des im Stammhaus üblichen Urlaubs. Zu alternativen Formulierungen zum Urlaubs-

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Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.1

§ 7 Entgeltfortzahlung8 (1) Sie haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für … Wochen/Monate. Soweit aufgrund des die Krankheit begründenden Ereignisses Ansprüche auf Erstattung von Entgeltausfall gegenüber Dritten bestehen, treten Sie diese hiermit an die Auslandsgesellschaft ab. (2) Im Falle Ihres Todes erhalten Ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen für die dem Sterbemonat folgenden drei Monate die Fixbezüge gemäß § 3 Abs. 1 weiter.9

§ 8 Nebentätigkeit10 (1) Die Aufnahme einer anderweitigen entgeltlichen Tätigkeit ist Ihnen nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung der Auslandsgesellschaft gestattet. Haben Sie der Auslandsgesellschaft schriftlich die beabsichtigte Tätigkeit unter Angabe von Art, Ort und Dauer angezeigt und stehen sachliche Gründe der Aufnahme der Tätigkeit nicht entgegen, hat die Auslandsgesellschaft unverzüglich zuzustimmen. Sie kann ihre Zustimmung auch befristet oder unter einem Widerrufsvorbehalt erteilen. (2) Das Zustimmungserfordernis gemäß Absatz 1 besteht nicht für die Aufnahme karitativer, konfessioneller oder politischer Tätigkeiten, sofern sie Ihre Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrags nicht beeinträchtigen.

§ 9 Erfindungen11 Für Arbeitnehmererfindungen gilt das Arbeitnehmererfindungsgesetz.

§ 10 Dienstfahrzeug12 Die Auslandsgesellschaft stellt Ihnen ein Dienstfahrzeug, Typ … oder vergleichbar, auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Auf den geldwerten Vorteil entfallende Steuern tragen Sie. Die Auslandsgesellschaft behält sich vor, bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die Rückgabe des Fahrzeugs zu verlangen. Sachlicher Grund ist insbesondere: – eine Erkrankung von Ihnen, soweit diese über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgeht; – der Ausspruch der Kündigung; – die Freistellung von der Arbeitsleistung. Die Rückgabepflicht gilt nur, sofern der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % Ihrer Gesamtvergütung ausmacht.13

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anspruch, insbesondere zum Verfall des übergesetzlichen Urlaubs auch bei Langzeiterkrankungen, s. M 2.1a Ziff. 7 m. Anm. Die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sollte den Regelungen für vergleichbare Positionen im Stammhaus entsprechen. Im Falle eines Auslandseinsatzes kann die vertragliche Vereinbarung der Gehaltsfortzahlung über den Tod hinaus sachgerecht sein, da die Familie voraussichtlich die hohen Kosten bis zum Rückumzug in das Heimatland zu tragen hat. Im Vertrag ist zu berücksichtigen, ob lediglich das Grundgehalt oder auch die erfolgsabhängige Tantieme/Bonus fortbezahlt werden soll. Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Nebentätigkeitsverbot“, Rz. 115 ff. sowie M 2.1a Ziff. 9. Sofern der Auslandsvertrag nicht deutschem Recht unterliegt (§ 11 enthält allerdings eine entsprechende Rechtswahlklausel), müsste die Geltung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes gesondert vereinbart werden. Die Aufnahme empfiehlt sich jedoch nur bei Angestellten im technisch-wissenschaftlichen Bereich. Auch diese Regelung muss letztlich mit dem ausländischen Recht abgestimmt werden. Das Muster erfasst übliche Problemfälle. Heranzuziehen sind möglicherweise die Grundsätze über den Widerrufsvorbehalt, so dass insbesondere die sachlichen Gründe in der Klausel genannt werden müssen, die zu einem Widerruf berechtigen, und der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % des Gesamtverdienstes betragen darf. Vgl. im Einzelnen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Dienstwagenrückforderung“ und „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 100, 138 ff. sowie M 12.21 § 7.

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M 11.2.2

Kap. 11

Auslandseinsatz

Bei Beendigung des Anstellungsvertrages ist das Fahrzeug unverzüglich an die Auslandsgesellschaft zurückzugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nicht.

§ 11 Rechtswahl, Gerichtsstand14 (1) Der Vertrag unterliegt deutschem Recht, sofern nicht zwingende Vorschriften des Landes, in dem die Auslandsgesellschaft ihren Sitz hat, vorgehen. (2) Soweit Sie im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand haben, wird der Sitz der Auslandsgesellschaft in … als Gerichtsstand vereinbart.

§ 12 Nebenabreden, Schriftformklausel, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.15

§ 13 Salvatorische Klausel16 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.17 14 Zwar kann dieser Vertrag deutschem Recht unterstellt werden. Das Muster sieht dies vor. Allerdings muss damit gerechnet werden, dass zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften des Einsatzlandes gleichfalls gelten. 15 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 16 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 17 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

M 11.2.2

Versetzung Stammhausbindungsvertrag

Sie werden ab … einen Auslandsauftrag bei der Gesellschaft … (Auslandsgesellschaft) in … (Einsatzland) übernehmen. Die Auslandsgesellschaft wird mit Ihnen einen gesonderten Anstellungsvertrag schließen. Während der Laufzeit des Vertrages mit der Auslandsgesellschaft ruht ihr Anstellungsvertrag vom … mit dem Stammhaus.1 Diese Ruhenszeit wird auf die Betriebszugehörigkeit mit dem Stammhaus angerechnet.2 Ergänzend vereinbaren wir Folgendes:

§ 1 Bindung an das Stammhaus (1) Sie bleiben organisatorisch der Personalabteilung des Stammhauses zugeordnet. (2) Bei Ihrer Tätigkeit unterliegen sie den Weisungen der Geschäftsleitung der Auslandsgesellschaft.3 1 Durch den Stammhausbindungsvertrag können die Problembereiche der Sozialversicherung, ferner Umzugs- und Reisekosten sowie das fortbestehende, aber ruhende Arbeitsverhältnis, die betriebliche Altersversorgung und die Reintegration geregelt werden. Im Dienstvertrag mit dem Auslandsunternehmen wären entsprechende Vereinbarungen ein Fremdkörper. 2 Vgl. Schneider, NZA 2010, 1380, 1384. 3 Da die Auslandsgesellschaft namentlich genannt ist, dürfte die Klausel nicht gegen § 309 Nr. 10a BGB verstoßen.

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Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.2

(3) Auf Anforderung erstatten Sie dem Stammhaus Bericht über Ihre Tätigkeit und Vorgänge des Auslandsunternehmens.4

§ 2 Dauer des Auslandseinsatzes5 Ihr Auslandseinsatz hat eine feste Dauer bis zum … Er verlängert sich um jeweils … Jahr(e), sofern der Verlängerung nicht von einer der Vertragsparteien mit einer Frist von … Monaten zum Ende der Laufzeit widersprochen wird. Er endet spätestens nach … Jahren.

§ 3 Vergütung (1) Ihre Vergütung richtet sich nach der mit der Auslandsgesellschaft getroffenen Vereinbarung. (2) Soweit die dortige Vergütung über Ihrem zuletzt bezogenen Jahreseinkommen liegt, handelt es sich um eine Auslandszulage, die nach Rückkehr in das Stammhaus entfällt.6 oder – insbesondere soweit der Vertrag mit dem Auslandsunternehmen keine Regelung enthält – (1) Für die Dauer Ihres Auslandseinsatzes erhalten Sie eine Vergütung von monatlich Euro … netto jährlich, zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen jeweils zum Monatsende. Das Stammhaus zahlt Ihnen ferner zusätzlich für diese Zeit eine Auslandszulage von Euro … monatlich. (2) Von den in Absatz 1 genannten Bezügen erhalten Sie von der Auslandsgesellschaft ein monatliches Bruttogehalt in Landeswährung entsprechend Euro … Die Differenz zahlt das Stammhaus im Auftrag und zu Lasten der Auslandsgesellschaft in gleichen monatlichen Raten auf ihr Konto in Deutschland. Gemäß den Richtlinien der Auslandsgesellschaft wird dieses Gehalt zu Beginn eines jeden Jahres überprüft. Ferner zahlt das Stammhaus als Zuschuss 50 % Ihrer Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Rentenversicherung nach den geltenden Regelungen, soweit diese Versicherungen vereinbarungsgemäß oder kraft Gesetzes fortgeführt werden. (3) Sie werden die steuerrechtlichen Vorschriften des Einsatzlandes beachten und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllen.7 Das Stammhaus übernimmt die Kosten einer fachkundigen steuerlichen Beratung einmal jährlich, auf ihren Wunsch auch durch Berater des Stammhauses selbst.8 Ergibt sich aufgrund der Versteuerung im Einsatzland eine höhere Gesamtsteuerbelastung als sich bei Zahlung der gleichen Gesamtbezüge in Deutschland nach der deutschen Steuergesetzgebung ergeben würde, so zahlt das Stammhaus Ihnen jährlich einen Nettoausgleich. (4) Die Bezüge für Ihren Auslandseinsatz sind im Rahmen des Doppelbesteuerungsabkommens mit dem Einsatzland von der deutschen Lohnsteuer freigestellt. Sobald uns eine entsprechende Freistellungsbescheinigung des zuständigen Finanzamtes vorliegt, werden wir daher vom Lohnsteuerein-

4 Eine Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung des versetzten Mitarbeiters kann nur begründet werden, wenn eine direkte vertragliche Beziehung zum Stammhaus besteht. Auch aus diesem Grunde ist der Abschluss eines Zusatzvertrages neben dem Dienstvertrag mit dem ausländischen Unternehmen zu empfehlen. 5 Die Regelung sollte der im Auslandsvertrag entsprechen, vgl. M 11.2.1 § 2. 6 Die für Widerrufsvorbehalte geltende Obergrenze von 25 % der Gesamtvergütung (Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.) greift hier mE nicht, weil die Zulage als Ausgleich für Erschwernisse gezahlt wird, die mit dem Rückruf in das Heimatland entfallen, ebenso Straube, DB 2012, 2808, 2810. 7 Vgl. Rz. 34 ff. 8 Gemäß BFH v. 21.1.2010 – VI R 2/08, DB 2010, 706 handelt es sich bei der Übernahme der Steuerberaterkosten um Arbeitslohn, wenn, wie meist, insoweit eine Nettolohnvereinbarung getroffen wird; dagegen zu Recht Hasbargen/Höreth, DStR 2010, 1169; Retzlaff/Preising, DB 2010, 980; Ziesecke/Gelsheimer/Meyen, IStR 2010, 770.

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M 11.2.2

Auslandseinsatz

Kap. 11

behalt absehen. Sie sind mit Ihrem Welteinkommen in … steuerpflichtig. Die dort anfallenden Steuern gehen insgesamt zu Ihren Lasten. oder evtl., soweit kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht (4) … sind gemäß Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes … von der Lohnsteuer freigestellt …

§ 4 Gehaltssicherung9 (1) Ihr bisheriges Inlandsgehalt in Höhe von zuletzt Euro … wird mit den Gehältern vergleichbarer Mitarbeiter des Unternehmens jeweils angepasst und nach Rückkehr in der angepassten Höhe gezahlt (fortgeschriebenes Inlandsgehalt). (2) Das fortgeschriebene Inlandsgehalt dient als Bemessungsgrundlage für die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung und inländischen Sozialversicherung, soweit vereinbarungsgemäß oder kraft Gesetzes Beiträge an diese abzuführen sind.

§ 5 Kaufkraftausgleich10 (1) Falls die „Warenkorb-Kosten“ am Sitz der Auslandsgesellschaft höher sind als in Deutschland, erhalten Sie eine Zulage, die den Mehraufwand auf Basis eines Zwei-Personen-Haushaltes abdeckt. Maßgebend sind die Erhebungen der … Consulting. Die Zulage wird zu Beginn eines jeden Quartals überprüft. oder (1) Sofern der hier zugrunde gelegte … Index für … (Köln = 100 %) einen Wert über 105 % annimmt, wird ein entsprechender Kaufkraftausgleich festgelegt und gezahlt. (2) 60 % ihres garantierten Einkommens werden in diesen Kaufkraftausgleich einbezogen. oder (2) Das Gehalt wird in dem Maße angepasst wie die Einkünfte von bei der Auslandsgesellschaft tariflich geführten Angestellten der höchsten Tarifgruppe der Branche …

§ 6 Wechselkursausgleich11 (1) Das Stammhaus gewährleistet, dass Ihr Jahreseinkommen dem Gegenwert von Euro … entspricht. (2) Die Anpassung erfolgt vierteljährlich; dabei wird jeweils die Wechselkursschwankung vom letzten Banktag des Vormonats bis zum letzten Banktag des Regulierungsmonats zugrunde gelegt.

§ 7 Wohnung Die Auslandsgesellschaft stellt Ihnen und Ihrer Familie für Ihre Einsatzzeit eine angemessene Wohnung mietfrei nach Maßgabe Ihrer Vereinbarung mit der Auslandsgesellschaft zur Verfügung.

§ 8 Hin- und Rückreise – Heimflug – Zusatzurlaub (1) Das Stammhaus trägt die Reisekosten der Hin- und Rückreise für Sie und Ihre Familie in der … Klasse inkl. Übergepäck bis zu 100 kg, der Kosten für den Transport des Hausrates, der dafür erforderlichen Reiseversicherungen, Zoll und der für die Umzugsperiode anfallenden Hotelkosten auf 9 Die Fortschreibung des Inlandsgehaltes („Schattengehalt“) dient der Berechnung gem. § 4 Abs. 2 des Musters sowie der Reintegration des Auslandsmitarbeiters. Der Mitarbeiter soll seine Situation im Verhältnis zu vergleichbaren Stammhausmitarbeitern jederzeit beurteilen können. 10 Dieser kann gem. § 3 Nr. 64 EStG unter Umständen steuerfrei sein, vgl. BMF-Schreiben zur Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs und Gesamtübersicht der Kaufkraftzuschläge, per 1.1.2017, Stand 29.12.2016 – IV C 5 - S 2341/16/10001, DOK: 2016/1194145; jeweils aktualisiert unter www.bundesfinanz ministerium.de 11 Findet eine Einkommensgarantie zum jeweiligen Euro-Wechselkurs nicht statt, so könnte sich möglicherweise das Gehalt des Mitarbeiters, trotz Anpassung an inflationäre Entwicklungen des Einsatzlandes in der Währung des Einsatzlandes (Kaufkraftausgleich), auf Euro-Basis verringern.

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Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.2

Nachweis bis zu Euro … Das Stammhaus nimmt die Buchungen unmittelbar vor. Sofern Sie auf eigenen Wunsch vor Beendigung des vertraglich vereinbarten Auslandseinsatzes aus unseren Diensten ausscheiden, besteht kein Anspruch auf Übernahme der Rückreisekosten. (2) Sie haben nach Ablauf von jeweils einem Jahr des Auslandseinsatzes einen Anspruch auf einen Heimflug in der … Klasse mit Ehepartner/eingetragenem Lebenspartner12 und Kindern nach Deutschland. Das Stammhaus trägt die Kosten der Hin- und Rückreise und bucht diese unmittelbar. Sie haben für diesen Deutschlandaufenthalt einen zusätzlichen Urlaub von drei Wochen. Reisezeit bis zu … Tagen wird auf diesen Zusatzurlaub nicht angerechnet. Unmittelbar vor Beginn und unmittelbar nach Ende dieses Urlaubs stehen Sie für … Tage/Wochen für Besprechungen in Deutschland zur Verfügung. (3) Die Lage des Deutschland-Urlaubs stimmen Sie mit der Geschäftsführung der Auslandsgesellschaft und der in § 1 genannten Abteilung des Stammhauses ab.

§ 9 Dienstfahrzeug (1) Die Auslandsgesellschaft stellt Ihnen ein Dienstfahrzeug nach Maßgabe ihrer Vereinbarung mit Ihnen zur Verfügung. (2) Soweit Sie Ihr Fahrzeug in Deutschland vor Antritt des Auslandseinsatzes nur mit Verlust veräußern können, übernimmt das Stammhaus … % der Differenz zwischen dem Schätzwert nach DAT und dem Verkaufserlös, maximal jedoch Euro …

§ 10 Sprachunterricht (1) Das Stammhaus übernimmt Kosten für folgenden Sprachunterricht … für Sie, Ihren Ehepartner/ [eingetragenen] Lebenspartner13 und Ihre Kinder. (2) An etwa erforderlichem Nachhilfeunterricht für Ihre Kinder nach Rückkehr nach Deutschland beteiligt sich das Stammhaus mit Euro …

§ 11 Sonstige Zuschüsse (1) Sie erhalten einen Bekleidungszuschuss in Höhe von Euro … für sich, von Euro … für Ihren Ehepartner sowie Euro … je Kind. (2) Sie erhalten eine Einrichtungsbeihilfe in Höhe von Euro … sowie Erstattung von Einlagerungskosten auf Nachweis bis zu Euro …

§ 12 Entgeltfortzahlung (1) Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall richtet sich nach Ihrer Vereinbarung mit der Auslandsgesellschaft. (2) Werden Sie krankheitsbedingt nach Deutschland zurückgerufen, so erhalten Sie dort Entgeltfortzahlung für … Wochen in Höhe des Inlandgehalts.

§ 13 Krankenversicherung Sie erhalten von dem Stammhaus einen Zuschuss zur privaten Auslandskrankenversicherung für Sie und Ihre Familie in Höhe von … %, soweit nicht die Auslandsgesellschaft nach den nationalen gesetzlichen Bestimmungen des Einsatzlandes einen entsprechenden Zuschuss gewährt.14 12 Die Ungleichbehandlung von Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern bei Zahlung eines Auslandszuschlags ist verfassungswidrig (BAG v. 18.3.2010, NZA-RR 2010, 664). Gleiches könnte auch für die hier vorgesehenen Leistungen gelten. 13 Die Ungleichbehandlung von Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern bei Zahlung eines Auslandszuschlags ist verfassungswidrig (BAG v. 18.3.2010, NZA-RR 2010, 664). Gleiches könnte auch für die hier vorgesehenen Leistungen gelten. 14 Da der Mitarbeiter in die Organisation des ausländischen Unternehmens eingegliedert wird, fehlt es idR an einer Ausstrahlung iSd. Sozialversicherungsrechts (§ 4 Abs. 1 SGB IV). Als Folge unterliegt der Auslandsmitarbeiter weder der Versicherungspflicht in Deutschland, noch kann er Leistungsansprüche geltend machen. Es bedarf einer gesonderten Auslandskrankenversicherung (vgl. Rz. 14 ff.).

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M 11.2.2

Auslandseinsatz

Kap. 11

Der Versicherungsschutz beginnt mit der Ausreise aus Deutschland und endet mit der Beendigung des Auslandseinsatzes. Das Stammhaus zahlt Ruhensbeiträge zur Aufrechterhaltung der bestehenden privaten Krankenversicherung (Inland) für Sie und Ihre Familie. oder, soweit der Versicherungsschutz bei derselben Gesellschaft nur erweitert wird Ihre Mitgliedschaft bei der privaten Krankenversicherung … erhalten Sie aufrecht. Darüber hinaus übernimmt das Stammhaus … % der Kosten einer Zusatz-Auslandskrankenversicherung bei dieser Krankenversicherung für Sie und Ihre Familie.

§ 14 Gesetzliche Rentenversicherung15 (1) Wir sehen Ihren Auslandseinsatz sozialversicherungsrechtlich nicht als Ausstrahlung an. Daher führen wir die Mitgliedschaft in der Rentenversicherung nicht fort. (2) Rentenversicherungsbeiträge, die Sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen des Aufnahmestaats leisten müssen, tragen Sie/übernehmen wir nur, wenn wir dazu aufgrund des Rechts des Aufnahmestaats verpflichtet sind/übernehmen wir bis zur Höhe von …/übernehmen wir vollständig. Wenn der Arbeitnehmer zusätzlich zur ausländischen Rentenversicherung in der deutschen Rentenversicherung verbleiben soll16 entweder (3) Sie werden während des Auslandseinsatzes pflichtversichert auf Antrag.17 Das Stammhaus trägt einen Arbeitgeberanteil in Höhe von 50 % der insgesamt zu zahlenden Beiträge. Sie tragen den Arbeitnehmeranteil in gleicher Höhe, der von Ihren Auslandsbezügen einbehalten wird. Das Stammhaus führt den Gesamtbetrag an den zuständigen Sozialversicherungsträger ab. (4) Bemessungsgrundlage für den Versorgungsaufwand ist Ihr fortgeschriebenes Inlandsgehalt, begrenzt durch die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze. oder, wenn eine Pflichtversicherung auf Antrag nicht möglich ist18 (3) Sie haben die Möglichkeit, Ihre freiwillige Versicherung beim Rentenversicherungsträger für die Zeit Ihres Auslandseinsatzes zu beantragen. (4) Während Ihres Auslandseinsatzes überweist das Stammhaus Ihnen 50 % der jeweiligen Höchstbeiträge zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung auf Ihr deutsches Konto. Sie überweisen die Beiträge an den Versicherungsträger unmittelbar.

§ 15 Betriebliche Altersversorgung19 Ihre Ansprüche aus Ihrer Versorgungszusage/der Versorgungsordnung des Stammhauses bleiben durch den Auslandseinsatz unberührt. Als Grundlage für die Rentenberechnung im Versorgungsfall gilt das fortgeschriebene Inlandsgehalt gemäß § 4 Abs. 1. Bei der Ermittlung der Unverfallbarkeitsfristen und der Höhe der unverfallbaren Anwartschaft werden die Zeiten des Auslandseinsatzes berücksichtigt. 15 Es bleibt die Möglichkeit einer Pflichtversicherung auf Antrag gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, sofern die Beschäftigung im Ausland zeitlich begrenzt ist. Fehlt es an einer zeitlichen Begrenzung der Beschäftigung im Ausland, ist eine freiwillige Versicherung nach § 7 Abs. 1 SGB VI möglich, vgl. Rz. 27 f. Sofern gewünscht, kann auch eine Regelung gem. der ersten Alternative von § 14 des Musters für die Arbeitslosenversicherung aufgenommen werden, Einzelheiten s. Rz. 29, § 28a SGB III. 16 Insb. wenn es keine oder keine ausreichende Rentenversicherung gibt. 17 Die Pflichtversicherung auf Antrag ist nur möglich, wenn 1. der Arbeitnehmer Deutscher oder Bürger eines EU-, EWR-Staates oder der Schweiz ist und 2. der Auslandseinsatz von vornherein zeitlich begrenzt ist. Hier gilt nicht die Zwei-Jahres-Frist des Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004. Ausreichend ist, dass der Auslandseinsatz überhaupt begrenzt ist. Eine Pflichtversicherung auf Antrag ist auch bei einem mehrjährigen Auslandseinsatz möglich. Vgl. dazu § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI und Rz. 27 f. 18 Vgl. Fn. 17. 19 Vgl. Rz. 8 ff.

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Kap. 11

Auslandseinsatz

M 11.2.2

§ 16 Unfallversicherung (1) Leistungen im Rahmen der Auslandsunfallversicherung der Berufsgenossenschaft richten sich nach dem fortgeschriebenen Inlandsgehalt. (2) Das Stammhaus schließt für Sie für die Dauer Ihrer Tätigkeit im Ausland eine private Unfallversicherung in Höhe von Euro 250 000,– für den Todesfall sowie Euro 500 000,– für den Fall der Invalidität ab. Im Leistungsfall werden Leistungen aus von der Auslandsgesellschaft für Sie abgeschlossenen Unfallversicherungen angerechnet.

§ 17 Abgangsentschädigung (1) Soweit Sie einen durch die Beendigung des Auslandseinsatzes entstehenden Zahlungsanspruch gegen das Auslandsunternehmen haben (zB Abfindungsanspruch), werden Sie diesen nicht geltend machen, oder, sofern Sie zur Geltendmachung verpflichtet sind, den Betrag an das Stammhaus abführen. (2) Das Stammhaus ist berechtigt, gegen den Abführungsanspruch mit Gehaltsansprüchen aufzurechnen.

§ 18 Status (1) Sie bleiben auch während Ihres Auslandseinsatzes nach Maßgabe dieses Vertrages Mitarbeiter des Stammhauses. (2) Die Dauer des Auslandseinsatzes wird auf Ihre Betriebszugehörigkeit voll angerechnet. (3) Das Stammhaus gewährleistet die Erfüllung der aus dem Dienstvertrag mit der Auslandsgesellschaft gewährten Leistungen sowie aller Leistungen aus diesem Vertrag.

§ 19 Re-entry clause20 (1) Nach Ablauf des Anstellungsvertrages mit der Auslandsgesellschaft lebt der ruhend gestellte Anstellungsvertrag vom … mit dem Stammhaus wieder auf. Das Stammhaus wird Ihnen eine Ihrer bisherigen Position hinsichtlich Funktion, Qualifikation und Vergütung gleichwertige Position anbieten (Re-entry clause). evtl.: (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn Sie den Anstellungsvertrag mit der Auslandsgesellschaft vorzeitig kündigen.21

§ 20 Rückrufrecht Das Stammhaus ist berechtigt, Sie in folgenden Fällen nach billigem Ermessen mit einer Ankündigungsfrist von … Wochen zurückrufen: …22 – Bei vorzeitiger Beendigung des Auslandsprojektes … – Bei einem dringenden betrieblichem Erfordernis, Sie im Stammhaus einzusetzen. 20 Vgl. auch den Klauselvorschlag von Schneider, NZA 2010, 1380. Die Initiativlast für eine solche Einstellung liegt beim Arbeitnehmer. Um nicht den Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Dauer einer streitigen Auseinandersetzung über das Rückkehrrecht zu verlieren, muss der Arbeitnehmer daher rechtzeitig ein entsprechendes Vertragsangebot unterbreiten, BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 9/15, NZA 2016, 691, Rz. 27 ff. 21 Durch diese Klausel soll verhindert werden, dass der Arbeitnehmer die Wiedereingliederung vorzeitig durch Eigenkündigung auslösen kann. Alternative wäre ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung im Auslandsvertrag, soweit das nach dem dortigen Recht zulässig wäre. Beide Regelungen erhöhen allerdings die Akzeptanz des Vertrages bei dem Arbeitnehmer naturgemäß nicht. 22 Um im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam zu sein, müssen sich sowohl Rückrufklausel als auch die Ausübung des Rückrufsrechts innerhalb der Grenzen des Angemessenen und Zumutbaren halten. Dies erfordert möglicherweise die Vereinbarung einer Frist zur Ausübung sowie bei der Ausübung eine Abwägung der betrieblichen Belange mit den persönlichen Belangen des Arbeitnehmers. Sicherheitshalber sollten die Voraussetzungen für einen Rückruf in der Klausel genannt werden.

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M 11.2.2

Kap. 11

Auslandseinsatz

– Bei Gefahr für Sie durch politische Unruhen, Naturkatastrophen oder Anschläge an Ihrem Arbeitsort für die Dauer der Krisensituation.23 – Sofern Sie schwerwiegend gegen Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.24 – Sofern Sie grob gegen die Verhaltensanforderungen des Einsatzlandes verstoßen. … Sie werden in diesem Falle zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Rückrufes Ihren Anstellungsvertrag mit der Auslandsgesellschaft lösen. Jede nicht durch einen solchen Rückruf oder durch Ablauf der Befristung veranlasste Lösung des Anstellungsvertrages mit der Auslandsgesellschaft bedeutet gleichzeitig auch die Lösung des gesamten Anstellungsverhältnisses mit dem Stammhaus, soweit mit dem Stammhaus nichts Abweichendes vereinbart ist.25 evtl.:

§ 21 Koppelung der Verträge26 Mit Kündigung Ihres Anstellungsvertrages durch die Auslandsgesellschaft aus einem von Ihnen zu vertretenden Grund, der auch nach deutschem Recht eine Kündigung rechtfertigen würde, endet auch der vorliegende Vertrag und der ruhende Arbeitsvertrag mit dem Stammhaus.

§ 22 Nebenabreden, Schriftformklausel, Ausschluss betrieblicher Übung (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. (2) Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.27

§ 23 Salvatorische Klausel28 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.29 23 Vgl. Lindemann, ArbRAktuell 2011, 133; Straube, DB 2012, 2808, 2810. 24 Vgl. Straube, DB 2012, 2808, 2810. 25 Die Regelung stellt letztlich eine auflösende Bedingung iSv. § 21 TzBfG dar, welche nur unter den Voraussetzungen des § 14 TzBfG zulässig ist. Eine der Fallgruppen des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist zwar nicht erfüllt, der Katalog ist jedoch nicht abschließend („insbesondere“). Der sachliche Grund für die Verknüpfung der Verträge liegt uE darin, dass der Arbeitnehmer sich ansonsten weitgehend risikofrei aus dem Auslandsanstellungsverhältnis lösen könnte und ein sinnentleertes Anstellungsverhältnis mit dem Stammhaus verbliebe. Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Klausel steht jedoch aus. Vgl. auch Lindemann, ArbRAktuell 2011, 133. 26 Wichtig: Ob eine solche Koppelung der Verträge wirksam ist, ist offen (vgl. Seel, MDR 2011, 5). Eine Koppelung des ruhenden Arbeitsverhältnisses an die Beendigung des Auslandsarbeitsverhältnisses wird zwar für Fälle vorgeschlagen, in denen der Beendigungsgrund auch nach deutschem Recht zu einer Kündigung berechtigen würde (Schwab/Engelmann/Tischler-Kolbe, NWB 4/2011, S. 299). Es ist jedoch dringend zu raten, etwaige Kündigungen für alle Verträge gesondert auszusprechen (Reiter, NZA-Beil. 2014, 22, 23). 27 Zur Schriftformklausel im Einzelnen Kap. 2 Rz. 17 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 124 ff. sowie M 2.1a Ziff. 14. 28 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 29 S. M 3.1, § 26 m. Anm.

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Kap. 12

Vergütung

Kapitel 12

Vergütung

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I. Einführung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freiwilligkeit, Widerruflichkeit und Anrechenbarkeit der Vergütung . . . . . . . . . . 3. Zulagen/Zuschläge (M 12.7 und M 12.8.1/ M 12.8.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Tantiemen (M 12.10) . . . . . . . . . . . . . . 5. Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter (M 12.11) . . . . 6. Akkordvergütung (M 12.13) . . . . . . . . . 7. Prämien (M 12.14) . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gratifikationen (M 12.15) . . . . . . . . . . . 9. Vermögenswirksame Leistungen (M 12.20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Aufwendungsersatz und Auslagen (M 12.21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Dienstwagen (M 12.22) . . . . . . . . . . . . . 12. Dienstwohnung (M 12.23) . . . . . . . . . . . 13. Arbeitgeberdarlehen (M 12.24) . . . . . . . 14. Pfändung/Abtretung (M 12.25) . . . . . . . 15. Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung (M 12.26) . . . . . . . . . . . . . . . 16. Zielvereinbarungen (M 12.27) . . . . . . . . 17. Aktienoptionspläne (M 12.28) . . . . . . . . II. Muster Festvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbliche Arbeitnehmer ohne Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbliche Arbeitnehmer mit Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angestellte ohne Tarifbindung . . . . . . Angestellte mit Tarifbindung . . . . . . . Organmitglieder oder leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Gehaltszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gehaltsklage bei zu niedriger Eingruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zahlungsklage bei zweistufiger Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung . . . . . . . . . . . .

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1 5

11 14 16 18 25 26 37 39 42 46 50 53 55 58 64

. .M . . 12.1

.M . . 12.1.1 .

.M . . 12.1.2 . .M . . 12.1.3 . .M . . 12.1.4 . .M . . 12.1.5 . . .M . . 12.2

. .M . . 12.3 . .M . . 12.4

. .M . . 12.5

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Klage im Urkundenprozess auf Geschäftsführervergütung nach fristloser Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.6 Zulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.7 Übertarifliche Zulage . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.7.1 . Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalt für die übertarifliche Zulage . . . . . . . . . M . . 12.7.2 . Erschwerniszulage . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.7.3 . Wechselschichtzulage . . . . . . . . . . . . . M . . 12.7.4 . Auslandszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.7.5 . Leistungszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.7.6 . Sozialzulage mit Widerrufsvorbehalt . . . M . . 12.7.7 . Überstundenzuschläge . . . . . . . . . . . . . M . . 12.8.1 . Nachtarbeits-, Sonn- und Feiertagszuschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.8.2 . Klage auf Überstundenvergütung . . . . . . M . . 12.9 Tantieme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M. .12.10 Leitender Angestellter oder Geschäftsführer einer GmbH . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.10.1 .. Ermessenstantieme für einen leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.10.2 .. Klage auf Ermessenstantieme/Ermessensbonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.10.3 .. Vorstand einer Aktiengesellschaft . . . . M . . 12.10.4 .. Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter . . . . . . . . .M. .12.11 Stufenklage wegen Abrechnung und Zahlung von Provision . . . . . . . . . . . . . .M. .12.12 Akkordvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . .M. .12.13 Zeitakkord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.13.1 .. Geldakkord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.13.2 .. Prämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M. .12.14 Anwesenheitsprämie . . . . . . . . . . . . . M . . 12.14.1 .. Leistungsprämie . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.14.2 .. Treueprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.14.3 .. Sonderzuwendungen (Gratifikationen) . .M. .12.15 Sonderzuwendung mit Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.15.1 .. Sonderzuwendung mit Widerrufsvorbehalt und Bindungsklausel . . . . . . . . M . . 12.15.2 .. Sonderzuwendung nach Ermessen (Ermessensgratifikation) . . . . . . . . . . . .M. .12.16

Vergütung Klage auf Sondervergütung wegen Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Ausgabe von Belegschaftsaktien wegen betrieblicher Übung . . . . Klage wegen Widerrufs/Teilkündigung von Sonderleistungen . . . . . . . . . . . . Vermögenswirksame Leistungen . . . . . Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . Dienstwagenüberlassungsvertrag . . . . Dienstwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitgeberdarlehen . . . . . . . . . . . . . Pfändung/Abtretung . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _

.M . . .12.17

.M . . .12.18

. . . . . . .

M . . .12.19 M . . .12.20 M . . .12.21 M . . .12.22 M . . .12.23 M . . .12.24 M . . .12.25

Kap. 12

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Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M. .12.26 Ausschluss der Aufrechnung . . . . . . . M . . 12.26.1 .. Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 12.26.2 .. Rahmenvereinbarung für eine Zielvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M. .12.27 Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M. .12.28 Klage auf künftige Vergütung . . . . . . . . .M. .12.29 Klage des Arbeitnehmers auf Gehaltserhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .M. .12.30 Klage des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung . . . . . . . . . . . . . .M. .12.31

Literatur: Zu Zulagen: Bonanni/Koehler, Anrechnung übertariflicher Zulagen, ArbRB 2009, 24; Franke, Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen, NZA 2009, 245; Fuchs, Anrechnung von Tariferhöhungen auf Zulagen – AGB-Kontrolle, AP BGB § 308 Nr. 3; Hunold, Freiwillige Zulagen: übertariflich – außertariflich?, NZA 2007, 912; Kammerer/Mass, Der tarifungebundene Arbeitgeber – Regelungsmacht und Regelungsgrenzen in Vergütungsfragen, DB 2015, 1043; Kleinebrink, Vertragliche Flexibilisierung der Höhe des Arbeitsentgelts durch Anrechnung von Tariferhöhungen, ArbRB 2005, 122; Kleinebrink, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Anrechnung von Tariferhöhungen in problematischen Fällen, ArbRB 2005, 185; Lingemann, Widerruf von übertariflichen Leistungen des Arbeitgebers, NJW 2007, 539; Lingemann/Chakrabarti, Zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmern mit unterschiedlichen Arbeitsbedingungen bei der Entgelterhöhung und zum anzustellenden Gesamtvergleich, RdA 2016, 114; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – gibt es sie noch?, DB 2007, 1754; Mittag, Anrechnung von Tariferhöhungen, AiB 2006, 641; Moderegger, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Anrechnung übertariflicher Zulagen, ArbRB 2009, 142; Reiter, Anrechnung tariflicher Einmalzahlungen auf übertarifliche Zulagen, DB 2006, 2686; Schmitt-Rolfes, Neues Altes vom BAG: Tariferhöhungen ohne weiteres anrechenbar, AuA 2006, 447. Zu Zuschlägen: Feichtinger/Malkmus, Zur Zahlung von Feiertagszuschlägen bei Erkrankung des Arbeitnehmers, EWiR 2005, 347; Fischer/Hoberg, Steuer- und sozialabgabenfreie Zuschläge – Optimierungspotenzial für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, DB 2006, 1333; Foerster, SFN-Zuschläge und Beiträge, AuA 2006, Nr. 9, 548; Ilbertz, Mitbestimmung bei Ausgleich für Nachtarbeit, ZBVR 2005, 109; Lakies, Vergütung der Nachtarbeit und Grenzen der Vertragsgestaltung, ArbRAktuell 2012, 521. Zu Tantiemen: Bascope/Hering, Verdeckte Gewinnausschüttung im Zusammenhang mit der Vergütung von Gesellschafter-Geschäftsführern, GmbHR 2005, 741; Bauer/Göpfert/Siegrist, Abberufung von Organmitgliedern: Wegfall der variablen Vergütung?, DB 2006, 1774; Fröhlich, Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg im Arbeitsverhältnis, ArbRB 2006, 246; Fröhlich, Zur Zulässigkeit der Kürzung von Bonuszahlungen, ArbRB 2012, 85; Janssen, Die Berücksichtigung von Verlustvorträgen bei der Tantiemeberechnung, GStB 2009, 369; Lakies, Neue Rechtsprechung zu Flexibilisierung bei Sonderzuwendungen, ArbRAktuell 2013, 251; Mertes, Tantieme-Gestaltung, GmbH-Stpr 2009, 108; Simon/Hidalgo/Koschker, Flexibilisierung von Bonusregelungen – eine unlösbare Aufgabe?, NZA 2012, 1071. Zu Provisionen: Franzen, Urlaubsentgelt, Provisionen und andere unregelmäßig anfallende Vergütungssysteme, NZA 2014, 647; Gründel/Butz, Provisionen bei Fehlzeiten eines Arbeitnehmers, BB 2014, 1210; Hübsch/Hübsch, Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht, WM 2005, Sonderbeilage Nr. 1, 2; Lembke/Fesenmeyer, Abreden über Vermittlungsprovisionen in Arbeitnehmerüberlassungsverträgen, DB 2007, 801; Steinhauff, Zurechnung der Einkünfte aus verdeckter Handelsvertretung, NWB Fach 3, 13295 (14/2005); Zorn, Provision im Arbeitsvertrag, AuA 2007, 658. Zur Akkordvergütung: Boegl, Mitbestimmungsrechte des Personal- bzw. Betriebsrats bei Einführung der leistungsorientierten Bezahlung, ZfPR 2007, 22; Fratschner, Flexible Leistungs- und Vergütungssysteme, AuA 2005, 294; von Hören, Leistungsorientierte Vergütung, KH 2005, 691; Schwab, Das Recht der Arbeit

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Vergütung

im Leistungslohn (Akkord und Prämie) AR-Blattei Akkordarbeit I und SD 40; Schwab, Rechtsprobleme der Arbeit im Leistungslohn, NZA-RR 2009, 1 und 57. Zu Prämien: Bauer/Lingemann, Probleme der Entgeltfortzahlung nach neuem Recht, BB Beilage 17/ 1996, 8; Felser, Der goldene Handschlag, AiB 2006, 346; Kock, „Meine Meilen, Deine Meilen“: Dienstlich erlangte Bonuspunkte aus Kundenbindungsprogrammen, DB 2007, 462; Reinecke, Neue Regeln für Sonderzuwendungen, BB 2013, 437; Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975. Zu Gratifikationen: Baeck/Winzer, Neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht – Stichtagsklauseln – was geht noch?, NZG 2012, 657; Bayreuther, Freiwilligkeitsvorbehalte: Zulässig, aber überflüssig?, BB 2009, 102; Diller/Beck, Konzernzusagen – ohne die Fesseln des BetrAVG?, NZA 2015, 274; Fleddermann, Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen (Teil 1), ArbRAktuell 2015, 367, (Teil 2), ArbRAktuell 2015, 392; Grimm/Freh, Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte, ArbRB 2011, 285; Groeger, Arbeitsvertragliche Vereinbarungen über Sondervergütungen, ArbRB 2010, 156; Hromadka, Die ablösende Betriebsvereinbarung ist wieder da!, NZA 2013, 1061; Hromadka, Was bleibt vom vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt?, DB 2012, 1037; Hunold, Vertragsänderung durch bloßen Zeitablauf?, DB 2012, 1096; Klauze, Alle Jahre wieder – Das Weihnachtsgeld, AuA 2008, 712; Kleinebrink, Inhalt und Gestaltung von Arbeitsund Betriebsordnungen, ArbRB 2010, 161; Korinth, Betriebliche Wirklichkeit und betriebliche Übung, ArbRB 2015, 147; Leder, Aktuelles zur Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen, RdA 2010, 93; Lingemann/Pfister/Otte, Ermessen bei Gratifikation und Vergütung als Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, Bonuszahlungen und Freiwilligkeitsvorbehalt – Die Gewichte verschieben sich, NJW 2014, 2400; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – es gibt sie noch, DB 2008, 2307; Lingemann/Gotham, Freiwilligkeits-, Stichtags- und Rückzahlungsregelungen bei Bonusvereinbarungen – was geht noch?, NZA 2008, 509; Lingemann/Gotham, Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers – gibt es sie noch?, DB 2007, 1754; Lunk/Leder, Mitbestimmung der Betriebsräte bei freiwilligen Leistungen, NZA 2011, 249; Maaß, Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt – Welche Formulierung genügt dem Transparenzgebot?, ArbRAktuell 2011, 59; Manske, Weihnachtsgeld – Gleichbehandlung – Arbeiter – Angestellter, AiB 2006, 123; Manske, Das „Aus“ für die gegenläufige betriebliche Übung, ArbRB 2009, 239; Müller-Bonanni/Nimmerjahn, Fallstricke bei der Formulierung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten, ArbRB 2008, 114; Preis, Der langsame Tod der Freiwilligkeitsvorbehalte und die Grenzen betrieblicher Übung, NZA 2009, 281; Preis/Sagan, Der Freiwilligkeitsvorbehalt im Fadenkreuz der Rechtsgeschäftslehre – Chronik eines angekündigten Todes, NZA 2012, 697; Preis/Ulber, Die Wiederbelebung des Ablösungs- und Ordnungsprinzips?, NZA 2014, 6; Reinfelder, Leistungsgerechtes Entgelt – Gestaltung und Umgestaltung, NZA-Beilage 2014, 10; Roeder, Zweierlei Maß oder das Ende der gegenläufigen betrieblichen Übung, NZA 2009, 883; Salamon, Rechtsfolgen des Zusammentreffens von Freiwilligkeitsvorbehalten und Gratifikationszweckvereinbarungen, NZA 2009, 656; Schuster, Weihnachtsgeld, AiB 2009, 535; Wank, Änderung von Arbeitsbedingungen NZA-Beil. 2012, 41; Willemsen/ Jansen, Die Befristung von Entgeltbestandteilen als Alternative zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten, RdA 2010, 1. Zu vermögenswirksamen Leistungen: Jungblut, Vermögensbildung der Arbeitnehmer, NWB Fach 6, 4981 (47/2008); Kutsch/Kersting; Mitarbeiterbeteiligung zur Finanzierung und Sanierung, BB 2011, 373; Sieg, Renaissance der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung, NZA 2015, 784. Zum Aufwendungsersatz: Henkel, Erstattung von Reisekosten, AuA 2009, 273; Kleinebrink, Die Dienstreisezeit, ArbRB 2011, 26; Paus, LStR 2008: Neustrukturierung des steuerlichen Reisekostenrechts, EStB 2008, 139; Schneider, Bonusmeilen für Vielflieger – Herausgabeanspruch des Arbeitgebers, AiB 2007, 60; Thomas, Verpflegungspauschalen und Mahlzeitgestellung nach dem Reisekostenänderungsgesetz, SPA 2014, 149; Wulff, Wenn Arbeitnehmer und Betriebsräte eine Reise tun, AiB 2009, 91. Zum Dienstfahrzeug: Bergkemper, Beweis des ersten Anscheins bei Nutzung eines Dienstwagens für private Zwecke, HFR 2007, 118; von Bornhaupt, Anforderungen an das Verbot zur Privatnutzung bei Firmenwagen, DStR 2007, 792; Bruschke, Geldwerter Vorteil bei der Überlassung von Firmenfahrzeugen, DStZ 2009, 408; Ehrich, Zur Dienstwagenproblematik, EWiR 2005, 63; Fischer, Dienstwagenüberlassung an Arbeitnehmer, Information StW 2007, 432; Fröhlich, Herausgabe des Dienstwagens bei Kündigung und Freistellung, ArbRB 2011, 253; Geserich, 1 %-Regelung bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, NWB 2012, 114; Günther/Gatzen, Privatnutzung eines betrieblichen Pkw durch Unternehmer/Arbeitnehmer, EStB 2008, 180; Heinrich, Arbeitsverhältnisse unter Angehörigen – Überlassung von Dienstwagen, NWB 2011, 3050; Höser, Die Dienstwagennutzung bei Arbeitsunfähigkeit – Rechtssicherheit

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durch das BAG? –, BB 2012, 573; Hunold, Dienstreise- und Wegezeit, Rechtsfragen um Dienst- und Privatfahrzeuge des Arbeitnehmers, AR-Blattei SD 590; Hunold, AGB-Kontrolle: Widerruf der Gestellung eines Dienstwagens, NZA 2010, 1276; Insam/Hilbert/Heumann, Dienstwagenregelungen des Arbeitgebers aus arbeitsrechtlicher und lohnsteuerlicher Sicht, BBK 2011, 522; Intemann, Private Nutzung eines Dienstwagens, NZA 2012, 492; Kappus, Dienstfahrzeugunfall und Führerscheinentzug beim Arbeitnehmer, NJW 2015, 387; Keilich, Dienstwagen – Von der Überlassung bis zum Widerruf, AuA 2009, 264; Meier, Der Entzug des Dienstwagens und seiner privaten Nutzung, FS Adomeit, 2008, S. 453; Moll/Roebers, Mitbestimmung des Betriebsrats beim Dienstwagen, DB 2010, 2672; Oelkers, Mitbestimmung bei Dienstwagenregelungen, NJW-Spezial 2009, 514; Sandmaier, Reform des Reisekostenrechts – Gestaltungsoptionen zur „ersten Tätigkeitsstätte“, SPA 2014, 65; Stoffels, Die Überlassung von Dienstwagen, FA 2009, 329; Thomas, Geldwerte Vorteile bei Überlassung und Übertragung von Kraftfahrzeugen, DB Beilage 6/2006, 58. Zur Dienstwohnung: Bruns, Die Werkmietwohnung, NZM 2014, 535; Riecke, Werkdienst- oder Werkmietwohnung?, IMR 2013, 177; Schmidt-Futterer/Blank, Die betriebseigene Werkwohnung, AR-Blattei Werkwohnung I. Zu Arbeitgeberdarlehen: Hermann, Geldwerter Vorteil bei zinsgünstigen Arbeitgeberdarlehen, NWB direkt Nr. 26/2007, 7; Kleinebrink, Vertragliche Gestaltung eines Arbeitgeberdarlehens, ArbRB 2010, 382; Loritz, Aufklärungspflicht – Belegschaftsaktien – Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 42; Meyer, Zum Sachbezug im Zusammenhang mit Arbeitgeberdarlehen, EFG 2005, 1029; Seifert, Vergünstigte Arbeitgeberdarlehen: Zinsvorteile als „Geschenk“ für gute Mitarbeiter, GStB 2009, 81; Warnke, Lohnsteuerliche Behandlung von Arbeitgeberdarlehen, EStB 2008, 108. Zu Abtretung und Pfändung: App, Pfändbare Ansprüche eines Arbeitnehmers trotz Abtretung seines Arbeitslohns, KKZ 2005, 47; Beetz, Pfändbarkeit von Urlaubsvergütungen, ZVI 2008, 244; Bengelsdorf, Die (Un-)Pfändbarkeit der Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge, FA 2009, 376; Bengelsdorf, Gelungene Rechtsfindung im komplizierten Normengefüge der Lohnpfändung – Die gesetzeskonforme Auslegung der §§ 850 Abs. 2, 850a Nrn. 2, 6 ZPO, SAE 2009, 196; Bengelsdorf, Neue Rechtsprechung im Lohnpfändungsrecht, FA 2009, 162; Flöther/Bräuer, Die Abtretung künftiger Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitnehmers, NZI 2006, 136; Helwich/Frankenberg, Pfändung des Arbeitseinkommens und Verbraucherinsolvenz, 7. Aufl. 2014; Hergenröder, Pfändungs- und Insolvenzschutz arbeitsrechtlicher Abfindungsansprüche, ZVI 2006, 173; Kohte/Busch, Vorausabtretung von Arbeitsentgeltansprüchen und Abfindungszahlung, VuR 2006, 410; Neumann, Lohnpfändung und Verpfändung, AR-Blattei Lohnpfändung I und SD 1130; Reifelsberger, Lohnpfändung bei Sachbezügen in der betrieblichen Praxis – insbesondere bei Dienstwagen, NZA 2013, 641; Reiter, Lohnpfändung und Lohnabrechung, FA 2007, 258; Schielke, Kostentragung bei der Lohnpfändung, BB 2007, 378. Zu Aufrechnung und Zurückbehaltung: Blank, Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers an seiner Arbeitsleistung bei Betriebsfortführung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter trotz Sicherstellung des Lohnanspruchs über das demnächst zu erwartende Insolvenzgeld (§ 273 BGB)?, ZInsO 2007, 426; Hergenröder, Das Zurückbehaltungsrecht an Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis, AR-Blattei SD 1880; Laber, Zurückbehaltungsrechte im Arbeitsverhältnis, ArbRB 2009, 309. Zu Zielvereinbarungen: Annuß, Arbeitsrechtliche Aspekte von Zielvereinbarungen in der Praxis, NZA 2007, 290; Bauer/Diller/Göpfert, Zielvereinbarungen auf dem arbeitsrechtlichen Prüfstand, BB 2002, 882; Behrens/Rinsdorf, Am Ende nicht am Ziel? – Probleme mit der Zielvereinbarung nach einer Kündigung, NZA 2006, 830; Burkhart/Boss, Die Zielvereinbarung, BWGZ 2006, 750; Däubler, Zielvereinbarungen als Mitbestimmungsproblem, NZA 2005, 793; Gaul/Rauf, Bonusanspruch trotz unterlassener Zielvereinbarung, DB 2008, 869; Gehlhaar, Rechtsfolgen unterbliebener Zielvereinbarungen und Zielvorgaben – eine Übersicht, NZA-RR 2007, 113; Hägele, Unterlassene Zielvereinbarung – ein unterschätztes Risiko für den Arbeitgeber?, GmbHR 2014, R321; Heiden, Unterjährige Zielanpassung und Feststellung der Zielerreichung bei entgeltrelevanten Zielvereinbarungen, DB 2009, 2714; Heiden, Entgeltvariabilisierung durch Zielvereinbarungen, DB 2009, 1705; Horcher, Inhaltskontrolle von Zielvereinbarungen, BB 2007, 2065; Laber/Reinartz, Flexibilität und Zielvereinbarung, ArbRB 2008, 125; Lembke, Die Gestaltung von Vergütungsvereinbarungen, NJW 2010, 321; Lingemann/Gotham, Freiwilligkeits-, Stichtags- und Rückzahlungsregelungen bei Bonusvereinbarungen – was geht noch? NZA 2008, 509; Mohnke, Effektive Ausgestaltung von Zielvereinbarungen, AuA 2008, 343; Reinartz, Einige Fragen und Lösungsvorschläge zu § 4a EFZG, NZA 2015, 83; Reiserer, Zielvereinbarung – ein Instrument der Mitarbeiterführung, NJW 2008, 609; Reiserer/Fallenstein, Mitarbeiterbindung und leistungsabhängige Bonussysteme: ein Wider-

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Kap. 12 Rz. 1

Vergütung

spruch oder zulässige Praxis?, DStR 2011, 1572, 1624; Röder, Fallstricke bei der Gestaltung zielvereinbarungsgestützter Vergütungssysteme, FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 139; Salamon, Einseitige Leistungsbestimmungsrechte bei variablen Entgelten, NZA 2014, 465; Salamon, Mitarbeitersteuerung durch erfolgs- und bestandsabhängige Gestaltung von Vergütungsbestandteilen, NZA 2010, 314; Schönhoft, Zur Frage der Initiativlast bei unterbliebenen Zielvereinbarungen, BB 2013, 1529; Tusch/ Hertz, Die Entwicklung des europäischen Bankaufsichtsrechtes 2015/2016, EuZW 2016, 887, 891; Ullrich, Bonuszahlung bei unterbliebener Zielvereinbarung: Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers, SAE 2008, 316. Zu Aktienoptionen: Baeck/Diller, Arbeitsrechtliche Probleme bei Aktienoptionen und Belegschaftsaktien, DB 1998, 1405; Bauer/Göpfert/von Steinau-Steinrück, Aktienoptionen bei Betriebsübergang, ZIP 2001, 1129; Busch, Zufluss von Arbeitslohn bei handelbaren Optionsrechten, DStR 2009, 898; Dörr, Kein Betriebsausgabenabzug bei unentgeltlicher Einräumung von Stock Options an Mitarbeiter, NWB 2011, 350; von Dryander/Schröder, Gestaltungsmöglichkeiten für die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder im Lichte des neuen Insiderrechts, WM 2007, 534; Fröhlich, Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg im Arbeitsverhältnis, ArbRB 2006, 246; Kutsch/Kersting, Mitarbeiterbeteiligung zur Finanzierung und Sanierung, BB 2011, 373; Lingemann/Diller/Mengel, Aktienoptionen im internationalen Konzern – ein arbeitsrechtsfreier Raum?, NZA 2000, 1191; Lingemann/Wasmann, Mehr Kontrolle und Transparenz im Aktienrecht: Das KonTraG tritt in Kraft, BB 1998, 853; Otto/Mückl, Grenzen der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Aktienoptionsplänen, DB 2009, 1594; Reim, Aktienoptionen aus AGB-rechtlicher Sicht, ZIP 2006, 1075; Reiserer/Fallenstein, Mitarbeiterbindung und leistungsabhängige Bonussysteme: Ein Widerspruch oder zulässige Praxis? (Teil II), DStR 2011, 1624; Rossmanith/Funk/Alber, Stock Options, WPg 2006, 664; Staake, Der Verfall von Aktienoptionen bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, NJOZ 2010, 2494; Strnad, Tarifbegünstigung geldwerter Vorteile aus Aktienoptionen, DB 2007, 498.

I. Einführung 1. Allgemeines 1

Die Vergütung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers.1 Der Anspruch ergibt sich meist aus der Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder aus Tarifvertrag.2 Auch eine Betriebsvereinbarung kann Anspruchsgrundlage sein.3 Daneben kommen in Betracht arbeitsvertragliche Einheitsregelung und Gesamtzusage4 sowie als ungeschriebene Anspruchsgrundlagen betriebliche Übung5 und Gleichbehandlungsgrundsatz6. Fehlt eine

1 Zum Arbeitslohn durch Vorteilsgewährung von dritter Seite vgl. BFH v. 20.5.2010, DStRE 2010, 1002 m. Anm. Hilbert, NWB 2010, 3031. Eine zu geringe Vergütung für geleistete Arbeitsstunden begründet einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenz, nicht aber einen Anspruch auf Gutschrift dieser Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit, vgl. BAG v. 17.11.2011 – 5 AZR 681/09, juris. 2 Kollisionen sind nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) aufzulösen; verbleiben Zweifel über die Günstigkeit, greift § 4 Abs. 3 TVG nicht, BAG v. 10.12.2014 – 4 AZR 503/12, NZA 2015, 946. 3 Vgl. Kammerer/Mass, DB 2015, 1043; Kleinebrink, ArbRB 2010, 161; Entgeltregelungen in Betriebsvereinbarungen werden allerdings häufig an der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG scheitern, vgl. BAG v. 23.3.2011, AP Nr. 101 zu § 77 BetrVG 1972. 4 Zur AGB-Kontrolle einer Gesamtzusage vgl. Soiné, ZTR 2006, 465 ff. 5 Vgl. zur betrieblichen Übung hinsichtlich der Nutzung von auf Dienstreisen erworbenen Bonusmeilen BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 500/05, BB 2006, 2137, 2138 f. sowie BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 571/11, NZA 2013, 40 zur betrieblichen Übung bei irrtümlicher Leistungsgewährung. Eine betriebliche Übung zur Erhöhung der Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung wird man bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern jedoch nur in Ausnahmefällen annehmen können, vgl. BAG v. 19.10.2011, NZA-RR 2012, 344, 345 f. m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2011, 664. 6 Vgl. BAG v. 23.2.2011 – 5 AZR 84/10, NZA 2011, 693. Zur Analyse der betrieblichen Entgeltungleichheit vgl. Schmidt, DB 2010, 957.

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Vergütung

Rz. 1a Kap. 12

Vereinbarung oder ist diese – zB wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB7 – unwirksam, so ist gemäß § 612 Abs. 2 Alt. 2 BGB regelmäßig die übliche Vergütung geschuldet.8 Gemäß § 108 GewO ist der Arbeitgeber verpflichtet, über die Vergütung in Textform abzurechnen. Zum Teil wird aus § 310 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Angemessenheitskontrolle der Vergütungshöhe in vorformulierten Arbeitsverträgen anhand von Tarifverträgen gefordert.9 Eine solche „Preiskontrolle“ lässt sich jedoch schon aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften nicht herleiten; auch verstieße sie gegen die negative Koalitionsfreiheit.10 Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes stellt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn dar, der seit dem 1.1.2015 flächendeckend und für alle Berufe gilt.11 Der Mindestlohn darf nicht unterschritten werden, § 3 MiLoG, dh. abweichende Regelungen sind unwirksam.12 Darüber hinaus ist eine Nicht- oder verspätete Zahlung bußgeldbewehrt, §§ 20, 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG.13 Gleichzeitig wird der Anspruch über eine Generalunternehmerhaftung abgesichert, § 13 MiLoG iVm. § 14 AEntG.14 Noch ist im Einzelnen offen, welche Leistungen mindestlohnwirksam sind;15 er gilt jedenfalls auch für Bereitschaftszeiten.16 Zugrunde zu legen ist eine Monatsbetrachtung.17 Neben dem Mindestlohn nach dem MiLoG bestehen die bereits früher in einigen Branchen geltenden 7 Lohnwucher gem. § 138 BGB, vgl. hierzu BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 814/14, NJW 2016, 2359: Maßstab ist nicht der gesetzliche Mindestlohn, sondern die übliche Vergütung. Ist der Wert der Arbeitsleistung (mindestens) doppelt so hoch wie der Wert der Vergütung, lässt dies den tatsächlichen Schluss auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu. Vgl. auch BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, NZA 2016, 487; v. 17.12.2014 – 5 AZR 663/13, NZA 2015, 608, m. Anm. Winzer, FD-ArbR 2015, 369186; v. 27.6.2012, AP BGB § 138 Nr. 67; v. 16.5.2012 – 5 AZR 268/11, NZA 2012, 974, m. Anm. Günther, ArbRAktuell 2012, 401; Bayreuther, NZA 2010, 1157; Böggemann, NZA 2011, 493; Perreng, FA 2010, 258; Sasse/Häcker, ArbRB 2012, 350, mangels Angemessenheit iSv § 17 Abs. 1 BBiG, vgl. hierzu BAG v. 29.4.2015 – 9 AZR 108/14, NZA 2015, 1384 oder bei fehlerhaftem (faktischem) Arbeitsverhältnis, vgl. BAG v. 27.7.2010 – 3 AZR 317/08, BB 2011, 572 m. Anm. Sagan. Die Vereinbarung von Unentgeltlichkeit ist hingegen zulässig, wenn eine Vergütung, wie bei ehrenamtlicher Tätigkeit, nicht zu erwarten ist; es handelt sich dann jedoch nicht um ein Arbeitsverhältnis, vgl. BAG v. 29.8.2012, NZA 2013, 1433. 8 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 171/10, NZA 2011, 1173. 9 Vgl. Däubler, NZA 2001, 1335; Lakies, NZA-RR 2002, 337. 10 Vgl. im Einzelnen Kap. 2 Rz. 60 ff. mwN; Lingemann, NZA 2002, 181, 188 f. 11 Bayreuther, NZA 2014, 865; Wank, RdA 2015, 88; Ausnahmen bestehen aber für vereinzelte Gruppen nach § 22 und § 24 MiLoG, zB Auszubildende, vgl. hierzu auch Kap. 8 Einf. Dazu auch: Picker, RdA 2014, 25. Über die Höhe entscheidet eine Kommission, § 9 MiLoG. Die Verfassungsmäßigkeit des Mindestlohns ist umstritten, mit umfangreichen Nachweisen Lembke, NZA 2015, 70, 71. 12 Henssler, RdA 2015, 43. Das gilt auch für Tariflohn, dazu Wank, RdA 2015, 88, 93. Vgl. auch § 1 Abs. 3 MiLoG. Der Arbeitsvertrag bleibt aber im Übrigen wirksam („insoweit“), anstelle der unwirksamen Vergütungsabrede tritt § 612 BGB, dazu Bayreuther, NZA 2014, 865 f. Darüber hinaus ist auch bei Ausschlussfristen bzw. -klauseln § 3 MiLoG zu beachten. Auch ein Verzicht ist grundsätzlich nicht möglich. 13 Dazu Bayreuther, NZA 2014, 865. Daneben kommt so auch eine Strafbarkeit nach § 266a StGB in Betracht, vgl. Ramming NZA-Beil. 2014, 149. 14 Dazu Kap. 9 Einf., M 9.1.1. § 3 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 15 Bayreuther, NZA 2014, 865, 866; Lembke, NZA 2016, 1; Lembke, NZA 2015, 70, 74; Sittard/Sassen, NJW 2016, 364, 366. Die Problematik stellt sich bei variablen Vergütungssystemen wie Akkord- oder Stücklohn einerseits sowie bei Sonderzahlungen, Gratifikationen, usw. andererseits. Leistungen ohne Entgeltcharakter dürften jedenfalls von vornherein nicht erfasst sein (so auch Lembke, NZA 2015, 70, 75). Eine Öffnungsklausel für Arbeitszeitkonten existiert aber, vgl. § 2 Abs. 2 MiLoG. Zu Trinkgeld Wobst, RdA 2016, 110. 16 BAG v. 29.6.2016 – 5 AZR 716/15, BB 2016, 2877. 17 BAG v. 29.6.2016 – 5 AZR 716/15, BB 2016, 2877; v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, BB 2016, 2621.

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1a

Kap. 12 Rz. 1b

Vergütung

Mindestentgelte weiter.18 Auch kann ein nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärter oder in seiner Wirkung nach § 7 AEntG 2009 auf bisher nicht an ihn gebundene Arbeitsverhältnisse erstreckter Tarifvertrag Mindestentgelte festlegen.19 Für die Frage, ob der Arbeitgeber diesen Anspruch auf Mindestlohn durch anderweitige Leistungen erfüllt hat, kommt es darauf an, welchen Zweck die anderen Leistungen haben. Sie sind dann als funktional gleichwertig zum Mindestlohn anzusehen, wenn sie dazu dienen, die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag vorausgesetzte „Normalleistung“ abzugelten, nicht jedoch, wenn sie über die vom Tarifvertrag vorausgesetzte Verpflichtung hinaus geleistete Arbeitsstunden oder unter demgegenüber besonderen Erschwernissen geleistete Arbeit vergüten sollen.20 Danach sollen zumindest die vom Arbeitgeber erbrachten vermögenswirksamen Leistungen nicht der Erfüllung des Mindestlohnanspruches dienen, weil sie unabhängig von der Art und Entlohnung der zu leistenden Tätigkeit die Funktion einer Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand erfüllen und überdies dem Arbeitnehmer nicht zusammen mit dem laufenden Entgelt zur Verfügung stehen.21 Da das AEntG 2009 jedoch auf der Richtlinie 96/71/EG beruht, hat das BAG dem EuGH diese Frage im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorgelegt.22 Umgekehrt kann eine Jahressonderzahlung, die jeden Monat zu 1/12 ausgezahlt wird, Entgeltcharakter haben mit der Folge, dass sie auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen ist.23 1b

Einschränkungen bei der Festlegung der Vergütung folgen auch aus der Instituts-Vergütungsverordnung für Kreditinstitute sowie der Versicherungs-Vergütungsverordnung für Versicherungskonzerne, die Anforderungen an Vergütungssysteme insbesondere für Geschäftsleiter und Mitarbeiter von Kontrolleinheiten festlegen.24

1c

Die vereinbarte Vergütung stellt im Regelfall eine Bruttovergütung dar.25 Auch im Falle einer Schwarzgeldabrede ist nicht von einer Nettolohnabrede26 auszugehen, weil die Arbeitsvertragsparteien mit der Schwarzgeldabrede die Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bezweckt haben, nicht jedoch deren Übernahme durch den Arbeitgeber.27 Allerdings bestehen in diesem Fall schon keine gegenseitigen Ansprüche.28

1d

Bei der Vergütung ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Dieser kann einzelvertraglichen Vergütungsregeln vorgehen, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er be18 Wank, RdA 2015, 88, 93. 19 Vgl. zu den Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung LAG Berlin-Brandenburg v. 4.8.2015 – 7 BVL 5007/14, 7 BVL 5008/14, rkr. gem. BAG PM 65/16; ferner Wolf, NWB 2011, 1800; gem. dem 2011 eingeführten § 3a AÜG und der zum 1.1.2012 in Kraft getretenen Mindeststundenentgeltverordnung in der Arbeitnehmerüberlassung gilt auch in der Leiharbeit ein Mindestlohn. Dieser geht dem MiLoG vor, soweit die Höhe der dortigen Mindestlöhne die Höhe des Lohns nach MiLoG nicht unterschreitet, § 1 Abs. 3 MiLoG. 20 BAG v. 18.4.2012 – 4 AZR 139/10, DB 2013, 69 („Verkehrsmittelzulage“). 21 BAG v. 18.4.2012 – 4 AZR 139/10, DB 2013, 69. 22 BAG v. 18.4.2012 – 4 AZR 168/10, DB 2013, 67. 23 BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, BB 2016, 2621. 24 Zur Institutsvergütungsverordnung sowie Änderungen ab 1.1.2017 Tusch/Hertz, EuZW 2016, 887, 891. 25 Dabei trifft den Arbeitgeber keine Informationspflicht im Hinblick auf Vor- oder Nachteile für den Arbeitnehmer bei bestehenden Alternativen individueller Besteuerungsarten, vgl. BAG v. 13.11.2014 – 8 AZR 817/13, NZA 2015, 166. 26 Zur Nettolohnabrede und ihrer steuerlichen Behandlung vgl. Peetz, DStZ 2010, 809. 27 BAG v. 17.3.2010 – 5 AZR 301/09, NZA 2010, 881. 28 BGH v. 10.4.2014 – VII ZR 241/13, NZA 2014, 784.

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Vergütung

Rz. 2 Kap. 12

stimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Gewährt der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen, so darf er nicht einzelne Arbeitnehmer aus unsachlichen Gründen von einer solchen Zahlung ausschließen.29 Der Zweck, bestehende Vergütungsunterschiede auszugleichen, kann eine Ungleichbehandlung bei der Entgelterhöhung rechtfertigen.30 Auch darf der Arbeitgeber differenzieren zwischen Arbeitnehmern, die Nachteile in Kauf genommen haben und solchen, bei denen das nicht der Fall ist.31 Dies darf aber nicht zu einer Überkompensation führen, die das BAG nunmehr konkret auf den einzelnen Arbeitnehmer bezogen ermittelt.32 Die rein nominale Berechnung des BAG zu Ermittlung einer Überkompensation ist allerdings abzulehnen, vielmehr ist auch das Risiko der Arbeitnehmer, die Nachteile in Kauf genommen haben, angemessen zu berücksichtigen.33 Mit dem Ziel der Entgeltgleichbehandlung der Geschlechter ist bei Drucklegung der Gesetzesentwurf34 des Entgelttransparenzgesetzes vom Bundeskabinett beschlossen. Eckpunkte sollen sein die Definition wesentlicher Grundsätze und Begriffe zum Gebot der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern bei gleicher und gleichwertiger Arbeit, individuelle Auskunftsansprüche der Arbeitnehmer zur Entgeltfindung in Betrieben ab 200 Beschäftigten, Einführung eines betrieblichen Verfahrens zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit bei Arbeitgebern mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten sowie Berichtspflichten für lageberichtspflichtige Unternehmen (Kapitalgesellschaften) ab 500 Arbeitnehmern. Ziel des Verfahrens ist es, die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen. Erhebliche Privilegierungen sind vorgesehen für tarifgebundene Arbeitgeber. Als mögliches Flexibilisierungsinstrument kommen im Zusammenhang mit der Vergütung auch Bedingungs- und Befristungsabreden in Betracht.35 Weder die Befristung noch die Bedingung einzelner Arbeitsbedingungen unter Verwendung von AGB unterliegt den Regeln des TzBfG.36 Die Bestimmungen müssen jedoch der Inhaltskontrolle des § 307 BGB standhalten, dürfen also insbesondere den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen.37 Es wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass der bedingte/befristete Teil des Arbeitsentgelts – wie in den Fällen des Widerrufsvorbehalts – unter 25/30 % des Gesamtverdienstes liegen muss.38

1e

Vergütung kann in verschiedenen Formen geleistet werden, die untereinander kombinierbar sind. Die häufigste Vergütungsform ist die Festvergütung (Vergütung nach Stunden, Wochen, Monaten oder auch Jahren) (M 12.1.1 ff.). Sie ist unabhängig vom Erfolg der Tätigkeit inner-

2

29 BAG v. 3.9.2014 – 5 AZR 6/13, NZA 2015, 222, Rz. 18; v. 13.4.2011 – 10 AZR 88/10, NZA 2011, 1047; Lingemann/Chakrabarti, RdA 2016, 114. 30 BAG v. 12.1.2011, NZA-RR 2011, 574; v. 17.3.2010 – 5 AZR 168/09, NZA 2010, 696; vgl. auch BAG v. 3.9.2014 – 5 AZR 6/13, NZA 2015, 222, Rz. 25. 31 BAG v. 5.8.2009 – 10 AZR 666/08, NZA 2009, 1135. 32 BAG v. 3.9.2014 – 5 AZR 6/13, NZA 2015, 222, Rz. 25 f., 29 und Ls. 4–6; dazu Lingemann/Chakrabarti, RdA 2016, 114, 115. 33 Lingemann/Chakrabarti, RdA 2016, 114, 115. 34 Gesetzesentwurf v. 11.1.2017 abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/blob/113464/b748cdbc0fa4d935 eb53c301b5e168f2/gesetzentwurf-lohngerechtigkeit-data.pdf (letzter Abruf 16.2.2017). 35 Dazu Fleddermann, ArbRAktuell 2015, 367; Fleddermann, ArbRAktuell 2015, 392. 36 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811, Rz. 29; v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674, Rz. 18; v. 14.1.2004 – 7 AZR 213/03, NZA 2004, 719, 722. 37 BAG v. 1.10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811, Rz. 29; v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674, Rz. 18; v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, NZA 2011, 1289; v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229. Zu Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Befristung einzelner Vertragsbedingungen“, Rz. 96. 38 Fleddermann, ArbRAktuell 2015, 392; Wank, NZA-Beil. 2012, 41; Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1, 5; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 76.

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Kap. 12 Rz. 3

Vergütung

halb des Zeitraumes geschuldet.39 Im Gegensatz dazu steht die Akkordvergütung, die sich allein nach der erbrachten Leistung bestimmt. Typischer Anwendungsfall ist der Akkordlohn (berechnet nach Arbeitsmengeneinheiten, zB Stückzahl, Gewicht (Geldakkord), oder nach festen Vorgabezeiten als Verrechnungsfaktor (Zeitakkord)) (M 12.13.1). Leistungsbezogen sind Prämien, die sich allerdings auch nach bestimmten zeitlichen Leistungen richten können (M 12.14), oder Provisionen. 3

Neben der Grundvergütung kommen insbesondere in Betracht übertarifliche Zulagen (M 12.7.1 ff.), Zuschläge (M 12.8.1 f.), Tantiemen (M 12.10.1 ff.), Prämien (M 12.14.1 ff.), Gratifikationen (M 12.15.1 f.), Dienstwagen (M 12.22), Dienstwohnung (M 12.23), Arbeitgeberdarlehen (M 12.24), Zielvereinbarungen (M 12.27), Aktienoptionen (M 12.28).

4

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bestehen im Anwendungsbereich des § 87 BetrVG gemäß § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG, soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht. Anders als bei § 77 Abs. 3 BetrVG sperrt die bloße Tarifüblichkeit Betriebsvereinbarungen insoweit nicht.40 Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist insbesondere die Wahl der jeweiligen Vergütungsform (s. Rz. 2 f.) und die Erstellung von Kriterien zur Verteilung bestimmter Zulagen auf die Arbeitnehmer. Die Höhe der Vergütung oder den Dotierungsrahmen für etwaige Zulagen kann der Arbeitgeber hingegen mitbestimmungsfrei vorgeben.41 Nur bei leistungsbezogenen Vergütungsbestandteilen hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG ein erweitertes Mitbestimmungsrecht, das auch die Höhe der leistungsbezogenen Entgelte umfasst. Zur Prüfung der Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, kann der Betriebsrat einen Anspruch auf Information nach § 80 Abs. 2 BetrVG auch dann haben, wenn umstritten ist, ob ein Mitbestimmungstatbestand für die Vergütungsfragen überhaupt eingreift. Voraussetzung ist allerdings, dass zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe des Betriebsrats besteht und die begehrte Auskunft zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist.42 2. Freiwilligkeit, Widerruflichkeit und Anrechenbarkeit der Vergütung

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Zur Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten verweisen wir auf Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff.

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Ansprüche aus betrieblicher Übung können wegen § 308 Nr. 5 BGB nicht (mehr) durch eine negative betriebliche Übung aufgehoben werden, also dadurch, dass der Arbeitgeber im Nachhinein erklärt, die Zahlung der Sonderzahlung sei eine freiwillige Leistung und begründe keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, und der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspricht.43 Der bereits entstandene Anspruch des Arbeitnehmers kann folglich nur noch durch (Änderungs-)Kündigung oder Ver39 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 200/10, NZA 2011, 917. 40 BAG v. 5.3.1997 – 4 AZR 532/95, NZA 1997, 951, 954. 41 BAG v. 18.10.2011 – 1 AZR 376/10, DB 2012, 356; v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07, NZA 2008, 1426, 1428. Soweit über verschiedene Entgeltfragen eine Betriebsvereinbarung zustande kommt, sollten mitbestimmungspflichtige und nicht mitbestimmungspflichtige Regelungen in verschiedenen Vereinbarungen getroffen werden, um eine Nachwirkung auch bzgl. der mitbestimmungsfreien Entgeltregelungen auszuschließen, vgl. Kleinebrink, ArbRB 2010, 161, 162 f. Zum Mitbestimmungsrecht bei Gehaltsanpassungen vgl. Brugger/Mosch, NJW-Spezial 2010, 690. 42 BAG v. 27.10.2010, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 133; BAG v. 10.10.2006 – 1 ABR 68/05, NZA 2007, 99. Zur Mitbestimmung bei freiwilligen Leistungen allgemein und der Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebsrates vgl. Lunk/Leder, NZA 2011, 249. 43 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601 unter Aufgabe von BAG v. 4.5.1999, NZA 1999, 1162.

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Rz. 7 Kap. 12

einbarung beseitigt oder abgeändert werden. Auch eine ablösende Betriebsvereinbarung kann in Betracht kommen.44 Ein Widerrufsvorbehalt,45 der das Recht des Arbeitgebers begründen soll, bereits entstandene Ansprüche einseitig zu ändern, ist insbesondere an § 308 Nr. 4 BGB zu messen. Er muss zudem die Widerrufsgründe möglichst konkret nennen.46 Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht aus.47 Auch eine beispielhafte Aufzählung, in der die wichtigsten Fälle mit „insbesondere“ bezeichnet werden, dürfte zulässig sein.48 Möchte der Arbeitgeber sich auch auf den Grad einer konkret bezeichneten Störung berufen (zB den Umfang der finanziellen Notlage des Unternehmens), muss er diesen ebenfalls im Widerrufsvorbehalt konkretisieren.49 Für Widerrufsvorbehalte in Arbeitsverträgen, die vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden, kommt bei fehlender Nennung von Widerrufsgründen eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht; dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber nicht bis zur Übergangsfrist (31.12.2002) eine Anpassung der Klausel angeboten hatte.50 Darüber hinaus muss der widerrufliche Teil unter 25/30 % des Gesamtverdiensts liegen und der Tariflohn darf nicht unterschritten werden.51 Auch der gesetzliche Mindestlohn darf durch den Widerruf nicht unterschritten werden.52 Diese Grundsätze gelten auch für arbeitsvertragliche Klauseln, die auf eine bestimmte Fassung eines einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Regelwerks Bezug nehmen und gleichzeitig die jeweilige Fassung dieses Regelwerks für anwendbar erklären. Ein solcher Vorbehalt ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn 44 Das BAG erkennt an, dass sich bei einheitlichen Regelungen, die einem System entsprechen sollen, ein künftiger Änderungsbedarf ergeben kann. Vom Arbeitgeber gestellte Arbeitsbedingungen sind damit einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen: BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 („VW“), Rz. 60; vgl. auch BAG v. 10.3.2015, NZA-RR 2015, 371, Rz. 32 f. für Gesamtzusage. Dazu Diller/Beck, BetrAV 2014, 345; Hromadka, NZA 2013, 1061; Preis/ Ulber, NZA 2014, 6. 45 Vgl. auch detailliert Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. sowie M 2.2 Ziff. 4 Abs. 2. 46 BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457; v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann. 47 Vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, wonach die Klausel, die Überlassung des Dienstwagens könne „aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden“, unwirksam ist, weil sie einen Widerruf auch bei einer unwirtschaftlichen Nutzung ermöglichen würde. UE müssten „wirtschaftliche Schwierigkeiten des Arbeitgebers“ als Widerrufsgrund insbesondere bei finanziellen Sonderzuwendungen des Arbeitgebers noch ausreichen, da sie eine solche missbräuchliche Deutung nicht zulassen. Wer das Risiko vermindern möchte, sollte die „wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ durch die Nennung einzelner Voraussetzungen konkret benennen, vgl. hierzu M 2.2 Ziff. 4 Abs. 2. 48 So etwa in BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, zu einer Widerrufsklausel im Dienstwagenvertrag, die lautete: „Die Gesellschaft behält sich vor, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn und solange der Pkw für dienstliche Zwecke seitens des Arbeitnehmers nicht benötigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt wird.“ (Hervorhebung von uns). 49 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; ferner Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99c. 50 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796. 51 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. Nur wenn der widerrufliche Teil im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, muss er unter 25 % liegen, ansonsten kann er sich auf bis zu 30 % erhöhen, BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann. 52 Der Mindestlohn sollte daher ausdrücklich vom Widerrufsvorbehalt ausgenommen werden, s. Kap. 2, „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“ Rz. 92.

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Kap. 12 Rz. 8

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hierdurch nahezu sämtliche Arbeitsbedingungen einseitig abänderbar werden und keinerlei Gründe für eine mögliche Verschlechterung genannt sind.53 8

Bei der Formulierung von Widerrufsvorbehalten ist das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten. Gleichwohl muss nach der neueren Rechtsprechung des BAG die Betriebsvereinbarungsoffenheit einer entsprechenden Gesamtzusage wohl nicht mehr ausdrücklich aufgenommen werden.54

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Die Anrechnung von Tariferhöhungen auf allgemeine übertarifliche Zulagen ist grundsätzlich auch ohne ausdrücklichen vertraglichen Anrechnungsvorbehalt55 zulässig.56 Das gilt weiterhin auch unter der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen,57 denn Vereinbarungen über die Zahlung einer übertariflichen Vergütung, die keinem besonderen Zweck dient, sind Bruttolohnabreden, die wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB nur am Maßstab des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu prüfen sind.58 Die allgemeine Zulage soll lediglich den Tariflohn an das tatsächliche Leistungsniveau anpassen. Diese Zielsetzung entfällt, wenn der Tariflohn erhöht wird. Die Anrechenbarkeit ergibt sich in solchen Fällen bereits aus der Vereinbarung einer „übertariflichen Zulage“ und entspricht damit auch dem Transparenzgebot.59 Eine rückwirkende Anrechnung ist ebenfalls zulässig.60 Die Zulage ist nur dann „tariffest“, wenn ein Anrechnungsverbot – ggf. auch konkludent – vereinbart wurde.61 Ein konkludentes Anrechnungsverbot wird angenommen, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Zulage einem besonderen Zweck dient und dem Arbeitnehmer trotz Erhöhung als selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zustehen soll.62 In Be53 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. 54 Für die ausdrückliche Aufnahme BAG v. 15.2.2011, NZA-RR 2011, 541; v. 5.8.2009 – 10 AZR 483/ 08, NZA 2009, 1105, 1107; wobei eine solche ablösende Betriebsvereinbarung selbst dann keiner Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB unterliegt, jedoch im Rahmen von § 75 BetrVG eine recht umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wird (BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/ 11, DB 2012, 2873 mit Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2013, 22). Allerdings hat das BAG seine Rspr. in jüngerer Zeit gelockert: BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916, Rz. 60; vgl. auch BAG v. 10.3.2015, NZA-RR 2015, 371, Rz. 32 f. zur Gesamtzusage: Es erkennt nunmehr an, dass sich bei einheitlichen Regelungen, die einem System entsprechen, ein künftiger Änderungsbedarf ergeben kann. Vom Arbeitgeber gestellte Arbeitsbedingungen sind dann einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich. Etwas anderes soll jedoch gelten, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer Vertragsbedingungen vereinbaren, die ausdrücklich unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen (vgl. BAG v. 5.3.203, NZA 2013, 916, Rz. 60). Dazu Diller/Beck, BetrAV 2014, 345; Hromadka, NZA 2013, 1061; Preis/Ulber, NZA 2014, 6. Gleichwohl ist es natürlich weiterhin ratsam, grundsätzlich eine Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen vorzusehen. 55 Vgl. Kap. 2 Rz. 69 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f. 56 BAG v. 3.9.2014, NJOZ 2015, 1063; v. 23.9.2009, AP TVG § 4 Übertarifl. Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 44; v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688; v. 9.12.1997 – 1 AZR 319/97, NZA 1998, 661. Soll auf die übertarifliche Zulage jedoch auch angerechnet werden, wenn sich die tarifliche Arbeitszeit verkürzt, so muss dies ausdrücklich vereinbart werden, vgl. BAG v. 3.6.1998, AuA 1999, 571. 57 Vgl. Kap. 2 Rz. 87; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 65; Lingemann, NZA 2002, 181, 190; Schnitker/ Grau, BB 2002, 2120, 2124; Groeger, ArbRB 2010, 156, 160; krit. Franke, NZA 2009, 245. 58 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 52; v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688, 689 mwN. 59 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 52; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746, 749; aA ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 65. 60 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 51. 61 BAG v. 3.12.1991 – GS 2/90, NZA 1992, 749. 62 LAG Köln v. 25.1.2001, NZA-RR 2001, 487, 488; ähnl. BAG v. 23.9.2009, ArbRAktuell 2010, 10; v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 50; ergibt sich jedoch, dass die Zulage dieselbe Leistung

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Rz. 10 Kap. 12

tracht kommt etwa eine Erschwernis-, Schicht- oder Auslandszulage (vgl. M 12.7.3–12.7.5). Denn in diesen Fällen ändert die Tariflohnerhöhung nichts an der besonderen Belastung, die der Arbeitgeber durch die Zulage ausgleichen will. Zulässig bleibt dann nur der ausdrückliche Anrechnungsvorbehalt.63 Zur Sicherheit sollte daher eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden, wenn Zweifel am Zweck der Zulage auftreten können. Zu beachten ist ferner, dass der Arbeitgeber bei der Anrechnung an den Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden ist.64 Dem Betriebsrat steht bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf Zulagen grundsätzlich ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Voraussetzung ist zum einen, dass – wie meist – ein kollektiver Tatbestand vorliegt, zum anderen, dass die Anrechnung zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze führt und für eine anderweitige Verteilung ein Regelungsspielraum der Betriebsparteien verbleibt.65 Eine Änderung der Verteilungsgrundsätze nimmt das BAG an, wenn sich aufgrund der Anrechnung das Verhältnis der Zulagen zueinander ändert.66 Dies trifft in den meisten Fällen zu.67 Unverändert bleibt die Verteilung jedoch, wenn eine prozentual zum jeweiligen Tariflohn gleiche Zulage gezahlt wurde und diese auch im gleichen prozentualen Umfang gekürzt wird.68 Ein Regelungsspielraum setzt ferner voraus, dass das Zulagenvolumen durch die Anrechnung nicht vollständig aufgezehrt wird. Fällt die Zulage durch die Anrechnung hingegen vollständig weg, bleibt keine Möglichkeit für eine Mitwirkung des Betriebsrats; unabhängig davon, ob sich die Verteilungsgrundsätze geändert haben, steht dem Betriebsrat dann kein Mitbestimmungsrecht zu.69 Versuchen des Betriebsrates, sein Mitbestimmungsrecht durch Mitbestimmung auch zur Höhe zu überschreiten, darf der Arbeitgeber mit der Ankündigung, die Zulage vollständig und gleichmäßig und damit mitbestimmungsfrei zu streichen, begegnen.70 3. Zulagen/Zuschläge (M 12.7 und M 12.8.1/M 12.8.2) → S. M 12.7.1 Übertarifliche Zulage; M 12.7.2 Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalt; M 12.7.3 Erschwerniszulage; M 12.7.4 Wechselschichtzulage; M 12.7.5 Auslandszulage; M 12.7.6 Leistungszulage; M 12.7.7 Sozialzulage. → S. M 12.8.1 Überstundenzuschläge; M 12.8.2 Nachtarbeits-, Sonn- und Feiertagszuschläge.

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abgelten soll wie die Tariferhöhung, ist eine Anrechnung zulässig, BAG v. 18.4.2012 – 4 AZR 139/10, DB 2013, 69. BAG v. 9.12.1997 – 1 AZR 319/97, NZA 1998, 661; v. 23.3.1993 – 1 AZR 520/92, NZA 1993, 806. BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, DB 2006, 1276; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, DB 2006, 1377, 1378; vgl. Kap. 2 Rz. 87. Vgl. BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 52; v. 30.5.2006 – 1 AZR 111/05, NZA 2006, 1170, 1171. BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07, NZA 2008, 1426, Rz. 21, wonach sich die Gesamtvergütung nicht in einzelne, voneinander unabhängige Bestandteile aufspalten lässt. Ändert sich einer der Bestandteile (Erhöhung, Streichung, Verminderung), ändert sich zugleich die Gesamtvergütung. BAG v. 3.6.2003, BuW 2004, 260; v. 14.2.1995 – 1 AZR 565/94, DB 1995, 1917. Anders aber möglicherweise, wenn für jede Leistung eine gesonderte Betriebsvereinbarung geschlossen wird. Vgl. BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 52; v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07, NZA 2008, 1426, Rz. 17 f.; v. 3.12.1991 – GS 2/90, NZA 1992, 749 mit zahlreichen Rechenbeispielen. BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 111/05, NZA 2006, 1170, 1171; v. 3.3.1993 – 10 AZR 42/92, NZA 1993, 805; v. 27.10.1992 – 1 ABR 17/92, NZA 1993, 561; v. 22.9.1992 – 1 AZR 405/90, NZA 1993, 668; vgl. hierzu Lunk/Leder, NZA 2011, 249, 250. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates kann auch aus einer Regelungsabrede außerhalb der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte folgen. Dessen Missachtung führt jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit gegenüber dem Arbeitnehmer, BAG v. 14.8.2001, DB 2002, 902. BAG v. 26.5.1998, NZA 1998, 1293; vgl. auch BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, DB 2006, 1276; v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, DB 2006, 1377.

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Zulagen werden neben der Grundvergütung geleistet. Sie können einen besonderen Zweck verfolgen, beispielsweise den Ausgleich besonderer Erschwernisse oder der Arbeitsleistung zu ungünstigen Zeiten (Nachtarbeit, Spätarbeit, Sonn- oder Feiertagsarbeit, Schichtarbeit71), oder sie dienen ohne einen besonderen Zweck nur dazu, die Vergütung über das als zu niedrig angesehene Tariflohnniveau hinaus zu erhöhen.

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Rechtsgrundlage von Zulagen können Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder einzelvertragliche Vereinbarungen sein. Das Gesetz schreibt in § 17 Abs. 3 BBiG bei Überstunden Auszubildender Zulagen vor. Für Nachtarbeit ist nach § 6 Abs. 5 ArbZG Nachtarbeitnehmern (§ 2 Abs. 5 ArbZG) ein angemessener Zuschlag zu zahlen, wenn kein Ausgleich durch zusätzliche Freizeit erfolgt.72 Daneben gibt es „übertarifliche“ Zulagen, die an einen tariflichen Regelungsgegenstand anknüpfen, jedoch über die tariflich normierten Mindestbedingungen hinausgehen. Davon zu unterscheiden sind „außertarifliche“ Zulagen; sie betreffen Regelungsgegenstände, die in den einschlägigen tariflichen Bestimmungen überhaupt nicht vorgesehen sind.73 Bei der Gewährung von Zulagen ist der Arbeitgeber an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden.74 Teilzeitbeschäftigte haben gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG grundsätzlich Anspruch auf dieselben Zulagen wie Vollzeitbeschäftigte, soweit diese nicht mit der Vollzeitbeschäftigung zusammenhängen.75 Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG bei Entgeltregelungen Anwendung. Es verbietet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts,76 der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG). Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot führt bei Vermögensschäden des Arbeitnehmers zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG und bei immateriellen Beeinträchtigungen zu einem Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG.77

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Auch bei der Gewährung von Zulagen hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen, allerdings nur über den Verteilungsmodus, nicht über den vom Arbeitgeber insgesamt zur Verfügung gestellten Zulagenbetrag.78

71 Zum Anspruch auf Zulage für ständige Wechselschichtarbeit bei Unterbrechung durch Bereitschaftsdienst vgl. BAG v. 18.5.2011, NJOZ 2011, 1702. Zu den Voraussetzungen einer Zulage für Schichtund Wechselschichtarbeit bei nur unregelmäßiger Einbeziehung in das Schichtsystem vgl. BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 351/11, NZA 2012, 1301. 72 Die in § 11 Abs. 2 ArbZG enthaltende Verweisung auf § 6 Abs. 5 ArbZG hat lediglich zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der an Sonn- und Feiertagen Nachtarbeit leistet, einen Anspruch auf eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder auf einen Zuschlag für die geleistete Nachtarbeit hat. Dagegen entsteht kein Anspruch auf einen gesetzlichen Sonn- und Feiertagszuschlag, vielmehr hat der Arbeitnehmer bei Sonn- und Feiertagsarbeit, die keine Nachtarbeit ist, nur nach § 11 Abs. 3 ArbZG einen Anspruch auf einen Ersatzruhetag (BAG v. 11.1.2006 – 5 AZR 97/05, NZA 2006, 372). 73 BAG v. 7.2.2007 – 5 AZR 41/06, NZA 2007, 934; dazu Hunold, NZA 2007, 912. 74 Eine Präklusion des Arbeitgebers mit Differenzierungsgründen tritt im Prozess nicht ein, der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Gründe für die Differenzierung daher nicht zwingend schon vorprozessual mitteilen, vgl. BAG v. 23.2.2011 – 5 AZR 82/10, juris. 75 Vgl. hierzu BAG v. 17.8.2011, ZTR 2011, 727; v. 5.8.2009, ZTR 2009, 646; v. 22.10.2008, EzA TzBfG § 4 Nr. 16. 76 Insbesondere das Erlöschen von Ansprüchen in dem Zeitpunkt, in dem Arbeitnehmer eine vorgezogene Altersrente beanspruchen können, stellt eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar, soweit diese früher als Männer zum Bezug einer Altersrente gegen Abschläge berechtigt sind, vgl. BAG v. 15.2.2011 – 9 AZR 340/08, juris. 77 Näher zum AGG Kap. 13 Rz. 26 ff., 47 ff. sowie Kap. 1 Rz. 5 ff. 78 ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rz. 108; Kammerer/Mass, DB 2015, 1043, 1047.

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Rz. 15a Kap. 12

4. Tantiemen (M 12.10) → S. M 12.10.1 Leitender Angestellter/ GmbH-Geschäftsführer; M 12.10.2 Ermessenstantieme; M 12.10.3 Klage auf Ermessenstantieme/Ermessensbonus; M 12.10.4 Vorstand einer AG. Die Tantieme wird regelmäßig neben der Festvergütung vereinbart. Sie beteiligt den Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens häufig unabhängig davon, ob dieser Erfolg auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. Dennoch gehört sie zu den Vergütungsbestandteilen, die in das Austauschverhältnis „Arbeit gegen Lohn“ einbezogen sind.79 Sie wird regelmäßig mit Führungskräften vereinbart.

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Eine Tantieme wird als Erfolgsbeteiligung vereinbart häufig prozentual nach dem Jahresgewinn des Unternehmens berechnet. Bei überdurchschnittlicher Ertragssituation macht diese in praxi 15 bis 35 % der Gesamtvergütung aus, bei unterdurchschnittlicher Situation ca. 10 bis 20 %, Anteil steigend. Zulässig ist es, den Anspruch auf eine Tantieme von einer Dividendenzahlung an Aktionäre abhängig zu machen.80 Soweit der Arbeitgeber sich das Recht vorbehält, jedes Jahr über die Höhe einer solchen Tantieme zu bestimmen, ist diese Bestimmung eine zulässige Leistungsbestimmung iSv. § 315 BGB.81 Hat der Arbeitgeber das Gesamtvolumen in einer bestimmten Höhe festgelegt, muss er dieses Gesamtvolumen als wesentlichen Umstand bei der Berechnung der individuellen Tantieme berücksichtigen, wenngleich auch die Bestimmung des Gesamtvolumens noch keine Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts darstellt. Sie führt jedoch dazu, dass der Arbeitgeber nur bei Vorliegen besonderer Umstände (zB außergewöhnlich hohe Verluste) berechtigt ist, von dem vorher festgelegten Gesamtvolumen abzuweichen.82 Die Tantieme kann auch von der Ausschüttung einer Dividende abhängig gemacht werden. Auch dies stellt keine unangemessene Benachteiligung dar. Die Bedingung braucht – anders als ein Freiwilligkeitsvorbehalt – auch nicht bei jeder Zahlung wiederholt zu werden.83 Ist die Gewährung einer Tantieme durch Betriebsvereinbarung geregelt, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, das Gesamtvolumen für einen bestimmten Zeitraum in Abhängigkeit vom Geschäftsergebnis festzulegen, kann der Arbeitgeber ein einmal festgelegtes Gesamtvolumen hingegen auch bei Vorliegen besonderer Umstände für diesen Zeitraum nicht mehr einseitig ohne Zustimmung des Betriebsrates ändern oder reduzieren; er bleibt an die Festlegung des Gesamtvolumens unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung gebunden.84

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Der Arbeitgeber ist grundsätzlich frei darin, unterschiedliche Tantiemen bzw. Boni zu gewähren, die an die Tätigkeit oder den Marktwert der Arbeitsleistung des jeweiligen Arbeitneh-

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79 BAG v. 8.9.1998, DB 1999, 696; dagegen ist die Erfolgsbeteiligung im Rahmen eines Carried-InterestModells idR keine Tantieme, BAG v. 3.5.2006 – 10 AZR 310/05, DB 2006, 1499, 1502. Zur Möglichkeit von Bindungsklauseln auch bei leistungsabhängigen Bonussystemen vgl. Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1575. 80 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499. 81 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499; vgl. auch BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rz. 32, 40; v. 15.5.2013, NJW-Spezial 2013, 563; v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013, Rz. 13, 29; v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10, NZA 2012, 450, Rz. 25; LAG BW v. 14.1.2013, NZA-RR 2013, 118. Dazu detailliert Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. 82 BAG v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10, DB 2012, 351 m. Anm. Fröhlich, ArbRB 2012, 85. 83 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499. 84 BAG v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10, DB 2012, 351; v. 12.10.2011 – 10 AZR 649/10, ZIP 2012, 745 m. Anm. Fröhlich, ArbRB 2012, 85; aber auch die Beseitigung eines individualvertraglichen Anspruches stellt eine mitbestimmungspflichtige Änderung bestehender Entlohnungsgrundsätze dar, BAG v. 14.1.2014 – 1 ABR 57/12, NZA 2014, 922.

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Kap. 12 Rz. 15b

Vergütung

mers anknüpfen. Er kann insbesondere einigen Arbeitnehmern zusätzliche Leistungen gewähren, um erhebliche Vergütungsunterschiede oder finanzielle Nachteile, die zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen bestehen, abzumildern oder auszugleichen. Ein Anspruch der übrigen Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgt daraus nicht.85 15b

Eine konkludente Zusage künftiger Bonuszahlungen kommt auch bei wechselnder Höhe der Bonuszahlungen dem Grunde nach in Betracht, weil die Höhe der Bonuszahlung aufgrund der Anknüpfung an ein Betriebsergebnis häufig schwankt. Die Höhe ist dann ggf. durch den Arbeitgeber nach § 315 BGB zu bestimmen.86 5. Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter (M 12.11) → S. M 12.11.

16

Anders als die Tantieme knüpft die Provision an die eigene Tätigkeit des Mitarbeiters an. Sie wird regelmäßig als Vergütung für die Vermittlung oder den Abschluss von Verträgen mit dem Unternehmen gezahlt.87 Rechtsgrundlagen sind die §§ 87 bis 87c HGB für Handelsvertreter.88 Gemäß § 65 HGB sind diese für Arbeitnehmer auf Provisionsbasis entsprechend anwendbar, mit Ausnahme der Vorschriften über die Bezirksvertretung (§ 87 Abs. 2 HGB) und die Inkassoprovision (§ 87 Abs. 4 HGB). Wir verweisen daher ergänzend auf Kap. 9 Rz. 22 ff. sowie M 9.3. Auch ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag darf der gesetzliche Mindestlohn nicht unterschritten werden.89

17

Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank, so hat er Anspruch auf Provision für die Geschäfte, die er geschlossen oder vermittelt hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig gewesen wäre. Das Lohnausfallprinzip gilt insoweit auch für die Vergütungsbestandteile, die nur auf das Ergebnis der Arbeit abstellen (vgl. § 4 Abs. 1a Satz 2 EFZG). Maßgeblich ist der Provisionsdurchschnitt eines längeren vor der Krankheit liegenden Zeitraums.90 Die Urlaubsvergütung richtet sich gemäß § 11 BUrlG nach dem Provisionsdurchschnitt der letzten abgerechneten 13 Wochen vor Urlaubsantritt.91 6. Akkordvergütung (M 12.13) → S. M 12.13.1 Zeitakkord; M 12.13.2 Geldakkord.

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Die Akkordvergütung ist streng leistungsbezogen. Ihre Höhe richtet sich nach der Menge der geleisteten Arbeit. Anders als bei der Prämienvergütung ist Bezugsgröße nur die Menge der geleisteten Arbeit, nicht also Arbeitsqualität, Materialeinsatz und ähnliche Faktoren. 85 BAG v. 12.10.2011 – 10 AZR 510/10, NZA 2012, 680 m. Anm. Emmert/Woerz, ArbRAktuell 2012, 146. 86 Vgl. BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 163/09, NZA 2010, 808, 809 f. 87 Vgl. hierzu MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 65 HGB Rz. 1 ff.; keine Provision stellt die Erfolgsbeteiligung im Rahmen eines Carried-Interest-Modells dar, BAG v. 3.5.2006 – 10 AZR 310/05, DB 2006, 1499, 1501. 88 Es besteht jedoch kein Anspruch des Handelsvertreters auf eine bestimmte Ausgestaltung des Vertriebssystems, die ihm die höchsten Provisionen ermöglicht, vgl. BAG v. 16.2.2012, AP HGB § 87 Nr. 14. 89 Vgl. etwa ErfK/Franzen, § 1 MiLoG Rz. 10; Küttner/Griese, Personalbuch, Rz. 3 zu „Provision“. 90 Vgl. BAG v. 5.6.1985 – 5 AZR 459/83, DB 1985, 2695. 91 BAG v. 11.4.2000 – 9 AZR 266/99, NZA 2001, 153, 154; v. 26.6.1986 – 8 AZR 589/83, DB 1986, 2291; dies dürfte europarechtskonform sein, vgl. EuGH v. 22.5.2014 – Rs. C-539/12 – Lock, NZA 2014, 593 m. Anm. Schrader, GWR 2014, 308.

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Vergütung

Rz. 24 Kap. 12

Sofern der Arbeitsvertrag nicht die Leistung von Akkordlohn vorsieht, kann der Arbeitgeber diese nicht einseitig im Wege des Direktionsrechtes dem Arbeitnehmer auferlegen. Umgekehrt ist ein Akkordlohnarbeiter zur Leistung gegen Zeitlohn nur vorübergehend verpflichtet, wobei er auch dann Anspruch auf den Akkordlohndurchschnittsverdienst hat.92 Nicht zulässig ist Akkordarbeit bei Schwangeren (§ 4 Abs. 3 MuSchG), Jugendlichen (§ 23 JArbSchG) und bei Fahrpersonal (§ 3 Abs. 1 FPersG).

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Besondere Probleme bereitet die Akkordvergütung bei Arbeitsausfall. Hier gilt im Rahmen des EFZG das Lohnausfallprinzip, wobei regelmäßig die letzten vier Wochen als Referenzzeitraum zugrunde gelegt werden.93 Im Anwendungsbereich des Referenzprinzips (§ 11 MuSchG, Urlaubsentgelt) wird auf die letzten 13 Wochen bzw. drei Monate abgestellt. Beim Gruppenakkord kommt es der Bestimmung des tatsächlichen Entgeltausfalls am nächsten, auf den Verdienst der weiterarbeitenden Akkordgruppenmitglieder abzustellen.94

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Zu unterscheiden ist zwischen Zeitakkord und Geldakkord.95 Beim Geldakkord wird für eine bestimmte Leistungseinheit ein bestimmter Geldbetrag vergütet. Beispielhaft zu nennen sind der Stückakkord (nach der erbrachten Stückzahl), der Flächenakkord (nach der bearbeiteten Fläche), der Gewichtsakkord (nach dem Gewicht der erbrachten Leistung), der Maßakkord (zB nach der Länge einer bestimmten Leistung) sowie der Pauschalakkord (ein Leistungsbündel wird zu einer Leistungseinheit zusammengefasst). Die Vergütung ergibt sich jeweils unmittelbar als Produkt aus Leistungseinheit (Stückzahl) und Geldbetrag.

21

Beim Zeitakkord wird demgegenüber für die Erbringung einer bestimmten Leistungseinheit (einschließlich Vorbereitungs-, Tätigkeits- und Erholungszeit) eine bestimmte Zeit (Vorgabezeit) als Berechnungsfaktor vorgegeben. Diese Zeit erhält der Arbeitnehmer auch dann vergütet, wenn er die Leistung in kürzerer oder längerer Zeit erbringt. Die Vergütung berechnet sich idR pro Minute der Vorgabezeit (Geldfaktor). Die Höhe der Akkordvergütung ist also das Produkt aus der Vorgabezeit, den erbrachten Leistungseinheiten und dem Geldfaktor. Diese Berechnung hat gegenüber dem Stückakkord den Vorteil, dass die Vorgabezeiten für die einzelnen Arbeitsschritte einschließlich der Vorbereitungszeit genauer zu erfassen und Änderungen der tariflichen Vergütung leichter zu ermitteln und umzusetzen sind.

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Der Akkordrichtsatz wird regelmäßig in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen festgelegt und bestimmt, welche Stundenvergütung der Arbeitnehmer bei Erbringung der Normalleistung eines eingearbeiteten durchschnittlichen Arbeitnehmers erhält. Basis ist regelmäßig die tarifliche Grundvergütung, der ein Akkordrichtsatzzuschlag zwischen 10 und 20 % hinzugesetzt wird. Davon zu unterscheiden ist die Akkordvorgabe. Sie bestimmt die Anforderungen an den Arbeitnehmer. Sie kann auf wissenschaftlichen Messungen beruhen (dann kann sie sich aufgrund neuer Erkenntnisse jederzeit ändern), aber auch tariflich, durch Betriebsvereinbarung oder auch individualvertraglich (dann gilt billiges Ermessen, § 315 BGB) vereinbart werden. Dann ist sie nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsgrundlage bindend.

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Bei Akkordlohnvereinbarungen muss eine Mindestlohngarantie aufgenommen werden, die gewährleistet, dass auch bei unterdurchschnittlicher Leistung das Einkommen des Arbeitnehmers nicht unter den vereinbarten Mindestlohn absinkt.96 Sofern aufgrund von Versäumnissen des Arbeitgebers die Akkordleistung nicht erbracht werden kann, hat der Arbeitnehmer

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92 BAG v. 27.1.1988, DB 1988, 1119. 93 So im Ergebnis BAG v. 26.2.2003, AP EntgeltFG § 4 Nr. 64; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 57 f. 94 BAG v. 26.2.2003, AP EntgeltFG § 4 Nr. 64; BAG v. 22.10.1980 – 5 AZR 438/78, DB 1981, 480. 95 Vgl. zum Ganzen ausf. Schwab, NZA-RR 2009, 1 ff. und 57 ff. 96 BAG v. 28.6.1991, AP BGB § 611 Akkordlohn Nr. 15, natürlich darf er auch nicht unter den gesetzlichen Mindestlohn sinken.

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Kap. 12 Rz. 25

Vergütung

nach § 615 BGB gleichwohl Anspruch auf die Akkordvergütung und nicht nur auf den Mindestlohn. Allerdings kann der Arbeitnehmer nicht verlangen, dass der Arbeitgeber ihm Arbeitsmengen über die Normalleistung hinaus zuweist, so dass er durch Leistungssteigerung ein Arbeitsentgelt über den Akkordrichtsatz hinaus erzielen kann. Der Übergang von Zeit- auf Akkordlohn und umgekehrt unterliegt gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats.97 Stellt der Arbeitgeber die Entlohnungsart um, ohne den Betriebsrat zu beteiligen, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung in bisheriger Höhe.98 7. Prämien (M 12.14) → S. M 12.14.1 Anwesenheitsprämie; M 12.14.2 Leistungsprämie; M 12.14.3 Treueprämie. 25

Hauptanwendungsfall der Prämien sind die Anwesenheitsprämien, die geleistet werden bei Unterschreitung einer bestimmten Anzahl von Fehltagen pro Jahr, und die Treueprämien, die Zeiten der Betriebszugehörigkeit honorieren. Häufig werden die Anwesenheitsprämien jedoch mit den Gratifikationen (vgl. Rz. 26 ff.) verknüpft, indem Abzüge von Gratifikationen für Fehlzeiten vereinbart werden. Die Zulässigkeit derartiger Kürzungen wird daher unter Rz. 34 ff. im Einzelnen dargestellt. 8. Gratifikationen (M 12.15) → S. zu Gratifikationen mit Freiwilligkeitsvorbehalt M 12.15.1; mit Widerrufsvorbehalt und Bindungsklausel M 12.15.2.

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Gratifikationen sind Sonderleistungen, die der Arbeitgeber über das für die Arbeitsleistung gezahlte Entgelt hinaus erbringt. Kennzeichnend ist insbesondere, dass sie zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt gewährt werden, wie dies auch für die Möglichkeit der Kürzung von Sonderzahlungen nach § 4a EFZG Voraussetzung ist.99

27

a) Ein Anspruch auf Gratifikation besteht nur aufgrund gesonderter Rechtsgrundlage (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Individualvertrag, betriebliche Übung,100 vertragliche Einheitsregelung, Gesamtzusage) oder, soweit der Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund von der anderen Arbeitnehmern nach einem generalisierenden Prinzip gewährten Gratifikation ausgeschlossen wird, aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.101 Insbesondere der vollständige Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten von der Gratifikation ist gleichheitswidrig, § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG.102 Gratifikationen können in Formularverträgen mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden, während bei Freiwilligkeitsvorbehalten nach der neueren Rechtsprechung Zurückhaltung geboten ist (vgl. hierzu Rz. 6 ff.).

97 BAG v. 23.6.2009 – 1 AZR 214/08, NZA 2009, 1159, 1160; v. 24.8.2004 – 1 AZR 419/03, NZA 2005, 51, 53; zu weiteren Mitbestimmungstatbeständen vgl. Schwab, NZA-RR 2009, 57, 60 ff. 98 BAG v. 2.3.2004 – 1 AZR 271/03, NZA 2004, 852, 856; LAG Hamm v. 17.6.2009 – 19 Sa 392/09. 99 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1178. 100 Wobei eine Leistungsgewährung in jährlich unterschiedlicher Höhe der Entstehung einer betrieblichen Übung nicht mehr entgegensteht, vgl. BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 unter Aufgabe von BAG v. 28.2.1996 – 10 AZR 516/95, NZA 1996, 758; überholt insoweit Korinth, ArbRB 2015, 147. 101 Vgl. hierzu Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1624 ff. 102 Vgl. BAG v. 22.5.1996 – 10 AZR 618/95, NZA 1996, 938; v. 6.12.1990 – 6 AZR 159/89, NZA 1991, 350.

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Vergütung

Rz. 30 Kap. 12

b) Zweck einer Gratifikation kann die Belohnung erbrachter und/oder ein Anreiz für künftige Betriebstreue (so typischerweise bei Wartefristen oder Mindestbeschäftigungszeiten) oder die (zusätzliche) Vergütung von Arbeitsleistung sein (Indiz: Bezeichnung als „13. Monatsgehalt“).103 Die zuletzt genannten Sonderzahlungen werden als Vergütungsbestandteile in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient, jedoch aufgespart und dann erst am vereinbarten Fälligkeitstermin einmalig ausgezahlt.104 Die Ziele kommen auch gleichzeitig vor, sog. Gratifikation mit Mischcharakter.105

28

Nach früherer Rechtsprechung des BAG war eine Unterscheidung nach dem Zweck der Gratifikation insbesondere dann vorzunehmen, wenn der Arbeitsvertrag keine Regelung für vorzeitiges Ausscheiden und/oder Fehlzeiten (zB Elternzeit) enthielt. Sollte nur die geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden, so war bei vorzeitigem Ausscheiden pro rata temporis zu zahlen.106 Ging es demgegenüber nur um die Belohnung von Betriebstreue, so schied eine Zahlung jedenfalls dann aus, wenn der Arbeitnehmer zum Stichtag – regelmäßig der Auszahlungszeitpunkt – bereits ausgeschieden war.107 Bei Gratifikationen mit Mischcharakter entfiel der Anspruch gleichfalls bei Ausscheiden vor dem Stichtag.108 Diese Rechtsprechung ist überholt.109

29

Nunmehr muss der Zweck der Leistung ermittelt werden, um festzustellen, ob und ggf. in welchem Umfang Bindungsklauseln, also Stichtags- und ggf. Rückzahlungsklauseln zulässig sind.110 Aus dem Zweck der Gratifikation ergibt sich ferner, ob ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt.111 Die unterschiedliche Gewährung an verschiedene Gruppen muss nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt sein; das BAG überprüft die Gruppenbildung.112 Nach dem Zweck der Weihnachtsgratifikation darf insoweit zB nicht ohne weiteres zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden werden.113 Die Begünstigung einer hierarchisch abgegrenzten Gruppe oder solcher Kräfte, an denen ein Mangel herrscht, kann hingegen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein.114

30

103 BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 513; v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221; v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687, 688; v. 24.10.1990 – 6 AZR 156/89, NZA 1991, 318. 104 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 15/08, NZA 2009, 322, 323 (dort auch zur Auslegung des Begriffes „Weihnachtsgeld“). 105 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992; v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, ZIP 2012, 938; v. 30.7.2008 – 10 AZR 459/07, NZA 2009, 747, 749; v. 7.11.1991 – 6 AZR 489/89, BB 1992, 142. 106 BAG v. 24.10.1990 – 6 AZR 156/89, NZA 1991, 318, 319. 107 Vgl. BAG v. 23.5.2007, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 24. 108 BAG v. 10.2.1993 – 10 AZR 207/91, NZA 1993, 803. 109 Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100c. 110 S. auch Rz. 31; zu Einzelheiten ferner Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100 ff. 111 Vgl. dazu BAG v. 13.4.2011 – 10 AZR 88/10, NZA 2011, 1047; v. 1.4.2009 – 10 AZR 353/08, NZA 2009, 1409 mwN; v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687. 112 Vgl. etwa BAG v. 13.4.2011 – 10 AZR 88/10, NZA 2011, 1047, 1048; v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535, 537; v. 10.12.2008 – 10 AZR 15/08, NZA 2009, 322, 323; v. 30.7.2008 – 10 AZR 497/ 07, NZA 2008, 1412, 1414 f.; v. 26.9.2007 – 10 AZR 569/06, NZA 2007, 1424; v. 14.2.2007 – 10 AZR 181/06, NZA 2007, 558, 559. 113 Vgl. BAG v. 12.10.2005 – 10 AZR 640/04, NZA 2005, 1418; v. 19.3.2003, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 248; v. 30.3.1994 – 10 AZR 681/92, NZA 1994, 786; v. 25.1.1984 – 5 AZR 89/82, DB 1984, 2251; v. 5.3.1980 – 5 AZR 881/78, NJW 1980, 2374. 114 Vgl. Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1624, 1625 ff.

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Kap. 12 Rz. 31

Vergütung

31

c) In Grenzen kann die Zahlung der Gratifikation vom ungekündigten Arbeitsverhältnis bei Auszahlung abhängig gemacht werden (Stichtagsklausel),115 oder im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer die Gratifikation zurückzuzahlen hat, wenn er vor einem bestimmten Zeitpunkt ausscheidet (Rückzahlungsklausel).116 Die Rechtsprechung hat in neueren Entscheidungen die Möglichkeiten zur Vereinbarung von Stichtags- und Rückzahlungsklauseln erheblich eingeschränkt. Zu den Einzelheiten und den Anforderungen an die Rückzahlungsklauseln im Einzelnen s. Einf. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100 ff.

32

Sonderleistungen können auch in einer nach billigem Ermessen zu bestimmenden Höhe gewährt werden, eine solche Regelung ist jedenfalls bei Gratifikationen, die keinen Vergütungsbestandteil enthalten, nicht AGB-widrig und stellt uE eine sinnvolle Alternative insbesondere zu Freiwilligkeitsvorbehalten dar.117

33

Einstweilen frei.

34

d) Zulässig sind Vereinbarungen, die Abzüge von Sonderzuwendungen für Fehlzeiten festlegen.118

35

Nach § 4a EFZG kann eine Kürzung wegen Krankheitszeiten für jede Geldleistung vereinbart werden, die nicht dem laufenden Arbeitsentgelt zuzurechnen ist.119 Erfasst sind alle krankheitsbedingten Fehlzeiten, auch wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Das jahresdurchschnittliche Arbeitsentgelt errechnet sich unter Einschluss der Sondervergütung selbst; maßgeblich ist nicht das Kalenderjahr, sondern der Zeitraum von zwölf Monaten vor dem Monat, in dem der Anspruch auf Auszahlung der Sondervergütung besteht. Kürzungen gemäß § 4a EFZG müssen jedoch ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden.120 Wird eine Sondervergütung monatlich im Rhythmus der Zahlungen des laufenden Arbeitsentgelts geleistet, muss durch Auslegung der jeweiligen Vereinbarung ermittelt werden, ob es sich um laufendes Arbeitsentgelt handelt, das als Entgeltfortzahlung unabdingbar ist, oder um eine Sondervergütung iSd. § 4a Satz 1 EFZG. Dabei spricht die Leistung der Zahlung im Rhythmus des laufenden Arbeitsentgelts regelmäßig für die Einordnung als laufendes und damit nicht kürzbares Entgelt.121

115 Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. 116 Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. 117 Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ermessensgratifikation“, Rz. 101 ff.; vgl. insbesondere BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020. 118 Vgl. BAG v. 25.9.2013 – 10 AZR 400/12, juris, Rz. 11; LAG Rh.-Pf., v. 26.8.2014 – 6 Sa 84/14, juris; v. 14.10.2014 – 7 Sa 85/14, juris; BAG v. 6.12.1995 – 10 AZR 123/95, BB 1996, 1383; v. 19.4.1995 – 10 AZR 136/94, NZA 1996, 133 (jeweils Betriebsvereinbarung, 13. Monatsgehalt); v. 15.2.1990 – 6 AZR 381/88, BB 1990, 1275 (einzelvertragliche Abrede Weihnachtsgratifikation); zu Einzelheiten vgl. Bauer/Lingemann, BB Beilage 17/1996, 8 ff., 14 mwN und Beispielsrechnungen. Vgl. auch ausf. Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 45 ff. sowie Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. 119 BAG v. 20.1.2010 – 5 AZR 53/09, NZA 2010, 455; vgl. zum Begriff der Sondervergütung BAG v. 20.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283; LAG München v. 6.8.2008 – 9 Sa 173/08. 120 BAG v. 7.8.2002 – 10 AZR 709/01, NZA 2002, 1284 v. 15.12.1999 – 10 AZR 626/98, NZA 2000, 1062, 1063; LAG München v. 6.8.2009 – 9 Sa 173/08. 121 So für eine regelmäßig gewährte Anwesenheitsprämie BAG v. 21.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283; LAG München v. 11.8.2009 – 8 Sa 131/09, LAGE § 4a EntgeltfortzG Nr. 2; vgl. hierzu auch M 12.14.1 Ziff. 1 m. Anm.

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Vergütung

Rz. 40 Kap. 12

Soweit es sich um eine freiwillige Leistung handelt, kann die Leistung auch für Ruhenszeiten ausgeschlossen werden.122 Ob und ggf. inwieweit die neue restriktive Rechtsprechung zu Freiwilligkeitsvorbehalten123 daran etwas ändert, ist ungeklärt.

36

9. Vermögenswirksame Leistungen (M 12.20) → S. M 12.20. Vermögenswirksame Leistungen fördern die Anlage finanzieller Mittel in bestimmte Anlageformen durch die Gewährung von Prämien durch den Staat. Rechtsgrundlage können sowohl tarifvertragliche Regelungen als auch (freiwillige) Betriebsvereinbarungen (§ 10 Abs. 1 5. VermBG iVm. § 88 Nr. 3 BetrVG) oder Individualvertrag (zu den Nachweispflichten § 2 Abs. 7 5. VermBG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 6 NachwG) sein. Gemäß § 11 Abs. 1 des 5. VermBG kann der Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber schriftlich den Abschluss eines Vertrages über vermögenswirksame Leistungen verlangen.

37

Zu unterscheiden ist nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz (5. VermBG) zwischen einerseits der Anlage vermögenswirksamer Leistungen in Form von Bausparen mit einem maximalen Anlagevolumen von Euro 470,– mit einer Sparzulage von 9 %, § 13 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5 5. VermBG, andererseits der Anlage innerbetrieblicher oder außerbetrieblicher Beteiligungen124 mit einem maximalen Anlagevolumen von Euro 400,– und einer Sparzulage von 20 %, § 13 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 1–3, Abs. 2–4 5. VermBG. Auf Antrag setzt das für die Besteuerung des Arbeitnehmers nach dem Einkommen zuständige Finanzamt die Arbeitnehmersparzulage fest (Einzelheiten § 14 Abs. 1 und 4 5. VermBG). Während die vermögenswirksamen Leistungen arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohns oder Gehalts sind, gilt dies für die Arbeitnehmersparzulage nicht (§ 13 Abs. 3 Halbs. 2 5. VermBG). Zulagenberechtigt sind vermögenswirksame Leistungen nur, wenn eine der unter § 2 Abs. 1 Nr. 1–5, Abs. 2–4 5. VermBG aufgeführten Anlageformen gewählt worden ist (§ 13 Abs. 2 5. VermBG).

38

10. Aufwendungsersatz und Auslagen (M 12.21) → S. M 12.21. Analog § 670 BGB ist der Arbeitgeber grundsätzlich zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet, die der Arbeitnehmer zur Erfüllung des Arbeitsvertrages für erforderlich halten durfte und die nicht durch die Arbeitsvergütung abgegolten sind.125 Dies gilt zum einen für freiwillige Vermögensopfer (Auslagen) des Arbeitnehmers, aber auch für unfreiwillige Einbußen, also insbesondere Sach- und Vermögensschäden, die der Arbeitnehmer bei Erfüllung des Arbeitsvertrages erleidet.

39

Sofern der Arbeitnehmer daher Schäden – beispielsweise an seinem Pkw – in Erfüllung des Arbeitsvertrages erleidet, sind diese Schäden zu ersetzen, soweit sie betrieblich veranlasst sind,

40

122 Vgl. BAG v. 4.12.2002, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245, differenzierend aber LAG Saarland v. 22.4.2015 – Az. 2 Sa 103/14, juris, Rz. 33. Näheres bei M 12.15.1 Ziff. 4 m. Anm. 123 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; dazu; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; Salamon, NZA 2014, 465; Reinfelder, NZA-Beilage 2014, 10; Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. 124 Vgl. hierzu Kutsch/Kersting, BB 2011, 373 f. 125 BAG v. 12.3.2013, ArbRAktuell 2013, 334; v. 16.10.2012 – 9 AZR 183/11, NZA 2013, 42; v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97; v. 16.10.2007 – 9 AZR 170/07, NZA 2008, 1012, 1014 mwN; ErfK/ Preis, § 611 BGB Rz. 553 ff.

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Kap. 12 Rz. 41

Vergütung

insbesondere wenn der Arbeitnehmer ansonsten ein Fahrzeug des Arbeitgebers hätte einsetzen müssen.126 Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer eine Auslagenpauschale erhält, die das Schadensrisiko von vornherein mit abdeckt. Mitverschulden des Arbeitnehmers führt nach den Grundsätzen der Haftungsmilderung für betriebliche Tätigkeit bei mittlerer Fahrlässigkeit zu einer anteiligen Schadenstragung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz trägt der Arbeitnehmer den Schaden allein, bei einfacher Fahrlässigkeit der Arbeitgeber.127 Ob auch die Versicherbarkeit des Risikos zu berücksichtigen ist, ist noch nicht abschließend geklärt.128 41

Auslagen sind erstattungsfähig, soweit sie der Arbeitsausführung selbst dienen. Dazu zählen Dienstfahrten129, ggf. Vorstellungskosten (vgl. Kap. 1) sowie Verpflegungsmehraufwendungen130, ferner die Nutzung von privaten Räumlichkeiten zur Erfüllung der Arbeitspflicht.131 Ohne gesonderte Vereinbarung nicht erstattungsfähig sind Kosten der allgemeinen Lebensführung sowie Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte132 und Verpflegungs- und Kleidungskosten, soweit es sich nicht um spezifische Schutzkleidung handelt, zu deren Anschaffung der Arbeitgeber gemäß § 618 BGB verpflichtet ist.133 In der Praxis werden für Sachauslagen häufig die konkreten Aufwendungen zugrunde gelegt, auch Pauschalierungen können sinnvoll sein. 11. Dienstwagen (M 12.22) → S. zum Überlassungsvertrag M 12.22.

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Soweit der Arbeitnehmer sein eigenes Fahrzeug für Dienstaufgaben verwendet, ist der Arbeitgeber zum Ersatz der damit verbundenen Aufwendungen verpflichtet.134 Umgekehrt kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur Verfügung stellen. Die Verwendung auch für private Zwecke, wozu auch Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte135 zählen, bedarf gesonderter Vereinbarung. Sie ist dann Vertragsbestandteil und steuerlich geld126 BAG v. 22.6.2011 – 8 AZR 102/10, NZA 2012, 91, 92; v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97; v. 23.11.2006 – 8 AZR 701/05, NZA 2007, 870; v. 14.12.1995, ArbuR 1996, 147. 127 Gemäß BAG v. 18.4.2002, NZA 2003, 37 führt ein vorsätzlicher Pflichtverstoß allerdings nur dann zur vollen Haftung des Arbeitnehmers, wenn auch der Schaden vom Vorsatz erfasst ist. Fehlt es an diesem Vorsatz, so führt dies zur Schadensquotelung. Auch bei grober Fahrlässigkeit kommt eine Quotelung des Schadens insbesondere bei deutlichem Missverhältnis zwischen Verdienst und Höhe des Schadens in Betracht, so etwa wenn die Existenz des Arbeitnehmers bei voller Inanspruchnahme bedroht wäre (BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345, 348; v. 23.1.1997 – 8 AZR 58/96, NZA 1998, 140 mwN). Dazu Schwab, NZA-RR 2016, 173. 128 Hierzu BAG v. 18.1.2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230, 1235. Jedenfalls die vom Arbeitnehmer abgeschlossene Privathaftpflichtversicherung ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, vgl. BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345, 348 f. 129 Vgl. hierzu Kleinebrink, ArbRB 2011, 26. 130 Vgl. Thomas, SPA 2014, 149. 131 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 657/02, NZA 2004, 604; einschränkend BAG v. 12.4.2011 – 9 AZR 14/ 10, NZA 2012, 97, 98 ff. 132 Zum nunmehr maßgeblichen Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ im Gegensatz zur „regelmäßigen Arbeitsstätte“ vgl. Sandmaier, SPA 2014, 65. 133 BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 307/96, NZA 1999, 38; v. 21.8.1985 – 7 AZR 199/83, NZA 1986, 324; zusätzlich zu vergüten ist hingegen die für das Abholen der Dienstkleidung erforderliche Zeit, wenn bei verstetigter Zahlung eines Monatsentgeltes der Arbeitnehmer bereits im Umfang der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit Arbeitsleistungen erbracht hat, BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 954/12, NZA 2014, 787 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2014, 387. 134 Vgl. zur Bezuschussung von Mitarbeiter-Computern Brügge/Obenhaus, Stbg 2010, 303. 135 Vgl. Rz. 41.

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Rz. 43 Kap. 12

werter Vorteil in Form des Sachbezuges.136 Versteuert der Arbeitgeber den geldwerten Vorteil mit dem pauschalen Steuersatz nach § 40 Abs. 2 EStG, so ist dieser gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Sozialversicherungsentgeltverordnung nicht sozialabgabenpflichtig. Soweit der Dienstwagen Teil des Entgelts ist137 und keine Widerruflichkeit vereinbart wird, besteht der Nutzungsanspruch auch während der Zeiten eines Beschäftigungsverbotes und der Schutzfristen nach dem MuSchG138 sowie der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG fort.139 Gleiches gilt für Urlaubszeiten. Ein nach § 37 Abs. 2 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied hat insofern Anspruch auf Überlassung eines Firmenfahrzeugs auch zur privaten Nutzung, wenn ihm dieses vor seiner Freistellung auch für die private Nutzung zur Verfügung gestellt wurde.140 Bei Beschädigung des Dienstwagens auf Dienstfahrten gelten die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs (vgl. Rz. 40).141 Bei mittlerer Fahrlässigkeit beschränkt sich die Haftung allerdings regelmäßig auf die übliche Selbstbeteiligung.142 Ereignet sich ein Unfall während des privaten Gebrauchs, so haftet der Arbeitnehmer voll.143 Verlangt der Arbeitgeber die Rückgabe, so ist zu unterscheiden: Bei nur dienstlicher Nutzung ist das Fahrzeug jederzeit zurückzugeben (vgl. Rz. 57), bei Überlassung auch zur Privatnutzung nur, wenn die Dienstwagenüberlassung widerruflich gestaltet wurde oder der Zweck der Dienstwagenüberlassung weggefallen ist.144 Auf den Widerruf anzuwenden sind die Grundsätze über den Widerrufsvorbehalt, so dass insbesondere die Gründe für einen Widerruf in der Klausel aufgelistet sein müssen und der geldwerte Vorteil des Dienstwagens nicht mehr als 25 % des Gesamtverdienstes betragen darf.145 Die Klausel, die Überlassung des Dienstwagens könne „aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden“, reicht nicht aus, weil sie einen Widerruf auch bei einer unwirtschaftlichen Nutzung ermöglichen würde.146 Einen Widerruf nach Freistellung des Arbeitnehmers hingegen kann sich der Arbeitgeber grundsätz-

136 Vgl. BFH v. 3.12.1987, BB 1988, 324; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NZA 2011, 569 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2011, 245. 137 Ob die Entlohnung bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen auch ausschließlich in der Überlassung eines Dienstwagens bestehen kann, ist unklar, vgl. Heinrich, NWB 2011, 3050. 138 BAG v. 11.10.2000, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 13. 139 Vgl. BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NZA 2011, 569 m. Anm. Höser, BB 2012, 573 und Bauer, ArbRAktuell 2011, 245. 140 BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 514/03, DB 2004, 2702. 141 BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 647/09, NZA 2011, 406, Rz. 33 ff.; v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649 (II.2.a); v. 12.11.1998 – 8 AZR 221/97, NZA 1999, 263 (II.3.); zur Haftungsverteilung im Arbeitsverhältnis allgemein Schwab, NZA-RR 2016, 173, Schwab, NZA-RR 2016, 230. 142 Griese in Küttner, Personalbuch, Stichw. „Dienstwagen“, 23. Aufl. 2016, Stand: 1.1.2016, Rz. 7; für betrieblich genutztes Privatfahrzeug auch so BAG v. 28.10.2010, NZA 2011. 143 Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 538 f.; Hümmerich/Reufels/Borgmann, Kap. 1 Rz. 2066. 144 Im Fall der Erkrankung des Arbeitnehmers endet das Recht zur Privatnutzung – vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung – mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums, vgl. BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NZA 2011, 569 m. Anm. Höser, BB 2012, 573 und Bauer, ArbRAktuell 2011, 245; LAG BW v. 27.7.2009, ZTR 2009, 547; aA LAG Berlin-Brandenburg v. 19.2.2007 – 10 Sa 2171/06, AE 2007, 223. 145 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, 617; v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; LAG Berlin-Brandenburg v. 24.11.2008, LAGE § 308 BGB 2002 Nr. 5; LAG Niedersachsen v. 17.1.2006, NZA-RR 2006, 289. Allgemein zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/ 04, NZA 2005, 465. Vgl. auch Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 146 BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459 f.; uE müssten „wirtschaftliche Schwierigkeiten des Arbeitgebers“ als Widerrufsgrund noch ausreichen, da sie eine solche missbräuchliche Deutung nicht zulassen. Nach der Entscheidung des Senats ist allerdings auch darauf abzustellen, ob der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird. Vgl. auch Fröhlich, ArbRB 2011, 253, 255.

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Kap. 12 Rz. 44

Vergütung

lich wirksam vorbehalten.147 Ist der Wert der Nutzung im Verhältnis zur restlichen Vergütung nur unbedeutend, kann möglicherweise auf die Angabe von Widerrufsgründen in der Klausel verzichtet werden.148 Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung kann hingegen nicht mehr unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, weil es sich hierbei in der Regel um einen laufend erbrachten Entgeltbestandteil handelt.149 44

Gibt der Arbeitnehmer das Fahrzeug auf ein unberechtigtes Herausgabeverlangen hin zurück, so hat er Anspruch auf Nutzungsentschädigung, die in der Regel der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzung des Dienstwagens gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG entspricht.150 Soweit das Herausgabeverlangen berechtigt war, steht dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Zahlung einer solchen Nutzungsentschädigung zu, auch nicht wenn das Herausgabeverlangen ohne ausreichende Ankündigungsfrist erfolgt ist. In diesem Fall besteht allenfalls ein Anspruch auf Ersatz des „Verfrühungsschadens“, soweit der Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig auf den Nutzungsentzug hat einstellen können und daher Taxi- oder Mietwagenkosten entstanden sind.151

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Klauseln, nach denen der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrages in einen Leasingvertrag über den Dienstwagen eintreten muss, stellen eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn der Arbeitnehmer durch die Übernahmeverpflichtung übermäßig belastet wird. Der Arbeitgeber wälzt dann das ihm obliegende Risiko, das Arbeitsmittel Kraftfahrzeug uU nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht mehr verwenden zu können, ab und erschwert so unzulässig dessen Kündigungsmöglichkeit und Arbeitsplatzwahl.152 12. Dienstwohnung (M 12.23) → S. M 12.23.

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Bei Werkdienstwohnungen (§ 576b BGB) besteht ein einheitlicher Vertrag über die Arbeitsleistung und die Überlassung von Wohnraum.153 Die Nutzung der Werkdienstwohnung stellt einen Teil der Vergütung dar. Es handelt sich um einen gemischten bzw. doppeltypischen Vertrag. Davon zu unterscheiden ist die Werkmietwohnung (§§ 576, 576a BGB), über deren Nutzung ein gegenüber dem Arbeitsvertrag selbstständiger Mietvertrag geschlossen wird.154 Das Mietverhältnis wird dann zwar im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis begründet, ist aber nicht Vertrags- und Vergütungsbestandteil. 147 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 f. m. Anm. Söhl, ArbRAktuell 2012, 278. 148 So offenbar LAG Hess. v. 20.7.2004 – 13 Sa 1992/03, MDR 2005, 459 (der Wert der Nutzung lag lediglich bei 2,62 % der restlichen Vergütung); Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754; Hunold, NZA 2010, 1276; vgl. schon Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Dienstwagenrückforderung“, Rz. 100j. 149 BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NZA 2011, 569 mit Anm. Bauer, ArbRAktuell 2011, 245; LAG BW v. 27.7.2009, ZTR 2009, 547; vgl. allgemein BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; dazu im Einzelnen Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754; vgl. auch Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. 150 BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; v. 27.5.1999 – 9 AZR 415/98, BB 1999, 1660, 1661. Dogmatisch ist diese Nutzungsentschädigung Schadensersatz statt der Leistung nach § 283 BGB, vgl. BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939. 151 Vgl. BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NJW 2011, 1469 m. Anm. Höser, BB 2012, 573 und Bauer, ArbRAktuell 2011, 245; Fröhlich, ArbRB 2011, 253, 255 f. 152 LAG München v. 30.5.2001, FA 2002, 117; vgl. auch LAG Köln v. 10.3.2008 – 14 Sa 1331/07; LAG Berlin-Brandenburg v. 5.12.2007 – 21 Sa 1770/07. 153 Gaßner, AcP 186 (1986), 325. 154 Vgl. zur Unterscheidung BAG v. 28.11.2007 – 5 AZB 44/07, NZA 2008, 843, 844; LAG Köln v. 4.3.2008, ZMR 2008, 963.

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Vergütung

Rz. 51 Kap. 12

Die Unterscheidung wirkt sich insbesondere bei der Beendigung des Mietverhältnisses aus. Das Mietverhältnis über eine Werkdienstwohnung können die Vertragsparteien nicht isoliert von dem Arbeitsverhältnis kündigen, da ein einheitlicher Vertrag vorliegt und die Teilkündigung unzulässig ist.155 Das Nutzungsrecht an der Wohnung endet gemeinsam mit dem Arbeitsverhältnis, dessen Bestandteil es bildet. Eine Einschränkung gilt gemäß § 576b BGB dann, wenn der Arbeitnehmer die Wohnung überwiegend mit Einrichtungsgegenständen ausgestattet hat oder in dem Wohnraum mit seiner Familie oder anderen Personen einen auf Dauer angelegten eigenen Hausstand führt. In diesem Fall sind die Vorschriften über den Kündigungsschutz von funktionsgebundenen Werkmietwohnungen (§ 576 Abs. 1 BGB) entsprechend anwendbar.

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Für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Werkdienstwohnungen sind die Arbeitsgerichte zuständig.156

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Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats über die Werkdienstwohnung aus § 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG besteht nicht, da kein besonderer Mietvertrag, sondern lediglich der gemischte Arbeitsvertrag geschlossen wird.157 Dem Betriebsrat kann allenfalls ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustehen, da die Überlassung der Wohnung Vergütungsbestandteil ist.158

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13. Arbeitgeberdarlehen (M 12.24) → S. M 12.24. Arbeitgeberdarlehen159 sind normale Darlehensverträge nach §§ 488 ff. BGB. Sie sind grundsätzlich unabhängig von gegenwärtigen oder künftigen Entgeltansprüchen. Demgegenüber werden Abschlagszahlungen auf das bereits verdiente Entgelt geleistet und Vorschüsse auf das künftig zu verdienende Entgelt.

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Folgende Besonderheiten bestehen: Gemäß § 488 BGB hat der Arbeitgeber Anspruch auf Zinszahlung nur, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist. Besonders günstige Zinsen müssen nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz allen Arbeitnehmern, insbesondere auch Teilzeitkräften, zur Verfügung gestellt werden.160 Eine Ungleichbehandlung kann auch ein Indiz für eine Benachteiligung wegen eines Merkmals gemäß § 1 AGG darstellen, bei Vermögensschäden des Arbeitnehmers steht diesem ein Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG oder ein Anspruch161 auf den günstigeren Zins zu.162 Die Kreditierung eigener Waren ist gemäß § 107 Abs. 2 Satz 2 GewO unzulässig. Die Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB (Verbraucherdarlehen) und die §§ 305 ff. BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) gelten auch für Arbeitgeberdarlehen, wie sich insbesondere aus § 491 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergibt.163

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155 BAG v. 23.8.1989 – 5 AZR 569/88, NZA 1990, 191. 156 BAG v. 2.11.1999 – 5 AZB 18/99, NZA 2000, 277. 157 BAG v. 28.7.1992 – 1 ABR 22/92, NZA 1993, 272, 273; v. 3.6.1975, DB 1975, 1752; Fitting, § 87 BetrVG Rz. 385. 158 BAG v. 3.6.1975, DB 1975, 1752; GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rz. 822. 159 Vgl. Kleinebrink, ArbRB 2010, 382. 160 BAG v. 27.7.1994 – 10 AZR 538/93, DB 1994, 2348; LAG Hamm v. 19.3.1993, BB 1993, 1593. 161 Zum Anspruch auf Leistung bei Ungleichbehandlung vgl. BAG v. 11.12.2007 – 3 AZR 249/06, NZA 2008, 532, 536; bestätigt durch BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 294/09, NZA 2010, 216, 218. 162 Vgl. näher zum AGG in Kap. 13 Rz. 26 ff. sowie in Kap. 1 Rz. 5 ff. 163 Vgl. BAG v. 23.9.1992 – 5 AZR 569/91, BB 1993, 1438; Kutsch/Kersting, BB 2011, 373, 375 f. für den umgekehrten Fall.

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Kap. 12 Rz. 52 52

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Ohne abweichende Vereinbarung besteht der Darlehensvertrag auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus fort. Kündigungsklauseln, welche die weitere Gewährung des Arbeitgeberdarlehens an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses knüpfen, sind grundsätzlich zulässig. Unwirksam ist allerdings eine Klausel, die den Arbeitgeber zur Kündigung des Darlehensvertrages in allen Fällen berechtigt, in denen das Arbeitsverhältnis vor vollständiger Rückzahlung des Darlehens beendet wird.164 Bei Eigenkündigungen des Arbeitnehmers und Darlehensverpflichtungen über das monatliche Entgelt des Arbeitnehmers hinaus verlangt die Rechtsprechung in Anlehnung an § 307 BGB eine langfristige Tilgungsvereinbarung.165 Zinsvergünstigungen können ab diesem Zeitpunkt allerdings, wenn dies zuvor vereinbart war, wegfallen.166 Eine Ausgleichsklausel in einer Aufhebungsvereinbarung erfasst die Zins- und Rückzahlungsansprüche eines Arbeitgebers gegen seinen Arbeitnehmer aus einem gewährten Arbeitgeberdarlehen in der Regel nicht.167 Als Sachbezug zu versteuern sind Zinsvorteile nur, wenn am Ende des Entgeltzahlungszeitraums der Restdarlehensbetrag Euro 2600,– übersteigt und den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Effektivzins unterschreitet.168 Bei der Ermittlung der Euro 2600-Grenze sind alle Darlehen zusammenzurechnen. Für die Zinshöhe hingegen ist jedes Darlehen gesondert zu berücksichtigen.169 14. Pfändung/Abtretung (M 12.25) → S. M 12.25.

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Die Abtretung von Lohnforderungen kann nach § 399 Var. 2 BGB wirksam ausgeschlossen werden mit der Folge, dass sie auch gegenüber dem Abtretungsempfänger (absolut) unwirksam ist. Dann ist auch eine Verpfändung unwirksam (§ 1274 Abs. 2 BGB). Ein solcher Ausschluss findet sich häufig in Verträgen mit gewerblichen Arbeitnehmern, seltener in Verträgen mit Führungskräften. Zahlreiche Lohnpfändungen oder Abtretungen können eine Kündigung rechtfertigen, wenn sie einen derartigen Arbeitsaufwand des Arbeitgebers verursachen, dass sie bei objektiver Beurteilung wesentliche Störungen im Arbeitsablauf – etwa in der Lohnbuchhaltung oder Rechtsabteilung – oder in der betrieblichen Organisation zur Folge haben.170 Zuvor muss der Arbeitnehmer jedoch abgemahnt worden sein.171 Bei besonderer Vertrauensstellung (zB Kassierer, Buchhalter) kann auch bei geringeren Beeinträchtigungen eine Kündigung in Betracht kommen.172

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Auch wenn die Abtretung und Verpfändung vertraglich ausgeschlossen ist, hindert dies die Gläubiger nicht, im Wege der Lohnpfändung auf das Arbeitseinkommen zurückzugreifen. Da164 165 166 167 168

169 170 171 172

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BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, NZA 2014, 905. Vgl. LAG Hamm v. 19.2.1993 – 10 Sa 1397/92, DB 1994, 1243. BAG v. 23.2.1999 – 9 AZR 737/97, NZA 1999, 1212. BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 1159 zu einer Klausel, wonach „mit diesem Vertrag sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche … geregelt und abgegolten sind“. Vgl. Nr. 2, Rz. 4, 12 des BMF-Schreiben v. 19.5.2015, VV DEU BMF 2015-05-19 IV C 5 – S 2334/07/ 0009. Aufgrund der Entscheidung des BFH v. 4.5.2006 – VI R 28/05, NZA-RR 2006, 589 legt die Finanzverwaltung nicht mehr selbst den insoweit zugrunde zu legenden Zins fest, sondern verweist auf die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Effektivzinssätze. Vgl. Nr. 2.1.1 des BMF-Schreibens v. 1.10.2008 – IV C 5 - S 2334/07/0009 mit Rechenbeispielen sowie Voßkohl, DStR 1998, 12. BAG v. 4.11.1981, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 9; LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237; vgl. zu den Problemen im Einzelnen Reifelsberger/Kopp, NZA 2013, 641. LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237; Brill, DB 1976, 1816, 1818. LAG Rh.-Pf. v. 18.12.1978, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5; LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237.

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Vergütung

Rz. 57 Kap. 12

her empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, zumindest für diesen Fall eine Kostenregelung zu treffen. Ohne ausdrückliche vertragliche Regelung besteht kein Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der aufgrund von Gehaltspfändungen entstehenden Kosten, der Anspruch kann auch nicht durch freiwillige Betriebsvereinbarung begründet werden.173 Dabei kann vereinbart werden, dass entsprechende Kosten für jeden Bearbeitungsvorgang von der Vergütung einbehalten werden. Da der Arbeitsaufwand letztlich nicht von der gepfändeten Summe abhängt, empfiehlt sich wegen § 307 Abs. 1 BGB eine pauschalierte Anknüpfung an die tatsächlich entstehenden Kosten. Auch sollte wegen § 309 Nr. 5b BGB dem Arbeitnehmer ausdrücklich der Nachweis gestattet sein, dass ein Schaden überhaupt nicht oder in wesentlich niedrigerer Höhe als die Pauschale entstanden ist. 15. Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung (M 12.26) → S. zum Aufrechungsausschluss M 12.26.1; zum Zurückbehaltungsrecht M 12.26.2. Bei Formulararbeitsverträgen ist nach § 309 Nr. 3 BGB das Verbot, mit einer unbestrittenen und rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen, unwirksam. Über § 242 BGB gilt Ähnliches für Individualverträge: Ein Aufrechnungsverbot greift insbesondere gegenüber rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen nicht.174 Dasselbe gilt gegenüber Ansprüchen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Aufrechnungsgegners, es sei denn, diese erforderte eine umfangreiche Beweisaufnahme.175 § 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Danach ist etwa eine Vereinbarung, in der dem Arbeitgeber die Befugnis eingeräumt wird, eine monatliche Beteiligung des Arbeitnehmers an der Reinigung und Pflege der Berufskleidung mit dem monatlichen Nettoentgelt ohne Rücksicht auf Pfändungsfreigrenzen zu „verrechnen“, unwirksam.176

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Anrechnungen werden durch ein Aufrechnungsverbot nicht ausgeschlossen, namentlich die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB. Denn bei der Anrechnung stehen sich nicht zwei selbstständige Forderungen, sondern unselbstständige Rechnungsposten gegenüber.177 Auch der Ausgleich eines negativen Arbeitszeitkontos bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt keinen Fall der Aufrechnung dar.178 Ein Anrechnungsverbot kann sich allerdings aus § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO ergeben. Danach ist die Anrechnung eines Sachbezugs auf das Arbeitseinkommen unzulässig, wenn die in Geld geleistete Nettovergütung und der Sachbezug in ihrer Summe nach § 850c Abs. 1, § 850e Nr. 3 ZPO unpfändbar sind.179

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Der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes ist vor allem bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Rückgabe der Unterlagen, Pkw etc. des Arbeitgebers von erheblicher Bedeutung. Ansonsten kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zB durch Zurückbehaltung von Unterlagen180 oder Dienstfahrzeug faktisch erheblich unter Druck setzen, zB wegen als unzurei-

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173 BAG v. 18.7.2006 – 1 AZR 578/05, DB 2007, 227. 174 BGH v. 1.12.1993 – VIII ZR 41/93, NJW 1994, 657; v. 6.3.1975, WM 1975, 614; v. 29.11.1971, WM 1972, 72. 175 Vgl. BGH v. 7.3.1985 – III ZR 90/83, ZIP 1985, 921, 926. 176 BAG v. 17.2.2009, BB 2009, 1303. 177 Palandt/Grüneberg, § 387 BGB Rz. 2. 178 BAG v. 13.12.2000 – 5 AZR 334/99, BB 2001, 1585. 179 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 733/07, NZA 2009, 861; dazu ausf. Reifelsberger/Kopp, NZA 2013, 641, 644 ff. 180 Zum Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes des Whistleblowers an Geschäftsunterlagen vgl. BAG v. 14.12.2011 – 10 AZR 283/10, NZA 2012, 501: Ein Zurückbehaltungsrecht an Geschäftsunterlagen soll jedenfalls dann nicht bestehen, wenn der Whistleblower die Unterlagen bereits an die zuständigen Behörden übermittelt hat.

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Kap. 12 Rz. 58

Vergütung

chend empfundener Formulierungen im Zeugnis. Wegen § 309 Nr. 2b BGB ist der Ausschluss oder die Einschränkung eines Zurückbehaltungsrechts des Arbeitnehmers in Formularverträgen grundsätzlich unwirksam.181 Der wirksame Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts kann sich im Einzelfall jedoch aus der Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB ergeben. Solche Besonderheiten können jedenfalls bestehen, wenn der Arbeitgeber ein aus der spezifischen Struktur der Arbeitsbeziehung resultierendes berechtigtes Interesse am Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes hat, zB weil die weitere Besitzüberlassung eine Gefahr für Betriebsgeheimnisse darstellt,182 was typischerweise beim Laptop der Fall ist. An den Arbeitsgeräten und Dienstwagen besteht schon gar kein Zurückbehaltungsrecht, soweit der Arbeitnehmer sie nur dienstlich nutzen darf; er ist dann nur Besitzdiener (§ 855 BGB) und hat daher keinen unmittelbaren Besitz.183 Anders ist dies jedoch bei einem – viel häufigeren – Recht auch zur privaten Nutzung zB des Dienstfahrzeuges.184 Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers wiederum an den Arbeitspapieren besteht von vornherein nicht.185 16. Zielvereinbarungen (M 12.27) → S. zur Rahmenvereinbarung M 12.27. 58

Zielvereinbarungen geben dem Mitarbeiter bestimmte Ziele vor; am Grad der Zielerreichung zum Ende einer bestimmten Beurteilungsperiode orientiert sich häufig ein erheblicher Teil der Vergütung, oder es hängen davon Sonderleistungen des Unternehmens an den Arbeitnehmer ab, so insbesondere Boni. Die Ziele sind je nach dem Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers unterschiedlich. Im Vertrieb sind es regelmäßig bestimmte Erfolgskennzahlen;186 bei Mitarbeitern in der Verwaltung demgegenüber häufig Organisationsziele und – beispielsweise im Personalbereich – auch Ziele sozialer Kompetenz.

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Rechtliche Schranken ergeben sich jedenfalls aus geltenden Tarifverträgen; der variable Anteil an der Gesamtvergütung muss so ausgestaltet sein, dass die tarifliche Mindestvergütung nicht unterschritten werden kann. Besteht keine Tarifbindung, so muss der Arbeitnehmer bei normalem Einsatz seiner Arbeitskraft durch die variable Vergütung ein angemessenes Gehalt erzielen können.187 Hängt die Vergütung von dem Erreichen zu vereinbarender Ziele ab und versäumt es der Arbeitgeber, die Vereinbarung zu treffen, kann er verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten.188 Entscheidend ist hierbei, wer nach den vertraglichen Abreden die Initiative zur Führung eines Gesprächs über eine Zielvereinbarung zu ergreifen hat.189 Obliegt sie allein dem Arbeitgeber, so steht dem Arbeitnehmer 181 Küttner/Griese, Zurückbehaltungsrecht, Rz. 6; Schuster, AiB 2002, 274, 278; Tschöpe/Wisskirchen, 10. Aufl. 2017, Teil 1 D Rz. 42. 182 So namentlich Annuß, BB 2002, 458, 463; Grobys, DStR 2002, 1002, 1007; krit. Hümmerich, NZA 2003, 753, 763. 183 Vgl. BAG v. 25.10.1984, EzA BGB § 273 Nr. 3; LAG Düsseldorf v. 4.7.1975, DB 1975, 2040. 184 Vgl. OLG Düsseldorf v. 12.2.1986 – 11 U 76/85, NJW 1986, 2513. 185 BAG v. 20.12.1958, EzA BGB § 817 Nr. 2; weitere Nachweise bei Preis/Preis, II Z 20, Rz. 23. 186 Hier ist jedoch von der Provision abzugrenzen, die an einen bestimmten einzelnen Erfolg anknüpft. 187 LAG Berlin v. 3.11.1986, AP HGB § 65 Nr. 14. 188 BAG v. 12.5.2010 – 10 AZR 390/09, NZA 2010, 1009; v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256; v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409 (dort auch die ausführliche Auseinandersetzung mit den bisher vertretenen Gegenpositionen); vgl. hierzu auch Gehlhaar, NZA-RR 2007, 113, Lembke, NJW 2010, 321, 325. 189 Dazu Schönhöft, BB 2013, 1529.

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Rz. 59 Kap. 12

auch ohne vorherige Aufforderung zur Gesprächsführung grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zu. Nach Ablauf der Zielperiode kann der Arbeitnehmer daher nach § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB statt der Festlegung von Zielen Schadensersatz verlangen. Kann eine alleinige Initiativlast des Arbeitgebers nicht festgestellt werden, besteht nur dann ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers, wenn dieser den Arbeitgeber zu Verhandlungen über die Zielvereinbarung aufgefordert hat.190 Grundlage der Schadensermittlung ist der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus.191 Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen.192 Allerdings muss hierbei ein Mitverschulden des Arbeitnehmers am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung angemessen berücksichtigt werden, so dass der Ersatzanspruch entsprechend den Verschuldensanteilen zu kürzen ist.193 Durch wirksame Ausschlussfristen kann die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eingeschränkt werden.194 Kürzungen der variablen Vergütung bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses sind nur bei einer dahin gehenden Vereinbarung möglich. Wegen des zwingenden Charakters des Entgeltfortzahlungsanspruchs sind Vereinbarungen über Kürzungen während des Zeitraums der Entgeltfortzahlung wohl unwirksam.195 Zwar eröffnet § 4a EFZG die Möglichkeit, Sondervergütungen in diesem Zeitraum zu kürzen.196 Allerdings ist unklar, ob Zielvereinbarungen Sondervergütungen im Sinne der Norm darstellen197 Jedenfalls soweit Zielvereinbarungen ausschließlich auf die individuelle Leistung des Arbeitnehmers abstellen, sollen sie aufgrund ihres (laufenden) Entgeltcharakters nicht § 4a EFZG unterfallen.198 Tendenziell könnten sich weitere Einschränkungen zudem aus der neueren Rechtsprechung des BAG zu Stichtagsklauseln und Freiwilligkeitsvorbehalten ergeben.199

190 Zum Ganzen BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256, 257; v. 12.12.2007, NZA 2008, 415. Eine alleinige Initiativlast des Arbeitgebers besteht insbesondere bei Zielvorgaben, bei denen der Arbeitgeber die Ziele in Ausübung seines Direktionsrechts einseitig bestimmt. 191 BAG v. 12.5.2010 – 10 AZR 390/09, NZA 2010, 1009, 1011; v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256, 258; v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409, 415; LAG S.-H. v. 22.7.2014 – 1 Sa 49/ 14, NZA-RR 2015,16 (Ls.) = LAGE § 280 BGB 2002 Nr. 11. 192 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256, 258; LAG Köln v. 17.7.2014 – 7 Sa 83/14, BeckRS 2015, 65279. 193 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409, 416. Bei Alleinverschulden des Arbeitnehmers am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung ist der Anspruch somit ausgeschlossen. 194 So zumindest Hägele, GmbHR 2014, R321; vgl. zu Ausschlussfristen Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist/Ausschlussklausel“, Rz. 92 ff. 195 Im Einzelnen: Annuß, NZA 2007, 290, 294 mwN; Mauer, NZA 2002, 540, 544. 196 Allgemein zur Anwendung und Funktionsweise des § 4a EFZG Reinartz, NZA 2015, 83. 197 Dafür könnte sprechen BAG v. 24.10.2007, NZA 2008, 43. Weitere Urteile wie BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783, 784 sind hier undeutlicher. Dafür MüKoBGB/Müller-Glöge, 6. Aufl. 2012, § 4a EFZG Rz. 7. Dagegen Bordet/Raif, ArbRAktuell 2011, 607, 609; ErfK/Reinhard, 16. Aufl. 2016, § 4a EFZG Rz.8; Reiserer, NJW 2008, 609, 611; Ricken in BeckOK Arbeitsrecht, 39. Ed. 2016, § 4a EFZG Rz. 4; Riesenhuber, NZA 2007, 290, 293. Zweifelnd Annuß, NZA 2007, 290, 293. 198 Annuß, NZA 2007, 290, 293; allgemeiner zu Zielvereinbarungen Hergenröder, RdA 2014, 47, wonach auch bei einer Kumulation persönlicher Ziele mit unternehmerischen Erfolgen ein laufendes Entgelt anzunehmen ist. 199 Vgl. Rz. 28; Kap. 2 Rz. 100 und neuere Rspr. zu Stichtagsklauseln: BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/ 14, NZA 2015, 992; v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 513; v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221. Zur Einschränkung von Freiwilligkeitsvorbehalten Kap. 2 Rz. 105: BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rz. 52 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2014, 286; sowie dazu Lingemann/Otte, NZA 2014, 2400.

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Kap. 12 Rz. 60 60

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In Formulararbeitsverträgen sind wegen der Kontrollsperre des § 307 Abs. 3 BGB200 Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung von der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307–309 BGB zwar ausgenommen; jedenfalls das Äquivalenzverhältnis der Zielvereinbarung kann damit einer Inhaltskontrolle nicht unterzogen werden.201 Zielvereinbarungen in Formularverträgen müssen die Voraussetzungen und die Höhe eines Anspruchs jedoch benennen, um dem Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen.202 Dabei ist es jedoch zumindest im Bankenbereich auch zulässig, das Bonusvolumen insgesamt in das billige Ermessen des Vorstands zu stellen.203 Ob ein erfolgsorientierter Bonus, der im Rahmen einer Zielvereinbarung gewährt wird, einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellt werden kann, ist zweifelhaft, uE aber in engen Grenzen möglich.204 Das BAG hat früher solche Leistungen in Abgrenzung zu laufenden Entgelten ausdrücklich als Sonderleistungen qualifiziert.205 Auf den Zweck und die Höhe der Sonderzahlung komme es nicht an.206 Allerdings dürfte ein Freiwilligkeitsvorbehalt im Vertrag nicht mehr ausreichen, er muss vielmehr bei jeder Zahlung ausdrücklich erklärt werden.207 Freiwilligkeitsvorbehalte bei Zielvereinbarungen unterliegen einer strengen Transparenzkontrolle. Hierbei ist zu beachten, dass Vereinbarungen über erfolgsorientierte Sonderzahlungen regelmäßig in zwei Stufen getroffen werden. Auf der ersten Stufe sieht der Arbeitsvertrag den Abschluss einer Zielvereinbarung oder die Teilnahme des Arbeitnehmers an einem zielorientierten Bonusplan des Unternehmens vor (Rahmenvereinbarung). Auf der zweiten Stufe wird das konkrete Ziel vereinbart, bei dessen Erreichen der Bonus gezahlt werden soll. Für die Wirksamkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts ist uE daher zu unterscheiden: Auf der ersten Stufe, dh. für zukünftige Bezugszeiträume, für die die gegenseitigen Leistungspflichten noch nicht konkretisiert sind, kann die Teilnahme an dem Bonusprogramm uE. wirksam einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellt werden.208 Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer nicht durch die Aussicht auf einen Bonus zu Leistungen angespornt wird, und ihm der Bonus dann mittels Freiwilligkeitsvorbehalt doch nicht ausgezahlt wird. Der Vorrang der Individualabrede 200 201 202 203

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205 206 207 208

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Vgl. dazu ausf. Kap. 2 Rz. 42 ff. BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409, 410; vgl. auch Annuß, NZA 2007, 290. Vgl. Horcher, BB 2007, 2065, 2066 mit Beispielen. In der Regel ist der Bonus entsprechend der Zielvereinbarung bzw. -erreichung zu gewähren, in Ausnahmefällen (zB Bankenkrise 2008/2009) ist aber auch eine Versagung des Bonus zulässig: BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Ls. 7, Rz. 43 ff.; v. 15.5.2013 – 10 AZR 679/12, NJWSpezial 2013, 563, Rz. 38; v. 17.10.2012; AP Nr. 106 zu § 315 BGB; v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; LAG BW v. 14.1.2013, NZA-RR 2013, 118; vgl. auch allgemein BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499; v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10, NZA 2012, 450, Rz. 25. Dazu Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. Vgl. Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 510; Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2310; aA ErfK/ Preis, § 611 BGB Rz. 504; Riesenhuber/von Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785, 792. Zur Möglichkeit von Bindungsklauseln vgl. Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572, 1575. Zur Kürzungsmöglichkeit nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks vgl. BAG v. 19.1.2011, NJOZ 2011, 1185. BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783, 784; v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, 43. BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535, 536. Vgl. BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180; Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. Vgl. auch Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071; im Ergebnis ebenso: Salamon, NZA 2014, 465; aA Bordet/Reif, ArbRAktuell 2011, 607; Riesenhuber/Steinau/Steinrück, NZA 2005, 785. Sollte ein Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam sein, so würde an seine Stelle wahrscheinlich eine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers gem. § 315 Abs. 1 BGB treten, vgl. BAG NZA 2014, 595; 2016, 1334; er müsste dann iR. billigen Ermessens entscheiden, ob er im Folgejahr wieder eine Zielvereinbarung anbietet.

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Rz. 63 Kap. 12

ist in den Vertrag aufzunehmen.209 Hingegen dürften Freiwilligkeitsvorbehalte auf der zweiten Stufe regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein, denn auf dieser Stufe würde der Arbeitnehmer ja im Hinblick auf den Bonus gerade Leistungen erbringen, dann kann ihm der Bonus aber nicht mehr mittels Freiwilligkeitsvorbehalt vorenthalten werden.210 Nach Auffassung des BAG ist es widersprüchlich, eine Sonderleistung, die nach Umfang und Höhe präzisiert ist und die das Verhalten des Arbeitnehmers steuern und beeinflussen soll, an einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu binden (vgl. hierzu Rz. 5 ff.).211 Bei Vereinbarung der ersten Stufe halten wir hinsichtlich künftiger Zielvereinbarungszeiträume jedenfalls einen Widerrufsvorbehalt für zulässig (vgl. hierzu Rz. 7).212 Ein Widerrufsvorbehalt dürfte auch bezüglich der zweiten Stufe noch zulässig sein. In jedem Falle müssen die sachlichen Gründe für einen Widerruf in der Klausel aber genannt sein,213 außerdem muss der widerrufliche Teil der Zielvereinbarung weniger als 25 % des Gesamtverdienstes ausmachen.214 Zu unterscheiden ist zwischen Zielvereinbarungen innerhalb und außerhalb des Direktionsrechts.215 Ist der Inhalt einer Zielvereinbarung bereits durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, so ist sie für den Arbeitnehmer bindend. Allerdings unterliegt sie der gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des § 315 BGB.216 Geht der Inhalt über das bereits nach dem Arbeitsvertrag Geschuldete hinaus, so ist der Arbeitnehmer hinsichtlich des Abschlusses einer solchen Vereinbarung frei; nach Abschluss ist er gleichwohl gebunden. In diesem Fall liegt eine vertragliche Vergütungsvereinbarung vor, und für eine gerichtliche Kontrolle finden die Grundsätze über eine freie Entgeltvereinbarung Anwendung.217

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Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates kommen in Betracht, soweit es sich um die Einführung eines neuen betrieblichen Beurteilungssystems handelt nach § 94 Abs. 2 BetrVG, soweit diese elektronisch verarbeitet werden ferner nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und, soweit sie gleichzeitig eine Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer enthalten, nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.218 Handelt es sich um eine Vergütungsregelung mit kollektivem Bezug, so sind auch die Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG berührt.219

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Unter Umständen kann auch eine Verpflichtung zur Anpassung einer Zielvereinbarung an veränderte Umstände entsprechend § 313 BGB bestehen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich die Leistungsbedingungen während der Zielvereinbarungsperiode so verändern, dass die

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209 Vgl. BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 sowie oben Rz. 5 ff. 210 Vgl. dazu auch BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. 211 BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015, Rz. 17; v. 10.12.2008 – 10 AZR 35/08, NZA 2009, 258, Rz. 11; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, Ls. 4, Rz. 39; auch knapp in BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, Rz. 20, 30. Hierzu auch Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2310; Salamon, NZA 2014, 465. 212 Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754, 1756. 213 Wobei in diesem Falle sicherlich hohe Anforderungen an die Widerrufsgründe zu stellen sind, Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754, 1756. 214 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, 617; v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; der widerrufliche Teil kann sich bis auf 30 % erhöhen, sofern er nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis steht; vgl. ausf. Rz. 7 und Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 215 Köppen, DB 2002, 374 f. 216 Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882, 884. 217 BAG v. 21.6.2000 – 5 AZR 806/98, DB 2000, 1920. 218 Annuß, NZA 2007, 290, 296; Geffken, NZA 2000, 1033, 1037. 219 Annuß, NZA 2007, 290, 296; vgl. auch Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1624, 1628.

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Kap. 12 Rz. 64

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vereinbarten Ziele nicht mehr erreicht werden können. Allerdings besteht diese Pflicht nur, wenn die Veränderung nicht in der Sphäre einer Partei liegt.220 17. Aktienoptionspläne (M 12.28) → S. M 12.28. 64

Aktienoptionen können dem Mitarbeiter aufgrund einer bindenden Vereinbarung als einklagbarer Entgeltbestandteil gewährt werden.221 Werden Aktienoptionen in Formularverträgen als Sondervergütung zusätzlich zum laufenden Entgelt gezahlt, kann uE die Leistung grundsätzlich zur Vermeidung einer betrieblichen Übung einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellt werden.222 Nach der neueren, restriktiveren Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeitsvorbehalten ist die Zulässigkeit dieser Gestaltung aber offen.223 In jedem Falle bedarf es des Hinweises auf die Freiwilligkeit der Leistung bei jeder Gewährung. Alternativ hierzu besteht die Möglichkeit, einen Widerrufsvorbehalt aufzunehmen. Zu beachten ist aber auch hier das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. hierzu Rz. 7 f.). Die einzelvertragliche Ausgestaltung findet sich regelmäßig nicht im Arbeitsvertrag, sondern in dem separaten Gewährungsvertrag (vgl. M 12.28). Mit der Aktienoption erhält der Mitarbeiter mittelbare oder unmittelbare Bezugsrechte für Aktien seines Arbeitgebers oder eines anderen Unternehmens im Konzern. Meist ist die Vereinbarung von Aktienoptionen auf einen bestimmten Mitarbeiterkreis, idR Führungskräfte, beschränkt. Das Prinzip der Aktienoptionen besteht darin, dass der Ausübungspreis für die Aktien, die der Mitarbeiter erwerben kann, in der Gewährungsvereinbarung festgelegt wird. Eine Steigerung des Aktienkurses über den Ausübungspreis hinaus kommt daher ganz oder zT dem Mitarbeiter zugute. Typischerweise sieht die Gewährungsvereinbarung eine Wartefrist vor, nach deren Ablauf die Option erst ausgeübt werden kann. Wartefristen sind grundsätzlich zulässig; dies folgt unmittelbar aus § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, danach muss die Wartefrist mindestens vier Jahre betragen. Auch wird die Ausübung jeweils auf bestimmte Zeiten beschränkt bzw. für bestimmte Zeiten ausgeschlossen. Dies dient dazu, Insiderhandel zu verhindern und ist daher arbeitsrechtlich zulässig. Auch wird die Übertragung oder Veräußerung der Aktienoptionen jeweils (schuldrechtlich) ausgeschlossen, was jedenfalls für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren als zulässig angesehen wird.224

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Die Aktienoptionspläne sehen in der Regel vor, dass die Optionsrechte insbesondere nach einem Ausscheiden des Mitarbeiters verfallen. Das BAG hat den Verfall der Bezugsrechte bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auch gemessen an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, für wirksam erklärt. Der Verfall kann sowohl bei Beendigung oder Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Wartezeit als auch nach Ablauf der Wartezeit angeordnet werden. Es ist auch nicht danach zu differenzieren, ob nach Ablauf der Wartezeit eine Ausübungsmöglichkeit bestanden hat oder nicht. Das gilt selbst im Fall der betriebsbedingten

220 Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882, 884; aA Köppen, DB 2002, 374, 379. 221 Zu Aktienoptionen und deren steuerlicher Behandlung vgl. Kutsch/Kersting, BB 2011, 373, 378 f. 222 Lingemann/Gotham, Anm. zu BAG v. 23.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12; Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2310. 223 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 sowie oben Rz. 5 ff.; vgl. zum Urteil Lingemann/ Otte, NJW 2014, 2400 und allgemein auch BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970. 224 Vgl. Baeck/Diller, DB 1998, 1405, 1407; Küttner/Röller, Aktienoptionen, Rz. 12; Lingemann/Diller/ Mengel, NZA 2000, 1191, 1195 mwN.

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Rz. 68 Kap. 12

Kündigung.225 Unproblematisch in der Abwicklung ist der Verfall der Aktienoptionen insbesondere dann, wenn diese unentgeltlich gewährt wurden. Soweit der Arbeitnehmer für die Option eine Gegenleistung zahlen musste, hat der Arbeitgeber diese bei Verfall der Option zu erstatten.226 Die Erstattungspflicht sollte dann mit Blick auf die AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB ausdrücklich vereinbart werden, ansonsten könnte die Verfallregelung insgesamt wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB oder wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unwirksam sein.227 Bei der Gewährung von Aktienoptionen ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, auch wenn es sich um freiwillige Leistungen des Arbeitgebers handelt, sofern der Gewährung – wie fast immer – ein generalisierendes Prinzip zugrunde liegt.228 Allerdings gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur unternehmensweit, nicht konzernweit. Bei der Gewährung von Aktienoptionen durch die – ggf. auch ausländische229 – Konzernobergesellschaft greift dieser also nicht durch.230 Soweit eine Option von der ausländischen Muttergesellschaft gewährt wird, ist auf den Gewährungsvertrag deutsches Arbeitsrecht wohl nicht anwendbar.231

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Besteuert wird die Option nicht schon im Zeitpunkt der Gewährung, sondern erst im Zeitpunkt der Ausübung.232 Geldwerter Vorteil ist dann die Differenz zwischen dem Ausübungspreis und dem Aktienkurs zu diesem Zeitpunkt.233 Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber die Aktien tatsächlich verbilligt an den Mitarbeiter veräußert, mithin der Wert der Aktien den vereinbarten Kaufpreis übersteigt. Ob der Mitarbeiter verbilligt erwirbt oder sich Leistung und Gegenleistung entsprechen, ist grundsätzlich anhand der Wertverhältnisse bei Abschluss des für beide Seiten verbindlichen Veräußerungsgeschäfts zu bestimmen.234 Die weitere Versteuerung der so erworbenen Aktien richtet sich nach den allgemeinen Regeln.

67

Besteht ein Betriebsrat und handelt es sich bei den Berechtigten nicht ausschließlich um Organe und leitende Angestellte iSv. § 5 BetrVG, so kommt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht und es besteht ein Informationsrecht nach § 80 BetrVG.235 Das Mitbestimmungsrecht besteht zwar nicht für die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang Aktienoptionen zur Verfügung gestellt werden sollen, wohl aber für die Einzelheiten

68

225 BAG v. 28.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12 m. zust. Anm. Lingemann/Gotham. 226 Vgl. Legerlotz/Laber, DStR 1999, 1658, 1664; Staake, NJOZ 2010, 2494, 2499 (VI.3.). 227 Vgl. ausf. zur AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB unter Kap. 2 Rz. 2 ff.; s. auch Reim, ZIP 2006, 1075. 228 BAG v. 21.10.2009 – 10 AZR 664/08, BB 2010, 252; vgl. dazu im Einzelnen Baeck/Diller, DB 1998, 1402, 1408 ff.; Legerlotz/Laber, DStR 1999, 1658, 1660 ff. Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass eine ungleiche Gewährung von Aktienoptionen ein Indiz für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale darstellt; bei einem Vermögensschaden des Arbeitnehmers kommt dann möglicherweise ein Schadensersatzanspruch gem. § 15 Abs. 1 AGG in Betracht; vgl. zum AGG unter Kap. 13 Rz. 26 ff. sowie Kap. 1 Rz. 5 ff. 229 Vgl. BAG v. 12.2.2003, AP BGB § 613 Nr. 243; LAG Hessen v. 19.11.2001, DB 2002, 794. 230 Lingemann/Diller/Mengel, NZA 2000, 1191. 231 Darauf deutet hin die Entscheidung des BAG v. 12.2.2003, AP BGB § 613a Nr. 243 (mit zust. Anm. Lingemann), nach der von der ausländischen Konzernobergesellschaft gewährte Aktienoptionen bei Betriebsübergang der deutschen Tochtergesellschaft nicht auf den Erwerber übergehen und ausschließlich im Verhältnis zu der gewährenden Konzernobergesellschaft zu verfolgen sind; vgl. auch BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 887/06, NZA 2008, 836, 838. 232 Zur bilanzrechtlichen Beurteilung vgl. Dörr, NWB 2011, 350. 233 BFH v. 24.1.2001 – I R 119/98, BB 2001, 1180; v. 23.7.1999 – VI B 116/99, DStR 1999, 1524; Zusammenfassung des Sachstandes bei Küttner/Thomas, Aktienoptionen, Rz. 21 ff.; zu alternativen Gestaltungen Mutter/Mikus, ZIP 2007, 1949 ff. 234 BFH v. 7.5.2014, NZA-RR 2014, 485. 235 LAG Nürnberg v. 22.1.2002, ArbuR 2002, 151.

Lingemann

539

Kap. 12 Rz. 68

Vergütung

M 12.1.5

der Verteilung, insbesondere der Aufteilung des Volumens auf einzelne Arbeitnehmergruppen oder Arbeitnehmer. Allerdings dürften die Vorgaben der Hauptversammlung zum Aktienoptionsplan mitbestimmungsfrei sein, da nicht diese, sondern nur der Vorstand als Arbeitgeber Verhandlungspartner des Betriebsrates sein kann. Insoweit wird der Bereich der mitbestimmungsfreien Entscheidungen bei Aktienoptionen durch §§ 192, 193 Abs. 2 AktG auf die Vorgaben der Hauptversammlung erweitert. Das gilt uE auch für solche Vorgaben, die aktienrechtlich nicht zwingend sind, gleichwohl aber im Beschluss der Hauptversammlung festgelegt werden.236 236 Im Ergebnis ähnlich Baeck/Diller, DB 1998, 1402, 1410 ff.; vgl. auch Kau/Kukat, BB 1999, 2505, 2507.

II. Muster 12.1 Festvergütung

M 12.1.1

Gewerbliche Arbeitnehmer ohne Tarifbindung

Herr/Frau … erhält einen Lohn in Höhe von Euro …/h/Woche/Monat.

M 12.1.2

Gewerbliche Arbeitnehmer mit Tarifbindung

Herr/Frau … wird in die tarifliche Lohngruppe … eingruppiert: Tariflohn (zurzeit): Euro …

M 12.1.3

Angestellte ohne Tarifbindung

Herr/Frau … erhält ein Gehalt von monatlich Euro …, das am Ende eines jeden Monats gezahlt wird.

M 12.1.4

Angestellte mit Tarifbindung

Herr/Frau … erhält ein Gehalt nach der tariflichen Gehaltsgruppe …, dh. von zurzeit Euro …/Monat.

M 12.1.5

Organmitglieder oder leitende Angestellte

Herr/Frau … erhält ein festes Jahresgehalt von Euro …, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von Euro … jeweils am Monatsende.

540

Lingemann

M 12.2

M 12.2

Vergütung

Kap. 12

Einstweilige Verfügung auf Gehaltszahlung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen2 wir: 1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – aufgegeben, dem Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens, Az. …, als Abschlag auf seine Lohnansprüche monatlich3 Euro …4 zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen. 2. Hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

Begründung: Der ASt. ist seit dem … bei der AGg. als … im Betrieb in … zu einem Bruttolohn von Euro … monatlich beschäftigt. Drei Tage vor Ablauf der Probezeit, am …, kündigte die AGg. das Anstellungs1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Wie so häufig im arbeitsrechtlichen einstweiligen Rechtsschutz gehen auch bei der einstweiligen Verfügung auf Lohnzahlung die Auffassungen der Landesarbeitsgerichte in fast allen Punkten weit auseinander. Hier zeigt sich besonders deutlich, welche nachteiligen Folgen für die Rechtspflege das Fehlen der ordnenden Hand einer einheitlichen obergerichtlichen Rspr. hat (umfassend zur einstweiligen Verfügung auf Lohn- und Gehaltszahlung Eich, DB 1976, Beilage 10; Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 48 ff.). Erste Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung auf Lohn- und Gehaltszahlung ist eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Vergütungsanspruch tatsächlich besteht. Verweigert der Arbeitgeber die Zahlung unter Berufung auf eine ausgesprochene Kündigung, setzt der Erlass der Verfügung deshalb voraus, dass diese Kündigung offensichtlich unwirksam ist (zB LAG Hamburg v. 6.5.1986 – 1 Ta 7/86, DB 1986, 1629; LAG BW v. 24.11.1967, DB 1968, 536) und der Arbeitnehmer entsprechende Hauptsacheklage erhoben hat. Einstweilige Verfügungen auf Lohn- und Gehaltszahlung haben in den vergangenen Jahrzehnten erheblich an Bedeutung verloren, da meist die Sozialleistungen für die Deckung des notwendigen Lebensunterhalts sorgen (insbesondere die „Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts“ nach SGB II, „Hartz IV“). Wegen des Subsidiaritätsprinzips des SGB II kann der Antrag des Arbeitnehmers auf Erlass der einstweiligen Verfügung allerdings nicht mit der Begründung abgewiesen werden, der Arbeitnehmer könnte stattdessen Leistungen nach SGB II in Anspruch nehmen (LAG Köln v. 28.2.2014 – 4 Ta 28/14, BeckRS 2014, 67646; Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 49). Nicht subsidiär ist dagegen der Anspruch auf Arbeitslosengeld, weshalb die beantragte einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, wenn Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht (LAG Schl.-Holst. v. 26.8.1958, AP Nr. 1 zu § 940 ZPO; LAG BW v. 24.11.1967, DB 1968, 536). Nimmt der Arbeitnehmer dagegen bereits Leistungen nach SGB II in Anspruch, fehlt es am Verfügungsgrund (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 49). 3 Da die einstweilige Verfügung Sicherungsfunktion hat, soll nach hA Zahlung nur für die Zukunft beantragt werden können, nicht jedoch hinsichtlich der Vergangenheit (ausf. Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 51). Für welchen Zeitraum die Zahlung verlangt werden kann, ist ebenfalls umstritten. Selbstverständlich kann die Zahlung nicht mehr verlangt werden, sobald (aus welchen Gründen auch immer) die Notlage behoben ist. Umstritten ist allerdings, ob die Zahlung nur bis zum Erlass einer vorläufig vollstreckbaren Entscheidung im Hauptsacheverfahren (so Eich, DB 1976, Beilage 10, 10) oder bis zur rechtskräftigen Beendigung des Hauptsacheverfahrens verlangt werden kann. 4 In welcher Höhe der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht kommt, ist umstritten. Einigkeit besteht nur insoweit, als eine Verurteilung zur Zahlung der vollen vertraglichen Vergütung nicht in Betracht kommt. Überwiegend wird auf die Pfändungsfreigrenze abgestellt (LAG Bremen v. 5.12.1997 – 4 Sa 258/ 97, DB 1998, 1624), wogegen andere auf die Höhe des fiktiven Arbeitslosengeldes abstellen (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 50). Zinsen können nicht verlangt werden.

Diller

541

Kap. 12

Vergütung

M 12.2

verhältnis fristgemäß zum … Mündlich wurde dem ASt. erklärt, man sei mit seinem Verhalten gegenüber Vorgesetzten nicht zufrieden und wolle deshalb das Anstellungsverhältnis nicht fortsetzen. Die Kündigung vom … war offensichtlich unwirksam. Die AGg. beschäftigt 50 Arbeitnehmer, bei ihr besteht ein Betriebsrat. Der Betriebsrat ist nicht gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung gehört worden. Mündlich hat die AGg. erklärt, bei einer Kündigung während der Probezeit sei eine Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nicht erforderlich, da ja auch keine Kündigungsgründe erforderlich seien. Diese Rechtsauffassung ist falsch. Nach ständiger Rechtsprechung ist gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 102 BetrVG vor „jeder“ Kündigung der Betriebsrat zu hören, auch vor einer Kündigung während der Probezeit (BAG v. 18.5.1994 – 2 AZR 920/93, NZA 1995, 24). Eine ohne Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG erklärte Kündigung ist nichtig. Die AGg. hat auch keine Möglichkeit, aus den von ihr vorgebrachten Gründen nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats kurzfristig eine neue Kündigung auszusprechen. Da das Anstellungsverhältnis mittlerweile mehr als sechs Monate dauert, genießt der ASt. nunmehr Kündigungsschutz. Eine erneute Kündigung wegen angeblich unangemessenen Verhaltens gegenüber Vorgesetzten würde schon daran scheitern, dass der ASt. nie abgemahnt worden ist. Darüber hinaus war sein Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten immer völlig einwandfrei. Der ASt. hat gegen die unwirksame Kündigung vom … am … Klage erhoben, die beim Arbeitsgericht unter dem Az. … geführt wird. Die Güteverhandlung hat am … stattgefunden und blieb erfolglos. Die AGg. beharrt auf ihrem Standpunkt, eine Betriebsratsanhörung sei nicht erforderlich gewesen. Aufgrund der Überlastung der zuständigen Kammer wurde Kammertermin erst auf den … bestimmt. Zur Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten des Verfahrens … Der ASt. ist in einer existenziellen Notlage. Der ASt. ist … Kindern und einer nicht erwerbstätigen Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig. Die Familie verfügt über keinerlei liquides Vermögen, welches sie zur Sicherung des Lebensunterhalts einsetzen könnte. Das Girokonto des Klägers weist ein „Soll“ auf. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat der ASt. wegen Nicht-Erfüllung der Anwartschaftszeit gemäß §§ 142 ff. SGB III nicht. Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage … Es ist anerkannt, dass in Notfällen eine einstweilige Verfügung auf Fortzahlung der Vergütung zulässig ist, und zwar mindestens in Höhe des pfändungsfreien Einkommens. Der mit dem Antrag begehrte monatliche Zahlbetrag entspricht genau dem pfändungsfreien Einkommen des ASt. (wird ausgeführt). … (Unterschrift)5 5 Der Streitwert entspricht den geltend gemachten Bruttobeträgen für die (zu schätzende) Zeit bis zum Erlass der erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung. Wegen der Erfüllungswirkung der einstweiligen Verfügung ist kein Abschlag zu machen (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 58). Umstritten ist auch die Vollstreckung. Bei einer auf wiederkehrende Leistung gerichteten einstweiligen Verfügung fordert die hA zusätzlich zur Zustellung von Amts wegen noch eine Zustellung im Parteibetrieb innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO (statt aller: OLG Celle v. 2.8.1984, FamRZ 1984, 1249). Nach der Gegenauffassung reicht es, wenn zusätzlich zur Amtszustellung innerhalb der Monatsfrist die Zwangsvollstreckung eingeleitet wird (BGH v. 25.10.1990, WM 1990, 2090). Ist die Zustellung im Parteibetrieb erfolgt, ist weiter fraglich, ob innerhalb der Monatsfrist auch mit der tatsächlichen Vollstreckung begonnen sein muss (dazu OLG Hamm v. 25.1.1991, FamRZ 1991, 583).

542 Diller

M 12.3

M 12.3

Vergütung

Kap. 12

Gehaltsklage bei zu niedriger Eingruppierung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6. …2 an den Kläger zu zahlen.3 2. Es wird festgestellt, dass der Kläger in die Tarifgruppe K 5 des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages I für Arbeiter und Angestellte der …industrie Baden-Württemberg einzugruppieren ist.4

Begründung: Die Bekl. ist ein Unternehmen der …industrie mit 500 Beschäftigten, sie ist Mitglied des Verbands der …industrie Baden-Württemberg. Der Kl. ist seit mehr als 20 Jahren als Lagerverwalter bei der Bekl. beschäftigt. Er ist Mitglied der IG … Aufgrund beiderseitiger Tarifbindung findet zwischen den Parteien der Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag I für Arbeiter und Angestellte der …industrie Baden-Württemberg Anwendung. Die Bekl. hat den Kl. in die Gehaltsgruppe K 4 eingruppiert5 und zahlt ihm ein monatliches Grundgehalt von Euro … (Tarifgehalt ab dem vierten Beschäftigungsjahr). Richtigerweise wäre der Kl. jedoch in Tarifgruppe K 5 mit einem Grundgehalt von Euro … einzugruppieren, weil6 … Der Kl. hat mit Anwaltsschreiben vom 15.5. … eine Höhergruppierung sowie Zahlung des Gehalts gemäß Tarifgruppe K 5 verlangt. Beweis: Schreiben des Unterzeichners vom 15.5. …, Anlage K 1

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 In den meisten Eingruppierungsfällen fehlt es an einem Verschulden des Arbeitgebers für die fehlerhafte Eingruppierung, so dass Verzugszinsen nicht geltend gemacht werden können und nur die Zinsen seit Rechtshängigkeit zugesprochen werden. Wegen des fehlenden Kostenrisikos schadet es aber nichts, Verzugszinsen geltend zu machen (s. M 101.3 Fn. 7, dazu BAG v. 11.6.1997 – 10 AZR 613/96, DB 1998, 86; Diller, FA 2004, 300). 3 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 4 Nach hA ist die sog. Eingruppierungsfeststellungsklage ausreichend, so dass auf einen gesonderten Zahlungsantrag (hier Klageantrag Ziff. 1) an sich verzichtet werden kann. Das besondere Feststellungsinteresse wird von der Rspr. auch in der Privatwirtschaft mittlerweile grundlegend bejaht (BAG v. 20.6.1984 – 4 AZR 208/82, BB 1985, 54). Die Kombination mit einem Zahlungsantrag hat allerdings den Vorteil, dass nach einem stattgebenden Urteil erster Instanz für die Zeit bis dahin vollstreckt werden kann. Die in der Praxis nicht selten anzutreffenden Leistungsklagen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, den Arbeitnehmer in eine bestimmte Vergütungsgruppe „einzugruppieren“, sind sinnlos. Der Vergütungsanspruch entsteht nicht aufgrund eines bestimmten Handelns des Arbeitgebers, sondern ergibt sich schlicht aus den tariflichen Bestimmungen („Tarifautomatik“, BAG v. 16.10.1974 – 4 AZR 1/74, AP Nr. 81 zu §§ 22, 23 BAT). 5 Zwar hat der Betriebsrat nach § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Eingruppierung. Dieses Recht dient jedoch der Richtigkeitskontrolle und hat keine konstitutive Bedeutung. Folglich ist über die Eingruppierungsklage unabhängig davon zu entscheiden, ob und mit welchem Ergebnis die Mitbestimmung des Betriebsrats durchgeführt worden ist (BAG v. 6.8.1997 – 4 AZR 195/96, NZA 1998, 263). Deshalb muss in der Klageschrift dazu auch nichts vorgetragen werden. 6 Die Beweislast für die begehrte Eingruppierung trägt in vollem Umfang der Arbeitnehmer.

Diller

543

Kap. 12

Vergütung

M 12.4

Auf das Schreiben hat die Bekl. jedoch nicht reagiert, weshalb Klage geboten ist. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 wird die Differenz zwischen der monatlichen tariflichen Grundvergütung der Tarifgruppen K 4 und K 5 für den Monat Mai … geltend gemacht. Eine Klageerweiterung um die Differenz für weitere Monate bleibt vorbehalten.7 … (Unterschrift)8 7 Zu den Problemen einer Klage auf zukünftige Vergütung s. M 12.29. 8 Hinsichtlich des Streitwerts gilt § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG, der dreijährige Unterschiedsbetrag zwischen der aktuellen und der begehrten Tarifgruppe ist anzusetzen. Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge in Streitigkeiten von den Arbeitsgerichten (anders beim Landgericht!) dem Streitwert nicht hinzugerechnet. Angesichts des klaren Wortlauts des § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG ist für einen Abschlag beim Streitwert kein Raum.

M 12.4

Zahlungsklage bei zweistufiger Ausschlussfrist

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.5. … an den Kläger zu zahlen.2, 3

Begründung: Die Bekl. ist ein Bauunternehmen, der Kl. ist bei der Bekl. seit … als Maurer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesrahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer des Baugewerbes (BRTVBau) Anwendung. Der Tarifvertrag ist allgemeinverbindlich. Dem Kl. war unstreitig eine Prämie in Höhe von Euro … für den Fall zugesagt worden, dass die Bauarbeiten am U-Bahnhof … termingerecht bis zum 31.3. … fertig würden. Die Fertigstellung ist rechtzeitig erfolgt. Die Bekl. verweigert jedoch die Zahlung der Prämie mit der Begründung, die Ansprüche des Kl. seien gemäß der zweistufigen Ausschlussfrist des § 16 BRTV-Bau verfallen. Die Auffassung der Bekl. ist unrichtig. Der Kl. hat zunächst seinen Anspruch, wie von § 16 BRTV-Bau verlangt, schriftlich innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht. Die Geltendmachung erfolgte mit Einschreiben vom 15.5. …, das die Bekl. unstreitig am 18.5. … erhalten hat. Beweis: Einschreiben des Kl. vom 15.5. …, Anlage K 1 Die Bekl. hat dem Kl. mit Schreiben vom 3.6. … mitgeteilt, sie erkenne den mit Schreiben vom 15.5. … geltend gemachten Anspruch nicht an. Zwar habe der Kl. eine Zusage über die Prämie gehabt, und die betreffende Baustelle sei auch fristgerecht fertig geworden. Der Kl. habe den Anspruch je1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 3 Bei tariflichen Ausschlussfristen kann die einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung eines Anspruchs für einen bestimmten Zeitraum ausreichend sein, um auch künftige Ansprüche vor dem Verfall zu schützen, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann (BAG v. 19.2.2014, NZA-RR 2014, 386; v. 16.1.2013, NZA 2013, 975).

544 Diller

M 12.5

Vergütung

Kap. 12

doch nicht unter Wahrung der Frist des § 16 BRTV-Bau geltend gemacht. Er habe in dem Schreiben vom 15.5. … nur pauschal „Zahlung von Prämie wegen U-Bahnhof …“ verlangt, den Anspruch aber nicht beziffert. Beweis: Schreiben der Bekl. vom 3.6. …, Anlage K 2 Die Bekl. übersieht, dass die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen nicht voraussetzt, dass der Anspruch summenmäßig beziffert wird, wenn der Gegenseite klar ist, um welche Forderung es geht und wie sich die Forderung berechnet (BAG v. 16.6.1976, AP Nr. 56 zu § 4 TVG Ausschlussfrist). So lag es hier.4 Da eine erneute mündliche außergerichtliche Geltendmachung der Forderung erfolglos blieb, ist Klage geboten.5 Die zweistufige Ausschlussfrist des § 16 BRTV-Bau verlangt, dass binnen zwei Monaten nach schriftlicher Ablehnung eines Anspruchs Klage erhoben wird. Die schriftliche Ablehnung des Anspruchs erfolgte mit dem Schreiben der Bekl. vom 3.6. …, so dass die Klagefrist gewahrt ist. … (Unterschrift)6 4 Da Ausschlussfristen von Amts wegen zu beachten sind (BAG v. 13.5.1970, AP Nr. 56 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers), muss der Kläger in der Klageschrift zur Einhaltung der Ausschlussfrist(en) vortragen. Sonst ist die Klage unschlüssig. 5 Zur Wirksamkeit von (zweistufigen) Ausschlussfristen s. die Erläuterungen in M 2.1a zu § 10. 6 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

M 12.5

Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage2 und beantragen: 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot zwischen Männern und Frauen ergibt sich aus §§ 1, 7 AGG. Das Gebot, Männern und Frauen für gleiche Arbeit gleiche Vergütung zu zahlen, ergibt sich aus Art. 157 AEUV. In Deutschland war es lange Zeit in § 612 Abs. 3 BGB aF verankert. Erstaunlicherweise enthält das AGG, das per 18.8.2006 §§ 611a ff. BGB aF und damit auch § 612 Abs. 3 BGB ersetzt hat, keine entsprechende ausdrückliche Norm mehr. Man kann deshalb das Gebot der Lohngleichheit von Mann und Frau nur mittelbar aus dem AGG ableiten. Das AGG verbietet in § 3 zunächst eine unmittelbare Diskriminierung. Darunter versteht man eine Diskriminierung, die unmittelbar an das Geschlecht anknüpft oder an Merkmale, die regelmäßig nur von Personen eines Geschlechts erfüllt werden. Eine unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung ist heute praktisch nur noch bei Einstellung und Beförderung anzutreffen, aber nicht mehr bei der Vergütung. In diesem Bereich hat jedoch die „mittelbare Diskriminierung“ (§ 3 Abs. 2 AGG) eine große Rolle erlangt. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern bevorzugt oder benachteiligt, durch diese Regelung wesentlich mehr Personen des einen als des anderen Geschlechts betroffen werden, und die Benachteiligung oder Bevorzugung mit dem Geschlecht oder der Geschlechterrolle erklärbar ist. Wichtig bei der Klage auf Vergütungszahlung ist die Beweislastumkehr nach § 22 AGG. Nach st. Rspr. des EuGH (v. 17.10.1989 – Rs. C109/88, NZA 1990, 772) und des BAG (v. 23.9.1992, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Diskriminierung) ist eine Klage auf Zahlung einer höheren Vergütung wegen mittelbarer Geschlechtsdiskriminierung bereits dann erfolgreich, wenn männliche und weibliche Arbeitnehmer mit im Wesentlichen gleicher Arbeit beschäftigt sind, der Arbeitgeber die männlichen Arbeitnehmer im Durchschnitt erheblich höher bezahlt, und die höhere Entlohnung der männlichen Arbeitnehmer nicht durch Gründe gerechtfertigt ist, die nicht auf

Diller

545

Kap. 12

Vergütung

M 12.5

1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem3 … an die Klägerin zu zahlen.4 2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin künftig Anspruch auf Vergütung nach der innerbetrieblichen Vergütungsgruppe V der Beklagten hat.5

Begründung: Mit der Klage macht die Kl. den Unterschiedsbetrag zwischen den innerbetrieblichen Vergütungsgruppen IV und V für den Monat … geltend. Die Bekl. hat die Kl. in Vergütungsgruppe IV eingruppiert. Die Kl. ist der Auffassung, dass sie (mindestens) in Vergütungsgruppe V einzugruppieren wäre. Die Kl. ist bei der Bekl. im Lager tätig. Neben ihr sind ca. 100 weitere Mitarbeiter im Lager tätig, zur Hälfte Männer und Frauen. Alle verrichten im Wesentlichen die gleiche Arbeit. Die Vergütung erfolgt bei der Bekl. anhand eines innerbetrieblichen Vergütungssystems. Mindestens 75 % der männlichen Lagerarbeiter sind in die Vergütungsgruppen V und höher eingruppiert. Dagegen sind nur ca. 10 % der im Lager beschäftigten Frauen in den Vergütungsgruppen V oder höher eingruppiert. Beweis: Zeugnis des Personalleiters …, zu laden über die Bekl. Ein Grund für die Zahlung einer höheren Vergütung an die männlichen Lagerarbeiter ist nicht ersichtlich, da alle Lagerarbeiter im Wesentlichen die gleiche Tätigkeit verrichten. Es ist deshalb zu vermuten, dass die Kl. – wie die übrigen weiblichen Lagerarbeiterinnen – wegen ihres Geschlechts benachteiligt wird, was gegen §§ 1, 3, 7 AGG verstößt. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das AGG ist ein Anspruch der benachteiligten Arbeitnehmer auf diejenigen Leistungen, die der bevorzugten Gruppe gewährt werden. Folglich steht der Kl. Bezahlung mindestens nach der Vergütungsgruppe V zu, so dass sie Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen Vergütungsgruppe IV und V hat. Dieser Anspruch wird für die vergangenen Monate … bis … mit der Leistungsklage Ziff. 1 geltend gemacht. Die Feststellungsklage Ziff. 2 richtet sich auf die künftigen Differenzbeträge. Die Zwei-Monats-Frist zur Geltendmachung nach § 15 Abs. 4 AGG ist eingehalten (wird ausgeführt).6

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6

das Geschlecht bezogen sind. Die Beweislastumkehr des § 22 AGG tritt bereits dann ein, wenn die Zahlenverhältnisse auf eine ungleiche Behandlung der Geschlechter schließen lassen und die Kriterien für die Entlohnungspraxis des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer nicht durchschaubar sind. Es ist dann Sache des Arbeitgebers darzulegen, dass die unterschiedliche Vergütung auf nicht geschlechtsspezifischen Gründen beruht. In den meisten Eingruppierungsfällen fehlt es an einem Verschulden des Arbeitgebers für die fehlerhafte Eingruppierung, so dass Verzugszinsen nicht geltend gemacht werden können und nur die Zinsen seit Rechtshängigkeit zugesprochen werden. Wegen des fehlenden Kostenrisikos schadet es aber nichts, Verzugszinsen geltend zu machen (s. M 101.3 Fn. 7, dazu BAG v. 11.6.1997 – 10 AZR 613/96, DB 1998, 86; Diller, FA 2004, 300). Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. Nach hA ist die sog. Eingruppierungsfeststellungsklage ausreichend, so dass auf einen gesonderten Zahlungsantrag (hier Klagantrag Ziff. 1) an sich verzichtet werden kann. Das besondere Feststellungsinteresse wird von der Rspr. auch in der Privatwirtschaft mittlerweile grundlegend bejaht (BAG v. 20.6.1984 – 4 AZR 208/82, BB 1985, 54). Die Kombination mit einem Zahlungsantrag hat allerdings den Vorteil, dass nach einem stattgebenden Urteil erster Instanz für die Zeit bis dahin vollstreckt werden kann. Die in der Praxis nicht selten anzutreffenden Leistungsklagen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, den Arbeitnehmer in eine bestimmte Vergütungsgruppe „einzugruppieren“, sind sinnlos. Der Vergütungsanspruch entsteht nicht aufgrund eines bestimmten Handelns des Arbeitgebers, sondern ergibt sich schlicht aus den tariflichen Bestimmungen („Tarifautomatik“, BAG v. 16.10.1974 – 4 AZR 1/74, AP Nr. 81 zu §§ 22, 23 BAT). Wichtig: § 15 Abs. 4 AGG sieht eine Geltendmachungsfrist von zwei Monaten für Ansprüche aus dem AGG vor, flankiert wird die Regelung durch die zusätzliche Klagefrist nach Anspruchsablehnung gem. § 61b ArbGG. Da sich das Gebot der Lohngleichheit von Mann und Frau nicht aus dem AGG ergibt, ist fraglich, ob §§ 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 2 ArbGG auch hier gelten (das wäre insbesondere zu bejahen, wenn man den Anspruch auf die Lohndifferenz als Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG versteht; aA LAG Rheinland-Pfalz v. 13.5.2015, NZARR 2015, 517!). Vorsorglich sollten die Fristen auf jeden Fall eingehalten werden! Die Fristen sind europarechtskonform (EuGH v. 8.7.2010 – Rs. C-246/09, NZA 2010, 869 – Bulicke; BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012, 1211.

546

Diller

M 12.6

Kap. 12

Vergütung

… (Unterschrift)7 7 Hinsichtlich des Streitwerts gilt § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG, der dreijährige Unterschiedsbetrag zwischen der aktuellen und der begehrten Tarifgruppe ist anzusetzen. Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge in Streitigkeiten von den Arbeitsgerichten (anders beim Landgericht!) dem Streitwert nicht hinzugerechnet. Angesichts des klaren Wortlauts des § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG ist für einen Abschlag beim Streitwert kein Raum.

M 12.6

Klage im Urkundenprozess auf Geschäftsführervergütung nach fristloser Kündigung

An das Landgericht/Kammer für Handelssachen1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage im Urkundenprozess3 und beantragen: 1 Der Kläger hat die Wahl, ob er vor der Zivilkammer oder der Kammer für Handelssachen (vgl. § 95 GVG) Klage erhebt. Die KfH ist regelmäßig sachkundiger, aber nicht unbedingt schneller. 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist der Urkundenprozess gem. § 46 Abs. 2 ArbGG ausgeschlossen. Für Arbeitnehmer besteht daher die Möglichkeit nicht, nach einer Kündigung Gehaltsansprüche im Wege des Urkundenprozesses einzuklagen. Umso bedeutsamer ist diese Möglichkeit bei der Kündigung von Geschäftsführern oder Vorständen, da diese nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht unter das ArbGG fallen. Praxistipp: Bei Streitigkeiten um die wirksame Kündigung von Organmitgliedern sind Urkundenklagen auf Vergütungsfortzahlung eine beliebte taktische Waffe (dazu Fröhlich, ArbRB 2007, 282). Sie haben eine gewisse „Schockwirkung“, weil das Verfahren recht schnell geht und das Unternehmen praktisch wehrlos ist (s. Fn. 8). Das erhöht mitunter die Vergleichsbereitschaft auf Seiten des Unternehmens ganz erheblich (ausf. zu den taktischen Erwägungen Pesch, NZA 2002, 957). Eine Aussetzung der Gehaltsklage nach § 148 ZPO, bis über die Wirksamkeit der Kündigung entschieden ist, kommt regelmäßig nicht in Betracht, weil dies der Beschleunigungswirkung des Urkundenverfahrens diametral zuwiderlaufen würde (Seidel/Schönhöft, GmbHR 2005, 1113 mwN). Oft wird die Urkundsklage auch deshalb erhoben, um dem Organmitglied während eines langen Kündigungsrechtsstreits Liquidität zu verschaffen. Dieses Ziel kann allerdings regelmäßig nicht erreicht werden, da auch bei einem Urteil im Urkundenprozess das Unternehmen die Abwendungsbefugnis des § 711 ZPO hat und dadurch die Vollstreckung vereiteln kann. Zwar kann das Organmitglied die Abwendungsbefugnis gem. § 711 Satz 1 ZPO durchkreuzen, indem es selbst Sicherheit leistet. Aber dazu braucht es wiederum Liquidität, zumal die Sicherheitsleistung nicht nur in Höhe der Nettovergütung erfolgen muss, sondern in Höhe der Bruttovergütung zzgl. der Verfahrenskosten. Wenn nicht gerade das Eigenheim mit einer Hypothek belastet werden soll, bringt deshalb die vorläufige Vollstreckung des erstinstanzlichen Urkundstitels gar nichts (s. auch Fn. 10). Überdies behandeln viele Landgerichte eine Urkundenklage keineswegs zügiger als normale Klagen. Praxistipp: Legt das Unternehmen mangels Erfolgsaussichten keine Berufung gegen das erstinstanzliche Vorbehaltsurteil ein, wird das Urteil rechtskräftig und ist deshalb – trotz des bestehenbleibenden Vorbehalts! – ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In einer Aufsehen erregenden Entscheidung hat das OLG Düsseldorf (v. 2.3.2005 – I-3 U 3/05, GmbHR 2005, 991 m. ablehnender Anm. Lelley) eine Urkundenklage für unzulässig gehalten, wenn sie auf Zahlung eines Bruttobetrages gerichtet sei. Das Urteil betraf eine Klage auf Zahlung einer Abfindung, würde aber für Gehaltsklagen entsprechend gelten. Das OLG war der Auffassung, dass ein Urkundenprozess voraussetze, dass sich die tatsächlich auszuzahlenden Beträge aus einer Urkunde ergäben, was nicht der Fall sei, wenn die gesetzlichen Abzüge erst durch steuerliche Berechnungen ermittelt werden müssten.

Diller

547

Kap. 12

Vergütung

M 12.6

1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz4 seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.5 2. Die Beklagte wird verurteilt, künftig an jedem Monatsersten, beginnend mit dem 1.7. …, an den Kläger Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.6

Begründung: Mit der Klage verfolgt der Kl. im Urkundenprozess seine Vergütungsansprüche gegen die Bekl. für die Monate Januar und Februar … Zwischen den Parteien besteht ein Anstellungsvertrag vom … Der Vertrag war gemäß seinem § 12 auf drei Jahre unkündbar ab dem 1.7. … abgeschlossen, also bis zum 30.6. … Dem Kl. war eine Brutto-Monatsvergütung von Euro … zugesagt worden (§ 2 des Vertrages). Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1 Die Bekl. hat mit Schreiben vom 31.12. …, dem Kl. am gleichen Tage übergeben, den Anstellungsvertrag aus wichtigem Grund fristlos gekündigt und den Kl. als Geschäftsführer abberufen. Der Kl. hat mit Schreiben vom gleichen Tag der Kündigung widersprochen und seine Dienste angeboten, so dass die Bekl. sich in Annahmeverzug (§ 615 BGB) befindet. Beweis: Kündigungsschreiben der Bekl. vom 31.12. … sowie Schreiben des Kl. vom 3.1. …, Anlagen K 2 und K 3 Die Klage ist im Urkundenprozess zulässig und begründet. Der Anspruch des Kl. auf die eingeklagte Monatsvergütung für die Monate Januar und Februar … ergibt sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Anstellungsvertrag. Gemäß § 592 Satz 1 ZPO kann ein Anspruch, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand hat, im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Das ist vorliegend der Fall. Der Anspruch des Kl. ergibt sich nach Grund und Höhe aus dem Vertrag. Das Original des Vertrages werden wir im Termin vorlegen.7 Die fristlose Kündigung war unberechtigt. Wichtige Gründe im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten, lagen nicht vor. Selbst wenn wichtige Gründe für eine

4

5 6 7

Das Urteil entspricht nicht der Spruchpraxis anderer OLG-Bezirke, zuletzt zB OLG Celle v. 11.3.2009 – 9 U 138/08, ZIP 2009, 2172. Gemäß § 593 ZPO muss die Klageschrift die ausdrückliche Erklärung enthalten, dass im Urkundenprozess geklagt wird. Die allgemeinen Verzugszinsen betragen gem. § 288 Abs. 1 BGB 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der EZB. Bei Rechtsgeschäften, bei denen ein „Verbraucher“ iSd. § 13 BGB nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz 9 Prozentpunkte statt 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Nach der Rspr. des BAG sind Arbeitnehmer „Verbraucher“ iSd. § 13 BGB, so dass bei Gehaltsklagen von Arbeitnehmern stets nur 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz verlangt werden können (ausf. M 101.3 Fn. 5–7 mwN). Dasselbe gilt nach Auffassung des BGH auch für Organmitglieder (BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, NJW 2006, 431). Ebenso wie bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten bedarf es auch im Prozess vor den ordentlichen Gerichten keiner Anträge zu den Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit, da über beide von Amts wegen zu entscheiden ist S. M 101.3 Fn. 2. Zur Klage auf künftige Vergütung s. ausf. M 12.29. Gemäß § 593 Abs. 2 ZPO müssen der Klageschrift Kopien der Urkunden beigefügt werden, auf die der Kl. sich stützt. Wichtig: Die Kopien müssen grundsätzlich nicht beglaubigt sein! § 593 Abs. 2 ZPO soll es der Gegenseite ermöglichen, sich auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten. Bestreitet der Bekl. die Tatsachen, die der Kl. durch Urkunden belegen will, muss im Termin die Beweisaufnahme allerdings anhand der Originale erfolgen (§ 595 Abs. 3 ZPO). Abschriften reichen dann nicht, auch nicht beglaubigte. Wichtig: Nach verbreiteter Auffassung (OLG Frankfurt v. 31.8.1995 – 16 U 111/94; OLG Düsseldorf v. 21.1.1988 – 10 U 181/87, AnwBl. 1988, 411) muss allerdings mindestens eine Urkunde im Original oder in beglaubigter Kopie mit der Klageschrift vorgelegt werden, ansonsten sei die Klage im Urkundenprozess nicht statthaft.

548

Diller

M 12.7.2

Vergütung

Kap. 12

fristlose Kündigung vorlägen, könnte die Bekl. diese im vorliegenden Verfahren den eingeklagten Ansprüchen nicht entgegenhalten, da diese Einwendungen nicht durch Urkunden bewiesen werden könnten.8 Die Klage auf künftige Vergütungszahlung (Antrag Ziff. 2) ist neben der Klage auf rückständige Vergütung (Antrag Ziff. 1) zulässig (wird ausgeführt).9 Da die Angelegenheit für den Kl. existenzielle Bedeutung hat, bitten wir um kurzfristige Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung. Gerichtskosten zahlen wir per Verrechnungsscheck ein.10 … (Unterschrift)11 8 Kündigungsgründe kann das Unternehmen so gut wie nie durch Urkunden beweisen. Zwar mögen einzelne Urkunden existieren, die die Kündigungsvorwürfe stützen (zB Auszahlungsbelege bei Unterschlagungen). Regelmäßig werden sich aber nur einzelne Aspekte des Kündigungsvorwurfs durch Urkunden belegen lassen, nur sehr selten dagegen der gesamte Vorwurf in vollem Umfang. Deswegen ist gegen Gehaltsklagen im Urkundenprozess praktisch „kein Kraut gewachsen“. 9 S. im Einzelnen M 12.29. 10 Ein stattgebendes Urteil ist gem. § 708 Nr. 4 ZPO ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Allerdings hat das Gericht gem. § 711 ZPO auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Zu den daraus folgenden praktischen Problemen s. Fn. 3. Obsiegt der Kl. im Urkundenverfahren, schließt sich das Nachverfahren gem. §§ 599 f. ZPO an, es sei denn der Bekl. widerspricht dem eingeklagten Anspruch nicht. Das Nachverfahren folgt den allgemeinen Prozessgrundsätzen der ZPO für das ordentliche Verfahren. 11 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

12.7 Zulagen

M 12.7.1

Übertarifliche Zulage

Herr/Frau … erhält neben seinem Tariflohn/seinem Tarifgehalt eine übertarifliche Zulage in Höhe von Euro …/h/Woche/Monat.1 1 Die übertarifliche Zulage wird bei Tariflohnvereinbarung ohne weitere Voraussetzungen über den Tariflohn hinaus gezahlt. Sie ist im Zweifel bei Tariflohnerhöhungen anrechenbar (BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 52; v. 23.9.2009, NJOZ 2010, 799, 800). Vgl. im Einzelnen Rz. 9 f.

M 12.7.2

Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalt für die übertarifliche Zulage

(1) Der Arbeitgeber behält sich vor, die übertarifliche Zulage bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen.1 Sachliche Gründe sind2 1 Der Widerrufsvorbehalt muss insbesondere die sachlichen Gründe für einen möglichen Widerruf benennen. Vgl. ausf. und zu den weiteren Anforderungen Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. und M 2.2. Ziff. 4 Abs. 2 m. Anm. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist hingegen nicht möglich, wenn die Zulage laufend neben dem eigentlichen Tariflohn gezahlt wird, vgl. Rz. 6. 2 Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht mehr aus, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460 sowie Rz. 7. Aus der Klausel muss in groben Zügen hervorgehen, in welchen Fällen ein Widerruf möglich sein soll (BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10,

Diller/Lingemann

549

Kap. 12

Vergütung

M 12.7.3

– wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere3 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … im letzten Geschäftsjahr), – eine um mindestens … % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin über einen Zeitraum von … Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin. Das tarifliche Entgelt und das gesetzliche Mindestentgelt bleiben dabei unangetastet. Der widerrufliche Teil umfasst höchstens 24,5 % der Gesamtvergütung.4 (2) Die übertarifliche Zulage kann auf den Tariflohn angerechnet werden5, wenn sich dieser infolge von Tariferhöhungen oder infolge einer Umgruppierung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin erhöht. Dasselbe gilt bei einer Verkürzung der Arbeitszeit.6

3

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5

6

NZA 2012, 616, Rz. 16; v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796, Rz. 13; v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459; BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 f.; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536, m. Anm. Lingemann). Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). Nur wenn der widerrufliche Teil im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, muss er unter 25 % liegen, ansonsten kann er sich auf bis zu 30 % erhöhen, BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann; vgl. auch; Maaß, ArbRAktuell 2011, 59; Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114, 116; Lunk/Leder, NJW 2015, 3766, 3767. Der Anrechnungsvorbehalt ist grundsätzlich AGB-fest, vgl. Rz. 9, Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sind jedoch zu beachten, es sei denn, die Anrechnung erfolgt vollständig und gleichmäßig, vgl. Rz. 10. Die Anrechenbarkeit in diesen Fällen folgt bereits aus der Benennung der Zulage als „übertariflich“ (BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49, 52). Dennoch kann zur Klarstellung ein ausdrücklicher Anrechnungsvorbehalt aufgenommen werden. Vgl. auch Kap. 2, Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f.

M 12.7.3

Erschwerniszulage

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält, solange er/sie in der Gießerei tätig ist, neben seinem/ ihrem Lohn eine Erschwerniszulage in Höhe von Euro …/h/Woche/Monat.1 1 Auf die Erschwerniszulage können Tariferhöhungen nur angerechnet werden, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist (BAG v. 23.3.1993, AP BetrVG 1972 § 87 Tarifvorrang Nr. 26). Der Widerruf der Erschwerniszulage ist nur zulässig, wenn die Erschwernis wegfällt, der Wegfall der Erschwernis als Sachgrund in der Widerrufsklausel aufgeführt ist und die weiteren Voraussetzungen einer wirksamen Widerrufsklausel erfüllt sind (vgl. Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.).

550 Lingemann

M 12.7.7

M 12.7.4

Vergütung

Kap. 12

Wechselschichtzulage

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält, solange er/sie in Wechselschicht tätig ist, neben dem Lohn eine Zulage in Höhe von Euro …/h/Woche/Monat.1 1 Auch der Widerruf einer Wechselschichtzulage dürfte nur unter den allgemeinen Voraussetzungen möglich sein, vgl. Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.

M 12.7.5

Auslandszulage

(1) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält für die Dauer seiner/ihrer Tätigkeit in … neben seiner/ihrer Grundvergütung eine Auslandszulage in Höhe von 50 % des Inlandsgehalts. Diese Auslandszulage deckt alle vorhersehbaren zusätzlichen Erschwernisse, die mit dem Auslandsaufenthalt verbunden sind, ab.1 (2) Der Anspruch auf diese Zulage entfällt mit dem Ende des Monats, in dem der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nach Beendigung seines/ihres Aufenthaltes wieder in Deutschland ist. 1 Vgl. weitere Gestaltungsvorschläge in M 11.1. § 3 Abs. 1 und 2.

M 12.7.6

Leistungszulage

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält, solange die Leistung seiner/ihrer Schicht … Einheiten/ Tag übersteigt, eine Leistungszulage in Höhe von Euro …/h/Woche/Monat.

M 12.7.7

Sozialzulage mit Widerrufsvorbehalt

(1) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält für jedes unterhaltsberechtigte Kind eine Sozialzulage in Höhe von Euro …/h/Woche/Monat. Der Umfang seiner/ihrer Unterhaltsverpflichtung richtet sich nach der Eintragung auf seiner/ihrer Lohnsteuerkarte. (2) Die Sozialzulage kann auf den Tariflohn angerechnet werden1, wenn sich dieser in Folge von Tariferhöhungen oder in Folge einer Umgruppierung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin erhöht. Dasselbe gilt bei einer Verkürzung der Arbeitszeit.2 1 Nach Geltung der AGB-Kontrolle für Formulararbeitsverträge sind Freiwilligkeitsvorbehalte jedenfalls für laufende Vergütungsleistungen – dazu zählen auch laufend gewährte übertarifliche Zulagen und Zuschläge – nicht mehr wirksam (BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, DB 2007, 1757 m. Anm. Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754 ff.; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310, 311; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 83; zum Begriff des laufenden Entgelts vgl. Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2309 f.). Ausdrücklich zulässig sind nach der Entscheidung des BAG v. 25.4.2007 aber noch Widerrufs- und/oder Anrechnungsvorbehalte (Formulierungsvorschläge unter (2) sowie unter (3) des Musters). Siehe im Einzelnen Rz. 6, Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. Zu einmalig gewährten Sonderzahlungen bzw. Gratifikationen vgl. unten M 12.15.1. 2 Vgl. Rz. 9 f. sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Anrechnungsvorbehalt“, Rz. 87 f.

Lingemann

551

Kap. 12

Vergütung

M 12.8.1

(3) Der Arbeitgeber behält sich vor, die Sozialzulage bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind3 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere4 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … im letzten Geschäftsjahr), – eine um mindestens … % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin über einen Zeitraum von … Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin. Das tarifliche Entgelt und das gesetzliche Mindestentgelt bleiben dabei unangetastet. Der widerrufliche Teil umfasst höchstens 24,5 % der Gesamtvergütung.5 3 Vgl. hierzu die Hinweise in M 12.7.2 Ziff. 1. 4 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). 5 Vgl. Anm. zu M 12.7.2 Ziff. 1.

M 12.8.1

Überstundenzuschläge

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin1 erhält für jede auf Anordnung2 des Arbeitgebers geleistete Über- oder Mehrarbeitsstunde3 einen Zuschlag von 25 % zu dem Arbeitsentgelt. 1 Nach § 17 Abs. 3 BBiG ist eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Darüber hinaus besteht ohne gesonderte vertragliche Grundlage kein Anspruch auf Zuschläge für Überstunden oder Mehrarbeit; auch ein vereinbarter Freizeitausgleich erhöht sich dann nicht. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass ein bestimmter Überstundenzuschlag im Betrieb üblich ist. Der Anspruch des Arbeitnehmers ergibt sich dann aus § 612 BGB. Zur pauschalen Abgeltung von Überstunden vgl. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Pauschalabgeltung“, Rz. 118 und „Überstundenklausel“, Rz. 127. 2 Der Anspruch auf Überstundenvergütung und -zuschlag besteht auch, wenn der Arbeitgeber die Überstundenleistung zwar nicht angeordnet, wohl aber gebilligt hat (vgl. BAG v. 15.6.1961, AP ZPO § 253 Nr. 7; v. 17.4.2002 – 5 AZR 644/00, NZA 2002, 1340, 1344), wobei streitig ist, ob schon die bloße Kenntnis als Billigung ausreicht. Die Beweislast für die Anordnung oder Billigung trägt der Arbeitnehmer (BAG v. 15.6.1961, AP ZPO § 253 Nr. 7), allerdings kommen ihm Beweiserleichterungen zugute (BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939). Dem Betriebsrat steht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei allen mit der Anordnung und Lage von Überstunden verknüpften Fragen zu. Voraussetzung ist zwar ein kollektiver Tatbestand. Dieser wird bei betrieblicher Veranlassung jedoch regelmäßig bejaht und scheitert letztlich nur, wenn es um die Berücksichtigung individueller Wünsche einzelner Arbeitnehmer geht (vgl. BAG v. 11.11.1986 – 1 ABR 17/85, DB 1987, 336). Auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer kommt es nicht an (BAG v. 11.11.1986, DB 1987, 336). 3 Die Begriffe werden weitgehend synonym verwendet, nachdem die Differenzierung im früheren § 15 AZO mit Inkrafttreten des ArbZG entfallen ist. Nach traditioneller Diktion bedeutet Mehrarbeit die Überschreitung der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit, Überstunden überschreiten demgegenüber nur die Arbeitszeit, die regelmäßig (gem. Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) im Betrieb gilt.

552 Lingemann

M 12.9

M 12.8.2

Vergütung

Kap. 12

Nachtarbeits-, Sonn- und Feiertagszuschläge

(1) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält Zuschläge für – Nachtarbeit in Höhe von … % pro Stunde, wobei Nachtarbeit die zwischen 23.00 und 6.00 Uhr geleistete Arbeit ist.1 – Arbeit an Sonn- und Feiertagen in Höhe von … % pro Stunde.2 – Arbeit an Samstagen in Höhe von … % pro Stunde. (2) Treffen mehrere Zuschläge zusammen, wird nur der höchste Zuschlag gezahlt. oder (2) Neben dem Nachtarbeitszuschlag wird von den weiteren Zuschlägen die Hälfte gezahlt. 1 Nachtzeit ist gem. § 2 Abs. 3 ArbZG die Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr, Nachtarbeit gem. § 2 Abs. 4 ArbZG ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst. In Tarifverträgen kann Abweichendes vereinbart werden. Gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG besteht für Nachtarbeit und gem. § 11 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 5 ArbZG für Nachtarbeit (vgl. BAG v. 11.1.2006 – 5 AZR 97/05, NZA 2006, 372) an Sonn- und Feiertagen die Verpflichtung zur Zahlung eines angemessenen Zuschlags auf das Bruttoarbeitsentgelt, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen. Angemessen ist idR. ein Zuschlag von 25 % sowie bei Dauernachtarbeit von 30 % (BAG v. 9.12.2015 – 10 AZR 423/14, NZA 2016, 426; v. 9.12.2015 – 10 AZR 156/15, NZA 2016, 1021. 2 Ein gesetzlicher Anspruch auf einen Zuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit besteht nicht, Arbeitnehmer haben nur Anspruch auf einen Ersatzruhetag gem. § 11 Abs. 3 ArbZG (BAG v. 11.1.2006 – 5 AZR 97/05, NZA 2006, 372). Ein solcher Anspruch kann aber vertraglich vereinbart werden.

M 12.9

Klage auf Überstundenvergütung

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro 200,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.3 1 Nur wenige Klagen haben vor dem Arbeitsgericht so selten Erfolg wie Klagen auf Überstundenvergütung. Die Rspr. stellt an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers außerordentlich hohe Anforderungen, die oft kaum zu erfüllen sind. Der Arbeitnehmer muss zunächst darlegen und beweisen, dass er die fraglichen Überstunden zusätzlich zu seiner Regelarbeitszeit tatsächlich erbracht hat. Der Arbeitgeber kann dies mit Nichtwissen bestreiten. Dann muss der Arbeitnehmer für jede einzelne Stunde Beweis antreten (zB durch Zeugnis seiner Arbeitskollegen). Dabei reicht es nicht aus, nur die bloße Anwesenheit im Betrieb zu beweisen (zB durch Vorlage von Stempelkarten). Vielmehr muss der Arbeitnehmer auch – bei Bestreiten des Arbeitgebers sogar für jede einzelne Stunde – darlegen und beweisen, was er in dieser Stunde gemacht hat (BAG v. 29.5.2002, EzA § 611 BGB Mehrarbeit Nr. 10). Allerdings kann in Einzelfällen eine Schätzung der angefallenen Stunden nach § 287 ZPO in Betracht kommen, wenn feststeht, dass die Arbeitsaufgabe innerhalb der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht zu erbringen war (BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 602/13, NZA 2015, 1002). 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3.

Lingemann/Diller

553

Kap. 12

Vergütung

M 12.9

Begründung: Die Bekl. ist ein metallverarbeitendes Industrieunternehmen. Der Kl. ist seit mehr als zehn Jahren bei der Bekl. als Dreher beschäftigt. Beide Parteien sind nicht tarifgebunden. Die Arbeitszeit im Betrieb beträgt kraft vertraglicher Vereinbarung wöchentlich 40 Stunden. Am 16.2. …, einem Dienstag, sprach der Vorgesetzte des Kl., der Meister A, den Kl. an seinem Arbeitsplatz an und erklärte ihm, der Auftrag für die Firma X GmbH müsse unbedingt bis Freitag, 14.00 Uhr fertig sein. Ansonsten drohe eine hohe Vertragsstrafe. Der Kl. erklärte dem Meister A, in dieser kurzen Zeit sei der Auftrag nur mit erheblichen Überstunden zu schaffen. Der Meister entgegnete, wenn Überstunden notwendig seien, dann müssten sie halt gemacht werden. Der Termin habe oberste Priorität. Beweis: Zeugnis des Meisters A, zu laden über die Bekl. Der Kl. hat üblicherweise eine tägliche Arbeitszeit von 7.00 Uhr bis 15.45 Uhr, bestehend aus acht Arbeitsstunden, einer 15-minütigen Frühstückspause und einer 30-minütigen Mittagspause. Ausweislich der als Anlagen K 1 bis K 3 beigefügten Stempelkarten für den 16., 17. und 18.2. … arbeitete der Kl. an diesen drei Tagen insgesamt acht Stunden länger als üblich, nämlich zwei Stunden am 16.2. sowie jeweils drei Stunden am 17.2. und 18.2.4 Alle acht Stunden entfielen ausschließlich auf den eiligen Auftrag, dessen Erledigung der Meister A ausdrücklich angewiesen hatte.5 Beweis: wie vor Trotz Mahnung verweigert die Bekl. die Bezahlung der acht Überstunden. Zur Begründung hat sie gemeint, geringfügige Überstunden seien üblicherweise mit dem Gehalt abgegolten. Der Meister A habe dem Kl. auch nicht ausnahmsweise die Vergütung der Überstunden ausdrücklich zugesagt. Nicht nachvollziehbar sei auch der vom Kl. geltend gemachte Überstundenzuschlag von 25 %. Die Einwendungen der Bekl. sind unerheblich. Überstunden sind zu vergüten, wenn sie im betrieblichen Interesse erfolgten und angeordnet oder zumindest betriebsnotwendig waren. Niemand ist verpflichtet, über die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus ohne Zusatzvergütung Überstunden zu leisten. Folglich hat die Bekl. zunächst die Überstunden mit dem üblichen Stundensatz des Kl. zu vergüten. Der Stundenlohn des Kl. beträgt Euro 20,–. Beweis: Gehaltsabrechnung des Kl. vom Februar …, Anlage K 4 Der Kl. hat somit zunächst Anspruch auf Überstundenvergütung von 8 × Euro 20,– = Euro 160,–. Der Kl. hat aber auch Anspruch darauf, dass die Bekl. einen Überstundenzuschlag von 25 % zahlt. Zwar sind die Parteien nicht tarifgebunden. Die Anwendung des Tarifvertrages für die Metallindustrie Baden-Württemberg ist jedoch betriebsüblich. Die Bekl. richtet sich in allen Punkten – mit Ausnahme der Arbeitszeit und der Lohnhöhe – nach den Tarifverträgen der Metallindustrie. Beweis: Zeugnis des Personalleiters B, zu laden über die Bekl. Der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Baden-Württemberg sieht einen 25%igen Überstundenzuschlag vor. Folglich hat der Kl. kraft betrieblicher Übung Anspruch auf zusätzliche Zahlung von 25 % von Euro 160,– = Euro 40,–. Euro 160,– zzgl. Euro 40,– ergeben die eingeklagten Euro 200,–. … (Unterschrift)6 4 Es reicht nicht, pauschal eine bestimmte Anzahl von Stunden geltend zu machen. Vielmehr muss jede einzelne Stunde nach Tag und Uhrzeit separat aufgeführt sein (BAG v. 5.9.1995 – 3 AZR 58/95, NZA 1996, 266). Die Darlegungslast kann nicht durch Stufenklage mit vorgeschaltetem Auskunftsanspruch (s. M 12.12) umgangen werden (LAG Köln v. 3.6.2013 – 1 Ta 92/13, juris). 5 Der Arbeitnehmer muss – bei Bestreiten des Arbeitgebers sogar für jede einzelne Stunde – darlegen, dass die Überstunden auf Anordnung oder zumindest mit Duldung oder Billigung des Arbeitgebers geleistet worden sind oder dass jedenfalls die Arbeitsaufgabe bewusst so ausgestaltet war, dass sie in der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht zu schaffen war (BAG v. 15.6.1961, AP Nr. 7 zu § 253 ZPO; v. 25.11.1993 – 2 AZR 517/93, NZA 1994, 837; zur Darlegungs- und Beweislast zuletzt BAG v. 10.4.2013 – 5 AZR 122/12, NZA 2013, 1100). Letzteres ist häufig unmöglich. 6 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

554 Diller

M 12.10.1

Kap. 12

Vergütung

12.10 Tantieme

M 12.10.1

Leitender Angestellter oder Geschäftsführer einer GmbH

Herr/Frau … erhält1 über die Bezüge gemäß § … hinaus a) eine jährliche Tantieme, die der Arbeitgeber/die Gesellschafterversammlung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ergebnisse des Geschäftsjahres nach Feststellung des Jahresabschlusses festsetzt.2 oder a) eine jährliche Tantieme in Höhe von … % des Jahresüberschusses nach Handelsbilanz3 vor Abzug der Tantiemen für die (leitenden Angestellten und) Geschäftsführer. oder a) eine jährliche Tantieme in Höhe von … % des Gewinns vor Steuern (EBT)/des Gewinns vor Steuern und Zinsen (EBIT) und vor Abzug der Tantiemen für die (leitenden Angestellten und) Geschäftsführer. oder a) eine Tantieme von … % des Jahresgewinns vor Abzug der Tantieme für die (leitenden Angestellten und) Geschäftsführer und der Körperschaftsteuer sowie nach Abzug der Gewerbesteuer und nach Verrechnung mit Verlustvorträgen.4 Rückstellungen, steuerliche Sonderabschreibungen oder sonstige Steuervergünstigungen, welche den Gewinn unmittelbar beeinflussen und betriebswirtschaftlich nicht geboten sind, mindern die Berechnungsgrundlage nicht. Ebenso bleibt die spätere gewinnerhöhende Auflösung von Rücklagen oder anderen Bilanz-Positionen, deren Bildung auf die Berechnungsgrundlage keinen Einfluss hatte, unberücksichtigt.5 evtl. Für die Zeit bis zum … wird eine Tantieme von Euro …/Jahr, zahlbar jeweils am …, garantiert.6 b) Die Tantieme wird mit Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. 1 Die Formulierung „erhält“ begründet nach Auffassung des BAG einen Anspruch auf die Tantieme (BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1177; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 576; ähnlich der Vorschlag bei Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071, 1072; vgl. hierzu Rz. 8), was idR auch gewollt ist. Wird diese Vorgehensweise gewählt, so kann die Tantieme nicht gleichzeitig wirksam unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden. Zum Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen vgl. M 12.15.1. 2 Entspricht die Bestimmung der Ermessenstantieme durch die Gesellschaft nicht der Billigkeit, so kann gerichtlich eine andere Höhe bestimmt werden, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Zur Bestimmung durch Urteil nach § 315 BGB vgl. BGH v. 9.5.1994, DB 1994, 1351. Diese schon bisher gebräuchliche Vereinbarung einer Ermessenstantieme dürfte der AGB-Kontrolle standhalten, vgl. BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rz. 32, 40; v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013, Rz. 13, 29; v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10, NZA 2012, 450, Rz. 25; LAG BW v. 14.1.2013, NZA-RR 2013, 118. Vgl. Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65, 67; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. Will man hier Risiken vermeiden, müsste man von einer Ermessentantieme absehen und nur aus bestimmten Bezugsgrößen fest berechenbare Tantiemen vereinbaren. 3 Bezugsgröße der Tantieme ist häufig der Gewinn bzw. Jahresüberschuss vor Steuern („EBT“) oder vor Zinsen und Steuern („EBIT“) wie in den nächsten beiden Varianten dargestellt. Zulässig, jedoch die Ausnahme ist auch eine am Umsatz orientierte Tantieme. Zu Einzelheiten vgl. M 4.1a § 4 Abs. 1 mit Anm. 4 Ohne gesonderte Vereinbarung können Verluste aus den Vorjahren nicht gewinnmindernd bei der Berechnung der Tantieme berücksichtigt werden (Einzelheiten bei ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 499; Preis/Greiner, Der Arbeitsvertrag, 5. Aufl. 2015, II A 70, Rz. 59 ff.). Vgl. auch Hümmerich/Reufels/Mengel, Gestaltung von Arbeitsverträgen, Nr. 21, Rz. 1872. 5 Vgl. zu Einzelheiten und Alternativen M 4.1a § 4 Abs. 1 mit Anm. 6 Eine garantierte Tantieme ist in Turn-around-Situationen empfehlenswert, allerdings nur, wie im Muster, zeitlich befristet. Vgl. hierzu auch Kutsch/Kersting, BB 2011, 373, 375.

Lingemann

555

Kap. 12

Vergütung

M 12.10.2

oder b) Die Tantieme wird am Ende des Monats fällig, in dem der Jahresabschluss festgestellt wird. c) Endet der Vertrag im Laufe des Jahres, so wird die Tantieme pro rata temporis gezahlt. Kündigt die Gesellschaft den Anstellungsvertrag jedoch aus wichtigem Grund, den Herr/Frau … zu vertreten hat,7 so entfällt für das Jahr, in dem die Kündigung wirksam wird, der Anspruch auf die Tantieme.8 7 Jedenfalls in Formulararbeitsverträgen sollte diese Einschränkung aufgenommen werden; andernfalls hält die Klausel der Inhaltskontrolle unabhängig von der Höhe der Gratifikation gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB möglicherweise nicht mehr stand (so das LAG München v. 26.5.2009 – 6 Sa 1135/08, AE 2009, 186 unter Hinweis auf BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; für Sonderzahlungen, die 25 % der Gesamtvergütung übersteigen, auch BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, 43; v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783, 784; hierzu auch Rz. 15 sowie Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 512. Nach der Rspr. des BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221, kann die Auszahlung von Gratifikationen, die nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, allerdings uneingeschränkt an das ungekündigte Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt geknüpft werden, unabhängig davon, in wessen Sphäre der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt. Zu Einzelheiten s. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. 8 Zu Alternativen vgl. M 4.1a § 4 Abs. 1.

M 12.10.2

Ermessenstantieme für einen leitenden Angestellten

Herr/Frau … erhält eine Tantieme, deren Höhe im billigen Ermessen der Gesellschaft liegt.1 Sie kommt nur zur Auszahlung, wenn die Gesellschaft ihren Aktionären eine Dividende ausschüttet und Herr/Frau … sich zum Zeitpunkt der Fälligkeit im ungekündigten Dienstverhältnis befindet.2 1 Das BAG beurteilt Vergütungen, deren Höhe zT in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird, deutlich weniger kritisch als Freiwilligkeitsvorbehalte, vgl. detailliert Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65, 67; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. Das gilt sowohl für Ermessentantiemen (BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/ 13, NZA 2014, 595, Rz. 32, 40; v. 17.4.2013, NJOZ 2013, 1705; v. 14.11.2012, NJW Spezial 2013, 82 zu einer sehr aufwändigen Partnerregelung in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/ 10, NZA 2012, 450, Rz. 25; v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499 – dazu nachfolgendes Muster) als auch Ermessengratifikationen (BAG v. 16.1.2013, NJW 2013, 100 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180 und M 12.16). 2 Formulierung wie in BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499. Das BAG hat diese Formulierung gebilligt, sie sei weder intransparent noch stelle sie eine unangemessene Benachteiligung dar. Auch die Tatsache, dass die Gesellschaft mehrere Jahre lang den Zahlungen keinen Hinweis auf den Dividendenvorbehalt beigefügt hatte, hielt der 10. Senat für unschädlich, die Mitteilung der Anspruchsvoraussetzung bei einer Leistung sei rechtsgeschäftlich ohne Bedeutung. Insofern ist genau zu differenzieren zwischen einem Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeweils bei jeder Zahlung erklärt werden muss und einer solchen rechtsgeschäftlichen Bedingung, bei der die Aufnahme im Vertrag ausreicht (vgl. dazu BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 und nachfolgend BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992; v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013).

556 Lingemann

M 12.10.3

M 12.10.3

Vergütung

Kap. 12

Klage auf Ermessenstantieme/Ermessensbonus

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Euro …2 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.2. …3 zu zahlen.4

Begründung: Der Kl. war bei der Bekl. seit über zehn Jahren im Bereich Investmentbanking tätig, er ist aufgrund fristgemäßer Eigenkündigung zum 31.12. des vergangenen Jahres ausgeschieden. § 4 seines Anstellungsvertrages hat folgenden Wortlaut: „§ 4 Ermessenstantieme Der Arbeitgeber entscheidet am Ende eines jeden Geschäftsjahrs gemäß billigem Ermessen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Mitarbeiter eine Tantieme erhält.“ Beweis: Anstellungsvertrag vom…, Anlage K 1 Am 15.2. … hat die Bekl. dem Kl. mitgeteilt, er erhalte für das abgelaufene Geschäftsjahr keine Ermessenstantieme. Auf Nachfrage des Klägers erklärte der Personalleiter P der Bekl. am 16.2. …, es sei bei der Bekl. gängige Praxis, ausscheidenden Mitarbeitern für das letzte Jahr keinen Bonus mehr zu zahlen. Diese Mitarbeiter bräuchten keine Leistungsanreize mehr. Beweis: Zeugnis des Personalleiters P, zu laden über die Bekl. Die Parteien haben in § 4 des Anstellungsvertrages eine Ermessenstantieme vereinbart, so dass gemäß § 315 BGB die Bekl. grundsätzlich das Recht, aber auch die Pflicht hatte, die Höhe der Tantieme nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Bestimmung dahingehend, dass der Kl. überhaupt keine Tantieme erhalten soll, ist evident ermessensfehlerhaft. Die Tantieme ist funktional eine zu1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Ist die Ermittlung der Höhe einer Tantieme oder eines Bonus nicht mathematisch definiert, obliegt es regelmäßig dem Arbeitgeber, die Höhe nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB festzusetzen. Unterbleibt die Festsetzung oder ist die vom Arbeitgeber getroffene Festsetzung unbillig, erfolgt gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die „Bestimmung durch Urteil“. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bedeutet also zum einen, dass eine Klage gegen den Arbeitgeber auf erstmalige Festsetzung bzw. auf Korrektur der Festsetzung der Leistung nicht notwendig ist. Deshalb ist auch zweifelhaft, ob für solche Klagen überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis bestünde. Möglich ist es, im Klageantrag die Höhe der begehrten Zahlung offenzulassen und diese in das Ermessen des Gerichts zu stellen (wie beim Schmerzensgeld oder bei Entschädigungen nach dem AGG üblich), wobei dann stets ein Mindestbetrag angegeben werden sollte, um im Fall einer sehr niedrigen Festsetzung eine Beschwer für die Berufung zu haben. In diesem Fall wäre also die Klage zu richten auf „Zahlung einer Tantieme/eines Bonus, die/der vom Gericht nach billigem Ermessen festzusetzen ist, aber Euro … nicht unterschreiten sollte“. Letztlich sind solche Umwege aber unnötig. Denn nach der Rspr. kann der Arbeitnehmer unmittelbar Leistungsklage auf den ihm angemessen erscheinenden Betrag erheben (BGH v. 2.4.1964, BGHZ 41, 271, 280; v. 24.11.1995 – V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; v. 7.4.2000 – V ZR 36/99, NJW 2000, 2986). In dem stattgebenden Urteil liegt dann inzidenter die Gestaltung durch das Gericht (BAG v. 17.8.2004, AP 55 zu § 16 BetrAVG). 3 Die Frage, ab wann bei einer nach § 315 BGB festzusetzenden Leistung Verzugszinsen laufen, ist umstritten. Mangels Kostenrisiko (s. M 101.3 Fn. 7) sollten Zinsen stets ab dem denkbar frühesten Termin eingeklagt werden. 4 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3.

Diller

557

Kap. 12

Vergütung

M 12.10.4

sätzliche Vergütung für die geleisteten Dienste und hat mit der zukünftigen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses nicht das Geringste zu tun. Der Kl. hat im abgelaufenen Kalenderjahr/Geschäftsjahr erstklassige Leistungen erbracht, insbesondere (wird ausgeführt). In den beiden vorangegangenen Jahren hatte die Bekl. dem Kl. Tantiemen in Höhe von Euro … bzw. Euro … festgesetzt und ausgezahlt. Da die Leistungen des Kl. im abgelaufenen Geschäftsjahr jedenfalls nicht schlechter waren als in den Vorjahren, hätte es billigem Ermessen entsprochen, jedenfalls den Durchschnittswert der Tantiemen der letzten beiden vorangegangenen Jahre auch für das abgelaufene Geschäftsjahr festzusetzen. Dieser Betrag wird deshalb hiermit eingeklagt. … (Unterschrift)5 5 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

M 12.10.4

Vorstand einer Aktiengesellschaft

(1) Das Vorstandsmitglied erhält neben dem Jahresgrundgehalt einen vom Grad der Erfüllung persönlicher und unternehmensbezogener Ziele abhängigen Bonus von bis zu Euro … (in Worten: Euro …) brutto/Geschäftsjahr.1 Die persönlichen und unternehmensbezogenen Ziele und das Verhältnis Zielerfüllung und Bonushöhe vereinbart der Aufsichtsrat mit dem Vorstandsmitglied jeweils im 4. Quartal für das folgende Geschäftsjahr. (2) Der Bonus ist wie folgt fällig: a) In Höhe eines Drittels einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat; b) in Höhe eines weiteren Drittels einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses für das folgende Geschäftsjahr; c) in Höhe eines weiteren Drittels einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses für das darauffolgende Geschäftsjahr. d) Die Zahlungen nach b) und c) werden entsprechend der weiteren Entwicklung des Unternehmenserfolges wie folgt angepasst: aa) Erhöht sich das EBIT2 für das dem Fälligkeitszeitpunkt vorausgehende Geschäftsjahr gegenüber dem vorangegangenen Geschäftsjahr, so erhöht sich die Zahlung um den entsprechenden Prozentsatz, höchstens aber um 50 %. bb) Verringert sich das EBIT für das dem Fälligkeitszeitpunkt unmittelbar vorausgehende Geschäftsjahr gegenüber dem vorangegangenen Geschäftsjahr, so reduziert sich die Zahlung um den entsprechenden Prozentsatz. cc) Nach billigem Ermessen des Aufsichtsrates kann die Bezugsgröße EBIT durch die Bezugsgröße EBT ersetzt werden. Eine solche Änderung teilt der Aufsichtsrat dem Vorstandsmitglied bis zum Ende des 3. Quartals jeweils für das folgende Jahr mit. e) Bei Ausscheiden des Vorstandsmitglieds wird der Bonus in voller Höhe fällig nach Feststellung des Jahresabschlusses für das Jahr des Ausscheidens durch den Aufsichtsrat.3 Ziffern a)–d) gelten nicht. oder 1 Einzelheiten in M 5.1 § 3 Abs. 2 ff. 2 EBIT = earnings before interest and taxes. 3 Diese Klausel, nach der die Bonuszahlung bei Beendigung voll auszuzahlen ist, ist möglicherweise bei börsennotierten Aktiengesellschaften nicht zulässig, weil sie der Aufgabe des AG-Vorstands, eine Nachhaltigkeit der Bonuszahlungen zu sichern, widersprechen könnte.

558 Diller/Lingemann

M 12.11

Vergütung

Kap. 12

e) Der Bonus ist auch dann zu zahlen, wenn das Dienstverhältnis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr besteht. (3) Bei Beendigung des Vorstandsvertrages im laufenden Jahr wird die variable Vergütung zeitanteilig gewährt. (4)4 Erbringt das Vorstandsmitglied während der Organstellung besondere Leistungen, die sich für die Gesellschaft signifikant vorteilhaft auswirken und die bei Abschluss dieses Dienstvertrages nicht voraussehbar waren, hat das Vorstandsmitglied Anspruch auf eine Sondervergütung.5 Evtl.:6 Die Höhe der Sondervergütung richtet sich nach dem für die Gesellschaft erzielten Vorteil und wird wie folgt berechnet: … ] Obergrenze für eine solche Sondervergütung ist ein Betrag von Euro …7 4 Formulierung nach Peltzer, ZIP 2006, 205. 5 Vgl. auch M 5.1, § 3 Abs. 6 m. Anm. Gemäß BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72 (Mannesmann-Revisionsurteil) ist eine im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung für eine geschuldete Leistung, die ausschließlich belohnenden Charakter hat und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen kann (kompensationslose Anerkennungsprämie) „als treupflichtwidrige Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens zu werten“ und damit Untreue gem. § 266 StGB (BGH, aaO, 74 unter (3)). Da sie bereits dem Grunde nach unzulässig ist, kommt es – so der BGH – auf eine eventuelle Verletzung des Angemessenheitsgebots nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht mehr an. Im Umkehrschluss müsste es zulässig sein, eine Anerkennungsprämie zu vereinbaren, wenn sie der Höhe nach dem Angemessenheitsgebot des § 87 AktG entspricht (Peltzer, ZIP 2006, 205, 207; Poguntke, ZIP 2011, 893, 895 f.). Das LG Essen (v. 9.9.2013 – 44 O 164/10, juris, Rz. 639), verlangt allerdings, dass die vertragliche Regelung die Grundsätze für die Ausübung eines Bonus-Ermessens des Aufsichtsrates selbst vertraglich festlegt und hierbei an objektivierbare und überprüfbare Kriterien anknüpft. Die vertragliche Regelung müsse am „Geschäftserfolg“ anknüpfen, also eine der Nachprüfung zugängliche kausale Verknüpfung zwischen einem wirtschaftlichen Unternehmenserfolg und der Prämie herstellen. Diese Ansicht wird zu Recht in der Literatur kritisiert (Fleischer/Bauer, ZIP 2015, 1901, 1905 ff.) Das LG Essen verkennt, dass auch der BGH bereits Ermessenstantiemen anerkannt hat (BGH v. 9.5.1994, DB 1994, 1351 zur GmbH & Co. KG). UE muss es ausreichen, wenn die Gewährung voraussetzt, dass sich die besonderen Leistungen des Vorstandes für die Gesellschaft signifikant vorteilhaft auswirken. Entspricht man den Anforderungen des LG Essen, würde es sich um eine normale Bonusvereinbarung handeln, wie in M 5.1, § 3 Abs. 2 bis 4 vorgesehen. Aus Sicht des Unternehmens ist eine solche Klausel allerdings nicht ratsam, da sie insbesondere bei Aufhebung des Vorstandsvertrages zu erheblichen Auseinandersetzungen über Grund und ggf. Höhe einer solchen Prämie führen kann (Bauer/Arnold, DB 2006, 546, 547). 6 Um den Anforderungen des LG Essen (v. 9.9.2013 – 44 O 164/10, juris, Rz. 639, s. vorherige Fn. 5) zu genügen, könnte man hier einen konkreten Berechnungsmodus aufnehmen. 7 Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AktG soll der Aufsichtsrat für außerordentliche Entwicklungen eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbaren, so dass auch eine solche Prämie jedenfalls nicht mehr ohne Höchstgrenze gewährt werden darf.

M 12.11

Provisionsvereinbarung für einen angestellten Handelsvertreter § 1 Vergütung

(1) Die Bezüge des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin1 setzen sich aus Grundgehalt, Provision und Aufwendungsersatz zusammen. (2) Das Grundgehalt beträgt Euro …2 1 Zu freien Handelsvertretern M 9.3 §§ 7 ff. 2 Der Mindestlohn darf nicht unterschritten werden, wobei auch die Provisionen auf den Mindestlohn anzurechnen sind. Das gilt jedenfalls, solange sie im Fälligkeitszeitraum gem. § 2 Abs. 1 MiLoG gezahlt werden, vgl. HWK-Sittard, § 1 MiLoG Rz. 20. Falls Tarifbindung besteht, muss das monatliche Grundgehalt

Lingemann

559

Kap. 12

Vergütung

M 12.11

(3) Aufwendungen werden wie folgt ersetzt …

§ 2 Provisionspflichtige Geschäfte (1) Für seine/ihre Vermittlungstätigkeit erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin für alle provisionspflichtigen Geschäfte eine Vermittlungsprovision, deren Höhe sich aus der diesem Vertrag als Anlage … beigefügten Provisionstabelle ergibt. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Provisionstabelle bei Vorliegen eines sachlichen Grundes abzuändern. Sachliche Gründe sind3 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere4 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … Euro im letzten Geschäftsjahr), – marktbedingte Absatzschwierigkeiten des vertriebenen Produkts (insbesondere ein Absatzrückgang von mehr als … %), – Neustrukturierung der Vertriebswege, der Vertriebsarten oder der vertriebenen Produkte. Das Tarifgehalt/Grundgehalt nach Ziff. … bleibt dabei jeweils unangetastet. Zudem umfasst der zu Lasten des Arbeitnehmers abänderbare Teil des Provisionssatzes höchstens 24,5 % der Gesamtvergütung.5 (2) Provisionspflichtig sind alle Kundengeschäfte, die während des bestehenden Vertragsverhältnisses abgeschlossen werden und auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zurück-

des angestellten Handelsvertreters mindestens dem Tarifgehalt entsprechen. Dabei ist allerdings unerheblich, ob dieser Mindestbetrag durch ein monatliches Grundgehalt, eine feste Garantieprovision oder eine Kombination von beiden sichergestellt wird (BAG v. 29.10.1987, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 14; v. 19.1.2000 – 4 AZR 814/98, NZA 2000, 1300 f.). Besteht keine Tarifbindung, kann die Provision grundsätzlich auch als einziger Vergütungsbestandteil vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung ist aber nur dann zulässig, wenn es dem angestellten Handelsvertreter überhaupt möglich ist, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften (vgl. LAG Berlin v. 3.11.1986, AP HGB § 65 Nr. 14; LAG Köln v. 16.2.2009 – 2 Sa 824/08; MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 65 HGB Rz. 11 mwN). 3 Vgl. hierzu die Hinweise in M 12.7.2 Ziff. 1. 4 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes zT überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). 5 Aus § 308 Nr. 4 BGB folgt nunmehr, dass ein solcher Vorbehalt nur dann wirksam vereinbart werden kann, wenn das Ausübungsrecht auf sachliche Änderungsgründe begrenzt wird und diese ausdrücklich in der Klausel benannt sind. Erforderlich ist somit, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Rechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert sind, vgl. Rz. 7. Ferner gilt auch hier die 25 %-Grenze, so dass Provisionssätze nicht beliebig angepasst werden können (so etwa LAG Berlin-Brandenburg v. 31.8.2010 – 16 Sa 491/10; LAG Hessen v. 3.7.2008 – 14 Sa 1863/07; LAG München v. 22.8.2007 – 11 Sa 1168/06; ferner OLG München v. 6.2.2008, NJW-RR 2009, 458, 460 f. für den freien Versicherungsvertreter; allgemein BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NJW 2007, 536 m. Anm. Lingemann – grundsätzlich liegt die Grenze bei 25 %, Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht eine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen muss, sind aber auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes widerruflich; vgl. ausdrücklich Schwarze, RdA 2012, 321, 328 und auch HWK/Diller, § 65 HGB, Rz. 4; MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 65 HGB Rz. 15 f.; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb, 16. Aufl. 2015, § 75 Rz. 14; gegen eine Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit bei Provisionen aber Singer, RdA 2006, 362, 373 unter Verweis auf die fehlende Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Provision einzige Vergütung des angestellten Handelsvertreters ist. Aber auch bei einer Kombination von Grundgehalt und Provision muss die 25 %Grenze uE Anwendung finden, dh. die Provisionssätze sind variabel, sofern dem Arbeitnehmer dadurch nicht mehr als 25 % der Gesamtvergütung gekürzt werden. Möglich ist auch, die Provisionsvereinbarung als solche für die Zukunft widerruflich auszugestalten, sofern der durch die Provisionen durchschnittlich erwirtschaftete Anteil 25 % nicht überschreitet.

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Lingemann

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Vergütung

Kap. 12

zuführen sind.6 Dies gilt auch dann, wenn die Geschäfte erst nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses ausgeführt werden.7 Vor Beginn dieses Vertrages zustande gekommene Geschäfte sind auch dann nicht provisionspflichtig, wenn sie erst nach Vertragsbeginn ausgeführt werden. (3) Nachvertragliche Geschäfte, die innerhalb von drei Monaten nach der Vertragsbeendigung abgeschlossen werden, sind nur dann provisionspflichtig, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin diese Geschäfte vermittelt oder eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der nachvertragliche Abschluss überwiegend auf seine/ihre Tätigkeit zurückzuführen ist oder wenn das Angebot des Dritten zum Abschluss eines Geschäfts, für das der Handelsvertreter Anspruch auf Provision hat, dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitgeber vor Beendigung des Vertragsverhältnisses zugegangen ist.8 Der nachvertragliche Provisionsanspruch besteht nicht, wenn ein Nachfolger des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin für das Geschäft einen Provisionsanspruch erworben hat, es sei denn, dass eine Teilung der Provision der Billigkeit entsprechen würde. Der Provisionsanspruch entfällt, wenn der Geschäftsabschluss auch maßgeblich auf die Tätigkeit des Nachfolgers zurückzuführen ist oder der Nachfolger an der Abwicklung des Geschäfts nicht unerheblich mitgewirkt hat.9 (4) Kommt ein Geschäft nicht allein durch die Vermittlungsbemühungen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zustande, waren vielmehr ein oder mehrere andere Außendienst-Mitarbeiter des Arbeitgebers am Geschäftsabschluss mitursächlich beteiligt, entsteht der Provisionsanspruch für dieses Geschäft nur in Höhe einer einfachen Provision. Diese Provision ist auf die beteiligten Außendienst-Mitarbeiter zu verteilen.10 Die anteilige Festlegung des jeweiligen Provisionsanspruchs erfolgt unter Wahrung billigen Ermessens durch den Arbeitgeber; dabei ist insbesondere der jeweilige Beitrag der Arbeitnehmer am Zustandekommen und Abwicklung des provisionspflichtigen Geschäfts zu berücksichtigen.11

6 Die Regelung entspricht § 87 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB. Die in Satz 1 Alt. 2 vorgesehene Provisionspflicht für Geschäfte mit Dritten (dh. ohne direkte Mitwirkung des Handelsvertreters), die der Handelsvertreter zuvor als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat, ist hingegen abdingbar, vgl. ErfK/Oetker, § 87 HGB Rz. 11. 7 Sog. überhängende Provisionen, dh. erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ausführung des Geschäfts entstehende Provisionen, dürfen in AGB nicht pauschal auf die Hälfte der vereinbarten Provision vermindert oder gänzlich ausgeschlossen werden. Eine solche Klausel wäre nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (BAG v. 20.2.2008 – 10 AZR 125/07, NZA 2008, 1124; v. 21.10.2009, NJW 2010, 298 f.). Allerdings kann uE immerhin eine Staffelung vereinbart werden, s. dazu § 4 Abs. 3 dieses Musters. 8 Die Regelung entspricht § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 HGB. Der ersatzlose Ausschluss der nachvertraglichen Provision ist bei dem angestellten Handelsvertreter gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässig. Anders als der freie Handelsvertreter, der bei Ausschluss des § 87 Abs. 3 HGB ggf. einen gesetzlichen Ausgleich nach § 89b HGB erlangt, steht dem angestellten Handelsvertreter dieser Anspruch ohne eine besondere Vereinbarung nicht zu. Die Rspr. stellt daher an eine Klausel, die den nachvertraglichen Provisionsanspruch eines angestellten Handelsvertreters ausschließt, hohe Anforderungen. Zum einen muss ein solcher Ausschluss klar und eindeutig vereinbart sein. Zum anderen ist wegen der Unanwendbarkeit des § 89b HGB eine andere Kompensation oder eine sonstige ausgleichende Regelung zu fordern. Außerdem sind sachliche Gründe für die Abbedingung notwendig (vgl. zum Ganzen BAG v. 20.2.2008 – 10 AZR 125/07, NZA 2008, 1124; v. 20.8.1996 – 9 AZR 471/95, NZA 1996, 1151, 1153; HWK/ Diller, 6. Aufl. 2014, § 65 HGB Rz. 10; MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 65 HGB Rz. 30 f., § 87 HGB Rz. 102 ff.; Staub/Weber, 5. Aufl. 2008, § 65 HGB Rz. 11; Thume, BB 2012, 975). 9 Die Teilung der Provision unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit entspricht der Wertung des § 87 Abs. 3 Satz 2 HGB. 10 Eine Provisionsteilungsvereinbarung empfiehlt sich stets, wenn die Möglichkeit einer Provisionskonkurrenz zwischen mehreren Vertretern besteht. Andernfalls kann es dazu kommen, dass das vertretene Unternehmen die Provision mehrmals zahlen muss (MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87 HGB Rz. 53 ff.). Wesentlich ist, dass eine solche Vereinbarung mit allen Vertretern geschlossen wird. 11 Die Ausübung des billigen Ermessens unterliegt gem. § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Kontrolle, bei AGB könnte § 308 Nr. 4 oder § 307 BGB entgegenstehen.

Lingemann

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Vergütung

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§ 3 Entstehung und Fälligkeit des Provisionsanspruchs (1) Der Provisionsanspruch entsteht, sobald und soweit der Arbeitgeber das Geschäft ausführt oder die Ausführung des Geschäfts nach den mit dem Kunden getroffenen Vereinbarungen erfolgen müsste. (2) Ist der Kunde vorleistungspflichtig, entsteht der Provisionsanspruch bereits dann, wenn und soweit der Kunde seiner Vorleistungspflicht genügt. (3) Der Provisionsanspruch wird in dem Zeitpunkt fällig, in dem gemäß § 6 spätestens über die Provision abzurechnen ist. oder (1) Der Provisionsanspruch entsteht, sobald und soweit der Kunde den Kaufpreis bezahlt hat.12 (2) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin hat jedoch – unabhängig von der Zahlung durch den Kunden – einen Anspruch auf Provisionsvorschuss, wenn der Arbeitgeber das abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat.13 Der Provisionsvorschuss beträgt 50 % derjenigen Provision, die dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin für dieses Geschäft insgesamt zusteht.14 (3) Die Entstehung des Provisionsanspruchs ist ausgeschlossen, sofern die in § 5 Abs. 1 und 2 niedergelegten Tatbestände erfüllt sind. (4) Der Anspruch auf Provisionsvorschuss wird am letzten Tag des Monats fällig, der der Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer folgt; der Provisionsanspruch im Übrigen wird in dem Zeitpunkt fällig, in dem gemäß § 6 spätestens über die Provision abzurechnen ist.

§ 4 Berechnung und Höhe des Provisionsanspruchs (1) Die Provision, auf die der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nach § 2 Anspruch hat, errechnet sich aus dem in Rechnung gestellten Waren-Netto-Wert. (2) Dem Kunden vom Arbeitgeber nachträglich gewährte Nachlässe (Skonti, Mengen- und Treuerabatte etc.) sind für die Provisionsrechnung vom Netto-Rechnungsbetrag abzuziehen. Sie gelten nicht als Teil des provisionspflichtigen Entgelts.15 (3) Für ein provisionspflichtiges Geschäft, das binnen der ersten drei Monate nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis ausgeführt wird, erhält der Arbeitnehmer die Provision in voller Höhe. Wird das provisionspflichtige Geschäft innerhalb des vierten bis sechsten Monats nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis ausgeführt, erhält der Arbeitnehmer die Provision zur Hälfte. Weitere Ansprüche auf Provisionen bestehen nicht.16 (4) Nebenkosten (zB für Fracht, Porto, Zoll, Steuer etc.) führen nur dann zu einer Minderung der Provision, wenn sie dem Kunden gesondert in Rechnung gestellt werden. oder 12 Diese Vereinbarung weicht von dem Gesetzeswortlaut des § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB ab, ist aber in der Praxis üblich. Die gesetzliche Regelung ist gem. § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB abdingbar unter der zwingenden Voraussetzung, dass dem Vertreter ein Vorschuss gewährt wird, Abs. 2 des Musters. 13 Der Anspruch auf den Vorschuss wird am letzten Tag des auf die Ausführung des Geschäfts folgenden Monats fällig (§ 87a Abs. 1 Satz 2 HGB). 14 Der Vorschuss muss „angemessen“ sein. Die Höhe von 50 % ist lediglich ein Vorschlag. Aus der Begründung des Gesetzes ergeben sich für die Bestimmung der angemessenen Höhe verschiedene Gesichtspunkte: Je ferner der Zeitpunkt liegt, in dem der Abnehmer voraussichtlich erfüllen wird, je größer die Gefahr ist, dass der Abnehmer nicht oder nur teilweise leisten wird, umso niedriger wird der Vorschuss sein. Zu berücksichtigen ist ferner die wirtschaftliche Lage des Handelsvertreters. Der Vorschuss soll ihm Deckung der laufenden Verbindlichkeiten ermöglichen. Bei der Bemessung des Vorschusses ist auch darauf zu achten, dass die Gewährung des Vorschusses nicht zu einer Schädigung des Unternehmens führt. 15 Die Regelung in § 87b Abs. 2 Satz 2 HGB hierzu ist dispositiv. In AGB-Verträgen kann eine abweichende Regelung den angestellten Handelsvertreter im Einzelfall aber unangemessen benachteiligen (Baumbach/Hopt/Hopt, 37. Aufl. 2016, § 87b HGB Rz. 2, 18). 16 S. dazu auch Klausel § 2 Abs. 2 Satz 2 dieses Musters mwN.

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Lingemann

M 12.11

Vergütung

Kap. 12

(4) Der Netto-Waren-Wert als Bemessungsgrundlage für die Provision ist um … % zu kürzen, wenn im Rechnungsbetrag Nebenkosten enthalten sind.17

§ 5 Wegfall des Provisionsanspruchs (1) Der Provisionsanspruch entfällt,18 wenn und soweit die Ausführung des abgeschlossenen Geschäfts aus Gründen unterbleibt, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.19 (2) Steht fest, dass der Dritte nicht leistet,20 so entfällt der Anspruch auf Provision; bereits empfangene Beträge sind zurückzugewähren und werden mit fälligen Provisionsansprüchen verrechnet. Der Nachweis, dass der Dritte nicht leistet, gilt als geführt, wenn eine Auskunftei dem Arbeitgeber bestätigt, dass nach ihren Unterlagen eine Zwangsvollstreckung voraussichtlich nicht zum Ziele führen wird,21 oder wenn der Arbeitgeber dies auf andere Weise glaubhaft macht.22 (3) Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur gerichtlichen Geltendmachung und Vollstreckung seines Erfüllungsanspruchs gegenüber dem Kunden besteht nur, wenn diese Maßnahmen Aussicht auf Erfolg bieten.23

§ 6 Provisionsabrechnung (1) Der Arbeitgeber hat über die Provision, auf die der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Anspruch hat, monatlich, und zwar spätestens bis zum 10. des Monats abzurechnen, der der Auslieferung/ 17 Diese Gestaltung weicht von der gesetzlichen Regelung in § 87b Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 HGB ab. Diese Vorschrift ist abdingbar, MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 3. Aufl. 2010, § 87b HGB Rz. 45 ff. 18 Diese Regelung entspricht § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB. Sie kann aber zur Klarstellung in den Vertragstext übernommen werden. 19 Vgl. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB. Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausführung des Geschäfts ist nicht erforderlich (so aber § 87a Abs. 3 HGB aF). Der Unternehmer hat für alle ihm zurechenbaren Risiken einzustehen (vgl. BGH v. 23.1.2014 – VII ZR 168/13, NJW 2014, 930, Rz. 13; v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, WM 2008, 923). Hier wird ein strenger Maßstab angelegt. Der Unternehmer hat danach etwa zu vertreten: Schwierigkeiten in der Beschaffung von Rohstoffen, im Ablauf des eigenen Betriebes und in der Finanzierung, Verschulden von Erfüllungsgehilfen (mwN s. MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87a HGB Rz. 54). Nicht zu vertreten hat er hingegen staatliche Eingriffe (zB Transport-, Export-, Importsperren nach Vertragsschluss, soweit diese nicht vorhersehbar oder vermeidbar sind, OLG München v. 3.5.1995 – 7 U 6148/93, BB 1995, 1559; mwN s. auch MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87a HGB Rz. 55), Streiks im eigenen Betrieb und höhere Gewalt (Hopt, HVR, 5. Aufl. 2015, § 87a HGB Rz. 25 ff.). Der Unternehmer trägt die Beweislast dafür, dass er die Nichtausführung des Geschäfts nicht zu vertreten hat. Der die Provision trotz Nichtausführung begehrende Arbeitnehmer muss nur dartun, dass die Nichtausführung feststeht (Hopt, HVR, 5. Aufl. 2015, § 87a HGB Rz. 30). Dazu auch Thume, BB 2012, 975. 20 Gemäß § 87a Abs. 2 HGB muss objektiv feststehen, dass der Dritte nicht leistet. Abweichende Vereinbarungen zu Lasten des Vertreters sind unwirksam, § 87a Abs. 5 HGB. Die Bestimmung des § 87a Abs. 2 HGB kommt allerdings dann nicht zur Anwendung, wenn die Nichtleistung des Dritten darauf zurückzuführen ist, dass der Unternehmer seinerseits das Geschäft nicht ausführt, oder wenn die Nichtleistung des Dritten auf vom Unternehmer zu vertretenden Gründen beruht; in solchen Fällen hat die Regelung des § 87a Abs. 3 HGB Vorrang vor § 87a Abs. 2 HGB (BGH v. 5.3.2008 – VIII ZR 31/07, WM 2008, 923; MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87a HGB Rz. 26 ff.). 21 Dies reicht in der Regel aus, vgl. Schaub/Klagges, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Aufl. 2015, Rz. 123. Zu weiteren Fällen vgl. MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2015, § 87a HGB Rz. 33 ff. mwN. 22 Zur anderweitigen Glaubhaftmachung genügt zB die Erklärung des Abnehmers selbst, zahlungsunfähig zu sein. Die bloße Annahme der Zahlungsunfähigkeit durch den Arbeitgeber reicht nicht aus, im Einzelnen MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87a HGB Rz. 33 f.; Hopt, HVR, 5. Aufl. 2015, § 87a HGB Rz. 14. 23 Es kann dem Unternehmer nicht zugemutet werden, den Anspruch in jedem Fall zunächst einzuklagen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Vollstreckung aufgrund der finanziellen Situation des Dritten erfolglos sein wird (OLG Köln v. 27.11.1992 – 20 U 89/92, BB 1993, 606). Vgl. im Detail MüKoHGB/von Hoyningen-Huene, 4. Aufl. 2016, § 87a HGB Rz. 33 f.; Hopt, HVR, 5. Aufl. 2015, § 87a HGB Rz. 14.

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Kap. 12

Vergütung

M 12.12

Kundenzahlung folgt.24 Die Provision wird mit der Abrechnung fällig und zusammen mit dem Gehalt jeweils am Ende des Monats gezahlt. (2) In der Provisionsabrechnung sind die dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin zustehenden Provisionen getrennt danach aufzuschlüsseln, ob sie auf Geschäften beruhen, die auf eine unmittelbare und ursächliche Tätigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zurückzuführen sind oder auf sog. Direktgeschäfte, für deren Abschluss der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nicht unmittelbar tätig geworden ist. (3) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin hat die erteilte Provisionsabrechnung unverzüglich zu prüfen und die ihm/ihr übersandte Abrechnungs-Zweitschrift mit seinem/ihrem Anerkenntnisvermerk dem Arbeitgeber jeweils bis zum 20. des Abrechnungsmonats zurückzusenden. (4) Der Anspruch des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auf Provision und Provisionsvorschuss verjährt in zwei Jahren nach dem Ende des Jahres, in dem die Provision bzw. der Vorschuss fällig wird. Der Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung von Provision oder Vorschuss verjährt in zwei Jahren ab Kenntnis der Umstände, die den Rückzahlungsanspruch rechtfertigen.25 24 Der Abrechnungszeitraum kann davon abweichend gem. § 87c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 HGB auf höchstens drei Monate erstreckt werden. 25 Für die Verjährung gelten die allgemeinen Regeln des BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gem. § 195 BGB drei Jahre, sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste, § 199 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift ist jedoch grundsätzlich in den Grenzen des § 202 BGB und des AGB-Rechts dispositiv (PWW/Kesseler, 9. Aufl. 2014, § 195 BGB Rz. 2; Abrahamczik, Handelsvertretervertrag, 3. Aufl. 2007, S. 74; Oetker/Busche, 4. Aufl. 2015, § 87 HGB Rz. 36), so dass die Verjährungsfrist vertraglich verkürzt werden kann. Wird eine abweichende Vereinbarung getroffen, ist auf die Gleichbehandlung beider Vertragsteile zu achten. Eine einseitige Abkürzung zu Lasten des Vertreters ist daher unzulässig (BGH v. 12.2.2003 – VIII ZR 284/01, NJW 2003, 1670; v. 10.5.1990 – I ZR 175/88, BB 1990, 2066; v. 12.10.1979, BB 1980, 12). Ein anerkennenswertes Interesse an der Verkürzung ergibt sich aus dem Ziel, Rückforderungen zu einem Zeitpunkt auszuschließen, zu dem sie nicht mehr oder nur noch unter Schwierigkeiten nachprüfbar sind.

M 12.12

Stufenklage wegen Abrechnung und Zahlung von Provision

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2

1 Die Stufenklage nach § 254 ZPO ist eine Form der objektiven Klagehäufung, die sich im Laufe der Jahrzehnte aus Gründen der Prozessökonomie durchgesetzt hat. Das Wesen der Stufenklage ist, dass bereits eine Vielzahl von Anträgen angekündigt werden, das Gericht jedoch zunächst nur über die vorgreiflichen Anträge verhandelt und entscheidet. Erst wenn die Entscheidung über die vorgreiflichen Anträge rechtskräftig geworden ist, wird das Verfahren mit der Verhandlung und Entscheidung über die weiteren Anträge fortgesetzt. Die weiteren Anträge (zB auf Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages) müssen hinsichtlich ihrer Bestimmtheit nicht den scharfen Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen. Ist allerdings das erstinstanzliche Gericht der Auffassung, dass sämtliche angekündigten Anträge unbegründet sind und sein werden (zB wenn im vorliegenden Fall das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass überhaupt keine wirksame Provisionsvereinbarung vorliegt), kann das Gericht unmittelbar alle Stufen abweisen. Weist die erste Instanz die Klage insgesamt ab, dringt der Kl. aber in der Berufungsinstanz mit seinem vorgreiflichen Anspruch (zB auf Auskunftserteilung oder Abrechnung) durch, so ist das Verfahren hinsichtlich der weiteren Stufen an die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). 2 S. M 101.1 und M 101.2.

564 Lingemann/Diller

M 12.12

Vergütung

Kap. 12

vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger für seine Tätigkeit in den Monaten Januar bis Juni … zustehenden Provisionen abzurechnen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die in der Zeit von Januar bis Juni … verdienten Provisionen einen Buchauszug3 zu erteilen. 3. Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit der Auskunft gemäß Ziff. 2 an Eides statt zu versichern.4 4. Die Beklagte wird verurteilt, die sich aus der Abrechnung ergebenden Provisionen an den Kläger zu zahlen.5

Begründung: Der Kl. war bei der Bekl. als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Beide Parteien sind nicht tarifgebunden. Grundlage des Anstellungsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom … Ziff. 1 des Arbeitsvertrages bestimmt, dass dem Kl. für alle von ihm getätigten Umsätze eine Provision von 2,5 % zusteht. Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1 Durch Eigenkündigung vom 15.1. … schied der Kl. fristgemäß zum 30.6. … aus. Bis zur rechtlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses war der Kl. unverändert im Außendienst tätig und hat dort auch weiterhin für die Bekl. Umsätze gemacht. Die Bekl. hat die Abrechnung und Zahlung von Provisionen für die Zeit nach der Kündigung trotz mehrfacher Mahnung abgelehnt. Als Begründung hat sie angeführt, der Kl. habe unter Verstoß gegen § 60 HGB bereits unmittelbar nach Ausspruch seiner Kündigung damit begonnen, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein. Dadurch seien der Bekl. erhebliche Schäden entstanden, die die möglicherweise entstandenen Provisionsansprüche des Kl. bei weitem übersteigen. Die Einwände der Bekl. sind falsch. Der Kl. ist nicht vertragswidrig für ein Konkurrenzunternehmen tätig geworden. Da der Bekl. somit keine Schadensersatzansprüche zustehen können, hat sie die dem Kl. zustehenden Provisionen in vollem Umfang zu zahlen.

3 Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges ergibt sich aus §§ 65, 87c Abs. 2 HGB. 4 Der allgemeine Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach den §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass eine erteilte Auskunft unrichtig ist oder substantiiert darzulegende Verdachtsmomente gegen die Richtigkeit bestehen. Soweit es um Provisionsabrechnungen geht, sehen indes §§ 65, 87c Abs. 4 HGB vor, dass zunächst Bucheinsicht zu gewähren ist, und zwar nach Wahl des Arbeitgebers entweder dem Provisionsberechtigten oder einem von diesem zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen. Erst wenn die Einsicht erfolglos bleibt oder keine einsehbaren Bücher existieren, besteht der Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (BGH v. 16.5.1960, BGHZ 32, 305; OLG Celle v. 27.8.1962, BB 1962, 1017). Es schadet jedoch nichts, den entsprechenden Antrag im Wege der Stufenklage bereits auf einer nachgeordneten Stufe anzukündigen. Erübrigt sich mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Antrag, wird er im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht mehr verlesen, so dass auch nicht über ihn entschieden wird. 5 Der Anspruch ist in der gestellten Form mangels hinreichender Bestimmtheit gem. § 253 ZPO eigentlich unzulässig. Bei einer Stufenklage akzeptiert die Praxis jedoch solche Anträge. Sie sind sinnvoll, um Verjährungs- und Verfallfristen zu unterbrechen (BAG v. 23.2.1977, AP Nr. 58 zu § 4 TVG Ausschlussfristen ; zu den strengen Anforderungen an die Unzumutbarkeit einer die Verjährung hemmenden Klageerhebung vgl. BAG v. 17.12.2014, NZA 2015, 479 m. Anm. Merten, FD-ArbR 2015, 368362). Der Anspruch wird mit der Klageerhebung und Zustellung rechtshängig, auch wenn über ihn zunächst nicht entschieden wird. Ist allerdings nach entsprechender Verurteilung gem. den vorgreiflichen Auskunfts- und Rechenschaftsansprüchen der sich daraus ergebende Zahlungsanspruch bezifferbar, muss er vor Verlesung beziffert werden, da ansonsten die Klage insoweit im weiteren Verlauf des Verfahrens abgewiesen wird.

Diller

565

Kap. 12

Vergütung

M 12.13.1

… (Unterschrift)6 6 Hinsichtlich des Streitwerts gilt die Sondervorschrift des § 44 GKG. Danach ist nur der höchste der verbundenen Ansprüche maßgebend. Das ist regelmäßig der (angestrebte) Zahlungsanspruch (zB OLG Bamberg v. 10.4.1986, JurBüro 1986, 1062). Für die vorbereitenden Anträge auf Buchauszug, Abrechnung und eidesstattliche Versicherung fällt deshalb kein zusätzlicher Wert an. Bei der Maßgeblichkeit der angestrebten Zahlung für die Festlegung des Streitwerts bleibt es auch bei der „stecken gebliebenen“ Stufenklage, bei der der Kläger nach Auskunftserteilung oder Abgabe der eidesstattlichen Versicherung den ursprünglich angekündigten Zahlungsantrag nicht weiter verfolgt, zB weil die Auskunft ergeben hat, dass keine weiteren Ansprüche bestehen (im Einzelnen Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl. 2015, Stichwort „Stufenklage“). Der Wert der anwaltlichen Terminsgebühr bemisst sich dagegen nach dem Wert der Verfahrensstufe, in der diese Gebühren anfallen.

12.13 Akkordvergütung

M 12.13.1

Zeitakkord

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält Akkordlohn nach der Lohngruppe … des Tarifvertrages.1 Der Akkordrichtsatz beträgt zurzeit Euro … Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält jedoch mindestens den gesetzlichen Mindestlohn nach MiLoG.2 1 Vgl. Rz. 18 ff. 2 Der Mindestlohnanspruch ist gem. § 3 Satz 1 MiLoG unabdingbar, er darf also durch eine Akkordlohnvereinbarung nicht unterschritten werden, sondern muss gewährleistet sein, vgl. BT-Drs. 18/1558, S. 34 und dazu Riechert/Nimmerjahn, 2015, § 3 MiLoG Rz. 10.

M 12.13.2

Geldakkord

Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält den gesetzlichen Mindestlohn nach dem MiLoG.1 Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin im Akkordlohn2 … (Stückakkord) pro gefertigtem Werkstück oder (Flächenakkord) pro verputztem qm … Euro … oder (Maßakkord) pro lfd. Meter eingebrachter Dehnungsfuge Euro … oder (Flächenakkord, Pauschalakkord) pro saniertem und mit Wärmedämmung versehenem qm … Euro … oder (Gewichtsakkord) pro verarbeitetem kg … Euro … 1 S. M 12.13.1 Fn. 1 Zeitakkord. 2 Vgl. Rz. 18 ff.

566 Diller/Lingemann

M 12.14.1

Vergütung

Kap. 12

12.14 Prämien

M 12.14.1

Anwesenheitsprämie

(1) Der Arbeitgeber kann eine Anwesenheitsprämie1 in Höhe von Euro … erbringen. Für Fehltage aufgrund von Erkrankung oder sonstiger Abwesenheit, für die kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht, wird von der Anwesenheitsprämie pro Fehltag 1/ 30 des monatlichen Prämienbetrages abgezogen.2 oder (1) Der Arbeitgeber kann mit dem Novembergehalt zusätzlich eine Anwesenheitsprämie in Höhe von Euro … erbringen, die jedoch bei Fehlzeiten innerhalb des Kalenderjahres für jeden Fehltag um ein Viertel eines Tagesarbeitsentgelts gekürzt wird.3 Das Tagesarbeitsentgelt errechnet sich aus der

1 Die Anwesenheitsprämie ist ein besonderer Vergütungsbestandteil, den der Arbeitnehmer nur für den Zeitraum erhalten soll, in dem er tatsächlich gearbeitet hat, um seine Anwesenheit zu honorieren. Zu unterscheiden sind laufende und einmalige Anwesenheitsprämien. Bei der Anwesenheitsprämie besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, kann der Arbeitgeber den Zweck und das Prämienvolumen vorgeben, die Verteilung ist jedoch mitbestimmungspflichtig. 2 Hier handelt es sich um eine laufende Anwesenheitsprämie, die als Zuschlag zur laufenden Vergütung regelmäßig gezahlt wird. Eine solche Prämie kann wirksam vereinbart werden. Fehlt der Arbeitnehmer allerdings wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, ergibt sich aus § 4 EFZG, dass ihm die Prämie als Bestandteil des fortzuzahlenden Entgelts gewährt werden muss (BAG v. 4.10.1978, DB 1979, 797). Besteht hingegen kein Entgeltfortzahlungsanspruch, etwa nach Ablauf der sechs Wochen gem. § 3 Abs. 1 EFZG oder wegen schuldhafter Herbeiführung der Krankheit, so entfällt auch der Anspruch auf die Prämie (BAG v. 23.5.1984 – 5 AZR 500/81, DB 1984, 2410). Dies stellt der zweite Satz klar. Die Kürzungsmöglichkeit des § 4a EFZG ist wahrscheinlich auf laufende Anwesenheitsprämien nicht anwendbar und daher hier auch nicht vorgesehen. Werden Anwesenheitsprämien im Rhythmus des laufenden Arbeitsentgelts monatlich geleistet, muss zwar stets durch Auslegung der jeweiligen Vereinbarung ermittelt werden, ob es sich um laufendes Arbeitsentgelt handelt oder um eine Sondervergütung. Allerdings ist die monatliche Zahlungsweise ein starkes Indiz für die Einordnung als laufendes und damit (bei Bestehen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs) nicht kürzbares Entgelt (BAG v. 21.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283; LAG München v. 11.8.2009 – 8 Sa 131/09, LAGE § 4a EntgeltfortzG Nr. 2; ErfK/Dörner, § 4a EFZG Rz. 8, jew. mwN; aA MüKoBGB/Müller-Glöge, § 4a EFZG Rz. 8). Eine Kürzungsmöglichkeit besteht aber weiterhin, sofern die Anwesenheitsprämie etwa quartalsweise (BAG v. 25.7.2001, AP EntgeltFG § 4a Nr. 1; v. 21.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283) oder jährlich gewährt wird, vgl. hierzu Var. 2. § 4a EFZG ist ferner nicht auf die Kürzung von Sondervergütungen aus anderen als aus krankheitsbedingten Gründen anwendbar (Müller/Berenz, § 4a EFZG Rz. 5; Marienhagen/Künzl, § 4a EFZG Rz. 7 f.). Insofern muss die Anwesenheitsprämie trotz Abwesenheit während der Mutterschutzfrist (§§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG) bezahlt werden; eine Kürzung wäre nicht mit dem Schutzzweck des MuSchG vereinbar (BAG v. 12.5.1993, DB 1993, 2339; v. 8.10.1986 – 5 AZR 582/85, DB 1987, 795) und wäre auch nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Auch während des Urlaubs (§ 11 BUrlG) besteht ein zwingender Entgeltanspruch. Eine Kürzung der Prämie ist allerdings dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer ohne Entgeltanspruch fehlt. Dies ist etwa der Fall bei unberechtigtem Fehlen und bei Abwesenheit wegen Elternzeit (vgl. hierzu Springer/Kamppeter, BB 2010, 2960, 2962), unbezahltem Urlaub oder Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes. 3 Dies ist eine einmalige Anwesenheitsprämie, die für einen längeren Zeitraum, häufig ein Jahr oder ein Quartal, vereinbart wird. Eine solche Prämie fällt als Sondervergütung in den Anwendungsbereich des § 4a EFZG (BAG v. 21.1.2009, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 283; LAG München v. 11.8.2009 – 8 Sa 131/ 09, LAGE § 4a EntgeltfortzG Nr. 2; etwas restriktiver aber LAG Rh.-Pf. v. 26.8.2014 – 6 Sa 84/14, juris). Nach § 4a EFZG kann eine Kürzung wegen Krankheitszeiten für jede Geldleistung vereinbart werden, die nicht dem laufenden Arbeitsentgelt zuzurechnen ist. Erfasst sind alle krankheitsbedingten Fehlzeiten, auch wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht (vgl. allgemein Reinartz, NZA 2015, 83). Kürzungen gem. § 4a EFZG müssen jedoch ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden (BAG v. 7.8.2002 – 10 AZR 709/01, NZA 2002, 1284; v. 15.12.1999 – 10 AZR 626/98, NZA 2000, 1062, 1063; LAG München v. 6.8.2009 – 9 Sa 173/08, nv.) und in dem dort genannten Rahmen erfolgen.

Lingemann

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Kap. 12

Vergütung

M 12.14.1

Summe der letzten 12 Gehaltsabrechnungen vor dem Monat November4 abzüglich der Jahresleistungen, des Aufwendungsersatzes sowie geleisteter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und des Urlaubsentgelts, geteilt durch die Zahl der tatsächlich geleisteten Arbeitstage der 12 Monate. (2) Die Auszahlung erfolgt nur, wenn der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin zum Auszahlungszeitpunkt – am 30.11. des Jahres – noch im ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, es sei denn, dass das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin nicht zu vertreten hat, insbesondere aus betriebsbedingten Gründen, gekündigt wurde oder geendet hat.5 (3) Wird eine Anwesenheitsprämie erbracht, wird hierdurch ein Rechtsanspruch auf Erbringung in den folgenden Kalenderjahren nicht begründet. Der Arbeitgeber behält sich vor, vor Beginn eines jeden Kalenderjahres neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Anwesenheitsprämie für das jeweilige Kalenderjahr erbracht wird. Der Vorrang individueller Vertragsabreden im Sinne des § 305b BGB bleibt hiervon unberührt.6 4 Maßgeblich für die Berechnung des durchschnittlichen Einkommens sind die zwölf Monate vor dem Monat, in dem der Anspruch auf die Sondervergütung besteht (Bauer/Lingemann, BB Beilage 17/1996, 8). 5 Wahrscheinlich kann für eine solche Prämie eine Stichtagsregelung nicht (mehr) vereinbart werden kann, denn sie dient zumindest auch der Vergütung. Zwar darf nach der neuesten Rspr. des BAG die Auszahlung von Gratifikationen uneingeschränkt an das ungekündigte Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt geknüpft werden und damit unabhängig davon entfallen, in wessen Sphäre der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt (BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620). Dies gilt jedoch nur für solche Sonderzuwendungen, die nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dienen (BAG aaO). Eine Anwesenheitsprämie dient jedoch insoweit der Vergütung geleisteter Arbeit, als sie das tatsächliche Erscheinen zur Arbeitsleistung voraussetzt. Jedenfalls in Formulararbeitsverträgen sollte daher zumindest diese Einschränkung aufgenommen werden; andernfalls hält die Klausel der Inhaltskontrolle unabhängig von der Höhe der Gratifikation gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wahrscheinlich nicht mehr stand (vgl. Kap. 2 Rz. 100; LAG Düsseldorf v. 10.5.2010 – 16 Sa 235/10; LAG München v. 26.5.2009 – 6 Sa 1135/08, AE 2009, 186 unter Hinweis auf BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; für Sonderzahlungen, die 25 % der Gesamtvergütung übersteigen, auch BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, 43; v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783, 784; hierzu auch Rz. 15 sowie Lingemann/ Gotham, NZA 2008, 509, 512). 6 Wie die rechtssichere Formulierung einer freiwilligen Leistung und eines Freiwilligkeitsvorbehaltes aussieht, ist mehr denn je ungeklärt. Das BAG hat bei Freiwilligkeitsvorbehalten, nach denen dem Arbeitnehmer eine Leistung „gezahlt/gewährt“ wird oder der Arbeitnehmer eine Leistung „erhält“, Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB angenommen (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, BB 2008, 2465). Ob die hier vorgeschlagene Klausel einer AGB-Kontrolle durch das BAG standhalten wird, kann nicht abgesehen werden. Wir verweisen ergänzend auf M 3.1 § 4 Abs. 1 mit Anm. sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff. Zur Verwendung des Verbs „erbringen“ vgl. auch den Klauselvorschlag von Preis/Sagan, NZA 2012, 697. Wird im Arbeitsvertrag zB bei unwirksamem Freiwilligkeitsvorbehalt ein Anspruch begründet, so ändert daran auch ein bei jeder Zahlung ausgesprochener Freiwilligkeitsvorbehalt nichts, denn dieser würde nur eine betriebliche Übung verhindern, nicht aber einen im Arbeitsvertrag begründeten Anspruch beseitigen (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203). Angesichts der Unsicherheit darüber, wie ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt ausgestaltet sein muss, kann es ratsam sein, im Vertrag die freiwillige Leistung und damit den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu regeln und stattdessen bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu erklären. Ob hier ein Freiwilligkeitsvorbehalt noch vereinbart werden kann, ist fraglich. Es handelt sich letztlich wohl um Vergütung für eine erbrachte Leistung, so dass jedenfalls mit Beginn des Bezugszeitraums ein solcher Vorbehalt ausscheidet. Wie bei der Zielvereinbarung (dazu Rz. 58) kann daher letztlich nur die Entscheidung, ob für die Zukunft eine solche Prämie gewährt wird, einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellt werden, aber nicht die Prämiengewährung nach Beginn des Zeitraums. Das Muster trägt dem durch die Formulierung „vor Beginn eines jeden Kalenderjahres“ Rechnung. Problematisch ist auch, dass die Voraussetzungen für die Gewährung genau angegeben sind, was einem Freiwilligkeitsvorbehalt entgegenstehen könnte (BAG v. 20.2.2013, BB 2013, 1203; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 576, 577; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173, 1177; Rz. 6). Bei laufend gewährten Anwesenheitsprämien ist ein solcher Vorbehalt ohnehin nicht zulässig. Dann kann nur ein Widerrufsvorbehalt vereinbart werden, s. Formulierungsvorschlag in der Var. 2 zu (3). Allerdings liegt laufendes Entgelt wohl dann nicht vor, wenn die Anwesenheitsprämie einmal jährlich gezahlt wird, vgl. Var. 1. In jedem Fall muss bei jeder einzelnen Ge-

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Lingemann

M 12.14.2

Vergütung

Kap. 12

oder (3) Der Arbeitgeber behält sich vor, die Anwesenheitsprämie bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind7 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere8 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … im letzten Geschäftsjahr), – eine um mindestens … % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin über einen Zeitraum von … Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin. Das tarifliche Entgelt und das gesetzliche Mindestentgelt bleiben dabei unangetastet. Die Prämie kann nur widerrufen werden, soweit sie weniger als 25 % der Gesamtvergütung des Mitarbeiters/ der Mitarbeiterin ausmacht.9 währung der Freiwilligkeitsvorbehalt nochmals ausdrücklich wiederholt werden (vgl. Kap. 2 Rz. 104 ff.). Zudem ist zu beachten, dass trotz vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalts bei einer wiederholten und dauerhaften Gewährung die Rspr. eine vorrangige Individualvereinbarung annehmen könnte, so dass insgesamt die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts rechtssicherer erscheint. 7 Vgl. hierzu die Hinweise in M 12.7.2 Ziff. 1. 8 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes zT überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). 9 Vgl. zu den Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff.

M 12.14.2

Leistungsprämie

Dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin wird zu seinem/ihrem monatlichen Grundgehalt eine Leistungsprämie in Höhe von Euro … pro Tag freiwillig geleistet, wenn er/sie seine/ihre festgelegte Tagesleistung um … Stücke überschreitet. Bei Fehlzeiten innerhalb des Kalenderjahres wird die Prämie um ein Viertel eines Tagesarbeitsentgelts gekürzt.1 An Fehltagen aufgrund von Erkrankung oder sonstiger Abwesenheit, für die kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht, wird die Leistungsprämie nicht geleistet. 1 Bei dieser Regelung stellen sich dieselben Probleme zu §§ 4, 4a EFZG wie in M 12.14.1, da die Leistungsprämie nicht nur einmalig, sondern regelmäßig und damit laufend gewährt wird. Damit stellt sich auch hier die Frage, ob die laufend gewährte Leistungsprämie als Sondervergütung eingeordnet werden kann und damit die Kürzungsmöglichkeit des § 4a EFZG eröffnet ist (Einzelheiten bei M 12.14.1). UE handelt es sich bei der hier geregelten Leistungsprämie jedoch trotz der regelmäßigen Auszahlung (= Indizwirkung) um eine Sondervergütung iSv. § 4a EFZG. Die Leistungsprämie ist mit der in M 12.14.1 Var. 1 geregelten laufenden Anwesenheitsprämie nicht vergleichbar. Die laufende Anwesenheitsprämie wird unabhängig von einer konkreten Leistung des Arbeitnehmers gezahlt. Hingegen setzt die hier geregelte (Tages)Prämie ein Überschreiten der durchschnittlichen Stückzahl, dh. eine körperliche Anwesenheit und konkrete Leistung des Arbeitnehmers, voraus. Diese Auslegung spricht somit für die Einordnung als Sondervergütung. Ordnet man diese Prämie aufgrund der Indizwirkung der regelmäßigen Auszahlung hingegen als laufendes und damit fortzahlungspflichtiges Entgelt iSv. § 4 EFZG ein, so kann eine Kürzung nur für diejenigen Fehltage geregelt werden, in denen kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht (vgl. für die laufende Anwesenheitsprämie die Var. 1). Im Übrigen erhält der Arbeitnehmer seine Prämie weiterhin ausgezahlt. Diese richtet sich nach dem Durchschnitt der in den letzten 12 Monaten gezahlten Tagesprämien. Offen: BAG v. 26.4.2005 – 1 AZR 76/04, NZA 2005, 892; LAG Hamm 7.3.2007, NZA-RR 2007, 629.

Lingemann

569

Kap. 12

M 12.14.3

Vergütung

M 12.14.3

Treueprämie

Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin erhält eine Treueprämie in folgender Höhe: Bei ununterbrochener Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren in Höhe von Euro … 20 Jahren in Höhe von Euro … 30 Jahren in Höhe von Euro … 35 Jahren in Höhe von Euro … 40 Jahren in Höhe von Euro … Die Prämie setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis bei Erreichen der jeweiligen Betriebszugehörigkeit ungekündigt ist. Dies gilt unabhängig davon, in wessen Sphäre der Grund für die Kündigung liegt.1 1 Eine Beschränkung auf die Fälle, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründen beruht, die aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammen, dürfte hier nicht erforderlich sein. Das BAG hat für Stichtagsklauseln bei Leistungen, die nicht der Vergütung für geleistete Arbeit dienen, entschieden, dass diese nicht nach den Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenzieren müssen (BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992; v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 513; v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368; v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221). Einzelheiten bei Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff.

12.15 Sonderzuwendungen (Gratifikationen)

M 12.15.1

Sonderzuwendung mit Freiwilligkeitsvorbehalt

(1) Der Arbeitgeber kann1 eine jährliche Sonderzuwendung erbringen.2 Die Sonderzuwendung dient ausschließlich als Honorierung von Betriebstreue und als Anreiz für künftige Betriebstreue.3 1 Zu Freiwilligkeitsklauseln im Einzelnen s. Rz. 6 ff. sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104 ff. Die Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten ist nach der neueren Rspr. insgesamt fraglich (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; Preis/Sagan, NZA 2012, 697, 705), so dass in jedem Fall zu empfehlen ist, bei jeder Zahlung den Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich zu wiederholen. Auch ist der Vorrang der Individualabrede zu beachten. Soll die Sonderzuwendung freiwillig, widerruflich oder rückzahlbar gestaltet werden, so sollte sie nicht unter „Vergütung“ geregelt werden, sondern muss eine eigene Überschrift erhalten. Sonst besteht die Gefahr eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, vgl. dazu Rz. 6 ff. sowie Kap. 2 Rz. 50 ff. 2 Wie die rechtssichere Formulierung einer freiwilligen Leistung und eines Freiwilligkeitsvorbehaltes aussieht, ist mehr denn je ungeklärt. Formulierungen wie „der Angestellte erhält“ (BAG v. 7.6.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234) oder „zur Zeit werden gewährt“ (BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015, Rz. 17) sollten vermieden werden, da diese Formulierungen nach dem BAG einen Anspruch begründen sollen und daher widersprüchlich und intransparent sind. Nur „Erbringen“ und „leisten“ gehört, soweit ersichtlich, noch nicht dazu. Vgl. zu noch möglichen Formulierungen im Detail Kap. 2 Rz. 105b mwN. Wir verweisen ergänzend auf M 3.1 § 4 Abs. 1 sowie M 12.14.1 Abs. 3 jeweils mit Anm. sowie detailliert in Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff. 3 Diese Angabe ist im Vertrag erforderlich, damit die Zuwendung nicht als Vergütung ausgelegt wird, vgl. BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992; v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2013, 597; v. 18.1.2012, NZA 2012 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 211. Der Honorierung erbrachter Betriebstreue dient typischerweise eine Stichtagsklausel mit Stichtag im Bezugszeitraum, auf die Honorierung künftiger Betriebstreue gerichtet ist eine Regelung mit Stichtag nach Ablauf des Bezugszeitraumes und damit insbesondere eine Rückzahlungsvereinbarung. Zumindest Letztere dürfte nur noch zulässig sein bei einer Zuwendung ohne Vergütungscharakter, Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff.

570 Lingemann

M 12.15.2

Vergütung

Kap. 12

Wird die Sonderzuwendung erbracht, wird hierdurch ein Rechtsanspruch auf Erbringung in den folgenden Kalenderjahren nicht begründet. Der Arbeitgeber behält sich vor, vor Beginn eines jeden Jahres neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine Sonderzuwendung erbracht wird.4 Der Vorrang individueller Vertragsabreden im Sinne des § 305b BGB bleibt hiervon unberührt. oder (1) Erbringt der Arbeitgeber eine Sonderzuwendung, geschieht dies freiwillig, ein Rechtsanspruch besteht nicht.5 Die Sonderzuwendung dient ausschließlich als Honorierung von Betriebstreue und als Anreiz für künftige Betriebstreue.6 Der Arbeitgeber entscheidet jedes Jahr neu, ob und in welcher Höhe er eine Sonderzuwendung erbringt. Aus der Erbringung einer Sonderzuwendung kann für die Zukunft kein Anspruch abgeleitet werden. Das gilt auch dann, wenn die Sonderzuwendung wiederholt erbracht wird. Der Vorrang individueller Vertragsabreden im Sinne des § 305b BGB bleibt hiervon unberührt. 4 Sonderzuwendungen können im Grundsatz unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt werden (BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015; v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; v. 5.8.2009 – 10 AZR 483/08, NZA 2009, 1105, 1107; v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310; v. 10.12.2008, NZA-RR 2009, 576; v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173), vgl. im Einzelnen Kap. 2 – AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff. – „Freiwilligkeitsvorbehalt“. Der Vorbehalt muss allerdings dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügen, dh. klar und verständlich abgefasst sein. Auch ist mittlerweile insgesamt fraglich, inwieweit Freiwilligkeitsvorbehalte im Formularvertrag in Zukunft noch wirksam sind, da das BAG angedeutet hat, dass mehrfache Zahlungen ohne weitere Vorbehalte einen an sich wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag zu Fall bringen können. Zudem ist in jedem Fall der Vorrang der Individualabrede zu beachten und aufzunehmen (vgl. BAG v. 14.9.2011, NZA 2012, 81; Hunold, DB 2012, 1096; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400; ähnlich auch der Klauselvorschlag bei Lakies, ArbRAktuell 2013, 251). Ob die hier vorgeschlagene Klausel einer AGB-Kontrolle durch das BAG standhalten wird, kann nicht abgesehen werden. Wir verweisen ergänzend auf M 3.1 § 4 Abs. 1 und M 12.14.1 Abs. 3 jeweils mit Anm. sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff. 5 Wie die rechtssichere Formulierung einer freiwilligen Leistung und eines Freiwilligkeitsvorbehaltes aussieht, ist mehr denn je ungeklärt. Wir verweisen ergänzend auf M 3.1 § 4 Abs. 1 sowie M 12.14.1 Abs. 3 jeweils mit Anm. sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 104 ff. 6 Diese Angabe ist im Vertrag erforderlich, damit die Zuwendung nicht als Vergütung ausgelegt wird, BAG v. 18.1.2012, NZA 2012 m Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 211. Der Honorierung erbrachter Betriebstreue dient typischerweise eine Stichtagsklausel mit Stichtag im Bezugszeitraum, auf die Honorierung künftiger Betriebstreue gerichtet ist eine Regelung mit Stichtag nach Ablauf des Bezugszeitraumes und damit insbesondere eine Rückzahlungsvereinbarung. Beides dürfte nur noch zulässig sein bei einer Zuwendung ohne Vergütungscharakter, Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff.

M 12.15.2

Sonderzuwendung mit Widerrufsvorbehalt und Bindungsklausel

(1) Herr/Frau … erhält1 jedes Jahr eine Sonderzuwendung in Höhe von Euro … (2) Der Arbeitgeber behält sich vor, die Sonderzuwendung bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen.2 Sachliche Gründe sind,3

1 Mit dem Terminus „erhält“ wird ein Anspruch begründet, so dass die Leistung nicht gleichzeitig unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden kann, ein Widerrufsvorbehalt ist aber im Grundsatz zulässig, vgl. Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, Rz. 104. 2 Vgl. zu den Voraussetzungen und dem Umfang eines Widerrufsvorbehalts Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 3 Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht mehr aus, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459 f. Der Arbeitgeber sollte daher entscheiden, was „wirtschaftliche Gründe“ sind, und diese in der Widerrufsklausel benennen, vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 139.

Lingemann

571

Kap. 12

Vergütung

M 12.15.2

– wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere4 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … im letzten Geschäftsjahr) – eine um mindestens … % unterdurchschnittliche Arbeitsleistung von Herrn/Frau … über einen Zeitraum von … Monaten oder – eine schwerwiegende Pflichtverletzung von Herrn/Frau … Die Sonderzuwendung kann nur widerrufen werden, soweit sie weniger als 25 % der Gesamtvergütung von Herrn/Frau … ausmacht.5 (3)6 Für die Auszahlung der Sonderzuwendung gilt Folgendes:7 a) Die Sonderzuwendung wird mit dem Dezembergehalt ausgezahlt (Stichtag). Die Auszahlung ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag endet. Anteilige Zahlungen erfolgen nicht.8 b) Eine Auszahlung der Sonderzuwendung ist ferner ausgeschlossen, wenn sich das Arbeitsverhältnis am Stichtag in gekündigtem9 Zustand befindet. Dies gilt unabhängig davon, in wessen Sphäre der Grund für die Kündigung liegt.10 Diese Regelung gilt sinngemäß für Aufhebungsvereinbarungen.11 c) Eine geleistete Sonderzuwendung ist zurückzuzahlen,12 wenn Herr/Frau … vor dem 31.3. des auf den Stichtag folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Beträgt die Sonderzuwendung ein Monatsgehalt oder mehr, so ist sie zurückzuzahlen, wenn Herr/Frau … vor dem 30.6. des auf den Stichtag folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus-

4 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes zT überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). 5 Vgl. zu den Voraussetzungen und dem Umfang eines Widerrufsvorbehalts Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. 6 Vgl. zu den Voraussetzungen und dem Umfang einer Bindungsklausel Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklauseln“, Rz. 100 ff. 7 Wir meinen, dass Abs. 2 – Widerrufsvorbehalt – und Abs. 3 – Bindungsklausel – an unterschiedliche Tatbestände anknüpfen, nämlich der Widerrufsvorbehalt an besondere sachliche Gründe, die nicht im Zusammenhang mit der Betriebstreue stehen, und die Bindungsklausel an die Betriebstreue, so dass sie auch kumulativ vereinbart werden können. Die Frage ist aber nicht höchstrichterlich entschieden. 8 Vgl. auch BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620. 9 Erfasst wird nur die wirksame Kündigung; hat eine Kündigungsschutzklage daher Erfolg, so entfällt die Sonderzuwendung naturgemäß nicht, auch dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis dann auf einen hilfsweisen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG hin aufgelöst wird (BAG v. 7.12.1989 – 6 AZR 324/88, NZA 1990, 490). 10 Die Zulässigkeit einer solchen Stichtagsklausel hat das BAG für solche Sonderleistungen, die – wie hier – nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, bejaht (BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992; v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 513; v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2013, 597; v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/ 10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 221; vgl. auch Baeck/Winzer, NZG 2012, 657). Für Sonderzuwendungen, die 25 % der Gesamtvergütung übersteigen, vgl. BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, 43; v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783, 784; hierzu auch Rz. 15 sowie Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 512. 11 Ohne diese Regelung würde der Anspruch auf Sonderzuwendung fortbestehen, wenn zur Vermeidung einer Kündigung bereits vor dem Stichtag eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen wurde, die das Arbeitsverhältnis jedoch erst für einen Zeitpunkt nach dem Stichtag beendet (BAG v. 7.10.1992 – 10 AZR 186/91, NZA 1993, 948). 12 Zu Wirksamkeit und Grenzen von Rückzahlungsklauseln bei Sonderzuwendungen vgl. Kap. 2 – AGBKlauselkontrolle von A–Z, Rz. 100 ff. – „Bindungsklauseln“. Die hier vorgeschlagene Klausel orientiert sich an Kündigungsfristen zum Quartal.

572

Lingemann

M 12.15.2

Vergütung

Kap. 12

scheidet.13 Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht nicht, wenn die Sonderzuwendung Euro 100,– oder weniger beträgt14 oder wenn Herr/Frau … aus Gründen, die Herr/Frau … nicht zu vertreten hat, insbesondere aus betriebsbedingten Gründen,15 ausscheidet. Diese Regelung gilt sinngemäß für Aufhebungsvereinbarungen. Die Gesellschaft ist berechtigt, mit ihrer Rückzahlungsforderung gegen rückständige oder nach der Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung fällig werdende Vergütungsansprüche im Rahmen der gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften aufzurechnen. (4) Für die Zeit des Ruhens16 des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch auf eine Sonderzuwendung nach Absatz 1. Als Ruhen des Arbeitsverhältnisses gelten17 a) Zeiten des freiwilligen Wehrdienstes und des Ersatzdienstes,18 b) über einen Monat hinaus andauernder unbezahlter Urlaub, c) Elternzeit,19 13 Bei nicht quartalsmäßigen Kündigungsfristen wäre zu ergänzen: „Liegt der nächstzulässige Kündigungstermin nach dem 31.3. des folgenden Kalenderjahres allerdings vor dem 30.6., so ist die Sonderzahlung nur dann zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer vor diesem nächstzulässigen Kündigungstermin ausscheidet.“ Vgl. BAG v. 28.4.2004 – 10 AZR 356/03, NZA 2004, 924. 14 Vgl. Kap. 2 Rz. 100 ff.; zur Vermeidung einer Unangemessenheit und damit eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 BGB muss diese Einschränkung aufgenommen werden, sofern nicht feststeht, dass die Sonderzuwendung höher als Euro 100,– ist (BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; v. 21.5.2003 – 10 AZR 390/02, NZA 2003, 1032, 1033). Eine geltungserhaltende Reduktion käme nicht in Betracht, § 306 Abs. 2 BGB. 15 Ob die neuere Rspr. des BAG (BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 211), nach der bei Stichtagsklauseln bzgl. Sonderleistungen, die nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, nicht nach dem Grund der Beendigung differenziert werden muss, auch für Rückzahlungsklauseln gilt, ist offen. Insoweit sollte bei Rückzahlungsklauseln nach dem Grund des Ausscheidens differenziert werden (vgl. Kap. 2 Rz. 100 ff.). Wird eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, scheidet gem. § 306 Abs. 2 BGB eine geltungserhaltende Reduktion grundsätzlich aus (vgl. allgemein BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042, 1045; v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, 44; v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738, 740 f.). 16 Ruhen bedeutet, dass die wechselseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert sind, also weder ein Anspruch auf Arbeitsleistung noch ein Anspruch auf Vergütung besteht, gleichwohl aber die vertraglichen Nebenpflichten unberührt bleiben (BAG v. 10.5.1989, DB 1989, 2127 f.; v. 7.6.1990 – 6 AZR 52/89, DB 1990, 1971), zB bei freiwilligem Wehrdienst und entsprechenden Übungen (§§ 1, 10 ArbPlSchG, 78 ZDG, 1 EignungsübungsG), der Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 16 BEEG; BAG v. 12.1.2000 – 10 AZR 840/98, NZA 2000, 944; v. 24.5.1995 – 10 AZR 619/94, NZA 1996, 31), der Vereinbarung unbezahlten Sonderurlaubs, beispielsweise zu Ausbildungszwecken oder zur Erledigung von Privatangelegenheiten (zB Beerdigung, Hochzeit) sowie schließlich der Beteiligung des Arbeitnehmers an einem rechtmäßigen Streik (BAG v. 30.8.1994 – 1 AZR 765/93, BB 1994, 2280 f.; v. 3.8.1999, DB 2000, 677); nicht aber bei Abwesenheit während der Mutterschutzzeiten der §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG (vgl. Satz 3; BAG v. 7.9.1989, NZA 1990, 497) und Arbeitsunfähigkeit (dazu § 4a EFZG, im Einzelnen Rz. 29, 34 f.). Zu den Ruhenstatbeständen vgl. auch Reiserer in Maschmann/Sieg/Göpfert, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2016, 602 Zielvereinbarung, Rz. 25; BeckOK ArbR/Joussen, § 611 BGB Rz. 185. 17 Vgl. BAG v. 4.12.2002, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245. 18 Es ist offen, ob diese Einschränkung mit dem Diskriminierungsverbot des § 7 AGG noch vereinbar ist. So wird etwa die Frage nach dem freiwilligen Wehrdienst beim Vorstellungsgespräch teilweise als unzulässig angesehen, vgl. hierzu Kap. 1, Rz. 3 ff. 19 Weder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch das europarechtliche Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen verbieten es, bei der Gewährung einer Sonderzuwendung Arbeitnehmer auszunehmen, deren Arbeitsverhältnisse wegen Erziehungsurlaubs (heute Elternzeit) ruhen, BAG v. 12.1.2000 – 10 AZR 840/98, NZA 2000, 944; im Ergebnis wohl auch BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 35/08, NZA 2009, 258, 259; krit. Feldhoff, AiB 2001, 188; vgl. auch Boemke, JuS 2001, 95; BAG v. 4.12.2002, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245. Auch scheidet uE eine Benachteiligung wegen des Geschlechts nach dem AGG aus, da die Elternzeit von Angehörigen beiderlei Geschlechts in Anspruch genommen werden kann, BGK, § 1 AGG Rz. 57.

Lingemann

573

Kap. 12

Vergütung

M 12.16

d) Beteiligung von Herrn/Frau … an einem rechtmäßigen Streik.20 Dabei ist es unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes oder kraft Vereinbarung ruht. 20 Zur Zulässigkeit einer solchen Kürzung jedenfalls in Tarifverträgen BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 374/06, NZA 2007, 573 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2007, 213940; weitergehend Schilling, SPA 2015, 105.

M 12.16

Sonderzuwendung nach Ermessen (Ermessensgratifikation)

(1) Die Weihnachtsgratifikation beträgt1 – 50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 6 Monaten – 100 % bei einer Betriebszugehörigkeit von 12 Monaten von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation. (2) Sie wird zusammen mit dem Novembergehalt im jeweiligen Jahr ausgezahlt. (3) Endet das Arbeitsverhältnis vor dem 31.3. des folgenden Jahres durch Kündigung des Arbeitnehmers, sind jegliche – auch anteilige – Ansprüche auf die Weihnachtsgratifikation ausgeschlossen. Eine Aufhebungsvereinbarung oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses stehen einer Kündigung gleich.2 1 Formulierung in Anlehnung an BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180. Der 10. Senat hat die Regelung gebilligt, insbesondere auch deshalb, weil die Festlegung billigem Ermessen gem. § 315 BGB entsprechen muss und damit auch gerichtlicher Kontrolle unterliegt, Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ermessensgratifikation“, Rz. 101. Diese Gestaltung stellt uE eine sinnvolle Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt dar, da sie gerade in schwierigen Zeiten für das Unternehmen eine Absenkung erlaubt, die dann billigem Ermessen entsprechen wird, Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400. 2 Diese Stichtagsklausel hat das BAG im Urteil v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NJW 2013, 1020 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 180 gleichfalls gebilligt (Rz. 14). Das ist deshalb überraschend, weil die Regelung zur Gratifikation unter der Überschrift „Vergütung“ stand und bei Sonderzahlungen, die zumindest auch Vergütungscharakter haben, ein Stichtag außerhalb des Bezugszeitraumes nicht wirksam vereinbart werden kann, dazu Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff. Hier bestehen also Unsicherheiten.

M 12.17

Klage auf Sondervergütung wegen Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir die Klägerin.2 Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen:

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Zum Problem der Geschlechtsdiskriminierung s. allgemein M 12.5.

574 Lingemann/Diller

M 12.18

Vergütung

Kap. 12

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem … zu zahlen.3

Begründung: Die Kl. ist bei der Bekl. seit mehr als zehn Jahren als … tätig. Seit der Geburt ihres Kindes im Jahre … ist die Kl. bei der Bekl. nur noch als Halbtagskraft beschäftigt. Die Bekl. hat im … ihr 25-jähriges Firmenjubiläum gefeiert. Aus Anlass des Jubiläums erhielt jeder vollzeitbeschäftigte Mitarbeiter eine einmalige Jubiläumszuwendung von Euro … Die Kl. erhielt keine Zahlung. Auf Nachfrage bei der Personalabteilung wurde ihr erklärt, Teilzeitbeschäftigte seien von der Jubiläumszahlung grundsätzlich ausgenommen. Ziel der Jubiläumszuwendung sei es, die vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter an den Betrieb zu binden und ihren hohen Arbeitseinsatz in der Vergangenheit zu belohnen. Teilzeitbeschäftigte hätten typischerweise eine geringere Bindung an den Betrieb, insbesondere teilzeitbeschäftigte Mütter würden nach der Geburt weiterer Kinder regelmäßig aus dem Unternehmen ausscheiden. Nach § 4 TzBfG ist eine Ungleichbehandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nur dann zulässig, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Solche Gründe sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Selbstverständlich war der Arbeitseinsatz der Kl. nicht so hoch wie der Arbeitseinsatz der vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter in der Vergangenheit. Die Kl. macht aber auch nur eine anteilige Zahlung der Jubiläumszuwendung geltend. Im Rahmen ihrer reduzierten Arbeitszeit hat die Kl. sich genauso eingesetzt wie die vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter. Die Bekl. kann die Verweigerung der Zahlung auch nicht auf den Gesichtspunkt der verringerten Betriebstreue stützen. Es ist eine blanke Vermutung der Bekl., dass teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter eine höhere Fluktuation aufweisen als vollzeitbeschäftigte. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse hierzu gibt es nicht. Gemäß § 4 TzBfG hätte die Bekl. folglich zumindest Anspruch auf eine anteilige Jubiläumszuwendung gehabt. Die Verweigerung der Zuwendung verstößt im Übrigen auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau gemäß Art. 157 AEUV sowie gegen das AGG. Die Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ist nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BAG eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung, da Frauen unter den Teilzeitbeschäftigten weit überrepräsentiert sind (wird ausgeführt). … (Unterschrift)4 3 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 4 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

M 12.18

Klage auf Ausgabe von Belegschaftsaktien wegen betrieblicher Übung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:

1 S. M 101.1 und M 101.2.

Diller

575

Kap. 12

Vergütung

M 12.19

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Aktie der Beklagten zum Nennwert von Euro 100,– Zug um Zug gegen Zahlung von Euro 328,50 zu übergeben und zu übereignen.

Begründung: Die Bekl. ist eine große Publikums-Aktiengesellschaft. Seit mindestens 15 Jahren bot die Bekl. jedes Jahr am 15.6. Mitarbeitern, die seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen sind, je eine „Belegschaftsaktie“ im Nennwert von Euro 100,– zum Kauf an. Der Kaufpreis lag jeweils um genau Euro 15,– unter dem aktuellen Mittelkurs der Aktie an der Frankfurter Börse am Ausgabe-Stichtag. Das Angebot erfolgte jeweils am schwarzen Brett sowie in gleich lautenden Mitteilungsschreiben, die den Gehaltsabrechnungen für den Monat Mai beigefügt waren. Beweis: Zeugnis des Personalleiters … der Bekl., zu laden über diese Im Juni dieses Jahres hat die Bekl. der Belegschaft erstmals keine Belegschaftsaktien angeboten. Zur Begründung hieß es, man arbeite derzeit an einem grundlegend neuen Vergütungssystem, das in Kürze vorgestellt werden solle. Beweis: wie vor Der Kl. ist seit mehr als 30 Jahren bei der Bekl. beschäftigt. Ihm wurde in den letzten fünfzehn Jahren jeweils zum 15.6. das Angebot einer Belegschaftsaktie gemacht, er hat dieses Angebot auch jeweils angenommen. Durch die Verhaltensweise der Bekl. ist beim Kl. ein Vertrauen darauf entstanden, dass die Bekl. auch künftig in jedem Juni eine Belegschaftsaktie pro Mitarbeiter anbieten wird. Die Bekl. hat nie erklärt, sie wolle sich für die Zukunft nicht binden und werde jedes Jahr neu entscheiden, ob die bisherige Praxis fortgesetzt werde. Vielmehr musste bei allen Mitarbeitern der Eindruck entstehen, die jahrzehntelange Praxis werde unverändert weitergeführt, jedenfalls solange nicht in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ein anderes vergleichbares Anreizsystem geschaffen wird. Auf jeden Fall rechtfertigt die bloße Ankündigung, an einem alternativen Vergütungsmodell zu arbeiten, nicht die entschädigungslose Einstellung einer langjährigen betrieblichen Übung. Folglich ist die Bekl. verpflichtet, dem Kl. auch in diesem Jahr eine Belegschaftsaktie zu verschaffen, und zwar wie in den Vorjahren zum Kurs von Euro 15,– unter dem aktuellen Tageskurs. Am 15.6. … lag der amtliche Mittelkurs an der Frankfurter Börse bei Euro 343,50. … (Unterschrift)2 2 Der Streitwert entspricht dem Unterschied zwischen dem aktuellen Börsenkurs im Zeitpunkt des Urteils und dem Überlassungspreis.

M 12.19

Klage wegen Widerrufs/Teilkündigung von Sonderleistungen

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12. … an den Kläger zu zahlen.2 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3.

576 Diller

M 12.19

Vergütung

Kap. 12

2. Es wird festgestellt,3 dass der Widerruf der Beklagten vom 15.11. … bezüglich des Weihnachtsgeldanspruchs unwirksam ist und der Kläger auch weiterhin gemäß § … seines Anstellungsvertrages Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgelds von Euro … an jedem 1.12. eines Kalenderjahres hat.

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit dem … als … tätig. Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom … sieht in § … den Anspruch auf ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von Euro … vor, zahlbar jeweils zum 1.12. In § … des Anstellungsvertrages ist geregelt, dass sämtliche zusätzlich zum Gehalt gezahlten Leistungen freiwillig sind und jederzeit widerrufen werden können. Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1 Mit Schreiben vom 15.11. … erklärte die Bekl. gegenüber dem Kl., sie „widerrufe mit sofortiger Wirkung“ den Anspruch auf das jährliche Weihnachtsgeld aus § … des Anstellungsvertrages. Beweis: Schreiben der Bekl. vom 15.11. …, Anlage K 2 Die Bekl. war trotz des vertraglichen Widerrufsvorbehalts nicht berechtigt, den Weihnachtsgeldanspruch einseitig zu widerrufen.4 Der vertragliche Widerrufsvorbehalt war wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB unwirksam (wird ausgeführt). Überdies war der Widerruf offenbar ein Racheakt. Der Kl. hat sich zwei Tage vor dem Widerruf, am 13.11. …, geweigert, einer Anweisung des Geschäftsführers Folge zu leisten. Der Geschäftsführer hatte von ihm verlangt, eine rechtswidrige Buchung vorzunehmen, um die Bilanz „zu schönen“. Der Kl. ist auch der einzige Mitarbeiter, bei dem der Anspruch auf Weihnachtsgeld widerrufen wurde. Der Widerruf verstieß deshalb gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Beweis: Zeugnis des Personalleiters …, zu laden über die Bekl. Ein Widerruf von Gehaltsbestandteilen kann im Übrigen allenfalls nach Maßgabe von § 315 BGB zulässig sein. Im vorliegenden Fall sind die Grenzen billigen Ermessens allerdings weit überschritten (wird ausgeführt). … (Unterschrift)5 3 Die Feststellungsklage ist zulässig, da sie sich – anders als der Leistungsantrag Ziff. 1 – auch auf die Folgejahre bezieht. Eine Klage auf künftige Leistungen gem. § 259 ZPO (s. M 12.29) erscheint nicht möglich, da noch nicht feststeht, ob in den Folgejahren Ansprüche bestehen werden. Denkbar wäre zB, dass die Bekl. erneut – und diesmal wirksam – einen Widerruf erklärt. 4 Ob und unter welchen Voraussetzungen ein einseitiger Widerruf vorbehalten werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Auf jeden Fall dürfen nur Nebenleistungen unter Widerrufsvorbehalt gestellt werden, da ansonsten der Kündigungsschutz des KSchG umgangen würde. Außerdem ist der Widerruf stets an § 315 BGB zu messen (BAG v. 9.6.1965 und v. 7.1.1971, AP Nr. 10 und 12 zu § 315 BGB). Im Übrigen unterliegen Widerrufsklauseln einer weit gehenden AGB-Kontrolle (s. Kap. 2 Rz. 138 sowie Kap. 12 Rz. 26 ff. und die Erl. zu M 12.15.2). 5 Der Streitwert beträgt gem. § 42 Abs. 1 GKG den dreifachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung (Klagantrag Ziff. 2). Die Rückstände (Klagantrag Ziff. 1) werden gem. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG dem Streitwert nicht hinzugerechnet.

Diller

577

Kap. 12

M 12.20

Vergütung

M 12.20

Vermögenswirksame Leistungen

Herr/Frau … erhält vermögenswirksame Leistungen1 nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz in Höhe von monatlich Euro …, sofern er/sie einen entsprechenden Vertrag nachweist.2 1 Vgl. im Einzelnen Rz. 37 f. 2 Hier besteht ein Anspruch auf die Leistung, wie aus der Formulierung „erhält“ ersichtlich. Da der Arbeitnehmer nach § 11 Abs. 1 5. VermBG vom Arbeitgeber den Abschluss eines Vertrages über vermögenswirksame Leistungen schriftlich verlangen kann, dürfte ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zulässig sein, s. Rz. 6.

M 12.21

Aufwendungsersatz 1. Alternative

Aufwendungen von Herrn/Frau …, die bei Erfüllung der vertraglichen Pflichten anfallen, werden wie folgt ersetzt:

1. Reisekosten1 a) für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs pro gefahrenem Kilometer Euro …2 oder a) für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs pro gefahrenem Kilometer die steuerlich zulässige lohnsteuerfreie Kilometerpauschale3 oder a) für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs eine Benzinkostenpauschale von Euro … pro Monat oder a) für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs die tatsächlich entstandenen Treibstoffkosten auf Nachweis oder a) Reisekostenersatz bis zur Höhe einer Bahnfahrt der Klasse …4 b) Wird Herrn/Frau … ein firmeneigenes Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt, gelten stattdessen die Bestimmungen des Kraftfahrzeug-Überlassungsvertrags, der diesem Vertrag als Anlage … beigefügt ist. 1 Ohne gesonderte Vereinbarung besteht ein Anspruch auf Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten, bei Verwendung eines Pkw also regelmäßig nur der tatsächlich aufgewendeten Treibstoffkosten. Weiter gehende Erstattungsansprüche können sich allerdings aus betrieblicher Übung oder – wie im Muster – aus vertraglicher Vereinbarung ergeben. 2 Die Pauschalierung der Reisekosten vereinfacht natürlich die Abrechnung. 3 Die Zahlung der Kilometerpauschale von zurzeit Euro 0,30 (R 9.5 LStR 2011) deckt alle Aufwendungen für den Betrieb des Pkw ab. Auch der Verlust des Schadensfreiheitsrabatts im Falle eines Unfalls ist dann nicht vom Arbeitgeber zu tragen (BAG v. 30.4.1992 – 8 AZR 409/91, BB 1992, 2363; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 557). 4 Bei dieser Formulierung kann der Arbeitgeber sich auf etwaige Ermäßigungen durch BahnCard grundsätzlich nicht berufen (BAG v. 7.2.1995 – 3 AZR 776/94, NZA 1995, 842). Sofern keine zwingenden tarifvertraglichen Regelungen entgegenstehen, kann der Arbeitgeber den Aufwendungsersatz auch auf die tatsächlich entstandenen Reisekosten (vgl. § 670 BGB) beschränken und damit auch einen BahnCard-Rabatt berücksichtigen.

578 Lingemann

M 12.21

Vergütung

Kap. 12

2. Verpflegungsaufwand Für jeden Reisetag eine Pauschale in Höhe von Euro …5

3. Übernachtungskosten Für jede nachgewiesene Übernachtung eine Pauschale6 in Höhe von Euro … zur Deckung aller damit verbundenen Kosten oder die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Kosten bis zur Höhe von Euro …

4. Telefonspesen Für betrieblich geführte Telefongespräche eine monatliche Pauschale in Höhe von Euro … oder die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Kosten bis zur Höhe von Euro …

5. Umzugskosten a) Die Gesellschaft verpflichtet sich, die Umzugskosten von … nach … gegen Vorlage der Belege bis zur Höhe von Euro … zu erstatten. b) Die Erteilung des Umzugsauftrages darf nur im Einverständnis mit der Gesellschaft erfolgen. Vorher sind die Angebote von mindestens … Möbelspediteuren beizubringen. c) Scheidet Herr/Frau … vor Ablauf von drei Jahren nach dem Umzugstermin aufgrund einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus, ohne dass er/sie für die Kündigung einen wichtigen Grund hat, oder beruht eine Kündigung der Gesellschaft innerhalb dieses Zeitraums auf Gründen, die Herr/Frau … zu vertreten hat,7 so ist Herr/Frau … verpflichtet, die Umzugskosten zurückzuzahlen, wobei pro Monat der Betriebszugehörigkeit seit dem Umzug 1/36 der Umzugskosten als getilgt gelten.8

6. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln Herr/Frau … erhält zusätzlich zur Vergütung einen Zuschuss zu seinen/ihren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr bis zur Höhe von Euro … pro Monat, sofern er/sie entsprechende Aufwendungen nachweist.9 5 Die steuerliche Verpflegungspauschale für Dienstreisen im Inland beträgt gem. § 9 Abs. 4a EStG iVm. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG für eine Abwesenheit von mehr als acht Stunden ohne Übernachtung Euro 8,–, ab 8 Stunden mit Übernachtung jeweils Euro 12,– für An- und Abreisetag und ab 24 Stunden Euro 24,–. 6 Das pauschale Übernachtungsgeld, das der Arbeitgeber steuerfrei zuwenden darf, beträgt Euro 20,– (R 9.7 Abs. 3 LStR 2011). 7 In Formularverträgen sollte klargestellt werden, dass in Fällen, in denen der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Sphäre des Arbeitgebers liegt (zB bei betriebsbedingter Kündigung), die Rückzahlungspflicht entfällt; andernfalls hält die Klausel der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wohl nicht stand (vgl. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042 sowie die Hinweise in Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Bindungsklauseln, Rz. 100 ff.). 8 Der Arbeitnehmer ist nur zur Rückzahlung verpflichtet, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Rückzahlungsvereinbarungen unterliegen einer strengen Wirksamkeitskontrolle, da sie zu einer übermäßigen Einschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers führen können (BAG v. 23.2.1983 – 5 AZR 531/80, DB 1983, 1210). Daher darf der zu ersetzende Betrag idR ein Monatsgehalt nicht überschreiten (BAG v. 24.2.1975, BB 1975, 702) und muss sich mit fortschreitender Dauer des Arbeitsverhältnisses angemessen vermindern (hier um 1/36 pro Monat, möglich ist auch 1/3 pro Jahr, BAG v. 23.4.1986, DB 1986, 2135). Es dürften hier die vom BAG zur Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten entwickelten Grundsätze gelten (BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107; v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; Lingemann/Kiecza, ArbRAktuell 2009, 156). Die höchstmögliche zeitliche Bindung beträgt danach drei Jahre (BAG v. 23.2.1983, DB 1983, 1210), im Einzelfall kann sie jedoch auch auf fünf Jahre ausgedehnt werden (BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 666, 668), wobei allerdings erhebliche Zweifel bestehen, ob dies auch für die Umzugsregelung gilt. Zudem muss der Umzug zumindest auch im Interesse des Arbeitnehmers erfolgt sein (BAG v. 24.2.1975, BB 1975, 702). 9 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind Teil der privaten Lebensführung und daher vom Arbeitnehmer zu tragen (BAG v. 28.8.1991 – 7 ABR 46/90, DB 1991, 2594). Gewährt der Arbeitgeber freiwillig Fahrtkostenzuschüsse, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG,

Lingemann

579

Kap. 12

Vergütung

M 12.21

Die Erstattung der Aufwendungen setzt tatsächlich entstandene Aufwendungen voraus. Während Urlaubs, Krankheit oder sonstiger Freistellung von der Arbeitsleistung besteht daher kein Anspruch auf Aufwendungsersatz.10

2. Alternative Herr/Frau … erhält Aufwendungsersatz bis zu den jeweiligen steuerlichen Höchstsätzen. oder Herr/Frau … erhält Aufwendungsersatz für … (zB Übernachtungskosten) in Höhe der jeweiligen steuerlichen Pauschbeträge. oder Herr/Frau … erhält Aufwendungsersatz nach den11 Reisekostenrichtlinien des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Reisekostenrichtlinie bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen.12 Sachliche Gründe sind13 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere14 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … im letzten Geschäftsjahr), – eine Änderung der Tätigkeit von Herrn/Frau …, – die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen, – veränderte Vorgaben zur Nutzung von Verkehrsmitteln oder Übernachtungsmöglichkeiten.

10 11

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zwar nicht bei der Frage, ob ein solcher Zuschuss eingeführt wird, wohl aber bei der Verteilung (BAG v. 9.7.1985 – 1 AZR 631/80, DB 1986, 230). Ein Initiativrecht des Betriebsrates besteht allerdings nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zu beachten. Steuerfrei sind nach Maßgabe von § 3 Nr. 32 EStG auch Kosten der Sammelbeförderung. Soweit Fahrtkostenersatz nicht steuerbefreit ist, kommt noch eine Pauschalbesteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG in Betracht. Ob ohne eine solche Regelung ein Anspruch auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung entstehen könnte, ist eine Frage der Auslegung (vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 557). Bei der Entgeltfortzahlung ist Aufwendungsersatz im Zweifel nicht zu berücksichtigen (vgl. Bauer/Röder/Lingemann, S. 57 f.). Eine dynamische Bezugnahme auf die „jeweiligen“ Reisekostenrichtlinien wäre wahrscheinlich unwirksam, wenn keine Gründe für eine etwaige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen genannt oder erkennbar sind. BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; vgl. auch Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bezugnahmeklausel“, Rz. 99c. Will man die Klausel daher flexibilisieren, muss man wohl einen Widerrufsvorbehalt aufnehmen, wie in Satz 2 ff. vorgesehen. Eine Klausel, die das Recht des Arbeitgebers begründen soll, bereits entstandene Ansprüche einseitig zu ändern, muss sich an § 308 Nr. 4 BGB messen lassen, vgl. Rz. 7. Diese Grundsätze gelten auch für arbeitsvertragliche Klauseln, bei denen auf eine bestimmte Fassung eines einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Regelwerks Bezug genommen und gleichzeitig die jeweilige Fassung dieses Regelwerks für anwendbar erklärt wird (BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428). Ein solcher Vorbehalt ist gem. § 308 Nr. 4 BGB nur wirksam, wenn konkrete Gründe für eine mögliche Verschlechterung genannt sind, vgl. Gaul/Ludwig, BB 2010, 55 mit weiteren Formulierungsbeispielen. Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht mehr aus, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 459 f. Der Arbeitgeber sollte daher entscheiden, was „wirtschaftliche Gründe“ sind und diese in der Widerrufsklausel benennen, vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 139. Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.).

580 Lingemann

M 12.22

Vergütung

M 12.22

Dienstwagenüberlassungsvertrag

Kap. 12

§1 (1) Die Gesellschaft überlässt das Kraftfahrzeug Marke …, polizeiliches Kennzeichen …, Fahrgestellnummer … Herrn/Frau … zur Benutzung.1 (2) Die Gesellschaft ist berechtigt, das Fahrzeug durch ein gleichwertiges Modell zu ersetzen. In diesem Fall gilt dieser Vertrag entsprechend.

§2 (1) Das Kraftfahrzeug darf ausschließlich von Herrn/Frau … gefahren werden.2 (2) Herr/Frau … ist berechtigt, das Kraftfahrzeug auch zu Privatfahrten zu benutzen.3 Die Privatkilometer sind im Fahrtenbuch und in der Reisekostenabrechnung zu vermerken. (3) Privatfahrten ins Ausland müssen in jedem Einzelfall vorher schriftlich von der Gesellschaft genehmigt werden. Vor jeder Auslandsfahrt ist eine … (zB ADAC)-Auslandsschutzbrief-Versicherung abzuschließen.

§3 (1) Die Gesellschaft trägt die Kosten des Betriebes sowie für Reparaturen und Wartung des Fahrzeuges. Sie unterhält eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von Euro … und eine Teilkaskoversicherung/Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von Herrn/Frau … von Euro … pro Schadensfall, eine Insassenunfallversicherung und eine Rechtsschutzversicherung. (2) Treibstoffkosten werden gegen Vorlage der Belege ersetzt. Evtl. Treibstoffkosten für Privatfahrten trägt Herr/Frau … selbst. (3) Aufwendungen aus Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgeldern trägt Herr/Frau … Dies gilt insbesondere bei Verstößen gegen die Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). oder – bei Leasingfahrzeugen im Vollleasing (1) Die Gesellschaft trägt die Kosten des Betriebes sowie die Miete des Fahrzeuges. Kosten für Reparaturen und Wartung des Fahrzeuges trägt die Leasingfirma. Rechnungen sind auf ihren Namen auszustellen. (2) Treibstoffkosten werden gegen Vorlage der Belege ersetzt. Evtl. Treibstoffkosten für Privatfahrten trägt Herr/Frau … selbst. (3) Aufwendungen aus Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgeldern trägt Herr/Frau … Dies gilt insbesondere bei Verstößen gegen die Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO).

1 Dem Betriebsrat steht bei der Auswahl des Dienstwagens kein Mitbestimmungsrecht zu, vgl. Moll/Roebers, DB 2010, 2672; allgemein zur Mitbestimmung des Betriebsrates bei Dienstwagenregelungen Insam/ Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 535 f. 2 Vgl. Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 526 f. 3 Das dem Arbeitnehmer eingeräumte Recht zur privaten Nutzung eines Kraftfahrzeugs stellt regelmäßig einen Sachbezug dar und ist Teil der Vergütung. Im Fall der Erkrankung des Arbeitnehmers endet das Recht zur Privatnutzung – vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung – mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums, vgl. BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NZA 2011, 569 mit Anm. Bauer, ArbRAktuell 2011, 245; LAG BW v. 27.7.2009, ZTR 2009, 547; LAG Köln v. 29.11.1995 – 2 Sa 843/95, NZA 1996, 986; aA LAG Berlin-Brandenburg v. 19.2.2007 – 10 Sa 2171/06, AE 2007, 223.

Lingemann

581

Kap. 12

Vergütung

M 12.22

§4 (1) Herr/Frau … ist verpflichtet, a) die aus dem Betrieb und der Haltung des Fahrzeugs folgenden gesetzlichen Vorgaben des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) sowie sonstige Straßenverkehrsvorschriften einzuhalten. Diese Verpflichtungen gelten auch gegenüber der Gesellschaft.4 b) den Kfz-Schein und die grüne Versicherungskarte bei Fahrten mitzuführen und ansonsten sorgfältig zu verwahren; c) ein Fahrtenbuch zu führen; d) für rechtzeitige und ordnungsgemäße Pflege und Wartung des Fahrzeuges zu sorgen und die Wartungsintervalle nach dem Kundendienstheft einzuhalten; sämtliche Arbeiten sind ausschließlich in Vertragswerkstätten des Herstellers durchzuführen; e) den Wagen stets sorgfältig zu fahren. (2) Nach Alkoholgenuss ist die Benutzung des Wagens, auch zu Privatfahrten, nicht gestattet.

§5 (1) Unfälle, Verluste und Beschädigungen des Kraftfahrzeuges hat Herr/Frau … unverzüglich der Gesellschaft zu melden. Reparaturen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschaft. oder – bei Leasingfahrzeugen nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 und 2 (1) Unfälle, Verluste und Beschädigungen des Kraftfahrzeuges hat Herr/Frau … unverzüglich der Leasingfirma zu melden. Reparaturen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Leasingfirma. (2) Bei Kraftfahrzeugunfällen, bei denen der Schaden voraussichtlich mehr als Euro … beträgt, sowie bei Unfällen mit Personenschaden ist in jedem Fall die Polizei hinzuzuziehen, auch wenn der Unfall von Herrn/Frau … selbst verschuldet worden ist. Herr/Frau … wird der Gesellschaft nach jedem Unfall unverzüglich einen schriftlichen Bericht über den Unfallablauf und etwaige Erklärungen der Beteiligten nach dem Unfall übergeben.

§6 (1) Herr/Frau … haftet im Rahmen betrieblich veranlasster Tätigkeiten für alle vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Beschädigungen und Wertminderungen des Kraftfahrzeuges sowie für Schädigungen Dritter auf vollen Schadensersatz.5 Bei anderen fahrlässig verursachten Schäden ist er/sie verpflichtet, sich nach dem Grad seines/ihres Verschuldens am Ersatz des Schadens zu beteiligen.

4 Der Arbeitnehmer wird hierdurch gegenüber dem Arbeitgeber schuldrechtlich zur Einhaltung der entsprechenden Vorgaben verpflichtet. 5 Dazu Rz. 42. Die Abstufung nach dem Grad des Verschuldens entspricht den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, die auch bei einer betrieblich veranlassten Beschädigung eines Dienstwagens Anwendung finden (vgl. BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 647/09, NZA 2011, 406, Rz. 33 ff.; v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649 (II.2.a) mwN.; v. 12.11.1998 – 8 AZR 221/97, NZA 1999, 263 (II.3.); zur Haftungsverteilung im Arbeitsverhältnis allgemein Schwab, NZA-RR 2016, 173; Schwab, NZA-RR 2016, 230). Gemäß BAG v. 15.11.2012, NJOZ 2013, 709, Rz. 20; v. 18.1.2007 – 8 AZR 250/06, NZA 2007, 1230; v. 18.4.2002, NZA 2003, 37 führt ein vorsätzlicher Pflichtverstoß allerdings nur dann zur vollen Haftung des Arbeitnehmers, wenn auch der Schaden vom Vorsatz erfasst ist. Fehlt es an diesem Vorsatz, so führt dies zur Schadensquotelung. Auch bei grober Fahrlässigkeit ist eine Haftungserleichterung nicht generell ausgeschlossen. Eine Quotelung des Schadens kommt insbesondere bei deutlichem Missverhältnis zwischen Verdienst und Höhe des Schadens in Betracht, so etwa wenn die Existenz des Arbeitnehmers bei voller Inanspruchnahme bedroht wäre (BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345, 348; v. 23.1.1997 – 8 AZR 58/96, NZA 1998, 140 mwN). Dazu Schwab, NZA-RR 2016, 173.

582

Lingemann

M 12.22

Vergütung

Kap. 12

(2) Für auf Privatfahrten entstehende Schäden und darauf beruhende Wertminderungen des Fahrzeugs oder Schädigungen Dritter haftet Herr/Frau … in jedem Fall und unabhängig vom Grad seines/ihres Verschuldens uneingeschränkt.6 (3) Für Schäden oder Wertminderungen, die durch Verstoß gegen § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 sowie § 10 entstehen, haftet Herr/Frau … für jedes Verschulden uneingeschränkt. (4) Herr/Frau … haftet nicht, soweit der Schaden durch eine Versicherung abgedeckt wird und die Versicherung hierfür auch nicht beim Arbeitgeber Rückgriff nimmt. Soweit eine Vollkaskoversicherung besteht und eintrittspflichtig ist, haftet er/sie in Höhe der Selbstbeteiligung. Auch trägt er/sie den Verlust von einem Schadensfreiheitsrabatt. (5) Herr/Frau … stellt im Rahmen seiner/ihrer Haftung nach den Absätzen 1 bis 3 die Gesellschaft von allen Haftpflichtansprüchen Dritter frei, soweit diese nicht durch die Haftpflichtversicherung gedeckt sind.

§7 (1) Die Gesellschaft behält sich vor, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn und solange der Pkw für dienstliche Zwecke seitens Herrn/Frau … nicht benötigt wird; das ist insbesondere dann der Fall, wenn Herr/Frau … nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt wird Die Gesellschaft behält sich ferner vor, die Überlassung des Dienstwagens zu widerrufen, wenn Herr/Frau … gegen die Bestimmungen dieses Überlassungsvertrages verstößt. Im Falle der Ausübung des Widerrufs durch die Gesellschaft ist Herr/Frau … nicht berechtigt, eine Nutzungsentschädigung oder Schadensersatz zu verlangen.7 Das Widerrufsrecht gilt nur, sofern der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % der Gesamtvergütung von Herrn/Frau … ausmacht.8 (2) Verlangt die Gesellschaft die Rückgabe des Fahrzeugs, so ist das Fahrzeug am darauffolgenden Arbeitstag am Sitz der Gesellschaft mit allen Papieren und Schlüsseln an einen Bevollmächtigten der Gesellschaft zu übergeben.9 (3) Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – insbesondere durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung, Aufhebung, Ablauf der Befristung, Anfechtung oder gerichtliche Entscheidung – ist 6 Vgl. Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 538 f.; Kappus, NJW 2015, 387; Hümmerich/Reufels/Borgmann, Kap. 1, Rz. 2066. 7 Diese Widerrufsklausel hat das BAG ausdrücklich gebilligt (BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616), obwohl die Widerrufsgründe hier auch nur in sehr allgemeiner Form angegeben sind. Auch einer Ankündigungsfrist bedarf es nicht, sie ist aber ggf. im Rahmen der Ausübungskontrolle zu beachten. 8 Zu den Anforderungen, die die Rspr. nach Geltung der AGB-Kontrolle für die Dienstwagenrückforderung aufstellt, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457; v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, DB 2007, 1253; LAG Berlin-Brandenburg v. 24.11.2008, LAGE § 308 BGB 2002 Nr. 5; LAG Niedersachsen v. 17.1.2006, NZA-RR 2006, 289, ferner Rz. 43 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Nur wenn der Wert der Nutzung des Dienstwagens im Verhältnis zur Gesamtvergütung des Arbeitnehmers vollkommen unbedeutend ist, kann möglicherweise auf die strengen Voraussetzungen verzichtet werden (LAG Hessen v. 20.7.2004, MDR 2005, 495). Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung kann hingegen nach Auffassung des LAG BW nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, weil es sich hierbei idR um einen laufend erbrachten Entgeltbestandteil handelt (LAG BW v. 27.7.2009, ZTR 2009, 547; vgl. allgemein BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, DB 2007, 1757 sowie Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307, 2309 f.; Hunold, NZA 2010, 1276). 9 Wenn eine Widerrufsklausel fehlt oder unwirksam ist und der Dienstwagen widerrechtlich entzogen bzw. vorenthalten wird, kann der Arbeitnehmer unter Umständen die Herausgabe des Fahrzeugs mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung erreichen. Auch Schadensersatzansprüche kommen in Betracht (LAG Köln v. 5.11.2002 – 2 Ta 330/02, NZA-RR 2003, 300, 301). Wenn dabei von dem steuerlichen Sachbezugswert ausgegangen wird, ist dies nicht zu beanstanden (BAG v. 27.5.1999 – 9 AZR 415/98, BB 1999, 1660, 1661). Möglicherweise entfällt der Anspruch, wenn der Arbeitnehmer während der Zeit, für die Schadensersatz zu leisten ist, seinen gleichwertigen privaten Pkw statt des auch zu privaten Zwecken überlassenen Dienstwagens für seine Privatfahrten benutzt hat (BAG v. 16.11.1995 – 8 AZR 240/95, NZA 1996, 415).

Lingemann

583

Kap. 12

Vergütung

M 12.22

Herr/Frau … verpflichtet, das Fahrzeug spätestens zum Beendigungsdatum an den Arbeitgeber am Sitz des Unternehmens/auf dem Firmengelände in … zurückzugeben. Dies gilt auch dann, wenn bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Rechtsstreit anhängig ist. (4) Ein Zurückbehaltungsrecht von Herrn/Frau … ist ausgeschlossen.10

§8 Herr/Frau … wird den Führerschein vor Übernahme des Fahrzeuges und danach in jährlichem Abstand der Gesellschaft vorlegen. Er/Sie ist verpflichtet, bei Entzug der Fahrerlaubnis oder einem Fahrverbot unverzüglich die Gesellschaft zu unterrichten.

§9 (1) Lohnsteuerrechtlich11 wird die Privatnutzung nach den jeweils maßgeblichen steuerlichen Vorschriften pauschal versteuert. Danach sind zurzeit (R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 LStR 2011) zu versteuern monatlich 1 % vom Brutto-Listenpreis sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zusätzlich 0,03 % vom Brutto-Listenpreis pro Entfernungskilometer.12 oder (1) Lohnsteuerrechtlich13 wird die Privatnutzung nach den jeweils maßgeblichen steuerlichen Vorschriften auf Einzelnachweis versteuert. Danach ist zurzeit (R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 LStR 2011) die gesamte Nutzung des Fahrzeuges durch Fahrtenbuch an jedem Abend fest zu halten nach – Datum, – km-Stand, – zurückgelegter Strecke – getrennt nach beruflichen und privaten Fahrten, – Reiseziel, – Reiseroute, – Zweck der Reise, so dass dienstliche und private Veranlassung genau zu unterscheiden sind, – aufgesuchtem Geschäftspartner; – Auslagen für Betriebskosten wie Treibstoff, Öl, Reparaturen, Wartungsarbeiten etc. jeweils mit Belegen. (2) Die Steuer für den geldwerten Vorteil der Privatnutzung trägt Herr/Frau …

§ 10 Herrn/Frau … ist die Mitnahme Dritter in dem Fahrzeug nicht gestattet, es sei denn, dass hierfür ein geschäftliches Interesse besteht. In häuslicher Gemeinschaft lebende Familienangehörige oder 10 Der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts ist wegen § 309 Nr. 2b BGB in Formulararbeitsverträgen nicht wirksam, näher dazu Rz. 57. Ein Zurückbehaltungsrecht kann dem Arbeitnehmer allerdings ohnehin nur dann zustehen, wenn er nicht lediglich Besitzdiener (§ 855 BGB), sondern selbst Besitzer des Dienstwagens ist. Das ist nur der Fall, wenn er, wie im vorliegenden Muster, vertraglich auch zur Privatnutzung des Wagens berechtigt ist (Becker-Schaffner, DB 1993, 2078). 11 Die lohnsteuerliche Behandlung aus der Gestellung von Kraftfahrzeugen wegen Sachbezugs ist in R 8.1 Abs. 9 LStR 2015 geregelt. Hinsichtlich des geldwerten Vorteils, der zum steuerlichen Einkommen gehört und damit steuerpflichtig ist, gibt es zwei Bewertungsmöglichkeiten, und zwar den Einzelnachweis anhand eines Fahrtenbuchs (R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 LStR 2015) oder die Nutzungspauschale von 1 % des Bruttokaufpreises (R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 LStR 2015). Die 1 %-Pauschalregelung ist die in der betrieblichen Praxis am meisten verbreitete Methode (vgl. Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 524 f.). Zum Anscheinsbeweis bei Unklarheiten bezüglich des Umfangs der privaten Nutzung bzw. bei Verbot der privaten Nutzung vgl. BFH v. 6.10.2011 – VI R 56/10, DStR 2012, 29 m. Anm. Intemann, NZA 2012, 492; Geserich, NWB 2012, 114. 12 Dadurch soll die Einzelnachweismethode ausgeschlossen werden, die bei der Lohnsteuerabführung einen erheblichen Mehraufwand verursachen würde, vgl. auch Insam/Hilbert/Heumann, BBK 2011, 522, 526. 13 Vgl. die Anm. zu Var. 1.

584

Lingemann

M 12.23

Vergütung

Kap. 12

Lebenspartner dürfen mitgenommen werden, soweit sie jeweils eine Haftungsausschlusserklärung zu Gunsten der Gesellschaft nach anliegendem Muster unterzeichnen.14 Dritten darf die Führung des Fahrzeuges nicht überlassen werden.

§ 1115 Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Das bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.

§ 12 Sind einzelne Bestimmungen des Vertrages unwirksam, so wird hiervon die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt.16 Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.17 14 Vorformulierte Ausschlusserklärungen müssen den Vorgaben des § 309 Nr. 7 BGB entsprechen. Gegenüber Verbrauchern kann danach die persönliche Haftung des Verwenders in AGB für Tötung und Körperverletzung durch den Verwender nicht mehr (§ 309 Nr. 7a BGB) und für andere Fälle nur noch für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 7b BGB). Eine Muster des ADAC kann im Internet abgerufen werden unter der Adresse: http://www.drive2day.de/hb.pdf. 15 Vgl. hierzu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 17 ff., 124 ff. mwN sowie M 2.1a Ziff. 14 m. Anm. 16 Die Regelung in Satz 1 entspricht der gesetzlichen Regelung in § 306 Abs. 1 BGB. 17 Vgl. dazu die Hinweise bei M 3.1 § 26.

M 12.23

Dienstwohnung

(1) Die Gesellschaft stellt dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin eine Werkdienstwohnung zur Verfügung. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, die ihm/ihr zugewiesene Werkdienstwohnung für die Dauer dieses Vertrages1 zu beziehen. (2) Für die Überlassung der Werkdienstwohnung gelten die gesetzlichen Bestimmungen.2 (3) Über die Berechnung der Miete sowie der mit ihr zusammenhängenden Nebenleistungen, zB Heizung und Strom, erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin eine besondere Mitteilung mit näherer Angabe der Wohnräume und ihrer Größe, desgleichen bei allen späteren Änderungen. Die Bewertung der Werkdienstwohnung wird in den Vergütungsrichtlinien geregelt.3 (4) Die Untervermietung (mit oder ohne Entgelt) ist nicht gestattet. (5) Während der letzten sechs Dienstmonate vor Beginn des Rentenfalls verzichtet die Gesellschaft auf Antrag des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auf die Berechnung der Miete für die Werkdienst1 Besteht eine Verpflichtung zur Nutzung der Wohnung aus betrieblichen Gründen, kann dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf Erstattung der Umzugskosten zustehen. Grundlage ist dann der Aufwendungsersatzanspruch des § 670 BGB oder eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag (vgl. M 12.21). Zum Begriff der Werkdienstwohnung und der Abgrenzung zur Werkmietwohnung vgl. BAG v. 28.11.2007 – 5 AZB 44/07, NZA 2008, 843, 844; LAG Köln v. 4.3.2008, ZMR 2008, 963. 2 Dies ist in erster Linie § 576b BGB mit dem Verweis auf die Vorschriften über die Kündigung funktionsgebundener Werkmietwohnungen (§ 576 BGB). 3 Da die Überlassung der Wohnung Vergütungsbestandteil ist, führt eine Erhöhung des zugrunde liegenden Wertes der Nutzung zugleich zu einer Änderung des Arbeitsentgelts. Dies setzt nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen einen einvernehmlichen Änderungsvertrag oder eine Änderungskündigung voraus (ArbG Hannover v. 14.11.1990 – 10 Ca 379/90, BB 1991, 554).

Lingemann

585

Kap. 12

Vergütung

M 12.24

wohnung. Voraussetzung ist der Nachweis, dass dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin während dieser sechs Monate bereits Mietkosten bzw. Mietausfall für eine zukünftige eigene Wohnung entstehen.

M 12.24

Arbeitgeberdarlehen

Zwischen der Gesellschaft und dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin wird mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis Folgendes vereinbart:1 (1) Die Gesellschaft gewährt dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin ein Darlehen2 in Höhe von Euro …, das mit … % ab dem … zu verzinsen ist.3 Die Zinsen werden kalenderjährlich berechnet. (2) Das Darlehen ist in monatlichen Raten in Höhe von … ab dem … zurückzuzahlen. Die kalendervierteljährlich errechneten Zinsen sind in dem auf die Errechnung folgenden Monat neben den Rückzahlungsraten zu zahlen. Die Gesellschaft ist berechtigt, an den Fälligkeitstagen gewährte Vergütungsansprüche mit den Rückzahlungsverpflichtungen zu verrechnen.4 (3) Endet das Arbeitsverhältnis, so wird der noch offen stehende Restbetrag des Darlehens sofort und auf einmal fällig. Dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin gekündigt oder ein entsprechender Aufhebungsvertrag geschlossen worden ist, oder wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grund iSv. § 626 BGB kündigt, den der Arbeitgeber zu vertreten hat.5 (4) Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses tritt der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin seine/ihre jeweils pfändbaren Vergütungsansprüche gegen etwaige spätere Arbeitgeber an die Gesellschaft ab. Die Gesellschaft wird die Abtretung nur offenlegen, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin seinen/ihren etwa beim Ausscheiden eingeräumten Ratenzahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Von der Abtretung wird nur bis zur Höhe des Restdarlehens Gebrauch gemacht. 1 Wichtig: Bei einem Anspruch aus einem Darlehen kann durchaus umstritten sein, ob es sich um einen „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“ handelt. Sollen deshalb solche Ansprüche auch im Rahmen einer allgemeinen Ausgleichsklausel mit erledigt werden, sollten sie ausdrücklich aufgenommen werden (vgl. BAG v. 19.1.2011, NZA 2011, 1159). 2 Vgl. auch Meyer, AR-Blattei, D Darlehen; Kleinebrink, ArbRB 2010, 382. 3 Dem Arbeitgeber bleibt es natürlich unbenommen, auch ein zinsloses Darlehen zu gewähren. Jedenfalls bei einer Gewährung von Zinsen, die unter den marktüblichen Sätzen liegen, finden gem. § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge keine Anwendung. Die Gewährung eines zinslosen oder zinsverbilligten Darlehens kann jedoch zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führen. Danach sind Zinsvorteile als Sachbezüge zu versteuern, wenn die Summe der noch nicht getilgten Darlehen am Ende des Lohnzahlungszeitraumes Euro 2 600,– übersteigt (vgl. Nr. 2 [Rz. 4, 12] des Schreiben des BMF v. 19.5.2015 – IV C 5-S 2334/07/0009, FMNR226000015). Zinsvorteile sind anzunehmen, soweit der Effektivzins für ein Darlehen den jeweiligen von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Effektivzinssatz unterschreitet (vgl. zur Berechnung Nr. 2.1.2 des Schreiben des BMF v. 19.5.2015 – IV C 5-S 2334/07/0009, FMNR226000015 mit Rechenbeispielen). Werden zinsgünstige Darlehen vergeben, handelt es sich zudem um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist (BAG v. 9.12.1980 – 1 ABR 80/77, DB 1981, 996). 4 Es handelt sich um eine Aufrechnung, so dass die Pfändungsgrenze des § 394 BGB zu beachten ist. Die Klausel dient der Sicherung gegenüber Vorpfändungen und etwaigen früheren Lohnabtretungen (vgl. BAG v. 10.10.1966, BB 1967, 35; Kleinebrink, ArbRB 2010, 382 f.). 5 Diese Klausel hält auch nach Schaub/Linck, ArbR-Hdb., 16. Aufl. 2015, § 70 Auszahlung der Arbeitsvergütung, Rz. 21, der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand. Unwirksam dürfte die Klausel dagegen sein, wenn sie nicht danach differenziert, in wessen Sphäre der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt (vgl. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042). Möglich wäre es auch, dem Arbeitgeber im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Kündigungsmöglichkeit einzuräumen, vgl. Kleinebrink, ArbRB 2010, 382, 384.

586

Lingemann

M 12.25

Vergütung

Kap. 12

(5) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, jede Änderung seiner/ihrer Anschrift unverzüglich anzuzeigen, es sei denn, das Arbeitsverhältnis wäre beendet und sämtliche Schulden aus dieser Vereinbarung wären getilgt. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, eine Pfändung, Verpfändung oder Abtretung seiner/ihrer Vergütungsansprüche unverzüglich anzuzeigen.6 Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jede Anschriftenänderung sowie Name und Anschrift seines/ihres jeweiligen Arbeitgebers unverzüglich anzuzeigen, es sei denn, sämtliche Schulden aus der vorliegenden Vereinbarung wären getilgt. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erklärt, dass seine/ihre Vergütungsansprüche wie folgt gepfändet, verpfändet oder abgetreten sind … evtl.7 (6) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin übereignet dem Arbeitgeber zur Sicherung des Darlehens den Pkw Marke … Fahrgestellnummer … Motornummer … mit dem polizeilichen Kennzeichen … und übergibt den Kraftfahrzeugbrief. Der Arbeitgeber überlässt den Pkw dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin zur Leihe. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, Steuern und Haftpflichtversicherung sowie die Unterhaltskosten zu bezahlen und ferner das Kraftfahrzeug Teilkasko/ Vollkasko zu versichern und die Versicherungsprämien zu bezahlen. Nach vollständiger Tilgung des Darlehens wird der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin das Kraftfahrzeug wieder übereignen und den Kraftfahrzeugbrief herausgeben. (7) Wird das Darlehen bei Fälligkeit und Nachfristsetzung von mindestens einem Monat nicht getilgt, so ist der Arbeitgeber berechtigt, das Kraftfahrzeug freihändig zu verkaufen, wobei der Preis, den ein vereidigter Sachverständiger festgesetzt hat, nicht unterschritten werden darf. Die Taxoder Schätzkosten trägt der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, den Kraftwagen zur Schätzung und zum Verkauf auf Verlangen herauszugeben. 6 Alternative: M 12.25 ff. 7 Bei größeren Darlehen könnte an weitere Sicherungen (Hypotheken, Grundschulden, Bürgschaften usw.) gedacht werden.

M 12.25

Pfändung/Abtretung

(1) Ansprüche auf Arbeitsentgelt können nicht abgetreten oder verpfändet werden. Für die Bearbeitung jeder Pfändung werden Euro 2,50 Bearbeitungskosten, ferner Euro 2,50 für jedes zusätzliche Schreiben sowie Euro 1,– je Überweisung vom Lohn einbehalten.1 (2) Dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin bleibt der Nachweis gestattet, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger ist als die vorstehend genannten Bearbeitungskosten. 1 Vgl. M 2.1a Ziff. 5 Abs. 5 mit Anm. Die mit der Bearbeitung von Lohn- oder Gehaltspfändungen verbundenen Kosten des Arbeitgebers fallen ohne eine entsprechende Vereinbarung diesem selbst zur Last. Er hat weder einen gesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer noch kann ein solcher Anspruch durch (freiwillige) Betriebsvereinbarung begründet werden (BAG v. 18.7.2006 – 1 AZR 578/05, DB 2007, 227).

Lingemann

587

Kap. 12

Vergütung

M 12.26.1

12.26 Ausschluss der Aufrechnung/Zurückbehaltung

M 12.26.1

Ausschluss der Aufrechnung

Die Aufrechnung gegenüber Ansprüchen des Arbeitgebers/Arbeitnehmers ist ausgeschlossen. Das gilt nicht für die Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung.1 1 Der Zusatz ist in Formulararbeitsverträgen wegen § 309 Nr. 3 BGB erforderlich.

M 12.26.2

Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts

Beidseitig1 Zurückbehaltungsrechte zwischen den Parteien sind ausgeschlossen.2 oder einseitig Zurückbehaltungsrechte gegenüber Ansprüchen des Arbeitgebers/Arbeitnehmers sind ausgeschlossen.3 oder konkret im Zusammenhang mit entsprechenden Herausgabeklauseln Ein Zurückbehaltungsrecht an den Schlüsseln/dem Dienstwagen/dem Laptop besteht nicht.4 1 Der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts ist in Formulararbeitsverträgen wegen § 309 Nr. 2b BGB problematisch, näher Rz. 55. Er sollte nach Möglichkeit individualvertraglich vereinbart werden. 2 Möglicherweise ist der beiderseitige Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechtes noch mit § 309 Nr. 2b BGB vereinbar. Auch bei einem Zurückbehaltungsrecht ist die Pfändungsfreigrenze zu beachten, § 394 BGB analog. 3 Ein einseitiger Ausschluss dürfte wegen § 309 Nr. 2b BGB in Formulararbeitsverträgen wohl nicht mehr zu Lasten des Arbeitnehmers wirksam sein. 4 Möglicherweise rechtfertigen Besonderheiten des Arbeitsrechtes iSv. § 310 Satz 4 BGB den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes an diesen besonders wesentlichen Gegenständen, bei deren Zurückbehaltung im Arbeitsverhältnis ein besonders hoher Schaden droht; die Rechtslage ist jedoch offen, vgl. Rz. 57. Sofern die Gegenstände (zB Arbeitsgeräte oder Dienstwagen) vom Arbeitnehmer ohnehin nur dienstlich genutzt werden dürfen, ist er in der Regel nur Besitzdiener (§ 855 BGB) und hat daher keinen unmittelbaren Besitz (vgl. BAG v. 25.10.1984, EzA BGB § 273 Nr. 3; LAG Düsseldorf v. 4.7.1975, DB 1975, 2040). Anders ist dies jedoch bei einem – häufigen – Recht auch zur privaten Nutzung zB des Dienstfahrzeuges (vgl. OLG Düsseldorf v. 12.2.1986 – 11 U 76/85, NJW 1986, 2513). Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers an den Arbeitspapieren besteht von vornherein nicht (BAG v. 20.12.1958, EzA BGB § 817 Nr. 2; weitere Nachweise bei Preis/Preis, II Z 20, Rz. 23).

M 12.27

Rahmenvereinbarung für eine Zielvereinbarung § 1 Gegenstand der Zielvereinbarung1

(1) Der Zielerfolg bestimmt sich aus einer auf das Ergebnis aus laufender Geschäftstätigkeit bezogenen Komponente (ergebnisabhängiger Teil) und einer individuellen Komponente (individueller Teil). 1 Die Zielvorgabe selbst und die Höhe der Zielprämie sind regelmäßig einer alljährlich neu zu treffenden Vereinbarung vorbehalten, da sie sich nach der jeweiligen Sachlage ausrichten. Daher empfiehlt es sich, für die grundsätzliche Handhabung der Zielvereinbarung eine entsprechende Rahmenvereinbarung zu treffen, die durch die Zielvereinbarungen dann jeweils ausgefüllt wird. Dazu dient M 12.27.

588 Lingemann

M 12.27

Vergütung

Kap. 12

(2) Die Prämie wird zu mindestens 50 % durch die ergebnisabhängige Komponente bestimmt. Die Gewichtung der beiden Komponenten ist in der jährlichen Zielvereinbarung jeweils festzulegen. (3) Maßgeblich für den ergebnisabhängigen Teil ist der Unternehmensbereich, für den der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin überwiegend tätig ist. Dieser Unternehmensbereich wird in jeder Zielvereinbarung bestimmt. (4) Die individuelle Komponente kann quantitative und qualitative Ziele enthalten. Diese und ihre Gewichtung sind in der Zielvereinbarung zu definieren.

§ 2 Ermittlung der Höhe der Prämie (1) Bei 100%iger Zielerreichung beträgt die Prämie 100 % der Zielprämie. Die Prämie verändert sich im gleichen prozentualen Verhältnis, in dem das festgestellte Ergebnis vom Zielergebnis abweicht. Bei einer Zielerreichung unter 60 % wird keine Prämie gezahlt. (2) Soweit der individuelle Teil nicht messbar ist, wird der Erfüllungsgrad nach pflichtgemäßem Ermessen durch den zuständigen Geschäftsführer ermittelt und festgelegt. (3) Der ergebnisabhängige Teil kann höchstens 200 % der anteiligen Zielprämie betragen, der individuelle Teil höchstens 150 %.

§ 3 Verfahren zur Zielvereinbarung (1) Die Zielvereinbarung zwischen dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin und der Unternehmensleitung wird unverzüglich nach Fertigstellung der Jahresplanung für die nächste Abrechnungsperiode getroffen. (2) Die Unternehmensleitung und der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin sind gleichermaßen berechtigt, die Verhandlungen über die Zielvereinbarungen einzuleiten. oder (2) Die Unternehmensleitung wird dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin bis spätestens 30.11. des jeweiligen Kalenderjahres einen Vorschlag für eine Zielvereinbarung für die nächste Abrechnungsperiode unterbreiten und den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin zur Verhandlung über diesen Vorschlag auffordern. (3) Wird aus Gründen, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, bis zum 31.12. eine Zielvereinbarung für die nächste Abrechnungsperiode nicht getroffen, so gilt die zuletzt geschlossene Zielvereinbarung fort, bis eine neue Zielvereinbarung getroffen wird.2

§ 4 Fälligkeit3 Die Prämie ist innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres auf Basis der Zielvereinbarung abzurechnen und über die Gehaltsabrechnung auszuzahlen. 2 Hängt die Vergütung von dem Erreichen zu vereinbarender Ziele ab und versäumt der Arbeitgeber, die Vereinbarung zu treffen, kann er verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten (BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409; v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256; v. 12.5.2010 – 10 AZR 390/09, NZA 2010, 1009). Entscheidend ist hierbei, wer nach den vertraglichen Abreden die Initiative zur Führung eines Gesprächs über eine Zielvereinbarung zu ergreifen hat; vgl. hierzu Rz. 59 sowie Lembke, NJW 2010, 321, 325, der eine ausdrückliche Regelung des Initiativrechts empfiehlt, sowie Mues, ArbRB 2012, 87. 3 Nicht möglich ist es nach der Rspr. des BAG, die Auszahlung der Prämie mit Mischcharakter vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig zu machen; auch Sonderzahlungen mit Mischcharakter dienen der Vergütung bereits erbrachter Leistung, die nicht nachträglich entzogen werden darf, BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136; v. 18.1.2012, NZA 2012, 561 m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2012, 249. Auch der Bestand des Arbeitsverhältnisses innerhalb des Bezugszeitraumes ist kein zulässiger Anknüpfungspunkt mehr, soweit zumindest auch die Vergütung betroffen ist (BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 Rz. 15; v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368, Rz. 21, 28, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2013, 597). Solche Bindungsklauseln sind aber wohl noch bei Sonderzahlungen möglich, die allein der Honorierung von Betriebstreue bzw. der Belohnung künftiger Betriebstreue dienen. Einzelheiten Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Bindungsklausel“, Rz. 100 ff.

Lingemann

589

Kap. 12

Vergütung

M 12.28

§ 5 Vorzeitiges Ausscheiden Scheidet der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin unterjährig aus, so wird die Prämie pro rata temporis gezahlt.4

§ 6 Widerruflichkeit Der Arbeitgeber behält sich vor, die Prämie bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zu widerrufen. Sachliche Gründe sind5 – wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens (insbesondere6 ein Umsatzrückgang von mehr als … % oder wirtschaftliche Verluste von mehr als … im letzten Geschäftsjahr), – eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin. Die Prämie kann nur widerrufen werden, soweit sie weniger als 25 % der Gesamtvergütung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin ausmacht.7 4 Vgl. Rz. 29. 5 Der bloße Hinweis, dass eine Leistung aus „wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen werden kann, reicht nicht aus, vgl. BAG v. 13.4.2010, NZA-RR 2010, 457, 460 sowie Rz. 7. 6 Es ist zwar nicht abschließend geklärt, ob solche nur beispielhaften Aufzählungen zulässig sind. In der Entscheidung v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, hat das BAG sie bei Widerruf einer Dienstwagenüberlassung jedoch gebilligt. Ähnlich auch schon BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 zum Freiwilligkeitsvorbehalt; das Urteil ist jedoch hinsichtlich des Freiwilligkeitsvorbehaltes überholt (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, 82 f.). 7 Vgl. zu den Anforderungen an einen Widerrufsvorbehalt Rz. 7 sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Widerrufsvorbehalt“, Rz. 138 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch zur begrenzten Zulässigkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts Rz. 60; Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509, 511 und DB 2008, 2307, 2310.

M 12.28

Aktienoptionen Optionsrechtsvereinbarung1

zwischen … Aktiengesellschaft (im Folgenden: AG) und Herrn/Frau …

§ 1 Einräumung der Optionsrechte (1) Herr/Frau … erhält das Recht, … Stück auf den Namen lautender Aktien der AG im Nennbetrag von jeweils Euro … (im Folgenden: Aktien) zum jeweiligen Ausübungspreis zu erwerben (im Folgenden: Optionsrechte). (2) Der Ausübungspreis für die einzelnen Tranchen ist die Summe aus dem Referenzpreis und dem Aufschlag. Er bestimmt sich wie folgt: a) Referenzpreis ist der Durchschnittswert des Eröffnungskurses und des Schlussauktionspreises der Aktien der AG im Xetra-Handel an der Wertpapierbörse Frankfurt/Main an dem Tag, der vor der 1 Vgl. Bredow, DStR 1998, 380; Fröhlich, ArbRB 2006, 246; Harrer/Janssen, Mitarbeiterbeteiligungen und Stock-Option-Pläne, 2. Aufl. 2004, S. 200 ff.; Kutsch/Kersting, BB 2011, 373, 378 ff.; Lembke, BB 2001, 1469; Reim, ZIP 2006, 1075; Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1624; Staake, NJOZ 2010, 2494; zur Mitbestimmung des Betriebsrats vgl. Otto/Mückl, DB 2009, 1594; in der Praxis wird häufig nicht eine ausführliche Optionsrechtsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer geschlossen, sondern der Arbeitnehmer wird durch eine kurze Vereinbarung in den Aktienoptionsplan einbezogen, der dann die detaillierten Bedingungen enthält. M 12.28 enthält eine umfangreichere Optionsrechtsvereinbarung mit dem Mitarbeiter.

590 Lingemann

M 12.28

Vergütung

Kap. 12

im ersten Quartal eines jeden Jahres stattfindenden Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der AG liegt, in der über den aktienpreisgebundenen Teil der Vergütung der Mitglieder des Vorstandes der AG entschieden wird, mindestens aber der auf eine Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals; b) der Aufschlag beträgt 20 % auf den Referenzpreis als Erfolgsziel.2 oder (2) Ausübungspreis für die einzelnen Tranchen ist 120 % des ungewichteten durchschnittlichen Schlusskurses der Aktie der AG im XETRA-Handel an den zehn Börsenhandelstagen in Frankfurt am Main vor dem Ausgabetag. Mindestausübungspreis ist der auf eine Aktie entfallende Betrag des Grundkapitals. oder (2) Ausübungspreis für die einzelnen Tranchen ist der Börsenkurs der Aktie am Tag der heutigen Vertragsunterzeichnung in Höhe von Euro … oder – bei Indexierung3 (2) Der Ausübungspreis ist das Produkt aus dem Referenzpreis und dem Faktor. a) Referenzpreis ist der Börsenkurs der Aktie am Tag der heutigen Vertragsunterzeichnung in Höhe von Euro … b) Faktor ist der Quotient aus dem Stand des Deutschen Aktienindex DAX zum Zeitpunkt der Ausübung der Option und dem Stand des Deutschen Aktienindex DAX zum Zeitpunkt der Einräumung der Option. oder b) Faktor ist der Quotient aus dem Stand des Branchenindex … zum Zeitpunkt der Ausübung der Option und dem Stand des Branchenindex … zum Zeitpunkt der Einräumung der Option. (3) Die Vertragsparteien schließen hiermit einen Kaufvertrag über … Aktien gemäß § 1 Abs. 1 zum Ausübungspreis. Der Kaufvertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung der Ausübung der Optionsrechte durch Herrn/Frau … (4) Herr/Frau … darf die Optionsrechte ganz oder in Teilen nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften ausüben.

§ 2 Unentgeltlichkeit Die Einräumung der Optionsrechte erfolgt unentgeltlich.4

§ 3 Wartezeiten und Ausübungszeiträume5 (1) Herr/Frau … kann die Optionsrechte wie folgt ausüben: a) … % der Optionsrechte frühestens am …, b) weitere … % der Optionsrechte frühestens am …, c) die verbleibenden … % der Optionsrechte frühestens am …

2 Das Erfolgsziel führt zu einem erhöhten Erfolgsanreiz, da die Aktienoption sinnvollerweise nur ausgeübt werden kann, wenn das Management eine nennenswerte Kurssteigerung bewirkt. 3 Die Indexierung dient dazu, nur solche Wertsteigerungen der Aktie zu honorieren, die über die allgemeine konjunkturelle Steigerung gem. dem Aktienindex (bzw. – wie in der 3. Alt. – die branchenübliche Steigerung bei Verwendung des Branchenindex) hinausgeht. 4 Ein geldwerter Vorteil entsteht erst im Zeitpunkt der Ausübung in Höhe der Differenz zwischen dem Ausübungspreis und dem aktuellen Aktienkurs. Die Steuerpflicht bei Verkauf der Aktien richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, vgl. Rz. 67. 5 Die Zeiträume, in denen die Optionen nicht ausgeübt werden können, dienen insbesondere auch dazu, schon den ersten Anschein von Insiderhandel zu vermeiden. § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG regelt für Optionen aufgrund von Beschlüssen nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG eine Mindestwartezeit von nunmehr vier Jahren.

Lingemann

591

Kap. 12

Vergütung

M 12.28

(2) Auch nach Ablauf dieser Wartezeiten können die Optionsrechte nicht innerhalb folgender Zeiträume ausgeübt werden: a) vom 15.12. bis 31.12. eines jeden Jahres, b) in der Zeit ab dem letzten Tag, an dem sich Aktionäre zur Teilnahme an der Hauptversammlung der AG anmelden können, bis zum dritten Bankarbeitstag in Frankfurt/Main nach dieser Hauptversammlung, c) in der Zeit ab dem Tag der Veröffentlichung eines Bezugsangebotes auf neue Aktien oder auf Schuldverschreibungen mit Wandel- und/oder Optionsrechten auf Aktien der AG in einem Pflichtblatt der Wertpapierbörse Frankfurt/Main bis zum Tage, an dem die Bezugsfrist endet. Bei einer entsprechenden Ad-hoc-Mitteilung beginnt der Zeitraum mit dieser.

§ 4 Ausübungserklärung (1) Die Ausübung erfolgt durch schriftliche Erklärung gegenüber der AG auf dem von der AG vorgegebenen Formular. Sie kann nur durch den Optionsberechtigten selbst ausgeübt werden. (2) Die Erklärung hat anzugeben, für wie viele Aktien Optionsrechte ausgeübt werden. (3) Mit wirksamer Ausübung entfällt im Umfang der ausgeübten Optionsrechte die aufschiebende Bedingung des Kaufvertrages gemäß § 1 Abs. 3. (4) Binnen … Wochen nach Zugang der Ausübungserklärung wird die AG Herrn/Frau … die der ausgeübten Zahl an Optionsrechten entsprechende Zahl an Aktien Zug-um-Zug gegen die Zahlung des Kaufpreises übertragen. (5) Die AG ist berechtigt, an Stelle der Aktien einen Barausgleich zu leisten. Ein Anspruch von Herrn/ Frau … auf Zahlung eines Barausgleichs besteht jedoch nicht.

§ 5 Veräußerungsbeschränkungen Herr/Frau … darf die in Ausübung des Optionsrechtes erworbenen Aktien frühestens … Monate nach Ausübung der Option weiter veräußern.6

§ 6 Unübertragbarkeit (1) Die unter § 1 gewährten Optionsrechte sind zu Lebzeiten des Optionsberechtigten nicht übertragbar. (2) Auch jegliche anderweitige Verfügung über die Optionsrechte, die Gewährung einer Unterbeteiligung oder die Errichtung einer Treuhand daran sind unzulässig. Auch die Eingehung von ShortPositionen durch Einräumung von den nach § 1 Abs. 1 eingeräumten Optionsrechten an Dritte sowie vergleichbare Glattstellungsgeschäfte, die wirtschaftlich zu einer Veräußerung der Optionsrechte führen, sind Herrn/Frau … nicht gestattet. Verstöße gegen diese Vorschriften führen zum Verfall der Optionsrechte. (3) Die unter § 1 gewährten Optionsrechte sind vererblich. Im Falle des Todes von Herrn/Frau … endet das Recht zur Ausübung der Option jedoch spätestens achtundvierzig (48) Monate nach dem Zeitpunkt des Todes. § 10 bleibt unberührt. oder (3) Die unter § 1 gewährten Optionsrechte sind unvererblich.

§ 7 Verfall (1) Die Optionsrechte verfallen, wenn das Anstellungsverhältnis mit der AG endet.7 6 Die Beschränkung der Übertragbarkeit hat nur schuldrechtliche Wirkung, vgl. Rz. 64. Die Wirksamkeit der Veräußerung richtet sich nach § 68 AktG. 7 Eine Bindungsdauer von bis zu fünf Jahren ist entsprechend § 624 BGB wohl zulässig, da durch § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG (Mindestwartezeit von vier Jahren) eine langfristige Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen bereits gesetzlich vorgeschrieben ist. Das BAG hat den Verfall der Bezugsrechte bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch gemessen an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB für wirksam erklärt (BAG v.

592

Lingemann

M 12.28

Vergütung

Kap. 12

(2) Tritt Herr/Frau … in den Ruhestand, so endet das Optionsrecht spätestens mit Ablauf von zwölf (12) Monaten nach seinem/ihrem Ausscheiden bei der AG. (3) § 10 bleibt unberührt.

§ 8 Anpassung der Optionsrechte/Verwässerungsschutz (1) Im Falle einer Verschmelzung der AG auf eine andere Gesellschaft, deren Umwandlung, einer Kapitalerhöhung aus Eigenmitteln (Gratisaktien), einer Veränderung des Nennbetrages der Aktien oder vergleichbarer Maßnahmen, die die Rechte von Herrn/Frau … durch Untergang oder Veränderung der Aktien nach diesem Vertrag beeinträchtigen, ist der Vorstand berechtigt, Herrn/Frau … wirtschaftlich gleichzustellen. Dazu kann die Gesellschaft den Ausübungspreis entsprechend der aus der Maßnahme resultierenden Wertveränderung anpassen, und/oder anstelle des Rechts nach § 1 Abs. 1 das Recht gewähren, zum – ggf. zusätzlich angepassten – Ausübungspreis eine zur wirtschaftlichen Gleichstellung erforderliche zusätzliche Anzahl von Aktien, Geschäftsanteilen oder sonst an die Stelle der Aktien der AG tretenden Beteiligungsrechten an der AG oder deren Rechtsnachfolgerin zu erwerben. Im Übrigen finden die Vorschriften dieser Vereinbarung Anwendung. Ein Anspruch von Herrn/Frau … auf eine entsprechende Gleichstellung besteht nicht. (2) Im Übrigen sind Anpassungen oder Änderungen dieser Bedingungen, insbesondere der Erfolgsziele, ausgeschlossen.8 (3) Bis zur Ausübung der Optionsrechte stehen Herrn/Frau … keine Rechte auf Dividenden oder sonstige Ausschüttungen aus den Optionsrechten unterliegenden Aktien zu.

§ 9 Besteuerung9 (1) Herrn/Frau … ist bekannt, dass die Gewährung der Optionsrechte an Herrn/Frau … sowie deren Ausübung zu steuerpflichtigen geldwerten Vorteilen bei Herrn/Frau … führen kann. (2) Die AG wird die hierauf entfallende Lohnsteuer einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag an das Finanzamt sowie evtl. hierauf entfallende Sozialversicherungsabgaben entsprechend den gesetzlichen Vorschriften abführen. Herr/Frau … ist jedoch verpflichtet, der AG diese zu erstatten. Der jeweilige Arbeitgeber von Herrn/Frau … ist berechtigt, hierzu entsprechende Beträge vom Gehalt von Herrn/Frau … einzubehalten. Der einbehaltene Betrag darf jedoch … % der Festvergütung von Herrn/Frau … nicht überschreiten. (3) Die Vertragsparteien werden im Übrigen geeignete Vereinbarungen über eine Stundung oder anderweitige Finanzierung der Lohnsteuer-Erstattungsverpflichtung von Herrn/Frau … treffen, soweit dieser/diese nicht im Stande ist, den Erstattungsbetrag im Wege einer Einmalzahlung an die AG abzuführen.

§ 10 Dauer, Kündigung10 (1) Diese Vereinbarung gilt bis zum … (2) Werden die Optionsrechte von Herrn/Frau … nicht bis zu diesem Zeitpunkt ausgeübt, verfallen sie. (3) Die Gesellschaft kann diese Vereinbarung mit einer Frist von einem Monat kündigen: a) wenn von einem Gläubiger von Herrn/Frau … die Zwangsvollstreckung in seine/ihre Rechte nach diesem Vertrag betrieben wird; 23.5.2008, AP BGB § 305 Nr. 12 m. zust. Anm. Lingemann/Gotham; vgl. auch Rz. 65). Der Verfall stellt keine unangemessene Benachteiligung dar. Er kann sowohl bei Beendigung oder Erklärung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Wartezeit als auch nach Ablauf der Wartezeit angeordnet werden. Es ist auch nicht danach zu differenzieren, ob nach Ablauf der Wartezeit eine Ausübungsmöglichkeit bestanden hat oder nicht. Das gilt auch im Fall der betriebsbedingten Kündigung. Ob das auch gilt, wenn die Einräumung der Optionsrechte nicht, wie hier (§ 2), unentgeltlich erfolgt, ist offen. 8 Vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex idF v. 5.5.2015, Ziff. 4.2.3. 9 Vgl. dazu Rz. 67. 10 Eine Kündigung ist möglich, soweit es sich bei den gewährten Optionen um Gratifikationen handelt, Lembke, BB 2001, 1469, 1475.

Lingemann

593

Kap. 12

Vergütung

M 12.29

b) wenn über das Vermögen von Herrn/Frau … ein Insolvenzverfahren eröffnet wird oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird; c) wenn Herr/Frau … wesentliche Pflichten nach dem Gesetz, der Satzung, seinem/ihrem Anstellungsvertrag oder dieser Vereinbarung verletzt. (4) Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Mit Zugang der Kündigungserklärung erlöschen die nach diesem Vertrag gewährten Optionsrechte.

§ 11 Schriftform11 Änderungen des Vertrages durch individuelle Vertragsabreden sind formlos wirksam. Im Übrigen bedürfen Vertragsänderungen der Schriftform; das gilt auch für die Änderung dieser Schriftformabrede. Dies bedeutet, dass keine Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen.

§ 12 Salvatorische Klausel Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise nicht wirksam sein, so wird dadurch die Gültigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.12 … (Herr/Frau …)

… (AG)

11 Vgl. zur Schriftformklausel im Einzelnen Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268, Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Schriftformklausel“, Rz. 17 ff., 124 ff. mwN sowie M 2.1a Ziff. 14 m. Anm. 12 Vgl. dazu die Hinweise bei M 3.1 § 26.

M 12.29

Klage auf künftige Vergütung

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… 1 Praxistipp: Die Zulässigkeit von Klagen auf zukünftige Gehaltszahlung war lange umstritten. In einer älteren Entscheidung v. 18.12.1974 (DB 1975, 892) hatte das BAG eine Klage auf Lohnzahlung für die nächsten 30 Jahre (!) als unzulässig angesehen, weil die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers Voraussetzung des Zahlungsanspruchs sei (§ 320 BGB), aber nicht für alle Zeit feststehe. Demgegenüber hielt die untergerichtliche Judikatur Klagen auf zukünftige Gehaltszahlung überwiegend für zulässig (zB LAG Köln v. 27.11.1996, AE 1997, Nr. 33; ausf. Heimann, ArbuR 2002, 441). Nach der Grundsatzentscheidung des BAG v. 13.3.2002 (NZA 2002, 1232) sollten jedoch Klagen auf künftige Gehaltszahlungen uneingeschränkt zulässig sein. Allerdings ist nach Auffassung des BAG erforderlich, dass naheliegende Fälle, in denen der Vergütungsanspruch entfällt, als Einschränkung in den Klageantrag mitaufgenommen werden. Dies betrifft beispielsweise die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, längere Krankheit, unbezahlten Urlaub oder unentschuldigte Fehlzeiten. Diese Linie hat das BAG mittlerweile in zwei weiteren Entscheidungen (v. 9.4.2008 – 4 AZR 104/07, NZA 2008, 1257 und v. 28.1.2009, NZA 2009, 445) zwar im Grundsatz bestätigt, gleichzeitig jedoch die Anforderungen an die in den Klagantrag aufzunehmenden Ausnahmen derart nach oben geschraubt, dass es kaum noch möglich erscheint, eine zulässige Klage zu formulieren. So hat das BAG beispielsweise in der Entscheidung v. 9.4.2008 gefordert, auch den Nichtwegfall des Vergütungsanspruchs durch Mutterschutz (bei Frauen) sowie bei Elternzeit und Pflegezeit in den Antrag aufzunehmen. Überdies hat das BAG in der Entscheidung v. 9.4.2008 erwogen, bei reinen Eingruppierungsstreitigkeiten grundsätzlich einen Vorrang der Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO (s. M 12.3) vor der Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 BGB anzunehmen.

594 Lingemann/Diller

M 12.29

Vergütung

Kap. 12

(volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage3 und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6. … an den Kläger zu zahlen.4 2. Die Beklagte wird verurteilt, künftig an jedem Monatsersten, beginnend mit dem 1.7. …, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an den Kläger zu zahlen, soweit der Kläger arbeitsfähig ist, die Gehaltsansprüche nicht wegen längerer Krankheit entfallen, der Kläger nicht unbezahlten Urlaub hat, er leistungswillig bleibt und auch tatsächlich arbeitet und das Arbeitsverhältnis nicht ende.

Begründung: Die Bekl. ist ein metallverarbeitendes Industrieunternehmen mit 500 Beschäftigten. Der Kl. ist seit mehr als 30 Jahren als Lagerarbeiter bei der Bekl. beschäftigt und aufgrund der einschlägigen Tarifverträge altersgesichert. Am 15.5. … kam es zum Streit zwischen dem Kl. und seinem Vorgesetzten. Daraufhin erklärte der Vorgesetzte des Kl., der Kl. sei ab sofort freigestellt und werde auch keine Vergütung mehr bekommen. Man werde bei der Bekl. noch sorgfältig überlegen, was weiter geschehen solle. Tatsächlich hat die Bekl. seit dem 1.6. … dem Kl. kein Gehalt mehr gezahlt. Ausweislich der letzten Gehaltsabrechnung vom Mai … verdiente der Kl. zuletzt Euro … Beweis: Gehaltsabrechnung Mai …, Anlage K 1 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 wird zunächst die rückständige Vergütung für den Monat Juni … geltend gemacht. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 begehrt der Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung der künftig an jedem Monatsersten fällig werdenden Gehälter. Der Kl. ist arbeitsfähig und arbeitswillig und hat in der Zeit nach dem 15.5. … seine Arbeitskraft auch mehrfach der Bekl. angeboten.5 Beweis: Angebotsschreiben des Kl. vom 18.5., 25.5. und 3.6. … Anlagen K 2 bis K 4 Die Klage auf zukünftige Leistung ist gemäß §§ 257, 259 ZPO zulässig (wird ausgeführt).6, 7 … (Unterschrift)8 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Praxistipp: Wegen der extrem hohen Anforderungen an den Klagantrag (s. Fn. 1) sowie der praktisch unmöglichen Vollstreckung (Fn. 7) kann die Erhebung einer Klage auf künftige Vergütung in der Praxis regelmäßig nicht mehr empfohlen werden. 4 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 5 Ist der Arbeitnehmer nach erfolgter Verurteilung nicht mehr leistungsfähig oder leistungswillig oder endet das Arbeitsverhältnis, muss der Arbeitgeber dies durch Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend machen (ausf. Heimann, ArbuR 2002, 441). 6 Die Klage setzt die Besorgnis voraus, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird. Das ist in Kündigungssachen immer gegeben, da praktisch kein Arbeitgeber auf ein Feststellungsurteil nach §§ 4, 7 KSchG hin sofort die Vergütung nachzahlt; in aller Regel geht der Arbeitgeber in Berufung. 7 Schwierig ist die Vollstreckung. Gemäß § 726 Abs. 1 ZPO ist vor Erteilung der Vollstreckungsklausel zu prüfen, ob die für die künftigen Vergütungsansprüche maßgeblichen Bedingungen (noch) vorliegen. Das kann regelmäßig nicht urkundlich nachgewiesen werden, so dass gem. § 731 ZPO beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs auf Erteilung der Vollstreckungsklausel geklagt werden muss, wenn der Arbeitgeber den Eintritt der Bedingungen bestreitet. In diesem Fall hat der Kläger mit der zunächst erfolgreichen Klage nach § 259 ZPO nichts gewonnen, sondern er muss vor der Vollstreckung doch wieder zurück in ein Erkenntnisverfahren. Plastisch hat das BAG in seiner Entscheidung v. 9.4.2008 – 4 AZR 104/07, NZA 2008, 1257, davon gesprochen, dass die Vollstreckung aus einem Urteil nach § 259 ZPO „im praktischen Ergebnis letztlich unmöglich“ ist (Berkowsky, RdA 2006, 77). 8 Streitig ist, wie die Klage auf künftige Gehaltszahlung beim Streitwert zu berücksichtigen ist. Das LAG Nürnberg (v. 27.11.2003 – 9 Ta 190/03) will den Wert entsprechend § 42 Abs. 2 GKG auf einen Vierteljahresbezug begrenzen.

Diller

595

Kap. 12

M 12.30

Vergütung

M 12.30

Klage des Arbeitnehmers auf Gehaltserhöhung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6. …2 an den Kläger zu zahlen.3 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger ein Gehalt von monatlich Euro … zu zahlen hat.4

Begründung: Die Bekl. ist ein metallverarbeitendes Industrieunternehmen mit 500 Beschäftigten. Der Kl. ist seit mehr als zehn Jahren als Abteilungsleiter beschäftigt. Seine letzte Vergütung betrug Euro … Die Bekl. hat per … das Gehalt aller Abteilungsleiter um 3 % erhöht. Von der Erhöhung ausgenommen war lediglich der Kl. Gegenüber allen Abteilungsleitern hat die Bekl. die Gehaltserhöhung mit der Steigerung der Lebenshaltungskosten begründet. Beweis: Schreiben der Bekl. an den Abteilungsleiter X vom …, Anlage K 1 Der Kl. ist der einzige Abteilungsleiter des Unternehmens, der ein solches Schreiben nicht erhalten hat. Der Kl. hat Anspruch auf Gehaltserhöhung bereits auf der Grundlage des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Nach der Rechtsprechung des BAG (v. 11.9.1985 – 7 AZR 371/83, NZA 1987, 156) spricht eine Vermutung dafür, dass in flächendeckenden Gehaltserhöhungen zumindest ein Grundbetrag zum Zwecke des Kaufkraftausgleichs enthalten ist. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz darf der Arbeitgeber dann nicht einen einzelnen Arbeitnehmer von einem solchen Kaufkraftausgleich ohne sachlichen Grund herausnehmen (wird ausgeführt). Im Übrigen ergibt sich ein Anspruch des Kl. auf Gehaltserhöhung auch schon aus § 315 BGB. Der Kl. verkennt nicht, dass es ohne entsprechende Vertragsgrundlage keine Pflicht des Arbeitgebers gibt, in regelmäßigen Abständen gemäß § 315 BGB über Vergütungserhöhungen zu entscheiden (BAG v. 4.9.1985 – 7 AZR 262/83, NZA 1986, 521). Im vorliegenden Fall heißt es in § 7 des Anstellungsvertrages des Kl. jedoch ausdrücklich: „Das Unternehmen wird in regelmäßigen Abständen, spätestens jeweils nach Ablauf von zwei Kalenderjahren, nach billigem Ermessen über eine Anpassung der Vergütung entscheiden“. Die letzte Gehaltserhöhung des Kl. liegt auch mehr als zwei Jahre zurück (wird ausgeführt). 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Bei Klagen auf Gehaltserhöhung fehlt es meist an einem Verschulden des Arbeitgebers, so dass Verzugszinsen nicht geltend gemacht werden können und nur die Zinsen seit Rechtshängigkeit zugesprochen werden. Wegen des fehlenden Kostenrisikos (s. M 101.3 Fn. 7) schadet es aber nichts, Verzugszinsen geltend zu machen (BAG v. 11.6.1997 – 10 AZR 613/96, DB 1998, 86; Diller, FA 2004, 300). 3 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 4 Entsprechend der hA zur Eingruppierungsfeststellungsklage ist der Feststellungsantrag (hier Ziff. 2) ausreichend, so dass auf einen gesonderten Zahlungsantrag (hier Klagantrag Ziff. 1) an sich verzichtet werden kann. Das besondere Feststellungsinteresse wird von der Rspr. auch in der Privatwirtschaft mittlerweile grundlegend bejaht (BAG v. 20.6.1984 – 4 AZR 208/82, BB 1985, 54). Die Kombination mit einem Zahlungsantrag hat allerdings den Vorteil, dass nach einem stattgegebenen Urteil erster Instanz für die Zeit bis dahin vollstreckt werden kann.

596 Diller

M 12.31

Vergütung

Kap. 12

Im Übrigen ergibt sich der Anspruch des Kl. auch aus § 612a BGB (Maßregelungsverbot). Der Kl. hat nämlich 14 Tage vor der Entscheidung der Bekl. über die Gehaltserhöhung und die Herausnahme des Kl. aus dieser Gehaltserhöhung durch Rundschreiben an seine Kollegen versucht, Mitstreiter für die Errichtung eines Betriebsrats zu gewinnen. Beweis: Schreiben des Kl. vom …, Anlage K 2 Offenbar war die Herausnahme des Kl. von der allgemeinen Gehaltserhöhung eine Maßregelung als Reaktion auf diesen Vorstoß. … (Unterschrift)5 5 Hinsichtlich des Streitwerts gilt § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG, der dreijährige Betrag der begehrten Gehaltserhöhung ist anzusetzen. Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge in Streitigkeiten von den Arbeitsgerichten (anders beim Landgericht!) dem Streitwert nicht hinzugerechnet.

M 12.31

Klage des Arbeitgebers auf Rückzahlung überzahlter Vergütung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: Der Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2 … an die Klägerin zu zahlen.3

Begründung: Die Kl. ist ein metallverarbeitendes Industrieunternehmen mit 500 Beschäftigten. Der Bekl. war bei der Kl. bis 30.6. … als Lagerarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung. Wie sich herausgesellt hat, hat die Personalbuchhaltung der Kl. dem Bekl. irrtümlich das Gehalt für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses (Juni) doppelt überwiesen. Der zu viel überwiesene Bruttobetrag wird mit der Klage geltend gemacht.4, 5 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Nach der Entscheidung des BAG v. 19.2.2004 – 6 AZR 664/02, NZA 2004, 1120 wird der Anspruch nur dann bereits mit der Überzahlung fällig, wenn der Arbeitgeber die Umstände kennt oder hätte kennen müssen, aus denen sich die Überzahlung ergab. Werden die Umstände dagegen erst später für den Arbeitgeber erkennbar, entsteht der Rückzahlungsanspruch erst zu diesem Zeitpunkt. Die genaue Bestimmung der Anspruchsentstehung ist insbesondere für das Eingreifen einzelvertraglicher oder tariflicher Ausschlussfristen wichtig. Auf Arbeitgeberseite wird häufig verkannt, dass Ausschlussfristen beidseitig gelten, also auch für Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers. 3 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 4 Der Anspruch ergibt sich aus § 812 BGB. Der Anspruch kann jedoch wegen Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) entfallen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liegt beim Arbeitnehmer, wobei allerdings bei einer nur geringfügigen Überzahlung die Grundsätze des Anscheinsbeweises in Betracht kommen (BAG v. 23.5.2001 – 5 AZR 374/99, DB 2001, 2251). In der Falschberechnung des Arbeitgebers kann eine Verletzung der Fürsorgepflicht liegen, die zu Schadensersatzansprüchen führt (BAG v. 8.2.1964, DB 1964, 662). Allein die Tatsache der Rückzahlungspflicht ist allerdings kein Schaden des Arbeitnehmers, mit dem dieser gegen den Rückzahlungsanspruch aufrechnen könnte.

Diller

597

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

… (Unterschrift)6 5 Das zentrale Problem des Rückforderungsanspruchs ist die Frage, ob der Bruttobetrag oder nur der Nettobetrag zurückgefordert werden kann, wenn der Arbeitgeber bereits Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat. Nach der Entscheidung des BAG v. 19.2.2004 – 6 AZR 664/02, NZA 2004, 1120, richtet sich der Rückzahlungsanspruch grundsätzlich auf den Bruttobetrag, da der Arbeitnehmer nicht nur den ihm netto zugeflossenen Geldbetrag erlangt hat, sondern auch Befreiung von einer Steuerschuld sowie einen sozialversicherungsrechtlichen Erstattungsanspruch (§ 26 SGB IV). Deshalb kann mit der Klage je nach Sachverhalt die Abtretung des Erstattungsanspruchs nach § 26 SGB IV oder – falls dieser bereits realisiert ist – unmittelbar Zahlung geltend gemacht werden. 6 Der Streitwert entspricht dem geltend gemachten Bruttobetrag.

Kapitel 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

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I. Einführung 1. Fehlverhalten des Arbeitnehmers . . . . . . a) Ermahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionen der Abmahnung . . . . bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlverhalten des Arbeitgebers . . . . . . . 3. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Struktur und Geltungsbereich . . . . . . b) Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . c) Organisationspflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . e) Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Folgen für die betriebliche Praxis . . . . h) Folgen für die Vertragsgestaltung . . . i) Missbräuchliche Klagen . . . . . . . . . . 4. Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 5 5

8 18 22 26 27 30 38 42 43 45 51 53 54 55 57

II. Muster Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.1

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Vorweggenommene Abmahnung als Erklärung an den Arbeitnehmer . . . . . . . M . . 13.2 Vorweggenommene Abmahnung als Aushang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.3 Klage gegen eine Abmahnung und auf Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.4 Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.5 Klage des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Mankohaftung . . . . . . . . . . . M . . 13.6 Arrest und Arrestpfändung wegen Unterschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.7 Klage des Arbeitnehmers wegen Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.8 Klage des Arbeitgebers wegen Vertragsbruchs auf Schadensersatz und Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.9 Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen . . .M. .13.10 Klage wegen berechtigter Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers . . . . . .M. .13.11 Klage des Arbeitnehmers auf Freistellung von Ansprüchen Dritter . . . . . . .M. .13.12 Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . .M. .13.13

Literatur: Zum Fehlverhalten des Arbeitnehmers: Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, 2. Aufl. 2000, S. 99 ff.; Becker, Das Urteil des EGMR zum Whistleblowing – Neuer Lösungsweg auch für deutsche Arbeitsgerichte?, DB 2011, 2202; Beckerle, Die Abmahnung, 12. Aufl. 2015; Berkowsky, Was ändert die Reform im Arbeitsrecht?, AuA 2002, 11; Bieder, Einschränkungen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung für leitende Angestellte, DB 2008, 638; Bissels/Lützeler/Wisskirchen, Facebook, Twitter & Co.: Das

598 Diller/Lingemann

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

… (Unterschrift)6 5 Das zentrale Problem des Rückforderungsanspruchs ist die Frage, ob der Bruttobetrag oder nur der Nettobetrag zurückgefordert werden kann, wenn der Arbeitgeber bereits Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat. Nach der Entscheidung des BAG v. 19.2.2004 – 6 AZR 664/02, NZA 2004, 1120, richtet sich der Rückzahlungsanspruch grundsätzlich auf den Bruttobetrag, da der Arbeitnehmer nicht nur den ihm netto zugeflossenen Geldbetrag erlangt hat, sondern auch Befreiung von einer Steuerschuld sowie einen sozialversicherungsrechtlichen Erstattungsanspruch (§ 26 SGB IV). Deshalb kann mit der Klage je nach Sachverhalt die Abtretung des Erstattungsanspruchs nach § 26 SGB IV oder – falls dieser bereits realisiert ist – unmittelbar Zahlung geltend gemacht werden. 6 Der Streitwert entspricht dem geltend gemachten Bruttobetrag.

Kapitel 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

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I. Einführung 1. Fehlverhalten des Arbeitnehmers . . . . . . a) Ermahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionen der Abmahnung . . . . bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . c) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlverhalten des Arbeitgebers . . . . . . . 3. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Struktur und Geltungsbereich . . . . . . b) Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . c) Organisationspflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . e) Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Folgen für die betriebliche Praxis . . . . h) Folgen für die Vertragsgestaltung . . . i) Missbräuchliche Klagen . . . . . . . . . . 4. Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.1

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Vorweggenommene Abmahnung als Erklärung an den Arbeitnehmer . . . . . . . M . . 13.2 Vorweggenommene Abmahnung als Aushang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.3 Klage gegen eine Abmahnung und auf Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.4 Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.5 Klage des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Mankohaftung . . . . . . . . . . . M . . 13.6 Arrest und Arrestpfändung wegen Unterschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.7 Klage des Arbeitnehmers wegen Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.8 Klage des Arbeitgebers wegen Vertragsbruchs auf Schadensersatz und Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 13.9 Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen . . .M. .13.10 Klage wegen berechtigter Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers . . . . . .M. .13.11 Klage des Arbeitnehmers auf Freistellung von Ansprüchen Dritter . . . . . . .M. .13.12 Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . .M. .13.13

Literatur: Zum Fehlverhalten des Arbeitnehmers: Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, 2. Aufl. 2000, S. 99 ff.; Becker, Das Urteil des EGMR zum Whistleblowing – Neuer Lösungsweg auch für deutsche Arbeitsgerichte?, DB 2011, 2202; Beckerle, Die Abmahnung, 12. Aufl. 2015; Berkowsky, Was ändert die Reform im Arbeitsrecht?, AuA 2002, 11; Bieder, Einschränkungen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung für leitende Angestellte, DB 2008, 638; Bissels/Lützeler/Wisskirchen, Facebook, Twitter & Co.: Das

598 Diller/Lingemann

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Web 2.0 als arbeitsrechtliches Problem, BB 2010, 2433; Bissels/Schumacher/Wisskirchen, „Vorweggenommene Abmahnung“ – statt des Mantras der unentbehrlichen Abmahnung, BB 2012, 1473; Braun, Abmahnung im Arbeitsrecht, AuA 2006, 88; Byers/Mößner, Die Nutzung des Web 2.0 am Arbeitsplatz: Fluch und Segen für den Arbeitgeber, BB 2012, 1665; Fuhlrott/Oltmanns, Social Media im Arbeitsverhältnis – Der schmale Grat zwischen Meinungsfreiheit und Pflichtverletzung, NZA 2016, 785; Gabke, Das Haftungsprivileg der Unternehmen bei Arbeitsunfällen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, FA 2006, 293; Göpfert/Siegrist, Stalking – Nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch ein Problem für Arbeitgeber?, NZA 2007, 473; Gross/Wesch, Änderungen des Haftungsrechts im Arbeitsverhältnis?, NZA 2008, 849; Haußmann/Kaufmann, Gesetzliche Beschäftigungsverbote, Eignungs-, Zuverlässigkeits- und Integritätsmerkmale und ihre Einordnung im Kündigungsschutzrecht DB 2015, 1223; Haußmann/Merten, Kündigungspflicht und ihre arbeitsrechtliche Umsetzung, NZA 2015, 258; Herbert/ Oberrath, Der Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung der Kosten für die Überwachung des Arbeitnehmers, BB 2011, 2936; Hoppe, Arbeitnehmerhaftung und ihre Auswirkung auf die Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel, ArbRAktuell 2010, 388; Hohmuth, Die arbeitsrechtliche Implementierung von Compliance-Pflichten, BB 2014, 3061; Klasen/Schaefer, Whistleblower, Zeuge und „Beschuldigter“ – Informationsweitergabe im Spannungsfeld grundrechtlicher Positionen, BB 2012, 641; Kleinebrink, Abmahnung und Datenschutz, DB 2012, 1508; Kleinebrink, Die Abmahnung schwerbehinderter Menschen, FA 2012, 194; Kleinebrink, Die Klage des Arbeitnehmers gegen eine schriftliche Abmahnung, FA 2006, 196; Kleinebrink, Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung gegenüber dem Betriebsrat, DB 2016, 1380; Koch, Rechtsprobleme privater Nutzung betrieblicher elektronischer Kommunikationsmittel, NZA 2008, 911; Kratz/Gubbels, Beweisverwertungsverbote bei privater Internetnutzung am Arbeitsplatz, NZA 2009, 652; Mahnhold, „Global Whistle“ oder „deutsche Pfeife“ – Whistleblowing-Systeme im Jurisdiktionskonflikt, NZA 2008, 737; Melot de Beauregard Keine Rückgriffsmöglichkeit des Unternehmens bei Kartellstrafen DB 2015, 928; Melot de Beauregard/Baur, Die Haftung des leitenden Angestellten, DB 2016, 1754; Novara/Knierim, Die arbeitsrechtliche Abmahnung nach der „Emmely“Entscheidung, NJW 2011, 1175; Oberthür, Stalking im Arbeitsverhältnis – Schutzpflichten des Arbeitgebers und deren Grenzen, ArbRB 2012, 180; Reich, Die Abmahnung und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, PersV 2006, 452; Ritter, Das Abmahnungsrecht ist ein unselbstständiger Teil des Kündigungsrechts!, DB 2013, 344; Rudkowski, Die Aufklärung von Compliance-Verstößen durch „Interviews“, NZA 2011, 612; Salamon/Rogge, Funktionen der Abmahnung und Entfernungsanspruch nach „Emmely“, NZA 2013, 363; Schiefer, Die Abmahnung – Aktuelle Brennpunkte, DB 2013, 1785; Schielke, Grundsätze und Rechtsentwicklung der Arbeitnehmerhaftung, ZMV 2009, 61; Schierbaum, Videoüberwachung am Arbeitsplatz, PersR 2008, 180; Schwab, Die Haftung des Arbeitnehmers, AiB 2007, 85; Schwab, Die Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis – Eine Übersicht, NZA-RR 2006, 449 und 505; Waltermann, Risikozuweisung nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung, RdA 2005, 98; Weber, Zum (richtigen) Umgang mit Low-Performern – Die Kündigung wegen Minderleistung und das Recht des Arbeitnehmers auf eine fähigkeitsgerechte Beschäftigung, DB 2015, 1899; Wisskirchen/Glaser, Unternehmensinterne Untersuchungen, DB 2011, 1392 (Teil I), 1447 (Teil II); Wolf/Mulert, Die Zulässigkeit der Überwachung von E-Mail-Korrespondenz am Arbeitsplatz, BB 2008, 442; Wortmann, Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis, ArbRB 2012, 279. Zum Fehlverhalten des Arbeitgebers: Brock, Sicher durch den Paragrafen-Dschungel – Verantwortung für Arbeits- und Gesundheitsschutz, AuA 2009, 416; Göpfert/Wilke, Nutzung privater Smartphones für dienstliche Zwecke, NZA 2012, 765; Krieger/Herzberg, Haftungsrisiken des Arbeitgebers bei der Entsendung von Arbeitnehmern in Krisengebiete, BB 2012, 1089; Legerlotz, (Arbeits-)Unfälle bei betrieblich organisierter Freizeit, ArbRB 2011, 350; Rolfs, Die Neuregelung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerhaftung bei Arbeitsunfällen durch das SGB VII, NJW 1996, 3177; Podehl, Haftung des Arbeitgebers für Stress am Arbeitsplatz, DB 2016, 1695; Salamon/Koch, Die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers bei der Gefährdungshaftung des Arbeitgebers, NZA 2012, 658; Schwab, Die Haftung des Arbeitgebers, AiB 2007, 233; Vogl, Das neue Arbeitsschutzgesetz, NJW 1996, 2753. Zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG): s. Literaturübersicht Kap. 1 „AGG“. Zum Mobbing: Abeln/Gaudernack, Mobbing in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte, LAGReport 2005, 225; Brams, Mobbing am Arbeitsplatz: Ein Fall für die Krankentagegeldversicherung, VersR 2009, 744; Hohmann, Rechtliche Voraussetzungen des Mobbingvorwurfs und gerichtlicher Prüfungsumfang, NZA 2006, 530; Jansen/Hartmann, Straining und Mobbing im Lichte des Persönlichkeitsschutzes, NJW 2012, 1540; Kleinsorge, Mobbing am Arbeitsplatz, NWB 2010, 2390; Krieger/Günther, Vorsicht

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Kap. 13 Rz. 1

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Falle! – Diskriminierungsnachweis durch Testing-Verfahren?, NZA 2015, 262; Lingemann, Diskriminierung in Entgeltsystemen – Ende der Anpassung nach oben?, NZA 2014, 827; Pauken/Biester, Mobbing – so wird es (nicht) gemacht!, ArbAktuell 2013, 350; Sasse, Rechtsprechungsübersicht zum Mobbing, BB 2008, 1450; Schrader, Mobbing am Arbeitsplatz, AiB 2008, 470; Wolmerath, Mobbing im Fokus der betrieblichen Akteure, ArbRAktuell 2015, 118; Zimmermann, Zur Problematik anonymer Arbeitnehmerbeschwerden, ArbuR 2016, 226.

I. Einführung 1. Fehlverhalten des Arbeitnehmers 1

Verstößt der Arbeitnehmer gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten, stehen dem Arbeitgeber zwei Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung1: Er kann eine Ermahnung aussprechen (Rz. 3 f.) oder den Arbeitnehmer abmahnen (Rz. 5 ff.).2 Dabei bestehen Unterschiede in der Funktion und der Intensität dieser Mittel.

2

Führt der Verstoß zu einem Schaden des Arbeitgebers, können Ersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer bestehen (Rz. 18 ff.). a) Ermahnung

3

Die schwächere Sanktion ist die Ermahnung. Mit ihr besteht der Arbeitgeber ohne Androhung von künftigen Rechtsfolgen auf der Einhaltung der vertraglichen Pflichten.3 Sie ist kündigungsrechtlich irrelevant. Ihre Wirkung besteht nur darin, durch Rüge eine Verhaltensän1 Eng mit der Frage des Fehlverhaltens verknüpft ist die Frage arbeitgeberseitiger Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Dabei hat stets eine Güterabwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers andererseits stattzufinden. Besondere Vorsicht ist bei der Überwachung mittels Videokameras geboten, vgl. Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 153 Rz. 14 f.; Schrader/Mahler, NZA-RR 2016, 57, 58 f. Zur Auswertung von E-Mails ausgeschiedener Mitarbeiter, Dzida/Klopp, ArbRB 2015, 83. Zur Zulässigkeit einer heimlichen Schrankkontrolle BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 546/12, NZA 2014, 143 m. Anm. Schuster, FD-ArbR 2014, 354958. Zur datenschutzrechtlichen Problematik Lingemann, Kündigungsschutz, S. 291 ff. sowie s. Kap. 1 Rz. 20. Zudem sind bei Einführung von Kontrollmaßnahmen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten, BAG v. 26.1.2016 – 1 ABR 68/13, NZA 2016, 498, Rz. 21 ff. zur Erstattung der Kosten BAG v. 28.10.2010, NZA-RR 2011, 231; Herbert/Oberrath, BB 2011, 2936; zum Themenkomplex Whistleblowing vgl. Becker, DB 2011, 2202; Klasen/Schaefer, BB 2012, 641; Mahnhold, NZA 2008, 737; Rudkowski, NZA 2011, 612. Zur privaten Nutzung betrieblicher elektronischer Kommunikationsmittel s. Kap. 70. 2 In Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber auch direkt zur Kündigung greifen, vgl. Kap. 22 Rz. 59 ff. Auf Betriebsbußen (Verwarnung, Verweis, Geldbuße) soll hier nicht eingegangen werden, da diese nicht individualvertragliche, sondern nur Verstöße gegen die kollektivrechtliche Betriebsordnung betreffen. Das Verhalten des Arbeitnehmers kann aber zugleich einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten und eine Störung der betrieblichen Ordnung darstellen. Der Arbeitgeber kann dann mit der Abmahnung eine Verwarnung aussprechen, was allerdings eine Beteiligung des Betriebsrats erfordert. Ob ein Abmahnung auch gegenüber dem Betriebsrat in Betracht kommen kann, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, dazu Kleinebrink, DB 2016, 1380; Sandmaier, SPA 2016, 145 jeweils unter Verweis auf ArbG Solingen v. 18.2.2016 – 3 BV 15/15 lev. Wichtig: Unbedingt zu beachten ist in einem solchen Fall, dass aus dem Text deutlich hervorgehen muss, dass der Arbeitnehmer auch mit Nachdruck die Arbeitsvertragsverletzung rügt, da die Abmahnung gegenüber der Verwarnung die weiter reichenden Konsequenzen zur Vorbereitung einer späteren Kündigung hat. 3 Vgl. Schaub-Linck, ArbR-Hdb., § 132 Rz. 1, 2.

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Rz. 7 Kap. 13

derung herbeizuführen und eine stillschweigende Vertragsänderung durch Duldung des Verhaltens zu verhindern. Wichtig: Wird ein Vertragsverstoß längere Zeit hingenommen, kann dies zu einer konkludenten Änderung des Vertragsinhalts führen. Dies kann durch eine Rüge verhindert werden. Der Arbeitgeber muss zum Ausdruck bringen, dass er das Fehlverhalten nicht duldet.

4

b) Abmahnung aa) Funktionen der Abmahnung Auch die Abmahnung dient dazu, den Arbeitnehmer zur Vertragserfüllung anzuhalten und eine stillschweigende Vertragsänderung zu verhindern. Darüber hinaus dient sie jedoch hauptsächlich dazu, den Arbeitnehmer vor einer im Wiederholungsfall drohenden verhaltensbedingten Kündigung4 zu warnen. Nach § 314 Abs. 2 BGB5 ist eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung nur nach vorheriger erfolgloser Abmahnung zulässig. Eine Abmahnung kann jedoch dann entbehrlich sein, wenn eine Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigt6 (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgemäß zu verhalten7 (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Vorschrift ist entsprechend auch auf die ordentliche Kündigung anzuwenden, denn wenn eine Abmahnung bei besonders schweren Pflichtverletzungen erforderlich ist, dann gilt dies umso mehr bei einfachen.8 Das Abmahnerfordernis ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips, nach dem die Kündigung nur äußerstes Mittel sein darf (Ultima-Ratio-Prinzip). Erst nach einem gleichartigen Wiederholungsfall darf die Kündigung erfolgen.9

5

Wichtig: Eine ohne vorherige vergebliche Abmahnung ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung ist in der Regel unwirksam.10

6

Zum Verhältnis von Abmahnung und Kündigung gilt Folgendes: Spricht der Arbeitgeber eine Abmahnung aus, so verzichtet er konkludent auf ein Kündigungsrecht wegen der Gründe,

7

4 In Betracht kommt aber auch eine Änderungskündigung oder Versetzung. In diesem Fall gelten die Ausführungen zur Kündigung entsprechend. 5 § 314 Abs. 1 BGB wird durch § 626 Abs. 1 BGB als lex specialis für Dienst- und Arbeitsverhältnisse verdrängt. Weil jedoch eine § 314 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung im Dienstvertragsrecht fehlt, ist diese anzuwenden. 6 Dies ist ua. der Fall bei schwerwiegenden Vertrauensverletzungen; BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/ 15, NZA 2016, 540, Rz. 24; v. 25.10.2012 – 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319; v. 1.7.1999, NZA 1999, 1270 ff. Anders ist die Lage, wenn es sich um steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers handelt und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann, BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 294, Rz. 22; v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353, Rz. 46. Eine außerordentliche Kündigung kann auch bei unerlaubter oder missbräuchlicher Nutzung von Social Media in Betracht kommen, dazu Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 785. 7 Eine Abmahnung ist auch dann entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gibt, dass er sich nur bei einer Kündigung von einem bestimmten Verhalten abbringen lässt, BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 179/05, NZA 2006, 980. 8 BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rz. 28. 9 Gleichartig ist ein Wiederholungsfall, wenn er in einem engen Zusammenhang mit der Abmahnung steht. Die Abmahnung muss denselben Bereich wie die Pflichtwidrigkeit betreffen, derentwegen gekündigt wird (BAG v. 16.1.1992 – 2 AZR 412/91, NZA 1992, 1023; v. 16.9.2004 – 2 AZR 406/03, NZA 2005, 459). 10 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 294, Rz. 22; v. 25.10.2012 – 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319, Rz. 16; v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, Rz. Die unwirksame Kündigung hat lediglich die Wirkung einer Abmahnung, sofern die behauptete Pflichtverletzung tatsächlich vorliegt, BAG v. 31.8.1989 – 2 AZR 13/89, NZA 1990, 433, 434.

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Kap. 13 Rz. 8

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die Gegenstand der Abmahnung waren.11 Eine Kündigung kann dann nur auf gleich gelagerte Pflichtverletzungen nach Erhalt der Abmahnung gestützt werden oder auf solche, die nachträglich bekannt geworden sind.12 Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht liegt allerdings nicht vor, wenn der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht.13 bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen der Abmahnung 8

Form und Inhalt der Abmahnung sind im Gesetz nicht geregelt. Sie ist daher grds. formfrei, sofern nicht tarifvertraglich Schriftform vorgeschrieben ist. Allerdings empfiehlt sich dringend die Schriftform zur Dokumentation. Die inhaltlichen Voraussetzungen ergeben sich aus der Funktion der Abmahnung als Vorstufe der Kündigung oder ähnlicher Maßnahmen.

9

Aus der Abmahnung muss zweifelsfrei hervorgehen, welche Pflichtwidrigkeit dem Arbeitnehmer genau vorgeworfen wird14 (Dokumentationsfunktion) und welches Verhalten künftig von ihm erwartet wird (Hinweisfunktion). Zudem muss klar zum Ausdruck kommen, dass im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen ist (Warnfunktion)15.

10

Grundsätzlich kann jede Pflichtverletzung abgemahnt werden. Die Pflichtverletzung kann sowohl einen Leistungsmangel als auch ein sonstiges Fehlverhalten am Arbeitsplatz betreffen.16 Dies gilt auch bei Verstößen gegen unternehmensinterne Compliance-Regeln.17 Die Abmahnung selbst muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.18 Bei lediglich vereinzelten Bagatellverstößen darf sie nicht ausgesprochen werden.

11

Eine Regelausschlussfrist für die Erklärung der Abmahnung gibt es nicht. Es wäre auch praktisch unmöglich, sich häufende, über einen längeren Zeitraum verteilte Bagatellverstöße innerhalb einer bestimmten Frist zu rügen.19 Gleichwohl kann der Arbeitgeber das Recht zur Abmahnung verwirken, wenn sich der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum vertragstreu verhalten hat und der Arbeitgeber durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass die Verfehlung nicht mehr geahndet werden soll.20

12

Abmahnungsberechtigt ist jeder weisungsbefugte Vorgesetzte.21

13

Die Abmahnung muss zur Erfüllung ihres Zwecks dem betroffenen Arbeitnehmer zugehen. Die Regeln zum Zugang von Willenserklärungen gelten entsprechend (§ 130 Abs. 1 BGB).22 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rz. 28; v. 13.5.2015, NJOZ 2015, 1783, Rz. 33. BAG v. 9.6.2011, NZA 2011, 1342, Rz. 31; v. 13.12.2007 – 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589, Rz. 38. BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rz. 28. Dies erfordert eine detaillierte Angabe des Vorfalls mit Datum und uU Uhrzeit; ausf. Schiefer, DB 2013, 1785. Dazu soll auch die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ genügen können, BAG v. 19.4.2012, NZA-RR 2012, 567. Ratsamer ist es jedoch, ausdrücklich eine Kündigung anzudrohen. Unfreundlichkeit des Arbeitnehmers gegenüber Kunden vor allem in der schriftlichen Korrespondenz kann eine Abmahnung rechtfertigen, LAG Schl.-Holst. v. 20.5.2014 – 2 Sa 17/14. Allgemein zu Compliance-Richtlinien Hohmuth, BB 2014, 3061. BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 179/05, NZA 2006, 980; v. 13.11.1991 – 5 AZR 74/91, DB 1992, 843. BAG v. 14.12.1994 – 5 AZR 137/94, NZA 1995, 676; v. 15.1.1986 – 5 AZR 70/84, DB 1986, 1075. BAG v. 13.10.1988 – 6 AZR 144/85, NZA 1989, 716. BAG v. 18.1.1980 – 7 AZR 75/78, DB 1980, 1351; RA als Bevollmächtigter: BAG v. 15.7.1992, NZA 1993, 221. Bei der deutschen Sprache nicht mächtigen Arbeitnehmern geht die Abmahnung erst nach einer angemessenen Zeitspanne zu, die der Arbeitnehmer benötigt, um die Abmahnung zu übersetzen (LAG Hamm v. 5.1.1979, EzA § 130 BGB Nr. 9; aA aber Schaub, ArbR-Hdb., § 61 Rz. 39; LAG Köln v. 24.3.1988 – 8 Ta 46/88, NJW 1988, 1870).

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Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Rz. 17a Kap. 13

Die Abmahnung ist als arbeitsvertragliches Rügerecht mitbestimmungsfrei,23 allerdings sehen mitunter Tarifverträge oder (freiwillige) Betriebsvereinbarungen die Mitbestimmungspflicht vor.

14

Die Wirkung der Abmahnung ist zeitlich begrenzt. Es gibt jedoch auch insoweit keine Regelfrist. In der Praxis war es üblich, die Abmahnung nach zwei bis drei Jahren aus der Personalakte zu entfernen.24 Der Arbeitnehmer kann die Entfernung aber nur verlangen, wenn das gerügte Verhalten bedeutungslos geworden ist.25 Im Hinblick auf die „Emmely“-Entscheidung des BAG26, in der ua. das in 30 Jahren beanstandungsfreier Betriebszugehörigkeit aufgebaute „Vertrauenskapital“ der verhaltensbedingten Kündigung entgegenstand, ist jedoch fraglich, ob eine Abmahnung überhaupt noch bedeutungslos werden kann.27 Denn sie dient dem Nachweis, dass das Arbeitsverhältnis nicht beanstandungsfrei verlaufen ist und somit kein „Vertrauenskapital“ aufgebaut wurde. Das BAG gesteht Arbeitgebern daher ein berechtigtes Interesse auch an länger zurückliegenden Abmahnungen im Hinblick auf eine spätere Interessenabwägung zu.28 Exakte zeitliche Grenzen lassen sich nicht ziehen, vielmehr ist stets eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen.29

15

Zahlreiche Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen, denen keine weiteren Konsequenzen folgen, können allerdings die Warnfunktion der Abmahnungen abschwächen. Der Arbeitgeber muss dann die letzte Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass weitere derartige Pflichtverletzungen nunmehr tatsächlich zum Ausspruch einer Kündigung führen werden.30

16

Vor der Übernahme der Abmahnung in die Personalakte31 ist im Geltungsbereich des TVöD der Arbeitnehmer anzuhören. § 3 Abs. 5 TVöD regelt dies zwar nicht mehr ausdrücklich,32 jedoch haben die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass weiterhin so zu verfahren ist.33 Unterlässt der Arbeitgeber dies, ist die Abmahnung formell unwirksam. Zur Vorbereitung einer Kündigung reicht sie jedoch aus, da sie die erforderliche Warnfunktion aufweist und ja auch mündlich hätte ausgesprochen werden können.34

17

Eine vorweggenommene Abmahnung hat die Rechtsprechung bisher nicht anerkannt. Sie wird für besonders schwerwiegende Verstöße gegen Kardinalpflichten des Arbeitsverhältnisses vorgeschlagen.35 In solchen Fällen muss es dem Arbeitgeber möglich sein, bereits nach dem ersten Verstoß ohne weitere Abmahnung zu kündigen, wenn er dies bereits zuvor angedroht hatte. Sie ist auf Kardinalpflichten beschränkt, da sonst die Gefahr besteht, dass die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung durch eine solche vorweggenommene Ab-

17a

23 BAG v. 17.10.1989 – 1 ABR 100/88, NZA 1990, 193; der Betriebsrat hat auch keinen Anspruch darauf, dass ihm alle ausgesprochenen Abmahnungen in anonymisierter Form vorlegt werden, BAG v. 17.9.2013 – 1 ABR 26/12, NZA 2014, 269. 24 Vgl. LAG Hamm v. 12.7.2007, AuA 2008, 505; krit. Schrader, NJW 2012, 342. 25 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91. 26 BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227. 27 Dazu Salamon/Rogge, NZA 2013, 363; Ritter, DB 2013, 344; Novara/Knierim, NJW 2011, 1175; Schiefer, DB 2013, 1785. 28 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91. 29 BAG v. 19.7.2012 – 2 AZR 782/11, NZA 2013, 91, Rz. 30. 30 BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, NZA 2013, 425, Rz. 47; v. 15.11.2001 – 2 AZR 609/00, NZA 2002, 968; v. 16.9.2004 – 2 AZR 406/03, NZA 2005, 459. 31 Zu datenschutzrechtlichen Bedenken Kleinebrink, DB 2012, 1508. 32 So noch die Vorgängerregelung § 13 Abs. 2 BAT. 33 Vgl. RdSchr. des BMI in Vorbem. 6.1, Nr. 5. 34 BAG v. 21.5.1992 – 2 AZR 551/91, DB 1992, 2143. 35 Wisskirchen/Schumacher/Bissels, BB 2012, 1473.

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mahnung unterlaufen werden. Die Voraussetzungen einer vorweggenommenen Abmahnung entsprechen im Wesentlichen denen einer nachträglichen Abmahnung (dazu Rz. 8 ff.). Da die vorweggenommene Abmahnung aber nicht bereits auf einen konkret eingetretenen Verstoß Bezug nehmen kann, muss die befürchtete Pflichtverletzung so genau wie möglich umschrieben werden, um dem Arbeitnehmer das sanktionierte Verhalten genau vor Augen zu führen. Die vorweggenommene Abmahnung kann als einseitige Erklärung, aber auch in einem Aushang, als Richtlinie oder als persönliche, vom Arbeitnehmer unterschriebene Verpflichtungserklärung ausgestaltet sein.36 Durchgesetzt hat sich das Instrument in der Praxis bisher allerdings nicht. c) Schadensersatz 18

Dem Arbeitgeber steht bei einem Pflichtverstoß des Arbeitnehmers oder Auszubildenden37, der zu einem Schaden geführt hat, uU ein Anspruch auf Schadensersatz zu.38 Dies kann nach § 823 BGB der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig ein absolutes Recht des Arbeitgebers widerrechtlich verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB) oder gegen ein Schutzgesetz verstößt (§ 823 Abs. 2 BGB). Als Anspruchsgrundlage kommen aber auch die §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 619a, 241 Abs. 2 BGB (positive Vertragsverletzung)39 in Betracht, wenn der Arbeitnehmer eine vertragliche Nebenpflicht verletzt oder eine Schlechtleistung erbringt, dies vertreten muss (§ 276 BGB), und dies zu einem Schaden des Arbeitgebers führt.40 Alternativ kann auch ein Schadensersatzanspruch aus § 667 Alt. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB bestehen.41 Sofern der Schadensersatzanspruch aus einer unerlaubten oder strafbaren Handlung des Arbeitnehmers resultiert, wird er nicht von einer Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag erfasst.42 In diesem Fall kann der Arbeitgeber mit seiner Forderung auch gegen unpfändbare Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers aufrechnen.43

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Die Eigenart des Arbeitsverhältnisses bringt es mit sich, dass auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer im Laufe der Zeit ein Fehler unterlaufen kann. Die Haftungsrisiken in der industriellen Fertigung stehen dabei häufig in keinem äquivalenten Verhältnis zu dem Arbeitsentgelt. Zudem bestimmt der Arbeitgeber die Risikofaktoren innerhalb des Betriebes durch seine Or36 Vgl. Wisskirchen/Schumacher/Bissels, BB 2012, 1473, 1476. 37 Auszubildende, die durch ihr Verhalten bei einem Beschäftigten desselben Betriebs einen Schaden verursachen, haften nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer, BAG v. 19.3.2015 – 8 AZR 67/14, NZA 2015, 1057. 38 Theoretisch kommen auch Schadensersatzansprüche zwischen Arbeitnehmern in Betracht. Das BAG ist hier jedoch zurückhaltend, kündigt daher zB ein Arbeitnehmer wegen Beleidigungen oder Nötigungen durch einen Kollegen das Arbeitsverhältnis, so hat er gegen diesen keinen Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls, der infolge der Eigenkündigung eintritt, BAG v. 18.1.2007, AP Nr. 17 zu § 823 BGB. 39 Unter den zu ersetzenden Schaden fallen auch Detektivkosten zur Überwachung des Arbeitnehmers, wenn die ermittelten Tatsachen zum Verdacht einer so schwerwiegenden Pflichtverletzung führen, dass eine deswegen ausgesprochene Kündigung iSe. Verdachtskündigung als begründet angesehen werden muss, BAG v. 26.9.2013 – 8 AZR 1026/12, NZA 2014, 301. 40 Zur Haftung des Arbeitnehmers bei Schäden durch die Nutzung betrieblicher Informations- und Kommunikationstechnik s. Hoppe, ArbRAktuell 2010, 388. 41 Die Beschäftigten sind als Beauftragte verpflichtet, dem Arbeitgeber als Auftraggeber alles, was aus der Geschäftsbesorgung erlangt wurde, herauszugeben oder jedenfalls zu ersetzen, BAG v. 21.8.2014 – 8 AZR 655/13, NZA 2015, 94. 42 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 753/14, NZA 2016, 1271, Rz. 31 m. Anm. Kalck/Lange, ArbRAktuell 2016, 484. Dies gilt auch für den entsprechenden Anspruch aus § 280 Abs. 1 iVm § 241 Abs. 2 BGB. 43 Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet wurde, LAG Sachsen-Anhalt v. 11.4.2016 – 6 Sa 45/14, juris, Rz. 42.

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ganisationsgewalt und sein Weisungsrecht, während der Arbeitnehmer darauf keinen Einfluss hat. Im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs haben sich daher Grundsätze herausgebildet, die die Haftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten44 angemessen mildern.45 Schädigt der Arbeitnehmer bei der Arbeitsleistung hingegen außenstehende Dritte, ist er im Außenverhältnis zum Schadensersatz verpflichtet.46 Danach haftet47 der Arbeitnehmer – bei leichtester Fahrlässigkeit48 überhaupt nicht; – bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig;49 – bei grober Fahrlässigkeit50 und Vorsatz51 unbeschränkt.52 Allerdings muss sich das Verschulden jeweils auch auf den Schaden beziehen.53 Bei grober Fahrlässigkeit ist auch eine Schadensteilung nicht ausgeschlossen,54 wenn für den Arbeitnehmer eine existentielle Bedrohung in finanzieller Hinsicht besteht.55

44 Dies sind alle Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrags schuldet oder von dem Arbeitgeber zugewiesen bekommt. 45 Das BAG stützt den Schadensausgleich auf eine entsprechende Anwendung des § 254 BGB vgl. BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 116/14, NZA 2015, 1517, Rz. 25; v. 15.11.2012, NJOZ 2013, 709, Rz. 31. Diese Grundsätze finden grundsätzlich auch auf die leitenden Angestellten des Betriebs Anwendung, Melot de Beauregard/Baur, DB 2016, 1754. 46 Soweit jedoch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber eine Haftungsprivilegierung nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs eingreifen würde, steht dem Arbeitnehmer ein Freistellungsanspruch gegen diesen zu. Dieser Anspruch wird jedenfalls dann fällig, wenn der Arbeitnehmer im Außenverhältnis die Rechtsverteidigung gegen die Verurteilung zum Schadensersatz einstellt, BAG v. 25.6.2009 – 8 AZR 236/08, DB 2009, 2493. 47 Von Bedeutung ist auch das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII im Verhältnis der Arbeitnehmer zueinander. Vgl. hierzu BAG v. 19.3.2015 – 8 AZR 67/14, NZA 2015, 1057, Rz. 20; v. 30.4.2013, NZA 2013, 1218, Rz. 13. 48 Leichteste Fahrlässigkeit liegt vor bei geringfügigen und leicht entschuldbaren Pflichtverletzungen, die jedem Arbeitnehmer unterlaufen können. 49 Bei der mittleren Fahrlässigkeit bestimmt sich der Haftungsanteil des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch nach der Versicherbarkeit durch den Arbeitgeber, nach der Höhe des Verdienstes, dem Vorverhalten des Arbeitnehmers sowie seiner sozialen Verhältnisse, BAG v. 18.1.2007, NZA 2007, 1320 Rz. 30; v. 24.11.1987 – 8 AZR 524/82, DB 1988, 1603. Darf ein Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug auch zu privaten Zwecken nutzen und verursacht er hierbei fahrlässig einen Unfall, so ist die Haftung begrenzt auf die Höhe der verkehrsüblichen Selbstbeteiligung einer Vollkaskoversicherung, auch wenn der Arbeitgeber es versäumt hat, eine solche abzuschließen. Eine Unterscheidung zwischen privater Fahrt und Dienstfahrt ist dabei nach – zweifelhafter – Auffassung des LAG Köln nicht geboten, LAG Köln v. 22.12.2004, LAGE § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 1. 50 Grob fahrlässig handelt der Arbeitnehmer, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem eingeleuchtet hätte. 51 Vorsatz setzt das Wissen und Wollen, mindestens aber die billigende Inkaufnahme des Schädigungserfolgs voraus. 52 Die Reform des Versicherungsvertragsrechts zum 1.1.2008 lässt diese Grundsätze unberührt, BAG v. 15.11.2012 – 8 AZR 705/11, DB 2013, 705; aA Gross/Wesch, NZA 2008, 849. 53 BAG v. 18.4.2002, NZA 2003, 37; v. 18.1.2007 – 8 AZR 250/06, DB 2007, 973. 54 BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345 zur Haftungsbegrenzung auf ein Bruttojahresgehalt einer „Mini-Jobberin“ bei grober Fahrlässigkeit. 55 BAG v. 15.11.2012, NJOZ 2013, 709, Rz. 26; v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345, Rz. 25. Als erster grober Anhaltspunkt für eine existentielle finanzielle Belastung kann die fünfjährige Schadenstilgungsdauer nach §§ 286 ff. InsO dienen, BAG v. 18.4.2002, NZA 2003, 37, 41 f.

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Diese Grundsätze über die Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten sind einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht.56 Eine Abweichung zu Lasten des Arbeitnehmers ist weder einzel- noch kollektivvertraglich zulässig. Eine Haftungsverschärfung setzt einen finanziellen Risikoausgleich voraus, der eine ausreichende Kompensation darstellt.57 21

Die Beweislast im Prozess richtet sich nach § 619a BGB.58 Dieser enthält eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Arbeitnehmers in Abweichung zu § 280 Abs. 1 BGB.59 Der Arbeitgeber muss danach ein Vertretenmüssen des Arbeitnehmers beweisen. Dies gilt auch für Berufsausbildungsverhältnisse, nicht jedoch für arbeitnehmerähnliche Personen, da für diese auch die beschränkte Arbeitnehmerhaftung nicht zur Anwendung kommt.60 Auf der Grundlage eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses kann der Arbeitnehmer mit seinen Einwendungen jedoch ausgeschlossen sein.61 2. Fehlverhalten des Arbeitgebers

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Neben der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht zur Zahlung der vereinbarten Vergütung (vgl. hierzu Kap. 12) treffen den Arbeitgeber diverse Nebenpflichten. Diese können sich ergeben aus Gesetz (BUrlG, EFZG, ArbSchG, ArbZG, SGB IX, § 612a BGB, etc.), Kollektivverträgen, einzelvertraglichen Vereinbarungen oder aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Diese Nebenpflichten werden regelmäßig unter dem Begriff der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zusammengefasst.62, 63 Der Arbeitgeber hat ua. für den Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers,64, 65 von dessen Persönlichkeitsbelan56 Eine Berufung leitender Angestellter auf die Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung soll zumindest bei der Schädigung anderer Mitarbeiter durch Weisungen, die deren Persönlichkeitsrecht verletzen, nicht möglich sein, BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223, 227. Kritisch hierzu Bieder, DB 2008, 638. 57 LAG Hessen v. 5.9.1969, BB 1970, 888. Dies ist allein bei der privaten Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens nicht der Fall, BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649. 58 Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 619a BGB Rz. 1 ff. 59 Der Anwendungsbereich der Norm ist jedoch auf Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und auf den Bereich der Arbeitnehmerhaftung beschränkt, für den auch die Grundsätze der Haftungsbeschränkung gelten, also auf betrieblich veranlasste Tätigkeiten (Oetker, BB 2002, 43, 44). 60 BAG v. 1.2.1963, AP Nr. 28 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die arbeitnehmerähnliche Person wie ein regulärer Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist, LAG Hessen v. 24.2013, BB 2013, 1726. 61 BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14, BB 2016, 2427. Ein solches Schuldanerkenntnis kann sittenwidrig sein, wenn sich der Arbeitnehmer in einem Umfang verpflichtet, der seine gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit übersteigt. 62 Einen Überblick über wichtige staatliche Regelungen im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes findet sich bei Balikcioglu, NZA 2015, 1424. Speziell zu Telearbeitsplätzen vgl. Aligbe, ArbRAktuell 2016, 132. 63 Zu den Haftungsrisiken des Arbeitgebers bei der Entsendung von Arbeitnehmern in Krisengebiete s. Krieger/Herzberg, BB 2012, 1089. 64 Dabei steht dem Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 ArbSchG iVm. § 618 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Beurteilung der mit der Beschäftigung verbundenen Gefährdung zu. Ein Anspruch auf Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach bestimmten, vom Arbeitnehmer vorgegebenen Kriterien und Methoden besteht hingegen nicht; insoweit räumt § 5 Abs. 1 ArbSchG dem Arbeitgeber einen weiten Beurteilungs- und Handlungsspielraum ein (BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06, DB 2008, 2030). Die Gefährdungsbeurteilung erfasst nach § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG auch psychischen Gefahren, dazu Podehl, DB 2016, 1695. 65 Der Arbeitnehmer hat unter den Voraussetzungen des § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 5 Abs. 1 ArbStättV regelmäßig dann einen Anspruch auf Zuweisung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes, wenn der Ar-

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gen,66 von dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung,67 der von ihm eingebrachten Sachen sowie seiner Vermögensinteressen68 Sorge zu tragen. Bei Verstößen gegen arbeitgeberseitige Nebenpflichten stehen dem Arbeitnehmer neben Erfüllungs- und Unterlassungsansprüchen auch Zurückbehaltungsrechte sowie Schadensersatzansprüche zur Seite. In Ausnahmefällen kommt auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Dies gilt beispielsweise dann, wenn der Arbeitgeber unrichtige Auskünfte erteilt. Zwar obliegt dem Arbeitgeber keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt er aber Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Daher kann sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen, wenn er dem Arbeitnehmer eine unrichtige Auskunft darüber erteilt, ob eine Vertragsänderung negative finanzielle Auswirkungen hat, und der Arbeitnehmer aufgrund dieser Auskunft seine Entscheidungen trifft.69

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Dabei können sich Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung (§ 280 BGB)70 und der Deliktshaftung (§§ 823 ff. BGB) ergeben. Hierbei ist jedoch auf arbeitsrechtliche Besonderheiten zu achten: Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist die Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden ausgeschlossen, soweit diese auf einem Versicherungsfall iSd. § 7 SGB VII beruhen, der Arbeitgeber den Unfall nicht vorsätzlich her-

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beitgeber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zum Nichtraucherschutz verpflichtet ist (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 241/08, NZA 2009, 775). In Betrieben mit Publikumsverkehr besteht indes kein umfassender Anspruch auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 347/15, NZA 2016, 1134. Vgl. auch die Ausführungen zum Mobbing Rz. 55 ff.; heimliche Videoaufnahmen eines krankgeschriebenen Arbeitnehmers durch einen Detektiv sind rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber keinen konkreten Anlass zur Überwachung hatte, BAG v. 18.2.2015 v. 19.2.2016 – 8 AZR 1007/13, NZA 2015, 994. Eine Einwilligung in die Veröffentlichung von Videoaufnahmen, die dem Arbeitgeber zu Werbezwecke dienen, verliert nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses ihre Wirkung. Grundsätzlich ist aber ein Widerruf mit plausiblen Gründen möglich, BAG v. 19.2.2015, AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 43. Die daraus resultierende Schutz- und Rücksichtnahmepflicht begründet für Arbeitnehmer jedoch nicht das Recht, zur Einsichtnahme in die Personalakte einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Dies gilt jedenfalls in Fällen, in der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erlaubt, Kopien der in der Personalakte befindlichen Schriftstücke zu fertigen, BAG v. 12.7.2016 – 9 AZR 791/12, juris, Rz. 10 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2016, 526. Eine Pflicht auf den Anspruch auf Entgeltumwandlung gem. § 1a BetrAVG hinzuweisen, trifft den Arbeitgeber nicht, BAG v. 21.1.2014 – 3 AZR 807/11, NZA 2014, 903. BAG v. 21.5.2015 – 6 AZR 349/14, BB 2015, 1914. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der auf seine Veranlassung abgeschlossenen Altersteilzeitvereinbarung schuldhaft und zurechenbar Auskunfts- und Informationspflichten verletzt und dies letztlich die Unwirksamkeit der Altersteilzeitvereinbarung bewirkt, LAG Nürnberg v. 14.11.2013 – 8 Sa 143/13, BB 2014, 435. Der Arbeitgeber kann sich bspw. schadensersatzpflichtig nach § 280 Abs. 1 BGB machen, wenn er dem Arbeitnehmer eine unrichtige Auskünfte darüber erteilt, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auch nach Änderung der Tätigkeit im Arbeitsvertrag bestehen bleibt und der Arbeitnehmer daraufhin der Änderung zustimmt, BAG v. 21.5.2015 – 6 AZR 349/14, NZA-RR 2015, 588. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der auf seine Veranlassung abgeschlossenen Altersteilzeitvereinbarung schuldhaft und zurechenbar Auskunfts- und Informationspflichten verletzt und dadurch letztlich die Unwirksamkeit der Altersteilzeitvereinbarung bewirkt, LAG Nürnberg v. 14.11.2013 – 8 Sa 143/13. Auch kann eine Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB bestehen, wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht aus § 618 BGB iVm. § 5 Abs. 1 ArbSchG nicht hinreichend nachkommt und der Arbeitnehmer dadurch einen körperlichen oder seelischen Schaden erleidet, Podehl, DB 2016, 1695.

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Kap. 13 Rz. 25

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beigeführt hat71 und der Unfall nicht auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg72 eingetreten ist.73 Für Sachschäden tritt neben die Verschuldenshaftung aus § 280 Abs. 1 BGB und §§ 823 ff. BGB eine verschuldensunabhängige Haftung unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes aus § 670 BGB, soweit sich dabei ein besonderes, vom Arbeitgeber zu tragendes und nicht abgegoltenes Risiko realisiert hat.74 Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer Ersatz für den an seinem Privatfahrzeug entstandenen Unfallschaden verlangt, sofern das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers für berufliche Zwecke eingesetzt worden ist. Der Arbeitnehmer hat dann jedoch darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht hat.75 Der Arbeitgeber ist auch dann zum Ersatz eines Unfallschadens des Arbeitnehmers verpflichtet, wenn dieser als Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft den Einsatz seines Privatfahrzeugs für erforderlich halten durfte, um rechtzeitig am Arbeitsort zu erscheinen.76 25

Das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verbietet die Benachteiligung von Arbeitnehmern durch Vereinbarungen und Maßnahmen, soweit sie ihre Rechte in zulässiger Weise ausüben.77 Im Ergebnis soll der Arbeitnehmer so gestellt werden, als sei die Benachteiligung nicht erfolgt.78 Auch Schadensersatzansprüche ua. nach § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB sind denkbar. Bei Wiederholungsgefahr besteht ein Unterlassungsanspruch.79 Ein Anspruch auf Einstellung besteht jedoch nicht.80 3. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist am 18.8.2006 in Kraft getreten.81 Insbesondere der Arbeitgeber wird in die Pflicht genommen.

71 Der Vorsatz muss sich sowohl auf die Verletzungshandlung als auch den Verletzungserfolg beziehen, BAG v. 28.4.2011, NZA-RR 2012, 290, Rz. 50; v. 10.10.2002 – 8 AZR 103/02, NZA 2003, 436; die billigende Inkaufnahme des Schadenseintritts genügt: BAG v. 28.4.2011, NZA-RR 2012, 290, Rz. 50. 72 Organisiert der Arbeitgeber Rücktransporte mit betriebseigenen Fahrzeugen von der Betriebsstätte, handelt es sich nach der Rspr. des BAG um Betriebswege iSd. § 8 Abs. 1 SGB VII; die Haftungsfreistellung des § 104 SGB VII greift mithin ein, BAG v. 19.8.2004 – 8 AZR 349/03, ArbRB 2005, 6. 73 Vgl. zur Verfassungskonformität dieser Vorschrift im Hinblick auf den Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs und die insoweit mangelnde Kompensation durch die gesetzliche Unfallversicherung LAG Hessen v. 14.7.2009, DB 2009, 2085. 74 BAG v. 22.6.2011 – 8 AZR 102/10, NZA 2012, 91, Rz. 20; v. 28.10.2010 – 8 AZR 647/09, NZA 2011, 406, Rz. 34 zur Ersatzpflicht des Arbeitgebers bei Beschädigung/Verlust von dienstlich genutzten privaten Smartphones s. Göpfert/Wilke, NZA 2012, 765, 768. 75 BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 647/09, NZA 2011, 406. 76 BAG v. 22.6.2011 – 8 AZR 102/10, NZA 2012, 91. 77 Das Vorhaben einer Neufassung des § 612a BGB unter Aufnahme eines Anzeigerechts des Arbeitnehmers wurde in der 16. Legislaturperiode zwar diskutiert, am Ende aber aufgegeben. Zum bisherigen Entwurf des § 612a BGB nF vgl. Sasse, NZA 2008, 990. 78 Das Maßregelungsverbot des § 612a BGB setzt voraus, dass eine zulässige Rechtsausübung wesentliches Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Hierfür ist der klagende Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig. Das zufällige und unbemerkte Mithören eines Telefonats durch Dritte ohne Beitrag des Beweispflichtigen hat in diesem Zusammenhang kein Beweisverwertungsverbot zur Folge, BAG v. 23.4.2009 – 6 AZR 189/08, NZA 2009, 974, Rz. 26. 79 S. im Einzelnen PWW/Lingemann, § 612a BGB Rz. 1 ff. 80 BAG v. 21.9.2011 – 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317 unter analoger Anwendung des § 15 Abs. 6 AGG. 81 BGBl. I 2006, 1897. Umgesetzt wurden damit die Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2000/73/EG und 2004/113/EG.

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Rz. 29 Kap. 13

a) Struktur und Geltungsbereich Ziel des Gesetzes ist gemäß § 1 AGG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität82 zu verhindern oder zu beseitigen.

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Geschützt sind alle Beschäftigten, das sind nach § 6 Abs. 1 AGG Arbeitnehmer, Auszubildende und Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, somit auch in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen Gleichgestellte.83 Als Beschäftigte gelten weiter Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis und die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Bei Leiharbeitnehmern müssen Verleiher und Entleiher das Benachteiligungsverbot des AGG beachten, § 6 Abs. 2 AGG. Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften des 2. Abschnitts des AGG auch für Selbständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer84 und Vorstandsmitglieder, entsprechend. In Anknüpfung an die „Danosa“-Entscheidung des EuGH85 wird zum Teil vertreten, dass das AGG für Geschäftsführer auch über § 6 Abs. 3 AGG hinaus gilt.86 Eine höchstrichterliche Klärung steht dazu bislang jedoch aus.87 Für Entscheidungen über die Beendigung des Anstellungsvertrages gilt das AGG nicht, wohl aber bei Entscheidungen über die Neubestellung und Verlängerung des Anstellungsvertrages.88

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Gegenstand des Diskriminierungsschutzes sind gemäß § 2 Abs. 1 AGG insbesondere die Zugangsbedingungen zur Erwerbstätigkeit, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, der berufliche Aufstieg, das Arbeitsentgelt89 und die Entlassungsbedingungen. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt zwar gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG weiterhin das Betriebsrentengesetz. Diese Regelung enthält nach Ansicht des BAG jedoch keine Bereichsausnahme, stellt stattdessen vielmehr eine Kollisionsregel dar. Trifft das BetrAVG daher Aussagen hinsichtlich bestimmter Unterscheidungen, die einen Bezug zu den in § 1 AGG angeführten Merkmalen haben, genießt es Vorrang vor dem AGG.90 Auch hat das BAG die bestehenden Zweifel an der

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82 Auch die Transsexualität wird von § 1 AGG erfasst, BAG v. 17.12.2015 – 8 AZR 421/14, NJW 2016. 2443 m. Anm. Bauer/Krieger, ArbRAktuell 2016, 277. 83 Zur Anwendbarkeit des AGG auf Franchiseverträge s. Giesler/Güntzel, ZIP 2008, 11. AGG-Probleme im Zusammenhang mit vertretungsberechtigten Organmitgliedern behandeln Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993. 84 Zur Anwendbarkeit des AGG auf Geschäftsführer BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797; Lingemann/Weingarth DB 2012, 2325. 85 EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09 – Danosa, NZA 2011, 143; bestätigt in EuGH v. 9.7.2015 – Rs. C229/14 – Balkaya, NZA 2015, 861. Danach sind Geschäftsführer einer GmbH dann als Arbeitnehmer iSd. Unionsrechts zu qualifizieren, wenn zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer ein Unterordnungsverhältnis besteht, das sich insbesondere durch Weisungsrechte der Gesellschaft und eine jederzeitige Abberufungsmöglichkeit auszeichnet. 86 v. Alvensleben/Haug/Schnabel, BB 2012, 774, 776; Kort, NZG 2013, 601; Lunk, RdA 2013, 111, 112 mwN. 87 Offengelassen in BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797; gegen die umfassende Anwendung Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325 mwN. 88 BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797. 89 Daneben ist der Entgeltgleichheitsgrundsatz des Art. 157 AEUV zu beachten, der als primäres Gemeinschaftsrecht Vorrang gegenüber nationalen Vorschriften genießt. Erfasst sind auch hier neben unmittelbaren ebenso mittelbare Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, zB im Rahmen von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen, vgl. etwa EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-300/06, NZA 2008, 31, 32. 90 BAG v. 17.4.2012 – 3 AZR 481/10, NZA 2012, 929; v. 19.7.2011 – 3 AZR 434/09, NZA 2012, 155; v. 11.12.2007 – 3 AZR 249/06, NZA 2008, 532, 534 f.

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Kap. 13 Rz. 30

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Europarechtskonformität des § 2 Abs. 4 AGG91 zum ausschließlichen Geltungsvorrang des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes nicht aufgegriffen und stattdessen eine Verzahnung der Vorschriften dahingehend vorgenommen, dass die Diskriminierungsverbote des AGG bei der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes als Konkretisierung des Begriffs der Sozialwidrigkeit herangezogen werden.92 Das AGG ist auch bei Kündigungen im Kleinstbetrieb zu beachten.93 b) Benachteiligungsverbot 30

Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten acht Gründe benachteiligt werden. Neben dem Verbot der Geschlechterdiskriminierung bereitet der Praxis vor allem das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters Probleme.94

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Gemäß § 3 AGG sind mittelbare und unmittelbare Benachteiligungen verboten. Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung dann vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

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Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können (§ 3 Abs. 2 AGG). Klassisches Beispiel ist die Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten, da es sich bei Teilzeitbeschäftigten überwiegend um Frauen handelt.95 Denkbar ist jedoch auch, dass ein Abstellen auf das Kriterium der „Berufserfahrung“ mittelbar wegen des Alters diskriminiert,96 die Voraussetzung „guter Deutschkenntnisse“ eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft darstellt97, eine Mindestkörpergröße als Einstellungskriterium bei Piloten eine mittelbare Dis-

91 Gaul/Naumann, ArbRB 2006, 225; zu Einzelheiten Bertelsmann, NZA 2016, 855; Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887, 888; Löwisch, BB 2006, 2189, 2190. 92 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 664/13, NZA 2015, 931, Rz. 57; v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361 Rz. 34 m. Anm. Lingemann, FD-ArbR 2009, 278338. Eine Kündigung, die gegen ein Diskriminierungsverbot verstößt, kann daher sozialwidrig und damit unwirksam sein. Zur Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl und bei der Bildung von Altersgruppen vgl. BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 478/13, NZA 2015, 1122; v. 19.12.2013, NZA-RR 2014, 185, Rz 32. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters findet ihre Rechtfertigung in § 10 Satz 1, 2 AGG. Dies ist bei Altersgruppenbildungen regelmäßig dann der Fall, wenn sie bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung erfolgen. Die Beteiligung der einzelnen Altersgruppen an dem Personalabbau hat jedoch stets streng proportional zu erfolgen, BAG v. 26.3.2015, NZA 2015, 1122, Rz. 22. Krit. dazu Lingemann/Otte, NZA 2016, 65. Zur Frage, ob die Dreiwochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG auch auf diskriminierende Kündigungen Anwendung finden kann Bertelsmann, NZA 2016, 855. 93 BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, NZA 2015, 1380, Rz. 23 speziell für den Fall der Altersdiskriminierung, v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372, Rz. 14 ff. Dazu auch Bauer/v. Medem, NJW 2016, 210. 94 Dazu Rz. 51 f.; Stümper, öAT 2015, 72; Tempelmann/Stenslik, DStR 2011, 1183; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663. 95 Vgl. etwa die Entscheidung des EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-300/06 – Voß, NZA 2008, 31, zur mittelbaren Diskriminierung teilzeitbeschäftigter beamteter Lehrerinnen bei Mehrarbeit; BGH v. 15.2.2011 – 9 AZR 584/09, AP TVG zu § 1 Vorruhestand Nr. 36, zur mittelbaren Diskriminierung bei Inanspruchnahme eines Übergangsgeldes. 96 BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498; Bauer, ArbRAktuell 2013, 75. 97 Anders jedoch ArbG Berlin v. 26.9.2007 – 14 Ca 10356/07, BB 2008, 115 m. Anm. Greßlin.

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Rz. 37 Kap. 13

kriminierung von Frauen ist98 und Feiertagsregelungen und Kleidungsvorschriften Beschäftigte mit einer bestimmten Religionszugehörigkeit mittelbar benachteiligen.99 Nach § 3 Abs. 3 und 4 AGG sind auch Belästigungen, insbesondere sexuelle Belästigungen, Benachteiligungen iSd. AGG und damit verboten.100

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Nicht jede Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmals ist jedoch eine unzulässige Benachteiligung. Gemäß § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung schon dann nicht vor, wenn sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. Die §§ 8–10 AGG regeln Tatbestände, bei denen auch eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann.

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§ 8 AGG erlaubt als ein allgemeiner Ausnahmetatbestand die unterschiedliche Behandlung wegen eines Diskriminierungsmerkmals, wenn es sich bei dem Merkmal um eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung handelt.101 Daher ist eine Ungleichbehandlung behinderter Menschen dann zulässig, wenn das Fehlen dieser Behinderung eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist.102

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Gemäß der Religionsklausel des § 9 AGG gilt das Verbot der unterschiedlichen Behandlung wegen der Religion nicht, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.103 Auf der Grundlage dieser Regelung können Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen wohl auch künftig eine Auswahl ihrer Beschäftigten nach dem Kriterium der Religion durchführen.

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Schließlich ist nach § 10 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.104 Die Mittel

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98 LAG Köln v. 25.6.2014 – 5 Sa 75/14. 99 EuGH v. 14.3.2017 – Rs. C-157/15 u. C-188/15 – Bougnaoui, ADDH; EGMR v. 15.1.2013, ECHR 012 (2013). 100 Diese Belästigungen müssen, um für das Umfeld kennzeichnend zu sein, eine für das Arbeitsverhältnis prägende Bedeutung entfalten. Einmalige Tathandlungen rechtfertigen, selbst wenn sie fortwirken, regelmäßig nicht die Annahme einer solchen prägenden Bedeutung, BAG v. 24.9.2009 – 8 AZR 705/08, NZA 2010, 387; vgl. auch BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 294. Anders zum „Straining“ Jansen/Hartmann, NJW 2012, 1540. 101 Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte an Schulen verletzt dagegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Ein Verbot erfordert die konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität, BVerfG v. 27.1.2015, NJW 2015, 1359. In privaten Arbeitsverhältnissen kann ein generelles Kopftuchverbot möglicherweise auch mit geschäftlichen Interessen gerechtfertigt werden; EuGH v. 14.3.2017 – Rs. C-188/15 – Bougnaoui, juris, Rz. 100; dazu auch Novara, NZA 2015, 142. Anders liegt der Fall jedoch, wenn das Kopftuchverbot auf das Prinzip der religiösen und weltanschaulichen Neutralität gestützt wird, GA Kokott v. 31.5.2016 – Rs. C-157/15 – Achbita, juris, Rz. 87 ff. m. Anm. Sfinis, DB 2016, 2001. 102 Wobei der Arbeitgeber auch angemessene Vorkehrungen iSd. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 UAbs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen v. 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ergreifen muss. Der Begriff „angemessene Vorkehrungen“ soll umfassen die Beseitigung der verschiedenen Barrieren, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindern, BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924, Rz. 42. 103 Vgl. dazu BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407, Rz. 57, 67. Mit Beschluss v. 17.3.2016 – 8 AZR 501/14 (A) hat das BAG dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass kirchliche Arbeitgeber eine bestimmte Religion als verbindliches Einstellungskriterium vorsehen dürfen. 104 Vgl. zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG EuGH v. 13.9.2011 – Rs. C-447/09 – Prigge, NJW 2011, 3209; v. 5.3.2009 – Rs. C-388/07 – Age Concern, NZA 2009, 305.

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zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Hier besteht große Rechtsunsicherheit.105 § 10 Satz 3 Nr. 1–6 AGG enthält Beispielsfälle, bei denen eine unterschiedliche Behandlung zulässig sein soll. Dies gilt insbesondere für die Festsetzung von Altersgrenzen in Pensionssystemen (§ 10 Satz 3 Nr. 4 AGG),106 die Befristung des Arbeitsvertrages auf den Zeitpunkt der Rentenberechtigung (§ 10 Satz 3 Nr. 5 AGG)107 und Differenzierung von Leistungen in Sozialplänen nach Alter oder Betriebszugehörigkeit, sofern dabei die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplanes ausgeschlossen werden, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind (§ 10 Satz 3 Nr. 6 AGG).108 Auch eine beamtenrechtliche Vorschrift, wonach eine Verbeamtung nur bis zur Vollendung des 42. Lebensjahres erfolgen kann, ist nicht zu beanstanden.109 c) Organisationspflichten des Arbeitgebers 38

Der Arbeitgeber haftet für eigene Verstöße, ferner nach § 31 BGB für Verstöße seiner Organmitglieder und nach § 278 BGB seiner Erfüllungsgehilfen, das sind Mitarbeiter mit Vorgesetztenfunktion.110 Für letztere haftet er uE jedoch nur für Pflichtverletzungen in Ausübung dieser Funktion und nicht nur bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit.111 Auch in den Fällen, in denen das Handeln des Mitarbeiters dem Arbeitnehmer nicht unmittelbar zugerechnet werden kann, kommt jedoch eine Haftung aus Organisationsverschulden in Betracht. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber die Reaktions- und Schulungspflichten nach § 12 Abs. 1–4 AGG nicht erfüllt (vgl. Rz. 40). Kommt es zu Eingriffen in absolute Rechte, so haftet der Arbeitgeber auch deliktisch nach § 823 Abs. 1 BGB oder bei Verstößen gegen Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 BGB.112

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Gemäß § 11 AGG darf der Arbeitgeber Stellen nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausschreiben.113 Stellenausschreibungen sind daher so zu formulieren, dass sie sich ausschließ105 Grundsätzlich verfügen die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessenspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, EuGH v. 18.6.2009 – Rs. C-88/08 – Hütter, NZA 2009, 891; eine Übersicht zur uneinheitlichen Rspr. des BAG findet sich bei Brors, RdA 2012, 346; Straube/Hilgenstock, ArbRAktuell 2010, 567. 106 Dazu BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 100/11, NZA 2013, 733. 107 BAG v. 11.2.2015 – 7 AZR 17/13, NZA 2015, 1066 zur Zulässigkeit in Einzelarbeitsverträgen; BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54 zur Befristung in Betriebsvereinbarungen. 108 BAG v. 12.4.2011 m. Anm. Lingemann, ArbR 2011, 250. 109 BVerwG v. 11.10.2016 – 2 C 11.15, zum Beamtengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. 110 BAG v. 17.12.1968, DB 1969, 446. 111 BK, § 15 AGG Rz. 21; PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 2. 112 Die Schutzgesetzqualität von §§ 7, 11, 16, 19 AGG ist umstritten; offengelassen von BAG v. 21.6.2012, NZA 2012, 2011, Rz. 48; ablehnend BK, § 7 AGG Rz. 7; PWW/Lingemann, § 7 AGG Rz. 2; MüKoBGB/Thüsing, § 15 AGG Rz. 52; aA Maier-Reimer, NJW 2006, 2577, 2582; BeckOK ArbR/Roloff, § 15 AGG Rz. 18. 113 Indiz für eine Diskriminierung wegen des Alters stellen Stellengesuche nach einem „jungen Mitarbeiter“ (BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 530/09, NZA 2010, 1412), Mitarbeiter für ein „junges Team“ (LAG Kiel v. 29.10.2013 – 1 Sa 142/13) oder „Berufsanfänger“ (BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11, NZA 2013, 498) bzw. „Young Professionals“ (BAG v. 24.1.2013, NZA 2013, 498; differenzierend LAG Nürnberg v. 27.11.2015 – 3 Sa 99/15) dar. Die Bezeichnung „Junior Consultant“ bzw. „Berufsanfänger“ ist hingegen nicht zu beanstanden, LAG Baden-Württemberg v. 19.11.2015 – 6 Sa 68/14. Ausführlich Kap. 1 Rz. 10. So kann etwa die Begrenzung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr eine nach § 3 Abs. 2 AGG unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters sein, BAG v. 18.8.2009 – 1 ABR 47/08, DB 2010, 284; eine Stellenausschreibung als „Junior Consultant“ muss nicht altersdiskriminierend sein, LAG Rh.-Pf. v. 10.2.2014 – 3 Sa 27/13, ebenso eine Stel-

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Rz. 42 Kap. 13

lich auf die Tätigkeit selbst beziehen und nur solche Anforderungskriterien darstellen, die für die ausgeschriebene Stelle erforderlich sind.114 Nach § 12 AGG muss der Arbeitgeber zudem die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes treffen. Dazu sollen auch vorbeugende Maßnahmen gehören. Welche Maßnahmen im Einzelfall erforderlich sind, richtet sich nach der Gesetzesbegründung nach objektiven Gesichtspunkten und kann je nach der Größe des Betriebes unterschiedlich zu beurteilen sein.115 Der Arbeitgeber kann diese in § 12 AGG genannte Pflicht wohl insbesondere durch eine Schulung seiner Arbeitnehmer erfüllen. Angesichts der Gesetzesbegründung spricht viel dafür, dass je nach Größe des Betriebes die Anforderungen an Art, Umfang und Häufigkeit der Schulung variieren und von Großunternehmen weiter gehende Maßnahmen verlangt werden können als von Kleinbetrieben.116 Auch Führungsrichtlinien117 und Ethikkodizes118 sowie Compliance-Richtlinien119 können zur Haftungsentlastung vorteilhaft sein. Rechtsprechung dazu liegt jedoch noch nicht vor.

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Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so muss der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen (zB Abmahnung, Kündigung, Umsetzung oder Versetzung) zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen, § 12 Abs. 3 AGG.120 Er muss zudem dafür Sorge tragen, dass die Beschäftigten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit vor der Benachteiligung durch Dritte (zB Kunden oder Lieferanten) geschützt sind, § 12 Abs. 4 AGG.121

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d) Beweislastverteilung § 22 AGG kehrt die Beweislast zu Lasten des Arbeitgebers um, sobald der Arbeitnehmer Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen.122 Der Arbeitnehmer muss jeweils Indizien beweisen, die auf seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals schließen lassen. Aufgrund der dargelegten und ggf. bewiesenen Hilfstatsachen muss bei Nachweis dieser Tatsachen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung sprechen.123 Es ist dabei zunächst Sache

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lenausschreibung für ein „dynamisches Team“, LAG Hamm v. 4.2.2014 NZA-RR 2014, 412, 416; zu Trainee-Stellen für Berufsanfänger BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 429/11. Ausführlich Burkard-Pötter, NJW-Spezial 2012, 242 f. Einzelheiten Kap. 1 Rz. 5 ff. § 12 Abs. 4 AGG kann sogar eine Pflicht des Arbeitgebers begründen, einen Arbeitnehmer zu kündigen, um andere Arbeitnehmer zu schützen, Haußmann/Merten, NZA 2015, 258. Einzelheiten zur Schulung bei BK, § 12 AGG Rz. 16 ff.; PWW/Lingemann, § 12 AGG Rz. 3 ff.; Grobys, NJW 2006, 2950, 2952; Wisskirchen, DB 2006, 1491, 1497. Grobys, NJW 2006, 2950, 2952. Schneider/Sittard, NZA 2007, 654. Mengel/Hagemeister, BB 2006, 2466, 2468; Müller-Bonanni/Sagan, BB-Special 5/2008, 28; Oberthür, ArbRB 2012, 180, 181. Dazu Wobst, NZA-RR 2016, 508 ff. Einzelheiten bei BK, § 22 AGG Rz. 6 ff.; PWW/Lingemann, § 22 AGG Rz. 2 ff.; Palandt/Grüneberg, § 22 AGG Rz. 1 ff.; Stein, NZA 2016, 849 ff.; Grobys, NZA 2006, 902 ff.; Windel, ZGS 2007, 60 ff. Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Aus den Indizien muss lediglich der Schluss gezogen werden können, dass ein Benachteiligungsgrund für eine Benachteiligung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kausal geworden ist, vgl. BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, NZA 2015, 1380,

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des Arbeitnehmers, diese überwiegende Wahrscheinlichkeit darzulegen. Erst dann trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass eine diskriminierende Benachteiligung nicht vorlag. Um diesen Beweis führen zu können, sollte der Arbeitgeber eine hinreichende Dokumentation vorweisen können. Indizien für eine Diskriminierung können vielfältig sein. Typisch ist insbesondere eine nicht § 7 Abs. 1 AGG entsprechende Ausschreibung oder Stellenanzeige.124 Auch ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zum Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer und Bewerber kann leicht ein Indiz begründen: Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze hat der Arbeitgeber gemäß § 81 Abs. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 1 SGB IX nF125 zu prüfen, ob sie mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen sind. Dazu hat er frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Kontakt aufzunehmen und die Schwerbehindertenvertretung über etwaige Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen zu unterrichten. Verletzt ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes diese Pflichten nach § 81 Abs. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 1 SGB IX nF, so kann dies die Vermutung für eine Benachteiligung schwerbehinderter Beschäftigter wegen ihrer Behinderung gemäß §§ 1, 7, 22 AGG begründen.126 Ein schwerbehinderter Bewerber muss nach § 82 Satz 2 SGB IX/§ 165 Abs. 2 SGB IX nF grundsätzlich auch zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.127 Als weitere Indizien kommen die Erteilung einer Falschauskunft oder wechselnde Begründungen128, die Einladung zum Bewerbungsgespräch mit der Mitteilung, nach den Bewerbungsunterlagen bestünde nur eine geringe Erfolgsaussicht129 oder die Frage nach Diskriminierungsmerkmalen (§ 1 AGG) im Bewerbungsgespräch oder Einstellungsfragebogen130 in Betracht. Auch eine öffentliche Äußerung des Arbeitgebers kann ein Indiz für eine unmittelbare Diskriminierung sein.131 Eine Kündigung wegen häufiger Krankheit ist kein Indiz für eine Diskriminierung

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Rz. 25; v. 26.6.2014, NJOZ 2015, 1065, Rz. 39 mwN; v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10, NZA 2012, 34; v. 22.7.2010 – 8 AZR 1012/08, NZA 2011, 93, 98 f.; BK, § 22 AGG Rz. 4. Für das Vorliegen der Tatsachen, die das Indiz begründen, gilt der Strengbeweis. BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 112/03, NZA 2004, 540, 543. Eine Stellenausschreibung mit den Anforderungen „flexibel und belastbar“ stellt für sich genommen aber noch kein Indiz für eine Benachteiligung behinderter Bewerber dar ,BAG v. 19.2.2008, NZA 2009, 148, 1499. Zur Frage der Altersdiskriminierung bei Stellenausschreibungen vgl. Rz. 39. Mit nF ist die ab 1.1.2018 geltende Fassung des SGB IX gekennzeichnet. BAG v. 13.10.2011, AP AGG § 15 Nr. 9 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2011, 561; v. 12.9.2006 – 9 AZR 807/05, NZA 2007, 507. Zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung BAG v. 22.8.2013 – 8 AZR 574/12; v. 17.8.2010, NZA 2011, 153, 156. Unerheblich soll dabei sein, ob der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers hatte, BAG v. 13.10.2011, EzA § 15 AGG Nr. 16. Ausführlicher s. Kap. 16 Rz. 3. Eine Diskriminierung wegen der Behinderung liegt hingegen dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber vor der Kündigung eines Schwerbehinderten kein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX/167 Abs. 1 SGB IX nF durchführt, BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2016, 274. Abweichendes hat jedoch dann zu gelten, wenn der Bewerber für die Stelle offensichtlich ungeeignet ist oder überqualifiziert ist, § 82 Satz 3 SGB IX/§ 165 Satz 3 SGB IX nF. Zu dieser Thematik auch BAG v. 20.1.2016 – 8 AZR 194/14, NZA 2016, 681 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 321; v. 11.8.2016 – 8 AZR 375/15, BB 2017, 250 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2016, 433. Ein Entschädigungsanspruch besteht zudem dann nicht, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der benachteiligenden Maßnahme die Schwerbehinderung des Bewerbers nicht bekannt war und auch nicht hätte bekannt sein müssen, BAG v. 22.10.2015 – 8 AZR 384/14, NZA 2016, 625, Rz. 30. BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11; evtl. auch das Unterlassen jeder Auskunft, EuGH v. 19.4.2012, NZA 2012, 493 – Meister. Vgl. dazu Gola, NZA 2013, 360. LAG BW v. 3.11.2014, NZA-RR 2015, 163. Dazu Kap. 1 Rz. 3 ff., 10 ff. EuGH v. 25.4.2013 – Rs. C-81/12; v. 10.7.2008 – Rs. C-54/07, NZA 2008, 929; BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797; krit. Lingemann/Weingarth, DB 2012, 2325.

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wegen Behinderung.132 Statistische Daten können grundsätzlich Indizien für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung sein. Eine Vermutung für ein diskriminierendes Verhalten des Arbeitgebers kann sich aus statistischen Daten aber nur dann ergeben, wenn sie sich konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen und im Hinblick auf dessen Verhalten aussagekräftig sind.133 Allein das Verhältnis zwischen dem Frauenanteil der Gesamtbelegschaft und dem in oberen Führungspositionen lässt einen Rückschluss auf die Ungleichbehandlung von Frauen beim beruflichen Aufstieg in bestimmte Hierarchieebenen eines Unternehmens nicht zu.134 Die bloße Unterrepräsentation einer Gruppe von Beschäftigten ist nicht zwingend ein Indiz für eine diskriminierende Personalpolitik.135 e) Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrecht Die Beschäftigten haben gemäß § 13 AGG das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebes, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt fühlen (Beschwerderecht).136

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Bei einer Belästigung am Arbeitsplatz kann der Beschäftigte, wenn der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz ergreift, die Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgeltes einstellen, § 14 AGG (Leistungsverweigerungsrecht).

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f) Rechtsfolgen Gemäß § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, unwirksam. Das führt im Regelfall zu einer „Anpassung nach oben“.137 Der EuGH hat diesen Grundsatz allerdings aufgeweicht und hält eine

132 Krankheit ist grundsätzlich aber keine Behinderung, EuGH v. 11.7.2006 – Rs. C-13/05 – Chacón Navas, NZA 2006, 839, Rz. 44; BAG v. 20.6.2013, NZA-RR 2013, 662, Rz. 45. Allerdings kann eine Einschränkungen mit sich bringende Krankheit einer Behinderung gleichzustellen sein, EuGH v. 11.4.2013, NZA 2013, 553. Adipositas kann hingegen eine Behinderung sein, wenn sie unter bestimmten Umständen eine Einschränkung mit sich bringt, die den Arbeitnehmer an der gleichberechtigten Teilhabe am Berufsleben hindern EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-354/13, NZA 2015, 33; eine symptomlose HIV-Infektion ist eine Behinderung, BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372. 133 BAG v. 18.9.2014 – 8 AZR 753/13, BB 2015, 506, Rz. 38, 44; dazu auch Bauer/Krieger, NZA 2016, 1041, 1042. 134 BAG v. 22.7.2010 – 8 AZR 1012/08, NZA 2011, 93. 135 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 364/11. 136 Dem zuständigen Betriebsrat steht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Ausgestaltung eines Beschwerdeverfahrens zu. Dieses umfasst jedoch nicht die organisatorischen Entscheidungen hinsichtlich des Ortes und der personellen Besetzung der Beschwerdestelle (BAG v. 21.7.2009, NZA 2009, 1045). Zur Erforderlichkeit von Betriebsratsschulungen im Zusammenhang mit dem AGG vgl. LAG Hessen v. 25.10.2007, AuA 2008, 442, speziell zum Mobbing BAG v. 14.1.2015 – 7 ABR 95/12, NZA 2015, 632. Der Arbeitgeber hat Beschwerden auch dann nachzugehen, wenn diese anonym erfolgt sind, dazu Zimmermann, AuR 2016, 226. 137 BAG v. 10.11.2011, NZA-RR 2012, 100 in Umsetzung der Entscheidung des EuGH v. 28.1.2015 – Rs. C-417/13 – Starjakob, NZA 2015, 217; v. 8.9.2011, NZA 2011, 1100 – Hennigs; speziell zu kollektivrechtlichen Vereinbarungen Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666 ff.; allgemein Bauer/Krieger, NZA 2016, 1041, 1045.

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„Anpassung nach oben“ nicht für europarechtlich zwingend.138 Da das AGG keine Übergangsregelungen enthält, ist es seit dem 18.8.2006 auf die bestehenden individual- und kollektivrechtlichen Regelungen anwendbar. Für das Unternehmen geltende Arbeitsverträge139 und Kollektivvereinbarungen140 sollten auf unzulässige Benachteiligungen hin überprüft werden. 46

§ 15 Abs. 6 AGG stellt klar, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg begründet. Insoweit entsteht also kein Kontrahierungszwang für den Arbeitgeber.141

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Gemäß § 15 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, dem Beschäftigten den durch einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entstandenen Schaden zu ersetzen. § 15 Abs. 1 AGG betrifft nur den Ersatz des materiellen Schadens. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zu vertreten hat.

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Gemäß § 15 Abs. 2 AGG besteht zudem ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist.142 Dieser Anspruch ist im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch (Rz. 47) nicht von einem Verschulden des Arbeitgebers abhängig.143 Eine Obergrenze für die Entschädigung regelt das AGG nicht.144 Nach § 15 Abs. 2 AGG ist die Entschädigung nur dann auf drei Monatsgehälter begrenzt, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Enthält eine Stellenausschreibung den Hinweis, dass Mitarbeiter eines bestimmten Alters gesucht werden, so scheitert der Anspruch eines nicht eingestellten älteren Bewerbers auf eine Entschädigung nicht allein daran, dass der Arbeitgeber keinen anderen neuen Mitarbeiter eingestellt hat145 (s. die Entschädigungsklage M 1.10).

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Schadensersatz und Entschädigung müssen gemäß § 15 Abs. 4 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden,146 sofern tarifvertraglich nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Zweimonatsfrist gilt auch für deliktische Ansprüche, die auf den gleichen Lebenssachverhalt wie § 15 Abs. 4 AGG gestützt werden.147 Die Frist beginnt gemäß § 15 Abs. 4 AGG im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der (auch konkludenten) Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.148 Für 138 EuGH v. 19.6.2014, NZA 2014, 606, wonach es gerechtfertigt ist, wenn sich die Überleitung und Eingruppierung in ein neues tarifliches Vergütungssystem sich nach der ursprünglichen Eingruppierung in das unwirksame Vergütungssystem richtet und die Benachteiligung so perpetuiert wird; Lingemann, NZA 2014, 827. 139 Lingemann/Müller, BB 2007, 2006. 140 Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663. 141 Zum Kontrahierungszwang im zivilrechtlichen Teil des AGG vgl. ua. Thüsing/von Hoff, NJW 2007, 21, sowie Armbrüster, NJW 2007, 1494. 142 Vgl. ausf. Walker, NZA 2009, 5. 143 BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 838/12, NZA 2014, 722. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Strafschadensersatzvorschrift hat der EuGH hingegen abgelehnt, EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-407/14 – Auxiliadora Arjona Camacho, NZA 2016, 471 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 214. 144 Für eine Obergrenze BK, § 15 AGG Rz. 27 ff.; PWW/Lingemann, § 15 AGG Rz. 5. 145 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 285/11, NZA 2013, 37. 146 Die Frist ist europarechtskonform, vgl. EuGH v. 8.7.2010, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 – Bulicke; BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NZA 2012, 1211; v. 15.3.2012, ArbRAktuell 2012, 167. Eine Bezifferung des Anspruchs ist hingegen nicht erforderlich, wenn die Forderung hinreichend spezifiziert wurde, BAG v. 18.2.2016 – 6 AZR 628/14, NZA-RR 2016, 330 m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2016, 240. 147 BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 188/11, NJW 2013, 555. 148 BAG v. 15.3.2012 – 8 AZR 37/11, NZA 2012, 910. Die Unkenntnis der Rechtslage hat auf den Beginn der Ausschlussfrist keinen Einfluss, BAG v. 18.2.2016 – 6 AZR 628/14, NZA-RR 2016, 330.

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die Wahrung der Frist genügt der rechtzeitige Eingang der Klage bei Gericht, wenn die Klage „demnächst“ zugestellt wird (vgl. § 167 ZPO).149 Ab Geltendmachung läuft zudem für alle Ansprüche wegen verbotener Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG150 gemäß § 61b ArbGG die weitere Frist von drei Monaten für die Klageerhebung. Bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen ist der Arbeitgeber gemäß § 15 Abs. 3 AGG nur zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.151 Dieses Haftungsprivileg gilt wohl auch gegenüber Ansprüchen auf Schadensersatz152 – die höhere Richtigkeitsgewähr kollektiver Regelungen gilt hier gleichermaßen. Es kann insoweit für den Arbeitgeber von erheblichem Vorteil sein, wenn er zB Einstellungsfragebögen eine entsprechende Betriebsvereinbarung zugrunde legt.153

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g) Folgen für die betriebliche Praxis Um eine Benachteiligung und entsprechende Ansprüche zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber die weisungsbefugten Beschäftigten sowie Mitarbeiter der Personalabteilungen über das AGG informieren und schulen. Im Anschluss daran sollten alle anderen Beschäftigten geschult und ihre Teilnahme dokumentiert werden.

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Weiterhin sollte das gesamte Bewerbungsverfahren auf eventuelle Benachteiligungen untersucht werden. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass Stellenanzeigen benachteiligungsfreie Anforderungsprofile enthalten und die Bewerberauslese sorgfältig dokumentiert wird, um später nachweisen zu können, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG vorlag.154

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h) Folgen für die Vertragsgestaltung Zum AGG sind noch viele Rechtsfragen offen. Bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen und kollektiven Regelungen ist insbesondere auf Folgendes zu achten (in alphabetischer Reihenfolge nach Kernbegriff):155 – Vorsicht ist bei der Vereinbarung von Abfindungsregelungen geboten. Oft werden im Rahmen solcher Regelungen Mindestaltersgrenzen vorgegeben und die Abfindungshöhe in Abhängigkeit vom Alter berechnet. Für den Arbeitgeber besteht das Risiko, dass diese Regelungen unwirksam sind und Mitarbeiter unabhängig vom Alter den vollen Abfindungsanspruch erwerben.156 Entsprechende Regelungen müssen daher künftig mehr als bis149 150 151 152 153 154

BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924. BK, § 15 AGG Rz. 57. Einzelheiten bei Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666 ff. Vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 38. Vgl. Kap. 1 Rz. 13, 17 ff. sowie Erläuterungen zu M 1.3.1 und M 1.3.2. Der abgelehnte Bewerber hat keinen Anspruch auf Auskunft darüber, ob der Arbeitgeber einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist, EuGH v. 19.4.2012, NZA 2012, 493 – Meister; BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 287/08. Eine unterlassene Auskunft kann aber ein Indiz für eine Benachteiligung gemäß § 22 AGG sein, vgl. Rz. 42. Ausführlich zu diskriminierungsrechtlichen Problemen bei Stellenausschreibungen siehe Kap. 1 Rz. 6. 155 Einzelheiten bei Lingemann/Müller, BB 2007, 2006 ff. 156 Eine nationale Regelung, die dem Arbeitnehmer eine Entlassungsentschädigung versagt, wenn er vorzeitig eine Rente wegen des Alters beziehen kann, stellt einen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung dar. Die nationale Norm muss auch in Privatrechtsstreitigkeiten unangewendet bleiben, EuGH v. 19.4.2016 – Rs. C-441/14 – Rasmussen, NZA 2016, 537, Rz. 27 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2016, 305.

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her der tatsächlichen Lage am Arbeitsmarkt Rechnung tragen.157 Für Sozialpläne sieht § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG158 ausdrücklich die Möglichkeit einer nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelten Abfindungsregelung vor. Die bisher übliche Staffelung der Sozialplanabfindung nach Alter ist daher weiter zulässig.159 Auch die lineare Steigerung nach Betriebszugehörigkeit oder Alter ist zulässig,160 ebenso die lineare Steigerung nach Alter und Betriebszugehörigkeit (reine Divisorformel: Alter × Betriebszugehörigkeit × Bruttomonatsgehalt / Divisor).161 Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG kann auch weiterhin eine Verringerung der Abfindungshöhe bei der Inanspruchnahmemöglichkeit vorzeitiger Altersrente vereinbart werden.162 Die Verringerung der Rente wegen der Möglichkeit des Bezugs einer vorzeitigen Rente wegen Schwerbehinderung ist aber eine unzulässige Diskriminierung Behinderter.163 – Weiterhin zulässig ist die Vereinbarung von Altersgrenzen auf den Bezug von Regelaltersrente im Arbeitsvertrag, § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG.164 Der EuGH hat eine tarifvertragliche Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr gebilligt, sofern die Regelung objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, das in Beziehung zur Beschäftigungspolitik und zum Arbeitsmarkt steht, gerechtfertigt ist und die Mittel, die zur Erreichung dieses im Allgemeininteresse liegenden Ziels eingesetzt werden, nicht als dafür unangemessen und nicht erforderlich erscheinen,165 wobei der EuGH den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich einen weiten Ermessensspielraum zu157 Einzelheiten bei BK, § 10 AGG Rz. 51 ff.; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 16 ff.; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2587; Annuß, BB 2006, 1629, 1634; zu kollektiven Regelungen Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664; zu Arbeits- und Aufhebungsverträgen Lingemann/Müller, BB 2007, 2006, 2008. 158 Zur Gemeinschaftsrechtskonformität der Vorschrift vgl. BAG v. 26.5.2009 – 1 AZR 198/08, NZA 2009, 849, 852. 159 BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 764/09, NZA 2011, 988; v. 26.5.2009 – 1 AZR 198/08, NZA 2009, 849. 160 BAG v. 26.5.2009 – 1 AZR 198/08, NZA 2009, 849. 161 BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 764/09, NZA 2011, 988; BK, § 10 AGG Rz. 45l; krit. Lingemann/Gotham, NZA 2007, 664. 162 So nun auch EuGH v. 26.2.2015 – Rs. C-515/13 – Landin, NZA 2015, 473; BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 102/13, NZA 2015, 365, Rz. 29 m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2015, 127 lässt sogar den Ausschluss von Arbeitnehmern von Sozialplanleistungen zu, wenn diese nach dem Bezug von ALG I direkt Altersrente in Anspruch nehmen können. Zu dieser Thematik auch Krieger/Arnold, NZA 2008, 1153. Die diesbezüglichen Stichtagsregelungen sind im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen, wenn sich die Grenzziehung am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist (BAG v. 9.12.2014, NZA 2015, 365, Rz. 29; v. 26.5.2009 – 1 AZR 198/08, NZA 2009, 849, 855; v. 11.11.2008 – 1 AZR 475/07, NZA 2009, 210, 213; v. 30.9.2008 – 1 AZR 684/07, NZA 2009, 386, 390). 163 EuGH v. 6.12.2012 – Rs. C-152/11 – Odar, NZA 2012, 1435. Eine Diskriminierung wegen der Behinderung liegt zudem vor, wenn Schwerbehinderte lediglich eine Abfindungspauschale erhalten, wohingegen den übrigen Arbeitnehmer eine individuelle Abfindung gewährt wird, BAG v. 17.11.2015 – 1 AZR 938/13, NZA 2016, 501 Rz. 14 ff. m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 579. 164 Diese Grenze ist jedoch nach der Anhebung der Regelaltersrente dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Vollendung des für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen Lebensalters enden soll, BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, DB 2016, 961; anders noch BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916. Zur Vereinbarung in Individualarbeitsverträgen vgl. Lingemann/ Gotham, NZA 2007, 663, 666; Lingemann/Müller, BB 2007, 2006. Eine dynamische Auslegung ist auch bei Betriebsvereinbarungen geboten, BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, NZA 2016, 54. Zu kollektivrechtlichen Regelungen vgl. auch PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 15. 165 EuGH v. 16.10.2007 – Rs. C-411/05, NJW 2007, 3339 – Felix Palacios de La Villa gegen Cortefiel Servicios SA; nicht akzeptiert hat der EuGH eine Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten (EuGH v. 13.9.2011 – Rs. C-447/09 – Prigge, NZA 2011, 1039), da nicht bewiesen sei, dass in dem Alter die erforderlichen körperlichen Fähigkeiten nicht mehr vorlägen. Zur Rechtfertigung von Altersgrenzen auch Bauer/v. Medem, NZA 2012, 945; Brors, RdA 2012, 346.

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gebilligt hat. Zu bejahen ist die Zulässigkeit von Altersgrenzen auch, wenn sich der Zweck der Beschäftigungsförderung nicht aus konkreten Regelungen ergibt und wenn sie nur individualvertraglich geregelt sind. Ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung liegt auch dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich ein Angebot dahingehend macht, dass das Arbeitsverhältnis bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres enden solle.166 Bei der Altersteilzeit ist die Regelung, dass das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet, sobald der Arbeitnehmer eine abschlagsfreie Rente wegen Alters in Anspruch nehmen kann, unmittelbar diskriminierend, wenn sie dazu führt, dass die Freistellungsphase eines schwerbehinderten Arbeitnehmers erheblich kürzer ist als die Arbeitsphase (verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung). Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit nicht behinderten Arbeitnehmern.167 Eine Diskriminierung wegen der Religion könnte in solchen Regelungen gesehen werden, die bestimmten Bekleidungs- oder Feiertagsregelungen entgegengehalten werden. Das Tragen eines Kopftuches kann der Arbeitgeber untersagen, wenn weltanschauliche Zeichen im Unternehmen generell verboten sind und es gute Gründe gibt.168 Ebenso können Bekleidungsvorschriften eine Diskriminierung wegen des Geschlechts sein.169 Regelungen, nach denen Elternzeit bei Entgeltbestandteilen, die auf das aktive Arbeitsverhältnis abstellen, anspruchsmindernd berücksichtigt wird, stellen keine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Arbeitnehmer, die aufgrund der Elternzeit freigestellt sind, sind schon nicht mit regulär tätig werdenden Arbeitnehmern vergleichbar sind, da sie während der Zeit der Freistellung keine Berufserfahrung sammeln.170 Die Staffelung der Kündigungsfristen nach dem Dienstalter ist keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Zur Erreichung des Ziels, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren, ist die gesetzliche Regelung angemessen und erforderlich.171 Unkündbarkeitsregelungen sind mit dem AGG nicht vereinbar, soweit sie ausschließlich auf das Alter abstellen. Zulässig dürften jedoch Regelungen sein, die in angemessenem Verhältnis sowohl das Alter als auch die Betriebszugehörigkeit berücksichtigen.172

166 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 677/14, juris, Rz. 35 zum Konzept „60+ für Führungskräfte“. 167 BAG v. 12.11.2013, NZA 2014, 632. 168 EuGH v. 14.3.2017 – Rs. C-157/15, C-188/15 – Bougnaoui, ADDH; Nach BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407, Rz. 36 m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2015, 13 können kirchliche Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuchs während der Arbeitszeit untersagen. BVerfG v. 27.1.2015, NJW 2015, 1359 zum religiösen Bekundungsverbot im Schuldienst. Danach ist ein pauschales Kopftuchverbot allerdings nicht zulässig. Zur Anweisung zum Verdecken religiöser Symbole EGMR v. 15.1.2013, ECHR 012 (2013). 169 Die Ausgestaltung der Dienstkleidung für verschiedene Personengruppen unterliegt dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Unterschiedliche Tragepflichten verstoßen gegen § 7 Abs. 1 AGG und sind nur gerechtfertigt, wenn für diese ein sachlicher Grund besteht, BAG v. 30.9.2014 – 1 AZR 1083/12, NZA 2015, 121. 170 BAG v. 21.11.2013 – 6 AZR 89/12, NZA 2014, 672. 171 BAG v. 18.9.2014 – 6 AZR 636/13, NZA 2014, 1400. 172 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, NZA 2014, 208. Danach verstoßen tarifliche Regelungen, die für ältere Arbeitnehmer ein Verbot der ordentlichen Kündigung enthalten, grundsätzlich nicht gegen das Diskriminierungsverbot. Eine Ausnahme ist nur im Falle von betriebsbedingten Kündigungen zu machen, wenn der Ausschluss älterer Arbeitnehmer zu einer grob fehlerhaften Sozialauswahl führen würde. Dazu auch Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 665 Lingemann/Müller, BB 2007, 2006 zu Arbeitsverträgen.

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– Gewährt der Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern mehr Urlaubstage als jüngeren Arbeitnehmern, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zum Schutz der älteren Arbeitnehmer nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt sein. Die Rechtsprechung hält die Annahme des Erfahrungssatzes, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, für unbedenklich.173 – Bei Vergütungsregelungen war früher die Vereinbarung von Altersstufen durchaus üblich. Derartige Altersentgeltregelungen stellen jedoch eine nicht durch § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG gerechtfertigte Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer dar,174 so dass stattdessen eine Anbindung der Vergütung an das Dienstalter vorgenommen werden sollte.175 Ebenfalls eine Diskriminierung wegen des Alters liegt grundsätzlich dann vor, wenn bei der Berechnung von Entgeltbestandteilen, die auf der Erreichung bestimmter Dienstzeiten basieren, Beschäftigungszeiten vor dem 18. Lebensjahr nicht berücksichtigt werden.176 Gleiches gilt für tarifliche Regelungen, die den Erhalt einer Übergangsversorgung an einen bestimmten Stichtag koppeln.177 – Auch zusätzliche Vergütungs- oder Abfindungsleistungen speziell für verheiratete Mitarbeiter, könnten mittelbar eine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung darstellen. UE ist das nicht der Fall.178 Wie bei den Mindestaltersregelungen für Abfindungen bestünde indes nach aA auch hier die Gefahr, dass die Regelung unwirksam ist und alle Mitarbeiter einen Anspruch auf die zusätzlichen Vergütungsbestandteile haben. Mit Beschluss v. 20.9.2007179 hat das BVerfG mangels Verstoßes gegen den Allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine Verfassungsbeschwerde gegen die Gewährung eines Verheiratetenzuschlags nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG nicht zur Entscheidung angenommen und die Auffassung des BVerwG, es liege auch kein Verstoß gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG vor, ausdrücklich als vertretbar bezeichnet. Mittlerweile gibt es aber eine recht starke Tendenz gegen die Beschränkung zusätzlicher Leistungen auf verheiratete Mitarbeiter. So haben eingetragene Lebenspartner in vergleichbarer Situation gleichermaßen wie Ehegatten Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung.180 Gleiches gilt für einen Auslandszuschlag nach dem TVöD.181 173 BAG v. 21.10.2014 – 9 AZR 956/12, NZA 2015, 297. Eine tarifliche Regelung, wonach Mitarbeitern, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein um mindestens drei Tage kürzerer Urlaub zu gewähren ist als älteren Arbeitnehmern, ist jedoch unzulässig, BAG v. 12.4.2016 – 9 AZR 659/14, NZA-RR 2016, 438 m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2016, 310. 174 Vgl. EuGH v. 8.9.2011, NZA 2011, 1100 – Hennings und Mai; BAG v. 10.11.2011, NZA-RR 2012, 100; LAG Hessen v. 22.4.2009, NZA 2009, 799, 802; LAG Berlin-Brandenburg v. 11.9.2008, NZA-RR 2009, 378, 381. Eine Diskriminierung wegen des Alters liegt auch dann vor, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach dem Lebensalter gestaffelt wird, ohne dass das bisherige Entgelt reduziert wird, BAG v. 22.10.2015 – 8 AZR 168/14, NZA 2016, 1081, Rz. 17 ff. m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2016, 221. 175 BAG v. 8.12.2011 – 6 AZR 319/09, NZA 2012, 275; BK, § 10 AGG Rz. 30; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666 zu kollektiven Regelungen; Lingemann/Müller, BB 2007, 2006, 2007 zu Arbeitsverträgen; Löwisch, DB 2006, 1729, 1730; vgl. auch EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-17/05 – Cadman, DB 2006, 2350. 176 EuGH v. 28.1.2015 – Rs. C-417/13 – Starjakob, NZA 2015, 217. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist im Bereich der Beamtenversorgung zu machen, EuGH v. 16.6.2016 – Rs. C-159/15 – Lesar, NZA 2016, 879. 177 Diese Regelung stellt eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar, BAG v. 9.12.2015 – 4 AZR 684/12, NZA 2016, 897 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2016, 355. 178 Ebenso: BK, Einleitung AGG Rz. 27; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 354; aA Däubler/Bertzbach/Mahlmann, § 24 AGG Rz. 50; wohl auch Wisskirchen, AGG, S. 38. Eine solche Differenzierung hält jedenfalls für zulässig auch BGH v. 14.2.2007, BGH Report 2007, 602. 179 BVerfG v. 20.9.2007 – 2 BvR 855/06, NJW 2008, 209. 180 EuGH v. 1.4.2008 – Rs. C-267/06 – Maruko, NZA 2008, 459; BAG v. 14.1.2009, NZA 2009, 489; auch BVerfG v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07, DB 2009, 2441. 181 BAG v. 18.3.2010, NZA-RR 2010, 664.

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Rz. 54 Kap. 13

– Eine Diskriminierung wegen des Alters ist aber die Bestimmung in einer Versorgungsordnung, nach der ein Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer bei Erfüllung der nach der Versorgungsordnung vorgesehenen zehnjährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr vollendet hat.182 Unbedenklich ist dagegen die Begrenzung der Gesamtversorgung auf einen Höchstsatz, wenn diese Grenze nicht an das Lebensalter anknüpft.183 Eine Versorgungsordnung kann zulässigerweise vorsehen, dass bei der Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der üblichen „festen Altersgrenze“ ein Abschlag vorzunehmen ist. Darin liegt keine Diskriminierung von Schwerbehinderten.184 Hingegen ist eine tarifliche Regelung, die für die Anrechnung von Einkommenserhöhungen auf eine tariflich gewährte Einkommenssicherungszulage nach dem Lebensalter differenziert, unzulässig.185 i) Missbräuchliche Klagen Bereits vor Inkrafttreten des AGG hatten die Arbeitsgerichte mit missbräuchlichen Entschädigungsklagen zu kämpfen.186 So bewarben sich beispielsweise Männer gezielt auf Stellen, die entgegen § 611a BGB ausschließlich für Frauen ausgeschrieben waren. Dabei ging es ihnen nicht um die Einstellung, sondern lediglich darum, eine Entschädigung zu erhalten. Diese professionellen Kläger versuchen auch weiterhin, nun unter dem Regime des § 15 Abs. 2 AGG, Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Wie schon im Rahmen des § 611a BGB aF stehen derartige Ansprüche jedoch nur subjektiv ernsthaften Stellenbewerbern offen, die auch objektiv für die zu besetzende Stelle geeignet sind.187 „AGG-Hopper“, die sich nur zum Schein auf eine Stellenausschreibung bewerben, kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegengehalten werden.188 So kann aus Indizien im Zusammenhang mit der Bewerbung geschlossen werden, dass eine ernsthafte Bewerbung nicht gewollt war.189 Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Bewerber zu als wesentlich erkennbaren Einstellungsvoraussetzungen keine Angaben macht190, ein Bewerbungsschreiben weitgehend aus Textbausteinen zusammenfügt, ohne aussagekräftige Ausführungen zum Interesse an der ausgeschriebenen

182 BAG v. 18.3.2014 – 3 AZR 69/12, NZA 2014, 606. Allgemein zu dieser Thematik Ahrendt, RdA 2016, 129 ff. 183 BAG v. 18.2.2014 – 3 AZR 833/12, NZA 2014, 1217, 1222, Rz. 41. 184 BAG v. 13.10.2016 – 3 AZR 439/15. 185 Für die Vergangenheit kann nach Auffassung des BAG die Beseitigung der Diskriminierung nur durch die Leistung einer unverringerten persönlichen Zulage erfolgen. Eine Differenzierung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit ist hingegen nicht zu beanstanden, BAG v. 18.2.2016 – 6 AZR 700/14, NZA 2016, 709 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 113. 186 Eine Sammlung von Gerichtsurteilen und Materialien zum Themenkreis findet sich im Internet unter www.agg-hopping.de. 187 BVerfG v. 23.12.2013 – 1 BvR 512/11; v. 23.8.2012 – 8 AZR 285/11, NZA 2013, 37; v. 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, AP Nr. 9 zu § 15 AGG; LAG Düsseldorf v. 13.8.2014 – 4 Sa 402/14; LAG Hamburg v. 19.3.2014, NZA-RR 2014, 346; LAG Schl.-Holst. v. 9.12.2008 – 5 Sa 286/08; LAG Hamburg v. 29.10.2008 – 3 Sa 15/08. Zu § 611a BGB aF vgl. BAG v. 12.11.1998, AP Nr. 16 zu § 611a BGB; LAG Berlin v. 30.3.2006 – 10 Sa 2395/05, NZA-RR 2006, 513; zur Darlegung der objektiven Ungeeignetheit des Bewerbers können auch Kriterien herangezogen werden zu denen der Bewerber in seiner Bewerbung schreibt, BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 997/12, NZA 2014, 489, Rz. 35. 188 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 285/11, NZA 2013, 37, Rz. 18. 189 Zum Indizwert von sog. Testing-Verfahren, bei denen der Bewerber eine eigene und eine fiktive Bewerbung einreicht, die sich von der eigenen durch das Vorliegen eines Merkmals nach § 1 AGG unterscheidet vgl. Krieger/Günther, NZA 2015, 262; sowie LAG Schleswig-Holstein v. 9.4.2014 – 3 Sa 401/13. 190 LAG Berlin v. 30.3.2006 – 10 Sa 2395/05, NZA-RR 2006, 513, 514.

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Kap. 13 Rz. 55

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Stelle und dem bisherigen beruflichen Werdegang zu machen,191 sich ausschließlich auf altersdiskriminierende Stellenanzeige bewirbt192, erkennbar wenig Mühe in die Bewerbung investiert193 oder in den Unterlagen abstruse und für die Bewerbung schädliche Thesen vertritt.194 Hierfür ist jedoch der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.195 Allerdings hat das BAG dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, der sich ohne Absicht der Einstellung, sondern nur um eine Entschädigung zu erhalten, bei einem Arbeitgeber bewirbt, und ggf. ob eine solche Bewerbung rechtsmissbräuchlich ist.196 Der EuGH hat die Vorlagefrage dahingehend entschieden, dass der Geltungsbereich der RL 2000/78/EG und 2006/54/EG nicht eröffnet sei, wenn es jemandem nur darum geht, Entschädigungen zu erhalten. Dem Entschädigungsanspruch stehe in diesem Fall der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.197 4. Mobbing 55

„Mobbing“ ist kein eigenständiger juristischer Tatbestand,198 sondern schlicht die Beschreibung eines in der Praxis nicht selten vorkommenden Phänomens. Mobbing lässt sich beschreiben als fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen am Arbeitsplatz gegenüber einzelnen Mitarbeitern zur Erreichung von Zielen, die von der Rechtsordnung nicht gedeckt sind und die jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen.199 Zum Wesen des Mobbing gehört, dass es nicht um im Einzelnen isolierbare Vorfälle geht, die meist für sich allein keine Anspruchs-, Gestaltungs- oder Abwehrrechte auslösen, sondern um eine Gesamtheit von aneinander gereihten Maßnahmen über einen langen Zeitraum hinweg, die erst in dieser Gesamtheit die Fülle dessen überschreiten, was am Arbeitsplatz tolerierbar ist.200 Erforderlich ist also ein „übergreifendes systematisches Vor191 LAG Hamburg v. 12.1.2008 – 3 Ta 26/08. Zu möglichen weiteren Indizien vgl. Bissels/Lützeler, BB 2009, 833, 834; Diller, BB 2006, 1968; PWW/Lingemann, § 3 AGG Rz. 8; zum AGG-Hopping durch Schwerbehinderte s. Diller, NZA 2007, 1321. 192 Wobei dies allein nicht als Indiz der fehlenden subjektiven Ernsthaftigkeit ausreicht, LAG Hamm v. 25.7.2014 – 10 Sa 503/14, n.rkr.; LAG Hamburg v. 19.2.2014, NZA-RR 2014, 343. 193 LAG Hamm v. 25.7.2014 – 10 Sa 503/14; vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg v. 31.10.2013 – 21 Sa 1380/13, n.rkr. 194 LAG BW v. 13.8.2007, FA 2007, 313. 195 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 285/11, NZA 2013, 37; 13.10.2011 – 8 AZR 608/10, AP Nr. 9 zu § 15 AGG. 196 BAG v. 18.6.2015, ArbRAktuell 2015, 303 m. Anm. Bauer. Ausführlich zu dieser Thematik auch Horcher, NZA 2015, 1047; Schmidt, ZESAR 2015, 427; Stöhr, EWiR 2015, 555. 197 EuGH v. 28.7.2016 – Rs. C-423/15 – Kratzer, NZA 2016, 1014, Rz. 36 ff. m. Anm. Baeck/Winzer/ Hies, NZG 2016, 1218; Lingemann, ArbRAktuell 2016, 374. Vgl. zu dieser Thematik auch Bauer/ Krieger, NZA 2016, 1041; Krieger, EuZW 2016, 696; Rolfs, NZA 2016, 586. 198 Vgl. BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 557/06, DB 2007, 1420: Der Begriff ist so unbestimmt, dass er nicht Gegenstand eines gerichtlichen Feststellungsantrags sein kann; Jansen/Hartmann, NJW 2012, 1540, 1541. 199 BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 838/13, NZA 2015, 808, Rz. 14; v. 28.10.2010, NZA-RR 2011, 378; v. 24.4.2008 – 8 AZR 347/07, NJW 2009, 251. 200 Wo diese Grenze liegt, lässt sich nicht allgemein bestimmen. So hat das LAG Nürnberg aber festgestellt, dass der Arbeitgeber davon ausgehen könne, dass ein Arbeitnehmer ein gewisses Maß an deutlicher Kritik verträgt, solange er ihm nicht deutlich macht, dass er solche Kritik als Angriff auf seine Ehre oder Persönlichkeit empfindet, LAG Nürnberg v. 5.9.2006, LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 13.

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Rz. 56 Kap. 13

gehen“.201 An dieser für das Mobbing typischen, verschiedene einzelne Handlungen zusammenfassenden Systematik kann es fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinander folgen, kritisiert oder schlecht beurteilt wird.202 Mobbing zeichnet sich dadurch aus, dass die unerwünschten Verhaltensweisen bezwecken, die Würde des Arbeitnehmers zu verletzen und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen. Die Mobbinghandlungen müssen demnach zumindest der Definition des Begriffs der Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG entsprechen.203 Zudem bedarf es in jedem Fall einer Täter-Opfer-Konstellation, so dass Fälle gegenseitigen Anfeindens oder wechselseitiger Eskalation ausscheiden. Eine solche fehlt aber nicht bereits dann, wenn vereinzelte affekthaft begangene sozialinadäquate Verhaltensweisen des Mobbing-Opfers vorliegen, welche auf Provokationen des Mobbing-Täters beruhen.204 Mobbing wirft schwierige Rechtsfragen auf. Dies gilt einerseits hinsichtlich der wechselseitigen Darlegungs- und Beweislast, welche nach der wohl überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung den allgemeinen Grundsätzen folgt,205 und der Verantwortung des Arbeitgebers für das Handeln einzelner Mitarbeiter gegenüber dem Geschädigten. In der Rechtsprechung wird angenommen, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Arbeitnehmer auch vor Gefahren psychischer Art schützen muss. Der Arbeitnehmer hat danach einen Anspruch auf Schutz vor systematischen Anfeindungen und vor schikanösem Verhalten durch Kollegen oder Vorgesetzte.206 Dem Arbeitnehmer stehen weiterhin vor allem Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche (§§ 823, 831, 280, 628 Abs. 2 BGB) zu. Hierbei kommt gemäß § 253 Abs. 2 BGB auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Betracht, wobei dessen Höhe nach Ausmaß des Verschuldens, Art und Intensität der Beeinträchtigung zu beurteilen ist.207 Erforderlich für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber ist aber immer ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers oder ihm zurechenbarer Mitarbeiter. Jedenfalls soweit es sich um Mitarbeiter in Leitungsfunktionen handelt, wird deren Verschulden über § 278 BGB dem Arbeitgeber zugerechnet.208 Dieses Verschulden muss sich nicht nur auf die einzelnen Hand201 BAG v. 24.4.2008 – 8 AZR 347/07, NJW 2009, 251; v. 16.5.2007, AP Nr. 5 zu § 611 BGB (Mobbing); vgl. auch LAG Köln v. 9.3.2009 – 5 Sa 1405/08; LAG Rh.-Pf. v. 16.8.2001, NZA-RR 2002, 121; vgl. LAG Bremen v. 17.10.2002, LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 5: neun Vorfälle innerhalb von 3 1/2 Jahren reichen nicht aus. 202 BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 709/06, NZA 2007, 1155. 203 BAG v. 15.9.2016 – 8 AZR 351/15; Anm. Merten, ArbRAktuell 2017, 117; v. 24.4.2008 – 8 AZR 347/ 07, NJW 2009, 251. 204 LAG Thür. v. 28.6.2005, ArbuR 2006, 31. 205 Es ist also trotz der Schwierigkeiten für das Mobbing-Opfer nicht von einer Änderung der Darlegungs- und Beweislast auszugehen, BAG v. 14.11.2013 – 8 AZR 813/12, NZA 2014, 564; v. 16.5.2007 – 8 AZR 709/06, NZA 2007, 1155; LAG Düsseldorf v. 16.3.2013 – 17 Sa 602/12; LAG Köln v. 21.4.2006, PflR 2006, 515. Auch eine Beweiserleichterung ist regelmäßig nicht angebracht, LAG Schl.-Holst. v. 29.3.2002, NZA-RR 2002, 457; aA LAG Thür. v. 14.4.2001, NZA-RR 2001, 347; Wickler, DB 2002, 477. Der Arbeitnehmer muss im Prozess die beanstandeten Verhaltensweisen des Arbeitgebers so konkret darlegen und beweisen, dass in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob der Arbeitgeber sich rechtswidrig und schuldhaft verhalten hat und ob er mit einer Erkrankung des Arbeitnehmers zu rechnen hatte, LAG Berlin v. 15.7.2004 – 16 Sa 2280/03, NZA-RR 2005, 13; eine Verpflichtung zur Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO besteht nicht, BAG v. 14.11.2013, NZA 2014, 564; ausf. zur Beweislast Pauken/Biester, ArbRAktuell 2013, 350. 206 LAG Nds. v. 3.5.2000, AuA 2001, 46; LAG Rh.-Pf. v. 19.2.2004, NZA-RR 2004, 232. 207 In diesem Zusammenhang kann auch eine bereits gezahlte besonders hohe Abfindung Berücksichtigung finden, LAG Köln v. 13.1.2005, NZA-RR 2005, 575. 208 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223, 228.

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lungen beziehen, sondern auch auf die hierdurch verursachte Erkrankung des Mobbing-Opfers.209 Schadensersatzansprüche wegen Mobbings verjähren innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem zum einen der Anspruch entstanden ist In Mobbingfällen ist daher der verjährungsrelevante Zeitpunkt regelmäßig auf den Abschluss der zeitlich letzten vorgetragenen Mobbinghandlung festzusetzen.210 Ansprüche wegen vorsätzlicher Mobbinghandlungen unterliegen nicht einer vertraglichen Ausschlussfrist.211 Das Mobbing-Opfer kann die Entlassung derjenigen Führungskraft, die Mobbing-Handlungen vornimmt, in aller Regel nicht verlangen.212 Die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, an dem es Mobbing-Handlungen nicht mehr ausgesetzt ist, kann es nur dann verlangen, wenn ein solcher Arbeitsplatz im Betrieb vorhanden ist.213 Schließlich ist zu beachten, dass den Arbeitnehmer eine Schadensminderungspflicht trifft, in deren Rahmen auch zu prüfen ist, ob es ihm zumutbar war, sich beim Arbeitgeber über Mobbing-Handlungen zu beschweren und entsprechende Abhilfe zu fordern.214 Wer sich als Arbeitnehmer gemobbt fühlt und kündigt, muss möglicherweise nicht mit einer Sperrzeit rechnen, sofern sein Entschluss, das Arbeitsverhältnis von sich aus zu kündigen, „verständlich und entschuldbar“ ist.215 5. Ersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB 57

§ 628 Abs. 2 BGB bestimmt, dass der Kündigende selbst einen Anspruch auf Ersatz des durch die Vertragsbeendigung entstandenen Schadens hat, wenn seine Kündigung durch ein vertragswidriges Verhalten des anderen Teils veranlasst wurde.216 Schadensersatzansprüche können sich dabei auch gegen Arbeitnehmer richten, die zB zu Unrecht einen Verdacht auf den betroffenen Arbeitnehmer gelenkt und dies nicht unverzüglich richtig gestellt haben.217 § 628 Abs. 2 BGB gilt sowohl für das freie Dienstverhältnis als auch das Arbeitsverhältnis.218 Voraussetzung ist ein Auflösungsverschulden des Arbeitgebers; er muss kausal durch sein vertragswidriges schuldhaftes Verhalten den Anlass für die Vertragsbeendigung gegeben haben.219 Als Auflösungsverschulden kommt auch Mobbing in Betracht.220 Nicht erforderlich ist eine bestimmte Form der Vertragsbeendigung, zB eine fristlose Kündigung, solange nur das Auf-

209 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223, 227; LAG Schl.-Holst. v. 28.3.2006, NZA-RR 2006, 402. 210 BAG v. 11.12.2014 – 8 AZR 838/13, NJW 2015, 2061, Rz. 18, auch zur Frage der Verwirkung des Schmerzengeldanspruchs. 211 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265, Rz. 21 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2013, 575. Anderes gilt für tarifliche Ausschlussklauseln, BAG v. 18.11.2011, NJOZ 2012, 697, Rz. 33 ff. 212 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223, 226. 213 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223, 226 f. In der Entscheidung hat das BAG auf das betreffende Klinikum abgestellt und somit wohl den Betrieb als Maßstab herangezogen. 214 LAG Schl.-Holst. v. 28.3.2006, NZA-RR 2006, 402. Denkbar ist auch der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu möglichen Konfliktlösungen, Wolmerath, ArbRAktuell 2015, 118, 120. 215 BSG v. 21.10.2003, NZS 2004, 382, Rz. 5. 216 Vergleichbare Regelungen enthalten § 89a Abs. 2 HGB für den Handelsvertreter und § 23 Abs. 1 Satz 1 BBiG für das Berufsausbildungsverhältnis. 217 BAG v. 23.1.2003, BB 2003, 854. 218 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01, NZA 2002, 1323, 1324. 219 Ein Entschädigungsanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB scheidet aus, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Arbeitnehmerkündigung das Arbeitsverhältnis seinerseits hätte kündigen dürfen, BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 623/07, ArbRB 2008, 298. 220 LAG Thür. v. 15.2.2001, NZA-RR 2001, 577, 580.

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lösungsverschulden das Gewicht eines wichtigen Grundes hat.221 Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB für die Kündigung ist einzuhalten.222 Auch der Arbeitnehmer ist gehalten, bevor er wegen wiederholt verspäteter Lohnzahlungen fristlos kündigt, den Arbeitgeber abzumahnen.223 Als Rechtsfolge ist der Arbeitnehmer so zu stellen, wie er bei Fortbestand des Vertragsverhältnisses stünde.224 Die ordentliche Kündigungsfrist oder das Vertragsende bei befristeten Verträgen bildet die zeitliche Grenze des Schadensersatzanspruchs; es wird nur der Verfrühungsschaden ersetzt. Besteht für ein Arbeitsverhältnis Kündigungsschutz, so kann entsprechend §§ 9, 10 KSchG eine angemessene Entschädigung für den Verlust des Bestandsschutzes kumulativ hinzutreten.225 Ein Bestandsschutzinteresse und damit jeglicher Schadensersatzanspruch kann auch vollständig entfallen, wenn auch dem Arbeitgeber im Einzelfall ein Recht zur sofortigen Beendigung des Vertrages zusteht.226 Im Übrigen ist § 254 BGB anwendbar, wenn das Auflösungsverschulden provoziert war.227 221 BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 439/10, NJW 2012, 1900; v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01, NZA 2002, 1323, 1325. 222 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01, NZA 2002, 1323, 1327. 223 BAG v. 26.7.2007 – 8 AZR 796/06, NZA 2007, 1419, Rz. 24; v. 17.1.2002, AuA 2003, 51; Diese ist entbehrlich, wenn keine Aussicht auf Rückkehr des Vertragspartners zu vertragskonformen Verhalten besteht, BAG v. 26.7.2007, NZA 2007, 1419, Rz. 28. 224 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01, NZA 2002, 1323, 1328; zu einzelnen Schadenspositionen s. KR/ Weigand, § 628 BGB Rz. 37 ff. 225 Für Kündigungsschutz nach dem KSchG: BAG v. 26.7.2007 – 8 AZR 796/06, NZA 2007, 1419, 1421; v. 26.7.2001 – 8 AZR 739/00, NZA 2002, 325, 326; KR/Weigand, § 628 BGB Rz. 35. Dabei kommt es nicht darauf an, ob unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG gezahlt worden wäre, sondern einzig, ob der Arbeitnehmer in einem durch das Kündigungsschutzgesetz bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis gestanden hat. 226 BAG v. 12.5.1966, AP Nr. 9 zu § 70 HGB. 227 Vgl. BAG v. 17.09.1970, AP BGB § 628 Nr. 5; 29.9.1958, AP Nr. 17 zu § 64 ArbGG 1953.

II. Muster M 13.1

Abmahnung

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, leider sehen wir uns gezwungen, Sie aus folgenden Gründen abzumahnen:1 Sie haben am … zu Ihrem Kollegen … gesagt: „du dummer …“. oder2 Sie sind am … zum wiederholten Male ohne triftigen Grund zu spät zur Arbeit erschienen, nämlich erst um … Uhr statt um … Uhr. 1 Der Begriff Abmahnung muss nicht verwendet werden; dies empfiehlt sich aber zur Klarheit. 2 Möglich sind auch sog. Sammelabmahnungen, in denen mehrere Verstöße zusammen gerügt werden. Davon ist jedoch dringend abzuraten, denn Sammelabmahnungen sind insgesamt ungerechtfertigt, wenn nur ein Verstoß nicht zutrifft. Eine teilweise Aufrechterhaltung der Abmahnung ist nicht möglich. Der Arbeitgeber kann nur eine neue Abmahnung aussprechen, die sich auf die zutreffende Pflichtverletzung beschränkt, soweit sie dann noch verhältnismäßig ist (BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 98/07, NZA 2009, 604, Rz. 37; v. 13.3.1991 – 5 AZR 133/90, DB 1991, 1527; Schiefer, DB 2013, 1785).

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.2

oder Sie haben wiederholt wegen mangelnder Sorgfalt fehlerhafte Arbeit geleistet. Am … und am … waren von den von Ihnen zu bearbeitenden Produktionsteilen3 … Teile unbrauchbar. Dadurch haben Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Wir fordern Sie auf, künftig Pflichtverletzungen wie oben angeführt oder ähnlicher Art zu unterlassen/pünktlich zur Arbeit zu erscheinen/Ihre Arbeit sorgfältig zu leisten. Sollte sich eine vergleichbare Pflichtverletzung wiederholen, müssen Sie mit einer Kündigung rechnen.4 Mit freundlichen Grüßen … (Ort, Datum)

… (Unterschrift des Arbeitgebers)

Bestätigung des Arbeitnehmers Ich habe die Abmahnung vom … erhalten.5 … (Ort, Datum)

… (Unterschrift des Arbeitnehmers)

3 Auch diese sind detailliert anzugeben bzw. zu beschreiben. 4 Nach neuerer Rspr. des BAG ist allerdings auch die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ bereits eine hinreichende Warnung, BAG v. 19.4.2012, NZA-RR 2012, 567. Wir halten es jedoch für sicherer, nach wie vor die Androhung einer Kündigung aufzunehmen, um der Warnfunktion zu genügen. 5 Der Arbeitnehmer kann die Beseitigung und Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung bzw. ihre Entfernung aus der Personalakte verlangen (Einzelheiten Rz. 15; M 13.4). Sie wird damit wirkungslos (BAG v. 5.8.1992 – 5 AZR 531/91, DB 1993, 1677). Ungerechtfertigt ist die Abmahnung dann, wenn sie (a) auf unzutreffenden oder vor Gericht nicht nachweisbaren Tatsachen beruht oder (b) unverhältnismäßig ist oder (c) verwirkt ist oder (d) nicht zu billigende Überreaktionen, Ehrverletzungen oder unsachliche Werturteile enthält oder (e) der Arbeitgeber vermeintliche Verstöße rechtlich fehlerhaft gewertet hat oder (f) der Arbeitgeber kein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand der Abmahnung mehr hat (BAG v. 30.5.1996 – 6 AZR 537/95, DB 1997, 233).

M 13.2

Vorweggenommene Abmahnung als Erklärung an den Arbeitnehmer

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, Sie haben mit Schreiben am … Urlaub vom … bis … beantragt. Wir haben Ihren Urlaubsantrag mit Schreiben vom … abgelehnt, weil … Trotzdem haben Sie mit Schreiben vom … angekündigt, Ihren Urlaub wie geplant antreten zu wollen.1 Aus diesem Grund teilen wir Ihnen mit, dass eine Selbstbeurlaubung, wie von Ihnen geplant, nicht zulässig ist und in erheblichem Maß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt.2 Wir fordern Sie daher auf, am … wie üblich zur Arbeit zu erscheinen.3 1 Nachgebildet nach LAG Berlin-Brandenburg v. 26.11.2010 – 10 Sa 1823/10. Vgl. auch LAG Hamm v. 12.9.1996 – 4 Sa 486/96. 2 Ob und in welcher Form eine vorweggenommene Abmahnung zulässig ist, ist bisher nicht ausdrücklich entschieden. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen Kardinalpflichten des Arbeitsverhältnisses muss es dem Arbeitgeber uE aber möglich sein, bereits nach dem ersten Verstoß ohne weitere Abmahnung zu kündigen, wenn er dies bereits zuvor angedroht hat, vgl. Wisskirchen/Schumacher/Bissels, BB 2012, 1473. 3 Die Voraussetzungen einer vorweggenommenen Abmahnung entsprechen im Wesentlichen denen einer nachträglichen Abmahnung, dazu Rz. 8 ff. Da die vorweggenommene Abmahnung aber nicht bereits auf einen konkret eingetretenen Verstoß Bezug nehmen kann, muss die befürchtete Pflichtverletzung so

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M 13.3

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Anderenfalls müssen Sie mit einer Kündigung rechnen.4 Mit freundlichen Grüßen … (Ort, Datum)

… (Unterschrift des Arbeitgebers)

Bestätigung des Arbeitnehmers Ich habe das Schreiben vom … erhalten.5 … (Ort, Datum)

… (Unterschrift des Arbeitnehmers)

genau wie möglich umschrieben werden, um dem Arbeitnehmer das sanktionierte Verhalten genau vor Augen zu führen. Wie die vorweggenommene Abmahnung ausgestaltet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie kann in einem Aushang, als Richtlinie oder als persönliche, vom Arbeitnehmer unterschriebene Verpflichtungserklärung ausgestaltet sein. Wisskirchen/Schumacher/Bissels, BB 2012, 1473, 1476 weisen darauf hin, dass die Abmahnung regelmäßig wiederholt werden sollte, um ihre Nachhaltigkeit zu sichern. 4 Nach neuerer Rspr. des BAG ist auch die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ bereits eine hinreichende Warnung, BAG v. 19.4.2012, NZA-RR 2012, 567, wobei es auch insoweit Entscheidungen speziell zu einer vorweggenommenen Abmahnung nicht gibt. Wir halten es insbesondere in diesem Kontext für sicherer, nach wie vor die Androhung einer Kündigung aufzunehmen, um der Warnfunktion zu genügen. 5 Eine an den Arbeitnehmer direkt adressierte und von ihm unterschriebene Erklärung des Arbeitgebers hat den höchsten Grad an Nachweisbarkeit für den Arbeitgeber in einem etwaigen Prozess und Verbindlichkeit für den Arbeitnehmer.

M 13.3

Vorweggenommene Abmahnung als Aushang

Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,1 am … und am … wurde in der …-Abteilung unberechtigt … vom Betriebsgelände mitgenommen.2 Aus gegebenem Anlass sehen wir uns daher gezwungen darauf hinzuweisen, dass … keine unberechtigten Warenentnahmen toleriert werden. Diese unberechtigten Warenentnahmen stellen eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar.3 Zuwiderhandlungen gegen … werden als Diebstahl geahndet. … behält sich vor, bei solchen Zuwiderhandlungen entsprechende personelle Maßnahmen bis hin zur Kündigung zu ergreifen.4 … (Ort, Datum)

… (Unterschrift des Arbeitgebers)

1 Es ist umstritten, ob ein Aushang, der nicht persönlich adressiert ist, die nötige Dokumentationsfunktion einer Abmahnung erfüllt. Das LAG Köln hat dies im hier nachgebildeten Fall als sog. „Abmahnung an den, den es angeht“ angesehen; soweit der Aushang bestimmt genug sei, sei die Dokumentationsfunktion gewahrt. 2 Nachgebildet nach LAG Köln v. 6.8.1999, NZA-RR 2000, 24. 3 Die Beschreibung der möglichen Pflichtverletzung sollte so genau wie möglich erfolgen. Es muss ein bestimmtes, hypothetisches Verhalten der Arbeitnehmer gerügt werden. 4 Das LAG Köln hat die Androhung „personeller Maßnahmen“ als ausreichend bestimmt angesehen, da der Arbeitgeber bei der vorweggenommenen Abmahnung nicht wissen könne, ob in dem antizipierten Einzelfall eine Kündigung zulässig wäre und er dies zunächst prüfen müsse; vgl. außerdem bereits Einf. Fn. 15.

Lingemann

627

Kap. 13

M 13.4

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.4

Klage gegen eine Abmahnung und auf Widerruf

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom … aus der Personalakte2 des Klägers zu entfernen.3, 4 2. Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber den Mitarbeitern der Abteilung …5 die in der Abmahnung vom … aufgestellte Behauptung zu widerrufen, der Kläger habe aus der Kaffeekasse der Abteilung Euro … entwendet.

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. in der Abteilung … beschäftigt, sein letztes Monatsgehalt betrug Euro … Die Mitarbeiter der Abteilung führen eine so genannte „Kaffeekasse“. Jeder Mitarbeiter zahlt auf freiwilliger Basis monatlich einen Betrag von Euro 5,– bis Euro 10,– in die Kasse ein. Aus der Kasse werden aus besonderen Anlässen (Geburtstage, Familienfeste, Trauerfälle) Zuwendungen an einzelne Mitarbeiter der Abteilung gemacht. Am … machte der Kl., der die Kasse verwaltet, turnusgemäß Kassensturz. Dabei stellte er fest, dass in der Kasse Euro … fehlten. Der Abteilungsleiter warf daraufhin dem Kl. vor, er habe das Geld selbst entwendet. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Kl. den einzigen Schlüssel für die Kasse verwalte. Die Behauptung, der Kl. habe das Geld entwendet, hat der Abteilungsleiter in einer eigens einberufenen Abteilungsversammlung am … vor allen Mitarbeitern der …-abteilung wiederholt. Am nächsten Tag wurde der Kl. wegen des angeblichen Diebstahls schriftlich abgemahnt, die Abmahnung wurde zu den Personalakten genommen. Beweis: Abmahnung vom …, Anlage K 1 Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Vorwürfe gegenüber dem Kl. unrichtig waren. Ein anderer Mitarbeiter der Abteilung, der über einen Zweitschlüssel verfügte, hat inzwischen gegenüber der Geschäftsleitung den Diebstahl zugegeben. 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Der Begriff der „Personalakte“ ist nicht körperlich zu verstehen. Deshalb darf selbstverständlich die aus der Personalakte entfernte Abmahnung nicht an anderer Stelle aufgehoben werden. 3 Der Anspruch auf Entfernung einer inhaltlich unrichtigen Abmahnung aus der Personalakte ist inzwischen in st. Rspr. anerkannt (BAG v. 30.1.1979, DB 1979, 1511 und v. 7.11.1979, DB 1980, 550). Der in der Praxis häufig gestellte Antrag auf „Rücknahme“ der Abmahnung ist wenig sinnvoll, da unklar bleibt, was der Arbeitnehmer genau will. Es kann die Entfernung aus der Personalakte gemeint sein, aber auch ein Widerruf. Der Antrag auf „Rücknahme“ der Abmahnung ist deshalb – ggf. nach richterlicher Befragung – auszulegen. 4 Eine Frist zur Geltendmachung des Entfernungsanspruchs besteht nicht. Allerdings greifen tarifvertragliche Verfallklauseln (BAG v. 25.4.1972, DB 1972, 1783 zu § 70 BAT; LAG Hamm v. 21.10.1980, EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 27). Im Übrigen kommt schon nach kurzer Zeit eine Verwirkung des Entfernungsanspruchs in Betracht (str., dazu BAG v. 13.3.1987 – 7 AZR 601/85, NZA 1987, 518). Allerdings bedeutet die Verwirkung des Entfernungsanspruchs keineswegs, dass der Arbeitnehmer sich in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess nicht mehr darauf berufen könnte, die Abmahnung sei zu Unrecht erfolgt. 5 Ein Antrag auf Widerruf muss den Adressatenkreis klar bezeichnen, gegenüber dem widerrufen werden soll. Der Antrag ist begründet, wenn die unwahre Tatsachenbehauptung nicht nur in der Abmahnung enthalten ist, sondern auch noch gegenüber anderen Personen kundgegeben worden und dadurch das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters verletzt worden ist. Der Widerruf von bloßen Werturteilen und Meinungsäußerungen kann grundsätzlich nicht durchgesetzt werden.

628

Diller

M 13.5

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Beweis:6 Zeugnis des Personalleiters, zu laden über die Bekl. Der Kl. hat daraufhin die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte und einen Widerruf der ehrverletzenden Äußerungen gegenüber den anderen Mitarbeitern der Abteilung verlangt. Der Personalleiter der Bekl. hat dies jedoch mit der Begründung verweigert, man könne Schriftstücke, die einmal zu den Personalakten gelangt seien, nicht einfach wieder daraus entfernen. Man habe aber eine Gegendarstellung des Kl. ebenfalls zur Personalakte genommen. Einen Widerruf irgendwelcher Behauptungen gegenüber anderen Mitarbeitern könne der Kl. nicht verlangen. Die Auffassung der Bekl. ist unrichtig. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Arbeitnehmer sich bei einer inhaltlich falschen Abmahnung nicht damit begnügen, eine Gegendarstellung zu den Akten zu erreichen (BAG v. 13.10.1988 – 6 AZR 144/85, NZA 1989, 716). Aufgrund der im besonderen Maß ehrverletzenden Behauptungen steht dem Kl. ausnahmsweise auch ein Anspruch auf Widerruf zu.7 … (Unterschrift)8 6 Der Arbeitgeber trägt die Beweislast dafür, dass die abgemahnten Vorwürfe zutreffen. Umfasst die Abmahnung mehrere Vorwürfe, so ist der Entfernungsanspruch schon dann begründet, wenn auch nur einer der Vorwürfe falsch ist. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht daran gehindert, die zutreffenden Vorwürfe erneut abzumahnen (statt aller LAG Düsseldorf v. 18.11.1986 – 3 Sa 1387/86, NZA 1987, 354; LAG Köln v. 12.3.1986, LAGE § 611 BGB Abmahnung Nr. 3). Im Übrigen kann eine Abmahnung auch dann wegen Unverhältnismäßigkeit aus der Personalakte zu entfernen sein, wenn zwar die Vorwürfe sachlich zutreffen, aber durch abwertende Beurteilungen („Trunkenbold“, „Versager“ etc.) in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen wurde (LAG Schl.-Holst. v. 31.7.1986, DB 1987, 236). 7 Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO, da die Entfernung aus der Personalakte eine unvertretbare Handlung ist. Theoretisch wäre zwar denkbar, die Abmahnung durch den Gerichtsvollzieher aus der Akte entnehmen zu lassen. Allerdings enthält das stattgebende Urteil zugleich die Verpflichtung des Arbeitgebers, keine gleichartige neue Abmahnung auszusprechen. Deshalb erscheint die Vollstreckung nach § 888 ZPO zweckmäßiger. Ggf. kann der Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG gestellt werden (s. M 108.2). Der im Muster mit Antrag Ziff. 2 geltend gemachte Anspruch auf Widerruf ist auf jeden Fall nur nach § 888 ZPO vollstreckbar. 8 Die Rspr. der Instanzgerichte zum Streitwert ist unterschiedlich. Angesetzt werden üblicherweise zwischen einem halben (LAG Rh.-Pf. v. 2.7.1982, DB 1982, 2091) und einem vollen Monatsgehalt (LAG Hamm v. 5.7.1984 – 8 Ta 115/84, NZA 1984, 236; LAG Berlin v. 7.2.2006 – 17 Ta (Kost) 6003/06). Treten – wie im Muster – neben dem standardmäßig geltend gemachten Verlangen auf Entfernung der Abmahnung noch zusätzliche Klageanträge hinzu, zB auf Widerruf, kommt eine Erhöhung des Streitwerts um ein weiteres halbes Bruttomonatsgehalt in Betracht (LAG Schl.-Holst. v. 13.12.2000 – 6 Ta 168/00, NZA-RR 2001, 496; Arb Düsseldorf v. 17.10.2000 – 11 Ca 2411/00, AE 2000, Nr. 558). Bei zahlreichen kurz aufeinander folgenden Abmahnungen ist es angemessen, nur für die erste einen Wert von einem Monatsgehalt anzusetzen, für die weiteren nur noch je ein Drittel davon (LAG Rh.-Pf. v. 23.4.2009, AE 2009, Nr. 347 und v. 20.4.2007, AE 2007, Nr. 427).

M 13.5

Klage des Arbeitgebers auf Schadensersatz

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: 1 Der Fall ist der BAG-Entscheidung v. 12.11.1998 – 8 AZR 221/97 (DB 1999, 288) nachgebildet. 2 S. M 101.1 und M 101.2.

Diller

629

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.5

Der Beklagte wird verurteilt, Euro 8 000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.3

Begründung:4 Der Bekl. ist seit ca. fünf Jahren bei der Kl. als Kraftfahrer mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von Euro 2 500,– angestellt. Die Kl. betreibt eine internationale Spedition. Am … war der Bekl. mit einem LKW der Kl. in … unterwegs. Der LKW ist mit einem Mobilfunktelefon mit Freisprechanlage ausgerüstet. Während der Fahrt hatte der Bekl., der allein fuhr, neben sich auf dem Beifahrersitz wie üblich einen Ordner mit Kundenunterlagen liegen. Gegen 10.10 Uhr befuhr der Kl. mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h in … die … Straße, eine zweispurige Ausfallstraße. Als er noch ca. 500 m von der Ampelanlage an der Kreuzung … Straße entfernt war, klingelte im Fahrzeug das Mobiltelefon. Der Kl. nahm das Telefonat an. Der Anruf kam von einem Arbeitskollegen im Betrieb, der den Bekl. nach bestimmten Kundeninformationen fragte. Um die Frage beantworten zu können, beugte sich der Bekl. bei voller Fahrt zum Beifahrersitz herunter und blätterte in dem dort liegenden Ordner mit Kundenunterlagen. Deshalb übersah der Bekl. das Rotlicht an der Kreuzung …/… Straße. Auf der Kreuzung kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem der LKW erheblich beschädigt wurde. 3 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 4 Viele Tätigkeiten, die von Arbeitnehmern ausgeführt werden, sind typischerweise schadens- und haftungsanfällig. Paradebeispiel ist der Berufskraftfahrer. Auch bei Anspannung aller Sorgfalt gelingt es nur wenigen Berufskraftfahrern, ein ganzes Berufsleben ohne verschuldeten Unfall zu überstehen. Schon seit den Zeiten des Reichsgerichts ist anerkannt, dass das Haftungsrecht des BGB auf die Arbeitnehmerhaftung nicht ohne Weiteres angewendet werden kann. Die Einzelheiten waren jedoch immer umstritten. Kaum eine arbeitsrechtliche Materie hat so viele Kehrtwendungen der Rspr. erlebt wie die Arbeitnehmerhaftung, teilweise bedingt durch einen häufigen Wechsel der Zuständigkeiten der BAG-Senate. Zuletzt hat der Große Senat des BAG mit Entscheidung v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), NZA 1994, 1083, den Weg für ein völlig neues Haftungskonzept freigemacht. Bis dahin hatte die Rspr. Haftungserleichterungen grundsätzlich davon abhängig gemacht, dass der Schaden anlässlich einer sog. „gefahrgeneigten Tätigkeit“ entstanden war. Als gefahrgeneigt wurde insbesondere das Autofahren angesehen. Die Beschränkungen der Haftungserleichterungen auf gefahrgeneigte Tätigkeiten führte allerdings zu schweren Unbilligkeiten in solchen Fällen, in denen bei nicht-gefahrgeneigten Tätigkeiten außerordentlich hohe Schäden entstanden (zB BAG v. 12.2.1985, AP Nr. 86 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: Fallenlassen eines Säuglings durch eine Kinderkrankenschwester). Nach der nunmehr maßgeblichen Entscheidung des Großen Senats des BAG v. 27.9.1994 (NZA 1994, 1083) haftet der Arbeitnehmer bei jeder betrieblich veranlassten Tätigkeit ohne Rücksicht auf eine Gefahrgeneigtheit bei Vorsatz grundsätzlich voll und bei leichter Fahrlässigkeit überhaupt nicht. Bei mittlerer Fahrlässigkeit besteht eine anteilige Haftung, die von den meisten Instanzgerichten auf ein halbes bis ein Monatsgehalt begrenzt wird (zB LAG Nürnberg v. 18.4.1990, LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 14). Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer im Regelfall voll. Allerdings sind Haftungserleichterungen auch bei grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko steht (BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 221/97, DB 1999, 288; v. 12.10.1998, DB 1999, 48). Eine Haftungserleichterung soll nach verbreiteter Auffassung (BAG v. 12.11.1998, DB 1999, 288) insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Schaden drei Bruttomonatsverdienste deutlich übersteigt. Die Schadensverteilung erfolgt unter Würdigung der Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Bei der Abwägung zu berücksichtigen sind der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahren der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes und durch Versicherung abdeckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb sowie die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Ferner gehören hierzu die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten (zusammenfassend BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, DB 1998, 2610). Alle Einzelheiten sind streitig (vgl. nur MünchArbR/Reichold, §§ 51–53). Diese Grundsätze gelten aber bspw. nicht für Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Social Media begangen wurden, Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 785, 790.

630

Diller

M 13.6

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Beweis5 für alles Vorstehende: 1. Polizeibericht, Anlage K 1 2. Schriftliche Einlassung des Bekl., Anlage K 2 An dem LKW entstand ein Schaden von Euro 8 000,–. Beweis: Rechnung der Werkstatt, Anlage K 3 Der Bekl. hat den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Man mag darüber streiten, ob schon die Entgegennahme des Telefonanrufs bei voller Fahrt grob fahrlässig war. Grob fahrlässig war aber jedenfalls das Blättern in den auf dem Beifahrersitz liegenden Unterlagen. Es leuchtet jedem ein, dass man dem Verkehrsgeschehen nicht mehr folgen kann, wenn man Unterlagen studiert. Der Kl. hätte entweder den Anruf von vornherein nicht annehmen dürfen oder seinem anrufenden Arbeitskollegen mitteilen müssen, dass er im Moment nicht in der Lage sei, die Frage zu beantworten. Er hätte ohne weiteres zunächst anhalten und dann zurückrufen können. Ein Mitverschulden6 der Kl. liegt nicht vor. Der anrufende Mitarbeiter konnte nicht wissen, ob der LKW zur Zeit des Anrufs stand oder fuhr. Ihm (und nach § 278 BGB damit auch der Kl.) kann nicht vorgeworfen werden, dass der Kl. während der Fahrt angerufen wurde. Auch die Installation des Mobilfunktelefons im LKW für sich allein begründet noch kein Mitverschulden. Die Haftung des Bekl. ist auch nicht nach den Grundsätzen der eingeschränkten Haftung des Arbeitnehmers gemindert. Bei grob fahrlässig verursachten Schäden haftet der Arbeitnehmer in aller Regel selbst voll. Über eine Haftungsteilung bei grober Fahrlässigkeit könnte man allenfalls dann nachdenken, wenn die Haftungssumme einen Betrag von drei Bruttomonatsgehältern deutlich übersteigen würde. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Der Schaden liegt nur ganz knapp über einem Betrag von drei Bruttomonatsgehältern. … (Unterschrift)7 5 Problematisch ist die wechselseitige Darlegungs- und Beweislast. Nach § 619a BGB ist der Arbeitgeber im Haftungsprozess hinsichtlich des Verschuldens des Arbeitnehmers und insbesondere hinsichtlich des Verschuldensgrads vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig. Allerdings muss der Arbeitnehmer sich im Sinne einer gestuften Darlegungslast substantiiert zu den schadensverursachenden Umständen einlassen, wenn er darüber informiert ist. Insbesondere wenn der Schaden in der Sphäre des Arbeitnehmers eingetreten ist (zB bei Kraftfahrern oder Kassenpersonal), muss der Arbeitnehmer sich zu den konkreten Umständen des Schadensfalles erklären. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, können daraus „entsprechende Schlüsse gezogen werden“. Kommt jedoch der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast nach und bleibt der Sachverhalt streitig, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers. 6 Liegt ein Mitverschulden des Arbeitgebers vor, ist der Schaden kumulativ zu der ohnehin bestehenden Haftungserleichterung für Arbeitnehmer noch nach § 254 BGB anteilig zu verringern (BAG v. 3.11.1970, AP Nr. 61 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). 7 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Betrag.

M 13.6

Klage des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Mankohaftung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir die Klägerin. 1 S. M 101.1 und M 101.2.

Diller

631

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.6

Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro 615,38 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.2

Begründung:3 Die Kl. betreibt einen Lebensmittel-Supermarkt. Die Bekl. ist seit ca. fünf Jahren als Kassiererin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Bekl. enthielt – wie die Arbeitsverträge aller Kassiererinnen der Kl. – in § … eine Mankoabrede. Danach erhielt die Bekl. ein monatliches Mankogeld von Euro 60,–. Zugleich war vereinbart, dass die Bekl. für Kassenfehlbestände in Höhe von maximal Euro 700,– pro Jahr haften sollte (ausgenommen bei Vorsatz).4 Beweis: Arbeitsvertrag vom …, Anlage K 1 Am … übernahm die Bekl. morgens um 9.00 Uhr eine Kasse mit einem Wechselgeldbestand von Euro 1 000,–. Als die Bekl. abends um 17.00 Uhr ihre Schicht beendete und abrechnete, ergab sich unstreitig ein Kassenfehlbetrag von Euro 615,38. Wie ebenfalls unstreitig ist, hatte während des gesamten Tages ausschließlich die Bekl. Zugang zur Kasse. Soweit die Bekl. an dem Tag Pausen machte oder die Arbeit aus sonstigen Gründen kurzfristig unterbrach, schloss sie die Kasse ab und nahm den Schlüssel mit. Die Bekl. hat außergerichtlich die Zahlung des Mankobetrages mit der Begründung verweigert, an dem Fehlbestand treffe sie keine Schuld. Sie habe den ganzen Tag voll konzentriert und aufmerksam die Kasse bedient. Den Fehlbetrag könne sie sich nicht erklären. Möglicherweise sei sie das Opfer eines Trickbetrügers geworden. Im Übrigen könne sie nicht ausschließen, dass während der Pausen ein anderer Mitarbeiter mit seinem Schlüssel die Kasse bedient oder geöffnet habe. 2 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 3 Ebenso wie die Rspr. zur allgemeinen Arbeitnehmerhaftung (s. M 13.5) hat sich auch die Rspr. zur Mankohaftung für Kassenfehlbestände im Laufe der Zeit mehrfach geändert (ausf. Schwirtzek, NZA 2005, 437; Krause, RdA 2013, 129). Das BAG hat mit Urteil v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97 (DB 1998, 2610) seine Rspr. systematisiert und teilweise auch modifiziert. Nach dieser Entscheidung gelten die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auch im Zusammenhang mit der Verwahrung und Verwaltung eines dem Arbeitnehmer überlassenen Waren- oder Kassenbestandes. Zwar lässt ein entstandener Fehlbestand darauf schließen, dass eine Pflichtverletzung vorliegt. Auf einen bestimmten Grad des Verschuldens lässt der Eintritt eines Fehlbestandes dagegen nicht schließen. Wenn der Arbeitnehmer – wie im vorliegenden Fall – seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nachgekommen ist oder mangels Kenntnis über den Schadenseintritt nicht nachkommen kann, und sich daraus keine Anhaltspunkte für eine mehr als nur leichte oder mittlere Fahrlässigkeit ergeben, haftet der Arbeitnehmer folglich nicht. Die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt nach § 619a BGB im Arbeitsrecht grundsätzlich nicht (vgl. M 13.5 Fn. 5). 4 Die vom BAG geschaffenen Regeln über die Haftungsverteilung im Arbeitsrecht sind grundsätzlich zwingendes Recht. Von diesen Regeln kann weder einzel- noch kollektivvertraglich zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden (BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, DB 1998, 2610). Gleichwohl sind nach dieser Rspr. Mankoabreden, nach denen der Arbeitnehmer für einen aufgetretenen Waren- oder Kassenfehlbestand ohne Rücksicht auf Verschulden haften soll, nicht schlechthin unzulässig. Allerdings setzen solche Mankoabreden zunächst voraus, dass sie sich auf Bereiche beschränken, die der Arbeitnehmer unter Ausschluss anderer Arbeitnehmer kontrollieren kann. Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Mankoabrede ist, dass der Arbeitnehmer die Chance erhalten muss, durch Aufmerksamkeit einen finanziellen Überschuss zu erzielen. Da eine Mankoabrede notwendigerweise auch Sachverhalte erfasst, in denen der Arbeitnehmer nach allgemeinen Grundsätzen überhaupt nicht (kein Verschulden oder leichte Fahrlässigkeit) oder nur anteilig (mittlere Fahrlässigkeit) haften würde, darf eine Haftung aufgrund einer Mankoabrede die Summe der gezahlten Mankogelder nicht übersteigen. Der Arbeitgeber muss also entweder ein gesondertes Mankogeld oder eine angemessene Gehaltserhöhung gewähren, und zugleich, bezogen auf einen bestimmten Ausgleichszeitraum (zB ein Kalenderjahr), die Mankohaftung des Arbeitnehmers auf einen geringeren Betrag begrenzen. Haftungsfälle wegen vorsätzlichen Verhaltens des Arbeitnehmers können allerdings von der Mankoabrede ausgenommen werden. Im vorliegenden Fall liegt die Haftungshöchstgrenze (Euro 700,–) unterhalb der Jahres-Summe der Mankogelder (Euro 720,–), so dass gegen die Wirksamkeit der Mankoabrede keine Bedenken bestanden.

632

Diller

M 13.7

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Beide Einwände schlagen nicht durch. Aufgrund der Mankoabrede im Arbeitsvertrag hat die Bekl. die volle Haftung ohne Rücksicht auf Verschulden übernommen. Dass während der Abwesenheitszeiten der Bekl. kein anderer Mitarbeiter die Kasse mit seinem Schlüssel geöffnet hat, lässt sich aufgrund der elektronischen Aufzeichnungen des Kassenautomaten belegen. Beweis: Sachverständigengutachten, zu erstatten von … Die Klage ist erforderlich, da eine Aufrechnung des Fehlbetrages mit Gehaltsansprüchen der Bekl. nicht mehr möglich ist. Die Bekl. ist inzwischen bei der Kl. ausgeschieden, Lohn und Gehalt sind vollständig abgerechnet. … (Unterschrift)5 5 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Betrag.

M 13.7

Arrest und Arrestpfändung wegen Unterschlagung

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir die Antragstellerin. Eine Vollmacht ist als Anlage AS 1 beigefügt. Namens und im Auftrag der Antragstellerin beantragen wir – wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – den Erlass folgenden Arrestbefehls und Arrestpfändungsbeschlusses3: 1. Wegen einer Forderung der Antragstellerin in Höhe von Euro 428 611,32 wird der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen des Antragsgegners angeordnet. 2. Die Vollziehung des Arrests wird durch Hinterlegung durch den Antragsgegner in Höhe von Euro 428 611,32 gehemmt. 3. In Vollziehung des Arrestes werden die Forderungen des Antragsgegners auf Zahlung und Leistung jeglicher Art aus seiner gesamten Geschäftsverbindung mit der Kreissparkasse … (Adresse), vertreten durch den Vorstand …, insbesondere aus dem Konto Nr. …, bis zum 1 Praxistipp: Es empfiehlt sich, den Antrag persönlich beim Arbeitsgericht abzugeben, sich dort sofort das Aktenzeichen geben zu lassen und dann den Antrag zusammen mit dem Geschäftsstellenbeamten persönlich zu dem zuständigen Richter zu bringen. Mit diesem kann dann sofort das weitere zeitliche Vorgehen erörtert werden. Das ist wichtig, um Vollstreckungsmaßnahmen (insbesondere Zustellung durch den Gerichtsvollzieher) koordinieren zu können. Streitig ist, ob wahlweise auch das Amtsgericht als Arrestgericht zuständig sein kann (bejahend Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 1; aA Koch, NJW 1991, 1858). Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Vorteile es haben sollte, den Antrag beim Amtsgericht statt beim Arbeitsgericht zu stellen. 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Gibt das Arbeitsgericht dem Arrestantrag statt, kann der Antragsgegner Widerspruch nach §§ 936, 924 ZPO einlegen. Über die Rechtmäßigkeit des erlassenen Arrestes ist dann nach mündlicher Verhandlung durch Endurteil zu entscheiden (§§ 936, 924 Abs. 2 Satz 2, 925 Abs. 1 ZPO). Gegen das Endurteil kann die unterliegende Partei nach den allgemeinen Regeln Berufung einlegen. Hat das Arbeitsgericht dagegen den Arrestantrag ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen, kann der Antragsteller Beschwerde zum LAG einlegen (§ 78 Abs. 1 ArbGG). Der Antragsteller sollte sich mit der Einlegung von Rechtsbehelfen nach Möglichkeit beeilen. Bei vielen Arbeitsrichtern entstehen massive Zweifel an der Eilbedürftigkeit einer Angelegenheit, wenn der Antragsteller Rechtsmittelfristen voll ausschöpft oder gar verlängern lässt.

Diller

633

Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.7

Höchstbetrag von Euro 428 611,32 gepfändet.4 Der Antragsgegner hat sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten. Der Drittschuldner darf an den Antragsgegner nicht mehr leisten.

Begründung: 1. Sachverhalt Der AGg. war bis zum … kaufmännischer Leiter der ASt. Ihm oblag unter anderem die Prüfung eingehender Rechnungen. Wurden eingehende Rechnungen von ihm als „sachlich und rechnerisch i. O.“ abgezeichnet, wies die Buchhaltung entsprechende Überweisungen an. Zusammen mit seiner Ehefrau hat der AGg. eine Briefkastenfirma mit Namen „XY Technical Services Ltd.“ mit Sitz auf Jersey (Kanalinseln) gegründet. Diese Firma stellte der ASt. in der Zeit zwischen November … und Januar … insgesamt fünf Rechnungen über einen Gesamtbetrag von Euro 428 611,32. Diesen Rechnungen lagen keinerlei Leistungen zugrunde. Der AGg. zeichnete die Rechnungen ab und veranlasste deren Überweisung. Die Einzelheiten ergeben sich aus einem umfassenden Geständnis, das der AGg. inzwischen gegenüber der Staatsanwaltschaft abgelegt hat. Beweis: Geständnis des AGg., Anlage AS 2 Den Inhalt des Geständnisses machen wir zum Inhalt unseres Vortrags. Das Anstellungsverhältnis mit dem AGg. wurde unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorfälle fristlos gekündigt. Zugleich hat die ASt. den AGg. zur Wiedergutmachung des Schadens aufgefordert. Der AGg. hat jedoch erklärt, das unterschlagene Geld sei nicht mehr vorhanden, er habe es „in diversen Spielbanken durchgebracht“. Die ASt. hat jedoch große Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Gerüchten zufolge soll der AGg. insbesondere ein größeres Wertpapierdepot bei der Kreissparkasse … haben, dessen Pfändung im Wege des Arrestes hiermit beantragt wird. Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende überreichen wir als Anlage AS 3 eine eidesstattliche Versicherung des Prokuristen der ASt …

2. Rechtslage5 Der Arrestanspruch ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. §§ 263, 266 StGB. Der AGg. hat veranlasst, dass die ASt. die mit dem Arrestantrag geltend gemachten Beträge auf Luftrechnungen einer Scheinfirma gezahlt hat. Ein Arrestgrund ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Arrestanspruch – wie im vorliegenden Fall – aus einer gegen den Gläubiger (hier: die ASt.) gerichteten Straftat stammt (BGH v. 24.3.1983 – III ZR 116/82, WM 1983, 614; LAG Hessen v. 12.1.1965, NJW 1965, 989). Hinsichtlich der mit dem Antrag Ziff. 3 beantragten Pfändung ergibt sich der Gerichtsstand aus § 930 Abs. 1 Satz 3 ZPO, wonach für die Pfändung einer Forderung das Arrestgericht als Vollstreckungsgericht zuständig ist. Gemäß § 922 Abs. 1 ZPO ist eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich und auch dringend geboten. Gerade die zu arrestierenden Kontoguthaben ließen sich bei Erhalt einer Ladung zu einer mündlichen Verhandlung binnen weniger Minuten in bar abheben oder unerreichbar ins Ausland transferieren. Das Arrestverfahren wäre damit weitgehend sinnlos. 4 Die Verbindung von Arrestantrag und Pfändungsantrag ist nach einhelliger Auffassung ohne Weiteres zulässig (Dunkl in Dunkl/Moeller, Rz. A 414; Zöller/Vollkommer, § 930 ZPO Rz. 3). 5 Praxistipp: Arrestverfahren vor dem Arbeitsgericht kommen nur recht selten vor. Deshalb fehlt es insoweit bei vielen, insbesondere jüngeren Arbeitsrichtern an jeglicher Erfahrung. Es empfiehlt sich deshalb, in der Antragsschrift ausführlich nicht nur zum Sachverhalt vorzutragen, sondern vor allem auch zu den prozessualen Einzelheiten (mündliche Verhandlung, Gerichtsstand, Besetzung der Kammer, Verbindung mit Vollstreckungsanträgen etc.). Das erspart zum einen dem Richter unnötige Recherche, zum anderen verringert sich die Wahrscheinlichkeit prozessualer Fehler. Vor allem aber wird ein Richter, der vom Antragsteller „an die Hand genommen“ wird, nicht nach Möglichkeiten suchen, den Antrag wegen irgendwelcher Formalitäten zurückzuweisen und sich dadurch Arbeit zu ersparen.

634

Diller

M 13.8

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Eine Sicherheitsleistung ist gemäß § 921 ZPO nicht anzuordnen. Arrestanspruch und Arrestgrund sind glaubhaft gemacht. Von der bloßen Pfändung des Kontos drohen dem AGg. keine nennenswerten Nachteile. Es wird darum gebeten, drei Ausfertigungen des beantragten Beschlusses zu erteilen, um neben der Zustellung bei der Drittschuldnerin6 auch die Zustellung beim AGg. innerhalb der Wochenfrist des § 929 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu gewährleisten. Im Übrigen wird darum gebeten, mit dem Unterzeichner oder seinem Vertreter Rechtsanwalt … unter der Tel.-Nr. … Kontakt aufzunehmen,7 falls das Gericht Bedenken gegen den Antrag haben sollte. Dies gilt insbesondere, wenn das Gericht Arrestanspruch und Arrestgrund für nicht ausreichend halten sollte, Bedenken hinsichtlich der ausreichenden Glaubhaftmachung hat oder sonstige Zweifel an Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags bestehen. Gleiches gilt, falls das Gericht beabsichtigen sollte, Sicherheitsleistungen anzuordnen. … (Unterschrift)8 6 Erlässt das Arbeitsgericht den beantragten Arrest nebst Arrestpfändung, so ist es zweckmäßig, zunächst den Pfändungsbeschluss beim Drittschuldner zuzustellen und erst danach den Arrestbeschluss beim Antragsgegner. Gerade bei Bankkonten reichen sonst wenige Minuten, um die Vollstreckung zu vereiteln. Hier ist sorgfältige Koordination der beteiligten Gerichtsvollzieher durch den Anwalt erforderlich. Zwischen Zustellung beim Drittschuldner und Zustellung beim Antragsgegner darf allerdings nicht mehr als eine Woche liegen (§ 929 Abs. 3 ZPO). Nach Ablauf eines Monats ist die Vollstreckung des Arrestbefehls nicht mehr zulässig (§ 929 Abs. 2 ZPO). Werden nach Ablauf eines Monats neue Vollstreckungsobjekte bekannt, kann jedoch ohne Weiteres ein neuer Arrest beantragt und dann aus diesem vollstreckt werden. 7 Praxistipp: Die Bitte um telefonische Kontaktaufnahme zur Behebung von Zweifeln an der Begründetheit des Antrags sollte bei einem Arrestantrag nie fehlen. Zum einen ergibt sich dadurch die Möglichkeit, kurzfristig nachzubessern, falls Kleinigkeiten fehlen (zB Glaubhaftmachung, vergessene Anlagen etc.). Zum anderen ergibt sich so die Möglichkeit, den Antrag ggf. zurückzunehmen, wenn der Richter erkennen lässt, dass er ihm nicht stattgeben wird. Die Rücknahme hat den Vorteil, dass keine Kosten anfallen und der Gegner nicht aufgeschreckt wird. 8 Hinsichtlich des Streitwerts ist das Interesse des Antragstellers an der Sicherung seiner Forderung maßgeblich (§ 3 ZPO). Ausgangspunkt ist der Wert der Hauptsache. In der Rspr. wird das Sicherungsinteresse je nach den Umständen des Einzelfalls mit einem Bruchteil zwischen einem Viertel und der Hälfte des Werts der zu sichernden Forderung angesetzt (OLG Frankfurt v. 9.11.1983, AnwBl 1984, 94). Der Streitwert für das Arrestverfahren wird durch die Vollziehung (Pfändung einer Forderung) nicht erhöht. Neben dem Streitwert für das Arrestverfahren hat dann aber die Vollziehung zusätzlich ihren eigenen Wert (§ 25 RVG), der allerdings den Wert der Anordnung nicht übersteigen kann (OLG Köln v. 31.3.1993, JurBüro 1994, 113; ausf. Schneider, JurBüro 1977, 1516).

M 13.8

Klage des Arbeitnehmers wegen Mobbing

An das Arbeitsgericht … In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage2 und beantragen: 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Unter bestimmten (sehr eingeschränkten) Voraussetzungen kann auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht kommen (dazu Wickler, DB 2002, 477, 483; LAG Thür. v. 10.4.2001 – 5 Sa 403/00, BB 2001, 1358, LS 7–9).

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.8

1. Die Beklagte wird verurteilt, Schadensersatz von Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.3 2. Die Beklagte wird verurteilt, ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch Euro … nicht unterschreiten sollte,4 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen. 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz aller weiteren Schäden und Nachteile verpflichtet ist, die dem Kläger durch die in der nachfolgenden Klagebegründung dargelegten Mobbingaktivitäten der Mitarbeiter der Beklagten X, Y und Z entstanden sind.5 4. Die Beklagte wird verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Mobbinghandlungen der Kollegen X, Y und Z, insbesondere solche, wie sie in der nachfolgenden Klageschrift beschrieben sind, künftig zu verhindern. 5. Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, solange die Beklagte ihren Verpflichtungen gemäß Klageantrag Ziff. 4 nicht nachkommt.

I. Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit mehr als zehn Jahren als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Im Februar letzten Jahres erhielt er eine verhaltensbedingte Kündigung wegen angeblich mangelhafter Leistungen. Gegen diese Kündigung erhob der Kl. Kündigungsschutzklage. Im Kammertermin im Juli letzten Jahres nahm die Bekl. die Kündigung zurück, nachdem das Arbeitsgericht erläutert hatte, dass es die Kündigung aus verschiedenen Gründen für unwirksam halte. Eine von der Bekl. angebotene Abfindung in Höhe von Euro 50 000,– nahm der Kl. nicht an, vielmehr bestand er auf Weiterbeschäftigung. Offenbar versucht die Bekl. nunmehr, den Kläger durch gezieltes „Mobbing“ aus dem Betrieb herauszuekeln, nachdem sie dies mit der Kündigung nicht erreicht hat. Auf jeden Fall ist festzustellen, dass der Kl. seit Juli vergangenen Jahres ständigen unethischen Angriffen seines Vorgesetzten X sowie seiner beiden Abteilungskollegen Y und Z ausgesetzt ist. Aus der Vielzahl ähnlicher Vorfälle seien nur Folgende herausgegriffen:6 a) Am 17.6. vergangenen Jahres kam der Vorgesetzte X in das Zimmer des Kl. und … (wird ausgeführt). b) Am 19.6. bemerkte der „Kollege“ Y während des mittäglichen Kantinenessens im Vorbeigehen zum Kl.: „ …“ (wörtliches Zitat). c) … … Trotz mehrmaliger mündlicher und schriftlicher Aufforderungen hat die Bekl. nichts getan, um das Verhalten des Vorgesetzten X sowie der Mitarbeiter Y und Z abzustellen (wird ausgeführt). 3 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 4 Wichtig: Es ist ein Kunstfehler, Schmerzensgeld in unbestimmter Höhe einzuklagen, ohne eine Mindesthöhe anzugeben. Denn dann fehlt die für eine Berufung erforderliche Beschwer, wenn das Gericht nur einen niedrigen Betrag zuerkennt. 5 Eine Feststellungsklage auf weiteren Schadensersatz muss präzise umschreiben, aus welchen Handlungen sich der Ersatzanspruch ergeben soll. Dies kann durch Verweis auf ausführliche Darlegungen in der Klageschrift geschehen. Nicht ausreichend ist beispielsweise der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht „wegen Mobbingaktionen in den Jahren 1998 bis 2000“ (LAG Rh.-Pf. v. 28.8.2001 – 5 Sa 521/ 01). 6 Ein großes Problem bei Mobbingklagen ist die Darlegung des Sachverhalts durch den Kläger. Da Mobbing begrifflich ein fortgesetztes Verhalten voraussetzt, welches sich aus vielen kleinen Einzelaktionen zusammensetzt, muss der Kläger sich die Mühe machen, zumindest so viele einzelne Vorfälle substantiiert vorzutragen, dass sich daraus das erforderliche Gesamtgeschehen ergibt (dazu instruktiv LAG Bremen v. 17.10.2002, LAGE Art. 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 5: Kein Prima-facie-Beweis, wenn der Kläger nur neun Vorfälle innerhalb der letzten 3 1/ 2 Jahre vorträgt).

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M 13.8

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

II. Rechtslage 1. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 begehrt der Kl. Schadensersatz wegen Verdienstausfalls. Aufgrund der fortgesetzten Mobbing-Attacken ist er seit dem 15.3. dieses Jahres krankgeschrieben. Nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung gemäß EFZG erhält er Krankengeld von der zuständigen Krankenkasse. Dieses Krankengeld liegt pro Monat um Euro … unter den letzten vertragsgemäßen Bezügen. Der Differenzbetrag wird mit der Klage für die Monate seit März geltend gemacht, dies ergibt insgesamt den eingeklagten Betrag. Die Bekl. ist insoweit ersatzpflichtig aus dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung (§§ 278, 280 BGB) sowie aus Delikt (§§ 831, 823 BGB). Die oben dargestellten Vorfälle zeigen deutlich, dass X, Y und Z nach einem gemeinsamen Plan mit einem gemeinsamen Ziel vorgehen, welches von der Unternehmensleitung der Bekl. gebilligt wird (wird ausgeführt). Die Voraussetzungen der §§ 278, 831 BGB sind damit gegeben.7 2. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 begehrt der Kl. Schmerzensgeld8 wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts, aber auch wegen der durch die Mobbingattacken erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ob diese Beeinträchtigungen nur schuldrechtlich als Vertragsverletzung (§§ 278, 280 BGB) oder auch als deliktisch (§§ 831, 823 BGB) anzusehen sind, spielt nach der Reform des Schadensrechts im Jahr 2002 keine Rolle mehr, da gemäß § 253 Abs. 2 BGB nunmehr auch im Fall der Vertragsverletzung Schmerzensgeldansprüche bestehen. 3. Mit dem Klageantrag Ziff. 3 begehrt der Kl. vorsorglich die Feststellung, dass die Bekl. ihm auch alle weiteren Schäden zu ersetzen hat, die er möglicherweise in Zukunft noch durch die Mobbing-Attacken erleidet.9 4. Der Klageantrag Ziff. 4 ist begründet, weil die Bekl. aufgrund ihrer allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzpflichten verpflichtet ist, die Mobbing-Aktivitäten des Vorgesetzen X sowie der Kollegen Y und Z abzustellen (wird ausgeführt).10

7 Für eine Haftung des Arbeitgebers nach § 831 BGB reicht nicht aus, dass das Mobbing durch Arbeitskollegen im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stattgefunden hat. Vielmehr setzt § 831 BGB voraus, dass das Handeln der angeblich mobbenden Kollegen in dem ihnen übertragenen Aufgabenkreis nach Zweck und Art objektiv in einem engen oder unmittelbaren inneren (sachlichen) Zusammenhang steht (LAG Rh.-Pf. v. 28.8.2001 – 5 Sa 521/01; dazu auch Kerst-Würkner, ArbuR 2001, 258 f.). Im Rahmen des § 278 BGB gelten ohnehin andere Maßstäbe. Macht der Kläger geltend, dass er wegen eines nach § 1 AGG verbotenen Diskriminierungsmerkmals gemobbt worden sei, ist das AGG einschlägig. Dies kann zu einer erweiterten Haftung des Arbeitgebers für Mobbinghandlungen durch Arbeitskollegen führen, insbesondere wenn dem Arbeitgeber ein Organisationsverschulden anzulasten ist, weil er seinen Schulungspflichten nach § 12 AGG nicht nachgekommen ist. 8 Zum Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Mobbings und insbesondere zu dessen Berechnung vgl. LAG Thür. v. 15.2.2001 – 5 Sa 102/00, DB 2001, 1783 einerseits, LAG Rh.-Pf. v. 16.8.2001, NZA-RR 2002, 121 andererseits. Nach zutreffender Auffassung des LAG Rh.-Pf. orientiert sich die Höhe eines eventuellen Schmerzensgeldes nicht am Monatseinkommen des Geschädigten, sondern an dem Gewicht der Handlungen und den Folgen, insbesondere den eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Unter Würdigung aller Umstände hielt das LAG Rh.-Pf. im entschiedenen Fall eine Entschädigung von DM 15 000,– für angemessen. Es hielt zwar die Mobbinghandlungen für außerordentlich schwerwiegend, verneinte aber eine nennenswerte Gesundheitsbeeinträchtigung und hielt im Übrigen eine Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes deshalb nur eingeschränkt für berücksichtigenswert, weil eine gewisse Genugtuung auch schon dadurch eingetreten sei, dass der Kläger diverse Prozesse gegen den Arbeitgeber gewonnen hatte. Beruht das Mobbing auf einem in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmal, ist das AGG einschlägig. Statt Schmerzensgeld ist dann Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG einzuklagen. Die Höhe des Anspruchs ist aber typischerweise unabhängig davon, ob diskriminierungsbedingtes Mobbing vorliegt oder nicht. 9 Für solche Feststellungsanträge besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ernsthaft in Betracht kommt, dass über die bereits konkret bekannten Schäden hinaus noch weitere eintreten. Das ist bei Gesundheitsverletzungen regelmäßig der Fall. 10 Zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Abhilfe statt aller Kerst-Würkner, ArbuR 2001, 258 f.; Wickler, DB 2002, 477. Beruht das Mobbing auf einem nach § 1 AGG verbotenen Diskriminierungsmerkmal, ergibt sich der Abhilfeanspruch unmittelbar aus § 12 Abs. 3 und 4 AGG.

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.9

5. Der Klageantrag Ziff. 5 ist begründet, weil dem Kl. ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zusteht. Dass Zurückbehaltungsrechte nach § 273 BGB in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt, ist unstreitig. Allerdings muss es sich stets um die Nichterfüllung von Pflichten handeln, denen einiges Gewicht zukommt; die Nichterfüllung von Bagatellverpflichtungen löst noch kein Zurückbehaltungsrecht aus. Nach den obigen Darlegungen bedarf es aber keiner weiteren Erläuterungen, dass die Handlungen des Vorgesetzten X sowie der Kollegen Y und Z den Kläger massiv körperlich und seelisch beeinträchtigen, so dass die Verpflichtung der Bekl., solche Übergriffe abzustellen, von außerordentlich großer Bedeutung ist. Die Verletzung dieser Verpflichtung löst deshalb Zurückbehaltungsrechte nach § 273 BGB aus.11 … (Unterschrift)12 11 Vgl. LAG Thür. v. 15.2.2001 – 5 Sa 102/00, DB 2001, 1783. 12 Der Streitwert der Anträge Ziff. 1 und 2 entspricht den eingeklagten Bruttobeträgen. Der Streitwert des Antrags Ziff. 3 richtet sich nach der Höhe des zu erwartenden (weiteren) Schadens und der Schadenswahrscheinlichkeit (BGH v. 28.11.1990, MDR 1991, 526). Den Antrag Ziff. 4 wird man mit dem Schmerzensgeld ansetzen müssen, das bei Nichtabstellen des Mobbings für die Zukunft geltend gemacht werden könnte, der Antrag Ziff. 5 ist inhaltlich auf das Gleiche gerichtet und dürfte deshalb keinen eigenen Wert haben.

M 13.9

Klage des Arbeitgebers wegen Vertragsbruchs auf Schadensersatz und Vertragsstrafe

Hier kann auf das Muster M 1.11 verwiesen werden. Bei Ausscheiden des Arbeitnehmers unter Nichteinhaltung der Kündigungsfrist gilt bezüglich Antragstellung, Schadensberechnung und Rechtslage das Gleiche wie bei Nichtantritt der Arbeitsstelle.

M 13.10

Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Wettbewerbshandlungen

Insoweit kann auf das Muster M 25.11 verwiesen werden. Die Durchsetzung der Unterlassungsansprüche bei Verletzung des Wettbewerbsverbots während der Dauer des Arbeitsverhältnisses (egal ob aus § 60 HGB, § 241 BGB oder aus entsprechenden Vertragsklauseln resultierend) richtet sich nach denselben Grundsätzen wie beim Anspruch auf Unterlassung der Verletzung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nach § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB.

M 13.11

Klage wegen berechtigter Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers

An das Arbeitsgericht … In Sachen …/… (volles Rubrum)1 1 S. M 101.1 und M 101.2.

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M 13.11

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage2 und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, seine Arbeitsleistung so lange zurückzuhalten, bis die Beklagte die sexuellen Belästigungen des Klägers seitens seiner Kollegen, insbesondere seitens der Kollegen X und Y, wirksam unterbunden hat.3 2. Die Beklagte wird verurteilt,4 dem Kläger Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem … zu zahlen.5 3. Die Beklagte wird verurteilt, künftig an jedem Monatsersten, beginnend mit dem …, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an den Kläger zu zahlen, soweit der Kläger arbeitsfähig ist, die Gehaltsansprüche nicht wegen längerer Krankheit entfallen, der Kläger nicht unbezahlten Urlaub hat, er leistungswillig bleibt und auch tatsächlich arbeitet und das Arbeitsverhältnis nicht endet.6

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl., einem Autozulieferer mit 500 Arbeitnehmern, als Lagerarbeiter beschäftigt. Der Kl. bekennt sich offen zu seiner Homosexualität. Er ist deshalb im Betrieb vielfältigen Anfeindungen ausgesetzt, insbesondere seitens seiner Kollegen X und Y (wird ausgeführt). Der Kl. hat von der Bekl. wiederholt, nämlich schriftlich am …, am … und am … verlangt, dass diese wirksam gegen die Belästigungen des Kl. vorgeht. Beweis: Schreiben des Kl. vom …, vom … und vom …, Anlagenkonvolut K 1 Auch der Betriebsratsvorsitzende A hat sich mehrfach, nämlich mit Schreiben vom … und … für einen wirksamen Schutz des Kl. eingesetzt. Geschehen ist jedoch nichts. Ganz im Gegenteil hat der Kl. den Eindruck, dass der Geschäftsführer der Bekl., Herr B, die Vorurteile gegen den Kl. teilt und die Kollegen des Kl. geradezu ermuntert, diesen weiter wegen seiner Homosexualität zu belästigen. Da die Bekl. trotz Mahnungen beharrlich ihren Schutzpflichten nach § 12 AGG nicht nachkommt, hat der Kl. nach § 14 AGG ein Zurückbehaltungsrecht. Der Kl. hat mit Schreiben vom … gegenüber dem Geschäftsführer B angekündigt, von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, sofern die Bekl. nicht bis spätestens … wirksame Abwehrmaßnahmen zu Gunsten des Kl. ergriffen hat. Beweis: Schreiben des Kl. vom …, Anlage K 2 Da nichts geschehen ist, hat der Kl. mit Schreiben vom … dem Geschäftsführer B mitgeteilt, dass er ab Montag, den … nicht mehr zur Arbeit erscheine, solange keine wirksamen Abwehrmaßnahmen getroffen sind. Beweis: Schreiben des Kl. vom …, Anlage K 3 2 Unter bestimmten (sehr eingeschränkten) Voraussetzungen kann auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung in Betracht kommen (dazu Wickler, DB 2002, 477, 483; LAG Thür. v. 10.4.2001 – 5 Sa 403/00, BB 2001, 1358, LS 7–9). 3 Praxistipp: Es muss sorgfältig überlegt werden, ob eine solche Feststellungsklage taktisch zweckmäßig ist. Sie hat keinen vollstreckbaren Inhalt. Zwar klärt ihre rechtskräftige Entscheidung, ob tatsächlich ein Zurückbehaltungsrecht bestand. Erfahrungsgemäß warten die Parteien aber so lange nicht, sondern entweder der Arbeitnehmer kündigt und macht Schadensersatz nach § 628 BGB geltend oder (häufiger) der Arbeitgeber stellt die Lohnzahlung ein und/oder kündigt außerordentlich wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung. In diesen Fällen werden dann – schon wegen der Vollstreckbarkeit – rasch Leistungsklagen erhoben und das Bestehen/Nichtbestehen eines Leistungsverweigerungsrechts wird dann inzidenter geprüft. Sinnvoll kann die Feststellungsklage allerdings sein, wenn sie – wie im Muster – mit einer Leistungsklage verbunden wird. Diese Berechtigung der Leistungsverweigerung wird zwar inzidenter auch im Rahmen der Zahlungsklage geprüft, die diesbezügliche Feststellung erwächst aber nicht in Rechtskraft. Zur Herbeiführung von Rechtskraft bedarf es einer separaten Feststellungsklage. 4 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 5 Mit diesem Antrag werden die bis zum Kammertermin rückständigen Gehälter eingeklagt. S. dazu allgemein M 101.3. 6 Zur Problematik der Klage auf künftige Vergütung s. ausf. M 12.29.

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Kap. 13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

M 13.12

Auf dieses Schreiben hat der Geschäftsführer B mit Schreiben vom … geantwortet, dass der Kl. offensichtlich eine „Mimose“ sei und die Konsequenzen selbst zu tragen habe, wenn er sich offen zu seiner Homosexualität bekenne. Die Bekl. beabsichtige nicht, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere mit den Hänseleien von X und Y müsse der Kl. „halt leben“. Falls der Kl. wie angekündigt von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache, werde die Bekl. die Lohnzahlung sofort einstellen. Beweis: Schreiben des B vom …, Anlage K 4 Der Kl. hat daraufhin mit Wirkung ab Montag, den … seine Tätigkeit für die Bekl. eingestellt. Daraufhin hat die Bekl. sofort die Lohnzahlung an den Kl. gestoppt. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 begehrt die Kl. die Feststellung, dass er zur Verweigerung der Arbeitsleistung nach §§ 320, 273 BGB7 berechtigt ist. Zwar ist die Berechtigung der Leistungsverweigerung auch Voraussetzung für die mit den Klaganträgen Ziff. 2 und 3 geltend gemachten Zahlungsansprüche. Der Kl. hat jedoch ein Interesse daran, unabhängig davon die Berechtigung seiner Leistungsverweigerung feststellen zu lassen. Denn daraus können sich weitere Rechtsfolgen ergeben, beispielsweise ein Anspruch auf Entfernung der ihm erteilten Abmahnungen aus der Personalakte etc. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 werden die bis zum Kammertermin rückständigen Lohnzahlungen geltend gemacht, mit dem Klageantrag Ziff. 3 begehrt der Kl. die Verpflichtung der Bekl. zur Lohnzahlung auch über den Kammertermin hinaus. … (Unterschrift)8 7 Es ist unklar, ob die Schutzpflichten des Arbeitgebers aus dem AGG in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Pflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung seiner Arbeitskraft stehen. Je nachdem folgt das Recht auf Zurückbehaltung bzw. Leistungsverweigerung aus § 273 BGB oder aus § 320 BGB. Im Ergebnis ergibt sich hinsichtlich der Rechtsfolgen kein Unterschied. 8 Hinsichtlich des Streitwerts ist der Wert der Zahlungsansprüche (für Antrag Ziff. 2 der Bruttobetrag, bei Antrag Ziff. 3 s. M 12.29) zu addieren mit dem Wert der Feststellungsklage. Es erscheint sachgerecht, deren Wert mit maximal einem Bruttomonatsgehalt anzusetzen.

M 13.12

Klage des Arbeitnehmers auf Freistellung von Ansprüchen Dritter

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen Schadensersatzansprüchen2 freizustellen, die gegen ihn im Zusammenhang mit der Entbindung der Frau … und der Geburt des Kindes … am … erhoben werden.3 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Steht der Schaden, von dem der Arbeitnehmer freigestellt werden will, bereits summenmäßig fest, muss der Freistellungsanspruch beziffert werden, ansonsten ist die Klage wegen mangelnder Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig. Steht dagegen – wie im vorliegenden Fall – die Höhe der Forderung noch nicht fest, kann nur ein Feststellungsantrag gestellt werden, für den das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO gegeben ist (BAG v. 25.6.2009, ZTR 2009, 649, insoweit dort nicht abgedruckt). 3 Da auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer im Laufe seiner Berufstätigkeit Fehler unterlaufen können, begrenzt die Rspr. und inzwischen auch § 619a BGB die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer nur fahrlässig gehandelt hat (ausf. M 13.5). Führt ein fahrlässiges Verhal-

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M 13.13

Fehlverhalten, AGG und Mobbing

Kap. 13

Begründung: Der Kl. ist Oberarzt am Krankenhaus der Bekl. in … Am … betreute er als verantwortlicher Arzt die Entbindung der Frau … von ihrem Sohn … Der Sohn ist seit der Geburt geistig behindert. Mit Urteil des Landgerichts … wurde dem Grunde nach festgestellt, dass der Kl. Frau … sowie deren Sohn Schadensersatz zu leisten hat, da der Kl. bei der Entbindung einen Kunstfehler begangen habe (wird ausgeführt). Nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen der Haftungserleichterung (vgl. § 619a BGB) hat der Kl. gegenüber der Bekl. als seiner Arbeitgeberin einen Anspruch auf Freistellung von allen Ansprüchen, die aufgrund der Behandlung von … gegen ihn erhoben werden (wird ausgeführt). Die Bekl. hat jedoch eine Freistellung des Kl. sowie eine Zahlung der Schmerzensgeldansprüche abgelehnt, da der Kl. die fragliche Entbindung nicht als Angestellter der Bekl. ärztlich betreut habe, sondern diese im Rahmen der ihm erlaubten privatärztlichen Tätigkeit vorgenommen habe. Die Auffassung der Bekl. ist jedoch unrichtig. Der Kl. hat die fragliche Entbindung in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der Bekl. betreut (wird ausgeführt). … (Unterschrift) ten des Arbeitnehmers dazu, dass dieser Schadensersatzansprüchen Dritter ausgesetzt ist (insbesondere aus Delikt, § 823 BGB), setzt sich die beschränkte Haftung des Arbeitnehmers insoweit fort, als ihm nach den gleichen Grundsätzen ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Freistellung zusteht. Dabei deckt sich der Umfang des Freistellungsanspruchs mit dem Umfang der Haftungsbeschränkung: Bei leichter Fahrlässigkeit kann der Arbeitnehmer in der Regel volle Freistellung von den Ansprüchen Dritter verlangen, bei mittlerer und grober Fahrlässigkeit dagegen nur eingeschränkt (zB BAG v. 16.3.1995 – 8 AZR 58/ 92, BAGE 79, 285; v. 27.10.2005, AP Nr. 5 zu § 310 BGB; v. 1.12.1988, AP Nr. 2 zu § 840 BGB). Nach hA entsteht der Befreiungsanspruch nicht schon mit der Geltendmachung der Ansprüche, sondern erst wenn feststeht, dass der schädigende Arbeitnehmer von dem Geschädigten mit Erfolg in Anspruch genommen werden kann (BAG v. 27.10.2005, AP Nr. 5 zu § 310 BGB; v. 25.6.2009, ZTR 2009, 649). Macht der Arbeitnehmer daher die Klage auf Freistellung zu einem Zeitpunkt anhängig, in dem seine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Dritten noch nicht feststeht, riskiert er die Abweisung der Klage als zurzeit unbegründet. Praxistipp: Oft übersehen wird, dass der Freistellungsanspruch wie jeder andere Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen kann. Da der Freistellungsanspruch bereits in dem Moment entsteht, in dem die Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem geschädigten Dritten feststeht, läuft eine tarifliche Ausschlussfrist ab diesem Moment (BAG v. 25.6.2009, ZTR 2009, 649). Sobald der Arbeitnehmer an den Dritten gezahlt hat oder dieser seinen Schadensersatzanspruch vollstreckt hat, wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch, die Klage muss dann entsprechend umgestellt werden (BGH v. 15.12.1976, VersR 1977, 174). Das Gleiche gilt, wenn der Geschädigte im Wege der Zwangsvollstreckung den Freistellungsanspruch pfändet und sich überweisen lässt (BGH v. 23.9.1965, BGHZ 44, 166; v. 12.12.1963, VersR 1964, 156) oder wenn der Arbeitnehmer den Freistellungsanspruch an den geschädigten Dritten abtritt (BGH v. 13.2.1980 – IV ZR 39/78, VersR 1980, 522).

M 13.13

Gehaltsklage wegen Ungleichbehandlung/Diskriminierung

S. M 12.5.

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Kap. 14

Kapitel 14

Urlaub

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Muster Urlaubsantrag und -bewilligung (Formular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 14.1 Ausführliche Bewilligung von bezahltem und unbezahltem Urlaub (Brief) . . . . . . . M . . 14.2 Urlaubsbescheinigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . M . . 14.3

Urlaub Antrag auf Übertragung des Teilurlaubs vor Erfüllung der Wartezeit in das Folgejahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erklärung über die Kürzung des Urlaubsanspruches während der Elternzeit nach § 17 Abs. 1 BEEG . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Urlaubsabgeltung . . . . . . . . .

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.M . . 14.4

.M . . 14.5

.M . . 14.6 .M . . 14.7

Literatur: Anton-Dyck/Böhm, Haftungsfalle Urlaubsabgeltungsanspruch, ArbRB 2015, 385-388; Bauer, „Spielregeln“ für die Freistellung von Arbeitnehmern, NZA 2007, 409; Bauer/Arnold, Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit, AP BUrlG § 7 Nr. 39; Bauer/Arnold, EuGH kippt deutsches Urlaubsrecht, NJW 2009, 631; Bauer/Kern, Wechselwirkung zwischen Kurzarbeit und Urlaub, NZA 2009, 925; Bauer/von Medem, Von Schultz-Hoff zu Schulte – der EuGH erweist sich als lernfähig, NZA 2012, 113; Bayreuther, Kurzarbeit, Urlaub und der EuGH, DB 2012, 2748; Bufalica, Urlaubsansprüche als Kündigungsgrund? – Auswirkungen der „Schultz-Hoff“-Entscheidung auf die personenbedingte Kündigung bei Langzeiterkrankungen, ArbR 2010, 133; Corts, Einstweilige Verfügung auf Urlaubsgewährung, NZA 1998, 357; Dornbusch/Ahner, Urlaubsanspruch und Urlaubsabgeltung bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, NZA 2009, 180; Düwell/Pulz, Urlaubsansprüche in der Insolvenz, NZA 2008, 786; Fenski, Urlaubsrecht im Umbruch?, DB 2007, 686; Fieberg, Urlaubsanspruch bei ruhendem Arbeitsverhältnis, NZA 2009, 929; Fröhlich, Weitere aktuelle Entwicklungen im Urlaubsrecht, ArbRB 2016, 86; Gaul/Josten/ Strauf, Urlaubsanspruch trotz Dauerkrankheit, BB 2009, 497; Grobys, Urlaub und Krankheit – Die Karten sind neu gemischt, NJW 2009, 2177; Groeger, Kurzarbeit und Urlaubsansprüche, ArbRB 2010, 119; Günther/Salomon-Hengst, Neues zum Urlaubsrecht, AuA 2016, 90-93; Hock/Hock, Irrungen und Wirrungen des Urlaubsrechts aufgrund der Rechtsprechung des EuGH und BAG und deren Umsetzung in der Praxis, ZTR 2015, 253; Hohmeister, BB-Rechtsprechungsreport: Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsrecht im Jahr 2014, BB 2015, 1333; Hohmeister, BB-Rechtsprechungsreport: Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsrecht im Jahr 2013, BB 2014, 2037; Kamanabrou, Urlaubsabgeltung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nach der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH, SAE 2009, 233; Kamanabrou, Urlaubsanspruch nach Langzeiterkrankung – ein Gebot des Gemeinschaftsrechts?, SAE 2009, 121; Kleinebrink, Erholungsurlaub in Zeiten der Wirtschaftskrise, ArbRB 2009, 107; Kleinebrink, Urlaubsdauer bei Teilzeitbeschäftigung und flexibler Arbeitszeit, ArbRB 2015, 22; Korinth, Urlaub vom Urlaub oder wie zuviel Urlaub zu gar keinem Urlaub führen kann, ZTR 2014, 691; Kortmann, Kurzarbeit und Urlaubsansprüche, ArbR 2010, 29; Krieger/Arnold, Urlaub 1.+2. Klasse – Das BAG folgt der Schultz-Hoff-Entscheidung, NZA 2009, 530; Leinemann, Die Deformierung der Urlaubsabgeltung durch den Europäischen Gerichtshof, DB 2009, Nr. 8, I; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht Kommentar, 2. Aufl. 2001; Leuchten/Klapper, Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit, ZESAR 2013, 114; Lingemann/ Sy, Das geänderte Urlaubsrecht, KrV 2012, 106; Lunk, Kurzarbeit und Urlaub, BB 2009, 1984; Neumann/ Fenski, Bundesurlaubsgesetz, Kommentar, 11. Aufl. 2015; Niemann, Urlaubsabgeltung – (vermuteter) Stand der Rechtsprechung, ArbR 2012, 495; Oberthür, Vertraglicher Zusatzurlaub – Gestaltungsspielräume sinnvoll nutzen, ArbRB 2009, 278; Plesterninks, Der Urlaubsabgeltungsanspruch, AuA 2015, 514; Pötters/Stiebert, Fallstricke im Urlaubsrecht – Weiterhin keine Rechtssicherheit für die Praxis, NJW 2012, 1034; Rehwald, Abgeltung für bei Vertragsende wegen Krankheit nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, AiB 2009, 242; Rehwald, Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit, AiB 2010, 59; Rummel, Konsequenzen aus der EuGH-Entscheidung Schultz-Hoff für die Urlaubsrechtsprechung in Deutschland, ArbuR 2009, 160; Rummel, Die Urlaubsrechtsprechung des BAG nach der EuGH-Entscheidung Schultz-Hoff, DB 2010, 225; Rummel, Urlaubsabgeltung bei Arbeitsunfähigkeit, ArbuR 2009, 217; Schell/Nieroba, Übertragung von Resturlaub, AuA 2007, 146; Schinz, Urlaubsabbruch (nur) in Extremfällen?, jM 2016, 193; Schipper/Polzer, Die Vererblichkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs – Die Rechtsprechung im Wandel?, NZA 2011, 80; Schönhöft/Oelze, Sonderurlaub – Die Entstehung des Urlaubsanspruchs bei Doppelarbeits-

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Urlaub

Rz. 3 Kap. 14

erhältnissen und dessen Anrechnungsmöglichkeiten, NZA 2016, 868; Schrader, Der EuGH und das deutsche Urlaubsrecht – Folgen für Abgeltung, Übertragung und Vergütung des Urlaubsanspruchs, ArbR 2009, 55; Seel, Rückruf aus dem Urlaub – Ist dies möglich?, MDR 2013, 1385; Seel, Urlaubsrecht in der Rechtsprechung, NWB 2016, 715; Subatzus, Übertragung von Urlaubsansprüchen bei Arbeitsunfähigkeit, DB 2009, 510; Thüsing/Pötters/Stiebert, Neues aus Luxemburg: Aktuelle Rechtsprechung des EuGH zu den Diskriminierungsverboten und zum Urlaubsrecht, RdA 2012, 281; Walker, Verhältnis zwischen Kurzarbeit und Urlaub, SAE 2010, 70; Weigert/Zeising, Die Berechnung von Urlaubsansprüchen bei Veränderungen der Arbeitszeit, NZA 2016, 862; Wulfers, Urlaubsabgeltung und tarifliche Ausschlussfrist, ZTR 2010, 180.

I. Einführung Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf die jährliche Gewährung von Urlaub.1 Der Arbeitgeber hat ihn zeitweilig von seinen vertraglichen Arbeitspflichten unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen. Maßgeblich ist das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Werktage (§ 3 Abs. 1 BUrlG), bei sechs Werktagen/Woche somit vier Wochen. Darüber hinaus wird meist zusätzlicher Urlaub (Mehrurlaub) gewährt. Dabei kann älteren Beschäftigten zu ihrem Schutz auch ein erhöhter Mehrurlaub, allerdings nur in den engen Grenzen von § 10 Abs. 3 Nr. 1 AGG, zugestanden werden.2 Dabei stellt das BAG erhebliche Anforderungen an den Nachweis der Rechtfertigung eines solchen erhöhten Mehrurlaubs.3 Bei der Umrechnung von Werktagen auf Arbeitstage ist die Zahl der Urlaubswerktage durch sechs zu teilen und mit der Zahl der Arbeitstage (bei Vollzeittätigkeit regelmäßig fünf, bei Teilzeittätigkeit entsprechend weniger) zu multiplizieren.4 Beträgt der Urlaub bei einer regelmäßig auf fünf Arbeitstage verteilten Arbeitszeit 30 Arbeitstage, ist für die Umrechnung des Urlaubs eines Teilzeitbeschäftigten, der mit dem Arbeitgeber eine Jahresarbeitszeit vereinbart hat, auf die im Kalenderjahr möglichen Arbeitstage abzustellen. Der Urlaub des Teilzeitbeschäftigten verringert sich entsprechend.5

1

Abweichende einzel- oder tarifvertragliche Regelungen sind für den gesetzlichen Mindesturlaub nur in den Grenzen des § 13 BUrlG möglich. Soweit der Mehrurlaub für Krankheitszeiten gekürzt werden soll, bedarf es einer eindeutigen Regelung.6 Ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub, ein negatives Schuldanerkenntnis etc. wäre nicht wirksam, solange das Arbeitsverhältnis besteht.7 Nur Tatsachenvergleiche, nach denen Urlaub in natura gewährt wurde, sind zulässig. Nach Beendigung kann allerdings auch auf den gesetzlichen Mindesturlaub verzichtet werden, etwa durch eine allgemeine Ausgleichsklausel.8

2

Arbeitsleistung und Urlaubsanspruch stehen nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, so dass der Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf Urlaubsgewährung hat, wenn er in dem Kalenderjahr und im Übertragungszeitraum nach § 7 Abs. 3 BUrlG arbeitsunfähig war (im Einzelnen dazu Rz. 8 ff.).9 Das Urlaubsverlangen ist in diesem Fall nicht rechtsmissbräuch-

3

1 Ein solcher Anspruch steht gem. § 2 BUrlG auch arbeitnehmerähnlichen Personen zu; vgl. auch BAG v. 15.11.2005, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 12. 2 BAG v. 21.10.2014 – 9 AZR 956/12, NZA 2015, 297. 3 BAG v. 12.4.2016 – 9 AZR 659/14, NZA-RR 2016, 438 – ablehnend für Mehrurlaub ab dem 50. Lebensjahr. 4 BAG v. 14.1.1992 – 9 AZR 148/91, DB 1992, 1889. 5 BAG v. 5.9.2002 – 9 AZR 244/01, NZA 2003, 726; zur Umrechnung vgl. auch BAG v. 30.10.2001, NZA 2002, 815. 6 BAG v. 15.10.2013 – 9 AZR 374/12, NZA-RR 2014, 234. 7 Auch die vertragliche Vereinbarung von Ausschlussfristen zur Geltendmachung des gesetzlichen Mindesturlaubs ist mit § 13 Abs. 1 BUrlG unvereinbar, BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, DB 2004, 1267. 8 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 669/12, AP BUrlG § 7 Nr. 72. 9 EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06, C-520/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538.

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Kap. 14 Rz. 4

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lich.10 Der Urlaubsanspruch entsteht auch, wenn der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum keine Arbeitsleistung erbracht hat, so etwa auch während der Gewährung von unbezahltem Sonderurlaub.11 Der Urlaubsanspruch ist höchstpersönlich und kann daher nicht verpfändet oder abgetreten werden.12 Im Gegensatz zum BAG13 hält der EuGH14 den Urlaubsanspruch jedoch für vererblich, so dass für die Erben ein entsprechender Zahlungsanspruch entsteht. Der 9. Senat des BAG hat dem EuGH daher die Frage vorgelegt, ob die Erben dann entgegen § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 1922 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub haben.15 Unstreitig vererblich ist der Urlaubsabgeltungsanspruch.16 4

Zweck des Urlaubs ist zum einen die Erholung des Arbeitnehmers und zum anderen, dem Arbeitnehmer einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu gewähren.17 Er darf daher im Urlaub keine diesem Zweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten (§ 8 BUrlG). Ein Verstoß hiergegen stellt eine Pflichtverletzung dar, die eine verhaltensbedingte Kündigung im Rahmen des KSchG rechtfertigen könnte. Dem Arbeitgeber steht ferner ein Anspruch auf Schadensersatz und Unterlassung der Erwerbstätigkeit zu. Der Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts bleibt von der verbotswidrigen Erwerbstätigkeit allerdings unberührt.18

5

Der Anspruch auf Urlaubsgewährung entsteht gemäß § 4 BUrlG erstmalig nach Ablauf einer Wartezeit von sechs Monaten, die mit dem Tag der Arbeitsaufnahme beginnt. Es kommt nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung an.19 Scheidet der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte des Kalenderjahres oder vor erfüllter Wartezeit aus, so hat er nur einen Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, § 5 Abs. 1 lit. b und c BUrlG. Das Gleiche gilt für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt, § 5 Abs. 1 lit. a BUrlG. Scheidet er jedoch nach Erfüllung der Wartezeit in der zweiten Jahreshälfte aus, so hat er Anspruch auf den vollen gesetzlichen Jahresurlaub20 Wird das Arbeitsverhältnis daher am 1.7. eines Jahres begründet,21 oder zum 30.6. eines Jahres beendet,22 kann der Arbeitnehmer in diesem Jahr keinen Vollurlaubsanspruch mehr erwerben.

10 EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06, C-520/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. St. Rspr. seit BAG v. 28.1.1982 – 6 AZR 571/79, DB 1982, 1065; v. 18.3.2003, AP BUrlG § 3 Rechtsmißbrauch Nr. 17. 11 BAG v. 6.5.2014 – 9 AZR 678/12, NZA 2014, 959; einschränkend jedoch EuGH v. 20.7.2016 – Rs. C341/15, NZA 2016, 1067 – Maschek. 12 BAG v. 13.11.1985 – 4 AZR 269/84, NZA 1986, 437; v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NJW 2012, 634. 13 BAG v. 12.3.2013 – 9 AZR 532/11, NZA 2013, 678; v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10, NZA 2012, 326; jetzt aber Vorlagebeschluss an den EuGH vom 18.10.2016 – 9 AZR 196/16, PM 55/2016. 14 EuGH v. 12.6.2014 – Rs. C-118/13, NZA 2014, 651 – Bolacke. 15 BAG v. 18.10.2016 – 9 AZR 196/16 (A), PM 55/16. 16 BAG v. 22.9.2015 – 9 AZR 170/14, NZA 2016, 37. 17 EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06, C-520/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. 18 BAG v. 25.2.1988 – 8 AZR 596/85, NZA 1988, 607. 19 Eine nur kurze Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses kann unschädlich sein, BAG v. 20.10.2015 – 9 AZR 224/14, NZA 2016, 159; Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 525. 20 BAG v. 20.1.2009 – 9 AZR 650/07, AP Nr 91 zu § 7 BUrlG Abgeltung; v. 14.3.1989 – 8 AZR 435/87, DB 1989, 1730. Zur Zwölftelung durch Tarifvertrag BAG v. 9.8.2016 – 9 AZR 51/16, NZA-RR 2016, 615, Rz. 14 ff. 21 BAG v. 17.11.2015 – 9 AZR 179/15, NZA 2016, 309; Anm. Arnold, FD-ArbR 2016, 376053. 22 BAG v. 17.11.2015 – 9 AZR 179/15, NZA 2016, 309; Anm. Arnold, FD-ArbR 2016, 376053.

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Urlaub

Rz. 8 Kap. 14

Bei Teilzeit ist der Urlaub pro rata zu zahlen, bei einem Wechsel auf eine Teilzeit mit weniger Wochentagen muss der Urlaub aus der Vollzeit aber noch in vollen Arbeitstagen gewährt werden.23 Auch bei einem Wechsel von Teilzeit in Vollzeit ist der Urlaub für jeden Zeitraum gesondert zu berechnen.24

6

Der Urlaubsanspruch ist grundsätzlich an das Kalenderjahr gebunden, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG.25 Er erlischt daher mit dem Ende des Urlaubsjahres, sofern er nicht vom Arbeitnehmer so rechtzeitig geltend gemacht wird, dass er noch vorher vom Arbeitgeber erfüllt werden kann.26 Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Betriebliche Gründe sind Umstände wie die Auftragslage, vorrangige Urlaubswünsche (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG) oder krankheitsbedingte Fehlzeiten anderer Arbeitnehmer, Betriebsorganisation, Arbeitsablauf etc. Liegt einer der genannten Gründe vor, wird der Urlaubsanspruch kraft Gesetzes, also ohne eine Erklärung der Beteiligten, auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen, § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG.27 Allerdings ist umstritten, ob aus unionsrechtlichen Gründen28 der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer im laufenden Jahr Urlaub „aufzuzwingen“ mit der Folge, dass der Urlaub anderenfalls möglicherweise nicht verfällt. Der 9. Senat des BAG hat dem EUGH die Frage vorgelegt.29

7

Für den Fall, dass der Arbeitnehmer aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit den Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres nicht nehmen konnte, widerspricht das Fristenregime des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG jedoch europarechtlichen Grundsätzen, so dass bei Langzeiterkrankten der gesetzliche Mindesturlaub entgegen dem Wortlaut auch über den 31.3. des Folgejahres hinaus nicht verfällt,30 sondern erst 15 Monate nach dem Ende des Kalenderjahres.31 Das soll auch gelten, wenn der Arbeitnehmer mit dem Ende des Übertragungszeitraums aus-

8

23 EuGH v. 13.6.2013 – Rs. C-415/12 – Brandes, NZA 2013, 775: Regelungen, die die Zahl der Tage des bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, in dem Verhältnis kürzen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit reduziert hat, widersprechen dem Unionsrecht; BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14, NZA 2015, 1005, Rz. 15 – danach gilt das wohl unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer den Urlaub hätte nehmen können oder nicht; s. auch EUGH v. 22.4.2010 – Rs. C-486/08, NZA 2010, 557 – Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols. Dazu Weigert/Zeising; NZA 2016, 862; Schönhöft/Oelze, NZA 2016, 868. 24 EUGH v. 11.11.2015 – Rs. C-219/14, NZA 2015, 1501, Rz. 32, 35 – Greenfield. 25 Eine Urlaubsgewährung im Vorgriff auf das nächste Urlaubsjahr ist daher ebenso unzulässig wie eine Anrechnung zu viel gewährter Freizeit des Vorjahres auf den Urlaubsanspruch des nächsten Jahres, BAG v. 11.7.2006 – 9 AZR 535/05, AuA 2007, 52. 26 BAG v. 18.9.2001 – 9 AZR 570/00, NZA 2002, 895. 27 Die Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer Urlaub ohne Rücksicht auf das Bestehen gesetzlicher oder tariflicher Übertragungsgründe auch während des gesamten Folgejahres beanspruchen kann. Eine derartige Übertragungsregelung kann auch Gegenstand einer betrieblichen Übung sein (BAG v. 21.6.2005, NZA 2006, 232). 28 Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). 29 BAG v. 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A), ZAT 2016, 209. 30 EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06, C-520/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135, Im Hinblick auf übergesetzlich gewährten Urlaub kann der Arbeitgeber abweichende Regelungen treffen, vgl. unten Rz. 29. 31 BAG v. 22.9.2015 – 9 AZR 170/14, NZA 2016, 37; v. 12.11.2013, AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 100; v. 15.10.2013, AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 102, Rz. 11; v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216. Dazu Thüsing/Pötters/Stiebert, RdA 2012, 281, 286; ErfK/Gallner, § 7 BUrlG Rz. 34. Siehe auch Lingemann/Sy, KrV 2012, 106, 108; Bauer/von Medem, NZA 2012, 113, 115. Dasselbe Fristenregime – 15

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Kap. 14 Rz. 9

Urlaub

scheidet.32 Für tariflichen Mehrurlaub können tarifvertraglich eigenständige Regelungen und Fristen zur Übertragung und zum Verfall bei anhaltender Arbeitsunfähigkeit getroffen werden.33 9

Bei Wiedergenesung muss der Arbeitnehmer seine (uU kumulierten) Urlaubsansprüche soweit möglich im laufenden Kalenderjahr geltend machen. Anderenfalls verfallen diese nach den allgemeinen Regeln des § 7 Abs. 3 BUrlG.

10

Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, muss er dies mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachweisen, wenn er sich den Anspruch auf die ausgefallenen Urlaubstage erhalten möchte (§ 9 BUrlG).34

11

Auch während des gesetzlichen Mutterschutzes (vgl. § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG) kann der Urlaubsanspruch nicht erfüllt werden. Gemäß § 17 Satz 2 MuSchG wird der Urlaubsanspruch vollständig in das Folgejahr übertragen. Dies gilt auch bei individuellen ärztlichen (§ 3 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 MuSchG) und arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsverboten (§ 4 MuSchG).35

12

Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung lässt das BAG auch eine Übertragung des Urlaubs über mehrere Elternzeiten hinweg zu.36

13

Die Erklärung des Arbeitgebers, er gewähre einem Arbeitnehmer Erholungsurlaub, ist im Regelfall Erfüllungs-, nicht aber Verpflichtungshandlung. Es kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden, dass der Arbeitgeber durch die Zusicherung von Urlaub bereits verfallene Urlaubsansprüche neu begründen möchte.37

14

Voraussetzung für die Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber ist der Urlaubsantrag und damit ein Leistungsverlangen des Arbeitnehmers.38 Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen (§ 7 Abs. 1 BUrlG). Urlaub wird meist auf Formularen beantragt und bewilligt (M 14.1, M 14.2), auch individuelle Schreiben kommen jedoch vor. Entspricht der Arbeitgeber dem Verlangen nicht, kommt eine einstweilige Verfügung und/oder Leistungsklage in Betracht39 (M 14.6). Eine Selbstbeurlaubung40 oder eigenmächtige Urlaubsverlängerung41 hingegen gibt – jedenfalls nach Abmahnung – dem Arbeitgeber ein Recht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB.

32 33 34

35 36 37 38 39 40 41

Monate – gilt bei gem. § 17 Abs. 2 BEEG übertragenem Urlaubsanspruch, BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433, Anm. Arnold, ArbRAktuell 2016, 168. BAG v. 15.10.2013 – 9 AZR 302/12, AP BurlG § 7 Abgeltung Nr. 102. BAG v. 20.1.2015, NZA-RR 2015, 399; v. 5.8.2014 – 9 AZR 77/13, NZA 2015, 625; v. 18.2.2014, ArbRAktuell 2014, 416; v. 12.11.2013 – 9 AZR 551/12, NZA 2014, 383, Rz. 10, 12; v. 12.3.2013 – 9 AZR 292/11, NZA 2014, 51. Die Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer Urlaub ohne Rücksicht auf das Bestehen gesetzlicher oder tariflicher Übertragungsgründe auch während des gesamten Folgejahres beanspruchen kann. Eine derartige Übertragungsregelung kann auch Gegenstand einer betrieblichen Übung sein, BAG v. 21.6.2005, NZA 2006, 232. LAG Rh.-Pf. v. 29.1.2009 – 11 Sa 547/08. BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 219/07, NZA 2008, 1237: Übertragung des Urlaubsanspruchs bei zweiter Elternzeit gem. § 17 Abs. 2 BErzGG (jetzt: BEEG) in das Folgejahr. BAG v. 12.11.2013 – 9 AZR 551/12, NZA 2014, 383, Rz. 14 m. Anm. Schuster, ArbR 2014, 128. BAG v. 15.9.2011 – 8 AZR 846/09, NZA 2012, 377; v. 28.11.1990, NZA 1991, 423; aA LAG BerlinBrandenburg v. 12.6.2014 – 21 Sa 221/14, DB 2014, 2114. Vgl. Corts, NZA 1998, 357. LAG Hamm v. 17.10.2007 – 2 Sa 43/07, NZA-RR 2008, 294; Lingemann, Kündigungsschutz, S. 220. LAG Düsseldorf v. 26.3.1985 – 3 Sa 1688/84, NZA 1985, 779; Lingemann, Kündigungsschutz, S. 220.

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Urlaub

Rz. 17 Kap. 14

Im gekündigten Arbeitsverhältnis ist der Urlaub bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu beantragen und zu gewähren, es sei denn, überwiegende Interessen des Arbeitnehmers stehen ausnahmsweise entgegen.42 Durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben wird nur dann wirksam Urlaub gewährt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.43

15

Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat regelmäßig nicht die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zum Inhalt.44 Die Ungewissheit, ob das Arbeitsverhältnis im Urlaubsjahr fortbestanden hat, ist kein gesetzlicher Übertragungsgrund iSv. § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG. Der Arbeitnehmer sollte Urlaubsansprüche daher auch im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses rechtzeitig geltend machen, um einen möglichen Verfall gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG abzuwenden.45 Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ungerechtfertigt, resultieren aus dem Verfall von Urlaubsansprüchen nach bisheriger Rechtsprechung keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gemäß §§ 280 Abs. 1, 283 Satz 1, 286 Abs. 1 Satz 1, 287 Satz 2 BGB, da eine Kündigung keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Arbeitgebers im Hinblick auf die Erfüllung von Urlaubsansprüchen ist.46 Hier deutet sich jedoch eine Rechtsprechungsänderung an, so dass zukünftig damit zu rechnen sein wird, dass Schadensersatzansprüche entstehen können.47 Will er dies vermeiden, sollte der Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung dem Arbeitnehmer vorsorglich Urlaub gewähren oder unbedingt zusagen.

16

Ein Anspruch auf Urlaub besteht nicht, soweit dem Arbeitnehmer bereits für das laufende Kalenderjahr von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt wurde, § 6 Abs. 1 BUrlG. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für eine solche Anrechnung nicht vorliegen, trägt der der Arbeitnehmer, wobei die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten.48 Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer eine Urlaubsbescheinigung (M 14.3) auszustellen, die über bereits gewährten oder abgegoltenen Urlaub Rechenschaft gibt, § 6 Abs. 2 BUrlG. Zweck der Bescheinigung ist es sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer den ihm im Kalenderjahr zustehenden Urlaub nicht doppelt beansprucht. Kürzen kann den Urlaubsanspruch allerdings nur der neue Arbeitgeber, nicht der alte.49 Der Arbeitnehmer kann die Urlaubsbescheinigung gegen seinen alten Arbeitgeber auch gerichtlich durchsetzen. Ist der alte Arbeitgeber mit der Erteilung im Verzug, schuldet er ggf. Schadensersatz.50

17

42 Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers durch Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllen. Seine Erklärung muss dazu aber hinreichend deutlich erkennen lassen, dass durch die Freistellung der Urlaubsanspruch erfüllt werden soll, BAG v. 17.5.2011 – 9 AZR 189/ 10, NZA 2011, 1032. Die Erklärung muss sich auf einen künftigen Zeitraum beziehen, eine nachträgliche Festlegung von Zeiten, während denen der Arbeitnehmer schon aus anderen Gründen freigestellt war, ist nicht möglich, BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 934/06, NZA 2008, 473; ebenso bereits BAG v. 1.10.1991 – 9 AZR 290/90, AP § 7 BurlG Nr. 12 = DB 1992, 1992. 43 BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 455/13, NZA 2015, 998, Rz. 21: Für die Gewährung von Urlaub ist es nicht nur erforderlich, dass der Arbeitnehmer von der Arbeit freigestellt wird, sondern auch dass die Freistellung von der Arbeit bezahlt ist. 44 BAG v. 18.9.2001 – 9 AZR 571/00; zuletzt BAG v. 13.12.2011, AP BUrlG § 7 Nr. 57. 45 BAG v. 18.9.2001 – 9 AZR 570/00, NZA 2002, 895. 46 BAG v. 13.12.2011 – 9 AZR 420/10, AP BUrlG § 7 Nr. 57. 47 Vgl. BAG v. 13.12.2011, AP BUrlG § 7 Nr. 57; in diese Richtung BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 956/11, NZA 2014, 545, das Urteil äußert sich zum Schadensersatz, nicht aber zum Verfall. 48 BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 295/13, NZA 2015, 827. 49 BAG v. 28.2.1991 – 8 AZR 196/90, DB 1991, 1987. 50 Geht ein Betrieb in die Insolvenz über, so hat der Erwerber für die Erfüllung der bestehenden Urlaubsansprüche einzutreten, wobei diese Verpflichtung auch übertragene Urlaubsansprüche sowie Ansprüche auf Ersatz für verfallenen Urlaub umfasst, BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2004, 651.

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Kap. 14 Rz. 18

Urlaub

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In einem vom Arbeitgeber unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis bleiben die Urlaubsansprüche während des Kündigungsschutzprozesses bestehen und der Arbeitnehmer muss sie geltend machen, damit sie nicht verfallen (s. Rz. 16). Die Urlaubsansprüche verfallen auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. In entsprechender Anwendung von § 11 KSchG und § 615 BGB muss der Arbeitnehmer sich jedoch die Urlaubszeiten anrechnen lassen, die ihm bereits vom neuen Arbeitgeber gewährt wurden.51 Dies soll zumindest dann gelten, wenn der Arbeitnehmer nicht gleichzeitig seine arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber dem alten und neuen Arbeitgeber hätte erfüllen können, da der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses nicht besser oder schlechter gestellt werden soll, als wenn keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden hätte.52

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Als finanzielle Leistungen während des Urlaubs kommen Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld in Betracht, und an Stelle des Urlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Urlaubsabgeltung:

20

Während des Urlaubs ist als Vergütung das Urlaubsentgelt zu zahlen. Es bemisst sich gemäß § 11 Abs. 1 BUrlG nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat (Referenzprinzip).53 Der Arbeitnehmer ist also aufgrund einer hypothetischen Betrachtungsweise so zu stellen, wie er für gewöhnlich bei tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung stünde.54 Nach Vorgaben des EuGH müssen als Urlaubsentgelt solche Lohnbestandteile gewährt werden, die untrennbar mit der Arbeitsleistung verbunden sind.55 Die Berechnungsformel bei einer Sechs-Tage-Woche lautet: Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsbeginn (abzüglich Mehrarbeitsvergütung), geteilt durch 78 Arbeitstage = Urlaubsentgelt je Urlaubstag. Bei der Fünf-TageWoche ist der Divisor 65. Bei Teilzeittätigkeit empfiehlt sich eine Berechnung auf Stundenbasis; das gilt auch bei flexibel variabler Arbeitszeit, wobei sich das Urlaubsentgelt dort nach den tatsächlich infolge der Urlaubsgewährung ausgefallenen Stunden bestimmt.56 Ist eine tarifliche Mehrarbeitszulage vom tatsächlich geleisteten Monatssoll abhängig, so steht die Urlaubszeit nicht der tatsächlichen Arbeitsleistung gleich.57 Eine solche Mehrarbeitszulage wird somit im Urlaub nicht gezahlt. Auch wenn ein Tarifvertrag den Urlaubsanspruch auch an Mehrarbeitsstunden knüpft, gilt das nicht, soweit Mehrarbeit durch Freizeit ausgeglichen wird.58 51 BAG v. 21.2.2012 – 9 AZR 487/10, NZA 2012, 793. 52 BAG v. 21.2.2012 – 9 AZR 487/10, NZA 2012, 793. 53 Mindestens geschuldet ist der Mindestlohn, BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 191/14. Die Tarifvertragsparteien dürfen für die Bemessung des Urlaubsentgeltes allerdings auch den konkreten Lohnausfall heranziehen. Ebenso dürfen sie regeln, dass Urlaubsentgelt nach dem Durchschnitt der letzten vor der Urlaubsgewährung abgerechneten zwölf Kalendermonate zu bemessen ist. Das gilt auch für den gesetzlichen Mindesturlaub. Die Tarifparteien dürfen dem Arbeitgeber auch die Auswahl zwischen beiden Berechnungsmethoden überlassen. Bei der Ausübung dieses Wahlrechts hat der Betriebsrat dann allerdings ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 535/ 01, NZA 2003, 1219. 54 Pötters/Stiebert, NJW 2012, 1034, 1036. 55 EuGH v. 15.9.2011 – Rs. C-155/10 – Williams, NZA 2011, 1167. Der EuGH argumentiert, dass finanzielle Leistungen, die in einem „inneren Zusammenhang“ mit der arbeitsvertraglich zu erfüllenden Tätigkeit stehen, Teil der regelmäßigen Vergütung sind. Daraus lässt sich schließen, dass solche Zuschläge für Arbeitsleistungen, zu denen sich der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet hat (wie Flugzeitzulagen, Schichtzulagen oder Prämien), als Teil des Urlaubsentgelts zu vergüten sind, Zuschläge für zusätzlich erbrachte Leistungen wie idR Überstunden hingegen nicht, Pötters/Stiebert, NJW 2012, 1034, 1036. 56 BAG v. 7.7.1988 – 8 AZR 472/86 u. 198, 199, 242/88, DB 1988, 1498, 2315. 57 BAG v. 11.6.2008 – 5 AZR 389/07, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 19. 58 BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 611/14, NZA 2016, 772.

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Urlaub

Rz. 26 Kap. 14

Die Tarifvertragsparteien dürfen gemäß § 13 Abs. 1 BurlG auch zum Nachteil der Arbeitnehmer von den Bemessungsregelungen des § 11 Abs. 1 BUrlG abweichen. Es muss jedoch sicher gestellt bleiben, dass der Arbeitnehmer während des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 3 Abs. 1 BurlG) so viel Entgelt erhält, wie er bei Weiterarbeit ohne Urlaubsgewährung erhalten hätte. Entgegenstehende tarifliche Regelungen sind unwirksam.59

21

Fällig ist das Urlaubsentgelt vor Antritt des Urlaubs, § 11 Abs. 2 BUrlG.

22

Davon zu unterscheiden ist das Urlaubsgeld, das eine Sonderleistung des Arbeitgebers aus Anlass des Urlaubs darstellt60 (dazu Kap. 12 Rz. 26 ff.) und daher zB auch Stichtagsregelungen unterfallen kann.61

23

Wenn Urlaub nicht verfällt, weil er krankheitsbedingt nicht genommen werden kann (s. Rz. 8), wird auch der Anspruch auf Urlaubsgeld für die zurückliegenden Jahre nicht fällig. Das Urlaubsgeld ist erst zu zahlen, wenn Urlaub nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit gewährt wird oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub abgegolten wird.62

24

Urlaubsabgeltung (M 14.7) ist nur zu leisten, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, § 7 Abs. 4 BUrlG.63 Die bisherige Rechtsprechung des BAG sah den Urlaubsabgeltungsanspruch als ein Surrogat des Urlaubsanspruchs und nicht als einen Abfindungsanspruch an und lehnte in der Folge einen Urlaubsabgeltungsanspruch ab, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und danach bis zum Ende des Übertragungszeitraumes arbeitsunfähig krank war.64 Der EuGH hält demgegenüber Regelungen im nationalen Recht für europarechtswidrig, „nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte“.65

25

Das BAG folgt dem EuGH unter Aufgabe der Surrogationstheorie, so dass die Fristen des § 7 Abs. 3 Satz 1, 3 und 4 BUrlG auch für den Abgeltungsanspruch nicht mehr gelten.66 Der Anspruch wird mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig67 (vgl. § 271 Abs. 1 BGB) und unterliegt, da es sich um einen reinen Geldanspruch handelt, tariflichen und vertraglichen Ausschlussfristen68, die auch in einem Formularvertrag geregelt sein können.69 Auf den bereits entstandenen Abgeltungsanspruch kann der Arbeitnehmer auch verzichten.70

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59 BAG v. 15.12.2009 – 9 AZR 887/08, AuR 2010, 48. 60 Verweist ein Arbeitsvertrag für den Urlaub auf die Geltung einer tariflichen Regelung, so umfasst dies regelmäßig eine Bezugnahme auf den gesamten Regelungskomplex „Urlaub“, wozu dann ggf. auch ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld gehört, BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923. 61 BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136. 62 BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 477/07, DB 2009, 2051. 63 Vgl. auch BAG v. 14.3.2006 – 9 AZR 312/05, DB 2007, 465. Beginnt für den Arbeitnehmer in Altersteilzeit die Blockfreizeit, so bedeutet dies nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, BAG v. 15.3.2005, DB 2005, 1858. 64 BAG v. 21.6.2005 – 9 AZR 200/04, EzA § 7 BUrlG Nr. 114; v. 10.5.2005 – 9 AZR 253/04, EzA § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 13; v. 13.5.1982 – 6 AZR 360/80, BAGE 39, 53, Rz. 46. 65 EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06, C-520/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135. 66 BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 652/10, NZA 2012, 1087. Dazu Niemann, ArbR 2012, 495. Kritisch ErfK/ Gallner, § 7 BUrlG Rz. 79 f. 67 BAG v. 8.4.2014 – 9 AZR 550/12, NZA 2014, 852. 68 BAG v. 8.4.2014 – 9 AZR 550/12, NZA 2014, 852; v. 10.12.2013, NZA 2014, 1104; v. 10.12.2013, NZA 2014, 1104; v. 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216; v. 13.12.2011 – 9 AZR 399/10, NZA 2012, 514; v. 9.8.2011 – 9 AZR 365/10, NZA 2011, 1421. 69 BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 295/13, NZA 2015, 827. 70 BAG v. 14.5.2013 – 9 AZR 844/11, NZA 2013, 1098.

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Kap. 14 Rz. 27

Urlaub

27

Der Urlaubsabgeltungsanspruch kann jedoch nur in dem Umfang geltend gemacht werden, wie auch ein Urlaubsanspruch bestanden hätte.71 Dieser verfällt zum Ende des Übertragungszeitraumes (s. Rz. 7); danach kommt nur noch ein Schadensersatzanspruch in Betracht, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt (§ 275 Abs. 1, Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 BGB), oder wenn der Arbeitgeber den Urlaub während des Kündigungsrechtsstreits nicht gewährt und die Kündigung unwirksam ist.72 Kann der Urlaub aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden, beträgt der Übertragungszeitraum nunmehr 15 Monate (s. Rz. 8), erst mit deren Ablauf verfällt er.73 Die Aufgabe der Surrogationstheorie führt auch dazu, dass der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch für die Elternzeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gemäß § 17 Abs. 1 BEEG kürzen kann74 (s. M 17.5).

28

Die Höhe der Abgeltung entspricht dem Urlaubsentgelt, das im Falle der Urlaubsgewährung hätte gezahlt werden müssen. Auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs (§§ 1, 3 BUrlG) unabdingbar (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Bruchteile von Arbeitstagen werden ab einem halben Urlaubstag aufgerundet und vollständig (§ 5 Abs. 2 BUrlG), Bruchteile unterhalb einem halben Arbeitstag anteilsmäßig abgegolten.75

29

Die Unabdingbarkeit und die strengen Regeln für den Verfall gelten nur für den gesetzlichen Mindesturlaub.76 Für übergesetzlichen Urlaub (Mehrurlaub) können die Parteien andere Verfallsregelungen vereinbaren. Es muss allerdings ein klarer Regelungswille der Parteien dahingehend erkennbar sein, zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen unterscheiden zu wollen.77 Für den Arbeitgeber ist es daher ratsam, zukünftig eine Unterscheidung von gesetzlichem Mindesturlaub und übergesetzlichem Urlaub vorzunehmen und eine entsprechende Verfallsregelung für übergesetzlichen Urlaub zu treffen (M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.).

30

In der Praxis kann sich die Frage stellen, ob vorrangig der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch oder der zusätzlich gewährte Urlaub abgegolten wird, wenn der Arbeitgeber insofern keine Tilgungsbestimmung getroffen hat. Von Bedeutung ist dies vor allem dann, wenn hinsichtlich des zusätzlich gewährten Urlaubs eine kürzere Verfallsfrist vereinbart wurde (s. Rz. 29). Nach der Rechtsprechung soll dann mangels Leistungsbestimmung des Arbeitgebers zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers abgegolten sein.78 Denn § 366 Abs. 2 BGB 71 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216. War der Arbeitnehmer beispielsweise über das gesamte Kalenderjahr 2015 und 2016 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31.3.2017 arbeitsunfähig erkrankt, bestünde ein Abgeltungsanspruch für den nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2015, 2016 und anteilig 2017. Scheidet er hingegen erst zum 31.7.2017 aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist eine Abgeltung für das Kalenderjahr 2015 nicht mehr möglich, da auch der Urlaubsanspruch aufgrund der richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG nach 15 Monaten verfallen gewesen wäre. 72 BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 956/11, NZA 2014, 545; EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-178/15, NZA 2016, 877 – Sobczyszyn. 73 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216. 74 BAG v. 19.5.2015 – 9 AZR 725/13, NZA 2015, 989, Rz. 16 ff., Anm. Arnold, FD-ArbR 2015, 371998, unter Aufgabe von BAG v. 23.4.1996 – 9 AZR 165/95, NZA 1997, 44. 75 BAG v. 26.1.1989 – 8 AZR 730/87, NZA 1989, 756. 76 Vgl. BAG v. 12.11.2013 – 9 AZR 551/12, NZA 2014, 383; v. 12.3.2013, ZTR 2013, 316; v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538; dazu Bauer/Arnold, NJW 2009, 631; Grobys, NJW 2009, 2177 mit Hinweis auf die sozialrechtlichen Folgen. 77 BAG v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810; v. 12.4.2011 – 9 AZR 80/10, NZA 2011, 1050. Die Abweichung ist auch in Tarifverträgen zulässig, BAG v. 19.1.2016 – 9 AZR 507/14. 78 BAG v. 12.1.1989 – 8 AZR 404/87, NZA 1989, 758; v. 22.1.2002 – 9 AZR 601/00, NZA 2002, 1041; ArbG Berlin v. 22.4.2009, NZA-RR 2009, 441.

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Lingemann

Urlaub

Rz. 33 Kap. 14

enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken dahin, dass die Tilgungsreihenfolge nach einem vernünftigen Parteiwillen zu erfolgen habe. Aufgrund seiner Unabdingbarkeit sei der gesetzliche Mindesturlaub daher vorrangig abzugelten.79 Es empfiehlt sich, vorsorglich entweder schon im Arbeitsvertrag oder bei Bewilligung des Urlaubs deutlich zu machen, auf welchen Teil des Urlaubsanspruchs geleistet werden soll (M 2.1a Ziff. 7 m. Anm.). Bei der Urlaubsgewährung ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zu beachten, soweit allgemeine Urlaubsgrundsätze festgelegt oder Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Gewährung des Urlaubs bestehen. Obwohl es sich bei dem Urlaubsanspruch um einen Individualanspruch des einzelnen Arbeitnehmers handelt, entscheidet bei Streitigkeiten über die Lage des Urlaubs die Einigungsstelle, § 87 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BetrVG. Vereinbart der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung, Betriebsferien einzuführen, so steht diese individuellen Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer entgegen.80 In einem betriebsratslosen Betrieb kann der Arbeitgeber Betriebsferien kraft des ihm obliegenden Direktionsrechtes einführen; erst dann treten individuelle Urlaubswünsche gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG zurück.81 Mindestens die Hälfte des Urlaubsanspruchs muss den Arbeitnehmern jedoch zur freien Verfügung stehen.82 Den Urlaub des kommenden Jahres können die Parteien nicht im Vorgriff für Betriebsferien nutzen.

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Ist ein Arbeitnehmer während der Betriebsferien krank, so kann er den Urlaub später nachholen. Entgegenstehende Regelungen sind unwirksam.83

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Das Verhältnis zwischen Kurzarbeit und Urlaub ist noch nicht vollständig geklärt. Wird in einem Betrieb durch eine Betriebsvereinbarung „Kurzarbeit null“ eingeführt, ruht das Arbeitsverhältnis und die gegenseitigen Leistungspflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden suspendiert. Nach der Rechtsprechung des BAG entstehen auch in ruhenden Arbeitsverhältnissen Urlaubsansprüche.84 Nach dem EuGH ist die Einführung von Kurzarbeit jedoch eher mit einem Wechsel von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis vergleichbar, so dass die Verringerung der Wochenarbeitstage auf null eine entsprechende vollständige Reduzierung der Urlaubstage mit sich brächte. Danach soll zumindest in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis aufgrund von „Kurzarbeit Null“ ruht, eine Kürzung der Urlaubsvergütung auf null zulässig sein.85 Sollen Arbeitnehmer, denen Urlaub gewährt wurde, von der Kurzarbeit ausgenommen werden, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen, so empfiehlt es sich, dies in der Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit ausdrücklich festzulegen. In der Betriebsvereinbarung kann auch bestimmt werden, dass der Jahresurlaub auf Tage der Kurzarbeit angerechnet werden soll.86 Dann ist für die angerechnete Zeit das Urlaubsentgelt zu leisten.

33

79 So auch Leinemann/Linck, § 7 BUrlG Rz. 15; HWK/Schinz, § 7 BUrlG Rz. 14; Krieger/Arnold, NZA 2009, 530, 533. 80 BAG v. 28.7.1981 – 1 ABR 79/79, AP BetrVG 1972 § 87 Urlaub Nr. 2 = NJW 1982, 959. 81 LAG Düsseldorf v. 20.6.2002 – 11 Sa 378/02, BB 2003, 156; zweifelnd: HWK/Schinz, § 7 BUrlG Rz. 28: Mangels Verhandlungsparität der Parteien oder der Vermittlung eines unparteiischen Einigungsstellenvorsitzenden gebe es keine Vermutung für die betriebliche Notwendigkeit iSd. § 7 Abs. 1 BUrlG; ablehnend zum Direktionsrecht: MünchArbR/Düwell, § 78 Rz. 46. 82 HWK/Schinz, § 7 BUrlG Rz. 28. 83 EuGH v. 10.9.2009 – Rs. C-277/08, NZA 2009, 1133 – Vicente Perdeda; vorher schon LAG Niedersachsen v. 21.11.2008 – 10 Sa 289/08. 84 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216; ebenso zum unbezahlten Sonderurlaub BAG v. 6.5.2014 – 9 AZR 678/12, NZA 2014, 959. 85 EuGH v. 8.11.2012 – Rs. C-229/11, C-230/11, NZA 2012, 1273 – Heimann und Toltschin; ErfK/Gallner, § 3 BUrlG Rz. 23; Leinemann/Linck, § 3 BUrlG Rz. 62; aA Groeger, ArbRB 2010, 119, 120 mwN, wonach die Einführung von Kurzarbeit keine Auswirkungen auf den Anspruch auf Erholungsurlaub haben soll. 86 BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 164/08, NZA 2009, 689.

Lingemann

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Kap. 14 Rz. 34 34

Urlaub

M 14.1

Im Fall der Insolvenz wird der Insolvenzverwalter Schuldner des Freistellungsanspruchs. Für die mit dem Urlaub zusammenhängenden Zahlungsansprüche, also Urlaubsgeld, Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung, gelten die §§ 35 ff. InsO.

II. Muster M 14.1

Urlaubsantrag und -bewilligung (Formular)

Name: … Vorname: … Anschrift: … Personalnummer: … Antrag auf Bewilligung von Urlaub von … bis … Urlaubsanschrift:1 … Zur Kenntnisnahme von Meister/Abteilungsleiter Betriebsleiter Urlaub bewilligt von … bis …2 abgelehnt, weil3 … 1 Abgesehen von § 5 Abs. 2 EFZG (Erkrankung im Ausland) ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, seine Urlaubsanschrift mitzuteilen, BAG v. 16.12.1980 – 7 AZR 1148/78, DB 1981, 999. Während der Urlaubsabwesenheit an die Heimatadresse geschickte Willenserklärungen des Arbeitgebers (zB eine Kündigung) gehen dem Arbeitnehmer dennoch grundsätzlich wirksam zu (vgl. BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22). Jedoch besteht in diesen Fällen die Möglichkeit einer nachträglichen Zulassung der Klage gem. § 5 KSchG. 2 Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nur durch eine unwiderrufliche Befreiung von der Arbeitspflicht. Hierzu genügt es, wenn der Arbeitgeber hinreichend deutlich erklärt, dass die Arbeitsbefreiung zur Erfüllung des noch offenen Urlaubsanspruchs erfolgt, BAG v. 14.3.2006 – 9 AZR 11/05, ArbRB 2006, 291. 3 Der Arbeitgeber kann nicht beliebig oder nach billigem Ermessen, sondern nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Halbs. 2 BUrlG den Urlaub auf einen anderen als den vom Arbeitnehmer gewünschten Termin legen. Verweigert der Arbeitgeber den Urlaub ohne ausreichenden Grund, kann der Arbeitnehmer Leistungsklage auf „Gewährung von Urlaub vom … bis …“ erheben. In Betracht kommt auch eine einstweilige Verfügung, wenn sonst der Urlaubsanspruch wegen Zeitablaufs nicht durchgesetzt werden kann. Dies gilt, obwohl die einstweilige Verfügung zur Vorwegnahme der Hauptsache führt, da der Anspruch endgültig erfüllt wird (im Einzelnen M 14.6).

652 Lingemann

M 14.3

M 14.2

Urlaub

Kap. 14

Ausführliche Bewilligung von bezahltem und unbezahltem Urlaub (Brief)

Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, auf Ihren Antrag vom … wird Ihnen Erholungsurlaub für die Zeit vom … bis … bewilligt.1 [Evtl.: Dabei handelt es sich in der Zeit vom … bis … um gesetzlichen Urlaub und in der Zeit vom … bis … um darüber hinaus gehenden übergesetzlichen Urlaub.]2 Ferner wird Ihnen unbezahlter Urlaub für die Zeit vom … bis … bewilligt. Es besteht Einigkeit darüber, dass der unbezahlte Urlaub anderen als Erholungszwecken dient. Für den Zeitraum des unbezahlten Urlaubs ruht das Arbeitsverhältnis. Ihr erster Arbeitstag nach dem Urlaub ist am …3 Erkranken Sie während des Urlaubs, so müssen Sie die Erkrankung unverzüglich unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung der Firma anzeigen. Dauert die Erkrankung länger als in der ärztlichen Bescheinigung angegeben, so ist eine neue zu übersenden. Der Urlaub verlängert sich nicht um die in der ärztlichen Bescheinigung angegebenen Tage. Vielmehr wird der Urlaub durch eine Erkrankung unterbrochen. Der Resturlaub muss neu beantragt und erteilt werden. Mit freundlichen Grüßen … 1 Der Arbeitgeber kann das Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers auch dadurch erfüllen, dass er ihm das Recht einräumt, die konkrete Lage des Urlaubs innerhalb eines bestimmten Zeitraums, namentlich der Kündigungsfrist, selbst zu bestimmen. Widerspricht der Arbeitnehmer nicht unverzüglich, so kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer die Urlaubszeit innerhalb dieser Frist selbst festlegt. Ein späteres Urlaubsabgeltungsverlangen wäre dann rechtsmissbräuchlich (vgl. BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, DB 2006, 2583). 2 Die Differenzierung ist sinnvoll, wenn der Arbeitgeber vermeiden will, dass bei Langzeiterkrankung Resturlaubsansprüche über den 31.3. des Folgejahres hinaus bis zum 31.3. des übernächsten Jahres geltend gemacht werden können, denn dieser erweiterte Zeitraum gilt nur für den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub, vgl. Rz. 29. 3 Im Zusammenhang mit dem Urlaub ausländischer Arbeitnehmer finden sich gelegentlich Klauseln, dass das Arbeitsverhältnis als beendet gilt, wenn der Arbeitnehmer nicht pünktlich aus dem Urlaub zurückkehren sollte. Solche Bedingungen sind unwirksam (BAG v. 25.6.1987 – 2 AZR 541/86, NZA 1988, 391).

M 14.3

Urlaubsbescheinigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Herr/Frau … war im Urlaubsjahr … von … bis … bei uns beschäftigt. Gemäß Tarifvertrag …/Arbeitsvertrag beträgt der gesamte Jahresurlaub … Arbeitstage. Für das Urlaubsjahr … wurden … Tage gewährt und … Arbeitstage abgegolten. Das sind …/12 des gesamten Jahresurlaubs. … (Unterschrift)

Lingemann

653

Kap. 14

M 14.4

Urlaub

M 14.4

Antrag auf Übertragung des Teilurlaubs vor Erfüllung der Wartezeit in das Folgejahr

Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, am … habe ich mein Arbeitsverhältnis bei Ihnen begonnen. Ich beantrage, meinen Anspruch auf Teilurlaub gemäß § 5 Abs. 1 lit. a BUrlG in das Folgejahr zu übertragen. Mit freundlichen Grüßen … Mit der Übertragung sind wir einverstanden. … (Unterschrift)

M 14.5

Erklärung über die Kürzung des Urlaubsanspruches während der Elternzeit nach § 17 Abs. 1 BEEG

Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, im Jahr 20 … hatten sie in der Zeit vom … bis … Elternzeit. Ihr Jahresurlaub1 beträgt … Tage. Gem. § 17 Abs. 1 BEEG wird dieser entsprechend der Anzahl der von Ihnen in Anspruch genommen Monate Elternzeit um …/12 gekürzt, so dass Ihnen ein Jahresurlaubsanspruch von … Tagen für das Jahr 20… verbleibt.2 Mit freundlichen Grüßen 1 § 17 BEEG erfasst den Jahresurlaub unabhängig von der Rechtsgrundlage und bezieht sich damit auch auf Urlaubsansprüche aus vertraglicher oder tarifvertraglicher Grundlage (ErfK-Gallner, 15. Aufl. 2015, § 17 BEEG Rz. 2). 2 Die Kürzung kann nur im laufenden Arbeitsverhältnis erfolgen, nicht mehr nach Beendigung, BAG v. 19.5.2015 – 9 AZR 725/13, NZA 2015, 989, Rz. 16 ff. Anm. Arnold, FD-ArbR 2015, 371998, unter Aufgabe von BAG v. 23.4.1996 – 9 AZR 165/95, NZA 1997, 44.

M 14.6

Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Urlaub

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung2 – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein, ansonsten unter größtmög1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Allgemein zur einstweiligen Verfügung vor dem Arbeitsgericht s. Kap. 107. An die Durchsetzung des Urlaubsanspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung stellen die Gerichte außerordentlich hohe Anforderungen, da regelmäßig die Hauptsache vorweggenommen wird. Die Voraussetzungen der §§ 935, 940

654 Lingemann/Diller

M 14.6

Urlaub

Kap. 14

licher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen – aufgegeben, dem Antragsteller in der Zeit vom … bis zum 31.3. … Urlaub zu gewähren.3

Begründung: Der ASt. ist bei der AGg. seit … als Buchhalter tätig. Gemäß § 7 seines Anstellungsvertrages hat er Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen auf der Basis einer Fünf-Tage-Woche. Zur Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom …, Anlage AS 1 Der ASt. hat im Jahr … lediglich sieben Tage Urlaub genommen. Zur Glaubhaftmachung: Vorlage der Urlaubskarte für …, Anlage AS 2 Ende November … beantragte der ASt. bei der Personalabteilung, ihm den restlichen Urlaub von 23 Arbeitstagen bis zum 31.12. … zu gewähren. Dies wurde jedoch abgelehnt, da unbedingt Arbeiten zum Jahresabschluss gemacht werden müssten, für die der ASt. unverzichtbar sei. Mit Einverständnis des ASt. wurde daraufhin die Übertragung des Resturlaubsanspruchs in das erste Quartal … vereinbart. Die Vereinbarung wurde von der Personalabteilung am … auf Drängen des ASt. schriftlich bestätigt. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben der Personalabteilung vom …, Anlage AS 3 ZPO sind in aller Regel nur dann gegeben, wenn die Urlaubsgewährung für einen im Antrag genannten bestimmten Zeitraum begehrt wird. Ein Verfügungsgrund liegt nicht schon dann vor, wenn wegen des Ablaufs des Urlaubsjahres (31.12.) oder des Übertragungszeitraums (31.3. des Folgejahres) der Verfall der Urlaubsansprüche droht. Denn bei unbegründeter Weigerung des Arbeitgebers, beantragten Urlaub vor Ablauf der Verfallfristen zu gewähren, tritt an die Stelle des Urlaubsanspruchs ein Schadensersatzanspruch, der sich gem. § 249 BGB wiederum auf Freizeitgewährung richtet (BAG v. 7.11.1985, DB 1986, 973 und v. 7.11.1985 – 6 AZR 62/84, DB 1986, 757). Ein endgültiger Verlust von Rechten tritt beim Arbeitnehmer also nicht ein, so dass kein Anlass für den Erlass einer einstweiligen Verfügung besteht (LAG Hamm v. 2.1.1990 – 3 Sa 1900/89, MDR 1990, 657; Baur in Dunkl/Moeller, S. 243). Für einen ausreichenden Verfügungsgrund müssen also weitere Umstände (zB Buchung einer teuren Urlaubsreise) hinzukommen. Aber selbst in solchen Fällen wird das Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung ablehnen, wenn der Arbeitgeber sich auf betriebliche Belange berufen kann, die der Urlaubsgewährung zu dem begehrten Zeitpunkt entgegenstehen, und er sich auch zur Übernahme der Stornierungskosten für die Urlaubsreise bereit erklärt. Dass wegen Überarbeitung oder sonstiger körperlicher Erschöpfung der Urlaub dringend erforderlich ist, mag einen ausreichenden Verfügungsgrund darstellen, wird sich aber nur selten darlegen lassen. 3 Nach hA muss der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch im Wege der Leistungsklage durchsetzen (BAG v. 11.3.1971 – 5 AZR 398/70, AP BUrlG § 10 Schonzeit Nr. 10 ), nicht durch Gestaltungsklage. Macht der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch im ordentlichen Verfahren geltend, muss er keinen bestimmten Zeitraum nennen, sondern kann abstrakt die Verurteilung des Arbeitgebers zur Gewährung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen beantragen. Ein Antrag auf „Gutschrift von Urlaubstagen auf dem Urlaubskonto“ kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber ein solches Konto mit feststehenden Regeln führt (BAG v. 17.11.2015 – 9 AZR 547/14, NZA 2016, 308). Corts (NZA 1998, 358) schlägt vor, statt des Antrags im Muster den Antrag darauf zu richten, dass dem Arbeitnehmer „gestattet wird, von … bis … seiner Tätigkeit fernzubleiben“. Diese Antragstellung bedarf (außer der Zustellung) keiner weiteren Vollstreckung, hat aber den Nachteil, dass die Frage der Vergütungspflicht ebenso offen bleibt wie die Anrechnung der Freistellung auf den Jahresurlaub, so dass Folgeverfahren programmiert sind. Für den einstweiligen Rechtsschutz spielen diese filigranen dogmatischen Überlegungen keine Rolle (aA ArbG Berlin v. 10.12.2014 – 20 Ga 17148/14, AE 2015, 99, wonach der Antrag auf „Gewährung von Urlaub“ im Verfügungsverfahren unzulässig sei, weil eine Vollstreckung nach § 894 ZPO im Verfügungsverfahren nicht möglich sei; richtigerweise sei der Verfügungsantrag auf „Duldung der Abwesenheit“ zu richten). Umstritten ist, auf welche Weise die Vollstreckung eines Titels auf Urlaubsgewährung erfolgt. Nach früherer Auffassung sollte die Vollstreckung nach § 894 ZPO erfolgen (BAG v. 12.10.1961 und v. 19.1.1962, AP Nr. 83, 86 zu § 611 BGB Urlaubsrecht). Dementsprechend galt der Urlaub erst mit Rechtskraft der einstweiligen Verfügung gem. § 894 ZPO als „erteilt“. Nach neuerer Auffassung des BAG (v. 18.12.1986, AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG) ist die Gewährung des Urlaubs durch den Arbeitgeber dagegen eine einseitige Erklärung, so dass nur die Vollstreckung nach § 888 ZPO in Betracht kommt (Baur in Dunkl/Moeller, S. 245; ausf. Corts, NZA 1998, 358).

Diller

655

Kap. 14

Urlaub

M 14.7

Im Februar … beantragte der ASt. daraufhin bei der Personalabteilung, ihm seinen restlichen Urlaubsanspruch von 23 Tagen in der Zeit vom … bis 31.3. … zu gewähren. Die Personalabteilung lehnte dies jedoch ab mit der Begründung, ein anderer Kollege des ASt. sei überraschend ausgefallen. Der Quartalsabschluss per 31.3. … sei nur dann ordnungsgemäß fertig zu stellen, wenn der ASt. auf seinen Urlaubsanspruch verzichte. Stattdessen sei die AGg. bereit, per 31.3. … alle verfallenden Urlaubstage auszuzahlen. Zur Glaubhaftmachung: Vermerk der Personalabteilung vom …, Anlage AS 4 Dem ASt. ist im Januar … mündlich vom Personalleiter zugesichert worden, er könne den Resturlaub im März … nehmen. Zur Glaubhaftmachung: Zeugnis des Personalleiters der AGg., zu laden über diese Der ASt. hat daraufhin für die Zeit vom … bis 31.3. … mit seiner Familie eine Urlaubsreise in die Karibik zum Preis von insgesamt Euro 11 000,– fest gebucht. Müsste er jetzt von der Reise zurücktreten, wäre nach den Bedingungen des Reiseveranstalters der volle Reisepreis verfallen. Zur Glaubhaftmachung: Vorlage der Reisedokumente, Anlagenkonvolut AS 5 … (Unterschrift)4 4 Als Streitwert ist die Höhe der Urlaubsvergütung (Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld) für die Zahl der begehrten Urlaubstage anzusetzen (LAG Bremen v. 22.10.2008, AE 2009, Nr. 232). Der ansonsten bei einstweiligen Verfügungen übliche Abschlag vom Wert der Hauptforderung erscheint nicht angemessen, wenn das Verfügungsverfahren die Hauptsache vorwegnimmt und erledigt.

M 14.7

Klage auf Urlaubsabgeltung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.3. … an den Kläger zu zahlen.2

Begründung: Der Kl. war seit … bei der Bekl. als … tätig. Gemäß § 3 seines Arbeitsvertrages hatte er einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen/Kalenderjahr. Beweis: Arbeitsvertrag vom …, Anlage K 1 Am 27.4. … erlitt der Kl. einen schweren Verkehrsunfall, bei dem er sich lebensgefährliche Verletzungen zuzog. Das Arbeitsverhältnis endete am 30.9. … durch Aufhebungsvertrag. In der Zeit zwischen dem Verkehrsunfall und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Kl. durchgehend als arbeitsunfähig krankgeschrieben. Als der Kl. den Unfall erlitt, hatte er für das Jahr … noch keinen Tag Urlaub genommen.

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3.

656 Diller

Krankheit

Kap. 15

Mit Schreiben vom … forderte der Kl. die Bekl. zur Zahlung von Urlaubsabgeltung auf. Die Bekl. lehnte jedoch jegliche Zahlung ab. Beweis: Ablehnungsschreiben der Bekl. vom …, Anlage K 2 Dem Kl. steht eine Urlaubsabgeltung für 30 Urlaubstage zu. Der Urlaubsanspruch für das Jahr … ist unstreitig entstanden, und zwar trotz der Vertragsbeendigung zum 30.9. … in Höhe der vollen 30 Urlaubstage. § 5 BUrlG sieht nur bei Ausscheiden in den ersten sechs Monaten des Kalenderjahres eine anteilige Kürzung des Gesamt-Urlaubsanspruchs vor, nicht aber bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte. Dass der Kl. fast ein halbes Jahr lang arbeitsunfähig war, hatte auf den Urlaubsanspruch keine Auswirkungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG besteht der Urlaubsanspruch für ein Kalenderjahr sogar dann, wenn der Arbeitnehmer in diesem Jahr keinen einzigen Tag gearbeitet hat. Der Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hat sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.9. … gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Der Anspruch beträgt rechnerisch Euro … (wird ausgeführt …). Die Bekl. hat außergerichtlich eingewendet, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei deshalb nicht gegeben, weil der Kl. durchgehend bis zum 31.3. des Folgejahres arbeitsunfähig gewesen sei, also auch bei Verbleiben im Unternehmen den Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres nicht hätte nehmen können. Folglich sei der Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen. Die Bekl. übersieht jedoch, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (v. 20.1.2009 – C350/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135) und des BAG (v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538) der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unabhängig davon ist, ob und wann der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Dadurch ist die frühere Rechtsprechung des BAG überholt, nach der nur dann ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestand, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls bis zum 31.3. des Folgejahres wieder arbeitsfähig geworden war. Folglich ist der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. … (Unterschrift)3 3 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

Kapitel 15

_ _ _ _ _

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster Anzeige der Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . Weisung zum Nachweis einer ärztlichen Bescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergänzung zum Arbeitsvertrag zur Kürzung von Sonderleistungen im Krankheitsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Entgeltfortzahlung . . . . . . . .

1

.M . . 15.1 .M . . 15.2

.M . . 15.3 .M . . 15.4

Krankheit Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 15.5 Formlose Antwort des Arbeitnehmers auf die Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/ § 167 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . M . . 15.6

_ _

Literatur: Aszmons/Lackschwesitz, Fallstricke beim Umgang mit erkranken Arbeitnehmern, NJW 2016, 2070; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006; Bauer/Thüsing/Schunder, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Alter Wein in neuen Schläuchen?, NZA 2007, 777; Berkow-

Diller/Lingemann

657

Krankheit

Kap. 15

Mit Schreiben vom … forderte der Kl. die Bekl. zur Zahlung von Urlaubsabgeltung auf. Die Bekl. lehnte jedoch jegliche Zahlung ab. Beweis: Ablehnungsschreiben der Bekl. vom …, Anlage K 2 Dem Kl. steht eine Urlaubsabgeltung für 30 Urlaubstage zu. Der Urlaubsanspruch für das Jahr … ist unstreitig entstanden, und zwar trotz der Vertragsbeendigung zum 30.9. … in Höhe der vollen 30 Urlaubstage. § 5 BUrlG sieht nur bei Ausscheiden in den ersten sechs Monaten des Kalenderjahres eine anteilige Kürzung des Gesamt-Urlaubsanspruchs vor, nicht aber bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte. Dass der Kl. fast ein halbes Jahr lang arbeitsunfähig war, hatte auf den Urlaubsanspruch keine Auswirkungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG besteht der Urlaubsanspruch für ein Kalenderjahr sogar dann, wenn der Arbeitnehmer in diesem Jahr keinen einzigen Tag gearbeitet hat. Der Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hat sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.9. … gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Der Anspruch beträgt rechnerisch Euro … (wird ausgeführt …). Die Bekl. hat außergerichtlich eingewendet, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei deshalb nicht gegeben, weil der Kl. durchgehend bis zum 31.3. des Folgejahres arbeitsunfähig gewesen sei, also auch bei Verbleiben im Unternehmen den Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres nicht hätte nehmen können. Folglich sei der Urlaubsabgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen. Die Bekl. übersieht jedoch, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (v. 20.1.2009 – C350/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135) und des BAG (v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538) der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unabhängig davon ist, ob und wann der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Dadurch ist die frühere Rechtsprechung des BAG überholt, nach der nur dann ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestand, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls bis zum 31.3. des Folgejahres wieder arbeitsfähig geworden war. Folglich ist der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. … (Unterschrift)3 3 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

Kapitel 15

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster Anzeige der Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . Weisung zum Nachweis einer ärztlichen Bescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergänzung zum Arbeitsvertrag zur Kürzung von Sonderleistungen im Krankheitsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Entgeltfortzahlung . . . . . . . .

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.M . . 15.1 .M . . 15.2

.M . . 15.3 .M . . 15.4

Krankheit Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 15.5 Formlose Antwort des Arbeitnehmers auf die Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/ § 167 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . M . . 15.6

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Literatur: Aszmons/Lackschwesitz, Fallstricke beim Umgang mit erkranken Arbeitnehmern, NJW 2016, 2070; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006; Bauer/Thüsing/Schunder, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Alter Wein in neuen Schläuchen?, NZA 2007, 777; Berkow-

Diller/Lingemann

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Kap. 15 Rz. 1

Krankheit

sky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Aufl. 2005; Butz/Preedy, Boni trotz Fehlzeiten?, AuA 2010, 578; Feichtinger, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, AR-Blattei SD 1000.1; Feichtinger/ Malkmus, Entgeltfortzahlungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2010; Franzen, Zeitliche Begrenzung der Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer, NZA 2011, 1403; Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Loseblatt; Glatzel, Fallen im Pflegezeitgesetz – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, NJW 2009, 1377; Greiner, Krankengeld und Entgeltfortzahlung bei Organ- oder Gewebespende, NZS 2013, 241; Greiner/Strippelmann, Zum Verhältnis von Mindestlohnanspruch und Entgeltfortzahlung, BB 2015, 949; Höser, Die Dienstwagennutzung bei Arbeitsunfähigkeit, BB 2012, 573; Joussen, Neues zur Beweislast bei Fortsetzungserkrankungen, SAE 2006, 147; Joussen – Streitfragen aus dem Pflegezeitgesetz, NZA 2009, 69; Kleinebrink, Vertragliche Regelungen im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, ArbRB 2007, 186; Kleinebrink, Betriebsvereinbarungen zur Regelung des Verhaltens bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, ArbRB 2012, 247; Kleinebrink, Die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und ihre materielle Bedeutung, ArbRB 2016, 47; Kleinebrink, Die prozessuale Bedeutung der neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ArbRB 2016, 93; Knorr, Organlebendspende und Entgeltfortzahlung, NZA 2012, 1132; Kock, Neuausrichtung der krankheitsbedingten Kündigung erforderlich, ArbRB 2006, 343; Kock, Kein Verstoß gegen die EGRL 78/2000 bei Kündigung wegen Krankheit, ZIP 2006, 1551; Kühn, Die Vermeidung prozessualer Risiken bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit, NZA 2012, 1249; Kunz/Wedde, Entgeltfortzahlungsrecht, Kommentar, 4. Aufl. 2015; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Aufl. 2015; Lepke, Hepatitis-Infektion des Arbeitnehmers als Grund für eine fristgerechte Kündigung durch den Arbeitgeber, DB 2008, 467; Lingemann/Ludwig, Die krankheitsbedingte Kündigung, ArbRAktuell 2010, 385, 409; Lorenz/Kissel, Mindestanforderungen eines ordnungsgemäßen betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX, ArbRB 2008, 382; Marienhagen/ Künzl, Entgeltfortzahlung, Loseblatt; Müller/Berenz, Entgeltfortzahlungsgesetz mit Ausgleichsverfahren für Kleinbetriebe, Kommentar, 2007; Müller-Glöge, Aktuelle Rechtsprechung zum Recht der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, RdA 2006, 105; Nebe, (Re-)Integration von Arbeitnehmern: Stufenweise Wiedereingliederung und Betriebliches Eingliederungsmanagement – ein neues Kooperationsverhältnis, DB 2008, 1801; Niedermayer, Arbeitsunfähigkeit, AuA 2006, 100; Plocher, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Handlungsoptionen bei Zweifeln an der Arbeits(un)fähigkeit, DB 2015, 1597; Schiefer, Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM), RdA 2016, 196; Schmidt, Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) – § 84 Abs. 2 SGB IX – aktueller Überblick, AE 2012, 202; Schmidt, Gestaltung und Durchführung des bEM, 2014; Schulte/Karlsfeld, Anzeige- und Nachweispflichten bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, ArbRB 2011, 341; Schulz, Die Entgeltfortzahlung heute, ZRP 2005, 227; Subatzus, Melde- und Nachweispflichten bei Arbeitsunfähigkeit, DB 2013, 578; Vossen, Das ordnungsgemäße Angebot eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements – Überblick und Leitfaden zur Erstellung von vorschriftsmäßigen Einladungsscheiben, DB 2016, 1814; Willemsen/Fritzsche, Krankheitsbedingte Kündigung – (zumeist) hoffnungslos bei „Blaumachern“, DB 2012, 860; Wisskirchen/Bissels, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellung unter Berücksichtigung des AGG, NZA 2007, 169; Zimmermann/Olbrich, Entgeltfortzahlung während eines Arbeitskampfes, juris-PRArbR 2/2013, Anm. 3.

I. Einführung 1

Bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers steht die Frage der Entgeltfortzahlung und, wenn das Austauschverhältnis durch die Erkrankung nachhaltig gestört ist, der personenbedingten Kündigung im Zentrum (dazu im Einzelnen Kap. 22 Rz. 74 ff.). Eine Krankheit ist grundsätzlich nicht gleichzusetzen mit einer Behinderung iSd. Antidiskriminierungsrichtlinie und damit iSv. § 1 AGG.1 Eine besondere Einschränkungen mit sich bringende Krankheit kann jedoch einer Behinderung gleichzustellen sein.2

2

Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im 1 EuGH v. 11.7.2006 – Rs. C-13/05 – Chacón Navas, NZA 2006, 839; dazu Bauer/Röder/Lingemann, S. 109; Kock, ArbRB 2006, 343; BAG v. 22.9.2009, NZA 2010, 280. 2 EuGH v. 11.4.2013 – Rs. C-335/11 u. C-337/11.

658

Lingemann

Krankheit

Rz. 4 Kap. 15

Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG.3 Krankheit ist jeder „regelwidrige körperliche oder geistige Zustand“.4 Die Arbeitsunfähigkeit muss auf der Krankheit beruhen, der Arbeitnehmer also infolge der Krankheit seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen können.5 Darüber hinaus muss die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sein (Monokausalität).6 Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt also voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte.7 Daran fehlt es beispielsweise, wenn streikbedingt der Betrieb zu völligem Stillstand kommt,8 bei Elternzeit9 oder auch bei fehlender Arbeitserlaubnis, sofern diese nicht bei Antragstellung sofort antragsgemäß erteilt worden wäre.10 Bei einer Freistellung des Arbeitnehmers nach krankheitsbedingter Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung bedarf es einer ausdrücklichen Regelung, wenn über die gesetzlichen Regelungen hinaus Entgeltansprüche begründet werden sollen.11 Von dem in § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG angelegten Grundsatz, dass für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung die Arbeit allein aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ausgefallen sein muss, kann durch Tarifvertrag abgewichen werden, beispielsweise indem für die Entgeltfortzahlung nicht die krankheitsbedingten Ausfalltage, sondern die Kalendertage der Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegt werden.12

3

Nur die unverschuldete Krankheit führt zur Entgeltfortzahlung. Schuldhaft iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt der Arbeitnehmer, der gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt.13 Das ist zB der Fall bei grob fahrlässiger Missachtung von Unfallverhütungs- oder betrieblichen Sicherheitsvorschriften14 oder Überfahren einer Rotlicht zeigenden Ampel.15 Nicht verschuldet sind Krankheitszeiten

4

3 Sechs Wochen entsprechen 42 Tagen, an denen Arbeitsunfähigkeit besteht, BAG v. 22.8.2001 – 5 AZR 699/99, BB 2002, 943. 4 BAG v. 7.8.1991 – 5 AZR 410/90, NZA 1992, 69. Insofern stellt zB eine Schwangerschaft, die ohne Komplikationen verläuft, keine Krankheit dar, Alkohol- und Drogenabhängigkeit hingegen schon. 5 BAG v. 7.8.1991 – 5 AZR 410/90, NZA 1992, 69; ErfK/Reinhard, § 3 EFZG Rz. 9 mwN. Eine Arbeitsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit nur eingeschränkt einsetzbar ist, aber davon abgesehen die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung voll erbringen kann. Ist der Arbeitnehmer nicht in der Lage, der gesamten Bandbreite der arbeitsvertraglich an sich möglichen Leistungsbestimmungen im Rahmen des § 106 GewO gerecht zu werden, muss der Arbeitgeber nach Möglichkeit und billigem Ermessen Rücksicht nehmen (BAG v. 9.4.2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719, wonach eine Krankenschwester, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist Nachtschicht zu arbeiten, aber in allen übrigen Schichten voll eingesetzt werden kann, nicht arbeitsunfähig krank ist). 6 Das ist nicht der Fall, wenn die Arbeitspflicht bereits aus einem anderen Grunde aufgehoben ist, etwa wegen Streik oder suspendierender Betriebsstilllegung, BAG v. 13.12.2011 – 1 AZR 495/10, NZA 2012, 995, oder aufgrund der Vereinbarung einer Betriebsruhe, BAG v. 28.1.2004, AP Nr. 21 zu § 3 EFZG. 7 BAG v. 13.12.2011 – 1 AZR 495/10, NZA 2012, 995; v. 4.12.2002, NZA 2003, 632 zur Entgeltfortzahlung nach Widerspruch gegen einen Betriebsübergang. 8 Bei teilweisem Stillstand vgl. BAG v. 1.10.1991 – 1 AZR 147/91, NZA 1992, 163; LAG Rh. Pf. v. 26.7.2012 – 10 Sa 137/12; Zimmermann/Olbrich, juris-PRArbR 2/2013, Anm. 3. 9 BAG v. 22.6.1988 – 5 AZR 526/87, NZA 1989, 13. 10 BAG v. 26.6.1996 – 5 AZR 872/94, DB 1996, 2133. 11 BAG v. 23.1.2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595. 12 BAG v. 9.10.2002, NZA-RR 2003, 978. 13 Zuletzt LAG Hamm v. 7.3.2007 – 18 Sa 1839/06. 14 LAG Berlin v. 31.3.1981 – 3 Sa 54/80, DB 1982, 707. 15 BGH v. 8.7.1992 – IV ZR 223/91, NJW 1992, 2418; zahlreiche weitere Beispiele bei Bauer/Röder/Lingemann, S. 13 ff.

Lingemann

659

Kap. 15 Rz. 5

Krankheit

infolge einer künstlichen Befruchtung,16 der Behandlung einer Unfruchtbarkeit mit Hormonen17 oder auch – nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse – die Arbeitsunfähigkeit infolge einer Alkoholabhängigkeit des Arbeitnehmers.18 Nach Organ- oder Gewebespende hat der Arbeitnehmer seit dem 1.8.2012 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3a EFZG.19 5

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses, § 3 Abs. 3 EFZG. Besteht zwischen einem beendeten und einem neu begründeten Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang, so gilt dies nicht als Unterbrechung.20

6

Der Anspruch entsteht ferner mit jeder neuen Erkrankung neu bis zur Dauer von sechs Wochen, bei Folgeerkrankungen hingegen nur, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der ZwölfMonats-Frist erneut arbeitsunfähig wird. Demgegenüber besteht kein Anspruch, wenn der Arbeitnehmer schon vorher erneut arbeitsunfähig wird und die Arbeitsunfähigkeit über den Ablauf der Zwölf-Monats-Frist hinaus bestehen bleibt.21 Es gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Hierzu hat er den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung hat der Arbeitgeber zu tragen.22 Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Erkrankung mit Arbeitsunfähigkeit hinzu, ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung gleichwohl auf 6 Wochen beschränkt („Einheit der Verhinderungsfalles“). Die Beweislast für den Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit trägt hier der Arbeitnehmer.23

7

Die Höhe der Entgeltfortzahlung24 richtet sich nach der für den Arbeitnehmer maßgeblichen regelmäßigen Arbeitszeit, § 4 Abs. 1 EFZG. Bei Leistungsvergütung kommt es auf den für den Arbeitnehmer in dieser Zeit erzielbaren Durchschnittsverdienst an, § 4 Abs. 1a Satz 2 EFZG. Danach ist auch beim Leistungslohn das Entgeltausfallprinzip maßgebend. Beim Akkordlohn muss somit der Lohn weitergezahlt werden, den der Akkordarbeiter erzielt hätte, wenn er nicht krank geworden wäre.25 Beim Gruppenakkord ist demgegenüber auf den Verdienst der weiterarbeitenden Akkordgruppenmitglieder abzustellen.26 Im Schichtdienst sind Freischichten im Referenzzeitraum im Divisor zu berücksichtigen, dh. sie reduzieren die rechnerisch pro Tag geleisteten Arbeitsstunden.27 § 4 Abs. 1 EFZG legt der Entgeltfortzahlung allerdings ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Bei Schwankungen der individuellen Arbeitszeit ist zur Bestimmung der „regelmäßigen“ Arbeitszeit eine vergangenheitsbezogene Betrachtung zulässig und geboten. Maßgebend ist der Durchschnitt der vergangenen zwölf Monate.28 Wenn ein Arbeitnehmer ein festes Monatsentgelt erhält, das auch die Vergütung 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

LAG Düsseldorf v. 13.6.2008 – 10 Sa 449/08. LAG Hessen v. 26.11.2008 – 6/18 Sa 740/08. BAG v. 18.3.2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801; vgl. dazu auch Plocher, DB 2015, 1597. Das BAG hatte diesen Anspruch vor Einfügung des § 3a EFZG abgelehnt, BAG v. 6.8.1986 – 5 AZR 607/85, NZA 1987, 487; vgl. auch Greiner, NZS 2013, 241; Knorr, NZA 2012, 1132. BAG v. 22.8.2001 – 5 AZR 699/99, BB 2002, 943. BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 514/06, DB 2007, 1360. BAG v. 10.9.2014 – 10 AZR 651/12, NZA 2014, 1139; v. 13.7.2005, BAGE 115, 206. BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 318/15, NZA 2016, 1076. Vgl. auch Müller-Glöge, RdA 2006, 105, 110. BAG v. 26.2.2003, NZA 2003, 992. BAG v. 26.2.2003, NZA 2003, 992. BAG v. 10.7.1996 – 5 AZR 284/95, BB 1997, 48. BAG v. 21.11.2001, DB 2002, 845; v. 26.6.2002, DB 2002, 2439; zu Zahlungen von vereinbarten Boni Butz/Preedy, AuA 2010, 578.

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Rz. 9 Kap. 15

für eine bestimmte, arbeitsvertraglich vereinbarte Zahl von Mehrarbeitsstunden einschließlich tariflicher Überstundenzuschläge umfasst, ist bei der Entgeltfortzahlung der Überstundenzuschlag für die vereinbarten Mehrarbeitsstunden aus dem Monatsentgelt herauszurechnen.29 Einzubeziehen sind jedoch Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, wenn der Arbeitnehmer eingeteilt war und die Arbeit ausschließlich wegen Krankheit nicht erbracht wurde.30 Nicht einzubeziehen sind Überstundenvergütungen und Aufwendungsersatz, soweit er die Entstehung der konkreten Aufwendungen voraussetzt. Gegenstand eines Entgeltfortzahlungsanspruchs kann auch ein Anspruch auf Zeitgutschrift sein, da ein Arbeitszeitkonto ebenfalls einen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers darstellt.31 Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 1– 11 EFZG über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind – mit Ausnahme des § 4 Abs. 4 iVm. § 4 Abs. 1–3 EFZG, also der Regelung über die Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts – grundsätzlich unabdingbar, § 12 EFZG. Nur durch Tarifvertrag kann eine von § 4 Abs. 1, 1a und 3 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden.32 Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags kann auch zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall vereinbart werden, § 4 Abs. 4 EFZG. Ob sich die Höhe der Entgeltfortzahlung nach dem gesetzlichen Mindestlohn gem. § 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) richtet, ist offen, da § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Vergütung an die „erbrachte Arbeitsleistung“ anknüpft. Demnach könnte der Mindestlohnanspruch bei Nichtarbeit entfallen.33 Eine auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden anwendbare tarifliche Mindestlohnregelung ist allerdings für die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit nach §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG maßgeblich, wenn die tarifliche Regelung keine abweichenden Bestimmungen enthält.34 Zusammen mit dem modifizierten Entgeltausfallprinzip35 erscheint demnach eine Anwendung des MiLoG zur Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung wahrscheinlich. Nach § 4a EFZG kann die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt, für krankheitsbedingte Fehlzeiten vereinbart werden (dazu Einzelheiten Kap. 12 Rz. 35).

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Gemäß § 5 EFZG hat der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliches Ende unverzüglich mitzuteilen. Die Dauer hat er nach seinem subjektiven Kenntnisstand zu erklären. Eine Anzeige durch beauftragte Familienangehörige oder Arbeitskollegen reicht aus. Eine briefliche Anzeige wird wegen der Postverzögerung im Regelfall zu spät kommen,36 eine mündliche oder telefonische Anzeige oder eine Anzeige per Telefax oder E-Mail ist erforderlich, aber auch ausreichend. „Unverzüglich“, dh. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) ist die Mitteilung nur, wenn sie dem Arbeitgeber in den ersten Arbeitsstunden am ersten Tag der Erkrankung zugeht.37 Auch eine Anzeige gegenüber üblicherweise dazu berechtig-

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29 BAG v. 21.11.2001, AP Nr. 56 zu § 4 EFZG; v. 26.6.2002 – 5 AZR 153/01, BB 2003, 55. Eine im monatlichen Rhythmus des laufenden Arbeitsentgelts geleistete Anwesenheitsprämie ist idR als nicht kürzbares Entgelt anzusehen, LAG München v. 11.8.2009, EzA-SD 2009, Nr. 20, 8. 30 St. Rspr., zuletzt BAG v. 14.1.2009, DB 2009, 909. 31 BAG v. 28.1.2004, AP Nr. 21 zu § 3 EFZG. 32 BAG v. 18.11.2009, AP Nr. 70 zu § 4 EFZG. 33 ErfK-Franzen, § 1 MiLoG Rz. 18. 34 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 495/14, NZA 2015, 1127; das BAG bestimmt die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltausfallprinzip. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich diejenige Vergütung erhalten, die er nach der für ihn maßgeblichen Arbeitszeit erzielt hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig krank geworden wäre, sondern gearbeitet hätte. 35 BAG v. 16.7.2014 – 10 AZR 242/13, NZA 2015, 499, 500, Rz. 16. 36 BAG v. 31.8.1989 – 2 AZR 13/89, NZA 1990, 433. 37 BAG v. 31.8.1989 – 2 AZR 13/89, NZA 1990, 433.

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Kap. 15 Rz. 10

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ten Personen, also dem Personalleiter oder Dienstvorgesetzten, reicht aus. Unterlässt der Arbeitnehmer die Anzeige der Arbeitsunfähigkeit jedoch ganz, stellt dies eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung dar, die grundsätzlich geeignet ist, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.38 Unter den Voraussetzungen des § 7 EFZG kann der Arbeitgeber zudem die Fortzahlung des Arbeitsentgelts verweigern, bis der Arbeitnehmer den Anzeige- und Nachweispflichten aus § 5 EFZG nachkommt. 10

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, so hat der Arbeitnehmer überdies eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung)39 sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen, § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG. Diese Nachweispflicht besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat oder nicht. Für die Berechnung der drei Krankheitstage gilt § 187 Abs. 1 BGB nicht. Die Vorlagepflicht setzt somit am vierten Tag ein. Eine kürzere Frist kann durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart werden. Auch kann der Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG den Arbeitnehmer anweisen, schon vor Ablauf der Drei-Tages-Frist eine entsprechende Bescheinigung vorzulegen. Eine solche Anweisung bedarf in den Grenzen der Willkür und des Rechtsmissbrauchs keines besonderen Grundes (vgl. M 15.3),40 ist aber, sofern kollektive Maßnahme, mitbestimmungspflichtig gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.41 Für die ärztlichen Bescheinigungen werden zumeist Formblätter verwendet (vgl. §§ 31, 34 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte, Stand Januar 2016)42. Die an den Arbeitgeber gerichtete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss die voraussichtliche Dauer und den Vermerk enthalten, dass den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung eine weitere Bescheinigung mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird, § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG. Nur die Bescheinigung an die gesetzliche Krankenkasse enthält Angaben über den Krankheitsbefund. Eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nur nach einer gewissenhaften Untersuchung und höchstens für zwei Tage zulässig. Der grundsätzlich sehr hohe Beweiswert43 eines nicht näher begründeten ärztlichen Beschäftigungsverbotes (§ 3 Abs. 1 MuSchG) wird erschüttert, wenn trotz Aufforderung durch den Arbeitgeber keine Bescheinigung vorgelegt wird, aus der hervorgeht, von welchen konkreten Arbeitsbedingungen der Arzt ausgegangen ist.44

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Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der ersten ärztlichen Bescheinigung angegeben, so muss unverzüglich eine neue ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG.45 Auch hier gilt die Drei-Tages-Frist. Auch die Folgebescheinigung ist unabhängig davon vorzulegen, ob der Arbeitnehmer noch Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat oder nicht.46

38 BAG v. 31.8.1989 – 2 AZR 13/89, NZA 1990, 433; LAG Köln v. 26.11.2009 – 7 Sa 714/09. 39 Zu Neuerungen aufgrund des per 1.1.2016 geänderten Vordruckes Kleinebrink; ArbRB 2016, 47 ff.; 93 ff. 40 BAG v. 14.11.2012 – 5 AZR 886/11, DB 2013, 464; dazu Subatzus, DB 2013, 578; nach HWK/Schliemann, § 5 EFZG Rz. 36 und MünchArbR/Schlachter, § 75 Rz. 20 muss sich eine solche Weisung des Arbeitgebers hingegen in den Grenzen billigen Ermessens halten. 41 BAG v. 23.8.2016 – 1 ABR 43/14, NZA 2016, 1483, Anm. Arnold, ArbRAktuell 2016, 585. 42 www.kbv.de. 43 LAG Rh.-Pf. v. 15.1.2009 – 10 Sa 552/08: Arbeitsunfähigkeit ist nicht mit Bettlägerigkeit gleichzusetzen; das Antreffen eines Maurers mit offensichtlich verschmutzter Hose erschüttert nicht den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung; LAG Hamm v. 11.6.2008, AuA 2008, 689: Nähe zu begehrtem Urlaub erschüttert nicht den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung; vgl. auch LAG Hamm v. 9.4.2008 – 18 Sa 1938/07. 44 BAG v. 7.11.2007, DB 2008, 303. 45 BAG v. 3.11.2011 – 2 AZR 748/10, NZA 2012, 607. 46 LAG Sachsen-Anhalt v. 24.4.1996, BB 1996, 2307.

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Rz. 16 Kap. 15

Grundsätzlich gelten die Anzeige- und Nachweispflichten gleichermaßen bei Auslandsaufenthalten. Gemäß § 5 Abs. 2 EFZG muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitteilen. Das EFZG verlangt die Mitteilung der Adresse, damit der Arbeitgeber notfalls eine Untersuchung des Arbeitnehmers am Aufenthaltsort durch einen Arzt veranlassen kann, der das Vertrauen des Arbeitgebers genießt.47

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Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit trägt zwar grundsätzlich der Arbeitnehmer. Eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Bescheinigung begründet jedoch idR den Beweis dafür, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist.48 Der Arbeitgeber muss dann Tatsachen vortragen, die geeignet sind, ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu begründen, um den hohen Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern.49 Gelingt ihm das, ist es nunmehr Aufgabe des Arbeitnehmers, seine Erkrankung unter Beweis zu stellen. Anhaltspunkte, die gegen eine tatsächliche Erkrankung des Arbeitnehmers sprechen, können eine fehlende ärztliche Untersuchung sein, eine Rückdatierung der Bescheinigung, körperliche Tätigkeiten des Arbeitnehmers während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit oder auch die Ankündigung einer Krankheit.50

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Bescheinigungen ausländischer Ärzte innerhalb der EU haben grundsätzlich den gleichen Beweiswert wie solche, die im Inland ausgestellt wurden.51 Anders als bei Inlandssachverhalten genügen ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers jedoch nicht, um der ausländischen Bescheinigung die Beweiskraft absprechen zu können.52 Der Arbeitgeber muss vielmehr den vollen Gegenbeweis antreten, hat also „Nachweise zu erbringen, anhand deren das nationale Gericht gegebenenfalls feststellen kann, dass der Arbeitnehmer missbräuchlich oder betrügerisch eine Arbeitsunfähigkeit gemeldet hat, ohne krank gewesen zu sein“.53

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Kann der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, der ihm durch die Arbeitsunfähigkeit entstanden ist, so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung geleistet hat, § 6 Abs. 1 EFZG. Einer gesonderten Abtretungserklärung bedarf es nicht.

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Die Krankheit eines Arbeitnehmers lässt den Urlaubsanspruch grundsätzlich unberührt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr keine oder nur geringfügige Arbeitsleistungen erbracht hat. Bleibt der Arbeitnehmer über das Kalenderjahr hinweg arbeitsunfähig krank, so gilt aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten ab dem Ende des Kalenderjahres. Danach erlischt der

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47 Vgl. EuGH v. 3.6.1992 – Rs. C-45/90 – Paletta I, NZA 1992, 735; BAG v. 19.2.1997, BB 1997, 522. 48 Vgl. BAG v. 26.2.2003 – 5 AZR 112/02, DB 2003, 1395, st. Rspr. v. 19.2.1997, BAGE 85, 167; v. 1.10.1997, BAGE 86, 357; v. 15.7.1992, NZA 1993, 24. 49 Im Zusammenhang mit der Observation eines Arbeitnehmers, um dessen Arbeitsunfähigkeit widerlegen zu können vgl. BAG v. 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13, NZA 2015, 994, Rz. 25, m. Anm. Schuster, ArbRAktuell 2015, 151; allgemein zu der Entkräftung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Prozess Kühn, NZA 2012, 1249. 50 Vgl. auch Rz. 10 zum Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Zahlreiche weitere Beispiele bei Bauer/Röder/Lingemann, S. 79 ff. Ausführlich zu Handlungsoptionen des Arbeitgebers bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit Plocher, DB 2015, 1597. 51 Vgl. EuGH v. 2.5.1996 – Rs. C-206/94 – Paletta II, NZA 1996, 635. Allerdings muss auch der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unterscheiden können, also mit den Begriffen des deutschen Urlaubsrechts vertraut sein. 52 EuGH v. 3.6.1992 – Rs. C-45/90 – Paletta I, NZA 1992, 735. 53 EuGH v. 2.5.1996 – Rs. C-206/94, NZA 1996, 635, s. auch Schlussurteil in dieser Sache „Paletta“, LAG BW v. 9.5.2000, NZA-RR 2000, 514.

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Kap. 15 Rz. 17

Krankheit

gesetzliche Urlaubsanspruch.54 Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet, § 9 BUrlG. Das Gleiche gilt für Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation, § 10 BUrlG.55 17

Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf stufenweise Wiedereingliederung56 gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nF.

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Während der Wiedereingliederungsphase ist der Arbeitnehmer weiterhin arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis ruht wegen einer Leistungsstörung (§ 275 BGB). Eine teilweise Arbeitsunfähigkeit kennt das deutsche Recht nicht. Daher besteht zwar kein Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den Arbeitgeber, häufig jedoch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse. Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Mitwirkung an einer stufenweisen Wiedereingliederung bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern besteht nicht.57

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Gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX muss der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sind – nicht nur für schwerbehinderte58 Menschen – ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchführen, sofern die betroffene Person zustimmt. Ein entsprechendes Aufforderungsschreiben ist das Muster M 15.5. Die Initiative zur Durchführung des bEM muss vom Arbeitgeber ausgehen.59 Mit dem bEM sollen die Möglichkeiten geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Bei der Ausgestaltung besteht ein großer Spielraum.60 Das bEM setzt auch nicht die Aufstellung einer Verfahrensordnung voraus.61 Bei der Ausgestaltung der „Klärung von Möglichkeiten“ eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach der Rahmenvorschrift des § 84 Abs. 2 Satz1 SGB IX/§ 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF durch generelle Verfahrensregelungen steht dem Betriebsrat ein Initiativrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu. Dieses umfasst aber nur die „Klärung von Möglichkeiten“, nicht die anschließende Umsetzung.62 Auch kann der Betriebsrat gem. § 80 Abs. 2 BetrVG iVm. § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX/§ 167 Abs. 2 Satz 7 SGB IX nF verlangen, dass ihm der Arbeitgeber quartalsweise die Namen der Arbeit-

54 EuGH v. 22.11.2011 – Rs. C-214/10 – KHS, NZA 2011, 1333; BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216; EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C-350/06, C-520/06 – Schultz-Hoff, NZA 2009, 135; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538; dazu Franzen, NZA 2011, 1403; s. dazu ausführlich Kap. 14 Rz. 8 ff., 27 ff. 55 Eine solche Maßnahme liegt nur vor, wenn sie keinen „urlaubsmäßigen Zuschnitt“ hat, BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 298/14, NZA 2016, 1028. 56 BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 229/05, NZA 2007, 91. 57 Nebe, DB 2008, 1801. 58 BAG v. 12.7.2007 – 2 AZR 716/06, NZA 2008, 173. 59 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, 615, Rz. 31; v. 7.2.2012, BAGE 140, 350 = NZA 2012, 744; v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/03. 60 Ausführlich dazu B. Schmidt, AE 2012, 202 ff.; Lorenz/Kissel, ArbRB 2008, 382; Nebe, DB 2008, 1801. 61 BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 198/09, NZA 2010, 639. 62 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, NZA 2016, 1283: Im Rahmen des Klärungsprozesses nach § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF kann der Betriebsrat seine Unterrichtung und eine Beratung mit dem Ziel der Verständigung über die Möglichkeiten eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verlangen. Eine Einigungsstelle kann jedoch nicht durch Spruch ein Anwesenheitsrecht des Betriebsrats oder eines von ihm benannten Vertreters bei den Gesprächen des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer regelt oder das Verfahren über die „Klärung von Möglichkeiten“ eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat auf ein Gremium übertragen.

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Rz. 21 Kap. 15

nehmer mitteilt, die vom bEM betroffen sind.63 Die Anforderungen an den Inhalt des bEM sind hoch: Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hinweisen. Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die sich inhaltlich nicht nur auf eine Bezugnahme auf § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX/§ 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF beschränkt. Dazu gehört die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann. Der Arbeitgeber soll dem Arbeitnehmer deutlich machen, dass das Verfahren ergebnisoffen über die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geführt wird und der Arbeitnehmer auch selber Vorschläge einbringen kann. Zudem muss der Arbeitnehmer darauf hingewiesen werden, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes bEM durchführen zu können, das der Genesung und Gesunderhaltung des betroffenen Arbeitnehmers dient. Ferner muss dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten als sensible Daten iSv § 3 Abs. 9 BDSG erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden.64 Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF (zur Aufforderung und Durchführung des bEM s. Rz. 15, M 15.5 und M 15.6) ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Nichtdurchführung eines bEM – es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines bEM zu ergreifen65 – aber gravierende Folgen für die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers. Ein unterlassenes bEM steht der Kündigung nicht nur entgegen, wenn der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfalle beweist, dass die Durchführung eines bEM objektiv nutzlos gewesen wäre. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen ist und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten.66 Dazu gehört auch der Nachweis, dass künftige Fehlzeiten auch nicht durch Leistungen der beteiligten Rehabilitationsträger hätten vermieden werden können.67 Genügt der Arbeitgeber dieser Darlegungs- und Beweislast nicht, ist die Kündigung wegen Unverhältnismäßigkeit unwirksam. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, während einer Arbeitsunfähigkeit an einem Personalgespräch teilzunehmen.68 Er ist auch frei darin, ein bEM abzulehnen. Die Durchführung ist allerdings nur dann entbehrlich, wenn der Arbeitgeber ordnungsgemäß eingeladen hatte.69

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Wegen dieser hohen Anforderungen an die Entbehrlichkeit des bEM ist Arbeitgebern die Durchführung des bEM zu raten.

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63 Dieser Auskunftsanspruch besteht unabhängig von einer Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer, da einem solchen Verlangen keine datenschutzrechtlichen Bedenken oder Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer entgegenstehen, BAG v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744. 64 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, Rz. 32 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 251. 65 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 251; v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744, Rz. 9. 66 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 251. 67 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 251. 68 BAG v. 2.11.2016 – 10 AZR 596/15, EzA-SD 2017, Nr. 3, 3. 69 Vgl. auch LAG Schl.-Holst. v. 22.9.2015 – 1 Sa 48 a/15, NZA-RR 2016, 250.

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Kap. 15

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M 15.1

II. Muster M 15.1

Anzeige der Arbeitsunfähigkeit

An die Firma … Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, aufgrund einer Erkrankung kann ich heute bis voraussichtlich zum … nicht zur Arbeit erscheinen. Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reiche ich fristgemäß nach. … (Ort, Datum)

M 15.2

… (Unterschrift des Arbeitnehmers)

Weisung zum Nachweis einer ärztlichen Bescheinigung

Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, in den letzten Monaten/Jahren waren Sie vermehrt arbeitsunfähig erkrankt, sodass Sie Ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnten. Entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes fordern wir Sie auf, zukünftig bei jeder Neuerkrankung, gleich welcher Dauer, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Bitte reichen Sie die ärztliche Bescheinigung am ersten Arbeitstag Ihrer Erkrankung bei unserer Personalabteilung ein. Sie soll Angaben über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit enthalten. Sollte Ihre Erkrankung wider Erwarten länger dauern als in der ärztlichen Bescheinigung angegeben, so legen Sie bitte unverzüglich eine neue Bescheinigung Ihres behandelnden Arztes vor. evtl. Der Betriebsrat wurde über unser Vorgehen informiert.1 … (Ort, Datum)

… (Unterschrift)

1 Grundsätzlich besteht keine Pflicht, den Betriebsrat bezüglich derartiger Maßnahmen zu beteiligen. Werden allerdings betriebliche Maßnahmen darüber getroffen, dass Arbeitnehmer im Betrieb generell eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG vorzulegen haben, können Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entstehen, BAG v. 25.1.2000 – 1 ABR 3/99, NZA 2000, 665.

M 15.3

Ergänzung zum Arbeitsvertrag zur Kürzung von Sonderleistungen im Krankheitsfall

Ergänzung zum Arbeitsvertrag: Hiermit vereinbaren Herr/Frau … (Arbeitnehmer/in) und die … (Arbeitgeber), dass Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit pro Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit entsprechend § 4a EFZG um … gekürzt werden.1 1 Die Kürzung darf ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten, § 4a Satz 2 EFZG.

666 Lingemann

M 15.4

M 15.4

Krankheit

Kap. 15

Klage auf Entgeltfortzahlung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen2: Die Beklagte wird verurteilt, Euro … nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.3

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl. seit mehr als zehn Jahren4 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Beide Parteien sind nicht tarifgebunden. Ab Sonntag, dem 15.2. …, litt der Kl. an einer schweren Grippe. Am Montag, dem 16.2. …, informierte er morgens bei Dienstbeginn telefonisch seinen Vorgesetzten, den Abteilungsleiter …, von seiner Erkrankung und der daraus folgenden Arbeitsunfähigkeit. Beweis: Zeugnis des Herrn …, zu laden über die Bekl. Nachdem sich der Gesundheitszustand des Kl. am Montag und Dienstag nicht gebessert hatte, ging er am Mittwoch, dem 18.2. …, zu seinem Hausarzt. Dieser schrieb ihn bis einschließlich 25.2. … krank. Beweis: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. med. … vom 18.2. …, Anlage K 1 Noch am gleichen Tag bat der Kl. seine Ehefrau, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Bekl. abzugeben. Aus unerfindlichen Gründen vergaß sie dies jedoch. Erst nachdem das Versehen am darauf folgenden Wochenende aufgefallen war, brachte die Ehefrau des Kl. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Montag, dem 23.2. …, bei der Bekl. vorbei. Beweis: Zeugnis der Ehefrau des Kl., zu laden über diesen Die Bekl. hat die Fortzahlung des Gehalts für die Zeit vom 16. bis zum 23.2. … abgelehnt. Sie hat behauptet, der Kl. sei gar nicht krank gewesen, sondern habe „blau gemacht“. Dies lasse sich schon daraus schließen, dass der Kl. nicht rechtzeitig ein ärztliches Attest vorgelegt habe. Für die Zeit vom 18. bis 23.2. … habe der Kl. auch schon wegen § 5 EFZG keine Ansprüche, weil er entgegen dieser Vorschrift nicht rechtzeitig ein ärztliches Attest eingereicht habe. Die Auffassung der Bekl. ist unrichtig. Wenn sich der Arbeitgeber mit der Vorlage eines Attestes am dritten Arbeitstag begnügt und nicht schon gemäß § 5 EFZG am ersten Arbeitstag die Attestvorlage verlangt, dann muss er sich in den ersten drei Krankheitstagen mit der mündlichen Auskunft des Arbeitnehmers über dessen Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich zufrieden geben. Nur wenn der Arbeitgeber konkrete Tatsachen vorbringen kann, die gravierende Zweifel an der Richtigkeit der angezeigten Arbeitsunfähigkeit begründen, obliegt es dem Arbeitnehmer, weiteren Beweis für die Erkran1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 3 Praxistipp: Unrichtig ist der mitunter anzutreffende Antrag auf Zahlung des fortzuzahlenden Entgelts „abzüglich des erhaltenen Krankengeldes“. Erhält der erkrankte Arbeitnehmer Krankengeld der gesetzlichen oder privaten Krankenkasse, so geht dadurch der Lohnanspruch nicht unter. Vielmehr findet allenfalls ein Forderungsübergang statt, der jedoch (mangels Anzeige gegenüber dem Arbeitgeber) die Geltendmachung des vollen Fortzahlungsanspruchs durch den Arbeitnehmer nicht hindert. 4 Da der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach der vierwöchigen Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG entsteht, gehört die Darlegung der Betriebszugehörigkeit zur Schlüssigkeit der Klage.

Diller

667

Kap. 15

Krankheit

M 15.5

kung anzutreten. Die Bekl. hat keine Gründe vorgebracht, die geeignet wären, Zweifel an der Richtigkeit der mitgeteilten Arbeitsunfähigkeit zu wecken. Die bloße Tatsache, dass das am dritten Tag beizubringende Attest verspätet eingereicht wurde, begründet noch keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit der angezeigten Arbeitsunfähigkeit. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es plausible Gründe für die verspätete Attesteinreichung gab. Die Bekl. ist auch nicht für die Zeit vom 18. bis zum 23.2. … von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung befreit. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 7 EFZG lässt die verspätete Einreichung des ärztlichen Attests den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht entfallen, sondern begründet nur ein Leistungsverweigerungsrecht. Reicht der Arbeitnehmer die Bescheinigung nach, ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung fällig. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich aus der nachgereichten ärztlichen Bescheinigung zweifelsfrei ergibt, dass die Krankheit schon in der Zeit davor vorlag. Das steht im vorliegenden Fall aufgrund der am 18.2. … ausgestellten ärztlichen Bescheinigung fest. Aufgrund der nicht anerkannten Krankheitszeiten hat die Bekl. das monatliche Entgelt des Kl. von normalerweise Euro … um Euro … gekürzt. Beweis: Schreiben der Bekl. vom …, Anlage K 2 Dieser Betrag wird mit der Klage geltend gemacht. … (Unterschrift)5 5 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

M 15.5

Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF

An Herrn/Frau …1 Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, in dem vergangenen Jahr waren Sie länger als sechs Wochen arbeitsunfähig.2 Aufgrund Ihrer Erkrankungen gehören Sie zu dem Personenkreis, für den in § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF3 ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) vorgesehen ist. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX/§ 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF sind wir verpflichtet, Sie auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Dem kommen wir hiermit gerne nach: 1 Für seine Unterstützung insbesondere bei dem datenschutzrechtlichen Teil danke ich sehr meinem bei GleissLutz auf Datenschutz spezialisierten Kollegen RA Dr. Christian Hamann. 2 Die Initiativlast für die Durchführung eines bEM trägt der Arbeitgeber (BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/ 13, NZA 2015, 612, 615, Rz. 31; v. 7.2.2012, BAGE 140, 350; v. 24.3.2011, NZA 2011, 993, Rz. 23). Kommt es darauf an, ob er eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat (BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 612; v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, Rz. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF hinausgeht (BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 612). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 612 mwN). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 612; Schmidt, Gestaltung und Durchführung des bEM, S. 24). 3 Die Neufassung des SGB XI gilt ab 1.1.2018, bis dahin wäre im gesamten Formular nur die alte Nummerierung und ab dann nur die neue – hier gekennzeichnet mit „nF“ – zu verwenden.

668 Diller/Lingemann

M 15.5

Krankheit

Kap. 15

1) Ziele des bEM Ziel des bEM ist es, unter Einbeziehung aller Beteiligten die Möglichkeiten zu klären, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und Ihr Arbeitsverhältnis erhalten werden kann. Mit dem bEM soll also insbesondere auch festgestellt werden, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und es soll herausgefunden werden, ob und ggf. welche Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden.4 Es geht also um die Grundlagen Ihrer Weiterbeschäftigung. Das bEM ist ergebnisoffen, Sie können also jederzeit gerne in das Verfahren auch Ihre eigenen Vorschläge einbringen.5 Auch ist die Durchführung des bEM für Sie freiwillig und von Ihrer Zustimmung abhängig. Sie können die Zustimmung jederzeit widerrufen, in diesem Fall wird das bEM nicht durchgeführt bzw. nicht fortgesetzt. 2) Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten Zum Zweck des bEM werden die Angaben, die im Rahmen des bEM erhoben und verwendet werden, den am Prozess Beteiligten bekannt gemacht. Es werden allerdings nur solche Daten erhoben und verwendet, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Genesung und Gesundhaltung dienendes bEM durchführen zu können.6 Die in diesem Gespräch erhobenen Informationen werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht für andere Zwecke verwendet. Ärztliche Angaben zu Krankheitsdiagnosen werden nicht in die Personalakte übernommen. Schriftstücke werden in einer gesonderten, von der Personalakte getrennten, speziellen Akte aufbewahrt. Die mit der Durchführung des bEM betrauten Personen wurden oder werden vor Beginn auf das Datengeheimnis verpflichtet (vgl. § 5 BDSG). Im bEM Gespräch, bei der darauf folgenden Planung und Durchführung von Eingliederungsmaßnahmen im Rahmen eines individuellen Maßnahmenplans sowie bei der anschließenden Durchführung des Maßnahmenplans werden vom Arbeitgeber die nachfolgend genannten personenbezogenen Daten erhoben und verwendet: – Personaldaten, insbesondere: Namen, Geburtsdatum, Beschäftigungsdauer, Schwerbehinderung/ Gleichstellung, Familienstand etc., – Daten zu Fehlzeiten, insbesondere: Anzahl und Verteilung der Arbeitsunfähigkeitstage in den letzten zwölf Monaten und in vorangegangenen Zeiträumen, Arbeitsunfälle, – Gesundheitsdaten, insbesondere: bestehende Leistungspotenziale, gesundheits- oder schwerbehinderungsbedingte Leistungseinschränkungen, Gesundheitsstand, Kuren, Heilbehandlungen, Diagnosen, Krankheitsursachen, ärztliche Atteste, – Tätigkeitsdaten: insbesondere ausgeübte Tätigkeit, Arbeitsplatz- und Tätigkeitsanalysen, Gefährungsbeurteilungen, Arbeitsschutzdaten, berufliche Qualifizierung, – Ablaufdaten: insbesondere Verläufe und Ergebnisse von bEM-Verfahren, von Arbeitsversuchen und von Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung sowie sonstiger arbeitsplatzbezogener Maßnahmen, innerbetriebliche Umsetzung, Anpassungen des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsbedingungen. Die Daten werden vertraulich und unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen behandelt und nur für die nachstehend genannten Zwecke erhoben und verwendet:7

4 5 6 7

BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, Rz. 30; v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, Rz. 20. Hinweis nach BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, Rz. 32. BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612. Der Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eine bEM setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer mitgeteilt wird, welche Krankheitsdaten – als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG – erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden (BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, Rz. 32).

Lingemann

669

Kap. 15

Krankheit

M 15.5

– Zur Beratung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. – Zur Feststellung, welche arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen ergriffen werden können, zur Zusammenfassung dieser Maßnahmen in einem Maßnahmenplan und zur Durchführung dieses Maßnahmenplans. – Zur Feststellung, inwieweit der Maßnahmenplan durchgeführt wurde und inwieweit das bEM erfolgreich war. Auch diese Erhebung und Verwendung Ihrer besonderen personenbezogenen Daten ist nur mit Ihrer Zustimmung möglich. Daten, die im Rahmen des bEM erhoben und verwendet werden, dürfen auch nur nach Ihrer vorherigen Zustimmung (Einwilligung) an Dritte (zB Rehabilitationsträger) weitergegeben werden. Die Angaben sind freiwillig und Sie können Ihre Einwilligung in die Erhebung, und Verwendung Ihrer personenbezogenen Daten im Rahmen des bEM jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Bitte beachten Sie, dass im Falle der Verweigerung der Einwilligung oder ihres Widerrufs das bEM nicht durchgeführt bzw. nicht fortgesetzt werden kann. Sie können alle Ihre Person betreffenden Dokumente und Daten einsehen. 3) Bitte um Zustimmung Wir bitten Sie, uns bis zum … mitzuteilen, ob Sie mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements einverstanden sind. Bitte teilen Sie bis dahin auch mit, ob sie mit der Teilnahme eines/r Vertreter/in der Schwerbehindertenvertretung und eines/r Vertreter/in des Betriebsrates einverstanden sind. Wir werden dann mit den Beteiligten zunächst einen Termin für ein erstes Eingliederungsgespräch abstimmen. Ob darüber hinaus die Hinzuziehung des Betriebsarztes erforderlich ist, sollten wir gemeinsam klären. 4) Bitte um ergänzende Informationen Bitte lassen Sie uns auch wissen, ob nach Ihrer Ansicht Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben gemäß §§ 84 Abs. 2 Satz 4, 33 Abs. 1 SGB IX/§§ 167 Abs. 2 Satz 4, 49 Abs. 1 SGB IX nF in Betracht kommen. In diesem Fall würden wir – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – das Integrationsamt zu den Terminen hinzuziehen. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB IX/§ 49 Abs. 1 SGB IX nF werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen [ab 1.1.2018:8 von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen] entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. 5) Rückantwortbogen Sie können für Ihre Rückantwort gerne anliegende Kopie dieses Schreibens9 mit dem darauf befindlichen Rückantwortbogen verwenden. Bitte kreuzen Sie dann die jeweils zutreffenden Felder an und schicken Sie ihn uns unterschrieben zurück. Sollten wir bis zum … keine Antwort von Ihnen erhalten, gehen wir davon aus, dass Sie der Durchführung des bEM nicht zustimmen. Das bEM würde dann nicht durchgeführt. Ihrer Nachricht sehen wir gerne entgegen. Mit freundlichen Grüßen … Ort, Datum

… Name

8 Ab 1.1.2018 gilt § 49 SGB IX nF. 9 Es ist ratsam, dass der Rückantwortbogen mit dem Schreiben eine Einheit bildet, damit deutlich wird, worauf sich die Erklärungen, insbesondere die Datenschutzerklärung, beziehen.

670

Lingemann

M 15.6

Kap. 15

Krankheit

Rückantwortbogen Mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) bin ich



einverstanden



einverstanden



einverstanden



einverstanden



in Betracht



hinzuzuziehen



nicht einverstanden.



nicht einverstanden.



nicht einverstanden.



nicht einverstanden.



nicht in Betracht.



nicht hinzuzuziehen.

Mit der im Einladungsschreiben zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements unter Ziffer 2) dargestellten Erhebung und Verwendung (d.h. Verarbeitung und Nutzung)10 meiner personenbezogenen Daten (einschließlich der Angaben zu meiner Gesundheit) im Rahmen des bEM11 bin ich

Mit der Teilnahme eines Mitgliedes des Betriebsrates bin ich Mit der Teilnahme eines Mitgliedes der Schwerbehindertenvertretung bin ich Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben kommen bei mir Ich bitte, eine/n Vertreter/in des Integrationsamtes zu den Gesprächen

Mit ist bekannt, dass ich die vorstehenden Erklärungen jederzeit widerrufen kann. … Ort, Datum

… Name

10 § 84 SGB IX/§ 167 SGB IX nF bezieht in Abs. 2 Satz 3 die Hinweispflicht auf die „erhobenen und verwendeten“ Daten, § 4a BDSG spricht bei der Einwilligung von „Erhebung, Speicherung und Verarbeitung“. Die Begriffe sind uE synonym gemeint (in diese Richtung auch Knittel, 8. Aufl. 2015, § 84 SGB IX Rz. 138 ff.), das Muster soll beidem Rechnung tragen. 11 Die Hervorhebung – hier durch Fettdruck – ist gem. § 4a BDSG erforderlich, vgl. Vossen, DB 2016, 1814, 1818 mwN.

M 15.6

Formlose Antwort des Arbeitnehmers auf die Einladung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF

Mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) bin ich einverstanden.1 Ihrem Anruf zur Vereinbarung eines Termins für ein erstes Eingliederungsgespräch sehe ich gerne entgegen. Ich bin auch damit einverstanden, wenn – ein Mitglied des Betriebsrates und – ein Mitglied der Schwerbehindertenvertretung an diesem Gespräch teilnehmen.

1 Die Neufassung gilt ab 1.1.2018, bis dahin wäre im gesamten Formular nur die alte Nummerierung und ab dann nur die neue – hier gekennzeichnet mit „nF“ – zu verwenden.

Lingemann

671

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben kommen nicht in Betracht/kommen in Betracht. Daher bitte ich, eine/n Vertreter/in des Integrationsamtes zu den Gesprächen hinzuzuziehen. Ich bin damit einverstanden, dass Sie dem/der Vertreter/in des Integrationsamtes die in Ihrem Einladungschreiben vom … genannten Daten weitergeben. Ich bin auch einverstanden mit der im Einladungsschreiben zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements dargestellten Erhebung und Verwendung (d.h. Verarbeitung und Nutzung)2 meiner besonderen personenbezogenen Daten im Rahmen des bEM oder Ich halte die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht für erforderlich und stimme Ihrem Vorschlag daher nicht zu. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 2 § 84 SGB IX/§ 167 SGB IX nF bezieht in Abs. 2 Satz 3 die Hinweispflicht auf die „erhobenen und verwendeten“ Daten, § 4a BDSG spricht bei der Einwilligung von „Erhebung, Speicherung und Verarbeitung“. Die Begriffe sind uE synonym gemeint (in diese Richtung auch Knittel, 8. Aufl. 2015, § 84 SGB IX Rz. 138 ff.), das Muster soll beidem Rechnung tragen.

Kapitel 16 I. 1. 2. 3. 4.

Schwerbehinderte Menschen

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Einführung Schwerbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . Antragstellung und Verfahren beim Integrationsamt (M 16.3) . . . . . . . . . . . . . . a) Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen eines fehlenden Antrages c) Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidungsfrist . . . . . . . . . . . . . . e) Prüfung des Integrationsamtes . . . . . f) Anhörung des Betriebsrates und Beteiligung des Integrationsamtes (M 16.2, M 16.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung (M 16.1) . . . . . . . . . . . . . h) Einvernehmliche Beendigung vor dem Integrationsamt . . . . . . . . . . . . . . . . i) Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Kündigungserklärungsfrist . . . . . . . . 5. Anfechtung des Vertrages . . . . . . . . . . .

672 Lingemann

1 2 9

11 11 12 13 14 16 17

17a 18 19 20 22

II. Muster Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung gem. § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Verdachtskündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen/gleichgestellten behinderten Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . Klage des Arbeitgebers gegen die Versagung der Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung des Arbeitsvertrages . . . . . . . Klage des Arbeitnehmers auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes . . .

_

. . 16.1 M

_ _ _ _ _ _

M . . 16.2

M . . 16.3 M . . 16.4 M . . 16.5 M . . 16.6 M . . 16.7

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben kommen nicht in Betracht/kommen in Betracht. Daher bitte ich, eine/n Vertreter/in des Integrationsamtes zu den Gesprächen hinzuzuziehen. Ich bin damit einverstanden, dass Sie dem/der Vertreter/in des Integrationsamtes die in Ihrem Einladungschreiben vom … genannten Daten weitergeben. Ich bin auch einverstanden mit der im Einladungsschreiben zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements dargestellten Erhebung und Verwendung (d.h. Verarbeitung und Nutzung)2 meiner besonderen personenbezogenen Daten im Rahmen des bEM oder Ich halte die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht für erforderlich und stimme Ihrem Vorschlag daher nicht zu. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 2 § 84 SGB IX/§ 167 SGB IX nF bezieht in Abs. 2 Satz 3 die Hinweispflicht auf die „erhobenen und verwendeten“ Daten, § 4a BDSG spricht bei der Einwilligung von „Erhebung, Speicherung und Verarbeitung“. Die Begriffe sind uE synonym gemeint (in diese Richtung auch Knittel, 8. Aufl. 2015, § 84 SGB IX Rz. 138 ff.), das Muster soll beidem Rechnung tragen.

Kapitel 16 I. 1. 2. 3. 4.

Schwerbehinderte Menschen

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Einführung Schwerbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . Antragstellung und Verfahren beim Integrationsamt (M 16.3) . . . . . . . . . . . . . . a) Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen eines fehlenden Antrages c) Antragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entscheidungsfrist . . . . . . . . . . . . . . e) Prüfung des Integrationsamtes . . . . . f) Anhörung des Betriebsrates und Beteiligung des Integrationsamtes (M 16.2, M 16.3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung (M 16.1) . . . . . . . . . . . . . h) Einvernehmliche Beendigung vor dem Integrationsamt . . . . . . . . . . . . . . . . i) Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Kündigungserklärungsfrist . . . . . . . . 5. Anfechtung des Vertrages . . . . . . . . . . .

672 Lingemann

1 2 9

11 11 12 13 14 16 17

17a 18 19 20 22

II. Muster Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung gem. § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Verdachtskündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen/gleichgestellten behinderten Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . Klage des Arbeitgebers gegen die Versagung der Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung des Arbeitsvertrages . . . . . . . Klage des Arbeitnehmers auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes . . .

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M . . 16.3 M . . 16.4 M . . 16.5 M . . 16.6 M . . 16.7

Schwerbehinderte Menschen

Rz. 1 Kap. 16

Literatur: Arnold/Fischinger, Kündigungsschutz und § 84 SGB IX – Der Nebel lichtet sich!, BB 2007, 1894; Balders/Lepping, Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach dem SGB IX, NZA 2005, 855; Bauer/Powietzka, Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer – Nachweis, Sozialauswahl, Klagefrist und Reformbedarf, NZA-RR 2004, 505; Bayreuther, Der neue Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer nach § 95 II SGB IX, NZA 2017, 87; Boecken, Die Pflicht zur behindertengerechten Beschäftigung, RdA 2012, 2010; Brock/Windeln, Die Mitteilung der Schwerbehinderung an den Arbeitgeber, ArbRB 2006, 272; Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX – Kommentar zum Recht schwerbehinderter Menschen und Erläuterungen zum AGG und BGG, 6. Aufl. 2011; Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, 4. Aufl. 2014; Deinert, Kündigungsprävention und betriebliches Eingliederungsmanagement, NZA 2010, 969; Düwell, Schwerbehindertenkündigung und Beteiligungsverfahren, BB 2011, 2485; Düwell, Der Kündigungsschutz schwerbehinderter Beschäftigter nach der Novelle vom 23.4.2004, BB 2004, 2811; Düwell, Die Neuregelung des Verbots der Benachteiligung wegen Behinderung im AGG, BB 2006, 1741; Düwell, Neu geregelt: Die Stellung der Schwerbehinderten im Arbeitsrecht, BB 2001, 1527; Feldes/Fraunhoffer ua., Schwerbehindertenrecht, Basiskommentar, 12. Aufl. 2015; Gehlhaar, Neue Regeln für die Anzeige der Schwerbehinderung nach einer Kündigung, NZA 2011, 673; Göttling/Neumann, Leicht verständlicher Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen, NZA-RR 2007, 281; Grimm/Freh, Wichtige Neuerungen im Schwerbehindertenrecht, ArbRB 2017,16; Gröninger/Thomas, Schwerbehindertengesetz, Loseblatt; Großmann ua., Gemeinschaftskommentar zum SGB IX, Loseblatt; Husemann, Die Information über die Schwerbehinderung im Arbeitsverhältnis, RdA 2014, 16; Kayser, Das betriebliche Eingliederungsmanagement, AuA 2007, 206; Kleinebrink, Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung: Was bei der Begründung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses zu beachten ist, ArbRB 2012, 161; Klemm/Kornbichler/Neighbour/Ohmann-Sauer/ Schröder/Schwarz, Beck’sches Formularbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2014; Kohte, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Bestandsschutz, DB 2008, 582; Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, Kommentar, 4. Aufl. 2015; Lorenz, Bekanntes und Neues vom Sonderkündigungsschutz Schwerbehinderter, FA 2007, 198; Mrozynski/Müller-Wenner/Schorn, Kommentar SGB IX Teil 1, 2. Aufl. 2011; Neumann, Kündigungsschutz Schwerbehinderter, AR-Blattei Schwerbehinderte II und SD 1440.2; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Sozialgesetzbuch IX, Kommentar, 12. Aufl. 2010; Pahlen, Schwerbehindertengesetz, AR-Blattei SD 1440.1; Powietzka, Aktuelle Rechtsprechung zum Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer, BB 2007, 2118; Rose/Gilberger, Wiedereingliederung: Schrankenloser Anspruch schwerbehinderter Menschen?, DB 2009, 1986; Sartorius/Bubeck, Das Schwerbehindertenrecht in der anwaltlichen Praxis, ZAP Fach 18, 949; Schaub, Ist die Frage nach der Schwerbehinderung zulässig?, NZA 2003, 299; Schmidt, Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) – § 84 Abs. 2 SGB IX – aktueller Überblick, AE 2012, 202; Schrader/Siebert, Die Frage nach der Schwerbehinderung, ArbRAktuell 2012, 157; Schwarz-Seeberger, Benachteiligung wegen Schwerbehinderung, ZMV 2007, 209; Seel, Rechtsfragen bei Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer, MDR 2007, 499; Stück, Der leidens-/behinderungsgerechte Arbeitsplatz, AuA 2007, 200; Waas, Annahmeverzug und Schadensersatz bei Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, SAE 2007, 72; Frank, Das Schwerbehindertenrecht, 10. Aufl. 2014; Wisskirchen, Der Umgang mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – Ein „Kochrezept“ für Arbeitgeber, DB 2006, 1491.

I. Einführung 1. Schwerbehinderung §§ 68 ff. SGB IX/151 ff. SGB IX nF regeln das Schwerbehindertenrecht.1 Sie gelten für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen, § 68 Abs. 1 SGB IX/§ 151 Abs. 1 1 Mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 29.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234) werden zahlreiche Regelungen in SGB I–XI geändert, vor allem aber im SGB IX. Das Gesetz tritt hinsichtlich des Schwerbehindertenschutzes nach dem SGB IX und der umfassenden Umnummierung gemäß seinem Art. 26 erst am 1.1.2018 in Kraft, einige Regelungen jedoch gem. Art. 2 bereits am 30.12.2016; dazu zählt insbesondere die Unwirksamkeit der Kündigung ohne vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX/§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF. Wir haben die anstehende umfassende Neunummerierung jeweils durch nF gekennzeichnet und die Änderung der Rechtslage bereits eingearbeitet.

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Kap. 16 Rz. 2

Schwerbehinderte Menschen

SGB IX nF, nicht für von Behinderung bedrohte Menschen. Menschen mit Behinderung sind gem. § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Körper-und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung in diesem Sinne zu erwarten ist. Menschen sind im Sinne dieser Regelung jedoch nur schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iSd. § 73 SGB IX/ § 156 SGB IX nF rechtmäßig im Bundesgebiet haben, § 2 Abs. 2 SGB IX. Es reicht aus, wenn die Behinderung tatsächlich vorliegt. Auf die behördliche Anerkennung kommt es nicht an. Da der Arbeitnehmer jedoch darlegungs- und beweispflichtig ist, wenn er sich auf die Schwerbehinderteneigenschaft beruft, stellt das zuständige Versorgungsamt am Wohnsitz des Behinderten auf seinen Antrag hin (der Arbeitgeber ist nicht antragsberechtigt) die Behinderung und den GdB fest, § 69 SGB IX/§ 152 SGB IX nF. Gleichgestellt sind nach § 2 Abs. 3 SGB IX Personen mit einem GdB zwischen 30 und 49, wenn die Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit festgestellt wird. Dies erfolgt, wenn die Person infolge einer durch das Versorgungsamt festgestellten Behinderung des genannten Grads (§ 69 SGB IX/§ 152 SGB IX nF) einen geeigneten Arbeitsplatz iSv. § 73 SGB IX/§ 156 SGB IX nF nicht erlangen oder nicht behalten kann. 2. Pflichten des Arbeitgebers 2

Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen haben auf wenigstens 5 % der Stellen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. In die Berechnung sind grundsätzlich alle Arbeitsplätze einzubeziehen, auf denen Arbeiter, Angestellte, Beamte, Richter sowie Auszubildende und zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden, § 73 Abs. 1 SGB IX/§ 154 Abs. 1 SGB IX nF. Die Stellen, die nicht als Arbeitsplätze gelten, sind in § 73 Abs. 2 und 3 SGB IX/ §156 Abs. 2 und 3 SGB IX nF aufgeführt. Stellen der Auszubildenden sind von der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen ausgenommen, § 74 SGB IX/§ 157 SGB IX nF. Kommt der Arbeitgeber seiner Beschäftigungspflicht nicht in vollem Umfang nach, muss er gem. § 77 SGB IX/§ 160 SGB IX nF für jeden unbesetzten Pflichtplatz eine monatliche Ausgleichsabgabe entrichten.2 Die genaue Höhe richtet sich danach, in welchem Umfang die in § 71 Abs. 1 und 2 SGB IX/§ 154 Abs. 1 und 2 SGB IX nF bestimmte Pflichtquote unterschritten wird, § 77 Abs. 1 und 2 SGB IX/ § 160 Abs. 1 und 2 SGB IX nF. Die Ausgleichsabgabe erhöht sich gem. § 77 Abs. 3 SGB IX/§ 160 Abs. 3 SGB IX nF in Anlehnung an die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Der Arbeitgeber hat der für seinen Sitz zuständigen Arbeitsagentur jeweils bis zum 31. März des Folgejahres die Zahl der Arbeitsplätze im Betrieb, der dort beschäftigten schwerbehinderten Menschen und gleichgestellten behinderten Menschen sowie der sonstigen anrechnungsfähigen Personen und der Mehrfachanrechnungen sowie den Gesamtbetrag der geschuldeten Ausgleichsabgabe mitzuteilen, § 80 Abs. 2 SGB IX/§ 163 Abs. 2 SGB IX nF. Zudem hat er ein Verzeichnis der bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Menschen, gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen zu führen und dies auf Verlangen des Integrationsamtes und der Agentur für Arbeit vorzulegen, § 80 Abs. 1/§ 163 Abs. 1 SGB IX nF.

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Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze hat der Arbeitgeber gem. § 81 Abs. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 1 SGB IX nF zu prüfen, ob sie mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen sind. Dazu 2 Die Pflichten des Arbeitgebers zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen und zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe sind mit der Verfassung vereinbar, BVerfG v. 1.10.2004 – 1 BvR 2221/03, NZA 2005, 102.

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Rz. 4 Kap. 16

hat er frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Kontakt aufzunehmen und die Schwerbehindertenvertretung über etwaige Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit zu unterrichten. Verletzt ein Arbeitgeber seine Pflichten nach § 81 Abs. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 1 SGB IX nF, so kann dies die Vermutung für eine Benachteiligung schwerbehinderter Beschäftigter wegen ihrer Behinderung gem. §§ 1, 7, 22 AGG begründen.3 Besonders zu erwähnen ist das Einsichtsrecht der Schwerbehindertenvertretung in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen aller Bewerber sowie das Recht auf Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen, soweit die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen auf eine Stelle vorliegt, §§ 81 Abs. 1 Satz 6, 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX/§§ 164 Abs. 1 Satz 6, 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF.4 Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX/§ 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nF sind alle Beteiligten zudem vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Auch die fehlende Unterrichtung des Arbeitnehmers über die Gründe für die Absage kann eine Vermutungstatsache gem. § 22 AGG für eine Benachteiligung gem. §§ 1, 7 AGG sein.5 Außerdem kann der Betriebsrat gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG seine Zustimmung verweigern, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seiner Prüfpflicht die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt hat und ein nicht behinderter Bewerber eingestellt werden soll.6 § 81 Abs. 3 SGB IX/§ 164 Abs. 3 SGB IX nF enthält die Verpflichtung des Arbeitgebers, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann. Die Reichweite und Durchsetzbarkeit dieser Verpflichtung ist jedoch unklar; eine Verpflichtung, bestimmte Bewerber einzustellen, entsteht dadurch nicht.7 § 81 Abs. 4 SGB IX/§ 164 Abs. 4 SGB IX nF enthält die Kernpflichten des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Menschen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Danach haben die schwerbehinderten Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf (1) Beschäftigung,8 bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und 3 BAG v. 22.8.2013, AP SGB IX § 81 Nr. 21, Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 81; v. 17.8.2010 – 9 AZR 839/08, NZA 2011, 153, 156 jeweils zur nicht rechtzeitigen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, selbst wenn die Vertrauensperson der Schwerbehinderten ebenfalls zu den Bewerbern gehört; v. 21.7.2009 – 9 AZR 431/08, NZA 2009, 1087. Unerheblich soll dabei sein, ob der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers hatte, BAG v. 13.10.2011, EzA § 15 AGG Nr. 16. Zum AGG im Einzelnen ferner Kap. 13 Rz. 26 ff., insb. Rz. 30 ff., 42. 4 Die Schwerbehindertenvertretung ist auch zuständig für die Vertretung der Rehabilitanden in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, obwohl diese keine Arbeitnehmer iSd. Betriebsverfassungsgesetzes sind, BAG v. 16.4.2003 – 7 ABR 27/02, NZA 2003, 1105. 5 Vgl. EuGH v. 19.4.2012, NZA 2012, 493 – Meister; BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, NZA 2013, 840, m. Anm. Haußmann, ArbRAktuell 2013, 156; dies gilt allerdings nur, wenn der Arbeitgeber der Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht hinreichend nach § 71 SGB IX/§ 154 SGB IX nF nachgekommen ist; im Einzelnen unten Rz. 5. 6 BAG v. 17.6.2008 – 1 ABR 20/07, NZA 2008, 1139; LAG Hamm v. 23.1.2015 – 13 TaBV 44/14, Rz. 76; Kleinebrink, ArbRB 2012, 161, 162. Möglich wäre somit auch der Widerspruch des Betriebsrats gegen die Einstellung eines Leiharbeitnehmers, gestützt auf die Verletzung der Prüf- und Konsultationspflicht des § 81 Abs. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 1 SGB IX nF, BAG v. 23.6.2010 – 7 ABR 3/09, NZA 2010, 1361. Der Arbeitgeber muss darüber hinaus Arbeitsplätze, die mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen, gem. § 93 BetrVG innerbetrieblich ausschreiben, um einen möglicherweise vorrangigen Anspruch auf die Beschäftigung auf dem zugedachten Arbeitsplatz eines Schwerbehinderten oder ihm Gleichgestellten gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nF sicherzustellen. Unterlässt der Arbeitgeber dies, kann der Betriebsrat gem. § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG die Zustimmung verweigern, BAG v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12, NZA 2014, 214, Rz. 19 ff. 7 Ein einklagbarer individueller Anspruch ergibt sich hieraus somit nicht. Solche Ansprüche finden sich in § 81 Abs. 4 und 5 SGB IX/§ 164 Abs. 4 und 5 SGB IX nF, die insoweit Abs. 3 konkretisieren. 8 Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Tätigkeit wegen der Behinderung nicht mehr wahrnehmen, so kann er Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben, wobei, so-

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Kap. 16 Rz. 4

Schwerbehinderte Menschen

weiterentwickeln können,9 (2) bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens, (3) Erleichterungen in zumutbarem Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung, (4) behinderungsgerechte Einrichtungen und Unterhaltungen der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr, (5) Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen, jeweils unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung. Der unter (1) genannte schwerbehindertenrechtliche Beschäftigungsanspruch lässt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG unberührt. Soweit für die Erfüllung dieses Anspruchs eine Versetzung erforderlich ist, hat der schwerbehinderte Mensch einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber die Zustimmung nach § 99 BetrVG beim Betriebsrat einholt. Wird diese verweigert und steht nicht fest, dass dem Betriebsrat objektiv Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG zustehen, hat der schwerbehinderte Mensch auch einen Anspruch auf Durchführung des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Führt der Arbeitgeber das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren schuldhaft unzureichend durch, kann das einen Schadensersatzanspruch begründen.10 Gemäß § 81 Abs. 5 SGB IX/§ 164 Abs. 5 SGB IX nF hat der Arbeitgeber die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen zu fördern; schwerbehinderte Menschen haben gem. § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX/§ 164 Abs. 5 Satz 3 SGB IX nF auch einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist (im Einzelnen Kap. 6 Rz. 65). Gemäß § 124 SGB IX/§ 207 SGB IX nF sind schwerbehinderte Menschen auf ihr Verlangen auch von Mehrarbeit freizustellen. Da Mehrarbeit lediglich die Arbeit ist, die die gesetzliche werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden gem. § 3 Satz 1 ArbZG überschreitet, begründet dies jedoch – vorbehaltlich § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX/§ 164 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX nF – keinen Anspruch auf Einhaltung der Fünf-Tage-Woche und/oder Befreiung von Nachtarbeit.11

weit erforderlich, auch ein Anspruch auf Vertragsänderung (auch durch eine Änderungskündigung) in Betracht kommt, BAG v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12, NZA 2014, 214, Rz. 24; v. 1.2.2011 – 1 ABR 79/09, NZA 2011, 703, Rz. 23; v. 21.9.2006 – 2 AZR 607/05, NZA 2007, 431; v. 14.3.2006 – 9 AZR 411/05, NZA 2006, 1214. Dabei hat der Arbeitnehmer die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nF darzulegen, BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 229/05, NZA 2007, 91; v. 10.5.2005 – 9 AZR 230/04, NZA 2006, 155. Der Arbeitgeber hingegen hat die anspruchshindernden Umstände (v.a. Unzumutbarkeit der Beschäftigung) vorzutragen, BAG v. 14.3.2006, NZA 2006, 1214; LAG Hamburg v. 15.4.2015 – 5 Sa 107/12, juris, Rz. 25. Ausführlich zum Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung Boecken, RdA 2012, 2010. 9 Ebenfalls aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nF ergibt sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf stufenweise Wiedereingliederung iSd. § 74 SGB V. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht jedoch eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, die auch einen Wiedereingliederungsplan über die aus ärztlicher Sicht zulässige Arbeit enthält, sowie eine Prognose, ob und wann mit einer Wiederherstellung der vollen oder teilweisen Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist, BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 229/05, NZA 2007, 91; diskutiert wird, ob es sich bei der Wiedereingliederung um eine Einstellung bzw. Versetzung iSv. § 99 BetrVG handelt. Dies ist jedoch abzulehnen, Rose/Gilberger, DB 2009, 1986. 10 BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 481/01, DB 2003, 1230. 11 BAG v. 3.12.2002, AP Nr. 1 zu § 124 SGB IX nF. Seit dem 1.1.2004 gilt auch der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit. Diese ist somit auf die gesetzliche Höchstarbeitszeit iSd. § 3 Satz 1 ArbZG anzurechnen, BAG v. 21.11.2006 – 9 AZR 176/06, NZA 2007, 446.

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Schwerbehinderte Menschen

Rz. 5 Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen haben gem. § 125 SGB IX/§ 208 SGB IX nF Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen/Urlaubsjahr.12 § 83 SGB IX/§ 166 SGB IX nF regelt ferner die Möglichkeit einer Inklusionsvereinbarung (ab 1.1.2018, bisher: Integrationsvereinbarung) zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung sowie dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers (§ 181 SGB IX nF), die Regelungen im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen enthält, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen.13 Gleichzeitig kann die Bundesagentur für Arbeit Integrationsfachdienste gem. §§ 109 ff. SGB IX/§ 192 ff. SGB IX nF einrichten, die die Eingliederung Schwerbehinderter durch Beratung, Betreuung und Fortbildung erleichtern sollen. § 81 Abs. 2 SGB IX/§ 164 Abs. 2 SGB IX nF verweist zur Klarstellung auf das Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen in Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnissen im AGG. Zum AGG siehe insbesondere Kap. 13 Rz. 26 ff. Dem Arbeitgeber ist nach dem AGG sowohl die mittelbare wie die unmittelbare Diskriminierung aus Gründen einer Behinderung verboten, § 7 Abs. 1 AGG.14 Nach dem AGG geschützt sind allerdings nicht nur Schwerbehinderte und Gleichgestellte iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX,15 sondern weitergehend behinderte Menschen iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Der vom EuGH gem. der Richtlinie 2000/87/EG geprägte Begriff der Behinderung16 wurde als enger und für das AGG als nicht maßgeblich angesehen.17 Inzwischen hat der EuGH seine Antidiskriminierungsrechtsprechung wieder ausgedehnt und klargestellt, dass dem Urteil „Navas“18 keine restriktive Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie zu entnehmen sei.19 12 Dabei erhöht sich nicht nur der gesetzliche Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG, sondern auch ein höherer vertraglicher Urlaub, BAG v. 24.10.2006 – 9 AZR 669/05, NZA 2007, 330. 13 Arbeitshilfen zur Vorbereitung einer solchen Vereinbarung finden sich unter www.integrations aemter.de. 14 Eine verdeckte mittelbare Benachteiligung liegt zB vor, wenn eine Regelung in einem Tarifvertrag zur Altersteilzeit, nach der das Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Möglichkeit zum Bezug einer abschlagsfreien Altersrente endet, dazu führt, dass sich die Freistellungsphase bei der Altersteilzeit im Blockmodell für einen schwerbehinderten Arbeitnehmer erheblich verkürzt, Rechtsfolge der Ungleichbehandlung ist der Anspruch auf Behandlung wie ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer, BAG v. 12.11.2013, NJOZ 2014, 815. 15 Vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 31; BAG v. 18.11.2008 – 9 AZR 643/07, NZA 2009, 728: Ab einem GdB von 30 % kommen Entschädigungsansprüche in Betracht. Der Arbeitgeber muss eine Behinderung nicht berücksichtigen, wenn sie nach Ablauf der Bewerbungsfrist mitgeteilt wird und zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung bereits getroffen ist. 16 „Eine Einschränkung (…), die u. a. auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können“, EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-354/13, NZA 2015, 33, Rz. 53, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 45; v. 11.4.2013 – Rs. C-335/11, NZA 2013, 553; BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372, Rz. 57 f., m. Anm. Günther, ArbRAktuell 2014, 150; enger noch EuGH v. 11.7.2006 – Rs. C-13/05 – Navas, NZA 2006, 839. Nicht erforderlich ist, dass die Ausübung der Tätigkeit aufgrund der Behinderung unmöglich ist. Vielmehr reicht bereits aus, dass der Arbeitnehmer in der Ausübung der Tätigkeit beeinträchtigt ist, EuGH v. 18.12.2014, NZA 2015, 33, Rz. 54, m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 45. 17 BGK, § 1 AGG Rz. 38 f.; vgl. PWW/Lingemann, § 1 AGG Rz. 7; aA Palandt/Ellenberger, § 1 AGG Rz. 6. 18 EuGH v. 11.7.2006 – Rs. C-13/05 – Navas, NZA 2006, 839. 19 EuGH v. 17.7.2008 – Rs. C-303/06 – Coleman, NZA 2008, 932, Rz. 44 ff.: Unwirksamkeit einer Kündigung der Mutter, die auf die Behinderung ihres Kindes zurückzuführen war.

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Kap. 16 Rz. 6

Schwerbehinderte Menschen

Jedenfalls aber gelten die Regelungen des AGG erst recht für schwerbehinderte Menschen gem. § 2 Abs. 2 SGB IX und diesen Gleichgestellte gem. § 2 Abs. 3 SGB IX (vgl. Rz. 1 ff.). Geschützt sind insoweit nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Einstellungsbewerber, § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht zwar nicht, § 15 Abs. 6 AGG, jedoch hat der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG, § 280 BGB Ersatz des Vermögensschadens zu leisten, es sei denn, er hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Daneben kommt ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in Betracht. Die Ansprüche sind vorbehaltlich abweichender tariflicher Regelungen nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich beim Arbeitgeber geltend zu machen. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG gilt zusätzlich eine dreimonatige Klagefrist nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs. Im Streitfall genügt es, wenn die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen.20 Dann trifft den Anspruchsgegner die volle Darlegungsund Beweislast für die fehlende Kausalität eines Benachteiligungsgrundes, das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes oder das fehlende Vertretenmüssen, § 22 AGG. Vermutungstatsache (s. dazu auch Rz. 3) kann insbesondere sein21 die Absage gegenüber einem schwerbehinderten Bewerber ohne Einhaltung der Pflichten zur Beteiligung der Agentur für Arbeit gem. §§ 81 Abs. 1 Satz 2, 82 SGB IX/§§ 164 Abs. 1 Satz 2, 165 SGB IX nF,22 eine nicht unverzügliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4 und 6/§ 164 Abs. 1 Satz 4 und 6 SGB IX nF bei der Bewerberauswahl oder Besetzung von Arbeitsplätzen23 oder auch die Nichtangabe von Gründen im Absageschreiben entgegen § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX/ § 164 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nF gegenüber behinderten Bewerbern, wenn gleichzeitig die Quote nach § 71 SGB IX/§ 154 SGB IX nF nicht erfüllt ist24, sowie beim öffentlichen Arbeitgeber die Nichteinladung eines schwerbehinderten Menschen entgegen § 82 Satz 2 SGB IX/§ 165 Satz 2 SGB IX nF25. Im Regelfall keine verbotene Diskriminierung ist die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderteneigenschaft seines Beschäftigten, jedenfalls nachdem dieser gem. §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF Sonderkündigungsschutz erhalten hat.26 Denn die Frage nach der Schwerbehinderung dient dann dem berechtigten Ziel, den gesetzlich angeordneten besonderen Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer verwirklichen zu können. 6

Nach § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF hat der Arbeitgeber in allen Angelegenheiten, die einen schwerbehinderten Menschen oder schwerbehinderte Menschen als Gruppe be20 BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10, NZA 2012, 34. 21 Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 22 AGG Rz. 1 ff., 5 f. 22 BAG v. 24.1.2013 – 8 AZR 188/12, NZA 2013, 896; v. 12.9.2006, EzA § 81 SGB IX Nr. 14. Die Indizwirkung soll nach der Rspr. des BAG selbst dann greifen, wenn der Bewerber seinen Behindertenstatus bei der Bewerbung nicht offenbart hat, BAG v. 13.10.2011, EzA § 15 AGG Nr. 16. 23 BAG v. 20.1.2016 – 8 AZR 194/14 m Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 321; v. 22.8.2013 AP SGB IX § 81 Nr. 21, Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 81; v. 15.2.2005, BB 2005, 2816. 24 BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, NZA 2013, 840 m. Anm. Haußmann, ArbRAktuell 2013, 156. 25 BAG v. 11.8.2016 – 8 AZR 375/15, BB 2017, 250; v. 20.1.2016 – 8 AZR 194/14 m Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 321; v. 26.6.2014, AP Nr. 10 zu § 22 AGG, Rz. 45; v. 16.2.2012, AP Nr 21 zu § 81 SGB IX. Dabei genügt die Angabe einer Schwerbehinderung im Bewerbungsschreiben, der GdB muss nicht angegeben werden, BAG v. 22.10.2015 – 8 AZR 384/14, NZA 2016, 625. Die Verpflichtung besteht nur, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbhinderung hat oder diese kennen müsste, weil der schwerbehinderte Mensch in der Bewerbung darauf hingewiesen hat. Lädt der öffentliche Arbeitgeber gleichwohl nicht ein, kann die Vermutungswirkung nur entkräftet werden, wenn der Arbeitgeber dartun kann, dass dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, § 82 Satz 3 SGB IX/§ 165 Satz 3 SGB IX nF. Dies sollte er dann zur Begründung der Absage schon ausführen. 26 BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555.

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Rz. 7 Kap. 16

rühren, die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Ferner hat er ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen, § 178 Abs. 2 Satz 1, letzter Halbs. SGB IX nF. Dies gilt für personelle Einzelmaßnahmen wie Einstellungen, Versetzungen, Ein- bzw. Umgruppierungen, Abmahnungen oder Kündigungen. Keine Entscheidung iSd. Norm ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages.27 Die Pflicht entfällt ausnahmsweise, wenn die Angelegenheit behinderte wie nicht behinderte Arbeitnehmer in gleicher Weise berührt.28 Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nach, ist die jeweilige Maßnahme auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX/ § 187 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nF auszusetzen, sofern sie noch nicht vollzogen wurde.29 Neu ist die Regelung des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX/§ 187 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF, nach der die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine entsprechende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, unwirksam ist (M 16.1). Diese Regelung gilt seit dem 30.12.2016. Gemäß § 84 Abs. 1 SGB IX/§ 167 Abs. 1 SGB IX nF schaltet der Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis, die zur Gefährdung des Arbeitsverhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX/§ 176 SGB IX nF genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Die Durchführung dieses allgemeinen Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX/ §167 Abs. 1 SGB IX nF ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung bei der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, stellt jedoch eine Konkretisierung des kündigungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das Unterlassen des Verfahrens30 findet aber nur dann bei der Bewertung des Kündigungsgrundes zu Lasten des Arbeitgebers Berücksichtigung, wenn es erfolgversprechend ist, im Arbeitsverhältnis des Schwerbehinderten auftretende Schwierigkeiten zu beseitigen.31 Auch in diesem Fall kann die Unterlassung aber Entschädigungsansprüche nach dem AGG begründen.32 § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF sieht darüber hinaus ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) vor (M 15.5 ff.).33 Wenn – auch nicht behinderte – Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX/ § 176 SGB IX nF, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Personen die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hil27 BAG v. 14.3.2012, EzA § 95 SGB IX Nr. 4. 28 BAG v. 17.8.2010 – 9 ABR 83/09, NZA 2010, 1431. Ohne Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen bedarf die Besetzung einer Führungsposition demnach nur dann der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, wenn die Führungskraft besondere schwerbehindertenspezifische Aufgaben bewältigen muss wie zB die behindertengerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen. 29 Vollzieht der Arbeitgeber Maßnahmen des § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit gem. § 156 Abs. 1 Nr. 9 SGB IX/§ 238 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX nF dar. 30 In den ersten sechs Monaten ist es allerdings nicht erforderlich, das Unterlassen begründet auch keine Vermutung nach § 22 AGG für eine Diskriminierung, BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131. 31 BAG v. 7.12.2006 – 2 AZR 182/06, NZA 2007, 617. 32 Vgl. BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131. 33 Das Fehlen eines ordnungsgemäß durchgeführten BEM hat allerdings keine Indizwirkung für eine Diskriminierung nach dem AGG, BAG v. 28.4.2011 – 8 AZR 515/10, NJW 2011, 2458.

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fen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Das bEM ist allgemein im Rahmen der krankheitsbedingten Kündigung und damit auch bei der krankheitsbedingten Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer zu beachten. § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF konkretisiert das dem Kündigungsschutz immanente Ultima-Ratio-Prinzip, mit der Folge, dass den Arbeitgeber im Falle der Nichtdurchführung eine deutlich erhöhte Darlegungs- und Beweislast.34 Ein betriebliches Eingliederungsmanagement ist demnach nicht erforderlich und steht einer Kündigung nur dann nicht entgegen, wenn es nachweislich objektiv nutzlos gewesen wäre.35 Zwingend einzuschalten ist bei Kündigung von schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen jedoch das Integrationsamt (dazu Rz. 9 f.), zu unterrichten sind ferner Schwerbehindertenvertretung, § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF (M 16.1) und der Betriebsrat, §§ 102 ff. BetrVG (M 16.2). Blieb ein ordnungsgemäß durchgeführtes bEM ohne Erfolg, kann der Arbeitgeber darauf im Prozess verweisen. Der gekündigte Arbeitnehmer kann sich dann nicht mehr auf Alternativen berufen, die schon im bEM behandelt und verworfen wurden.36 8

Praxistipp: Dem Arbeitgeber ist dringend zu raten, vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung im Falle des Einverständnisses des Mitarbeiters die in § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF geforderten Schritte zu unternehmen. Der Arbeitgeber muss die Initiative zur Durchführung des bEM ergreifen.37 Erteilt der Arbeitnehmer seine Zustimmung nicht, kann auf die Durchführung des bEM verzichtet werden; es empfiehlt sich, dies schriftlich festzuhalten.

3. Sonderkündigungsschutz 9

Jede Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, auch die außerordentliche oder die Änderungskündigung, kann nach § 85 SGB IX/§ 168 SGB IX nF wirksam erst ausgesprochen werden, nachdem das zuständige Integrationsamt der beabsichtigten Kündigung zugestimmt hat (M 16.3).38 Eigenkündigungen des Arbeitnehmers und eine einvernehmliche Beendigung bedürfen hingegen keiner Zustimmung des Integrationsamtes. Dasselbe gilt für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen, die noch nicht länger als sechs Monate bestehen, § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nF,39 und für die weiteren in § 73 Abs. 2 SGB IX/§ 173 SGB IX nF 34 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979: Der Arbeitgeber muss nicht nur darlegen und beweisen, dass keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, sondern auch, dass die Durchführung eines bEM objektiv nutzlos gewesen wäre. Damit geht das BAG deutlich über die frühere Rspr. (BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, NZA 2010, 398; v. 12.7.2007 – 2 AZR 716/06, NZA 2008, 173) hinaus. LAG Niedersachsen v. 25.10.2006, BB 2007, 719; LAG Berlin v. 27.10.2005 – 10 Sa 783/05, BB 2006, 560; vgl. auch LAG Schl.-Holst. v. 17.11.2005, Behindertenrecht 2006, 170 sowie Kap. 15 Rz. 19 ff.; Kap. 22 Rz. 78 ff. 35 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979. 36 Vgl. BAG v. 10.12.2009, NZA 2010, 265; krit. Deinert, NZA 2010, 969, 974. 37 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612, m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 251. Bei einer Kündigung muss der Arbeitgeber, wenn er die Initiative nicht ergriffen hat, darlegen, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können und dass arbeitsplatzbezogener Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG objektiv nutzlos sind (BAG aaO, Rz. 39, 50). 38 Kommt es zwischen Antragsstellung und Entscheidung des Integrationsamtes zu einem Betriebsübergang, ist der Zustimmungsbescheid an den Erwerber als neuen Arbeitgeber zu richten. Eine Mitteilung gegenüber dem alten Arbeitgeber geht demgegenüber ins Leere (BAG v. 15.11.2012, NZA 2013, 504). 39 Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber sind jedoch anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht. Maßgeblich für die Beurteilung ist insbesondere der Anlass und die Dauer der Unterbrechung sowie die Art der Weiterbeschäftigung; BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 94/06, NZA 2007, 1103.

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genannten Arbeitnehmergruppen. Zur Einholung der Zustimmung muss der Arbeitgeber einen Antrag an das für seinen Sitz zuständige Integrationsamt richten (M 16.1). Das Integrationsamt prüft allerdings nicht die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Kündigung, sondern nur die Notwendigkeit der Gewährung von Sonderkündigungsschutz.40 Bei der außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber gem. § 91 Abs. 2 SGB IX/§ 174 Abs. 2 SGB IX nF die Zustimmung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntniserlangung der für die Kündigung maßgeblichen Gründe beantragen.41 Stimmt das Integrationsamt der Kündigung zu, kann der Arbeitgeber die ordentliche Kündigung nur innerhalb eines Monats42 (§ 88 Abs. 3 SGB IX/§ 171 Abs. 3 SGB IX nF), die außerordentliche nur unverzüglich43 (§ 91 Abs. 5 SGB IX/§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) nach Zustellung erklären (dazu näher ab Rz. 20). Die Kündigung muss dem Arbeitnehmer innerhalb der Frist zugehen.44 Ein Arbeitnehmer, der aus dem Verfahren vor dem Integrationsamt weiß, dass ihm eine fristlose Kündigung zugehen wird, kann sich je nach den Umständen nach Treu und Glauben auf einen verspäteten Zugang des Kündigungsschreibens allerdings nicht berufen, wenn er dieses nicht oder nicht zeitnah bei der Postdienststelle abgeholt hat, obwohl ihm ein Benachrichtigungsschreiben der Post zugegangen ist.45 Die Kündigungsfrist bei ordentlicher Kündigung beträgt nach § 86 SGB IX/§ 169 SGB IX nF mindestens vier Wochen. Der Arbeitnehmer kann den Sonderkündigungsschutz des § 85 SGB IX/§ 168 SGB IX nF nur in Anspruch nehmen, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung bereits als Schwerbehinderter anerkannt ist oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt hat, § 90 Abs. 2a SGB IX/§ 173 Abs. 3 SGB IX nF.46 Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind.47 Der Sonderkündigungsschutz greift bei Arbeitnehmern, die mit einem Grad von weniger als 50 behindert 40 Vgl. VGH BW v. 4.3.2002, DB 2002, 1784. 41 § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB IX/§ 174 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF verdrängt jedoch nicht die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Mit der bestandskräftigen Zustimmung durch das Integrationsamt steht auch nur fest, dass die Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX//§ 174 Abs. 2 SGB IX nF eingehalten ist, nicht aber auch, dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB eingehalten wurde. Vielmehr haben die Arbeitsgerichte die Einhaltung dieser Frist eigenständig zu prüfen, BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 46/05, NZA 2006, 1211. 42 Soweit die Zustimmung des Integrationsamtes dem Arbeitgeber zugestellt wird, liegt Zugang nach dem maßgeblichen VwZG des Landes frühestens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vor. Eine Kündigung, welche der Arbeitgeber vor Ablauf dieser Drei-Tages-Frist ausspricht, ist unwirksam, LAG BW v. 22.9.2006, DÖD 2007, 96; mehrere Kündigungen innerhalb der Monatsfrist, wegen formeller Bedenken, führen nicht zum Verbrauch des Kündigungsrechts, BAG v. 8.11.2007 – 2 AZR 425/06, NZA 2008, 471. 43 Liegt die Zustimmung des Integrationsamts allerdings bereits vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB vor, so kann der Arbeitgeber diese Kündigungserklärungsfrist voll ausschöpfen und muss nicht unverzüglich kündigen, BAG v. 15.11.2001, NZA 2002, 971. Bei der unverzüglichen Erklärung der außerordentlichen Kündigung nach Erteilung der Zustimmung gem. § 91 Abs. 5 SGB IX/ § 174 Abs. 5 SGB IX nF beginnt die Frist bereits mit sicherer Kenntnis des Arbeitgebers von der Zustimmung, wofür auch die mündliche Bekanntgabe ausreicht. Dies gilt auch für die Zustimmung durch den Widerspruchsausschuss, BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 255/04, DB 2005, 2028. 44 BAG v. 16.10.1991 – 2 AZR 332/91, NZA 1992, 503. 45 BAG v. 7.11.2002 – 2 AZR 475/01, DB 2003, 833. 46 Zuletzt BAG v. 9.6.2011, NZA-RR 2011, 516. 47 BAG v. 1.3.2007 – 2 AZR 217/06, DB 2007, 1702. Anders noch LAG Düsseldorf v. 29.3.2006 – 17 Sa 1321/05, DB 2006, 2244 (aufgehoben durch BAG v. 29.11.2007 – 2 AZR 613/06, NZA 2008, 361); ebenso BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 324/06, NZA 2008, 407: Die frühere Rspr. des BAG zur treuwidrigen Kündigung nach Ankündigung der Antragstellung beim Integrationsamt, BAG v. 7.3.2002 – 2 AZR 612/00, NZA 2002, 1145, ist damit überholt.

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sind, nur bei einer Gleichstellung mit schwerbehinderten Arbeitnehmern. Bei ihnen wird der Sonderkündigungsschutz durch die Gleichstellung erst begründet. Die Gleichstellung wird gem. § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB lX mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Hatte der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung weder Kenntnis noch fahrlässige Unkenntnis von der Schwerbehinderung, kann sich der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen bzw. durch fristgerechte Erhebung einer Kündigungsschutzklage unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf den Sonderkündigungsschutz berufen, ohne dass dies rechtsmissbräuchlich wäre.48 Hat der Arbeitgeber jedoch während des Arbeitsverhältnisses berechtigterweise nach der Schwerbehinderteneigenschaft seines Arbeitnehmers gefragt (vgl. dazu schon Rz. 5 aE) und hat dieser die Frage wahrheitswidrig verneint, kann sich der schwerbehinderte Arbeitnehmer in einem nachfolgenden Prozess nicht mehr auf den Sonderkündigungsschutz des § 85 Abs. 1 SGB IX/§ 168 Abs. 1 SGB IX nF berufen.49 Beim Betriebsübergang muss sich der Erwerber die Kenntnis des Betriebsveräußerers von der Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers zurechnen lassen.50 Erfährt der Arbeitgeber innerhalb der dreiwöchigen Frist von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, so muss er zur Vorbereitung einer neuen Kündigung zunächst die Zustimmung des Integrationsamtes einholen und kann die weitere Kündigung erst nach der Zustimmung aussprechen. Bei der außerordentlichen Kündigung beginnt die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ab dem Zugang der Mitteilung des Arbeitnehmers von seiner Schwerbehinderung erneut zu laufen, so dass also – nach Zustimmung des Integrationsamtes – noch einmal außerordentlich gekündigt werden kann. 4. Antragstellung und Verfahren beim Integrationsamt (M 16.3) → S. zum Antrag des Arbeitgebers M 16.3. a) Formerfordernisse 11

Für den Antrag gibt es keine behördlichen Formulare. Es gibt auch keinen zwingenden Mindestinhalt des Antrags. Benötigt das Integrationsamt weitere Informationen, werden diese üblicherweise formlos angefordert. Die Beifügung von Stellungnahmen des Betriebsrats/Personalrats sowie der Schwerbehindertenvertretung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung des Antrags, diese Unterlagen werden ggf. vom Integrationsamt selbst angefordert, § 87 Abs. 2 SGB IX/§ 170 Abs. 2 SGB IX nF. b) Rechtsfolgen eines fehlenden Antrages

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Nach §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen unwirksam, wenn das Integrationsamt nicht vorher zugestimmt hat. Ist eine Kündigung also ohne Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen worden, ist sie nichtig und

48 BAG v. 9.6.2011, NZA-RR 2011, 516; v. 23.2.2010, NZA 2011, 411. Kritisch Gehlhaar, NZA 2011, 673. Ob § 167 ZPO hier gilt, ist soweit ersichtlich nicht entschieden. Die Entscheidung des BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924, könnte in diese Richtung deuten; dagegen jedoch BAG v. 16.3.2016 – 4 AZR 421/15, NZA 2016, 1154. Daher ist weiterhin dringend zu raten, die Mitteilung dem Arbeitgeber unmittelbar innerhalb der Dreiwochenfrist und nicht mittelbar über die Klageschrift zukommen zu lassen. 49 BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555. 50 BAG v. 11.12.2008 – 2 AZR 395/07, NZA 2009, 556.

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kann durch nachträgliche Zustimmung des Integrationsamtes nicht mehr geheilt werden. Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG beginnt in diesem Fall gem. § 4 Satz 4 KSchG nicht zu laufen, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers hatte oder hätte haben müssen.51 Über § 2 Abs. 3 SGB IX gelten die §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF auch für gleichgestellte behinderte Menschen (Rz. 1). c) Antragsfrist Der Zustimmungsantrag nach §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF ist bei der ordentlichen Kündigung nicht fristgebunden, bei der außerordentlichen Kündigung muss er innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis vom Kündigungssachverhalt gestellt werden, § 91 Abs. 2 SGB IX/§§ 174 Abs. 2 SGB IX nF. Die Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX/§ 174 Abs. 2 SGB IX nF verdrängt nicht die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Läuft während des Zustimmungsverfahrens die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ab, ist dies aber nicht schädlich, wenn die Kündigung dann unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt erklärt wird, § 91 Abs. 5 SGB IX/§ 174 Abs. 5 SGB IX nF (s. dazu auch Rz. 21).

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d) Entscheidungsfrist Die Entscheidung des Integrationsamtes zu einer ordentlichen Kündigung ist nicht fristgebunden. Ist die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung beantragt, soll das Integrationsamt die Entscheidung „innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrags treffen“, § 88 Abs. 1 SGB IX/§ 171 Abs. 1 SGB IX nF. Eine Überschreitung dieser Frist hat jedoch keine Auswirkungen. Nicht selten ziehen sich die Verfahren über Monate hin.

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Fristgebunden ist allerdings die Entscheidung des Integrationsamtes, soweit es um eine außerordentliche Kündigung geht. Das Integrationsamt hat hier binnen zwei Wochen zu entscheiden; die Zustimmung gilt mit Fristablauf als erteilt, sofern sie nicht vorher abgelehnt wurde, § 174 Abs. 3 SGB IX nF. Das Zustimmungsverfahren bei ordentlichen Kündigungen lässt sich mitunter dadurch beschleunigen, dass in erster Linie die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung und nur hilfsweise zu einer ordentlichen Kündigung beantragt wird. Viele Integrationsämter bemühen sich dann, innerhalb der 14-Tages-Frist des § 91 Abs. 3 SGB IX/§ 174 Abs. 3 SGB IX nF nicht nur über die außerordentliche, sondern auch gleich über die ordentliche Kündigung zu entscheiden. Allerdings ist das Integrationsamt nicht gehindert, zunächst nur über die außerordentliche Kündigung zu entscheiden und sich mit der Entscheidung über die ordentliche Kündigung Zeit zu lassen.

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e) Prüfung des Integrationsamtes Nach § 91 Abs. 4 SGB IX/§ 174 Abs. 4 SGB IX nF soll das Integrationsamt die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung erteilen, wenn die Kündigungsgründe mit der Behinderung nicht in Zusammenhang stehen. Viele Integrationsämter wenden richtigerweise diesen Grundsatz auch auf ordentliche Kündigungen an. Trotz Zustimmung des Integrationsamtes ist der Arbeitnehmer in solchen Fällen ja nicht gehindert, die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen geltend zu machen und Kündigungsschutzklage zu erheben, §§ 4, 13 KSchG.

51 BAG v. 13.2.2008 – 2 AZR 864/06, NZA 2008, 1055. Dies gilt auch für einen Befristungs- oder Bedingungskontrollantrag nach §§ 17, 21 TzBfG. Insoweit ist § 4 Satz 4 KSchG analog anzuwenden, BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 221/10, NZA 2011, 854, m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2011, 414.

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f) Anhörung des Betriebsrates und Beteiligung des Integrationsamtes (M 16.2, M 16.3) → Zur Anhörung s. M 16.2, zum Antrag des Arbeitgebers M 16.3. 17

Bedarf es für die Kündigung neben der Zustimmung des Integrationsamtes auch einer Betriebsratsanhörung, § 102 BetrVG hat der Arbeitgeber die Wahl, welche Instanz er zuerst anhört. Er kann den Betriebsrat schon vor, während oder erst nach dem behördlichen Zustimmungsverfahren anhören.52 Dies gilt auch für die außerordentliche Kündigung. Erforderlich ist, dass das Verfahren nach § 102 BetrVG unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes (Rechtsgedanke des § 91 Abs. 5 SGB IX/§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) durchgeführt wird.53 g) Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung (M 16.1) → S. M 16.1.

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Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist ferner die Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF vor der Entscheidung. Ferner hat der Arbeitgeber der Schwerbehindertenvertretung die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen (dazu Rz. 6 sowie M 16.1). h) Einvernehmliche Beendigung vor dem Integrationsamt

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Nach § 87 Abs. 3 SGB IX/§ 170 Abs. 3 SGB IX nF hat das Integrationsamt in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Viele Zustimmungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF enden deshalb mit einem Abfindungsvergleich. In vielen Arbeitsagenturbezirken bestehen informelle Absprachen zwischen den Arbeitsagenturen und den Integrationsämtern, wonach die Arbeitsagenturen keine Sperrfristen (§ 159 SGB III) verhängen, wenn das Integrationsamt den Vergleich befürwortet hat. Sind sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über einen Abfindungsvergleich einig, empfiehlt es sich also, den Vergleich in der mündlichen Verhandlung vor dem Integrationsamt (§ 88 Abs. 1 SGB IX/§ 171 Abs. 1 SGB IX nF) abzuschließen und in dem Vergleich zu vermerken, dass dieser auf Anraten oder jedenfalls mit Zustimmung des Integrationsamtes zustande gekommen ist. Auf den Lauf der Fristen der §§ 88, 91 Abs. 2 SGB IX/§§ 171, 174 Abs. 2 SGB IX nF haben Vergleichsverhandlungen keine Auswirkung. i) Gebühren

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Der Antrag ist nach § 64 SGB X gebührenfrei. Die im Widerspruchsverfahren entstehenden Kosten sind nach § 63 SGB X erstattungsfähig. Zum Widerspruchsverfahren s. M 16.2. j) Kündigungserklärungsfrist

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Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung, so kann sie der Arbeitgeber nur binnen einem Monat nach Zustellung der Zustimmungsentscheidung erklären, § 88 Abs. 3 SGB IX/§ 171 Abs. 3 SGB IX nF. Versäumt er diese Frist, muss er einen erneuten Antrag stellen. Eine Ausnahme besteht, wenn die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen noch weiterer behördlicher Erlaubnisse (zB nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG) bedarf. Hat der Arbeitgeber diese rechtzeitig, dh. bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 52 BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 429/10, NZA 2012, 610, Rz. 32, m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2012, 288. 53 BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 429/10, NZA 2012, 610, Rz. 33, m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2012, 288; LAG Hamm v. 31.7.2014 – 8 Sa 1457/13, juris, Rz. 38.

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Schwerbehinderte Menschen

Rz. 22 Kap. 16

SGB IX/§ 171 Abs. 3 SGB IX nF, beantragt, so ist eine verspätet erklärte Kündigung nicht unwirksam, wenn die weitere Erlaubnis bei Fristablauf nicht vorlag.54 Der Arbeitgeber muss dann aber die Kündigung unverzüglich nach Erhalt der weiteren Erlaubnis aussprechen.55 Bei Erteilung der Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung muss diese gem. § 91 Abs. 5 SGB IX/§ 174 Abs. 5 SGB IX nF „unverzüglich“ ausgesprochen werden. Dabei braucht (und darf!) der Arbeitgeber – anders als bei der Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung – nicht die förmliche Zustellung der Entscheidung abzuwarten. Vielmehr reicht hier die formlose Mitteilung (telefonisch, per Fax etc.). Der Arbeitgeber muss also sehr schnell handeln, sobald er sichere Kenntnis von der Zustimmung hat, beispielsweise auch durch mündliche Bekanntgabe im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem Integrationsamt oder dem Widerspruchsausschuss.56 Hier ist dringend zu empfehlen, die Kündigung innerhalb von 2–3 Tagen nach Kenntnis zuzustellen.57 Umgekehrt muss der Arbeitgeber den Ablauf der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX/§ 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nF abwarten, wenn das Integrationsamt nur ankündigt, es sei beabsichtigt, diese Frist verstreichen zu lassen.58

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5. Anfechtung des Vertrages Die unrichtige Beantwortung einer zulässigen Frage bei der Einstellung kann die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB rechtfertigen, sofern die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war.59 Ob eine tätigkeitsneutrale Frage des Arbeitgebers nach einer Behinderung des Bewerbers zulässig ist, war lange Zeit heftig umstritten. Nach der früheren Rechtsprechung des BAG war sie zulässig.60 Jedoch spätestens mit Inkrafttreten des Benachteiligungsverbots in § 81 Abs. 2 SGB IX/§ 164 Abs. 2 SGB IX nF iVm. dem AGG dürfte diese Rechtsprechung überholt sein.61 So ist eine Frage wohl nur dann zulässig, wenn ihr Gegenstand eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die vorgesehene Tätigkeit betrifft62 oder einen Fall der positiven Maßnahme nach § 5 AGG darstellt.63 Für die Anfechtung ist weder die Beteiligung des Integrationsamtes noch eine Betriebsratsanhörung erforderlich (M 16.3).64 54 55 56 57 58 59 60 61

62 63 64

BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 429/10, NZA 2012, 610, m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2012, 288. BAG v. 24.11.2011 – 2 AZR 429/10, NZA 2012, 610, m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2012, 288. BAG v. 21.4.2005, AP Nr. 4 zu § 91 SGB IX. Powietzka, BB 2007, 2118, 2125. BAG v. 19.6.2007, DB 2007, 2268. BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10, NZA 2012, 34. Einzelheiten zur Anfechtung Kap. 21. Diese Rspr. ist noch nicht offiziell aufgeben, vgl. zuletzt BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 380/99, NZA 2001, 315; es wird jedoch allgemein damit gerechnet, dass das BAG jedenfalls aufgrund des Inkrafttretens des AGG diese Rspr. modifiziert, vgl. auch Düwell, BB 2006, 1741 ff. Vgl. M 1.3.1 Ziffer II. m. Anm.; Husemann, RdA 2014, 16, 17; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 274 mwN; aA Schaub, NZA 2003, 299, 300; LAG Hamm v. 19.10.2006 – 15 Sa 740/06, juris, Rz. 51; offengelassen in BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 180/12, NZA 2013, 840, Rz. 52, m. Anm. Haußmann, ArbRAktuell 2013, 156; v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10, NZA 2012, 34. Keine Diskriminierung stellt es demgegenüber dar, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Vorfeld einer Kündigung nach einer Schwerbehinderung frägt. Die Frage ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach sechs Monaten zulässig, BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2012, 116. LAG Hamm v. 19.10.2006 – 15 Sa 740/06, juris, Rz. 51; Düwell, BB 2006, 1741, 1743; Schrader/Siebert, ArbRAktuell 2012, 157, 158; Wisskirchen, DB 2006, 1491, 1494; vgl. auch Kap. 1 Rz. 12 sowie M 1.3.1 Ziffer II, Anm. unter (4). Vgl. Düwell, BB 2006, 1741, 1743; aA Husemann, RdA 2014, 16, 17; s. auch die Ausführungen in M 1.3.1 II. Anm. BAG v. 3.12.1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584; LAG Hamm v. 6.11.2003 – 8 (16) Sa 1072/03, juris.

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Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

M 16.1

II. Muster M 16.1

Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Verdachtskündigung gem. § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF

An die Schwerbehindertenvertretung,1 zHd. […] Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, Herrn … verhaltensbedingt außerordentlich sowie hilfsweise mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von …2 zum nächstmöglichen Zeitpunkt ordentlich zu kündigen. Gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF unterrichten wir Sie hiermit davon und hören Sie dazu an. Herr … hat folgende Sozialdaten: Alter … Eintrittsdatum in unser Unternehmen … Betriebszugehörigkeit … Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder … Schwerbehinderung … Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er erhält zurzeit eine Vergütung von Euro … und ist als … tätig. 1 Gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX/§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die ohne die erforderliche Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung erklärt wird, unwirksam. Die schon bisher geltende Rechtsfolge – Aussetzung der Durchführung oder Vollziehung gem. § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB IX/§ 182 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nF – greift weiterhin zusätzlich. Die Regelung gilt seit 30.12.2016. Bis 31.12.2017 ist im gesamten Formular nur die alte Nummerierung zu verwenden, ab 1.1.2018 nur die neue, im Muster jeweils mit „nF“ gekennzeichnete. Die Anforderungen an die Unterrichtung sind weitgehend ungeklärt. Wir gehen davon aus, dass sie sich inhaltlich, wie das Muster, an einer Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG orientiert sollte, an die ja bereits hohe Anforderungen gestellt werden. Ist die Vertrauensperson der Schwerbehinderten gleichzeitig Betriebsratsmitglied, so ist offen, ob es ausreicht, wenn in der Betriebsratsanhörung mitgeteilt wird, dass die Information zugleich für die Schwerbehindertenvertretung erfolgt, dafür Düwell, 4. Aufl. 2014, § 95 SGB IX Rz. 49; vgl. auch LAG München v. 30.9.1989, 5 Sa 419/89, NZA 1990, 28; krit. aber BAG v. 15.2.2005, NZA 2005, 870, 872 f. Eine gesonderte Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung ist daher ratsam. Nicht geklärt ist auch, ob die Schwerbehindertenvertretung zeitlich vor dem Betriebsrat unterrichtet werden muss. Aus dem Gesetz ergibt sich das nicht. Das Muster geht daher davon aus, dass eine gleichzeitige Unterrichtung ausreicht. Jedenfalls aber sollte die Schwerbehindertenvertretung nicht später als der Betriebsrat unterrichtet werden (Grimm/Freh, ArbRB 2017, 16, 17 ff.). Die Reihenfolge wäre dann wie folgt: (1) Unterrichtung Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF. (2) Gleichzeitig oder später Unterrichtung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG. (3) Mitteilung der Entscheidung an die Schwerbehindertenvertretung gem. § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nF. (4) Antrag an das Integrationsamt. Wird der Antrag an das Integrationsamt ohne vorherige Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung gestellt, hat das Integrationsamt das Zustimmungsverfahren gem. § 99 Abs. 2 Satz 2 SGB IX/§ 182 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nF auszusetzen und der Arbeitgeber die Beteiligung innerhalb von 7 Tagen nachzuholen. Unberührt bleibt die Verpflichtung des Integrationsamtes, seinerseits gem. § 87 Abs. 2 SGB IX/§ 170 Abs. 2 SGB IX nF, eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung einzuholen. 2 Bei Ausspruch einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigungsfrist in der Kündigung nicht angeben (BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117). Gleichwohl wird man sie in der Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung zu der außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung wohl weiterhin angeben müssen, zumal die Länge der Kündigungsfrist bei der Frage, ob die außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB wirksam ist, eine wesentliche Rolle spielt.

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Lingemann

M 16.1

Schwerbehinderte Menschen

Kap. 16

Zur näheren Begründung verweisen wir auf den als Anlage 1 beigefügten Entwurf eines Antrages an das Integrationsamt, in dem die Kündigungsgründe sowie der Stand unserer Kenntnis von dem Status von Herrn … als behinderter Mensch im Einzelnen beschrieben sind. Gleichzeitig hören wir gem. § 102 BetrVG mit gleicher Post den Betriebsrat zu der beabsichtigen außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung an. Die Frist zur Stellungnahme des Betriebsrates läuft daher für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung am … und für die beabsichtigte hilfsweise ordentliche Kündigung am … ab. Wir bitten Sie, uns Ihre Stellungnahme gleichfalls innerhalb dieser Fristen zukommen zu lassen.3 Bitte nehmen Sie insbesondere dazu Stellung, ob der Schutz des schwerbehinderten Menschen oder Gleichgestellten der beabsichtigten Kündigung entgegensteht.4 Sobald wir unsere Entscheidung getroffen haben, teilen wir sie Ihnen unverzüglich mit.5 Sofern wir uns für die beabsichtigten Kündigungen entscheiden, werden wir unverzüglich die Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung nach §§ 85 ff., 91 SGB IX/§§ 168 ff., 174 SGB IX nF und zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung nach §§ 85 ff., 88 SGB IX/§§ 168 ff., 171 SGB IX nF beantragen. Sobald uns die Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung vorliegt oder sie nach § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX/§ 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX nF als erteilt gilt, werden wir unverzüglich die außerordentliche Kündigung aussprechen. Sobald uns die Zustimmung des Integrationsamtes zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung vorliegt, werden wir gem. § 88 Abs. 3 SGB IX/ § 171 Abs. 3 SGB IX nF innerhalb eines Monats die hilfsweise ordentliche Kündigung aussprechen. Wir bitten um Ihre Stellungnahme. … (Unterschrift) 3 § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF regelt im Gegensatz zur § 102 BetrVG keine Fristen, innerhalb derer die Schwerbehindertenvertretung Stellung nehmen muss. Insoweit ist unklar, ob überhaupt Fristen gesetzt werden können. Ganz überwiegend wird eine angemessene Frist gefordert, die sich an § 102 BetrVG orientiert, vgl. Düwell, 4. Aufl. 2014, § 95 SGB IX Rz. 49; Düwell, BB 2011, 2485; Grimm/Freh, ArbRB 2017, 16, 18; Kossens, 4. Aufl. 2015, § 95 SGB IX Rz. 19; Bayreuther, NZA 2017, 87, 90; Neighbour, Beck’sches Formularbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2014, S. 752. Auch das Muster geht davon aus, da bei der außerordentlichen Kündigung die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten werden muss und die verkürzten Fristen des § 102 BetrVG darauf zugeschnitten sind. Dies müsste daher auch für die Anhörung nach § 178 SGB IX nF gelten. Alternativ käme nur in Betracht, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB durch die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung verlängert wird; dafür enthält das Gesetz aber keine Anhaltspunkte. Äußert sich die Schwerbehindertenvertretung innerhalb der genannten Fristen nicht, kann uE der Antrag beim Integrationsamt gestellt werden, so auch Grimm/Freh, ArbRB 2017, 16, 18. Auch ist nicht geklärt, ob unter „Anhörung“ iSv. § 178 Abs. 2 SGB IX nF auch ein Beratungstermin zu verstehen ist, oder ob es ausreicht, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Wir gehen von ersterem aus, da auch § 102 BetrVG von „Anhörung“ spricht und dort die Gelegenheit zur Stellungnahme ausreicht. 4 Diese konkrete Frage verlangt Knittel, 8. Aufl. 2015, § 95 SGB IX Rz. 66 mwN. 5 § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nF.

Lingemann

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Kap. 16

M 16.2

Schwerbehinderte Menschen

M 16.2

Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Verdachtskündigung gem. § 102 BetrVG

An den Betriebsrat1 z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir beabsichtigen, Herrn … verhaltensbedingt außerordentlich sowie hilfsweise mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von …2 zum nächstmöglichen Zeitpunkt ordentlich zu kündigen. Beabsichtigt ist eine Verdachtskündigung. Gemäß § 102 BetrVG unterrichten wir Sie hiermit davon und hören Sie dazu an. Herr/Frau … hat folgende Sozialdaten: Alter … Eintrittsdatum in unser Unternehmen … Betriebszugehörigkeit … Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder … Schwerbehinderung … Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro … und ist als … tätig. Zur näheren Begründung verweisen wir auf den als Anlage 1 beigefügten Entwurf eines Antrages an das Integrationsamt, in dem die Kündigungsgründe sowie der Stand unserer Kenntnis von dem Status von Herrn … als behinderter Mensch im Einzelnen beschrieben sind. Gleichzeitig haben wir die Schwerbehindertenvertretung zu der beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung gem. § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF beteiligt. Sofern wir uns für die beabsichtigten Kündigungen entscheiden, werden wir unverzüglich die Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung nach §§ 85 ff., 91 SGB IX/ §§ 168 ff., 174 SGB IX nF und zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung nach §§ 85 ff., 88 SGB IX/ §§ 168 ff., 171 SGB IX nF beantragen. Sobald uns die jeweilige Zustimmung des Integrationsamtes vorliegt, werden wir unverzüglich die entsprechende Kündigung aussprechen. Wir bitten um Ihre Stellungnahme. … (Unterschrift) 1 Zu den Einzelheiten vgl. die Kap. 22 Rz. 29 ff., 145 ff. 2 Bei Ausspruch einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigungsfrist in der Kündigung nicht angeben (BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117). Gleichwohl wird man sie in der Betriebsratsanhörung zu der außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung wohl weiterhin angeben müssen, zumal die Länge der Kündigungsfrist bei der Frage, ob die außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB wirksam ist, eine wesentliche Rolle spielt.

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M 16.3

M 16.3

Schwerbehinderte Menschen

Kap. 16

Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen/gleichgestellten behinderten Menschen

An das Integrationsamt1 Sehr geehrte Damen und Herren, wir vertreten die Firma … (im Folgenden: ASt.). Eine Vollmacht ist als Anlage AS 1 beigefügt. Namens und im Auftrag der ASt. beantragen wir die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Mitarbeiters …, geboren am … Nach unserer Kenntnis ist Herr … verheiratet und hat … unterhaltsberechtigte Kinder. Herr … ist seit dem … bei der ASt. als … beschäftigt.2 Herr […] ist mit einem GdB von 60 % schwerbehindert. [Variante: Vor ca. einem Jahr hat Herr … der ASt. mitgeteilt, er sei mit einem Behinderungsgrad von 30 % als schwerbehindert anerkannt. Einen Schwerbehindertenausweis hat er nicht vorgelegt.3] Beabsichtigt ist eine Verdachtskündigung. Es besteht der dringende Verdacht, dass Herr … am … versucht hat, einen Diamant-Trennschleifer im Wert von ca. Euro 500,– bei der ASt. zu entwenden. Bei einer routinemäßigen Torkontrolle durch den Werkschutz der ASt., die mit dem Betriebsrat abgestimmt war, wurde Herr … beim Verlassen des Werksgeländes nach Schichtende aufgefordert, seine Tasche zu öffnen. Darin fand sich der Trennschleifer. Herr … hat in der Anhörung vom … angegeben, er habe sich den Trennschleifer nur für einige Tage ausleihen wollen, um an seinem Haus Reparaturen vorzunehmen. Diese Einlassung ist jedoch nicht glaubhaft. Es ist bei der ASt. seit Jahren üblich und mit dem Betriebsrat abgesprochen, dass Werkzeuge kurzfristig an die Mitarbeiter ausgeliehen werden können, wenn Eigenbedarf besteht. Dazu muss ein schriftlicher Antrag eingereicht und vom Vorgesetzten abgezeichnet werden. Hätte Herr … das Gerät wirklich nur ausleihen wollen, hätte er das dafür vorgeschriebene Verfahren einhalten können. Dass er es nicht getan hat, begründet zumindest den massiven Verdacht dafür, dass er das Gerät entwenden wollte. Ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ende der unten genannten ordentlichen Kündigungsfrist ist uns nicht zumutbar. Die Schwerbehindertenvertretung ist am … gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung von Herrn … unterrichtet und angehört worden. Sie hat am … Stellung genommen (Anlage AS 2). Sie hat mitgeteilt, die Ver1 Soll der Antrag als Entwurf zunächst der Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung – M 16.1 – und der Betriebsratsanhörung – M 16.2 – beigefügt werden, so müsste er als Entwurf gekennzeichnet werden. Auch müssten die Passagen zur Reaktion des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung natürlich noch offenbleiben, da diese ja noch nicht feststehen. Der letzte Absatz enthält mit der bereits ausgesprochenen Kündigung und den nunmehr beabsichtigten weiteren Kündigungen eine zusätzliche Komplikation, die in den Mustern M 16.1 und M 16.2 aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mit abgebildet ist. 2 Während der ersten sechs Monate des Anstellungsverhältnisses gilt der besondere Kündigungsschutz der §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF nicht (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX/§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nF), vgl. im Einzelnen Rz. 9. 3 Es ist nicht abschließend geklärt, ob die Schwerbehinderung iSv. § 90 Abs. 2a Alt. 1 SGB IX/§ 173 Abs. 3 Alt. 1 SGB IX nF bereits „nachgewiesen“ ist, wenn sie nur objektiv vorliegt (dafür Lorenz, FA 2007, 198, in diese Richtung wohl auch BAG v. 1.3.2007 – 2 AZR 217/06, DB 2007, 1702; aA Bauer/Powietzka, NZA-RR 2004, 505, 507 sowie Powietzka, BB 2007, 2118, 2123 mwN). Als nachgewiesen gilt die Behinderung jedenfalls, wenn sie offenkundig ist (BAG v. 13.2.2008 – 2 AZR 864/06, NZA 2008, 1055). Gemäß § 68 Abs. 2 SGB IX/§ 151 Abs. 2 SGB IX nF erfolgt die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen aufgrund einer Feststellung nach § 69 SGB IX/§ 152 SGB IX nF auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Gleichstellung wird gem. § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX/ 151Abs. 2 Satz 2 SGB IX nF mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Die erst nach Zugang einer Kündigung beantragte Gleichstellung hat für die Wirksamkeit der Kündigung keine Bedeutung mehr, BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NJW 2014, 3533.

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Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

M 16.3

dachtsmomente reichten für eine Verdachtskündigung nicht aus. Wir haben ihr unsere Entscheidung, die Kündigung auszusprechen, am … mitgeteilt. Der Betriebsrat ist am … gemäß § 102 BetrVG zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung von Herrn … angehört worden. Die Stellungnahme des Betriebsrats ging gestern bei der ASt. ein (Anlage AS 3). Der Betriebsrat hat Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung geäußert, und zwar gleichfalls mit der Begründung, die Verdachtsmomente reichten für eine Verdachtskündigung nicht aus. Nach unserer Auffassung reichen die Verdachtsmomente sehr wohl aus, denn … [Variante: Zugleich hat der Betriebsrat mitgeteilt, dass Herr … ihm gegenüber erklärt habe, er habe vor wenigen Tagen einen Antrag auf Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX gestellt.4 Da die ASt. weder weiß, ob Herr … tatsächlich einen Gleichstellungsantrag gestellt hat, noch, ob dieser erfolgreich sein wird, wurde Herrn … gestern eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen.] Die ASt. bittet [Variante: jedoch vorsorglich] um Zustimmung zu der [Variante: vorsorglichen erneuten] außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Die hilfsweise ordentliche Kündigung soll mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von …5 zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfolgen.6 Die ASt. beschäftigt insgesamt 250 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, davon sind 20 als schwerbehindert anerkannt. … (Unterschrift) 4 Nach st. Rspr. setzt der besondere Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF nicht voraus, dass der schwerbehinderte Mensch/gleichgestellte behinderte Menschen bereits bei Ausspruch der Kündigung anerkannt war. Erforderlich ist jedoch, dass der Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt wurde (BAG v. 9.6.2011, NZA-RR 2011, 516, Rz. 18; v. 1.3.2007 – 2 AZR 217/06, DB 2007, 1702). Allerdings verliert der Arbeitnehmer den Schutz der §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF, wenn er dem Arbeitgeber nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung bzw. spätestens durch Erhebung der Kündigungsschutzklage seine Schwerbehinderteneigenschaft mitteilt, sofern dieser keine Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis davon hatte (BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351, Rz. 34; v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555, Rz. 10, m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2012, 116; v. 9.6.2011, NZA-RR 2011, 516, Rz. 22; v. 23.2.2010, NZA 2011, 411; v. 13.2.2008 – 2 AZR 864/06, NZA 2008, 1055; v. 12.1.2006 – 2 AZR 539/05, NZA 2006, 1035). Wichtig: Mitunter weigert sich das Integrationsamt, vorsorgliche Zustimmungsanträge zu bearbeiten, solange die Anerkennung des schwerbehinderten Menschen noch nicht erfolgt ist. Diese Praxis führt zu unvertretbaren Härten für den Arbeitgeber, da die Anerkennungsverfahren häufig außerordentlich lange dauern. Der Arbeitgeber sollte hier auf rasche Entscheidung drängen und gegen eine eventuelle Ablehnung des Antrags Widerspruch einlegen. 5 Bei Ausspruch einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigungsfrist in der Kündigung nicht angeben (BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117). Gleichwohl wird man sie in dem Antrag an das Integrationsamt zu der außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung wohl weiterhin angeben müssen, zumal die Länge der Kündigungsfrist bei der Frage, ob die außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB wirksam ist, eine wesentliche Rolle spielt. 6 Nach BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117, muss in der Kündigung die Frist für die hilfsweise ordentliche Kündigung nicht genannt werden, entsprechendes dürfte dann auch für die Anhörung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung und de Antrag an das Integrationsamt gelten.

690 Lingemann

M 16.4

M 16.4

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

Widerspruch gegen die Zustimmung des Integrationsamtes

An das Integrationsamt1 – Widerspruchsstelle2 – In Sachen …/… (Az. …) legen wir gegen den Bescheid des Integrationsamtes vom …

Widerspruch3 4

ein. Die Entscheidung ist uns am … zugestellt worden. Eine Kopie der Entscheidung ist beigefügt.

Begründung:5 Das Integrationsamt hat dem Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung unter Hinweis auf § 91 Abs. 4 SGB IX/§ 174 Abs. 4 SGB IX nF stattgegeben. 1 Gegen eine (zustimmende oder ablehnende) Entscheidung des Integrationsamtes über einen Zustimmungsantrag nach §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF kann binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Eingelegt wird der Widerspruch beim Integrationsamt selbst. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren kann Klage zum Verwaltungsgericht erhoben werden. 2 Hat das Integrationsamt den Zustimmungsantrag abgelehnt, kann der Arbeitgeber Widerspruch einlegen und nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Verpflichtungsklage erheben. Ändert der Widerspruchsausschuss die Entscheidung des Integrationsamts und stimmt der Kündigung zu, muss sie binnen einem Monat ausgesprochen werden, § 171 Abs. 3 SGB IX nF. Der Arbeitnehmer kann dann zwar Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erheben, diese hat dann aber nach § 171 Abs. 4 SGB IX nF keine aufschiebende Wirkung. Lehnt dagegen auch die Widerspruchsstelle die Zustimmung ab und erhebt der Arbeitgeber daraufhin Verpflichtungsklage, muss er mit dem Ausspruch der Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens warten. 3 Die Widerspruchsschrift muss keinen bestimmten Antrag enthalten, selbst das Wort „Widerspruch“ muss nicht verwendet werden. Es reicht aus, wenn klar ersichtlich ist, dass sich die Beschwerdepartei mit der Entscheidung nicht abfinden wird. 4 Nach § 171 Abs. 4 SGB IX nF haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes keine aufschiebende Wirkung. Hat das Integrationsamt zugestimmt, kann der Arbeitgeber die Kündigung also aussprechen, auch wenn der Arbeitnehmer bereits Widerspruch eingelegt hat oder später Widerspruch einlegt. Die Kündigung bleibt wirksam, wenn Widerspruchs- und Klageverfahren erfolglos bleiben. Wird allerdings der Zustimmungsbescheid im Widerspruchs- oder Klageverfahren aufgehoben, wird die Kündigung rückwirkend unwirksam. Praxistipp: Der Arbeitnehmer ist gut beraten, im Falle der Zustimmung durch das Integrationsamt parallel zum Widerspruchsverfahren auch noch Kündigungsschutzklage nach §§ 4, 13 KSchG zu erheben. Denn die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG wird durch ein Widerspruchsverfahren gegen den Zustimmungsbescheid nicht gehemmt. Weit verbreitet ist die Praxis von Arbeitsgerichten, anhängige Kündigungsschutzverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Widerspruchs-/Klageverfahrens gegen den Zustimmungsbescheid auszusetzen. Diese Aussetzung führt dazu, dass die Verfahren sich jahrelang hinziehen können. Richtigerweise kommt die Aussetzung nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass die Kündigung ansonsten wirksam ist und ein erfolgreiches Widerspruchs-/Klageverfahren gegen den Zustimmungsbescheid der einzige Grund ist, der die Kündigung noch zu Fall bringen könnte. Diese Feststellung setzt voraus, dass das Arbeitsgericht den Sachverhalt zunächst umfassend aufklärt und sich ein vorläufiges Urteil über die Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Kündigung bildet. Ist die Kündigung schon unabhängig vom Erfolg des Widerspruchs-/Anfechtungsverfahrens gegen den Zustimmungsbescheid unwirksam (zB wegen mangelhafter Betriebsratsanhörung, fehlender Kündigungsgründe), so muss das Arbeitsgericht der Klage ohne Aussetzung des Verfahrens stattgeben (zur Beschwerde gegen gleichwohl ergangene Aussetzungsbeschlüsse s. M 101.9). 5 Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich, aber zweckmäßig. Im Widerspruchsverfahren können beide Parteien sich auch auf Umstände berufen, die im Ausgangsverfahren nicht zur Sprache gekommen waren. Eine Zurückweisung neuen Vortrags als verspätet gibt es nicht.

Lingemann

691

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

M 16.5

Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kündigungsgrund stehe nicht im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung. Die Prüfung, ob die Kündigungsgründe für eine außerordentliche/ordentliche Kündigung ausreichen, müsse dem Arbeitsgericht vorbehalten sein. Das Integrationsamt hat übersehen, dass die beabsichtigte Kündigung sehr wohl im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht. Als Anlage AG 1 legen wir eine eidesstattliche Versicherung des Mitarbeiters der ASt., Herrn X, vor. Herr X schildert darin ein Gespräch mit dem Personalleiter … der ASt. In diesem Gespräch hat der Personalleiter … Herrn X gegenüber geäußert, man sei es leid, den Schwerbehinderten … mit seinen mangelhaften Leistungen weiter „mit durchzuschleppen“. Die Firma sei sich darüber im Klaren, dass man Herrn … wegen seiner Schwerbehinderung auf normalem Wege nicht „losbekomme“. Es gebe aber Mittel und Wege, kurzfristig hieb- und stichfeste Kündigungsgründe zu „produzieren“. Das Problem „ …“ werde in den nächsten zehn Tagen gelöst. Das Gespräch zwischen dem Personalleiter … und Herrn X fand sechs Tage vor der Torkontrolle statt, bei der man den Trennschleifer in der Aktentasche des Antragsgegners fand. Offensichtlich ist dem Antragsgegner eine Falle gestellt worden. Der Antragsgegner hat sowohl bei der Anhörung durch den Betriebsrat als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Integrationsamt erklärt, er wisse nicht, wie der Trennschleifer in seine Aktentasche gekommen sei. Die Aktentasche habe an dem Tag stundenlang unbeobachtet in einem Pausenraum gestanden. … (Unterschrift)

M 16.5

Klage des Arbeitgebers gegen die Versagung der Zustimmung des Integrationsamtes

An das Verwaltungsgericht1 In Sachen …/Land … vertreten durch das Integrationsamt … vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen, das beklagte Land unter Aufhebung2 des Bescheides vom … in der Gestalt des Widerspruchsbescheides3 zu verpflichten, die beantragte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers … zu erteilen.4 1 Obwohl das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen im SGB IX/SGB IX nF geregelt ist, gilt für Widerspruch und Klage gegen die Bescheide des Integrationsamts nicht das SGG, sondern die VwGO (vgl. § 118 SGB IX/§ 201 SGB IX nF). 2 Dieser Aufhebungsantrag ist üblich, aber nicht erforderlich, da im Zweifel stillschweigend in dem Verpflichtungsurteil mit enthalten (BVerwG v. 28.11.1989, NVwZ 1990, 985). 3 Das Widerspruchsverfahren richtet sich gem. § 118 SGB IX/§ 201 SGB IX nF nach den Vorschriften der VwGO, die zuständige Widerspruchsbehörde ist der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt (§ 119 SGB IX/§ 202 SGB IX nF). Eine Klage ohne vorhergegangenes Widerspruchsverfahren ist nach den allgemeinen Regeln der VwGO unzulässig. 4 Es handelt sich um eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Verpflichtungsklage ist eine Unterart der Leistungsklage und auf Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes gerichtet, § 42 Abs. 1 VwGO. Das Problem einer solchen Verpflichtungsklage ist, dass der klagende Arbeitgeber bis zur Rechtskraft im Verwaltungsgerichtsverfahren mit der Kündigung warten muss. Weder kann er nach Obsiegen im erstinstanzlichen Verfahren die Kündigung aussprechen, wenn die Behörde in Berufung geht, noch kann er Anträge im einstweiligen Rechtsschutz stellen, um die Kündigung vorläufig aussprechen zu können.

692

Lingemann/Diller

M 16.6

Schwerbehinderte Menschen

Kap. 16

Begründung: Die Kl. hat mit Antrag vom … beim Integrationsamt in … die Zustimmung zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des Mitarbeiters … gemäß §§ 85, 87 SGB IX/§§ 168, 170 SGB IX nF beantragt. Der Mitarbeiter … ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Behinderungsgrad von 80 % anerkannt. Das Integrationsamt hat mit Bescheid vom … die Erteilung der Zustimmung abgelehnt. Beweis: Bescheid vom …, Anlage K 1 Gegen den Bescheid hat die Kl. fristgerecht am … gemäß § 88 Abs. 4 SGB IX/§ 171 Abs. 4 SGB IX nF Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom … zurückgewiesen worden. Beweis: Vorlage des Widerspruchsbescheids vom …, Anlage K 2 Die Klage ist begründet, da der Kl. ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Zustimmung zusteht5 und die Ablehnung der Zustimmung6 die Kl. deshalb in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (wird ausgeführt).7 … (Unterschrift)8 5 Zu beachten ist, dass Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht die Frage ist, ob die Behörde zum damaligen Zeitpunkt richtig entschieden hat. Vielmehr prüft das Verwaltungsgericht, wie zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist. Haben sich also die Umstände, die den Arbeitgeber zu seinem Kündigungsentschluss bewogen haben, mittlerweile geändert, sind die geänderten Umstände vom Verwaltungsgericht der Entscheidung zugrunde zu legen. 6 Das Problem einer solchen Verpflichtungsklage ist, dass der klagende Arbeitgeber bis zur Rechtskraft im Verwaltungsgerichtsverfahren mit der Kündigung warten muss. Weder kann er nach Obsiegen im erstinstanzlichen Verfahren die Kündigung aussprechen, wenn die Behörde in Berufung geht, noch kann er Anträge im einstweiligen Rechtsschutz stellen, um die Kündigung vorläufig aussprechen zu können. 7 Hat die Klage Erfolg, so gilt nicht nach § 894 ZPO der Verwaltungsakt als erteilt, vielmehr muss der Kläger ggf. nach § 172 VwGO vollstrecken. 8 Der Streitwert richtet sich gem. § 52 Abs. 1 GKG nach der wirtschaftlichen Bedeutung des begehrten Verwaltungsakts für die Klägerin. Da es um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht, erscheint die analoge Anwendung von § 42 Abs. 2 GKG (Vierteljahresbezug) geboten (AG Bingen v. 23.10.2007, AE 2008, Nr. 59).

M 16.6

Anfechtung des Arbeitsvertrages

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir fechten hiermit den mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag an.

Begründung: Sie haben uns über Ihre Schwerbehinderteneigenschaft getäuscht. In dem Einstellungsfragebogen vom … haben Sie mitgeteilt, nicht schwerbehindert zu sein. Tatsächlich waren Sie zu diesem Zeitpunkt einem Schwerbehinderten gleichgestellt mit einem Grad der Behinderung von 30 % aufgrund einer stark eingeschränkten Beweglichkeit des linken Armes. Hätten wir dies gewusst, hätten wir Sie nicht eingestellt, denn die uneingeschränkte Beweglichkeit beider Arme ist wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die vorgesehene Tätigkeit als begleitender Personenschützer.1 Für die Ihnen übertragene Tätigkeit waren Sie aufgrund der Schwerbehinderung nicht einsetzbar, was für Sie auch erkennbar war. 1 Die Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung über das Bestehen einer Behinderung ist nach der Einführung des § 81 Abs. 2 SGB IX/§ 164 Abs. 2 SGB IX nF wohl nur noch zulässig, wenn das Fehlen der Behinderung wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die Tätigkeit ist; bei der Konstellation im Muster dürfte dies der Fall sein, dazu näher M 1.3.1 Ziffer II, Anm. unter (4). Die Anfechtung kann allerdings nur Erfolg haben, wenn die fehlende Beweglichkeit des linken Armes nicht offensichtlich war.

Diller/Lingemann

693

Kap. 16

Schwerbehinderte Menschen

M 16.7

Hilfsweise und vorsorglich kündigen wir den Vertrag mit Ihnen auch fristlos. Das Integrationsamt hat der fristlosen Kündigung mit Bescheid vom … zugestimmt. oder Das Integrationsamt hat innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX/§ 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nF keine Entscheidung getroffen. Damit gilt gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX/ § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX nF die Zustimmung als erteilt. Auch der Betriebsrat wurde zu der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt und hat zugestimmt. oder Der Betriebsrat wurde zu der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt und hat nicht widersprochen. oder Der Betriebsrat wurde zu der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt und hat die Bedenken gemäß Anlage geltend gemacht; wir halten die Bedenken jedoch nicht für berechtigt. Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Zur Wahrung der Frist reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen. … (Unterschrift Firma)

M 16.7

Klage des Arbeitnehmers auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen2: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bei unveränderter Vergütung als Sachbearbeiter in der Poststelle zu beschäftigen.

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl., einem Autozulieferer mit 1 200 Beschäftigten, als Lagerarbeiter beschäftigt. Bei seiner Tätigkeit hat er ständig schwere Lasten zu heben, zu transportieren und abzusenken. Der Kl. ist wegen eines Rücken-/Bandscheibenschadens mit einem Grad der Behinderung von 80 % als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Die Tätigkeit als Lagerarbeiter bereitet dem Kl. aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen zunehmend Probleme. Im vergangenen Jahr war der Kl. insbesondere wegen Rückenproblemen an mehr als 50 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, in den Jahren davor war die Krankheitsquote ähnlich. 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Der Antrag wäre gem. § 888 ZPO zu vollstrecken (BAG v. 19.9.1997, AP Nr. 2 zu § 11 SchwbG aF).

694

Lingemann/Diller

M 16.7

Schwerbehinderte Menschen

Kap. 16

Bei der Bekl. ist aktuell ein Arbeitsplatz in der Poststelle frei.3 Die Arbeiten dort erfordern – wie die Arbeit im Lager – keine nennenswerten Vorkenntnisse, sondern nur gründliche Einarbeitung, die nicht länger als drei Wochen dauern kann. Der Kl. könnte diese Tätigkeit, die genauso eingruppiert4 ist wie seine derzeitige Tätigkeit im Lager, also ohne Weiteres ausfüllen. Die Bekl. hat den freien Arbeitsplatz in der Poststelle mit Aushang vom … betriebsintern ausgeschrieben. Beweis: Aushang vom …, Anlage K 1 Der Kl. hat sich mit Schreiben vom … auf die Stelle beworben. Beweis: Bewerbungsschreiben des Kl. vom …, Anlage K 2 Die Bekl. hat dem Kl. jedoch mit Schreiben vom … mitgeteilt, dass er für die ausgeschriebene Stelle in der Poststelle nicht in Betracht komme. Denn aufgrund der vielen Korrespondenz mit ausländischen Kunden und ausländischen Konzerngesellschaften sei für die Arbeit in der Poststelle die ausreichende Beherrschung der englischen Sprache Voraussetzung. Dabei hat die Bekl. jedoch übersehen, dass der Kl. vielleicht nicht fließend Englisch spricht, aber doch so gut, dass er ohne Weiteres englische Korrespondenz zuordnen kann. So hat der Kl. beispielsweise in seinem Schulabgangszeugnis der mittleren Reife im Fach Englisch die Note „sehr gut“ erzielt. Überdies ist der Kl., was er der Bekl. auch mitgeteilt hat, gerne bereit, auf eigene Kosten5 in Volkshochschulkursen sein Englisch aufzubessern. Der Kl. hält dies allerdings nicht für erforderlich, da bei der Arbeit in der Poststelle Englisch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Gemäß § 81 Abs. 4 SGB IX/§ 164 Abs. 4 SGB IX hat der Kl. Anspruch auf Zuweisung des Arbeitsplatzes in der Poststelle. Es ist bereits jetzt absehbar, dass der Kl. seinen aktuellen Arbeitsplatz im Lager nicht auf Dauer behalten kann, da seine gesundheitlichen Einschränkungen aufgrund seiner Wirbelsäulenerkrankung zunehmen werden. Wenn der Kl. jetzt nicht leidensgerecht auf dem freien Arbeitsplatz in der Poststelle beschäftigt wird, droht ihm langfristig der Verlust des Arbeitsplatzes und damit die Arbeitslosigkeit. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf Zuweisung eines „leidensgerechten Arbeitsplatzes“ hat (wird ausgeführt). … (Unterschrift)6 3 Beim Anspruch auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes muss der Arbeitnehmer zunächst Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen, die seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat dann substantiiert darzulegen, warum die Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen auf der gewünschten Stelle nicht in Betracht kommt (ausf. BAG v. 10.5.2005 – 9 AZR 230/04, NZA 2006, 155). 4 Einen allgemeinen Beförderungsanspruch schwerbehinderter Menschen gibt es nicht, ein solcher ergibt sich auch nicht aus § 81 Abs. 4 SGB IX/§ 164 Abs. 4 SGB IX nF (BAG v. 28.3.1973, AP Nr. 2 zu § 319 BGB; dazu LAG Hamm v. 23.3.2009 – 8 Sa 313/08). 5 Grundsätzlich ergibt sich aus § 81 Abs. 4 SGB IX/§ 164 Abs. 4 SGB IX nF kein Anspruch des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen bezahlt. Gemäß § 81 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX/§ 164 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX besteht lediglich ein Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen. 6 Der Streitwert wird ähnlich zu bemessen sein wie bei einer Klage auf tatsächliche Beschäftigung, dh. mit ein bis maximal zwei Bruttomonatsgehältern. Der Antrag ist gem. § 888 ZPO zu vollstrecken (BAG v. 19.9.1997, AP Nr. 2 zu § 11 SchwbG aF).

Diller

695

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kapitel 17 I. 1. 2. 3. 4. 5.

Einführung Mutterschutz . . . . . . . . . . . . Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . Elterngeld und Elterngeld Plus Pflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . Familienpflegezeit . . . . . . . .

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

II. Muster Mitteilung der Schwangerschaft nach § 5 MuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationsschreiben des Arbeitgebers an die schwangere Mitarbeiterin . . . . . . Antrag auf Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . Antwortschreiben des Arbeitgebers . . . . Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

_ _ _ _ _ 1 11 43 56 77

_ _ _ _ _ _

.M . . 17.1

.M . . 17.2 .M . . 17.3 .M . . 17.4 .M . . 17.5

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Ablehnung des Antrags auf Teilzeit während Elternzeit . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit . . Antrag auf Pflegezeit . . . . . . . . . . . . . . Ablehnung des Antrags auf Pflegezeit . . Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Pflegezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarung über eine Teilzeittätigkeit während der Pflegezeit . . . . . . . . . . . . . Antrag der Familienpflegezeit . . . . . . . . Vereinbarung zur Familienpflegezeit . . . Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Familienpflegezeit . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Familienpflegezeit . . . . . . . . . . .

.M . . 17.7

.M . . 17.8 .M . . 17.9 .M. .17.10 .M. .17.11

.M. .17.12 .M. .17.13 .M. .17.14 .M. .17.15 .M. .17.16

.M . . 17.6

Literatur: Zum Mutterschutz: Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2013; Düwell, Arbeitsrechtlich bedeutsame Gesetze des 16. Bundestages, FA 2006, 44; Glatzel, Mutterschutz, AR-Blattei SD 1220; Graue, Mutterschutzgesetz, 2. Aufl. 2009; Grönert, Erziehungsgeld, Mutterschutz, Elternzeit, 2005; Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, Loseblatt; Howald, Der arbeitsrechtliche Schutz Schwangerer, FA 2012, 263; Humberg, Mutterschutzrechtlicher Sonderkündigungsschutz bei künstlicher Befruchtung, NJW 2015, 3410; Kaiser, Handbuch zum Mutterschutzgesetz, 17. Aufl. 2005; Lenz, Mutterschutzgesetz Kommentar, 2004; Springer/Kamppeter, Schwanger – und jetzt? Ein Leitfaden für Arbeitgeber, BB 2010, 2960; Zetl, Krankenbezüge und Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz, ZMV 2007, 62; Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen: mit Mutterschutzverordnung, Kommentar, 9. Aufl. 2006. Zur Elternzeit: Ballof, Das neue Elterngeld, EStB 2007, 115; Beyer-Petz, 2 Jahre Elterngeld – eine Zwischenbilanz– Bundestag verabschiedet Erstes Elterngeld-Änderungsgesetz, DStR 2008, 2326; Brose, Das erkrankte Kind des Arbeitnehmers im Arbeits- und Sozialrecht, NZA 2011, 719; Brosius-Gersdorf, Elterngeld nach dem BEEG – Rechtsnatur, Anspruchsvoraussetzungen, Leistungsumfang, FPR 2007, 334; Bruns, Altes und Neues zur Elternzeit im BEEG, FamRZ 2007, 251; Bruns, Zweifelsfragen zum Recht der Elternzeit, BB 2008, 330 und 386; Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2013; Buschbaum/Rosak, Ausgewählte Probleme der „Elternteilzeit“ im Sinne von § 15 VI BEEG, NZA-RR 2014, 337; Büttner, Zum Elterngeld, FF 2007, 86; Düwell, Das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes, FA 2007, 44; Fecker/Scheffzek, Elternzeit – ungeklärte (Rechts)Fragen aus der Praxis, NZA 2015, 778, Fiedler, Die Elternzeit, FPR 2007, 338; Forst, Mehr Zeit und Geld für den Nachwuchs, DB 2015, 68; Fröhlich, Das neue Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit, ArbRB 2007, 54; Genenger, Änderungen des BEEG: Kritische Begutachtung von Flexibilisierung und Großelternzeit, ZRP 2008, 180; Glatzel, Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, AR-Blattei SD 680; Graue/Diers, Verfassungsund europarechtliche Probleme bei der Berechnung von Elterngeld, NZS 2015, 777; Hinz, Änderungen im Elternzeit- und Elternteilzeitrecht zum 1.1.2015 – ein Überblick über die wichtigsten Neuerungen, Schnellbrief Arbeitsrecht 4/2015, 25; Kamanabrou, Die Kürzung des Jahresurlaubs für Zeiten der Elternzeit, RdA 2014, 321; Niklas, Vorzeitige Beendigung und Verlängerung der Elternzeit nach dem BEEG, BB 2013, 951; Reinecke, Teilzeitarbeit während der Elternzeit, FA 2007, 98; Röhl, Zwischenbilanz und erste Rechtsprechung zum Elterngeld und BEEG. Der Gesetzgeber als „Sozialingenieur“, NJW 2010, 1418;

696

Lingemann

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 2 Kap. 17

Schmidt, Elterngeld in der Beratungspraxis, NWB 2011, 1866; Scholz, Das neue Elterngeld, FamRZ 2007, 7; Schramm, Kombinationsmöglichkeiten bei Inanspruchnahme von Elterngeld durch beide Eltern, FPR 2007, 342; Sowka, Novellierung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes, DB 2012, 2936; Wiebauer, Elternzeit und beabsichtigte Betriebsstilllegung, NZA 2011, 177; Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen: mit Mutterschutzverordnung, Kommentar, 9. Aufl. 2006. Zur Pflegezeit: Freihube/Sasse, Was bringt das neue Pflegezeitgesetz!?, DB 2008, 1320; Joussen, Streitfragen aus dem Pflegezeitgesetz, NZA 2009, 69; Liebscher, Rechte und Pflichten aus dem Pflegezeitgesetz, ArbRAktuell 2011, 189; Linck, Offene Fragen des Pflegezeitgesetzes, BB 2008, 2738; Müller, Änderungen im (Familien-)Pflegezeitrecht 2016/2017, BB 2016, 1338; Müller, Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und seine Folgen für die arbeitsrechtliche Praxis, BB 2008, 1058; Oberthür/Becker, Streitfall „Pflege“ – Ausgewählte Problemstellungen des Pflegezeitgesetzes, ArbRB 2009, 77; Preis/Nehring, Das Pflegezeitgesetz, NZA 2008, 729; Preis/Weber, Der Regierungsentwurf eines Pflegezeitgesetzes, NZA 2008, 82; Rose/Dörstling, Flucht in die Pflege – Kündigungsschutz allein durch Ankündigung sinnvoll?, DB 2008, 2137. Zur Familienpflegezeit: Barkow von Creytz, Das Familienpflegezeitgesetz, DStR 2012, 191; Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Das neue Familienpflegezeitgesetz – Hinweise für die Praxis, BDA März 2012, 1; Glatzel, Das neue Familienpflegezeitgesetz, NJW 2012, 1175; Göttling/Neumann, Das neue Familienpflegezeitgesetz, NZA 2012, 119; Müller, Die Änderungen im Familien- und Pflegezeitrecht, BB 2014, 3125; Oelkers/Rosenau, Das Familienpflegezeitgesetz, NJW-Spezial 2011, 754; Sandmaier, Familienpflegezeitgesetz (1) – Arbeitsrechtliche Grundlagen, Schnellbrief Arbeitsrecht 6/ 2012, 5; Sasse, Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, DB 2015, 310; Sasse, Familienpflegezeit – Darstellung der neuen gesetzlichen Regelungen, DB 2011, 2660; Schiefer/Worzalla, Familienpflegezeitgesetz, DB 2012, 516; Stüben/v. Schwanenflügel, Die rechtliche Stärkung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, NJW 2015, 577; Thüsing/Pötters, Das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, BB 2015, 181.

I. Einführung 1. Mutterschutz Werdende Mütter unterliegen dem besonderen Schutz des Mutterschutzgesetzes (MuSchG). Gemäß § 3 MuSchG dürfen sie nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Insbesondere in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung dürfen sie nicht beschäftigt werden, es sei denn, dass sie sich zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklären; diese Erklärung kann indes jederzeit widerrufen werden, § 3 Abs. 2 MuSchG.1 Daneben gibt es zahlreiche ausdrückliche Beschäftigungsverbote nach Maßgabe von § 4 MuSchG. Der Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung, aus der sich ein allgemein gehaltenes Beschäftigungsverbot ergibt, ist jedoch erschüttert, wenn die Arbeitnehmerin trotz Aufforderung des Arbeitgebers keinen Nachweis vorlegt, der angibt, welche konkreten Arbeitseinschränkungen für die Schwangere bestehen, denn nur dann kann der Arbeitgeber die Zuweisung anderer Arbeiten prüfen, die einem Beschäftigungsverbot nicht entgegenstehen.2

1

Gemäß § 5 MuSchG sollen werdende Mütter dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Niederkunft mitteilen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist (M 17.1). Der Arbeitgeber hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich von der Mitteilung der werdenden Mutter zu benachrichtigen. Unbefugte Mitteilungen an Dritte müssen jedoch unterbleiben, § 5 Abs. 1 MuSchG. Nach der Entbindung darf die junge Mutter (Wöchnerin) bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden, bei Früh- und Mehrlings-

2

1 Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beschäftigung wird hierdurch aber nicht begründet, ErfK/ Schlachter, § 3 MuSchG Rz. 12. LAG Schleswig-Holstein v. 15.12.2005 – 2 Ta 210/05, NZA-RR 2006, 178. 2 BAG v. 7.11.2007 – 5 AZR 883/06, NZA 2008, 551.

Lingemann

697

Kap. 17 Rz. 3

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

geburten verlängert sich die Frist auf zwölf Wochen, § 6 Abs. 1 MuSchG. Bei Frühgeburten und sonstigen vorzeitigen Entbindungen verlängert sich der Zeitraum zusätzlich um das nicht nach § 3 Abs. 2 MuSchG in Anspruch genommene Beschäftigungsverbot. Bei Tod des Kindes kann die Mutter auch auf ihr Verlangen hin nicht sofort wieder beschäftigt werden, sondern eine zweiwöchige Schutzfrist ist zwingend einzuhalten, § 6 Abs. 1 Satz 3 MuSchG. Auch bestehen spezielle Beschäftigungsverbote für stillende Mütter, § 6 Abs. 3 MuSchG, und besondere Verpflichtungen des Arbeitgebers, stillenden Müttern auf ihr Verlangen die zum Stillen erforderliche Zeit freizugeben, § 7 MuSchG. Werdende und stillende Mütter dürfen überdies nicht mit Mehrarbeit,3 nicht in der Nacht zwischen 20.00 und 6.00 Uhr und nicht an Sonnund Feiertagen nach Maßgabe von § 8 MuSchG beschäftigt werden. 3

Daneben besteht Sonderkündigungsschutz für werdende Mütter. Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung4 darf der Arbeitgeber nicht kündigen, wenn ihm zurzeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird, § 9 Abs. 1 MuSchG.5 Das Überschreiten dieser Frist ist allerdings unschädlich, wenn dies auf einem von der Schwangeren nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird, § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. „Zu vertreten“ wäre nur ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten („Verschulden gegen sich selbst“); daher ist es unschädlich, wenn die Schwangere die Bescheinigung über die Schwangerschaft mit normaler Post an den Arbeitgeber versendet und der Brief dann aus ungeklärter Ursache verloren geht.6 „Unverzüglich“ bedeutet dabei regelmäßig nicht mehr als eine Woche.7 Nur „in besonderen Fällen“ kann der Arbeitgeber gleichwohl mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde kündigen. Ein solcher besonderer Fall wird bei personenbedingten Gründen erst bejaht, wenn die wirtschaftliche Belastung den Arbeitgeber in die Nähe der Existenzgefährdung rückt. Verhaltensbedingte Gründe werden nur bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen anerkannt. Als betriebliche Gründe sind namentlich die Betriebsverlegung oder -stilllegung bei Wegfall jeglicher Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu nennen. Gegen den ablehnenden Bescheid kann der Arbeitgeber, gegen den zustimmenden die Arbeitnehmerin Widerspruch bzw. Anfechtungsklage zum Verwaltungsgericht erheben.8 Unabhängig von der 3 Mehrarbeit ist dabei jede Arbeit, die von Frauen unter 18 Jahren über 8 Stunden täglich oder 80 Stunden in der Doppelwoche und von sonstigen Frauen über 8 1/ 2 Stunden täglich oder 90 Stunden in der Doppelwoche geleistet wird, § 8 Abs. 2 MuSchG. 4 Eine Entbindung liegt dann vor, wenn sich das Kind bereits bis zu einem Stadium entwickelt hat, in dem es zu einem selbständigen Leben grds. fähig ist. Dabei steht eine medizinisch indizierte vorzeitige Einleitung der Geburt der Annahme einer Entbindung iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen nach § 29 Abs. 2 PStV gegeben sind, BAG v. 15.12.2005 – 2 AZR 462/04, NZA 2006, 994. Bei In-Vitro-Fertilisation greift der Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 MuSchG bereits ab dem Zeitpunkt des Embryonen-Transfers, BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 237/14, NZA 2015, 734 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 222. 5 Der Sonderkündigungsschutz bezieht sich nicht nur auf die Mitteilung der Kündigungsentscheidung selbst, sondern verbietet auch Maßnahmen, die in Vorbereitung der Kündigung während der Schutzzeit getroffen werden, insbesondere die Suche nach einer endgültigen Ersatzarbeitskraft, EuGH v. 11.10.2007 – Rs. C-460/06, NZA 2007, 1271 zur Schaltung einer Stellenanzeige zur endgültigen Neubesetzung der Position der Schwangeren schon während der Schutzzeit. 6 BAG v. 16.5.2002 – 2 AZR 730/00, NZA 2003, 217. 7 Vgl. BAG v. 26.9.2002, DB 2003, 1448. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles kann es jedoch noch als unverzüglich angesehen werden, wenn zwischen Kenntniserlangung der Arbeitnehmerin von der Schwangerschaft und Mitteilung an den Arbeitgeber 13 Kalendertage liegen, LAG Hamm v. 17.10.2006 – 9 Sa 1503/05, LAGE § 9 MuSchG Nr. 26. 8 Die Zustimmungserklärung der zuständigen Behörde zur Kündigung nach § 9 Abs. 3 MuSchG muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegen. Bestandskraft ist jedoch nicht erforderlich,

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 6 Kap. 17

Richtigkeit des Bescheides kann die Arbeitnehmerin beim Arbeitsgericht die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung (zB soziale Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG) prüfen lassen. Die Kündigung des Arbeitgebers bedarf gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG der Schriftform und der schriftlichen Begründung. Wichtig: Die Arbeitnehmerin kann ohne Einhaltung einer Frist zum Ende der Schutzfrist kündigen, § 10 iVm. § 9 Abs. 2 MuSchG.9

4

Das Merkmal der Schwangerschaft iSd. § 9 MuSchG erfasst zwar nicht den Fall einer künstlichen Befruchtung, bei der die befruchtete Eizelle noch nicht in die Gebärmutter eingesetzt wurde. Das Einsetzen des Embryos ist allerdings ausreichend, um von einer Schwangerschaft iSd. § 9 MuSchG auszugehen.10 Eine Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin im vorgerückten Stadium einer In-vitro-Fertilisation ist unwirksam, da sie gegen das in der Richtlinie 76/207/EWG sowie in § 7 AGG verankerte Gebot der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung verstößt.11

5

Die Leistungen der Sozialversicherungsträger, des Bundes und des Arbeitgebers an die Mutter während der Beschäftigungsverbote richten sich nach §§ 11–17 MuSchG. Der Arbeitgeber hat nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG Mutterschutzlohn zu zahlen, soweit die Mutter nicht nach §§ 24c und 24i SGB V Mutterschaftsgeld beziehen kann.12 Der Anspruch besteht nur, wenn die Mutter wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG nicht arbeiten konnte. Dies ist nicht der Fall, wenn lediglich die Fahrt zum Arbeitsplatz eine Gefahr für die Schwangere darstellt, nicht jedoch die Arbeitstätigkeit selbst.13 Das Beschäftigungsverbot entsteht erst mit der Ausstellung eines ärztlichen Attestes.14 Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schließt den Anspruch aus § 11 MuSchG grundsätzlich aus.15 Dies gilt nicht, wenn bei einer bestehenden Krankheit eine Verschlechterung, die bei Fortführung der Beschäftigung zur Arbeitsunfähigkeit führt, ihre Ursache ausschließlich in der Schwangerschaft hat.16 Im Rahmen billigen Ermessens kann der Arbeitgeber der Mutter eine andere zumutbare und nicht verbotene Tätigkeit zuweisen und den Anspruch so entfallen lassen.17 Zumutbar sind dabei unter Umständen auch Tätigkeiten, die im Übrigen nicht mit dem Direktionsrecht des Arbeitsgebers zugewiesen werden könnten.

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9 10 11 12

13 14 15 16 17

BAG v. 25.3.2004 – 2 AZR 295/03, AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 36, Rz. 17 ff.; v. 17.6.2003 – 2 AZR 245/ 02, NZA 2003, 1329. Kritisch zu diesem Kündigungsrecht Boemke, jurisPR-ArbR 48/2010, Anm. 3, der die Regelung für gleichheitswidrig hält. BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 237/14, NZA 2015, 734 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 222. EuGH v. 26.2.2008 – Rs. C-506/06, NZA 2008, 345; BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 237/14, NZA 2015, 734 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 222. Die Anspruchsberechtigung knüpft dabei nach § 13 Abs. 1 MuSchG an die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse an. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn die Arbeitnehmerin bei bestehendem Arbeitsverhältnis wegen des Beschäftigungsverbots ihre Arbeitsleistung zunächst nicht erbringen kann, vgl. auch BSG v. 28.2.2008 – B 1 KR 17/07 R, NZA-RR 2009, 30. LAG Hessen v.14.4.2008 – 17 Sa 1855/07 für den Einsatz einer schwangeren Flugbegleiterin als Bodenmitarbeiterin unter Hinweis darauf, dass auch ein kranker Arbeitnehmer, bei dem die Krankheit nicht zur Arbeitsunfähigkeit führt, das Wegerisiko zum Arbeitsplatz zu tragen habe. BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 742/12, NZA 2014, 303; v. 21.3.2001 – 5 AZR 352/99, NZA 2001, 1017, 1018. Jedoch kann ein solches Attest in seinem Beweiswert erschüttert werden. BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 742/12, NZA 2014, 303; v. 9.10.2002 – 5 AZR 443/01, AP MuSchG 1968 § 11 Nr. 23. BAG v. 13.2.2002 – 5 AZR 588/00, NZA 2002, 738, 739. Vgl. auch LSG Hessen v. 20.8.2007 – L 9 AL 35/04: bei Vorliegen einer Risikoschwangerschaft ist ebenfalls danach zu differenzieren, ob das Risiko tatsächlich auf einer Erkrankung beruht oder seinen Grund in der Schwangerschaft selbst hat. BAG v. 15.11.2000 – 5 AZR 365/99, NZA 2001, 386.

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Kap. 17 Rz. 7

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

7

Praxistipp: Die Zuweisung muss möglichst konkret sein. Eine Beurteilung von Direktionsmaßnahmen, die gar nicht ausgesprochen oder nicht konkret genug sind, wird im Rechtsstreit stets zu Lasten des Arbeitgebers ausfallen.

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Die Höhe des Mutterschutzlohns richtet sich nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist.18 Gemäß § 11 Abs. 2 MuSchG sind während dieses Berechnungszeitraums oder des anschließenden Mutterschutzes sowohl dauernde Erhöhungen als auch Verringerungen des Verdienstes zu berücksichtigen, sofern diese Veränderung nicht durch ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot veranlasst sind.19 Sind im Mutterschutzlohn Zuschläge für tatsächlich nicht geleistete Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit enthalten, so sind diese nicht nach § 3b EStG steuerfrei, da nach Sinn und Zweck der Vorschrift Steuerfreiheit nur bei tatsächlichen Erschwernissen gewährt werden soll.20 Soweit nach § 13 MuSchG ein Anspruch gegen die Sozialversicherungsträger auf Mutterschaftsgeld besteht, muss der Arbeitgeber gemäß § 14 MuSchG21 für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG sowie für den Entbindungstag einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen Euro 13,– und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt zum Mutterschaftsgeld zahlen.22 Der Anspruch entfällt jedoch nach § 14 Abs. 4 MuSchG für die Zeit, in der Frauen Elternzeit in Anspruch nehmen, soweit sie nicht eine zulässige Teilzeitarbeit leisten.23 Ruhte das Arbeitsverhältnis nur zu Beginn der Schutzfrist wegen Elternzeit, schließt dies den Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht für den gesamten Zeitraum der Schutzfrist aus.24

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§ 17 Satz 1 MuSchG bestimmt, dass die mutterschutzrechtlichen Ausfallzeiten bei der Berechnung des Urlaubs wie Beschäftigungszeiten zählen. § 17 Satz 2 MuSchG gestattet darüber hinaus eine Übertragung des Erholungsurlaubs in das nächste Urlaubsjahr unabhängig von § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG. Gemäß § 17 Satz 2 MuSchG kann eine Arbeitnehmerin, die ihren Erholungsurlaub vor Beginn der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten hat, den verbleibenden Erholungsurlaub nach Ablauf der

18 Ist die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines halben Jahres zu erbringen, so ist diese vereinbarte Durchschnittsarbeitszeit auch für die Berechnung des Mutterschutzlohnes maßgeblich. Auf die konkrete Berechnung der letzten 13 Wochen kommt es dann nicht an, LAG Hamm v. 31.10.2006 – 9 (1) Sa 1243/06, NZA-RR 2007, 118. Provisionen sind (ggf. anteilig) zu berücksichtigen, wenn sie im Bemessungszeitraum entstanden sind (BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 439/10, NJW 2012, 1900, Rz. 21). 19 BAG v. 20.9.2000 – 5 AZR 924/98, NZA 2001, 657. 20 BFH v. 27.5.2009 – VI B 69/08, NZA 2009, 836. 21 Das BVerfG hatte die Regelung zum Arbeitgeberzuschuss als mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar erklärt, BVerfG v. 18.11.2003 – 1 BvR 302/96, NJW 2004, 146, und dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31.12.2005 zur Änderung aufgegeben. Dem ist der Gesetzgeber mit dem „Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze“ nachgekommen, welches eine Neuregelung der Umlageverfahren und eine Einbeziehung sämtlicher Arbeitgeber in das Umlageverfahren für Mutterschaftsleistungen des Arbeitgebers vorsieht. Vgl. hierzu ausführlich Düwell, FA 2006, 44. 22 Für den Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld kommt es nicht auf die tatsächliche Zahlung von Mutterschutzgeld durch die Krankenkasse, sondern auf das Bestehen des sozialrechtlichen Anspruchs auf Mutterschaftsgeld an, BAG v. 25.2.2004 – 5 AZR 160/03, NZA 2004, 537. 23 BAG v. 22.8.2012 – 5 AZR 652/11, NZA 2012, 1277; v. 29.1.2003 – 5 AZR 701/01, NZA 2003, 1055; nach Ansicht des EuGH ist diese Regelung allerdings europarechtswidrig, soweit die Arbeitnehmerin während einer unbezahlten Elternzeit schwanger wird und den Anspruch auf Mutterschaftsgeld geltend macht EuGH v. 13.2.2014 – Rs. C-512/11, C-513/11, NZA 2014, 316. 24 BAG v. 22.8.2012 – 5 AZR 652/11, NZA 2012, 1277, Rz. 17 ff.

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Rz. 12 Kap. 17

Schutzfristen noch im laufenden oder nächsten Kalenderjahr beanspruchen.25 Dies gilt auch dann, wenn der Urlaub vor Erteilung eines Beschäftigungsverbotes bereits verbindlich festgelegt war.26 Die Regelung ist insoweit an § 17 Abs. 2 BEEG angepasst und geht über die Übertragungsmöglichkeiten des § 7 Abs. 3 BUrlG hinaus.27 Erkrankt die Arbeitnehmerin dauerhaft nach dem Ende ihres Mutterschutzes bzw. ihrer Elternzeit, so verfallen die gemäß § 17 Abs. 2 MuSchG oder § 17 Abs. 2 BEEG übertragenen Urlaubsansprüche erst 15 Monate nach dem Ende des Folgejahres, in dem die Arbeitnehmerin aus dem Mutterschutz bzw. der Elternzeit zurückkehrt.28 Soweit Ansprüche auf Gratifikation vertraglich davon abhängig gemacht werden, dass sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Gewährung im aktiven Beschäftigungsverhältnis befindet, kann der Anspruch für Zeiten des Mutterschutzes gleichwohl nicht ausgeschlossen werden, da dies gegen Art. 157 AEUV29 und gegen die in Art. 6 Abs. 4 GG festgelegte Schutzpflicht30 verstieße. Die gesetzlich vorgeschriebenen mutterschutzrechtlichen Ausfallzeiten dürfen nicht dazu führen, dass die Arbeitnehmerin von beruflichen Aufstiegschancen ausgeschlossen wird.31 Bereits die Vereitelung der Chance, bei Eintritt weiterer Voraussetzungen einen beruflichen Aufstieg machen zu können, stellt eine Benachteiligung der Arbeitnehmerin dar und fällt unter das Diskriminierungsverbot.32 Art. 6 der EU-Elternzeitrichtlinie (2010/18/EU), durch den Teilzeitbegehren von Arbeitnehmerinnen im Rahmen einer Elternzeit gefördert werden sollen, ist jedoch nicht auf Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz anwendbar.33

10

2. Elternzeit Seit dem 1.1.2007 ist das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) in Kraft. Soweit die Regelungen zur Elternzeit und zur Elternteilzeit aus §§ 15 ff. BErzGG im Wesentlichen inhaltsgleich übernommen wurden, kann weitestgehend auf die Rechtsprechung und Literatur zum BErzGG zurückgegriffen werden.

11

Zum 1.1.2015 wurde das BEEG durch das Gesetz zum Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexiblen Elternzeit im Bundeseltern- und Elternteilzeitgesetz34 reformiert. Das Gesetz verlängert das Elterngeld (Elterngeld Plus), erlaubt eine flexiblere Gestaltung der Elternzeit und verbessert die Möglichkeit beider Eltern, in Elternteilzeit zu arbeiten.

12

25 Dies gilt sowohl für Urlaubsansprüche, die während der gesetzlichen Mutterschutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG entstanden sind, als auch für Urlaubsansprüche, die während der Zeiten eines individuellen arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsverbots erworben wurden, LAG Rh.-Pf. v. 29.1.2009 – 11 Sa 547/08. 26 BAG v. 9.8.2016 – 9 AZR 575/15, NZA 2016, 1392. 27 Zu den Änderungen durch das zweite Gesetz zur Änderung des Mutterschutzrechts v. 20.6.2002, BGBl. I 2002, 2318 ff. vgl. insbesondere Will, FA 2002, 268. 28 LAG Düsseldorf v. 26.11.2014 – 12 Sa 982/14; offengelassen von BAG v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15, NZA 2016, 433. 29 EuGH v. 21.10.1999 – Rs. C-333/97, EuGHE I-1999, 7266; BAG v. 4.12.2002 – 10 AZR 138/02, AP BGB § 611 Nr. 245 Gratifikation. 30 BAG v. 20.8.2002 – 9 AZR 353/01, DB 2003, 342. 31 EuGH v. 6.3.2014 – Rs. C-595/12, NZA 2014, 715. 32 EuGH v. 6.3.2014 – Rs. C-595/12, NZA 2014, 715 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2014, 225. 33 EuGH v. 16.6.2016 – Rs. C-351/14, NZA 2016, 935: Grund hierfür ist der unterschiedliche Schutzzweck der Regelungen. Während die Elternzeit gewährt wird, damit Eltern sich um ihr Kind kümmern können, schützt der Mutterschutz die Gesundheit der Frau und die besondere Beziehung zwischen Mutter und Kind nach der Entbindung. Diese soll nicht durch die Doppelbelastung aufgrund der gleichzeitigen Ausübung eines Berufs gestört werden. 34 BGBl. I 2014, 2325.

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Kap. 17 Rz. 13

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

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Die Novellierung gilt uneingeschränkt für ab dem 1.7.2015 geborene Kinder. Für Kinder, die bis zum 30.6.2015 geboren sind, gilt entsprechend der Übergangsvorschrift in § 27 BEEG nF das BEEG aF.35

14

Die Elternzeit soll berufstätigen Eltern die Betreuung und Erziehung ihres Kindes ermöglichen und erleichtern. Der Anspruch auf Elternzeit ist privatrechtlicher Art und unabdingbar, § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG aF und nF. Anspruchsgegner ist der Arbeitgeber, Anspruchsinhalt die unbezahlte Freistellung für den in § 15 Abs. 2 und 3 BEEG aF und nF bestimmten Zeitraum. Ergänzend gelten die allgemeinen Urlaubsvorschriften entsprechend. Das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG bleibt unberührt.

15

Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (§ 15 Abs. 1 BEEG aF und nF), zur Berufsausbildung Beschäftigte (§ 20 Abs. 1 BEEG aF und nF) sowie Heimarbeiter und Gleichgestellte, soweit sie am Stück mitarbeiten (§ 20 Abs. 2 BEEG aF und nF). Erforderlich ist eine enge personale Beziehung zu dem Kind. Sie liegt ua. vor, wenn die Anspruchsberechtigten (vgl. § 15 Abs. 1 BEEG aF und nF) 1. a) mit ihrem Kind, b) mit einem Kind, für das sie die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 3 oder 4 BEEG aF und nF erfüllen, oder c) mit einem Kind, das sie in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII aufgenommen haben, in einem Haushalt leben und 2. dieses Kind selbst betreuen und erziehen.36

16

Auch für Großeltern, die Arbeitnehmer sind, besteht in gleichem Umfang wie für die Eltern die Möglichkeit zur Elternzeit; dies setzt allerdings voraus, dass sie mit dem zu betreuenden Enkelkind in einem Haushalt leben und zudem ein Elternteil minderjährig ist oder sich noch in einer schon vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen Ausbildung befindet (§ 15 Abs. 1a BEEG nF). Nach alter Gesetzeslage, dh. für vor dem 30.6.2015 geborene Kinder, gilt allerdings, dass Großeltern lediglich dann Elternzeit nehmen können, wenn ein Elternteil des Kindes sich im letzten oder vorletzten Jahr einer Ausbildung befindet, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde. Die neue Rechtslage ermöglicht nun auch Großeltern von Teenagerschwangerschaften (Groß)Elternzeit zu nehmen.37 Der Anspruch auf Großelternzeit besteht allerdings nur subsidiär zu einer bereits durch die Eltern genommenen Elternzeit (§ 15 Abs. 1a Satz 2 BEEG aF und nF) und richtet sich nicht auf die Gewährung von Elterngeld, das weiterhin an die Eltern ausgezahlt wird.38 Sonderkündigungsschutz besteht daher für den Großelternteil nur nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BEEG aF und nF.

17

Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes,39 § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG aF und nF.40 Die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG 35 Da die Übergangsregelungen für bis zum 30.6.2015 geborene Kinder noch für längere Zeit praktische Relevanz haben, werden im Folgenden sowohl die Vorschriften nach dem BEEG aF als auch nach BEEG nF dargestellt. 36 Die Betreuung wird durch vorübergehende Abwesenheit oder Verhinderung nicht unterbrochen. 37 Forst, DB 2015, 68. 38 Auch ein in der Ausbildung befindlicher Elternteil hat Anspruch auf Elterngeld, § 1 Abs. 6 BEEG. 39 Eltern können die Elternzeit von vornherein bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer nach § 16 Abs. 1 BEEG gleichzeitig zu erklären hat, für welchen Zeitraum „innerhalb von zwei Jahren“ er Elternzeit nehmen will, denn diese Vorschrift beschränkt nicht die Möglichkeit, den darüber hinausgehenden materiell-rechtlichen Anspruch sofort geltend zu machen. BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 21/04, NZA 2004, 1039. 40 Nicht erforderlich ist daher, dass das Kind bereits etwa während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geboren wurde.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 20 Kap. 17

wird auf die Begrenzung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG aF und nF angerechnet. Nach der alten Gesetzesfassung ist ein Anteil von zwölf Monaten auf die Zeit bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres übertragbar;41 diese Übertragung bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers, § 15 Abs. 2 BEEG aF. Bei seiner Entscheidung über die Zustimmung ist der Arbeitgeber an billiges Ermessen iSd. § 315 BGB gebunden.42 Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BEEG nF kann ein Anteil von bis zu 24 Monaten zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommen werden. Die neue Gesetzeslage verdoppelt die mögliche Elternzeit zwischen dem vollendeten 3. und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes. Während für Kinder, die bis zum 30.6.2015 geboren wurden, nur 12 Monate der Elternzeit zwischen dem 3. und dem vollendeten 8. Lebensjahr genommen werden können, sind dies für ab dem 1.7.2015 geborene Kinder nun 24 Monate. Nach altem Recht ist die Übertragung von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig; nicht jedoch nach neuem Recht: Hier kann der Arbeitgeber lediglich einem dritten Abschnitt der Elternzeit zwischen dem 3. und dem 8. Lebensjahr innerhalb von 8 Wochen nach Zugang des Antrags widersprechen soweit dringende betriebliche Gründe dem Antrag entgegenstehen, § 16 Abs. 1 Satz 7 BEEG nF. Dies dürfte allerdings die Ausnahme bleiben.43 Eine schriftliche Begründung der Ablehnung durch den Arbeitgeber sieht der Gesetzeswortlaut zwar nicht vor. In Anlehnung an § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG und zu Beweiszwecken ist jedoch zu einer schriftlichen Ablehnung zu raten. Hat der Arbeitgeber der Elternzeit fristgemäß widersprochen, kann und muss der Arbeitnehmer Klage beim Arbeitsgericht erheben. Abgesehen davon ist keine Zustimmung des Arbeitgebers zur Elternzeit mehr erforderlich.

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Die Elternzeit kann, auch anteilig, von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden.

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Der Arbeitnehmer hat zweimal während der Elternzeit einen Anspruch auf Verringerung seiner Arbeitszeit für jeweils mindestens zwei Monate auf 15 bis 30 Wochenstunden, § 15 Abs. 6 iVm. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG aF und nF, außer in Kleinunternehmen und während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses, § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 BEEG aF und nF.44 Einvernehmliche Regelungen über eine Verminderung sind darauf jedoch nicht anzurechnen.45 Dem Arbeitnehmer steht ein Wahlrecht zwischen § 15 Abs. 7 BEEG aF und nF und dem allgemeinen Teilzeitanspruch aus § 8 Abs. 4 TzBfG zu.46 Jedoch ist regelmäßig der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach dem BEEG günstiger für den Arbeitnehmer, schon weil er einen befristeten Teilzeitanspruch gewährt und nur wegen dringender betrieblicher Gründe abgelehnt werden kann (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG aF und nF).47 Eine Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 5–7 BEEG aF und nF ist auch dann zulässig, wenn

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41 Der Kündigungsschutz des § 18 BEEG besteht allerdings während der Arbeitsphase zwischen den einzelnen Elternzeitabschnitten nicht, LAG Berlin-Brandenburg v. 15.12.2004 – 17 Sa 1729/04, NZA-RR 2005, 474; Peters-Lange/Rolfs, NZA 2000, 682, 685. 42 BAG v. 21.4.2009 – 9 AZR 391/08, NJW 2010, 695 zu einer Zustimmungsverweigerung bei Geburt eines weiteren Kindes, § 15 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 BEEG aF, nachdem der Arbeitgeber zuvor die vorzeitige Beendigung der Elternzeit nicht wegen dringender betrieblicher Gründe nach § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG aF abgelehnt hatte. 43 Nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend müssen die dringenden betrieblichen Gründe „nahezu zwingend“ und „unabweisbar“ sein, BT-Drucks. 18/ 3086, S. 13; Forst, DB 2015, 68. 44 Vgl. zum Anspruch auf Elternteilzeit BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07, NZA 2007, 1352; v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, AP BErzGG § 15 Nr. 47 und Bruns, BB 2008, 330, 332. Vgl. auch Kap. 6 Rz. 69 ff. 45 BAG v. 19.2.2013 – 9 AZR 461/11, NZA 2013, 907 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2013, 127. Damit wird letztlich der Arbeitgeber prämiiert, der sich einer einvernehmlichen Regelung verschließt. 46 BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 1112/06, NJW 2007, 3661. 47 Vgl. Bruns, BB 2008, 330, 333.

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Kap. 17 Rz. 21

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zunächst nur die völlige Freistellung von der vertraglichen Arbeit in Anspruch genommen wurde und keine bloße Verringerung der Arbeitszeit beantragt worden war.48 21

Der Antrag auf Verringerung kann allerdings erst gestellt werden, wenn die Arbeitnehmerin/ der Arbeitnehmer verbindlich festgelegt hat, für welche Zeiträume Elternzeit verlangt wird, § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG aF und nF.49 Der schriftliche Antrag (M 17.6) muss 7 Wochen vor Beginn der Teilzeittätigkeit mitgeteilt werden (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG aF) und den Beginn und den Umfang der verringerten Arbeitszeit enthalten. Die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit soll im Antrag angegeben werden (§ 15 Abs. 7 Satz 2, 3 BEEG aF).

22

Nach § 15 Abs. 7 Nr. 5 lit. a BEEG nF gilt die 7-Wochen-Frist nur bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes. Im Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes muss die Mitteilung schriftlich 13 Wochen vor Beginn der Teilzeittätigkeit mitgeteilt werden, § 15 Abs. 7 Nr. 5 lit. b BEEG nF.

23

Auch im BEEG fehlt ebenso wie in der Vorgängervorschrift ein Gleichlauf von Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit. Jedoch geht das BAG davon aus, dass der Arbeitgeber die Verteilung der Arbeitszeit nur nach billigem Ermessen festlegen kann, wobei eine Abweichung vom Wunsch des Arbeitnehmers nur bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe möglich sein soll.50 Dringende betriebliche Gründe iSd. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG aF und nF stehen dem Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers entgegen, wenn keine freie Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb des Arbeitgebers besteht;51 oder wenn die Elternteilzeit unvereinbar ist mit einem Organisationskonzept des Arbeitgebers, welches sich allerdings nicht allein darin erschöpfen darf, dass der Arbeitgeber die Aufgaben nach seiner unternehmerischen Zielsetzung von einer Vollzeitkraft erledigen lassen will.52 Insofern sind höhere Anforderungen als für die Ablehnung des allgemeinen Teilzeitanspruchs nach TzBfG zu stellen, der auch nicht dringende entgegenstehende betriebliche Gründe ausreichen lässt. Die dringenden betrieblichen Gründe müssen keine unüberwindbaren, aber doch besonders gewichtige Hindernisse für die beantragte Verkürzung und Umverteilung der Arbeitszeit sein.53 Nach neuer Gesetzeslage muss der Arbeitgeber, will er die Verringerung oder Verteilung der Arbeitszeit ablehnen, dies innerhalb von 4 Wochen nach dem Antrag des Arbeitnehmers mit schriftlicher Begründung tun. Bei einer Elternzeit zwischen dem vollendeten 3. und dem 8. Lebensjahr des Kindes beträgt die Frist 8 Wochen nach dem Antrag, § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG nF. Auch hier gilt die strenge Schriftform nach § 126 BGB.54 Werden die Fristen versäumt, so gilt die Zustimmung des Arbeitgebers als erteilt, § 15 Abs. 7 Satz 5 BEEG nF. Lehnt der Arbeitgeber den Antrag auf Verringerung oder Verteilung der Arbeitszeit rechtzeitig ab, muss der Arbeitnehmer Klage hiergegen erheben.

24

Auch für die vor dem 30.6.2015 geborenen Kinder kann der Arbeitgeber die Verringerung der Arbeitszeit bis 4 Wochen nach dem Antrag des Arbeitnehmers mit schriftlicher Begründung ablehnen, § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG aF. Äußert sich der Arbeitgeber jedoch nicht innerhalb dieser Frist, muss der Arbeitnehmer Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben, § 15 Abs. 7 Satz 5 BEEG aF. 48 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07, NZA 2007, 1352; zur Vorgängerregelung des § 15 Abs. 5–7 BErzGG schon BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, NZA 2005, 1354; v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413; Düwell, FA 2007, 44, 46. 49 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07, NZA 2007, 1352. 50 BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 1112/06, NJW 2007, 3661; zur alten Rechtslage nach BErzGG schon BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413. 51 Nur freie Arbeitsplätze sind zu berücksichtigen, BAG v. 15.4.2008 – 9 AZR 380/07, NZA 2008, 998. 52 BAG v. 15.12.2009 – 9 AZR 72/09, NZA 2010, 447. 53 BAG v. 15.12.2009 – 9 AZR 72/09, NZA 2010, 447. 54 Forst, DB 2015, 68.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 31 Kap. 17

Während der Elternzeit darf keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt werden. Erlaubt ist lediglich eine Erwerbstätigkeit, bei der die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit auf 30 Stunden beschränkt ist (§ 15 Abs. 4 BEEG aF und nF). Die Teilzeittätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers, § 15 Abs. 4 Satz 3 BEEG aF und nF,55 die er nur aus dringenden betrieblichen Gründen und nur binnen 4 Wochen schriftlich verweigern kann, § 15 Abs. 4 Satz 4 BEEG aF und nF.

25

Nach § 16 BEEG aF, dh. für alle Kinder, die bis zum 30.6.2015 geboren wurden, gilt eine einheitliche Frist für die Anmeldung der Elternzeit. Wer Elternzeit beanspruchen will, muss dies spätestens 7 Wochen vor deren Beginn schriftlich verlangen, und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll.

26

Nach § 16 BEEG nF hängt die Anmeldefrist davon ab, welcher Zeitabschnitt der Elternzeit beantragt wird. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BEEG nF muss die Anmeldung für den Zeitraum bis zum vollendeten 3.Lebensjahr des Kindes spätestens 7 Wochen vor Beginn der Elternzeit erfolgen; für den Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes spätestens 13 Wochen vorher, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BEEG nF.

27

Die Einhaltung der Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit und für die Auslösung des Sonderkündigungsschutzes.56 Es gilt die strenge Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB. Ein Fax oder eine E-Mail mit dem Antrag auf Elternzeit ist nicht ausreichend.57 Die Frist kann bei dringenden Gründen verkürzt werden, § 16 Abs. 1 Satz 2 BEEG aF und § 16 Abs. 1 Satz 3 BEEG nF; nach § 16 Abs. 2 BEEG aF und nF kann die Erklärung innerhalb einer Woche nach Wegfall eines nicht zu vertretenden Hinderungsgrundes nachgeholt werden.

28

Die Zeit der Mutterschutzfrist wird auf die Elternzeit angerechnet, wenn die Mutter die Elternzeit im Anschluss an die gesetzliche Mutterschutzfrist beantragt, § 16 Abs. 1 Satz 3 BEEG aF und § 16 Abs. 1 Satz 4 BEEG nF.

29

Die Elternzeit darf nach alter Rechtslage auf bis zu zwei Zeitabschnitte verteilt werden, § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG aF58. Eine Verteilung auf mehr als zwei Zeitabschnitte ist nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers möglich, § 16 Abs. 1 Satz 5 aF BEEG. Sie muss jedoch im Voraus verbindlich für den gesamten Zeitraum festgelegt werden. Nach § 16 Abs. 1 Satz 6 BEEG nF ist die Verteilung auf bis zu drei Zeitabschnitte möglich. Auch hier bedarf eine Verteilung auf weitere Zeitabschnitte der Zustimmung des Arbeitgebers, § 16 Abs. 1 Satz 6 Halbs. 2 BEEG nF. Der Antrag muss schriftlich gestellt werden, § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG aF und nF. Es handelt sich um eine einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung, die bereits mit Zugang beim Arbeitgeber wirksam ist.

30

Der Arbeitnehmer kann und muss ab dem in dem ordnungsgemäßen Antrag genannten Zeitpunkt der Arbeit fernbleiben.59 Das Verlangen ist nicht widerruflich. Nachträgliche Änderungen der Planung der Elternzeit sind nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich, § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG aF und nF. Die vorzeitige Beendigung wegen der Geburt eines weiteren Kindes oder wegen eines besonderen Härtefalles kann der Arbeitgeber nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen, § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG aF und nF.

31

55 BAG v. 26.6.1997 – 8 AZR 506/95, NZA 1997, 1156. 56 Die Berufung des Arbeitgebers auf die Nichteinhaltung der Schriftform kann jedoch im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, vgl. BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15, NZA 2016, 1137. 57 BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15, NZA 2016, 1137. 58 Zur genauen Aufteilung der Zeitabschnitte vgl. Rz. 18. 59 BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, NZA 2005, 1354.

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Kap. 17 Rz. 32

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

32

Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG aF und nF kann die Mutter nicht zur Inanspruchnahme von Mutterschutzfristen wegen der Geburt eines weiteren Kindes die Elternzeit vorzeitig beenden; das gilt nicht für während der Elternzeit Teilzeit arbeitende Mütter.60

33

Eine Verlängerung kann verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus wichtigem Grund nicht erfolgen kann, § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG aF und nF. Im Übrigen bedürfen Verlängerungen der Zustimmung des Arbeitgebers, § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG aF und nF. Der Arbeitgeber hat über die Verlängerung nach billigem Ermessen zu entscheiden.61 Die Anmeldefristen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG aF und nF gelten nicht für das Verlängerungsbegehren nach § 16 Abs. 3 BEEG aF und nF.62 Während der Elternzeit sind die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert.

34

Nebenleistungen sind nur dann fortzuzahlen, wenn sich durch Auslegung der Vereinbarung ergibt, dass diese vom Ruhen des Arbeitsverhältnisses unabhängig sein sollen. Ein Anspruch auf Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall besteht nicht. Den Anspruch auf Urlaub kann der Arbeitgeber für jeden vollen Kalendermonat, für den der Arbeitnehmer Elternzeit nimmt, um ein Zwölftel des Jahresurlaubs kürzen,63 es sei denn, der Arbeitnehmer leistet während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeitarbeit, § 17 Abs. 1 BEEG aF und nF.64 Der Arbeitgeber kann den Urlaubsanspruch aber nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kürzen (vgl. M 17.4). Gemäß § 17 Abs. 3 BEEG aF und nF iVm. § 7 Abs. 4 BurlG wandelt sich der Urlaubsanspruch dann in einen Geldanspruch auf Urlaubsabgeltung um, auf den § 17 Abs. 1 BEEG aF und nF nicht angewendet werden kann.65

35

Abgrenzungsfragen zum Urlaub beim Übergang in die oder aus der Elternzeit und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln § 17 Abs. 2–4 BEEG aF und nF. Der vor Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig genommene Urlaub ist übertragbar auf das laufende oder nächste Urlaubsjahr, das der Elternzeit nachfolgt; dies gilt auch dann, wenn sich an die erste eine weitere Elternzeit unmittelbar anschließt. In diesem Fall besteht der vor der ersten Elternzeit entstandene Urlaubsanspruch auch nach der zweiten Elternzeit fort.66

36

Für Ansprüche auf Gratifikation kann, soweit sie auf die tatsächliche Beschäftigung abstellen, anders als für Zeiten des Mutterschutzes (vgl. Rz. 10) vereinbart werden, dass sie für Zeiten der Elternzeit nicht bestehen.67 Demgegenüber sind bei Sozialplanregelungen, die für die Höhe der Abfindung auch auf die Dauer der Beschäftigung abstellen, keine Abzüge wegen El60 Vgl. aber EuGH v. 20.9.2007 – Rs. C-116/06, NZA 2007, 1274, wonach eine Arbeitnehmerin den Zeitraum ihres Erziehungsurlaubs auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers ändern kann, um bei einer erneuten Schwangerschaft ihre Rechte auf Mutterschaftsurlaub wahrzunehmen. 61 BAG v. 18.10.2011 – 9 AZR 315/10, NZA 2012, 262. Vgl. zur vorzeitigen Beendigung und Verlängerung der Elternzeit auch Niklas, BB 2013, 951. 62 BAG v. 18.10.2011 – 9 AZR 315/10, NZA 2012, 262. 63 BAG v. 19.5.2015 – 9 AZR 725/13, NZA 2015, 989; v. 17.5.2011 – 9 AZR 197/10, DB 2012, 182; in Teilen wird das Kürzungsrecht des Arbeitgebers jedoch als europarechtswidrig angesehen, Kamanabrou, RdA 2014, 321. 64 Dazu, ob die Kürzung auch das Urlaubsentgelt erfasst, Bruns, BB 2008, 386, 387. 65 BAG v. 19.5.2015 – 9 AZR 725/13, NZA 2015, 989; zur Urlaubsabgeltung im Einzelnen Kap. 14 Rz. 25 ff. 66 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 219/07, NZA 2008, 1237 noch zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 17 Abs. 2, 3 BErzGG. 67 BAG v. 4.12.2002 – 10 AZR 138/02, AP BGB § 611 Nr. 245 Gratifikation für den zulässigen Ausschluss des Anspruchs auf Weihnachtsgeld. Bestimmt der Arbeitsvertrag, dass ein Anspruch auf die Gratifikation nicht besteht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so gilt der Anspruchsausschluss nicht bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit, BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 35/08, NZA 2009, 258.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 38 Kap. 17

ternzeit zulässig.68 Auch Zulagen, die als Entgeltbestandteil gewährt werden, stehen Arbeitnehmern in Elternzeit in gleichem Umfang zu.69 Während der Elternzeit besteht Sonderkündigungsschutz, § 18 BEEG aF und nF. Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt wurde, höchstens aber acht Wochen vor Beginn der Elternzeit, und während deren Dauer nicht kündigen, § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG aF. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG nF beginnt der Kündigungsschutz frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes (Nr. 1) und frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes (Nr. 2).

37

Der Kündigungsschutz bezieht sich auf das Arbeitsverhältnis, das zu Beginn der Elternzeit bestanden hat, und auf das durch Vereinbarung von Teilzeitarbeit umgestaltete, § 18 Abs. 2 Nr. 1 BEEG aF und nF. Gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG aF und nF besteht Sonderkündigungsschutz, wenn der Arbeitnehmer, ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen, Teilzeitarbeit leistet und Anspruch auf Elterngeld nach § 1 BEEG aF und nF während des Bezugszeitraums nach § 4 Abs. 1 BEEG aF und nF hat. Auch derjenige Arbeitnehmer hat Sonderkündigungsschutz, der bei einem anderen Arbeitgeber während der Elternzeit Teilzeitarbeit verrichtet.70 Dies gilt jedoch nur für das der Elternzeit zugrunde liegende Arbeitsverhältnis und nicht für das in der Elternzeit neu begründete Teilzeitarbeitsverhältnis mit dem Dritten71. In „besonderen Fällen“ kann der Arbeitgeber mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde kündigen, § 18 Abs. 1 Satz 2–4 BEEG aF (M 17.5) und § 18 Abs. 1 Satz 4 bis 6 BEEG nF. Aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG aF und § 18 Abs. 1 Satz 6 BEEG nF bestehen „Allgemeine Verwaltungsvorschriften zum Kündigungsschutz bei Elternzeit“ vom 3.1.2007.72 Gemäß deren Ziff. 2.1.1 und 2.1.3 gilt insbesondere die Betriebsverlegung oder -stilllegung bei Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit als ein „besonderer Fall“.73 Diese Verwaltungsvorschrift bindet die Gerichte zwar formal nicht, ist aber für die Praxis gleichwohl der zentrale Leitfaden. Die Zustimmung wegen Betriebsstilllegung kann auch wirksam erteilt werden „für den Fall, dass kein Betriebsübergang stattgefunden hat“.74 Eine erteilte Zustimmung löst keine Frist aus, innerhalb derer die Kündigung erklärt werden muss.75 Die Zustimmung der zuständigen Behörde zur außerordentlichen Kündigung kann in der Regel nicht in eine Zustimmung zur ordentlichen Kündigung umgedeutet

38

68 BAG v. 12.11.2002 – 1 AZR 58/02, NZA 2003, 1287; vgl. auch EuGH v. 22.10.2009 – Rs. C-116/08, ArbRAktuell 2009, 159 – Meerts/Proost m. Anm. Lingemann. Sind Eltern in Elternteilzeit beschäftigt, so ist eine Entlassungsentschädigung auf Grundlage des Gehalts für die Vollzeitarbeitsleistung zu berechnen und nicht auf Grundlage des verringerten Elternteilzeitgehaltes, EuGH v. 27.2.2014 – Rs. C588/12, NZA 2014, 359. 69 Ein Ausschluss der Arbeitnehmer in Elternzeit von einer tariflichen Zulage ist eine gegen Art. 3 Abs.1 und Art. 6 GG verstoßende unzulässige Gruppenbildung, BAG v. 18.12.2008 – 6 AZR 287/07, NZA 2009, 391. 70 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 596/04, NZA 2006, 678; Bruns, BB 2008, 386, 388; Fröhlich, ArbRB 2007, 54, 57. 71 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 596/04, NZA 2006, 678. 72 Abgedruckt bei Nipperdey, Textsammlung Arbeitsrecht, Nr. 401b. 73 Vgl. auch Wiebauer, NZA 2011, 177 zur bedingten Zulässigkeitserklärung bei nur beabsichtigter Stilllegung und einem etwaigen Wiedereinstellungsanspruch aufgrund nicht durchgeführter Stilllegung. 74 BAG v. 22.6.2011 – 8 AZR 107/10, NZA-RR 2012, 119 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2011, 538. 75 BAG v. 22.6.2011 – 8 AZR 107/10, NZA-RR 2012, 119 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2011, 538; allerdings wird eine nach der Zustimmung ausgesprochene Kündigung, die allein deshalb außerhalb des 30-Tages-Zeitraums des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zugeht, weil zunächst das behördliches Zustimmungsverfahren durchzuführen war, so behandelt wie die Kündigungen, für die die Regeln des Massenentlassungsschutzes gelten, BVerfG v. 8.6.2016 – 1 BvR 3634/13, NZA 2016, 939.

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Kap. 17 Rz. 39

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

werden.76 Der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen, § 19 BEEG aF und nF, oder zu einem anderen Zeitpunkt mit der gesetzlichen bzw. vertraglichen Kündigungsfrist. 39

Wird zur Vertretung des Arbeitnehmers in Elternzeit ein anderer Arbeitnehmer befristet bzw. auflösend bedingt eingestellt, so ist die Befristung bzw. auflösende Bedingung für die Dauer der Vertretung und einer angemessenen Einarbeitung sachlich gerechtfertigt, § 21 BEEG aF und nF. Dasselbe gilt für Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG. Allerdings muss die Befristung entweder kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar oder dem Vertretungszweck zu entnehmen sein (Zweckbefristung), vgl. § 21 Abs. 3 BEEG aF und nF.

40

Praxistipp: Da der Elternteil in Elternzeit jederzeit die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung nach § 15 Abs. 6 und 7 BEEG aF und nF verlangen kann, sollte für eine befristet einzustellende Vertretung stets die Zweckbefristung gewählt oder eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart werden. Eine Kündigung ist bei einem zeitbefristeten Vertrag nicht nach § 21 Abs. 4 BEEG aF und nF möglich, da die Elternzeit durch die Ausübung einer zulässigen Teilzeit nicht vorzeitig endet.

41

Bei einer Zweckbefristung besteht auch keine strenge Bindung an den Umfang der angemeldeten Elternzeit, so dass der Befristungsgrund „Wegfall des Bedarfs“ auch mehrere ununterbrochen aufeinander folgende Elternzeiten deckt.77 Bei arbeitsrechtlichen Bestimmungen, die auf die Zahl der Beschäftigten abstellen, sind die in Elternzeit befindlichem Arbeitnehmer nicht mitzuzählen, sofern für sie ein Vertreter befristet eingestellt wurde, § 21 Abs. 7 BEEG aF und nF.

42

Endet die Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig oder kann der Arbeitnehmer die vorzeitige Beendigung wegen § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG aF und nF nicht ablehnen, und hat der Arbeitnehmer die Beendigung auch mitgeteilt, so kann der Arbeitgeber das Vertretungsarbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Wochen frühestens zum Ende der Elternzeit kündigen, § 21 Abs. 4 BEEG aF und nF.78 Für diese Kündigung gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht, § 21 Abs. 5 BEEG aF und nF. 3. Elterngeld und Elterngeld Plus

43

Für Eltern von seit dem 1.1.2007 geborenen oder zur Adoption angenommenen Kinder besteht nach Maßgabe der §§ 1 ff. BEEG aF und nF Anspruch auf Elterngeld.79 Für die vor dem Stichtag geborenen oder zur Adoption angenommenen Kinder bleiben der Erste und der Dritte Abschnitt des BErzGG anwendbar.80

44

Anspruch auf Elterngeld haben nach § 1 Abs. 1 BEEG aF und nF grundsätzlich Mütter und Väter, die ihre Kinder nach der Geburt selbst betreuen und erziehen, mit ihren Kindern in einem Haushalt leben, nicht mehr als 30 Stunden in der Woche erwerbstätig sind und einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Daneben kommen auch andere Personen unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 bis 4 BEEG aF und nF als Anspruchsberechtigte in Betracht.

76 So zur Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895 m. Anm. Lingemann ArbRAktuell 2014, 388. 77 LAG Nürnberg v. 2.8.2007 – 5 Sa 564/06, BB 2007, 2076. 78 Nach der Gesetzesbegründung gilt das Kündigungsrecht auch für eine Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer, vgl. Bruns, BB 2008, 386, 387, der dies jedoch ablehnt. 79 Hierzu ausführlich Röhl, NJW 2010, 1418; Brosius-Gersdorf, FPR 2007, 334 und Schramm, FPR 2007, 342. 80 Die Stichtagsregelung ist verfassungsgemäß, BSG v. 23.1.2008, NJOZ 2008, 4267.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 49 Kap. 17

Das Elterngeld ist als Entgeltersatzleistung konzipiert und richtet sich daher gemäß § 2 BEEG aF und nF nach dem bisherigen Einkommen. Es beträgt 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Nettoeinkommens, höchstens jedoch Euro 1 800,–/Monat. Die Ermittlung des zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens erfolgt für Eltern seit dem 1.1.2013 geborener Kinder pauschal und richtet sich nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 Satz 3 sowie §§ 2c–2f BEEG aF und nF.81 Ein während der Schwangerschaft erfolgter Wechsel der Steuerklasse ist bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen und nicht rechtsmissbräuchlich,82 allerdings zählt für Eltern seit dem 1.1.2013 geborener Kinder nur die Lohnsteuerklasse, die am längsten vor dem Elterngeldbezug Bestand hatte, § 2c Abs. 3 BEEG aF und nF. Ein Wechsel der Lohnsteuerklasse muss also mindestens sieben Monate vor Geburt des Kindes erfolgen, um relevant zu sein. Die wechselseitige Anrechnung anderer Leistungen (Mutterschaftsgeld, Sozialleitungen) auf das Elterngeld regeln § 3 und § 10 BEEG aF und nF.

45

Das Elterngeld beträgt auch für nicht erwerbstätige Elternteile mindestens Euro 300,– monatlich, § 2 Abs. 4 BEEG aF und nF. Zugleich werden Berechtigte mit niedrigem Einkommen besser gestellt, indem der prozentuale Anteil bei zu berücksichtigendem Einkommen unter Euro 1 000,– stufenweise erhöht wird, § 2 Abs. 2 BEEG aF und nF.

46

Teilzeitarbeit steht dem Anspruch auf Elterngeld nicht entgegen, solange sie nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt eines Monats beträgt. Das Einkommen der Teilzeitarbeit ist jedoch in die Berechnung des Elterngeldes mit einzubeziehen. Der Anspruchsberechtigte erhält 67 % der Differenz zwischen dem vor und dem nach der Geburt zu berücksichtigenden Einkommen, § 2 Abs. 3 Satz 1 BEEG aF und nF. Als bereinigtes Nettoeinkommen vor der Geburt gilt höchstens ein Betrag von Euro 2 770,–, § 2 Abs. 3 Satz 2 BEEG aF und nF.

47

Bei Mehrlingsgeburten erhöht sich das zu berücksichtigende Einkommen um je Euro 300,– für das zweite und jedes weitere Kind, § 2a Abs. 4 BEEG aF und nF. Bei Familien mit mehr als einem Kind erhöht sich das nach den allgemeinen Regeln zustehende Elterngeld um 10 %, mindestens aber Euro 75,– im Monat bei einem Geschwisterkind unter drei Jahren oder bei zwei Geschwisterkindern unter sechs Jahren, § 2a Abs. 1 BEEG aF und nF.

48

Der Bezugszeitraum beträgt maximal 14 Monate vom Tag der Geburt des Kindes, wobei ein Elternteil gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 BEEG aF höchstens zwölf Monate Elterngeld beziehen kann. Eine Ausnahme besteht, wenn ein Elternteil allein sorgeberechtigt ist, § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG aF. Ein Anspruch auf bis zu zwei zusätzliche Monatsbeträge und damit insgesamt 14 Monate besteht, wenn beide Elternteile vom Angebot des Elterngeldes Gebrauch machen möchten, § 4 BEEG aF (sog. Partnermonate). Nach Festlegung einer Mindestbezugsdauer von zwei Monaten je Elternteil muss jetzt auch der zweite Elternteil – meist ist dies der Vater – mindestens zwei Monate Elternzeit nehmen, § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG aF.83 Ein Anspruchswechsel zwischen den Elternteilen, die beide jeweils die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, ist nunmehr erstmalig ohne Angabe von Gründen möglich; eine nochmalige Änderung des Bezugszeitraums ist jedoch nur in besonderen Härtefällen zulässig, § 7 Abs. 2 BEEG aF.84

49

81 Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldbezugs, BGBl. I 2012, 1878; unberücksichtigt bei der Bemessung bleiben dabei ua. Zeiten, in denen Mutterschaftsgeld bezogen wurde, sowie Zeiten des Wehroder Zivildienstes, § 2b BEEG. 82 BSG v. 25.6.2009 – B 10 EG 3/08 R, NJW 2010, 1485 und B 10 EG 4/08 R, FamRZ 2009, 1749 unter Hinweis darauf, dass im BEEG bewusst keine Regelung zum Steuerklassenwechsel aufgenommen worden sei und eine solche Regelung auch nicht dem Schutzzweck des BEEG widerspreche. 83 Hierzu Schramm, FPR 2007, 342. 84 Nach der Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 1 BEEG aF war lediglich eine einmalige Änderung in Fällen besonderer Härte zulässig.

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Kap. 17 Rz. 50

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

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§ 4 BEEG nF wurde neu gefasst und differenziert zwischen dem Basiselterngeld und dem neu eingeführten Elterngeld Plus. § 4 Abs. 2 BEEG nF regelt den Begriff und die Bezugsmodalitäten des Basiselterngeldes. Das Basiselterngeld wird in Monatsbeiträgen für die Lebensmonate des Kindes gezahlt, § 4 Abs. 2 Satz 1 BEEG nF, und wird nach den §§ 2 und 3 BEEG berechnet. Es stellt damit das frühere Elterngeld dar. Bei Bezug des Basiselterngeldes können die Eltern die insgesamt 12 Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen, § 4 Abs. 2 Satz 4 BEEG nF. Bei gleichzeitiger Inanspruchnahme des Elterngeldes verkürzt sich der Bezugszeitraum entsprechend.85 In § 4 Abs. 4 BEEG nF sind statt wie bisher in Abs. 2 die Partnermonate geregelt. Auch hier kann sich daher das Basiselterngeld von 12 auf 14 Monate verlängern.

51

§ 4 Abs. 3 BEEG nF regelt das Elterngeld Plus. Dieses sieht eine Verdoppelung des Zeitraums des Basiselterngelds vor bei Halbierung der Höhe des monatlichen Elterngelds. Das bedeutet, dass sich der Bezugszeitraum von 12 Monaten Basiselterngelt auf 24 Monate Basiselterngeld Plus verdoppelt. Statt eines Monats, in dem Basiselterngeld bezogen wird, kann die berechtigte Person also jeweils zwei Monate lang ein Elterngeld beziehen, das nach den §§ 2 bis 3 und den zusätzlichen Vorgaben der Sätze 2 und 3 ermittelt wird, § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG nF. Auf diese Weise verlängert sich der Auszahlungszeitraum. Die Eltern können zwischen dem Bezug von zwei Monaten Elterngeld Plus oder einem Monat Basiselterngeld wählen.

52

Elterngeld Plus kann nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BEEG nF auch nach dem 14. Lebensmonat bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Der Unterschied zwischen dem Elterngeld Plus und einem Bezug des Basiselterngeldes liegt in der Berechnung, die dazu führt, dass unter Elterngeld Plus bei Teilzeitarbeit ein höherer Betrag bezogen werden kann als bei Bezug des Basiselterngeldes. Das Elterngeld Plus fördert damit eine Teilzeittätigkeit der Eltern während der Elternzeit.

53

Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG nF kann jeder Elternteil vier zusätzliche Monate Elterngeld Plus erhalten, dh bei Bezug von 24 Monaten Elterngeld Plus insgesamt 28 Monate. Voraussetzung ist, dass beide Elternteile in vier aufeinander folgenden Monaten gleichzeitig zwischen 15 Wochenstunden und 30 Wochenstunden im Durchschnitt im Monat erwerbstätig sind (sog. Partnerschaftsbonus). Damit soll zur partnerschaftlichen Arbeitsteilung beigetragen werden.86 Partnermonate nach § 4 Abs. 4 BEEG nF können demgegenüber nur während des Bezugs von Basiselterngeld beansprucht werden.

54

Beide Eltern können Basiselterngeld und Elterngeld Plus kombinieren, soweit jeder Elternteil für mindestens zwei aufeinanderfolgende Monate Elterngeld in Anspruch nimmt, § 4 Abs. 5 Satz 2 BEEG nF.

55

Das Elterngeld ist schriftlich zu beantragen und kann rückwirkend nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet werden, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist, § 7 Abs. 1 BEEG aF und nF. In dem Antrag ist anzugeben, für welche Monate Elterngeld beantragt wird. Nach der neuen Rechtslage ist bei Kindern, die ab dem 1.7.2015 geboren werden, zudem anzugeben, für welche Monate Basiselterngeld oder Elterngeld Plus beantragt wird, § 7 Abs. 1 Satz 3 BEEG nF. Der Antrag ist von beiden Anspruchsberechtigten zu unterzeichnen, § 7 Abs. 3 BEEG aF und nF.

85 BT-Drucks. 16/1889, S. 23. 86 BT-Drucks. 17/2583, S. 28; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/von Koppenfels-Spies, § 4 BEEG Rz. 20.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 59 Kap. 17

4. Pflegezeit Das PflegeZG verbessert die rechtliche Situation für Arbeitnehmer bei der Pflege eines nahen Angehörigen durch die Gewährung eines Leistungsverweigerungsrechtes bzw. Freistellungsanspruches sowie Sonderkündigungsschutz. Hierdurch werden die früher allein aus § 616 BGB und individual- bzw. tarifvertraglichen Bestimmungen ableitbaren Ansprüche auf Freistellung von der Arbeitspflicht erheblich erweitert. Gesetzgeberische Intention war es, einerseits den Wünschen der Pflegebedürftigen nach einer möglichst langen Pflegeperiode in vertrauter Umgebung Rechnung zu tragen, andererseits die Pflegeversicherung durch Stärkung der ambulanten Pflege durch Angehörige zu entlasten, vgl. § 1 PflegeZG.

56

Das PflegeZG wurde zum 1.1.2015 durch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf v. 23.12.2014 reformiert.87

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§ 7 Abs. 3 PflegeZG fasst den Begriff des nahen Angehörigen dabei bewusst weit: nahe Angehörige iSd. PflegeZG sind sowohl Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Steifeltern, Kinder als auch Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer ehe- oder lebenspartnerähnlichen Lebensgemeinschaft, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister eines Ehegatten oder Lebenspartner als auch leibliche, Adoptiv- und Pflegekinder (auch des Ehegatten oder Lebenspartners, nicht jedoch des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft), Schwieger- und Enkelkinder.88 Pflegebedürftigkeit iSd. § 7 Abs. 4 PflegeZG liegt bei einer Einstufung in die Pflegegrade I–V nach §§ 14, 15 SGB XI vor. Auch zur Berufsbildung Beschäftigte89 sowie arbeitnehmerähnliche Personen90 gelten gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PflegeZG als Arbeitnehmer iSd. PflegeZG, so dass nicht nur §§ 2 und 3 PflegeZG für sie Anwendung finden, sondern sie ebenfalls den Kündigungsschutz nach § 5 PflegeZG genießen.

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Das Gesetz unterscheidet zwischen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG und der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG. Nach § 2 PflegeZG können Arbeitnehmer unabhängig von der Größe des Unternehmens bei einer akut auftretenden Pflegesituation bis zu zehn Tage der Arbeit fernbleiben, dh. die Arbeitsleistung verweigern, wenn dies erforderlich ist, um für einen nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Der akut auftretende Pflegefall setzt eine Plötzlichkeit voraus, dh. der Pflegefall darf weder schon bestanden haben noch absehbar gewesen sein. Letzteres ist zB der Fall, wenn schon längere Zeit vor Beendigung eines Krankenhausaufenthaltes feststeht, dass Pflegebedürftigkeit eintreten wird.91 Ein akut auftretender Pflegefall kann auch dann vorkommen, wenn bei häuslicher Pflege die Pflegekraft vorübergehend ausfällt. Die vorausgesetzte Erforderlichkeit bezieht sich nicht nur auf das „ob“ der Freistellung, sondern auch auf die jeweilige Dauer.92 Die Pflegezeit nach § 3 PflegeZG kann nur einmal pro Angehörigem in Anspruch genommen werden.93

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87 BGBl. I 2014, 2462. 88 Die Aufzählung im PflegeZG soll nach der Gesetzesbegründung abschließend sein; eine Analogie scheidet damit aus, Liebscher, ArbRAktuell 2011, 189. 89 Der Begriff der Berufsbildung umfasst nicht nur Berufsausbildungsverhältnisse nach § 1 Abs. 3 BBiG, sondern auch andere der Erlernung beruflicher Fertigkeiten dienende Vertragsverhältnisse gem. § 26 BBiG, vgl. Kap. 8 Rz. 1 ff. 90 Die für die arbeitnehmerähnliche Person kennzeichnende wirtschaftliche Unselbständigkeit setzt voraus, dass der Beschäftigte seiner gesamten sozialen Stellung nach genauso schutzbedürftig wie ein Arbeitnehmer ist, vgl. Linck, BB 2008, 2738 für die Heranziehung der vom BAG entwickelten Grundsätze auch im Rahmen des PflegeZG. 91 Zu dieser Voraussetzung Glatzel, NJW 2009, 1377, 1378. 92 ErfK/Gallner, § 2 PflegeZG Rz. 2. 93 BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 348/10, NZA 2012, 323, Rz. 31.

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Kap. 17 Rz. 60

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

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Neben der Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen kann ein Beschäftigter nach neuer Rechtslage vollständig und teilweise für eine begrenzte Zeit (Rz. 62, 66) freigestellt werden, um einen minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu Hause oder in einer Pflegeeinrichtung, also außerhäuslich, zu betreuen, § 3 Abs. 5 Satz 1 PflegeZG. Der Betreuungsbegriff ist dabei weiter gefasst als der Pflegebegriff und umfasst ebenfalls die Begleitung eines minderjährigen Angehörigen während eines langen Krankenhausaufenthalts.94 Eine Minderjährigenbetreuung hat im Wesentlichen die gleichen Rechtsfolgen wie eine Pflegezeit iSv. § 3 Abs. 1 PflegeZG.95 Außerdem kann zur Begleitung eines nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase die vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung erfolgen, § 3 Abs. 6 PflegeZG.

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Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich (auch formlos)96 mitzuteilen sowie auf Verlangen eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit und die Erforderlichkeit von Pflegemaßnahmen vorzulegen, § 2 Abs. 2 PflegeZG.97 Verletzt er diese Pflichten, behält er zwar sein Leistungsverweigerungsrecht, riskiert aber Schadensersatzansprüche bzw. eine Abmahnung; auch der Sonderkündigungsschutz besteht erst ab diesem Zeitpunkt.98 Das zeitlich unbegrenzte Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB tritt neben die Regelung des § 2 PflegeZG; soweit jedoch die Voraussetzungen gemäß § 2 PflegeZG vorliegen, besteht für eine Anwendbarkeit des § 275 Abs. 3 BGB regelmäßig kein Bedarf mehr.99

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Gemäß §§ 3, 4 PflegeZG besteht in Unternehmen mit mehr als fünfzehn Beschäftigten100 für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen ein einmaliger101 Anspruch auf Pflegezeit von bis zu sechs Monaten, wobei auch die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung eröffnet wird. Bei der Begleitung eines nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase nach § 3 Abs. 6 PflegeZG gilt eine Höchstdauer von 3 Monaten je nahem Angehörigen. Anders als bei der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG muss die Pflegezeit beanspruchende Person den nahen Angehörigen selbst pflegen bzw. zukünftig eine ernsthafte Pflegeabsicht für die Zukunft besitzen, und zwar in häuslicher Umgebung, dh. entweder im eigenen Haushalt, dem der pfle-

94 Vgl. Rz. 90 zur Familienpflegezeit. 95 Müller, BB 2014, 3125. 96 Wegen der Möglichkeit der formlosen Mitteilung wurde auf die Aufnahme eines Musterformulars verzichtet. 97 Hinsichtlich des Beweiswertes dieser ärztlichen Bescheinigung dürfte dasselbe gelten wie für den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die einen Anscheinsbeweis begründet, vgl. Preis/ Nehring, NZA 2008, 729, 730. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dieser Beweiswert nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Arzt den Pflegedürftigen untersucht hat und genau über die familiären Verhältnisse des Beschäftigten unterrichtet ist, um die Pflegedürftigkeit und Erforderlichkeit der Pflege zu beurteilen, denn anderenfalls gibt die Bescheinigung nur die Schilderung der pflegenden Person wieder, Linck, BB 2008, 2738, 2740. 98 Müller, BB 2008, 1058, 1060. 99 Zutreffend Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 731 mit dem Hinweis, dass § 275 Abs. 3 BGB einerseits eine Interessenabwägung verlangt, die nicht unbedingt zu Gunsten des Angehörigen eines Pflegebedürftigen ausfallen muss, jedoch andererseits keine Höchstdauer der Verhinderung vorsieht und auch nicht auf Fälle der Pflegebedürftigkeit iSd. § 7 Abs. 4 PflegeZG beschränkt ist, so dass sich an ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 2 PflegeZG ein Weigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB anschließen kann. 100 Ein Vergleich mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG ergibt, dass bei der Ermittlung der Zahl der Beschäftigten auch Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Beschäftigte mitzuzählen sind und eine Zählung nach Köpfen erfolgt, vgl. Glatzel, NJW 2009, 1377 sowie Liebscher, ArbRAktuell 2011, 189. 101 BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 348/10, NZA 2012, 323, Rz. 31.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 65 Kap. 17

gebedürftigen Person oder auch im Haushalt eines anderen Privaten.102 Eine Ausnahme besteht für die Pflege von minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen. Diese können nach § 3 Abs. 5 Satz 1 PflegeZG auch außerhäuslich betreut werden. Des Weiteren enthält auch das Recht auf Sterbebegleitung nach § 3 Abs. 6 PflegeZG keine örtliche Einschränkung.103 Eine Mindestpflegedauer pro Tag sieht das PflegeZG nicht vor, dh. bei vorliegender Pflegebedürftigkeit kann der Pflegebedürftige auch gleichzeitig ambulante Pflegeleistungen in Anspruch nehmen.104 Auch ist die Freistellung von der Arbeitspflicht nicht gestaffelt an die Eingruppierung in einen bestimmten Pflegegrad gebunden; auch wer einen Angehörigen mit Pflegegrad I pflegt, kann vollständig von der Arbeit freigestellt werden, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Die geplante Pflegezeit sowie deren Dauer muss dem Arbeitgeber spätestens zehn Tage im Voraus schriftlich mitgeteilt werden, § 3 Abs. 3 Satz 1 PflegeZG. Die Ankündigung muss sowohl den Umfang der Freistellung als auch bei nur teilweiser Befreiung die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben (M 17.9). Enthält die Ankündigung keine eindeutige Festlegung, ob die oder der Beschäftigte Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen will, und liegen die Voraussetzungen beider Freistellungsansprüche vor, gilt die Erklärung als Ankündigung von Pflegezeit, § 3 Abs. 3 Satz 3 PflegeZG und § 2a Abs. 1 Satz 3 FPfZG. Bei Versäumung dieser Ankündigungsfrist verschiebt sich der Beginn der Pflegezeit entsprechend nach hinten; wird die erforderliche Form nicht gewahrt, so ist die Pflegezeit nicht wirksam beantragt.105 Die Pflegebedürftigkeit muss zwingend durch eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des medizinischen Dienstes der Krankenkasse bzw. einer privaten Pflegeversicherung nachgewiesen werden, § 3 Abs. 2 PflegeZG. Auch wenn der Gesetzgeber für die Vorlage des Nachweises keine Frist vorgesehen hat, so liegt es im eigenen Interesse des Arbeitnehmers, die Pflegebedürftigkeit möglichst frühzeitig nachzuweisen.106

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Anders als etwa § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG für die Elternzeit sieht das PflegeZG keine Aufteilung der Pflegezeit auf zwei Zeitabschnitte vor. Dies spricht dafür, dass die Pflegezeit einheitlich zu nehmen ist, es besteht lediglich die Möglichkeit einer Verlängerung bis zur Höchstdauer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG.107

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Möglich ist auch, dass mehrere Angehörige nacheinander dieselbe Person pflegen. Für die gleichzeitige Pflege einer Person durch verschiedene Angehörige trifft das PflegeZG keine Regelung. Nach der geltenden Rechtslage dürfte wohl auch diese Konstellation vom PflegeZG erfasst sein.108 Auch vor dem Hintergrund, dass die durchschnittliche Pflegedauer mindestens drei Jahre beträgt, erscheint dies gesetzgeberisch gewollt.109

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102 Joussen, NZA 2009, 69, 72. 103 Müller, BB 2014, 3125. 104 Die Gesetzesmaterialien zum Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) deuten darauf hin, dass eine eigene Pflegetätigkeit des Beschäftigten von mindestens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, erforderlich sein kann (BT-Drucks. 18/5926, S. 117, 118); ablehnend Müller, BB 2016, 1338, 1339. 105 Müller, BB 2008, 1058, 1061; Liebscher, ArbRAktuell 2011, 189, der zufolge diese Frage noch streitig ist. Repräsentative Rechtsprechung steht in jedem Fall noch aus. 106 Der Nachweis ist keine Anspruchsvoraussetzung; bei Verletzung dieser Nachweispflicht riskiert der Arbeitnehmer aber ebenso wie bei § 2 Abs. 2 PflegeZG Schadensersatzansprüche oder kündigungsrechtliche Konsequenzen, Müller, BB 2008, 1058, 1063. 107 In diesem Sinne auch Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 734 sowie Glatzel, NJW 2009, 1377, 1379; anders Joussen, NZA 2009, 69, 72, der eine Aufteilungsmöglichkeit in den Grenzen der Zumutbarkeit für den Arbeitgeber gewähren will; offengelassen von BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 348/10, NZA 2012, 323, Rz. 31. 108 Müller, BB 2008, 1058, 1061; ebenso Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 734 mit dem zutreffenden Hinweis darauf, dass dies zwar Missbrauchsmöglichkeiten im Hinblick auf die Erlangung des umfang-

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Kap. 17 Rz. 66

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

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Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer an den von ihm angekündigten Pflegezeitraum gebunden. Eine spätere Verlängerung bis zur Höchstdauer von sechs Monaten ist zulässig bei Zustimmung des Arbeitgebers oder wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus wichtigem Grund nicht erfolgen kann, § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 PflegeZG. Pflegezeit und Familienpflegezeit nach § 2 Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) dürfen gemeinsam die Gesamtdauer von 24 Monaten je pflegebedürftigem nahen Angehörigen nicht überschreiten, § 4 Abs. 1 Satz 4 PflegeZG. Beansprucht der Arbeitnehmer nach der Pflegezeit Familienpflegezeit oder eine Freistellung nach § 2 Abs. 5 FPfZG zur Pflege bzw. Betreuung desselben pflegebedürftigen Angehörigen, muss sich die Familienpflegezeit oder die Freistellung nach § 2 Abs. 5 FPfZG unmittelbar an die Pflegezeit anschließen. Dann muss der Arbeitnehmer spätestens drei Monate vor Beginn der Familienpflegezeit ankündigen, ob er im Anschluss Familienpflegezeit oder eine Freistellung nach § 2 Abs. 5 FPfZG in Anspruch nimmt, § 3 Abs. 3 Satz 5 PflegeZG. Die Pflegezeit endet ausnahmsweise gem. § 4 Abs. 2 PflegeZG vorzeitig, wenn der Angehörige nicht mehr pflegebedürftig ist oder der Pflegeperson die Pflege unmöglich oder unzumutbar ist, worüber der Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten ist. Im Übrigen kann die Pflegezeit vorzeitig nur mit Zustimmung des Arbeitgebers beendet werden.

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Will der pflegende Angehörige während der Pflegezeit nur Teilzeit arbeiten, so muss er dies mit dem Arbeitgeber schriftlich vereinbaren, § 3 Abs. 4 PflegeZG. Ähnlich wie bei § 8 Abs. 3 TzBfG hat eine Verhandlungslösung Vorrang; eine Fiktionswirkung wie § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG kennt das PflegeZG nicht. Es besteht keine Obliegenheit des Arbeitgebers, die gewünschte Reduzierung sowie Verteilung der Arbeitszeit innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich abzulehnen.110 Der Arbeitgeber hat dem Teilzeitwunsch des Beschäftigten zu entsprechen, sofern er nicht der Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit entgegenstehende dringende betriebliche Gründe darlegt. Da das PflegeZG selbst die dringenden betrieblichen Gründe nicht definiert, kann auf die zu § 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, zumal sich nur der Rechtsgrund für den Teilzeitanspruch unterscheidet.111 Allerdings sieht das PflegeZG auch keine Möglichkeit des Arbeitgebers vor, bei überwiegenden betrieblichen Gründen die einmal vorgenommene Verteilung wieder nachträglich zu ändern. Kommt eine Einigung nicht zustande, so hat der Arbeitnehmer ein einklagbares Recht auf die Teilzeitbeschäftigung, wenn seinem Wunsch keine vom Arbeitgeber darzulegenden dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Ggf. kann er dieses Recht auch im Wege einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO durchsetzen, wenn er auf die Teilzeitbeschäftigung dringend angewiesen ist.112 Ob mit der erforderlichen Schriftlichkeit in § 3 Abs. 4 PflegeZG wirklich auf das Schriftformerfordernis des § 126 BGB und die Nichtigkeitsfolge des § 125 BGB Bezug genommen werden sollte oder ob ggf. auch die Textform des § 126b BGB ausreicht, ist fraglich.113 Im Zweifelsfall sollte ein entsprechendes Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers stets schriftlich angebracht werden. Anders als beim Teilzeitanspruch

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111 112 113

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reichen Kündigungsschutzes gem. § 5 PflegeZG eröffnet, jedoch § 3 PflegeZG anders als § 2 PflegeZG eine Erforderlichkeit der Pflege gerade nicht verlangt. Glatzel, NJW 2009, 1377, 1378. Als M 17.10 ist ein Muster für eine Ablehnung vorgesehen, rechtlich bedarf es einer solchen ausdrücklichen Ablehnung jedoch nicht. Da die Vereinbarung spätestens bei Beginn der Pflegezeit vorliegen muss, bleibt dem Arbeitnehmer im Zweifel nur die Möglichkeit, seinen Teilzeitwunsch mittels einer einstweiligen Verfügung (s. M 17.11) durchzusetzen. Der Arbeitgeber muss daher zunächst alle Möglichkeiten einer betrieblichen Umorganisation prüfen, Joussen, NZA 2009, 69, 73 und oben Rz. 23. Vgl. Kap. 6 Rz. 66 und M 6.2.7 sowie zur Klage auf Zustimmung zur Reduzierung der Arbeitszeit und Feststellung der reduzierten Arbeitszeit M 6.2.5 und M 6.2.6. Offengelassen von Preis/Nehring, NZA 2008, 729, 735; gegen das konstitutive Schriftformerfordernis im Hinblick auf die Gesetzesbegründung Joussen, NZA 2009, 69, 73.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 73 Kap. 17

nach dem TzBfG setzt der Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit nach dem PflegeZG weder einen § 8 Abs. 1 TzBfG vergleichbaren rechtlichen Mindestbestand des Arbeitsverhältnisses noch eine dem § 8 Abs. 2 TzBfG entsprechende gesonderte Frist für die Geltendmachung voraus. Er besteht daher unter erleichterten Voraussetzungen. Der Anspruch auf unbezahlte Freistellung im Umfang von zehn Tagen bei Erkrankung eines Kindes nach § 45 Abs. 3 bzw. 5 SGB V, den der Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber unabhängig vom Anspruch auf Krankengeld – ein solcher besteht nur bei gesetzlich Krankenversicherten – hat, tritt alternativ neben die Freistellung nach dem PflegeZG. Es gilt hierfür aber die engere Voraussetzung, dass das Kind im Haushalt des Versicherten leben muss und keine andere in diesem Haushalt lebende Person das Kind pflegen kann.

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Einen Entgeltschutz sieht das PflegeZG nicht vor, dh. es besteht während der Kurz- oder Langzeitpflege kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sofern sich ein solcher Anspruch nicht aus anderen gesetzlichen Vorschriften (insbesondere § 616 BGB und § 19 Abs. 1 Nr. 2b BBiG) oder einer Vereinbarung ergibt, vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 PflegeZG. Allerdings kann nach neuer Rechtslage für die Zeit der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung ein Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung beantragt werden, § 2 Abs. 3 Satz 2 PflegeZG iVm. § 44a Absatz 3 SGB XI. Das Pflegeunterstützungsgeld wird für eine pflegebedürftige Person nur einmal für bis zu 10 Arbeitstage gezahlt. Es wird nur auf Antrag des Arbeitnehmers gewährt. Der Antrag ist unverzüglich bei der Pflegekasse oder dem Versicherungsunternehmen des nahen Angehörigen zu stellen, § 44a Abs. 3 Satz 3 SGB XI. Ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gegen den Arbeitgeber schließt das Pflegeunterstützungsgeld aus.114

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§ 616 BGB gewährt Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert ist.115 Die Pflege naher Angehöriger ist als ein solcher Verhinderungsgrund anerkannt.116 Bei längerer Verhinderung entfällt der Vergütungsanspruch ganz, da die verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit auch Tatbestandsvoraussetzung ist.117 Da die Pflegezeit nach § 3 PflegeZG über eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit hinausgeht, hat § 616 BGB nur Relevanz für die kurzfristige Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG. Bislang galt ein Zeitraum bis zu fünf Tagen als Grenze, sofern es sich nicht um die Pflege eines kranken Kindes handelte.118

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Praxistipp: Um entsprechenden Unsicherheiten vorzubeugen, kann es für Arbeitgeber sinnvoll sein, § 616 BGB individual- oder tarifvertraglich zulässigerweise abzubedingen durch Festlegung des maximalen Zeitraums der bezahlten Arbeitsfreistellung.119

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Nach neuer Rechtslage können Beschäftige in Pflegezeit zur Finanzierung der unbezahlten Freistellung ein zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen, § 3 Abs. 7 PflegeZG. Für die Voraussetzungen und Modalitäten der Förderung verweist das PflegeZG auf die §§ 3 bis 10 FPfZG (Rz. 87 f.).

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Nach alter Rechtslage war im PflegeZG eine Kürzung des Urlaubsanspruches für die Dauer der Freistellung während der Pflegezeit anders als § 17 Abs. 1 BEEG nicht vorgesehen. Nach der Neufassung kann der Arbeitgeber gem. § 4 Abs. 4 PflegeZG den Erholungsurlaub für je-

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114 115 116 117 118 119

Stüben/v.Schwanenflügel, NJW 2015, 577, 578. PWW/Lingemann, § 616 BGB Rz. 1 ff. ErfK/Preis, § 616 BGB Rz. 8. ErfK/Preis § 616 BGB Rz. 10. Linck, BB 2008, 2738, 2741; PWW/Lingemann, § 616 BGB Rz. 1. Ob ein solcher Ausschluss auch im Formularvertrag zulässig ist, ist noch nicht abschließend geklärt, vgl. Freihube/Sasse, DB 2008, 1320, 1321.

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Kap. 17 Rz. 74

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

den vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung um ein Zwölftel kürzen. Es fehlt aber weiterhin an einer § 17 Abs. 2 und 3 BEEG entsprechenden Möglichkeit zur Übertragung bzw. Abgeltung des nach einer Kürzung gem. § 4 Abs. 4 PflegeZG verbliebenen Resturlaubs, der infolge der Pflegezeit nicht genommen werden konnte. 74

Ein besonderer Kündigungsschutz besteht nach § 5 PflegeZG für die sich in kurzfristiger Arbeitsverhinderung oder Pflegezeit befindlichen Arbeitnehmer und sogar für arbeitnehmerähnliche Personen, die nach der Systematik des deutschen Arbeitsrechts sonst keinen Kündigungsschutz genießen.120 Dieser Sonderkündigungsschutz gilt nach dem Gesetzeswortlaut ab Ankündigung der kurzfristigen Arbeitsverhinderung oder Inanspruchnahme der Pflegezeit, höchstens jedoch zwölf Wochen vor dem angekündigten Beginn. Voraussetzung ist, dass ein naher Angehöriger pflegebedürftig iSd. PflegeZG ist. Eine Wartezeit im Sinne einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses kennt § 5 PflegeZG nicht, so dass der Sonderkündigungsschutz schon während der Probezeit greift. Ausnahmsweise kann die für Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde die Kündigung für zulässig erklären, § 5 Abs. 2 PflegeZG.

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Zudem stellt die Vertretung eines Arbeitnehmers während dessen kurzzeitiger Arbeitsverhinderung oder Freistellung nach § 3 PflegeZG einen speziellen Sachgrund für eine Befristung gem. § 6 PflegeZG dar.121 Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Verlängerung der Vertretungsbefristung für Zwecke der Einarbeitung, § 6 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG. Im Fall der vorzeitigen Beendigung der Freistellung hat der Arbeitgeber ein Sonderkündigungsrecht gegenüber der Vertretungskraft, § 6 Abs. 3 PflegeZG.

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Der pflegende Angehörige ist Pflegeperson iSd. § 19 SGB XI. Sozialversicherungsrechtlich bestehen Besonderheiten, da die Pflegeperson während der Pflegezeit kein Entgelt erhält und auch eine Beschäftigung nicht nach § 7 Abs. 3 Satz 3 SGB IV als fortbestehend fingiert wird. In der Kranken- und Pflegeversicherung muss sich der Arbeitnehmer daher freiwillig versichern, wobei § 44a SGB XI Beitragszuschüsse regelt, deren Höhe den Mindestbeiträgen freiwillig gesetzlich Kranken- und Pflegversicherter entspricht. Versicherungspflicht besteht in der Arbeitslosenversicherung nach § 26 Abs. 2b SGB III. Rentenversicherungspflichtig ist nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI, wer einen Pflegebedürftigen mindestens 14 Stunden in der Woche in häuslicher Umgebung pflegt. In diesem Fall werden die Beiträge zur Rentenversicherung von den Pflegekassen gem. § 44 SGB XI übernommen. Wenn die pflegende Person neben der Pflege noch regelmäßig mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig ist, richtet sich die Versicherungspflicht nach den allgemeinen Vorschriften, § 3 Satz 3 SGB VI. Unfallversicherungsschutz besteht nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII. 5. Familienpflegezeit

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Zum 1.1.2012 ist das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) in Kraft getreten. Es soll flexible Arbeitszeitmodelle fördern, die eine gleichzeitige Ausübung von Erwerbstätigkeit und Pflege ermöglichen, um die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege zu verbessern (§ 1 FPfZG) und dadurch pflegebedingte Erwerbsunterbrechungen vermeiden. Allerdings wurde das FPfZG in seinen ersten Jahren kaum in Anspruch genommen. Daher hat der Gesetzgeber die Familienpflegezeit durch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf v. 23.12.2014122 umfassend geändert.123 Das alte FPfZG findet weiterhin auf alle Fälle Anwen120 Hierzu ausführlich Rose/Dörstling, DB 2008, 2137. 121 Diese Bestimmung orientiert sich an § 21 BEEG, vgl. Rz. 39; daher sind die zu § 21 BEEG entwickelten Grundsätze übertragbar, Müller, BB 2008, 1058, 1064. 122 BGBl. I 2014, 2462. 123 BeckOK/Joussen, § 1 FPfZG Rz. 3a; Stüben/v.Schwanenflügel, NJW 2015, 577, 578.

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Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 80 Kap. 17

dung, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung eines Darlehens nach § 3 Abs. 1 iVm. § 12 Abs. 1 Satz 1 FPfZG bis einschließlich zum 31.12.2014 vorlagen, § 15 FPfZG. Gleichwohl können auch diese Arbeitnehmer ihre neuen Rechte nach dem neuen FPfZG geltend machen. Angesichts der demografischen Entwicklung und der stetig wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen ist ein erheblicher Bedarf nach Vereinbarkeit von Beruf und häuslicher Pflege entstanden.124 Zu diesem Zweck erweitert das FPfZG die bereits in §§ 2, 3 und 4 PflegeZG (Rz. 56 ff.) vorgesehenen Möglichkeiten, die arbeitsvertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit einem Pflegefall unter nahen Angehörigen der Pflegesituation anzupassen.125 Während nach dem PflegeZG nur eine maximal sechsmonatige Pflegezeit für Akutphasen in Anspruch genommen werden kann, räumt das FPfZG den Beschäftigten die Möglichkeit ein, für maximal zwei Jahre ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Nach neuer Rechtslage hat der Beschäftigte gem. § 2 Abs. 1 FPfZG zudem einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit in Teilzeit. So können die Beschäftigten dem häuslichen Pflegebedarf angemessen Rechnung tragen und zugleich im Beruf bleiben – zur Absicherung des Lebensunterhalts gibt es während der Pflegezeit einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, § 3 FPfZG. Das Darlehen wird auf Antrag vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BFzA) in monatlichen Raten gewährt, § 3 Abs. 1 Satz 1 FPfZG. Die Aufstockung des Gehaltes über eine Wertguthabenvereinbarung mit dem Arbeitgeber und der Abschluss einer Familienpflegeversicherung sind nach der neuen Rechtslage nicht mehr vorgesehen. Trotzdem bleibt es möglich, das Arbeitsentgelt durch eine Wertguthabenvereinbarung aufzustocken.126

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Familienpflegezeit und Pflegezeit dürfen zusammen 24 Monate je pflegebedürftigem Angehörigen nicht überschreiten, § 2 Abs. 2 FPfZG und § 4 Abs. 1 Satz 4 PflegeZG. Beide Zeiten schließen sich nicht aus, sondern können miteinander verbunden werden. Unterschiede bestehen aber in den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen.127 Im Einzelnen gilt Folgendes:

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Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Familienpflegezeit ist eine entsprechende schriftliche Mitteilung des Arbeitnehmers, der einen nahen Angehörigen pflegen möchte, an den Arbeitgeber, die 8 Wochen vor dem gewünschten Beginn erfolgen muss. In dieser schriftlichen Ankündigung ist anzugeben, in welchem Zeitraum und in welchem Umfang innerhalb der Gesamtdauer von 24 Monaten die Freistellung von der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden soll, § 2a Abs. 1 Satz 1 FPfZG. Dabei ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben, § 2a Abs. 1 Satz 2 FPfZG. Über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine schriftliche Vereinbarung zu treffen, § 2a Abs. 2 Satz 1 FPfZG. Dabei muss der Arbeitgeber, soweit keine dringenden betrieblichen Erfordernisse entgegenstehen, den Wünschen des Arbeitnehmers entsprechen, § 2a Abs. 2 Satz 2 FPfZG (M 17.14). Einigen sich die Parteien nicht über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit, muss der Beschäftigte sein Recht auf Familienpflegezeit mit einer Leistungsklage geltend machen. Ggf. kann er dieses Recht auch im Wege einer einstweiligen Verfügung nach § 940 ZPO durchsetzen (M 17.15).128 Voraussetzung hierfür ist ein Verfügungsgrund. Der Arbeitnehmer muss glaubhaft machen, dass er auf die Familienpflegezeit dringend angewiesen ist, um die Pflege des Angehörigen zu gewährleisten.129

80

124 125 126 127 128 129

S. Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 5. S. Sandmaier, schnellbrief Arbeitsrecht 6/2012, 5. Stüben/v.Schwanenflügel, NJW 2015, 577, 579. Müller, BB 2014, 3125. Sasse, DB 2015, 310; Müller, BB 2014, 3125. Vgl. Müller, BB 2014, 3125.

Lingemann

717

Kap. 17 Rz. 81

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

81

Die Ankündigung der Familienpflegezeit muss schriftlich iSv. § 126 BGB erfolgen.130 Ein Fax oder eine E-Mail reicht nicht aus.

82

Der Anspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 FPfZG besteht nur gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel mehr als 25 Beschäftigten ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, § 2 Abs. 1 Satz 4 FPfZG. Bezüglich der Begriffe Arbeitgeber, Beschäftigter, naher Angehöriger und pflegebedürftig verweist § 2 Abs. 3 FPfZG auf § 7 PflegeZG (vgl. Rz. 58). Ob Teilzeitbeschäftigte von vornherein aus dem Anwendungsbereich fallen, ist noch offen.131

83

Inhaltlich kann sich die Familienpflegezeit gem. § 2 Abs. 1 FPfZG auf eine Dauer von längstens 24 Monaten erstrecken.132 Die verringerte Arbeitszeit muss wöchentlich mindestens 15 Stunden betragen; bei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit darf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Zeitraum von bis zu einem Jahr 15 Stunden nicht unterschreiten, § 2 Abs. 1 FPfZG.133 Dies ermöglicht eine Familienzeit im „Blockmodell“.

84

Die Familienpflegezeit kann nur vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt, § 2a Abs. 5 Satz 3 FPfZG. Eine Ausnahme gilt, wenn die oder der Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege der oder des Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist. In diesem Fall endet die Familienpflegezeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände, § 2a Abs. 5 Satz 1 FPfZG. Der Arbeitgeber ist darüber unverzüglich zu unterrichten, § 2a Abs. 5 Satz 2 FPfZG. Einer gesonderten Zustimmung des Arbeitgebers zur vorzeitigen Beendigung der Familienpflegezeit bedarf es in diesem Fall nicht.

85

Eine Verlängerung der Familienpflegezeit bis zur Höchstgrenze von 24 Monaten ist nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich, § 2a Abs. 3 Satz 1 FPfZG. Sie kann jedoch verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person der oder des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann, § 2a Abs. 3 Satz 2 FPfZG.

86

Der Arbeitnehmer hat die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen durch eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nachzuweisen, § 2a Abs. 4 Satz 1 FPfZG. Angaben zum Umfang und der voraussichtlichen Dauer der Pflegebedürftigkeit sind nicht zu machen.134 Bei in der privaten Pflege-Pflichtversicherung versicherten Pflegebedürftigen ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen. Der Anspruch auf Familienpflegezeit besteht allerdings unabhängig von dem Nachweis der Pflegebedürftigkeit.135 Der Arbeitnehmer riskiert jedoch einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers nach § 280 Abs. 1 BGB, sollte er den Nachweis nicht erbringen. Des Weiteren kann nach vorangegangener Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden.136 130 Müller, BB 2014. 3125. 131 BeckOK/Joussen, § 2 FPfZG Rz. 8. 132 Die Berechnung erfolgt taggenau und nicht nach Kalendermonaten (BeckOK/Joussen, § 2 FPfZG Rz. 3). 133 Nach dem Wortlaut problematisch ist der Fall, wenn sich die Familienpflegezeit unmittelbar an eine Pflegezeit mit teilweiser Freistellung anschließt. In diesem Fall liegt schon keine Verringerung im Verhältnis zu der bereits vorher reduzierten Arbeitszeit vor. Ebenso verringert sich das Entgelt nicht unmittelbar. Allerdings zielt das FPfZG auf eine Verringerung hinsichtlich der ursprünglich arbeitsvertraglich geregelten Arbeitszeit, so dass das Wort „Verringerung“ nur in Bezug auf die ursprüngliche Arbeitszeit von Bedeutung sein dürfte (MünchArbR/Moll, § 28 Rz. 57). Weiterhin wird vorgeschlagen, in Ausnahmefällen das Gesetz dahin auszulegen, dass auf die letzten 12 Monate vor der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit und eventuell vorangehender Pflegezeit abzustellen ist (Sasse, DB 2011, 2660). 134 Müller, BB 2014, 3125. 135 Müller, BB 2014, 3125; zu § 3 PflegeZG ErfK/Gallner, § 3 PflegeZG Rz. 3. 136 Müller, BB 2014, 3125; zu § 3 PflegeZG ErfK/Gallner, § 3 PflegeZG Rz. 3.

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Lingemann

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Rz. 90 Kap. 17

Für die Dauer der pflegebedingten Freistellung nach § 2 FPfZG kann von der BFzA zur Finanzierung ein zinsloses Darlehen in Anspruch genommen werden.137 Die monatlichen Darlehensraten werden in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen den pauschalierten monatlichen Nettoentgelten vor und während der Freistellung gewährt, § 3 Abs. 2 FPfZG. Das pauschalierte monatliche Nettoentgelt wird nach § 3 Abs. 3 FPfZG bestimmt und richtet sich nach dem jeweils maßgeblichen Entgelt der im jeweiligen Kalenderjahr geltenden Verordnung über die pauschalierten Nettoentgelte für das Kurzarbeitergeld.138 Zum Schutz vor zu hohen Rückzahlungsforderungen soll die höchstmögliche Darlehensrate in der Pflegezeit den Betrag nicht übersteigen, der sich ergäbe, wenn die oder der Beschäftigte Familienpflegezeit mit der Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden beanspruchen würde, § 3 Abs. 4 FPfZG.139

87

Im Anschluss an die Freistellung nach § 3 Abs. 1 FPfZG ist die Darlehnsnehmerin oder der Darlehensnehmer verpflichtet, das Darlehen innerhalb von 48 Monaten nach Beginn der Freistellung zurückzuzahlen, § 6 Abs. 1 Satz 1 FPfZG. Die Rückzahlung beginnt in dem Monat, der auf das Ende der Förderung der Freistellung nach § 3 Absatz 1 folgt, § 6 Abs. 2 Satz 1 FPfZG.

88

Das FPfZG nimmt in § 2 Abs. 3 FPfZG Bezug auf den Sonderkündigungsschutz in § 5 PflegeZG. In einzelnen Fällen kann ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden, § 5 Abs. 2 PflegeZG (M 17.16).140 Die Zulässigkeitserklärung wird durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle erteilt, § 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 5 PflegeZG. Ferner gelten die im Pflegezeitgesetz getroffenen Regelungen zu den aus Vertretungsgründen geschlossenen befristeten Verträgen entsprechend für die Familienpflegezeit, § 2 Abs. 3 FPfZG iVm. § 6 PflegeZG. Zur Vertretung eines Arbeitnehmers während der Familienpflegezeit kann zulässigerweise ein befristetes Arbeitsverhältnis geschlossen werden. Dieses ist unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist kündbar, wenn die Pflegezeit vorzeitig endet.141

89

Wahlweise können Beschäftigte statt des Anspruchs auf Familienpflegezeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 FPfZG einen Anspruch auf teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung zur Betreuung eines minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung geltend machen, § 2 Abs. 5 Satz 1 FPfZG.142 Die Inanspruchnahme dieser Freistellung ist jederzeit im Wechsel mit der Freistellung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 FPfZG im Rahmen der 24-monatigen Gesamtdauer möglich, § 2 Abs. 5 Satz 2 FPfZG.

90

137 Die notwendigen Bestandteile des Antrags auf das zinslose Darlehen bei der BFzA sind in § 8 Abs. 3 FPfZG genannt. 138 Im Internet hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen Pflegezeitrechner zur Verfügung gestellt: www.wege-zur-pflege.de/neu-seit-112015/rechner.html. 139 Stüben/v. Schwanenflügel, NJW 2015, 577, 579. 140 In welchen Fällen dies möglich ist, ist bislang nicht geklärt. Das Gesetz spricht nur vom Vorliegen eines „besonderen Falles“. Hiervon ist wohl auszugehen bei einer Betriebsstilllegung oder bei besonders schweren Pflichtverstößen des Arbeitnehmers (BeckOK/Joussen, § 5 PflegeZG Rz. 7 f.). 141 Barkow von Creytz, DStR 2012, 191, 192. 142 Zum Begriff der Minderjährigenbetreuung vgl. Rz 60.

Lingemann

719

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.1

II. Muster M 17.1

Mitteilung der Schwangerschaft nach § 5 MuSchG

An die Firma … Sehr geehrte Damen und Herren, wie mir mein Arzt am … mitteilte, bin ich im … Monat schwanger. Tag der Entbindung wird voraussichtlich der … sein. Ein ärztliches Zeugnis füge ich bei. Mit freundlichen Grüßen …

M 17.2

Informationsschreiben des Arbeitgebers an die schwangere Mitarbeiterin

An Frau … Sehr geehrte Frau …, vielen Dank für Ihre Mitteilung vom … Wir wünschen Ihnen und Ihrem Baby für die noch vor Ihnen liegende Zeit der Schwangerschaft alles Gute. Wir freuen uns, wenn Sie uns nach Ihrer Niederkunft möglichst bald unterrichten. Sie haben Anspruch auf Arbeitsbefreiung für die Dauer von sechs Wochen vor dem von Ihrem Arzt errechneten Geburtstermin. Nach der Geburt besteht eine weitere Schutzfrist von acht Wochen, die sich bei Früh- und Mehrlingsgeburten auf zwölf Wochen erhöht. Während dieser Zeit erhalten Sie weiterhin Ihre Bezüge, können sich jedoch voll um ihr Baby kümmern. Bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres Ihres Kindes können Sie und/oder der Vater des Kindes Elternzeit in Anspruch nehmen. Bitte teilen Sie uns sieben Wochen vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Elternzeit schriftlich mit, wie lange Sie und/oder der Vater Elternzeit nehmen möchten. Sofern Sie wünschen, dass ein Anteil von bis zu zwölf Monaten auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes übertragen werden soll, müssten wir dazu eine einvernehmliche Lösung suchen. Sie können während der Elternzeit bis zu 30 Wochenstunden entgeltlich arbeiten. Bitte teilen Sie mit, ob Sie an einer entsprechenden Tätigkeit in unserem Hause interessiert sind. Sofern Sie während der Elternzeit nicht bei uns im Hause tätig werden möchten, würden wir eine Vertretung einstellen. Wir sind Ihnen dankbar, wenn Sie uns innerhalb von drei Wochen nach der Niederkunft wissen lassen, ob Sie nach der Inanspruchnahme der Elternzeit das Arbeitsverhältnis fortsetzen möchten. Wir würden dies bei der Einstellung der Ersatzkraft dann selbstverständlich berücksichtigen.

720

Lingemann

M 17.4

M 17.3

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

Antrag auf Elternzeit

An die Firma1 …2 Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin am … von einem Kind entbunden worden. Die Schutzfrist nach § 6 MuSchG endet am …3 Ich beantrage gemäß § 16 BEEG fristgemäß sieben Wochen im Voraus die Gewährung von Elternzeit unmittelbar im Anschluss an die Mutterschutzfrist für die Zeit vom … bis … Ich beabsichtige, das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit fortzusetzen/zu kündigen. oder – vor der Entbindung ich werde voraussichtlich am … von meinem Kind entbunden werden. Die Schutzfrist nach § 6 MuSchG endet dann am …4 Ich beantrage gemäß § 16 BEEG fristgemäß sieben Wochen im Voraus die Gewährung von Elternzeit, beginnend mit dem Ende der Mutterschutzfrist bis zu dem Zeitpunkt, an dem mein Kind zwei Jahre alt wird.5 Ich beabsichtige, das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit fortzusetzen/zu kündigen. 1 Aufgrund der Übergangsvorschrift des § 27 BEEG gelten für bis zum 30.6.2015 geborene Kinder noch die §§ 2 bis 22 BEEG der alten Gesetzesfassung. Für ab dem 1.7.2015 geborene Kinder gilt dagegen die neue Rechtslage. Da beide Gesetzesfassungen damit noch praktische Relevanz haben, wird in den Formularen und Fußnoten zwischen der aF und der nF differenziert. 2 Die Einhaltung der Schriftform gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG aF und nF ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit, vgl. Rz. 28. Hält dagegen der Elternzeitberechtigte lediglich die Ankündigungsfrist von 7 Wochen bzw. 13 Wochen nicht ein, so verschiebt sich der Beginn der Teilzeitbeschäftigung nach hinten, vgl. Bruns, BB 2008, 331, 334. 3 Die Frist beträgt acht Wochen bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten zwölf Wochen ab der Geburt, § 6 Abs. 1 MuSchG. 4 S. Fn. 2. 5 Eltern können die Elternzeit von vornherein bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer nach § 16 Abs. 1 BEEG aF und nF gleichzeitig zu erklären hat, für welchen Zeitraum „innerhalb von zwei Jahren“ er Elternzeit nehmen will, denn diese Vorschrift beschränkt nicht die Möglichkeit, den darüber hinausgehenden materiell-rechtlichen Anspruch sofort geltend zu machen, BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 21/04, NZA 2004, 1039.

M 17.4

Antwortschreiben des Arbeitgebers

Sehr geehrte Frau …,1 zu der Geburt Ihrer Tochter …/Ihres Sohnes … gratulieren wir Ihnen ganz herzlich. Sie teilten uns mit, dass Sie bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres Ihres Kindes, dh. bis zum … Elternzeit nehmen. Während der Elternzeit können sie einer Teilzeittätigkeit von nicht mehr als 30 Wochenstunden gegen Entgelt nachgehen. Wenn Sie an einer solchen Tätigkeit in unserem Hause interessiert sind, bitten wir Sie, sich mit uns in Verbindung zu setzen. 1 Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Elternzeit. Gleichwohl empfiehlt sich eine schriftliche Bestätigung der Elternzeit durch den Arbeitgeber. In dieser kann und sollte dann auch schon die Kürzung des Erholungsurlaubs nach § 17 BEEG vorgenommen werden. Der Arbeitgeber unterliegt zwar bei der Kürzung des Erholungsurlaubs keiner Frist. Der Arbeitgeber kann die Kürzung auch noch nach der Elternzeit vornehmen (BAG v. 28.7.1992 – 9 AZR 340/91, NZA 1994, 27). Es ist jedoch empfehlenswert, die Kürzung des Urlaubs schon vor Beginn der Elternzeit auszusprechen, sobald der Arbeitnehmer seine Elternzeit offiziell beantragt hat.

Lingemann

721

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.5

Evtl. Wir bitten um Verständnis dafür, dass Ihr Erholungsurlaub für die Zeit der Elternzeit gem. § 17 BEEG wie folgt gekürzt wird: Erholungsurlaub für das Jahr 2016: … Kürzung um 3/12 Anzahl der verbleibenden Tage: … Erholungsurlaub für das Jahr 2017: … Kürzung um 9/12 Anzahl der verbleibenden Tage: … Mit freundlichen Grüßen …

M 17.5

Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Elternzeit

An das Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit1 Ort, Datum … Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des/der … (Name, Vorname, Geburtsdatum, Familienstand, Anschrift) Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, Herrn/Frau … ordentlich zu kündigen. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 BEEG aF (für bis zum 30.6.2015 geborene Kinder)/gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 und 5 BEEG nF (für ab dem 1.7.2015 geborene Kinder). Dies begründen wir wie folgt: Herr/Frau … ist bei uns als … seit … beschäftigt. Er/sie verdient zurzeit Euro … brutto monatlich. Die Kündigung ist vorgesehen am … Die gesetzliche/vertragliche/tarifvertragliche Kündigungsfrist beträgt … Herr/Frau … ist seit dem … und noch bis zum … in Elternzeit. Die Kündigung ist aus folgenden Gründen beabsichtigt: Unsere Gesellschaft hat nur den Betrieb in … Der Betrieb wird zum … stillgelegt, die Gesellschaft wird liquidiert. Alle Arbeitnehmer werden spätestens zu diesem Zeitpunkt entlassen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht nicht. Daher liegt nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit ein „besonderer Fall“ iSv. § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG aF/§ 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG nF vor. Wir bitten daher, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. Die Stellungnahmen des Betriebsrates2 sowie den mit dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan fügen wir bei. Mit freundlichen Grüßen … 1 Der Antrag kann in gleicher Weise auch während des Mutterschutzes nach § 9 Abs. 3 MuSchG gestellt werden. Zuständig ist allerdings nicht überall dieselbe Behörde. Eine aktuelle Liste der je nach Bundesland zuständigen Behörde findet sich im Internet unter www.bmfsfj.de unter dem Suchbegriff „Aufsichtsbehörden“. Jedenfalls bei einer Betriebsstilllegung dürfte die Zustimmung zu erteilen sein. Zu den Zuständigkeiten in den Bundesländern vgl. auch KR/Bader, § 18 BEEG Rz. 32a. 2 Der Betriebsrat kann nach § 102 BetrVG schon vor Einholung der Zustimmung der Behörde angehört werden. In der Anhörung muss aber klar zum Ausdruck kommen, dass die Kündigung erst nach Zustimmung der Behörde ausgesprochen werden soll.

722 Lingemann

M 17.6

M 17.6

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit

An die Firma1 … Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie wissen, habe ich nach der Geburt meines Kindes am … Elternzeit in Anspruch genommen. Die Elternzeit wird noch bis … dauern. Ich beantrage2 hiermit, meine Arbeitszeit von bisher 40 Stunden pro Woche ab dem …3 um … Stunden pro Woche auf … Stunden pro Woche herabzusetzen. Die Herabsetzung soll bis zum Ende meiner Elternzeit dauern.4 Als Verteilung der reduzierten Arbeitszeit bevorzuge ich Montags bis Donnerstags von … bis … und Freitags von … bis …5 Einer Verringerung meiner Arbeitszeit stimme ich nur unter der Bedingung zu, dass es zu der von mir gewünschten Arbeitszeitverteilung kommt.6 Ich hoffe, mit Ihnen baldmöglichst eine Vereinbarung über die verkürzte Arbeitszeit und deren Verteilung treffen zu können.7 oder Ich hoffe, mit Ihnen baldmöglichst eine Vereinbarung über die verkürzte Arbeitszeit und deren Verteilung treffen zu können.8 Zu Gesprächen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 1 Aufgrund der Übergangsvorschrift des § 27 BEEG gelten für bis zum 30.6.2015 geborene Kinder noch die §§ 2 bis 22 BEEG der alten Gesetzesfassung. Für ab dem 1.7.2015 geborene Kinder gilt dagegen die neue Rechtslage. Da beide Gesetzesfassungen damit noch praktische Relevanz haben, wird in den Formularen und Fußnoten zwischen der aF und der nF differenziert. 2 Zumindest der Antrag nach § 15 Abs. 7 BEEG unterliegt der Schriftform gem. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG aF und nF. Es gilt die strenge Schriftform nach § 126 BGB (Forst, DB 2015, 68; vgl. BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15, NZA 2016, 1137 zur Parallelvorschrift des § 16 Abs. 1 BEEG). Ein Fax oder eine E-Mail reicht nicht aus. Der Antrag nach § 15 Abs. 5 BEEG aF und nF kann wie hier mit dem schriftlichen Antrag nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG aF und nF verbunden werden. 3 Gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG aF muss eine Ankündigungsfrist von mindestens sieben Wochen eingehalten werden. Nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG nF beträgt die Ankündigungsfrist sieben Wochen für den Zeitraum bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes 7 Wochen und für den Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes 13 Wochen (vgl. Rz. 21 f.). Nach § 15 Abs. 7 Satz 2 BEEG aF und nF muss nicht nur der Umfang der verringerten Arbeitszeit angegeben werden, sondern auch der Beginn. 4 Gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BEEG aF und nF muss die Herabsetzung für mindestens zwei Monate erfolgen und die Arbeitszeit muss auf einen Umfang zwischen 15 und 30 Wochenstunden verringert werden. Anträge, die diesen Anforderungen nicht genügen, kann der Arbeitgeber freiwillig annehmen, eine Pflicht dazu gem. § 15 BEEG aF und nF besteht aber nicht. 5 Die Angabe der gewünschten Verteilung der verringerten Arbeitszeit ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, der Verteilwunsch soll lediglich angegeben werden (§ 15 Abs. 7 Satz 3 BEEG). 6 Eine solche Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) dürfte zulässig sein. 7 Das wäre ein Antrag nach § 15 Abs. 5 BEEG. 8 Das wäre ein Antrag nach § 15 Abs. 7 BEEG. Da der Antrag nach § 15 Abs. 5 BEEG und der Antrag nach § 15 Abs. 7 BEEG miteinander verbunden werden können, reicht es auch aus, wenn nur letztere Formulierung verwendet wird.

Diller

723

Kap. 17

M 17.7

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.7

Ablehnung des Antrags auf Teilzeit während Elternzeit

(Ort, Datum) …1 Herrn/Frau ihr Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit vom … Sehr geehrte/r Herr/Frau …, ich nehme Bezug auf ihr Schreiben vom …2 Sie beantragen darin die Herabsetzung Ihrer Arbeitszeit während der Elternzeit. Wir haben zwischenzeitlich diesen Wunsch mit Ihnen mit dem Ziel erörtert, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Es konnte jedoch innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 15 Abs. 5 Satz 2 BEEG kein Einvernehmen erzielt werden. Zur Fristwahrung3 teilen wir Ihnen hiermit mit, dass wir Ihrem Anspruch nicht zustimmen können, da dringende betriebliche Gründe (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG) entgegenstehen [wird ausgeführt].4 Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 1 Aufgrund der Übergangsvorschrift des § 27 BEEG gelten für bis zum 30.6.2015 geborene Kinder noch die §§ 2 bis 22 BEEG der alten Gesetzesfassung. Für ab dem 1.7.2015 geborene Kinder gilt dagegen die neue Rechtslage. Da beide Gesetzesfassungen damit noch praktische Relevanz haben, wird in den Formularen und Fußnoten zwischen der aF und der nF differenziert. 2 Will der Arbeitgeber den Antrag des Arbeitnehmers auf Elternteilzeit ablehnen, so muss er gem. § 15 Abs. 7 Satz 5 BEEG nF dies innerhalb von 4 Wochen nach dem Antrag des Arbeitnehmers bei einer Elternzeit zwischen der Geburt und dem vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes und innerhalb von 8 Wochen nach Zugang des Antrags bei einer Elternzeit zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes tun. Lehnt er die Verringerung innerhalb dieser Fristen nicht ab, so gilt die Zustimmung nach neuer Rechtslage als erteilt und die Verringerung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers als festgelegt, § 15 Abs. 7 Satz 5 nF (vgl. Rz. 23). Für alle Altfälle gilt nach § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG aF eine Frist von 4 Wochen. (vgl. Rz. 24). Die Ablehnung muss schriftlich erfolgen sowie eine Begründung enthalten. Es gilt die strenge Schriftform des § 126 BGB (Forst, DB 2015, 68; vgl. BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15, NZA 2016, 1137 zur Parallelvorschrift des § 16 Abs. 1 BEEG). 3 Der Arbeitgeber kann die beanspruchte Verringerung gem. § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG aF und nF nur binnen vier Wochen bei einer Elternzeit zwischen der Geburt und dem vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes und binnen acht Wochen bei einer Elternzeit zwischen dem 3. und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes und nur mit schriftlicher Begründung ablehnen. Lehnt er die Verringerung innerhalb dieser Fristen nicht ab, so gilt die Zustimmung nach neuer Rechtslage als erteilt und die Verringerung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers als festgelegt, § 15 Abs. 7 Satz 5 nF (vgl. Rz. 1). 4 Die Erläuterung der Ablehnungsgründe sollte so detailliert wie möglich erfolgen, da insbesondere einzelne Instanzgerichte von einer Präklusion ausgehen, dh. den Arbeitgeber in einem nachfolgenden Klageverfahren auf diejenigen dringenden betrieblichen Gründe iSv. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG aF und nF beschränken, die er im Ablehnungsschreiben vorgebracht hat. Für eine solche Präklusion gibt das Gesetz jedoch nichts her.

M 17.8

Einstweilige Verfügung auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit

An das Arbeitsgericht In Sachen …/…

724 Diller

M 17.8

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

(volles Rubrum)1 vertreten wir die ASt. Namens und im Auftrag der ASt. beantragen wir: Die AGg. wird im Wege der einstweiligen Verfügung2 verpflichtet, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die ASt. mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Freitag, jeweils vier Stunden von 8.00 bis 12.00 Uhr, zu beschäftigen.3

Begründung: Die ASt. ist bei der AGg. seit dem … beschäftigt.4 Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom … Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom …, Anlage AS 1 Die AGg. beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer ausschließlich der zur Berufsausbildung Beschäftigten.5 Glaubhaftmachung: Geschäftsbericht der AGg. vom …, Anlage AS 2 Am … beantragte die ASt. schriftlich bei der AGg. die Reduzierung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 40 auf 20 Wochenstunden zum … Gleichzeitig bat sie um die Festlegung ihrer Arbeitszeit entsprechend dem Antrag. Glaubhaftmachung: Schreiben der ASt. vom …, Anlage AS 3; eidesstattliche Versicherung der ASt., Anlage AS 4 Mit Schreiben vom … lehnte die AGg. den Antrag mit der Begründung ab, es lägen dringende betriebliche Gründe für die Ablehnung vor. Dies wurde jedoch nicht näher begründet. Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom …, Anlage AS 5 Die ASt. ist auf die beantragte Reduzierung ihrer Arbeitszeit existenziell angewiesen. Sie ist allein erziehend. Trotz aller Anstrengungen war es ihr nicht möglich, einen Ganztags-Kindergartenplatz für ihr Kind zu bekommen. Sie hat lediglich einen Kindergartenplatz für das Kind in der Zeit von 7.00 bis 13.00 Uhr. Bislang war die Betreuung des Kindes so geregelt, dass es vormittags im Kindergarten war und nachmittags von der Mutter der ASt. betreut wurde. Die Mutter der ASt. ist jedoch vor zehn Tagen überraschend verstorben. Die ASt. hat keine anderen Verwandten, die sich nachmittags um das Kind kümmern könnten. Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung der ASt., Anlage AS 4 Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 15 Abs. 7 BEEG. Dringende betriebliche Gründe iSd. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG, die dem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit entgegenstehen könnten, sind weder von der AGg. vorgetragen noch ersichtlich. Der Verfügungsgrund ergibt sich aus der prekären familiären Situation der ASt. Könnte sie nicht in Teilzeit arbeiten, müsste sie die Arbeitsstelle aufgeben, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten, und dann von Leistungen nach „Hartz IV“ leben. 1 Zum Rubrum s. M 101.1 und M 101.2, allgemein zur einstweiligen Verfügung s. Kap. 107, insbesondere M 107.1. 2 Der sonst bei Verfügungsanträgen übliche (s. M 107.1) Antrag auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist bei Anträgen auf Arbeitszeitreduzierung fehl am Platze und sollte gleich weggelassen werden; schon wegen § 616 BGB kann die Sache nie so eilbedürftig sein, dass keine Zeit für eine mündliche Verhandlung wäre. 3 Das Bedürfnis für eine einstweilige Regelung besteht auch über eine erstinstanzliche Entscheidung hinaus, da die in der Hauptsache begehrte Abgabe einer Willenserklärung erst mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. 4 Der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit besteht nur, wenn das Anstellungsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 BEEG aF und nF). 5 Diese Mindestgröße des Unternehmens ist Anspruchsvoraussetzung (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BEEG aF und nF), dazu muss deshalb vorgetragen werden.

Diller

725

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.9

Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung der ASt., Anlage AS 4 … (Unterschrift)6 6 Zum Streitwert gibt es höchst unterschiedliche Rechtsprechung. Einige Gerichte setzen den Streitwert mit zwei Monatsgehältern an (zB LAG Baden-Württemberg v. 14.9.2010 – 5 Ta 180/10, ArbRB 2011, 48; LAG Düsseldorf v. 12.11.2001 – 7 Ta 375/01, NZA-RR 2002, 103; LAG Berlin v. 24.11.2000 – 7 Ta 6057/00, MDR 2001, 636), andere Gerichte gehen dagegen grundsätzlich von § 42 Abs. 2 GKG aus (Vierteljahresbezug), machen aber einen Abschlag von 50 % (zB LAG Rh.-Pf. v. 26.10.2007 – 1 Ta 242/07, nv.).

M 17.9

Antrag auf Pflegezeit

An die Firma (Ort, Datum) … … Sehr geehrte Damen und Herren, ich beabsichtige1, gemäß § 3 PflegeZG ab dem … eine Pflegezeit bis zum … zur Pflege eines nahen Angehörigen, nämlich2 …, in Anspruch zu nehmen. Hierfür beantrage ich Pflegezeit unter vollständiger Freistellung von meinen arbeitsvertraglichen Pflichten. oder – bei beabsichtigter Teilzeittätigkeit:3 Ich beantrage für den Zeitraum der Pflegezeit eine teilweise Freistellung von meinen arbeitsvertraglichen Pflichten und eine Reduzierung meiner wöchentlichen Arbeitszeit von … auf … Stunden. Als Verteilung der reduzierten Arbeitszeit bevorzuge ich montags von … bis …, dienstags von … bis …, mittwochs von … bis …, donnerstags von … bis … und freitags von … bis …4 Alternativ schlage ich eine Verteilung auf … vor. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu der verkürzten Arbeitszeit und ihrer Verteilung. Zu Gesprächen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. Eine Bescheinigung der Pflegekasse/des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung5 über die Einstufung in Pflegegrad I/II/III/IV/V füge ich als Anlage bei.6 1 Die Inanspruchnahme der Pflegezeit erfordert streng genommen keinen Antrag, sondern nur eine Ankündigung. Der Arbeitgeber muss nicht reagieren. Anders ist das bei Pflegeteilzeit, wo § 3 Abs. 4 PflegeZG eine entsprechende Vereinbarung verlangt, so dass der Arbeitnehmer streng genommen ein Angebot unterbreitet. Gleichwohl dürfte der Begriff „Antrag“ auf Pflegezeit sich im Sprachgebrauch wohl eher durchsetzen. Die schriftliche Ankündigung der Pflegezeit mindestens zehn Tage vor deren Beginn ist gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 PflegeZG erforderlich. In der Ankündigung muss gleichzeitig die zu beanspruchende Pflegezeit hinsichtlich Dauer und Umfang der Freistellung konkretisiert werden, vgl. Rz. 63. 2 Zum Kreis der nahen Angehörigen vgl. § 7 Abs. 3 PflegeZG sowie Rz. 58. 3 Vgl. auch den Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit M 6.2.2. Ggf. kann der Arbeitnehmer seinen Antrag auf Arbeitszeitverringerung unter die Bedingung stellen, dass es zu der von ihm gewünschten Verteilung der Arbeitszeit kommt. 4 Bei nur teilweise gewünschter Freistellung von der Arbeitsleistung soll auch die gewünschte Verteilung angegeben werden, § 3 Abs. 3 Satz 2 PflegeZG. 5 § 3 Abs. 2 PflegeZG bestimmt keine Frist für die Vorlage der Bescheinigung. Diese kann daher sowohl nach der Ankündigung als auch nach Beginn der Pflegezeit noch nachgereicht werden. Auch ist die Erfüllung der Nachweispflicht keine Anspruchsvoraussetzung, vgl. Rz. 63. 6 Pflegebedürftig iSd. § 3 PflegeZG sind nach § 7 Abs. 4 PflegeZG Personen, die die Voraussetzungen gem. §§ 14 und 15 SGB XI erfüllen, vgl. Rz. 58.

726 Diller/Lingemann

M 17.11

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Mit freundlichen Grüßen …

M 17.10

Ablehnung des Antrags auf Pflegezeit

Herrn/Frau … (Ort, Datum) … Ihre Mitteilung über die Inanspruchnahme der Pflegezeit vom … Sehr geehrter Herr/Frau …, ich nehme Bezug auf Ihre Mitteilung vom …1 Sie beantragen darin die Inanspruchnahme von Pflegezeit und für den Zeitraum der Pflegezeit eine teilweise Freistellung von Ihren arbeitsvertraglichen Pflichten mit einer Reduzierung und Neuverteilung Ihrer Arbeitszeit. Wir können wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe Ihren Wünschen nicht entsprechen. Die betrieblichen Gründe liegen darin, dass … [zB: die ganztägige Erreichbarkeit in Ihrer Funktion für Kunden zwingend notwendig ist, und wir trotz entsprechender Stellenanzeigen und Anfragen bei der zuständigen Agentur für Arbeit keinen Mitarbeiter finden konnten, der die verbleibende Arbeitszeit abdecken würde/dass aufgrund der projektgebundenen Art der Tätigkeit die Übergabe an einen anderen Arbeitnehmer, der Ihre Funktion in der verbleibenden Zeit übernehmen könnte, mehr als 40 % der Gesamtarbeitszeit ausmachen würde]. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 1 Vgl. Rz. 67. Anders als nach § 15 BEEG besteht keine Obliegenheit des Arbeitgebers, innerhalb einer bestimmten Frist den Antrag auf Pflegeteilzeit abzulehnen. Eine solche Erklärung muss daher nicht aus rechtlichen Gründen erfolgen. Da die Vereinbarung über die Pflegeteilzeit jedoch spätestens bei Beginn der Pflegezeit vorliegen muss, bleibt dem Arbeitnehmer im Zweifel nur die Möglichkeit, seinen Teilzeitwunsch mittels einer einstweiligen Verfügung (M 17.11) durchzusetzen. Gleichwohl ist aus personalpolitischen Gründen natürlich dazu zu raten, den Arbeitnehmer hier nicht im Unklaren zu lassen.

M 17.11

Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Pflegezeit

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den ASt. Namens und im Auftrag des ASt. beantragen wir: Die AGg. wird im Wege der einstweiligen Verfügung2 verpflichtet, dem ASt. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache für die drei Wochen vom … bis … von der Arbeit 1 Zum Rubrum s. M 101.1 und M 101.2, allgemein zur einstweiligen Verfügung s. Kap. 107, insbesondere M 107.1. 2 Der sonst bei Verfügungsanträgen übliche (s. M 107.1) Antrag auf Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist bei Anträgen auf Arbeitszeitreduzierung fehl am Platze und sollte gleich weggelassen wer-

Lingemann/Diller

727

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.11

freizustellen und in den drei Monaten danach den ASt. mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Freitag, dh. vier Stunden täglich, zu beschäftigen.3

Begründung: Der ASt. ist bei der AGg. seit dem … beschäftigt.4 Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom … Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom …, Anlage AS 1 Die AGg. beschäftigt regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer.5 Glaubhaftmachung: Geschäftsbericht der AGg. vom …, Anlage AS 2 Am … beantragte der ASt. schriftlich bei der AGg., ihn für drei Wochen ab dem … von der Arbeit freizustellen und in den drei Monaten danach nur mit 20 Stunden pro Woche bei gleichmäßiger Verteilung auf die Wochentage zu beschäftigen. Hintergrund war, dass der Vater des ASt. einen Schlaganfall erlitten hatte und ein Pflegefall geworden ist. Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom …, Anlage AS 3; Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse über die Pflegebedürftigkeit, Anlage AS 4; eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 5 Mit Schreiben vom … lehnte die AGg. die Freistellung aus betrieblichen Gründen ab, ohne diese näher zu bezeichnen. Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom …, Anlage AS 6 Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 3 PflegeZG. Es ist kein anderer Angehöriger vorhanden, der den Vater des Antragstellers pflegen könnte. Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 5 Die Pflege kann auch nicht über einen mobilen Pflegedienst abgedeckt werden (wird ausgeführt). Ein Ablehnungsrecht des Arbeitgebers (wie bei § 8 TzBfG oder § 15 BEEG) sieht das PflegeZG nicht vor, es liegen aber ohnehin keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe vor (wird ausgeführt).6 Die Ankündigungsfrist nach § 3 Abs. 3 Satz 1 PflegeZG ist eingehalten (wird ausgeführt). Die Höchstdauer der Pflegezeit nach § 4 PflegeZG ist nicht überschritten (wird ausgeführt). Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass es dem ASt. nicht gelungen ist, eine anderweitige Pflege zu organisieren. Alle Bemühungen sind vergeblich geblieben. Die Entlassung des Vaters des ASt. aus dem Krankenhaus lässt sich auch nicht weiter hinausschieben (wird ausgeführt). Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 5

3 4 5 6

den; schon wegen § 616 BGB kann die Sache nie so eilbedürftig sein, dass keine Zeit für eine mündliche Verhandlung wäre. Das Bedürfnis für eine einstweilige Regelung besteht auch über eine erstinstanzliche Entscheidung hinaus, da die in der Hauptsache begehrte Abgabe einer Willenserklärung erst mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. Anders als beim Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG oder § 15 BEEG ist nach dem PflegeZG eine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses nicht Anspruchsvoraussetzung, es schadet aber nicht, dazu vorzutragen. Freistellungsansprüche nach dem PflegeZG bestehen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG nur in Unternehmen (nicht: Betrieben!) mit mehr als 15 Arbeitnehmern. Solche Ausführungen sind im Rahmen eines Verfügungsverfahrens immer sinnvoll, obwohl sie rechtlich keine Rolle spielen.

728

Diller

M 17.12

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

… (Unterschrift)7 7 Zum Streitwert gibt es höchst unterschiedliche Rechtsprechung. Einige Gerichte setzen den Streitwert mit zwei Monatsgehältern an (zB LAG Düsseldorf v. 12.11.2001, NZA-RR 2002, 103; LAG Berlin v. 24.11.2000 – 7 Ta 6057/00, MDR 2001, 636), andere Gerichte gehen dagegen grundsätzlich von § 42 Abs. 2 GKG aus (Vierteljahresbezug), machen aber einen Abschlag von 50 % (zB LAG Rh.-Pf. v. 26.10.2007 – 1 Ta 242/07, nv.).

M 17.12

Vereinbarung über eine Teilzeittätigkeit während der Pflegezeit

Zwischen der Firma … und Herrn/Frau … wird Folgendes vereinbart:1

Vorbemerkung Herr/Frau hat bei der Firma am … um die Reduzierung seiner/ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und deren Neuverteilung während der Pflegezeit gebeten. Nach Erörterung dieses Wunsches vereinbaren die Parteien die folgenden Änderungen zum Arbeitsvertrag vom …2:

§ 1 Arbeitszeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ab … Stunden wöchentlich. (2) Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit wird ab … folgendermaßen gestaltet: montags von … bis …, dienstags von … bis …, mittwochs von … bis …, donnerstags von … bis … und freitags von … bis …

§ 2 Vergütung (1) Herr/Frau … erhält ab … eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von Euro … (2) Herr/Frau … erhält ab … Urlaubs- und Weihnachtsgratifikation in Höhe von Euro … bzw. Euro … (3) Die betriebliche Altersversorgung wird beibehalten, wobei die Zuführungen pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt werden. (4) Die Regelungen über vermögenswirksame Leistungen bleiben unverändert bestehen. (5) Alle übrigen geldwerten Vorteile und Leistungen der Gesellschaft werden ab … pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt.3

1 Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 PflegeZG ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit zu treffen, vgl. Rz. 67. 2 Vgl. hierzu auch M 6.2.8. 3 Mit dieser Generalklausel lassen sich evtl. leicht zu übersehende Ansprüche aus betrieblicher Übung uÄ erfassen.

Diller/Lingemann

729

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.13

§ 3 Laufzeit der Vereinbarung Diese Vereinbarung beginnt zu dem in § 1 Abs. 1 genannten Zeitpunkt und endet am … Die gesetzlichen Regelungen zur Verlängerung und Verkürzung der Pflegezeit (§ 4 PflegeZG) bleiben unberührt.4

§ 4 Fortgeltung Arbeitsvertrag Im Übrigen gelten die Regelungen des Arbeitsvertrags vom … fort. … (Ort, Datum)

… (Unterschriften)

4 § 4 PflegeZG dürfte dieser Befristung vorgehen; will man daher die Gefahr einer Intransparenz in AGB vermindern, sollte man nach den Grundsätzen der Entscheidung des BAG zur doppelten Schriftformklausel (BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268) – die ausdrücklich die Aufnahme eines Vorbehaltes verlangt, der sich aus dem Gesetz ergibt – diesen Vorbehalt anfügen. § 4 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 PflegeZG gilt auch für die einseitige Verlängerung bzw. Verkürzung der vereinbarten Pflegeteilzeitdauer durch den Arbeitnehmer. Im Übrigen setzt die Vorschrift für jede Veränderung der Dauer der Pflegeteilzeit die Zustimmung des Arbeitgebers voraus, vgl. AG Stuttgart v. 24.9.2009 – 12 Ca 1792/09; Kossens, PersR 2009, 195, 198.

M 17.13

Antrag der Familienpflegezeit

An die Firma (Ort, Datum) … … Sehr geehrte Damen und Herren, ich beabsichtige1, gemäß § 2 FPfZG ab dem … eine Familienpflegezeit bis zum … zur Pflege eines nahen Angehörigen, nämlich2…, in Anspruch zu nehmen. Ich beantrage für den Zeitraum der Familienpflegezeit eine Reduzierung meiner wöchentlichen Arbeitszeit von … auf … Stunden3. Als Verteilung der reduzierten Arbeitszeit bevorzuge ich montags von … bis …, dienstags von … bis …, mittwochs von … bis …, donnerstags von … bis … und freitags von … bis … Alternativ schlage ich eine Verteilung auf … vor. Ich hoffe, mit Ihnen baldmöglichst eine Vereinbarung über die verkürzte Arbeitszeit und ihre Verteilung treffen zu können. Zu Gesprächen stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.

1 Die Inanspruchnahme der Familienpflegezeit erfordert streng genommen keinen Antrag, sondern nur eine Ankündigung. Beide Seiten sollen jedoch nach § 2a Abs. 2 Satz 1 FPfZG eine Vereinbarung über die Familienpflegezeit treffen, so dass der Arbeitnehmer letztlich doch ein Angebot unterbreitet. Der Begriff „Antrag“ auf Familienpflegezeit dürfte sich im Sprachgebrauch durchsetzen. Die schriftliche Ankündigung der Familienpflegezeit mindestens 8 Wochen vor deren Beginn ist gem. § 2a Abs. 1 Satz 1 FPfZG erforderlich. In der Ankündigung muss gleichzeitig die zu beanspruchende Familienpflegezeit hinsichtlich Zeitraum und Umfang der Freistellung konkretisiert werden, vgl. Rz. 80. 2 Zum Kreis der nahen Angehörigen vgl. § 2 Abs. 3 FPfZG iVm. 7 Abs. 3 PflegeZG sowie Rz. 58. 3 Die verringerte Arbeitszeit muss mindestens 15 Wochenstunden betragen. Bei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit darf die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu einem Jahr 15 Stunden nicht unterschreiten.

730 Lingemann

M 17.14

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

Eine Bescheinigung der Pflegekasse/des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung4 über die Einstufung in Pflegegrad I/II/III/IV/V füge ich als Anlage bei.5 Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 4 § 2a Abs. 4 FPfZG bestimmt keine Frist für die Vorlage der Bescheinigung. Diese kann daher sowohl nach der Ankündigung als auch nach Beginn der Pflegezeit noch nachgereicht werden. Auch ist die Erfüllung der Nachweispflicht keine Anspruchsvoraussetzung, vgl. Rz. 86. 5 Pflegebedürftig iSd. § 2 FPfZG sind nach § 2 Abs. 3 FPfZG iVm. § 7 Abs. 4 PflegeZG Personen, die die Voraussetzungen gem. §§ 14 und 15 SGB XI erfüllen, vgl. Rz. 58.

M 17.14

Vereinbarung zur Familienpflegezeit

Zwischen der Firma … – nachfolgend Arbeitgeber genannt – und Herrn/Frau … – nachfolgend Beschäftigte(r) genannt – wird zur Gewährung der Familienpflegezeit Folgendes vereinbart1:

§ 1 Familienpflegezeit2 1. Arbeitszeit vor und während der Familienpflegezeit und Dauer der Familienpflegezeit (1) In der Zeit vom … bis … wird der/dem Beschäftigten Familienpflegezeit3 gemäß § 2 Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) für die häusliche Pflege des folgenden nahen Angehörigen gewährt: a) Name: … b) Geburtsdatum: … c) Anschrift: … d) Angehörigenstatus4 der gepflegten Person: … (2) Die Pflegebedürftigkeit der/des nahen Angehörigen wird durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nachgewiesen.

1 Gemäß § 2a Abs. 2 Satz1 FPfZG ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu treffen, vgl. Rz. 80. 2 Das nachfolgende Muster basiert auf dem vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben unter www.familien-pflege-zeit.de bereitgestellten Muster. 3 Die Familienpflegezeit umfasst den Zeitraum, in dem ein naher Angehöriger/eine nahe Angehörige gepflegt wird. 4 In Betracht kommen: Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner, eigene Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.

Lingemann

731

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.14

oder (2) Die Pflegebedürftigkeit der/des nahen Angehörigen wird durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der privaten Pflege-Pflichtversicherung5 nachgewiesen. (3) Die vereinbarte Dauer der Familienpflegezeit (Pflegephase) beträgt … Monate.6 (4) Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt vor der Familienpflegezeit … Stunden. oder (4) Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt vor der Familienpflegezeit … Stunden. (5) Während der Familienpflegezeit (Pflegephase) beträgt die wöchentliche Arbeitszeit … Stunden.7 (6) Nach dem Ende der Familienpflegezeit kehrt die/der Beschäftigte zu der vor Eintritt in die Familienpflegezeit gültigen wöchentlichen Arbeitszeit von … Stunden zurück. oder (6) Nach dem Ende der Familienpflegezeit arbeitet die/der Beschäftigte mit der vereinbarten höheren wöchentlichen Arbeitszeit von … Stunden.

§ 2 Ende der Familienpflegezeit (Ende der Pflegephase) (1) Die Familienpflegezeit endet zu dem unter § 1 Ziff. 1 vereinbarten Termin (spätestens nach 24 Monaten). Bei vorzeitiger Beendigung der Pflege, zB durch den Tod oder den Wegfall der Pflegebedürftigkeit der pflegebedürftigen Person, oder bei Unterschreiten der wöchentlichen Mindestarbeitszeit von 15 Stunden endet die Familienpflegezeit mit dem Ablauf von 4 Wochen nach Beendigung der Pflege oder des Unterschreitens der wöchentlichen Mindestarbeitszeit folgt. Dies gilt auch für die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf unter 15 Stunden aufgrund gesetzlicher oder tarifvertraglicher Bestimmungen. Die Unterschreitung der wöchentlichen Mindestarbeitszeit aufgrund von Kurzarbeit ist unschädlich. (2) Die/der Beschäftigte verpflichtet sich, dem Arbeitgeber die Beendigung der häuslichen Pflege unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Der/dem Beschäftigten ist bekannt, dass ein Verstoß gegen diese Mitteilungspflicht ordnungsrechtlich mit einer Geldbuße geahndet werden kann.

§ 3 Vergütung (1) Die/der Beschäftigte … erhält ab … eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von Euro … (2) Die/der Beschäftigte … erhält ab … Urlaubs- und Weihnachtsgratifikation in Höhe von Euro … bzw. Euro … (3) Die betriebliche Altersversorgung wird beibehalten, wobei die Zuführungen pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt werden. (4) Die Regelungen über vermögenswirksame Leistungen bleiben unverändert bestehen. (5) Alle übrigen geldwerten Vorteile und Leistungen der Gesellschaft werden ab … pro rata gemäß dem Verhältnis der bisherigen zur neu vereinbarten Arbeitszeit gekürzt.

§ 4 Förderung (1) Die/der Beschäftigte kann beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben Beschäftigten einen Antrag auf ein in monatlichen Raten zu zahlendes zinsloses Darlehen stellen. 5 Derzeit nimmt die MEDICPROOF GmbH als Tochterunternehmen des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. die Aufgaben eines medizinischen Dienstes für die Unternehmen der privaten Krankenund Pflegeversicherungen wahr. 6 Maximal 24 Monate; bei Auszubildenden und befristet Beschäftigten ist darauf zu achten, dass die Familienpflegezeit höchstens die Hälfte der restlichen Laufzeit der Beschäftigung ausmacht, vgl. Rz. 83. 7 Die verringerte Arbeitszeit muss mindestens 15 Wochenstunden betragen. Bei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit darf die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu einem Jahr 15 Stunden nicht unterschreiten.

732

Lingemann

M 17.15

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

Kap. 17

(2) Der Arbeitgeber wird dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben den Arbeitsumfang sowie das Arbeitsentgelt vor der Freistellung bescheinigen, soweit dies zum Nachweis des Einkommens aus Erwerbstätigkeit oder der wöchentlichen Arbeitszeit erforderlich ist. … (Ort, Datum)

M 17.15

… (Unterschriften)

Einstweilige Verfügung auf Gewährung von Familienpflegezeit

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den ASt. Namens und im Auftrag des ASt. beantragen wir: 1. Die AGg. wird im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und durch den/die Vorsitzende(n) allein2 – verpflichtet, den ASt. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf Montag bis Freitag, dh. vier Stunden täglich, zu beschäftigen;3 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung4 unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfrist5 zu erlassen.

Begründung: Der ASt. ist bei der AGg. seit dem … beschäftigt.6 Grundlage der Beschäftigung ist der Anstellungsvertrag vom … Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom …, Anlage AS 1

1 Zum Rubrum s. M 101.1 und M 101.2, allgemein zur einstweiligen Verfügung s. Kap. 107, insbesondere M 107.1 m. Anm. 2 S. M 107.1 Fn. 2, 6. Liegt auf der Hand, dass eine Verzögerung von ein bis zwei Wochen unproblematisch ist, sollte man von vornherein auf die entsprechenden Anträge zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und durch den/die Vorsitzende(n) allein verzichten, da das Arbeitsgericht dann ohnehin terminieren wird. 3 Das Bedürfnis für eine einstweilige Regelung besteht auch über eine erstinstanzliche Entscheidung hinaus, da die in der Hauptsache begehrte Abgabe einer Willenserklärung erst mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. 4 Ebenso wenig wie der Erlass der einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung und nur durch den/die Vorsitzende(n) allein beantragt werden muss, ist ein Hilfsantrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nach mündlicher Verhandlung (und damit auch durch die volle Kammer) erforderlich. Will der Richter entgegen dem Begehren des Ast. die Verfügung nicht ohne mündliche Verhandlung erlassen, muss er von Amts wegen die ehrenamtlichen Richter hinzuziehen und/oder eine mündliche Verhandlung anberaumen. Er kann nicht einfach den gestellten Antrag insgesamt zurückweisen. Der Hilfsantrag ist deshalb an sich entbehrlich, aber gleichwohl üblich. 5 Die Verkürzung der Ladungsfrist (§ 217 ZPO: 3 Tage) ist gem. § 226 Abs. 1 ZPO nur auf Antrag möglich (vgl. Kap. 107 Rz. 6). 6 Anders als beim Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG oder § 15 BEEG ist nach dem PflegeZG eine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses nicht Anspruchsvoraussetzung, es schadet aber nicht, dazu vorzutragen.

Lingemann

733

Kap. 17

Mutterschutz, Eltern- und Pflegezeit

M 17.16

Die AGg. beschäftigt regelmäßig mehr als 25 Arbeitnehmer ausschließlich der zur Berufsbildung Beschäftigten.7 Glaubhaftmachung: Geschäftsbericht der AGg. vom …, Anlage AS 2 Am … beantragte der ASt. schriftlich bei der AGg., ihn ab dem … nur mit 20 Stunden pro Woche bei gleichmäßiger Verteilung auf die Wochentage zu beschäftigen. Hintergrund war, dass der Vater des ASt. einen Schlaganfall erlitten hatte und ein Pflegefall geworden ist. Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom …, Anlage AS 3; Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse über die Pflegebedürftigkeit, Anlage AS 4; eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 5 Mit Schreiben vom … lehnte die AGg. die Freistellung aus betrieblichen Gründen ab, ohne diese näher zu bezeichnen. Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom …, Anlage AS 6 Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 2 FPfZG. Es ist kein anderer Angehöriger vorhanden, der den Vater des Antragstellers pflegen könnte. Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 5 Die Pflege kann auch nicht über einen mobilen Pflegedienst abgedeckt werden (wird ausgeführt). Ein Ablehnungsrecht des Arbeitgebers (wie bei § 8 TzBfG oder § 15 BEEG) sieht das FPfZG nicht vor, es liegen aber ohnehin keine entgegenstehenden betrieblichen Gründe vor (wird ausgeführt).8 Die Ankündigungsfrist nach § 2a Abs. 1 Satz 1 PflegeZG ist eingehalten (wird ausgeführt). Die Höchstdauer der Familienpflegezeit nach § 2 FPfZG ist nicht überschritten (wird ausgeführt). Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass es dem ASt. nicht gelungen ist, eine anderweitige Pflege zu organisieren. Alle Bemühungen sind vergeblich geblieben. Die Entlassung des Vaters des ASt. aus dem Krankenhaus lässt sich auch nicht weiter hinausschieben (wird ausgeführt). Glaubhaftmachung: eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 5 … (Unterschrift)9 7 Freistellungsansprüche nach dem FPfZG bestehen nach § 2 Abs. 1 Satz 4 FPfZG nur in Unternehmen (nicht: Betrieben!) mit mehr als 25 Arbeitnehmern ausschließlich der zur ihrer Berufsbildung Beschäftigten. 8 Solche Ausführungen sind im Rahmen eines Verfügungsverfahrens immer sinnvoll, obwohl sie rechtlich keine Rolle spielen. 9 Zum Streitwert gibt es höchst unterschiedliche Rechtsprechung. Einige Gerichte setzen den Streitwert mit zwei Monatsgehältern an (zB LAG Düsseldorf v. 12.11.2001, NZA-RR 2002, 103; LAG Berlin v. 24.11.2000 – 7 Ta 6057/00, MDR 2001, 636), andere Gerichte gehen dagegen grundsätzlich von § 42 Abs. 3 GKG aus (Vierteljahresbezug), machen aber einen Abschlag von 50 % (zB LAG Rh.-Pf. v. 26.10.2007 – 1 Ta 242/07, nv.).

M 17.16

Antrag auf Zustimmung zur Kündigung in der Familienpflegezeit

An das Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit1, 2 Ort, Datum … 1 Vgl. Rz. 89. 2 Die Zulässigkeitserklärung wird von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stellte erteilt, § 2 Abs. 3 FPfZG iVm. § 5 Abs. 2 Satz 1 PflegeZG.

734 Lingemann

Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des/der … (Name, Vorname, Geburtsdatum, Familienstand, Anschrift) Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, Herrn/Frau … ordentlich zu kündigen. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung gemäß § 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 PflegeZG. Dies begründen wir wie folgt: Herr/Frau … ist bei uns als … seit … beschäftigt. Er/sie verdient zurzeit Euro … brutto monatlich. Die Kündigung ist vorgesehen am … Die gesetzliche/vertragliche/tarifvertragliche Kündigungsfrist beträgt … Herr/Frau … ist seit dem … und noch bis zum … in Familienpflegezeit. Die Pflegephase dauert bis zum … Die Nachpflegephase dauert bis zum … Die Kündigung ist aus folgenden Gründen beabsichtigt: Unsere Gesellschaft hat nur den Betrieb in … Der Betrieb wird zum … stillgelegt, die Gesellschaft wird liquidiert. Alle Arbeitnehmer werden spätestens zu diesem Zeitpunkt entlassen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht nicht. Daher liegt ein „besonderer Fall“ iSv. § 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 5 Abs. 2 S. 1 PflegeZG vor.3 Wir bitten daher, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. Die Stellungnahmen des Betriebsrates4 sowie den mit dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan fügen wir bei. Mit freundlichen Grüßen … 3 Näheres Fallmaterial zur Auslegung des Kriteriums „in besonderen Fällen“ liegt bislang nicht vor. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei einer Betriebsstilllegung oder bei besonders schweren Pflichtverstößen des Arbeitnehmers eine Kündigung zulässig ist (BeckOK/Joussen, § 5 PflegeZG Rz. 8). Von einem prinzipiellen Vorrang der Interessen des Arbeitnehmers dürfte nicht auszugehen sein, da eine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der einvernehmlichen Vereinbarung der Familienpflegezeit nicht zu erwarten ist und eine verhaltensbedingte Kündigung möglicherweise zum Verlust der Rückzahlungsansprüche führt. Ob dies in der Praxis so umgesetzt werden wird, bleibt aber abzuwarten (Sasse, DB 2011, 2660). 4 Der Betriebsrat kann nach § 102 BetrVG schon vor Einholung der Zustimmung der Behörde angehört werden. In der Anhörung muss aber klar zum Ausdruck kommen, dass die Kündigung erst nach Zustimmung der Behörde ausgesprochen werden soll.

Kapitel 18 I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einführung Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unverfallbarkeit/ratierliche Kürzung . . Abfindung von Anwartschaften . . . . . . Übertragung der Versorgungsansprüche Insolvenzsicherung . . . . . . . . . . . . . . . Teuerungsanpassung . . . . . . . . . . . . . Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Betriebliche Altersversorgung

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. 1 . 4 . 6 . 7 . 8 . 9 . 10

II. Muster Einzelzusage auf betriebliche Altersversorgung für einen Geschäftsführer Betriebliche Versorgungsordnung (Gesamtzusage) . . . . . . . . . . . . . . . . Satzung einer Unterstützungskasse in der Rechtsform eines e.V. . . . . . . . . . Gehaltsumwandlungs-Vereinbarung . Unverfallbarkeitsbescheinigung nach § 4a BetrAVG für unmittelbare Versorgungszusage . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _

...M . . 18.1 ...M . . 18.2 ...M . . 18.3 ...M . . 18.4 ...M . . 18.5

Lingemann/Diller

735

Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

Antrag auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des/der … (Name, Vorname, Geburtsdatum, Familienstand, Anschrift) Sehr geehrte Damen und Herren, wir beabsichtigen, Herrn/Frau … ordentlich zu kündigen. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung gemäß § 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 PflegeZG. Dies begründen wir wie folgt: Herr/Frau … ist bei uns als … seit … beschäftigt. Er/sie verdient zurzeit Euro … brutto monatlich. Die Kündigung ist vorgesehen am … Die gesetzliche/vertragliche/tarifvertragliche Kündigungsfrist beträgt … Herr/Frau … ist seit dem … und noch bis zum … in Familienpflegezeit. Die Pflegephase dauert bis zum … Die Nachpflegephase dauert bis zum … Die Kündigung ist aus folgenden Gründen beabsichtigt: Unsere Gesellschaft hat nur den Betrieb in … Der Betrieb wird zum … stillgelegt, die Gesellschaft wird liquidiert. Alle Arbeitnehmer werden spätestens zu diesem Zeitpunkt entlassen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht nicht. Daher liegt ein „besonderer Fall“ iSv. § 2 Abs. 3 FPfZG i.V.m. § 5 Abs. 2 S. 1 PflegeZG vor.3 Wir bitten daher, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. Die Stellungnahmen des Betriebsrates4 sowie den mit dem Betriebsrat geschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan fügen wir bei. Mit freundlichen Grüßen … 3 Näheres Fallmaterial zur Auslegung des Kriteriums „in besonderen Fällen“ liegt bislang nicht vor. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei einer Betriebsstilllegung oder bei besonders schweren Pflichtverstößen des Arbeitnehmers eine Kündigung zulässig ist (BeckOK/Joussen, § 5 PflegeZG Rz. 8). Von einem prinzipiellen Vorrang der Interessen des Arbeitnehmers dürfte nicht auszugehen sein, da eine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der einvernehmlichen Vereinbarung der Familienpflegezeit nicht zu erwarten ist und eine verhaltensbedingte Kündigung möglicherweise zum Verlust der Rückzahlungsansprüche führt. Ob dies in der Praxis so umgesetzt werden wird, bleibt aber abzuwarten (Sasse, DB 2011, 2660). 4 Der Betriebsrat kann nach § 102 BetrVG schon vor Einholung der Zustimmung der Behörde angehört werden. In der Anhörung muss aber klar zum Ausdruck kommen, dass die Kündigung erst nach Zustimmung der Behörde ausgesprochen werden soll.

Kapitel 18 I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einführung Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unverfallbarkeit/ratierliche Kürzung . . Abfindung von Anwartschaften . . . . . . Übertragung der Versorgungsansprüche Insolvenzsicherung . . . . . . . . . . . . . . . Teuerungsanpassung . . . . . . . . . . . . . Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Betriebliche Altersversorgung

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. 1 . 4 . 6 . 7 . 8 . 9 . 10

II. Muster Einzelzusage auf betriebliche Altersversorgung für einen Geschäftsführer Betriebliche Versorgungsordnung (Gesamtzusage) . . . . . . . . . . . . . . . . Satzung einer Unterstützungskasse in der Rechtsform eines e.V. . . . . . . . . . Gehaltsumwandlungs-Vereinbarung . Unverfallbarkeitsbescheinigung nach § 4a BetrAVG für unmittelbare Versorgungszusage . . . . . . . . . . . . . . . .

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...M . . 18.1 ...M . . 18.2 ...M . . 18.3 ...M . . 18.4 ...M . . 18.5

Lingemann/Diller

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Kap. 18 Rz. 1

Betriebliche Altersversorgung

Abfindungsverlangen des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 2 BetrAVG . . . . . . . . . . . Verlangen auf Übertragung von Versorgungsansprüchen ausgeschiedener Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 3 BetrAVG auf den neuen Arbeitgeber . . . . . . . . . . Dreiseitige Vereinbarung zur Übertragung des Anwartschaftsbarwerts auf den neuen Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . Dreiseitige Vereinbarung zur Übernahme der Versorgungszusage durch den neuen Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _

.M . . 18.6

.M . . 18.7

.M . . 18.8 .M . . 18.9

Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Rentenzahlung gegen Unterstützungskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Feststellung einer Rentenanwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schreiben an den Arbeitnehmer wegen unterbliebener Anpassung nach § 16 BetrAVG mit Belehrung . . . . . . . . . . Klage nach § 16 BetrAVG auf Anpassung der Rente . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. .M. .18.10 . .M. .18.11 . .M. .18.12 . .M. .18.13 . .M. .18.14

Literatur: Ahrend/Förster/Rühmann, Die abändernde und ablösende Betriebsvereinbarung, BB Beilage 7/ 1987; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt; Ahrend/Förster/ Rößler, Zur Insolvenzsicherung von Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer, GmbHR 1980, 229; Arteaga, Unternehmerpensionszusagen im Unternehmenskonkurs, ZIP 1996, 2008; Bauer/Diller, Wechselwirkungen zwischen Wettbewerbstätigkeit, Ruhestand und betrieblicher Altersversorgung, BB 1997, 990; Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 6. Aufl. 2015; Doetsch/Hagemann/Oecking/Reichenbach, Betriebliche Altersversorgung, 4. Aufl. 2013; Förster/Cisch/Karst, Betriebsrentengesetz, 14. Aufl. 2014; Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, 2. Aufl. 2003; Hanau/Arteaga/Rieble/Veit, Entgeltumwandlung, 2. Aufl. 2006; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, Bd. 1, 2. Aufl. 1982; Höfer/Reiners/Wüst, BetrAVG, Loseblatt (zit. „Höfer“); Keil, Pensions- und Unterstützungskassenzusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. 2010; Kemper/Kisters-Kölkes, Arbeitsrechtliche Grundzüge der betrieblichen Altersversorgung, 7. Aufl. 2013; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG, 5. Aufl. 2013; Klemm/Hamisch, Betriebliche Altersversorgung, 3. Aufl. 2009; Kolvenbach/Sartoris, Bilanzielle Auslagerung von Pensionsverpflichtungen, 2. Aufl. 2009; Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, 5. Aufl. 2010; Laßmann/Röhricht, Betriebliche Altersversorgung, 2010; Lucht, Nachfolgende Betriebsvereinbarungen über Direktzusagen einer betrieblichen Altersversorgung, 2009; Paulsdorff, Kommentar zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl. 1996; Reichel/Schmandt, Betriebliche Altersversorgung bei Unternehmenskauf und Umstrukturierung, 2006; Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Arbeitsrecht der Betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt; Steinmeyer, Betriebliche Altersversorgung und Arbeitsverhältnis, 2. Aufl. 2003.

I. Einführung 1. Allgemeines 1

Arbeitgeber sind grundsätzlich nicht verpflichtet, eine betriebliche Altersversorgung einzuführen. Tun sie dies freiwillig, gilt jedoch zwingend das Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Das BetrAVG beschreibt in § 1b Abs. 1–4 BetrAVG die verschiedenen Formen der betrieblichen Altersversorgung. Die klassische Form ist die „Direktzusage“ (unmittelbare Versorgung), bei der der Arbeitgeber die späteren Versorgungsleistungen unmittelbar aus dem Unternehmensvermögen zahlt und dafür Rückstellungen bildet. Beim zweiten Durchführungsweg, der „Direktversicherung“, richtet der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Lebensversicherung bei einem Versicherungsunternehmen ein (§ 1b Abs. 2 BetrAVG). Bei sog. „mittelbaren“ Versorgungszusagen errichtet der Arbeitgeber rechtlich selbständige „Pensionskassen“ (§ 1b Abs. 3 BetrAVG) oder „Unterstützungskassen“ (§ 1b Abs. 4 BetrAVG), meist in der Rechtsform einer GmbH, eines eingetragenen Vereins oder eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Die Unterstützungskasse gewährt den Arbeitnehmern rechtlich keinen Anspruch auf die Versorgungsleistungen (de facto entstehen nach der Rechtsprechung allerdings über § 242 BGB sehr wohl durchsetzbare Zahlungspflichten) und fungiert daher als bloße „Zahlstelle“ des Unternehmens. Die 736

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Betriebliche Altersversorgung

Rz. 5 Kap. 18

Pensionskasse dagegen gewährt den Arbeitnehmern vollwertige durchsetzbare Versorgungsansprüche, weshalb sie der Versicherungsaufsicht unterliegt und eine ausreichende Dotierung haben muss. Als weitere Form der mittelbaren Versorgungszusage ist seit 2001 der Pensionsfonds (§ 1b Abs. 3 BetrAVG) hinzugetreten. Der Pensionsfonds gibt einen Rechtsanspruch auf Versorgung, die Leistungshöhe ist aber nicht versicherungsförmig garantiert. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG stellt klar, dass eine betriebliche Altersversorgung iSd. BetrAVG auch dann vorliegt, wenn im Wege der Entgeltumwandlung künftige Entgeltansprüche in wertgleiche Versorgungsanwartschaften umgewandelt werden (s. M 18.4). Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG gilt das Gesetz auch dann, wenn – wie zunehmend üblich – der Arbeitgeber nicht nur eine bestimmte Leistungshöhe verspricht, sondern primär die Abführung bestimmter Beiträge zu einem Versorgungswerk (vor allem Lebensversicherung) (sog. „beitragsorientierte Leistungszusage“).

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Gemäß § 17 Abs. 1, 3 BetrAVG gilt das BetrAVG zwingend nicht nur zu Gunsten von Arbeitnehmern, sondern auch zu Gunsten von Organmitgliedern wie GmbH-Geschäftsführern oder AG-Vorständen. Im Rahmen des § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG ist das Gesetz jedoch für Organmitglieder abdingbar.1

3

2. Unverfallbarkeit/ratierliche Kürzung Bis zum Inkrafttreten des BetrAVG im Jahre 1974 war es üblich, Arbeitnehmern Versorgungszusagen nur unter der Bedingung zu machen, dass sie bis zum Eintritt des Versorgungsfalls (Altersgrenze, Invalidität) im Unternehmen blieben. Nachdem bereits die Rechtsprechung solche Klauseln richterrechtlich für unzulässig gehalten hatte, regelt nun § 1b Abs. 1 BetrAVG ausdrücklich, dass Versorgungszusagen unverfallbar werden, wenn die Zusage mindestens fünf Jahre (nach dem 1.1.2001, vgl. die Übergangsvorschrift § 30f BetrAVG) bestanden hat und der Arbeitnehmer mindestens 25 Jahre alt ist. Bis 2001 war hingegen nach dem früheren § 1 BetrAVG Voraussetzung der Unverfallbarkeit, dass das Arbeitsverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hatte oder aber bei mindestens dreijährigem Bestand der Zusage das Arbeitsverhältnis mindestens zwölf Jahre gedauert hatte. Ab 2018 wird infolge der Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie die Unverfallbarkeitsfrist nur noch drei Jahre betragen.

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Ist eine Versorgungszusage bei vorzeitigem Ausscheiden nach § 1b Abs. 1 BetrAVG unverfallbar, so berechnet sich ihre Höhe nach § 2 BetrAVG (sog. „ratierliche Kürzung“). Danach ist zunächst die maximale Versorgung zu berechnen, die der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er bis zur vorgesehenen Altersgrenze im Betrieb verblieben wäre. Der theoretisch mögliche Maximalanspruch ist dabei zu ermitteln anhand der Bemessungsfaktoren (zB Gehaltshöhe etc.) im Zeitpunkt des Ausscheidens und erhöht sich später nicht (sog. „Veränderungssperre“, § 2 Abs. 5 BetrAVG). Dieser Maximalanspruch ist sodann zu multiplizieren mit dem „Unverfallbarkeitsquotienten“, der dem Verhältnis von tatsächlich zurückgelegter zu maximal möglicher Dienstzeit entspricht.2 Der Arbeitnehmer kann bei Vorliegen eines berechtigten Interesses, insbesondere bei seinem Ausscheiden, gemäß § 4a BetrAVG eine schriftliche Bescheinigung über die Höhe der aufrechtzuerhaltenden Ansprüche verlangen (sog. „Unverfallbarkeitsbescheinigung“, s. M 18.5).

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1 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 285/07, NZA-RR 2010, 168; dazu Diller/Arnold/Kern, AG 2010, 281. 2 Rechenbeispiele bei Diller, NZA 2011, 725.

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Kap. 18 Rz. 6

Betriebliche Altersversorgung

3. Abfindung von Anwartschaften 6

Enge Grenzen setzt das BetrAVG in seinem – in den letzten Jahren mehrfach geänderten! – § 3 der Abfindung von aufrechtzuerhaltenden Anwartschaften.3 Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und danach ist eine Abfindung grundsätzlich ausgeschlossen, selbst wenn der Arbeitnehmer zustimmt. Sinn dieser Regelung ist, dass der Arbeitnehmer nicht leichtfertig auf seine Alterssicherung verzichten soll. Nur bei Bagatell-Anwartschaften von weniger als 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV kann der Arbeitgeber (anders als früher dagegen nicht der Arbeitnehmer!) die Anwartschaft durch eine einmalige Kapitalzahlung ablösen, auch gegen den Willen des Arbeitnehmers (s. M 18.6). Der Arbeitnehmer kann die Abfindung dadurch abwehren, dass er von seinem Recht auf Übertragung der Anwartschaft auf einen neuen Arbeitgeber nach § 4 Abs. 3 BetrAVG Gebrauch macht (s. M 18.7). Seit 2005 unzulässig ist die – früher verbreitete – Abfindung laufender Rentenzahlungen. 4. Übertragung der Versorgungsansprüche

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Ähnliche Erschwerungen wie für die Abfindung von Anwartschaften enthält das BetrAVG in seinem – ebenfalls in den letzten Jahren ständig geänderten – § 4 für deren Übertragung auf andere Schuldner. Selbst wenn der Arbeitnehmer zustimmt, können die Versorgungsansprüche nicht von einem beliebigen Dritten übernommen werden, da dies Manipulationen zu Lasten des Pensionssicherungsvereins als Träger der Insolvenzsicherung ermöglichen würde. Zulässig ist nach § 4 BetrAVG nur die Übernahme durch den neuen Arbeitgeber durch freiwillige Übertragungsvereinbarung (M 18.8 und M 18.9). Auch gegen den Willen des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach seinem Ausscheiden die Übertragung der Versorgungsansprüche auf seinen neuen Arbeitgeber verlangen, wenn der Wert unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt und die Versorgung über eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung läuft (M 18.7). Die Beschränkung der Übertragbarkeit („Portabilität“) auf bestimmte Durchführungswege dient der Schonung der Liquidität des Arbeitgebers: Übertragbar sollen nur solche Versorgungsanwartschaften sein, für die die Liquidität beim Arbeitgeber bereits abgeflossen ist. Die einvernehmliche Übertragung von Versorgungsansprüchen ausgeschiedener Arbeitnehmer auf eine Lebensversicherung (vgl. 2. Aufl. Muster M 18.8) ist seit 2005 nicht mehr zulässig. Erleichterungen gelten gemäß § 4 Abs. 4 BetrAVG im Falle der Liquidation. 5. Insolvenzsicherung

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Nach §§ 7 ff. BetrAVG sind sowohl laufende Renten als auch nach § 1b BetrAVG aufrechtzuerhaltende Anwartschaften zwangsweise beim Pensionssicherungsverein gegen die Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern. In der Praxis stellt sich häufig das Problem, dass die Parteien einen Insolvenzschutz auch für solche Ansprüche herbeiführen wollen, die nicht der gesetzlichen Insolvenzsicherung unterliegen. Das gilt beispielsweise für Anwartschaften, die auf Grund besonderer vertraglicher Vereinbarung aufrechtzuerhalten sind, obwohl die gesetzliche Unverfallbarkeitsfrist von fünf Jahren (§ 1b Abs. 1 BetrAVG) noch nicht erfüllt ist. Ein anderes Problem sind Ansprüche, die die Höchstgrenze der Insolvenzsicherung gemäß § 7 Abs. 3 BetrAVG (Dreifaches der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV) übersteigen. Nicht vom gesetzlichen Insolvenzschutz erfasst sind auch die Renten der Gesellschafter-Geschäftsführer, soweit sie als „Unternehmer“ anzusehen sind. In allen genannten Fällen kann der In-

3 Ausf. Diller, NZA 2011, 1021.

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solvenzschutz durch Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung (s. M 18.10) oder durch Errichtung eines sog. CTA4 erreicht werden. 6. Teuerungsanpassung Gemäß § 16 BetrAVG sind laufende Renten (aber nicht aufrechtzuerhaltende Anwartschaften!) alle drei Jahre an die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen, soweit die Anpassung für das Unternehmen aus den Erträgen finanzierbar ist. Seit 1999 muss eine in der Vergangenheit zu Recht unterlassene Anpassung später nicht mehr nachgeholt werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens später verbessert. Ein Nachholen der Anpassung scheidet auch dann aus, wenn zwar die Anpassung zu Unrecht unterblieben war, das Unternehmen jedoch den Arbeitnehmer unter Einhaltung bestimmter Formalien über die Verweigerung der Anpassung informiert und dieser nicht widersprochen hat (s. M 18.13).

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7. Streitigkeiten Besteht Streit über das Bestehen von Rentenansprüchen, kann der Arbeitnehmer bis zum Erreichen der Altersgrenze warten und dann Leistungsklage erheben (M 18.11). Möglich ist aber auch bereits vorher die Erhebung einer Feststellungsklage (M 18.12). Ähnliche Alternativen stellen sich beim Streit um eine Anpassung der Rente nach § 16 BetrAVG (M 18.14). 4 Dazu zB Küppers/Louven, BB 2004, 337.

II. Muster M 18.1

Einzelzusage auf betriebliche Altersversorgung für einen Geschäftsführer

Sehr geehrter Herr …, in Ergänzung Ihres Anstellungsvertrages erhalten Sie die nachstehend beschriebene Zusage auf folgende Versorgungsleistungen: Alterspension Pension wegen vollständiger Erwerbsminderung Witwenpension Waisengeld 1. Grundvoraussetzungen 1.1 Die Entstehung und Höhe des jeweiligen Anspruchs ist abhängig von der im Unternehmen anerkannten Dienstzeit und dem pensionsfähigen Einkommen. Maßgeblich für die Berechnung der Dienstzeit ist die tatsächliche erstmalige Dienstaufnahme; die Berechnung erfolgt monatsgenau. Als pensionsfähiges Einkommen gilt das zuletzt bezogene Jahresgrundgehalt gemäß § 3 Ihres Dienstvertrages vom … zuzüglich 50 % der im Durchschnitt der letzten drei vollen Kalenderjahre vor der Beendigung des Dienstverhältnisses gezahlten Tantiemen. 1.2 Voraussetzung für die Gewährung einer Versorgungsleistung ist grundsätzlich eine unmittelbar vor dem Versorgungsfall liegende Dienstzeit von drei Jahren (Wartezeit).1 1 Durch eine Wartezeit darf die gesetzliche Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG nicht umgangen werden. Deshalb können Wartezeiten von mehr als fünf Jahren nicht wirksam vereinbart werden. Belässt es das Unternehmen hinsichtlich der Unverfallbarkeit bei den gesetzlichen Vorschriften (§ 1b BetrAVG), so wirkt sich eine kürzere Wartezeit (zB von drei Jahren) auf die Ansprüche auf Alterspension nicht aus, da diese

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Betriebliche Altersversorgung

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2. Leistungsarten 2.1 Alterspension 2.1.1 Nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung2 wird die Alterspension gezahlt. Sie errechnet sich nach folgender Formel: 35,0 % für die ersten 5 Dienstjahre 1,5 % für jedes Jahr ab 6. bis 10. Dienstjahr 0,5 % für jedes nachfolgende Dienstjahr Eine ratierliche Kürzung bei vorzeitigem Ausscheiden gemäß § 2 BetrAVG findet [nicht] statt.3 2.1.2 Die Pensionszahlung beginnt in dem der letzten Gehaltszahlung folgenden Monat. 2.2 Vorgezogene Alterspension bei flexibler gesetzlicher Altersrente4 2.2.1 Bei Inanspruchnahme von gesetzlicher Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung können Sie ab deren Zahlung eine vorgezogene Pension beanspruchen. Als Nachweis ist der Rentenbescheid vorzulegen. Das Dienstverhältnis muss beendet sein. ohnehin die Erfüllung der fünfjährigen Unverfallbarkeitsfrist voraussetzt. Bedeutung hat eine Wartefrist dann allerdings für eine Invalidenrente, da es bei Invaliditätseintritt noch während des Anstellungsverhältnisses keine Verfallbarkeit gibt. Hier wird durch eine Wartezeit der Anspruch auf Invaliditätsrente ausgeschlossen, wenn die Invalidität noch innerhalb der Wartezeit (hier: drei Jahre) eintritt. Hat dagegen das Unternehmen auf die Erfüllung der Unverfallbarkeitsfristen des § 1b BetrAVG verzichtet und wie im vorliegenden Muster die Versorgungsansprüche für sofort unverfallbar erklärt, wirkt sich die Wartezeit auch auf mögliche Ansprüche auf Alterspension aus. 2 In der Vergangenheit war es üblich, als Beginn der Alterspension auf die „Vollendung des 65. Lebensjahrs“ abzustellen (s. Vorauflagen). Durch Gesetz v. 20.4.2007 (BGBl. I 2007, 554) wurde jedoch, beginnend mit dem Jahr 2012, die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung schrittweise von 65 Jahren (ab Geburtsjahrgang 1947) auf 67 Jahre (ab Geburtsjahr 1964) angehoben (§§ 35, 235 SGB VI). Nach der Rechtsprechung des BAG (v. 15.5.2012 – 3 AZR 11/10, DB 2012, 1756) ist bei Versorgungsordnungen, die aus der Zeit vor 2007 stammen und als Altersgrenze die Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsehen, im Zweifel zu vermuten, dass die Parteien dynamisch auf die jeweils individuell geltende Regelaltersgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung abstellen wollten, was zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer, der erst nach Vollendung des 65. Lebensjahrs in Rente gehen kann, auch erst dann seine Betriebsrente bezieht (ausf. zu den damit verbundenen Problemen Diller/Beck, DB 2012, 2398). Wichtig: Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass in neuen Versorgungsordnungen als Betriebsrentenbeginn nicht mehr die Vollendung des 65. Lebensjahrs vorgesehen wird, sondern auf das jeweilige individuelle Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Sozialversicherung abgestellt wird. Denn bei Neuregelungen aus der Zeit nach 2007, also in Kenntnis der schrittweisen Einführung der „Rente mit 67“, wird im Zweifel nicht zu vermuten sein, dass hier dynamisch auf die jeweilige Regelaltersgrenze abgestellt werden sollte. Folge ist, dass der Arbeitnehmer weiterhin mit 65 seine Betriebsrente beanspruchen kann, auch wenn er noch keinen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat. Insbesondere bei Gesamtversorgungssystemen (Zusage einer Betriebsrente unter Anrechnung der gesetzlichen Rente) kann dies für das Unternehmen katastrophale Folgen haben, weil aus einer betrieblichen Zusatzversorgung plötzlich eine Vollversorgung wird. 3 Wichtig: In Versorgungszusagen mit leitenden Angestellten sollte immer klargestellt werden, ob die gesetzlich vorgesehene ratierliche Kürzung (§ 2 BetrAVG) stattfinden soll oder nicht. Fehlt dazu eine ausdrückliche Regelung, entsteht häufig Streit. Nach der Rechtsprechung soll im Zweifel eine ratierliche Kürzung gewollt sein (BAG v. 4.10.1994, AP Nr. 22 zu § 2 BetrAVG; LAG Hamm v. 3.3.1998 – 6 Sa 1800/97, DB 1998, 1622). Je nach Formulierung der Versorgungszusage kann jedoch auch ein Verzicht auf ratierliche Kürzung anzunehmen sein. 4 Der Anspruch auf vorgezogene Pension bei Inanspruchnahme von gesetzlicher Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich aus § 6 BetrAVG. Üblicherweise wird in der Zusage vorgesehen, dass sich die Rente wegen des früheren Zahlungsbeginns um einen bestimmten Prozentsatz kürzt. Eine Kürzung um 0,5 %/Monat = 6 %/Jahr gleicht nach einhelliger Auffassung die finanzielle Mehrbelastung des Unternehmens aufgrund des vorzeitigen Zahlungsbeginns recht gut aus. Fehlt eine ausdrückliche Kürzungsregel, kommt nach der Rechtsprechung des BAG eine doppelte ratierliche Kürzung in Betracht (BAG v. 28.3.1995, DB 1995, 1853; v. 23.3.2004, NZA 2005, 375).

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2.2.2 Die Höhe der vorgezogenen Pension errechnet sich nach Ziff. 2.1.1. Für jeden bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung fehlenden Monat werden 0,5 % abgezogen. 2.3 Pensionszahlung bei Nichtverlängerung der Amtszeit5 2.3.1 Unabhängig vom Lebensalter wird eine Pension bezahlt, wenn Sie als Geschäftsführer der Gesellschaft nach Ablauf einer mindestens fünfjährigen Amtszeit nicht wiederbestellt werden. Das gilt nicht, wenn in Ihrer Person ein wichtiger Grund gegeben ist, der den Aufsichtsrat zur Kündigung des Dienstverhältnisses nach § 626 BGB berechtigt, oder wenn Sie eine Verlängerung Ihrer Amtszeit bzw. eine Wiederbestellung zu den bisherigen oder besseren Konditionen ablehnen. 2.3.2 Die Berechnung der Pension erfolgt nach der unter Ziff. 2.1.1 genannten Formel. Eine ratierliche Kürzung nach § 2 BetrAVG findet [nicht] statt. Auf die Pension müssen Sie sich jedoch in der Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung anrechnen lassen, was Sie durch anderweitige Verwertung Ihrer Arbeitskraft erwerben oder böswillig zu erwerben unterlassen.6 Die Pension wird längstens für die Dauer von zwei Jahren gezahlt. Die Pension endet unbeschadet des vorstehenden Satzes mit der Bestellung zum Geschäftsführer oder Vorstand eines anderen Unternehmens, es sei denn, die Tätigkeit ist unentgeltlich.7 2.4 Pension wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit 2.4.1 Ab Eintritt einer vollständigen Erwerbsminderung iSv. § 43 SGB VI8 wird eine Pension wegen Erwerbsminderung gezahlt. Voraussetzung ist die Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens. 5 Wird die Zahlung der Pension unabhängig von einem biologischen Ereignis lediglich von der Beendigung des Dienstverhältnisses abhängig gemacht, so liegt keine betriebliche Altersversorgung iSd. BetrAVG vor, sondern ein „Übergangsgeld“ oder „Überbrückungsgeld“ Gesetzliche Vorschriften für solche Zusagen gibt es nicht. Deshalb müssen Voraussetzungen und Höhe unbedingt möglichst präzise in der Zusage festgelegt werden. Ansonsten entstehen erfahrungsgemäß hässliche Streitigkeiten, insbesondere hinsichtlich Verfallbarkeit, ratierlicher Kürzung und Anrechnung anderweitiger Vergütung. 6 Wichtig: Fehlt eine solche Klausel, kann die ausgeschiedene Führungskraft ungehindert doppelt verdienen. Da dies nicht der Sinn eines Übergangsgeldes ist, sollte eine Anrechnung unbedingt vorgesehen werden. Fehlt sie, kommt eine Anrechenbarkeit anderweitiger Bezüge nach den Grundsätzen von Treu und Glauben etc. nicht in Betracht. Es ist Sache des Unternehmens, Versorgungszusagen eindeutig zu formulieren. 7 Es ist sinnvoll, den Anspruch auf „Übergangsgeld“ gemäß seiner Übergangs- bzw. Überbrückungsfunktion zeitlich zu beschränken, sei es durch eine feste (überschaubare) Laufzeit oder bedingt durch Antritt einer neuen Stelle. 8 Wichtig: Es war jahrzehntelang üblich, in Versorgungszusagen auf die Begriffe der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gem. §§ 43, 44 SGB VI aF zu verweisen. Nach der Reform des Rechts der Erwerbsminderung gibt es diese Begriffe im Rentenrecht seit 2001 nicht mehr, SGB VI kennt nur noch die teilweise oder vollständige Erwerbsminderung. Die vollständige Erwerbsminderung weist eine gewisse Ähnlichkeit zur früheren Erwerbsunfähigkeit auf, wogegen die teilweise Erwerbsminderung mit der früheren Berufsunfähigkeit wegen einer gänzlich anderen gesetzlichen Systematik nichts mehr zu tun hat (ausführlich Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 173 ff.). Verwendet eine Versorgungszusage noch die alten Begriffe, so sind diese fiktiv auf der Basis des vor 2001 geltenden Rechts festzustellen (Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 175). Werden statt dessen die neuen Begriffe „vollständige Erwerbsminderung“ oder „teilweise Erwerbsminderung“ verwendet, stellt sich das Problem, dass die neuen gesetzlichen Erwerbsminderungsrenten grundsätzlich nur befristet geleistet werden dürfen, und zwar für längstens drei Jahre. Erst nach einer Gesamtbezugsdauer von neun Jahren werden die Renten unbefristet zuerkannt (§ 102 Abs. 2 SGB VI). Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber, der die neuen Begriffe verwendet, mit der Rentenzahlung jedoch nicht neun Jahre lang warten, sondern er muss eine unbefristete Betriebsrente wegen vollständiger oder teilweiser Erwerbsminderung auch dann gewähren, wenn die gesetzliche Rentenversicherung (zunächst) nur zeitlich befristet leistet (BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 83/09, NZA 2012, 566 und v. 9.10.2012 – 3 AZR 539/10, DB 2013, 942; Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang § 1 Rz. 178; zu den Auslegungsproblemen zB LAG Niedersachsen v. 17.4.2009, BeckRS 2010, 66440). Deshalb ist es sinnvoll, den Beginn der Betriebsrente von der Leistungsgewährung der gesetzlichen Rentenversicherung abzukoppeln und nur auf das Vorliegen (durch Gutachten abgesichert) der Anspruchsvoraussetzungen abzustellen.

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2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.6 2.6.1 2.6.2

2.6.3 2.6.4 2.6.5 2.7 2.7.1 2.7.2

2.7.3

2.7.4

Betriebliche Altersversorgung

M 18.1

Die Pension errechnet sich nach Ziff. 2.1.1. Eine Kürzung entsprechend Ziff. 2.2.2 findet nicht statt. Mit Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung wird diese Pension nicht geändert. Witwenpension bei Ableben des Vertragsinhabers im aktiven Dienst Bei Ihrem Ableben während der aktiven Dienstzeit wird an Ihre Witwe – nicht an eine evtl. noch lebende frühere Ehefrau – eine Witwenpension gezahlt. Die Witwenpension beträgt 60 % der Alters- oder Invalidenpension, die Sie im Zeitpunkt Ihres Ablebens bezogen haben oder die Sie erhalten hätten, wenn Sie in diesem Zeitpunkt erwerbsunfähig geworden wären. Die Pensionszahlung beginnt ab dem der letzten Gehaltszahlung folgenden Monat. Bei einer Wiederverheiratung entfällt die Witwenpension ab dem darauf folgenden Monat. Ist Ihre Witwe mehr als zehn Jahre jünger als Sie, reduziert sich die Witwenrente für jedes weitere volle Jahr des Altersabstands um 3 %.9 Witwenpension bei Ableben des Vertragsinhabers nach Pensionierung Bei Ihrem Ableben nach Ihrer Pensionierung wird an Ihre Witwe – nicht an eine evtl. noch lebende frühere Ehefrau – eine Witwenpension gezahlt, sofern die Ehe vor der Pensionierung geschlossen wurde.10 Die Witwenpension beträgt 60 % der zuletzt an Sie gezahlten Pension. Ist nach der Erteilung der Pensionszusage eine evtl. frühere Ehe des Vertragsinhabers aufgelöst worden, so darf der Barwert der Witwenpension nicht höher sein als der Barwert für die frühere Ehefrau gewesen wäre; gegebenenfalls wird die Witwenpension entsprechend gekürzt. Die Zahlung der Pension beginnt in dem Monat, der dem Sterbemonat folgt. Bei einer Wiederverheiratung entfällt die Witwenpension ab dem darauf folgenden Monat. Ist Ihre Witwe mehr als zehn Jahre jünger als Sie, reduziert sich die Witwenrente für jedes weitere volle Jahr des Altersabstands um 3 %.11 Waisengeld Nach Ihrem Ableben während der aktiven Dienstzeit oder nach Ihrer Pensionierung wird an jedes unterhaltsberechtigte eheliche oder adoptierte Kind ein monatliches Waisengeld gezahlt. Das Waisengeld beträgt für jede Halbwaise monatlich Euro 350,–, jedoch insgesamt monatlich höchstens Euro 1400,–. Für Vollwaisen verdoppeln sich diese Beträge. Ist an mehr als vier Waisen Waisengeld zu zahlen, so wird der jeweilige Höchstbetrag zu gleichen Bruchteilen auf die Waisen verteilt. Die Zahlung des Waisengeldes wird eingestellt bei Tod der Waise, mit Eintritt der Waise in das Berufsleben, spätestens jedoch mit der Vollendung des 18. Lebensjahres; im Falle einer länger andauernden Schul- oder Berufsausbildung mit deren Beendigung, spätestens jedoch mit Vollendung des 25. Lebensjahres. Bei Halbwaisen wird das Waisengeld bei Wiederverheiratung der Mutter weitergezahlt. Die Zahlung des Waisengeldes beginnt bei Ihrem Ableben während der aktiven Dienstzeit ab dem der letzten Gehaltszahlung folgenden Monat; bei Ableben nach der Pensionierung ab dem Monat, der dem Sterbemonat folgt.

9 Die Klausel ist sinnvoll, um das finanzielle Risiko des Arbeitgebers zu begrenzen. 10 Wohl zulässig, BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 707/11, BeckRS 2013, 73854; unzulässig hingegen ist der Ausschluss des Anspruchs für den Fall der Heirat oberhalb eines definierten Alters, BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13. 11 Die Klausel ist sinnvoll, um das finanzielle Risiko des Arbeitgebers zu begrenzen.

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M 18.1 3.

4. 5. 6. 7.

8.

9.

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Rückdeckungsversicherung12 Zur Rückdeckung der Versorgungsleistung aus dieser Zusage sind wir berechtigt, eine Lebensversicherung auf Ihr Leben abzuschließen. Sämtliche Rechte und Ansprüche aus diesem Versicherungsvertrag stehen ausschließlich uns zu. Abtretung Die Abtretung von Anwartschaftsrechten sowie von Zahlungsansprüchen aus dem vorliegenden Vertrag ist ausgeschlossen. Auszahlung Die Auszahlung von Versorgungsleistungen erfolgt durch bargeldlose Überweisung am Ende jedes Monats. Versteuerung Sämtliche Versorgungsleistungen sind Brutto-Beträge, die nach Abzug gesetzlicher Steuern und Abgaben als Netto-Bezüge ausgezahlt werden. Erklärungen und Nachweise Jeder Empfänger von Versorgungsleistungen aus dem vorliegenden Vertrag ist verpflichtet, dem Unternehmen die für die Errechnung und Auszahlung erforderlichen Erklärungen abzugeben und Nachweise vorzulegen. Wesentliche Änderungen des Personenstandes sind unaufgefordert mitzuteilen. Vorbehalte13 Das Unternehmen behält sich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn Sie Handlungen begehen, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden. Vertragliche Unverfallbarkeit14 Besteht das Dienstverhältnis drei Jahre, so tritt vertragliche Unverfallbarkeit des Pensionsanspruchs ein.

… (Ort, Datum) 12 Rückdeckungsversicherungen werden häufig zur Refinanzierung abgeschlossen. Sie haben mit betrieblicher Altersversorgung iSd. BetrAVG nichts zu tun (BAG v. 19.5.2016, NZA-RR 2016, 550). Sofern Versorgungsansprüche nicht gesetzlich insolvenzgesichert sind (§ 7 BetrAVG), kann ein vertraglicher Insolvenzschutz durch die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung erreicht werden (s. M 18.10). Die Zustimmung des Mitarbeiters zum Abschluss der Rückdeckungsversicherung ist seit 2008 nach § 150 Abs. 2 VVG nicht mehr erforderlich. Wichtig: In Aufhebungsverträgen mit Führungskräften wird nicht selten vereinbart, dass das Unternehmen den Mitarbeitern die Rechte aus der Rückdeckungsversicherung abtritt und im Gegenzug sämtliche Ansprüche aus der Versorgungszusage erledigt sein sollen. Vor dieser auf den ersten Blick bestechend einfach erscheinenden Lösung kann nur gewarnt werden, da sich schwierige versicherungsmathematische, versicherungsrechtliche und steuerrechtliche Probleme stellen (insbesondere ist der volle Versicherungswert auf einen Schlag einkommensteuerpflichtig). 13 Dieser Vorbehalt ist rein deklaratorisch. Nach der Rechtsprechung ist selbst bei Fehlen eines solchen Vorbehalts der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nach Treu und Glauben verwirkt, wenn der Versorgungsberechtigte das Unternehmen schwer geschädigt hat oder arglistig den Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen erreicht hat. Die Einzelheiten sind höchst streitig (ausführlich dazu: Höfer, Kap. 5 Rz. 249 ff.). Es ist nicht möglich, durch entsprechende Vertragsklauseln das Widerrufsrecht des Unternehmens zu erweitern und insbesondere auf weniger gravierende Pflichtverletzungen des Mitarbeiters zu erstrecken. 14 Wichtig: Ebenso wie die ratierliche Kürzung (s. Fn. 3) sollte die Frage der Verfallbarkeit/Unverfallbarkeit in Versorgungszusagen mit Führungskräften immer ausdrücklich geregelt werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. Enthält die Versorgungszusage keine ausdrückliche Regelung, ist im Zweifel von der Geltung der gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmungen (§ 1b BetrAVG) auszugehen. Allerdings kann je nach Formulierung der Zusage auch ein Verzicht auf die Erfüllung der Unverfallbarkeitsfristen anzunehmen sein (LAG Hess. v. 21.8.1996 – 8 Sa 1329/95, NZA-RR 1997, 218).

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Kap. 18

M 18.2

Betriebliche Altersversorgung

M 18.2

Betriebliche Versorgungsordnung (Gesamtzusage) §1

(1) Angehörige unseres Unternehmens, die der Belegschaft fünf Jahre angehören (Wartezeit), erhalten1 eine zusätzliche Alters-, Invaliden- und Witwenversorgung nach Maßgabe dieser Versorgungsordnung. Dadurch sollen unsere Mitarbeiter über die Leistungen der sozialen Rentenversicherung hinaus bei Invalidität und im Alter nach Möglichkeit vor wirtschaftlicher Sorge geschützt werden. (2) Es bleibt in das Ermessen der Geschäftsleitung gestellt, ob im Einzelfall von der Bestimmung des Abs. 1 zu Gunsten eines Betriebsangehörigen abgewichen wird. (3) Jeweils im Monat Dezember eines Geschäftsjahres wird die Geschäftsleitung denjenigen Betriebszugehörigen, die die fünfjährige Wartezeit erfüllt haben, eine entsprechende Mitteilung machen.

§2 Die Versorgungsleistungen bestehen: (1) In der Gewährung eines Altersruhegeldes – das Ruhegeld wird den Berechtigten in der Regel nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung2 auf Lebenszeit gewährt. Nimmt der Arbeitnehmer, nachdem er die Voraussetzungen dieser Versorgungsordnung erfüllt hat, das vorgezogene Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch, so kann er zum gleichen Zeitpunkt auch die betriebliche Versorgungsleistung verlangen. In diesem Fall kürzen sich die Leistungen um 0,5 % für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens. (2) In der Gewährung einer Invalidenrente – die Invalidenrente wird gewährt, wenn der Berechtigte im Dienste des Unternehmens vorzeitig vollständig erwerbsgemindert wird.3 (3) In der Gewährung einer Witwenrente/Witwerrente4 in Höhe von 50 % des Ruhegeldes 1 Vgl. auch die Anmerkungen zu M 18.1. Besteht ein Betriebsrat, bedarf die Einführung einer Versorgungsordnung seiner Zustimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Die Zustimmung kann notfalls über die Einigungsstelle erzwungen werden (§ 87 Abs. 2 iVm. § 76 BetrVG). Wegen der erleichterten Kündbarkeit (Drei-Monats-Frist, keine Kündigungsgründe erforderlich) ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung der für den Arbeitgeber sicherste Weg der Einführung einer Versorgungsordnung. 2 In der Vergangenheit war es üblich, als Beginn der Alterspension auf die „Vollendung des 65. Lebensjahrs“ abzustellen (s. Vorauflagen). Durch Gesetz v. 20.4.2007 (BGBl. I 2007, 554) wurde jedoch, beginnend mit dem Jahr 2012, die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung schrittweise von 65 Jahren (ab Geburtsjahrgang 1947) auf 67 Jahre (ab Geburtsjahr 1964) angehoben (§§ 35, 235 SGB VI). Nach der Rechtsprechung des BAG (v. 15.5.2012 – 3 AZR 11/10, DB 2012, 1756) ist bei Versorgungsordnungen, die aus der Zeit vor 2007 stammen und als Altersgrenze die Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsehen, im Zweifel zu vermuten, dass die Parteien dynamisch auf die jeweils individuell geltende Regelaltersgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung abstellen wollten, was zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer, der erst nach Vollendung des 65. Lebensjahrs in Rente gehen kann, auch erst dann seine Betriebsrente bezieht (ausf. zu den damit verbundenen Problemen Diller/Beck, DB 2012, 2398). 3 Wichtig: Es war jahrzehntelang üblich, in Versorgungszusagen auf die Begriffe der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gem. §§ 43, 44 SGB VI zu verweisen. Nach der Reform des Rechts der Erwerbsminderung gibt es diese Begriffe im Rentenrecht seit 2001 nicht mehr, SGB VI kennt nur noch die teilweise oder vollständige Erwerbsminderung. Zu den damit verbundenen Gestaltungsoptionen und Umstellungsproblemen ausf. M 18.1 Fn. 7. 4 Gegen Art. 3 Abs. 2 GG, § 1 AGG und Art. 157 AEUV verstoßen Versorgungsregelungen, die zwischen Männern und Frauen in ihren Anspruchsvoraussetzungen unterscheiden, etwa hinsichtlich des Eintrittsalters, anrechnungsfähiger Dienstzeiten, unterschiedlicher Wartezeiten oder unterschiedlicher fester Altersgrenzen. Hierzu gehören auch Hinterbliebenenversorgungsbestimmungen, die nur eine Witwen-, nicht jedoch eine Witwerrente vorsehen (BAG v. 5.9.1989, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG – Hinterbliebenenversorgung).

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M 18.2

Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

– die Witwenrente/Witwerrente wird erstmals für denjenigen Monat gezahlt, der auf das Ableben des Mannes/der Frau als aktives Betriebsmitglied oder im Ruhestand folgt, letztmals für denjenigen Monat, in dem die Witwe/der Witwer stirbt oder wieder heiratet. Ein Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente besteht nicht, a) wenn die Ehe bei Rentenbeginn des Betriebsangehörigen oder bei Versterben im aktiven Dienst zum Todeszeitpunkt nicht mindestens zwei Jahre bestanden hat,5 b) wenn die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Ehemannes/der Ehefrau oder erst nach Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen wurde.6 Ist die Witwe/der Witwer mehr als zehn Jahre jünger als der Betriebsangehörige, reduziert sich die Witwenrente/Witwerrente für jedes weitere volle Jahr des Altersabstands um 3 %.7 Die Regelungen zur Witwen-/Witwerrente gelten gleichermaßen für hinterbliebene eingetragene Lebenspartner.

§3 (1) Als Richtsätze für die Bemessung des Ruhegeldes gelten folgende Monatsgrundbeträge: Ganztagsbeschäftigte für8 Arbeiter und Angestellte allgemein Meister Handlungsbevollmächtigte

Euro 50 75 125

Teilzeitbeschäftigte erhalten den entsprechenden Anteil des Grundbetrages.9 (2) Zu diesem Grundbetrag kommt ein monatlicher Steigerungsbetrag von 5 % des Grundbetrages für jedes nach der Wartezeit zurückgelegte volle weitere anrechnungsfähige Dienstjahr. Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis wegen Elternzeit ruht, sind nicht anrechnungsfähig.10 (3) Auf die Bestimmung des § 1 Abs. 2 wird verwiesen.

§4 (1) Das Ruhegeld wird als Alters- oder Invalidenrente erst von demjenigen Zeitpunkt an gezahlt, an dem der/die Berechtigte infolge Alters oder Invalidität aus den Diensten der Firma ausscheidet. Scheidet ein Betriebsangehöriger wegen Invalidität aus, so ist der Nachweis durch amtsärztliches Zeugnis zu erbringen. (2) Ruhegeld wird nicht gewährt, wenn die Invalidität vorsätzlich herbeigeführt wurde. (3) Der Empfänger einer Versorgungsleistung ist verpflichtet, der Firma von jeder Änderung der Feststellung einer Erwerbsminderung durch den Träger der Sozialversicherung umgehend und unaufgefordert Kenntnis zu geben. Die Firma kann die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses verlangen. Versorgungsleistungen, die unberechtigt bezogen worden sind, müssen zurückgezahlt werden. 5 Zulässig, BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 509/08, NZA 2011, 1092. 6 Kein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung (BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, DB 2006, 2018; EuGH v. 23.9.2008 – Rs. C-427/06, NZA 2008, 1119). Hingegen soll es altersdiskriminierend und damit unzulässig sein, den Ausschluss des Anspruchs bei Verheiratung nach einem bestimmten Lebensalter vorzusehen (BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13). 7 Die Klausel ist sinnvoll, um das finanzielle Risiko des Arbeitgebers zu begrenzen. 8 Der Gleichbehandlungsgrundsatz beinhaltet nur das Verbot, Arbeitnehmer willkürlich zu benachteiligen. Sachlich gerechtfertigte Differenzierungen verletzen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht. Möglich ist die Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung nur für einen beschränkten Personenkreis, der sich nach abstrakten Kriterien abgrenzen lässt, etwa für Arbeitnehmer in gehobenen Positionen, die der Arbeitgeber wegen ihrer Bedeutung für das Unternehmen in besonderem Maße entlohnen und an das Unternehmen binden will (BAG v. 12.6.1990 – 3 AZR 166/89, NZA 1990, 973). 9 Der allgemeine Ausschluss Teilzeitbeschäftigter von den Versorgungsleistungen ist idR wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unzulässig (§ 4 TzBfG). 10 Zulässig, BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 370/08, NZA 2010, 1188.

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.2

§5 (1) Die Versorgungsleistungen werden in monatlichen Raten vorschüssig gezahlt. (2) Auf die Versorgungsleistungen werden andere Renten, die der Berechtigte bezieht, nicht angerechnet. (3) Die Versorgungsleistungen gemäß dieser Versorgungsordnung können von dem Bezugsberechtigten weder verpfändet noch abgetreten werden. Derartige Abmachungen sind der Firma gegenüber nichtig. Im Falle der Pfändung erlöschen die Versorgungsansprüche in Höhe des gepfändeten Betrages für den von der Pfändung betroffenen Zeitraum. Dies gilt nicht bei Pfändungen wegen Unterhaltsansprüchen, die Verwandten, früheren Ehegatten oder nichtehelichen Kindern kraft Gesetzes gegen den Berechtigten zustehen. (4) Versorgungsleistungen werden nicht gezahlt und die Zahlung bereits laufender Renten wird eingestellt, wenn der Bezieher ein Verhalten zeigt, das zur fristlosen Kündigung11 des Arbeitsverhältnisses berechtigt hätte.

§6 (1) Die Firma behält sich vor, diese Versorgungsordnung jederzeit zu ändern oder einzuschränken, sofern sachliche Gründe dafür vorliegen. Insbesondere steht diese Versorgungsordnung unter Vorbehalt der nachträglichen Änderung, Einschränkung oder Aufhebung durch eine Betriebsvereinbarung.12 (2) Die Firma behält sich insbesondere vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Versorgungszusage maßgeblichen Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert haben, dass der Firma die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange der Versorgungsberechtigten nicht mehr zumutbar ist.13

11 Nach Auffassung des BAG (v. 3.4.1990 – 3 AZR 211/89, NZA 1990, 808 und v. 8.5.1990 – 3 AZR 152/88, BB 1990, 1910; vgl. auch BGH v. 19.12.1983 – II ZR 71/83, AG 1984, 150 und v. 18.12.1980, BB 1981, 1971) ist der Widerruf nur zulässig, wenn die Treupflichtverletzung so schwer wiegt, dass sich die erbrachte Betriebszugehörigkeit im Nachhinein als wertlos herausstellt. Ein Arbeitnehmer handelt aber arglistig, wenn er sich auf die Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft beruft, obwohl er die erforderliche Betriebszugehörigkeitsdauer nur durch das Vertuschen schwerer Verfehlungen erreichen konnte; in einem solchen Fall kann der Arbeitgeber die Versorgungszusage widerrufen, sobald die Verfehlungen zu seiner Gewissheit festgestellt sind (BAG v. 8.2.1983 – 3 AZR 10/81, BB 1983, 1100). Kommt ein Widerruf wegen grober Treuwidrigkeit trotz der sehr restriktiven Rechtsprechung ausnahmsweise in Betracht, so wird er im Allgemeinen nur unverzüglich nach Bekanntwerden der Widerrufsgründe ausgeübt werden können. In entsprechender Anwendung von § 626 Abs. 2 BGB sollte der Widerruf innerhalb von zwei Wochen erfolgen. 12 Wichtig: Durch diese Klausel wird erreicht, dass die Versorgungsordnung „betriebsvereinbarungsoffen“ ist, also durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung eingeschränkt werden kann. Fehlt ein entsprechender Vorbehalt und ist eine als Gesamtzusage wirkende Versorgungsordnung deshalb nicht „betriebsvereinbarungsoffen“, konnte nach der langjährigen Rechtsprechung des BAG die Versorgungsordnung durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung nur in den Grenzen des „kollektiven Günstigkeitsprinzips“ modifiziert werden; die neue Versorgungsregelung durfte insgesamt nicht finanziell geringer dotiert sein als die alte (BAG v. 16.9.1986 – GS 1/82, BAGE 53, 42, 76). Aufgrund mehrerer neuer Entscheidungen scheint das BAG an dieser Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten (ausf. Diller/Beck, BetrAV 2014, 345). Vorsorglich sollte die Klausel aber bis auf weiteres weiter verwendet werden. 13 Dieser allgemeine Vorbehalt, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert, dass dem Unternehmen eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann, enthält nur den Hinweis auf Kürzungs- oder Widerrufsmöglichkeiten wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (BAG v. 22.4.1988, DB 1988, 2311). Der Widerruf zur Durchsetzung einer neuen Leistungsordnung ist im Übrigen nur wirksam, wenn der Arbeitgeber zuvor das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beachtet hat (BAG v. 22.4.1988, DB 1988, 2311).

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M 18.3

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

§7 Jeder Betriebsangehörige, dem die in § 1 Abs. 3 vorgesehene Mitteilung zugeht, hat durch Unterschrift sein Einverständnis mit der Versorgungsordnung zu erklären.

§8 (1) Diese Versorgungsordnung tritt am … in Kraft. Sie gilt nur für diejenigen Arbeitnehmer, die nach diesem Zeitpunkt in das Unternehmen eintreten. Für diejenigen Betriebsangehörigen, die vor dem … eingetreten sind, gilt die Pensionsordnung vom … weiter. (2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Die Firma ist vor allem verpflichtet, die Versorgungsansprüche beim Pensionssicherungsverein gegen Fälle der Insolvenz der Firma abzusichern.

M 18.3

Satzung einer Unterstützungskasse in der Rechtsform eines e.V. Satzung der X-Hilfe e.V. in …

I. Name, Sitz und Zweck des Vereins § 1 Name, Sitz, Eintragung Der Verein führt den Namen „X-Hilfe eingetragener Verein“. Der Verein hat seinen Sitz in … und ist in das Vereinsregister des Amtsgerichts … eingetragen.

§ 2 Vereinszweck Der Verein ist eine soziale Einrichtung der X und Söhne GmbH mit Sitz in … (Trägerunternehmen). Er hat den ausschließlichen Zweck, den nach Abs. 2 Begünstigten in Fällen der Not, des Alters, der Erwerbsunfähigkeit oder des Todes einmalige, wiederholte oder laufende Unterstützungen zu gewähren, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Personen Vereinsmitglieder sind oder nicht. Als Begünstigte kommen in Betracht: 1. Betriebsangehörige des Trägerunternehmens, 2. frühere Betriebsangehörige, 3. Angehörige der in Nr. 1 und 2 genannten Personenkreise. Begünstigt nach Nr. 1 und 2 sind in allen Fällen jedoch nur diejenigen Betriebsangehörigen, die bis spätestens … in die Dienste des Trägerunternehmens eingetreten sind. Nach dem … neu eintretende Betriebsangehörige sind nicht mehr begünstigt.

II. Mitgliedschaft § 3 Kreis der Mitglieder Dem Verein können als Mitglieder angehören, a) das Trägerunternehmen, b) Betriebsangehörige des Trägerunternehmens, die seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen im Dienst des Trägerunternehmens stehen. Die Mehrzahl aller Vereinsmitglieder muss aus dem Kreis der Betriebsangehörigen stammen. Die Zahl der Vereinsmitglieder soll zehn nicht übersteigen.1 1 Es ist weder erforderlich noch sinnvoll, dass alle rentenberechtigten Mitarbeiter Vereinsmitglied werden.

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.3

§ 4 Erwerb der Mitgliedschaft Die Aufnahme von Vereinsmitgliedern erfolgt durch den Vorstand im Einvernehmen mit dem Ausschuss auf Grund eines schriftlichen Antrages.

§ 5 Beitragspflicht Die Vereinsmitglieder haben keine Beiträge zu entrichten.

§ 6 Verlust der Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft erlischt durch a) Tod des Vereinsmitglieds; b) Austritt aus dem Verein. Der Austritt ist jederzeit zulässig; er ist schriftlich gegenüber dem Verein zu erklären; c) Ausscheiden aus dem in § 3 Abs. 1 lit. b bestimmten Personenkreis; d) Ausschluss aus dem Verein. Der Ausschluss ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein grober Verstoß gegen die Interessen oder die Betriebsordnung des Trägerunternehmens, Erstattung unrichtiger Angaben zur Erlangung einer Unterstützung, missbräuchliche Verwendung einer Unterstützung.

III. Vereinsorgane § 7 Organe Vereinsorgane sind: a) der Vorstand, b) der Ausschuss, c) die Mitgliederversammlung.

1. Vorstand § 8 Zusammensetzung, Bestellung und Beendigung des Amts des Vorstands Der Vorstand besteht aus zwei Personen, die von der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens bestellt und abberufen werden. Außer durch Abberufung endet das Amt eines Vorstandsmitglieds durch Tod, durch Amtsniederlegung, die jederzeit zulässig ist, sowie durch Ausscheiden aus den Diensten des Trägerunternehmens.

§ 9 Aufgaben des Vorstands Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins. Er verwaltet das Vereinsvermögen und verwendet es entsprechend dem Vereinszweck. Er beschließt in allen Fällen, in denen die Mitgliederversammlung nicht ausdrücklich zur Entscheidung berufen ist, insbesondere über die Gewährung und Festsetzung der Höhe einer Zuwendung. Er hat seine Entscheidungen schriftlich niederzulegen und zu unterzeichnen. Zu Entscheidungen über die Aufnahme und den Ausschluss von Vereinsmitgliedern sowie zu allen Maßnahmen, die die Verwaltung des Vereins, insbesondere die Anlage des Vereinsvermögens und die Gewährung von Unterstützungen betreffen, bedarf er der Zustimmung des Ausschusses. Der Vorstand übt seine Tätigkeit ehrenamtlich aus.

§ 10 Vertretung des Vereins Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich, und zwar ist jedes Vorstandsmitglied zur alleinigen Vertretung des Vereins berechtigt. 748

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Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

2. Ausschuss § 11 Zusammensetzung des Ausschusses, Bestellung und Beendigung des Amts der Ausschussmitglieder Der Ausschuss besteht aus drei Mitgliedern des Betriebsrates2 des Trägerunternehmens, die vom Betriebsrat bestellt und abberufen werden. Außer durch Abberufung endet das Amt eines Ausschussmitgliedes durch Amtsniederlegung, die jederzeit zulässig ist, sowie durch Ausscheiden aus dem Betriebsrat des Trägerunternehmens. Die Ausschussmitglieder brauchen nicht zugleich Vereinsmitglieder zu sein.

§ 12 Aufgaben des Ausschusses Der Ausschuss hat die Aufgabe, den Vorstand zu unterstützen und bei allen Maßnahmen des Vorstandes, die die Verwaltung des Vereins sowie die Aufnahme und den Ausschluss von Vereinsmitgliedern betreffen, mitzubestimmen. Zur Vertretung des Vereins ist der Ausschuss nicht berechtigt. Der Ausschuss beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit. Die Beschlüsse sind schriftlich niederzulegen und von den Ausschussmitgliedern zu unterzeichnen. Die Ausschussmitglieder üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus.

3. Mitgliederversammlung § 13 Aufgaben der Mitgliederversammlung Der Mitgliederversammlung sind vorbehalten a) Satzungsänderungen, b) Entlastung des Vorstandes und des Ausschusses, c) Auflösung des Vereins.

§ 14 Einberufung Mitgliederversammlungen sind einzuberufen a) alljährlich innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres zur Entgegennahme von Erklärungen des Vorstands und des Ausschusses, insbesondere des Jahresberichts und der Jahresabrechnung sowie zur Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands und des Ausschusses; b) wenn das Interesse des Vereins es erfordert;

2 Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der betrieblichen Altersversorgung (umfassend Höfer, Kap. 8 Rz. 1 ff.) können bei Unterstützungskassen auf zwei verschiedene Arten gewahrt werden. Bei der so genannten „zweistufigen“ Lösung muss der Arbeitgeber zunächst mit dem Betriebsrat Einigkeit über alle mitbestimmungspflichtigen Fragen erzielen. Ist die Einigung erzielt, hat der Arbeitgeber sodann mit Hilfe seines Einflusses auf die Organe der Unterstützungskasse dafür zu sorgen, dass die Unterstützungskasse die mit dem Betriebsrat vereinbarte Regelung übernimmt. Bei der zweistufigen Lösung wird der Arbeitgeber deshalb die Satzung der Unterstützungskasse so ausgestalten, dass er dort problemlos seinen (bzw. den vorab mit dem Betriebsrat abgestimmten) Willen durchsetzen kann. Dies geschieht beispielsweise durch ein Alleinentscheidungsrecht des Vorstands der Kasse, der wiederum allein von der Geschäftsleitung des Trägerunternehmens bestimmt wird. Praktikabler als die zweistufige Lösung ist dagegen die einstufige Lösung (ausführlich dazu BAG v. 13.7.1978, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG Altersversorgung). Bei der einstufigen Lösung wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats dadurch erreicht, dass diesem ein paritätischer Einfluss in den Organen der Unterstützungskasse eingeräumt wird. Die Mitbestimmung wird dann unmittelbar dadurch verwirklicht, dass sich die vom Betriebsrat bestimmten oder entsandten Vertreter in den Kassengremien mit den übrigen Gremienvertretern einigen müssen (notfalls entscheidet die Einigungsstelle). Das vorliegende Muster ist nach der einstufigen Lösung strukturiert. Der Ausschuss wird allein vom Betriebsrat besetzt, und ohne Zustimmung des Ausschusses können die Leistungsrichtlinien nicht festgelegt oder geändert werden.

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.3

c) wenn der Ausschuss oder mindestens 40 % der Verei4nsmitglieder die Einberufung unter Angabe des Zwecks beantragt. Die Einberufung der Mitgliederversammlung erfolgt durch ein Vorstandsmitglied.

§ 15 Vorsitz und Beschlussfassung Den Vorsitz in der Mitgliederversammlung führt ein Vorstandsmitglied. Die Beschlüsse bedürfen grundsätzlich der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Beschlüsse über Satzungsänderungen und Änderungen des Vereinszwecks bedürfen einer Mehrheit von 3/4 der erschienenen Mitglieder und werden nur wirksam, wenn vom zuständigen Finanzamt bestätigt wird, dass durch diese Beschlüsse die Steuerbefreiung des Vereins nicht berührt wird. Beschlüsse über die Auflösung des Vereins bedürfen der Mehrheit von 3/4 der erschienenen Mitglieder und außerdem der Zustimmung des Trägerunternehmens. Die Beschlüsse sind schriftlich niederzulegen und von dem Vorsitzenden zu unterzeichnen.

IV. Vereinsvermögen und Leistungen des Vereins § 16 Vereinsvermögen3 Die zur Erfüllung des Vereinszwecks notwendigen Mittel werden ausschließlich aus freiwilligen Zuwendungen des Trägerunternehmens und den Erträgnissen dieser Zuwendungen aufgebracht. Die Betriebsangehörigen des Trägerunternehmens dürfen zu Leistungen irgendwelcher Art nicht herangezogen werden. Das Vereinsvermögen und die Einkünfte hieraus dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke des Vereins verwendet werden. Auf Verlangen des Trägerunternehmens hat jedoch der Verein vom Wert des Vereinsvermögens den Teilbetrag an das Trägerunternehmen abzuführen, mit dem der Verein im laufenden Geschäftsjahr steuerpflichtig ist oder würde. Das Vereinsvermögen ist nach Maßgabe der für steuerbegünstigte Unterstützungseinrichtungen geltenden Vorschriften anzulegen. Soweit es hiernach zulässig ist, ist das Vereinsvermögen in erster Linie dem Trägerunternehmen als Darlehen zur Verfügung zu stellen.

§ 17 Leistungen des Vereins Der Verein kann folgende Leistungen gewähren a) einmalige oder wiederholte Unterstützungen an Betriebsangehörige, wenn der Betriebsangehörige durch Erkrankung, Betriebsunfall, Arbeitslosigkeit, Geburts-, Krankheits- oder Sterbefälle in seiner Familie in unverschuldete Not geraten ist; b) ein einmaliges Sterbegeld an die Angehörigen eines verstorbenen Betriebsangehörigen; c) Altersrente nach dem Ausscheiden aus den Diensten des Trägerunternehmens nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung oder Invalidenrente im Falle dauernder,

3 Die finanzielle Ausstattung der Unterstützungskasse erfolgt überwiegend durch Zuwendungen des Trägerunternehmens, durch Vermögenserträge und ggf. auch durch Leistungen Dritter. Reichen die Mittel der Unterstützungskasse nicht aus, um die laufenden Zuwendungen an die Begünstigten zu erbringen, so haftet das Trägerunternehmen den Begünstigten unmittelbar. Wird das Trägerunternehmen zahlungsunfähig und liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BetrAVG vor, hat zunächst die Unterstützungskasse, soweit diese noch Vermögen hat, die ihr aus dem Rechtsverhältnis zu den Arbeitnehmern obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen. Hat die Unterstützungskasse infolge der Zahlungsunfähigkeit des Trägerunternehmens auch kein Vermögen mehr, greift unter den Voraussetzungen des § 7 BetrAVG der Insolvenzschutz ein. Bei Eintreten des Versicherungsfalls gehen das Vermögen der Unterstützungskasse und die Forderungen der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nach § 9 Abs. 3 BetrAVG auf den Pensionssicherungsverein über.

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M 18.3

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

vollständiger Erwerbsminderung.4 Voraussetzung der Gewährung einer Rente ist eine Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren. d) Witwenrente, wenn der verstorbene Betriebsangehörige zur Zeit seines Todes Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente bezog oder die Voraussetzungen hierfür erfüllt hätte; e) Waisenrente an eheliche oder an Kindes statt angenommene Kinder eines verstorbenen Betriebsangehörigen, der zur Zeit seines Todes Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente bezog oder die Voraussetzungen hierfür erfüllt hätte. Begünstigt sind ausschließlich die in § 2 genannten Personen. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen ist, dass die Betriebsangehörigen, die früheren Betriebsangehörigen oder deren Angehörige begünstigt iSd. § 2 Abs. 2 sind. Die durch die einschlägigen steuerlichen Bestimmungen gezogenen Grenzen hinsichtlich der Höhe der Leistungen dürfen nicht überschritten werden. Die Mehrzahl der Leistungsempfänger darf sich nicht aus den Gesellschaftern des Trägerunternehmens sowie deren Angehörigen zusammensetzen. Die Entscheidung über die Gewährung und die Höhe einer Zuwendung trifft der Vorstand im Einvernehmen mit dem Ausschuss nach billigem Ermessen. Vorstand und Ausschuss können Richtlinien aufstellen. Der Vorstand kann im Einzelfall, wenn besondere Umstände vorliegen, von den Richtlinien abweichen (insbesondere bei der Dienstzeitanrechnung) und wiederkehrende Leistungen erhöhen, herabsetzen oder einstellen. Eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen kommt insbesondere im Fall einer wirtschaftlichen Notlage des Trägerunternehmens in Betracht. Das Trägerunternehmen kann die Richtlinien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten auf das Ende eines jeden Geschäftsjahres des Vereins kündigen.

§ 18 Ausschluss und Kürzung von Leistungen Leistungen werden nicht, nicht mehr oder nur noch teilweise gewährt, wenn der Begünstigte gegen die Interessen des Trägerunternehmens oder des Vereins handelt. Dies gilt zB auch im Falle vorsätzlicher Herbeiführung der Erwerbsminderung.

§ 19 Ausschluss des Rechtsanspruchs Die Leistungsempfänger haben keinen Rechtsanspruch auf Leistungen des Vereins. Auch durch wiederholte oder regelmäßige Zahlungen von Unterstützungen wird kein Rechtsanspruch begründet. Alle Zahlungen erfolgen freiwillig und mit der Möglichkeit jederzeitigen Widerrufs. Jeder Leistungsempfänger von einmaligen Zuwendungen hat bei der Entgegennahme des Betrags, jeder Leistungsempfänger von laufenden Leistungen hat bei der erstmaligen Auszahlung folgende Erklärung zu unterschreiben: „Es ist mir bekannt, dass alle Leistungen aus der X-Hilfe e.V. in … freiwillig gewährt werden und dass mir auch durch wiederholte oder regelmäßig wiederkehrende Leistungen weder ein Anspruch gegen die X-Hilfe e.V. noch gegen die X und Söhne GmbH in … erwächst. Mit dieser Regelung bin ich einverstanden. … (Ort, Datum)

… (Unterschrift)“

V. Geschäftsjahr und Rechnungslegung § 20 Geschäftsjahr Das Geschäftsjahr des Vereins ist das jeweilige Geschäftsjahr des Trägerunternehmens. 4 Wichtig: Es war jahrzehntelang üblich, in Versorgungszusagen auf die Begriffe der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gem. §§ 43, 44 SGB VI zu verweisen. Nach der Reform des Rechts der Erwerbsminderung gibt es diese Begriffe im Rentenrecht seit 2001 nicht mehr, SGB VI kennt nur noch die teilweise oder vollständige Erwerbsminderung. Zu den damit verbundenen Gestaltungsoptionen und Übergangsproblemen ausf. M 18.1 Fn. 7.

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.4

§ 21 Rechnungslegung Der Vorstand hat für jedes abgelaufene Geschäftsjahr eine Rechnungslegung zu erstellen und diese mit dem Geschäftsbericht dem Ausschuss und der Mitgliederversammlung vorzulegen.

VI. Vermögensanfall und Liquidation im Falle der Auflösung des Vereins § 22 Vermögensanfall Im Falle der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit verfällt das Vereinsvermögen an die Leistungsempfänger. Leistungsempfänger iSd. Abs. 1 sind a) Betriebsangehörige, bei denen im Zeitpunkt der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit die Voraussetzungen für die Gewährung einmaliger oder laufender Unterstützungen erfüllt sind, b) frühere Betriebsangehörige oder deren Hinterbliebene, die im maßgeblichen Zeitpunkt laufende Unterstützungen beziehen. Die Verteilung erfolgt durch die Liquidatoren im Einvernehmen mit dem Ausschuss unter Zugrundelegung eines nach sozialen Gesichtspunkten aufzustellenden Verteilungsplans.

§ 23 Liquidation Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand im Einvernehmen mit dem Ausschuss. Die §§ 8 bis 12 gelten während der Liquidation entsprechend.

VII. Sonstiges § 24 Öffentliche Bekanntmachungen Soweit öffentliche Bekanntmachungen zu erfolgen haben, geschehen sie in dem für Veröffentlichungen des zuständigen Registergerichts bestimmten Blatt.

M 18.4

Gehaltsumwandlungs-Vereinbarung

Zwischen … (Gesellschaft) und Herrn/Frau … (Mitarbeiter) wird in Ergänzung und Änderung des Arbeitsvertrages vom … mit Wirkung ab … Folgendes vereinbart:

§ 1 Versorgungszusage Die Gesellschaft gewährt dem Mitarbeiter eine Versorgungszusage gemäß Anlage 1 zu dieser Vereinbarung.1

1 Die Versorgung wird üblicherweise als Direktzusage (vgl. M 18.1) gewährt, verbreitet ist auch der Abschluss einer Direktversicherung.

752 Diller

M 18.5

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

§ 2 Gehaltsverzicht Im Gegenzug zu der gemäß § 1 erteilten Versorgungszusage verzichtet der Mitarbeiter auf Gehaltsansprüche in Höhe von Euro … monatlich.2, 3 Der Gehaltsverzicht bleibt für Gehaltserhöhungen sowie gehaltsabhängige Leistungen wie zB Zuschläge, Gratifikationen, Jubiläumsgelder, arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusagen etc. außer Betracht. Die Gesellschaft zahlt dem Mitarbeiter [ab dem …] einen monatlichen Zuschuss zur Entgeltumwandlung von Euro …4 Dieser Zuschuss kann mit eventuellen zukünftigen tarifvertraglichen oder per Betriebsvereinbarung festgelegten Zuschüssen verrechnet werden.

§ 3 Insolvenzsicherung Die Gesellschaft sichert die Versorgungsleistungen durch Zahlung der Beiträge zum Pensionssicherungsverein.5

§ 4 Neuverhandlung Sollten sich die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die bei Abschluss dieser Vereinbarung galten, wesentlich ändern, werden die Parteien mit dem Ziel einer sachgerechten Neuregelung verhandeln.6

§ 5 Sonstiges Im Übrigen bleibt der Anstellungsvertrag unverändert. … (Unterschriften) 2 Um die steuerlichen Vorteile der Gehaltsumwandlung sicherzustellen, muss der Arbeitnehmer auf Entgeltansprüche verzichten, für die bereits eine Rechtsgrundlage besteht, die aber noch nicht erdient sind. Dafür reicht es zum einen nicht aus, wenn die Versorgung lediglich „Gegenleistung“ für besonderen Einsatz oder freiwillig geleistete Überstunden ist, weil es dann noch an einer Rechtsgrundlage fehlt (BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 529/07, NZA 2010, 226). Andererseits darf der Anspruch noch nicht zugeflossen sein. 3 Gemäß § 1a BetrAVG hat der Arbeitnehmer Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Errichtung einer Gehaltsumwandlungsversorgung in Höhe von max. 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. 4 Häufig zahlen Arbeitgeber einen – freiwilligen – Zuschuss, zB von 20 % der jeweiligen Entgeltumwandlung, weil sie in gleicher Höhe Sozialabgaben sparen. Dabei wird häufig vorgesehen, dass der Zuschuss erst nach einer gewissen Wartezeit gezahlt wird, zB ab Beendigung der Probezeit. 5 Die Regelung ist deklaratorisch, da die Beitragspflicht des Arbeitgebers nach § 10 BetrAVG bereits kraft Gesetzes besteht. 6 Der Vorteil der Gehaltsumwandlungs-Versorgung liegt darin, dass die verzichteten Gehaltsbestandteile steuer- und sozialversicherungsfrei sind. Zwar muss der Arbeitnehmer später die Versorgungsleistungen versteuern, dies aber regelmäßig mit einem niedrigeren Steuersatz. Die Beitragsfreiheit ist auf 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung begrenzt.

M 18.5

Unverfallbarkeitsbescheinigung nach § 4a BetrAVG für unmittelbare Versorgungszusage

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir bescheinigen Ihnen hiermit gemäß § 4a des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG), dass Sie auf Grund der Versorgungszusage1 vom … einen unverfallbaren Anspruch erworben haben. 1 Die Versorgungszusage kann auch im Rahmen einer Versorgungsordnung bzw. Ruhegeld-Betriebsvereinbarung erfolgt sein.

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.5

Der Anspruch wird mit Vollendung des 67. Lebensjahres2 fällig. Seine Höhe bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes. Danach haben Sie einen Anspruch in Höhe des Teils der Leistung, die Sie bekommen würden, wenn Sie bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres in unserem Betrieb geblieben wären, der dem Verhältnis der Dauer Ihrer tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zu der Dauer Ihrer bis zur Vollendung Ihres 67. Lebensjahres rechnerisch möglichen Betriebszugehörigkeit entspricht.3 1. Da4 Sie bei uns am … eingetreten und am … ausgeschieden sind und am … das 67. Lebensjahr vollenden, entspricht das Verhältnis Ihrer tatsächlichen Betriebszugehörigkeit von … Jahren und … Monaten (= … Monaten) zu Ihrer bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres möglichen Betriebszugehörigkeit von … Jahren und … Monaten (= … Monaten) einem Verhältnis von … zu … = … %. 2. Wären Sie bis zur Vollendung Ihres 67. Lebensjahres bei uns geblieben, hätten Sie auf Grund der Versorgungszusage vom … einen Anspruch auf Altersruhegeld in Höhe von Euro … gehabt. Darauf steht Ihnen ein Teilanspruch, herabgesetzt auf … % (nach dem Verhältnis der Betriebszugehörigkeit gemäß Nr. 1) zu. Ihr bei Vollendung des 67. Lebensjahres fällig werdender Teilanspruch auf Altersruhegeld beträgt somit … % von Euro … = Euro … 3. Sollten Sie vorzeitiges Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen und daraufhin nach § 6 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung auch das betriebliche Altersruhegeld vorzeitig beziehen wollen, müsste der Teilanspruch neu berechnet werden, da dann nach § … unserer Versorgungszusage Abschläge vorzunehmen sind, die pro Monat … % der Leistung betragen. 4. Der Betrag für das Altersruhegeld ist auch Grundlage für nach Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung fällig werdende Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung. 5. Ihr unverfallbarer Anspruch auf Invaliden- und vorzeitige Hinterbliebenenleistungen nach §§ … unserer Versorgungszusage bestimmt sich nach dem grundsätzlich gleichen Rechenverfahren, das für das Altersruhegeld gilt, vorausgesetzt, dass bei Eintritt des Versorgungsfalles die Wartezeit erfüllt ist. Ihr Teilanspruch bzw. der Teilanspruch Ihrer Hinterbliebenen darauf beträgt ebenfalls … ./. … = … % der Leistung, die Sie oder Ihre Hinterbliebenen erhalten würden, wenn Sie nicht vorzeitig ausgeschieden wären. Der gegenwärtig erreichte unverfallbare Anspruch auf eine Invalidenrente beträgt (nach Vollendung der Wartezeit) Euro … Wir bitten Sie, sich zu gegebener Zeit wegen des Altersruhegeldes an uns zu wenden. Das Gleiche gilt entsprechend für einen etwaigen Anspruch auf Invaliden- und Hinterbliebenenleistungen. Den Empfang dieser Auskunft bitten wir auf der beigefügten Zweitschrift zu bestätigen. Irrtümer bleiben vorbehalten.5 … (Ort/Datum)

… (Unterschrift des Arbeitgebers)

2 Sieht die Versorgungszusage eine andere Altersgrenze vor, so ist diese einzusetzen. 3 Sog. „m/n-Verfahren“. Dabei wäre ggf. auch eine andere Altersgrenze zu berücksichtigen. 4 Im Muster ist der Rechenweg sehr ausführlich dargestellt. Nach dem Gesetz ist eine derart detaillierte Auskunft nicht erforderlich; es reicht die Mitteilung des Endbetrags der Rente. 5 Wichtig: Die Auskunft dient grundsätzlich nur der Information des Mitarbeiters. Mit der Auskunft wird zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber kein selbständiges Schuldverhältnis begründet. Die Auskunft ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis (BAG v. 9.12.1997 – 3 AZR 695/96, DB 1998, 2331). Es schadet aber nichts, dies zur Klarstellung in der Auskunft ausdrücklich zu vermerken. Aus der Unverbindlichkeit der Auskunft ergibt sich im Übrigen, dass es bei Streit über die Höhe der aufrechtzuerhaltenden Anwartschaft keinen Sinn macht, auf Änderung der Auskunft zu klagen (so aber noch das Muster bei Schaub, Beck’sches Prozessformularbuch, 9. Aufl. 2002, IV A 14, S. 1436). Ein Obsiegen im Prozess nützt nämlich dem Arbeitnehmer gar nichts, da die erstrittene geänderte Auskunft nach § 4a BetrAVG nicht konstitutiv wäre. Abgesehen davon darf nach der Rechtsprechung des BAG (v. 9.12.1997, DB 1998, 2331) der Arbeitgeber bei der Auskunft so lange von den seiner Ansicht nach geltenden Regelungen ausgehen, wie nicht der Inhalt der Versorgungsansprüche durch Einigung der Parteien oder rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in der Sache anders festgestellt ist.

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Diller

M 18.6

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Zusatz für Duplikat: Ich bestätige, diese Auskunft nach § 4a BetrAVG erhalten zu haben. … (Ort/Datum)

M 18.6

… (Unterschrift des Arbeitnehmers)

Abfindungsverlangen des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 2 BetrAVG

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wie Sie aus unserer Bescheinigung vom … nach § 4a des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) über die Höhe Ihrer unverfallbaren Ansprüche aus unserer betrieblichen Altersversorgung ersehen, beträgt Ihr unverfallbarer Anspruch auf eine Altersrente, die im Alter … einsetzt, Euro … monatlich. Der Gesetzgeber hat in § 3 Abs. 2 BetrAVG vorgesehen, dass so genannte „Kleinrenten“1 auf Verlangen des Arbeitgebers durch Zahlung einer einmaligen Abfindung abgelöst werden können, wenn die monatliche Rente geringer ist als 1 % der Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV.2 Diese Grenze liegt derzeit bei Euro … Da Ihre Rente niedriger ist,3 machen wir zur Reduzierung unseres Verwaltungsaufwandes von dieser Abfindungsmöglichkeit Gebrauch. Der gemäß § 4 Abs. 5 BetrAVG versicherungsmathematisch ermittelte Abfindungsbetrag Ihrer Anwartschaft beträgt Euro … Diesen Betrag werden wir innerhalb der nächsten zwei Wochen nach Abzug der anfallenden Steuern4 auf das uns bekannte frühere Gehaltskonto überweisen. Bitte teilen Sie uns mit, wenn dieses Konto nicht mehr besteht. Mit der Auszahlung des Abfindungsbetrages sind Ihre Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung gegen unser Unternehmen endgültig erledigt. Sie können die Abfindung Ihrer Anwartschaft vermeiden, wenn Sie von Ihrem Recht auf Übertragung der Anwartschaft nach § 4 Abs. 3 BetrAVG auf Ihren neuen Arbeitgeber Gebrauch machen. Bitte teilen Sie uns innerhalb der nächsten zwei Wochen mit, ob Sie dies wollen.5 1 Nach § 3 BetrAVG ist die Abfindung von Kleinstanwartschaften, bei denen der laufende Monatsbetrag 1 % der Bezugsgröße gem. § 18 SGB IV nicht übersteigt, auch gegen den Willen des Arbeitnehmers zulässig. Ab 1.1.2018 gilt dies aufgrund der Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie nicht mehr, wenn der Arbeitnehmer in einen anderen EU-Mitgliedstaat umzieht (§ 3 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG nF). Die Abfindung kann schon beim Ausscheiden, während des Anwartschaftszeitraums oder erst mit Rentenbeginn erfolgen. Maßgeblich für die Berechnung des Abfindungsbetrages ist § 3 Abs. 2 BetrAVG; entgegen dem Wortlaut von § 3 Abs. 2 BetrAVG kommt es für die Bemessung auf den Barwert im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis an (Blomeyer/Rolfs/Otto, § 3 Rz. 83; Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 260). Unklar ist noch, auf welche Weise der Arbeitgeber das Abfindungsverlangen durchsetzen muss. Unseres Erachtens ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls auf Zustimmung zu einem Abfindungsvertrag verklagt mit der Folge, dass erst mit Rechtskraft des Urteils gem. § 894 ZPO die Abfindungsvereinbarung zustande kommt. Das wäre insbesondere misslich, wenn der Arbeitgeber erst bei Erreichen der Altersgrenze mit dem Abfindungsverlangen an den Arbeitgeber herantritt, da dann während des Prozesses die laufenden Renten weiter gezahlt werden müssten, was dann ggf. eine Rückabwicklung erfordern würde. Vorzugswürdig ist deshalb die Auffassung, dass § 3 Abs. 2 BetrAVG dem Arbeitgeber ein einseitiges Gestaltungsrecht einräumt. 2 Bei Kapitalleistungen beträgt die Abfindungsgrenze 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. 3 Für die Frage, ob die Abfindungsgrenzen erreicht sind, ist auf den Abfindungszeitpunkt abzustellen, nicht auf den Ausscheidenszeitpunkt (Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 260). 4 Für den Abfindungsbetrag dürfte der besondere Steuersatz nach §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG (Fünftelung) zum Zuge kommen (Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 259). Nach der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg v. 24.3.2015 – L 11 R 1130/14, BeckRS 2015, 69793 ist der Abfindungsbetrag nicht sozialversicherungspflichtig. 5 Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Abwendungsmöglichkeit ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Es ist Sache des Arbeitnehmers, sich über seine Rechte zu informieren. Der Hinweis auf § 4 Abs. 3 BetrAVG ist entbehrlich, wenn dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, also der Übertragungswert der

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.7

Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) Anwartschaft höher ist als die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (Nr. 2) oder die betriebliche Altersversorgung in einer anderen Form als über Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung durchgeführt worden ist (Nr. 1).

M 18.7

Verlangen auf Übertragung von Versorgungsansprüchen ausgeschiedener Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 3 BetrAVG auf den neuen Arbeitgeber

Sehr geehrte Damen und Herren, das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) sieht in § 4 Abs. 3 die Möglichkeit vor, die Versorgungsverpflichtung auf den neuen Arbeitgeber zu übertragen. Von dieser Möglichkeit mache ich hiermit Gebrauch. Bitte berechnen Sie den Übertragungswert gemäß § 4 Abs. 5 BetrAVG und setzen Sie sich mit meinem neuen Arbeitgeber, der Firma … AG, in Verbindung, um die Einzelheiten der Übertragung zu vereinbaren.1 1 Der Anspruch auf Übertragung („Portabilität“) setzt voraus, dass der Übertragungswert der Anwartschaft die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung nicht übersteigt und die betriebliche Altersversorgung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt wurde (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BetrAVG). Die Zustimmung des neuen Arbeitgebers ist nicht erforderlich, dieser muss auf Wunsch des Arbeitnehmers die übertragene Versorgung seinerseits über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchführen und dem Arbeitnehmer eine dem Übertragungswert wertgleiche Zusage erteilen (§ 4 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG).

M 18.8

Dreiseitige Vereinbarung zur Übertragung des Anwartschaftsbarwerts auf den neuen Arbeitgeber

Vereinbarung zwischen … (Arbeitnehmer) und … (bisheriger Arbeitgeber)1 sowie … (neuer Arbeitgeber)

Präambel Der Arbeitnehmer hat beim (bisherigen Arbeitgeber) eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Versorgungszusage vom … erworben. Der Anwartschafts-

1 Wichtig: Die dreiseitige Vereinbarung hat nur dann zugunsten des bisherigen Arbeitgebers befreiende Wirkung, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Die schuldbefreiende Übertragung der Versorgungsansprüche auf den künftigen Arbeitgeber ist deshalb nicht möglich, wenn das Arbeitsverhältnis noch läuft, insbesondere in einem Aufhebungsvertrag (BAG v. 24.2.2011, NZA-RR 2012, 148).

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M 18.9

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

barwert beträgt zum Ausscheidenstermin Euro …2 Eine Kopie der Berechnung des Anwartschaftsbarwerts durch das Pensionsgutachterbüro … ist als Anlage 1 beigefügt.3 Die Parteien vereinbaren, dass dieser Barwert gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG vom (neuen Arbeitgeber) übernommen wird. Dafür wird Folgendes vereinbart: 1. Der (bisherige Arbeitgeber) zahlt binnen 14 Tagen nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung den Betrag von Euro … (Anwartschaftsbarwert gemäß § 4 Abs. 5 BetrAVG) an den (neuen Arbeitgeber), die Zahlung erfolgt netto auf das Konto Nr. … bei der …-Bank. 2. Der (neue Arbeitgeber) erteilt dem Arbeitnehmer eine Versorgungszusage nach Maßgabe der Anlage 2 dieser Vereinbarung. Der Wert der sich aus dieser Zusage ergebenden Anwartschaft entspricht dem Übertragungswert nach § 4 Abs. 5 BetrAVG.4 Die Versorgungsanwartschaft ist sofort unverfallbar.5 3. Mit der Zahlung des Betrages nach Ziff. 1 sind sämtliche Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den (bisherigen Arbeitgeber) auf betriebliche Altersversorgung erledigt. Der (bisherige Arbeitgeber) erteilt dem Arbeitnehmer bzw. dem (neuen Arbeitgeber) sämtliche Auskünfte und stellt Kopien sämtlicher Unterlagen zur Verfügung, die für die Abwicklung der Versorgung von Bedeutung sind.6 (Unterschriften) 2 Diese Berechnungsgrundlage schreibt § 4 Abs. 5 BetrAVG ausdrücklich vor. 3 Die Beifügung ist nicht erforderlich, aber zur Vermeidung ärgerlicher Rechtsstreitigkeiten sinnvoll. 4 Die Übertragungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG ist nur davon abhängig, dass die Zusage des neuen Arbeitgebers wertgleich ist. Weder muss die Versorgungszusage identisch sein, noch muss der neue Arbeitnehmer sich des gleichen Durchführungsweges bedienen wie der alte Arbeitgeber. Der Übertragung steht also beispielsweise nicht entgegen, wenn der alte Arbeitgeber betriebliche Altersversorgung in Form von Direktzusagen erbracht hat, während der neue Arbeitgeber dies über eine Unterstützungskasse oder eine Lebensversicherung tut. 5 Die Regelung ist deklaratorisch, aber gleichwohl sinnvoll. Aufgrund der Verweisung in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG auf die Regelung über die Entgeltumwandlung gilt ohnehin § 1b Abs. 5 BetrAVG, wonach bei Altersversorgung durch Entgeltumwandlung sofortige Unverfallbarkeit besteht. 6 Das Muster betrifft den Fall der einvernehmlichen Übernahme der Versorgungslasten durch den neuen Arbeitgeber bei inhaltlicher Änderung der Zusage nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG. Davon zu unterscheiden ist die Übernahme der inhaltlich unveränderten Zusage durch den neuen Arbeitgeber nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG (s. M 18.9). Bei bestimmten Formen der mittelbaren Versorgungszusage (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) hat der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegen den bisherigen Arbeitgeber auf Übertragung (§ 4 Abs. 3 BetrAVG), s. M 18.7.

M 18.9

Dreiseitige Vereinbarung zur Übernahme der Versorgungszusage durch den neuen Arbeitgeber

Vereinbarung1 zwischen … (Arbeitnehmer) und 1 Die Übernahme der Zusage gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nach vorliegendem Muster ist zu unterscheiden von der Übertragung des Werts der beim alten Arbeitgeber erworbenen Anwartschaft auf den neuen Arbeitgeber nebst Erteilung einer neuen Zusage nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG (s. M 18.8). Der unveränderte Eintritt des neuen Arbeitgebers in die bisherige Versorgungszusage nach Nr. 1 kommt praktisch nur in Konzernen vor. Deshalb hat der Gesetzgeber auch offengelassen, ob und in welchem Umfang bei Übernahmen nach Nr. 1 ein interner finanzieller Ausgleich zwischen altem Arbeitgeber und neuem Arbeitgeber erfolgt. Die besonderen Regelungen des § 4 Abs. 3 bis 6 BetrAVG gelten nur für die Übertragung des Anwartschaftsbarwerts nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG (M 18.8).

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.10

… (bisheriger Arbeitgeber) sowie … (neuer Arbeitgeber)

Präambel Der Arbeitnehmer hat beim (bisheriger Arbeitgeber) eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Versorgungszusage vom … erworben. Das Arbeitsverhältnis mit dem (bisheriger Arbeitgeber) endet am 31.12. … Per 1.1. … wechselt der Arbeitnehmer zur konzernangehörigen Gesellschaft (neuer Arbeitgeber) zu unveränderten Konditionen und unter Anrechnung seiner bisherigen Betriebszugehörigkeit. In diesem Zusammenhang vereinbaren die Parteien die Übernahme der Versorgungszusage durch den (neuer Arbeitgeber) nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG. Dafür wird Folgendes vereinbart: 1. Mit Wirkung ab 1.1. … tritt der (neuer Arbeitgeber) in alle Rechte und Pflichten aus der Versorgungszusage vom … ein, dies gilt auch im Hinblick auf die beim (bisheriger Arbeitgeber) erdienten Anwartschaften. Die Versorgungszusage bleibt unverändert bestehen. 2. Der (bisherige Arbeitgeber) wird aus der Versorgungszusage vom … mit Wirkung ab 31.12. … frei, sämtliche Versorgungsansprüche des Arbeitnehmers richten sich künftig ausschließlich gegen den (neuer Arbeitgeber). (Unterschriften)

M 18.10

Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung

Zwischen der Y-GmbH (im Folgenden: Gesellschaft) vertreten durch die Gesellschafter … und Herrn/Frau … (im Folgenden: Geschäftsführer) wird Folgendes vereinbart: 1. Der Geschäftsführer hat eine Pensionszusage vom … Zur Erfüllung der Ansprüche aus dieser Pensionszusage hat die Gesellschaft bei der X-Versicherungs-AG eine Rückdeckungsversicherung (Versicherungsschein Nr. …) abgeschlossen. 2. Zur Sicherung aller Ansprüche des Geschäftsführers und seiner Hinterbliebenen aus der Pensionszusage verpfändet1 die Gesellschaft hiermit ihre Rechte und Ansprüche auf die im Versicherungsschein genannten Leistungen an den Geschäftsführer.2 1 Die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung dient dem Schutz des Geschäftsführers vor einer Insolvenz der Gesellschaft. Die Verpfändung ist nur notwendig, wenn und soweit der gesetzliche Insolvenzschutz gem. § 7 BetrAVG über den Pensionssicherungsverein nicht greift. Das ist zum einen der Fall, wenn die Pensionsansprüche des Geschäftsführers nach den Regelungen im Pensionsvertrag schon vor Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen gem. § 1b BetrAVG unverfallbar sein sollen. Denn der Pensionssicherungsverein ist an vertragliche Unverfallbarkeitsregelungen nicht gebunden und sichert nur solche Pensionsansprüche gegen Insolvenz, bei denen die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1b BetrAVG erfüllt sind. Des Weiteren ist die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung zur Insolvenzsicherung erforderlich, wenn der Geschäftsführer aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft nicht in den persönlichen Geltungsbereich des BetrAVG und damit unter den gesetzlichen Insolvenzschutz fällt. Unter den persönlichen Geltungsbereich des BetrAVG fällt ein Geschäftsführer grundsätzlich nicht, wenn er Alleingesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter ist. Aber auch ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer unterfällt nicht dem persönlichen Geltungsbereich des BetrAVG (§ 17 Abs. 1

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M 18.11

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

3. Gerät die Gesellschaft mit einer Leistung aus der Pensionszusage trotz Mahnung länger als vier Wochen in Rückstand, so ist der Geschäftsführer nach §§ 1282, 1283 BGB berechtigt, sich aus der verpfändeten Rückdeckungsversicherung zu befriedigen.3 Sofern Leistungen aus der Rückdeckungsversicherung zu einem Zeitpunkt fällig werden, in dem die Gesellschaft mit den ihr obliegenden Leistungen der Pensionszusage noch nicht länger als vier Wochen im Rückstand ist, erfolgt die Zahlung der Versicherungsleistung an Geschäftsführer und Gesellschaft gemeinschaftlich. Der Auszahlungsbetrag wird dann verzinslich angelegt, wobei dem Geschäftsführer ein Pfandrecht bestellt wird.4 4. Die Gesellschaft wird die Verpfändung unverzüglich der X-Versicherungs-AG anzeigen5 und um eine Empfangsbestätigung bitten. Die Bestätigung der X-Versicherungs-AG, dass die Verpfändung angezeigt wurde, wird dem Geschäftsführer unverzüglich ausgehändigt. … (Geschäftsführer)

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… (Gesellschaft)

Satz 2 BetrAVG), wenn er zusammen mit einem anderen Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer die Stimmenmehrheit hat. Ein nicht an der Gesellschaft beteiligter Geschäftsführer fällt dagegen stets unter das BetrAVG. Die Einzelheiten sind außerordentlich kompliziert und sehr streitig (dazu ausf. Diller in Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Kap 4 B Rz. 42 ff.). Des Weiteren ist die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung angezeigt, wenn die Höhe der Rente die Grenze der gesetzlichen Insolvenzsicherung überschreitet. Diese Grenze liegt gem. § 7 Abs. 3 BetrAVG beim Dreifachen der monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 SGB IV (derzeit knapp Euro 9 000,– pro Monat). Die Verpfändung führt nicht dazu, dass die Versicherungsbeiträge dem Geschäftsführer als geldwerter Vorteil zuzurechnen sind, was eine Einkommensteuerpflicht auslösen würde. Die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung führt im Insolvenzfall dazu, dass dem Geschäftsführer ein sog. Absonderungsrecht zusteht. Er kann die Rückdeckungsversicherung also aus der Insolvenz der Gesellschaft „herausziehen“. Wichtig: Die Verpfändung ist grundsätzlich insolvenzfest, soweit die Verpfändung vor Eintritt der Krise erfolgte (im Einzelnen: Höfer, Kap. 12 Rz. 65 ff.). Regelmäßig nicht zum Ziel führt dagegen eine Abtretung der Rückdeckungsversicherung. Eine unbedingte Abtretung, die insolvenzfest wäre, würde steuerlich dem Geschäftsführer zugeordnet werden. Würde dagegen die Abtretung nur bedingt vorgenommen, wäre sie zwar steuerrechtlich unbedenklich, hätte aber insolvenzrechtlich keinen Bestand (Höfer, Kap. 12 Rz. 85). Wichtig: Die Anzeige bei der Versicherung ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verpfändung (§ 1280 BGB). Der Geschäftsführer sollte deshalb darauf bestehen, dass der Eingang der Anzeige bei der Versicherung ihm gegenüber dokumentiert wird.

M 18.11

Klage auf Rentenzahlung gegen Unterstützungskasse

An das Arbeitsgericht In Sachen … gegen 1. Unterstützungseinrichtung1 der Firma … e.V.,2 1 Ohne Bedeutung ist es, wenn in der Satzung oder dem Leistungsplan der Unterstützungskasse ausdrücklich geregelt ist, dass auf die Leistungen kein Rechtsanspruch bestehen soll (der Ausschluss des Rechtsanspruchs ist das – steuerlich bedingte – Wesensmerkmal der Unterstützungskasse). Die Rechtsprechung versteht den Ausschluss des Rechtsanspruchs nur als einen Widerrufsvorbehalt, der an strenge Voraussetzungen geknüpft ist. Der Ausschluss des Rechtsanspruchs steht also einer Leistungsklage auf Zahlung gegen die Unterstützungskasse nicht entgegen. 2 Wichtig: Wickelt ein Unternehmen seine betriebliche Altersversorgung über eine rechtlich selbständige Unterstützungseinrichtung („Unterstützungskasse“, „Gefolgschaftshilfe“ etc.) ab, die meist in der Rechtsform eines e.V. oder einer GmbH organisiert ist, so ist häufig fraglich, ob der Arbeitnehmer die Unterstüt-

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.11

2. die Firma … AG (Adresse)3 vertreten durch den Vorstand … (Name, Adresse) vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, Euro 100,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 50,– seit dem 1.2.2017 sowie aus weiteren Euro 50,– seit dem 1.3.2013 an den Kläger zu zahlen.4, 5 2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, künftig6 an jedem Monatsletzten7 Euro 50,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit diesem Tage8 an den Kläger zu zahlen, beginnend mit dem 31.3.2013.9

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zungskasse oder den Arbeitgeber oder beide verklagen muss. Eine Umstellung der Klage während des Prozesses scheidet regelmäßig aus. Eine Rubrumsberichtigung ist ebenfalls nicht möglich, da es nicht um die korrekte Parteibezeichnung geht, sondern um die Frage, wer überhaupt Partei ist. Deswegen ist es außerordentlich wichtig, vor Klageerhebung sorgfältig zu prüfen, wer richtiger Beklagter ist. Im Regelfall ist die Unterstützungskasse (auch) richtige Beklagte. Allerdings ist die Unterstützungskasse grundsätzlich nur im Rahmen ihres Leistungsplans verpflichtet. Schließt dieser Leistungsplan unter Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bestimmte Personengruppen aus, so haben diese einen Anspruch auf Versorgung auf der Grundlage des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots nicht nur gegen den Arbeitgeber, sondern auch gegen die Unterstützungskasse (BAG v. 10.12.2002, NZA 2004, 321). Sind beispielsweise unter Verstoß gegen § 4 TzBfG Teilzeitkräfte ausgeschlossen worden oder ist nur Witwenversorgung, nicht aber Witwerversorgung vorgesehen, so können die in der Versorgungsordnung nicht vorgesehenen Ansprüche unmittelbar sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber der Unterstützungskasse geltend gemacht werden. Etwas anderes gilt zB, wenn sich nach dem Leistungsplan der Unterstützungskasse die Berechnung der Renten nur nach der tatsächlichen Dienstzeit richten soll, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber aus individuellen Gründen die Anrechnung von Vordienstzeiten zugesagt hat. Hier muss der Arbeitnehmer hinsichtlich des sich aus dem Leistungsplan der Unterstützungskasse ergebenden Teils des Rentenanspruchs die Unterstützungskasse in Anspruch nehmen. Hinsichtlich des Erhöhungsbetrages, der sich durch die Anrechnung der Vordienstzeiten ergibt, ist dagegen unmittelbar und ausschließlich der Arbeitgeber einstandspflichtig und deshalb zu verklagen. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich im Zusammenhang mit Betriebsübergängen nach § 613a BGB, da sich hier Unterstützungskassenansprüche umwandeln können in unmittelbare Ansprüche gegen den neuen Arbeitgeber (Diller, BetrAV 2011, 348). Die Unterstützungskasse kann auch dann noch verklagt werden, wenn sie aufgelöst worden ist. Denn eine juristische Person, die ohne Liquidation aufgelöst wird, gilt für schwebende Verpflichtungen oder Prozesse als fortbestehend (BAG v. 10.11.1977, AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG haftet der Arbeitgeber subsidiär gegenüber dem Arbeitnehmer, falls die Unterstützungskasse die von ihr geschuldeten Leistungen nicht erbringt (zB weil sie keine finanziellen Mittel mehr hat). Deshalb kann nach der neueren Rechtsprechung des BAG der Arbeitgeber neben der Unterstützungskasse gesamtschuldnerisch mitverklagt werden, wenn die Unterstützungskasse nicht leistet (BAG v. 31.7.2007, AP Nr. 27 zu § 7 BetrAVG Widerruf). Für eine Klage gegen den Arbeitgeber ist nicht Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer zuvor einen Titel gegen die Unterstützungskasse erstritten hat und Vollstreckungsversuche dort erfolglos waren. Es reicht aus, wenn die Unterstützungskasse außergerichtlich die Zahlung ausdrücklich verweigert oder auch nur auf eine entsprechende Zahlungsaufforderung nicht reagiert hat. Praxistipp: Nach der Änderung der Rechtsprechung sollten im Zweifel immer Arbeitgeber und Unterstützungskasse gesamtschuldnerisch verklagt werden. Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. Zur Frage, ob statt der Leistungsklage auch eine Feststellungsklage zulässig wäre, s. M 18.12. Bei wiederkehrenden Leistungen, die – wie Betriebsrentenansprüche – von keiner Gegenleistung abhängen, können nach § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (BAG v. 26.10.2010 – 3 AZR 502/08, NZA-RR 2011, 336). Der Antrag ist so zu verstehen, dass der Kläger nur Zahlung an sich selbst (und nicht an seine Hinterbliebenen) verlangt, so dass die Zahlungspflicht denklogisch auf die Dauer seines Lebens begrenzt ist. Diese

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Diller

M 18.11

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Begründung: Die Bekl. Ziff. 1 ist die Unterstützungskasse der Bekl. Ziff. 2, sie wird in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins geführt. Bei der Bekl. Ziff. 1 gilt nach wie vor der Leistungsplan vom … Dieser Leistungsplan sieht in Übereinstimmung mit § 1b BetrAVG vor, dass nach fünfjähriger Betriebszugehörigkeit Ansprüche auf Versorgungsleistungen aus dem Leistungsplan der Bekl. Ziff. 1 unverfallbar werden. Beweis: Leistungsplan der Bekl. Ziff. 1 vom …, Anlage K 1 Der Kl. stand vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2008 in einem Anstellungsverhältnis zur Bekl. Ziff. 2. Damit hat der Kl. eine fünfjährige Betriebszugehörigkeit aufzuweisen, die auch von Anfang an von einer Versorgungszusage begleitet war. Die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1b BetrAVG sind somit erfüllt. Der Kl. hat am 17.12.2016 die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, damit ist der Versorgungsfall im Sinne von § 2 des Leistungsplans der Bekl. Ziff. 1 eingetreten. Nach § 12 des Leistungsplans der Bekl. Ziff. 1 beginnen die Ruhegeldzahlungen in dem auf den Eintritt des Versorgungsfalls folgenden Monat, und zwar bei nachschüssiger Zahlungsweise. Die Bekl. Ziff. 1 wäre also verpflichtet gewesen, dem Kl. erstmals für den Monat Januar 2017 Ruhegeld zu zahlen, fällig am 31. des Monats. Das Ruhegeld beträgt gemäß § 8 des Leistungsplans Euro 50,– monatlich. Die Bekl. Ziff. 1 hat sich jedoch trotz schriftlicher Aufforderung geweigert, Ruhegeld zu zahlen. Sie hat in einem Schreiben an den Kl. vom … argumentiert, der Kl. habe nicht die für die Unverfallbarkeit erforderliche fünfjährige Betriebszugehörigkeit zurückgelegt. Es fehle ihm ein Tag. Der erste Tag des Dienstverhältnisses, der 1.1.2004, sei ein Feiertag gewesen. An diesem Tag habe der Kl. nicht gearbeitet. Folglich habe das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich erst am 2.1.2004 begonnen. Beweis: Schreiben der Bekl. vom …, Anlage K 2 Die Auffassung der Bekl. Ziff. 1 ist unrichtig. Nach einhelliger Auffassung kommt es auf die faktische Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht an, wenn vertraglich ein bestimmter Termin für den Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart war (wird ausgeführt). So lag es hier. In § 1 des Arbeitsvertrages des Kl. war ausdrücklich bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis am 1.1.2004 und nicht erst am 2.1.2004 beginnen sollte. Beweis: Anstellungsvertrag des Kl. vom …, Anlage K 3 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 werden die beiden rückständigen Raten für die Monate Januar und Februar 2017 geltend gemacht. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 werden im Wege der Klage auf künftige Leistung nach § 257 ZPO die weiteren Raten geltend gemacht. Das ist zulässig, da die Raten summenmäßig feststehen und auch zu einem kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt fällig werden. Die Bekl. Ziff. 2 kann nach der Rechtsprechung des BAG (v. 31.7.2007 – 3 AZR 373/06) gesamtschuldnerisch neben der Bekl. Ziff. 1 in Anspruch genommen werden, da die Bekl. Ziff. 1 auf die außergerichtliche Zahlungsaufforderung hin die Zahlung verweigert hat und damit die Subsidiärverpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG aufgelebt ist.

Einschränkung muss nicht ausdrücklich in den Klageantrag aufgenommen werden, der Antrag ist auch so hinreichend bestimmt (BAG v. 26.10.2010 – 3 AZR 502/08, NZA-RR 2011, 336). 8 Bei einer Klage auf zukünftige Leistungen können Prozesszinsen selbstverständlich erst ab der jeweiligen Fälligkeit verlangt werden. 9 Praxistipp: Wird die Klage auf Zahlungsrückstände kombiniert mit einer Klage auf zukünftige Leistungen, so wird der Kläger zweckmäßigerweise jeweils kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung die weiteren inzwischen fällig gewordenen Raten in den unmittelbaren Zahlungsantrag einbeziehen und den Beginn der für die Zukunft geforderten Zahlungen entsprechend zurückverlegen. Das erleichtert die Vollstreckung erheblich. Solche Klageänderungen sind nach § 264 ZPO jederzeit (also auch noch im Termin) ohne Einwilligung des Gegners möglich und sinnvoll.

Diller

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.12

… (Unterschrift)10 10 Hinsichtlich des Streitwerts ist zu beachten, dass § 42 Abs. 2 GKG (Vierteljahresbezug) nur für Kündigungsschutzsachen gilt, nicht aber für sonstige wiederkehrende Leistungen. Insoweit ist § 42 Abs. 1 GKG anwendbar, wonach der dreifache Jahresbezug (36 Monatsraten) maßgeblich ist (BAG v. 22.9.2015 – 3 AZR 391/13, BetrAV 2015, 612). Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG sind allerdings bis zur Klageerhebung entstandene Rückstände nicht hinzuzurechnen. Bei einer Feststellungsklage, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist, sind nach Auffassung des BAG (aaO) keine Abschläge gegenüber einer Leistungsklage zu machen.

M 18.12

Klage auf Feststellung einer Rentenanwartschaft

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir die Klägerin. Namens und im Auftrag der Klägerin erheben wir Klage und beantragen:3 Es wird festgestellt,4 dass die Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach dem Versorgungsplan der Beklagten5 vom … hat. 1 Klagen von Organmitgliedern wegen betrieblicher Altersversorgung gehören nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor die ordentlichen Gerichte, bei Arbeitnehmern dagegen ergibt sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Wird gegen eine Unterstützungs- oder Pensionskasse geklagt, ergibt sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus § 2 Abs. 1 Nr. 4b ArbGG. 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Wichtig: Nicht empfehlenswert ist es, statt einer Klage auf Feststellung oder Zahlung der Ansprüche den Arbeitgeber auf Ausstellung oder Korrektur einer Auskunft („Unverfallbarkeitsbescheinigung“) gem. § 4a BetrAVG (s. M 18.5) zu verklagen (so aber noch Schaub, Beck’sches Prozessformularbuch, 9. Aufl. 2002, Muster IV A 14, S. 1436). Zum einen könnte dann bei Obsiegen nur die Ausstellung der Bescheinigung vollstreckt werden, wogegen hinsichtlich der Zahlungspflicht selbst ein Vollstreckungstitel noch fehlen würde. Vor allem aber ist nach ständiger Rechtsprechung die Unverfallbarkeitsbescheinigung gem. § 4a BetrAVG nur ein deklaratorisches Anerkenntnis (s. die Erl. zu M 18.5). Aus der Bescheinigung selbst könnte also nicht auf spätere Leistung geklagt werden. Der Arbeitgeber könnte immer einwenden, die Bescheinigung sei – obwohl er sie aufgrund gerichtlichen Urteils erstellt hat – inhaltlich unrichtig (BAG v. 23.8.2011 – 3 AZR 669/09, NZA-RR 2012, 268). 4 Noch nicht abschließend geklärt ist, ob der Arbeitnehmer streitige Ansprüche auf Betriebsrente im Wege der Feststellungs- oder der Leistungsklage geltend machen muss. Nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts gilt grundsätzlich der Vorrang der Leistungsklage vor der Feststellungsklage. Kann der Kläger seinen Anspruch beziffern, so hat er grundsätzlich Leistungsklage zu erheben (statt aller: Stein/Jonas/ Schumann, § 256 ZPO Rz. 87 ff.). Bei Betriebsrenten kommt insbesondere eine Klage auf zukünftige Leistungen gem. §§ 257, 259 ZPO in Betracht (LAG Berlin v. 22.9.2000, NZA-RR 2001, 492). Kann der Kläger seine Ansprüche beziffern, fehlt es an dem für § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Leistungsklage ist der einfachere und schnellere Weg, da sie – anders als eine Feststellungsklage – zu einem vollstreckbaren Titel führt. Allerdings wird man beim Streit um das Bestehen von Betriebsrentenansprüchen dem Grunde nach eine Feststellungsklage jedenfalls dann für zulässig halten müssen, wenn der Versorgungsfall (Erreichen der Altersgrenze, Invalidität, Tod) noch nicht eingetreten ist und auch nicht in absehbarer Zeit eintreten wird. Gerade wenn bis zum Eintritt des Versorgungsfalls noch ein langer Zeitraum liegt, ist häufig noch nicht abschließend zu beziffern, wie hoch mögliche Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung sein werden. So mag beispielsweise die Invaliditätsleistung eine andere Höhe haben als die Altersrente bei Erreichen der Altersgrenze. Außerdem kann der Arbeitnehmer häufig noch nicht wissen, ob er schon vor Erreichen der Altersgrenze vorgezogene Altersrente nach § 6 BetrAVG

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M 18.13

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Begründung: Die Bekl. gewährt ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gemäß dem als Betriebsvereinbarung zustande gekommenen Versorgungsplan vom … Beweis: Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung, Anlage K 1 Die Kl. war bei der Bekl. vom … bis zum … beschäftigt, insgesamt also genau sechs Jahre. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit von Betriebsrentenansprüchen gemäß § 1b BetrAVG erfüllt, die Zusage hat mehr als fünf Jahre bestanden. Die Bekl. hat der Kl. jedoch mit Schreiben vom … mitgeteilt, sie habe keine Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung aus dem Versorgungsplan vom … Denn sie sei – was zutrifft – in der Zeit vom … bis zum … in Elternzeit gewesen. Diese drei Jahre seien von der Gesamt-Dienstzeit abzuziehen, so dass sich insgesamt nur drei Jahre ergäben. Damit seien die Voraussetzungen des § 1b BetrAVG nicht erfüllt. Die Auffassung der Bekl. ist unrichtig. Während der Elternzeit wird das Anstellungsverhältnis nicht unterbrochen, sondern es ruht nur kraft Gesetzes. Die Unverfallbarkeitsfristen des § 1b BetrAVG werden durch das Ruhen nicht unterbrochen (wird ausgeführt). … (Unterschrift)6 beantragt, und sich deshalb die Höhe der einzelnen Monatsrate ratierlich oder nach Maßgabe der Versorgungsordnung mindert. Auf jeden Fall zulässig ist die Feststellungsklage, wenn der Streit um das Bestehen von Versorgungsansprüchen schon während des Anstellungsverhältnisses entsteht, da gem. § 2 BetrAVG die Höhe der Rente von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt und diese bei Klageerhebung noch nicht feststeht. Ist allerdings der Versorgungsfall bereits eingetreten, so wird eine Feststellungsklage regelmäßig unzulässig sein, der Arbeitnehmer muss dann Leistungsklage erheben, ggf. (auch) auf zukünftige Leistungen. 5 Das Muster betrifft die Klage gegen den Arbeitgeber. Besonderheiten gelten für Klagen gegen den Pensionssicherungsverein (PSV) als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung nach §§ 7 ff. BetrAVG. Nach der Rechtsprechung des BGH (v. 25.10.2004 – II ZR 413/02, NZA 2005, 782) kann die Frage der Eintrittspflicht des PSV ebenfalls vorab durch Feststellungsklage geklärt werden (die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich dann aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbGG). Das soll sogar dann gelten, wenn der Sicherungsfall (insbesondere Insolvenzeintritt) noch gar nicht eingetreten ist, sofern jedenfalls die Insolvenz eine nicht nur ganz fern liegende Möglichkeit ist. Die Feststellungsklage sei auch nicht deshalb unzulässig, weil bis zum Eintritt des Versorgungsfalls gewartet und dann eine Leistungsklage erhoben werden könnte. Denn es sei zu erwarten, dass sich der PSV als Beliehener auch einer Feststellungsklage beugen werde (BGH v. 25.10.2004, NZA 2005, 782). 6 Hinsichtlich des Streitwerts s. zunächst die Erläuterungen bei M 18.11 Fn. 10. Bei einer positiven Feststellungsklage vor Eintritt des Versorgungsfalls sind als Streitwert 70% des Dreijahresbetrags der Rente anzusetzen (BAG v. 22.9.2015 – 3 AZR 391/13, BetrAV 2015, 612).

M 18.13

Schreiben an den Arbeitnehmer wegen unterbliebener Anpassung nach § 16 BetrAVG mit Belehrung

X-GmbH Die Geschäftsleitung Per Einwurf-Einschreiben1 Sehr geehrte(r) Herr/Frau …,

1 Wichtig: Die Versendung per Einwurf-Einschreiben (nicht: Übergabe-Einschreiben!) ist erforderlich, da ansonsten der Arbeitgeber den Zugang des Hinweises auf die Folgen der Fristversäumung gem. § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG nicht dokumentieren kann.

Diller

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Kap. 18

Betriebliche Altersversorgung

M 18.13

Ihre laufende Betriebsrente ist letztmals am 1.7.2013 an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst worden. Das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) sieht vor, dass der Arbeitgeber alle drei Jahre2 über eine Anpassung von Betriebsrenten zu entscheiden hat. Wir sehen uns leider nicht imstande, Ihre Rente zum 1.7.2016 turnusgemäß erneut anzuheben. Die wirtschaftliche Lage unseres Unternehmens hat sich seit 2013 erheblich verschlechtert. Die Jahre 2013, 2014 und 2015 haben mit Verlust abgeschlossen. Für das Jahr 2016 erwarten wir allenfalls ein ausgeglichenes Ergebnis. Gewinne werden jedoch aller Voraussicht nach weder im Jahr 2016 noch im Jahr 2017 und 2018 erwirtschaftet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Unternehmen nur dann zur Anpassung von Betriebsrenten verpflichtet, wenn es die zur Anpassung erforderlichen Beträge – nach Abzug einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung – aus den erwirtschafteten Erträgen aufbringen kann. Das ist bei uns nicht der Fall.3 Für unsere Entscheidung bitten wir um Verständnis. Jede andere Entscheidung würde die noch bestehenden Arbeitsplätze gefährden. Der guten Ordnung halber weisen wir Sie auf die Regelung des § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG hin.4 Nach dieser Regelung können Sie später mit dem Einwand, unser Unternehmen hätte entgegen der vorliegenden Mitteilung die Betriebsrente zum 1.7.2016 erhöhen müssen, nicht mehr gehört werden, wenn Sie unserer Entscheidung nicht binnen drei Kalendermonaten nach ihrem Zugang schriftlich widersprechen. 2 Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Nach § 16 Abs. 2 BetrAVG ist es in jedem Fall ausreichend, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens. Der Arbeitgeber ist zur Anpassung nicht verpflichtet, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, die Anpassungsbeträge aus den laufenden Gewinnen nach Abzug einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung und eines Risikozuschlages aufzubringen. 3 Im Beispielsfall kann die Darlegung der wirtschaftlichen Lage kurz ausfallen, da bei anhaltender Verlustsituation unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Anpassung der laufenden Renten in Betracht kommt. Schwieriger wird es hingegen, wenn das Unternehmen noch in gewissem Umfang Gewinn erwirtschaftet, dieser jedoch nach den vom BAG entwickelten Grundsätzen keine angemessene Eigenkapitalverzinsung darstellt oder wenn zunächst aufgezehrtes Eigenkapital wieder aufgefüllt werden soll. Hier können je nach den Umständen umfangreiche Darlegungen erforderlich sein (BAG v. 11.10.2011 – 3 AZR 732/09, NZA 2012, 337). 4 Hat der Arbeitgeber zu Recht die Anpassung zu einem bestimmten Stichtag wegen schlechter wirtschaftlicher Lage unterlassen, braucht er die unterbliebene Anpassung später nicht mehr nachzuholen, auch wenn sich seine wirtschaftliche Lage wieder gebessert hat. Würde sich beispielsweise in dem Fall, der obigem Muster zugrunde liegt, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens bis zum nächsten Anpassungstermin im Jahr 2019 wieder erheblich verbessern, so müsste das Unternehmen gleichwohl nur den Anstieg der Lebenshaltungskosten in der Zeit zwischen 2016 und 2019 ausgleichen, nicht aber auch den Anstieg der Lebenshaltungskosten zwischen 2013 und 2016, weil die Anpassung zum Stichtag 2016 zu Recht unterblieben ist. Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG ist eine nachholende Anpassung auch dann nicht erforderlich, wenn zwar die Anpassung zum vorangegangenen Stichtag zu Unrecht unterblieben ist, der Arbeitgeber aber das Verfahren nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG eingehalten hat. Dazu muss er den Versorgungsberechtigten schriftlich über die unterbliebene Anpassung informieren und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens darlegen. Weiter muss der Arbeitgeber den Versorgungsempfänger darauf hinweisen, dass er sich auf die unterbliebene Anpassung später nicht mehr berufen kann, wenn er nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang schriftlich widerspricht. Unklar ist, wie eingehend die wirtschaftliche Lage des Unternehmens geschildert werden muss. Macht das Unternehmen Verluste, so wird der Hinweis darauf ausreichen. Schwieriger ist es, wenn das Unternehmen zwar Gewinne macht, diese Gewinne aber nach Abzug einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung nicht zu einer vollständigen Anpassung ausreichen. In einem solchen Fall muss der Arbeitgeber ausführlicher darlegen, welche Eigenkapitalverzinsung er für angemessen hält und von welcher Unternehmenswertentwicklung und Ertragssituation er für die Zeit nach dem Anpassungsstichtag ausgeht (BAG v. 11.10.2011 – 3 AZR 732/09, NZA 2012, 337). Die förmliche Information und Belehrung nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG ist allerdings nur dann von Bedeutung, wenn der Arbeitgeber die Anpassung zu Unrecht verweigert. Hat er dagegen wegen schlechter wirtschaftlicher Lage die Anpassung zu Recht verweigert, kann der Versorgungsberechtigte später nicht ein Nachholen der Anpassung verlangen, auch wenn das Verfahren nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG nicht durchgeführt wurde (unzutreffend: Doetsch/Förster/Rühmann, DB 1998, 263).

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Diller

M 18.14

Betriebliche Altersversorgung

Kap. 18

Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift)

M 18.14

Klage nach § 16 BetrAVG auf Anpassung der Rente

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt,2 Euro 80,– nebst Zinsen3 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 40,– seit dem 1.2.2017 sowie aus weiteren Euro 40,– seit dem 1.3.2017 an den Kläger zu zahlen.4 2. Die Beklagte wird verurteilt, künftig5 über Euro 400,– hinaus weitere Euro 40,– an jedem Monatsletzten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit diesem Tag an den Kläger zu zahlen, beginnend mit dem 31.3.2017.

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Unklar ist, ob die Anpassung im Wege der Feststellungsklage (Beck’sches Prozessformularbuch, Muster IV A 13) oder der Leistungsklage geltend zu machen ist. Es spricht viel dafür, dass eine Feststellungsklage (auf Feststellung der Anpassungspflicht oder auf eine summenmäßig bestimmte Erhöhung der Rente) nach allgemeinen Grundsätzen unzulässig ist, da ohne weiteres Leistungsklage erhoben werden kann, gem. § 257 ZPO auch auf zukünftige Leistungen (Klageantrag Ziff. 2). Allerdings braucht kein bezifferter Antrag gestellt zu werden, der Betriebsrentner kann vielmehr auch unbeziffert auf „angemessene Erhöhung“ klagen, das Urteil ist dann Gestaltungsurteil iSd.§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (BAG v. 15.1.2013 – 3 AZR 638/10, NZA 2014, 87). Praxistipp: Wenig sinnvoll erscheint eine Klage auf Auskunft über die Gründe für das Unterbleiben der Anpassung. Besser ist es, gleich auf Zahlung zu klagen und bei Darlegung ausreichender wirtschaftlicher Gründe für die Anpassungsvereinbarung die Klage erstinstanzlich zurückzunehmen. 3 Praxistipp: In der untergerichtlichen Praxis werden Zinsen auf die monatlichen Erhöhungsbeträge ab dem 1. oder 2. Tag des Auszahlungsmonats geltend gemacht und oft auch zugesprochen. Nach der Rechtsprechung des BAG hingegen (v. 28.6.2011 – 3 AZR 859/09, NZA 2011, 1285 und v. 11.10.2011 – 3 AZR 527/09, NZA 2012, 454) tritt Fälligkeit erst mit gerichtlicher Bestimmung des Anpassungsbetrages ein, so dass Zinsen erst ab dem Folgetag nach Rechtskraft (dh. nach Verkündung des BAG-Urteils) zu laufen beginnen. 4 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 5 Praxistipp: Teilweise wird empfohlen, den Klageantrag Ziff. 2 (Klage auf künftige Leistungen) auf den vollen (erhöhten) monatlichen Betrag zu richten (im vorliegenden Fall also auf Euro 440,–). Das erleichtert zwar die Vollstreckung, wenn der Arbeitgeber später aus irgendeinem Grund nicht einmal den früheren Rentenbetrag freiwillig zahlt (zB wegen Vermögensverfalls, Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen etc.), und deshalb besteht auch ein Rechtsschutzinteresse. Allerdings trägt der Arbeitnehmer hier wegen § 93 ZPO ein erhebliches Kostenrisiko. Wenn der Gegner sofort anerkennt, kann das Arbeitsgericht ihm 10/11 der Kosten auferlegen, wobei sich der Gegenstandswert nach § 42 GKG (ebenso wie die Beschwer nach §§ 5, 9 ZPO) nach der vollen eingeklagten Rente bemisst (BAG v. 14.2.2012 – 3 AZB 59/11, NZA 2012, 469).

Diller

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Kap. 19

Versetzung

Begründung: Der Kl. bezieht von der Bekl. seit dem … eine Betriebsrente in der rechnerisch unstreitigen Höhe von Euro 400,– monatlich. Gemäß § 16 BetrAVG hat die Bekl. alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Anpassungsverpflichtung gilt gemäß § 16 Abs. 2 BetrAVG als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens während des Prüfungszeitraums. Die Bekl. ist ihrer Anpassungspflicht des § 16 BetrAVG nicht nachgekommen. Auch auf eine entsprechende Aufforderung des Kl. vom … hat sie nicht reagiert. Der Verbraucherpreisindex ist innerhalb des dreijährigen Prüfungszeitraums vom 1.1.2014 bis 1.1.2017 um 10 % gestiegen (wird ausgeführt6). Folglich hätte die Bekl. die Rente zum Anpassungsstichtag 1.1.2017 von Euro 400,– auf Euro 440,– monatlich erhöhen müssen.7 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 werden die beiden rückständigen Erhöhungsbeträge für die Monate Januar und Februar 2017 geltend gemacht, die jeweils zum Monatsletzten fällig waren. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wird die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung der erhöhten Rente ab dem Monat März 2017 begehrt. Sollte sich die Bekl. darauf berufen, dass sie wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten iSd. § 16 Abs. 3 BetrAVG nicht oder nicht in vollem Umfang zur Anpassung verpflichtet sei, mag sie dies darlegen und ggf. beweisen.8 … (Unterschrift)9 6 Die Berechnungsformel für den Teuerungsanstieg lautet wie folgt: Verbraucherpreisindex am Anpassungsstichtag 100 :=: 100 ¼ x % Verbraucherpreisindex 3 Jahre zuvor 7 Der Arbeitnehmer muss sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Anpassung für die letzten drei Jahre geltend zu machen. Ist zu früheren Anpassungsstichtagen nicht oder nicht vollständig angepasst worden, so ist dies in die Berechnung des Teuerungsausgleichs zu späteren Anpassungsstichtagen einzubeziehen. Ggf. kann also der volle Teuerungsausgleich seit Rentenbeginn verlangt werden, wenn der Arbeitgeber nie angepasst hat. Eine Ausnahme besteht nur für solche Anpassungen, die – 1999 oder später fällig waren und – die entweder zu Recht nicht erfolgt sind oder bei denen der Arbeitnehmer einer Belehrung nach § 16 Abs. 4 BetrAVG (s. M 18.13) nicht widersprochen hat. Allerdings verwirkt der Anspruch auf Anpassung, wenn der Arbeitnehmer eine unterbliebene oder nicht ausreichende Anpassung nicht spätestens bis zum darauf folgenden Anpassungsstichtag gerügt hat oder nicht spätestens während des folgenden Anpassungszeitraums Klage erhoben hat (BAG v. 25.4.2006 – 3 AZR 372/05, BB 2006, 2645). 8 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Schlechtlage, die die Anpassungsverpflichtung ganz oder teilweise entfallen lässt, trägt der Arbeitgeber. 9 Nach § 42 Abs. 1 GKG beträgt der Streitwert den 36-fachen Betrag der begehrten Erhöhung, Rückstände werden bei Arbeitnehmern (anders bei Organmitgliedern!) nach § 42 Abs. 3 GKG nicht hinzugerechnet.

Kapitel 19

Versetzung

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I. Einführung 1. Individualarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . 9 a) Betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Zustimmungsverfahren . . . . . . . . . . 17 c) Folgen der fehlenden Zustimmung . . 22

766 Diller/Lingemann

d) Zustimmungsersetzungsverfahren . . . e) Vorläufige personelle Maßnahmen . .

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II. Muster Ausübung des Direktionsrechts und vorsorgliche Änderungskündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 19.1

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Kap. 19

Versetzung

Begründung: Der Kl. bezieht von der Bekl. seit dem … eine Betriebsrente in der rechnerisch unstreitigen Höhe von Euro 400,– monatlich. Gemäß § 16 BetrAVG hat die Bekl. alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Anpassungsverpflichtung gilt gemäß § 16 Abs. 2 BetrAVG als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens während des Prüfungszeitraums. Die Bekl. ist ihrer Anpassungspflicht des § 16 BetrAVG nicht nachgekommen. Auch auf eine entsprechende Aufforderung des Kl. vom … hat sie nicht reagiert. Der Verbraucherpreisindex ist innerhalb des dreijährigen Prüfungszeitraums vom 1.1.2014 bis 1.1.2017 um 10 % gestiegen (wird ausgeführt6). Folglich hätte die Bekl. die Rente zum Anpassungsstichtag 1.1.2017 von Euro 400,– auf Euro 440,– monatlich erhöhen müssen.7 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 werden die beiden rückständigen Erhöhungsbeträge für die Monate Januar und Februar 2017 geltend gemacht, die jeweils zum Monatsletzten fällig waren. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wird die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung der erhöhten Rente ab dem Monat März 2017 begehrt. Sollte sich die Bekl. darauf berufen, dass sie wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten iSd. § 16 Abs. 3 BetrAVG nicht oder nicht in vollem Umfang zur Anpassung verpflichtet sei, mag sie dies darlegen und ggf. beweisen.8 … (Unterschrift)9 6 Die Berechnungsformel für den Teuerungsanstieg lautet wie folgt: Verbraucherpreisindex am Anpassungsstichtag 100 :=: 100 ¼ x % Verbraucherpreisindex 3 Jahre zuvor 7 Der Arbeitnehmer muss sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Anpassung für die letzten drei Jahre geltend zu machen. Ist zu früheren Anpassungsstichtagen nicht oder nicht vollständig angepasst worden, so ist dies in die Berechnung des Teuerungsausgleichs zu späteren Anpassungsstichtagen einzubeziehen. Ggf. kann also der volle Teuerungsausgleich seit Rentenbeginn verlangt werden, wenn der Arbeitgeber nie angepasst hat. Eine Ausnahme besteht nur für solche Anpassungen, die – 1999 oder später fällig waren und – die entweder zu Recht nicht erfolgt sind oder bei denen der Arbeitnehmer einer Belehrung nach § 16 Abs. 4 BetrAVG (s. M 18.13) nicht widersprochen hat. Allerdings verwirkt der Anspruch auf Anpassung, wenn der Arbeitnehmer eine unterbliebene oder nicht ausreichende Anpassung nicht spätestens bis zum darauf folgenden Anpassungsstichtag gerügt hat oder nicht spätestens während des folgenden Anpassungszeitraums Klage erhoben hat (BAG v. 25.4.2006 – 3 AZR 372/05, BB 2006, 2645). 8 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Schlechtlage, die die Anpassungsverpflichtung ganz oder teilweise entfallen lässt, trägt der Arbeitgeber. 9 Nach § 42 Abs. 1 GKG beträgt der Streitwert den 36-fachen Betrag der begehrten Erhöhung, Rückstände werden bei Arbeitnehmern (anders bei Organmitgliedern!) nach § 42 Abs. 3 GKG nicht hinzugerechnet.

Kapitel 19

Versetzung

_ _ _ _ _

I. Einführung 1. Individualarbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . 9 a) Betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Zustimmungsverfahren . . . . . . . . . . 17 c) Folgen der fehlenden Zustimmung . . 22

766 Diller/Lingemann

d) Zustimmungsersetzungsverfahren . . . e) Vorläufige personelle Maßnahmen . .

_ _ 24 25

II. Muster Ausübung des Direktionsrechts und vorsorgliche Änderungskündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 19.1

_

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Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG wegen beabsichtigter Versetzung und Umgruppierung . . . . . . . . . M . . 19.2 Klage gegen Versetzung . . . . . . . . . . . . . M . . 19.3

Rz. 2 Kap. 19

_

Klage auf Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . M . . 19.4

Literatur: Boemke, Zustimmungsverweigerung bei Einstellung und Versetzung, AP Nr. 56 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; Fey, Einstweilige Verfügung gegen vorläufige Versetzung, ZMV 2009, 321; Fuhlrott/Fabritius, Die Versetzung von Betriebsratsmitgliedern, ArbRAktuell 2012, 418; Hoppe/Marcus, Einstellung und Versetzung in der betrieblichen Praxis: Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Fremdpersonal, ArbRAktuell 2011, 313; Hoppe/Marcus, Die vorläufige Durchführung personeller Maßnahmen: Das Verfahren gemäß § 100 BetrVG, ArbRAktuell 2011, 367; Hromadka, Zur Auslegung des § 106 GewO, NZA 2012, 233; Joussen, Die Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung bei der Einstellung und Versetzung schwerbehinderter Menschen, ZMV 2009, 6; Kühn, Rechtsfolgen rechtswidriger Weisungen, NZA 2015, 10; Lambrich/Schwab, Betriebsübergreifende Versetzung im Konzern und Mitbestimmung gem. § 99 BetrVG, DB 2012, 1928; Lingemann/Siemer, Grenzen des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts bei Änderung von Inhalt und Ort der Tätigkeit (Teil 1), ArbRAktuell 2015, 494; (Teil 2), ArbRAktuell 2015, 518; Langer/Greiner, Versetzungsklausel, AuA 2005, 642; Plum, Unterrichtung des Betriebsrats bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern, DB 2011, 2916; Preis, Unbillige Weisungsrechte und überflüssige Änderungskündigungen, NZA 2015, 1; Preis/Genenger, Die unechte Direktionsrechtserweiterung, NZA 2008, 969; Repey, Kann sich der Arbeitgeber auf die Unwirksamkeit einer Versetzungsklausel berufen?, BB 2009, 1245; Schulze/Häfner, Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen, AiB 2006, 372; Schulze/Schreck, Personelle Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG – Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates, ArbRAktuell 2013, 9; Schulze/Weitz, Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates – Verstoß des Arbeitgebers gegen § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB 9 – Versetzung intern beschäftigter Arbeitnehmer – ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens, AiB 2010, 45; Schwab/Weicker, Betriebsübergreifende Versetzung im Unternehmen und Mitbestimmung gem. § 99 BetrVG, DB 2012, 976; Seel, § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG als Verbotsgesetz gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, FA 2012, 360; Seel, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers – Anforderungen an Versetzung und Änderungskündigung, MDR 2011, 901; Trebeck, Die „Versetzung“ in den Stellenpool zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, NZA 2009, 513; Wollwert, Ordnungsgemäße Unterrichtung und Zustimmungsverweigerung bei gebündelten personellen Einzelmaßnahmen, DB 2012, 2518.

I. Einführung 1. Individualarbeitsrecht Arbeitsvertraglich bedeutet Versetzung sowohl den Wechsel des Arbeitsortes als auch die Änderung der Art der ausgeübten Tätigkeit und des Arbeitsumfangs. Gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.

1

Der Arbeitgeber ist nur dann zur Versetzung berechtigt, wenn und soweit er sich dies im – möglicherweise auslegungsbedürftigen – Arbeitsvertrag wirksam1 vorbehalten hat.2 Die Än-

2

1 Einzelheiten und Formulierungsvorschläge für Versetzungsklauseln im Arbeitsvertrag s. M 2.1a Ziff. 1 mit Erläuterungen, ferner Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Änderungsklausel“ und „Versetzungsklausel“, Rz. 82a, 129. Zur Systematik Lingemann/Siemer, ArbRAktuell 2015, 494, 518. 2 Ist der Arbeitsort im Vertrag nicht festgelegt, richtet sich die Versetzungsmöglichkeit nach § 106 GewO (BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11, NZA 2012, 1154; der Arbeitsort ist auch dann nicht festgelegt, wenn im Arbeitsvertrag neben dem Arbeitsort die Berechtigung des Arbeitgebers zum unternehmensweiten Einsatz des Arbeitnehmers bestimmt ist (BAG v. 26.9.2012, NZA-RR 2013, 403; v. 13.6.2012, NZA 2012, 1154).

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derung der Arbeitsbedingungen ist dann von seinem Direktionsrecht gedeckt. Eine Versetzungsbefugnis kann sich daneben auch aus Tarifvertrag ergeben, es sei denn, dies ist individualvertraglich ausgeschlossen.3 3

Als einseitige Leistungsbestimmung unterliegt die Ausübung des Direktionsrechts der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB.4 Dem Arbeitgeber verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können ihm mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Arbeitsgerichte prüfen, ob der Arbeitgeber die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat.5 Für die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) sind die wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen.6 Eine Abwägung der Interessen der Beteiligten muss ergeben, dass die Versetzung dem Arbeitnehmer zumutbar und verhältnismäßig ist.7 In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen.8 Unbillig ist die Maßnahme daher etwa bei einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder bei missbilligenswerten Motiven, zB bei einer Versetzung zu disziplinarischen Zielen9 oder zur Maßregelung entgegen § 612a BGB.10 Die Versetzung auf einen geringerwertigen, dh. nach Tätigkeits- oder Berufsbild in der Sozialanschauung geringer bewerteten Arbeitsplatz, ist in der Regel unwirksam.11 Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Beschäftigung auf einer Stelle, die von ihrer Wertigkeit seiner bisherigen Stelle und deren Vergütungsmerkmalen entspricht. Hierzu gehören neben der Vergütung auch der Anspruch auf Privatnutzung des Firmenwagens im bisherigen Umfang.12 Dies gilt sogar dann, wenn dem Arbeitnehmer die Vergütung in der bisherigen Höhe erhalten bleibt.13 Auch die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für einen vorübergehenden Zeitraum kraft Direktionsrechts muss gemäß § 315 BGB billigem Ermessen entsprechen.14 Das gilt auch und gerade für die Entscheidung des Arbeitgebers, die höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend und nicht auf Dauer zu übertragen.15 Entspricht sie nicht billigem Ermessen, so erfolgt die Bestim3 Vgl. zB § 16 Abs. 1 LTV der Deutschen Bundesbahn; BAG v. 22.5.1985, AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn. 4 Die Billigkeitskontrolle ist darauf beschränkt, ob der Arbeitgeber den ihm zustehenden Spielraum genutzt hat, BAG v. 26.9.2012, AP Nr. 22 zu § 106 GewO. 5 BAG v. 26.9.2012, AP Nr. 22 zu § 106 GewO; v. 26.9.2012, NZA-RR 2013, 403; v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11, NZA 2012, 1154. 6 BAG v. 26.9.2012, AP Nr. 22 zu § 106 GewO; v. 26.9.2012, NZA-RR 2013, 403. 7 Für die Bestimmung der Zumutbarkeit könnten die Regelungen der § 121 (jetzt: § 140) Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB III nicht herangezogen werden, da diese sich nur auf eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitslosen gegenüber dem Arbeitsamt beziehen, BAG v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265. 8 BAG v. 26.9.2012, AP Nr. 22 zu § 106 GewO; v. 26.9.2012, NZA-RR 2013, 403. 9 BAG v. 30.10.1985, NZA 1986, 713. 10 Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 612a BGB Rz. 2 ff. 11 BAG v. 16.10.2013 – 10 AZR 9/13, NZA 2014, 264; v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145. 12 LAG BW v. 20.4.2009 – 4 Sa 4/09. 13 Vgl. BAG v. 24.4.1996 – 4 AZR 976/94, NZA 1997, 104. 14 BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 134/11, NZA 2012, 927 m. Anm. Göpfert, FD-ArbR 2012, 334270; v. 17.4.2002, AP Nr. 23 zu § 24 BAT. 15 BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 134/11, NZA 2012, 927 m. Anm. Göpfert, FD-ArbR 2012, 334270; v. 17.4.2002, AP Nr. 23 zu § 24 BAT.

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Rz. 8 Kap. 19

mung der „Leistung“ entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch eine richterliche Entscheidung.16 Fehlt es an einer entsprechenden Versetzungsbefugnis, kann die Maßnahme nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers oder durch Änderungskündigung (dazu im Einzelnen Kap. 20) erfolgen. Es bedarf dazu einer Vertragsänderung. Folgt der Arbeitnehmer längere Zeit einer an sich nicht vom Direktionsrecht umfassten Zuweisung eines Arbeitsbereichs, kann dies allerdings eine stillschweigende Vertragsänderung sein.17 Umgekehrt kann auch der Arbeitgeber seine Versetzungsbefugnis verlieren, indem sein Direktionsrecht durch eine langfristige Beschäftigung des Arbeitnehmers mit derselben Tätigkeit auf diese konkretisiert wird. Hinzukommen muss allerdings, dass bestimmte Umstände den Schluss zulassen, der Arbeitnehmer solle künftig nur noch mit dieser Tätigkeit beschäftigt werden.18

4

Die Umdeutung einer Versetzung in eine Änderungskündigung gemäß § 140 BGB scheitert daran, dass die Änderungskündigung – da sie den Vertrag ändert – in ihren rechtlichen Wirkungen weiter reicht als die Versetzung.19 Hat der Arbeitgeber Zweifel, ob die beabsichtigte Maßnahme noch vom Direktionsrecht umfasst ist, so empfiehlt es sich, die Versetzung auszusprechen und hilfsweise auch die Änderungskündigung20 (M 19.1). Bei der Versetzung ist der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen (M 19.2), bei der Änderungskündigung zusätzlich auch nach § 102 BetrVG (M 20.3). Die Wirksamkeit der Änderungskündigung hängt nicht davon ab, dass auch die Zustimmung nach § 99 BetrVG betragt wird,21 ohne die Zustimmung nach § 99 BetrVG kann aber die Versetzung nicht durchgeführt werden.

5

Einer unwirksamen Versetzung durch den Arbeitgeber braucht der Arbeitnehmer zwar im Grundsatz nicht Folge zu leisten. Entscheidend allerdings ist die objektive Rechtslage und nicht die Ansicht des Arbeitnehmers.22 Daher ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleitung vorläufig gebunden, solange nicht durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht.23 Kommt er der Weisung nicht nach, muss er mit einer Abmahnung und ggf. verhaltensbedingten Kündigung rechnen.

6

Praxistipp: Zur Vermeidung dieses Risikos empfiehlt es sich für den Arbeitnehmer, der Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs unter ausdrücklichem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung nachzukommen.

7

Die Wirksamkeit der Versetzung kann der Arbeitnehmer im Wege der Feststellungsklage (§ 256 ZPO) vor dem Arbeitsgericht prüfen lassen. Dem steht nicht die Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Leistungsklage entgegen, da schon mit der Feststellung eine umfassende Klärung herbeigeführt wird.24 Alternativ kann er jedoch auch eine Leistungsklage auf Zuweisung des bisherigen Arbeitsplatzes erheben. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die die Versetzung rechtfertigen. Eine Klagefrist ist nicht

8

16 BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 134/11, NZA 2012, 927 m. Anm. Göpfert, FD-ArbR 2012, 334270. 17 BAG v. 26.9.2012, NZA-RR 2013, 403; v. 17.8.2011 – 10 AZR 202/10, NZA 2012, 265, wobei zur bloßen Nichtausübung des Direktionsrechts noch weitere Umstände hinzukommen müssen. 18 BAG v. 29.8.2013, NZA-RR 2013, 403; für den Fall einer örtlichen Versetzung nach 16,5 Jahren ebenso: BAG v. 28.8.2013, NZA-RR 2014, 181; vgl. auch: BAG v. 29.9.2004, NZA-RR 2005, 616. 19 BAG v. 13.8.1987 – 2 AZR 599/86, NJW 1988, 581; LAG Hamm v. 13.5.1982 – 10 Sa 1429/81, BB 1982, 2109. 20 BAG v. 17.12.2015 – 2 AZR 304/15, NJW 2016, 2055, Rz. 16; zur Änderungskündigung s. Kap. 20. 21 BAG v. 22.4.2010 – 2 AZR 491/09, NZA 2010, 1235. 22 BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144; v. 29.8.2013, NZA-RR 2014, 181. 23 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, NZA 2012, 858 mwN; aA LAG Hamm v. 17.3.2016 – 17 Sa 1660/ 15, LAGE § 106 GewO Nr. 24 n. rkr.; LAG Düsseldorf v. 6.4.2016 – 12 Sa 1153/15, juris; krit: Fischer, FA 2014, 38; Kühn, NZA 2015, 10; Preis, NZA 2015, 1. 24 BAG v. 29.9.2004, NJOZ 2005, 4151.

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einzuhalten; insbesondere gilt die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nicht. Die Klage muss jedoch in den Grenzen der Verwirkung erhoben werden.25 Im Gegensatz dazu gilt für die Klage gegen die uU vorsorgliche Änderungskündigung allerdings die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG. 2. Betriebsverfassungsrecht → S. auch Kap. 42, M 42.7 ff.26 a) Betriebsverfassungsrechtlicher Versetzungsbegriff 9

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig Arbeitnehmern bedarf die Versetzung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats.27 Gemäß § 103 Abs. 3 BetrVG bedarf die Versetzung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstandes sowie von Wahlbewerbern der Zustimmung des Betriebsrats, wenn die Versetzung zu einem Verlust des Amtes28 oder der Wählbarkeit führen würde29. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist.

10

Unter den betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff fällt nur diejenige „Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist“, § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.30

11

Sowohl eine räumliche als auch eine funktionale Veränderung kommt in Betracht; sie muss allerdings „erheblich“ sein.31 Die Zuweisung eines anderen regelmäßigen Arbeitsortes kann ausreichen.32 Gemäß § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG liegt eine Versetzung jedoch nicht vor, wenn der Arbeitnehmer nach der Eigenart des Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt wird (zB im Baugewerbe, in Ausbildungsverhältnissen, bei nicht selbständigen Handelsvertretern usw.). Ebenfalls nicht zu beteiligen ist der Betriebsrat, wenn ein gestellter Arbeitnehmer infolge der Kündigung des ihn betreffenden Personalüberlassungsvertrags vom Einsatzarbeitgeber in den Betrieb des Vertragsarbeitgebers zurückkehrt.33

25 BAG v. 12.12.2006, NZA 2007, 376. 26 Zu Beteiligungsrechten beim Einsatz von Fremdpersonal Hoppe/Marcus, ArbRAktuell 2011, 313. 27 Auf Versetzungen in einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen mit jeweils weniger als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmer, in welchem insgesamt mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist § 99 BetrVG analog anzuwenden. 28 Dies ist gem. § 24 Nr. 4 BetrVG mit der Wählbarkeit gleichzusetzen, dh. der Amtsverlust tritt mit Ende der Betriebszugehörigkeit, also mit Versetzung in einen anderen Betrieb, ein. Eine Versetzung im Betrieb bedeutet keinen Amtsverlust, so dass lediglich die Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG bestehen. 29 Dazu Fuhlrott/Fabritius, ArbRAktuellArbRAktuell 2012, 418. 30 Besonderheiten gelten bei § 103 BetrVG für vorübergehende Versetzungen von Jugend- und Auszubildendenvertretern, Fitting, § 103 BetrVG Rz. 68. 31 Die bloße Verlagerung eines Betriebes oder eines Betriebsteils um wenige Kilometer innerhalb einer politischen Gemeinde ist ohne Hinzutreten zusätzlicher Veränderungen keine Versetzung der davon betroffenen Arbeitnehmer, BAG v. 27.6.2006 – 1 ABR 35/05, NZA 2006, 1289. 32 BAG v. 21.7.2009 – 9 AZR 404/08, NZA 2009, 1369. 33 BAG v. 17.2.2015 – 1 ABR 45/13, NZA 2015, 762 („Wo für den Arbeitgeber nichts zu entscheiden ist, gibt es für den Betriebsrat nichts mitzubestimmen“).

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Rz. 17 Kap. 19

Der Mitbestimmung unterliegt nur die tatsächliche Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, nicht die individualvertragliche Regelung, die ihr zugrunde liegt, also insbesondere die Versetzungsklausel. Der Betriebsrat ist daher auch unabhängig davon zu beteiligen, ob die Versetzung individualrechtlich zulässig ist.34 Andererseits heilt die Zustimmung des Betriebsrats auch keine individualvertraglich unwirksame Versetzung.

12

Der Arbeitsbereich wird gemäß § 81 Abs. 1 und 2 BetrVG bestimmt durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Es geht also um den konkreten Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht.35

13

Nicht jede Änderung des Arbeitsbereichs iSv. § 81 BetrVG ist jedoch zugleich eine mitbestimmungspflichtige Versetzung. Diese erfordert vielmehr, dass die Veränderung so erheblich ist, dass sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändert.36 Maßstab ist dabei, ob sich die Tätigkeiten so voneinander unterscheiden, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere angesehen werden kann.37 Es kann auch ausreichen, wenn für den Arbeitnehmer auf Grund des angeordneten Wechsels ein in seinem konkreten Arbeitsalltag spürbares anderes „Arbeitsregime“ gilt; dazu können neue Arbeitskollegen oder ein neuer unmittelbarer Vorgesetzter gehören.38

14

Die Umstände der Arbeitsleistung sind die äußeren Umstände, unter denen die Arbeit tatsächlich zu leisten ist, also Ort, Art und Weise, fachliche Anforderungen etc., nicht hingegen die vertraglichen Gegebenheiten.39

15

Abzugrenzen ist die Versetzung von der bloßen Umsetzung, die mitbestimmungsfrei ist. Umsetzung ist die nur vorübergehende, dh. voraussichtlich kürzer als einen Monat währende Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, bei im Wesentlichen gleich bleibenden Arbeitsbedingungen, also zB der Einsatz in Wechsel- statt in Normalschicht.40 Eine Versetzung kann bei Änderungen der Arbeitsumstände selbst dann vorliegen, wenn diese nicht die Dauer eines Monats erreichen, vorausgesetzt, dass sie erheblich im og. Sinne sind.41

16

b) Zustimmungsverfahren Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen rechtzeitig und umfassend über die Person des zu versetzenden Arbeitnehmers, den Arbeitsplatz, auf den er versetzt werden soll, und die Auswirkungen der geplanten Maßnahme informieren42

34 BAG v. 17.2.1998 – 9 AZR 130/97, NZA 1999, 33; Weber/Ehrich, BB 1996, 2246, 2249; allerdings ist bei einer Versetzung in einen anderen Betrieb die Zustimmung des Betriebsrates des abgebenden Betriebes nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist, s. unten Rz. 21. 35 BAG v. 27.6.2006, DB 2006, 2468. 36 BAG v. 11.12.2007, AP Nr. 45 zu § 99 BetrVG 1972. 37 BAG v. 16.3.2010 – 3 AZR 31/09, NZA 2010, 1028; v. 11.12.2007, AP Nr. 45 zu § 99 BetrVG 1972. 38 BAG v. 17.6.2008 – 1 ABR 38/07, DB 2008, 2771. 39 Fitting, § 99 BetrVG Rz. 136 mwN. 40 BAG v. 23.11.1993, AP Nr. 33 zu § 95 BetrVG 1972; LAG Schleswig-Holstein v. 27.2.2007, LAGE § 99 BetrVG 2001 Nr. 3. 41 BAG v. 13.3.2007, NZA-RR 2007, 581. 42 Eine ordnungsgemäße Information liegt vor, wenn der Betriebsrat aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in der Lage ist zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt, BAG v. 14.4.2015 – 1 ABR 58/13, NZA 2015, 1081; v. 1.6.2011 – 7 ABR 117/09, NZA 2011, 1435.

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und die Zustimmung des Betriebsrats beantragen (M 19.2).43 Erst dann beginnt die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu laufen. Die Frist ist nach den allgemeinen Regeln des BGB zu berechnen (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Sie kann auch einvernehmlich verlängert werden.44 Lässt der Betriebsrat sie verstreichen, ohne sich zu äußern, gilt die Zustimmung als erteilt, § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Diese Fiktion kann aber nur eintreten, wenn der Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet worden ist. War die Unterrichtung unvollständig, beginnt die Frist nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG schon nicht zu laufen.45 Innerhalb der Frist kann der Betriebsrat die Zustimmung unter Angabe konkreter Tatsachen und Gründe, die sich stets einem der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Tatbestände46 zuordnen lassen müssen, verweigern.47 Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung nicht innerhalb einer Woche nach Unterrichtung schriftlich unter Angabe von Gründen, gilt die Zustimmung nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG als erteilt.48 Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts reicht zur Begründung des Widerspruchs nicht aus. Der Betriebsrat muss allerdings nur über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung Beschluss fassen49, nicht über die dem Arbeitgeber nach § 99 Abs. 3 Satz 1 mitzuteilenden Zustimmungsverweigerungsgründe.50 Wird die Zustimmung zu mehreren Versetzungen beantragt und bezieht sich die Begründung der Zustimmungsverweigerung nur auf einzelne dieser Maßnahmen, gilt die Zustimmung zu den anderen Versetzungen als erteilt.51 Für die Mitteilung des Betriebsrates über die Verweigerung seiner Zustimmung genügt entgegen dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG („schriftlich“) Textform nach § 126b BGB.52 18

Bei der Versetzung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstandes sowie von Wahlbewerbern ist die Zustimmungsverweigerung nicht an besondere Gründe gebunden.

19

Besonders praxisrelevant sind die in § 99 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe. Die Zustimmungsverweigerung aufgrund eines Gesetzesverstoßes iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 BetrAVG setzt voraus, dass die personelle Maßnahme selbst gesetzeswidrig ist. Die Verletzung allein der Unterrichtungspflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist kein Gesetzesverstoß in diesem Sinn.53 Die Benachteiligung eines anderen Arbeitnehmers des Betriebes, § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, ist ua. dann zu besorgen, wenn der Arbeitsplatz des zu versetzenden Arbeitnehmers wegfällt, so dass einem anderen Arbeitnehmer gekündigt werden 43 Eine Ausnahme hiervon gilt jedoch bei arbeitskampfbedingten Versetzungen. Der Betriebsrat eines abgebenden Betriebs hat bei einer arbeitskampfbedingten Versetzung arbeitswilliger Arbeitnehmer in einen bestreikten Betrieb des Arbeitgebers nicht nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen. Das gilt unabhängig davon, ob der abgebende Betrieb in den Arbeitskampf einbezogen ist oder nicht, BAG v. 13.12.2011 – 1 ABR 2/10, NZA 2012, 571. 44 Auch eine Verlängerung von sieben Monaten wäre wirksam, BAG v. 6.10.2010, AP Nr. 45 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung. 45 BAG v. 13.5.2014, NZA-RR 2015, 23, Rz. 18; v. 29.6.2011, NZA-RR 2012, 18; vgl. dazu auch Schulze/ Schreck, ArbRAktuellArbRAktuell 2013, 9. 46 BAG v. 21.7.2009 – 1 ABR 35/08, NZA 2009, 1156. 47 BAG v. 17.6.2008 – 1 ABR 20/07, NZA 2008, 1139; st. Rspr., v. 26.1.1988 – 1 AZR 531/86, NZA 1988, 476. 48 BAG v. 13.5.2014, NZA-RR 2015, 23. 49 Ist das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses über die Verweigerung streitig, kommt einer Sitzungsniederschrift nach § 34 BetrVG ein hoher Beweiswert in Bezug auf die darin protokollierte Beschlussfassung zu (BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370). 50 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370. 51 BAG v. 13.5.2014, NZA-RR 2015, 23. 52 BAG v. 1.6.2011, AP Nr. 39 zu § 99 BetrVG 1972; v. 10.3.2009 – 1 ABR 93/07, NZA 2009, 622; v. 9.12.2008 – 1 ABR 79/07, NZA 2009, 627. 53 BAG v. 12.1.2011, NZA-RR 2011, 574.

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Lingemann

Versetzung

Rz. 23 Kap. 19

muss54 oder dieser mit nicht unerheblichen Erschwerungen der Arbeit rechnen muss. Ein unmittelbar von der Maßnahme betroffener Arbeitnehmer wird etwa dann benachteiligt, § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, wenn seine Versetzung mit einer Verschlechterung der äußeren (zB längere Wegezeiten, schlechtere Räumlichkeiten, Schmutz) oder auch der materiellen (zB Herabstufung in niedrigere Tarifvertragsgruppe) Arbeitsbedingungen einhergeht, nicht aber, wenn er sich frei für die streitige personelle Einzelmaßnahme entschieden hat.55 Der bloße Wegfall einer Beförderungschance hingegen begründet keine Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers. Auch wenn einzelne Arbeitnehmer benachteiligt werden, kann die Maßnahme aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt sein. Dies darzulegen und zu beweisen, obliegt im Zustimmungsersetzungsverfahren (§ 99 Abs. 4 BetrVG) dem Arbeitgeber. Der Betriebsrat hat nach § 99 BetrVG nur die Möglichkeit, die Zustimmung zur Einstellung in der vom Arbeitgeber beabsichtigten Form insgesamt zu verweigern. Er kann hingegen nicht über § 99 BetrVG eine Beschäftigung zu anderen iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG normgemäßen Bedingungen durchsetzen.56

20

Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb des Unternehmens, bestimmt auch der Betriebsrat des neuen Betriebes mit, da es sich aus seiner Sicht um eine „Einstellung“ iSv. § 99 BetrVG handelt. Ist der Arbeitnehmer mit der Versetzung nicht einverstanden, ist auch der Betriebsrat des abgebenden Betriebes nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Bei Einverständnis des Arbeitnehmers hingegen besteht kein Beteiligungsrecht des Betriebsrates im abgebenden Betrieb nach § 99 BetrVG.

21

c) Folgen der fehlenden Zustimmung Versetzungen ohne Beteiligung des Betriebsrats sind unwirksam, selbst wenn sie vom Direktionsrecht umfasst oder mit Einverständnis des Arbeitnehmers erfolgt sind.57 Bei Betriebsratsmitgliedern gilt dies jedoch gemäß § 103 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG nicht, wenn das betroffene Betriebsratsmitglied mit der Versetzung einverstanden ist.58 Der Arbeitnehmer braucht der betriebsverfassungswidrigen Weisung des Arbeitgebers nicht Folge zu leisten.59 Verweigert der Betriebsrat nach ordnungsgemäßem Verfahren die Zustimmung, ist eine dennoch durchgeführte Versetzung im Falle des § 103 Abs. 3 BetrVG endgültig unwirksam bzw. im Falle des § 99 BetrVG schwebend unwirksam. Sie wird voll wirksam, sobald das Arbeitsgericht die Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt. Andernfalls ist auch sie endgültig unwirksam. Der Betriebsrat hat allerdings an der gerichtlichen Feststellung, ihm habe an einer vom Arbeitgeber bereits endgültig durchgeführten personellen Einzelmaßnahme ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zugestanden, regelmäßig kein rechtliches Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, er kann nur nach § 101 BetrAVG vorgehen.60

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Der Arbeitgeber kann nach der Verweigerung der Zustimmung zur vorläufigen Durchführung der Maßnahme gemäß § 100 BetrVG berechtigt sein (dazu Rz. 25 f.).

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54 55 56 57 58

BAG v. 15.9.1987 – 1 ABR 29/86, NZA 1988, 624; v. 30.8.1995, AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG Versetzung. Die bloße Hinnahme reicht allerdings nicht aus, BAG v. 9.10.2013 – 7 ABR 1/12, NZA 2014, 156. LAG Düsseldorf v. 4.10.2001, DB 2002, 328. BAG v. 26.1.1988 – 1 AZR 531/86, NZA 1988, 476. Unberührt davon bleibt bei einer Versetzung in einen anderen Betrieb das Mitbestimmungsrecht des aufnehmenden Betriebes, da es sich aus dessen Sicht um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung handelt, s. Rz. 21. 59 Weber/Ehrich, BB 1996, 2249, 2251. 60 BAG v. 15.4.2008 – 1 ABR 14/07, NZA 2008, 1020.

Lingemann

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Kap. 19 Rz. 24

Versetzung

d) Zustimmungsersetzungsverfahren 24

Das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG bzw. § 103 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 BetrVG ist vom Arbeitgeber beim Arbeitsgericht einzuleiten.61 Es handelt sich um ein Beschlussverfahren gemäß § 2a ArbGG. Der Arbeitgeber hat darzulegen, dass er den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet hat62, und dass die vom Betriebsrat genannten Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 BetrAVG nicht vorliegen, bzw. dass dringende betriebliche Gründe auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers nach § 103 Abs. 3 BetrAVG die Versetzung notwendig machen. Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat ursprünglich nicht ordentlich unterrichtet hat, kann er im Zustimmungsersetzungsverfahren die Informationen nachholen, wenn für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber seiner Informationspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG nachkommen will.63 Der Betriebsrat trägt die Darlegungs- und Beweislast für den form- und fristgerechten Widerspruch nach § 99 BetrVG64, der Arbeitgeber für die erteilte Zustimmung nach § 103 Abs. 3 BetrVG. Das Arbeitsgericht klärt den Sachverhalt von Amts wegen auf. Der Betriebsrat ist mit Gründen, die er nicht innerhalb der Wochenfrist mitgeteilt hat, ausgeschlossen, kann also während des Zustimmungsersetzungsverfahrens keine weiteren Verweigerungsgründe nachschieben.65 Dem Arbeitgeber ist es grundsätzlich unbenommen, nach rechtskräftigem Unterliegen im Zustimmungsersetzungsverfahren die auf das gleiche Ziel gerichtete personelle Maßnahme erneut nach Maßgabe des § 99 Abs. 1 BetrVG einzuleiten und erforderlichenfalls gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu beantragen.66 Er kann auch ein laufendes Zustimmungsersetzungsverfahren um einen zusätzlichen Antrag auf Zustimmungsersetzung erweitern.67 Will er die Maßnahme jedoch nicht mehr umsetzen, so entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag.68 Ebenso besteht hinsichtlich der konkreten Maßnahme kein Feststellungsinteresse für den Betriebsrat mehr, wenn diese durchgeführt ist; ein abstrakter Feststellungsantrag kann dann aber noch zulässig sein.69 e) Vorläufige personelle Maßnahmen

25

Auch vor Ablauf der Äußerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (dazu Rz. 17), oder wenn der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hat (dazu Rz. 22), kann der Arbeitgeber die Versetzung vorläufig durchführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG,.70 Dies gilt nicht für Personen nach § 103 BetrVG. Vorausset61 Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens zur Verwirklichung des Anspruchs eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung nach § 81 Abs. 4 SGB IX besteht nur bei Vorliegen besonderer Gründe. Hierzu zählen etwa ein unbegründeter Widerspruch oder kollusives Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 519/04, NZA 2006, 486. 62 BAG v. 14.4.2015 – 1 ABR 58/13, NZA 2015, 1081. 63 BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 24/10, NZA-RR 2012, 18. 64 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370 mit vertieften Ausführungen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. 65 BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 32/13, NZA 2015, 370; v. 17.11.2010, NZA-RR 2011, 415; v. 10.8.1993 – 1 ABR 22/93, NZA 1994, 187, 189. 66 BAG v. 18.3.2008 – 1 ABR 81/06, NZA 2008, 832; LAG Köln v. 29.1.2014 – 5 TaBV 74/13, LAGE § 99 BetrAVG 2001, Nr. 13. 67 BAG v. 16.1.2007, NZA 2007, 1456. 68 BAG v. 8.12.2010, NZA-RR 2011, 315. 69 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 19/14, NZA 2016, 909. 70 Zur vorläufigen Durchführung personeller Maßnahmen Hoppe/Marcus, ArbRAktuellArbRAktuell 2011, 367; ferner Gillen/Vahle, BB 2010, 761; Matthes, BB 2010, 2109.

774

Lingemann

M 19.1

Versetzung

Rz. 26 Kap. 19

zung ist jedoch, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme unterrichtet hat. Sofern der Betriebsrat bestreitet, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, muss er dies dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Der Arbeitgeber darf die vorläufige personelle Maßnahme dann nur aufrechterhalten, wenn er innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht neben der Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats auch die Feststellung beantragt hat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, § 100 Abs. 2 BetrVG. Lehnt das Gericht die Ersetzung der Zustimmung ab oder verneint es die Dringlichkeit der vorläufigen personellen Maßnahme, so endet die vorläufige personelle Maßnahme mit Ablauf von zwei Wochen nach Rechtskraft dieser Entscheidung, § 100 Abs. 3 BetrVG. Zwar ist der Betriebsrat auch über die Beendigung einer vorläufigen personellen Maßnahme zu informieren.71 Allerdings bedarf es hierzu nicht seiner Zustimmung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Ein gem. § 100 Abs. 1 BetrVG vorläufig versetzter Arbeitnehmer kann also ohne Zustimmung des Betriebsrats nach Beendigung dieser Maßnahme wieder an seinen vorherigen Arbeitsplatz zurückkehren.72 Sofern der Arbeitgeber sich nicht an das Verfahren zur Durchführung der vorläufigen Maßnahme hält oder ohne Zustimmung des Betriebsrates eine Maßnahme durchführt, kann der Betriebsrat die Aufhebung der personellen Maßnahme bei dem Arbeitsgericht beantragen. Im Falle der weiteren Zuwiderhandlung kann ein Zwangsgeld bis zu Euro 250,– für jeden Tag der Zuwiderhandlung verhängt werden, § 101 BetrVG. 71 BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 101/12, NZA 2014, 920. 72 BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 101/12, NZA 2014, 920.

II. Muster M 19.1

Ausübung des Direktionsrechts und vorsorgliche Änderungskündigung durch den Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir bitten Sie, ab sofort folgende Aufgabe … in der Abteilung … zu übernehmen. Ihre Bezüge bleiben davon unberührt. Für den Fall, dass diese Personalmaßnahme wider Erwarten nicht vom Direktionsrecht gedeckt sein sollte,[oder: im Wege des Direktionsrechtes nicht möglich sein sollte]1 sprechen wir vorsorglich folgende Änderungskündigung2 aus: Wir kündigen Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich zum … Gleichzeitig bieten wir Ihnen ab … eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit folgender Aufgabe … in der Abteilung … an. Alle weiteren Regelungen Ihres Arbeitsvertrages bleiben unverändert. Für den Fall, dass Sie die vorsorgliche Änderungskündigung ablehnen, sind Sie nach § 38 Abs. 1 SGB III verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persön1 In diese Richtung die Formulierung des BAG in BAG v. 17.12.2015 – 2 AZR 304/15, NJW 2016, 2055, Rz. 16; Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber nur in dem Versetzungsschreiben angekündigt, dass er „vorsorglich“ ebenfalls „die Änderungskündigung ausgesprochen (habe)“. Das BAG sieht darin eine auflösende Bedingung für den Fall, dass es für die Versetzung einer Änderung der Vertragsbedingungen nicht bedarf. In diesem Fall solle die Kündigung nicht etwa in für die Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes unzulässiger Weise von einem künftigen ungewissen Ereignis abhängen, sondern von der bereits beim Zugang der Kündigungseklärung objektiv bestehenden Rechtslage; die Kündigung ist demnach lediglich an eine auflösende Rechtsbedingung geknüpft, was zulässig ist. 2 Zur Änderungskündigung s. Kap. 20.

Lingemann

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26

Kap. 19

Versetzung

M 19.2

lich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gemäß den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.3 Der Betriebsrat hat der Versetzung nach § 99 BetrVG und der vorsorglichen Änderungskündigung nach § 102 BetrVG zugestimmt. … (Firma) 3 Auch ein Unterlassen des Hinweises hat allerdings keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Kap. 22 Rz. 183).

M 19.2

Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG wegen beabsichtigter Versetzung und Umgruppierung

An den Betriebsrat z. Hd. des Betriebsratsvorsitzenden (Ort, Datum) … Die Firma beabsichtigt, den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin … wohnhaft in … beschäftigt als … in Abteilung … mit Wirkung vom … von der bisherigen Tarifgruppe … in die neue Tarifgruppe … umzugruppieren1 und ihn/sie von … nach … zu versetzen. Die Umgruppierung soll erfolgen, weil …2 Die Versetzung soll erfolgen, weil … Die Personalmaßnahmen sollen ab … in Kraft treten.

1 Die Versetzung wird häufig mit einer Umgruppierung einhergehen. So führt die Zuweisung einer neuen Tätigkeit, die den Merkmalen einer anderen Vergütungsgruppe entspricht, zur Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG. In diesem Fall ist zu beachten, dass die Umgruppierung für sich allein auch mitbestimmungspflichtig ist, BAG v. 28.8.2008, NZA 2009, 205; v. 20.3.1990 – 1 ABR 20/89, NZA 1990, 699; vgl. auch BAG v. 12.12.2006 – 1 ABR 13/06, DB 2007, 527. Auch die Zuweisung einer anderen Entgeltstufe innerhalb einer Tarifgruppe fällt unter § 99 BetrVG, BAG v. 6.4.2011, DB 2011, 2207. Insbesondere gebündelt angeordnete Versetzungen können auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG auslösen, wenn sie etwa eine Änderung der täglichen Arbeitszeit oder der betrieblichen Lohngestaltung darstellen, LAG Hessen v. 11.8.1987 – 5 TaBVGa 88/87, BB 1988, 68. 2 Es kann ratsam sein, beide Maßnahmen getrennt zu begründen. Das fokussiert die Begründung auf die jeweilige Maßnahme und erleichtert es dem Betriebsrat, zu jeder der Maßnahmen ggf. getrennt Stellung zu nehmen, vgl. Wollwert, DB 2012, 2518.

776 Lingemann

M 19.3

Versetzung

Kap. 19

Der Betriebsrat wird gebeten, den beabsichtigten Maßnahmen innerhalb einer Woche nach § 99 BetrVG zuzustimmen. … (Geschäftsleitung)

M 19.3

Klage gegen Versetzung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers2 erheben wir Klage3 und beantragen:4, 5 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, dem Kläger eine Tätigkeit als Pförtner zuzuweisen.

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Praxistipp: Statt selbst aktiv zu werden, kann der Arbeitnehmer bei einer unberechtigten Versetzung auch den Weg gehen, seine Arbeitsleistung gem. §§ 320, 273 BGB zurückzuhalten, also nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Dieser Weg ist allerdings höchst riskant. Denn regelmäßig kontert der Arbeitgeber nach erfolgloser Abmahnung mit einer fristlosen Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung. Die Wirksamkeit dieser Kündigung hängt dann davon ab, ob die Versetzung berechtigt war oder nicht. Hat der Arbeitnehmer sich geirrt und war die Versetzung wirksam, steht damit sogleich fest, dass die Arbeitsverweigerung widerrechtlich war, was die fristlose Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen kann. Der Arbeitnehmer trägt also das Risiko, dass sich seine Rechtsauffassung als fehlerhaft erweist, grundsätzlich selbst (BAG v. 29.8.2013, NZA 2014, 533). Die Erhebung einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung ist also der erheblich weniger riskante Weg und deshalb eindeutig vorzuziehen. 3 Häufig wird versucht, gegen eine Versetzung im Wege der einstweiligen Verfügung vorzugehen. Wegen der gravierenden Folgen einer solchen einstweiligen Verfügung für den Arbeitgeber stellen die Gerichte an den Verfügungsgrund regelmäßig sehr hohe Anforderungen. Verlangt wird üblicherweise, dass die dem Arbeitnehmer drohenden Nachteile nicht nur schwer wiegen, sondern „außer Verhältnis stehen“ zu dem Schaden, den der Arbeitgeber erleiden kann (zB LAG Rheinland-Pfalz v. 20.4.2011 – 7 SaGa 1/11). 4 Die richtige Antragstellung bei der Klage gegen eine Versetzung ist seit jeher umstritten (zuletzt BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355). Am sichersten und sinnvollsten ist es, wie in dem Muster eine Leistungsklage (Weiterbeschäftigung auf dem früheren Arbeitsplatz, § 259 ZPO) mit einer Feststellungsklage (Unwirksamkeit der Versetzung) zu kombinieren. Nach der Rechtsprechung (BAG v. 12.12.2006, EzA § 242 BGB Verwirkung Nr. 1) ist diese Antragskombination zulässig, wobei die Feststellungsklage als Zwischenfeststellungsklage iSv. § 256 Abs. 2 ZPO behandelt wird. Überholt ist damit die Auffassung des LAG Nürnberg (v. 10.9.2002 – 6 (4) Sa 66/01, nv.), wonach beide Anträge nebeneinander nur zulässig seien, wenn dafür ein besonderes Rechtsschutzinteresse bestehe. Selbstverständlich kann sich der Arbeitnehmer darauf beschränken, statt dessen entweder nur die Unwirksamkeit der Versetzung feststellen zu lassen oder aber nur auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen zu klagen. Die Kombination beider Anträge macht jedoch das Anliegen deutlicher und schafft bessere Vollstreckungsmöglichkeiten. 5 Gebräuchlich ist auch der Antrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass „die Versetzung auf den Arbeitsplatz X unwirksam ist“. Dies ist ebenso zulässig wie der Antrag festzustellen, dass der Arbeitnehmer „nicht verpflichtet ist, als … tätig zu werden“. Bei einer Versetzung an einen anderen Ort wird üblicherweise die Feststellung beantragt, dass „die Versetzung in die Filiale X unwirksam ist“. Nicht zulässig ist dagegen ein Antrag auf „Zurücknahme der Versetzung“ (LAG Nürnberg v. 10.9.2002 – 6 (4) Sa 66/01, nv.).

Lingemann/Diller

777

Kap. 19

Versetzung

M 19.3

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Export-Sachbearbeiter weiter zu beschäftigen.6

Begründung: Der Kl. ist seit … bei der Bekl. als Export-Sachbearbeiter tätig. Grundlage der Tätigkeit ist der Arbeitsvertrag vom … Das Gehalt des Kl. betrug zuletzt Euro … pro Monat. Die Bekl. hat ca. 100 Arbeitnehmer, es besteht ein Betriebsrat. Der Kl. war von Beginn seiner Tätigkeit an bis zum … ununterbrochen als Export-Sachbearbeiter tätig, als solcher war er auch ausweislich § 1 seines Anstellungsvertrages eingestellt worden. Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1 Amteilte der Personalleiter der Bekl. dem Kl. mit, er habe ab sofort als Pförtner tätig zu werden. Der bisherige Pförtner sei in den Ruhestand gegangen, einen Nachfolger habe man noch nicht finden können. Der Kl. erklärte sich mündlich bereit, für maximal eine Woche an der Pforte auszuhelfen. Für die Zeit danach bestehe er allerdings auf vertragsgemäßer Beschäftigung als Export-Sachbearbeiter. Beweis: Zeugnis des Personalleiters, zu laden über die Bekl. Nach Ablauf der einen Woche teilte der Personalleiter der Bekl. dem Kl. jedoch mit, er müsse „bis auf weiteres“ an der Pforte weiterarbeiten. Man denke derzeit über eine generelle Reorganisation des Betriebes nach, deshalb habe man zunächst eine Einstellungssperre verfügt. Man werde „zu gegebener Zeit“ auf die Sache wieder zurückkommen. Beweis: wie vor 7 Die Bekl. ist nicht berechtigt, den Kl. – bis auf weiteres – als Pförtner einzusetzen. Zwar hat sich die Bekl. gemäß § 1 Satz 2 des Anstellungsvertrages das Recht vorbehalten, dem Kl. „anderweitige zumutbare Tätigkeiten, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen“, zuzuweisen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Tätigkeit als Pförtner für den Kl. unzumutbar ist. Der Kl. hat eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung. Die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz, der gewöhnlich mit einem ungelernten gewerblichen Arbeitnehmer besetzt wird, stellt eine Diskriminierung dar. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Bekl. dem Kl. zugesagt hat, sein früheres Gehalt unverändert weiterzuzahlen. Im Übrigen ist die Versetzung auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht gemäß § 99 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden ist.8 Beweis: Zeugnis des Betriebsratsvorsitzenden …, zu laden über die Bekl.

6 Dem Weiterbeschäftigungsantrag steht es nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag stets berechtigt ist, dem Arbeitnehmer eine andere zumutbare Tätigkeit zuzuweisen. Der Arbeitgeber ist deshalb nicht daran gehindert, dem Arbeitnehmer nach einem entsprechenden stattgebenden Weiterbeschäftigungsurteil erneut eine – diesmal zumutbare – andere Tätigkeit zuzuweisen. Betreibt der Arbeitnehmer dann aus dem alten Titel Vollstreckung auf die Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber sich mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO (ggf. iVm. einer einstweiligen Verfügung nach § 769 ZPO) wehren. 7 Ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer versetzt werden kann, richtet sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Enthält dieser keine Versetzungsklausel, ist der Arbeitnehmer also für eine bestimmte Tätigkeit eingestellt, ist die Versetzung grundsätzlich ausgeschlossen. Ansonsten ist stets zu prüfen, ob die Versetzungsklausel nach §§ 305 ff. BGB wirksam ist und ob sich die Versetzung als einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers gem. § 315 BGB in den Grenzen billigen Ermessens hält. Daran fehlt es insbesondere bei einer Versetzung an einen weit entfernt liegenden anderen Ort oder bei einer Versetzung auf eine unterwertige Tätigkeit (auch bei Vergütungsfortzahlung). 8 Die Verletzung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG (nur in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern!) führt zur Unwirksamkeit der Versetzung. Zu beachten ist allerdings, dass sich der Begriff „Versetzung“ iSd. §§ 99, 95 Abs. 3 BetrVG nicht mit dem individualrechtlichen Begriff der Versetzung deckt.

778

Diller

Kap. 20

Änderungskündigung

… (Unterschrift)9 9 Als Streitwert werden regelmäßig ein bis drei Monatsgehälter angesetzt. Im Regelfall ist ein Bruttomonatsgehalt angemessen (LAG Berlin v. 2.11.2005, AE 2006, Nr. 114).

M 19.4

Klage auf Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz

S. M 16.7.

Kapitel 20 I. 1. 2. 3. 4.

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Erklärung (M 20.1) . . . . . . . . Form der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Änderungskündigung . . . . . . Kündigungsgründe und soziale Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personenbedingte Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhaltensbedingte Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsbedingte Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Außerordentliche Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Überflüssige Änderungskündigung . . 5. Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 4 5 6 8 9

12

20 21a

Änderungskündigung a) Ablehnung . . . . . . . . . . . b) Annahme unter Vorbehalt c) Vorbehaltlose Annahme . . 6. Beteiligung des Betriebsrates .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

II. Muster Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . Annahme/Annahme unter Vorbehalt/ Ablehnung der Änderungskündigung . . Anhörung des Betriebsrates zur ordentlichen Änderungskündigung gemäß § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage gegen Änderungskündigung . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _ . . . .

. . . .

. . . .

23 25 30 34

.M . . 20.1

.M . . 20.2 .M . . 20.3

.M . . 20.4 .M . . 20.5

22

Literatur: Benecke, Die „überflüssige Änderungskündigung“ – Ein Scheinproblem, NZA 2005, 1092; Berkowsky, Aktuelle Entwicklungen im Recht der Änderungskündigung, NZA-RR 2008, 337; Berkowsky, Aktuelle Probleme der Versetzungs-Änderungskündigung: Der Arbeitgeber im Zangengriff von individuellem und kollektivem Arbeitsrecht, NZA 2010, 250; Berkowsky, Was ist bei einer Änderungskündigung, die mit einer Versetzung verbunden ist, zu beachten?, AA 2010, 38; Berkowsky, Änderungskündigung zur Änderung von Nebenabreden, NZA 2003, 1130; Berkowsky, Änderungskündigung und vorbehaltlose Annahme eines Änderungsangebotes, NZA 2008, 26; Berkowsky, BB-Forum: Zum Entscheidungsmodell der Änderungskündigung, BB 2009, 1867; Berkowsky, Möglichkeiten und Grenzen der Änderungskündigung, NZA Beilage 2/2010, 50; Berkowsky, Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung, NZA 2006, 697; Bernhardt/Barthel, Betriebsbedingte Änderungskündigung, AuA 2006, 328; Betz, Die betriebsbedingte Änderungskündigung, 2007; Boewer, Die Bedeutung der Änderungskündigung, FA 2009, 333; Edenfeld, Änderungskündigung – Sekt oder Selters, RdA 2006, 177; Gastell/Hubrich, Änderungskündigung zur Versetzung, AuA 2012, 212; Helml, Direktionsrecht und Änderungskündigung, AiB 2011, 30; Herbert/ Oberrath, Die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Änderungskündigung, NJW 2008, 3177; Hromadka, Änderungskündigen – Wirklich schwerer als kündigen?, AuA 2004, Nr. 3, 16; Hromadka, Nochmals: Die „überflüssige“ Änderungskündigung, NZA 2008, 1338; Hromadka, Neues zur überflüssigen Än-

Diller/Lingemann

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Kap. 20

Änderungskündigung

… (Unterschrift)9 9 Als Streitwert werden regelmäßig ein bis drei Monatsgehälter angesetzt. Im Regelfall ist ein Bruttomonatsgehalt angemessen (LAG Berlin v. 2.11.2005, AE 2006, Nr. 114).

M 19.4

Klage auf Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz

S. M 16.7.

Kapitel 20 I. 1. 2. 3. 4.

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Erklärung (M 20.1) . . . . . . . . Form der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Änderungskündigung . . . . . . Kündigungsgründe und soziale Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personenbedingte Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhaltensbedingte Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsbedingte Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Außerordentliche Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Überflüssige Änderungskündigung . . 5. Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 4 5 6 8 9

12

20 21a

Änderungskündigung a) Ablehnung . . . . . . . . . . . b) Annahme unter Vorbehalt c) Vorbehaltlose Annahme . . 6. Beteiligung des Betriebsrates .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

II. Muster Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . Annahme/Annahme unter Vorbehalt/ Ablehnung der Änderungskündigung . . Anhörung des Betriebsrates zur ordentlichen Änderungskündigung gemäß § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage gegen Änderungskündigung . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _ . . . .

. . . .

. . . .

23 25 30 34

.M . . 20.1

.M . . 20.2 .M . . 20.3

.M . . 20.4 .M . . 20.5

22

Literatur: Benecke, Die „überflüssige Änderungskündigung“ – Ein Scheinproblem, NZA 2005, 1092; Berkowsky, Aktuelle Entwicklungen im Recht der Änderungskündigung, NZA-RR 2008, 337; Berkowsky, Aktuelle Probleme der Versetzungs-Änderungskündigung: Der Arbeitgeber im Zangengriff von individuellem und kollektivem Arbeitsrecht, NZA 2010, 250; Berkowsky, Was ist bei einer Änderungskündigung, die mit einer Versetzung verbunden ist, zu beachten?, AA 2010, 38; Berkowsky, Änderungskündigung zur Änderung von Nebenabreden, NZA 2003, 1130; Berkowsky, Änderungskündigung und vorbehaltlose Annahme eines Änderungsangebotes, NZA 2008, 26; Berkowsky, BB-Forum: Zum Entscheidungsmodell der Änderungskündigung, BB 2009, 1867; Berkowsky, Möglichkeiten und Grenzen der Änderungskündigung, NZA Beilage 2/2010, 50; Berkowsky, Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung, NZA 2006, 697; Bernhardt/Barthel, Betriebsbedingte Änderungskündigung, AuA 2006, 328; Betz, Die betriebsbedingte Änderungskündigung, 2007; Boewer, Die Bedeutung der Änderungskündigung, FA 2009, 333; Edenfeld, Änderungskündigung – Sekt oder Selters, RdA 2006, 177; Gastell/Hubrich, Änderungskündigung zur Versetzung, AuA 2012, 212; Helml, Direktionsrecht und Änderungskündigung, AiB 2011, 30; Herbert/ Oberrath, Die soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Änderungskündigung, NJW 2008, 3177; Hromadka, Änderungskündigen – Wirklich schwerer als kündigen?, AuA 2004, Nr. 3, 16; Hromadka, Nochmals: Die „überflüssige“ Änderungskündigung, NZA 2008, 1338; Hromadka, Neues zur überflüssigen Än-

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Kap. 20 Rz. 1

Änderungskündigung

derungskündigung, NZA 2012, 896; Hunold, Änderungskündigung – Vergütungsreduzierung, AuA 2008, 337; Hunold, Die „überflüssige“ Änderungskündigung, NZA 2008, 860; Kappelhoff, Die Änderung von Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung, ArbRB 2005, 244; Kappelhoff, Spielregeln der Änderungskündigung, ArbRB 2006, 183; Kleinebrink, Die Änderungskündigung bei Betriebsänderungen wegen Personalabbaus, FA 2014, 69, Kleinebrink, Angebot zur Änderung von Arbeitsbedingungen und Änderungskündigung, ArbRB 2005, 150; Krois, Die Änderungskündigung zum Zweck der Entgeltsenkung, ZfA 2009, 575; Kühn, Die Auswahlentscheidung bei mehreren möglichen Änderungskündigungen, BB 2011, 1851; Linck, Die Änderungskündigung, AR-Blattei SD 1020.1.1; Lingemann, Kündigungsschutz, 2011, Teil 5 „Änderungskündigung“; Löwisch, Die betriebsbedingte Änderungskündigung und ihre Aufrechterhaltung im Wege der Umdeutung, SAE 2007, 49; Löwisch/Beck, Außerordentliche Änderungskündigung, AP Nr. 207 zu § 626 BGB; Malottke, Erforderlichkeit einer Änderungskündigung – Ablehnung eines Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer, AiB 2006, 188; Moderegger, Änderungskündigung zur Entgeltsenkung, ArbRB 2009, 42; Ohlendorf/Salamon, Massenänderungskündigung zur Arbeitszeitreduzierung, FA 2006, 229; Preis, Leichter kündigen als Änderungskündigen?, ArbuR 2011, Sonderheft zum 70. Geburtstag von Michael Kittner, 405; Reim, Änderungskündigung zur Absenkung übertariflicher Vergütung von Leiharbeitnehmern, AiB 2006, 769; Reiserer/Powietzka, Änderungskündigung für Entgeltsenkung, BB 2006, 1109; Rid, Die überflüssige Änderungskündigung, AuA 2015, 725; Rieble/Kolbe, Die neue Änderungskündigung, SAE 2008, 241; Schott, Das Entscheidungsmodell der Änderungskündigung, BB 2009, 1526; Schwarz, Neue Möglichkeiten bei der Änderungskündigung, AuA 2008, 16; Stoffels, Die Abänderung mehrerer Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung, NZA 2016, 581; Stück, Richtig änderungskündigen, AuA 2005, 212; Wagner, Alternativangebote bei der Änderungskündigung gem. § 2 KSchG, NZA 2008, 1333.

I. Einführung 1

Die Änderungskündigung ist eine Kündigung verbunden mit dem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu veränderten Bedingungen, § 2 KSchG. Die Änderungskündigung dient einerseits der einseitigen Durchsetzung von Vertragsänderungen, die über das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinausgehen und bei denen die einvernehmliche Neuregelung gescheitert ist. Andererseits stellt die Änderungskündigung ein milderes Mittel im Vergleich zur Beendigungskündigung dar und ist daher vorrangig anzuwenden.1 Ist eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter veränderten Bedingungen möglich, ist die dennoch ausgesprochene Beendigungskündigung unwirksam.2

2

Die Grundsätze der Kündigung gelten auch für die Änderungskündigung. Der Arbeitgeber ist an die Kündigungsfristen des § 622 BGB gebunden. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat nach § 102 BetrVG anhören. Daneben liegt bei einer Änderungskündigung oft auch eine Versetzung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG vor, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (vgl. Kap. 19). Die fehlende Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG berührt die Wirksamkeit der Änderungskündigung jedoch nicht (dazu Rz. 35). Der Arbeitnehmer kann eine Änderungskündigungsschutzklage nur innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG erheben, falls er in den Anwendungsbereich des KSchG fällt und die Unwirksamkeit rügen möchte. Die Grundsätze über die Unzulässigkeit von Wiederholungskündigungen gelten auch für die Änderungskündigung.3 1. Inhalt der Erklärung (M 20.1) → S. zur Änderungskündigung M 20.1. 1 BAG v. 13.5.2015, NZA 2015, 249, st. Rspr., vgl. BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1289. 2 BAG v. 13.5.2015, NZA 2015, 249, st. Rspr., vgl. BAG v. 26.1.1995 – 2 AZR 428/94, NZA 1995, 628. 3 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415. Der Arbeitgeber kann auch eine nach § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 TzBfG fingierte Teilzeitvereinbarung nicht ohne neue Tatsachen durch Änderungskündigung zurückändern, BAG v. 20.01.2015, NZA 2015, 505.

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Lingemann

Änderungskündigung

Rz. 5 Kap. 20

§ 2 KSchG verlangt, dass der Arbeitgeber das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit der Kündigung ausspricht. Das ist der Fall, wenn sich aus den Gesamtumständen zweifelsfrei ergibt, dass der Arbeitgeber in erster Linie die Veränderung der Arbeitsbedingungen bezweckt und nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Änderungsangebot und Kündigung müssen daher auch gleichzeitig zugehen. So kann der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung nicht durch nachträgliches Angebot veränderter Arbeitsbedingungen in eine Änderungskündigung umgestalten.4 Die Änderungskündigung muss zudem hinreichend bestimmt sein. Der Arbeitnehmer muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung wissen bzw. hinreichend deutlich erkennen können, welchen konkreten Inhalt das Angebot hat5 und zu welchem Zeitpunkt die Änderungen eintreten sollen.6 Das Angebot des Arbeitgebers muss so konkret sein, dass der Arbeitnehmer es ohne weiteres annehmen kann; ihm muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen.7 Zulässig ist es aber, bei mehreren freien Stellen dem Arbeitnehmer die Wahl zu lassen, welche der freien Stellen er annimmt8 oder dem Arbeitnehmer die Wahl zwischen alternativen Änderungsangeboten zu lassen.9 Unwirksam, weil nicht hinreichend bestimmt sind hingegen mehrere Änderungskündigungen, die der Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer zur selben Zeit erklärt, und die je für sich das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Änderung lediglich einer bestimmten – jeweils anderen – Vertragsbedingung und den Hinweis enthalten, der Arbeitnehmer erhalte zugleich weitere Änderungskündigungen.10

3

2. Form der Erklärung Da Kündigung und Angebot eine Einheit bilden, bedarf ebenso wie gemäß § 623 BGB die Kündigung auch das Angebot der gesetzlichen Schriftform. Es reicht jedoch aus, wenn der Inhalt des Änderungsangebots im Kündigungsschreiben hinreichenden Anklang gefunden hat.11 Das Änderungsangebot muss auch nur solche Vertragsbedingungen erwähnen, die zukünftig gelten sollen, sich also ändern. Die weiter geltenden Vertragsbedingungen brauchen hingegen nicht zwingend schriftlich angegeben zu werden.12

4

3. Arten der Änderungskündigung Wie bei der Beendigungskündigung kann der Arbeitgeber eine außerordentliche oder eine ordentliche Änderungskündigung aussprechen. Die gesetzlich nicht geregelte außerordentliche Änderungskündigung ist allgemein anerkannt, findet aber selten Anwendung. Typische Anwendungsfälle sind die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist gegenüber tariflich unkündbaren Arbeitnehmern13 und die außerordentliche 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13

Weber/Ehrich, BB 1996, 2251; LAG Rh.-Pf. v. 6.2.1987, DB 1987, 1098 (LS). BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 396/12, NZA 2013, 1409. BAG v. 29.9.2011 – 2 AZR 523/10, NZA 2012, 628. BAG v. 17.2.2016 – 2 AZR 613/14, ArbRAktuell 2016, 216. LAG Hamm v. 7.9.2007, LAGE § 2 KSchG Nr. 60. BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, NZA 2014, 653 zum Angebot einer geringerwertigen Tätigkeit mit unverändertem Stundenumfang einerseits gegenüber einer zeitlichen Reduzierung der bisherigen Beschäftigung andererseits. Das BAG hielt ersteres für den den weitergehenden Eingriff, wies aber ausdrücklich auf die Möglichkeit des alternativen Angebotes hin. BAG v. 10.9.2009 – 2 AZR 822/07, NZA 2010, 333 m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2010, 144. BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 628/03, BB 2005, 946. BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 628/03, BB 2005, 946, 947. BAG v. 18.5.2006, NZA-RR 2007, 272; v. 2.3.2006 – 2 AZR 64/05, NZA 2006, 985.

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5

Kap. 20 Rz. 6

Änderungskündigung

Kündigung gegenüber Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz, namentlich nach § 15 KSchG.14 § 2 KSchG ist auch auf die außerordentliche Änderungskündigung anwendbar.15 Daher kann der Arbeitnehmer auch hier die Annahme unter Vorbehalt erklären und Änderungsschutzklage erheben (s. Rz. 22 ff.). 4. Kündigungsgründe und soziale Rechtfertigung 6

Der Normalfall ist die ordentliche Änderungskündigung, die, sofern Kündigungsschutz besteht, gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein muss (dazu Rz. 8 ff.). Strengere Anforderungen stellt die außerordentliche Änderungskündigung (dazu Rz. 20 f.).

7

Die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Änderungskündigung bemisst sich ausschließlich nach der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht der Beendigung. Ist nur eine von mehreren Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial nicht gerechtfertigt, so ist die Änderungskündigung insgesamt unwirksam.16 Wie bei der Beendigungskündigung kommt es darauf an, ob personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen: a) Personenbedingte Änderungskündigung

8

Eine personenbedingte Änderungskündigung kommt insbesondere in Frage, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner bisherigen Tätigkeit gehindert und ein freier leidensgerechter Arbeitsplatz vorhanden ist.17 Hier muss der Arbeitgeber uU sogar einen adäquaten, aber noch besetzten Arbeitsplatz für den gesundheitlich beeinträchtigten Arbeitnehmer freimachen, allerdings nur, soweit sein Direktionsrecht dies erlaubt.18 Eine gravierende krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers kann eine Änderungskündigung zur Herabgruppierung rechtfertigen.19 b) Verhaltensbedingte Änderungskündigung

9

Die verhaltensbedingte Änderungskündigung setzt – wie die Beendigungskündigung20 – einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten und grundsätzlich eine vorherige Abmahnung21 voraus.

10

Bei der personen- oder verhaltensbedingten Änderungskündigung muss zudem das Änderungsangebot geeignet und erforderlich sein, die Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen.

11

In der Interessenabwägung ist schließlich das Interesse des Arbeitnehmers an einem unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegen dasjenige des Arbeitgebers an einer Änderung der Arbeitsbedingungen abzuwägen. 14 BAG v. 7.10.2004 – 2 AZR 81/04, BB 2005, 334. 15 BAG v. 18.5.2006, NZA-RR 2007, 272; v. 19.6.1986, NZA 1987, 94. 16 BAG v. 29.9.2011 – 2 AZR 523/10, NZA 2012, 628, Rz. 41; v. 28.10.2010 – 2 AZR 688/09, DB 2011, 476; v. 10.9.2009 – 2 AZR 822/07, NZA 2010, 333, Rz. 22; Stoffels, NZA 2016, 581. 17 BAG v. 22.10.2015, EzA-SD 2016, Nr. 8, S. 3-5; v. 5.8.1976, DB 1976, 2307. 18 BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 9/96, DB 1997, 1039; Anm. Lingemann, BB 1998, 1106. Zur Reichweite des Direktionsrechts s. Kap. 19 Rz. 1 ff. 19 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 550/14, NZA-RR 2016, 243. 20 Einzelheiten Kap. 22 Rz. 53 ff. 21 LAG Nürnberg v. 6.8.2012, NZA-RR 2012, 631; zu Ausnahmen Kap. 22 Rz. 58 ff.

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Änderungskündigung

Rz. 13 Kap. 20

c) Betriebsbedingte Änderungskündigung In der Praxis häufig und schwierig ist die betriebsbedingte Änderungskündigung. Sie ist sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.22 Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat.23 Ein anerkennenswerter Anlass liegt vor, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen zum Ende der Kündigungsfrist entfallen sein wird.24 Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Prognose ist der Kündigungszugang.25 Dieser Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses kann auf einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebes oder einzelner Arbeitsplätze beruhen, von der auch das Anforderungsprofil der im Betrieb nach Umstrukturierung verbleibenden Arbeitsplätze erfasst werden kann.26 Diese unternehmerische Entscheidung unterliegt nur einer Missbrauchskontrolle daraufhin, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.27 Gegenstand der Unternehmerentscheidung kann zB die Verlagerung eines Betriebsteils28 sein oder auch eine betriebsbedingte Umorganisation, die zu einer anderen zeitlichen Lage und zur Herabsetzung der Dauer der Arbeitszeit führt; insoweit kommt auch die Teilung einer Stelle und Umgestaltung in zwei Teilzeitstellen in Betracht.29 Die unternehmerische Entscheidung kann auch ein Gesamtkonzept betreffen, das den Ausspruch von Beendigungs- und Änderungskündigungen umfasst.30 Ein Missbrauch der unternehmerischen Organisationsfreiheit liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, auf die Reorganisation zu verzichten, sofern sie dauerhafter Natur und nicht nur vorgeschoben ist.31 Natürlich ist aber eine Änderungskündigung zur Maßregelung entgegen § 612a BGB missbräuchlich.32 Dringende betriebliche Erfordernisse können auch auf Umständen beruhen, die einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gleichkommen. Wenn zB arbeitsvertragliche Regelungen zwingenden gesetzlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers widersprechen, die bei Abschluss des Arbeitsvertrages noch nicht bestanden, kann das Festhalten an den gesetzeswidrigen Vertragsbedingungen unzumutbar für den Arbeitgeber sein und eine Änderungskündigung rechtfertigen.33

12

Das BAG führt stets eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung durch. Wird durch das Änderungsangebot beispielsweise neben der Tätigkeit (Arbeitsleistungspflicht) auch die Gegenleistung (Vergütung) geändert, so sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen.34 Sozial gerechtfertigt ist die Änderung letztlich nur, wenn

13

22 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 680/14, MDR 2016, 398; v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11, NJW 2013, 490; v. 24.5.2012, NZA-RR 2013, 74, st. Rspr. 23 BAG v. 24.5.2012, NZA-RR 2013, 74; v. 29.9.2011 – 2 AZR 523/10, NZA 2012, 628 st. Rspr. 24 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 163/11, NZA-RR 2013, 74; Anm. Günther, ArbRAktuell 2013, 53. 25 BAG v. 29.9.2011, NZA-RR 2012, 158; v. 9.9.2010, AP Nr. 149 zu § 2 KSchG 1969. 26 BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, BB 2006, 1115, 1116. 27 BAG v. 24.5.2012, NZA-RR 2013, 74; v. 12.8.2010 – 2 AZR 945/08, DB 2011, 597; v. 23.6.2005, DB 2006, 285. 28 BAG v. 27.9.2001, NZA 2002, 696. 29 BAG v. 22.4.2004 – 2 AZR 385/03, BB 2004, 2818 m. Anm. Spirolke/Regh. 30 BAG v. 22.9.2005, NZA 2007, 1320. 31 BAG v. 22.4.2004 – 2 AZR 385/03, BB 2004, 2818, 2820. 32 BAG v. 22.4.2004 – 2 AZR 385/03, BB 2004, 2818, 2820; PWW/Lingemann, § 612a BGB Rz. 3. 33 BAG v. 5.6.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 40. 34 BAG v. 20.6.2013, DB 2014, 190, Rz. 17; v. 3.4.2008 – 2 AZR 500/06, NZA 2008, 812; v. 29.11.2007 – 2 AZR 388/06, NZA 2008, 523; v. 29.3.2007, ArbRB 2007, 228; v. 23.6.2005, DB 2006, 285.

Lingemann

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Kap. 20 Rz. 14

Änderungskündigung

„vom bisherigen Vertragsinhalt lediglich das weggenommen bzw. geändert wird, was weggenommen bzw. geändert werden muss, um den Vertrag aufrecht erhalten zu können.“35 Die angebotenen Änderungen dürfen sich daher vom Inhalt der bisherigen vertraglichen Regelungen nicht weiter entfernen als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich.36 Eine besondere Rechtfertigung der mit der Änderungskündigung verbundenen Vergütungsänderung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt37 oder eine Entgeltreduzierung bei geändertem Arbeitsinhalt durch einen evident geringeren Marktwert der neu angebotenen gegenüber der bisherigen Tätigkeit gerechtfertigt ist.38 Ergibt sich die Höhe der Vergütung für die geänderte Tätigkeit nicht aus einer Vergütungsordnung, sondern hat der Arbeitgeber die Gehälter aller vergleichbaren Arbeitnehmer frei ausgehandelt, so gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast.39 Bewegt sich die angebotene Vergütung verglichen mit der der anderen Arbeitnehmer im oberen Bereich, so spricht zunächst eine Vermutung dafür, dass die angebotene Vergütung vom Arbeitnehmer billigerweise hinzunehmen ist.40 Das BAG wendet hier also nicht dieselben strengen Maßstäbe an, die bei einer Änderungskündigung mit dem alleinigen Ziel der Entgeltabsenkung gelten (dazu sogleich Rz. 14). Erklärt der Arbeitgeber die Änderungskündigung zur Änderung mehrerer Arbeitsbedingungen, so ist die Änderungskündigung insgesamt unwirksam, wenn auch nur eine der erklärten Änderungen unverhältnismäßig ist.41 Eine künstliche Aufspaltung in mehrere einzelne Änderungskündigungen hilft allerdings auch nicht, solange das Verhältnis der einzelnen Änderungen zueinander nicht klargestellt wird.42 Sozial nicht gerechtfertigt ist ebenfalls eine ordentliche Änderungskündigung, die auf eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen vor Ablauf der Kündigungsfrist zielt. Eine Auslegung der Kündigung als zum Ablauf der Kündigungsfrist ausgesprochen lehnt das BAG bei der Änderungskündigung – anders als bei der Beendigungskündigung – ab.43 14

Eine Änderungskündigung allein zur Entgeltabsenkung44 ist nur sozial gerechtfertigt, wenn die Rentabilität des Betriebes einer weiteren Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen entgegensteht, wenn also durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und soll und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind.45 Dabei ist auf die wirtschaftliche Situation des Gesamtbetriebes und nicht nur die eines unselbständigen Betriebsteils abzustellen.46 Müsste ohne die Entgelt35 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 680/14, MDR 2016, 398; v. 23.6.2005, DB 2006, 285, 287; st. Rspr.; krit. Annuß/Bartz, NJW 2006, 2153; Schrader/Straube, DB 2006, 1678. 36 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 680/14, MDR 2016, 398; v. 20.6.2013, DB 2014, 190, Rz. 17; v. 23.2.2012 – 2 AZR 45/11, nv.; v. 28.10.2010 – 2 AZR 688/09, DB 2011, 476; st. Rspr. 37 BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 688/09, DB 2011, 476; v. 29.11.2007 – 2 AZR 388/06, NZA 2008, 523. 38 BAG v. 29.11.2007 – 2 AZR 388/06, NZA 2008, 523. 39 BAG v. 3.4.2008 – 2 AZR 500/06, NZA 2008, 812. 40 BAG v. 3.4.2008 – 2 AZR 500/06, NZA 2008, 812. 41 BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 688/09, DB 2011, 476; v. 10.9.2009 – 2 AZR 822/07, NZA 2010, 333; v. 21.9.2006 – 2 AZR 120/06, NZA 2007, 435. 42 BAG v. 20.6.2013, DB 2014, 190; v. 10.9.2009 – 2 AZR 822/07, NZA 2010, 333. 43 BAG v. 21.9.2006 – 2 AZR 120/06, NZA 2007, 435. Jedenfalls für den Fall, dass wesentliche Vertragsbedingungen – hier: die Vergütung – vorzeitig geändert werden sollen. 44 Reiserer/Powietzka, BB 2006, 1109, wobei die dort beobachtete Tendenz des BAG, eine Flexibilisierung jedenfalls von Nebenabreden zuzulassen, durch die Entscheidung des BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853 möglicherweise schon wieder überholt ist. 45 BAG v. 10.9.2009 – 2 AZR 822/07, NZA 2010, 333; v. 26.6.2008 – 2 AZR 139/07, NZA 2008, 1182; v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, BB 2006, 1115, 1116. 46 BAG v. 12.11.1998, NZA 1999, 472.

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Änderungskündigung

Rz. 16 Kap. 20

absenkung ein Insolvenzantrag gestellt werden, so ist die Änderungskündigung gegenüber der sonst zu erwartenden Betriebsschließung regelmäßig das mildere Mittel.47 Auch wenn durch die Aufrechterhaltung der bisherigen Personalstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen, kann die Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung begründet sein.48 Das bloße Interesse an einer Vereinheitlichung der Vergütung rechtfertigt eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung allerdings auch dann nicht, wenn eine neue gesetzliche Regelung die Möglichkeit vorsieht, durch Parteivereinbarung einen geringeren (tariflichen) Lohn festzulegen, als er dem Arbeitnehmer bisher gesetzlich oder vertraglich zustand.49 Für die Absenkung von Nebenleistungen kann demgegenüber schon eine wesentliche Änderung der äußeren Verhältnisse, die für ihre Vereinbarung maßgebend waren, ausreichen.50 „Dringend“ sind die betrieblichen Erfordernisse zur Entgeltsenkung nur, wenn der Arbeitgeber einen umfassenden Sanierungsplan vorlegt, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Als solche milderen Mittel können etwa in Betracht kommen die Senkung von freiwilligen Leistungen, Rationalisierungsmaßnahmen und sonstige Einsparungen, wobei auch die Sanierungsfähigkeit des Betriebs und eigene Sanierungsbeiträge des Arbeitgebers bzw. Dritter (Banken) zu bewerten sein sollen.51 Eine freie Mitarbeit ist gegenüber der Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen als Arbeitnehmer aber kein milderes Mittel.52 Dient die Änderungskündigung zur Vermeidung einer Betriebsstilllegung, so soll sie nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn andernfalls die Beendigungskündigung auf Grund einer Betriebsstilllegung gleichfalls sozial gerechtfertigt wäre.53 Bei einem vorübergehenden Betriebsverlust soll auch nur eine vorübergehende Einkommensminderung sozial gerechtfertigt sein.54 Verändern sich die Umstände, die die Arbeitsvertragsparteien erkennbar einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag zugrunde gelegt hatten – zB einer pauschalen Abgeltung von Überstunden –, so kann auch eine Änderungskündigung bezüglich der Nebenabrede (zB zukünftig vorrangig Freizeitausgleich für Überstunden und genaue Einzelabrechnung) durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sein.55

15

Die Änderungskündigung kann auch mit dem Ziel ausgesprochen werden, das bisher unbefristete Arbeitsverhältnis nur noch befristet fortzuführen. Sie ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt und lediglich solche freien Arbeitsplätze noch vorhanden sind, die von vornherein aus sachlichen Gründen nur befristet eingerichtet sind.56 Auch wenn der Arbeitnehmer gegen eine solche Befristung nicht fristgerecht den Vorbehalt erklärt und Änderungsschutzklage erhoben hat, kann er nach Ablauf der Befristung noch die Entfristungsklage erheben.57

16

47 BAG v. 20.6.2013, DB 2014, 190; v. 1.3.2007, ArbRB 2007, 261. 48 BAG v. 20.6.2013, DB 2014, 190; v. 26.6.2008 – 2 AZR 139/07, NZA 2008, 1182. 49 BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, BB 2006, 1115, 1116 – unzulässig ist daher eine Änderungskündigung auf Entgeltsenkung im Verleiherunternehmen, nachdem dort ein niedrigerer Tarifvertrag in Anwendung von § 9 AÜG geschlossen wurde. 50 BAG v. 20.6.2013, DB 2014, 190, Rz. 26. 51 BAG v. 16.5.2002 – 2 AZR 292/01, NZA 2003, 147; v. 27.9.2001 – 2 AZR 236/00, NZA 2002, 750, 754; v. 20.8.1998 – 2 AZR 84/98, NZA 1999, 255; v. 12.11.1998, NZA 1999, 472. 52 BAG v. 21.2.2002, DB 2002, 2276, 2277. 53 BAG v. 12.11.1998, NZA 1999, 473. 54 BAG v. 20.8.1998 – 2 AZR 84/98, NZA 1999, 255. 55 BAG v. 23.11.2000 – 2 AZR 547/99, BB 2001, 940, 941; ebenso BAG v. 27.3.2003, NZA 2003, 1030 (Bustransfer) m. krit. Anm. Berkowsky, NZA 2003, 1130. 56 BAG v. 16.12.2010, AP Nr. 150 zu § 2 KSchG 1969 m. Anm. Göpfert, ArbRAktuell 2011, 380; v. 25.4.1996, AP Nr. 78 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 57 BAG v. 8.7.1998 – 7 AZR 245/97, NZA 1999, 81.

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Kap. 20 Rz. 17

Änderungskündigung

17

Auch bei der betriebsbedingten Änderungskündigung muss eine soziale Auswahl stattfinden, § 2 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG. Die Regeln des § 1 Abs. 3 KSchG werden in modifizierter Form angewendet.58 In die Auswahl einzubeziehen sind alle vergleichbaren Arbeitnehmer, dh. diejenigen, die in ihrer bisherigen Tätigkeit und zugleich in ihrer Eignung für den angebotenen Arbeitsplatz austauschbar sind.59 Auszuwählen ist der Arbeitnehmer, dem die Änderung der Arbeitsbedingungen in sozialer Hinsicht am ehesten zugemutet werden kann.60 Dabei sind als Auswahlkriterien ausschließlich Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung heranzuziehen.61 Eine Ergänzung durch weitere Faktoren im Rahmen der Gewichtung der Grunddaten aus § 1 Abs. 3 KSchG kommt nur in Betracht, wenn sie einen unmittelbaren Bezug zu diesen Grunddaten aufweisen.62

18

Da bei einer bloßen Reduzierung des Beschäftigungsvolumens Voll- und Teilzeitbeschäftigte gleichermaßen in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, muss ggf. auch im Rahmen einer Beendigungskündigung gegenüber der sozial weniger schutzwürdigen Vollzeitkraft eine entsprechende Änderungskündigung auf Teilzeit ausgesprochen werden.63

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Vereinbaren im Rahmen einer Betriebsänderung Arbeitgeber und Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG,64 so wird vermutet, dass die Kündigungen durch betriebliche Erfordernisse bedingt sind; im Kündigungsschutzprozess muss dann nicht der Arbeitgeber die Betriebsbedingtheit beweisen, sondern der Arbeitnehmer die Vermutung der Betriebsbedingtheit widerlegen. Die Sozialauswahl kann in diesen Fällen nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dies gilt nicht nur für Beendigungskündigungen, sondern auch für Änderungskündigungen.65 Auf außerordentliche Änderungskündigungen findet die Regelung allerdings keine Anwendung.66 Änderungskündigungen gelten zudem – unabhängig von der Reaktion des Arbeitnehmers – als Entlassung iSd. § 17 Abs. 1 KSchG und sind daher bei der Berechnung des Schwellenwertes und bei der Anzeige- und Informationspflicht gem. § 17 Abs. 1 und 2 KSchG zu berücksichtigen.67 d) Außerordentliche Änderungskündigung

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Bei einer außerordentlichen fristlosen Änderungskündigung müssen – über die vorstehenden Voraussetzungen der ordentlichen Änderungskündigung hinaus – die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sein.68 58 BAG v. 18.1.2007, FA 2007, 252; v. 13.6.1986 – 7 AZR 623/84, DB 1987, 335; Einzelheiten bei Kühn, BB 2011, 1851. 59 BAG v. 9.9.2010, AP Nr. 149 zu § 2 KSchG 1969; v. 18.1.2007, DB 2007, 2097; v. 13.6.1986 – 7 AZR 623/84, DB 1987, 335. 60 BAG v. 29.1.2015 – 2 AZR 164/14, NZA 2015, 426; v. 18.1.2007, DB 2007, 2097; v. 13.6.1986 – 7 AZR 623/84, DB 1987, 335. 61 BAG v. 29.1.2015 – 2 AZR 164/14, NZA 2015, 426. 62 BAG v. 29.1.2015 – 2 AZR 164/14, NZA 2015, 426. 63 BAG v. 3.12.1997, AP Nr. 39 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; zustimmend Oetker, RdA 1999, 267; ablehnend Bauer/Klein, BB 1999, 1162. 64 Einzelheiten Kap. 22 Rz. 136. 65 BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 304/06, NZA 2008, 103. 66 BAG v. 28.5.2009 – 2 AZR 844/07, NZA 2009, 954. 67 BAG v. 20.2.2014 – 2 AZR 346/12, NZA 2014, 1069; dazu Kleinebrink, FA 2014, 69. 68 BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 688/09, DB 2011, 476; v. 18.5.2006, AP Nr. 5 zu § 55 BAT; v. 27.9.2001, NZA 2002, 815.

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Änderungskündigung

Rz. 21a Kap. 20

Auch für eine außerordentliche Änderungskündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers mit sozialer Auslauffrist gelten strengere Voraussetzungen als bei der ordentlichen Änderungskündigung. Wird eine solche Änderungskündigung auf eine Reorganisationsentscheidung gestützt, so ist entscheidend, ob das geänderte unternehmerische Konzept die vorgeschlagene Änderung erzwingt oder ob es im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger einschneidenden Änderungen im Arbeitsvertrag des Gekündigten durchsetzbar bleibt.69 Schon bei der Erstellung des unternehmerischen Konzeptes muss der Arbeitgeber die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitnehmers berücksichtigen, im Prozess muss er ferner darlegen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.70 Dazu kann auch das Angebot gehören, dem Arbeitnehmer die Fortsetzung seiner Tätigkeit auf einem in einem Interessenausgleich vorgesehenen Home-Office-Arbeitsplatz zu ermöglichen.71 Stehen allerdings keine anderen Stellen zur Verfügung und können diese auch nicht durch organisatorische Maßnahmen (zB Versetzungen) geschaffen werden, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Stellen, für die er keinen Bedarf hat, nur deshalb einzurichten oder aufrecht zu erhalten, um einen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zu unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigen zu können.72 Der Arbeitgeber ist auch nicht generell verpflichtet, zur Vermeidung einer außerordentlichen Änderungskündigung gegenüber ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern Arbeitsplätze ordentlich kündbarer Arbeitnehmer „frei zu kündigen“; dies gilt erst recht, wenn der unkündbare Arbeitnehmer den frei gekündigten Arbeitsplatz nicht innerhalb der für einen qualifizierten Stellenbewerber ausreichenden Einarbeitungszeit ausfüllen kann.73 Sogar eine außerordentliche Kündigung zur Entgeltabsenkung ist dann, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens so schlecht ist, dass der Arbeitgeber ohne die angestrebte Senkung der Personalkosten Insolvenzantrag stellen müsste, gegenüber der sonst befürchteten Betriebsschließung das mildere Mittel.74 In einer derart existenzbedrohenden Situation kann der Arbeitgeber auch von seinen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern einen Sanierungsbeitrag verlangen und eine Reduzierung der Jahressonderzuwendung durchsetzen.75 Eine außerordentliche Änderungskündigung kann auch aus personenbedingten Gründen erklärt werden, so zB wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen (hier: körperliche Beschwerden) zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung (hier: Schwimmmeister mit Rettungsaufgaben) auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist.76

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e) Überflüssige Änderungskündigung Kann die vom Arbeitgeber beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen bereits durch die Ausübung des Weisungsrechts erreicht werden und spricht er dennoch eine Änderungskündigung aus, so verstößt diese dann „überflüssige“ Änderungskündigung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist deshalb unwirksam.77 Dennoch ist aber eine Änderungsschutzklage unbegründet, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen hat, da die betreffenden Arbeitsbedingungen im Kündigungszeitpunkt auf an69 70 71 72 73 74 75 76 77

BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 757/07, NZA 2009, 481; v. 18.5.2006, AP Nr. 5 zu § 55 BAT. BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 64/05, NZA 2006, 985. BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 64/05, NZA 2006, 985. BAG v. 18.5.2006, NZA-RR 2007, 272. BAG v. 18.5.2006, AP Nr. 5 zu § 55b AT. BAG v. 1.3.2007 – 2 AZR 580/05, NZA 2007, 1445. BAG v. 1.3.2007 – 2 AZR 580/05, NZA 2007, 1445. BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 688/09, DB 2011, 476. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 368/06, NZA-RR 2008, 291.

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Kap. 20 Rz. 22

Änderungskündigung

derem Wege bereits eingetreten sind – etwa aufgrund wirksamer Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber oder normativer Wirkung einer Betriebsvereinbarung.78 Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits.79 Oft ist es ratsam, die Änderung durch Ausübung des Direktionsrechtes herbeizuführen und nur hilfsweise durch Änderungskündigung.80 Ist die „überflüssige“ Änderungskündigung allerdings nicht mangels sozialer Rechtfertigung, sondern aus anderen, insbesondere formellen Gründen unwirksam, so hat die Kündigungsschutzklage auch dann Erfolg, wenn der Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat.81 5. Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers 22

Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, stehen dem Arbeitnehmer mehrere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung: Er kann die Ablehnung, die Annahme unter Vorbehalt oder die vorbehaltlose Annahme erklären. a) Ablehnung

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Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot ab (M 20.2 3. Alt.), wird die Änderungskündigung ohne weiteres zur Beendigungskündigung. Der Arbeitnehmer kann dann innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG ab Zugang der Änderungskündigung die allgemeine Kündigungsschutzklage erheben. Streitgegenstand ist ausschließlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es ist dem Arbeitnehmer in diesem Fall verwehrt, sich auf die Möglichkeit einer Änderungskündigung als milderes Mittel zu berufen. Die Ablehnung ist endgültig und führt gemäß § 146 BGB zum Erlöschen des Angebots.

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Die soziale Rechtfertigung der Beendigungskündigung richtet sich allerdings nur danach, ob die Änderung des Arbeitsverhältnisses nach obigen (Rz. 7 ff.) Maßstäben gerechtfertigt gewesen wäre.82 Auf die soziale Rechtfertigung der gleichzeitig ausgesprochenen Beendigung kommt es nicht an, obwohl bei Abweisung der Kündigungsschutzklage das Arbeitsverhältnis nicht nur geändert, sondern beendet ist. Dies beruht aber nicht auf der Erklärung des Arbeitgebers, der die Änderung ja angeboten hat, sondern auf der Ablehnung des Arbeitnehmers. Da der Arbeitnehmer damit den Bestand seines Arbeitsverhältnisses aufs Spiel setzt und überdies riskiert, wegen Ablehnung einer zumutbaren Arbeit keinen oder einen geringeren Verzugslohn zu erhalten,83 ist die Ablehnung der Änderungskündigung in der Praxis selten. b) Annahme unter Vorbehalt

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Gemäß § 2 KSchG kann der Arbeitnehmer das Angebot auch unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen annehmen (M 20.2 2. Alt.). Das ist 78 BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 509/15, NZA 2016, 1461, Anm. Wilke, FD ARbR 2016, 284102; v. 19.7.2012 – 2 AZR 25/11, NZA 2012, 1038; v. 23.2.2012 – 2 AZR 44/11, BB 2012, 2505; v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856 m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2012, 325; v. 29.9.2011 – 2 AZR 613/ 10, KirchE 58, 253; v. 26.8.2008, NZA-RR 2009, 300; insgesamt zur überflüssigen Änderungskündigung Rid, Aua 2015, 725. 79 BAG v. 26.1.2012 – 2 AZR 102/11, NZA 2012, 856 m. Anm. Winzer, ArbRAktuell 2012, 325. 80 BAG v. 17.12.2015 – 2 AZR 304/15, NZA 2016, 568; Formulierungsvorschlag in M 19.1. 81 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 124/14, NZA 2016, 225. 82 BAG v. 20.1.2015 – 9 AZR 860/13, NZA 2015, 805; v. 20.6.2013 – 2 AZR 396/12, NZA 2013, 1409. 83 BAG v. 26.9.2007 – 5 AZR 870/06, NZA 2008, 1063; v. 11.10.2006 – 5 AZR 754/05, NJW 2007, 2060.

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Rz. 29 Kap. 20

der bei weitem häufigste Fall. Der Arbeitnehmer muss diesen Vorbehalt gemäß § 2 Satz 2 KSchG, wenn die Kündigungsfrist weniger als drei Wochen beträgt, innerhalb der Kündigungsfrist, ansonsten innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären. Diese Fristen können durch den Arbeitgeber nicht verkürzt werden.84 Die zu kurze Bemessung der Annahmefrist führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.85 Wichtig: Erhebt der Arbeitnehmer die Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG, kann dies die konkludente Erklärung des Vorbehalts enthalten. Die Frist ist dann aber nur eingehalten, wenn die Klage vor Fristablauf zugestellt wird; ob § 167 ZPO gilt, ist nicht abschließend geklärt.86 Versäumt der Arbeitnehmer es, den Vorbehalt rechtzeitig zu erklären, kann er nur eine allgemeine Kündigungsschutzklage gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erheben. Die Situation entspricht dann der bei vorbehaltloser Ablehnung des Änderungsangebotes (Rz. 23 f.).

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Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an, muss er zusätzlich die Änderungsschutzklage (M 20.5) erheben, wenn er die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung gerichtlich prüfen lassen will. Die Klagefrist der Änderungsschutzklage beträgt gleichfalls drei Wochen ab Zugang der Änderungskündigung, § 4 Satz 2 KSchG. Wird in diesem Zeitraum nicht Klage erhoben, gilt die Änderung fortan als sozial gerechtfertigt und der Vorbehalt erlischt, § 7 KSchG.

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Streitgegenstand der Änderungsschutzklage ist, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt oder die Änderungskündigung aus anderen Gründen unwirksam ist. Obsiegt der Arbeitnehmer, gilt die Änderungskündigung als von Anfang an rechtsunwirksam (§ 8 KSchG) und das Arbeitsverhältnis besteht zu den ursprünglichen Bedingungen fort. Andernfalls wird das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Bedingungen weitergeführt. In jedem Fall aber besteht das Arbeitsverhältnis fort, so dass ein Auflösungsantrag des Arbeitnehmers gem. § 9 KSchG unbegründet ist.87

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Auch wenn er Änderungsschutzklage erhoben hat, muss der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zunächst unter den geänderten Bedingungen arbeiten. Der Arbeitgeber ist nicht aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.88 Das BAG89 hat aber offengelassen, ob entsprechend § 102 Abs. 5 BetrVG ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen besteht, wenn bei einer mit der Änderung der Arbeitsbedingungen verbundenen Maßnahme nach § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrates nicht ersetzt wurde und der Arbeitgeber auch nicht berechtigt ist, die Maßnahmen nach § 100 BetrVG vorläufig durchzuführen. Ein solcher

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84 BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 230/05, BB 2006, 1803. 85 BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 230/05, NZA 2006, 1092. 86 Dagegen BAG v. 17.6.1998 – 2 AZR 336/97, NZA 1998, 1225. Unklar ist, ob diese Ablehnung weiterhin gilt, nachdem der BGH (v. 17.7.2008 – I ZR 109/05, NJW 2009, 765) und ihm folgend auch das BAG (v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924) § 167 ZPO auch in den Fällen für anwendbar erklärt haben, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann. Am 16.3.2016 (4 AZR 421/15, NZA 2016, 1154) hat das BAG die Anwendung von § 167 BGB bei Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist allerdings abgelehnt. Daher ist dem Arbeitnehmer (weiterhin) zu empfehlen, seine Annahme unter Vorbehalt so rechtzeitig zu erklären, dass sie innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG zugeht. Wenn die Kündigungsfrist ausnahmsweise drei Wochen unterschreitet, sollte sich der Arbeitnehmer vorsorglich innerhalb der kürzeren Kündigungsfrist äußern. 87 BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 320/13, NZA 2014, 486; LAG Köln v. 16.8.2011, ArbuR 2012, 177. 88 BAG v. 28.5.2009 – 2 AZR 844/07, NZA 2009, 954. 89 BAG v. 18.1.1990 – 2 AZR 183/89, BB 1990, 1843.

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Kap. 20 Rz. 30

Änderungskündigung

Weiterbeschäftigungsanspruch ist nur dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer die Änderungskündigung abgelehnt hat (Rz. 23 f.), nicht jedoch bei Annahme (oben Rz. 30) oder vorbehaltloser Annahme (Rz. 25 ff.).90 c) Vorbehaltlose Annahme 30

Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot an (M 20.2 1. Alt.), wird das Arbeitsverhältnis mit den neuen Bedingungen ab dem Zeitpunkt fortgesetzt, zu dem die Kündigung wirksam geworden wäre. Nicht völlig klar ist, bis wann die Annahmeerklärung dem Arbeitgeber zugehen muss. Das BAG stellt nicht auf die Frist des § 2 Satz 2 KSchG ab, sondern darauf, wann der Arbeitgeber unter regelmäßigen Umständen eine Antwort auf das in seiner Änderungskündigung enthaltene Änderungsangebot erwarten darf, § 147 BGB.91 Sofern der Arbeitgeber nicht gemäß § 148 BGB eine längere Frist gesetzt hat, gilt die Frist des § 2 Satz 2 KSchG als gesetzliche Mindestfrist.92 Hat der Arbeitgeber eine kürzere Frist gesetzt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung. An Stelle der zu kurzen Frist gilt dann vielmehr die gesetzliche Mindestfrist des § 2 Satz 2 KSchG.93

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Praxistipp: Um Planungssicherheit zu haben, sollte der Arbeitgeber für die vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebotes eine angemessene Frist setzen. Setzt der Arbeitgeber eine kürzere Frist als die DreiWochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG, so setzt dies die gesetzliche Annahmefrist des § 2 Satz 2 KSchG in Lauf. Um von vornherein jeden Einwand etwaigen Rechtsmissbrauchs zu vermeiden, sollte die Frist mindestens der Drei-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG entsprechen.

32

Der Arbeitnehmer sollte die vorbehaltlose Annahme zur Vermeidung jeden Risikos innerhalb der Drei-Wochen-Frist erklären.

33

Arbeitet der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den neuen Bedingungen einfach weiter, bedeutet dies idR die Annahme des Angebotes durch schlüssiges Verhalten.94 Das gilt selbst dann, wenn sich das Änderungsangebot des Arbeitgebers nicht in allen Punkten unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, dh. die Folgen der Vertragsänderung nur teilweise sofort hervortreten.95 6. Beteiligung des Betriebsrates

34

Auch bei der Änderungskündigung ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören. Bei fehlender oder fehlerhafter Anhörung ist die Änderungskündigung unwirksam, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

35

Häufig führt die Änderungskündigung auch zu einer personellen Einzelmaßnahme, die nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrates bedarf, so insbesondere bei einer Umgruppierung oder Versetzung (vgl. Kap. 19). Wurde der Betriebsrat nach § 99 BetrVG nicht beteiligt, so berührt das die soziale Rechtfertigung der mit der Änderungskündigung erstrebten Änderung der Arbeitsbedingungen jedoch nicht.96 Andernfalls wäre der Arbeitnehmer gegen eine Änderung der Arbeitsbedingungen stärker geschützt als gegen eine Beendigung des Arbeits-

90 91 92 93 94 95 96

Ebenso ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 32. BAG v. 6.2.2003 – 2 AZR 674/01, NZA 2003, 659; aA noch LAG BW v. 30.1.1990, BB 1991, 69 f. BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 230/05, BB 2006, 1803. BAG v. 1.2.2007 – 2 AZR 44/06, NZA 2007, 925. BAG v. 1.8.2001, NZA 2003, 924; v. 19.6.1986, NZA 1987, 94. BAG v. 1.8.2001, NZA 2003, 924. BAG v. 22.4.2010, DB 2010, 2285.

790

Lingemann

M 20.1

Änderungskündigung

Rz. 35 Kap. 20

verhältnisses, die ja keiner Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG bedarf, sondern nur einer Anhörung nach § 102 BetrVG. Allerdings kann auch die sozial gerechtfertigte Änderungskündigung erst umgesetzt werden, wenn die Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG vorliegt.97 Diese muss nicht gleichzeitig mit der Änderungskündigung eingeholt werden; ist jedoch mit einem Widerspruch des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 BetrVG zu rechnen, so sollte dies möglichst frühzeitig geschehen. 97 BAG v. 22.4.2010, DB 2010, 2285.

II. Muster M 20.1

Änderungskündigung

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …,1 hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum … Wir bieten Ihnen gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab dem …2 wie folgt fortzusetzen: Sie werden ab diesem Zeitpunkt in der Abteilung … zu der Vergütung … tätig sein;3 im Übrigen bleibt es bei den bisherigen Bedingungen Ihres Arbeitsverhältnisses. Die Änderungskündigung erfolgt aus folgenden Gründen:4 … Wenn Sie mit der Fortsetzung Ihres Arbeitsverhältnisses zu den vorgenannten geänderten Bedingungen einverstanden sind, bitten wir Sie, uns dies bis spätestens zum … mitzuteilen.5 oder Bitte teilen Sie uns binnen drei Wochen nach Zugang dieses Schreibens mit, ob Sie mit der Fortsetzung Ihres Arbeitsverhältnisses zu den vorgenannten geänderten Bedingungen einverstanden sind, diese ablehnen oder sie unter Vorbehalt (gem. § 2 KSchG) annehmen. [evtl:] Sofern Sie die Fortsetzung Ihres Arbeitsverhältnisses zu den vorgenannten geänderten Bedingungen ablehnen oder sich innerhalb der genannten Frist nicht äußern, endet Ihr Arbeitsverhältnis zum … . Wir hoffen, dass Sie für diese Maßnahme Verständnis haben. Der Betriebsrat hat der Änderungskündigung nach § 102 BetrVG zugestimmt/Bedenken geäußert/ widersprochen/nicht widersprochen. Der Betriebsrat hat ferner der damit verbundenen Versetzung nach § 99 BetrVG zugestimmt/widersprochen/nicht widersprochen.6 Für den Fall, dass Sie die Änderung Ihrer Arbeitsbedingungen ablehnen, sind Sie zur Vermeidung einer Kürzung Ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 38 SGB III verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist nach den beiden vorste1 2 3 4

S. näher zur Änderungskündigung Rz. 3 ff. Einzusetzen ist der Ablauf der Kündigungsfrist, s. Rz. 5. Hier müssen die veränderten Arbeitsbedingungen detailliert angegeben werden. Eine Begründung ist zur Wirksamkeit der Kündigung nicht erforderlich; sie kann aber die Akzeptanz des Änderungsangebotes erhöhen und dadurch ggf. Annahmen unter Vorbehalt und nachfolgende Änderungsschutzklagen vermeiden. 5 Zur Frist für die Ablehnung, Annahme oder Annahme unter Vorbehalt vgl. Rz. 22 ff. Wir halten es für ratsam, die Drei-Wochen-Frist des § 2 Satz 2 KSchG auch für die vorbehaltlose Annahme zu setzen. 6 Widerspricht der Betriebsrat der Versetzung, kann die Zustimmung im Wege des Verfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt werden.

Lingemann

791

Kap. 20

Änderungskündigung

M 20.2

henden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen. … (Firma)

M 20.2

Annahme/Annahme unter Vorbehalt/Ablehnung der Änderungskündigung

Firma1 z. Hd. Frau/Herrn … (Ort, Datum)2 … Sie haben mir am … zum … mit dem Angebot gekündigt, mich zu den dort genannten geänderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. Dieses Angebot nehme ich an. oder Dieses Angebot nehme ich unter dem Vorbehalt an, dass diese Änderung nicht sozial ungerechtfertigt ist. oder Dieses Angebot lehne ich ab. … (Unterschrift) 1 S. zu den Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitnehmers Rz. 22 ff. 2 Der Vorbehalt muss innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklärt werden, § 2 Satz 2 KSchG, und dem Arbeitgeber zugehen (vgl. Rz. 25 ff.).

M 20.3

Anhörung des Betriebsrates zur ordentlichen Änderungskündigung gemäß § 102 BetrVG

An den Betriebsrat1 z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Anhörung nach § 102 BetrVG Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir beabsichtigen, Herrn/Frau … eine ordentliche Änderungskündigung gemäß anliegendem Entwurf2 auszusprechen. Herr/Frau … hat folgende Sozialdaten: Alter … 1 S. Rz. 34. 2 Vgl. M 20.1.

792 Lingemann

M 20.5

Änderungskündigung

Kap. 20

Betriebszugehörigkeit … Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder … Schwerbehinderung … Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung in Höhe von Euro … und ist tätig als … in der Abteilung … Auf Grund der Ihnen bekannten Stilllegung der Abteilung ist der dortige Arbeitsplatz von Herrn/ Frau … weggefallen. Wir haben jedoch einen freien Arbeitsplatz in der Abteilung … als … . Da Herr/Frau … gegenüber den anderen Mitarbeitern der stillgelegten Abteilung, die auf diesem Arbeitsplatz eingesetzt werden könnten, am sozial schutzwürdigsten ist – eine Liste mit den sozialen Daten der übrigen Mitarbeiter fügen wir bei/liegt Ihnen vor –, beabsichtigen wir die anliegende ordentliche Änderungskündigung zur Weiterbeschäftigung als … in der Abteilung … . … (Unterschrift)

M 20.4

Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG

An den Betriebsrat1 z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, als Anlage erhalten Sie den Entwurf unserer Änderungskündigung und die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG. Die Weiterbeschäftigung von Herrn/Frau … in der Abteilung stellt eine Versetzung dar. Dazu bitten wir um Ihre Zustimmung gemäß § 99 BetrVG. … (Unterschrift) 1 S. Rz. 35.

M 20.5

Klage gegen Änderungskündigung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:

1 S. M 101.1 und M 101.2.

Lingemann/Diller

793

Kap. 20

Änderungskündigung

M 20.5

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom … unwirksam ist.2, 3, 4

Begründung: Die Bekl. ist ein …-Unternehmen mit 200 Beschäftigten. Der Kl. ist seit dem … bei der Bekl. als … in der …-Abteilung tätig. Sein Gehalt betrug zuletzt Euro … pro Monat. Gemäß § … des Arbeitsvertrages vom … steht dem Kl. im Dezember eines jeden Kalenderjahres ein Weihnachtsgeld in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt zu. Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1 Mit Schreiben vom … hat die Bekl. das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum … gekündigt.5 Die Kündigung war verbunden mit dem Angebot, die Beschäftigung nahtlos ab … zu unveränderten Bedingungen, allerdings ohne Anspruch auf Weihnachtsgeld, fortzusetzen. Beweis: Kündigungsschreiben der Bekl. vom … Anlage K 2 Der Kl. hat mit Einschreiben vom … das Angebot zur Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses zu den geänderten Bedingungen unter Vorbehalt gemäß § 2 KSchG angenommen. Beweis: Vorlage des Schreibens des Kl. vom … Anlage K 3 Die Änderungskündigung ist sozial ungerechtfertigt. Es liegen weder ausreichende personen- noch verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe vor. Mündlich hat die Bekl. dem Kl. erläutert, sie habe im letzten Jahr Verluste gemacht und müsse Kosten sparen. Die Behauptung, die Bekl. habe im letzten Jahr Verluste gemacht, wird mit Nichtwissen bestritten. Abgesehen davon wäre dies kein ausreichender Grund, dem Kl. das Weihnachtsgeld zu streichen. 2 Der richtige Klageantrag bei einer Änderungskündigung ist ein seit Jahrzehnten diskutiertes Problem. Einfach ist die prozessuale Situation, wenn der Arbeitnehmer das Angebot nicht rechtzeitig unter Vorbehalt annimmt, sondern vorbehaltslos ablehnt oder innerhalb der Annahmefrist (drei Wochen, max. aber die Dauer der Kündigungsfrist) keine Annahme erklärt. In einem solchen Fall ist das Änderungsangebot endgültig abgelehnt mit der Folge, dass nicht mehr über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gestritten wird, sondern nur noch um seinen Fortbestand. Dann ist der normale Klageantrag wie bei einer Kündigungsschutzklage (vgl. M 22.17) zu stellen. Ist dagegen die Änderung der Arbeitsbedingungen fristgerecht unter Vorbehalt angenommen worden, steht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses außer Streit. Streitig ist nur, zu welchen Konditionen (alte oder neue) es fortgesetzt wird. Die wohl herrschende Meinung will hier die Klage auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen richten (zB Gift/Baur, E Rz. 138). Nach anderer Auffassung soll dagegen die Klage auf Feststellung gerichtet werden, dass die Änderungskündigung unwirksam ist. Wieder andere wollen auf Feststellung klagen, dass das Arbeitsverhältnis über den Kündigungstermin hinaus unverändert fortbesteht (Wenzel, MDR 1969, 977). Letztlich kann dieser Streit dahinstehen. Denn in allen genannten Formulierungen wird das Klagebegehren des Arbeitnehmers hinreichend deutlich. Ein Kunstfehler ist es, die Formulierung durch unkritisches Abschreiben aus § 2 KSchG auf Feststellung zu richten, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Denn dann erfasst der Klageantrag nur mögliche Verstöße gegen § 2 KSchG, nicht aber die Unwirksamkeit der Änderungskündigung aus sonstigen Gründen (zB wegen fehlender Betriebsratsanhörung). 3 Ist zwischen den Parteien die Wirksamkeit der Annahme unter Vorbehalt streitig (zB hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Annahmeerklärung), verbindet der Arbeitnehmer zweckmäßigerweise den Änderungsschutzantrag mit einem Kündigungsschutzantrag nach § 4 KSchG als Hilfsantrag (vgl. BAG v. 28.3.1985 – 2 AZR 548/83, DB 1985, 2461; Gift/Baur, E Rz. 139). 4 Bei Annahme der Änderungskündigung unter Vorbehalt kommt ein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz nur in Betracht, wenn die Änderungskündigung offensichtlich unwirksam ist (zB wegen fehlender Betriebsratsanhörung). Ansonsten ist der Arbeitnehmer verpflichtet, nach Ablauf der Kündigungsfrist zunächst zu den geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten, bis über die Änderungsschutzklage rechtskräftig entschieden ist (BAG v. 18.1.1990, AP Nr. 27 zu § 2 KSchG 69). 5 Bei der ordentlichen Änderungskündigung ist die normale vertragliche, tarifliche oder gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Je nach den Umständen kommt allerdings auch eine außerordentliche Änderungskündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, dann ist die Einhaltung einer Frist nicht erforderlich.

794

Diller

Kap. 21

Anfechtung

Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats6 wird mit Nichtwissen bestritten. … (Unterschrift)7 6 Für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG gelten die allgemeinen Regeln. Allerdings muss dem Betriebsrat auch das Änderungsangebot in allen Einzelheiten mitgeteilt werden, ebenso wie die Gründe für die angestrebte Änderung. Umfasst das Änderungsangebot eine Versetzung iSd. §§ 95, 99 BetrVG, so ist neben der Anhörung nach § 102 BetrVG auch eine nach § 99 BetrVG erforderlich. Beide können miteinander verbunden werden, es muss aber für den Betriebsrat erkennbar sein, dass es um zwei verschiedene Anhörungen geht. Fehlt die Anhörung nach § 99 BetrVG, macht dies allerdings die Kündigung nicht unwirksam. Der Arbeitgeber ist lediglich gehindert, den Arbeitnehmer zu den geänderten Bedingungen weiter zu beschäftigen (BAG v. 30.9.1993, DB 1994, 637). 7 Streitwert ist bei Annahme des Änderungsangebots der 36fache Wert der Differenz zwischen den alten und den neuen Arbeitsbedingungen (§ 42 Abs. 1 GKG), maximal jedoch ein Vierteljahresbezug (alt) gemäß § 42 Abs. 2 GKG (LAG München v. 31.5.1985, AP Nr. 10 zu § 12 ArbGG; LAG BW v. 31.7.2009 – 5 Ta 35/09, NZA-RR 2010, 47).

Kapitel 21 I. Einführung 1. Anfechtung des Arbeitsvertrages . . . . . . a) Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . aa) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arglistige Täuschung . . . . . . . . . b) Beschränkung des Anfechtungsrechts c) Rechtsfolgen der Anfechtung . . . . . . d) Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . 2. Anfechtung der Eigenkündigung oder des Aufhebungsvertrages (M 21.1) . . . . . . . . a) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arglistige Täuschung . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung durch den Arbeitgeber (M 21.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtung des Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang (M 21.3) . . . . . . . .

Anfechtung

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 2 3 4 12 15 16 18 21 22 23 28 29

a) Anfechtungsmöglichkeit . . . . . . . . . . b) Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen der Anfechtung . . . . . . 4. Anfechtbarkeit einer betrieblichen Übung

_ _ _ _ 34 36 37 40

II. Muster Anfechtung einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 21.1 Anfechtung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . M . . 21.2 Anfechtung des Widerspruchs durch den Arbeitnehmer gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber . . . . . . . . . . . . M . . 21.3

_ _ _

33

Literatur: Dörner, Anfechtung im Arbeitsrecht, AR-Blattei SD 60; Eckert, Keine Anfechtung des Arbeitsvertrages durch Arbeitgeber bei offensichtlicher Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, DStR 2001, 269; Ehrich, Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages wegen „Überrumpelung“ durch den Arbeitgeber, NZA 1994, 438; Giesen, Die Unterrichtung über den Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB, JbArbR 46 (2009), 41; Greiner, Anfechtung des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB wegen arglistiger Täuschung, EWiR 2012, 477; Haas/Salamon/Hoppe, Beseitigung des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang: Auswirkungen der Verletzung von Informationspflichten des Arbeitgebers, NZA 2011, 128; Hromadka, Anfechtung von Aufhebungsverträgen und Verwirkung, FS Zöllner, 1998, S. 785; Hromadka, Aufhebungsvertrag nach Drohung mit fristloser Kündigung – Klageweise Geltendmachung der Nichtigkeit des Vertrages, EWiR 1998, 251; Joussen, Schwerbehinderung, Fragerecht und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174; Kaehler, Das Arbeitgeberfragerecht im Anbahnungsverhältnis: Kri-

Diller/Lingemann

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Kap. 21

Anfechtung

Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats6 wird mit Nichtwissen bestritten. … (Unterschrift)7 6 Für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG gelten die allgemeinen Regeln. Allerdings muss dem Betriebsrat auch das Änderungsangebot in allen Einzelheiten mitgeteilt werden, ebenso wie die Gründe für die angestrebte Änderung. Umfasst das Änderungsangebot eine Versetzung iSd. §§ 95, 99 BetrVG, so ist neben der Anhörung nach § 102 BetrVG auch eine nach § 99 BetrVG erforderlich. Beide können miteinander verbunden werden, es muss aber für den Betriebsrat erkennbar sein, dass es um zwei verschiedene Anhörungen geht. Fehlt die Anhörung nach § 99 BetrVG, macht dies allerdings die Kündigung nicht unwirksam. Der Arbeitgeber ist lediglich gehindert, den Arbeitnehmer zu den geänderten Bedingungen weiter zu beschäftigen (BAG v. 30.9.1993, DB 1994, 637). 7 Streitwert ist bei Annahme des Änderungsangebots der 36fache Wert der Differenz zwischen den alten und den neuen Arbeitsbedingungen (§ 42 Abs. 1 GKG), maximal jedoch ein Vierteljahresbezug (alt) gemäß § 42 Abs. 2 GKG (LAG München v. 31.5.1985, AP Nr. 10 zu § 12 ArbGG; LAG BW v. 31.7.2009 – 5 Ta 35/09, NZA-RR 2010, 47).

Kapitel 21 I. Einführung 1. Anfechtung des Arbeitsvertrages . . . . . . a) Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . aa) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arglistige Täuschung . . . . . . . . . b) Beschränkung des Anfechtungsrechts c) Rechtsfolgen der Anfechtung . . . . . . d) Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . 2. Anfechtung der Eigenkündigung oder des Aufhebungsvertrages (M 21.1) . . . . . . . . a) Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arglistige Täuschung . . . . . . . . . . . . d) Anfechtung durch den Arbeitgeber (M 21.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtung des Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang (M 21.3) . . . . . . . .

Anfechtung

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a) Anfechtungsmöglichkeit . . . . . . . . . . b) Anfechtungserklärung . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen der Anfechtung . . . . . . 4. Anfechtbarkeit einer betrieblichen Übung

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II. Muster Anfechtung einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 21.1 Anfechtung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . M . . 21.2 Anfechtung des Widerspruchs durch den Arbeitnehmer gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber . . . . . . . . . . . . M . . 21.3

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Literatur: Dörner, Anfechtung im Arbeitsrecht, AR-Blattei SD 60; Eckert, Keine Anfechtung des Arbeitsvertrages durch Arbeitgeber bei offensichtlicher Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, DStR 2001, 269; Ehrich, Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages wegen „Überrumpelung“ durch den Arbeitgeber, NZA 1994, 438; Giesen, Die Unterrichtung über den Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB, JbArbR 46 (2009), 41; Greiner, Anfechtung des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB wegen arglistiger Täuschung, EWiR 2012, 477; Haas/Salamon/Hoppe, Beseitigung des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang: Auswirkungen der Verletzung von Informationspflichten des Arbeitgebers, NZA 2011, 128; Hromadka, Anfechtung von Aufhebungsverträgen und Verwirkung, FS Zöllner, 1998, S. 785; Hromadka, Aufhebungsvertrag nach Drohung mit fristloser Kündigung – Klageweise Geltendmachung der Nichtigkeit des Vertrages, EWiR 1998, 251; Joussen, Schwerbehinderung, Fragerecht und positive Diskriminierung nach dem AGG, NZA 2007, 174; Kaehler, Das Arbeitgeberfragerecht im Anbahnungsverhältnis: Kri-

Diller/Lingemann

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Kap. 21 Rz. 1

Anfechtung

tische Analyse und dogmatische Grundlegung, ZfA 2006, 519; Klette, Anfechtung wegen Falschbeantwortung der Frage nach Schwerbehinderung nur bei Irrtum, DStR 2001, 1902; Künzl, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung, AbrR Aktuell 2012, 235; Lansnicker, Prozesse in Arbeitssachen, 3. Aufl. 2013; Lingemann, Neues zum arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag – Klarstellung des BAG, NJW 1997, 640; Lüers, Fallstricke eines Aufhebungsvertrags, sj 2008, 43; Meyer, Fragerecht nach der Gewerkschaftsmitgliedschaft bei Arbeitsbeginn?, BB 2011, 2362; Ohlendorf/Schreier, AGG-konformes Einstellungsverfahren – Handlungsanleitung und Praxistipps, BB 2008, 2458; Pallasch, Diskriminierungsverbot wegen Schwangerschaft bei der Einstellung, NZA 2007, 306; Schlachter, Anfechtung eines auf Grund einer Drohung des Arbeitgebers mit Strafanzeige geschlossenen Aufhebungsvertrages, EWiR 1998, 1065; Schwarze, Grenzen der Anfechtung einer betrieblichen Übung, NZA 2012, 289; Strick, Die Anfechtung von Arbeitsverträgen durch den Arbeitgeber, NZA 2000, 695; Weber/Ehrich, Anfechtung eines Aufhebungsvertrages – der verständig denkende Arbeitgeber, NZA 1997, 414; Wisskirchen/Bissels, Das Fragerecht des Arbeitgebers bei Einstellung unter Berücksichtigung des AGG, NZA 2007, 169.

I. Einführung 1

Gegenstand der Anfechtung können Willenserklärungen sein, die auf den Arbeitsvertrag (Rz. 2 ff.), einen Aufhebungsvertrag oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (dazu Rz. 21 ff.) gerichtet sind. 1. Anfechtung des Arbeitsvertrages

2

Neben der Kündigung richtet sich die Anfechtung auf eine einseitige Beendigung/Beseitigung des Arbeitsverhältnisses.1 Sie steht selbständig neben der Kündigung und unterscheidet sich von dieser in Voraussetzungen und Wirkungen. Der Anfechtende will sich von den Folgen einer Willenserklärung befreien, die auf einem Willensmangel beruht. Das Rechtsverhältnis ist in diesem Fall von Anfang an fehlerhaft. Bei der Kündigung hingegen wird ein Rechtsverhältnis, das zunächst fehlerfrei zustande gekommen ist, aus einem nachträglich eintretenden Grund beendet. Aufgrund der Selbständigkeit beider Rechtsinstitute wird das Anfechtungsrecht nicht durch das Recht zur Kündigung verdrängt;2 eine tatsächlich erklärte vorangegangene Kündigung schließt eine spätere Anfechtung nicht aus.3 a) Anfechtungsgründe

3

Der Arbeitsvertrag kann wegen Irrtums (§ 119 BGB), wegen Drohung oder wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) angefochten werden. aa) Irrtum

4

Zur Anfechtung wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums ist berechtigt, wer sich bei Abgabe der Willenserklärung über deren Inhalt geirrt hat oder eine Erklärung dieses Inhalts gar nicht abgeben wollte, § 119 Abs. 1 BGB.

5

Von praktischer Bedeutung ist der Irrtum des Arbeitgebers über verkehrswesentliche Eigenschaften des Arbeitnehmers, § 119 Abs. 2 BGB. Anfechtungsgrund ist hier die Unkenntnis von Eigenschaften, die für die Beurteilung der Eignung des Arbeitnehmers für die vorgesehene 1 Die Anfechtung eines Teils des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber ihn bei Vertragsschluss darauf hinweist, dass er das Vertragsangebot nur „insgesamt“ annehmen könne, BAG v. 14.6.2005 – 3 AZR 185/04, DB 2006, 959. 2 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1071/12, NZA 2014, 1131; v. 16.12.2004, AP Nr. 64 zu § 123 BGB. 3 BAG v. 12.5.2011, NZA-RR 2012, 43.

796

Lingemann

Anfechtung

Rz. 9 Kap. 21

Arbeitsleistung von Bedeutung sind. Die Eigenschaften, die Gegenstand des Irrtums sind, können physikalischer Natur sein, aber auch aus rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen von gewisser Dauer bestehen. Das AGG ist auch im Rahmen des Anfechtungsrechts zu berücksichtigen. So kann gewöhnlich ein Irrtum des Arbeitgebers über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers, welche im Zusammenhang mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal steht, kein Anfechtungsrecht des Arbeitgebers nach § 119 Abs. 2 BGB mehr begründen, es sei denn, dass die §§ 8–10 AGG die Berücksichtigung erlauben.4

6

Nach früherer Rechtsprechung des BAG war eine Anfechtung wegen Schwangerschaft möglich, wenn die Schwangere bei einer auf kurze Zeit befristeten Beschäftigung – etwa einer Schwangerschafts- oder Urlaubsvertretung – aufgrund der Beschränkungen durch das MuSchG für eine im Verhältnis zur vereinbarten Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses erhebliche Zeit ausfiel.5 Ein diesbezüglicher Irrtum wurde vom EuGH bereits vor Geltung des AGG als unbeachtlich angesehen.6 Dies sollte auch gelten bei der Aufnahme einer befristeten Tätigkeit, wenn die Schwangerschaft der Vertragsdurchführung für einen verhältnismäßig erheblichen Zeitraum entgegensteht.7 Das gilt mit Inkrafttreten des AGG erst recht.8

7

Die Krankheit9 eines Arbeitnehmers stellt gewöhnlich dann eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar, wenn dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss nicht nur vorübergehend die notwendige Fähigkeit fehlt oder erheblich beeinträchtigt ist, die vertraglich übernommenen Arbeiten auszuführen.10 Hieran hat sich durch das Inkrafttreten des AGG grundsätzlich nichts geändert.11 Der EuGH hat eine grundsätzliche Gleichsetzung von Krankheit und Behinderung zwar abgelehnt12 in der Entscheidung vom 11.4.2013 jedoch ausgeführt, dass eine Einschränkungen mit sich bringende Krankheit einer Behinderung gleichzustellen sein kann.13 Auch ist nicht auszuschließen, dass besonders schwerwiegende Krankheiten oder Krankheiten von sehr langer Dauer als Behinderung iSd. § 1 AGG anzusehen sind.14 Ein diesbezüglicher Irrtum würde dann wohl – vorbehaltlich §§ 8–10 AGG – nicht zur Anfechtung berechtigen.

8

Ein Irrtum über eine etwaige Schwerbehinderteneigenschaft begründet entgegen der früheren Rechtsprechung des BAG15 seit Inkrafttreten des AGG – abgesehen von Ausnahmen nach §§ 8–10 AGG16 – kein Anfechtungsrecht des Arbeitgebers nach § 119 Abs. 2 BGB mehr.17

9

4 Schleusener/Suckow/Voigt, § 7 AGG Rz. 31; Däubler/Bertzbach, § 7 AGG Rz. 275 ff. Vgl. auch Kap. 1 Rz. 12. 5 BAG v. 15.10.1992 – 2 AZR 227/92, DB 1993, 435. 6 EuGH v. 27.2.2003 – Rs. C-320/01, NZA 2003, 373. 7 EuGH v. 4.10.2001 – Rs. C-109/00, NZA 2001, 1241. 8 Hierzu Erläuterungen zu M 1.3.1, Ziff. II; ausf. Pallasch, NZA 2007, 306. 9 Vgl. dazu Erläuterungen zu M 1.3.1, Ziff. II.1. 10 BAG v. 28.3.1974, DB 1974, 1581. 11 Vgl. auch Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169. 12 EuGH v. 11.7.2006 – Rs. C-13/05, NZA 2006, 839; BAG v. 22.10.2009 – 8 AZR 642/08, DB 2010, 507 m. Anm. Lingemann, ArbR Aktuell 2010, 143. 13 EuGH v. 11.4.2013, NZA 2013, 553. 14 Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 172; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 26 Rz. 23. Vgl. auch M 1.3.1, Ziff. II.1 mit Anmerkungen. 15 Vgl. BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 380/99, NZA 2001, 315. 16 Beispiel in M 16.6. 17 Einzelheiten bei Kap. 1, M 1.3.2, Ziff. II 1 mit Erläuterungen sowie M 1.3.1 Ziff. II.1 mit Anmerkungen.

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Kap. 21 Rz. 10

Anfechtung

10

Das Bestehen von Vorstrafen18 an sich ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft, lässt aber uU Rückschlüsse auf charakterliche Eigenschaften zu, deren Unkenntnis zur Anfechtung berechtigt. Die Vorstrafe muss jedoch einen Bezug zu der vorgesehenen Tätigkeit haben.19 Davon ist bei einer Tätigkeit im Polizeidienst regelmäßig auszugehen.20 Die Gewerkschaftszugehörigkeit ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft.21

11

Unterschreibt der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag in einer Sprache, der er nicht kundig ist, so kann er seine Willenserklärung allenfalls anfechten, soweit er sich von dem Inhalt des Vertrages, den er ungelesen unterschrieben hat, eine bestimmte unrichtige Vorstellung gemacht hat22 oder wenn er durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zur Annahme des Vertrages bestimmt worden ist, nicht aber, wenn er den Vertrag in dem Bewusstsein unterzeichnet hat, seinen Inhalt nicht zu kennen.23 bb) Arglistige Täuschung

12

Zur Anfechtung einer Willenserklärung berechtigt ist auch, wer zu ihrer Abgabe durch eine arglistige, dh. vorsätzliche Täuschung bestimmt wurde (§ 123 Abs. 1 BGB). Täuschung ist jedes Verhalten, durch das eine unrichtige Vorstellung über Tatsachen erregt, bestärkt oder aufrechterhalten wird. Auf die Verkehrswesentlichkeit der Tatsache kommt es nicht an. Maßgeblich ist, dass die Täuschung letztendlich für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war.24 Reicht der Arbeitnehmer daher aufforderungsgemäß erst nach Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrages Einstellungsunterlagen ein, so scheidet eine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen hierin enthaltener unrichtiger Angaben mangels Kausalität aus.25

12a

Ein Anfechtungsrecht besteht auch dann nicht, wenn es schon an einem täuschungsbedingten Irrtum fehlt. Ein solcher Irrtum fehlt, wenn derjenige, der getäuscht werden soll, die Wahrheit kennt. Die Behauptung eines Auszubildenden, er werde während der gesamten Dauer des Ausbildungsverhältnisses von drei Jahren Leistungen nach dem SGB II beziehen, begründet daher in aller Regel keinen Irrtum. Denn es ist allgemein bekannt, dass Leistungen nach dem SGB II von den persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berechtigten bzw. der Bedarfsgemeinschaft, der er angehört, abhängen, die sich ständig ändern können.26

12b

Eine arbeitgeberseitige Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist aber etwa dann erfolgreich, wenn sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag dazu verpflichtet hat, Nacht- und Wechselschicht zu leisten, obwohl er bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages bereits wusste, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in Nachtarbeit eingesetzt werden kann.27

18 Die Frage nach Ermittlungsverfahren ist nur zulässig, wenn bereits ein Ermittlungsverfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen kann (BAG v. 27.7.2005, NZA 2005, 1244). Nach eingestellten Ermittlungsverfahren darf aufgrund der Wertentscheidung des § 53 BZRG nicht gefragt werden (BAG v. 15.11.2012 – 6 AZR 339/11, DB 2013, 584). 19 BAG v. 5.12.1957, DB 1958, 277. Vgl. auch M 1.3.1 Ziff. 5, Punkt 4 mit Anmerkungen. 20 BAG v. 20.5.1999, NZA 1999, 975 f. 21 Vgl. M 1.3.1 Ziff. V 9 mit Erläuterungen. 22 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076. 23 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076. 24 BAG v. 18.12.2000, – 2 AZR 380/99, NZA 2001, 315. 25 LAG Hamm v. 12.2.2009 – 8 Sa 1386/08. 26 BAG v. 23.8.2011 – 3 AZR 575/09, NZA 2012, 211. 27 LAG Hessen v. 21.9.2011 – 8 Sa 109/11.

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Lingemann

Anfechtung

Rz. 15 Kap. 21

Eine Anfechtung kommt typischerweise in Betracht, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Einstellung eine zulässige Frage bewusst wahrheitswidrig beantwortet. 28 Voraussetzung ist allerdings, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrages ursächlich war. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber erklärt, er hätte den Arbeitnehmer auch dann eingestellt, wenn dieser die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte.29 Die falsche Beantwortung unzulässiger Fragen ist demgegenüber nicht widerrechtlich. Dem Arbeitnehmer steht in diesem Fall ein „Recht zur Lüge“ zu.30 Darin liegt auch keine arglistige Täuschung iSd. § 123 BGB. Zulässig sind nur solche Fragen, an deren Beantwortung der Arbeitgeber – auch und gerade unter Berücksichtigung des AGG31 – ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat.

13

Umgekehrt liegt eine Täuschung auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben verpflichtet ist, eine Tatsache auch ungefragt zu offenbaren, er diese aber bewusst verschweigt.32 Eine solche Offenbarungspflicht trifft den Arbeitnehmer jedoch nur ausnahmsweise. Im Regelfall ist es Sache des Arbeitgebers, die für den Vertragsschluss aus seiner Sicht ausschlaggebenden Umstände zu klären. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die verschwiegenen Umstände den Arbeitnehmer daran hindern, die vertragliche Leistungspflicht überhaupt zu erfüllen.33

14

Die falsche Beantwortung einer zulässigerweise gestellten Frage nach der Verfassungstreue (Eignungskriterium iSv. Art. 33 Abs. 2 GG) kann die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung begründen. Ein Arbeitnehmer, der sich für eine zwar objektiv verfassungsfeindliche, aber nicht verbotene Partei oder Organisation engagiert und aktiv für deren Ziele eintritt, kann jedoch subjektiv der Auffassung sein, er bewege sich (noch) auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes, so dass es dann an der erforderlichen Arglist fehlt.34

14a

b) Beschränkung des Anfechtungsrechts Das Anfechtungsrecht im Arbeitsverhältnis ist nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beschränkt, wenn der Anfechtungsgrund seine Bedeutung für die weitere Durchführung des Arbeitsverhältnisses verloren hat.35 Der Arbeitsvertrag kann auch nur angefochten werden, wenn der Anfechtungsgrund zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung noch besteht. 28 Zur Anfechtung eines Arbeitsvertrages wegen Täuschung im Rahmen des Vorstellungsgespräches s. M 16.6. 29 BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 396/10, NZA 2012, 34. 30 Einzelheiten in Kap. 1 Rz. 3 ff. 31 Dazu, welche Fragen seit Inkrafttreten des AGG noch zulässig sind, ausführlich Kap. 1 Rz. 5 ff. sowie Erläuterungen zu M 1.3.1 und M 1.3.2. 32 Vgl. zur Verpflichtung des Arbeitnehmers, auch Ermittlungsverfahren mitzuteilen, BAG v. 20.5.1999, NZA 1999, 975. Allerdings gilt diese Verpflichtung nicht für bereits eingestellte Ermittlungsverfahren sowie für getilgte oder tilgungsreife Vorstrafen, §§ 51–53 BZRG, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine Stelle im Justizvollzugsdienst handelt und der Arbeitgeber nur pauschal nach dem Vorliegen von Vorstrafen fragt (BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1071/12, NZA 2014, 1131). Vgl. hierzu auch Rz. 9. Der Arbeitnehmer ist auch verpflichtet, eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse oder das aktive Unterstützen eines Wettbewerbers des Arbeitgebers mitzuteilen, vgl. hierzu LAG Rh.-Pf. v. 23.1.2008 – 8 Sa 592/07. 33 Eine Offenbarungspflicht, dass der Arbeitnehmer sich in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet und dieses bis zum Beginn der neuen Tätigkeit unter Beachtung der geltenden Kündigungsfristen nicht mehr beenden kann, besteht grundsätzlich nicht (LAG München v. 3.2.2005, LAGE § 123 BGB 2002 Nr. 1). 34 BAG v. 12.5.2011, NZA-RR 2012, 43. 35 BAG v. 20.5.1999, NZA 1999, 975; v. 18.9.1987, DB 1988, 815; v. 28.3.1974, DB 1974, 1531.

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15

Kap. 21 Rz. 16

Anfechtung

c) Rechtsfolgen der Anfechtung 16

Zu unterscheiden ist zwischen Arbeitsverhältnissen vor und nach dem Beginn der Tätigkeit.

17

Vor Beschäftigungsbeginn gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB, dh. das Arbeitsverhältnis wird gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend beseitigt. Hat der Arbeitnehmer hingegen die Tätigkeit schon aufgenommen, entsteht ein faktisches Arbeitsverhältnis, das nicht rückgängig gemacht werden kann. Der Arbeitnehmer behält für die Vergangenheit alle Ansprüche, die ihm auch aus einem fehlerfreien Arbeitsvertrag zugestanden hätten, das Arbeitsverhältnis wird nur mit Wirkung für die Zukunft beseitigt.36 Allerdings scheidet ein faktisches Arbeitsverhältnis aus, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich außer Funktion gesetzt wurde; das ist zB bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers der Fall. Dann wirkt die Anfechtung auf den Zeitpunkt zurück, zu dem das Arbeitsverhältnis außer Funktion gesetzt wurde.37 d) Anfechtungserklärung

18

Das Anfechtungsrecht verjährt nicht; die Anfechtung hat jedoch innerhalb bestimmter Fristen zu erfolgen. Die Anfechtung wegen Irrtums ist gemäß § 121 Abs. 1 BGB unverzüglich zu erklären. Entgegen früherer Rechtsprechung38 gilt insoweit nicht mehr ein (fester) Zeitraum von zwei Wochen, sondern eine den Umständen des Einzelfalls angepasste Prüfungs- und Überlegungsfrist.39 Zu empfehlen ist, die Erklärung innerhalb maximal einer Woche vorzunehmen. Für die Anfechtung wegen einer arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Drohung gilt die in § 124 Abs. 1 BGB bestimmte Jahresfrist ab Kenntnis.40 Der Arbeitgeber kann anfechten, ohne den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG anzuhören.41 Die Anfechtungserklärung ist auch an keine Form gebunden.

19

Praxistipp: Zum Teil wird verlangt, dass der Anfechtungsgrund in der Erklärung angegeben wird. Das sollte daher vorsorglich geschehen. Zu beachten ist ferner, dass ein Nachschieben von Anfechtungsgründen zu einer bereits aus anderen Gründen erklärten Anfechtung unzulässig ist, weil dies den berechtigten Belangen des Anfechtungsgegners widerspräche.42

20

Da es sich bei der Anfechtung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, gilt bei Abgabe der Erklärung durch einen Vertreter ebenso wie bei der Kündigungserklärung § 174 BGB.43 Etwas anderes gilt dann, wenn sich aus der Stellung des Vertreters im Betrieb ergibt, dass er üblicherweise eine entsprechende Vollmacht besitzt, so zB bei dem Leiter der Personalabteilung (vgl. im Einzelnen Kap. 22 Rz. 19).

36 BAG v. 16.9.1982 – 2 AZR 228/80, NJW 1984, 446; PWW/Ahrens, § 119 BGB Rz. 8. 37 BAG v. 3.12.1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584; LAG Berlin-Brandenburg v. 18.6.2015, LAGE § 4 KSchG Nr. 59: Danach wirkt die Anfechtung auf den Zeitpunkt der faktischen „Außerfunktionssetzung“ zurück, selbst wenn diese ihrerseits auf einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung beruhen sollte, vgl. auch BAG v. 12.5.2011, EZA § 123 BGB 2002 Nr. 10, Rz. 19. 38 BAG v. 21.2.1991 – 2 AZR 449/90, NZA 1991, 719; v. 14.12.1979 – 7 AZR 38/78, DB 1980, 739. 39 BAG v. 3.7.2014 – 6 AZR 753/12, BAGE 148, 323 = NJOZ 2015, 70, Rz. 22. 40 BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348, 352; v. 20.5.1999, NZA 1999, 975; v. 19.5.1983 – 2 AZR 171/81, DB 1984, 298. 41 BAG v. 11.11.1993, BAGE 75, 77, 86. 42 BAG v. 7.11.2007 – 5 AZR 1007/06, NZA 2008, 530. 43 BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 220/11, NZA 2012, 1101.

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Lingemann

Anfechtung

Rz. 24 Kap. 21

2. Anfechtung der Eigenkündigung oder des Aufhebungsvertrages (M 21.1) → S. zur Anfechtung durch den Arbeitnehmer M 21.1. Praktische Bedeutung besitzt in erster Linie die Anfechtung von Aufhebungsverträgen und zum Teil von Eigenkündigungen durch den Arbeitnehmer.44 Sowohl die Kündigungserklärung als auch die Annahme eines Antrags auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses können angefochten werden.

21

a) Irrtum Als Anfechtungsgrund kommt auch hier ein Irrtum nach § 119 Abs. 1 und 2 BGB in Betracht. Die Abgrenzung zwischen beachtlichem Inhalts- und Eigenschaftsirrtum und unbeachtlichem Rechtsfolgenirrtum ist bisweilen schwierig. Schwangere oder schwerbehinderte Arbeitnehmer können ihre Willenserklärung nicht mit der Begründung anfechten, dass sie von ihrer Schwangerschaft bzw. Behinderung keine Kenntnis hatten.45 Dasselbe gilt, wenn die schwangere Arbeitnehmerin sich über die mutterschutzrechtlichen Folgen der Kündigung oder Vertragsaufhebung irrt.46 Das wäre nur ein unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum. Unbeachtlich ist auch ein bloßer Motivirrtum, der sich auf Umstände bezieht, die für die Bildung des Geschäftswillens im Vorfeld bedeutsam sind, die also lediglich Beweggründe darstellen.47 Anders liegt der Fall indes, wenn über solche Umstände arglistig getäuscht wird (hierzu Rz. 28 f.).

22

b) Drohung Zur Anfechtung wegen einer Drohung gemäß § 123 BGB berechtigen nur widerrechtliche Drohungen. Die Widerrechtlichkeit kann sich entweder aus dem Zweck der Drohung, dem Drohmittel oder der Verknüpfung beider, also der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben.48 Eine Drohung liegt dann nicht vor, wenn dem Anfechtenden nur eine objektive, vom Drohenden nicht zu ändernde Zwangslage vor Augen gehalten wird. Die bloße Ausnutzung einer Zwangslage steht einer widerrechtlichen Drohung nicht gleich.49

23

Droht der Arbeitgeber50 ausdrücklich oder konkludent51mit einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung, falls kein Aufhebungsvertrag geschlossen oder keine Eigenkündigung erklärt wird, ist dies nicht widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.52 Das setzt voraus, dass die Pflichtverletzung überhaupt

24

44 45 46 47

48 49 50 51 52

Vgl. BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 1055. BAG v. 6.2.1992 – 2 AZR 408/91, DB 1992, 1529. BAG v. 16.2.1983, DB 1983, 1663; v. 16.11.1979, NJW 1980, 2213. BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148. Dort hatte der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag unterzeichnet in der irrtümlichen Erwartung, zu den Arbeitnehmern zu gehören, die später weiterbeschäftigt werden. Hierbei handelt es sich laut BAG um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg v. 11.3.2016 – 9 Sa 2236/15, LAGE § 123 BGB 2002 Nr. 15: Der Aufhebungsvertrag kann nicht angefochten werden, wenn der Arbeitnehmer sich falsche Vorstellungen über einen gleichzeitig angebotenen Arbeitsplatz gemacht hat. BAG v. 13.12.2007, NZA-RR 2008, 341, 342 mwN; PWW/Ahrens, § 123 BGB Rz. 36 ff. LAG Niedersachsen v. 19.5.2008 – 15 Sa 1265/07. Auch die Drohung durch einen nicht kündigungsberechtigten Vorgesetzten kann zur Anfechtung berechtigen (BAG v. 15.12.2005 – 6 AZR 197/05, NZA 2006, 841). BAG v. 15.12.2005 – 6 AZR 197/05, NZA 2006, 841; v. 6.12.2001 – 2 AZR 396/00, NZA 2002, 731. BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466; v. 15.12.2005 – 6 AZR 197/05, NZA 2006, 841; v. 5.12.2002 – 2 AZR 478/01, DB 2003, 1685; v. 6.12.2001 – 2 AZR 396/00, NZA 2002, 731; v. 12.8.1999 – 2 AZR 832/98, BB 1999, 2511; zur (Un)Wirksamkeit eines Klageverzichts im Falle einer solchen Drohung vgl. Kap. 23 Rz. 34.

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Kap. 21 Rz. 24a

Anfechtung

als Kündigungsgrund geeignet ist.53 Hat etwa ein Arbeitgeber in einem Rundschreiben an die Belegschaft erklärt, dass er bei Verstößen gegen das Verbot der privaten E-Mail-Nutzung zunächst eine Abmahnung und nur im Wiederholungsfall unter Umständen eine Kündigung aussprechen werde, ist beim Fehlen einer solchen Abmahnung die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung widerrechtlich.54 Gleiches gilt nach Auffassung des LAG RheinlandPfalz, wenn der Arbeitgeber vor einer solchen Drohung bei unverändertem Sachverhalt bereits eine ordentliche Kündigung erklärt hatte, da er damit konkludent auf das Recht zur außerordentlichen Kündigung verzichtet hat, er kann damit daher auch nicht mehr drohen.55 Möglicherweise gilt das auch, soweit der Arbeitgeber mit einer vorangegangenen Abmahnung auf sein Kündigungsrecht verzichtet hat.56 Nicht erforderlich ist andererseits, dass die Kündigung sich in einem Kündigungsschutzprozess auch bestätigt hätte. Nur wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, die Kündigung werde einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er mit einer Kündigung auch nicht drohen.57 Ist die Drohung widerrechtlich, wird die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht durch eine dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eingeräumte Bedenkzeit beseitigt. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände ändert eine solche Bedenkzeit auch nichts an der Ursächlichkeit der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrages.58 Fehlende Bedenkzeit allein ist kein Anfechtungsgrund.59 24a

Der nachdrückliche Hinweis des Arbeitgebers auf seine desolate wirtschaftliche Lage bzw. die Lage in seinem Umfeld (etwa Insolvenz des Hauptauftraggebers) verbunden mit dem Angebot, eine fristlose Eigenkündigung zu unterschreiben und einen Arbeitsvertrag mit einem auswärtigen Unternehmen abzuschließen, begründet regelmäßig nicht die Anfechtung der Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen widerrechtlicher Drohung.60

25

Spricht der Arbeitgeber die Kündigung zunächst aus und schließt in derselben Besprechung im Anschluss daran mit dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag, so soll auch dies wie die Androhung einer Kündigung zu behandeln sein, sofern der Ausspruch der Kündigung und der Abschluss des Aufhebungsvertrages eine Einheit darstellen.61 Der hierfür erforderliche enge zeitliche Zusammenhang besteht jedoch nicht mehr, wenn die Vereinbarung über das Ende des Arbeitsvertrages mehrere Wochen nach Ausspruch der Kündigung zustande kommt.62

26

Eine Willenserklärung des Arbeitnehmers ist nicht schon deshalb anfechtbar, weil sie ohne Bedenkzeit unter Zeitdruck abgegeben wurde.63 Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall keiner 53 Vgl. im Einzelnen Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, II. Rz. 61 ff.; PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 3 ff., § 620 BGB Rz. 65 ff. 54 LAG Rh.-Pf. v. 23.4.2009 – 11 Sa 566/08. 55 LAG Rh.-Pf, v. 24.1.2014, 1 Sa 451/13. 56 BAG v. 26.11.2009 – 2 AZR 751/08, NZA 2010, 823; ein Verzicht auf das Kündigungsrecht liegt allerdings nicht vor, wenn der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht, BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rz. 28. Vgl. im Einzelnen Kap. 13 Rz. 7 mwN. 57 BAG v. 6.12.2001 – 2 AZR 396/00, NZA 2002, 731; v. 12.8.1999 – 2 AZR 832/98, BB 1999, 2511. 58 Vgl. BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348. 59 Im Einzelnen s. Rz. 26. 60 BAG v. 9.6.2011, NZA-RR 2012, 129. 61 BAG v. 12.8.1999 – 2 AZR 832/98, BB 1999, 2511. 62 BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466. 63 BAG v. 16.2.1983, DB 1983, 1663; v. 30.9.1993, NZA 1994, 209; v. 14.2.1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811; LAG München v. 13.10.2005, LAGE § 1 KSchG Eigenkündigung Nr. 1; Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, I. Rz. 191.

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Lingemann

Anfechtung

Rz. 28a Kap. 21

durch eine widerrechtliche Drohung verursachten Zwangslage ausgesetzt; nur davor schützt aber § 123 BGB. Droht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit einer Strafanzeige, berechtigt auch das nicht zur Anfechtung, wenn die Straftat das Arbeitsverhältnis konkret betrifft und ein verständiger Arbeitgeber daher eine Strafanzeige in Erwägung ziehen konnte.64

27

In der Ankündigung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch Fristablauf enden zu lassen, wenn der Arbeitnehmer nicht zu einer – objektiv unwirksam – befristeten Fortsetzung zu den vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Bedingungen bereit sei, liegt ebenfalls keine rechtswidrige Drohung.65 Ein solches Angebot des Arbeitgebers ist kein Übel, sondern bietet dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, seiner Erwerbstätigkeit unter geänderten Bedingungen weiter nachgehen zu können, ohne dass er dies vom Arbeitgeber verlangen könnte.

27a

Für die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung ist es unerheblich, von welcher Person die Drohung stammt. Diese kann auch von einer Hilfsperson des Geschäftspartners oder einem Dritten ausgehen.66 Dritter soll nach abzulehnender Auffassung des BAG auch das Gericht oder ein Mitglied des Gerichts sein können. Auch wenn die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken in aller Regel nicht zur Anfechtung eines Prozessvergleichs berechtigt, liegt eine Drohung etwa dann vor, wenn ein Vorsitzender Richter eine Partei im Rahmen von Vergleichsverhandlungen zum Abschluss des Vergleichs drängt durch Äußerungen wie: „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und „Seien Sie vernünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“. Der Kausalzusammenhang zwischen Drohung und späterem Vergleichsschluss soll in diesem Fall auch nicht allein durch die Nichtausübung des Ablehnungsrechts (§ 42 ZPO) durchbrochen werden. Ein Anfechtungsrecht ist im Ergebnis aber zu verneinen, wenn der Prozesspartei eine häufiger praktizierte Neigung des betreffenden Richters zu solchen Äußerungen bekannt ist oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt wurden.67

27b

c) Arglistige Täuschung Eine Täuschung durch den Arbeitgeber kommt in erster Linie in Form falscher Angaben (etwa über die Rechtsfolgen des Aufhebungsvertrages) in Betracht. Sofern es hier an der Täuschungsabsicht und damit an der Arglist fehlt, scheidet eine Anfechtung jedoch aus. Der Arbeitnehmer hat dann unter Umständen die Möglichkeit, Schadensersatz zu verlangen.68

28

Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn ein (zweiseitiger) Aufhebungsvertrag mit der Übertragung von Versorgungsanwartschaften nach § 4 Abs. 2 BetrAVG als dreiseitiger Vertrag (zusätzlich neuer Arbeitgeber) verbunden worden ist. In Fällen, in denen der Aufhebungsvertrag im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Übertragung der Versorgungsanwartschaft und in derselben Urkunde wie diese geschlossen worden ist, führt die Ver-

28a

64 BAG v. 30.1.1986 – 2 AZR 196/85, NZA 1987, 91; LAG Hessen v. 2.6.1997, DB 1998, 82. – Die Drohung mit einer Strafanzeige, um einen Arbeitnehmer, der zugegeben hatte, den Arbeitgeber in erheblicher Höhe geschädigt zu haben, zur Abgabe eines (notariellen) Schuldanerkenntnisses und so zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen, ist rechtmäßig; BAG v. 22.7.2010 – 8 AZR 144/09, NZA 2011, 743. – Vgl. auch LAG Hamm v. 22.7.2009 – 3 Sa 426/09, wonach das Drohen mit einer Strafanzeige gegen den Vater eines Auszubildenden zum Zwecke der Auflösung eines Berufsausbildungsverhältnisses eine widerrechtliche Drohung iSd. § 123 BGB darstellt, wenn die Verhaltensweise des Vaters, gegen die sich die Strafanzeige richten soll, das Arbeitsverhältnis nicht konkret berührt. 65 BAG v. 13.12.2007, NZA-RR 2008, 341. 66 BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 544/08, NZA 2010, 1250; v. 15.12.2005 – 6 AZR 197/05, NZA 2006, 841. 67 BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 544/08, NZA 2010, 1250. 68 Vgl. hierzu Kap. 23 Rz. 8; Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, I. Rz. 206 f.

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Kap. 21 Rz. 28b

Anfechtung

bindung zu einer derart engen Verflechtung der Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien des Aufhebungsvertrages mit denen des Schuldübernahmevertrages, dass eine Anfechtungserklärung auch gegenüber dem neuen Arbeitgeber erforderlich ist. Eine isolierte Teilanfechtung nur des Aufhebungsvertrages etwa nach § 123 Abs. 1 BGB wäre nicht zulässig.69 28b

Ein Aufhebungsvertrag oder Vergleich kann wegen arglistiger Täuschung anfechtbar sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung verspricht und dabei die unmittelbar bevorstehende Insolvenz des Unternehmens verschweigt, es sei denn, dem Arbeitnehmer war bei Abschluss die finanziell bedrängte Lage des Arbeitgebers bekannt.70 d) Anfechtung durch den Arbeitgeber (M 21.2) → S. M 21.2.

29

Problematisch und noch ungeklärt ist die Frage, ob und unter welchen Umständen der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag anfechten kann. Die Frage stellt sich vor allem in zwei Konstellationen.

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Zum einen betrifft dies den Fall, dass dem Arbeitgeber nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags Tatsachen aus der Zeit vor dessen Abschluss bekannt werden, die eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätten. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall ein Interesse daran, die Anfechtung zu erklären, um zB eine vereinbarte hohe Abfindungszahlung zu vermeiden und nunmehr fristlos zu kündigen. Grundsätzlich gelten auch hier die allgemeinen Vorschriften. Ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum scheidet aber aus, da der Arbeitgeber genau das erklärt hat, was er erklären wollte. Ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft könnte vorliegen, wenn man die fristlose Kündbarkeit als Eigenschaft des beendeten Arbeitsvertrages ansieht. Folgt man dem nicht, so handelt es sich lediglich um einen Irrtum über den Beweggrund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages: Ein solcher Motivirrtum würde nicht zur Anfechtung berechtigen. Auch eine arglistige Täuschung liegt idR nicht vor; denn diese setzt voraus, dass der Arbeitnehmer verpflichtet war, die Tatsachen offen zu legen, die eine Kündigung gerechtfertigt hätten. Eine Offenbarungspflicht dieses Inhalts besteht jedoch nicht.71 Ermöglicht jedoch der Ausspruch einer (fristlosen) Kündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem im Aufhebungsvertrag vereinbarten Beendigungszeitpunkt, so entstehen keine gegenseitigen Ansprüche aus dem Aufhebungsvertrag, wenn der Aufhebungsvertrag an Stelle einer ansonsten beabsichtigten Kündigung geschlossen wurde. Ein Aufhebungsvertrag steht dann zumindest unter der konkludenten Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt fortbesteht.72

31

Zum anderen stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten kann, wenn ihm der Arbeitnehmer wahrheitswidrig erklärt hat, er habe noch keine neue Stelle, in Wahrheit aber eine neue Stelle bereits angetreten hatte oder jedenfalls der neue Arbeitsvertrag bereits unterzeichnet ist. Es liegt auf der Hand, dass die Aussichten des Arbeitnehmers auf Zahlung einer hohen Abfindung sich schlagartig verrin69 BAG v. 24.2.2011, NZA-RR 2012, 148. 70 BAG v. 11.7.2012 – 2 AZR 42/11, NZA 2012, 1316. 71 Vgl. auch LAG BW v. 16.12.2009 – 2 Sa 49/09, wonach sich der Arbeitgeber für die Anfechtung eines gerichtlichen Vergleichs nicht auf § 123 BGB berufen kann, wenn er schwerwiegende Verfehlungen des Arbeitnehmers zur Grundlage seines Trennungsentschlusses gemacht hat und nach Abschluss des Vergleichs weitere schwerwiegende Vorgänge bekannt werden. 72 BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 292/96, NZA 1997, 813, 816. § 313 BGB kommt darüber hinaus nur dann zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber seinen Willen im Vertrag zum Ausdruck bringt, dass er mit der Vereinbarung nur eine betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses regeln will. Vgl. auch BAG v. 10.11.2011 – 6 AZR 357/10, NZA 2012, 205.

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Anfechtung

Rz. 36 Kap. 21

gern, wenn dem Arbeitgeber bekannt wird, dass der Arbeitnehmer bereits eine neue Stelle hat, weil dann unter anderem das Annahmeverzugsrisiko deutlich niedriger ist. Nach richtiger Auffassung73 hat der Arbeitnehmer kein Recht zur Lüge, wenn ihn der Arbeitgeber nach einer Anschlussbeschäftigung fragt. Antwortet der Arbeitnehmer wahrheitswidrig, er habe noch keine Anschlussbeschäftigung, ist daher der Arbeitgeber zur Anfechtung des Aufhebungsvertrages nach § 123 BGB berechtigt.74 Wichtig: Ein Anfechtungsgrund besteht nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einer Anschlussbeschäftigung fragt und der Arbeitnehmer wahrheitswidrig antwortet. Eine selbständige Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers besteht wohl auch in diesem Zusammenhang nicht.

32

3. Anfechtung des Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang (M 21.3) → S. M 21.3. Bekanntlich stellt das BAG strenge Anforderungen an die Vollständigkeit und Richtigkeit der Unterrichtung der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB,75 Nach einem nicht ordnungsgemäßen Unterrichtungsschreibens kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses – in den Grenzen der Verwirkung – unbefristet widersprechen. Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer auch umgekehrt seinen einmal erklärten Widerspruch wegen Fehlern im Unterrichtungsschreiben anfechten kann.

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a) Anfechtungsmöglichkeit Das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB ist ein Gestaltungsrecht, das durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt wird. Die Vorschriften über die Anfechtung von Willenserklärungen (§§ 119 ff. BGB) gelten daher ebenso für die Widerspruchserklärung.76

34

Insbesondere kommt eine Anfechtung des Widerspruchs im Falle der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB in Betracht. Dies ist etwa anzunehmen, wenn im Rahmen der Unterrichtung der in der Freistellungsphase befindlichen Altersteilzeitbeschäftigten über das (Nicht)Bestehen einer Insolvenzsicherung der Wertguthaben bei dem Betriebsveräußerer getäuscht wird, um die Betroffenen im Unklaren zu lassen und sie zum Widerspruch gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse zu bewegen.77 Gleiches gilt in Fällen, in denen unzutreffend darüber unterrichtet wurde, dass sich die Arbeitsbedingungen beim Betriebserwerber erheblich verschlechtern.78

35

b) Anfechtungserklärung Die Anfechtung kann der Arbeitnehmer nach § 143 Abs. 3 Satz 1 BGB – ebenso wie den Widerspruch – wahlweise dem Betriebsveräußerer oder Betriebserwerber gegenüber erklä-

73 74 75 76 77

LAG Hamm v. 19.5.1994 – 16 (10) Sa 1545/93, BB 1995, 2117. Vgl. dazu ausführlich Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, I. Rz. 200 ff. Vgl. Kap. 60 Rz. 17 ff. und M 60.1. BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 310/06, DB 2007, 1759. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 220/11, NZA 2012, 1101. – Nach BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 27/07, NZA 2008, 705, gehen grds. auch die in der Freistellungsphase der Altersteilzeit ruhenden Arbeitsverhältnisse über. 78 Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159, 1164; zu Angaben „ins Blaue hinein“ s. Greiner, EWiR 2012, 477, 478; Haas/Salamon/Hoppe, NZA 2011, 128, 131.

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Kap. 21 Rz. 37

Anfechtung

ren.79 Das Urteil des BAG vom 15.12.2011 stellt jedoch zum Teil auf den tatsächlichen Erklärungsempfänger des Widerspruchs ab und zum Teil auf den täuschenden Unterrichtenden.80 Daher ist es ratsam, vorsorglich beiden gegenüber anzufechten. c) Rechtsfolgen der Anfechtung 37

Die wirksame Anfechtung der Widerspruchserklärung beseitigt sämtliche Wirkungen des Widerspruchs gegenüber dem Betriebsveräußerer und Betriebserwerber. Im Fall der arglistigen Täuschung tritt diese Nichtigkeitsfolge nach BAG gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend (ex tunc) ein, so dass das Arbeitsverhältnis am Tag des Betriebsübergangs auf den Betriebserwerber übergegangen ist.81 Ob es darüber hinaus auch in anderen Fällen der Irrtumsanfechtung bei der gesetzlichen Folge des § 142 Abs. 1 BGB bleibt oder in Anlehnung an die zum fehlerhaften, in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätze eine Nichtigkeit des Widerspruchs erst für die Zukunft (ex nunc) angenommen werden muss,82 ist noch nicht entschieden. Es spricht im Ergebnis aber einiges dafür, dass das BAG auch hier ebenso wie bei der Ausübung des Widerspruchsrechts selbst von einer Rückwirkung ausgeht.83

38

Darüber hinaus kommt bei einer Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB eine Schadensersatzpflicht des anfechtungsberechtigten Arbeitnehmers nach § 122 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn dem Betriebsveräußerer und/oder -erwerber aufgrund ihres Vertrauens auf die Gültigkeit des Widerspruchs ein Schaden entstanden ist. Gemäß § 122 Abs. 2 BGB entfällt die Ersatzpflicht jedoch, wenn der Anfechtungsgegner den Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund kannte oder kennen musste und deshalb nicht schutzwürdig ist. Daran wird ein Schadensersatzanspruch meist scheitern.84

39

Im Fall der arglistigen Täuschung greift § 122 BGB von vornherein nicht ein. Hier kommt umgekehrt ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Betracht, der auf Ersatz des Schadens gerichtet ist, der dem Arbeitnehmer dadurch entstanden ist, dass die gesetzliche Unterrichtungspflicht verletzt wurde. 4. Anfechtbarkeit einer betrieblichen Übung

40

Die Anfechtbarkeit einer betrieblichen Übung ist in jüngerer Zeit verstärkt in den Fokus getreten, nachdem die Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung aufgegeben wurde.85

41

Die überwiegende Ansicht geht von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 119, 123 BGB aus.86 Auch das BAG bejaht offenbar eine grundsätzliche Anfechtbarkeit der betriebli79 80 81 82 83 84

So auch Greiner, EWiR 2012, 477, 478. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 220/11, NZA 2012, 1101, Rz. 24 und Rz. 36. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 220/11, NZA 2012, 1101. So Haas/Salamon/Hoppe, NZA 2011, 128, 132. Vgl. Giesen, JbArbR 46 (2009), 41, 60. Haas/Salamon/Hoppe, NZA 2011, 128, 132. – Eine Schadensersatzpflicht scheidet nicht nur in dem ausdrücklich geregelten Fall aus, dass der Erklärungsempfänger den Irrtum kennen musste; eine Haftung entfällt auch dann, wenn dieser den Irrtum veranlasst hat; MünchKommBGB/Armbrüster, § 122 Rz. 23. Bei schuldloser Mitverursachung durch den Erklärungsempfänger gilt § 254 Abs. 1 BGB entsprechend (BGH v. 14.3.1969, NJW 1969, 1380). 85 Vgl. BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601. 86 MünchKommBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 414; Schaub/Koch, ArbR-Hdb., § 110 Rz. 31; Lansnicker/ Winterhoff, § 7 Rz. 603; Schwarze, NZA 2012, 289 ff. – Vgl. auch ArbG Berlin v. 15.12.2010 – 55 Ca 17670/09, das eine Anfechtbarkeit auf der Grundlage der Vertragstheorie für konsequent hält, aber bereits die Vertragstheorie ablehnt und stattdessen der Theorie der Vertrauenshaftung folgt.

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Lingemann

M 21.1

Anfechtung

Rz. 42 Kap. 21

chen Übung. Im Urteil vom 29.8.2012 ließ es das Vorliegen der Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB dahinstehen, da der Arbeitgeber eine Anfechtung nicht erklärt hatte, stellte andererseits aber auch die prinzipielle Anwendbarkeit des § 119 BGB nicht in Frage.87 Höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Grenzen einer möglichen Anfechtung findet sich bisher jedoch kaum.88 Eine Irrtumsanfechtung dürfte auch nur selten in Betracht kommen. So kann der Arbeitgeber eine Anfechtung etwa nach verbreiteter Ansicht nicht darauf stützen, er habe nicht gewusst, dass aus seiner Übung eine Willenserklärung und damit eine rechtliche Bindung gefolgert werde, da es sich lediglich um einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum handele.89 Weiterhin soll sich der Arbeitgeber nicht erfolgreich darauf berufen können, er habe nicht gewusst, dass in seinem Betrieb eine bestimmte Übung entsteht.90 Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber das Risiko der Entstehung einer betrieblichen Übung kennt und bewusst in Kauf nimmt.91 Zudem müsste der Arbeitgeber gemäß § 121 Abs. 1 BGB die Anfechtung unverzüglich ab Kenntnis gegenüber jedem begünstigten Arbeitnehmer erklären, § 121 Abs. 2 BGB sieht zudem eine Höchstfrist von zehn Jahren vor. 87 BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 571/11, NZA 2013, 40. 88 Vgl. Schwarze, NZA 2012, 289 ff. 89 Schaub/Koch, ArbR-Hdb., § 110 Rz. 31; Preis, ArbR I, S. 232; Lansnicker/Winterhoff, § 7 Rz. 604; aA Houben, BB 2006, 2301, 2303; Walker, JuS 2007, 1, 7; Waltermann, RdA 2006, 257, 265, die im Wesentlichen die Rechtsfolge der Zukunftsbindung als unmittelbare Folge des Erklärten ansehen und aus diesem Grund von einem als Inhaltsirrtum beachtlichen Rechtsfolgenirrtum ausgehen. 90 Schaub/Koch, ArbR-Hdb., § 110 Rz. 31; Lansnicker/Winterhoff, § 7 Rz. 604. 91 Schwarze, NZA 2012, 289, 290 f., 294; in diesem Sinne auch Waltermann, RdA 2006, 257, 265. – Schwarze, NZA 2012, 289, 292 ff., erwägt zudem einen Ausschluss der Anfechtung, soweit der Kernbereich der Arbeitsbedingungen betroffen wäre.

II. Muster M 21.1

Anfechtung einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer

Firma … z. Hd. des Personalleiters (Ort, Datum) … Sehr geehrter Herr …, hiermit fechte ich meine Kündigung vom …/den mit Ihnen am … abgeschlossenen Aufhebungsvertrag nach § 119/§ 123 BGB an, weil …1

1 Es ist seit langem umstritten, ob sich der Anfechtungsgrund – also etwa Täuschung oder Drohung – und die tatsächlichen Gründe, auf die eine Anfechtung gestützt wird, aus der Erklärung ergeben müssen (MünchKommBGB/Busche, § 143 Rz. 7 f.). Sicherheitshalber sollte daher beides angegeben werden. Jedenfalls muss die Anfechtung unzweideutig formuliert sein und darf nicht an Bedingungen geknüpft werden (Soergel/Hefermehl, § 143 BGB Rz. 3).

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Kap. 21

Anfechtung

M 21.2

Meine Arbeitsleistung biete ich ab sofort wieder an. Außerdem bitte ich Sie, mir bis spätestens … mitzuteilen, ob Sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses akzeptieren. Sollte die Frist fruchtlos verstreichen, werde ich Klage2 beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. … (Herr/Frau) 2 Will der Arbeitnehmer eine ihm gegenüber ausgesprochene Anfechtung gerichtlich überprüfen lassen, ist er nach der früheren Rechtsprechung des BAG wohl nicht an die dreiwöchige Frist des § 4 KSchG gebunden (BAG v. 14.12.1979 – 7 AZR 38/78, DB 1980, 739). Es ist jedoch zu empfehlen, innerhalb der Frist zu klagen. Die Beweislast für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen trägt der Anfechtende. Richtige Klageart ist die Feststellungsklage.

M 21.2

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitgeber

Herrn/Frau … (Ort, Datum) … Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, hiermit fechte ich nach § 123 BGB meine Willenserklärungen an1, die auf den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit Ihnen vom … gerichtet waren.

Begründung: Unmittelbar vor Abschluss des Aufhebungsvertrages habe ich Sie gefragt, ob Sie schon eine Anschlussbeschäftigung hätten. Darauf haben Sie geantwortet, Sie hätten noch keine Anschlussbeschäftigung, eine solche sei auch nicht in Sicht. Wie ich jetzt herausgefunden habe, war Ihre Angabe falsch. Sie sind seit dem … bei der Fa. … mit einer Vergütung von Euro … beschäftigt, waren dies also auch schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages. Nur auf Grund Ihrer Angabe war ich bereit, mit Ihnen den Aufhebungsvertrag mit der darin enthaltenen Abfindung zu schließen.2 Gleichzeitig kündige ich ein dadurch ggf. wieder entstehendes Arbeitsverhältnis mit Ihnen aus wichtigem Grund fristlos sowie hilfsweise fristgemäß zum nächstzulässigen Zeitpunkt.3 Ich weise Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Zur Wahrung der Frist reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.4 Ich fordere Sie auf, die Abfindung in Höhe von Euro … bis zum … auf mein Konto … zurückzuzahlen.5 … (Unterschrift) 1 Die Anfechtungserklärung ist nicht in eine Widerrufserklärung umzudeuten, da Anfechtung und Widerruf unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen haben, BAG v. 12.3.2015, NZA 2015, 676. 2 Vgl. M 21.1 Fn. 1. 3 Nicht für die Anfechtungserklärung, wohl aber für die fristlose und die hilfsweise fristgemäße Kündigung ist die vorherige Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG Wirksamkeitsvoraussetzung. 4 Auch ein Unterlassen des Hinweises hat allerdings keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Kap. 22 Rz. 183). 5 Zur Klage des Arbeitnehmers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Anfechtung bzw. der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages s. M 23.3.

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Beendigungskündigung

M 21.3

Kap. 22

Anfechtung des Widerspruchs durch den Arbeitnehmer gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber

An Firma A GmbH (Firmierung und Anschrift) An Firma B GmbH (Firmierung und Anschrift)1 (Ort, Datum) … Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, hiermit fechte ich nach § 123 BGB meinen am … gegenüber … nach § 613a Abs. 6 BGB erklärten Widerspruch gegen den Übergang meines Arbeitsverhältnisses auf die B GmbH an.

Begründung: In dem Informationsschreiben vom … sowie der Informationsveranstaltung vom … teilten Sie mit, dass … . Tatsächlich aber verhielt es sich so, dass … . In Unkenntnis des wahren Sachverhalts habe ich am … dem Übergang meines Arbeitsverhältnisses auf die B GmbH widersprochen. Meinen Entschluss zum Widerspruch habe ich nur auf Grund Ihrer Angabe gefasst. Daher fechte ich meine Widerspruchserklärung hiermit an. Meine Arbeitsleistung biete ich ab sofort der B GmbH an. … (Unterschrift) 1 Nach zutreffender Ansicht kann die Anfechtungserklärung nach §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 613a Abs. 6 Satz 2 BGB wahlweise dem Betriebsveräußerer oder Betriebserwerber gegenüber erfolgen. Da das BAG jedoch hinsichtlich des richtigen Anfechtungsgegners zum Teil auf den Erklärungsempfänger des Widerspruchs und zum Teil auf den täuschenden Unterrichtenden abstellt (vgl. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 220/11, NZA 2012, 1101, Rz. 24, 36), ist anzuraten, vorsorglich sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber gegenüber anzufechten.

Kapitel 22 I. Einführung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arten der Kündigungen . . . . . . . . . . b) Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . c) Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . d) Zugang der Kündigung . . . . . . . . . . e) Kündigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . f) Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . . . 3. Verhaltensbedingte Kündigung . . . . . . . a) Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . b) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verdachtskündigung . . . . . . . . . . . . d) Leistungsbedingte Kündigung . . . . . .

Beendigungskündigung

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 2 8 9 16 19 24 29 45 53 53 58 64 71

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

4. Personenbedingte Kündigung . . . . . . . . a) Häufige Kurzerkrankungen . . . . . . . . b) Kündigung wegen lang anhaltender Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit . . . . d) Kündigung wegen dauernder Leistungsminderung . . . . . . . . . . . . . . . e) Kündigung wegen Suchterkrankungen f) Betriebsratsanhörung . . . . . . . . . . . . 5. Betriebsbedingte Kündigung . . . . . . . . . a) Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes . b) Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Soziale Vergleichbarkeit . . . . . . .

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74 84 90 94

97 99 101 102 103 113 122 123

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Beendigungskündigung

M 21.3

Kap. 22

Anfechtung des Widerspruchs durch den Arbeitnehmer gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber

An Firma A GmbH (Firmierung und Anschrift) An Firma B GmbH (Firmierung und Anschrift)1 (Ort, Datum) … Sehr geehrte(r) Herr/Frau …, hiermit fechte ich nach § 123 BGB meinen am … gegenüber … nach § 613a Abs. 6 BGB erklärten Widerspruch gegen den Übergang meines Arbeitsverhältnisses auf die B GmbH an.

Begründung: In dem Informationsschreiben vom … sowie der Informationsveranstaltung vom … teilten Sie mit, dass … . Tatsächlich aber verhielt es sich so, dass … . In Unkenntnis des wahren Sachverhalts habe ich am … dem Übergang meines Arbeitsverhältnisses auf die B GmbH widersprochen. Meinen Entschluss zum Widerspruch habe ich nur auf Grund Ihrer Angabe gefasst. Daher fechte ich meine Widerspruchserklärung hiermit an. Meine Arbeitsleistung biete ich ab sofort der B GmbH an. … (Unterschrift) 1 Nach zutreffender Ansicht kann die Anfechtungserklärung nach §§ 143 Abs. 3 Satz 1, 613a Abs. 6 Satz 2 BGB wahlweise dem Betriebsveräußerer oder Betriebserwerber gegenüber erfolgen. Da das BAG jedoch hinsichtlich des richtigen Anfechtungsgegners zum Teil auf den Erklärungsempfänger des Widerspruchs und zum Teil auf den täuschenden Unterrichtenden abstellt (vgl. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 220/11, NZA 2012, 1101, Rz. 24, 36), ist anzuraten, vorsorglich sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber gegenüber anzufechten.

Kapitel 22 I. Einführung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arten der Kündigungen . . . . . . . . . . b) Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . c) Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . d) Zugang der Kündigung . . . . . . . . . . e) Kündigungsbefugnis . . . . . . . . . . . . f) Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . . . 3. Verhaltensbedingte Kündigung . . . . . . . a) Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . b) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verdachtskündigung . . . . . . . . . . . . d) Leistungsbedingte Kündigung . . . . . .

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_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 2 8 9 16 19 24 29 45 53 53 58 64 71

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

4. Personenbedingte Kündigung . . . . . . . . a) Häufige Kurzerkrankungen . . . . . . . . b) Kündigung wegen lang anhaltender Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit . . . . d) Kündigung wegen dauernder Leistungsminderung . . . . . . . . . . . . . . . e) Kündigung wegen Suchterkrankungen f) Betriebsratsanhörung . . . . . . . . . . . . 5. Betriebsbedingte Kündigung . . . . . . . . . a) Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes . b) Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Soziale Vergleichbarkeit . . . . . . .

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97 99 101 102 103 113 122 123

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Beendigungskündigung

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bb) Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen fehlerhafter Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Herausnahme aus der Sozialauswahl, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG . . . d) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . e) Interessenausgleich mit Namensliste . f) Betriebsratsanhörung . . . . . . . . . . . . g) Abfindungsangebot nach § 1a KSchG Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . Annahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . Massenentlassungsanzeige . . . . . . . . . . . Interessenausgleich und Sozialplan . . . . . Wiedereinstellungsanspruch . . . . . . . . . Hinweis nach §§ 2, 38 Abs. 1 SGB III . . . Kündigungsschutzklage (M 22.18 ff.) . . . Auflösungsantrag (M 22.22 und M 22.23)

II. Muster Ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordentliche betriebsbedingte Kündigung nach § 1a KSchG durch den Arbeitgeber Ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche sowie hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche sowie hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerordentliche Arbeitnehmerkündigung und Lossagung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . Aufforderung zur Mitteilung außerordentlicher Kündigungsgründe . . . . . . Kündigungszurückweisung wegen fehlender Vollmachtsvorlage . . . . . . . . Unternehmerentscheidung zur betriebsbedingten Kündigung . . . . . . . . . . . . . Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

129 133 134 135 136 139 143 145 159 166 169 180 181 183 184 188

.M . . 22.1

.M . . 22.2 .M . . 22.3 .M . . 22.4

.M . . 22.5 .M . . 22.6

.M . . 22.7

.M . . 22.8

.M . . 22.9

M . . .22.10 M . . .22.11

_

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Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen personenbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . Anhörung des Betriebsrates zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Änderungskündigung sowie alternativ zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Beendigungskündigung gem. § 102 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellungnahme des Betriebsrats zu einem Anhörungsschreiben . . . . . . . . . Kündigungsschutzklage mit Weiterbeschäftigungsantrag . . . . . . . . . . . . . . Klage gegen Kündigung bei Unanwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsschutzklage bei betriebsbedingter Kündigung . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage . . . . . . . . . Auflösungsantrag des Arbeitnehmers . . Auflösungsantrag des Arbeitgebers . . . . Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei offensichtlich unwirksamer Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung während der Kündigungsfrist . . . . Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG . . Einstweilige Verfügung des Arbeitgebers auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klage gegen fristlose Kündigung und auf Gehaltszahlung . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschafterbeschluss zur Abberufung und Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Herausgabe von Arbeitspapieren . . . . . . . . . . . . . . Klage auf Wiedereinstellung nach Wegfall des Kündigungsgrundes . . . . . . Widerklage des Arbeitgebers auf Herausgabe des Dienstwagens und Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Kündigungsschutz allgemein/Freistellung: Alter, Rechtsprobleme betrieblicher Videoüberwachung, NJW 2015, 2375; Arnold/Fischinger, Kündigungsschutz und § 84 SGB IX – der Nebel lichtet sich!, BB 2007, 1894; Arnold/Schansker, Kein Vertrauensschutz ohne EuGH?, ArbRAktuell 2015, 89; Ascheid/ Preis/Schmidt, Kündigungsschutzrecht, 4. Aufl. 2012; Backmeister/Trittin/Mayer, Kündigungsschutzgesetz mit Nebengesetzen, 4. Aufl. 2009; Bauer, „Spielregeln“ für die Freistellung von Arbeitnehmern, NZA 2007, 409; Bauer/Arnold, Kein Kündigungsschutz für „Arbeitnehmer-Geschäftsführer“ – oder doch?, DB 2008, 350; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Bader/Etzel/Fischermeier/Friedrich/Lipke/Pfeiffer/Rost/Spilger/Weigand/Wolff, Gemeinschaftskommentar zum KSchG und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften (KR), 11. Aufl. 2016; Bergwitz/Vollstädt, Druckkündigung – Notstand oder Selbstjustiz?, DB 2015, 2635; Berkowsky, Kündigungsschutz außerhalb des KSchG – Eine Herausforderung für die Praxis, NJW 2009, 113; Berkowsky, Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung, NZA 2006, 697; Berrisch, Die Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber, FA 2007, 6; Binkert, Hände weg vom Kündigungsschutz!, NZA 2010, 433; Blomeyer, Aktuelle Rechtsprobleme in der Probezeit, NJW 2008, 2812; Boemke, Beginn und Ende der Wartezeit des allgemeinen Kündigungsschutzes, BB 2014, 2999; Breucker, Die Druckkündigung im Sport – Arbeitsrechtliche Beurteilung von Trainerentlassungen, NZA 2008, 1046; Brose, Sachgrundlose Befristung und betriebsbedingte Kündigung von Leiharbeitnehmern – Ein unausgewogenes Rechtsprechungskonzept, DB 2008, 1378; Deinert, Die Druckkündigung im Lichte der Diskriminierungsverbote, RdA 2007, 275; Diller, „Gesuchte“ Kündigungsgründe, NZA 2006, 569; Diller, § 622 BGB und Quartalskündigungsfristen, NZA 2000, 293; Diller, Kein Schutz mehr vor Schriftsatzkündigungen?, NZA 1994, 830; Dimisc, Wann gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug ?, DB 2016, 2175; Dresen, Die Zurechnung des Vertreterverschuldens bei Erhebung der Kündigungsschutzklage – Und es gibt sie doch!, NZA 2009, 769; Eling, Anrechenbare Vorbeschäftigungszeiten auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG, BB 2015, 2169; Fornasier/Werner, Die „anderen Gründe“ für die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung im Rahmen des § 4 S. 1 KSchG, NJW 2007, 2729; Franzen, Europäisches Recht und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Deutschland, NZA-Beilage 2015, 77; Fröhlich, Weitere aktuelle Entwicklungen im Urlaubsrecht, ArbRB 2016, 86; Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, Voraussetzungen und Folgen der Freistellung von der Arbeitspflicht, ArbRAktuell 2011, 393; Gallner/Mestwerdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, Handkommentar, 5. Aufl. 2015; Ganz, Die Freistellung des Arbeitnehmers in der Kündigungsfrist – zu Risiken und Nebenwirkungen, ArbRAktuell 2015, 240; Gehlhaar, Die Rechtsprechung zu (ruhenden) Arbeitsverhältnissen von Organen juristischer Personen, NZA-RR 2009, 569; Ginal, Die arbeitsrechtliche Stellung des Fremd-Geschäftsführers, GWR 2014, 408; Gravenhorst, Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug, RdA 2007, 283; Günther, Freistellung von der Arbeitspflicht, ArbRAktuell 2009, 127; Hamacher, Neues zur betriebsbedingten Druckkündigung – Bedrückend ?, NZA 2014, 134; Howald, Rechtsmissbräuchliche Zurückweisung der Kündigung, FA 2014 Heft 6, 170; von Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 15. Aufl. 2013; Hunold, Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Studenten, NZA 2009, 476; Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 9. Aufl. 2014; Kramer, Die Kündigung im Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2014; Laws, Die Zurückweisung der durch den Personalleiter mit Gesamtprokura erklärten Kündigung, FA 2014 Heft 6, 165; Lingemann, Kündigungsschutz, 2011; Lingemann/Beck, Wiederholungskündigung und Wiederholungsauflösungsantrag, NZA-RR 2007, 225; Lingemann/Ludwig, Verschuldenszurechnung nach § 85 II ZPO bei der Kündigungsschutzklage, NJW 2009, 2787; Lingemann/Otte, Der neue § 309 Nr. 13 BGB – Das Ende des schriftlichen Geltendmachens arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen, NZA 2016, 519; Lingemann/Steinhauser, Der Kündigungsschutzprozess in der Praxis – Gerichtliche Auflösung von Arbeitsverhältnissen, NJW 2013, 3354, 3625; Lingemann/Steinhauser, Der Kündigungsschutzprozess in der Praxis – Beschäftigungsanspruch, NJW 2014, 1428; Lingemann/ Steinhauser, Der Kündigungsschutzprozess in der Praxis – Freiwillige Prozessbeschäftigung, NJW 2014, 2165; Lipinski, BAG: Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung, BB 2014, 505; Löwisch/Spinner, Kommentar zum KSchG, 10. Aufl. 2013; Löwisch, Kündigung von Arbeitsverhältnissen mit Probezeit, DB 2014, 1079; Lunk, Der GmbH-Geschäftsführer und die Arbeitsgerichtsbarkeit – Das BAG macht den Weg frei!, NJW 2015, 528; Mrosk, Der Nachweis des Zugangs von Willenserklärungen im Rechtsverkehr, NJW 2013, 1481; Otto/Mückl, Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug, BB 2008, 1231; Preis, Der Arbeitsvertrag – Handbuch der Vertragspraxis und -gestaltung, 5. Aufl. 2015, II K 10; Schaub/Schrader/ Straube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, 11. Aufl. 2015, 4. Teil; Settekorn, Die Stolpersteine auf dem Weg zur Druckkündigung, ArbRAktuell 2015, 66, Sowka/Schiefer/Heise, Kündigungsschutzrecht, 4. Aufl. 2012; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 11. Aufl. 2015; Suttner/Deeg, Die Zuweisung von Urlaub im Rahmen der ordentlichen Kündigung, ArbRAktuell 2011, 630; Thüsing/Laux/Lembke, Kündigungsschutzgesetz, 3. Aufl. 2014.

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Kap. 22

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Verhaltensbedingte Kündigung: Aszmons, Der praktische Umgang mit Beleidigungen in sozialen Netzwerken, DB 2016, 411; Bauer/Günther, Kündigung wegen beleidigender Äußerungen auf Facebook, NZA 2013, 67; Bauer/Schansker, (Heimliche) Videoüberwachung durch den Arbeitgeber, NJW 2012, 3537; Binkert, Die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit der Abmahnung vor verhaltensbedingten Kündigungen, NZA 2016, 721; Buschbaum/Rosak, Der Zugriff des Arbeitgebers auf den E-Mail-Account des Arbeitnehmers, DB 2014, 2530; Fuhlrott, Die fristlose Kündigung wegen Vermögensdelikten zwei Jahre nach „Emmely“ – eine Bestandsaufnahme, ArbR Aktuell 2012, 498; Haas, Auflösungsgründe gem. § 9 KSchG, FA 2010, 104; Holthausen/Holthausen, Der Auflösungsantrag nach §§ 9, 14 KSchG – Taktisches Gestaltungsmittel des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess, NZA-RR 2007, 449; Howald, Kündigung bei privater Nutzung von Handy und Internet, öAT 2014, 49; Klinkhammer/Müllejans; Veröffentlichen von Fotos in sozialen Netzwerken – ein Überblick über mögliche Rechtsfolgen, ArbRAktuell 2014, 503; Klueß, Geringwertige Vermögensdelikte – Keine zwangsläufige Entlassung, NZA 2009, 337; Kolbe, Unkündbarkeit für Korruptionstäter?, NZA 2009, 228; Kömpf/Kunz, Kontrolle der Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz in Frankreich und in Deutschland, NZA 2007, 1341; Kramer, Kündigung eines leitenden Angestellten wegen privater Internetnutzung, NZA 2013, 311; Kramer, BAG zur Kündigung wegen privater Internetnutzung, NZA 2007, 1338; Lansnicker, Surfen im Internet während der Arbeitszeit, BB 2007, 2184; Neumann/Hampe, Die Abmahnung – eine unendliche Erfindung der Arbeitsgerichtsbarkeit, DB 2014, 1258; Reuter, „Geringwertige Vermögensdelikte“ und Kündigungen – kein Änderungsbedarf beim BAG, NZA 2009, 594; Schrader, Abmahnung und „Vertrauenskapital“, NJW 2012, 342; Schul/Wichert, Schlechtleistung des Arbeitnehmers als Grund für verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigung, DB 2005, 1906; Schulte Westenberg, Die außerordentliche Kündigung im Spiegel der Rechtsprechung, NZA-RR 2009, 401; Schulze/Greve, Videoüberwachung – Mitbestimmung des Betriebsrats und Schmerzensgeld, ArbRAktuell 2014, 245; Seel, Gesetzliche Anforderungen an eine „verhaltensbedingte Kündigung“, MDR 2011, 1274; Stück, Smartphones im Betrieb – eine arbeitsrechtliche Herausforderung, ArbRAktuell 2014, 163; Waldenfels, Aktuelles zur Abmahnung, ArbRAktuell 2012, 209; Wolf/ Mullert, Die Zulässigkeit der Überwachung von E-Mail-Korrespondenz am Arbeitsplatz, BB 2008, 442; Wybitul, Neue Spielregeln bei Email-Kontrollen durch den Arbeitgeber, ZD 2011, 69. Verdachtskündigung: Dzida, Tat- und Verdachtskündigung bei komplexen Sachverhalten, NZA 2014, 809; Dzida, Die Einladung zur Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung, NZA 2013, 412; Eylert, Die Verdachtskündigung, NZA-RR 2014, 393; Eylert/Friedrichs, Die Anhörung des Arbeitnehmers zur Verdachtskündigung, DB 2007, 2203; Fiedler/Küntzer, Die Verdachtskündigung und das Nachschieben von Kündigungsgründen, FA 2005, 264; Fuhlrott, Aktuelle Rechtsprechungsanforderungen an Verdachtskündigungen, DB 2015, 1719; Mennemeyer/Dreymüller, Verzögerungen der Arbeitnehmeranhörung bei der Verdachtskündigung, NZA 2005, 382; Lange/Vogel, Verdachtskündigung: Teilnahmerecht des Rechtsanwalts an der Anhörung, DB 2010, 1066. Personenbedingte Kündigung: Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl. 2006; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Aufl. 2005; Brose, Entzug, Entwöhnung und Rückfall: Alkoholsucht im Arbeitsverhältnis, RdA 2015, 198; Friemel/Walk, Neues zur Kündigung wegen Schlecht- und Minderleistung, NJW 2010, 1557; Hey/Linse, Alkohol, Drogen und Sucht – Arbeitsrechtliche Anforderungen einer suchtbedingten Kündigung unter Berücksichtigung (auch zukünftiger) datenschutzrechtlicher Vorgaben, BB 2012, 2881; Hoffmann-Remy, „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ als Ende der krankheitsbedingten Kündigung, NZA 2016, 267; Howald, Kündigung wegen Schlecht- oder Minderleistung, öAT 2014, 153; Kohte, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Bestandsschutz, DB 2008, 582; Lepke, Hepatitis-Infektion des Arbeitnehmers als Grund für eine fristgerechte Kündigung durch den Arbeitgeber, DB 2008, 467; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 15. Aufl. 2015; Lingemann/Ludwig, Die „krankheitsbedingte Kündigung“ – Rechtfertigung der Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung, ArbR Aktuell 2010, 385; Lingemann/Ludwig, Die „krankheitsbedingte Kündigung“ – Rechtfertigung der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, ArbR Aktuell 2010, 409; Plocher, Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei Krankheit, DB 2015, 1597 und 2083; Richter, Die krankheitsbedingte Kündigung im Spiegel der Rechtsprechung, ArbRAktuell 2015, 237; Schiefer, Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, BB 2015, 2613; Schilling/Rath, Betriebliches Eingliederungsmanagement, AuA 2009, 420; Schunder, Kündigung wegen Krankheit, NZA-Beilage 2015, 90; Stück, Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) – aktuelle Anforderungen in Recht und Praxis, ArbRAktuell 2015, 169; Tschöpe, Krankheitsbedingte Kündigung und betriebliches Eingliederungsmanagement, NZA 2008, 398; Weber, Die Kündigung wegen Minderleistung und das Recht des Arbeitnehmers auf eine fähigkeitsgerechte Beschäftigung, DB 2015, 1899; Wetzling/ Habel, Die Beanstandung der Arbeitsleistung und die leistungsbedingte Kündigung, BB 2009, 1638; Wiss-

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Kap. 22

kirchen/Bissels/Schmidt; „Der unzeitgemäße Arbeitnehmer“: Die Änderung von Anforderungen an Mitarbeiter als Kündigungsgrund, NZA 2008, 1386. Betriebsbedingte Kündigung: Bader, Die gerichtsfeste betriebsbedingte Kündigung, NZA Beilage 2/2010, 85; Bauer/Gotham, Kein „Domino-Effekt“ mehr bei der Sozialauswahl, BB 2007, 1729; Bauer/Klein, Sozialauswahl bei Teilzeitbeschäftigung, BB 1999, 1162; Bauer/Krieger, Die Sperrfrist bei der Massenentlassungsanzeige – Mindestkündigungsfrist oder zwingende Vorlaufzeit vor dem Ausspruch von Kündigungen?, NZA 2009, 174; Bauer/Krieger, Verkehrte Welt: Gleichmäßige Verteilung von Kündigungen über alle Altersgruppen als unzulässige Altersdiskriminierung?, NZA 2007, 674; Bauer/Lingemann, Personalabbau und Altersstruktur, NZA 1993, 623; Bauer/Lingemann, Stilllegung von Tendenzbetrieben am Beispiel von Pressebetrieben, NZA 1995, 813; Bauer/Winzer, Vom Personalleiter zum Pförtner?, Änderungskündigung als Bürokratiemonster!, BB 2006, 266; Berkowsky, Aktuelle Entscheidung zur betriebsbedingten Kündigung, NZA-RR 2007, 169; Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, 6. Aufl. 2008; Bröhl, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Sozialauswahl, BB 2006, 1050; Commandeur/Kleinebrink, Läuft das Kündigungsverbot bei einem Betriebsübergang ins Leere?, BB 2012, 1857; Dahte, Die Auswirkung ausgewählter Vereinbarungen zur Sozialauswahl, NZA 2007, 1205; Düwell/Dahl, Leiharbeitnehmer: First in, first out, DB 2007, 1699; Eylert/Spinner, Sozialauswahl nach Widerspruch des Arbeitnehmers gegen einen (Teil-)Betriebsübergang, BB 2008, 50; Forst, Informationspflichten bei der Massenentlassung, NZA 2009, 294; Fuhlrott, Auswahlrichtlinien und Punkteschemata bei betriebsbedingten Kündigungen, ArbRAktuell 2012, 108; Fuhlrott/Fabritius, Besonderheiten der betriebsbedingten Kündigung von Leiharbeitnehmern, NZA 2014, 122; Fuhlrott/Hoppe, Besonderheiten der Sozialauswahl bzw. Weiterbeschäftigungspflicht in Gemeinschaftsbetrieb und Konzern, BB 2012, 253; Gaul/Bonanni, Betriebsübergreifende Sozialauswahl und die Bedeutung von Versetzungsklauseln, NZA 2006, 289; Gehlhaar, Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess bei Interessenausgleich mit Namensliste – § 1 Abs. 5 KSchG versus § 102 BetrVG, DB 2008, 1496; Gehlhaar, Kündigungsschutz: befristete Arbeitsverhältnis als „freie“ Arbeitsplätze iS des § 1 Abs. 2 KSchG, DB 2008, 2831; Gille/Vahle, Die Bedeutung krankheitsbedingter Fehlzeiten im Rahmen der Leistungsträgerregelung, NZA 2013, 534; Hergenröder/von Wickede, Die Rechtsprechung zur Kündigung mit Abfindungsangebot (§ 1a KSchG), RdA 2008, 364; Hidalgo/Mauthner, Praktische Handhabung von Massenänderungskündigungen, NZA 2007, 1254; Houben, Weiterbeschäftigungspflicht auf höherwertigen Arbeitsplätzen – ein Tabubruch im Kündigungsrecht?, NZA 2008, 851; Kaiser/Dahm, Sozialauswahl ohne Lebensalter!, NZA 2010, 473; Kempter/Steinat, Der (Weiter-)Beschäftigungsanspruch – Voraussetzungen, Rechtsfolgen und taktische Fragesellungen, NZA 2016, 913; Kleinebrink/Commandeur, Der „neue“ Betriebsbegriff bei Massenentlassungen und deren Folgen, NZA 2015, 853; Kleinebrink, Unternehmerentscheidung bei betriebsbedingter Kündigung: Schriftform und inhaltliche Gestaltung, DB 2008, 1858; Kock, Besetzung von freien Arbeitsplätzen bei gleichzeitigem Personalabbau, NJW 2006, 728; Krieger/Terhorst, Absprachen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über künftige Betriebsänderungen – Das Modell des prozessorientierten Interessenausgleichs, NZA 2014, 689; Künzel/Fink, Arbeitsvertraglicher Sonderkündigungsschutz und Sozialauswahl, NZA 2011, 1385; Lelley/Sabin, Rechtsprechungsänderung zum UltimaRatio-Prinzip bei betriebsbedingten Kündigungen, DB 2006, 1110; Lerch/Weinbrenner, Auswirkungen individualrechtlicher Unkündbarkeitsregelungen auf die Sozialauswahl, NZA 2011, 1388; Leuchten, Freikündigungspflicht zur Weiterbeschäftigung, NZA 2007, 585; Lingemann, Weiterbeschäftigung im Konzern – Ein Beitrag zum unternehmensübergreifenden Kündigungsschutz, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 661; Lingemann, Unterhaltspflichten und Kündigung, Lingemann/Otte, Ist die Altersgruppenbildung bei der Sozialauswahl noch zu retten? NZA 2016, 65; Lingemann/Rolf, Leistungsträger-Abwägung, Auswahlrichtlinie und Namensliste, NZA 2005, 264; Lingemann/Steinhauser, Der Kündigungsschutzprozess in der Praxis – Weiterbeschäftigungsanspruch, NJW 2014, 3765; 2015, 844, Lingemann/von Steinau-Steinrück, Konzernversetzung und Kündigungsschutz, DB 1999, 2161; BB 2000, 1835; Lingemann/Beck, Auswahlrichtlinie, Namensliste, Altersgruppenbildung und Altersdiskriminierung, NZA 2009, 577; Lingemann/Grothe, Betriebsbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst, NZA 1999, 1072; Löwisch/Buschbaum, Darlegungslast für die Betriebsbedingtheit einer Kündigung wegen Auftragsrückgang, BB 2010, 1789; Löwisch/Röder/Krieger, Punkteschema für die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen im Zeitalter von Diskriminierungsverboten, BB 2008, 610; Lunk/Seidler, Sozialauswahl nach Altersgruppen – ein Abschied in Raten, NZA 2014, 455; Moll/Ittmann, Betriebsbedingte Kündigung und Leiharbeit, RdA 2008, 321; Monz, „Der Einbezug von ins Ausland entsandten Arbeitnehmern in die Sozialauswahl“, BB 2014, 250; Quecke, Punkteschema und Sozialauswahl, RdA 2007, 335; Raif, Die Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag – kurz und knapp oder doch eher weit?, ArbRAktuell 2015, 1; Röder/Krieger, (Mehr) Rechtssicherheit bei betriebsbedingten Kündigungen? – Der praktische Umgang mit Altersgruppen und Namensliste, DB 2005, 2578;

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Kap. 22 Rz. 1

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Rolf/Riechwald, Personalabbau im kurzarbeitenden Betrieb, BB 2010, 1597; Rossa/Salamon, Personalabbau trotz Nichtbeteiligung des Betriebsrates bei Auswahlrichtlinien?, NJW 2008, 1991; Rost, Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Umstrukturierung, NZA-Beilage 2009, Heft 1, 23; Sagan, Nationaler Vertrauensschutz nach Junk: Das Ende eines deutschen Alleingangs, NZA 2015, 341; Salamon, Unterrichtung und Beratung im Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG, NZA 2015, 789; Salamon, Der richtige betriebsverfassungsrechtliche Konsultationspartner gem. § 17 KSchG, BB 2015, 1653; Schiefer, Betriebsbedingte Kündigung: „Antidiskriminierungskündigungsschutz“, Namensliste, Punkteschema und Altersgruppenbildung, DB 2009, 733; Schiefer, Betriebsbedingte Kündigung - Kündigungsursache und Unternehmerentscheidung, NZA-RR 2005, 1; Schiefer, Betriebsbedingte Kündigung nach aktueller Rechtsprechung – Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück, DB 2007, 54; Schrader/Siebert, Angriff auf die Unternehmerentscheidung?, NZA-RR 2013, 113; Schumacher-Mohr/Urban, Sozialauswahl im Veräußererbetrieb nach Widerspruch gegen Betriebsübergang, NZA 2008, 513; Simon/Greßlin, Abbau von Leiharbeit vor betriebsbedingten Kündigungen?, BB 2007, 2454; Spinner, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Sozialauswahl, RdA 2008, 153; Sprenger, Ein Reflex wird reflektiert: Neues zum Grenzverlauf zwischen Sozialauswahl und Sonderkündigungsschutz, BB 2014, 1781; Stück, Die betriebsbedingte Kündigung wegen Betriebsstilllegung, MDRSonderheft 24/2006, 1; Thüsing/Wege, Freiwilliger Interessenausgleich und Sozialauswahl, BB 2005, 213; Trebeck, Die „Versetzung“ in den Stellenpool zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, NZA 2009, 513; Werres, Betriebsstilllegung und Insolvenz, NZI 2009, 24; Wank, Das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der betriebsbedingten Kündigung – Insbesondere Versetzung statt Kündigung, RdA 2012, 139. Kündigung und AGG: Bayreuther, Kündigungsschutz im Spannungsfeld zwischen Gleichbehandlungsgesetz und Europäischem Antidiskriminierungsrecht, DB 2006, 1842; Diller/Krieger/Arnold, Kündigungsschutzgesetz plus allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Sind Arbeitnehmer in Zukunft doppelt vor Kündigungen geschützt?, NZA 2006, 887, 888; Freckmann, Betriebsbedingte Kündigungen und AGG – Was ist noch möglich?, BB 2007, 1049; Gaul/Bonanni, Altersdiskriminierung im Rahmen der Sozialauswahl, BB 2008, 218; Gaul/Naumann, Kündigungen unter Berücksichtigung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, ArbRB 2007, 15; Hamacher/Ulrich, Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen nach Inkrafttreten und Änderung des AGG, NZA 2007, 657; Hein, AGG × KSchG = Europa* – Die Kündigung zwischen allgemeinem und besonderem Kündigungsschutz, Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz und Europarecht, NZA 2008, 1033; Kamanabrou, Europarechtskonformer Schutz vor Benachteiligungen bei Kündigungen, RdA 2007, 199; Lingemann/Gotham, AGG – Benachteiligungen wegen des Alters in kollektivrechtlichen Regelungen, NZA 2007, 663; Sagan, Die Sanktion diskriminierender Kündigungen nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, NZA 2006, 1257.

I. Einführung 1. Allgemeines 1

Eine Kündigung ist die einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis beenden soll. a) Arten der Kündigungen

2

Mit der ordentlichen Kündigung gem. § 620 Abs. 2 BGB soll das Arbeitsverhältnis fristgerecht aufgelöst werden, mit der außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB regelmäßig fristlos. Die außerordentliche Kündigung kann jedoch auch mit einer sozialen Auslauffrist ausgesprochen werden. Die Änderungskündigung zielt bloß auf eine Veränderung der Arbeitsbedingungen (vgl. Kap. 20). Wie die Beendigungskündigung kann auch die Änderungskündigung ordentlich oder außerordentlich ausgesprochen werden. Anders als eine Änderungskündigung ist eine Teilkündigung, also eine Kündigung, die nur einzelne Vereinbarungen des Arbeitsvertrages betreffen soll, unwirksam.1

1 BAG v. 22.1.1997 – 5 AZR 658/95, NZA 1997, 711.

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Rz. 6 Kap. 22

Eine Druckkündigung2 wird ausgesprochen, wenn auf den Kündigenden von dritter Seite Druck ausgeübt wird, typischerweise, indem Arbeitnehmer dem Arbeitgeber androhen, das Arbeitsverhältnis ihrerseits aufzulösen, falls nicht der Arbeitgeber einem bestimmten Arbeitnehmer kündigt.3 Sie sind nur zulässig, wenn der Arbeitgeber sich zuvor schützend vor den Betroffenen gestellt hat und – erfolglos – alles Zumutbare unternommen hat, um den Dritten von seinem Verlangen abzubringen.4 Inwieweit sich die Diskriminierungsverbote des AGG auf ein Abberufungsverlangen auswirken, ist noch ungeklärt.5

3

Kündigungen, die unter einer Bedingung ausgesprochen werden, sind unwirksam,6 es sei denn, es handelt sich um eine Rechtsbedingung. Dementsprechend sind hilfsweise zu bereits ausgesprochenen Kündigungen weitere Kündigungen zulässig, da sie zwar durch die Unwirksamkeit der vorausgegangenen Kündigung bedingt sind, dies aber eine Rechtsbedingung ist.7

4

Ist eine Kündigung wegen materiell-rechtlicher Mängel unwirksam, so kann eine erneute Kündigung nicht auf dieselben Gründe gestützt werden; die zweite Kündigung wäre eine unzulässige Wiederholungskündigung.8 Leidet die Kündigung allerdings nur an formalen Mängeln – zB einer unterlassenen oder fehlerhaften Betriebsratsanhörung – oder stellen sich später neue Kündigungsgründe heraus, so ist eine weitere Kündigung, die den Formfehler vermeidet oder auf den weiteren Kündigungsgrund gestützt wird, zulässig. Die Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Wiederholungskündigung wirft für die Praxis eine Vielzahl von Problemen auf.9

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Von der Kündigung zu unterscheiden ist die Anfechtung des Arbeitsvertrages (dazu Kap. 21): Die Anfechtung zielt im Grundsatz auf die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages von Anfang an (ex tunc; zu den Einschränkungen vgl. gleichfalls Kap. 21), während die Kündigung das Arbeitsverhältnis nur für die Zukunft (ex nunc) beenden soll. Die Anfechtung stützt sich auf Umstände aus der Zeit vor oder im Zusammenhang mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages, die Kündigung regelmäßig auf Umstände aus der anschließenden Zeit des Vertragsvollzugs. Zwar sind Arbeitnehmer als Verbraucher zu qualifizieren,10 jedoch kommt ein verbraucherschützender Widerruf von Arbeitsverträgen nach den §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB idR nicht in Betracht.11 Ein vertraglich vorbehaltener Widerruf des gesamten Arbeitsvertrages ist ebenfalls unwirksam. Das gilt auch für den Widerruf einzelner Vertragsbedingungen, soweit dadurch der Kündigungsschutz umgangen wird oder ein entsprechender formularvertraglicher Vorbehalt nicht den §§ 305 ff. BGB entspricht.12 Entsprechend ist auch die Vereinbarung von Rücktrittsrechten im Arbeitsvertrag regelmäßig unwirksam; gesetzliche Rücktrittsrechte

6

2 BAG v. 18.7.2013 – 6 AZR 420/12, NZA 2014, 109; LAG Bremen v. 17.6.2015 – 3 Sa 129/14, juris; ArbG Köln v. 13.2.2015, NZA-RR 2015, 296; eingehend Bergwitz/Vollstädt, DB 2015, 2635. 3 BAG v. 18.7.2013 – 6 AZR 420/12, NZA 2014, 109; Settekorn, ArbRAktuell 2015, 66; zur Druckkündigung zwecks Trainerentlassung vgl. Breucker, NZA 2008, 1046. 4 BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 637/15, NZA 2017, 116; v. 18.7.2013 – 6 AZR 420/12, NZA 2014, 109; 5 Deinert, RdA 2007, 275, 281, der sich dafür ausspricht, die Wirksamkeit einer Druckkündigung weiterhin allein nach allgemeinen kündigungsschutzrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. 6 BAG v. 15.3.2001 – 2 AZR 705/99, NZA 2001, 1070. 7 BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162, 163, Rz. 12. Falls mit einem Kündigungsschutzantrag nur die primäre Kündigung angegriffen und zugleich ein Weiterbeschäftigungsantrag erhoben wird, so richtet sich das Klagebegehren nach richtiger Auslegung auch gegen die hilfsweise Kündigung (BAG v. 11.7.2013 – 2 AZR 597/12, NZA 2014, 331). 8 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 840/12, NZA 2014, 1415 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2014, 464; Einzelheiten bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. 9 Einzelheiten bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, insb. 228 ff. 10 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111, 1115 f. 11 BAG v. 27.11.2003, AP BGB § 312 Nr. 2. 12 Vgl. zur Widerruflichkeit und Freiwilligkeit von Leistungen Kap. 2 Rz. 104 ff., 138 ff., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Freiwilligkeitsvorbehalt“, „Widerrufsvorbehalt“.

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Kap. 22 Rz. 7

Beendigungskündigung

bestehen ohnehin nicht, an ihre Stelle tritt das Kündigungsrecht. Ein Rücktritt kommt allerdings vor Vertragsbeginn in Betracht, sofern das Rücktrittsrecht formwirksam vereinbart wurde.13 In der Praxis extrem selten ist der Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), der ggf. das Arbeitsverhältnis automatisch14 beendet, wenn eine Kündigung aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht ausgesprochen werden kann.15 Eine Freistellung (auch Suspendierung) des Arbeitnehmers befreit diesen nur von seiner Leistungspflicht, wobei regelmäßig die Pflicht des Arbeitgebers zur Vergütungszahlung unberührt bleibt.16 7

Soweit auf Kündigungen das KSchG anwendbar ist – §§ 1 Abs. 1, 23 ff. KSchG – können Kündigungsgründe des Arbeitgebers nicht einzelvertraglich erweitert, wohl aber beschränkt werden. Einzel- oder häufiger tarifvertraglich kann daher das Recht zur ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen oder erschwert werden. Auch kann der Geltungsbereich des KSchG auf inländische17 Betriebe oder Arbeitsverhältnisse ausgedehnt werden, die diesem nach §§ 1, 23 KSchG nicht unterfallen. In den Grenzen des § 77 Abs. 3 BetrVG können auch Betriebsvereinbarungen Kündigungsbeschränkungen enthalten. Nicht zu Lasten des Arbeitnehmers erweitert und nur in engen Grenzen eingeschränkt werden kann das Recht zur außerordentlichen Kündigung.18 b) Kündigungserklärung

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Die Kündigungserklärung muss deutlich und zweifelsfrei sein.19 Sie muss klar wiedergeben, dass der Erklärende eine einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen will; seine bloße Erklärung, er gehe von einer Beendigung aus, reicht nicht.20 Unklarheiten gehen zu Lasten des Erklärenden. Eine nicht ausreichend klar ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist daher nur als ordentliche Kündigung auszulegen. Will der Arbeitgeber außerordentlich mit einer Auslauffrist kündigen, weil die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, so muss auch die außerordentliche Natur der Kündigung zum Ausdruck kommen. Zeigt der Arbeitgeber im befristeten Arbeitsverhältnis an, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung nicht fortgeführt wird (Nichtverlängerungsanzeige), so bedeutet dies keine Kündigung, wenn sich die Befristung nachträglich als unwirksam herausstellt. Hier könnte daher hilfsweise auch fristgemäß (ggf. nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats) gekündigt werden.21 c) Form der Kündigung

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Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen22 durch Kündigung oder Auflösungsvertrag sowie die Befristung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektro13 Dazu Kap. 2 Rz. 120, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Rücktrittsvorbehalt“. 14 Grundsätzlich ist eine Störung der Geschäftsgrundlage kein selbständiger Beendigungstatbestand, kann aber zur Kündigung berechtigen (BAG v. 8.10.2009 – 2 AZR 235/08, NZA 2010, 465); eine automatische Beendigung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn eine Kündigung unmöglich oder unzumutbar ist (BAG v. 3.10.1961, AP BGB § 242 Geschäftsgrundlage Nr. 4). 15 Vgl. BAG v. 24.8.1995, DB 1996, 97. 16 Dazu nur Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2011, 393. 17 BAG v. 26.3.2009, NZA 2009, 920. 18 Unten Rz. 152; Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 1 aE. 19 Vgl. BAG v. 20.6.2013, 6 AZR 805/11, BB 2014, 505; v. 15.3.1991 – 2 AZR 516/90, NZA 1992, 452. 20 LAG Nürnberg v. 8.2.1994 – 2 Sa 766/93, NZA 1995, 174. 21 Vgl. BAG v. 15.3.1966, AP Nr. 28 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. Einzelheiten zur Befristung Kap. 6 Rz. 1, 5 ff., M 6.1.3.2. 22 Dazu zählt nicht ein Umschulungsvertrag iSv. § 1 Abs. 4, 47 BBiG aF innerhalb des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 638/04, DB 2006, 1739).

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Beendigungskündigung

Rz. 12 Kap. 22

nische Form ist ausgeschlossen.23 Das gesetzliche Schriftformerfordernis kann weder durch Arbeitsvertrag noch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abbedungen werden. Diese können – was selten ist – nur strengere Formvorschriften vorsehen, soweit diese nicht nur für den Arbeitnehmer gelten.24 Eine solche Vereinbarung kann allerdings nicht formularmäßig getroffen werden, § 309 Nr. 13 BGB.25 Eine formwidrig ausgesprochene Kündigung ist nichtig und kann auch nicht nachträglich geheilt werden (§ 125 Satz 1 BGB). Der Inhalt der gesetzlichen Schriftform richtet sich nach § 126 Abs. 1 BGB. Die Kündigung muss also in einer schriftlich abgefassten Urkunde erklärt sein; diese muss vom Aussteller unterschrieben sein; die Unterschrift muss den Inhalt des Kündigungsschreibens decken, also unter dem Text stehen und ihn auch räumlich abschließen.26 Die Unterschrift muss eigenhändig vom Aussteller stammen und seinen ausgeschriebenen27 Namen nennen. Für die GbR müssen alle GbR-Gesellschafter unterzeichnen, sofern sich die Vertretung der übrigen Gesellschafter nicht aus dem Kündigungsschreiben ergibt.28 Der Kaufmann kann mit seiner Firma zeichnen, ein Vertreter mit dem eigenen Namen unterschreiben, wenn sich die Vertreterstellung aus der Urkunde ergibt,29 insbesondere durch die Formulierung „in Vertretung von Herrn XY“. Allerdings darf der Vertreter auch ohne Hinweis auf eine Stellvertretung mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnen. Wichtig ist, dass aufgrund der erforderlichen gesetzlichen Schriftform die Übermittlung einer Urkunde per Fax oder Telegramm nicht ausreicht, selbst wenn diese – zB per Fax – eigenhändig unterschrieben ist.30 Auch die elektronische Form nach § 126a BGB genügt der Schriftform – entgegen § 126a BGB – nicht, da sie in § 623 Halbs. 2 BGB ausgeschlossen ist. Die Schriftform gilt für alle Kündigungen, also auch Änderungskündigungen, nicht aber für die (Vorbehalts-)Annahmeerklärung des Arbeitnehmers gem. § 2 KSchG. Für Schriftsatzkündigungen31 reicht die Zustellung einer vom Prozessbevollmächtigten beglaubigten Ausfertigung des Schriftsatzes bei dem Kündigungsempfänger wohl aus. Praxistipp: Insoweit ist dringend zu raten, auch die für den Mandanten auf Arbeitnehmerseite gedachte Abschrift zu beglaubigen; sicherer noch ist es, diese auch im Original zu unterzeichnen.

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Schriftsatzkündigungen gehen dem Arbeitnehmer mit Zustellung an seinen Prozessbevollmächtigten zu, wenn mit dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG ein allgemeiner Feststellungsantrag gem. § 256 ZPO („Schleppnetzantrag“) verbunden worden ist.32 Wurde hingegen nur eine punktuelle Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG erhoben, so deckt die Vollmacht des Prozessvertreters die Entgegennahme einer weiteren Kündigung im Schriftsatz idR nicht ab.33

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Verlangt der Arbeits- oder Tarifvertrag eine bestimmte Versendungsart (gelegentlich wird Übermittlung per Einschreiben oder per Einschreiben mit Rückschein vereinbart), so berührt

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23 Dazu Lakies, DB 2000, 667; Müller-Glöge/von Senden, AuA 2000, 199; Preis/Gotthardt, NZA 2000, 348. 24 Vgl. BAG v. 10.2.1999, AP Nr. 2 zu § 54 BMT-G II; v. 10.2.1999, AuA 2000, 86. 25 Dazu Lingemann/Otte, NZA 2016, 519. 26 BGH v. 24.9.1997 – XII ZR 234/95, NJW 1998, 58. 27 BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 858/11, NZA 2013, 524. 28 BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 162/04, BB 2005, 1627. 29 BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348. 30 BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361. 31 Dazu LAG-Düsseldorf v. 13.1.1999 – 12 Sa 1818/98, juris; Diller, NZA 1994, 830; Ascheid/Preis, 4. Aufl. 2012, 1. Teil Grundlagen, Punkt D.V.3.c), Rz. 84 ff.; ErfK-Müller-Glöge, § 623 BGB Rz. 17; Linck in Schaub, ArbR-Hdb., 16. Aufl. 2015, § 123 Kündigungserklärung, Rz. 18. 32 BAG v. 21.1.1988 – 2 AZR 581/86, NZA 1988, 651, 653. 33 Vgl. BAG v. 10.8.1977, AP Nr. 2 zu § 81 ZPO; v. 31.8.1979, AP Nr. 3 zu § 174 BGB.

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Kap. 22 Rz. 13

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eine andere Übermittlung regelmäßig die Wirksamkeit der Kündigung nicht, sofern der Kündigende nachweisen kann, dass die schriftliche Kündigung zugegangen ist.34 13

Die Berufung auf die Nichtigkeitsfolge wegen eines Formmangels verstößt nur dann gegen Treu und Glauben, wenn das Ergebnis nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar ist.35 Allein die Tatsache, dass der Erklärungsempfänger eine formnichtig erklärte Kündigung widerspruchslos entgegennimmt und sich erst später auf die Nichtigkeit beruft, stellt noch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Das BAG hat indes Treuwidrigkeit angenommen, wenn ein Arbeitnehmer eine eigene Kündigung mehrmals ernsthaft trotz Vorhaltung des Arbeitgebers formnichtig ausspricht und sich später auf die Formnichtigkeit beruft.36

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Der Kündigungsgrund muss in der Kündigung nicht angegeben werden, es sei denn, dies wäre ausdrücklich geregelt, wie insbesondere im Berufsbildungsverhältnis sowie bei Umschulung und Fortbildung gem. § 22 Abs. 3 BBiG (vgl. dazu Kap. 8) und bei Kündigung im Mutterschutz gem. § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG (vgl. dazu Kap. 17). Wenn die Parteien ein Schriftformerfordernis für die Angabe der Kündigungsgründe vereinbaren, ist eine ohne Begründung gefasste Kündigung ebenfalls unwirksam.37

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Der Empfänger einer ordentlichen Kündigungserklärung muss erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Deshalb ist es ratsam, in einer ordentlichen Kündigung die Kündigungsfrist und/oder den Kündigungstermin genau zu benennen. Regelmäßig genügt hierfür die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Es genügt aber, wenn der Kündigungstermin durch Auslegung bestimmt werden kann.38 Demnach ist auch eine Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ hinreichend bestimmt, wenn die einschlägige gesetzliche, kollektivrechtliche bzw. arbeitsvertragliche Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar ist und er zu deren Anwendung keine umfassenden tatsächlichen Ermittlungen vornehmen oder schwierige Rechtsfragen beantworten muss.39 Dazu muss nur in unklaren Fällen auf die einschlägigen Vorschriften zur Fristenberechnung im Kündigungsschreiben hingewiesen werden. Das gilt insbesondere, wenn sich Kündigungsfristen nach kollektivvertraglichen Sondervereinbarungen richten, die dem Arbeitnehmer nicht bekannt40, nicht zugänglich oder nicht ohne Weiteres verständlich sind.41 Diese müssen dem Arbeitnehmer allerdings nicht noch extra ausgehändigt werden, sondern er muss ihren Inhalt selbst in Erfahrung bringen.42Wird eine Frist angegeben, ist diese aber falsch, insbesondere zu kurz berechnet, so berührt dies die Wirksamkeit der Kündigung nicht. Sie gilt dann als Kündigung zum nächstzulässigen Termin. Ob dies nach der vorgenannten Rechtsprechung allerdings weiterhin gilt, ist nicht sicher. Daher sollte die Kündigungsfrist mit besonderer Sorgfalt berechnet werden. Wollte der Kündigende hingegen die Kündigung nur zu einem von ihm ganz bewusst gewählten Zeitpunkt aussprechen, ist die Kündigung bei falscher Frist unwirksam. 34 35 36 37 38 39 40 41 42

Vgl. BAG v. 20.9.1979, BB 1980, 369. BAG v. 22.4.2010, NJW-Spezial 2010, 402; v. 16.9.2004 – 2 AZR 659/03, NZA 2005, 162. Vgl. BAG v. 4.12.1997, BB 1998, 645. BAG v. 25.10.2012 – 2 AZR 845/11, DB 2013, 1305. Dort war vereinbart: „Die Kündigung bedarf der Schriftform. Spricht die Firma die Kündigung aus, so ist der Kündigungsgrund anzugeben.“ BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162, Rz. 16–18; v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137 m. Anm. Lipinski, BB 2014, 505; v. 15.5.2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076. BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162; v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197, Rz. 49; krit. Diller, FA-Editorial 4/2104. Von Kenntnis ist aber auszugehen, wenn die einschlägigen Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag in Bezug genommen wurden. Dazu reicht schon eine konkrete vertragliche Inbezugnahme des Tarifvertrags, in dem sich diese Fristen nachlesen lassen. LAG Düsseldorf v. 28.8.2014, 5 Sa 1251/13, AuR 2015, 69. BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162, Rz. 23.

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Rz. 16 Kap. 22

d) Zugang der Kündigung Die Kündigung wird wirksam mit Zugang beim Kündigungsempfänger gem. § 130 Abs. 1 BGB, bei Minderjährigen gem. § 131 Abs. 2 BGB erst mit Zugang beim gesetzlichen Vertreter.43 Bei Anwesenden erfolgt dies durch Übergabe des Kündigungsschreibens, zweckmäßigerweise gegen Empfangsbestätigung auf einer Kopie des Kündigungsschreibens; unter Anwesenden reicht es sogar aus, wenn dem Adressaten das Kündigungsschreiben nur zum Durchlesen überlassen wird, es sei denn, ihm ist die für ein Verständnis nötige Zeit nicht verblieben.44 Bei Abwesenden kommen verschiedene Übermittlungen in Betracht: Wird die Kündigung in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen, so gilt sie erst mit dem Zeitpunkt als zugegangen, zu dem üblicherweise mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.45 Das ist der Zeitpunkt der nächsten regelmäßigen Leerung, also spätestens der Morgen des darauf folgenden Tages – sofern die Kündigung nicht sehr früh morgens eingeworfen wird. Musste der Empfänger einer Kündigung hingegen wissen, dass diese im späteren Verlauf des Tages in seinen Briefkasten geworfen wird, geht sie sogar noch am selben Tag zu.46 Bei Übergabeeinschreiben (auch „Einschreiben Rückschein“) kommt es ausschließlich auf die tatsächliche Übergabe an den Empfänger an. Der bei Nichtantreffen des Empfängers oft hinterlassene Benachrichtigungszettel ersetzt den Zugang nicht. Allerdings kann der Arbeitnehmer sich je nach den Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben auf den verspäteten Zugang des Kündigungsschreibens nicht berufen, wenn er dieses nicht oder nicht zeitnah bei der Postdienststelle abgeholt hat, obwohl ihm ein Benachrichtigungsschreiben der Post zugegangen ist.47 Um etwaige Fristen zu wahren, sollte der Arbeitgeber zudem, wenn das hinterlegte Schreiben nicht abgeholt wird, unverzüglich einen neuen Zustellversuch unternehmen.48 Dieser Fiktion kann der Kündigungsempfänger sich jedoch entziehen, wenn dem Arbeitgeber der Nachweis, dass der Benachrichtigungszettel zugegangen ist, nicht gelingt. Von einem Übergabe-Einschreiben ist daher aus Sicht des Kündigenden dringend abzuraten. Demgegenüber geht das Einwurfeinschreiben wie ein einfacher Brief zu, da es lediglich in den Briefkasten eingeworfen wird. Datum und Uhrzeit des Einwurfes werden durch den Postmitarbeiter jedoch dokumentiert, die genauen Auslieferungsdaten können bei der Post erfragt werden. Ein zuverlässiger Beweis ist der Auslieferungsbeleg allerdings wohl noch nicht49, erforderlich ist vielmehr, dass der Mitarbeiter der Post gegebenenfalls als Zeuge zur Verfügung steht.50 Der sicherste Weg51 ist daher die Zustellung der Kündigung durch einen namentlich zu benennenden Boten des Kündigenden, der diese spätestens am Tage vor dem spätesten Kündigungszeitpunkt in den Briefkasten einwirft, dies protokolliert und für die Richtigkeit seiner Angaben auch als Zeuge benannt werden kann. Will man ganz sicher gehen, kann man auch noch durch Zeugen dokumentieren, dass die Kündigung in den eingeworfenen Briefumschlag eingelegt wurde („Eintütungsprotokoll“). Bei Einwurf in den Briefkasten gilt das Kündigungsschreiben auch dann am nächsten Tag als zugegangen, wenn der Arbeitnehmer im Ur-

43 Ausführlich zum Zugang BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183; v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, NZA 2012, 495. 44 BAG v. 4.11.2004 – 2 AZR 17/04, NZA 2005, 513. 45 Vgl. BAG v. 9.6.2011 – 6 AZR 687/09, NZA 2011, 847; v. 8.12.1983, BB 1984, 855; LAG Köln v. 17.9.2010, NZA-RR 2011, 180. 46 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183. 47 BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204; v. 7.11.2002 – 2 AZR 475/01, NZA 2003, 719 m. Anm. Mauer, BB 2003, 1182. 48 Vgl. BGH v. 26.11.1997, NJW 1998, 976. 49 AG Köln v. 16.07.2008 – 220 C 435/07, WuM 2008, 483 mwN; Mrosk, NJW 2013, 1481 mwN. 50 Vgl. LG Potsdam v. 27.7.2000 – 11 S 233/99, NJW 2000, 3722. 51 Allg. zum Zugangsbeweis Mrosk, NJW 2013, 1481.

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laub,52 in Untersuchungshaft oder auf Krankenhaus- oder Kuraufenthalten ist. Die bei gescheiterter Zustellung oft vom Arbeitgeber herangezogene Zustellungsvereitelung53 entsprechend § 162 BGB erweist sich häufig als nicht nachweisbar.54 Eine Willenserklärung gilt regelmäßig auch dann als in den Machtbereich des Adressaten gelangt, wenn sie außerhalb seiner Wohnung einem Empfangsboten übermittelt wird, wie bspw. einem in gemeinsamer Wohnung lebenden Ehegatten an dessen Arbeitsplatz.55 Zugegangen ist sie aber erst, wenn mit der Weitergabe unter gewöhnlichen Verhältnissen zu rechnen ist, das ist bei Ehegatten regelmäßig noch am selben Tag.56 17

Wichtig: Bestehen Zweifel am Zugang, so sollte in jedem Falle eine vorsorgliche weitere Kündigung ausgesprochen und zugestellt werden.

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Die Kündigung kann jederzeit zugestellt werden; auch eine Kündigung zur Unzeit, zB am Heiligen Abend, wird dadurch nicht unwirksam.57 Hat der Arbeitnehmer die Kündigung aufgrund Urlaubs – oder anderer Abwesenheit – tatsächlich erst nach seiner Rückkehr und damit nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG erhalten, so kann er gem. § 5 KSchG einen Antrag auf nachträgliche Zulassung innerhalb der dort geregelten engen Fristen stellen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG Kenntnis erlangt hat, § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Die Beweislast für den Zugang der Kündigung trägt der Kündigende. e) Kündigungsbefugnis

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Kündigungsberechtigt ist der Arbeitgeber, bei einer juristischen Person der gesetzliche Vertreter. Zwar kann eine Kündigung auch durch einen Bevollmächtigten58 des Arbeitgebers ausgesprochen werden, diese kann der Arbeitnehmer jedoch nach § 174 Satz 1 BGB unverzüglich – ohne Vorliegen besonderer Umstände somit innerhalb einer Woche – unter Hinweis auf den fehlenden Vollmachtnachweis zurückweisen, sofern mit der Kündigung keine Vollmachtsurkunde im Original vorgelegt wird.

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Eine Zurückweisung ist nach § 174 Satz 2 jedoch ausgeschlossen, wenn der Vertretene den Arbeitnehmer von der Vollmacht ausdrücklich oder konkludent in Kenntnis gesetzt hatte.59 Das kann auch in Form einer früheren, auch die jetzige Kündigung umfassenden Vollmacht geschehen.60 Ein Inkenntnissetzen liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter in eine Stellung berufen hat, mit der üblicherweise das Recht zur Kündigung von Ar52 Dies gilt auch dann, wenn das Kündigungsschreiben an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtet und dem Arbeitgeber die urlaubsbedingte Ortsabwesenheit des Arbeitnehmers bekannt ist (BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03, NZA 2004, 1330). 53 Zuletzt zur Zugangsvereitelung BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 483/14, NZA 2015, 1183. 54 Vgl. aber BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204 zur Zugangsvereitelung durch fehlerhafte Adressangabe: Die Berufung auf den fehlenden Zugang war treuwidrig, die Kündigung als Probezeitkündigung wirksam. 55 BAG v. 9.6.2011 – 6 AZR 687/09, NJW 2011, 2604. 56 BAG v. 9.6.2011 – 6 AZR 687/09, NJW 2011, 2604. 57 Vgl. BAG v. 14.11.1984 – 7 AZR 174/83, NZA 1986, 97. 58 Das Vertretungsverhältnis muss zur Wahrung der Schriftform in der Urkunde zum Ausdruck kommen; dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Vertreter das Kündigungsschreiben lediglich mit dem Zusatz „i.A.“ und nicht mit dem eindeutigeren „i.V.“ unterzeichnet, sofern die Gesamtumstände der Kündigungserklärung für eine Bevollmächtigung sprechen, vgl. BAG v. 13.12.2007 – 6 AZR 145/ 07, NZA 2008, 403. 59 BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 179/05, NZA 2006, 980. 60 BAG v. 24.9.2015 – 6 AZR 492/14, NJW 2016, 345; Anm. Krieger, FD-ArbR 2015, 374522.

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Rz. 23 Kap. 22

beitsverhältnissen verbunden ist.61 Dafür reicht die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag, dass der jeweilige Inhaber einer bestimmten Funktion kündigen dürfe, oder ein Aushang am schwarzen Brett als „Inkenntnissetzen“ nicht ohne weiteres aus.62 Erforderlich ist vielmehr ein zusätzliches Handeln des Vollmachtgebers, aufgrund dessen es dem Empfänger der Kündigungserklärung möglich ist, der ihm genannten Funktion, mit der das Kündigungsrecht verbunden ist, die Person des jeweiligen Stelleninhabers zuzuordnen.63 Daher liegt eine solche Kündigungsbefugnis regelmäßig beim Personalabteilungsleiter – nicht Personalsachbearbeiter64 – aufgrund dessen Stellung, auch wenn diese im Innenverhältnis eingeschränkt ist.65 Er kann auch dann alleine kündigen, wenn er neben der Stellung als Personalleiter nur Gesamtprokura hat.66 Kündigungsberechtigt ist auch der Prokurist mit Einzelprokura,67 sofern diese im Handelsregister eingetragen und vom Registergericht bekannt gemacht worden ist.68 Die Erklärung eines gesetzlichen oder organschaftlichen Vertreters bedarf schon per se keiner Vollmacht, eine Zurückweisung gem. § 174 Satz 2 BGB mangels Vorlage der Vollmachtsurkunde scheidet daher aus.69

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Alternativ zum Inkenntnissetzen nach § 174 Satz 2 BGB kann eine Zurückweisung iSv. § 174 Satz 1 BGB ausgeschlossen werden, indem der Arbeitgeber eine Außenvollmacht (§ 167 Abs. 1 Var. 2 BGB) für den Vertreter direkt gegenüber dem zu kündigenden Arbeitnehmer erteilt. Dies ist formfrei möglich (vgl. § 167 Abs. 2 BGB), wobei sich aus Beweisgründen auch hier die Schrift- oder Textform empfiehlt.

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Liegt keiner dieser Ausnahmefälle70 vor, so ist die Kündigung mangels Vorlage der Originalvollmacht bei einer Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB unwirksam, selbst wenn der Vertreter tatsächlich bevollmächtigt war.71 Dies setzt aber voraus, dass die Zurückweisung unverzüglich erfolgt, ohne Vorliegen besonderer Umstände also innerhalb einer Woche.72 Auch muss der Arbeitnehmer seine Kündigung gerade unter Hinweis73 auf den fehlenden Vollmachtnachweis zurückweisen. Für eine Zurückweisung reicht es nicht aus, wenn der Gekündigte nur die Kündigungsbefugnis des Kündigenden in Frage stellt, ohne einen Nachweis durch Vorlage einer wirksamen Kündigungsurkunde zu fordern.74 Lässt der Kündigungsempfänger seinerseits durch Bevollmächtigten zurückweisen, so muss dieser für die Zurückweisung gleichfalls eine OriginalVollmacht vorlegen, sonst kann die Zurückweisung ihrerseits nach § 174 Satz 1 BGB zurück-

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61 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, NZA 2015, 159, 161, Rz. 20. 62 BAG v. 3.7.2003, NZA 2004, 1547; LAG Berlin v. 28.6.2006 – 15 Sa 632/06, NZA-RR 2007, 15; LAG Köln v. 3.5.2002 – 4 Sa 1285/01, NZA-RR 2003, 194. 63 BAG v. 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, NZA 2011, 683. 64 BAG v. 30.5.1978, BB 1979, 166. 65 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, NZA 2015, 159, Rz. 20 ff.; v. 29.10.1992 – 2 AZR 460/92, NZA 1993, 307. 66 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, NZA 2015, 159, 161, Rz. 21 ff., Anm. Lingemann/Siemer, NJW 2014, 3597. 67 Zur Zurückweisung der durch den Personalleiter mit Gesamtprokura erklärten Kündigung Laws, FA 2014 Heft 6, 165. 68 BAG v. 11.7.1991 – 2 AZR 107/91, NZA 1992, 449; besteht allerdings nur Gesamtvertretungsbefugnis, so kann nach § 174 Satz 2 BGB zurückgewiesen werden, wenn nur einer der Vertreter die Kündigung erklärt (LAG Berlin v. 28.6.2006 – 15 Sa 632/06, DB 2007, 468). 69 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, NZA 2007, 377; v. 10.2.2005, NZA 2005, 1207. 70 Zur Frage, ob eine Zurückweisung ausnahmsweise auch wegen Treuwidrigkeit ausgeschlossen sein kann ablehnend Howald, FA 2014 Heft 6, 170. 71 BGH v. 25.10.2012 – V ZB 5/12, NJW 2013, 297. 72 BAG v. 8.12.2011 – 6 AZR 354/10, NZA 2012, 495. 73 Die Zurückweisung muss entsprechend begründet werden, BAG v. 18.2.1993 – 2 AZR 482/92, juris. 74 BAG v. 19.4.2007, NZA-RR 2007, 571.

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Kap. 22 Rz. 24

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gewiesen werden; dies wird in der Praxis gelegentlich übersehen. Eine einmal zugegangene Kündigung kann der Kündigende nicht mehr einseitig zurücknehmen.75 Die Zurücknahme durch den Arbeitgeber ist jedoch stets als unbedingtes Angebot auszulegen, den Arbeitnehmer zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Lehnt der Arbeitnehmer dieses ab, so kann dies zum Verlust von Sozialplanansprüchen führen, sofern der Sozialplan einen entsprechenden Ausschluss bei Weiterbeschäftigungsangeboten vorsieht. f) Kündigungsfrist 24

Grundsätzlich ist nur bei der ordentlichen Kündigung eine Kündigungsfrist einzuhalten. Diese richtet sich nach § 622 BGB. Die Grundkündigungsfrist beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats, § 622 Abs. 1 BGB. Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber steigt die Kündigungsfrist mit der Betriebszugehörigkeit an76 und beträgt, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen – 2 Jahre bestanden hat, 1 Monat, – 5 Jahre bestanden hat, 2 Monate, – 8 Jahre bestanden hat, 3 Monate, – 10 Jahre bestanden hat, 4 Monate, – 12 Jahre bestanden hat, 5 Monate, – 15 Jahre bestanden hat, 6 Monate, – 20 Jahre oder länger bestanden hat, 7 Monate, jeweils zum Ende eines Kalendermonats. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB zwar Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt; die Regelung verstößt jedoch gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und ist daher bei Berechnung der maßgeblichen Kündigungsfristen nicht anzuwenden.77 Während einer vereinbarten Probezeit78 kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden (§ 622 Abs. 3 BGB).79 Abzugrenzen ist die vereinbarte Probezeit gem. § 622 Abs. 3 BGB vom befristeten Probearbeitsverhältnis (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 TzBfG). Dieses endet mit Ablauf der Befristung und ist vorher nur ordentlich kündbar, wenn dies vereinbart ist (§ 15 Abs. 3 TzBfG).

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Die Berechnung der Fristen richtet sich nach §§ 186 ff. BGB.80 Tarifvertraglich können nach § 622 Abs. 4 BGB längere und kürzere Fristen und andere Kündigungstermine81 vereinbart werden; einzelvertraglich kürzere Kündigungsfristen allerdings nur unter den engen Voraus75 BAG v. 29.1.1981 – 2 AZR 1055/78, DB 1981, 2438. 76 Das ist kein Verstoß gegen §§ 7, 10 AGG, BAG v. 18.9.2014 – 6 AZR 636/13, NZA 2014, 1400. 77 EuGH v. 19.1.2010 – Rs. C-555/07, NZA 2010, 85 – Kücükdeveci m. Anm. Lingemann, ArbR 2010, 64; BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 700/09, NZA 2010, 1409. Zum Meinungsstand auch BGK, § 10 AGG Rz. 27; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 9 mwN; Müller/Thele, MDR 2008, 537, und Schleusener, NZA 2007, 358. Die Staffelung der Kündigungsfristen nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist hingegen keine Altersdiskriminierung (BAG v. 18.9.2014 – 6 AZR 636/13, NZA 2014, 1400). 78 In der Regel nicht länger als sechs Monate, vgl. BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521, Rz. 15: „Höchstgrenze“. Zur teilweise streitigen Frage einer längeren Probezeit Blomeyer, NJW 2008, 2812 mwN. 79 Die Vereinbarung einer Probezeit unterliegt in einem Formularvertrag wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keiner Inhaltskontrolle, wenn sie die gesetzliche Probezeitdauer von sechs Monaten einhält (BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521). Zur Kündigung während der Probezeit Löwisch, DB 2014, 1079. 80 Wegen der Einzelheiten vgl. Lingemann, Kündigungsschutz, Teil II, Rz. 63 ff. 81 BAG v. 4.7.2001, DB 2002, 96, 98.

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Rz. 28 Kap. 22

setzungen des § 622 Abs. 5 BGB. In jedem Falle darf für die Kündigung durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber (§ 622 Abs. 6 BGB). Dabei können je nach Vereinbarung die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB oder einzelne oder alle Stufen des § 622 Abs. 2 BGB geändert werden.82 Zulässig ist nach § 622 Abs. 5 Satz 3 BGB die einzelvertragliche Verlängerung der Kündigungsfrist. Dabei können die gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungstermine vom Datum her nicht verändert, wohl aber monatsweise eingeschränkt werden.83 Ob eine „längere“ Kündigungsfrist vereinbart wurde, ist durch einen Günstigkeitsvergleich zwischen vertraglicher und gesetzlicher Regelung zu ermitteln.84 Dabei ist nicht auf die konkret ausgesprochene Kündigung abzustellen. Eine einzelvertragliche Abrede ist vielmehr nur dann günstiger als die gesetzliche Bestimmung, wenn sie stets zu einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Auch wird nicht die längere gesetzliche Kündigungsfrist mit den vertraglichen Kündigungsterminen kombiniert.85 Auch ein für längere Zeit vereinbartes Arbeitsverhältnis kann von dem Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden (§ 624 BGB). Besonderheiten gelten für die Kündigungsfrist von Organmitgliedern. Sofern diese keine beherrschende Stellung in der Gesellschaft haben, gilt auch für sie § 622 BGB; bei einer beherrschenden Stellung haben sie nur die Kündigungsfrist des § 621 BGB; sofern die Vergütung nach Monaten bemessen ist, kann die Kündigung daher am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats ausgesprochen werden, bei Bemessung der Vergütung nach Jahren mit einer Frist von sechs Wochen für den Schluss eines Quartals. Zur Auswirkung einer nach § 18 KSchG zu wahrenden Sperrfrist nach Anzeige einer Massenentlassung auf den Lauf der Kündigungsfrist s. Rz. 178. Das Recht des Arbeitnehmers, sich auf die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber zu berufen, unterliegt der Verwirkung.86

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In der Insolvenz kann gem. § 113 Satz 2 InsO von jeder Seite mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden, wenn nicht ohnehin eine kürzere Frist maßgeblich ist. Die maximal dreimonatige Frist setzt sich gegenüber allen anderen – auch tariflich vereinbarten – Fristen durch.87 Kündigt der Insolvenzverwalter mit der Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO, unterliegt diese Wahl der Kündigungsfrist keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. § 113 Satz 2 InsO untersagt es dem Insolvenzverwalter zwar nicht, mit einer längeren Frist als der in § 113 Satz 2 InsO vorgesehenen zu kündigen; aus der in § 241 Abs. 2 BGB normierten Rücksichtnahmepflicht iVm. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erwächst aber auch unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG kein Anspruch auf eine Verlängerung der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO zur Vermeidung sozialversicherungsrechtlicher Nachteile.88

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Problematisch ist es, wenn der Arbeitgeber – etwa im Zuge eines Kündigungsrechtsstreits – den Arbeitnehmer nach Ende der Kündigungsfrist zunächst weiter beschäftigt. In diesem Fall wird ein neues Arbeitsverhältnis nur dann nicht begründet, wenn die Beschäftigung ausschließlich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren

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82 BAG v. 4.7.2001, DB 2002, 96, 97. 83 BAG v. 21.8.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29. Es muss also stets zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Es kann aber vereinbart werden, dass nur zum Ende bestimmter Monate gekündigt werden kann. Dazu etwa BAG v. 29.1.2015, NZA 2015, 673. 84 Ausführlich dazu BAG v. 29.1.2015, NZA 2015, 673. 85 BAG v. 29.1.2015, NZA 2015, 673. 86 BAG v. 21.8.2008, DB 2009, 184 zur Rücknahme der Klage während des Kündigungsschutzverfahrens als umstandsbegründendes Moment für die Verwirkung. 87 ErfK/Müller-Glöge, § 113 InsO Rz. 8; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 147. 88 BAG v. 27.2.2014 – 6 AZR 301/12, NZA 2014, 897.

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Kap. 22 Rz. 29

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Weiterbeschäftigungstitel erfolgt.89 Wird trotz Wegfall des Weiterbeschäftigungstitels weiterbeschäftigt, entsteht ein Arbeitsverhältnis, welches unbefristet ist, sofern die Anforderungen des TzBfG – namentlich auch der Schriftform gem. § 14 Abs. 4 TzBfG – nicht erfüllt werden.90 g) Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG 29

Soweit ein Betriebsrat besteht, ist dieser gem. § 102 Abs. 1 BetrVG vor jeder Kündigung zu hören. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine verabredete Kündigung vor Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung (dazu Kap. 23) handelt.91 Die Anhörung ist bei einem mehrköpfigen Betriebsrat an den Betriebsratsvorsitzenden zu richten.92 Sie muss angeben: – die Person des Arbeitnehmers, dessen Kündigung beabsichtigt ist. Zu den Angaben zur Person gehören: – Name des Arbeitnehmers – Beschäftigungsort – Arbeitsplatz – Vergütung – Alter – Familienstand – Dauer der Betriebszugehörigkeit – Unterhaltspflichten – Schwerbehinderung – ggf. Sonderkündigungsschutz – ggf. besondere persönliche Belastungen des Arbeitnehmers – die Art der Kündigung – ordentliche Kündigung oder – außerordentliche Kündigung – oder bei ordentlich unkündbaren, zB altersgesicherten Arbeitnehmern: – außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist93 – die Kündigungsfrist oder soziale Auslauffrist94 – den Termin, zu dem gekündigt werden soll – sowie die Gründe für die Kündigung.

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Will der Arbeitgeber eine außerordentliche sowie hilfsweise eine ordentliche Kündigung aussprechen, so muss er zu beiden Kündigungen anhören. Hört er nur zu der außerordentlichen Kündigung an, reicht der Kündigungsgrund jedoch nur für eine ordentliche Kündigung, so wäre eine hilfsweise ordentliche Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG mangels An89 90 91 92 93 94

BAG v. 8.4.2014, 9 AZR 856/11, juris, m. Anm. Traut, ArbRAktuell 2014, 414. BAG v. 8.4.2014, 9 AZR 856/11, juris, m. Anm. Traut, ArbRAktuell 2014, 414. BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, NZA 2006, 48. Im Verhinderungsfall an dessen Stellvertreter, BAG v. 7.7.2011, NZA 2011, 719. Vgl. BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, NZA 1998, 771. Die Anhörung des Betriebsrats ist nicht deshalb unwirksam, weil eine objektiv unzutreffende Kündigungsfrist oder Dauer der Betriebszugehörigkeit mitgeteilt worden ist, solange der Betriebsrat dennoch auf den Kündigungsentschluss Einfluss nehmen kann, BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476.

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Rz. 33 Kap. 22

hörung unwirksam. Bei Ausspruch einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigungsfrist in der Kündigung nicht angeben.95 Gleichwohl wird man sie in der Betriebsratsanhörung zu der außerordentlichen sowie hilfsweisen ordentlichen Kündigung wohl weiterhin angeben müssen, zumal die Länge der Kündigungsfrist bei der Frage, ob die außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB wirksam ist, eine wesentliche Rolle spielt. Bei einer Änderungskündigung muss neben der Kündigungsabsicht auch das Änderungsangebot mitgeteilt werden, im Übrigen gelten die vorstehenden Grundsätze auch hier (vgl. Kap. 20 Rz. 34 ff., M 20.3).

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Bei der Angabe der Kündigungsgründe ist größtmögliche Sorgfalt anzuraten. Allerdings reicht die Mitteilungspflicht nicht so weit wie die Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess. Die Anhörung des Betriebsrats soll diesem nicht die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen96. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“, dh. der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Entschluss zur Kündigung tatsächlich bestimmt haben97. Dem kommt er nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt.98 Tatsachen, auf die der Arbeitgeber die Kündigung nicht stützen will, muss er idR zwar nicht mitteilen; er darf dem Betriebsrat aber keine persönlichen Umstände des Arbeitnehmers vorenthalten, die sich bei objektiver Betrachtung entscheidend zu dessen Gunsten auswirken und deshalb schon für die Stellungnahme des Betriebsrats bedeutsam sein können.99 Allerdings ist die Unterrichtung des Betriebsrates nur fehlerhaft, wenn die Information bewusst falsch oder irreführend erfolgte.100 Das ist indes auch dann bereits der Fall, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat für dessen Beurteilung bedeutsame, zuungunsten des Arbeitnehmers sprechende objektiv unzutreffende Tatsachen mitteilt, von denen er selbst durchaus für möglich hält, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen.101 Sind dem Betriebsrat die Daten des Arbeitnehmers und die Kündigungsgründe bereits bekannt, schränkt dies den Umfang der Unterrichtungspflicht ein.102 Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Interessenabwägung ist regelmäßig nicht erforderlich103.

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Sofern diesen Anforderungen entsprochen wird, kann der Arbeitgeber die dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe im Kündigungsschutzprozess weiter erläutern und konkretisieren.104 Kündigungsgründe, die der Arbeitgeber kannte, über die er den Betriebsrat aber nicht informiert hat, kann er hingegen im Kündigungsrechtsstreit nicht mehr geltend machen.105 Er kann sie auch nicht über eine weitere Anhörung nachschieben.106 Erst nach Aus-

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95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106

BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117. BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476, Anm. Winzer FD-ArbR 2015, 368367. BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476, Anm. Winzer FD-ArbR 2015, 368367. BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476, Rz. 14, Anm. Winzer FD-ArbR 2015, 368367; v. 18.10.2006, DB 2007, 810. Eine solche Bedeutsamkeit wurde verneint für die Angabe, die Arbeitnehmerin sei beurlaubte Beamtin BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476, 477, Rz. 15, Anm. Winzer FD-ArbR 2015, 368367. BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99, Rz. 12. BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 15/15, NZA 2016, 99, Rz. 18. BAG v. 19.5.1993, AP KSchG 1969 § 2 Nr 31. BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476, Anm. Winzer FD-ArbR 2015, 368367. BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 302/96, NZA 1997, 761. BAG v. 15.7.2004 – 2 AZR 376/03, NZA 2005, 523. Dagegen ist im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG neuer Tatsachenvortrag nachträglich möglich, sofern dem Betriebsrat eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird (BAG v. 23.4.2008, DB 2008, 1756). BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287.

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Kap. 22 Rz. 34

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spruch der Kündigung bekannt werdende Gründe können nachgeschoben werden, setzen aber eine weitere vorherige Unterrichtung des Betriebsrats voraus.107 Auch wenn eine Kündigung nach Bedenken des Arbeitgebers gegen ihre Wirksamkeit wiederholt wird, ist eine erneute Anhörung erforderlich.108 34

Bei einer verhaltensbedingten Kündigung (Rz. 53 ff.) sind also die einzelnen Pflichtverletzungen im Detail, insbesondere auch nach Ort und Datum, mitzuteilen, ferner dem Arbeitnehmer zuvor erteilte Abmahnungen für vergleichbare Verstöße.

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Ist eine Verdachtskündigung (Rz. 64 f.) beabsichtigt, so muss auch dies dem Betriebsrat gegenüber offen gelegt werden. Auch der Verlauf und insbesondere die Einlassungen des Arbeitnehmers im Rahmen der Anhörung sind darzustellen. Es kann sich empfehlen, die Kündigung auf die Tat sowie hilfsweise auf den Verdacht zu stützen.109 Wird allerdings nur eine Verdachtskündigung ausgesprochen, reichen die vom Arbeitgeber vorgetragenen Verdachtsmomente jedoch auch für eine Tatkündigung aus, so kann das Urteil auch auf eine Tatkündigung gestützt werden, eine ggf. fehlende oder nicht ordnungsgemäße Anhörung des Arbeitnehmers wirkt sich dann nicht mehr aus.110 Voraussetzung ist aber immer, dass dem Betriebsrat alle Tatsachen mitgeteilt worden sind, die – ggf. auch im Rahmen eines zulässigen Nachschiebens von Kündigungsgründen – nicht nur den Verdacht, sondern den Tatvorwurf selbst begründen.111

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Bei einer krankheitsbedingten Kündigung (Rz. 74 ff.) sind die einzelnen Fehlzeiten anzugeben, ferner inwieweit für diese Entgeltfortzahlung geleistet wurde, darüber hinaus die negative Zukunftsprognose und die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen, sei es in Form erheblicher wirtschaftlicher Belastungen oder in Form von konkreten Betriebsablaufstörungen.112

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Kernbestandteil der Betriebsratsanhörung bei der betriebsbedingten Kündigung (Rz. 102 ff.) ist – neben den hier besonders wichtigen Sozialdaten – die Darlegung zum Wegfall des Arbeitsplatzes und zur Sozialauswahl; dazu zählen auch Angaben zu etwaigen betrieblichen Gründen, aus denen einzelne Mitarbeiter aus der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ausgenommen werden sollen. Bei der betriebsbedingten Änderungskündigung sind dementsprechend die die Änderung rechtfertigenden Gründe und die geänderten Bedingungen darzulegen.

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Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats besteht auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses; auch wenn in diesem Fall das Kündigungsschutzgesetz noch nicht gilt, muss der Arbeitgeber die Tatsachen angeben, die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind.113 Allerdings soll auch die Mitteilung eines bloßen, durch Tatsachen 107 BAG v. 11.4.1985, AP BetrVG 1972 § 102 Nr 39. 108 Entscheidend ist, dass die Anhörung erkennbar auf eine erst noch auszusprechende Kündigung bezogen ist; es kann allerdings auch ein Anhörungsformular benutzt werden, das bereits für die frühere Kündigung Verwendung fand (BAG v. 3.4.2008 – 2 AZR 965/06, NZA 2008, 807). Einzelheiten zu einer „reparierenden“ Kündigung und den damit zusammenhängenden Anforderungen an die Betriebsratsanhörung bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. 109 Vgl. BAG v. 9.6.2011 – 2 AZR 381/10, NJW 2011, 2905. 110 BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 474/07, NZA 2009, 1136. 111 BAG v. 23.6.2009, NZA 2009, 1137; ausführlich Fuhlrott, DB 2015, 1719. 112 Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 723 ff. 113 BAG v. 18.5.1994 – 2 AZR 920/93, NZA 1995, 24. Bei einer Probezeitkündigung, die wegen unzureichender Arbeitsleistung erfolgt, müssen das Lebensalter und die Unterhaltspflichten nicht mitgeteilt werden, denn diese Aspekte sind aufgrund der Tatsache, dass die Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung bedarf, im konkreten Fall für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht maßgeblich (BAG v. 23.4.2009 – 6 AZR 516/08, NZA 2009, 959).

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Rz. 40 Kap. 22

nicht belegbaren Werturteils ausreichen,114 was deshalb in der Praxis aus Arbeitgebersicht häufig ratsam ist. Eine bestimmte Form ist für die Anhörung nicht vorgeschrieben. Aus anwaltlicher Sicht ist zu Nachweiszwecken Schriftform zu empfehlen. Die Anhörung erfolgt durch den Arbeitgeber. Auch bei einer Anhörung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers besteht allerdings kein Recht zur Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB.115

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Zu richten ist die Anhörung an den Betriebsratsvorsitzenden. Anzuhören ist der Betriebsrat des Betriebs, dem der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung angehört.116 Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so muss er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitteilen (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG); bei einer außerordentlichen Kündigung beträgt die Frist drei Tage (§ 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Bei einer Anhörung zur außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung läuft für Erstere also die Drei-Tages-Frist, für Letztere die Wochenfrist. Mit ergänzenden Angaben des Arbeitgebers im Rahmen einer bereits in Gang gesetzten Anhörung, die über das Notwendige einer ordnungsgemäßen Information hinausgehen, beginnt die Frist zur Stellungnahme für den Betriebsrat regelmäßig allerdings nicht neu zu laufen.117 Der Betriebsrat entscheidet durch Beschluss über seine Stellungnahme, wobei Fehler bei der Beschlussfassung regelmäßig nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen, es sei denn, er hätte diese selbst veranlasst118 oder einen offensichtlichen Fehler in der Beschlussfassung des Betriebsrats ausgenutzt.119 Der Betriebsrat kann der Kündigung auch innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG widersprechen. Geschieht dies aus einem der in § 102 Abs. 3 Nr. 1–5 BetrVG abschließend genannten Gründe, so hindert das die Kündigung zwar nicht, der Arbeitnehmer kann jedoch den besonderen Weiterbeschäftigungsanspruch gem. § 102 Abs. 5 BetrVG geltend machen.120 Ist die Frist abgelaufen, ohne dass der Betriebsrat sich geäußert hat, kann der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen. Dasselbe gilt, wenn der Betriebsrat innerhalb der Frist abschließend Stellung nimmt. Allerdings sind die Anforderungen an eine solche abschließende Stellungnahme (nunmehr) sehr streng: Sie liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte darauf verlassen darf, dass sich der Betriebsrat bis zum Ablauf der Frist nicht mehr äußern wird. Solche liegen regelmäßig vor, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber mitteilt, er stimme der beabsichtigten Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zu oder erklärt, von einer Äußerung zur Kündigungsabsicht abzusehen. In anderen Fällen wird der Arbeitgeber nur von einer abschließenden Stellungnahme ausgehen können, wenn aus seiner sicht eine weitter Äußerung des Betriebsrats zur Künidgungsabsicht ausgeschlossen ist. Hierfür reicht es nicht aus, dass der Betriebsratsvorsittzende dem Arbeitgeber das Ergebnis

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114 LAG Schl.-Holst. v. 30.10.2002 – 5 Sa 345/02, NZA-RR 2003, 310; LAG Berlin v. 22.1.1998, LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 68. 115 BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 348/11, NZA 2013, 669 m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2013, 239; v. 25.4.2013, ArbRAktuell 2013, 361. 116 BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 1005/12, NZA 2015, 889: Wenn ein Betrieb gem. § 613a BGB übergeht und ein betroffener Arbeitnehmer dem wirksam widerspricht, so bedarf eine ihm nach Betriebsübergang durch den Betriebsveräußerer erklärte Kündigung nicht der Anhörung des im übergegangenen Betrieb fortbestehenden Betriebsrats. 117 BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, NZA 2015, 476, Anm. Winzer FD-ArbR 2015, 368367. 118 BAG v. 16.10.1991, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 83; auch wenn der Betriebsratsvorsitzende schon zwölf Minuten nach Erhalt der Anhörung eine abschließende Stellungnahme abgibt, ist es für den Arbeitgeber keineswegs evident, dass nur eine persönliche Stellungnahme des Betriebsratsvorsitzenden und kein Beschluss des Betriebsratsgremiums vorliegt, st. Rspr., vgl. BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03, NZA 2004, 1330 und v. 16.1.2003 – 2 AZR 707/01, BB 2003, 1791. 119 Vgl. BAG v. 28.2.1974, BB 1974, 836. 120 Lingemann/Steinhauser; NJW 2015, 844; Kempter/Steinat, NZA 2016, 913.

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der Beschlussfassung des Germiums mitgeteilt hat (!). Der Arbeitgeber muss trotz dieser Mitteilung nachfragen, ob die Stellungnahme abschließend ist.121 Ist das nicht zweifelsfrei geklärt, sollte die Kündigung erst nach Fristablauf aussprochen werden. 41

Die ordnungsgemäße Anhörung muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess darlegen und beweisen, allerdings nur, wenn sie vom Arbeitnehmer bestritten wird. Eine fehlende oder fehlerhafte Anhörung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung; gegebenenfalls muss eine erneute Anhörung durchgeführt und im Anschluss daran eine erneute Kündigung ausgesprochen werden.122 Bei außerordentlichen Kündigungen gelingt das wegen der Zwei-WochenFrist des § 626 Abs. 2 BGB allerdings meist nicht mehr.

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Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds erfordert die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG; bloßes Schweigen ersetzt diese Zustimmung nicht. Erteilt der Betriebsrat seine Zustimmung nicht, so muss der Arbeitgeber sie im Wege des Zustimmungsersetzungsverfahrens ersetzen lassen, bevor er eine Kündigung ausspricht (vgl. § 103 Abs. 2 BetrVG). Die Zustimmung des Betriebsrats oder die zustimmungsersetzende Entscheidung des Arbeitsgerichtes muss dem Kündigungsschreiben allerdings nicht beigefügt werden.123

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Für leitende Angestellte gilt nicht § 102 BetrVG, sondern eine bloße Unterrichtungspflicht nach § 105 BetrVG, deren Verletzung auch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.124 Sofern allerdings ein Sprecherausschuss nach dem Sprecherausschussgesetz besteht, muss dieser vor jeder Kündigung eines leitenden Angestellten angehört werden (§ 31 Abs. 2 SprAuG). Ohne eine solche Anhörung oder bei nicht ordnungsgemäßer Anhörung ist die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Der Sprecherausschuss kann innerhalb von einer Woche gegen die beabsichtigte ordentliche und innerhalb von drei Tagen gegen eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung Bedenken geltend machen. Lässt sich nicht zweifelsfrei klären, ob der Arbeitnehmer leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG ist, sollten vorsorglich Betriebsrat und Sprecherausschuss angehört werden.

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Hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG gilt im Kündigungsschutzprozess eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer hat vorzutragen, dass ein Betriebsrat besteht, der Arbeitgeber muss dann substantiiert vortragen, dass und wie der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wurde. Sodann muss der Arbeitnehmer sich nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig zu dem vom Arbeitgeber vorgetragenen Sachverhalt erklären und im Einzelnen bezeichnen, ob er rügen will, der Betriebsrat sei entgegen der Behauptung des Arbeitgebers überhaupt nicht angehört worden oder in welchen einzelnen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder die dem Betriebsrat mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält.125 2. Anwendbarkeit des KSchG

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Erst wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung126 länger als sechs Monate bestanden hat, gilt das KSchG, so dass dann eine sozial nicht 121 So jetzt BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15, NZA 2016, 234 in ausdrücklicher Abkehr von der früheren großzügigeren Rechtsprechung.. 122 Rz. 5; Einzelheiten bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. 123 BAG v. 4.3.2004 – 2 AZR 147/03, NZA 2004, 717. 124 BAG v. 25.3.1976, BB 1976, 743. 125 BAG v. 23.6.2005 – 2 AZR 193/04, NZA 2005, 1233, 1234; dazu Mühlhausen, NZA 2006, 967 sowie in Erwiderung dazu Griebeling, NZA 2007, 540. 126 Auf die Wartezeit sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber nur anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang zu dem früheren Arbeitsverhältnis steht und die Unterbrechung nur kurz war, idR also nur ein paar Tage

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gerechtfertigte Kündigung unwirksam ist, § 1 Abs. 1 KSchG. Die Dauer dieser „Wartezeit“ wird nach §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB berechnet,127 wobei die Frist idR mit dem Beginn desjenigen Tages zu laufen anfängt, an dem der Arbeitnehmer nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien erstmals zur Arbeitsleistung verpflichtet sein soll.128 § 193 BGB findet für die Fristberechnung keine Anwendung129. Zeiten, zu denen ein Leiharbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert war, sind in einem späteren Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Entleiher regelmäßig nicht auf die Wartezeit anzurechnen.130 Anzurechnen sind aber alle ohne Unterbrechung vorangehenden Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisse mit dem Arbeitgeber.131 Rechtliche Unterbrechungen lassen die Wartezeit neu beginnen, es sei denn, es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem alten und neuen Arbeitsverhältnis.132 Während dieser „Wartezeit“ führt nur ein Verstoß gegen § 138 BGB oder § 242 BGB zur Nichtigkeit der Kündigung;133 ein Verstoß gegen Treu und Glauben allerdings nur, soweit der Verstoß auf Gründen beruht, die nicht von § 1 KSchG erfasst sind.134 Entscheidend ist, dass dem Arbeitnehmer die Kündigung spätestens am letzten Tag der Wartezeit zugeht, § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB.135 Aber auch nach Ablauf der Wartezeit greift das KSchG nur ein, wenn in dem Betrieb vor dem 1.1.2004 in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt waren („Kleinbetriebsklausel“, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Sinkt die Zahl dieser Altarbeitnehmer auf fünf oder weniger, so verlieren alle Altarbeitnehmer ihren Kündigungsschutz, da der abgesenkte Schwellenwert dann keine Anwendung mehr findet und Ersatzeinstellungen für ausgeschiedene Altarbeitnehmer den Kündigungsschutz nicht erhalten.136 Für Arbeitnehmer, die nach dem 1.1.2004 eingestellt wurden, setzt Kündigungsschutz erst ab zehn Arbeitnehmern ein (§ 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG).137 Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden mit 0,5 und von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 berücksichtigt (§ 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG).

127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137

lang (BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148, Rz. 22; v. 20.6.2013, EzA KSchG § 1 Nr. 64 Rz. 13). Auch wenn zwischen befristeten Arbeitsverhältnissen immer wieder mehrere Monate Unterbrechung liegen, können die Zeiten nicht zusammengerechnet werden (BAG v. 22.9.2005 – 6 AZR 607/04, NZA 2006, 429). Ausführlich Boemke, BB 2014, 2999 ua. mit Besprechung von BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1057/12, DB 2014, 958. Ob er tatsächlich seine Arbeit erst später aufnimmt oder der mündlich geschlossene Vertrag erst später verschriftlicht wird, ist unerheblich. Zu alledem BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1057/12, NZA 2014, 725. BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1057/12, NZA 2014, 725. BAG v. 20.2.2014 – 2 AZR 859/11, NZA 2014, 1083; FD-ArbR 2014, 361730 m. Anm. Krieger; Elking, BB 2015, 2169. Nicht zu berücksichtigen ist dagegen eine Beschäftigung als freier Mitarbeiter oder in einem anderen nicht-arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnis. BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11, juris, Rz. 13, m. Anm. Beck, ArbRAktuell 2013, 417. Zum Mindestkündigungsschutz außerhalb des KSchG BVerfG v. 21.6.2006 – 1 BvR 1659/04, NZA 2006, 913; Löwisch, DB 2014, 1079. BAG v. 21.2.2001 – 2 AZR 15/00, BB 2001, 1683, 1685; v. 5.4.2001 – 2 AZR 185/00, BB 2001, 1905. Eine Kündigung kurz vor Ablauf der Wartezeit kann unter verwerflichen Umständen aber treuwidrig sein, BAG v. 18.8.1982, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 24; vgl. auch BAG v. 20.2.2014, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 28. BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 512/06, NZA 2008, 944; v. 21.9.2006 – 2 AZR 840/05, NZA 2007, 438. Diese Stichtagsregelung ist verfassungsgemäß (BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 790/07, NZA 2009, 484). Zum Kündigungsschutz des „Alt-Arbeitnehmers“ und der Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten nach rechtlicher Unterbrechung s. BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, NZA 2013, 1197.

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Auch wenn das Gesetz ausdrücklich auf den Betrieb und nicht auf das Unternehmen abstellt, deutet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v. 27.1.1998138 auf eine Ausdehnung auf das Unternehmen, jedenfalls bei Betrieben innerhalb größerer Unternehmen, da deren Schutz von der Kleinbetriebsklausel nicht bezweckt sei.139 Dabei ist eine alle Umstände des Einzelfalles einbeziehende wertende Gesamtbetrachtung dahingehend vorzunehmen, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel nach Maßgabe des allgemeinen Betriebsbegriffes unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck noch hinreichend gerecht wird. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG verlangt aber nicht, den Betriebsbezug des Schwellenwerts immer schon dann zu durchbrechen, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn bzw. fünf Arbeitnehmer beschäftigt.140 Bei der Berechnung des Schwellenwertes sind nur Arbeitnehmer in Deutschland gelegener Betriebe zu berücksichtigen, da bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit gegenüber allen Arbeitnehmern dasselbe Arbeitsrecht gelten muss.141 Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.142

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Unabhängig vom Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes kann nach der an diese Verfassungsgerichtsentscheidung anknüpfenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts143 eine Kündigung im Kleinbetrieb auch deshalb unwirksam sein, weil es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, wenn der Arbeitgeber nicht ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahrt.144 Das gebotene Mindestmaß ist unterschritten, wenn bei einer betriebsbedingten Kündigung ein Vergleich der Sozialdaten vergleichbarer Arbeitnehmer eine erheblich niedrigere soziale Schutzbedürftigkeit eines weiterbeschäftigten Arbeitnehmers ergibt und sich in Abwägung mit den betrieblichen, persönlichen oder sonstigen Interessen des Arbeitgebers kein nachvollziehbarer Grund für den Kündigungsausspruch ergibt, dh. Willkür vorliegt.145 Aber Treu und Glauben erfordern außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 KSchG in der Regel keine vergebliche Abmahnung.146 Innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG muss der Arbeitgeber auch kein anderweitiges Beschäftigungsangebot an den Arbeitnehmer richten, da dieses Erfordernis Ausdruck des in § 1 Abs. 2 KSchG niedergelegten

138 BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 22/93, NZA 1998, 469, 470. 139 Vgl. zum öffentlichen Dienst auch BAG v. 22.4.1998 – 5 AZR 342/97, DB 1998, 2167. 140 Ausführlich BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196, Rz. 20 ff.; v. 28.10.2010 – 2 AZR 392/08, BB 2011, 1339, 1341, Rz. 23 ff.; ArbRAktuell 2010, 602 m. Anm. Bauer. 141 BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196. Dies gilt selbst für im Ausland Beschäftigte eines grenzüberschreitenden Gemeinschaftsbetriebs, sofern deren Arbeitsverhältnisse nicht deutschem Recht unterliegen (BAG v. 26.3.2009, DB 2009, 1409). Zum Kündigungsschutz bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug Gravenhorst, RdA 2007, 283 u. Otto/Mückl, BB 2008, 1231. 142 BAG v. 24.1.2013 – 2 AZR 140/12, NZA 2013, 726. 143 BAG v. 21.2.2001 – 2 AZR 15/00, BB 2001, 1683 unter Hinweis auf die eben angesprochene Entscheidung des BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 22/93, NZA 1998, 469. 144 Zuletzt BAG v. 23.7.2015, m. Anm. Bauer, ArbRAktuell 2015, 375. LAG Schleswig-Holstein v. 14.10.2014 – 1 Sa 151/14, juris. Mit den Auswirkungen der Rspr. für die Praxis befasst sich Berkowsky, NJW 2009, 113. 145 BAG v. 25.4.2001 – 5 AZR 360/99, NZA 2002, 87, 89; der Arbeitnehmer muss allerdings zunächst einen Sachverhalt vortragen, aus dem sich ergibt, dass er mit nicht gekündigten Arbeitnehmern „auf den ersten Blick“ vergleichbar ist, erst dann muss der Arbeitgeber substantiiert seine Auswahlentscheidung begründen (BAG v. 6.2.2003 – 2 AZR 672/01, NZA 2003, 717). 146 BAG v. 21.2.2001 – 2 AZR 579/99, BB 2001, 1902. Nach § 314 Abs. 2 BGB dürfte für die außerordentliche Kündigung die Abmahnung jedoch erforderlich sein; Kleinebrink, FA 2002, 226, 227 f.

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Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist.147 Die Darlegungs- und Beweislast für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes trägt der Arbeitnehmer.148 § 2 Abs. 4 AGG, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten, steht einer Berücksichtigung der Diskriminierungsverbote des AGG im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht entgegen. Die Bestimmung soll lediglich sicherstellen, dass die Diskriminierungsverbote nicht als eigenständiger Unwirksamkeitsgrund zu qualifizieren sind, sondern nur als Konkretisierung des Begriffs der Sozialwidrigkeit nach § 1 Abs. 1, 2 KSchG dienen, so dass ein Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot zur Sozialwidrigkeit der Kündigung führen kann.149 Relevant ist das Spannungsfeld zwischen Diskriminierungsverboten des AGG und Kündigungsschutz vor allem im Hinblick auf die krankheitsbedingte Kündigung150 und die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl, insbesondere durch die Bildung von Altersgruppen.151

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Die zivilrechtlichen Generalklauseln werden von § 2 Abs. 2 AGG nicht erfasst. Ordentliche Kündigungen während der Wartezeit und in Kleinbetrieben sind deshalb unmittelbar am Maßstab des AGG zu messen.152 Ein Diskriminierungsverstoß bei Kündigungen, die nicht dem KSchG unterfallen, führt daher zur Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1 AGG, §§ 1, 3 AGG.153 Bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB dürfte im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung schon das Vorliegen eines wichtigen Grundes abzulehnen sein.154

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Diese Auslegung führt nicht dazu, dass Kündigungen außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 1 KSchG, 626 BGB insbesondere wegen der möglichen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG stärker sanktioniert würden als Kündigungen, für die jene Normen gelten. Denn auch bei Kündigungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen, kommt eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Betracht.155 Ob auch die übrigen Bestimmungen der §§ 13–16 AGG auf jede Art von Kündigung anzuwenden sind, ist ungeklärt.156

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Der in Art. 30 EU-GRCh geregelte Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung bei Kündigungen, die lediglich an §§ 138, 242 BGB zu messen sind, muss nicht berücksichtigt

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147 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049. 148 BAG v. 24.2.2005 – 2 AZR 373/03, BB 2005, 1629. 149 BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372; v. 24.2.2011 – 2 AZR 636/09, NZA 2011, 1087; v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361 sowie unten Rz. 129 ff. 150 Hierzu BGK, § 1 AGG Rz. 44; PWW/Lingemann, § 1 AGG Rz. 8 mwN sowie unten Rz. 74 ff. 151 Hierzu PWW/Lingemann § 10 AGG Rz. 22 sowie unten Rz. 130. 152 BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, NZA 2015, 1380; v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372. 153 BAG v. 23.7.2015 – 6 AZR 457/14, BB 2015, 2876, m. Anm. Bauer ArbRAktuell 2015, 375 zur Erwähnung der Pensionsberechtigung des Arbeitnehmers in der Kündigung; v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372. Ein unterlassenes Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX/§ 167 Abs. 1 SGB IX nF innerhalb der ersten sechs Arbeitsmonate ist keine Diskriminierung wegen Schwerbehinderung, BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131. 154 Vgl. Hein, NZA 2008, 1033. 155 BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 838/12, NZA 2014, 722; v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372; vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg v. 16.9.2015 – 23 Sa 1045/15, ArbRAktuell 2015, 609 zur Kündigung wegen Schwangerschaft. 156 Tendenziell ablehnend für Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG zuletzt BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 838/12, NZA 2014, 722, 724, Rz. 20. Zu bejahen dürfte die Anwendbarkeit von § 16 AGG sein, insbesondere für Maßnahmen nach der Rückkehr des Arbeitnehmers an seinen Arbeitsplatz, vgl. BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372, 376, Rz. 38 aE.

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werden.157 Der EuGH hat klar gestellt, wann genau durch Sekundärrechtsakte der Anwendungsbereich des Unionsrechts und damit auch der Unionsgrundrechte eröffnet wird. Art. 51 EU-GRCh setzt dafür die „Durchführung des Rechts der Union“ voraus. Dafür ist nach dem EuGH nicht ausreichend, dass ein Unionsrechtsakt und eine nationalen Maßnahme sachlich benachbart sind oder mittelbare Auswirkungen aufeinander haben können.158 Die Charta sei insbesondere dann unanwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich keine bestimmten Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schaffen. 3. Verhaltensbedingte Kündigung a) Kündigungsgrund 53

Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint.159 In Abgrenzung zur personenbedingten Kündigung ist unter einem kündigungsrelevanten „Verhalten“ eine Handlungsweise zu sehen, die dem Arbeitnehmer vorwerfbar, von ihm also willentlich steuerbar ist.160 Zu den in Betracht kommenden Pflichtverletzungen gibt es zahlreiche Kataloge. Verwiesen sei hier auf Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 4. Aufl. 2005, § 8; Küttner, Personalbuch 2015, Kap. 260 Verhaltensbedingte Kündigung Rz. 18–44; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 509 ff.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., 16. Aufl. 2015, § 133 Rz. 11–56; Sasse, Kündigung bei Schlechtleistung, ZTR 2009, 186; Seel, MDR 2011, 1274.

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Aus jüngerer Zeit sind folgende Kündigungsgründe fest zu halten: Tätliche Angriffe auf Arbeitskollegen,161 beharrliche Arbeitsverweigerung, selbst bei Rechtsirrtum des Arbeitnehmers162; beleidigende Äußerungen und Fotoveröffentlichungen in sozialen Netzwerken;163 beleidigende und ehrverletzende Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber164 (Arbeitnehmer dürfen aber, insbesondere als Wahlbewerber, unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber äußern, solange dies keine Formalbeleidigung oder Schmähkritik ist165); Drogenkonsum eines LKW-Fahrers,166 EDV-Nutzung: Private Einsätze von Smartphones während der Arbeits-

157 BAG v. 8.12.2011 – 6 AZN 1371/11, NZA 2012, 286. Auch eine erstmalige Befristung eines Arbeitsverhältnisses weist keine Berührung zum Unionsrecht auf (BAG v. 11.9.2013 – 7 AZR 843/11, NZA 2013, 1352). 158 EuGH v. 10.7.2014, EuZW 2014, 795, Rz. 34, m. Anm. Pötters – Fall „Hernández“. 159 BAG v. 11.7.2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, 251, Rz. 20. 160 BAG v. 3.11.2011 – 2 AZR 748/10, NZA 2012, 607, Rz. 21 f. In dem Urteil wird aaO die umstrittene Frage offengelassen, ob eine verhaltensbedinge Kündigung auch gerechtfertigt sein kann, wenn die Pflichtverletzung dem Arbeitnehmer zwar nicht vorwerfbar ist, sie aber besondere schwerwiegende Folgen nach sich gezogen hat. 161 BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 280/04, NZA 2006, 431. 162 BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144; v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417; v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533, Rz. 33 f., 40. 163 Klinkhammer/Müllejans; ArbRAktuell 2014, 503; Scheid/Klinkhammer, ArbRAktuell 2013, 6; Bauer/ Günther, NZA 2013, 67. 164 LAG Nürnberg v. 13.11.2014 – 4 Sa 574/13, ZTR 2015, 466. 165 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 419/12, NZA 2014, 660. 166 BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, BB 2016, 3132.

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Rz. 54 Kap. 22

zeit,167 private Nutzung eines Diensthandys,168 private Internetnutzung bei ausdrücklichem Verbot oder ohne ein solches bzw. bei begrenzter Nutzungserlaubnis jedenfalls bei ausschweifender Internetnutzung auch ohne vorherige Abmahnung; Herunterladen umfangreicher pornographischer Dateien kann selbst bei prinzipieller Duldung privater Internetnutzung, ggf. auch ohne vorherige Abmahnung.169 Ferner ggf. das Tragen eines islamischen Kopftuchs170 einer in einer Einrichtung der Kirche tätigen Arbeitnehmerin,171 oder an staatlichen Schulen und Kindergärten entgegen einem hinreichend bestimmten Verbot, sofern dies eine konkrete Gefahr für den Betriebsfrieden auslöst (etwa durch Streitigkeiten mit Schülern) und dieselbe Regelung auch für Praktiken anderer Religionen besteht,172 nicht jedoch bei privaten Arbeitgebern, sofern das Tragen eines Kopftuchs die Arbeitnehmerin nicht in ihrer vertragsmäßen Arbeitsleistung beeinträchtigt;173 unentschuldigtes Fehlen,174 eine Verletzung arbeitsvertraglicher Geheimhaltungspflichten,175 eine mehrjährige Haftstrafe,176 Konkurrenztätigkeit,177 Manipulation von Akten zur Verschleierung von Pflichtverstößen,178 bewusste Nichtanzeige einer laufenden Lohnüberzahlung,179 Nutzung dienstlicher Ressourcen zur Herstellung von „Raubkopien“,180 rufschädigendes Auftreten des Arbeitnehmers in der Öffentlichkeit,181 sexuelle Belästigung von Arbeitskollegen,182 Spesenbetrug,183 bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über den Arbeitgeber,184 vorsätzlich wahrheitswidrige eidesstattliche Versicherung oder leichtfertig wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen in einem Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber;185 „Whistleblowing“ – insbesondere eine Strafanzeige des Arbeitnehmers

167 Eingehend dazu Stück, ArbRAktuell 2014, 163. 168 Günther/Nolde, ArbRAktuell 2012, 599. 169 Vgl. BAG v. 16.7.2015 -2 AZR 85/15, NZA 2016, 161; v. 19.4.2012 – 2 AZR 186/11, NZA 2013, 27 (hier milder als sonst); v. 31.5.2007 – 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922; v. 27.4.2006 – 2 AZR 386/05, NZA 2006, 977; v. 12.1.2006 – 2 AZR 179/05, NZA 2006, 980; v. 7.7.2005, DB 2006, 397; LAG Nds. v. 31.5.2010, NZA-RR 2010, 406. Zu allen Fallkonstellationen kündigungsrelevanter Pflichtverletzungen auch Howald, öAT 2014, 49; Kramer, 2013, 311 und NZA 2007, 1338; Lansnicker, BB 2007, 2184. 170 BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407. Allgemein zur Frage der Kollision islamischer Praktiken und arbeitsrechtlichen Pflichten mit Rspr.-Übersicht Hoevels, ArbRAktuell 2012, 5. 171 BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 611/12, NZA 2014, 1407. 172 Vgl. BVerfG v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359. 173 BAG v. 10.10.2002, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44. 174 BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 88/07, DB 2009, 68 zur missbräuchlichen Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts, wenn der Gegenanspruch lediglich pauschal behauptet wird (hier: Vorwurf des „Mobbings“ ohne nähere Darlegung des konkreten Sachverhalts). 175 BAG v. 23.10.2008, DB 2009, 1131 zur offengelassenen Frage, ob die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat stets zugleich eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt. 176 BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 790/09, NJW 2011, 2825. 177 BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, NZA 2015, 429. 178 BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 638/13, NZA 2014, 965. 179 BAG v. 28.8.2008 – 2 AZR 15/07, NZA 2009, 193; allerdings hat das BAG im vorliegenden Fall eine Pflichtverletzung verneint, da der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft gegenüber dem zuständigen Personalleiter angeboten hatte, dieser ihm aber keine Arbeit zuwies. 180 BAG v. 16.7.2015, NZA 2016, 1611. 181 BAG v. 23.6.2009, BB 2009, 1525 zur Kündigung eines Pressefotografen. 182 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 294; LAG Niedersachsen v. 25.11.2008, NZA-RR 2009, 249. 183 BAG v. 11.7.2013, NZA 2013, 250. 184 BAG v. 27.9.2012, NZA 2013, 808. 185 BAG v. 31.7.2014 – 2 AZR 434/13, NZA 2015, 358, 359, Rz. 20.

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gegen den Arbeitgeber – ohne erforderlichen186 innerbetrieblichen Klärungsversuch oder nur zum Zwecke der Schädigung des Arbeitgebers187sowie Manipulationen der Zeiterfassung.188 55

Die wahrheitswidrige Beantwortung der Fragen nach einem eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren durch einen Stellenbewerber rechtfertigt wegen der Wertentscheidung des § 53 BZRG keine Kündigung.189

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Für den Arbeitgeber ist entscheidend, dass er den Pflichtverstoß des Arbeitnehmers auch darlegen und beweisen kann. Führt der Arbeitgeber eine verdeckte Videoüberwachung190 durch, muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer gem. Art. 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 1 GG beachtet werden. So erlangte Informationen zu Pflichtverletzungen der Arbeitnehmer sind verwertbar, wenn ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung des Arbeitnehmers gegen einen räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachtes ergebnislos ausgeschöpft sind und die heimliche Maßnahme insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.191 Bei einem heimlichen Mithören eines Telefongesprächs durch einen Dritten kann dieser als Zeuge vernommen werden, wenn der Angerufene das Mithören nicht zielgerichtet ermöglicht hat, sondern der Dritte das Gespräch zufällig mitgehört hat.192 Die Überwachung dienstlicher E-Mail-Korrespondenz wird sowohl hinsichtlich der Erfassung der Verbindungsdaten als auch des Inhalts der Mails überwiegend für zulässig erachtet, bei der Überwachung der privaten Korrespondenz ist dies umstritten, wenn der Arbeitgeber die private E-Mail-Nutzung gestattet.193 Das Ergebnis einer heimlichen Schrankkontrolle kann hingegen unverwertbar sein.194 Hat ein für den Kündigungssachverhalt maßgebliches Gespräch allein zwischen Parteien des Kündigungsschutzverfahrens stattgefunden, so ist aus 186 Handelt es sich bei den dem Arbeitgeber zur Last gelegten Vorfällen um schwerwiegende Vorwürfe und sind die betreffenden Straftaten vom Arbeitgeber selbst begangen worden, so muss der Arbeitnehmer keinen innerbetrieblichen Klärungsversuch unternehmen, BAG v. 7.12.2006, DB 2007, 808; EuGH v. 21.7.2011, NJW 2011, 3501 – Heinisch; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil VI, Rz. 10o. 187 BAG v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427; Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 611 BGB Rz. 87, § 626 BGB Rz. 7. 188 BAG v. 9.6.2011, NZA 2011, 1027; v. 24.11.2005, DB 2006, 677. 189 BAG v. 15.11.2012 – 6 AZR 339/11, DB 2013, 584. 190 Zur Videoüberwachung umfassend Alter, NJW 2015, 2375. Zu Ansprüchen auf Schmerzensgeld wegen rechtswidriger Überwachung Schulze/Greve, ArbRAktuell 2014, 245. 191 BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243, Rz. 42 ff.; v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NJW 2012, 3594; v. 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, NZA 2011, 571. Dabei macht allein die Einigung mit dem Betriebsrat über die Einführung verdeckter Videomaßnahmen eine an sich unzulässige Videoüberwachung nicht rechtmäßig (BAG v. 21.6.2012, NJW 2012, 3594). Ebenso führen mitbestimmungswidrig erlangte Informationen im Kündigungsschutzprozess nicht zwangsläufig zu einem Verwertungsverbot (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 537/06, NZA 2008, 1008 zur Nichteinhaltung einer Betriebsvereinbarung zur Personen-(Taschen-)kontrolle der Mitarbeiter, allerdings zu dem Sonderfall, dass die kündigungsrelevante Tatsache selbst unstreitig war). Auch ein Verstoß gegen § 6b Abs. 2 BDSG führt nicht schlechthin zu einer Unverwertbarkeit des Beweismittels. Ein Beweisverwertungsverbot im arbeitsgerichtlichen Verfahren kann es im Übrigen nur geben, wenn ein solches Verwertungsverbot entweder ausdrücklich normiert ist oder in verfassungsrechtlich geschützte Positionen einer Partei eingegriffen wird. 192 BAG v. 23.4.2009 – 6 AZR 189/08, NZA 2009, 974. 193 Insoweit ist fraglich, ob der Arbeitgeber den Verpflichtungen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses gem. § 88 TKG unterliegt (so die noch überwiegende Auffassung, vgl. ErfK/Wank, § 32 BDSG Rz. 25; Gola/Schomerus, § 32 BDSG Rz. 18; Spindler/Schuster/Eckhardt, § 88 TKG Rz. 18; dagegen überzeugend Argumenten u.a. LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011, NZA-RR 2011, 342; LAG Niedersachen v. 31.5.2010, NZA-RR 2010, 406; Löwisch, DB 2009, 2782; Wybitul, ZD 2011, 69). Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil IX, Rz. 46 ff.; Buschbaum/Rosak, DB 2014, 2530. 194 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 546/12, NZA 2014, 143.

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Rz. 59 Kap. 22

Gründen der Waffengleichheit eine Parteivernehmung durchzuführen, wenn die andere Partei auf einen ihr nahe stehenden Zeugen zurückgreifen kann.195 Im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung, ist zunächst zu prüfen, ob es mildere Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung gibt, und, falls dem nicht so ist, ob das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Insgesamt muss die Kündigung bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragspartner billigenswert und angemessen sein.196

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b) Abmahnung Grundsätzlich kann eine Kündigung nur auf eine Pflichtverletzung gestützt werden, wenn der Arbeitnehmer nach dem ersten Verstoß zunächst ordnungsgemäß abgemahnt wurde und trotz dieser Abmahnung erneut eine vergleichbare Pflichtverletzung begangen hat, die dann zur Begründung der Kündigung herangezogen wird.197 Dies ist für die Kündigung aus wichtigem Grund in § 314 Abs. 2 BGB198 geregelt, gilt aber aufgrund des Prognoseprinzips auch für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Denn Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern sie dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die Abmahnung dient der Objektivierung der negativen Prognose und damit dieses Risikos.199 Sie ist auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips, nach dem die Kündigung nur äußerstes Mittel sein darf (Ultima-Ratio-Prinzip). Eine Abmahnung kann jedoch entbehrlich sein, wenn eine Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigt (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgemäß zu verhalten (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BAG.200

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Danach ist eine Abmahnung entbehrlich, wenn die Pflichtwidrigkeit des Handelns für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und eine Hinnahme dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber von vornherein offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen war.201 Daneben kann in Einzelfällen eine Abmahnung auch entbehrlich sein, wenn sie im Hinblick auf die Einsichts- oder Handlungsfähigkeit des Arbeitnehmers keinen Erfolg ver-

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195 BAG v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, DB 2009, 686; LAG Hamburg v. 7.9.2007, NZA-RR 2008, 577. 196 BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 – Emmely; v. 22.7.1982, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; zu einzelnen Kriterien der Abwägung vgl. LAG Hamm v. 30.5.1996 – 4 Sa 2342/95, NZA 1997, 1056 und Tschöpe, BB 2002, 778, 781; Schlachter, NZA 2005, 433; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 589 mwN. 197 Vgl. nur BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 294, Rz. 22; v. 23.1.2014 – 2 AZR 638/13, NZA 2014, 965, Rz. 16; v. 11.7.2013 – 2 AZR 994/12, NZA 2014, 250, Rz. 21; v. 25.10.2012, NZA 2013, 954; v. 10.6.2010, NZA 2011, 167, Rz. 35 ff.; v. 26.11.2009 – 2 AZR 751/08, NZA 2010,823, Rz. 10, jedenfalls aus dem Umkehrschluss, dass nur in Ausnahmefällen vor der Kündigung keine Abmahnung erforderlich ist. Zu den Anforderungen an die Abmahnung Neumann/Hampe, DB 2014, 1258. 198 § 314 Abs. 1 BGB wird durch § 626 Abs. 1 BGB als lex specialis für Dienst- und Arbeitsverhältnisse verdrängt. Weil jedoch eine § 314 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung im Dienstvertragsrecht fehlt, ist dieser anzuwenden; zur analogen Anwendung auf die ordentliche Kündigung vgl. Berkowsky, AuA 2002, 11, 14. 199 BAG v. 24.3.2011 – 2 AZR 282/10, NZA 2011, 1029, Rz. 14; v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, Rz. 36 – Emmely; v. 23.6.2009 – 2 AZR 103/08, NZA 2009, 1198, 1202, sowie zuletzt LAG Rh.Pf. v. 2.10.2014 – 3 Sa 290/14, juris. 200 S. nur BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 638/13, NZA 2014, 965, 966, Rz. 16; Binkert, NZA 2016, 721. 201 Vgl. BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 294, Rz. 22; v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353, Rz. 47; v. 31.7.2014 – 2 AZR 434/13, NZA 2015, 358, Rz. 39; v. 25.10.2012 – 2 AZR 495/ 11, NZA 2013, 319, Rz. 16; v. 9.6.2011, NZA 2011, 1027; v. 26.8.1993, AP Nr. 112 zu § 626 BGB.

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spricht.202 Selbst bei Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich soll eine Abmahnung jedoch erforderlich sein, wenn der Arbeitnehmer annehmen durfte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig bzw. der Arbeitgeber werde es zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten ansehen.203 Letztlich entscheidend ist eine Prognose, ob zukünftig die konkrete Vertragsverletzung eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit oder ggf. auch schon ohne Abmahnung nicht mehr erlaubt, insbesondere weil Wiederholungen der Pflichtverletzung zu erwarten sind.204 Eine Abmahnung kommt allerdings nur hinsichtlich des Leistungs- oder Ordnungsverhaltens des Arbeitnehmers in Betracht, dessen Inhalt der Arbeitgeber über das Direktionsrecht bestimmen kann.205 60

Vorsicht ist bei häufigen Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen geboten. Wird die angedrohte Kündigung nach zahlreichen Abmahnungen immer noch nicht ausgesprochen, so schwächt dies die Warnfunktion derart, dass vor einer Kündigung eine besonders eindringliche letzte Abmahnung ausgesprochen werden muss.206

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Berechtigt zur Abmahnung sind alle Mitarbeiter, die befugt sind, dem Arbeitnehmer verbindliche Weisungen zu Ort, Zeit sowie Art und Weise der geschuldeten Arbeitsleistung zu erteilen.207 Als Voraussetzung für eine Kündigung ist die Abmahnung (vgl. M 13.1) nur geeignet, wenn sie mindestens drei Bestandteile enthält, nämlich – die konkrete Mitteilung der die Pflichtwidrigkeit begründenden Tatsachen, – die Aufforderung, das pflichtwidrige Verhalten einzustellen bzw. das pflichtwidrige Verhalten oder auch ein vergleichbares Verhalten nicht zu wiederholen, sowie – die Ankündigung, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfalle mit einer Kündigung rechnen muss bzw. mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“.208 Der häufigste Fehler bei Abmahnungen ist die fehlende Androhung der Kündigung bzw. der „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ (3. Spiegelstrich).

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Die verhaltensbedingte Kündigung ist nur berechtigt, wenn sich der Kündigungsgrund nach Ausspruch der Abmahnung ereignet hat und eine gleichartige – wenn nicht gar identische –

202 BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353, Rz. 47; v. 25.10.2012 – 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319; v. 9.6.2011, NZA 2011, 1027, Rz. 18; v. 18.5.1994 – 2 AZR 626/93, BB 1994, 1857. 203 BAG v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025, Rz. 15 ff.; v. 9. 6. 2011, NZA 2011, 1027, Rz. 18; v. 4.6.1997 – 2 AZR 526/96, NZA 1997, 1281. Eine Abmahnung ist bei Diebstahl regelmäßig nicht erforderlich, auch wenn es um abgeschriebene Waren geht, die nach Meinung des Arbeitnehmers zur Entsorgung bestimmt waren (BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 36/03, NZA 2004, 486). Anderes kann nach BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 (Emmely) dann gelten, wenn sich der Arbeitnehmer durch jahrelange beanstandungsfreie Beschäftigung ein Vertrauenskapital erdient hat. Dazu auch Schrader, NJW 2012, 342. 204 Vgl. BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 294, Rz. 25 f., 30, 35; LAG Hamm v. 30.5.1996 – 4 Sa 2342/95, NZA 1997, 1056; Binkert, NZA 2016, 721, 723. 205 Eine Abmahnung kann daher nicht bei der Weigerung des Arbeitnehmers, an einem Personalgespräch wegen einer abgelehnten Änderung des Arbeitsvertrages teilzunehmen, ausgesprochen werden (BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011). 206 BAG v. 15.11.2001 – 2 AZR 609/00, BB 2002, 1269; vgl. Kammerer, BB 2002, 1747 ff. 207 BAG v. 5.7.1990, AP Nr. 1 zu § 15 SchwbG 1986; LAG Hamburg v. 20.5.2015, NZA-RR 2016, 70, Rz. 54. 208 Nach neuerer Rspr. des BAG ist auch die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ bereits eine hinreichende Warnung (BAG v. 19.4.2012, NZA-RR 2012, 567), wir halten es aber für sicherer, weiterhin die drohende Kündigung ausdrücklich zu nennen.

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Rz. 65 Kap. 22

Pflichtverletzung wie beim vorangegangenen Abmahnungssachverhalt darstellt.209 Auch eine frühere Kündigung erfüllt die Funktion einer Abmahnung, wenn der dortige Pflichtenverstoß für die Kündigung selbst noch nicht ausreichte jedenfalls dann, wenn der Kündigungssachverhalt feststeht und die Kündigung aus anderen Gründen, zB wegen ihrerseits fehlender Abmahnung, für sozialwidrig erachtet worden ist.210 Hat der Arbeitgeber eine Abmahnung ausgesprochen, so verzichtet er regelmäßig auf eine Kündigung aus den Gründen, wegen derer die Abmahnung erfolgt ist; dies gilt auch für eine Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG.211 Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht liegt allerdings nicht vor, wenn der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht.212 In der Betriebsratsanhörung zur Kündigung gem. § 102 BetrVG (vgl. Rz. 22 ff.) ist auch die zugrundeliegende Abmahnung mitzuteilen; zweckmäßigerweise sollte sie, sofern sie schriftlich vorliegt, beigefügt werden.

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c) Verdachtskündigung Ein Sonderfall der verhaltensbedingten Kündigung ist die Verdachtskündigung.213 Bei ihr begründet schon der Verdacht der betreffenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers (auch des Auszubildenden)214 die Unzumutbarkeit eines weiteren Festhaltens an dem Arbeitsverhältnis, häufig mit der Folge einer fristlosen Kündigung. Sie ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.215

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Zugrundliegen muss daher der dringende Verdacht einer Pflichtverletzung von erheblichem Gewicht.216 Die vom Arbeitgeber vorgetragenen Tatsachen müssen den Verdacht begründen (Schlüssigkeit, Rechtsfrage) und tatsächlich zutreffen (Tatsachenfrage).217 Die Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sowie von Zwangsmaßnahmen, für die schon ein Anfangsverdacht ausreicht, begründet für sich allein noch keinen dringenden Tatverdacht.218 Etwas anderes gilt aber für die Erhebung der öffentlichen Anklage219 und den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, die einen hinreichenden Tatverdacht voraussetzen und dem Verdacht damit eine „entscheidend andere Qualität“ geben,220 und erst recht für eine strafrecht-

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209 BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, NZA 2013, 425; v. 13.12.2007 – 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 538 ff. 210 BAG v. 31.8.1989 – 2 AZR 13/89, NZA 1990, 433; v. 12.8.1999 – 2 AZR 923/98, NZA 2000, 421, 426 jedenfalls mit Verweis auf seine Rspr. von 1989. Zuletzt ausdrücklich: LAG Köln, v. 11.5.2007 – 11 Sa 258/07, juris. 211 BAG v. 13.12.2007 – 6 AZR 145/07, NZA 2008, 403; v. 6.3.2003 – 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388. 212 BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rz. 28. 213 Dazu Fuhlrott, DB 2015, 1719; Eylert, NZA-RR 2014, 393; Fuhlrott, ArbRAktuell 2012, 553, 605. 214 In Ausbildungsverhältnissen ist eine Verdachtskündigung nur unter strengeren Anforderungen an Interessenabwägung und Anhörung des Arbeitnehmers zulässig, BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741. 215 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287, Rz. 22; v. 21.11.2013 - 2 AZR 707/11, NZA 2014, 243, Rz 32. 216 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287, Rz. 22, Rz. 21 mwN. 217 BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243, Rz 32; v. 10.2.2005 – 2 AZR 189/04, NZA 2005, 1056. 218 BAG v. 29.11.2007, DB 2008, 709. 219 BAG v. 27.1.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798. 220 BAG v. 5.6.2008, NZA-RR 2008, 630.

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Kap. 22 Rz. 66

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liche Verurteilung.221 Allerdings ersetzen Feststellungen im Strafverfahren nicht den Sachvortrag des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess.222 66

Zudem muss der Arbeitgeber alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhaltes getan haben, wozu insbesondere die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung zählt.223 Der Umfang der Anhörung richtet sich nach dem bereits vorhandenen Kenntnisstand des Arbeitnehmers hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.224 Maßgeblich ist das eigene Wissen des Arbeitnehmers; eine Wissenszurechnung nach Stellvertretungsrecht scheidet aus.225 Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft diese Pflicht zur Anhörung, so ist die Kündigung unwirksam.226 Unterbleibt eine Anhörung, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit ist, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken, oder lässt er eine angemessene Frist zur Anhörung ungenutzt verstreichen227, steht dies einer Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht entgegen. Der (weiteren) Gelegenheit zur Stellungnahme bedarf es in diesem Fall nicht.228

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Bei einer außerordentlichen Verdachtskündigung gilt für die Anhörung eine Regelfrist von einer Woche nach Abschluss der übrigen Ermittlungen.229 Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt erst mit erfolgter Anhörung. Lässt der Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Stellungnahme verstreichen, und verzichtet der Arbeitgeber deshalb auf eine Anhörung, entfällt der Fristaufschub für § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich.230

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Der Verdacht eines Eigentums- oder Vermögensdelikts kann auch bei geringen Sachwerten einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen, da maßgeblich auf das zerstörte Vertrauensverhältnis abzustellen ist.231 Auch die Verdachtskündigung muss natürlich verhältnismäßig sein. Dabei ist nicht ausgeschlossen, das spätere prozessuale Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess bei der Interessenabwägung zu seinen Lasten zu berücksichtigen,232 sofern es den Kündigungsgrund in einem neuen Licht erscheinen lässt. 221 BAG v. 5.6.2008, NZA-RR 2009, 699. 222 BAG v. 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371; v. 24.5.2012, NZA 2013, 173 m. Anm. Göpfert/ Wilke, ArbRAktuell 2013, 54; mit Einverständnis des Arbeitnehmers können aber Zeugenaussagen aus dem Strafprozess verwertet werden, BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353. 223 Zu den Anforderungen an die Anhörung Dzida, NZA 2014, 809; 2013, 412; Eylert/Friedrichs, DB 2007, 2203. Zur Besonderheiten in Ausbildungsverhältnissen BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741. 224 BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 952/06, BB 2008, 900. 225 BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 961/06, NZA 2008, 809 226 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NJW 2014, 3389; v. 11.4.1985 – 2 AZR 239/84, DB 1986, 1726; zu den inhaltlichen Anforderungen an die Anhörung BAG v. 26.9.2002, DB 2003, 1336; vgl. auch Fischer, BB 2003, 522; zu Hindernissen bei der Anhörung Mennemeyer/Dreymüller, NZA 2005, 382; zum Nachschieben von Kündigungsgründen Fiedler/Küntzer, FA 2005, 264; zum Teilnahmerecht des Rechtsanwalts Lange/Vogel, DB 2010, 1066. 227 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NZA 2014, 1015. 228 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NZA 2014, 1015. 229 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NZA 2014, 1015; v. 27.1.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann die Wochenfrist überschritten werden. Unerheblich ist, ob die Anhörung letztlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat oder nicht (BAG v. 20.3.2014, NJW 2014, 3389). 230 Das kann selbst bei unfreiwilligem, zB krankheitsbedingtem Schweigen des Arbeitnehmers gelten, BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NJW 2014, 3389. 231 Vgl. BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 – Emmely. 232 Vgl. BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 – Emmely; dazu BAG v. 28.7.2009 – 3 AZN 224/09, NZA 2009, 859 zum mehrfachen Versuch, den Verdacht einer strafbaren Handlung auf andere abzulenken.

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Rz. 73 Kap. 22

Für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur Tatsachen von Bedeutung, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bekannt waren.233 Zu berücksichtigen sind auch Umstände, die erst später bekannt wurden, wenn sie bei Zugang der Kündigung bereits objektiv vorlagen; sie können den Verdacht abschwächen oder verstärken. Allerdings muss vor ihrer Einführung in den Kündigungsschutzprozess der Betriebsrat dazu angehört werden. Eine erneute Anhörung des gekündigten Arbeitnehmers ist nicht erforderlich, da die Kündigung bereits ausgesprochen wurde.234

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In der Betriebsratsanhörung ist mitzuteilen, dass es sich um eine Verdachtskündigung handelt; aufzunehmen ist insbesondere auch der Verlauf der Anhörung, namentlich die Einlassung des Arbeitnehmers zu dem gegen ihn bestehenden Verdacht. Wird der Kündigungssachverhalt nachträglich im Kündigungsschutzverfahren auf einzelne beweisbare Vorwürfe beschränkt, so muss die Anhörung nicht wiederholt werden.235 Vor Gericht kann eine Verdachtskündigung auch als Tatkündigung gewertet werden, wenn die Betriebsratsanhörung die zugrundeliegenden Tatsachen bereits enthält.236

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d) Leistungsbedingte Kündigung Eine leistungsbedingte Kündigung kann verhaltensbedingt begründet sein, wenn der Arbeitnehmer nicht unter angemessener Ausschöpfung seiner Leistungspflicht arbeitet (sog. „Low Performer“).237 Ob der Arbeitnehmer seiner Leistungspflicht genügt, richtet sich nach seinen individuellen Fähigkeiten: Er leistet nur schlecht, wenn er weniger gut arbeitet als er kann.238 Das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichten Mittelwerts ist allerdings ein Hinweis darauf, dass der schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer Möglichkeiten nicht ausschöpft.

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Personenbedingt (dazu Rz. 97) wäre eine leistungsbedingte Kündigung begründet, wenn bei einem über eine längere Zeit leistungsschwachen Arbeitnehmer auch für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertragsgleichgewichts zu rechnen ist; dabei darf ein milderes Mittel zur Wiederherstellung des Vertragsgleichgewichts nicht zur Verfügung stehen und dem Schutz älterer, langjährig beschäftigter und erkrankter Arbeitnehmer muss ausreichend Rechnung getragen werden.239

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Dem Unterschreiten eines Durchschnittswertes der Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer kann Indizwirkung für die Frage zukommen, ob der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit ausgeschöpft hat.240 Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast zu-

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233 234 235 236 237 238 239

BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 85/15, NZA 2016, 161, Rz. 25. BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12, BB 2014, 316 m. Anm. Schröder. BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 98/07, NZA 2009, 604. Dazu etwa BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353, Rz. 21. Dazu Friemel/Walk NJW 2010, 1557; Hunold, NZA-RR 2014, 169; Weber, DB 2015, 1899. BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784, 786. BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784; allgemein zur Schlechtleistung als Kündigungsgrund Schul/Wichert, DB 2005, 1906. 240 BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693, wonach das längerfristige Überschreiten der durchschnittlichen Fehlerquote (hier: dreimal so hohe Fehlerquote) nur einen Anhaltspunkt für eine Pflichtverletzung bietet und stets eine Gesamtbetrachtung aller Umstände zu erfolgen hat, da absolute Bezugsgrößen, die stets die Pflichtverletzung indizieren, nicht zu bestimmen sind, hierzu auch Wetzling/Habel, BB 2009, 1638. Im Übrigen ist diese Indizwirkung allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn für alle Arbeitnehmer gleiche Bedingungen zur Erreichung des Durchschnittswertes gelten und der höchste und niedrigste Wert nicht weit auseinanderklaffen, vgl. BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 675/07, NZA 2009, 842.

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Kap. 22 Rz. 74

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nächst, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben.241 4. Personenbedingte Kündigung 74

Gründe in der Person, die eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial rechtfertigen können, beruhen auf den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers. Eine auf sie gestützte Kündigung kann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person ohne Verschulden242 zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr in der Lage ist und dies zu einer erheblichen Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses.243

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Häufigster Anwendungsfall der personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen Krankheit.244 Auch aus nicht krankheitsbedingten Gründen245 kann eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein; dies gilt zB für die Exmatrikulation,246 für einen in Haft befindlichen Arbeitnehmer247, den Entzug der kanonischen Beauftragung einer kirchlichen Gemeindereferentin,248 die Schlechtleistung aufgrund mangelnder Qualifikation,249 den Entzug von besonderen Tätigkeitserlaubnissen250, die Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers251, die mangelnde Eignung zB im öffentlichen Dienst wegen auch außerdienstlich begangener

241 BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, NJW 2008, 3019. 242 Solange der Arbeitnehmer sein Verhalten zu steuern in der Lage ist und damit künftige Vertragsbeeinträchtigungen bei gehöriger Willensanspannung vermeiden kann, kann die Kündigung als verhaltensbedingte gerechtfertigt sein und bedarf damit zumeist einer vorherigen Abmahnung. Kann er dagegen sein Verhalten nicht mehr willentlich beeinflussen, ist der Kündigungsgrund personenbedingt. 243 S. nur BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, NZA 2014, 653, Rz. 26. 244 Dazu ausführlich Plocher, DB 2015, 1597 und 2083; Richter, ArbRAktuell 2015, 237; Lingemann/ Ludwig, ArbRAktuell 2010, 385, 409; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 99 ff.; Lepke, Kündigung bei Krankheit. 245 Vgl. Kock, BB 2009, 270; Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil VI, Rz. 647 ff. 246 BAG v. 18.9.2008, NZA 2009, 425 zum personenbedingten Kündigungsgrund der Exmatrikulation einer studentischen Hilfskraft, hierzu auch Hunold, NZA 2009, 476. Andererseits BAG v. 18.1.2007 – 2 AZR 731/05, NZA 2007, 680, wonach der Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit bei einem Studenten keinen personenbedingten Kündigungsgrund darstellt. 247 Sie kann sogar eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist rechtfertigen, BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 381/14, NZA 2016, 482. 248 BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 812/12, NZA 2014, 653. 249 Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer kraft seines Direktionsrechtes verpflichten, an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen und bei einer Weigerung des Arbeitnehmers ggf. nach Abmahnung kündigen. Ein Fortbildungsanspruch des Arbeitnehmers besteht grundsätzlich nur bei entsprechender individual- oder kollektivrechtlicher Regelung und jedenfalls dann nicht, wenn der Arbeitgeber im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung das Anforderungsprofil vollständig ändert. Bei einer Teilnahmeverpflichtung des Arbeitnehmers oder einem Anspruch auf Teilnahme besteht korrespondierend hierzu eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers, vgl. Wisskirchen/Bissels/Schmidt, NZA 2008, 1386, 1393. 250 BAG v. 21.4.2016 – 2 AZR 609/15, NZA 2016, 941; v. 23.9.2015 – 5 AZR 146/14, NZA 2016, 293, Rz. 18. 251 BAG v. 27.11.2008, DB 2009, 1191 zur Pflichtverletzung eines als Geschäftsführer zu einem anderen Konzernunternehmen entsandten Arbeitnehmers, dessen Fehlverhalten auch Indizwirkung für seine fehlende Loyalität im ruhenden Arbeitsverhältnis beim entsendenden Konzernunternehmen beigemessen wurde.

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Rz. 77 Kap. 22

Straftaten252 oder die aktive Mitgliedschaft in NPD oder JN.253, möglicherweise auch für die Wiederheirat des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses nach Scheidung.254 Die krankheitsbedingte Kündigung verstößt nicht gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/87/EG, denn das Diskriminierungsmerkmal der Behinderung ist nicht gleichzusetzen mit Krankheit.255 Allerdings könnte eine Erkrankung je nach Art und Schwere des Krankheitsbildes auch in eine Behinderung umschlagen. Dann wäre über die nachstehenden Voraussetzungen hinaus möglicherweise auch zu prüfen, ob das Fehlen der Behinderung „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist.256 Zum Teil wird auch eine Altersdiskriminierung in Betracht gezogen, wenn die zur Kündigung herangezogenen Fehlzeiten dem Durchschnitt vergleichbarer Arbeitnehmer der Altersgruppe des gekündigten Arbeitnehmers entsprechen.257 Eine symptomlose HIV-Infektion stellt eine Behinderung iSd. AGG dar, wenn und soweit das gegenwärtig auf solche Infektionen zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten und die darauf beruhenden Stigmatisierungen andauern.258 Auch Fettleibigkeit kann eine Behinderung sein.259

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Die ordentliche260 krankheitsbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn eine negative Gesundheitsprognose vorliegt, durch zu erwartende künftige Fehlzeiten betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt werden und die Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers ausfällt. Die Anforderungen an diese drei Voraussetzungen sind unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen (Rz. 84 ff.) oder wegen Langzeiterkrankung (Rz. 90) handelt; eine Kündigung kommt auch in Betracht bei krankheitsbedingter dauernder Unfähigkeit, die vertragliche Leistung zu erbringen (Rz. 94 ff.) oder dauernder Minderung der Leistungsfähigkeit (Rz. 97 ff.). Besondere Probleme bereitet schließlich die Kündigung wegen Suchterkrankung (Rz. 99 ff.). Bei der Kündigung eines Schwerbehinderten muss zudem die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes nach § 85 SGB IX/§ 168 ff. SGB IX nF261

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252 Solche Straftaten können bei hoheitlichen Aufgaben im öffentlichen Dienst auch dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt. Ein solcher Eignungsmangel kann etwa gegeben sein, wenn das außerdienstliche strafbare Verhalten die konkrete Besorgnis begründet, der Arbeitnehmer könne auch im dienstlichen Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben in Konflikt geraten. Dazu BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372. 253 BAG v. 6.9.2012, BB 2012, 2367. 254 Vorlagebeschluss des BAG v. 28.7.2016 – 2 AZR 746/14 (A), juris. 255 EuGH v. 11.7.2006 – Rs. C-13/05, NZA 2006, 839 – Chacon Navas; BAG v. 22.10.2009, ArbR 2010, 143 m. Anm. Lingemann; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 109 f.; Schrader/Müller, SAE 2007, 222 u. Hein, NZA 2008, 1033, 1038. 256 Vgl. Gaul/Naumann, ArbRB 2007, 15, 18; allgemein zum AGG Kap. 13 Rz. 26 ff., 35. 257 LAG BW v. 18.6.2007, AuA 2007, 624. 258 BAG v. 19.12.2013 – 6 AZR 190/12, NZA 2014, 372. 259 EuGH v. 18.12.2014 – Rs. C-354/13, NZA 2015, 33 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 45. 260 Arbeitsunfähigkeit kann auch ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein und damit eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist. Häufige Kurzerkrankungen können dabei ein Dauertatbestsand sein, der die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ständig neu in Gang setzt. Dazu BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962. 261 Mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 29.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234) werden zahlreiche Regelungen in SGB I–XI geändert, vor allem aber im SGB IX. Das Gesetz tritt hinsichtlich des Schwerbehindertenschutzes nach dem SGB IX und der umfassenden Umnummierung gem. seinem Art. 26 erst am 1.1.2018 in Kraft, einige Regelungen jedoch gem. Art. 2 bereits am 30.12.2016; dazu zählt insbesondere die Unwirksamkeit der Kündigung ohne vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX/§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nF. Wir haben die anstehende umfassende Neunummerierung jeweils durch „nF“ gekennzeichnet und die Änderung der Rechtslage bereits eingearbeitet.

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Kap. 22 Rz. 78

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eingeholt und zur Vermeidung der Unwirksamkeit der Kündigung auch die Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 SGB IX/§ 178 Abs. 2 SGB IX nF beteiligt werden (zum Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderung s. Kap. 16 Rz. 9 f. sowie M 16.1 ff.).262 78

Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF (zur Aufforderung und Durchführung des bEM s. Kap. 15 Rz. 15, M 15.5 und M 15.6) ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Nichtdurchführung eines bEM – es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines bEM zu ergreifen263 – aber gravierende Folgen für die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers. Ein unterlassenes bEM steht der Kündigung nicht nur entgegen, wenn der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfalle beweist, dass die Durchführung eines bEM objektiv nutzlos gewesen wäre. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen ist und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten.264 Dazu gehört auch der Nachweis, dass künftige Fehlzeiten auch nicht durch Leistungen der beteiligten Rehabilitationsträger hätten vermieden werden können.265 Genügt der Arbeitgeber dieser Darlegungs- und Beweislast nicht, ist die Kündigung wegen Unverhältnismäßigkeit unwirksam.

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Wegen dieser hohen Anforderungen an die Entbehrlichkeit des bEM ist Arbeitgebern zur Durchführung des bEM zu raten. Dabei muss er – das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt – eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, hinzuziehen. Ein echtes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gilt aufgrund der Rahmenvorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF allerdings nur für die Aufstellung von entsprechenden Verfahrensgrundsätzen.266 Er muss den Arbeitnehmer auch auf die Ziele des bEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweisen.

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Auch gegenüber schwerbehinderten Menschen ist die Einleitung des allgemeinen Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX/§ 167 Abs. 1 SGB IX nF zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für Kündigungen, die Unterlassung kann aber bei Bewertung des Kündigungsgrundes zu Lasten des Arbeitgebers ausschlagen, wenn durch das Verfahren im Arbeitsverhältnis auftretende Schwierigkeiten hätten ausgeräumt werden können.267

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Hat das ordnungsgemäß durchgeführte bEM zu einem negativen Ergebnis geführt, genügt er seiner Darlegungslast, wenn er auf diesen Umstand hinweist und vorträgt, das keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Hat ein bEM zu einem positiven Ergebnis geführt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, die betreffende Empfehlung umzusetzen.268 262 Liegt die Zustimmung des Integrationsamtes vor, so kann der Arbeitgeber innerhalb des Frist des § 88 Abs. 3 SGB IX/§ 171 Abs. 3 SGB IX nF wegen desselben Kündigungssachverhalts auch wiederholt eine Kündigung aussprechen, insbesondere bei Bedenken hinsichtlich der formellen Wirksamkeit einer früheren Kündigung (BAG v. 8.11.2007 – 2 AZR 425/06, NZA 2008, 471). 263 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979; v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744, Rz. 9. 264 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979.; krit. Hoffmann-Remy, NZA 2016, 267. 265 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612 m. Anm. Arnold, ArbRAktuell 2015, 251. 266 BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 14/14, PM 16/16, BB 2016, 2173. 267 BAG v. 7.12.2006 – 2 AZR 182/06, NZA 2007, 617; ähnlich zur krankheitsbedingten Kündigung LAG Berlin v. 27.10.2005 – 10 Sa 783/05, BB 2006, 560. Einzelheiten zum bEM bei Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 100 ff. 268 BAG v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, NZA 2010, 398.

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Rz. 85 Kap. 22

Für Kündigungen innerhalb der Wartezeit soll die unterbliebene Durchführung des bEM gem. § 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF jedoch keine kündigungsrechtlichen Folgen haben.269 Die fehlende Durchführung eines Eingliederungsmanagements begründet auch keinen Widerspruchsgrund für den Betriebsrat gem. § 102 Abs. 3 BetrVG.270

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Praxistipp: Wegen der gravierenden Folgen eines unterlassenen bEM ist dem Arbeitgeber zu raten, vor einer personenbedingten Kündigung wegen Krankheit stets ein bEM durchzuführen, sofern die Voraussetzungen einer insgesamt länger als sechs Wochen dauernden Arbeitsunfähigkeit vorliegen und der Arbeitnehmer sich mit der Durchführung des bEM einverstanden erklärt.271 Dazu muss der Arbeitgeber selbst initiativ werden.272 Auch Mitbestimmungsrechte eines eventuell bestehenden Betriebsrats sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beachten; empfohlen wird daher der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum bEM, in der das Verfahren festgelegt wird.273

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a) Häufige Kurzerkrankungen „Häufige Kurzerkrankungen“ sind Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die jeweils von kürzerer Dauer sind und sich häufig wiederholen, ohne dass die Ausfallzeitpunkte im Voraus berechenbar wären.274 Die negative Gesundheitsprognose ist erfüllt, wenn im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen.275 Maßgeblich für die Erkrankung in der Vergangenheit ist idR. ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren mit Fehlzeiten von jeweils mehr als sechs Wochen; der Zeitraum kann auch länger oder kürzer, muss aber hinreichend prognosefähig sein.276 Auch verschiedene Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen.277 Nicht zu berücksichtigen sind Krankheiten, die ausgeheilt sind oder auf einmaligen Ereignissen, beispielsweise einem Sportunfall, beruhen.

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Entscheidend für die negative Gesundheitsprognose ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Erfüllt sich nach Ausspruch der Kündigung die erwartete negative Gesundheitsprognose – beispielsweise im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses – nicht, so bleibt die Kündigung gleichwohl wirksam; der Arbeitnehmer hat jedoch möglicherweise einen Wiedereinstellungsanspruch.278 Reichte die negative Gesundheitsprognose zum Zeitpunkt der Kündigung zur Wirksamkeit der Kündigung nicht aus, nehmen die Krankheitszeiten des Arbeitnehmers jedoch nach Ausspruch der Kündigung zu, so wird die ursprünglich unwirksame Kündigung dadurch nicht wirksam; der Arbeitgeber muss vielmehr eine neue Kündigung aussprechen.279

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269 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049. 270 LAG Nürnberg v. 5.9.2006 – 6 Sa 458/06, DB 2007, 752. 271 Zur praktischen Durchführung eines bEM M 15.5 f. sowie Schilling/Rath, AuA 2009, 420; Nickel, AiB 2009, 423; Kohte, DB 2008, 582 sowie Wetzling/Habel, NZA 2007, 1129. 272 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979; v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10, NZA 2012, 744, Rz. 9. 273 Zur möglichen Gestaltung einer Betriebsvereinbarung Nickel, AiB 2009, 423, 427. 274 Vgl. BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962, Rz. 19. Ausführlich zur Kündigung wegen Kurzerkrankungen Lingemann/Ludwig, ArbRAktuell 2010, 409; Richter, ArbRAktuell, 2015, 237; Schiefer, BB 2015, 2613; mit umfangreicher Definition und Abgrenzung zur Behinderung Schunder, NZA-Beil. 2015, 90. 275 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979, Rz. 16; v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962, Rz. 27; v. 10.11.2005 – 2 AZR 623/04, NZA 2006, 491. 276 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979, Rz. 19; v. 10.11.2005 – 2 AZR 44/05, NZA 2006, 655, 657. 277 BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962. 278 Vgl. BAG v. 29.4.1999, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46; im Einzelnen unten Rz. 181 ff. 279 BAG v. 29.4.1999, EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 46.

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Kap. 22 Rz. 86

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Im Prozess gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast.280 Der Arbeitgeber kann sich zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten.281 Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmer, gem. § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn der diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit dieses Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen,282 ggf. durch Vernehmung der Ärzte oder durch Sachverständigengutachten.

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Die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen283 kommt bei häufigen Kurzerkrankungen in zwei Formen vor, nämlich in Form unzumutbarer wirtschaftlicher Belastungen und in Form von Betriebsablaufstörungen. Eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung wird bejaht, wenn der Arbeitgeber während der vergangenen drei Jahre jeweils für mehr als sechs Wochen Entgeltfortzahlung geleistet hat und auch in Zukunft mit entsprechenden Entgeltfortzahlungsleistungen zu rechnen ist.284

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Betriebsablaufstörungen können vielgestaltig sein, beispielsweise Stillstand von Produktionslinien oder auch einzelnen Maschinen, ständig wechselnder Schichtplan, Produktionsausfälle wegen im Krankheitsfall einzuarbeitenden Ersatzpersonals oder häufige Überstunden des verbleibenden Personals wegen der unberechenbaren Kurzerkrankungen. Unzumutbar hohe wirtschaftliche Belastung oder Betriebsablaufstörungen begründen alternativ die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Betriebsablaufstörungen können auch dann von Bedeutung sein, wenn sie sich weniger als sechs Wochen pro Jahr auswirken.

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Im Rahmen der Interessenabwägung ist – einzelfallbezogen – zu prüfen, ob wegen negativer Gesundheitsprognose sowie erheblicher Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen die Kündigung gerechtfertigt ist oder ob der Arbeitgeber die Beeinträchtigung billigerweise noch hinnehmen muss.285 Dabei spielt aus Sicht des Arbeitgebers das Ausmaß der betrieblichen Beeinträchtigung und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, aber auch ein Verschulden des Arbeitnehmers bei Herbeiführung der Erkrankung286 oder Verzögerung der Genesung sowie Sicherheitsrisiken im Betrieb, zB bei Alkoholsucht287, eine Rolle. Für die Praxis bedeutsam ist die Feststellung, ob die Ausfälle des Arbeitnehmers deutlich über denen vergleichbarer Ar280 Einzelheiten Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 119 ff.; MüKoBGB/Hergenröder, § 1 KSchG Rz. 16; APS/Dörner/Vossen, § 1 KSchG Rz. 203 ff. 281 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979. 282 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979. 283 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979; Einzelheiten Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 113 ff.; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 140 ff. 284 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979; v. 10.11.2005, AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit mwN; v. 29.7.1993 – 2 AZR 155/93, NZA 1994, 67. Auch dann, wenn ein Teil der Entgeltfortzahlungskosten aus einem Tronc (Lohnkasse für Mitarbeiter einer Spielbank) bezahlt wird und gleichzeitig Lohnansprüche anderer Arbeitnehmer geschmälert werden, ist eine wirtschaftliche Belastung zu bejahen, da nicht auf die wirtschaftliche Gesamtlage des Unternehmens, sondern auf das einzelne Arbeitsverhältnis abzustellen ist (BAG v. 8.11.2007 – 2 AZR 292/06, NZA 2008, 593). 285 BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, NJW 2015, 1979; v. 10.11.2005, AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; v. 7.11.2002, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG; v. 6.9.1989 – 2 AZR 19/89, NZA 1990, 307; v. 7.11.1985 – 2 AZR 657/84, NZA 1986, 359. 286 Ein Verschulden iSv. § 3 EFZG hat das BAG verneint für den Fall, dass ein alkoholabhängiger Arbeitnehmer nach einer Therapie rückfällig wird, BAG v. 18.3.2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801. 287 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 565/12, NZA 2014, 602. Ausführlich zur Alkoholsucht im Arbeitsverhältnis Brose, RdA 2015, 198.

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Rz. 93 Kap. 22

beitnehmer liegen.288 Zugunsten des Arbeitnehmers kann ein fortgeschrittenes Alter sprechen, ferner eine lange ungestörte Betriebszugehörigkeit sowie erhebliche Unterhaltspflichten.289 Auch eine betriebliche Ursache für die Erkrankung, die beispielsweise durch eine gleich hohe Krankheitsquote vergleichbarer Arbeitnehmer dokumentiert wird, wirkt sich zu Gunsten des Arbeitnehmers aus.290 b) Kündigung wegen lang anhaltender Krankheit Auch wegen einer Erkrankung in einer längeren, zusammenhängenden Zeitfolge kann die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereits längere Zeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert war und das voraussichtliche Ende der Erkrankung im Zeitpunkt der Kündigung nicht absehbar ist,291 jedenfalls aber die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für längere Zeit ungewiss ist.292 Hierfür kann auch eine bloße Infektion mit einem gefährlichen Virus ausreichend sein.293

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Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar. Der Arbeitgeber genügt seiner Darlegungslast für eine negative Gesundheitsprognose, indem er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt. Der Arbeitnehmer muss dies widerlegen, indem er konkrete medizinische Erkenntnisse vorlegt, nach denen in absehbarer Zeit die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit zu erwarten ist.294 Die negative Gesundheitsprognose ist begründet, wenn der Arbeitnehmer seit 1 1/2 Jahren arbeitsunfähig und ein Ende der Erkrankung nicht absehbar ist.295 Ebenso genügt es, wenn der Arbeitnehmer erkrankt ist und in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Genesung berechnet werden kann.296

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Für die Beeinträchtigung wesentlicher betrieblicher Interessen gelten bei der lang dauernden Erkrankung strengere Maßstäbe, da der Arbeitgeber hier durch Einsatz von Ersatzkräften besser planen kann. Erhebliche Mehrkosten für Ersatzkräfte können jedoch eine solche Beeinträchtigung begründen.297 Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit (dazu Rz. 94 ff.) allerdings gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten nach Zugang der Kündigung mit einer günstigen Prognose für eine Genesung nicht gerechnet werden kann.298

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Bei der Interessenabwägung sind dieselben Gesichtspunkte wie bei den häufigen Kurzerkrankungen zu berücksichtigen (Rz. 89).299

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288 BAG v. 11.8.1994 – 2 AZR 9/94, NZA 1995, 1051. 289 Vgl. BAG v. 20.1.2000 – 2 AZR 378/99, BB 2000, 1300; Lingemann, Unterhaltspflichten und Kündigung, BB 2000, 1835; BAG v. 10.11.2005, NZA 2006, 657. 290 BAG v. 5.7.1990, NZA 1991, 185. 291 BAG v. 29.4.1999 – 2 AZR 431/98, BB 2000, 49; Einzelheiten bei Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 124 ff. 292 BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 514/04, NZA 2006, 665. 293 Zur Hepatitis-Infektion s. Lepke, DB 2008, 467. 294 BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249, Anm. Schunder; NJW 2016, 110. 295 BAG v. 21.5.1992 – 2 AZR 399/91, NZA 1993, 497. 296 BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249, Anm. Schunder; NJW 2016, 110; v. 30.9.2010 – 2 AZR 88/09, NZA 2011, 39, Rz. 11; v. 19.4.2007 – 2 AZR 239/06, NZA 2007, 1041, Rz. 18. 297 BAG v. 15.8.1984 – 7 AZR 536/82, NJW 1985, 2783. 298 BAG v. 12.4.2002 – 2 AZR 148/01, NZA 2002, 1081. 299 Vgl. BAG v. 15.8.1984 – 7 AZR 536/82, NJW 1985, 2783; v. 24.11.2005 – 2 AZR 514/04, NZA 2006, 665.

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Kap. 22 Rz. 94

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c) Kündigung wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit 94

Ist der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, so kann auch dies die ordentliche personenbedingte Kündigung rechtfertigen.300

95

Die dauerhafte negative Gesundheitsprognose führt zu einer Störung im Austauschverhältnis.301 Sie wird bejaht, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit völlig ungewiss ist.302 Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne Weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen, ohne dass noch Betriebsablaufstörungen dargetan werden müssten.303 Zur Vermeidung einer Kündigung muss der Arbeitgeber aber prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz möglich ist.304 Er muss auch konkret darlegen, welche Maßnahmen er als Hilfestellung unternommen hat, um dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung zu ermöglichen.305

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Eine Interessenabwägung ist idR. entbehrlich, es sei denn, der Arbeitnehmer wäre aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig.306 d) Kündigung wegen dauernder Leistungsminderung

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Auch eine krankheitsbedingte dauerhafte Minderung der Leistungsfähigkeit kann die personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn ein gravierendes Missverhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers vorliegt,307 die verbliebene Arbeitsleistung also die vertraglich geschuldete in einem Maße unterschreitet, dass ein Festhalten des Arbeitgebers am unveränderten Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint.308 Die negative Prognose setzt voraus, dass die Minderung auf Dauer eintritt, ihr Ende jedenfalls nicht absehbar ist. Das BAG hat bei einer durchschnittlichen Leistung des Arbeitnehmers, die auf Dauer lediglich bei 66 % der Normalleistung liegt, eine solche Kündigung bestätigt.309 Die Beeinträchtigung wesentlicher betrieblicher Interessen liegt darin, dass das Austauschverhältnis auf Dauer gestört ist, da die Vergütung nicht mehr der Gegenleistung entspricht.

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Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber jedoch prüfen, ob der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann, der ggf. sogar durch Ausübung seines Direktionsrechtes freigemacht werden muss.310 Stimmt der Betriebsrat der Versetzung des Arbeitsplatzinhabers allerdings 300 Für die st. Rspr. BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 1020/08, NZA 2010, 1234, Rz. 14; von einer dauernden Leistungsunfähigkeit ist auch auszugehen, wenn der Arbeitnehmer alkoholabhängig ist und Entziehungskuren ohne Erfolg blieben (BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 565/12, NZA 2014, 602, Rz. 15). 301 BAG v. 19.4.2007, BB 2007, 1904; v. 28.2.1990 – 2 AZR 401/89, NZA 1990, 727. 302 BAG v. 5.7.1990, NZA 1991, 185. 303 BAG v. 13.5.2015 – 2 AZR 565/14, NZA 2015, 1249, Anm. Schunder, NJW 2016, 110; v. 19.4.2007, BB 2007, 1904. 304 BAG v. 19.4.2007, BB 2007, 1904; v. 29.1.1997 – 2 AZR 9/96, BB 1997, 894; näher dazu Rz. 98. 305 LAG Nürnberg v. 12.6.2007 – 6 Sa 37/07, NZA-RR 2008, 178. 306 BAG v. 28.2.1990 – 2 AZR 401/89, NZA 1990, 727. 307 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 825/12, NZA 2014, 1089, Rz. 20. 308 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 825/12, NZA 2014, 1089. 309 BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784; v. 26.9.1991 – 2 AZR 132/91, NZA 1992, 1073; ebenso LAG Hamm v. 1.2.2005 – 19 (11) Sa 1167/01, BB 2005, 2245; vgl. auch BAG v. 3.6.2004, DB 2004, 2590, wo aufgrund völliger Erfolglosigkeit eines Arbeitnehmers im Akquisitionsgeschäft eine personenbedingte Kündigung in Betracht kam. Allgemein zur Kündigung wegen Schlecht- und Minderleistung Friemel/Frank, NJW 2010, 1557. 310 BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 9/96, BB 1997, 894 f.; dazu Lingemann, BB 1998, 1106.

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Rz. 101 Kap. 22

nicht zu, so braucht der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht mehr durchzuführen, sondern kann die personenbedingte Kündigung aussprechen.311 Für die Interessenabwägung gelten gegenüber der Situation der häufigen Kurzerkrankung keine Besonderheiten.312 e) Kündigung wegen Suchterkrankungen Ein schwieriger Grenzfall zwischen personen- und verhaltensbedingter Kündigung ist die Kündigung wegen Suchterkrankungen, insbesondere Alkoholabhängigkeit.313 Jedenfalls wenn der Arbeitsunfähigkeit medizinischer Krankheitswert zukommt, sollen die Maßstäbe für die krankheitsbedingte Kündigung anzuwenden sein.314 Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Erkrankten durch seine Abhängigkeit keine Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich seines Suchtmittelkonsums mehr verbleibt.315

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Die negative Gesundheitsprognose wird bejaht, wenn der Arbeitnehmer trotz Suchterkrankung eine Entziehungskur verweigert.316 Erklärt er sich allerdings zu einer Kur bereit, muss der Arbeitgeber deren Ergebnis zunächst abwarten; nur wenn diese nicht zum Erfolg führt, kann personenbedingt gekündigt werden.317 Die Kündigung kann auch zulässig sein, wenn im Kündigungszeitpunkt die Prognose gerechtfertigt ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Alkoholerkrankung dauerhaft nicht die Gewähr bietet, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen. Auf beträchtliche Fehlzeiten kommt es dann nicht an. Die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen kann – über die allgemeinen Grundsätze (Rz. 87 ff., 89) hinaus – auch darin bestehen, dass die Verrichtung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit mit einer beachtlichen Selbst- und Fremdgefährdung des Arbeitnehmers oder dritter Personen verbunden ist, und der Arbeitnehmer mangels Fähigkeit zur Alkoholabstinenz nicht die erforderliche Gewähr dafür bietet, bei seiner Arbeitsleistung einschlägige Unfallverhütungsvorschriften ausnahmslos zu beachten.318

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f) Betriebsratsanhörung Zur Betriebsratsanhörung verweisen wir auf die Ausführungen unter Rz. 29 ff. Mitzuteilen sind neben den allgemeinen Angaben die Fehlzeiten während des prognosefähigen Zeitraums, also idR der vergangenen drei Jahre. Wird die personenbedingte Kündigung auf erhebliche wirtschaftliche Belastungen (Entgeltfortzahlungskosten über mehr als sechs Wochen pro Jahr) gestützt, so muss auch im Einzelnen dargelegt werden, welche Krankheitszeiten mit Entgeltfortzahlungskosten und in welcher Höhe unterlegt sind. Wird die Kündigung auf betriebliche Beeinträchtigungen gestützt, so sind auch diese vorzutragen. Zur Interessenabwägung sind die Tatsachen anzugeben, die dem Arbeitgeber bekannt sind. Bei einer lang anhaltenden 311 BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 9/96, BB 1997, 894 f.; etwas anderes gilt allerdings im Rahmen des Beschäftigungsanspruches schwerbehinderter Menschen gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX/§ 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nF, hier muss der Arbeitgeber ggf. das Zustimmungsersetzungsverfahren durchführen (BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 481/01, NZA 2003, 1215). 312 Vgl. BAG v. 15.8.1984 – 7 AZR 536/82, NJW 1985, 2783. 313 BAG v. 18.3.2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801; v. 20.3.2014 – 2 AZR 565/12, NZA 2014, 602. Ausführlich zur Alkoholsucht im Arbeitsverhältnis Brose, RdA 2015, 198. 314 BAG v. 20.12.2012 – 2 AZR 32/11, DB 2013, 882; v. 9.4.1987 – 2 AZR 210/86, NZA 1987, 811. 315 Bei Rückfall in die Alkoholabhängigkeit nach einer Therapie dürfte das der Fall sein, BAG v. 18.3.2015 – 10 AZR 99/14, NZA 2015, 801. 316 BAG v. 9.4.1987 – 2 AZR 210/86, NZA 1987, 811. 317 LAG Hamm v. 2.5.1986, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 4. 318 BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 565/12, NZA 2014, 602.

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Kap. 22 Rz. 102

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Erkrankung sind Angaben zur wirtschaftlichen Belastung gegebenenfalls entbehrlich.319 Vorsorglich sollte auch angegeben werden, dass und aus welchen Gründen (zB Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG) eine Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz nicht möglich ist.320 5. Betriebsbedingte Kündigung 102

Eine Kündigung ist auch dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. a) Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes

103

Grundvoraussetzung für jede betriebsbedingte Kündigung ist der Wegfall des Arbeitsplatzes. Dieser kann durch Ursachen bestimmt sein, die außerhalb der Entscheidung des Unternehmens liegen (außerbetriebliche Ursachen), wie insbesondere Auftragsrückgang, Rohstoffmangel, Liefersperren. Das Vorliegen außerbetrieblicher Gründe ist gerichtlich voll überprüfbar, dh. der Arbeitgeber muss nicht nur diese Ursachen darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, sondern auch, dass sie konkret zum Wegfall einer bestimmten Anzahl von Arbeitsplätzen geführt haben und dass das Beschäftigungsvolumen in der Folge zurückgegangen ist.321 Dieser Nachweis ist schwierig.322

104

Der Arbeitsplatz kann aber auch infolge einer Unternehmerentscheidung wegfallen (innerbetriebliche Ursache).323 Die Unternehmerentscheidung ist durch die Arbeitsgerichte nur eingeschränkt zu prüfen, nämlich darauf, ob sie tatsächlich vorliegt und ob sie nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.324 Es ist in der Praxis also meist einfacher, eine betriebsbedingte Kündigung aufgrund einer Unternehmerentscheidung durchzusetzen als aufgrund außerbetrieblicher Gründe.

105

Praxistipp: Auch wenn außerbetriebliche Gründe vorliegen, sollte eine Unternehmerentscheidung zu den Maßnahmen getroffen werden, die innerhalb des Unternehmens veranlasst werden sollen. Dadurch kann eine verlässlichere Basis für notwendige betriebsbedingte Kündigungen geschaffen werden.

106

Die Unternehmerentscheidung braucht bei Zugang der Kündigung noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die Maßnahmen vorzunehmen, schon vor-

319 BAG v. 30.1.1986 – 2 AZR 668/84, NZA 1987, 555. 320 Vgl. BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 9/96, BB 1997, 894; Anm. Lingemann, BB 1998, 1106. 321 St. Rspr.: BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852, Rz. 16; BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 412/ 05, DB 2006, 1962. 322 So reicht zB der bloße Hinweis des Verleihers im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung auf einen auslaufenden Auftrag und einen fehlenden Anschlussauftrag regelmäßig nicht aus; der Verleiher muss anhand der Auftrags- und Personalplanung vielmehr darstellen, warum es sich um einen dauerhaften Auftragsrückgang und nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung handelt (BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 412/05, DB 2006, 1962). 323 Dazu sehr gut Bader, NZA Beilage 2/2010, 85; Rost, NZA Beilage 2009, 23; kritische Auswertung der Instanzenrechtsprechung Schrader/Siebert, NZA-RR 2013, 113. 324 Vgl. st. Rspr: BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 582/14, NZA 2016, 33, Anm. Schuster, ArbRAktuell 2016, 12; v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315 – keine Willkür bei Outsourcing-Entscheidung, auch wenn dadurch allein die Stelle eines unkündbaren Arbeitnehmers wegfällt; v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730; v. 29.9.2006, DB 2006, 846.

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Rz. 109 Kap. 22

handen und abschließend gebildet worden sein. Anderenfalls lässt sich im Zeitpunkt der Kündigung nicht hinreichend sicher prognostizieren, dass es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommt.325 Typische Unternehmerentscheidungen sind etwa die Einführung neuer Arbeits- bzw. Produktionsmethoden, die Entscheidung, einzelne Produktionsbereiche oder bisher im Unternehmen durchgeführte Arbeiten fremd zu vergeben (wobei hier jeweils sorgfältig zu prüfen ist, ob nicht ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt, s. dazu Kap. 60), und/oder die Entscheidung, den Betrieb oder Betriebsteil stillzulegen.

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Die unternehmerische Entscheidung zur Reorganisation kann auch ein Gesamtkonzept enthalten, das sowohl die Umgestaltung aller bisherigen Arbeitsplätze als auch die Reduzierung des bisherigen Arbeitsvolumens zum Gegenstand hat, so dass Änderungs- und Beendigungskündigungen nebeneinander erforderlich werden.326 Sie kann auch das Anforderungsprofil der jeweiligen Arbeitsplätze ändern: Sollten für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgabe bestimmte persönliche oder sachliche Voraussetzungen erforderlich sein, kann die unternehmerische Entscheidung auch insoweit nur auf offenbare Unsachlichkeit gerichtlich überprüft werden.327 Allerdings muss der Arbeitgeber konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf besteht.328 Die Änderung des Anforderungsprofils muss nachvollziehbare arbeitsplatzbezogene Kriterien enthalten und nicht nur wünschenswerte Voraussetzungen (zB besseren Kundenkontakt).329 Auch die unternehmerische Entscheidung, bestimmte Aufgaben künftig durch freie Mitarbeiter durchführen zu lassen, kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen.330 Eine unzulässige Austauschkündigung liegt jedoch vor, wenn der Arbeitgeber sich entschließt, dieselben Arbeiten künftig von Leiharbeitnehmern durchführen zu lassen.331

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Auch die unternehmerische Entscheidung zur dauerhaften332 Personalreduzierung ist als innerbetriebliche Ursache für einen Arbeitsplatzwegfall anerkannt.333 Das Gleiche gilt für eine

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325 BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 679; v. 31.7.2014 – 2 AZR 422/13, NZA 2015, 101; vgl. auch Rz. 111. 326 BAG v. 22.9.2005, NZA 2007, 1320. Zur praktischen Handhabung von Massenänderungskündigungen vgl. Hidalgo/Mauthner, NZA 2007, 1254. 327 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 582/14, NZA 2016, 33; v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, NZA 2014, 208, Rz. 16; v. 7.7.2005 – 2 AZR 399/04, DB 2006, 341. 328 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, NZA 2014, 208, Rz. 17 f.; v. 7.7.2005 – 2 AZR 399/04, DB 2006, 341. 329 Bei langjährig beschäftigten Arbeitnehmern sind insofern höhere Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers zu stellen (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, NZA 2014, 208, Rz. 18; v. 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, NZA 2009, 312). 330 Erforderlich ist jedoch, dass es sich bei den einzugehenden Vertragsverhältnissen auch tatsächlich und nicht nur zum Schein um freie Mitarbeiter handelt, damit keine unzulässige Austauschkündigung vorliegt (BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06, NZA 2008, 878). Auch ein öffentlicher Arbeitgeber kann aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten die anfallenden Aufgaben ehrenamtlichen Mitarbeitern übertragen (BAG v. 18.9.2008 – 2 AZR 560/07, NZA 2009, 142). Werden betriebliche Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf nur pro forma aufgebaut, um Mitarbeiter aus dem Betrieb zu drängen, geschieht dies rechtsmissbräuchlich (BAG v. 23.4.2008 – 2 AZR 1110/06, NZA 2008, 939). 331 BAG v. 26.9.1996 – 2 AZR 200/96, NZA 1997, 202; LAG Hamm v. 24.7.2007, NZA-RR 2008, 239, bei unterschiedlichen Qualifikationen von Stamm- und Leiharbeitnehmern s. aber LAG Köln v. 23.2.2011 – 9 Sa 1071/10, juris. Zu verschiedenen Konstellationen des parallelen Einsatzes von Stammpersonal und Leiharbeitnehmern Moll/Ittmann, RdA 2008, 321. 332 Vgl. BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852 – ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Entfällt der Beschäftigungsbedarf aufgrund weiterer, später eingetretener Umstände dauerhaft, kommt ein dringliches betriebli-

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Beendigungskündigung

unternehmerische Entscheidung, die auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes, verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, hinausläuft.334 Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung jedoch an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass sein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist und das Arbeitsvolumen durch die verbleibenden Arbeitnehmer ohne überobligationsmäßige Leistung erledigt werden kann.335 Diese erhöhte Darlegungslast des Arbeitgebers soll es den Gerichten allerdings nicht ermöglichen, in die betrieblichen Organisationsabläufe einzugreifen, sondern dient nur dazu, Missbrauch des Arbeitgebers zu verhindern.336 Die Anforderungen hieran dürfen daher nicht überspannt werden.337 Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, so muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Je nach Einlassung des Arbeitnehmers kann es ausreichen, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind.338 Dem Arbeitgeber kann eine Berufung auf den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs im Übrigen verwehrt sein, wenn er diese Lage selbst treuwidrig herbeigeführt hat.339 110

Im öffentlichen Dienst begründet die Streichung von bestimmten Stellen im Haushaltsplan oder das Anbringen eines „kw-Vermerks“ an einer bestimmten Stelle im Haushaltsplan eines öffentlichen Arbeitgebers ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine betriebsbedingte Kündigung eines Angestellten.340 Existieren im Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle zur Vermeidung (witterungsbedingter) betriebsbedingter Kündigungen, so ist ein dringendes betriebliches Erfordernis regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung ausgenutzt hat und dennoch ein Beschäftigungsüberhang besteht.341

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Der Entschluss zur Betriebsstilllegung rechtfertigt eine betriebsbedingte Kündigung, wenn die Umsetzung des Entschlusses zum Zeitpunkt der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat.342 Das ist der Fall, wenn damit zu rechnen ist, dass bis zum Ablauf der einschlägigen Kündigungsfrist die geplante Betriebsstilllegung durchgeführt ist und die Arbeit-

333 334 335 336 337 338 339 340 341 342

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ches Erfordernis für eine Kündigung nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeiten zur Reduzierung der geschuldeten Arbeitszeit, die ihm die Regelungen zur Kurzarbeit bieten, in vollem Umfang ausgeschöpft hat. BAG v. 23.2.2012 – 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852, Rz. 15; v. 22.9.2005 – 2 AZR 208/05, BB 2006, 1572. BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, NZA 2012, 1223, Rz. 23. BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, NZA 2012, 1223, Rz. 23; v. 13.2.2008 – 2 AZR 1041/06, NZA 2008, 819 zur Streichung einer Hierarchieebene. BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 208/05, BB 2006, 1572, 1575 f. BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 208/05, BB 2006, 1572, 1575 f. BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, NZA 2012, 1223, Rz. 31. Dies ist der Fall, wenn nach einer später für unwirksam erklärten Kündigung die Stelle des Gekündigten dauerhaft wiederbesetzt wird (BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 107/07, NZA 2008, 1180; BAG v. 1.2.2007, NJOZ 2008, 292). Vgl. BAG v. 7.10.2004 – 2 AZR 122/04, NZA 2005, 352; v. 19.3.1998, BB 1998, 1748; dazu Lingemann/Grothe, NZA 1999, 1072 ff.; BAG GS v. 28.11.1956, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG. Zu Arbeitszeitkonten BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 848. Hierfür muss der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften, endgültigen Entschluss gefasst haben, den Betrieb endgültig stillzulegen, wofür konkrete Anhaltspunkte vorliegen müssen: BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137, Rz. 47; v. 16.2.2012, NZA-RR 2012, 465, Rz. 37; v. 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143, Rz. 27.

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nehmer somit nicht mehr eingesetzt werden können.343 Den Beschluss sollte in der GmbH die Gesellschafterversammlung treffen, § 49 Abs. 2 GmbHG. Auch ein Beschluss der Geschäftsführung kann jedoch ausreichen, wenn eine Prognose im Kündigungszeitpunkt ergibt, dass die Entscheidung zur Betriebsstilllegung tatsächlich planmäßig durchgeführt werden wird.344 Diese Prognose kann auch durch die tatsächliche Entwicklung nach der Kündigung bestätigt werden.345 Kommt es trotz der beabsichtigten Betriebsstilllegung und Kündigung während des Laufs der Kündigungsfrist zur Fortführung des Betriebes, beispielsweise infolge eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB, so kommt ein Wiedereinstellungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers in Betracht346 (dazu näher Rz. 181). Der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers fällt in der Regel auch dann weg, wenn er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 6 BGB widerspricht. Er bleibt dann Arbeitnehmer des übertragenden Unternehmens, sein Arbeitsplatz ist jedoch übergegangen und besteht daher beim Veräußerer nicht mehr. Auch der widersprechende Arbeitnehmer kann sich im Falle einer nachfolgenden betriebsbedingten Kündigung durch den Veräußerer jedoch auf eine mangelnde Sozialauswahl berufen.347 Die Gründe für den Widerspruch des Arbeitnehmers sind bei der Sozialauswahl nicht zu berücksichtigen, da die Auswahlkriterien in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG abschließend benannt sind;348 § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG bietet zwar die Möglichkeit, einen Mindestbestand eingearbeiteter Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl auszunehmen, rechtfertigt jedoch nicht die Herausnahme aller vom Betriebsteilübergang nicht betroffenen Arbeitnehmer349.

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b) Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG ist eine betriebsbedingte Kündigung auch dann sozial nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Dies gilt entgegen dem zu engen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG unabhängig davon, ob der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat oder nicht. Die Weiterbeschäftigungspflicht ist – anders als die Sozialauswahl (dazu Rz. 122 ff.) – unternehmensbezogen. Unterhält der Arbeitgeber daher mehrere Betriebe, so muss er für alle Betriebe prüfen, ob ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf den der zu kündigende Arbeitnehmer versetzt oder änderungsgekündigt werden kann. 343 BAG v. 19.6.1991 – 2 AZR 127/91, NZA 1991, 891; eine endgültige Stilllegungsabsicht fehlt zB, wenn dem Insolvenzverwalter vor Erklärung der Kündigung bereits das Übernahmeangebot eines Interessenten vorliegt, das wenige Tage später zu konkreten Verhandlungen mit einer teilweisen Betriebsübernahme führt (BAG v. 29.9.2005, DB 2006, 846) oder wenn sich der Arbeitgeber zum Kündigungszeitpunkt noch in ernsthaften Verkaufsverhandlungen befindet bzw. sich um neue Aufträge bemüht (BAG v. 13.2.2008 – 2 AZR 543/06, NZA 2008, 821). 344 BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 696/99, DB 2001, 1782; v. 11.3.1998 – 2 AZR 414/97, NZA 1998, 879. 345 BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 48/03, DB 2004, 2759. 346 BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 557/96, NZA 1998, 254; v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, NZA 1997, 757. Nach LAG Hamm v. 11.5.2000 – 4 Sa 1469/99, DB 2000, 1923 muss der Wiedereinstellungsanspruch innerhalb von drei Wochen nach Kenntnis von dem Betriebsübergang geltend gemacht werden. 347 BAG v. 31.5.2007 – 2 AZR 276/06, NZA 2008, 33. 348 Insofern Rechtsprechungsänderung durch BAG v. 31.5.2007 – 2 AZR 276/06, NZA 2008, 33. Das BAG hält allerdings eine Nichtberücksichtigung der vom Betriebsübergang nicht Betroffenen dann für denkbar, wenn eine größere Zahl von Arbeitnehmern widerspricht und die dann durchzuführende Sozialauswahl tief greifende Umorganisationen erforderlich macht und schwere betriebliche Ablaufstörungen bedingt. Hierzu auch Eylert/Spinner, BB 2008, 50; für die Berücksichtigung eines rechtsmissbräuchlich ausgeübten Widerspruchsrechts Schumacher-Mohr/Urban, NZA 2008, 513. 349 BAG v. 31.5.2007 – 2 AZR 276/06, NZA 2008, 33.

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Da der Arbeitgeber einer solchen Negativdarlegung im Prozess nicht entsprechen kann, muss er zunächst nur allgemein vortragen, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht besteht. Es ist dann Sache des gekündigten Arbeitnehmers, konkret aufzuzeigen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt,350 wobei er jedoch nicht einen konkreten freien Arbeitsplatz benennen muss. Sodann muss der Arbeitgeber darlegen, dass es einen solchen freien Arbeitsplatz nicht gibt.351

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Freie Arbeitsplätze im Ausland sind nicht einzubeziehen, wobei offen ist, ob das auch dann gilt, wenn für sie die Anwendung des KSchG vereinbart ist oder der Arbeitgeber kraft Weisungsrecht dorthin versetzen kann.352 Ob auch befristete Arbeitsverhältnisse nach Auslauf der Befristung als freie Arbeitsplätze zu qualifizieren sind, ist fraglich.353

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Die Gestaltung des Anforderungsprofils für freie Arbeitsplätze unterliegt der lediglich auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden Unternehmerdisposition des Arbeitgebers.354 Das gilt allerdings nicht für die Entscheidung, einen zeitlich ungewissen Beschäftigungsbedarf auf einem freien Arbeitsplatz mit einem befristet einzustellenden Arbeitnehmer anstelle des gekündigten zu besetzen.355 Leiharbeitnehmer sind vorrangig vor anderen Arbeitnehmern zu kündigen, sofern ihr Einsatz dauerhaft und nicht nur vorübergehend erfolgt.356 Die Arbeitnehmerüberlassung an ein anderes Unternehmen kann hingegen nur im Ausnahmefall eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit darstellen.357 Im Verleihunternehmen selbst sind auch an Dritte überlassene Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen, sofern sie nach allgemeinen Grundsätzen vergleichbar sind.358

350 BAG v. 29.8.2013, NZA-RR 2014, 325; v. 20.1.1994, BB 1994, 1084. 351 BAG v. 29.8.2013, NZA-RR 2014, 325; v. 22.9.2005 – 2 AZR 208/05, BB 2006, 1572; näher dazu unten Rz. 135 ff.; auch ein gem. einem unternehmerischen Konzept mit einer Aushilfe besetzter Arbeitsplatz zur Vertretung zB eines im Urlaub, Mutterschutz, Elternzeit etc. befindlichen oder erkrankten Arbeitnehmers ist nicht „frei“ (BAG v. 1.3.2007, DB 2007, 1540). 352 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730 Anm. Bauer, ArbRAktuell, 2013, 496; Fuhlrott, DB 2014, 1198; Monz, BB 2014, 250. 353 Dies kann wohl nur dann angenommen werden, wenn bereits zum Kündigungszeitpunkt feststeht, dass die betreffenden Arbeitsplätze auch noch nach Ablauf der Befristung fortbestehen, vgl. Gehlhaar, DB 2008, 2831, 2834. 354 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, NZA 2014, 208, Rz. 16; v. 24.6.2004 – 2 AZR 326/03, NZA 2004, 1268, 1270 f.; s. schon Rz. 108. 355 BAG v. 26.3.2015, NZA 2015, 1083. 356 Dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzte Arbeitsplätze stellen eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit dar (BAG v. 18.10.2012, NZA-RR 2013, 68; LAG Berlin-Brandenburg v. 3.3.2009, DB 2009, 1353; LAG Hamm v. 21.12.2007 – 4 Sa 1892/06; v. 5.3.2007 – 11 Sa 1338/06, DB 2007, 1701; so auch Düwell/Dahl, DB 2007, 1699). Kritisch hierzu im Hinblick auf die unternehmerische Entscheidungsfreiheit Simon/Greßlin, BB 2007, 2454, 2455, die aber eine Checkliste für den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung bei gleichzeitigem Einsatz von Leiharbeitnehmern und Stammpersonal liefern; einschränkend Moll/Ittmann, RdA 2008, 321, 328, die danach differenzieren wollen, ob mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern über bloße Flexibilisierungsgesichtspunkte hinausgehende unternehmerische Zwecke verfolgt werden sollen. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG muss seit der Reform des AÜG von 2011 Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend sein. UE. ist die Problematik damit nicht obsolet, da nicht geklärt ist, ob das nur die Überlassung des konkreten Arbeitnehmers betrifft, der Arbeitsplatz selbst also nach wie vor auf Dauer mit Leiharbeitnehmern besetzt sein kann (Einzelheiten s. Kap. 10 Rz. 5). 357 BAG v. 29.3.2007 – 8 AZR 538/06, NZA 2008, 48 zum Fall einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Konzernbezug, hierzu Moll/Ittmann, RdA 2008, 321, 329. 358 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837, Rz. 19; zu betriebsbedingten Kündigungen von Leiharbeitnehmern durch den Verleiher Fuhlrott/Fabritius, NZA 2014, 122.

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Beendigungskündigung

Rz. 119 Kap. 22

Der Anspruch auf anderweitige Beschäftigung geht nicht über das Unternehmen hinaus, ist also regelmäßig nicht konzernbezogen,359 es sei denn, dass sich das Konzernunternehmen zur Übernahme des Arbeitnehmers bereiterklärt hat oder sich eine Verpflichtung zur Unterbringung in einem anderen Konzernunternehmen unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, einer sonstigen vertraglichen Absprache oder der in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt. Voraussetzung ist in der Regel ferner, dass der Vertragsarbeitgeber auf die in Rede stehende „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss hat, dh. die Entscheidung über eine Weiterbeschäftigung grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten ist.360 Auch bei konzernbezogenem Weiterbeschäftigungsbedarf ist ein entsprechender Anspruch abzulehnen, die Willkürkontrolle der Unternehmerentscheidung bietet hier ausreichenden Schutz gegen Missbrauch.361 Auch eine Stelle bei einer internen Qualifizierungs- und Vermittlungseinheit ist keine „anderweitige Beschäftigung“.362

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Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit steht der Wirksamkeit der Kündigung auch dann entgegen, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz nur zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigt werden kann; der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer auch einen solchen Arbeitsplatz anbieten, solange es sich nicht um eine offensichtlich völlig unterwertige Beschäftigung handelt.363 Das gilt auch für einen Wechsel von Teilzeit in Vollzeit und für Arbeitsplätze, die nur befristet besetzt werden sollen.364 Lehnt der Arbeitnehmer den angebotenen Arbeitsplatz ab, so muss der Arbeitgeber grundsätzlich zunächst eine Änderungskündigung aussprechen, eine Beendigungskündigung wäre sozialwidrig.365 Nur in „Extremfällen“, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit der Annahme des neuen Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer rechnen konnte oder wenn der Arbeitnehmer das Angebot unmissverständlich und mit dem Erklärungsinhalt ablehnt, dass er auch im Falle einer Änderungskündigung die geänderten Arbeitsbedingungen nicht akzeptieren werde, kann der Arbeitgeber direkt eine Beendigungskündigung aussprechen.366

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Praxistipp: Bei Ablehnung eines solchen Angebotes sollte der Arbeitgeber sich vom Arbeitnehmer bestätigen lassen, dass der Arbeitnehmer das Angebot auch im Falle einer Änderungskündigung ablehnen würde, selbst auf die Gefahr hin, damit seinen Arbeitsplatz zu verlieren.367

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359 BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730, Rz. 39; v. 18.10.2012 – 6 AZR 41/11, NZA 2013, 1007, Rz. 56; BAG v. 26.6.2008, NZA-RR 2009, 205; Lingemann, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 662. 360 BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 62/11, NZA 2013, 277; v. 23.3.2006 – 2 AZR 162/05, DB 2006, 2351; Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161. Die Möglichkeit der Einflussnahme muss aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder zumindest faktisch bestehen; nicht ausreichend ist der Umstand, dass bestimmte Gesellschafter der Gruppe erheblichen Einfluss auf das Konzernunternehmen ausüben können (BAG v. 23.4.2008 – 2 AZR 1110/06, NZA 2008, 939). 361 Lingemann, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 662, 670; vgl. BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 162/05, DB 2006, 2351, 2353; allerdings müssen bei einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer alle Beschäftigungsmöglichkeiten im Konzern geprüft werden, wenn der Arbeitnehmer seit Jahren an eine Konzerngesellschaft abgeordnet war (BAG v. 29.3.2007 – 8 AZR 538/06, NZA 2008, 48). 362 BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 1001/12, NZA 2014, 1200, Anm. Lingemann, FA ArbR 2014, 363023. 363 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730; für eine Weiterbeschäftigung auch auf höherwertigen Arbeitsplätzen Houben, NZA 2008, 851. 364 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 417/14, NZA 2015, 1083, Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 411 365 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730; v. 5.6.2008 – 2 AZR 107/07, NZA 2008, 1180; v. 21.9.2006 – 2 AZR 607/05, NZA 2007, 431, Rz. 34; v. 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691; v. 21.4.2005 – 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294. 366 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730; v. 21.9.2006 – 2 AZR 607/05, NZA 2007, 431, Rz. 34; v. 21.4.2005 – 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294, 1296 und 1297; dazu Rost, NZA-Beilage 2009, 23; krit.: Wank, RdA 2012, 139. 367 Vgl. auch Rost, NZA-Beil. 2009, 23, 27 (aE); Annuß/Bartz, NJW 2006, 2154; Bauer/Winzer, DB 2006, 268.

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Beendigungskündigung

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Diese Rechtsprechung begründet bei Massenentlassungen nur schwer überwindbare Probleme.368 Noch ungeklärt ist die rechtliche Behandlung der „Versetzung“ von Arbeitnehmern in einen Stellenpool mit der Möglichkeit zu beruflicher Weiterbildung, um die Zeit bis zum Freiwerden eines Arbeitsplatzes im operativen Geschäftsbereich zu überbrücken; diese Konstruktion erfreut sich in der Praxis großer Beliebtheit und dient der Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen.369

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Stehen mehrere freie Arbeitsplätze zur Verfügung, so sollte der Arbeitgeber diese nach den Grundsätzen der (umgekehrten) Sozialauswahl anbieten.370 Lehnt ein Arbeitnehmer ein zumutbares Weiterbeschäftigungsangebot ab, kann ein Sozialplan für diesen Fall eine Kürzung der Abfindung vorsehen.371 c) Sozialauswahl

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Ist der Arbeitsplatz weggefallen (Rz. 103 ff.) und besteht auch keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit (Rz. 113 ff.), so ist die Kündigung gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 KSchG. Nicht dem Arbeitnehmer ist zu kündigen, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, sondern demjenigen, der dem betroffenen Arbeitnehmer vergleichbar, aber diesem gegenüber nach den Grundsätzen der Sozialauswahl weniger sozial schutzbedürftig ist.372 aa) Soziale Vergleichbarkeit

123

Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsplatz der betroffene Arbeitnehmer – ohne Änderung seines Arbeitsvertrages („vertragsbezogene Vergleichbarkeit“, zu Ausnahmen bei der Sozialauswahl zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten vgl. Rz. 124) – versetzt werden kann.373 Die Vergleichbarkeit kann nicht dadurch eingeschränkt werden, dass der Arbeitsvertrag eines von einem betrieblichen Ereignis betroffenen Arbeitnehmers erst anlässlich dieses Ereignisses (zB Zusammenlegung von Niederlassungen) einvernehmlich oder im Wege

368 Bauer/Winzer, BB 2006, 266; Lelley/Sabin, DB 2006, 1110; vgl. auch Berkowsky, NZA 2006, 697; Kock, NJW 2006, 728; s. dazu auch BAG v. 20.2.2014 – 2 AZR 346/12, NZA 2014, 1069, Anm. Schindele, ArbRAktuell 2014, 440. 369 Dogmatisch liegt hier keine Versetzung iSd. § 95 BetrVG vor, sondern eine Freistellung von der Arbeitspflicht, die den Arbeitgeber zur Zahlung von Annahmeverzugslohn verpflichtet, verbunden mit der Neubeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz, vgl. Trebeck, NZA 2009, 513 unter Hinweis auf BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 571/05, NZA 2007, 1310. Die Freistellung selbst ist nicht mitbestimmungspflichtig, jedoch die spätere Zuweisung einer anderen Tätigkeit. Meist ist kollektivrechtlich vereinbart, welche Arbeitnehmer dem Stellenpool angehören sollen; im Übrigen besteht wohl keine Verpflichtung zur Durchführung einer Sozialauswahl iSd. § 1 Abs. 3 KSchG, Trebeck, NZA 2009, 513, 516. 370 Vgl. BAG v. 25.4.2002 – 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605; v. 15.12.1994 – 2 AZR 320/94, BB 1995, 930. 371 BAG v. 6.11.2007 – 1 AZR 960/06, NZA 2008, 232; v. 6.11.2007, DB 2007, 356. 372 Einen guten Überblick über die Rspr. des BAG zur Sozialauswahl gibt Spinner, RdA 2008, 153. 373 Vgl. nur BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 271/12, NZA 2013, 837, Rz. 12; v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, NZA 2008,1120, Rz. 18.

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Rz. 126 Kap. 22

der Änderungskündigung so geändert wird, dass der Arbeitnehmer nicht mehr vergleichbar ist.374 Obwohl ein Wechsel zwischen Voll- und Teilzeittätigkeit nur durch eine Änderung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und somit des Arbeitsvertrages möglich ist, soll eine Sozialauswahl zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften stattfinden, wenn der Arbeitgeber in einem bestimmten Bereich lediglich die Anzahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden abbauen will.375 Hat der Arbeitgeber hingegen eine Organisationsentscheidung getroffen, aufgrund derer für bestimmte Arbeiten nur Vollzeitkräfte vorgesehen sind – zB indem bestimmten Tätigkeiten bestimmte Arbeitszeiten zugeordnet sind376 – so kann diese Entscheidung als freie Unternehmerentscheidung (vgl. Rz. 104 ff.) nur darauf geprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.377 Liegt danach eine bindende Unternehmerentscheidung vor, so sollen bei der Kündigung einer Teilzeitkraft die Vollzeitkräfte nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sein.378 Diese Auslegung des § 1 Abs. 3 KSchG verstößt auch nicht gegen die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9.2.1976 zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen.379 Im Prozess reicht der bloße Vortrag des Arbeitgebers, künftig die anfallende Arbeit nur noch mit Vollzeitkräften oder nur noch mit Teilzeitkräften zu erledigen, nicht aus. Erforderlich sind vielmehr konkrete Darlegungen zu einem nachvollziehbaren unternehmerischen Konzept der Arbeitszeitgestaltung.380

124

Die Sozialauswahl ist betriebsbezogen, dh. vergleichbar sind nur Arbeitnehmer desselben Betriebs. Das gilt auch, wenn der Arbeitsvertrag eine betriebsübergreifende Versetzungsklausel enthält.381 Die Sozialauswahl ist nicht auf Betriebsteile oder Betriebsabteilungen beschränkt; selbst wenn diese räumlich weit entfernt sind, ist sie auf den gesamten Betrieb zu erstrecken.382 Auch in einem Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen erstreckt sich die Sozialauswahl auf den gesamten Betrieb.383 Wird der gesamte Betrieb stillgelegt, ist daher keine Sozialauswahl durchzuführen.384

125

Vergleichbar sind auch nur solche Arbeitnehmer, deren Funktion der betroffene Arbeitnehmer nach angemessener Einarbeitungszeit übernehmen kann („arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit“). Diese arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit richtet sich nach objektiven Merkmalen wie Berufsgruppe und Ausbildungsberuf sowie in zweiter Linie subjektiven Merkmalen wie individuellen Kenntnissen, Fähigkeiten, Leistungsbereitschaft, Lernfähigkeit und

126

374 BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 676/05, NZA 2007, 798, dazu allgemein: Raif, ArbRAktuell 2015, 1. 375 BAG v. 7.12.2006, NZA-RR 2007, 460, Rz. 21; v. 12.8.1999 – 2 AZR 12/99, NZA 2000, 30; v. 3.12.1998 – 2 AZR 341/98, DB 1999, 487; dazu Bauer/Klein, BB 1999, 1162. 376 BAG v. 7.12.2006, NZA-RR 2007, 460, Rz. 21; v. 15.7.2004 – 2 AZR 376/03, NZA 2005, 523, 526. 377 BAG v. 7.12.2006, NZA-RR 2007, 460, Rz. 21; v. 15.7.2004 – 2 AZR 376/03, NZA 2005, 523, 526. 378 BAG v. 7.12.2006, NZA-RR 2007, 460, Rz. 21; v. 15.7.2004 – 2 AZR 376/03, NZA 2005, 523; v. 12.8.1999 – 2 AZR 12/99, NZA 2000, 30; v. 3.12.1998 – 2 AZR 341/98, NZA 1999, 431. 379 EuGH v. 26.9.2000 – Rs. C-322/98, NZA 2000, 1155. 380 BAG v. 12.8.1999 – 2 AZR 12/99, NZA 2000, 30, 31. 381 BAG v. 2.6.2005 – 2 AZR 158/04, BB 2005, 2244, NZA 2005, 1175; Fuhlrott/Hoppe, BB 2012, 253, 255; Gaul/Bonanni, NZA 2006, 289. 382 BAG v. 3.4.2008 – 2 AZR 879/06, NZA 2008, 1060; v. 3.6.2004, EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 54. 383 BAG v. 29.11.2007, DB 2008, 1756. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn ein Betrieb im Zeitpunkt der Kündigung stillgelegt ist oder eine Stilllegung zumindest greifbare Formen angenommen hat. 384 BAG v. 21.5.2015 – 8 AZR 409/13, DB 2015, 2641; allerdings kann sie unter engen Voraussetzungen trotzdem erforderlich sein, wenn der Arbeitgeber zugleich im Zusammenwirken mit einem Schwesterunternehmen einem Teil der Arbeitnehmer dort eine Beschäftigung anbietet, BAG aaO.

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Erfahrungen. Ein bloßer Routinevorsprung des Arbeitsplatzinhabers steht der Austauschbarkeit nicht entgegen.385 127

In die Sozialauswahl einzubeziehen sind weiterhin nur Arbeitnehmer, die derselben Hierarchieebene angehören wie der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist. Eine Sozialauswahl über die Hierarchieebene hinaus (vertikale Vergleichbarkeit) gibt es nicht. Dementsprechend gibt es auch keinen Anspruch auf Beförderung im Rahmen der Sozialauswahl.386 Im öffentlichen Dienst ist regelmäßig die Vergütungsgruppe maßgeblich.387

128

Nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind einerseits Arbeitnehmer, die die sechsmonatige Wartefrist für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes noch nicht erfüllt haben; ihnen ist vielmehr vorrangig zu kündigen.388 Andererseits sind in die Sozialauswahl nicht einzubeziehen Arbeitnehmer mit gesetzlichem Sonderkündigungsschutz einschließlich derjenigen, bei denen die ordentliche Kündigung gesetzlich ausgeschlossen ist, vgl. vor allem § 15 KSchG;389 ihnen droht regelmäßig keine Kündigung. Ob auch Arbeitnehmer, bei denen die ordentliche Kündigung nicht generell ausgeschlossen, sondern nur von der Zustimmung der zuständigen Behörde abhängig ist (zB schwerbehinderte Menschen, vgl. Kap. 16, § 85 SGB IX/§ 168 ff. SGB IX nF; Arbeitnehmer in Elternzeit, vgl. Kap. 17, § 18 BEEG), aus der Sozialauswahl auszunehmen sind, ist umstritten.390 Die besseren Gründe sprechen dafür, diese erst einzubeziehen, wenn eine bestandskräftige Zustimmung der Behörde vorliegt, wobei der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, eine solche Zustimmung zu beantragen.391 Ungeklärt ist ferner die Einbeziehung von tarif- oder einzelvertraglich kündigungsgeschützten Arbeitnehmern. Sofern ein solcher Kündigungsschutz nicht ausschließlich auf das Alter abstellt, dürfte er auch nach Inkrafttreten des AGG wirksam vereinbart werden können.392 Dass der Kündigungsschutz weder zur Disposition der Tarifvertragsparteien noch zur einzelvertraglichen Disposition zu Lasten Dritter steht, spricht für eine Einbeziehung auch der insoweit geschützten Arbeitnehmer in die Sozialauswahl, zumal auch eine betriebsbedingte außerordentliche Kündigung tariflich unkündbarer Arbeitnehmer zulässig ist.393 Allerdings hat das BAG die einzel385 BAG v. 19.12.2013, NZA-RR 2014, 185, Rz. 45; v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, NZA 2008, 1120 zur sog. „qualifikationsmäßigen Austauschbarkeit“. 386 BAG v. 10.11.1994 – 2 AZR 242/94, NZA 1995, 566, 568, da sonst ein Verdrängungswettbewerb entstehe, kritisch dazu Houben, NZA 2008, 851, 854 f. 387 BAG st. Rspr., vgl. BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, NZA 2005, 986, einschränkend BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 23/05, NZA 2006, 1350. 388 Kiel in Ascheid/Preis, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 1 KSchG Rz. 696 mwN. 389 BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 241/04, BB 2005, 2471; dazu: Künzel/Fink, NZA 2011, 1385. 390 Vgl. Bauer/Powietzka, NZA-RR 2004, 505, 510; KR/Griebeling, § 1 KSchG Rz. 664; Löwisch/Spinner, § 1 KSchG Rz. 322; Spinner, RdA 2008, 153, 157; für eine Einbeziehung ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 310. 391 Vgl. Löwisch/Spinner, § 1 KSchG Rz. 322; Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 245. 392 Das BAG hat diese Frage bisher offengelassen und sich lediglich dahingehend geäußert, dass tarifliche Unkündbarkeitsregeln, die auf ein bestimmtes Lebensalter bezogen sind, nicht generell unzulässig seien; im Einzelfall müsse eine solche Regelung aber gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden, um einer grob fehlerhaften Sozialauswahl durch Einschränkung des Kreises der zu Kündigenden vorzubeugen, vgl. BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, NZA 2008, 1120 (Herausnahme eines 53jährigen, seit drei Jahren im Betrieb Beschäftigten ohne Unterhaltspflichten aus der Sozialauswahl, wohingegen ein nur ein Jahr Jüngerer mit längerer Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten in die Sozialauswahl einzubeziehen war). S. auch BGK, § 10 AGG Rz. 46 f.; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 26 u. Hein, NZA 2008, 1033, 1037. 393 Vgl. BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, NZA 1998, 771. Im Ergebnis für den Fall einer Beschäftigungsgarantie zur Steuerung der Sozialauswahl ebenso das LAG Sachsen v. 10.10.2001, NZA 2002, 905; Bröhl, BB 2006, 1050, 1056, hält den Kündigungsausschluss dann für unwirksam, wenn die Sozialauswahl dadurch grob fehlerhaft wird.

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Rz. 130 Kap. 22

vertragliche Anerkennung früherer Beschäftigungszeiten auch im Rahmen der Sozialauswahl als wirksam angesehen, die im Rahmen eines Prozessvergleiches erfolgt war und für die ein sachlicher Grund gegeben war.394 Bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern ist der tarifliche Sonderkündigungsschutz einzuschränken, soweit anderenfalls das Auswahlergebnis grob fehlerhaft würde.395 bb) Auswahlkriterien Sind nach diesen Maßstäben die vergleichbaren Arbeitnehmer ermittelt, so ist demjenigen zu kündigen, der am wenigsten sozial schutzbedürftig ist (dem „sozial Stärksten“). Die soziale Schutzbedürftigkeit richtet sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit,396 dem Alter, den Unterhaltspflichten und einer etwaigen Schwerbehinderung des Arbeitnehmers, § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Die Einbeziehung weiterer Kriterien wie der allgemeinen Vermögenssituation des Arbeitnehmers war früher umstritten.397 Die seit 1.1.2004 geltende Fassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG beschränkt die Sozialauswahl auf die vier vorgenannten Kriterien.398 Zur Berücksichtigung von Doppelverdienst im Rahmen des Kriteriums „Unterhaltspflichten“ macht das BAG keine abstrakten Vorgaben.399

129

Die Gewichtung der Kriterien im Verhältnis zueinander steht nicht fest.400 Häufig wird ein Vorrang der Betriebszugehörigkeit vertreten; richtigerweise dürfte diese gleichrangig mit den Unterhaltspflichten sein, das Lebensalter ist hingegen in Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit in allen Altersgruppen eher nachrangig.401 Auch zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung ist es ratsam, das Alter gegenüber den drei übrigen Kriterien eher zurückzunehmen,402 es muss jedoch unverändert bei der Sozialauswahl berücksichtigt werden.403 Der Arbeitgeber muss die Kriterien der Sozialauswahl nur „ausreichend“ berücksichtigen, § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Der damit einräumte Wertungsspielraum führt dazu, dass

130

394 BAG v. 2.6.2005 – 2 AZR 480/04, BB 2006, 496; Lerch/Weinbrenner, NZA 2011, 1388 wollen Arbeitnehmer mit einzelvertraglich vereinbartem Kündigungsausschluss in die Sozialauswahl einbeziehen. 395 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, NZA 2014, 208, Rz. 49 f. (obiter dictum): dazu Sprenger, BB 2014, 1781. 396 Auch die einzelvertragliche Anerkennung früherer Beschäftigungszeiten kann für die Sozialauswahl verbindlich sein, so BAG v. 2.6.2005 – 2 AZR 480/04, BB 2006, 496 zu einer entsprechenden Vereinbarung in einem Prozessvergleich, für die ein sachlicher Grund bestand. 397 Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, S. 162/163. 398 BAG v. 29.1.2015, NJW 2015, 1838, Rz. 12; v. 12.8.2010 – 2 AZR 945/08, NZA 2011, 460, 465, Rz. 46; aA ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 335, der aufgrund des nicht eindeutigen Wortlauts des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG weitere Kriterien, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Stammdaten stehen, für berücksichtigungsfähig hält. 399 BAG v. 29.1.2015, NJW 2015, 1838, Rz. 23: Allenfalls könne bei Doppelverdienst das Kriterium der „Unterhaltspflicht“ weniger stark gewichtet werden, jedoch nicht zu Lasten des Arbeitnehmers. Außerdem könnte die Berücksichtigung von Doppelverdiensten sich als mittelbare Diskriminierung von Frauen auswirken. Das LAG Berlin-Brandenburg hält die Berücksichtigung ebenfalls für nicht zwingend, LAG Berlin-Brandenburg v. 25.3.2014 – 7 Sa 2161/13, juris, das LAG Düsseldorf hält sie hingegen für zwingend, LAG Düsseldorf v. 4.11.2004 – 11 Sa 957/04, DB 2005, 454. 400 BAG v. 29.1.2015, NJW 2015, 1838, Rz. 11, vielmehr seien stets die individuellen Unterschiede zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern zu berücksichtigen und abzuwägen, der Arbeitgeber müsse nicht die „bestmögliche“ Sozialauswahl vornehmen. Zudem haben die Gerichte einen gewissen Beurteilungsspielraum, Rz. 13. 401 Ausdrücklich gegen eine Priorität der Betriebszugehörigkeit BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 208/05, BB 2006, 1572, 1577 ff.; v. 5.12.2002 – 2 AZR 549/01, NZA 2003, 791. Vgl. Lingemann, BB 2000, 1835; vgl. auch Bauer/Röder, Taschenbuch zur Kündigung, S. 162 ff. mit zahlreichen Beispielsfällen. 402 PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 24. 403 Bröhl, BB 2006, 1050, 1053; vgl. auch Lunk/Seidler, NZA 2014, 455.

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nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer sich mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können.404 Er ist aber überschritten, wenn einem Arbeitnehmer mit 6 Jahren Betriebszugehörigkeit und 3 Unterhaltspflichten (änderungs-)gekündigt wird und einem vergleichbaren Arbeitnehmer mit 9 Jahren Betriebszugehörigkeit ohne Unterhaltspflichten nicht.405 131

Für die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers anhand eines Punkteschemas gilt seit der Entscheidung des BAG v. 6.11.2008406 Folgendes: Die Berücksichtigung des Lebensalters in einer Punktetabelle stellt eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung nach §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, 7 AGG dar. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt, sofern das Alter neben anderen Kriterien Berücksichtigung findet und nicht allein den Ausschlag geben kann. Der Schutz älterer Arbeitnehmer – die typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben – und eine damit einhergehende Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer stellt ein legitimes Ziel dar. Eine lineare Punktevergabe (zB ein Punkt pro Lebensjahr) ist zulässig; ungeklärt ist jedoch, ob die Kappung der Punkteverteilung ab einem bestimmten Alter erfolgen bzw. eine Maximalpunktzahl bestimmt werden kann.407 Auch die Bildung von Altersgruppen, die im Einzelfall dazu führen kann, dass bei gleicher altersunabhängiger Punktzahl einem Arbeitnehmer allein wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe gekündigt werden kann, ist gerechtfertigt, um eine ausgewogene Altersstruktur im Betrieb, insbesondere bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung, zu erhalten408 bzw. im Bereich von § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO zu schaffen.409 Die konkrete Altersgruppenbildung muss aber zur Sicherung der bestehenden Altersstruktur der Belegschaft tatsächlich geeignet sein. Sind mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, ist das nur der Fall, wenn auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe eine proportionale Verteilung aller Altersgruppen an den Entlassungen möglich ist.410 Dabei ist es uE entgegen dem BAG nicht erforderlich, dass in jeder Altersgruppe auch mindestens eine Kündigung ausgesprochen wird, solange dadurch nicht ältere Altersgruppen benachteiligt werden („Sozialauswahl zwischen Altersgruppen“).411 Auch stellte das BAG zu hohe Anforderungen an die Darlegungslast der Arbeitgeber, wenn der Personalabbau nicht die Kennzahlen des § 17 KSchG überschreitet.412 Das BAG hat zudem eine Berücksichtigung der Rentennähe anerkannt, was zur Folge hat, dass Arbeitnehmern, die nach Bezug von Arbeitslosengeld eine gesetzliche Rente beziehen können, vorrangig gekündigt werden kann.413 404 BAG v. 29.1.2015 – 2 AZR 164/14, NZA 2015, 426; v. 22.3.2012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040. 405 BAG v. 29.1.2015 – 2 AZR 164/14, NZA 2015, 426. 406 BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361, Rz. 43 ff.; gegen die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl jedoch Kaiser/Dahm, NZA 2010, 473. 407 Vgl. Lingemann/Beck, NZA 2009, 577, 578. 408 BAG v. 26.3.2015, NZA 2015, 1123, Rz. 13 ff.; Anm. Krieger, FD-ArbR 26/2015; dazu Lingemann/Otte, NZA 2016, 65; Lunk/Seidler, NZA 2014, 455; BAG v. 19.7.2012, NZA 2013, 86; v. 28.6.2012 – 6 AZR 682/10, NZA 2012, 1090; v. 22.3.2012 – 2 AZR 167/11, NZA 2012, 1040; v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044. Auch für eine vor Inkrafttreten des AGG ausgesprochene Kündigung war anerkannt, dass eine Altersgruppenbildung zulässig war, um einer überschießenden Tendenz der Bewertung des Lebensalters als Sozialdatum entgegen zu wirken und eine übermäßige Belastung jüngerer Beschäftigter zu verhindern, vgl. BAG v. 12.3.2009, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 17; v. 6.9.2007 – 2 AZR 387/06, NZA 2008, 405. 409 BAG v. 19.12.2013, NZA-RR 2014, 185; das verstößt auch nicht gegen § 10 AGG, BAG aaO. 410 BAG v. 26.3.2015, NZA 2015, 1123, Rz. 16; BAG v. 19.7.2012, NZA 2013, 86. 411 Lingemann/Otte, NZA 2016, 65. 412 Lingemann/Otte, NZA 2016, 65. 413 BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361. Für die zulässige Berücksichtigung der Rentennähe auch Gaul/Bonanni, BB 2008, 218, 222. Eine solche Regelung hat allerdings eine Verschiebung der Proportionalität zwischen den einzelnen Altersgruppen zur Folge, Lingemann/Beck, NZA 2009, 577, 581.

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Rz. 133 Kap. 22

Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG hat der Arbeitgeber bei der Bewertung der Kriterien einen gewissen Wertungsspielraum; denn die Sozialauswahl ist nur fehlerhaft, wenn er soziale Gesichtspunkte „nicht oder nicht ausreichend“ berücksichtigt hat.414 Das BAG lehnt es daher ausdrücklich ab, dem Arbeitgeber hinsichtlich der Gewichtung der Kriterien abstrakte Vorgaben zu machen.415 Bei Massenentlassungen können insbesondere Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG die Sozialauswahl absichern, da die darin vorgenommene Gewichtung der sozialen Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander von den Arbeitsgerichten nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann, § 1 Abs. 4 KSchG.416 Die Privilegierung der Prüfung der Sozialauswahl auf grobe Fahrlässigkeit greift jedoch nicht, wenn die Auswahlrichtlinie Alter oder Betriebszugehörigkeit so gering bewertet, dass eines der Kriterien in fast allen denkbaren Fällen nicht mehr den Ausschlag geben kann.417 Auswahlrichtlinien können nicht die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer in gleicher Weise verbindlich festlegen, indem Arbeitnehmer bestimmter Abteilungen zu Vergleichsgruppen zusammengefasst werden; vielmehr können Auswahlrichtlinien nur die Gewichtung der sozialen Auswahlkriterien zueinander bestimmen.418 Hat der Arbeitgeber die Sozialauswahl ohne eine Punktetabelle durchgeführt, so führt deren nachträgliche Überprüfung anhand einer anderweitig anerkannten Punktetabelle nicht zu einer unzulässigen nachträglichen fiktiven Sozialauswahl.419 Die Betriebsparteien können die in der Auswahlrichtlinie vorgenommene Bewertung wenigstens teilweise durch eine abweichende Namensliste revidieren.420

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cc) Rechtsfolgen fehlerhafter Sozialauswahl Bei fehlerhafter Sozialauswahl konnte sich nach früherer Rechtsprechung jeder gekündigte Arbeitnehmer, der schutzwürdiger war als ein vergleichbarer nicht gekündigter Arbeitnehmer, auf die fehlerhafte Sozialauswahl und damit die Unwirksamkeit seiner Kündigung wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 KSchG berufen; diese Möglichkeit hatte also nicht nur derjenige Arbeitnehmer, der nicht gekündigt worden wäre, wenn der Arbeitgeber dem entgegen der So414 BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 854/11, NZA 2014, 46 mit Einschränkungen, umfassend dazu die Anm. Lingemann/Pohlmann, RdA 2014, 374. 415 BAG v. 26.3.2015, NZA 2015, 1123, Rz. 14; v. 5.12.2002 – 2 AZR 549/01, NZA 2003, 791. 416 Nach neuerer Rspr. des BAG hat dies regelmäßig in Gestalt einer Betriebsvereinbarung zu erfolgen (BAG v. 26.7.2005 – 1 ABR 29/04, NZA 2005, 1372). Allgemein dazu Fuhlrott, ArbRAktuell 2012, 108. Zur Gestaltung von Auswahlrichtlinien unter Berücksichtigung der Diskriminierungsverbote des AGG ausführlich Lingemann/Beck, NZA 2009, 577. Empfohlen wird, sich bei der Gestaltung der Punktetabelle und der Altersgruppenbildung an die vom BAG in seiner Entscheidung v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044 oder v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361 gebilligte Auswahlrichtlinie zu halten. 417 BAG v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044; v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, NZA 2008, 1120; v. 18.10.2006 – 2 AZR 473/05, DB 2007, 922 m. Anm. Lingemann, Beck-FD-ArbR 2007, 221559. 418 BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, NZA 2008, 1120; für die Kündigung in der Insolvenz jedoch BAG v. 17.11.2005, AP Nr. 19 zu § 113 InsO: Die vom Insolvenzverwalter wegen Stilllegung eines Geschäftsbereichs ausgesprochene Kündigung ist nicht wegen grob fehlerhafter Sozialauswahl iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO sozial ungerechtfertigt, wenn die Betriebsparteien in einem Interessenausgleich mit Namensliste die Sozialauswahl auf einen der Geschäftsbereiche beschränken, weil dort die Arbeitnehmer anderer Geschäftsbereiche nicht ohne Einarbeitungszeit beschäftigt werden können. 419 Zur Vorgehensweise der Überprüfung, ob sich eine ohne Punktetabelle durchgeführte Sozialauswahl noch im Rahmen des Wertungsspielraumes des Arbeitgebers hält, LAG Hamm v. 21.10.2008, NZARR 2009, 304. 420 BAG v. 24.10.2013 – 6 AZR 854/11, NZA 2014, 46, Rz. 41 f.; Lingemann/Rolf, NZA 2005, 264; Lingemann/Pohlmann, RdA 2014, 374.

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Kap. 22 Rz. 134

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zialauswahl im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer statt seiner gekündigt hätte („Dominoeffekt“).421 Das BAG hat diese Rechtsprechung jedenfalls für die Sozialauswahl anhand eines Punkteschemas aufgegeben; danach kann sich nur noch derjenige auf die fehlerhafte Sozialauswahl berufen, dem bei fehlerfreier Sozialauswahl nicht gekündigt worden wäre.422 Zu prüfen ist eine fehlerhafte Sozialauswahl ohnehin nur gegenüber denjenigen nicht gekündigten Arbeitnehmern, die der gekündigte Arbeitnehmer im Prozess ausdrücklich benennt.423 dd) Herausnahme aus der Sozialauswahl, § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG 134

Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl nicht einzubeziehen Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegt.424 Fähigkeiten meint neben der Ausbildung auch besondere Kenntnisse im Betrieb, Leistungen die qualitative und quantitative Umsetzung. Die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur gestattet es dem Arbeitgeber, insbesondere Altersgruppen innerhalb der zur Sozialauswahl anstehenden Arbeitnehmer zu bilden und diesen anteilmäßig zu kündigen.425 Eine solche nach Altersgruppen gestaffelte Sozialauswahl ist auch nach Einführung des AGG weiterhin zulässig, schon weil der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur des Betriebes gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG auch legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist.426 Berechtigte betriebliche Interessen können auch reine Nützlichkeitserwägungen sein, sofern sie betrieblich begründet sind, wie zB die Vermeidung von Ablaufstörungen bei einer Massenentlassung.427 Der Arbeitgeber muss jedoch jeweils das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abwägen,428 was die Handhabung im Ergebnis deutlich erschwert. Die hohe Krankheitsanfälligkeit eines sozial schwächeren Arbeitnehmers begründet für sich 421 BAG v. 18.10.1984, BB 1985, 1263. 422 BAG v. 9.11.2006, AP Nr. 87 zu § 1 KSchG Betriebsbedinge Kündigung m. Anm. Lingemann/Beck; so schon zuvor LAG Berlin v. 20.8.2004, NZA-RR 2005, 370; ferner Bauer/Gotham, BB 2007, 1729 ff., wonach die vom BAG aufgestellten Grundsätze auch gelten sollen, wenn die Sozialauswahl ohne Punkteschema durchgeführt wurde, ein vergleichbarer Arbeitnehmer fehlerhaft nicht in die Sozialauswahl einbezogen wurde oder ein Punkteschema fehlerhaft ist. 423 BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 473/05, DB 2007, 922 m. Anm. Lingemann, Beck-FD-ArbR 2007, 221559. 424 Dazu näher Lingemann/Rolf, NZA 2005, 264 ff.; berechtigtes betriebliches Interesse kann für eine Gemeinde, die gesetzlich zum Brandschutz verpflichtet ist, auch der Erhalt der Einsatzmöglichkeit eines Mitarbeiters in der freiwilligen Feuerwehr sein (BAG v. 7.12.2006, NZA-RR 2007, 460). 425 Übersicht über die vom BAG akzeptierten Altersgruppen bei Lingemann/Otte, NZA 2016, 65; unter Geltung des AGG akzeptiert: (1) drei Gruppen 30–40 Jahre, 41–50 Jahre, 50–60 Jahre (BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 387/06, NZA 2008, 405); (2) fünf Gruppen: bis zum vollendeten 25. Lebensjahr, von 25 bis 35 Jahre, von 35 bis 45 Jahre, von 45 bis 55 Jahre, ab 55 Jahre (BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361 ); (3) fünf Gruppen: bis zum 30. Lebensjahr, 31 bis 40 Jahre, 41 bis 50 Jahre, 51 bis 60 Jahre, ab 61 Jahre (BAG v. 12.3.2009 – 2 AZR 418/07, NZA 2009, 1023); (4) vier Gruppen: 25–34 Jahre, 35–44 Jahre, 45–54 Jahre, älter als 54 Jahre (BAG v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, NZA 2012, 1044), vgl. auch oben Rz. 130 ff. 426 Oben Rz. 130; BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361; hierzu auch Schiefer, DB 2009, 733, 735; PWW/Lingemann, § 10 AGG Rz. 25. 427 BAG v. 5.12.2002 – 2 AZR 697/01, DB 2003, 1909; demgegenüber stellt das LAG Berlin mit Urteil v. 9.5.2003 – 6 Sa 42/03, DB 2003, 1632, strenge Anforderungen an die Herausnahme von Leistungsträgern nach der bis 31.12.2003 geltenden Gesetzesfassung. 428 BAG v. 31.5.2007 – 2 AZR 306/06, NZA 2007, 1362; v. 12.4.2002, AP Nr. 56 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl zu der von 1996 bis 1999 geltenden ähnlichen Fassung des Gesetzes; krit. Lingemann/ Rolf, NZA 2005, 264, 265 f.

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allein noch kein berechtigtes betriebliches Interesse, einen vergleichbaren Arbeitnehmer mit geringeren Fehlzeiten weiterzubeschäftigen.429 Diese Abwägung kann auch nicht mit Hilfe von Auswahlrichtlinien erleichtert werden.430 d) Darlegungs- und Beweislast Die Beweislast für die inner- oder außerbetrieblichen Gründe und für den daraus konkret resultierenden Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze (Rz. 103 ff.) trägt in vollem Umfang der Arbeitgeber. Wendet der Arbeitnehmer anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen ein (Rz. 113 ff.), so muss er dartun, wie er sich eine solche Weiterbeschäftigung vorstellt.431 Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, dass es einen entsprechenden freien Arbeitsplatz im Unternehmen nicht gibt. Die Beweislast für eine Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG (Rz. 122 ff.) trägt zwar der Arbeitnehmer, den Arbeitgeber trifft jedoch – soweit nicht eine Namensliste gem. § 1 Abs. 5 KSchG vorliegt – eine erweiterte Vortragslast. Er muss die Kriterien für die von ihm vorgenommene Sozialauswahl darlegen, ferner, welche Arbeitnehmer er einbezogen hat. Der Arbeitgeber kann hinsichtlich der relevanten Sozialdaten auf die Eintragungen in der (früher Lohnsteuerkarte, heute wohl eher Lohnbuchhaltung vertrauen, sofern er keinen Anlass zu der Annahme hat, sie könnten nicht zutreffen; er muss dem Betriebsrat dann auch nur die daraus ersichtlichen Sozialdaten im Anhörungsschreiben mitteilen.432 Ob die Zulässigkeit der Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung jedenfalls nach Ablauf von sechs Monaten – also nach Erwerb des Schwerbehindertenschutzes der §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF433 – auch eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers begründet, vor Ausspruch einer Kündigung danach zu fragen, ist offen. Die Voraussetzungen für die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG muss der Arbeitgeber beweisen,434 ebenso das Vorliegen berechtigter betrieblicher Bedürfnisse zum Erhalt der Personalstruktur. Dazu muss er im Einzelnen darlegen, welche konkreten Nachteile sich ergeben würden, wenn er die zu kündigenden Arbeitnehmer allein nach dem Maßstab des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG auswählen würde.435 Auch insoweit gilt im Prozess eine abgestufte Darlegungsund Beweislast.436 Allerdings gelten bei Massenentlassungen iSv. § 17 KSchG437 – und möglicherweise selbst hier nur eingeschränkt438 – Erleichterungen bei der Vortragslast: das berech429 § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG soll keine Negativauswahl ermöglichen (BAG v. 31.5.2007 – 2 AZR 306/06, NZA 2007, 1362). Etwas anderes soll jedoch dann gelten, wenn aufgrund der besonderen Arbeitsaufgaben oder Tätigkeitsanforderungen ein kurzfristiger Einsatz von Vertretungskräften für den erkrankten Arbeitnehmer nur schwer möglich ist. Zum umgekehrten Fall besonders niedriger Fehlzeiten Gille/Vahle, NZA 2013, 534. 430 BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, NZA 2008, 1120; vgl. auch oben Rz. 130; dafür jedoch Lingemann/ Rolf, NZA 2005, 264, 265 ff. 431 BAG v. 20.1.1994, BB 1994, 1084; v. 3.2.1977, BB 1977, 849; Löwisch/Buschbaum, BB 2010, 1789 zur Darlegungslast bei betriebsbedingten Kündigungen aufgrund Auftragsrückgang. 432 BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 405/06, DB 2008, 1688. 433 BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10, NZA 2012, 555; dazu Schrader/Siebert, ArbAktuell 2012, 157. 434 BAG v. 25.4.1985, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 35. 435 BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 468/08, NZA 2010, 1059; v. 20.4.2005, DB 2005, 1691; nach der Entscheidung des BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361 bei der Altersgruppenbildung möglicherweise auch, dass die Erhaltung der Altersstruktur wesentliche Voraussetzung für die konkrete berufliche Tätigkeit ist (Einzelheiten oben Rz. 50 ff., 134). 436 BAG v. 21.7.1988 – 2 AZR 75/88, NZA 1989, 264; v. 24.3.1983, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 437 Kritisch zu dieser Differenzierung Lingemann/Otte, NZA 2016, 65. 438 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 478/13, NZA 2015, 1122: „zumindest dann, wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeit-

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tigte betriebliche Bedürfnis an dem Erhalt der Altersstruktur wird – widerleglich – vermutet.439 e) Interessenausgleich mit Namensliste 136

Sind bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, § 1 Abs. 5 KSchG. Die Vermutungswirkung bezieht sich auch auf die fehlende anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit; sie ist allerdings dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn eine Mitprüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten durch den Betriebsrat tatsächlich nicht stattgefunden hat.440 Eine Namensliste nur über einen Teil des geplanten Stellenabbaus reicht nicht aus, die Betriebsparteienmüssen sich vielmehr über die gesamte geplante Betriebsänderung in dem Interessenausgleich verständigt haben.441 Daher reicht bei einem Personalabbau in Wellen eine Namensliste nur für eine Welle nicht aus.442 Der Arbeitgeber hat die Vermutungsgrundlage darzulegen, nämlich das Vorliegen einer für die Kündigung des Arbeitnehmers kausalen Betriebsänderung nach § 111 BetrVG sowie die ordnungsgemäße Bezeichnung des Arbeitnehmers im Interessenausgleich.443 Die soziale Auswahl kann dann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden, § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.444 Dies gilt nicht nur für die Gewichtung der Sozialindikatoren selbst, sondern auch für die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen.445 Der Arbeitnehmer, der sich auf einen davon abweichenden Sachverhalt beruft, trägt aufgrund dieser Vermutung also die volle Beweislast.446 Verstößt die Namensliste gegen Vorschriften des AGG, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Namensliste und zu einem Wegfall der Vermutungswirkung hinsichtlich der Betriebsbedingtheit, jedoch kann die Sozialauswahl grob fehlerhaft sein.447

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Die Namensliste muss von den Betriebsparteien gesondert unterschrieben werden und ausdrücklich Bezug auf den Interessenausgleich nehmen.448 Andernfalls muss der Interessenausgleich auf die Namensliste ausdrücklich Bezug nehmen und mit ihr körperlich derart verbun-

439 440 441 442 443 444 445 446 447

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nehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht“; eine solche weitere Einschränkung ist nicht gerechtfertigt, Einzelheiten und Kritik bei Lingemann/Otte, NZA 2016, 65. BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 468/08, NZA 2010, 1059. BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, NZA 2013, 559, Rz. 16; v. 6.9.2007 – 2 AZR 715/06, NZA 2008, 633. BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 182/15, NZA 2016, 1072. BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 182/15, NZA 2016, 1072; offen ist, ob das nur gilt, wenn die einzelne Welle die Schwellenwerte des § 111 BetrVG iVm. § 17 KSchG nicht erreicht. BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, NZA 2013, 559, Rz. 16; v. 31.5.2007 – 2 AZR 254/06, NZA 2007, 1307. BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 483/11, NZA 2013, 94; Einzelheiten bei Lingemann/Rolf, NZA 2005, 264 ff. BAG v. 21.9.2006, NZA 2007, 1319. Vgl. aber oben Rz. 130 für die Vermutungswirkung einer Auswahlrichtlinie im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 KSchG. BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 516/11, NZA 2013, 559; für eine Erstreckung der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG auch auf die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung, Gehlhaar, DB 2008, 1496. BAG v. 5.11.2009, – 2 AZR 676/08, NZA 2010, 457, Rz. 15; Die Bildung von Altersgruppen in einer Betriebsvereinbarung zur Sozialauswahl verstößt allerdings nicht gegen das AGG, vgl. BAG v 12.3.2009, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 17; v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361 sowie oben Rz. 130. BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 551/08, NZA 2011, 114. 115; BAG v. 21.1.2002, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 10.

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den sein, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung möglich wäre, also typischerweise durch Klammern mittels Heftmaschine.449 Die Dokumente müssen im Zeitpunkt der Unterzeichnung bereits zusammengeheftet sein, eine Zusammenheftung erst danach genügt dem Schriftformerfordernis nicht (!).450 Wird eine Namensliste erst nach Abschluss des Interessenausgleichs vereinbart, so muss der von den Betriebsparteien unterschriebene Interessenausgleich auf die zu erstellende Namensliste Bezug nehmen und die von beiden Betriebspartnern unterzeichnete Namensliste ihrerseits ausdrücklich auf den zuvor vereinbarten Interessenausgleich.451 Nach § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG gilt die durch die Namensliste begründete Vermutung für die Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht, wenn sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Damit sollen die Fälle erfasst werden, in denen sich nach Zugang der Kündigung452 die Planung ändert oder unvorhergesehen andere Arbeitnehmer ausscheiden.453 Hierfür reicht es allerdings nicht aus, wenn sich lediglich die individuellen Beschäftigungsmöglichkeiten für einen in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer geändert haben; erforderlich ist vielmehr, dass sich die Zahl der zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmer insgesamt erheblich vermindert oder gar keine Betriebsänderung mehr durchgeführt werden soll.454

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f) Betriebsratsanhörung Im Rahmen der Betriebsratsanhörung sind dem Betriebsrat der Arbeitsplatzwegfall und der innerbetriebliche oder außerbetriebliche Grund für den Arbeitsplatzwegfall mitzuteilen, ferner die Kriterien für die Sozialauswahl und die einbezogenen Arbeitnehmer und damit die Gründe für die getroffene Sozialauswahl. Zwar muss der Arbeitgeber die Sozialdaten der Arbeitnehmer, die er nicht für vergleichbar hält, nicht von vornherein mitteilen.455 Eine Mitteilungspflicht der sozialen Gesichtspunkte besteht auch nicht vorsorglich gegenüber dem Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber eine Sozialauswahl für nicht erforderlich hält.456 Wird der Betrieb insgesamt stillgelegt, so müssen in der Betriebsratsanhörung nicht Familienstand und Unterhaltspflichten der zu kündigenden Arbeitnehmer mitgeteilt werden.457 449 BAG v. 6.12.2001, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 9; v. 7.5.1998, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 450 BAG v. 6.7.2006 – 2 AZR 520/05, NZA 2007, 266. 451 BAG v. 12.5.2010 – 2 AZR 551/08, NZA 2011, 114; v. 19.6.2007 – 2 AZR 304/06, NZA 2008, 103, FD-ArbR 2007, 233172 m. Anm. Schuster. 452 BAG v. 21.2.2001, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 8. 453 ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rz. 367. Dies gilt allerdings nicht für den Fall, dass in einem Sozialplan bereits für das freiwillige Ausscheiden von Arbeitnehmern die Regelung getroffen wurde, dass sich hierdurch die Zahl der zu Kündigenden vermindert (BAG v. 12.3.2009, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 17). 454 Die Sachlage muss sich so wesentlich geändert haben, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden kann und der Interessenausgleich in Kenntnis der späteren Veränderung nicht bzw. mit anderem Inhalt abgeschlossen worden wäre (BAG v. 23.10.2008 – 2 AZR 163/07, BB 2009, 1758). 455 Bröhl, BB 2006, 1050, 1056; aA implizit BAG v. 24.2.2000 – 8 AZR 167/99, NZA 2000, 764; Bader, NZA-Beil. 2010, 85, 92; ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 9, wonach soziale Gesichtspunkte auch nicht vorsorglich mitgeteilt werden müssen, wenn der Arbeitgeber eine Sozialauswahl nicht für erforderlich hält, Thüsing/Richardi, § 102 BetrVG Rz. 74. 456 BAG v. 24.2.2000 – 8 AZR 167/99, NZA 2000, 764; implizit auch Bader, NZA-Beil. 2010, 85, 92; ErfK/Kania, § 102 BetrVG, Rz. 9; Thüsing/Richardi, § 102 BetrVG Rz. 74; aA wohl Bröhl, BB 2006, 1050, 1056, der annimmt, eine Mitteilungspflicht bestehe hinsichtlich solcher Arbeitnehmer, bei denen der Betriebsrat vor Einleitung des Anhörungsverfahrens geltend gemacht hatte, sie seinen sozial vergleichbar. 457 BAG v. 13.5.2004, DB 2004, 2327.

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Ob und in welchem Umfang auch das Fehlen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten (Rz. 84 ff.) in der Betriebsratsanhörung darzulegen ist, ist nicht abschließend geklärt.458 Die Mitteilung des Arbeitsplatzwegfalls enthält uE konkludent auch die Angabe, dass keine anderweitigen freien Arbeitsplätze bestehen.459 Die entsprechende Mitteilung an den Betriebsrat ist jedoch zu empfehlen.460 Hat der Betriebsrat vor Einleitung des Anhörungsverfahrens Auskunft über weitere Beschäftigungsmöglichkeiten für den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem konkreten, kürzlich freigewordenen Arbeitsplatz verlangt, so muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat in der Anhörung jedenfalls mitteilen, warum aus seiner Sicht eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz nicht möglich ist.461

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Eine Betriebsratsanhörung kann nicht bereits zu einem Zeitpunkt eingeleitet werden, in dem der Arbeitgeber seine Kündigungsabsicht noch gar nicht verwirklichen will oder kann, weil diese noch unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung steht.462 Eine solche „Vorratsanhörung“ steht im Widerspruch zum Zweck der Betriebsratsanhörung, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen und auf dessen Kündigungsentschluss Einfluss zu nehmen.

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Zulässig ist es allerdings, eine Kündigung und auch die Anhörung auf einen Kündigungsentschluss zu stützen, der alternativ zwei verschiedene Kündigungsarten (Änderungs- und Beendigungskündigung) umfasst.463 Erforderlich ist, dass zum Zeitpunkt der Anhörung der Kündigungssachverhalt für beide Alternativen bereits feststeht und der Kündigungsentschluss unter keinerlei Vorbehalt mehr steht. Die Willensbildung der Arbeitgebers muss abgeschlossen sein. Dem Betriebsrat müssen sämtliche die Entscheidung des Arbeitgebers zur Kündigung beeinflussende Informationen zur Verfügung gestellt werden.464 In diesem Fall widerspricht auch eine „Vorratsanhörung“ nicht dem Schutzzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG.465 g) Abfindungsangebot nach § 1a KSchG

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Weist der Arbeitgeber darauf hin, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist, und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG eine Abfindung gem. § 1a Abs. 2 KSchG beanspruchen kann, so entsteht der Abfin458 BAG v. 17.2.2000, BB 2000, 1408: Bei fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit genügt in der Regel der ausdrückliche oder konkludente Hinweis auf das Fehlen. Das BAG lässt zwar auch einen „stillschweigenden Hinweis“ auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausreichen (BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 208/05, BB 2006, 1572), in der Praxis wäre das bloße Weglassen eines Hinweises jedoch riskant. 459 Vgl. auch ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 9; Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rz. 72; Ascheid/Preis/ Koch, § 102 BetrVG Rz. 110. 460 Einschränkend LAG Hessen v. 24.1.2000, BB 2000, 1944 bei Betriebsschließung. 461 BAG v. 17.2.2000, BB 2000, 1408. 462 BAG v. 27.11.2003, NZA 2004, 752; v. 22.4.2010, NZA-RR 2010, 583. 463 BAG v. 22.4.2010, NZA-RR 2010, 583. 464 BAG v. 22.4.2010, NZA-RR 2010, 583. 465 Das BAG hat dies akzeptiert in einem Fall, in dem der Betrieb des Veräußerers auf einen Erwerber an einem anderen Ort nach § 613a BGB überging. Beim Veräußerer verblieb kein Betrieb oder Betriebsteil. Der Arbeitgeber beabsichtigte daher, (1) für den Fall, dass der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang nicht widerspricht, ihm eine Änderungskündigung, gerichtet auf die Aufnahme der Tätigkeit beim Erwerber an einem anderen Ort, auszusprechen, und (2) für den Fall, dass er widerspricht, eine Beendigungskündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes beim Veräußerer. Zu beiden Kündigungen hörte er den Betriebsrat an. In diesem Fall bietet es sich an, für den Fall der Änderungskündigung auch gleichzeitig die Zustimmung nach § 99 BetrVG einzuholen (so auch im Fall BAG v. 22.3.2010, NZA-RR 2010, 583, vgl. Sachverhalt im Berufungsurteil LAG Hamburg v. 24.7.2008 – 7 Sa 33/08), vgl. M 22.16.

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dungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer die Klagefrist verstreichen lässt und die Kündigungsfrist abgelaufen ist.466 Die Höhe der Abfindung beträgt gem. § 1a Abs. 2 KSchG 0,5 Monatsverdienste (nach § 10 Abs. 3 KSchG) für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses; ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten wird auf ein volles Jahr aufgerundet. Der Abfindungsanspruch entsteht auch dann in der gesetzlichen Höhe, wenn der Arbeitgeber informatorisch einen niedrigeren Abfindungsbetrag gegenüber dem Arbeitnehmer nennt, denn einen Hinweis auf die konkrete Höhe der Abfindung verlangt § 1a KSchG nicht.467 § 1a KSchG gewährt keinen unabdingbaren Mindestabfindungsanspruch; einzelvertraglich kann sowohl eine höhere als auch eine niedrigere Abfindung vereinbart werden.468 Klageerhebung und spätere Klagerücknahme stehen dem „Verstreichenlassen“ ebenso wenig gleich wie ein Antrag auf spätere Zulassung, der zurückgewiesen wird.469 Der Anspruch auf Abfindung entsteht nach dem Zweck der Regelung, gerichtliche Auseinandersetzungen über die Kündigung zu vermeiden, vielmehr nur, wenn der Arbeitnehmer die Gerichte gegen die Kündigung nicht anruft.470 Gibt der Arbeitgeber den Hinweis nicht, entsteht gleichfalls kein Abfindungsanspruch. § 1a KSchG gilt jedoch nicht für Sozialplanleistungen.471 Sie dürfen daher nicht von einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden; zulässig ist dies nur in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung, die zusätzlich zu einem § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG genügenden Sozialplan geschlossen wird.472 Kollektivrechtlich kann vereinbart werden, dass die Abfindung gem. § 1a KSchG auf kollektivrechtlich begründete Ansprüche zum Ausgleich von Nachteilen aus einer Betriebsänderung anzurechnen sind, da auch § 1a KSchG dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile aufgrund des Arbeitsplatzverlustes dient.473

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6. Außerordentliche Kündigung Der Arbeitsvertrag kann aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund deren dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann, § 626 Abs. 1 BGB.474 Auch bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers muss ein wichtiger Grund vorliegen.475 466 Vor Ablauf der Kündigungsfrist ist er nicht vererblich (BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 45/06, NJW 2007, 3086). 467 BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 340/06, NZA 2007, 1357: Durch Auslegung muss ermittelt werden, ob ein Abfindungsangebot lediglich als Hinweis auf den gesetzlichen Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG zu werten ist oder als hiervon unabhängiges Angebot auf Abschluss einer Abfindungsvereinbarung. 468 BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 807/06, DB 2008, 1276. Der Arbeitgeber muss jedoch seinen Willen, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot zu unterbreiten, unmissverständlich im Kündigungsschreiben erklären; bei deutlicher Abweichung (etwa nur die Hälfte der nach § 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG genannten Höhe) spricht jedoch viel für ein nur individuelles Vertragsangebot (BAG v. 10.7.2008 – 2 AZR 209/07, DB 2009, 124). 469 BAG v. 13.12.2007, NZA 2008, 696. 470 ErfK/Oetker, § 1a KSchG Rz. 14. 471 BAG v. 31.5.2005, DB 2005, 1967. 472 BAG v. 10.2.2009, AP Nr. 199 zu § 112 BetrVG 1972; v. 31.5.2005, DB 2005, 1967. 473 BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 340/06, NZA 2007, 1357. 474 S. etwa BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 517/14, NZA 2015, 1180, Rz. 20. 475 BAG v. 12.3.2009 – 2 AZR 894/07, NZA 2009, 840. Im konkreten Fall war allerdings die Berufung des Arbeitnehmers auf die Unwirksamkeit der Kündigung treuwidrig, da die vorherige Kündigungserklärung Ausdruck einer ernsthaften und endgültigen Lösungsabsicht war.

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Im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung wird eine außerordentliche Kündigung in der Regel fristlos ausgesprochen. Das ist aber nicht zwingend. Der Arbeitgeber kann die Kündigung auch – etwa aus sozialen Erwägungen – unter Gewährung einer Auslauffrist erklären, ohne damit zugleich auf sein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu verzichten.476 Auch betriebsbedingte Gründe können eine solche Kündigung rechtfertigen.477 Stets ist zu prüfen, ob der Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung darzustellen. Ist das der Fall, so kommt es in einem zweiten Schritt darauf an, ob bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt und somit verhältnismäßig ist.478 Dabei sind alle Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können Bedeutung gewinnen.479 Zu berücksichtigen sind ferner regelmäßig das Gewicht und die Auswirkung einer Vertragspflichtverletzung (etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen), der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn dem Arbeitgeber angesichts der Gesamtumstände sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Die außerordentliche Kündigung ist daher unwirksam, wenn schon eine ordentliche Kündigung geeignet war, das Risiko künftiger Störungen zu vermeiden.480

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Der bei weitem häufigste Fall ist die verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung. Die Zahl der in Betracht kommenden Kündigungsgründe ist kaum übersehbar.481 Als wichtiger Grund „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden (Verdachtskündigung, dazu Rz. 66).482

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Beispielhaft für wichtige Kündigungsgründe sind aus der jüngeren Rechtsprechung zu nennen: der Verstoß eines Berufskraftfahrers gegen das absolute Alkoholverbot bei Gefahrguttransporten, die unbefugte Aneignung und Vervielfältigung von Betriebsunterlagen,483 Ankündigung einer künftigen Arbeitsverweigerung484 bzw. beharrliche Arbeitsverweigerung als solche,485 eine grobe Beleidigung bzw. üble Nachrede gegenüber dem Arbeit476 BAG v. 13.5.2015, AP BGB § 626 Nr. 254; Anm. Merten, ArbRAktuell 2015, 530. 477 BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 650/14, NZA 2016, 630; v. 24.9.2015 – 2 AZR 562/14, NZA 2016, 366; v.18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315. 478 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 517/14, NZA 2015, 1180; v. 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, NZA 2011, 571; v. 27.1.2011 – 2 AZR 825/09, NJW 2011, 2231; v. 27.4.2006 – 2 AZR 415/05, NZA 2006, 1033, 1034; BGH v. 20.6.2005 – II ZR 18/03, DB 2005, 1849, 1850. 479 BAG v. 27.4.2006 – 2 AZR 415/05, NZA 2006, 1033. Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil VI, Rz. 21 ff. 480 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 517/14, NZA 2015, 1180, Rz. 21. 481 Vgl. die Zusammenstellungen bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil VI, Rz. 10 ff.; Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 125 Rz. 56 und § 125 Rz. 135; PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 7 ff. sowie oben Rz. 53 ff. mwN. Allgemein zur außerordentlichen Kündigung in der Rspr. des BAG Schulte Westenberg, NZA-RR 2015, 225. 482 BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243, Rz 16. 483 BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258, Rz. 32. 484 LAG Nürnberg v. 16.10.2007 – 7 Sa 233/07, NZA-RR 2008, 68. 485 BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat er das Risiko eines Rechtsirrtums selbst bei entsprechend eingeholtem Rechtsrat zu tragen. Der Arbeitnehmer kann sich einem vertragsgemäßen Arbeitsverlangen des Arbeitgebers nicht dadurch entziehen, dass er ein gerichtliches Verfahren zur

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geber486 oder dessen Prozessbevollmächtigen,487 Spesen- oder Arbeitszeitbetrug,488 Diebstahl – auch geringwertiger Sachen,489 die Ankündigung einer künftigen Erkrankung als Drohmittel,490 die Drohung für den Fall des Beharrens auf einer beabsichtigten oder erklärten Kündigung,491 der Entzug der gesetzlichen Fahrerlaubnis bei einem Berufskraftfahrer,492 die eigenmächtige Verlängerung eines Freistellungszeitraumes,493 die unterlassene Information über die Inhaftierung des Arbeitnehmers in Untersuchungshaft bei Hinzutreten weiterer Umstände,494 die unberechtigte Berufung auf Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrechte,495 die Manipulation von Fleischmindesthaltbarkeitsdaten,496 die Ausübung von Nebentätigkeiten ohne die erforderlichen Genehmigung,497 der versuchte Prozessbetrug durch bewusst wahrheitswidrigen Vortrag im Kündigungsschutzprozess,498, die Nutzung dienstlicher Ressourcen zur Herstellung privater Raubkopien,499 die sexuelle Belästigung500 oder der sexuelle Missbrauch am Arbeitsplatz,501 Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen,502 eigenmächtiger Urlaubsantritt503, die Verweigerung verpflichtender Überstunden504 oder der Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot.505 Erforderlich ist jeweils die objektive und rechtswid-

486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502

503 504 505

Klärung der umstrittenen Frage einleitet. Bei fehlender ausdrücklicher Vereinbarung im Arbeitsvertrag richtet sich die Dauer der Arbeitszeit regelmäßig nach der betriebsüblichen Arbeitszeit. BAG v. 18.12.2014 – 2 AZR 265/14, NZA 2015, 797; v. 31.7.2014 – 2 AZR 505/13, NZA 2015, 245, Rz. 40 ff. Allerdings ist zugunsten des Arbeitnehmers sein Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu berücksichtigen, das im Zweifel Vorrang hat. LAG Köln v. 23.1.2014 – 7 Sa 97/13, juris, m. Anm. Merten, ArbRAktuell 2014, 468. BAG v. 9.6.2011 – 2 AZR 381/10, NJW 2011, 2905; v. 6.9.2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636. BAG v. 31.7.2014 – 2 AZR 407/13, NZA 2015, 621, Rz. 27; v. 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025; ausnahmsweise milder v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227; Fuhlrott, ArbRAktuell 2012, 498. BAG v. 12.3.2009 – 2 AZR 251/07, NZA 2009, 779 zum Fall einer entsprechenden Ankündigung als Reaktion auf eine nicht erfolgte Urlaubsgewährung. BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, NZA 2014, 1258, nicht aber, wenn der Arbeitnehmer sich bei zweifelhafter Rechtslage dem Arbeitgeber gegenüber auf einen objektiv vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt, um diesen zum Einlenken in einem Kündigungsschutzprozess zu bewegen. BAG v. 5.6.2008, DB 2009, 123. LAG Nürnberg v. 17.1.2007, NZA-RR 2007, 404 zum Sonderurlaub nach BAT. BAG v. 26.3.2015, NZA 2080, 118, Anm. Krieger, ArbRAktuell 2015, 483. BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, NZA 2016, 417, Anm. Bauer, ArbRAktuell 2016, 190. LAG Köln v. 19.1.2009, NZA-RR 2009, 368. BAG v. 18.9.2008, DB 2009, 743; v. 19.4.2007, NZA-RR 2007, 571 für den Bereich des öffentlichen Dienstes. BAG v. 8.11.2007, DB 2009, 1024. BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 85/15, BB 2016, 505, m. Anm. Diller, ArbRAktuell 2015, 376. BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 615/13, NZA 2015, 294. BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 865/13, NZA 2015, 353; v. 9.6.2011 – 2 AZR 381/10, NJW 2011, 2905. Bei einer erheblichen aktiven Beteiligung kann auch schon ein einmaliger Vorfall ohne vorherige Abmahnung einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen (BAG v. 18.9.2008 – 2 AZR 1039/06, DB 2009, 964). Dies gilt auch dann, wenn die Tätlichkeiten außerhalb des Betriebes erfolgten und ausschließlich familiär bedingt waren (LAG Schl.-Holst. v. 6.1.2009 – 5 Sa 313/08, DB 2009, 967). LAG Hamm v. 17.10.2007 – 2 Sa 43/07, NZA-RR 2008, 294. LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 18.12.2014 – 5 TaBV 7/14, juris. BAG v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, NZA 2015, 429; v. 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, DB 2008, 2544. Nach dem BAG rechtfertigt eine Konkurrenztätigkeit jedoch „in der Regel“ keine negative Verhaltensprognose, wenn die Konkurrenztätigkeit erst durch eine unwirksame Kündigung ausgelöst wurde. Das ist aber in der Praxis eben diejenige Konstellation, die typischerweise zum Ausspruch weiterer außerordentlicher Kündigungen führt. Die Interessenabwägung geht dann meist zulasten des Arbeitsgebers aus, was die Kündigung unwirksam macht.

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Beendigungskündigung

rige Verletzung einer Vertragspflicht, die jedoch nicht zwingend schuldhaft sein muss.506 Für Tendenzträger bestehen gesteigerte Rücksichtnahmepflichten, so dass die außerordentliche Kündigung hier eher gerechtfertigt ist als bei einem anderen Arbeitnehmer.507 Auf eine Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist muss der Arbeitgeber sich nicht verweisen lassen.508 Eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung rechtfertigt nicht unbedingt die außerordentliche Kündigung.509 Außerdienstliche Verhaltensweisen können einen nicht zu rechtfertigenden wichtigen Kündigungsgrund abgeben. Das gilt nicht nur bei Straftaten, auch sittliche Verfehlungen genügen, soweit damit zB der Verkündungsauftrag der Kirche in Frage gestellt wird.510 149

Eine außerordentliche Kündigung aus personenbedingten Gründen kommt letztlich nur in Form einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist bei tariflich oder vertraglich unkündbaren Arbeitnehmern in Betracht.511 In diesem Fall kann etwa Arbeitsunfähigkeit infolge dauerhafter Krankheit oder häufiger Kurzerkrankungen ein wichtiger Grund iSd. § 626 BGB sein, wenn der Arbeitgeber ansonsten bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – ggf. über Jahre hinweg – erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte, ohne dass dem nennenswerte Arbeitsleistungen gegenüberständen, das Arbeitsverhältnis also „sinnentleert“ wäre;512 eine verbleibende Einsatzmöglichkeit von gut einem Drittel der Jahresarbeitszeit steht einer solchen Kündigung entgegen.513 Personenbedingter Kündigungsgrund kann auch ein Eignungsmangel sein, zB aufgrund strafbaren außerdienstlichen Verhaltens.514

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Ebenso liegt es bei der betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung. Sie muss nicht von äußeren Faktoren „erzwungen“ sein, sondern kann auch auf einer unternehmerischen Entscheidung beruhen515, beispielsweise einer Betriebsstilllegung516 oder Umstrukturierung517 oder einem Betriebsübergang, dem der Arbeitnehmer gem. § 613a Abs. 5 BGB widersprochen hat.518 Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber ihn anderenfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Eine Vergütungspflicht für ein Jahr mit anschließender einjähriger Kündigungsfrist reicht dazu nicht aus. Der Arbeitgeber muss darlegen, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis – und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen und dazu ggf. sogar auf Gesellschafterebene aktiv werden.519 506 BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784, 786; v. 21.1.1999 – 2 AZR 665/98, NZA 1999, 863; etwas anders BAG v. 21.1.1999, DB 1999, 1400. 507 BAG v. 23.10.2008, NZA-RR 2009, 362 zur Kündigung einer Redakteurin als Reaktion auf eine Gegendarstellung auf eine Veröffentlichung in der eigenen Presse des Arbeitgebers. 508 BAG v. 11.3.1999 – 2 AZR 507/98, NZA 1999, 587. 509 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 517/14, NZA 2015, 1180. 510 BAG v. 26.9.2013 – 2 AZR 741/12, NZA 2014, 529 zu sexuellen Handlungen eines Kirchenmusikers mit einer Minderjährigen. 511 BAG v. 6.10.2005, DB 2005, 1278; v. 13.5.2004 – 2 AZR 36/04, NZA 2004, 1271; v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99, DB 2001, 338. 512 BAG v. 20.3.2014, NZA-RR 2015, 16; v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962. 513 BAG v. 20.3.2014, NZA-RR 2015, 16; v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962. 514 BAG v. 10.4.2014, NZA-RR 2015, 22. 515 BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 480/14, NZA 2015, 1315. 516 BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 474/12, ArbRAktuell 2014, 327 m. Anm. Merten; v. 24.1.2013, DB 2013, 1365; v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, BB 2013, 1533; v. 5.2.1998, DB 1998, 1025; v. 28.3.1985 – 2 AZR 113/84, NZA 1985, 559. 517 BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139. 518 BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 783/13, NZA 2015, 866, Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 351. 519 BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895; v. 20.6.2013 – 2 AZR 379/12, NZA 2014, 139.

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Beendigungskündigung

Rz. 154 Kap. 22

Vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist ist der Betriebsrat zwar nach den Grundsätzen für eine ordentliche Kündigung anzuhören:520 der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat jedoch gleichzeitig darlegen, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist handelt und wohl auch die Tatsachen mitteilen, aus denen sich ergibt, wann die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begonnen hat.

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Die Kündigungsgründe des § 626 Abs. 1 BGB können nicht einzelvertraglich erweitert werden.521 Auch eine Einschränkung ist regelmäßig unwirksam, jedenfalls soweit sie die Grenzen des Zumutbaren überschreitet.

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Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb der Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.522 Maßgeblich ist dabei die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis dieser Tatsachen. Eine grob fahrlässige Unkenntnis löst die Zwei-Wochen-Frist noch nicht aus. Der Arbeitgeber sollte jedoch, wenn er dringende Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung hat, diesen nachgehen. Denn der Beginn der Zwei-Wochen-Frist ist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhaltes nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile auch durchführt.523 Dabei kann er durchaus auch Detektive einsetzen524, allerdings nur, wenn der Verdacht auf konkreten Tatsachen beruht; anderenfalls drohen Schmerzensgeldansprüche.525 Die Kenntnis von nicht kündigungsberechtigten Personen kann ausnahmsweise zugerechnet werden, wenn diese eine herausgehobene Stellung bekleiden und ein schuldhafter Organisationsmangel vorliegt, der zu einer verspäteten Kenntnisnahme durch den Kündigungsberechtigten geführt hat.526

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Eine Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung besteht aber nicht, es sei denn, es handelt sich um eine Verdachtskündigung (dazu Rz. 64 ff.). Bei einer Verdachtskündigung kann der Arbeitgeber zudem den Fort- bzw. Ausgang des Strafverfahrens abwarten, solange er den Zeitpunkt für den Ausspruch der Kündigung nicht willkürlich wählt.527 Die Zwei-Wochen-Frist wird auch nicht durch die Drei-Tage-Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG zur Anhörung des Betriebsrats gehemmt. Der Arbeitgeber muss bei einer außerordentlichen Kündigung daher rechtzeitig vor Fristablauf auch den Betriebsrat anhören.

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520 BAG v. 18.1.2001, DB 2002, 100, 101; v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99, DB 2001, 338, 339. 521 Vgl. BAG v. 22.11.1973, BB 1974, 463; LAG Nürnberg v. 26.4.2001 – 8 Sa 770/00, BB 2001, 1906. 522 BAG v. 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, DB 2008, 2544; v. 17.3.2005 – 2 AZR 245/04, NZA 2006, 101, 1055; Einzelheiten bei PWW/Lingemann, § 626 BGB Rz. 13 ff. 523 BAG v. 17.3.2005 – 2 AZR 245/04, NZA 2006, 101, 105; v. 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, NZA 1991, 141. 524 Dazu Lingemann/Göpfert, DB 1997, 374. 525 BAG v. 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13, NZA 2015, 994, Anm. Krieger; v. 17.3.2015 – 9 AZR 994/13, NJW 2015, 2752. 526 BAG v. 23.10.2008 – 2 AZR 388/07, DB 2009, 572. 527 Im Einzelnen Rz. 64 ff.; der Arbeitgeber kann insbesondere die Erhebung der öffentlichen Klage abwarten, wenn er meint, erst zu diesem Zeitpunkt einen ausreichenden Kenntnisstand für eine Kündigung zu haben, denn auch für den Ausspruch einer Verdachtskündigung kann es mehrere in Betracht kommende Zeitpunkte geben (BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 25/07, DB 2008, 2312). Auch kann der Arbeitgeber die rechtskräftige Verurteilung abwarten und dann eine Tatkündigung aussprechen. Zur Fristberechnung bei der Verdachtskündigung auch Langner/Witt, DStR 2008, 825, 826. Auch wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zu Beginn der Ermittlungen schon einmal gekündigt hat, ist er dadurch nicht gehindert, eine erneute Kündigung auf eine veränderte Tatsachengrundlage zu stützen (BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 732/11, NZA 2013, 665).

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Kap. 22 Rz. 155

Beendigungskündigung

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Entstehen fortlaufend neue Tatsachen, die für die Kündigung maßgeblich sind (zB unentschuldigtes Fehlen528), oder liegt ein noch nicht abgeschlossener, länger währender Zustand vor, handelt es sich um einen Dauertatbestand. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt dann nicht vor dessen Beendigung.529 Häufige Kurzerkrankungen können zB ein Dauertatbestand sein, der den Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ständig neu in Gang setzt, sobald und solange sie den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit zulassen und damit eine negative Gesundheitsprognose begründen.530

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Reichen die Kündigungsgründe für eine außerordentliche Kündigung nicht aus, so ist diese regelmäßig von Amts wegen und ohne besonderen Antrag531 in eine ordentliche Kündigung gem. § 140 BGB umzudeuten, es sei denn, dass ein entgegenstehender Wille des Kündigenden erkennbar wäre.532 Auch die Wirksamkeit einer auf dieselben Gründe gestützten ordentlichen Kündigung ist daher zu prüfen. Eine solche Umdeutung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn ein Betriebsrat besteht und dieser nicht auch zu einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung nach § 102 BetrVG angehört wurde (vgl. dazu Rz. 30). Die Umdeutung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist setzt also grundsätzlich die Beteiligung des Betriebsrats nach den für die ordentliche Kündigung geltenden Grundsätzen voraus.533 Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB muss der Kündigende dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen (M 22.8).

157

Entscheidend für die Wirksamkeit der Kündigung sind die Kündigungsgründe, die zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorlagen. Werden weitere Kündigungsgründe erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt, obwohl sie zum Zeitpunkt des Ausspruchs schon vorlagen, so können sie zur Begründung der Kündigung nachgeschoben werden.534 Werden Kündigungsgründe hingegen erst nach dem Kündigungszeitpunkt verwirklicht, so kann darauf nur eine erneute Kündigung gestützt werden.535

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Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet (§ 628 Abs. 2 BGB).536 Kündigt der Arbeitnehmer zu Recht aus wichtigem Grund, besteht also grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch in Höhe der entgangenen Vergütung,537 sowie, wenn das KSchG anwendbar ist, auf eine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG.538 Weniger praxisrelevant ist ein Anspruch des Arbeitgebers auf entgangenen Gewinn bei wirk528 529 530 531 532 533 534

535 536 537 538

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BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, NZA 2014, 533. BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730. BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 582/13, NZA 2014, 962. BAG v. 15.11.2001, DB 2002, 1562. BAG v. 25.10.2012 – 2 AZR 700/11, NZA 2013, 371, Rz. 21; v. 12.5.2010 – 2 AZR 845/08, NZA 2010, 1348, Rz. 40 ff. BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99, DB 2001, 338. BAG v. 16.7.2015 – 2 AZR 85/15, NZA 2016, 161, Rz. 25; v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287; v. 23.5.2013 – 2 AZR 102/12, NZA 2014, 1416, Rz 33; v. 6.9.2007, NZA 2008, 638, Rz. 21; v. 20.6.2005, DB 2005, 1849, 1850; v. 1.12.2003, NZA 2004, 173, 175; v. 4.6.1997 – 2 AZR 362/96, NZA 1997, 1158, 1159 f. Zur erneuten Beteiligung des Betriebsrates, BAG v. 27.1.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798, Rz. 28. BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 631/02, NZA 2004, 919; Einzelheiten zur Wiederholungskündigung Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. PWW/Lingemann, § 628 BGB Rz. 1. Zu Einzelheiten vgl. Kap. 13 Rz. 57 ff. BAG v. 20.11.2003, DB 2004, 1272. Der Entschädigungsanspruch für den Verlust des Bestandsschutzes setzt weiter voraus, dass der Arbeitgeber nicht selbst hätte kündigen können, dh. dass kein Kündigungsgrund iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bestand (BAG v. 26.7.2007 – 8 AZR 796/06, NZA 2007, 1419). Die Grundsätze für eine Begrenzung des Schadensersatzanspruchs aus § 628 Abs. 2 BGB auf den

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samer arbeitgeberseitiger außerordentlicher Kündigung. Ist die außerordentliche Kündigung unwirksam, verletzt sie ihrerseits den Vertrag und kann zu Schadensersatzansprüchen führen. 7. Sonderkündigungsschutz Zu den häufigsten Fällen des Sonderkündigungsschutzes haben wir bereits in den entsprechenden Kapiteln Stellung genommen: Zum Kündigungsschutz Schwerbehinderter nach §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF verweisen wir auf Kap. 16, zum Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG, § 18 BEEG, § 5 PflegeZG und § 9 Abs. 4 FPfZG auf Kap. 17, zum besonderen Kündigungsschutz Auszubildender auf Kap. 8 und zum Kündigungsschutz bei Betriebsübergang auf Kap. 60. Daneben gibt es Sonderkündigungsschutz für freiwillig Wehrdienstleistende nach § 2 ArbPlSchG, Datenschutzbeauftragte nach § 4f Abs. 3 BDSG, Immissionsschutz-, Störfall- oder Gewässerschutzbeauftragte nach §§ 58 Abs. 2 BImSchG, 58d BImSchG, 66 WHG.

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Betriebsratsmitgliedern,539 Ersatzmitgliedern, solange sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied des Betriebsrats vertreten540, sowie Mitgliedern einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats kann nicht wirksam gekündigt oder änderungsgekündigt541 werden, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Maßgeblich ist, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zugemutet werden kann.542 Dieser Kündigungsschutz gilt auch nach Beendigung der Amtszeit noch für einen Zeitraum von einem Jahr vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit gerechnet, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Für Mitglieder des Wahlvorstands und Wahlbewerber543 gilt der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3 KSchG, also ein nachwirkender Kündigungsschutz von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Für bis zu drei Initiatoren einer Wahl zu einer Arbeitnehmervertretung besteht besonderer Kündigungsschutz bis zur Wahl bzw. für drei Monate, wenn keine Wahl erfolgt, vgl. § 15 Abs. 3a KSchG. Während der Schutzzeiten ist nur eine außerordentliche Kündigung zulässig. Für diese gelten die allgemeinen Grundsätze.

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539 540 541 542 543

Zeitraum der fiktiven Kündigungsfrist sowie eine angemessene Vergütung gem. §§ 9, 10 KSchG sind auf den Schadensersatzanspruch eines Arbeitnehmers gegen seinen Rechtsvertreter, durch dessen Verschulden ein Kündigungsschutzprozess verloren geht, nicht übertragbar (BGH v. 24.5.2007 – III ZR 176/06, NZA 2007, 753). Ein dem Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG unterfallender Arbeitnehmer hat keine weitergehenden Ansprüche auf Schadensersatz (BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 623/07, ArbRB 2008, 298). Vgl. BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 825/12, NZA 2014, 1089; v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, NZA 2013, 425. BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 825/12, NZA 2014, 1089; v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, NZA 2013, 425; v. 19.4.2012 – 2 AZR 233/11, NJW 2012, 3740. Das gilt auch für Massenänderungskündigungen (BAG v. 7.10.2004 – 2 AZR 81/04, NZA 2005, 156 ff.). Bei der verhaltensbedingten Kündigung eines Betriebsratsmitglieds scheidet eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist wohl aus; anders ist dies nur bei einer betriebsbedingten Kündigung, vgl. BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 821/06, NZA 2008, 777. Ein Arbeitnehmer, der für das Amt des Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl kandidiert oder vorgeschlagen wird, ist kein „Wahlbewerber“ iSv. § 15 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 KSchG (BAG v. 31.7.2014 – 2 AZR 505/13, NZA 2015, 245, Rz. 24 ff. m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2015, 105).

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Besonderheiten gelten nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG jedoch für die Stilllegung von Betrieben oder Betriebsabteilungen.544 Eine Stilllegung liegt auch dann vor, wenn im Kündigungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass eine eventuelle Wiederaufnahme der Produktion erst nach einem längeren, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum erfolgen kann, dessen Überbrückung mit weiteren Vergütungszahlungen dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann.545 Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig, es sei denn, dass ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 15 Abs. 4 KSchG).546

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Ist eine der genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen (§ 15 Abs. 5 KSchG). Notfalls muss der Arbeitgeber die Übernahme durch Freikündigen eines geeigneten Arbeitsplatzes sicherstellen.547 Ist ein gleichwertiger Arbeitsplatz nicht vorhanden, muss der Arbeitgeber dem Mandatsträger vor Ausspruch einer Beendigungskündigung die Beschäftigung auf einem geringerwertigen Arbeitsplatz anbieten und hierzu ggf. eine Änderungskündigung aussprechen,548 nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG muss er jedoch keine Beschäftigung auf einem höherwertigen Arbeitsplatz anbieten.549 Nur wenn dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, kann nach § 15 Abs. 4 KSchG wie im Falle einer Stilllegung des Betriebes gekündigt werden (§ 15 Abs. 5 KSchG).

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Auch bei Stilllegung des Betriebes muss der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied einen Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb des Unternehmens anbieten, sofern dieser frei ist.550 Die Kündigungen nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG sind keine außerordentlichen Kündigungen, sondern ordentliche Kündigungen; daher ist auch die Kündigungsfrist einzuhalten. Die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG ist nicht erforderlich, wohl aber die Anhörung nach § 102 BetrVG.

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Beabsichtigt der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung einer der geschützten Personen, ohne dass der Betrieb oder die Betriebsabteilung stillgelegt wird, so bedarf diese zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Vor rechtskräftigem Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens kann die Kündigung nicht ausgesprochen werden. Um die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich nach Kenntnis von den Kündigungsgründen unterrichten. Stimmt der Betriebsrat der Kündigung zu, so muss der Arbeitgeber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Erhalt 544 Zum Sonderkündigungsschutz bei Betriebsstilllegung Werres, NZI 2009, 24. Der Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF gilt ggf. neben § 15 Abs. 4 und 5 KSchG (BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895). 545 BAG v. 21.6.2001, DB 2002, 102. 546 § 15 Abs. 4 und 5 KSchG erklären unter bestimmten Voraussetzungen eine ordentliche Kündigung für zulässig. Die Regelungen senken nicht etwa die Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung ab. Dazu BAG v. 23.1.2014 – 2 AZR 372/13, NZA 2014, 895. 547 BAG v. 12.3.2009 – 2 AZR 47/08, NZA 2009, 1264; v. 2.3.2006 – 2 AZR 83/05, NZA 2006, 988; v. 18.10.2000, DB 2001, 1729. Hierzu ausführlich Leuchten, NZA 2007, 585, insbesondere zur Frage einer Freikündigungsobliegenheit. 548 BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 83/05, NZA 2006, 988. 549 BAG v. 23.2.2010 – 2 AZR 656/08, NZA 2010, 1288. 550 BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 544/04, NZA 2006, 558; v. 13.8.1992 – 2 AZR 22/92, NZA 1993, 224. Sehen kollektivrechtliche Regelungen eine Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern vor, so muss auch einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ein entsprechendes Weiterbeschäftigungsangebot unterbreitet werden (BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 626/05, NZA 2007, 1278).

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der Zustimmung die Kündigung aussprechen. Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Betriebsrats jedoch nicht der Kündigung in Schriftform beifügen.551 Wichtig: Der Arbeitgeber ist gezwungen, den Betriebsrat so zeitig von der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen, dass er bei Verweigerung der Zustimmung noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht beantragen kann (!).552 Hat das Arbeitsgericht die Zustimmung ersetzt, so muss der Arbeitgeber analog § 91 Abs. 5 SGB IX/§ 174 Abs. 5 SGB IX nF unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft die Kündigung aussprechen.553

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8. Annahmeverzug Ist eine Kündigung unwirksam und hat der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers nicht in Anspruch genommen, so drohen Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug.554 Gemäß § 296 BGB befindet sich der Arbeitgeber dann auch ohne ein Angebot zur Arbeitsleistung seitens des Arbeitnehmers im Annahmeverzug.555 Der Arbeitnehmer muss aber während des Annahmeverzugs gem. § 297 BGB leistungsfähig und leistungswillig sein.556 Hieran fehlt es zB für die Zeiten von Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder bei Streikteilnahme,557 bei Ablehnung eines vom Arbeitgeber angebotenen Prozessarbeitsverhältnisses nach Weiterbeschäftigungsurteil erster Instanz;558 oder wenn der Arbeitnehmer die Annahme der angebotenen Prozessbeschäftigung davon abhängig macht, dass der Arbeitgeber auf die Wirkungen der Kündigung verzichtet.559 Kein Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug besteht auch für Zeiten wirksam angeordneter Befreiungen von der Arbeitspflicht zB wegen Urlaubs oder Überstundenabgeltung560, bei einvernehmlicher Freistellung,561 oder wenn die Annahme der Leistung dem Arbeitgeber wegen ungewöhnlich schwerer Verstöße des Arbeitnehmers gegen allgemeine Verhaltenspflichten nicht zumutbar ist.562

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Will der Arbeitgeber während der Freistellung erzielten oder böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienst nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen, muss er sich das vorbehal-

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551 BAG v. 4.3.2004, DB 2004, 1370. 552 BAG v. 22.1.1998 – 2 ABR 19/97, NZA 1998, 708; v. 24.10.1996 – 2 AZR 3/96, NZA 1997, 371; v. 22.8.1974, BB 1974, 1578. 553 Vgl. BAG v. 9.7.1998 – 2 AZR 142/98, NZA 1998, 1273; v. 25.1.1979, BB 1979, 1242. Genauso für den Personalrat: BAG v. 24. 11.2011, NZA-RR 2012, 333, Rz. 30. 554 Vgl. Opolony, BB 2004, 1386; Schier, BB 2006, 2578; PWW/Lingemann, § 615 BGB Rz. 1 ff. 555 BAG v. 21.3.1985 – 2 AZR 201/84, NZA 1985, 778; dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit auf ein Angebot der Arbeitsleistung verzichtet hat, BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 843/14, NZA 2016, 688; ohne vorangegangene Kündigung oder Freistellung ist das Angebot jedoch erforderlich, BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 950/13, BAG v. 24.2.2016 – 4 AZR 950/13; v. 16.4.2013 – 9 AZR 554/11, NZA 2013, 849. 556 Dazu im einzelnen Dimisc, DB 2016, 2176 557 BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 563/11, NZA 2012, 1432 m. Anm. Krieger, ArbRAktuell 2012, 615. Bei Krankheitszeiten besteht höchstens ein Entgeltfortzahlungsanspruch, BAG v. 5.11.2003, AP Nr. 106 zu § 615 BGB. Ein Vergütungsanspruch besteht nur bei besonderer Vereinbarung, BAG v. 23.1.2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595. 558 BAG v. 24.9.2003, NZA 2004, 90. 559 BAG v. 13.7.2005 – 5 AZR 578/04, BB 2006, 50. 560 BAG v. 23.1.2001 – 9 AZR 26/00, NZA 2001, 597. 561 BAG v. 19.3.2002, NZA 2002, 1055; anders für eine einseitig angeordnete Freistellung, BAG v. 23.9.2009 – 5 AZR 518/08, NZA 2010, 781, Rz. 24. 562 BAG v. 16.4.2014 – 5 AZR 739/11, NZA 2014, 1082 – daher kein Annahmeverzug bei Untreuehandlungen von erheblichem Gewicht zu Lasten des Arbeitgebers.

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ten.563 Anzurechnen ist allerdings nur der Zwischenverdienst, der während der Arbeitszeit erzielt wird, in der im Annahmeverzugszeitraum Arbeitsleistungen hätten erbracht werden müssen.564 Eine unterlassene Meldung bei der Arbeitsagentur als Arbeitsuchender stellt kein „böswilliges Unterlassen“ anderweitigen Erwerbs iSd. § 615 Satz 2 BGB dar.565 Entscheidend für die Annahme eines böswilligen Unterlassens ist, dass der Arbeitnehmer eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit nicht wahrnimmt; eine vertraglich nicht geschuldete Arbeit kann dabei nicht zwangsläufig mit einer unzumutbaren Arbeit gleichgesetzt werden, da auch eine objektiv vertragswidrige Arbeit unter Umständen sogar mit einer Verbesserung für den Arbeitnehmer verbunden ist.566 Sofern Annahmeverzug ausnahmsweise wegen anderer als nicht vertragsgemäßer Arbeiten in Betracht kommt und Streit über die Vertragsgemäßheit der Arbeit herrscht, muss der Arbeitnehmer gerade diese Arbeiten wenigstens der Art nach anbieten.567 Auch der Zeitpunkt eines Arbeitsangebotes kann für die Beurteilung der Zumutbarkeit maßgeblich sein: je länger Arbeitsangebot und vorgesehene Arbeitsaufnahme auseinander liegen, desto weniger wird es dem Arbeitnehmer vorzuwerfen sein, wenn er das Angebot ablehnt und sich um eine andere Arbeit bemüht.568 Kein Anspruch auf Annahmeverzugslohn besteht bei bloßer Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht569 oder bei rückwirkender Begründung eines Arbeitsverhältnisses.570 168

Sind Ansprüche auf Annahmeverzugslohn vom Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens abhängig und gleichzeitig einer (tarifvertraglichen) Ausschlussfrist unterstellt, die nur durch gerichtliche Geltendmachung gewahrt wird, wahrt die Bestandsschutzklage zwar die tarifliche Ausschlussfrist,.571 sie unterbricht aber nicht die Verjährung für die Zahlungsansprüche.572 9. Massenentlassungsanzeige

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Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er – in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer, – in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 % der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer, – in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG). Wenn nach fehlerhafter erster Kündigung eine erneute Kündigung ausgesprochen wird, bedarf es auch einer erneuten Anzeige.573 Mehrer nacheinander vorgesehene Massenentlassungen können uU in einer Anzeige zusammengefasst werden.574 563 Zur Freistellung und der Anrechnung anderweitigen Erwerbs Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2011, 363; Nägele, NZA 2008, 1039. 564 BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 425/15, NZA 2016, 687. 565 BAG v. 16.5.2000 – 9 AZR 203/99, NZA 2001, 26. Lediglich tatsächlich bezogenes Arbeitslosengeld wird nach § 11 Nr. 3 KSchG angerechnet. 566 Diese Grundsätze gelten gleichermaßen im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis während des Laufs der Kündigungsfrist als auch nach Ablauf der Kündigungsfrist bei Streit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 7.2.2007 – 5 AZR 422/06, NZA 2007, 561). 567 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 16/08, NZA 2008, 1410. 568 BAG v. 11.10.2006, NZA 2007, 1392. 569 BAG v. 24.6.2015 – 5 AZR 462/14, NZA 2016, 108. 570 BAG v. 19.8.2015 – 5 AZR 975/13, NZA 2015, 1460. 571 BAG v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101. 572 BAG v. 24.6.2015 – 5 AZR 509/13, NZA 2015, 1256, m. Anm. Hoffmann-Remy, NJW 2015, 3598. 573 BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14, NZA 2016, 490. 574 BAG v. 9.6.2015 – 6 AZR 638/15, NZA 2016, 1202.

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Betrieb ist bei einem Unternehmen mit mehreren Betrieben die Einheit, der die von der Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugewiesen sind.575 Maßgeblich für die regelmäßige Arbeitnehmerzahl ist die Beschäftigtenzahl, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist, ggf. auch unter Einschätzung der künftigen Entwicklung.576 Bei einer Betriebsstilllegung kommt es auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung an.577 Die Regelung betrifft nicht nur Beendigungskündigungen, sondern auch Änderungskündigungen578, ferner neben betriebsbedingten auch verhaltens- und personenbedingte Kündigungen. Arbeitnehmer sind auch GmbH-Geschäftsführer579 und Praktikanten580. Anzuzeigen sind wegen Art. 3, 6 GG auch Arbeitnehmer in Elternzeit, auch wenn deren Entlassung wegen des Genehmigungserfordernisses erst außerhalb des 30-Tages-Zeitraumes erfolgt,581 möglicherweise gilt das für alle AReitnehmer, deren Entlassung eine vorherige behördliche Zustimmung erfordert.582 Bei der Berechnung des Schwellenwertes sind auch Arbeitnehmer zu berücksichtigen, bei denen im Zeitpunkt der Massenentlassungsanzeige noch nicht feststeht, dass sie in eine Transfergesellschaft wechseln werden.583 Fristlose Kündigungen werden nur mitgerechnet, sofern sie hilfsweise fristgemäß zum Tragen kommen (vgl. § 17 Abs. 4 KSchG). Die Vorschrift gilt auch für vom Arbeitgeber veranlasste Aufhebungsverträge.584 Diese bleiben so lange unwirksam, wie nicht eine formgerechte Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 3 KSchG bei der Agentur für Arbeit eingereicht und deren Zustimmung eingeholt wird. Grundsätzlich sind auch die Arbeitnehmer mit zu zählen, die auf Veranlassung des Arbeitgebers im Wege der Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und damit einer sonst erforderlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung zuvor gekommen sind.585 Nicht mitzuzählen sind ablaufende Befristungen.586 Wird die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer zu niedrig angegeben, können sich auf diesen Fehler allerdings nur diejenigen Arbeitnehmer berufen, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind.587 Praxistipp: Dem Arbeitgeber ist zu raten, auch alle Mitarbeiter sowie den Geschäftsführer in die Massenentlassungsanzeige aufzunehmen, die einvernehmlich oder im Wege der Eigenkündigung ausscheiden und solche, bei denen nicht feststeht, dass sie in eine Transfergesellschaft wechseln. Ferner sollte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer in der Anzeige individualisieren, damit bei einer zu geringen Anzahl der angezeigten Entlassungen festgestellt werden kann, welche Arbeitnehmer von der Massenentlassungsanzeige erfasst sind und welche nicht.

575 EuGH v. 30.4.2015 – Rs. C-80/14, NZA 2015, 601; Kleinbrink/Commandeur, NZA 2015, 853; Salamon, NZA 2015, 789. 576 BAG v. 31.7.1986 – 2 AZR 594/85, BB 1987, 1608; zu berücksichtigen sind alle Arbeitnehmer unabhängig vom Alter und Umfang ihres Vertrages (EuGH v. 18.1.2007 – Rs. C-385/05, NZA 2007, 193). 577 BAG v. 8.6.1989, BB 1989, 2403. 578 BAG v. 20.2.2014 – 2 AZR 346/12, NZA 2014, 1069. 579 EuGH v. 9.7.2015 – Rs. C-229/14 – Balkaya, NZA 2015, 861. 580 EuGH v. 9.7.2015 – Rs. C-229/14 – Balkaya, NZA 2015, 861. 581 BVerfG v. 8.6.2016 – 1 BvR 3634/13, NZA 2016, 939. 582 Hexel, DB 2016, 2486. 583 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029. 584 BAG v. 19.3.2015 – 8 AZR 119/14, DB 2015, 2029; v. 11.3.1999 – 2 AZR 461/98, BB 1999, 1272; kritisch Bauer/Powietzka, BB 2000, 1073. 585 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029. 586 EuGH v. 13.5.2015, NZA 2015, 669. 587 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029.

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Die Einzelheiten der Massenentlassungsanzeige ergeben sich aus § 17 Abs. 3 KSchG iVm. der Massenentlassungsrichtlinie (MERL)588. Da „Entlassung“ iSv. § 17 KSchG nach der Entscheidung des EuGH v. 27.1.2005589 nicht mehr der Ablauf der Kündigungsfrist, sondern der Ausspruch der Kündigung ist, muss die Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit bereits vor Ausspruch der Kündigung erfolgen.590 Für die Praxis wichtig ist, dass die Anzeige schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats (s. Rz. 172) zu erstatten ist.591 Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet hat, und wenn er den Stand der Beratungen darlegt und die Stellungnahme des Betriebsrats umgehend nachreicht, § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG. Eine Einigung über einen Interessenausgleich und/oder Sozialplan ist für das Verfahren nach § 17 KSchG nicht erforderlich, der Arbeitgeber genügt seinen Pflichten nach § 17 KSchG durch bloße Information und Beratung.592 Auch die Einschaltung eines unparteiischen Dritten (Einigungsstelle) nach Scheitern der Verhandlungen verlangt die Konsultationspflicht nicht.593 Allerdings liegt eine Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nur vor, wenn sich der Erklärung entnehmen lässt, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und er eine abschließende Meinung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigen Kündigungen geäußert hat.594

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Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er gem. § 17 Abs. 2 KSchG, bevor er die Massenentlassungsanzeige erstatten kann,595 dem zuständigen596 Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über (1) die Gründe für die geplanten Entlassungen, (2) die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, (3) die Zahl und die Berufsgruppen der idR beschäftigten Arbeitnehmer, (4) den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, (5) die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie (6) die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Arbeitgeber und Betriebsrat haben zudem insbesondere die Möglich588 Massenentlassungsrichtlinie RL 98/59/EG des Rates v. 20.7.1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen. 589 EuGH v. 27.1.2005 – Rs. C-188/03 – Junk, NZA 2005, 213. 590 EuGH v. 27.1.2005 – Rs. C-188/03 – Junk, NZA 2005, 213; BAG v. 13.7.2006 – 6 AZR 198/06, NZA 2007, 25; v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, NZA 2006, 971, 975; das BAG gewährt jedoch Vertrauensschutz für Kündigungen vor dem Zeitpunkt, zu dem die Bundesagentur für Arbeit ihre Rechtsauffassung zu §§ 17 ff. KSchG geändert hat und dem betroffenen Arbeitgeber dies hätte bekannt sein müssen, somit gem. der Pressemitteilung 43/2005 der Bundesagentur für Arbeit vor dem 9.3.2005, vgl. Berkowsky, NZA-RR 2007, 169, 179. Maßgeblich ist hierbei der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung (BAG v. 13.7.2006, NZA 2007, 25, 29, Rz. 39; v. 12.7.2007 – 2 AZR 448/05, NZA 2008, 425 u. 476, v. 22.3.2007 – 6 AZR 499/05, NZA 2007, 1101). Vertrauensschutz wird dem betroffenen Arbeitgeber auch dann gewährt, wenn er die Kündigungstermine bewusst so gewählt hat, dass bei Zugrundelegung der früheren Rspr. die Schwellenwerte des § 17 KSchG gerade eben nicht erreicht wurden (BAG v. 21.9.2006, NZA 2007, 1319). 591 Überblick über die auch kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten und deren europäische Dimension bei Forst, NZA 2009, 294. 592 Weder § 17 KSchG noch Art. 2 der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG fordern einen Abschluss der Verhandlungen (BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 84/07, NZA 2008, 753). 593 BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 693/06, NZA 2007, 1296. 594 BAG v. 26.2.2015 – 2 AZR 955/13, NZA 2015, 881; Anm. Merten, FD-ArbR 2015, 371994. 595 Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit nach §§ 17 Abs. 1, 3 KSchG und Konsultation nach § 17 Abs. 2 KSchG sind zwei getrennt durchzuführende Verfahren, darauf gerichtete Unwirksamkeitsrügen müssen daher auch gem. § 6 Abs. 1 KSchG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung I. Instanz vorgebracht werden, BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 601/14, NZA 2016, 490. 596 Salamon, BB 2015, 1653.

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keiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (§ 17 Abs. 2 KSchG). Die Unterrichtung bedarf gem. § 17 Abs. 2 KSchG der Schriftform, ob sie damit der gesetzlichen Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB bedarf, hat der 6. Senat offengelassen.597 Jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber die gesetzlich geforderten Angaben in einem nicht unterschriebenen Text festgehalten und diesen dem Betriebsrat zugeleitet hat, genügt die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen, um einen eventuellen Schriftformverstoß zu heilen.598 Auch die fehlende Angabe der Berufsgruppen in der Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG kann uU. bei beabsichtigter Entlassung aller Arbeitnehmer wegen Stillegung des Betriebs durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates geheilt werden.599

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Die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Beifügung des Interessensausgleiches mit Namensliste nach § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats gegenüber der Agentur für Arbeit ersetzt. Auch die Erklärung des Betriebsrats im Rahmen eines Interessenausgleiches, rechtzeitig und umfassend über die anzeigepflichtigen Entlassungen unterrichtet worden zu sein, genügt allein noch nicht zum Nachweis der Erfüllung der Konsultationspflicht. Allerdings kann der Arbeitgeber seine Pflichten gegenüber dem Betriebsrat aus §§ 111 BetrVG, 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG, sofern sie übereinstimmen, gleichzeitig erfüllen. Dabei muss er aber hinreichend klarstellen, dass und welche Verfahren jeweils gleichzeitig durchgeführt werden sollen.600

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Der Arbeitgeber darf das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG als beendet ansehen, wenn der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von Maseenentlassungen erkennen lässt.601 Hat der Betriebsrat eine abschließende602 Stellungnahme zu dem Ergebnis der nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Arbeitgeber geführten Beratungen abgegeben, ist diese gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG der Anzeige der Massenentlassung gegenüber der örtlichen Agentur für Arbeit beizufügen (s. Rz. 171). Haben Betriebsrat und Arbeitgeber einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, ersetzt dieser gem. § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. In einem solchen Fall genügt also die Beifügung des Interessenausgleiches mit Namensliste den Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Das gilt selbst dann, wenn im Interessenausgleich keine Bekundungen des Betriebsrats zu den Beratungen mit dem Arbeitgeber enthalten sind.603 Ein Interessenausgleich ohne Namensliste kann hingegen die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht ersetzen. Allerdings kann die Stellungnahme des Betriebsrats in den Interessenausgleich integriert werden.604

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Praxistipp: Der Arbeitgeber sollte möglichst mehr als zwei Wochen (§ 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG) vor Ablauf der Frist zur Einreichung der Massenentlassungsanzeige den Betriebsrat umfassend über die beabsichtigte Maßnahme gem. § 17 Abs. 3 iVm. Abs. 2 KSchG schriftlich unterrichten und eine Beratung über Möglichkeiten anbieten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (§ 17 Abs. 2 KSchG).

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597 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32; zum Meinungsstand Salamon, NZA 2015, 789, 791 598 BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11, NZA 2013, 32. 599 BAG v. 9.6.2016 – 6 AZR 405/15, NZA 2016, 1198, Anm. Krieger; ArbRAktuell 2016, 306 mit Formulierungsvorschlag für eine Heilungsregelung. 600 BAG v. 18.1.2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817. 601 BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, MDR 2017, 158. 602 BAG v. 26.2.2015 – 2 AZR 955/13, NZA 2015, 881: Diese liegt nur vor, wenn sich der Erklärung entnehmen lässt, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und er eine abschließende Meinung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigen Kündigungen geäußert hat. 603 BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1058. 604 BAG v. 21.3.2012 – 6 AZR 596/10, NZA 2012, 1058.

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Wird die Stellungnahme des Betriebsrats der Anzeige nicht beigefügt und kann der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Unterrichtung zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nicht glaubhaft machen, so ist die Massenentlassungsanzeige unwirksam (§ 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Die Stellungnahme des Betriebsrats genügt den gesetzlichen Anforderungen des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG nur, wenn sie sich auf die angezeigten Entlassungen bezieht und eine abschließende605 Meinungsäußerung des Betriebsrats zu diesen Entlassungen enthält. Dabei genügt auch eine eindeutige Äußerung, keine Stellung nehmen zu wollen.606

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Entlassungen, die nach § 17 KSchG anzuzeigen sind, werden nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 KSchG vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige („Sperrfrist“) bei der Agentur für Arbeit nur mit deren Zustimmung wirksam; die Zustimmung kann auch rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung erteilt werden. § 18 Abs. 1 und 2 KSchG haben nur die Wirkung einer Mindestkündigungsfrist, ohne dass hierdurch die gesetzlichen Kündigungsfristen verlängert werden oder deren Ablauf gehemmt wird.607 Die Sperrfrist führt nur dazu, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor Ende der Sperrfrist endet, es sei denn, die Agentur für Arbeit hat diese auf Antrag des Arbeitgebers verkürzt. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, unmittelbar nach Anzeige der Massenentlassung bei der Bundesagentur für Arbeit die Kündigung auszusprechen.608 Die Sperrfrist des § 18 KSchG beginnt im Übrigen erst mit Vollständigkeit der Anzeige zu laufen.609 An die Sperrfrist schließt sich die „Freifrist“ von 90 Tagen gem. § 18 Abs. 4 KSchG an, innerhalb derer die Entlassung durchgeführt werden kann. Durchführung der Entlassung meint nach richtlinienkonformer Auslegung den Ausspruch der Kündigung610 und nicht, wie teilweise vertreten, auch den Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb der Freifrist.611 Die Freifrist verpflichtet den Arbeitgeber zur Umsetzung der Kündigung innerhalb von 90 Tagen. Hierzu hat das BAG angedeutet, dass der Arbeitgeber, sofern er nicht innerhalb von 90 Tagen nach Anzeige der Massenentlassung die Kündigung erklärt, erneut eine Anzeige erstatten muss.612

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Eine fehlende oder unwirksame Anzeige führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.613 Eine unwirksame Massenentlassungsanzeige wird nicht dadurch geheilt, dass ein bestandskräftiger Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1 oder § 18 Abs. 2 KSchG vorliegt. Vielmehr sind auch in diesem Falle die Arbeitsgerichte nicht gehindert, im Kündigungsschutzpro605 BAG v. 26.2.2015 – 2 AZR 955/13, NZA 2015, 881: Diese liegt nur vor, wenn sich der Erklärung entnehmen lässt, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und er eine abschließende Meinung zu den vom Arbeitgeber beabsichtigen Kündigungen geäußert hat. 606 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029. 607 BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 935/07, NZA 2009, 1013; so in der Literatur schon ErfK/Kiel, § 18 KSchG Rz. 4; Stahlhacke/Preis/Vossen, Rz. 1589, Bauer/Krieger, NZA 2009, 174, 175. 608 Dies war aufgrund v. BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 84/07, NZA 2008, 753 noch bezweifelt worden, weshalb vorsorglich nach Ablauf des Kündigungstermins eine erneute Kündigung ratsam war, vgl. nur Bauer/Krieger, NZA 2009, 174, 175. Diese Unsicherheit ist seit der klarstellenden Entscheidung BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 935/07, DB 2009, 515 jedoch zugunsten der Arbeitgeber beseitigt. 609 Hierzu gehört auch die Stellungnahme des Betriebsrats. Unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG kann jedoch die Stellungnahme des Betriebsrats nachgereicht werden bzw. dieser selbst unmittelbar gegenüber der Bundesagentur für Arbeit eine solche Stellungnahme abgeben, BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 84/07, NZA 2008, 753; ferner oben Rz. 171, 177. 610 BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, NJW 2006, 3161. 611 BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, NJW 2006, 3161; damit kommt § 18 Abs. 4 KSchG keine Bedeutung mehr zu, worauf die Bundesagentur für Arbeit in ihrem Merkblatt ausdrücklich hinweist: Merkblatt 5, Anzeigepflichtige Entlassungen für Arbeitgeber, Dezember 2015 vgl. https://www3.arbeits agentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mdg0/~edisp/l6019022dstbai377 611.pdf, Punkt 6.4.; abrufbar auch unter http://www.arbeitsagentur.de. 612 BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 935/07, DB 2009, 515. 613 BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, NZA 2013, 845; ErfK/Kiel, § 17 KSchG Rz. 36.

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Rz. 181 Kap. 22

zess die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige anzunehmen.614 Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht trägt der Arbeitnehmer. Steht die Anzeigepflicht fest, ist der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach § 17 KSchG darlegungs- und beweispflichtig.615 10. Interessenausgleich und Sozialplan Beruht die Kündigung auf einer Betriebsänderung iSv. §§ 111 ff. BetrVG, so muss zur Vermeidung von Nachteilsausgleichsansprüchen nach § 113 Abs. 3 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung616 ein Interessenausgleich617 bis hin zur Einigungsstelle versucht worden sein. Abgesehen von den Ausnahmen des § 112a BetrVG kann der Betriebsrat in diesem Fall auch einen Sozialplan gem. § 112 Abs. 1 iVm. Abs. 4 und 5 BetrVG erzwingen. In einem Sozialplan dürfen nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelungen enthalten sein, und rentenberechtigte Arbeitnehmer dürfen von solchen Leistungen ausgeschlossen werden.618 Auch im Fall eines Betriebsübergangs dürfen Abfindungsansprüche für diejenigen Arbeitnehmer ausgeschlossen werden, deren Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergeht oder die einen solchen Übergang ohne einen anerkennenswerten Grund durch ihren Widerspruch verhindern.619 Nicht zulässig ist die generelle Beschränkung von Sozialplanansprüchen auf Arbeitgeberkündigungen, da auch eine Arbeitnehmerkündigung durch den Arbeitgeber veranlasst sein kann.620 Wegen der Einzelheiten verweisen wir auf Kap. 43.

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11. Wiedereinstellungsanspruch → S. zur Klage auf Wiedereinstellung auch M 1.9. Im Anschluss an eine nach § 1 KSchG wirksame Kündigung kann dem Arbeitnehmer insbesondere dann ein Wiedereinstellungsanspruch gegen seinen bisherigen Arbeitgeber zustehen, wenn noch während des Laufs der Kündigungsfrist der Kündigungsgrund wegfällt. Erweist sich also bei einer betriebsbedingten Kündigung die Prognose als falsch, weil ein neuer Auftrag erteilt wird oder die Stilllegung aufgrund eines Betriebsübergangs letztlich doch nicht erfolgt, ändert dies zwar nichts an der Wirksamkeit der Kündigung, da für diese ausschließlich der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung maßgebend ist; der Arbeitnehmer kann aber einen Anspruch auf Wiedereinstellung haben.621 Auch wenn sich bei einer krankheitsbedingten Kündigung eine ursprünglich zutreffende Prognose aufgrund geänderter Umstände nach Ausspruch der Kündigung als falsch erweist, kommt ein Wiedereinstellungsanspruch für den 614 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029. 615 BAG v. 13.12.2012 – 6 AZR 5/12, BB 2013, 1150. 616 Der Nachteilsausgleichsanspruch entsteht nicht schon, wenn der Arbeitgeber, bevor der Versuch des Interessenausgleichs abgeschlossen ist, die Unternehmerentscheidung (also zB den Stilllegungsbeschluss) fällt, den Betriebsrat anhört, die Massenentlassungsanzeige erstattet, die Betriebstätigkeit einstellt, die Arbeitnehmer widerruflich freistellt und das Integrationsamt wegen beabsichtigter Kündigungen einschaltet, sondern erst, wenn er die Kündigung ausspricht, vgl. BAG v. 14.4.2015 – 1 AZR 794/13, NZA 2015, 1147. 617 Zum prozessorientierten Interessenausgleich Krieger/Terhorst, NZA 2014, 689. 618 Eine solche unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gerechtfertigt, da danach differenziert werden darf, welche wirtschaftlichen Nachteile Arbeitnehmer im Zuge einer Betriebsänderung erleiden (BAG v. 26.5.2009 – 1 AZR 198/08, NZA 2009, 849 = FDArbR 2009, 283580 m. Anm. Lingemann). 619 BAG v. 12.7.2007 – 2 AZR 448/05, NZA 2008, 425; Kap. 60 Rz. 53. 620 BAG v. 20.5.2008, NZA-RR 2008, 636. 621 BAG v. 21.8.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29; v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, BB 1997, 1953.

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gekündigten Arbeitnehmer in Betracht.622 Im Anschluss an eine Befristung besteht grundsätzlich hingegen kein Wiedereinstellungsanspruch, selbst dann nicht, wenn aufgrund neuer Umstände entgegen dem ursprünglichen Befristungsgrund eine Weiterbeschäftigung möglich ist.623 182

Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht grundsätzlich nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist;624 danach kommt er allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht.625 Er setzt in jedem Fall voraus, dass die Kündigung bei richtiger Prognose sozialwidrig gewesen wäre.626 Dem Anspruch können berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, etwa wenn der Arbeitsplatz bereits anderweitig wieder besetzt ist oder sich das Anforderungsprofil wesentlich geändert hat.627 Berechtigt sind die Interessen des Arbeitgebers aber natürlich nicht, wenn er den Anspruch treuwidrig vereitelt.628 Machen mehrere Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch geltend, und stehen weniger Arbeitsplätze zur Verfügung, so sind die sozialen Belange der Arbeitnehmer bei einer Auswahlentscheidung zu berücksichtigen.629 Die Wiedereinstellung muss unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Kenntniserlangung von den anspruchsbegründenden Tatsachen geltend gemacht werden.630 Inhalt des Anspruchs ist der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu den bisherigen Arbeitsbedingungen unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit.631 Über diesen gesetzlichen Wiedereinstellungsanspruch hinaus kann eine Wiedereinstellungszusage auch individualoder kollektivrechtlich vereinbart werden.632 12. Hinweis nach §§ 2, 38 Abs. 1 SGB III

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Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III „soll“ der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Agentur für Arbeit (§ 38 Abs. 1 SGB III) informieren. Die Verletzung der Vorschrift führt aber nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.633 Ein Meldeversäumnis oder eine verspätete Arbeitsuchendmeldung führt gem. § 159 Abs. 4 SGB III zu einer Sperrzeit von einer Woche. Diese Sperrzeit tritt wohl nur ein, wenn der Arbeitnehmer zumindest fahrlässig gehandelt hat, sie scheidet da-

622 BAG v. 12.4.2002 – 2 AZR 148/01, BB 2002, 2675; v. 27.6.2001 – 7 AZR 662/99, NZA 2001, 1135; v. 29.4.1999, BB 2000, 492; Bauer/Röder/Lingemann, Krankheit im Arbeitsverhältnis, S. 125 f.; ebenso bei einer Verdachtskündigung, wenn der Verdacht sich als haltlos erweist (BAG v. 20.8.1997 – 2 AZR 620/96, NZA 1997, 1340, 1343). 623 BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896, 898. 624 So BAG v. 21.8.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29; v. 16.5.2007, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 (Wiedereinstellung); v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, BB 2001, 573. 625 Vgl. BAG v. 16.5.2007, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 (Wiedereinstellung); v. 13.5.2004 – 8 AZR 198/ 03, BB 2005, 383, 385, wo ein Wiedereinstellungsanspruch nach Ablauf der Kündigungsfrist einer insolvenzbedingten Kündigung abgelehnt wird. 626 BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, BB 2001, 573, 574. 627 So zu einem – im Ergebnis abgelehnten – Betriebsübergang BAG v. 4.5.2006 – 8 AZR 299/05, NZA 2006, 1096 (Frauenhaus). 628 BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, BB 2001, 573, 575. 629 BAG v. 2.12.1999 – 2 AZR 757/98, NZA 2000, 531, 533. 630 BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 265/97, NZA 1999, 311, 313. Für die Geltendmachung innerhalb eines Monats nach erfolgter Kenntnis von einem Betriebsübergang und eine entsprechende Orientierung an der Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 BGB BAG v. 21.8.2008 – 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29. 631 BAG v. 2.12.1999 – 2 AZR 757/98, NZA 2000, 531, 533. 632 BAG v. 19.10.2005 – 7 AZR 32/05, ArbRB 2006, 105. 633 BAG v. 29.9.2005, BB 2006, 48; ebenso schon LAG Berlin v. 29.4.2005, BB 2005, 1576; LAG Düsseldorf v. 29.9.2004 – 12 Sa 1323/04, BB 2005, 888.

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her aus, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb des objektiv gebotenen Zeitraums gemeldet hat.634 13. Kündigungsschutzklage (M 22.18 ff.) → S. M 22.18 ff. Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Kündigung635 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung. Bei einer Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht beginnt die Frist allerdings erst mit Zugang der Genehmigung des Vertretenen,636 Kündigungsschutzklage erheben (§ 4 Abs. 1 KSchG). Die Drei-Wochen-Frist gilt für alle Einwände gegen die Wirksamkeit der Kündigung,637 also insbesondere auch für den Einwand nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung oder einer Kündigung „wegen“ Betriebsübergangs entgegen § 613a Abs. 4 BGB, den tarif- oder arbeitsvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung638 oder der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist.639 Nur wenn entgegen § 623 BGB die Schriftform nicht eingehalten wurde, beginnt die Frist nicht zu laufen.640 Allerdings muss der Arbeitnehmer nicht schon in der Klageschrift alle Einwände erheben. Hat er die Klage fristgemäß erhoben, so kann er sich vielmehr bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen (§ 6 Satz 1 KSchG).641 Erhebt der Arbeitnehmer binnen drei Wochen nach Zugang einer Kündigung eine allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, mit der er den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend macht, hat er die Frist des § 4 Satz 1 KSchG jedenfalls dann gewahrt, wenn er die fragliche Kündigung noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz – nunmehr konkret bezeichnet – in den Prozess einführt und auf sie bezogen einen punktuellen Kündigungsschutzantrag stellt.642 Auch ohne eine allgemeine Feststellungsklage wahrt eine Kündigungsschutzklage die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG für eine Folgekündigung, die vor dem oder zeitlich mit dem Auflösungstermin der ersten Kündigung wirksam werden soll; das gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger sie analog § 6 KSchG noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG in den Prozess einführt.643

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Wird die Rechtsunwirksamkeit allerdings nicht rechtzeitig nach Maßgabe von § 4 Satz 1, §§ 5 und 6 KSchG geltend gemacht, so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; auch erlischt ein vom Arbeitnehmer auf eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG erklärter Vor-

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634 So BSG v. 25.5.2005, BSGE 95, 8; v. 19.8.2005 – 7 AL 80/04 R, nv.; v. 20.10.2005, BSGE 95, 191, allerdings zur etwas anders gestalteten Regelung des früheren § 140 SGB III. 635 Falls der Arbeitnehmer mit seinem Kündigungsschutzantrag nur die primäre Kündigung angreift und zugleich einen Weiterbeschäftigungsantrag stellt, richtet sich das Klagebegehren auch gegen eine hilfsweise Kündigung (BAG v. 11.7.2013 – 2 AZR 597/12, NZA 2014, 331). 636 BAG v. 6.9.2012 – 2 AZR 858/11, NZA 2013, 524. 637 Zu den Unwirksamkeitsgründe, die innerhalb der dreiwöchigen Klageerhebungsfrist geltend zu machen sind, zählt wohl auch die unterlassene Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG, vgl. Fornasier/Werner, NJW 2007, 2729, 2734. 638 BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 936. 639 BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 700/09, NJW 2010, 3740. 640 BAG v. 15.12.2005 – 2 AZR 148/05, DB 2006, 1116. 641 BAG v. 18.1.2012 – 6 AZR 407/10, NZA 2012, 817 – das Arbeitsgericht muss nicht auf konkrete Unwirksamkeitsgründe hinweisen; vgl. auch BAG v. 8.11.2007, NZA 2008, 936. 642 BAG v. 26.9.2013, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 77 m. Anm. Lingemann/Weingarth. 643 BAG v. 18.12.2014 – 2 AZR 163/14, NZA 2015, 635 = AP KSchG 1969 § 4 Nr. 79 m. Anm. Lingemann/Siemer.

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behalt (§ 7 KSchG). Durch die Neufassung des § 5 KSchG vom 1.4.2008 wurde das Verfahren der nachträglichen Klagezulassung beschleunigt: Seitdem ist das Verfahren mit dem Klageverfahren zu verbinden (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KSchG). Vor Inkrafttreten des § 5 Abs. 5 Satz 1 KSchG war offen, ob das LAG bei einem fehlerhaften Verfahren selbst über den Klagezulassungsantrag entscheiden konnte oder die Sache an das Arbeitsgericht zurückverweisen musste. Nun ordnet die Norm für alle in Frage kommenden Fallgestaltungen (zB das Arbeitsgericht entscheidet verfahrensfehlerhaft nicht über den Zulassungsantrag, sondern nur über die Klage; der Antrag auf nachträgliche Zulassung wird erst in der zweiten Instanz gestellt; es stellt sich erst vor dem LAG heraus, dass der erstinstanzlich gestellte Zulassungsantrag entscheidungserheblich ist) die Entscheidung des LAG an.644 Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist ist dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.645 In einem solchen Fall kommt auch eine nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG nicht mehr in Betracht. Ein formularmäßiger Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage stellt ohne kompensatorische Gegenleistung (insbesondere Abfindung) eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar.646 186

Die materielle Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung richtet sich zwar gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 KSchG nach den allgemeinen Vorschriften, namentlich § 626 BGB. Auch sie kann aber nur nach Maßgabe von § 4 Satz 1, §§ 5 und 6 KSchG geltend gemacht werden, dh. insbesondere nur innerhalb der Drei-Wochen-Frist (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Die Drei-Wochen-Frist gilt auch bei außerordentlichen Kündigungen innerhalb der Wartezeit.647

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Einer Kündigungsschutzklage kann nur stattgegeben werden, wenn bis zu dem mit der Kündigung angestrebten Auflösungstermin zwischen den Parteien noch ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.648 14. Auflösungsantrag (M 22.22 und M 22.23) → S. zum Antrag des Arbeitnehmers M 22.22 bzw. M 22.23 zum Antrag des Arbeitgebers.

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Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so können Arbeitnehmer oder Arbeitgeber einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung stellen. Der Antrag des Arbeitnehmers setzt voraus, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist, § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG, der Antrag des Arbeitgebers,649 dass konkrete Gründe eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Typischer Anwendungsbereich sind Vorfälle im Zusammenhang mit der Kündigung oder im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens, zB beleidigende Schriftsätze650 oder sonstige persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen. Der Arbeitgeber kann jedoch einen Auflösungsantrag nicht stellen, wenn die Kündigung aus ande644 Zur Neuregelung vgl. Francken/Natter/Rieker, NZA 2008, 377 sowie Bader, NZA 2008, 620. 645 BAG v. 28.5.2009, NJW 2009, 2971; v. 11.12.2008, DB 2009, 1354, hierzu Lingemann/Ludwig, NJW 2009, 2787; Dresen, NZA 2009, 769. 646 BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219, Einzelheiten bei Kap. 2, Einf., AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 91 „Ausgleichsquittung“, Rz. 110a „Klageverzicht“; krit. zur Rspr. des BAG Bauer/Günther, NZA 2008, 1627. 647 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 873/06, NZA 2007, 972. 648 BAG v. 29.1.2015 – 2 AZR 698/12, NZA 2015, 1022. 649 Hierzu der Rechtsprechungsüberblick Müller, NZA 2009, 289 sowie zum Auflösungsantrag als taktischem Gestaltungsmittel des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess Holthausen/Holthausen, NZA-RR 2007, 449. 650 Großzügig insoweit BAG v. 9.9.2010 – 2 AZR 482/09, NJW 2010, 3798.

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ren Gründen als der Sozialwidrigkeit, zB wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung, unwirksam ist.651 Maßgeblicher Zeitpunkt ist dementsprechend auch nicht – wie bei der Kündigung – der Ausspruch der Kündigung, sondern der Schluss der mündlichen Verhandlung.652 Bei weiteren Belastungen des Arbeitsverhältnisses nach Kündigungsausspruch kann der Arbeitgeber einen Auflösungsantrag auch dann noch in der Berufungsinstanz stellen, wenn er hiervon im erstinstanzlichen Verfahren abgesehen hatte.653 Allerdings können auch Tatsachen, die schon vor Ausspruch der Kündigung bekannt waren, zur Begründung des Auflösungsantrages herangezogen werden, auch wenn sie der Arbeitnehmervertretung im Rahmen der Anhörung nicht mitgeteilt wurden, solange nicht die §§ 9, 10 KSchG zur Umgehung kollektivrechtlicher Informationspflichten missbraucht werden.654 Der Arbeitgeber muss in diesem Fall jedoch zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, gleichwohl so beschaffen ist, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt.655 Beendigungszeitpunkt ist der Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nach der ausgesprochenen Kündigung, die Höhe der Abfindung richtet sich nach § 10 KSchG. Werden aufgrund mehrerer Kündigungen mehrere Kündigungsschutzverfahren geführt, so kommen auch mehrere Auflösungsanträge in Betracht („Wiederholungsauflösungsantrag“), die Unbegründetheit eines früheren Auflösungsantrags schließt insbesondere die Begründetheit eines späteren Antrages nicht aus, sofern dieser auf weitere Gründe gestützt wird.656

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Bei der außerordentlichen Kündigung kann nur der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag stellen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Das Gericht hat für die Auflösung den Zeitpunkt zugrunde zu legen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde (§ 13 Abs. 1 Satz 4 KSchG).

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Checkliste für Kündigungsschutzsachen657 □ Feststellung der Parteienverhältnisse □ Arbeitnehmer: Name, Anschrift, Familienstand, (Schwer)Behinderung, Berufstätigkeit des Ehepartners, Unterhaltspflichten, Alter, Eintritt in die Firma (Betriebszugehörigkeit; auch frühere Betriebszugehörigkeitszeiten), Tätigkeit, Status (leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 BetrVG und/oder § 14 Abs. 2 KSchG, Vollmachten), Gewerkschaftsmitglied? □ Arbeitgeber: Name/Firmierung, Anschrift/Sitz, Vertretungsberechtigung (notfalls Handelsregisterauszug!), Organisation (Konzern, mehrere Betriebe), Belegschaftsstärke des Betriebes (§ 23 KSchG, § 17 KSchG, § 111 BetrVG), Verbandszugehörigkeit. □ Zugang der Kündigung und Klagefrist (s. Rz. 16 ff., 184 ff.) □ Exaktes Datum des Kündigungszugangs ermitteln (s. Rz. 16 ff.). Liegen weitere Kündigungen vor?

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651 BAG v. 26.3.2009 – 2 AZR 879/07, NZA 2009, 679; v. 28.8.2008, DB 2009, 630. 652 BAG v. 10.7.2008, DB 2009, 350, wonach auch ein zwischenzeitlicher Wechsel in der Person des Vorgesetzten Berücksichtigung finden kann. Zur Verknüpfung mehrerer zum Teil hilfsweiser Kündigungen und Auflösungsanträge vgl. BAG v. 27.4.2006 – 2 AZR 360/05, NZA 2007, 229; Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 233. 653 BAG v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540. 654 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 240/01, DB 2003, 999. 655 BVerfG v. 22.10.2004, NZA 2005, 41, 42. 656 Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225, 233. 657 Betroffenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, aber auch Beratern und/oder Prozessbevollmächtigten ist in Kündigungsschutzsachen zu empfehlen, schon frühzeitig und gründlich die Sach- und Rechtslage aufzuklären, um die Weichen richtig stellen zu können. Dabei soll die Checkliste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, behilflich sein.

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Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist nach § 4 KSchG notieren (s. Rz. 184 ff.). Ist Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG möglich oder nötig? Dann Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 KSchG notieren (s. Rz. 18). Ist die Kündigung formell in Ordnung (s. Rz. 9 ff.)? □ Verstoß gegen Schriftformerfordernis (zB § 623 BGB, § 22 Abs. 3 BBiG, § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG; s. Rz. 9 ff.) □ Verstoß gegen vorgeschriebene schriftliche Begründung (zB § 22 Abs. 3 BBiG; § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG, Tarif- oder Individualvertrag; s. Rz. 14) □ Kann die Kündigung nach § 174 BGB zurückgewiesen werden? Nur unverzüglich möglich, Frist notieren; Originalvollmacht des Auftraggebers bei der Zurückweisung beifügen.658 Greift der Kündigungsschutz nach dem KSchG ein (s. Rz. 45 ff.)? □ Betriebsgröße (§ 23 KSchG) feststellen (s. Rz. 46). (§ 14 Abs. 1 KSchG)? □ Handelt es sich um ein vertretungsberechtigtes Organmitglied Sonderprobleme: GmbH & Co. KG-Geschäftsführer659 und (mögliches) ruhendes Arbeitsverhältnis beim GmbH-Geschäftsführer.660 □ Ist die Wartezeit nach § 1 KSchG abgelaufen (s. Rz. 45)? Kündigungsart (s. Rz. 2) und Gründe prüfen (s. Rz. 53 ff.); dabei vor allem □ Außerordentliche Kündigung: Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB (s. Rz. 145 ff.)! Annahme oder Annahme unter Vorbehalt nach § 2 KSchG □ Änderungskündigung: (Fristproblem!)661 □ Krankheitsbedingte Kündigung (s. Rz. 74 ff.): Fehlzeiten, negative Gesundheitsprognose, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen durch Betriebsablaufstörungen und/ oder Belastung durch Entgeltfortzahlungskosten prüfen. Häufig Fehler im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG (s. Rz. 101 ff.)! Wurde ein betriebliches Eingliederungsmanagement (§ 84 Abs. 2 SGB IX/§ 167 Abs. 2 SGB IX nF) durchgeführt (s. Rz. 78)? □ Verhaltensbedingte Kündigung: Liegen Abmahnungen vor (wann, weshalb, wo, durch wen, jeweils Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder zumindest „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ angedroht; s. Rz. 58 ff.)? □ Verdachtskündigung: Besteht ein dringender Verdacht? Wurde der Sachverhalt aufgeklärt, insbesondere der Arbeitnehmer – bei außerordentlicher Kündigung innerhalb der Wochenfrist – angehört (s. Rz. 64)?

658 S. Rz. 19, 22; Faxkopie der Vollmacht reicht nicht; aber evtl. Außenvollmacht als letzte Rettung (§ 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB iVm. § 167 Abs. 2 BGB). 659 Einzelheiten bei Kap. 4 Rz. 18 ff.; vgl. BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12, NZA 2014, 540; v. 10.5.2010, NZA 2010, 889, Rz. 13 ff.; v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669; v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002; v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095; v. 15.4.1982 – 2 AZR 1101/79, NJW 1983, 2405; v. 10.7.1980 – 3 AZR 68/79, DB 1981, 276. Dazu Ginal, GWR 2014, 408; Lunk, NJW 2015, 528. 660 BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12, NZA 2014, 540; v. 26.10.2012 – 10 AZB 60/12, NZA 2013, 54; v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669; v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168; v. 14.6.2006 – 5 AZR 592/05, NZA 2006, 1154; vgl. aber auch BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 207/99, DB 2000, 1918; v. 18.12.1996 – 5 AZB 25/96, DB 1997, 834; v. 21.2.1994, NZA 1994, 905; Kap. 4 Rz. 18 f. Dazu auch Gehlhaar, NZA-RR 2009, 569. 661 Vgl. Kap. 20 Rz. 25 und Rz. 30 f.

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Betriebsbedingte Kündigung: Lässt sich der Arbeitsplatzwegfall aufgrund außerbetrieblicher (Rückgang des Arbeitsvolumens zB wegen Auftragsrückgang) oder innerbetrieblicher Gründe (Unternehmerentscheidung) nachweisen (s. Rz. 103 ff.)? (§§ 111 ff. BetrVG) oder Sozialplanpflicht (§ 112 BetrVG, □ Besteht Interessenausgleichss. aber § 112a BetrVG)?662 dokumentiert (die Organmit□ Ist eine etwaige Unternehmerentscheidung ausreichend glieder können vor Gericht nicht Zeuge sein)?663 □ Wurde die Sozialauswahl innerhalb des Betriebes ordnungsgemäß durchgeführt (s. Rz. 122 ff.)? □ Gibt es anderweitige freie Arbeitsplätze im Unternehmen (s. Rz. 113 ff.)? □ Ggf. rechtzeitig (!) Konsultationspflichten gegenüber dem Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 KSchG und Anzeigepflichten nach § 17 KSchG beachten (s. Rz. 169 ff.)! □ Kommt ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht (s. Rz. 181 ff.)? Ist der Betriebsrat/Sprecherausschuss ordnungsgemäß angehört worden? (Bei schriftlicher Anhörung, wenn möglich, Schriftstück prüfen.)664 □ Ist die Art der Kündigung (ordentlich/außerordentlich) mitgeteilt worden (s. Rz. 29)? □ Sind die Sozialdaten des Arbeitnehmers und – bei betriebsbedingter Kündigung – etwaiger vergleichbarer Arbeitnehmer und die Kriterien der Sozialauswahl mitgeteilt worden (s. Rz. 122 ff.)? □ Sind die Kündigungsgründe konkret mitgeteilt worden (s. Rz. 43 ff.)? □ Sind die Fristen des § 102 BetrVG eingehalten worden (s. Rz. 40 ff.)? □ Wie hat der Betriebsrat reagiert (s. Rz. 41)? Kann wegen Widerspruchs des Betriebsrats ein Weiterbeschäftigungsanspruch (§ 102 Abs. 5 BetrVG) geltend gemacht werden? □ Der Arbeitgeber sollte bei Fehlern das Anhörungsverfahren (hilfsweise und formgerecht) wiederholen sowie anschließend eine neue (hilfsweise) Kündigung aussprechen.665 □ Ist zweifelhaft, ob es sich um einen leitenden Angestellten handelt, sollten vorsorglich Betriebsrat und Sprecherausschuss gehört werden (s. Rz. 43). Kann sich der Arbeitnehmer auf besonderen Kündigungsschutz berufen, zB Mutterschutz (§ 9 Abs. 1 MuSchG), Elternzeit (§ 18 Abs. 1 BEEG), Pflegezeit (§ 5 PflegeZG), Familienpflegezeit (§ 9 Abs. 4 FPfZG), schwerbehinderte Menschen (§§ 85 ff. SGB IX/§§ 168 ff. SGB IX nF), Datenschutz- (§ 4f Abs. 3 BDSG), Immissionsschutzbeauftragten (§ 58 Abs. 2 BImSchG), freiwillig Wehrdienstleistende (§ 2 ArbPlSchG), Beschäftigte im Berufsausbildungsverhältnis (§ 22 Abs. 2 BBiG), tarifliche Alterssicherung, Rationalisierungsschutz oder Betriebsvereinbarung,666 Mitglied oder Ersatzmitglied des Betriebsrats,667 der Jugendoder Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung/des Seebetriebsrats (§§ 15 KSchG, 103 BetrVG), Mitglieder des Wahlvorstands und Wahlbewerber (§ 17 Abs. 3 KSchG), Initiatoren von Betriebsratswahlen (§ 15 Abs. 3a KSchG)?

662 S. Rz. 180. 663 S. Rz. 104 ff. Inhaltliche Gestaltungsvorschläge zur Dokumentation der Unternehmerentscheidung gibt Kleinebrink, DB 2008, 1858. 664 S. Rz. 29 ff. und Rz. 43. 665 Einzelheiten bei Lingemann/Beck, NZA-RR 2007, 225. 666 S. Rz. 159 ff. 667 S. Rz. 42, 160 ff.

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Soweit weder der Kündigungsschutz nach dem KSchG noch Sonderkündigungsschutz eingreift, prüfen, ob Kündigungsschutz nach Art. 12 GG iVm. §§ 138, 242 BGB in Betracht kommt.668 Bestehen Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das AGG, also Benachteiligungen aus Gründen von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Identität?669 Ist die richtige Kündigungsfrist (Individual-, Tarifvertrag, § 622 BGB) eingehalten worden (s. Rz. 24 ff.)? Ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart?670 Falls ja, Folgendes beachten: □ Wirksamkeit (Schriftform, Karenzentschädigung, Dauer, berechtigtes Interesse) prüfen. □ Der Arbeitgeber sollte Verzichtsmöglichkeit nach § 75a HGB beachten. □ Bei außerordentlicher Kündigung Lösungsmöglichkeiten nach § 75 HGB beachten. □ Bei ordentlicher Arbeitgeberkündigung Problem des § 75 Abs. 2 HGB (erhöhte Karenzentschädigung) prüfen. □ Ausschlussfrist für monatliche Karenzentschädigung beachten.671 Besteht Anspruch auf betriebliche Altersversorgung?672 □ Wann wurde die Zusage erteilt? □ Ist die Zusage schon unverfallbar? □ Wenn der Arbeitnehmer Kapitalisierung wünscht, Abfindungsverbot bzw. -grenze des § 3 BetrAVG beachten □ Übertragung auf etwaigen Folgearbeitgeber gewünscht (§ 4 BetrAVG)? Auflistung aller sonstigen offenen gegenseitigen Ansprüche der Parteien vornehmen, zB (rückständige) Vergütung (Gratifikation, 13. oder 14. Monatsgehalt, Urlaub und Urlaubsgeld, Provision, Tantieme), Spesenvorschuss, Darlehen, Firmen-Pkw, Umzugs-, Ausbildungskosten, Werkswohnung, (Zwischen-)Zeugnis, Schadensersatz, Arbeitnehmererfinderansprüche, Herausgabe von Arbeitsmitteln (Preis- und Kundenlisten, Muster, Werkzeuge, Angebotsunterlagen, Literatur usw.), Arbeitspapiere (Versicherungsunterlagen, Urlaubsbescheinigung, Bescheinigung nach § 312 SGB III, Bescheinigung nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG). Prüfung, ob Ansprüche berührt werden durch □ tarifliche, betriebliche (in Betriebsvereinbarungen) oder individualvertragliche Ausschlussfristen; ggf. Tarifregisterauskunft einholen und/oder Ansprüche form- und fristgerecht geltend machen; □ Bindungsklauseln und Rückzahlungsvorbehalte. Muss die Arbeit angeboten werden? □ § 615 BGB, § 11 KSchG beachten (s. Rz. 166). □ Ist der Arbeitnehmer auf die Pflicht zur unverzüglichen Meldung bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend nach § 38 Abs. 1 SGB III hingewiesen worden (s. Rz. 183)?

668 S. Rz. 45 ff.; ferner BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, BB 1998, 1058; BAG v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196; v. 21.2.2001 – 2 AZR 15/00, BB 2001, 1683, PWW/Lingemann, § 620 BGB Rz. 53. 669 S. Rz. 49 ff.; ferner Kap. 13 Rz. 26 ff. 670 Einzelheiten bei Kap. 25. 671 Vgl. BAG v. 17.6.1997 – 9 AZR 801/95, NZA 1998, 258. 672 Einzelheiten bei Kap. 18.

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Klarheit über (Prozess-)Ziel gewinnen: Arbeitnehmer: Will er sich den Arbeitsplatz erhalten oder strebt er eine Abfindung (wichtig für Auflösungsantrag!) an? Sollen oder müssen weitere Ansprüche mit geltend gemacht werden? Weiterbeschäftigungsanspruch nicht vergessen! □ Arbeitgeber: Ist er bereit, notfalls eine Abfindung (in welcher Höhe?) zu bezahlen? Soll mit der Kündigung eine Abfindung nach § 1a KSchG angeboten werden (s. Rz. 143)? Kommt eine Widerklage (zB wegen Schadensersatz) in Betracht? Welches Gericht ist sachlich und örtlich zuständig? Sonderproblem: GmbH & Co. KG-Geschäftsführer und GmbH-Geschäftsführer mit evtl. ruhendem Arbeitsverhältnis. Zusätzlich für Anwälte: Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ermitteln. Bei Kündigungsschutzstreitigkeiten im Rahmen des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG Vierteljahresbezug, nicht: drei Monatseinkommen, auch anteilige Leistungen (zB 13. Monatsgehalt, private Nutzung des Firmen-Pkw, Deputate usw.) berücksichtigen! Prüfen, ob eine Rechtsschutzversicherung besteht. Deckungszusage einholen. Kommt PKH-Antrag oder Antrag nach § 11a ArbGG in Betracht? Vergütungsvereinbarung schließen (schriftliche Erklärung des Auftraggebers, die nicht in der Vollmacht enthalten sein darf, § 3a Abs. 1 RVG). Soll ein Vorschuss verlangt werden? Belehrung des Mandanten gem. § 12a Abs. 1 Satz 2 ArbGG über den Ausschluss der Kostenerstattung! Vollmacht unterschreiben lassen.



II. Muster M 22.1

Ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, hiermit1 kündigen2 wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß3 zum4 … [evtl.], hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.5

1 Gemäß § 623 BGB muss die Kündigung, um wirksam zu sein, schriftlich erfolgen. Zu den Einzelheiten vgl. Rz. 7 ff. 2 Kündigungen müssen wegen ihrer einschneidenden Bedeutung deutlich und zweifelsfrei erklärt werden, vgl. BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162 (st. Rspr.). Daher muss sich daraus auch ergeben, dass es sich um eine Kündigung handelt und nicht eine andere auf die Beendigung oder Beseitigung gerichtete Erklärung, wie zB eine Anfechtung (dazu Kap. 21). 3 Die Kündigungsfristen können sich aus Gesetz (§ 622 BGB), Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Individualvertrag ergeben. 4 (1) Nach der strengen Auffassung des 5. Senates des BAG setzt die Auslegung einer Kündigungserklärung als Kündigung zum richtigen Termin aufgrund des Bestimmtheitsgebots voraus, dass sich aus der Kündigungserklärung ergibt, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll, ohne dass der Arbeitnehmer darüber rätseln muss, zu welchem anderen als dem in der Kündigungserklärung genannten Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könnte (BAG v. 15.5.2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076, Rz. 20). Insoweit ist die Angabe des Ablaufs der Kündigungsfrist ratsam. (2) Großzügiger ist der 2. Senat im Urteil v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162, Rz. 16; danach verlangt „das Erfordernis der Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung vom Kündigenden nicht, den Beendigungstermin als konkretes kalendarisches Datum ausdrücklich anzugeben, es reicht aus, wenn der

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oder hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß. Die Kündigungsfrist beträgt nach unseren Berechnungen …, die Kündigung wird daher zum … ausgesprochen. [evtl.] Für den Fall, dass die anzuwendende Kündigungsfrist länger sein sollte, kündigen wir hiermit hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. oder hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß zum nächstmöglichen Termin. Nach unserer Berechnung ist das der … [Evtl.6] Die Kündigungsgründe sind Ihnen bekannt./Die Kündigung erfolgt aus folgenden Gründen … Der Betriebsrat hat der Kündigung zugestimmt/Bedenken geäußert/widersprochen; seine Stellungnahme fügen wir bei.7 [Evtl.8] Darüber hinaus stellen wir Sie hiermit unter Fortzahlung Ihrer Bezüge mit sofortiger Wirkung/ab dem … unwiderruflich und unter Anrechnung sämtlicher bestehender Urlaubsansprüche9

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gewollte Beendigungstermin für den Kündigungsempfänger zweifelfrei bestimmbar ist“. Demnach sei eine „Kündigung ‚zum nächstmöglichen Termin‘ oder ‚nächstmöglichen Zeitpunkt‘ hinreichend bestimmt, ‚wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist. Sie ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt. Dies ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar ist und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordert“ (BAG v. 10.4.2014, NZA 2015, 162, Rz. 17). Ausreichend ist auch ein Hinweis auf die maßgeblichen Fristenregelungen, wenn der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137; v. 15.12.2005 – 2 AZR 148/05, NZA 2006, 791, Rz. 27); vgl. Rz. 15, 24 ff. (3) Auch nach den strengen Anforderungen des 5. Senates kann eine vom Arbeitgeber mit zu kurzer Kündigungsfrist zu einem bestimmten Datum erklärte Kündigung mit dem Zusatz „fristgemäß zum …“ als solche zum richtigen Kündigungszeitpunkt ausgelegt werden, wenn es dem Arbeitgeber, für den Arbeitnehmer erkennbar, wesentlich um die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist ging und sich das in das Kündigungsschreiben aufgenommene Datum lediglich als das Ergebnis einer fehlerhaften Berechnung der zutreffenden Kündigungsfrist erweist (BAG v. 15.5.2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076, Rz. 19). Vorsorglich bietet sich an, das genannte Datum unter den Vorbehalt der richtigen Berechnung zu stellen, etwa „Hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Termin, nach unserer Berechnung ist das der …“ Diese hilfsweise Angabe ist als auflösende Rechtsbedingung iSv. § 158 Abs. 2 BGB zulässig (BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 647/13, NZA 2015, 162). Sie ist ratsam als Rückfallposition, wenn bei der genannten Kündigungsfrist ein Rechenfehler besteht. Zwar ist zunächst an Auslegung (§§ 133, 157 BGB) und ggf. Umdeutung (§ 140 BGB) zu denken. Es kann aber auch Fälle geben, in denen beides mangels erkennbarer Umstände nicht möglich ist, vgl. Rz. 15 und BAG v. 15.5.2013 – 5 AZR 130/12, NZA 2013, 1076; v. 1.9.2010 – 5 AZR 700/09, NZA 2010, 1409, Rz. 25, 27. Außer in den gesetzlich – dazu Rz. 14 – oder individual- bzw. kollektivrechtlich vorgeschriebenen Fällen bedarf die Kündigungserklärung keiner Begründung. Nach § 102 Abs. 4 BetrVG hat der Arbeitgeber bei Ausspruch einer Kündigung nach Widerspruch des Betriebsrats dem Arbeitnehmer zugleich eine Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten. Unterlässt dies der Arbeitgeber, wird die Kündigung dadurch nicht unwirksam, allerdings kommen – wenn auch selten – Schadensersatzansprüche in Betracht. Im Folgenden finden sich verschiedene Formulierungsvorschläge für eine Freistellung des Arbeitnehmers. Die Varianten unterscheiden sich danach, ob die Freistellung unwiderruflich oder widerruflich erklärt werden soll. Eine einseitige Freistellung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar ist, wenn also die Freistellung wegen überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers geboten ist (BAG v. 19.8.1976, NJW 1977, 215; v. 10.11.1955, NJW 1956, 359), dazu Lingemann/Steinhauser, NJW 2014, 1428; Suttner/Deeg, ArbRAktuell 2011, 630). Im Übrigen ist bei einer unwiderruflichen Freistellung derzeit Vorsicht geboten: Gem. Ordnungsziffer 150.1.2 der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 150 Abs. 1 SGB III bleiben bei dem Bemessungszeitraum für das Arbeitslosengeld „Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung… außer Betracht“.

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Lingemann

M 22.1

Beendigungskündigung

Kap. 22

und bestehender Ansprüche auf Freizeitausgleich10 von der Arbeit frei. Die Freistellung erfolgt bis zum …11. oder [Evtl.] Darüber hinaus stellen wir Sie hiermit unter Fortzahlung Ihrer Bezüge mit sofortiger Wirkung/ab dem … unwiderruflich und unter Anrechnung sämtlicher bestehender Ansprüche auf Freizeitausgleich12 von der Arbeit frei. Die Freistellung erfolgt bis zum … Zudem erteilen wir Ihnen Urlaub vom … bis …13 Während der übrigen Zeit der Freistellung wird ein etwaiger anderweitiger Verdienst gem. § 615 Satz 2 BGB angerechnet.14 [Evtl.] Jede Beteiligung und/oder Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen ist aber weiterhin untersagt.15 oder [Evtl.] Darüber hinaus stellen wir Sie hiermit unter Fortzahlung Ihrer Bezüge mit sofortiger Wirkung/ab dem … widerruflich und unter Anrechnung bestehender Ansprüche auf Freizeitausgleich von der Arbeit frei.16 Die Freistellung erfolgt bis zum …

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Dies steht uE im Widerspruch zu § 150 Abs. 1 SGB III und zu BAG v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07, NZA-RR 2009, 272, wonach das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis auch bei unwiderruflicher Freistellung fortbesteht. Das spricht dafür, solche Bescheide nicht rechtskräftig werden zu lassen. Eine Freistellung unter Anrechnung des Resturlaubs muss unwiderruflich sein, um den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211, Rz. 17; v. 14.3.2006, NZA 2006, 1008, Rz. 17). Es sollte also unmissverständlich eine unwiderrufliche Freistellung erklärt werden. Innerhalb der Freistellung müssen die Urlaubstage aber idR nicht genau angegeben werden, allerdings muss der Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennen können, in welchem Umfang der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch erfüllen will – Undeutlichkeiten gehen zu seinen Lasten (BAG v. 17.5.2011 – 9 AZR 189/10, NZA 2011, 1032, Rz. 27 f.). Daher sollte eine möglichst genaue Festlegung erfolgen, bzw. immerhin angegeben werden, ob etwa (vorsorglich) der gesamte Jahresurlaub oder nur Teilurlaub gewährt werden soll (vgl. Suttner/Deeg, ArbRAktuell 2011, 630, 632; Fuhlrott/Balupuri-Beckmann, ArbRAktuell 2011, 393, 395 f., jeweils mit Formulierungsvorschlag). Eine datumsgenaue Festlegung sollte jedenfalls erfolgen, wenn etwaiger Zwischenverdienst verrechnet werden soll (BAG v. 16.7.2013, ArbRAktuell 2013, 520 m. Anm. Lingemann, v. 14.5.2013, NZA 2014, 336, Rz. 17), s. hierzu den nachstehenden Formulierungsvorschlag im Muster. Urlaubsansprüche können zudem nur abgegolten werden, wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit nicht arbeitsunfähig krank ist (Ganz, ArbRAktuell 2015, 240, 242; Suttner/Deeg, ArbRAktuell 2011, 630, 632). Bereits bei einer nur widerruflichen Freistellung ist die Anrechnung von Freizeitausgleichansprüchen zulässig (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211, Rz. 28), sie ist daher auch hier zu empfehlen. Die häufige Formulierung „bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses“ kann nachteilig sein, wenn sich die Kündigung als unwirksam erweist und das Arbeitsverhältnis damit fortbesteht. Zwar wird man die Klausel dann wahrscheinlich so auslegen, dass sie damit auch hinfällig wird, gesichert ist das aber nicht; die Angabe das Datums, bis zu dem die Freistellung läuft, ist daher ratsam. S. Fn. 10. S. bereits Fn. 9. Eine genaue Festlegung sollte erfolgen, wenn der Arbeitgeber etwaigen Zwischenverdienst verrechnen möchte (BAG v. 16.7.2013, ArbRAktuell 2013, 520 m. Anm. Lingemann; v. 14.5.2013, NZA 2014, 336, Rz. 17). Soll Zwischenverdienst angerechnet werden, müssen die Zeiten, in denen dies geschehen soll, ausdrücklich von den Zeiten, in denen Urlaub gewährt wird, getrennt werden (BAG v. 14.5.2013, NZA 2014, 336, Rz. 17). Außerhalb der Urlaubszeit befindet sich der Arbeitgeber nämlich aufgrund der einseitigen Freistellung nach § 615 BGB im Annahmeverzug (vgl. BAG v. 23.9.2009 – 5 AZR 518/08, NZA 2010, 781, Rz. 24). Anders gestaltet sich die Situation aber bei einer einvernehmlichen Freistellung, s. hierzu M 23.1a, § 3 m. Anm. Eine einseitige Freistellung unter Anrechnung anderweitigen Verdienstes wird vom BAG zugleich als arbeitgeberseitiger Verzicht auf das Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB verstanden (BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207, Rz. 16; v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36, Rz. 22; dazu Nägele, NZA 2008, 1039). Soll also am gesetzlichen Wettbewerbsverbot festgehalten werden, sollte dies ausdrücklich erklärt werden, Günther, ArbRAktuell 2009, 127, 128 f. Bei einer widerruflichen Freistellung können – anders als Urlaubsansprüche – Ansprüche auf Freizeitausgleich des Arbeitnehmers abgegolten werden (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211, Rz. 28). Etwaige Urlaubsansprüche können hier nicht angerechnet werden, da sich der Arbeitnehmer während eines Urlaubs nicht stets bereithalten muss, auf Anforderung des Arbeitgebers jederzeit in den Betrieb zurückzukehren (vgl. BAG v. 19.5.3009, NZA 2009, 1211, Rz. 17; v. 14.3.2006, NZA 2006, 1008, Rz. 17).

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.2

oder [Evtl. alternativ17] Darüber hinaus stellen wir Sie hiermit unter Fortzahlung Ihrer Bezüge mit sofortiger Wirkung/ab dem … von der Arbeit frei. Die Freistellung erfolgt bis zum [ …]. Die Freistellung erfolgt zunächst unwiderruflich unter Anrechnung sämtlicher Urlaubsansprüche und etwaiger Ansprüche auf Freizeitausgleich.18 Im Anschluss an die Gewährung des Urlaubs und des Verbrauchs etwaiger Freizeitausgleichsansprüche ist die Freistellung widerruflich; nur für diese Zeit behalten wir uns vor, Sie während der Restlaufzeit des Vertrages teilweise oder ganz an den Arbeitsplatz zurückzurufen.19 Während der übrigen Zeit der Freistellung wird ein etwaiger anderweitiger Verdienst gem. § 615 Satz 2 BGB angerechnet.20 [Evtl.] Jede Beteiligung und/oder Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen ist aber untersagt.21 Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gem. den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.22 … (Firma) 17 Alternativ bietet sich ein Kombinationsmodell an, wonach die Freistellung für einen bestimmten Zeitraum widerruflich und die Zeit danach unwiderruflich (oder umgekehrt) erfolgt. Während der Zeit der unwiderruflichen Freistellung ist dann eine Anrechnung von Urlaub möglich (vgl. Bauer, NZA 2007, 409, 410). 18 Die bloße Freistellung ist keine stillschweigende Urlaubsgewährung (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211, Rz. 14; v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, DB 2006, 2583, Rz. 19; v. 28.2.1991 – 8 AZR 196/90, NZA 1991, 944). Die Anrechnungsklausel darf daher nicht fehlen. Die Angabe des genauen Urlaubszeitraums ist bei unwiderruflicher Freistellung idR nicht nötig, s. schon oben Fn. 9. Bei einer nur widerruflichen Freistellung ist die genaue Angabe des Urlaubszeitraums hingegen zur wirksamen Anrechnung nötig (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 1211; v. 14.3.2006, NZA 2006, 1008). 19 Vgl. M 23.1a, § 3 m. Anm. 20 S. Fn. 14. 21 S. Fn. 15. 22 Die Belehrung ist nicht zwingend, ein Unterlassen des Hinweises hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Rz. 183).

M 22.2

Ordentliche betriebsbedingte Kündigung nach § 1a KSchG durch den Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß zum … [evtl.], hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.1 Die Kündigung wird auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt. Sofern Sie die Klagefrist nach §§ 2, 4 KSchG verstreichen lassen und auch keinen Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG stellen, können Sie eine Abfindung in Höhe von Euro … verlangen. 1 Details zu dieser Formulierung s. M 22.1.

890 Lingemann

M 22.3

Beendigungskündigung

Kap. 22

Der Betriebsrat hat der Kündigung zugestimmt/Bedenken geäußert/widersprochen; seine Stellungnahme fügen wir bei. [Evtl.2] Darüber hinaus stellen wir Sie hiermit unter Fortzahlung Ihrer Bezüge mit sofortiger Wirkung/ab dem … unwiderruflich und unter Anrechnung sämtlicher bestehender Urlaubsansprüche3 und bestehender Ansprüche auf Freizeitausgleich4 von der Arbeit frei. Die Freistellung erfolgt bis zum … Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gem. den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen. … (Firma) 2 Zu alternativen Formulierungen zur Freistellung s. M 22.1 Fn. 8 ff. 3 Details s. M 22.1 Fn. 9. 4 Details s. M 22.1 Fn. 10.

M 22.3

Ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer

Firma … z. Hd. der Geschäftsleitung Personalleitung (Ort, Datum) … Sehr geehrte Damen und Herren1, hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß zum … [evtl.], hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.2 …3 (Herr/Frau …) 1 Gemäß § 623 BGB muss die Kündigung, um wirksam zu sein, schriftlich erfolgen. Zu den Einzelheiten vgl. die Rz. 7 ff. 2 Details zu dieser Formulierung s. M 22.1 Fn. 2 ff. 3 Die Kündigung durch den Arbeitnehmer bedarf keiner Begründung im Kündigungsschreiben.

Lingemann

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Kap. 22

M 22.4

Beendigungskündigung

M 22.4

Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, hiermit1 kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos [alt: außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist von … zum …,2 hilfsweise zum nächstmöglichen Termin]. Die Kündigung erfolgt aus wichtigem Grund3 nach § 626 BGB.4, 5 Der Betriebsrat hat – der Kündigung zugestimmt. oder – gegen die Kündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der Kündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gem. den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.6 … (Firma) 1 Schriftform ist auch hier gesetzlich vorgeschrieben (§ 623 BGB). 2 Ist ein Arbeitnehmer ordentlich nicht kündbar, so kann gleichwohl bei Betriebsstilllegung eine außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer der normalen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist ausgesprochen werden (Rz. 2, 147); auch bei einer krankheitsbedingten dauernden Unfähigkeit des Arbeitnehmers kommt eine solche Kündigung in Betracht (Rz. 149). 3 Die Kündigung muss nach § 626 Abs. 2 BGB dem Arbeitnehmer innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsberechtigten von dem wichtigen Grund zugehen. 4 Auf die Mitteilung der Gründe kann der Arbeitgeber zunächst verzichten; auf Verlangen des Arbeitnehmers sind sie aber unverzüglich schriftlich mitzuteilen (§ 626 BGB); andernfalls setzt sich der Arbeitgeber Schadensersatzansprüchen aus. 5 Der Wortlaut des § 1a KSchG schließt das Abfindungsangebot zwar auch bei einer außerordentlichen Kündigung nicht aus. Es dürfte allerdings jedenfalls beim häufigsten Anwendungsfall, der fristlosen Kündigung, nicht greifen, weil diese regelmäßig nicht betriebsbedingt ist. Anders wäre dies nur bei einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer mit sozialer Auslauffrist; hier könnte eine Formulierung wie in M 22.2 verwendet werden. 6 Der Hinweis ist nicht zwingend, ein Unterlassen des Hinweises hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. die Rz. 183).

892 Lingemann

M 22.6

M 22.5

Beendigungskündigung

Kap. 22

Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer

Firma … z. Hd. der Geschäftsleitung Personalleitung … (Ort, Datum)1 Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund.2, 3 … (Herr/Frau …) 1 Auch der Arbeitnehmer muss die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB einhalten, wenn er eine außerordentliche Kündigung ausspricht. 2 Kündigt der Arbeitnehmer nach § 626 BGB, kann er Schadensersatz unter den Voraussetzungen des § 628 Abs. 2 BGB verlangen. Ist seine außerordentliche Kündigung unwirksam, weil in Wahrheit kein wichtiger Grund vorliegt, wird der Arbeitnehmer vertragsbrüchig; er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn ihm die Unwirksamkeit bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (BAG v. 15.2.1973, AP Nr. 2 zu § 9 KSchG 1969; v. 24.10.1974, AP Nr. 2 zu § 276 BGB Vertragsverletzung). 3 Auch bei einer außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht von vornherein die Kündigungsgründe offenlegen. Auf dessen Verlangen hat er sie aber unverzüglich schriftlich mitzuteilen (§ 626 Abs. 2 Satz 3 BGB), ein Verstoß hiergegen kann Schadensersatzansprüche begründen.

M 22.6

Außerordentliche sowie hilfsweise ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt.1 Der Betriebsrat hat – der außerordentlichen fristlosen Kündigung zugestimmt. 1 Besteht kein Betriebsrat, kann der Hinweis auf die hilfsweise ordentliche Kündigung unterbleiben, solange der Kündigungserklärung hinreichend deutlich zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber unter keinen Umständen an dem Arbeitsverhältnis festhalten will. Es reicht dann aus, wenn sich der Arbeitgeber im möglichen Kündigungsschutzprozess darauf beruft, dass die fristlose Kündigung notfalls in eine ordentliche umzudeuten ist. Besteht allerdings ein Betriebsrat, so ist eine hilfsweise ausgesprochene oder durch Umdeutung zu ermittelnde ordentliche Kündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht auch dazu nach § 102 BetrVG angehört wurde. Es ist in jedem Fall ratsam, die hilfsweise ordentliche Kündigung auch im Kündigungsschreiben mitzuteilen. Wird, wie hier, eine ordentliche Kündigung nur hilfsweise zur außerordentlichen erklärt, reicht die Angabe der Kündigungsfrist „zum nächstmöglichen Termin“ aus, einer weiteren Konkretisierung der Kündigungsfrist bedarf es nicht, weil der Kündigungsempfänger nicht im Unklaren darüber ist, wann das Arbeitsverhältnis nach Vorstellung des Kündigenden enden soll. Die Beendigung soll offensichtlich bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung erfolgen. Der Kündigungsempfänger muss und kann sich in seinem praktischen Handeln auf diesen Beendigungszeitpunkt einstellen. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob es ihm ohne Schwierigkeiten möglich ist, die Kündigungsfrist der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung zu ermitteln (BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117). Einer Ergänzung „nach unseren Berechnungen also zum …“ bedarf es daher uE nicht (für die Einfügung aber Kamann, Anm. zu BAG v. 20.1.2016, ArbRAktuell 2016, 166).

Lingemann

893

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.6

oder – gegen die außerordentliche fristlose Kündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der außerordentlichen fristlosen Kündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. Der Betriebsrat hat ferner – der hilfsweise ordentlichen fristgemäßen Kündigung zugestimmt oder – gegen die hilfsweise ordentliche fristgemäße Kündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der hilfsweisen ordentlichen fristgemäßen Kündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. [Evtl.2] Im Falle der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelten wir Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab. Für den Fall, dass sich die fristlose Kündigung als unwirksam erweist, haben wir hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt Folgendes3 – Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung/in der Zeit von … bis …4 nehmen; die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen.5 In jedem Fall sagen wir Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu.6

2 Im Folgenden finden sich verschiedene Formulierungsvorschläge für eine Freistellung des Arbeitnehmers. Einzelheiten s. auch M 22.1 Fn. 8 ff. 3 Das BAG hat mit Entscheidung v. 10.2.2015 – 9 AZR 455/13, NJW 2015, 2520, die Möglichkeit zur hilfsweisen Urlaubsgewährung deutlich eingeschränkt. Danach gewährt ein Arbeitgeber durch eine Freistellungserklärung für den Zeitraum nach dem Zugang einer fristlosen Kündigung nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt. Ob danach eine hilfsweise Urlaubsgewährung überhaupt noch zulässig ist, ist offen. Einzelheiten Bauer, ArbRAktuell 2015, 100; zur Freistellung allgemein M 22.1 Fn. 8 ff. 4 Hier muss der Urlaubsberechnung die Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugrunde gelegt werden. Diese ist im Zweifel länger als bei Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung. 5 Im Falle der außerordentlichen Kündigung, die zusammen mit einer hilfsweise ordentlichen Kündigung erklärt wurde, kann der Urlaub nicht pauschal in einer Freistellungserklärung gewährt werden (ausdrücklich BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 455/13, NJW 2015, 2520, Rz. 18, 23). Vielmehr muss für den Arbeitnehmer klar sein, dass Urlaubsentgelt vorbehaltlos in jedem Fall gewährt wird und nicht vom späteren Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens abhängig ist. Um dennoch eine weitestmögliche Abgeltung bzw. Anrechnung des Urlaubs für den Fall der hilfsweisen ordentlichen Kündigung zu erreichen, schlagen wir die o.g. Formulierung auf Anregung von Bauer, ArbRAktuell 2015, 100 und Klasen, GWR 2015, 305 vor. 6 Diese Anforderung hat das BAG v. 10.2.2015 – 9 AZR 455/13, NJW 2015, 2520, Rz. 18, 23 ausdrücklich aufgestellt, anderenfalls ist die Urlaubsgewährung durch Freistellungserklärung im Falle der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung unwirksam. Alternative Formulierung bei Fröhlich, ArbRB 2016, 86, 88: „Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung gewähren wir Ihnen in der Zeit vom … bis zum … den Ihnen im Zeitpunkt der Kündigung noch zustehenden restlichen Urlaub und werden Ihnen das dafür geschuldete Urlaubsentgelt ordnungsgemäß auszahlen. Bei Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gilt dieser Betrag als Urlaubsabgeltung.“

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Lingemann

M 22.7

Beendigungskündigung

Kap. 22

[Evtl.] – Wir stellen wir Sie hiermit ab dem … [Datum nach Ende des Urlaubs] unwiderruflich und unter Anrechnung sämtlicher bestehender Ansprüche auf Freizeitausgleich7 von der Arbeit frei. Die Freistellung erfolgt bis zum … Während der übrigen Zeit der Freistellung wird ein etwaiger anderweitiger Verdienst gem. § 615 Satz 2 BGB angerechnet.8 [Evtl.] Jede Beteiligung und/oder Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen ist aber untersagt.9 Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gem. den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.10 … (Firma) 7 8 9 10

Einzelheiten s. M 22.1 Fn. 10. Einzelheiten s. M 22.1 Fn. 14. Einzelheiten s. M 22.1 Fn. 15. Auch ein Unterlassen des Hinweises hat allerdings keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Rz. 183).

M 22.7

Außerordentliche sowie hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis1 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgemäß2 zum nächstmöglichen Zeitpunkt 1 Zur Betriebsratsanhörung s. M 22.13. 2 Besteht kein Betriebsrat, kann der Hinweis auf die hilfsweise ordentliche Kündigung unterbleiben, solange der Kündigungserklärung hinreichend deutlich zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber unter keinen Umständen an dem Arbeitsverhältnis festhalten will. Es reicht dann aus, wenn sich der Arbeitgeber im möglichen Kündigungsschutzprozess darauf beruft, dass die fristlose Kündigung notfalls in eine ordentliche umzudeuten ist. Besteht allerdings ein Betriebsrat, so ist eine hilfsweise ausgesprochene oder durch Umdeutung zu ermittelnde ordentliche Kündigung unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht auch dazu nach § 102 BetrVG angehört wurde. Es ist in jedem Fall ratsam, die hilfsweise ordentliche Kündigung auch im Kündigungsschreiben mitzuteilen. Wird, wie hier, eine ordentliche Kündigung nur hilfsweise zur außerordentlichen erklärt, reicht die Angabe der Kündigungsfrist „zum nächstmöglichen Termin“ aus, einer weiteren Konkretisierung der Kündigungsfrist bedarf es nicht, weil der Kündigungsempfänger nicht im Unklaren darüber ist, wann das Arbeitsverhältnis nach Vorstellung des Kündigenden enden soll. Die Beendigung soll offensichtlich bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung erfolgen. Der Kündigungsempfänger muss und kann sich in seinem praktischen Handeln auf diesen Beendigungszeitpunkt einstellen. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob es ihm ohne Schwierigkeiten möglich ist, die Kündigungsfrist der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung zu ermitteln (BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117). Einer Ergänzung „nach unseren Berechnungen also zum …“ bedarf es daher uE nicht (für die Einfügung aber Kamann, Anm. zu BAG v. 20.1.2016, ArbRAktuell 2016, 166).

Lingemann

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.7

Sie stehen in dem dringendem Verdacht, am … und am … Beträge von insgesamt Euro … zu eigenen Zwecken aus der Kasse unserer Filiale in … entnommen zu haben.3 Ihr Verhalten begründet den dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung. In der Anhörung vom … haben Sie die Vorwürfe bestritten. Wie wir Ihnen in der Anhörung gezeigt haben, gibt es jedoch entsprechende Videobeweise. Die Staatsanwaltschaft hat am … Anklage gegen Sie erhoben, sodass sie von einem hinreichendem Tatverdacht ausgeht.4 Aufgrund dessen sprechen wir die außerordentliche fristlose Verdachtskündigung aus. Hilfsweise kündigen wir Ihnen aufgrund des Verdachtes ordentlich mit der vertraglichen Kündigungsfrist. [evtl.5] Der Betriebsrat hat – der außerordentlich fristlosen Verdachtskündigung zugestimmt. oder – gegen die außerordentlich fristlose Verdachtskündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der außerordentlich fristlosen Verdachtskündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. Der Betriebsrat hat ferner – der hilfsweise ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung zugestimmt. oder – gegen die hilfsweise ordentlich fristgemäße Verdachtskündigung Bedenken erhoben, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. oder – der hilfsweisen ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung widersprochen, eine Abschrift der Stellungnahme fügen wir bei. [Evtl. Freistellungserklärungen6] Wir weisen Sie auf Ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 Abs. 1 SGB III hin. Sie sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist gem. 3 Der Verdacht muss dringend sein und eine Pflichtverletzung von erheblichem Gewicht betreffen. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Pflichtverletzung im Falle ihres Vorliegens eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Einzelheiten Rz. 50 f. und bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 608; BAG v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NZA 2016, 287, Rz. 20 ff. mwN; v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11, NZA 2014, 243. 4 Der Arbeitgeber darf den Verlauf eines Strafverfahrens abwarten, bevor er Maßnahmen ergreift. Unter Berücksichtigung von § 626 Abs. 2 BGB kann er während des laufenden Verfahrens jedoch nur bei bestimmten Verfahrensstufen kündigen (Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 629 mwN). Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens reicht danach noch nicht aus, da insofern erst ein Anfangsverdacht besteht. Die Anklageerhebung oder der Erlass eines Strafbefehls sind hingegen geeignet, die Kündigungserklärungsfrist (ggf. erneut) auszulösen. Vgl. auch Rz. 65. 5 Eine Pflicht zur Weiterleitung der Stellungnahme des Betriebsrats besteht nur, wenn der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat (§ 102 Abs. 4 BetrVG). Unterbleibt trotzdem die Weiterleitung, hat dies aber nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge (Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rz. 191; LAG Köln v. 19.10.2000 – 10 Sa 342/00, MDR 2001, 517; aA Schütte, NZA 2011, 263; Düwell, NZA 1988, 866 ff.). Der Arbeitgeber macht sich jedoch uU schadensersatzpflichtig. 6 S. M 22.6 Fn. 8 ff.

896

Lingemann

M 22.10

Beendigungskündigung

Kap. 22

den beiden vorstehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von uns in Aussicht gestellt wird. Weiterhin sind Sie verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.7 … (Firma) 7 Auch ein Unterlassen des Hinweises hat allerdings keine Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zur Folge (vgl. Rz. 183).

M 22.8

Außerordentliche Arbeitnehmerkündigung und Lossagung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot

Firma … z. Hd. der Geschäftsleitung (Ort, Datum) … Sehr geehrte Damen und Herren, mit Schreiben vom … habe ich das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund nach § 626 BGB gekündigt. Hiermit erkläre ich nach § 75 Abs. 1 HGB, dass ich mich an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot vom … als nicht gebunden erachte.1 (Herr/Frau …) 1 Ausführlich dazu M 25.4 mit Anm.

M 22.9

Aufforderung zur Mitteilung außerordentlicher Kündigungsgründe

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, mit Schreiben vom … haben Sie das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt. Wir fordern Sie auf, uns die Kündigungsgründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Dazu sind Sie nach § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB verpflichtet. … (Firma)

M 22.10

Kündigungszurückweisung wegen fehlender Vollmachtsvorlage

Firma … z. Hd. der Geschäftsleitung (Ort, Datum) … Sehr geehrte Damen und Herren,

Lingemann

897

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.11

die Kündigung1 vom …, mir zugestellt am …, die von Herrn/Frau … mit ppa.2/i.A. unterzeichnet3 worden ist, weise ich mangels Vorlage einer Originalvollmacht gem. § 174 BGB zurück.4 …5 (Herr/Frau) 1 Einzelheiten Rz. 16. Wird die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Bevollmächtigten des Arbeitgebers ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde (Original) erklärt, kann der Arbeitnehmer die Kündigung gem. § 174 BGB aus diesem Grund unverzüglich zurückweisen. Bei einer Kündigung durch ein einzelvertretungsbefugtes Organmitglied oder einen Prokuristen mit Einzelprokura ist die Beifügung einer Vollmacht wegen § 15 HGB nicht erforderlich (BAG v. 11.7.1991 – 2 AZR 107/91, NZA 1992, 449), bei einem Personalleiter ist sie gleichfalls entbehrlich, selbst wenn er nur Gesamtprokura hat (BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, NZA 2015, 159, 161, Rz. 21 ff.). 2 Einzelheiten Rz. 19–22. Die Zurückweisung ist hier möglich und sinnvoll, wenn es sich um einen Gesamtprokuristen handelt, der allein unterschrieben hat, ohne die Vollmacht des zweiten Gesamtprokuristen vorzulegen (vgl. OLG Hamm v. 26.10.1990, AnwBl 1991, 340: Vorlage einer Faxkopie der Vollmacht reicht nicht aus!). Anders, wenn der Gesamtprokurist auch Personalleiter ist (BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, NZA 2015, 159, 161, Rz. 21 ff.). 3 Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde bedarf es nicht bei der Kündigung durch Personalabteilungsleiter BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 567/13, NZA 2015, 159, Rz. 20 ff.; v. 29.10.1992 – 2 AZR 460/92, NZA 1993, 307; v. 30.5.1972, AP Nr. 1 zu § 174 BGB). Auf Personalsachbearbeiter ist dieser Grundsatz jedoch nicht übertragbar; vgl. Rz. 20. 4 Die Kündigung ist damit unwirksam, es sei denn, der Vollmachtgeber hatte den Arbeitnehmer (nachweisbar) von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt (§ 174 Satz 2 BGB). 5 Wichtig: Wird die gegen § 174 BGB verstoßende Kündigung durch einen Bevollmächtigten zurückgewiesen, so hat auch dieser eine Vollmachtsurkunde im Original beizufügen. Andernfalls kann auch die Zurückweisung ihrerseits nach § 174 BGB zurückgewiesen werden.

M 22.11

Unternehmerentscheidung zur betriebsbedingten Kündigung

Die Unterzeichner bilden die Gesellschafterversammlung1 der … GmbH. Unter Verzicht auf alle Formen und Fristen der Einberufung und Durchführung beschließen sie einstimmig Folgendes: Der Betrieb der … GmbH in … soll mit Wirkung zum … stillgelegt werden. Für diesen Betrieb werden ab sofort keine Aufträge mehr angenommen. Allen Arbeitnehmern des Betriebs soll zum nächstmöglichen Kündigungstermin gekündigt werden. Die Arbeitnehmer werden zur Abarbeitung noch vorhandener Aufträge nur noch während ihrer jeweiligen Kündigungsfristen, höchstens bis zum Stilllegungszeitpunkt, eingesetzt.2 Die Geschäftsführer der … GmbH werden angewiesen, die dazu erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. … (Gesellschafter der … GmbH) 1 Die Unternehmerentscheidung kann auch die Geschäftsführung treffen, sofern die Umsetzung gesichert ist (BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889; BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, NZA 1998, 771). 2 Einer Stilllegungsentscheidung steht es nicht entgegen, die Arbeitnehmer noch während ihrer Kündigungsfrist zu beschäftigen (BAG v. 18.1.2001 – 2 AZR 514/99, NZA 2001, 719).

898 Lingemann

M 22.12

M 22.12

Beendigungskündigung

Kap. 22

Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG

An den Betriebsrat1 z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir beabsichtigen, Herrn/Frau … verhaltensbedingt zu kündigen. Herr/Frau … hat folgende Sozialdaten: Alter … Eintrittsdatum in unser Unternehmen … Betriebszugehörigkeit … Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder … Schwerbehinderung … Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro … und ist als Kassierer/in tätig. Am … haben wir von Herrn … Folgendes erfahren2: Herr/Frau … hat am … einen Betrag von Euro … zu eigenen Zwecken aus der Kasse entnommen. Wie Sie wissen, ist er/sie dazu nicht berechtigt. Wir hatten ihn/sie drei Monate vorher bereits abgemahnt, weil er/sie damals einen Betrag von Euro … unberechtigt aus der Kasse entnommen hatte. Die Abmahnung fügen wir als Anlage 1 bei. Herr/Frau … hat die Pflichtverletzung eingeräumt. Da Herr/Frau … sich die Abmahnung offenbar nicht als Warnung hat dienen lassen, ist uns ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von … nicht mehr zumutbar. Wir beabsichtigen daher, ihm/ihr nunmehr außerordentlich3 fristlos zu kündigen. Dazu bitten wir um Ihre Zustimmung. Wir beabsichtigen ferner, ihm/ihr hilfsweise auch ordentlich fristgemäß zu kündigen mit gesetzlicher Kündigungsfrist von …, somit zum ….4 Auch dazu bitten wir um Ihre Zustimmung. … (Unterschrift) 1 Zu den Einzelheiten vgl. die Rz. 145 ff. 2 Auch die Tatsachen, aus denen sich die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist (Einzelheiten Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 629) ergibt, muss der Arbeitgeber in der Betriebsratsanhörung mitteilen (LAG Hessen v. 17.7.2015 – 14 Sa 977/14, juris, Rz. 74; LAG Hamm, 29.5.2009 – 13 Sa 1452/08, juris; v. 19.5.2008 – 8 Sa 288/08, juris; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Fiebig, § 102 BetrVG Rz. 113; kritisch Hertzfeld, FA 2013, 107). Hier hat die Anhörung des Arbeitnehmers zur Verdachtskündigung die Frist ausgelöst. 3 Zwingend ist die Angabe, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist. 4 Bei Ausspruch einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigungsfrist in der Kündigung nicht angeben (BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117). Gleichwohl wird man sie in der Betriebsratsanhörung zu der außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung wohl weiterhin angeben müssen, zumal die Länge der Kündigungsfrist bei der Frage, ob die außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB wirksam ist, eine wesentliche Rolle spielt.

Lingemann

899

Kap. 22

M 22.13

Beendigungskündigung

M 22.13

Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlich fristlosen sowie hilfsweise ordentlich fristgemäßen Verdachtskündigung gem. § 102 BetrVG

An den Betriebsrat1, 2 z. Hd. der/des Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir beabsichtigen, gegenüber Herrn … eine außerordentliche3 fristlose sowie hilfsweise ordentliche fristgemäße Verdachtskündigung4 auszusprechen. Herr … hat folgende Sozialdaten: Alter … Eintrittsdatum in unser Unternehmen … Betriebszugehörigkeit … Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder … Schwerbehinderung … Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er erhält zurzeit eine Vergütung von Euro … und ist als Kassierer tätig. Am … erhielten wir von Frau … den Hinweis, dass Herr … am … als Kassierer Beträge zu eigenen Zwecken aus der Kasse unserer Filiale in … entnommen habe.5 Wie Sie wissen, haben wir mit Zustimmung des Betriebsrates zur Aufklärung der Ursache erheblicher Kassenfehlbestände Videokameras im Verkaufsbereich installiert.6 Die Auswertung des Videomaterials erfolgte am … im Beisein des/der Betriebsratsvorsitzenden und belegt, dass Herr … sich mehrmals in auffälliger Weise mit dem Rücken zur Videokamera über die geöffnete Kasse gebeugt hat. Am Abend wies die Kasse einen Fehlbestand von Euro … auf. Die weitere Kassiererin, die an diesem Tag an der Kasse tätig war, Frau …, legte kein solches Verhalten an den Tag, sie konnte lückenlos beobachtet werden und hat ausweislich der Videoaufnahme keine Gelder für sich entnommen. Damit besteht der dringende Verdacht gegen Herrn …, am … Gelder aus der Kasse für sich entnommen zu haben.

1 Der zentrale Unterschied zur Anhörung des Betriebsrates bei einer Tatkündigung besteht darin, dass zwingend dem Betriebsrat auch von der Anhörung des Arbeitnehmers zu dem kündigungsbegründenden Verdacht zu berichten ist (s. Rz. 70). 2 Zur entsprechenden Kündigung s. M 22.7. 3 Zwingend ist die Angabe, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist. 4 Das Muster befasst sich nur mit der Anhörung zur Verdachtskündigung. Man könnte auch noch vorschalten die Anhörung zu einer Tatkündigung, und nur hilfsweise zur Verdachtskündigung anhören. Die Verdachtskündigung kann vom Arbeitsgericht jedoch in eine Tatkündigung umgedeutet werden, wenn sich der Verdacht im Prozess erhärtet und die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers feststeht, sofern der Arbeitgeber den Betriebsrat von den Umständen unterrichtet hat, welche die Tat begründen (BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227). Entscheidend ist daher, dass die Betriebsratsanhörung alle Fakten mitteilt, die auch für eine Tatkündigung von Bedeutung sein können. 5 Die Tatsachen, die den Verdacht begründen, und die Tatsachen, aus denen sich die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB (Einzelheiten Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 629) ergibt, muss der Arbeitgeber in der Betriebsratsanhörung mitteilen (LAG Hessen v. 17.7.2015 – 14 Sa 977/ 14, juris, Rz. 74; LAG Hamm v. 29.5.2009 – 13 Sa 1452/08, FD-ArbR 2009, 293260; LAG Hamm v. 19.5.2008 – 8 Sa 288/08, juris; Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Fiebig, § 102 BetrVG Rz. 113; kritisch Hertzfeld, FA 2013, 107). Hier hat die Anhörung des Arbeitnehmers zur Verdachtskündigung die Frist ausgelöst. 6 Eine Videoüberwachung von Mitarbeitern ist auch bei konkreten Verdachtsmomenten nur unter strengen Voraussetzungen zulässig (Einzelheiten s. Rz. 54).

900 Lingemann

M 22.14

Beendigungskündigung

Kap. 22

Dazu bestand keine Berechtigung. Am …7 haben wir Herrn … im Beisein des/der Betriebsratsvorsitzenden zu den Vorwürfen angehört8 und ihm im Rahmen der Anhörung auch die Videoaufnahme gezeigt. Das Protokoll seiner Anhörung fügen wir als Anlage 1 bei. Er bestreitet die Tat. Er räumte zwar ein, dass er wisse, dass es die Videokamera gebe, sein Verhalten habe aber nicht dazu gedient, die Entnahme von Geldern zu verdecken; zudem sei noch Frau … an dieser Kasse tätig gewesen. Das halten wir aufgrund der Videoaufnahme nicht für stichhaltig, zumal Herr … nicht erklären konnte, warum er sich wie geschildert verhalten hat. Der dringende Verdacht ist damit in keiner Weise erschüttert. Auch die Staatsanwaltschaft hat am … Anklage gegen Herrn … erhoben und geht somit von einem hinreichenden Tatverdacht aus.9 Damit besteht der dringende Verdacht, dass Herr … an den genannten Tagen die Gelder aus der Kasse zu eigenen Zwecken entnommen hat. Eine Abmahnung halten wir nicht für erforderlich, da das Vertrauen in Herrn …, als Kassierer mit dem ihm anvertrauten Geld in gewissenhafter Weise umzugehen, nachhaltig erschüttert und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts dieses schweren Verdachts ausgeschlossen ist.10 Ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist von … zum Monatsende ist uns nicht mehr zumutbar. Daher beabsichtigen wir, ihm außerordentlich11 fristlos sowie hilfsweise ordentlich fristgemäß mit der vertraglichen Kündigungsfrist von … zum Monatsende, somit zum …12 zu kündigen. Dazu bitten wir um Ihre Zustimmung. 7 S. Fn. 5. 8 Die Anhörung des zu kündigenden Arbeitnehmers zu einer außerordentlichen Verdachtskündigung muss in der Regel innerhalb einer Woche erfolgen (BAG v. 20.3.2014 – 2 AZR 1037/12, NZA 2014, 1015; v. 27.1.2011 – 2 AZR 825/09, NZA 2011, 798; v. 2.3.2006 – 2 AZR 46/05, NZA 2006, 1211; v. 10.6.1988 – 2 AZR 25/88, DB 1989, 282; v. 6.7.1972, DB 1972, 2119; vgl. Rz. 66). Der Betriebsrat muss nach der Anhörung des Arbeitnehmers, aber vor Ausspruch der Kündigung angehört werden. Wird der Betriebsrat nicht nur zur außerordentlichen Kündigung, sondern auch zur hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört, gelten unterschiedliche Stellungnahmefristen (Wochenfrist bei der ordentlichen Kündigung nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und Drei-Tage-Frist bei der außerordentlichen Kündigung nach § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Zum Ganzen Lembke, RdA 2013, 82, 91 f. 9 Der Arbeitgeber darf den Verlauf eines Strafverfahrens abwarten, bevor er Maßnahmen ergreift. Unter Berücksichtigung von § 626 Abs. 2 BGB kann er während des laufenden Verfahrens jedoch nur bei bestimmten Verfahrensstufen kündigen (weitere Einzelheiten bei Lingemann, Kündigungsschutz, Teil III, Rz. 629 mwN). Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens reicht dazu noch nicht aus, da insofern erst ein Anfangsverdacht besteht. Die Erhebung der öffentlichen Klage oder der Erlass eines Strafbefehls sind hingegen geeignet, die Kündigungserklärungsfrist (ggf. erneut) auszulösen, vgl. auch Rz. 66 ff., 153 ff. 10 Vgl. BAG v. 25.10.2012 – 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319 zur Entbehrlichkeit der Abmahnung bei der Tatkündigung, ferner Rz. 59. 11 Zwingend ist die Angabe, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist. 12 Bei Ausspruch einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die Kündigungsfrist in der Kündigung nicht angeben (BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NJW 2016, 1117). Gleichwohl wird man sie in der Betriebsratsanhörung zu der außerordentlichen sowie hilfsweise ordentlichen Kündigung wohl weiterhin angeben müssen, zumal die Länge der Kündigungsfrist bei der Frage, ob die außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB wirksam ist, eine wesentliche Rolle spielt.

M 22.14

Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen personenbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG

An den Betriebsrat1 z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause 1 Vgl. Rz. 101.

Lingemann

901

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.14

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir beabsichtigen, Herrn/Frau … personenbedingt ordentlich mit gesetzlicher Kündigungsfrist von … Monaten zum Monatsende, somit zum …, zu kündigen. Herr/Frau … hat folgende Sozialdaten: Alter … Eintrittsdatum in unser Unternehmen … Betriebszugehörigkeit … Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder … Schwerbehinderung … Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro … und ist tätig als … in der Abteilung … Herr/Frau … wies in den vergangenen drei Jahren die in der Anlage 1 aufgeführten Krankheitszeiten auf. Daraus ersehen Sie, dass er/sie in allen drei Jahren durch zahlreiche Kurzerkrankungen jeweils mehr als zwei Monate pro Jahr arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Die Ursachen der Erkrankungen sind uns nicht bekannt. Aufgrund der Erkrankungen in der Vergangenheit gehen wir davon aus, dass Herr/Frau … auch in Zukunft in vergleichbarem Umfang krank sein wird. Wir haben in der Anlage 1 gleichzeitig angegeben, für welche der Krankheitszeiten wir in welcher Höhe Entgeltfortzahlung geleistet haben. Daraus ersehen Sie, dass Herr/Frau … für sämtliche Krankheitszeiten Entgeltfortzahlung von uns erhalten hat. Dies ist eine wirtschaftliche Belastung, die uns künftig nicht mehr zumutbar ist. Alternativ oder kumulativ zum vorstehenden Absatz: Herr/Frau … ist Linienführer im Bereich … Durch die häufigen Kurzerkrankungen entstehen Produktionsausfälle im Umfang von … Stunden bei Anlaufen der Schicht. Diese Zeit ist erforderlich, um einen Vertreter als Linienführer einzusetzen. Gleichzeitig entstehen erhebliche Mehrkosten durch die Mehrarbeit, die die Vertreter jeweils erbringen müssen.2 Diese erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen sind uns künftig (gleichfalls) nicht mehr zumutbar. Uns sind keine Gesichtspunkte bekannt, die eine besondere Schutzwürdigkeit von Herrn/Frau … im Rahmen einer Interessenabwägung begründen könnten. Weder weist er/sie eine besonders lange Betriebszugehörigkeit auf noch außergewöhnliche Unterhaltspflichten, noch gab es jemals einen längeren ungestörten Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Insoweit ersehen Sie aus der Anlage 1 gleichfalls, dass Herr/Frau … seit Beginn des Arbeitsverhältnisses in jedem Jahr mehrere Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben war, wenn auch nicht im selben Umfang wie in den vergangenen drei Jahren.3 Wie Sie wissen, haben wir mit Ihrer Beteiligung ferner ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt. In dessen Rahmen haben sich keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten und keine Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes ergeben, mit denen die jetzt beabsichtigte Kündigung vermieden werden könnte.4 2 Alternativ zu den erheblichen wirtschaftlichen Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten (dazu Rz. 84 ff.) können die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen auch durch Betriebsablaufstörungen dargelegt werden. An diese Darlegungen sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Es ist zweifelhaft, ob die Angaben in der Betriebsratsanhörung alleine eine darauf gestützte Kündigung tragen würden. Die Betriebsablaufstörungen sind umfassend darzulegen. Zu empfehlen ist immer auch, die Entgeltfortzahlungskosten aufzunehmen und darauf – sofern die Höhe eine Kündigung rechtfertigt – die Kündigung auch in erster Linie zu stützen. 3 Vgl. Rz. 84 4 S. Rz. 78 ff. m. Anm.; vgl. BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 1979, Rz. 25. Hat kein bEM stattgefunden, ist die Darlegungslast des Arbeitgebers deutlich erweitert. Er muss dann im Kündigungsschutzprozess insbesondere darlegen, warum ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten, also letztlich nutzlos gewesen wäre (BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 1979, Rz. 39). Daran sollte sich die Betriebsratsanhörung orientieren.

902

Lingemann

M 22.15

Beendigungskündigung

Kap. 22

oder Wir haben Herrn/Frau … mit dem als Anlage 2 beigefügten Schreiben5 die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements angeboten6, Herr/Frau … hat dies jedoch mit dem als Anlage 3 beigefügten Schreiben abgelehnt.7 Wir bitten Sie, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. … (Unterschrift) 5 S. M 15.5. 6 Die Initiativlast liegt beim Arbeitgeber. Kommt es darauf an, ob er eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hinweisen. Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX/§ 167 Abs. 1 SGB IX nF hinausgeht. Zu diesen Zielen zählt die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann. Dem Arbeitnehmer muss verdeutlich werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann. Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten – als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BESG – erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (BAG v. 20.11.2014, NZA 2015, 1979, Rz. 32). Diese Ausführungen des BAG sprechen dafür, dass diese Angaben schon in dem Angebot enthalten sein müssen. 7 S. M 15.5.

M 22.15

Anhörung des Betriebsrats zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung gem. § 102 BetrVG

An den Betriebsrat1 z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, wir beabsichtigen, Herrn/Frau … betriebsbedingt ordentlich mit gesetzlicher Kündigungsfrist von … Monaten zum Monatsende, somit zum … zu kündigen. Herr/Frau … hat folgende Sozialdaten: Alter … Eintrittsdatum in unser Unternehmen … Betriebszugehörigkeit … Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder … Schwerbehinderung … Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro … und ist tätig als … in der Abteilung … Mit Beschluss vom … hat die Gesellschafterversammlung entschieden, die Abteilung … zum … stillzulegen. Aufgrund dessen fällt der dortige Arbeitsplatz von Herrn/Frau … zum … weg. 1 Vgl. Rz. 139 f.

Lingemann

903

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.16

Wir haben die Sozialauswahl gem. anliegender Liste betriebsweit durchgeführt.2 Aus der Liste ersehen Sie die einbezogenen vergleichbaren Arbeitnehmer und deren Sozialdaten. Wir haben die Arbeitnehmer in der Reihenfolge ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit geordnet. Damit ist Herr/Frau … nach Herrn A am wenigsten sozial schutzbedürftig, da er/sie die kürzeste Betriebszugehörigkeit, das geringste Alter und keine Unterhaltspflichten hat. Nur Herr A ist zwar noch weniger sozial schutzbedürftig. Da er aber als Einziger über die für unser Unternehmen unabdingbaren Kenntnisse des Betriebssystems für unsere Buchhaltungssoftware verfügt, die er selbst installiert hat, ist er nach unserer Auffassung mit den anderen Arbeitnehmern schon nicht sozial vergleichbar. Wir können auf seine Weiterarbeit unter keinen Umständen verzichten. Er war daher jedenfalls nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von der Sozialauswahl auszunehmen.3 Einen anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen gibt es nicht.4 Wir bitten Sie, der beabsichtigten Kündigung zuzustimmen. … (Unterschrift) 2 Auch wenn der Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Beweislast für die fehlerhafte Sozialauswahl trägt, muss der Arbeitgeber dazu in der Betriebsratsanhörung schon Stellung nehmen (BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 405/06, DB 2008, 1688), Einzelheiten vgl. Rz. 135. 3 Soweit eine Herausnahme aus der Sozialauswahl beabsichtigt ist, muss diese gegenüber dem Betriebsrat offengelegt und auch erläutert werden. Die Herausnahme ist allerdings stets mit erheblichen Risiken verbunden; vgl. Rz. 134. 4 Es ist nicht sicher, ob auch Angaben zur fehlenden anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit – Rz. 113 ff. – in die Betriebsratsanhörung aufgenommen werden müssen; jedenfalls ist dies der Fall, wenn der Betriebsrat vor der Anhörung bereits auf konkrete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten hingewiesen hatte (Einzelheiten vgl. Rz. 140). Die vorsorgliche Aufnahme ist zu empfehlen.

M 22.16

Anhörung des Betriebsrates zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Änderungskündigung sowie alternativ zur ordentlich fristgemäßen betriebsbedingten Beendigungskündigung gem. § 102 BetrVG

An den Betriebsrat1, 2 z. Hd. des/der Betriebsratsvorsitzenden im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, Im Zuge der geplanten Maßnahmen zur Veräußerung des Betriebes an X (im Folgenden: „Erwerber“) und Verlagerung des Betriebes nach B beabsichtigen wir, Herrn/Frau … die ordentliche fristgemäße betriebsbedingte Änderungskündigung seines/ihres durch Betriebsteilübergang auf den Erwerber übergehenden Arbeitsverhältnisses auszusprechen. Sollte Herr/Frau … dem Übergang seines/ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber im Laufe der Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB wirksam widersprechen, werden wir statt der Änderungskündigung eine ordentliche fristgemäße 1 Vgl. Rz. 141 f. Folgender Sachverhalt liegt dem Muster zugrunde (vgl. BAG v. 22.4.2010, NZA-RR 2010, 583): Der Betrieb des Veräußerers geht auf einen Erwerber an einem anderen Ort nach § 613a BGB über. Beim Veräußerer verbleibt kein Betrieb oder Betriebsteil. Der Arbeitgeber beabsichtigt daher, (1) für den Fall, dass der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang nicht widerspricht, ihm eine Änderungskündigung, gerichtet auf die Aufnahme der Tätigkeit beim Erwerber an einem anderen Ort, auszusprechen, und (2) für den Fall, dass er widerspricht, eine Beendigungskündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes beim Veräußerer. Die Anhörung betrifft beide Kündigungen. 2 Vgl. Rz. 141 f.

904 Lingemann

M 22.17

Beendigungskündigung

Kap. 22

betriebsbedingte Beendigungskündigung aussprechen müssen. Zu diesen Kündigungen hören wir Sie hiermit an. Herr/Frau … hat folgende Sozialdaten: Alter … Eintrittsdatum in unser Unternehmen … Betriebszugehörigkeit … Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder … Schwerbehinderung … Anhaltspunkte für eine sonstige soziale Schutzbedürftigkeit haben wir nicht. Er/Sie erhält zurzeit eine Vergütung von Euro … und ist tätig als … in der Abteilung … Ein Widerspruch von Herrn/Frau … gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses liegt bis jetzt nicht vor. Die Widerspruchsfrist ist jedoch noch nicht abgelaufen und es besteht noch die Möglichkeit des Widerspruchs. Es ist derzeit nicht absehbar, ob ein Widerspruch erfolgen wird. Das weitere Vorgehen bestimmt sich daher in Abhängigkeit davon, ob Herr/Frau dem Übergang des Arbeitsverhältnisses infolge des Betriebsübergang widerspricht oder nicht, wie folgt: – Widerspricht Herr/Frau … dem Übergang seines/ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber im Laufe der Widerspruchsfrist nicht, geht sein/ihr Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsübergang am … auf den Erwerber über. Da der Erwerber seinen Sitz in B hat, beabsichtigen wir in diesem Falle, am … eine ordentliche fristgemäße betriebsbedingte Änderungskündigung gem. anliegendem Entwurf3 zur Fortführung der Tätigkeit in B zu ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen auszusprechen.4 – Widerspricht Herr/Frau dem Übergang seines/ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber im Laufe der Widerspruchsfrist, beabsichtigen wir, Herrn/Frau … betriebsbedingt ordentlich mit gesetzlicher Kündigungsfrist von … Monaten zum Monatsende, somit zum … zu kündigen. Infolge der geplanten Maßnahmen fällt der Arbeitsplatz von Herrn/Frau … in A weg. Da der Betrieb in A nicht fortgeführt wird, ist auch eine Sozialauswahl nicht durchzuführen. Unser Unternehmen hat keine weiteren Betriebe, daher besteht auch kein anderweitiger freier Arbeitsplatz, auf dem Herr/ Frau … eingesetzt werden könnte.5 Wir bitten Sie, den beabsichtigten Kündigungen zuzustimmen.6 (Unterschrift) 3 Vgl. M 20.1. 4 Dabei ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Änderungskündigung wegen des Übergangs des Betriebes erfolgt und deshalb gem. § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist. Vgl. Kap. 60 Rz. 64 f. 5 Es ist nicht sicher, ob auch Angaben zur fehlenden anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit in die Betriebsratsanhörung aufgenommen werden müssen; jedenfalls ist dies der Fall, wenn der Betriebsrat vor der Anhörung bereits auf konkrete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten hingewiesen hatte (Einzelheiten vgl. Rz. 135). Die vorsorgliche Aufnahme ist zu empfehlen. 6 Der Anhörung sollte zweckmäßigerweise der Antrag auf Zustimmung nach § 99 BetrVG beigefügt werden (so auch im Fall BAG v. 22.3.2010, NZA-RR 2010, 583, vgl. Sachverhalt im Berufungsurteil LAG Hamburg v. 24.7.2008 – 7 Sa 33/08); vgl. M 20.4.

M 22.17

Stellungnahme des Betriebsrats zu einem Anhörungsschreiben

An die Geschäftsführung z.Hd. von Frau/Herrn […] im Hause Sehr geehrte(r) Frau/Herr …, Lingemann

905

Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.17

Ihr Anhörungsschreiben vom … liegt uns vor. Wir teilen dazu Folgendes mit: – Zu dem Anhörungsschreiben nehmen wir nicht weiter Stellung.1 oder – Der beabsichtigten Kündigung stimmen wir ausdrücklich und vorbehaltlos zu.2 oder – Gegen die beabsichtigten Kündigung haben wir folgende Bedenken: … .3 oder – Der beabsichtigten Kündigung widersprechen wir aus folgenden Gründen: … .4 Bitte ankreuzen:5 □ Dies ist eine abschließende Stellungnahme. □ Dies ist keine abschließende Stellungnahme. … (Unterschrift)6 1 Diese Formulierung kann Anhaltspunkt für eine abschließende, das Anhörungsverfahren vorzeitig beendende Stellungnahme des Betriebsrats sein, die eine vorzeitige Kündigung vor Ablauf der gesetzlichen Frist gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 bzw. 3 BetrVG ermöglicht. Eine vorzeitig beendende Stellungnahme kann allerdings nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände feststeht, dass der Betriebsrat sich innerhalb der Frist keinesfalls noch einmal äußern wird, vgl. BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15, NZA 2016, 1140. Ausführlich dazu Rz. 40. Häufig wird es schwierig zu bestimmen sein, ob die Stellungnahme des Betriebsrats endgültig ist. Es empfiehlt sich daher, wie am Ende dieses Musters, in der Stellungnahme ein Ankreuzfeld aufzunehmen, in dem der Betriebsrat seinen Willen dazu unmissverständlich äußert. 2 Die Formulierung „ausdrücklich und vorbehaltlos“ deutet zwar auf eine endgültige Stellungnahme hin, vgl. BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15, NZA 2016, 1140, Rz. 26, sicherer ist jedoch die Verwendung des Ankreuzfeldes am Endes des Musters. 3 Die Äußerung von Bedenken hat im Gegensatz zum form- und fristgerecht eingelegten Widerspruch keine Rechtsfolgen. 4 Widerspricht der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß, so kann der Arbeitgeber die beabsichtigte Kündigung zwar aussprechen, der Arbeitnehmer hat aber bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 BetrVG einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren. Ein Widerspruch kann ausnahmsweise auch gegen eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist erfolgen, wenn der Arbeitnehmer tariflich oder vertraglich ordentlich unkündbar ist, vgl. BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, NZA 1998, 77. Der Widerspruch muss in Schriftform und unter Angabe von Gründen aus dem abschließenden Katalog des § 102 Abs. 3 BetrVG erfolgen. Das Vorliegen eines Widerspruchsgrundes muss schlüssig begründet und auf konkrete, auf den Einzelfall bezogene Argumente. gestütztwerden, vgl. BAG v. 17. 6. 1999 – 2 AZR 608/98, NZA 1999, 1154. Der Arbeitgeber kann sich gegen ein Weiterbeschäftigungsverlangen wehren, indem er einen Antrag auf einstweilige Verfügung gem. § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG stellt, die ihn von der Weiterbeschäftigungspflicht entbindet. 5 Hat der Betriebsrat das erste Kästchen angekreuzt, so kann der Arbeitgeber die Kündigung vor Auslauf der Frist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 bzw. 3 BetrVG aussprechen. Hat er das zweite Kästchen angekreuzt, kann der Arbeitgeber die Kündigung erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist aussprechen. Wenn der Betriebsrat keines der beiden Kästchen angekreuzt hat, muss der Arbeitgeber, wenn er vor Fristablauf kündigen möchte, beim Betriebsratsvorsitzenden nachfragen und um Klarstellung darüber bitten, ob der Betriebsrat sich vor Ablauf der Frist noch einmal äußern möchte, vgl. BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15, NZA 2016, 1140. Ausführlich dazu Rz. 40. 6 Der Widerspruch nach § 102 Abs. 3 BetrVG muss schriftlich erfolgen, s. Fn. 3. Nach wohl hM ist hier § 126 BGB nicht maßgeblich, so dass es entsprechend der Rspr. des BAG zu § 99 Abs. 3 BetrVG (vgl. BAG 11. 6. 2002 – 1 ABR 43/01, NZA 2003, 226) keiner eigenhändigen Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden bedarf, sondern eine (Fern-) Kopie ausreicht, vgl. Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rz. 189 mwN; aA GK/Raab, § 102 BetrVG Rz. 112.

906 Lingemann

M 22.18

M 22.18

Beendigungskündigung

Kap. 22

Kündigungsschutzklage mit Weiterbeschäftigungsantrag

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:2 1. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom … nicht zum … endet.3 1 S. M 101.1 und M 101.2. Wichtig: Wird im Kündigungsschutzprozess irrtümlich eine Gesellschaft verklagt, die tatsächlich nicht Vertragsarbeitgeber ist (was insbesondere bei verschachtelten Konzernverhältnissen mit ähnlich klingenden Konzernunternehmen schnell vorkommt), kommt regelmäßig eine einfache Berichtigung des Rubrums nicht in Betracht, sondern es muss die Klage zurückgenommen und neu gegen den richtigen Arbeitgeber erhoben werden. Wegen der Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG ist das dann aber oft nicht mehr möglich. Schützen kann sich der Arbeitnehmer zum einen dadurch, dass er vorsorglich Arbeitsvertrag und Kündigungsschreiben der Klage beifügt (s. Fn. 9). Bestehen dagegen schon bei Klageerhebung Zweifel darüber, wer der richtige Arbeitgeber ist, sollten vorsorglich alle in Betracht kommenden Unternehmen gemeinsam verklagt werden. Zeigt sich im Laufe des Verfahrens, wer der richtige Arbeitgeber ist, können die Klagen gegen die übrigen Unternehmen ohne große Kostennachteile (§ 12a ArbGG) zurückgenommen werden (zum Sonderproblem der GbR s. auch M 101.1 Fn. 9). 2 Zu den Vor- und Nachteilen der Verbindung der Kündigungsschutzklage mit der Klage auf (rückständige oder künftige) Vergütung s. die Erläuterungen zu M 22.30 Fn. 5 u. 6. 3 Nach st. Rspr. des BAG gilt für Kündigungsschutzklagen nach § 4 KSchG die Theorie des „punktuellen Streitgegenstands“ (seit BAG v. 13.11.1958, AP Nr. 17 zu § 3 KSchG; wN bei KR/Friedrich, § 4 KSchG Rz. 225 ff.; ausführlich Stahlhacke, FS Wlotzke, 1996, S. 173 ff.). Streitgegenstand ist grundsätzlich nur die Auflösung bzw. Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses gerade durch die angegriffene Kündigung und zu dem in ihr vorgesehenen Termin. Streitgegenstand ist dagegen nicht der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BAG v. 13.11.1958, AP Nr. 17 zu § 3 KSchG 1951; v. 12.6.1986 – 2 AZR 426/85, NZA 1987, 273; aus der Literatur statt aller KR/Friedrich, § 4 KSchG Rz. 225 ff. m.umf.N zur Gegenmeinung). Deshalb darf sich der Klageantrag im Kündigungsschutzverfahren nicht darauf beschränken, dass festgestellt werden soll, dass „das Arbeitsverhältnis noch ungekündigt weiterbesteht“ oÄ. Aus der Theorie vom „punktuellen Streitgegenstand“ folgt weiter, dass spätere weitere Kündigungen vom ursprünglichen punktuellen Klageantrag nach § 4 KSchG nicht erfasst werden, sondern gesondert angegriffen werden müssen. Werden derartige Kündigungen erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist entdeckt, sind sie nach § 7 KSchG nicht mehr wegen Verstoßes gegen das KSchG angreifbar. Um dieses Risiko auszuschalten, wurde der „allgemeine Feststellungsantrag“ entwickelt. Man beantragte nicht nur die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die konkret angegriffene Kündigung nicht aufgelöst wird, sondern fügte diesem Antrag noch die Floskel „sondern zu unveränderten Bedingungen über den … hinaus fortbesteht“ an. Nach langem Schwanken entschied der 2. Senat des BAG mit Urteil v. 21.1.1988 – 2 AZR 581/86, NZA 1988, 651, diese Floskel enthalte eine selbständige allgemeine Feststellungsklage gem. § 256 ZPO. Mit dieser Klage seien automatisch weitere Kündigungen erfasst, die der Arbeitgeber bis zur letzten mündlichen Verhandlung ausspreche, und zwar unabhängig davon, wann sie in den Prozess eingeführt würden (sog. „Schleppnetztheorie“, BAG v. 21.1.1988, NZA 1988, 651; v. 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, NZA 1991, 141; v. 27.1.1994 – 2 AZR 484/93, NZA 1994, 812). In seinem Urteil v. 27.1.1994, NZA 1994, 812, entschied dann allerdings das BAG, es müsse sorgfältig im Einzelfall geprüft werden, ob mit der Floskel tatsächlich eine selbständige allgemeine Feststellungsklage erhoben sei. Noch restriktiver zeigte sich wenige Wochen später der 8. Senat in seiner Entscheidung v. 16.3.1994 – 8 AZR 97/93, NZA 1994, 860. In einer neueren Entscheidung (BAG v. 26.9.2013 – 2 AZR 682/12, NZA 2014, 443) hat das BAG sogar die ausschließliche Stellung eines Feststellungsantrags ausreichen lassen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. In der Praxis sollten bis auf Weiteres im Kündigungsschutzprozess stets zwei getrennte Anträge gestellt werden, nämlich zum einen der punktuelle Klageantrag nach § 4 KSchG (hier Ziff. 1), und daneben der allgemeine Feststellungsantrag (mit entsprechender Begründung!) nach § 256 ZPO (hier Ziff. 2; vgl. auch unten Fn. 5, 6, 13).

Diller

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.18

2. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den … hinaus fortbesteht.4 3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Abteilungsleiter im Vertrieb im Werk … weiter zu beschäftigen.5, 6

Begründung: Die Bekl. ist ein Unternehmen, das vor allem in der …-Verarbeitung tätig ist. Sie beschäftigt ständig mehr als zehn Arbeitnehmer.7 Der Kl. ist seit dem … bei der Beklagten als Abteilungsleiter im Vertrieb im Werk … tätig. Grundlage der Tätigkeit ist der Dienstvertrag vom … (Anlage K 1). Die Gesamtbezüge des Kl. beliefen sich zuletzt auf ca. Euro … p.a.8 Dem Kl. wurde am … vom Personalleiter eine Kündigung zum … ausgehändigt.9 Beweis: Kündigungsschreiben vom …, Anlage K 2. Kündigungsgründe gem. § 1 KSchG liegen offensichtlich nicht vor.10 Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bzw. des Sprecherausschusses wird mit Nichtwissen bestritten.11 Die Bekl. mag dazu vortragen. 4 Nach richtiger Auffassung erhöht der „Schleppnetz-Antrag“ den Streitwert des § 42 Abs. 2 GKG jedenfalls dann nicht, wenn er nur vorsorglich gestellt war und zwischen den Parteien keine weiteren Beendigungstatbestände streitig waren (LAG Rh.-Pf. v. 22.5.2009, AE 2009, Nr. 415). 5 Praxistipp: Nach der Rspr. des Großen Senats des BAG (v. 27.2.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) kann der Arbeitnehmer auch nach Ablauf der Kündigungsfrist Weiterbeschäftigung verlangen, wenn er in der ersten Instanz mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegt. Der Antrag sollte stets bereits in der Klageschrift gestellt werden, weil nur dann bei Säumnis des Arbeitgebers in der Güteverhandlung ein Versäumnisurteil auf Weiterbeschäftigung beantragt werden kann. Allerdings ist die Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherung bei frühzeitiger Antragstellung fraglich. 6 Wichtig: Im Weiterbeschäftigungsantrag müssen stets die Art der Tätigkeit, die Bedingungen sowie der Arbeitsort angegeben werden, da ansonsten die Vollstreckbarkeit mangels hinreichender Bestimmtheit des Titels fehlen kann (ausf. BAG v. 15.4.2009 – 3 AZB 93/08, NZA 2009, 917). Die in der Praxis verbreiteten Anträge auf Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Arbeitsbedingungen gem. Arbeitsvertrag“ sind zu unbestimmt und damit nicht vollstreckbar (BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053). Auf den Inhalt des Arbeitsvertrages kann nur verwiesen werden, wenn sich dessen Inhalt aus Tatbestand oder Entscheidungsgründen des Urteils ergibt. Dass das Urteil lediglich auf den Arbeitsvertrag verweist, reicht nicht. Zwar müssen sich aus dem Urteil nicht alle Details der Tätigkeit ergeben, schon weil der Arbeitnehmer wegen des Weisungsrechts des Arbeitgebers (§ 106 GewO) keinen Anspruch auf eine genau bestimmte Tätigkeit haben kann. Das „Berufsbild“ muss sich jedoch nach Auffassung des BAG (a.a.O.) aus dem Klageantrag ergeben. Bedenken hatte das BAG auch wegen des Zusatzes „zu unveränderten Arbeitsbedingungen“. Dies könne einer Bezugnahme auf den Arbeitsvertrag widersprechen und zur Unbestimmtheit (und damit Unzulässigkeit) führen, vor allem wenn unstreitig der bisherige Arbeitsplatz weggefallen sei. Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO (s. M 108.7). 7 Je nach Art und Größe des (möglicherweise gerichtsbekannten) Unternehmens mag es unnötig erscheinen, zur Überschreitung des Schwellenwerts nach § 23 KSchG vorzutragen. Fehlt der Vortrag, ist die Klage jedoch unschlüssig, so dass bei Säumnis des Arbeitgebers in der Güteverhandlung kein Versäumnisurteil ergehen kann. 8 Die Angabe des Gehalts ist nicht zwingend, erleichtert aber dem Gericht die Streitwertfestsetzung (§ 42 Abs. 2 GKG) sowie die Erarbeitung von Vergleichsvorschlägen. 9 Gerade bei verschachtelten Konzernsachverhalten ist mitunter unklar, wer vertraglicher Arbeitgeber und damit richtiger Beklagter der Kündigungsschutzklage ist. Fehler können nach Ablauf der Klagefrist der §§ 4, 7 KSchG nicht mehr repariert werden. Wenn sich jedoch aus den Anlagen ergibt, wer der „richtige“ Arbeitgeber ist, kann das Gericht auslegen (BAG v. 15.3.2001 – 2 AZR 141/00, DB 2001, 1680). Deshalb sollten immer Arbeitsvertrag und insbesondere Kündigungsschreiben als Anlage beigefügt werden. 10 Praxistipp: Dieser Vortrag ist erforderlich, um ggf. Versäumnisurteil beantragen zu können. Detaillierter Vortrag zu den vermeintlichen (oder im Kündigungsschreiben genannten) Kündigungsgründen ist allerdings nicht ratsam. Taktisch klüger ist es, zunächst den Arbeitgeber vortragen zu lassen. 11 Wichtig: Das vorsorgliche Bestreiten der ordnungsgemäßen Anhörung der Arbeitnehmervertretung ist erforderlich, da sonst der Arbeitgeber nichts zur Betriebsratsanhörung vortragen muss.

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Diller

M 22.19

Beendigungskündigung

Kap. 22

Der Klageantrag Ziff. 2 beinhaltet eine selbständige allgemeine Feststellungsklage gem. § 256 ZPO.12 Dem Kl. sind zwar derzeit keine anderen möglichen Beendigungstatbestände außer der mit dem Klageantrag Ziff. 1 angegriffenen Kündigung bekannt. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Bekl. im Verlauf des Verfahrens weitere Kündigungen ausspricht. Es wird deshalb mit dem Klageantrag Ziff. 2 die Feststellung begehrt, dass das Anstellungsverhältnis auch durch solche weiteren Kündigungen nicht beendet wird. Der Klageantrag Ziff. 3 wird im Hinblick auf die Rechtsprechung des Großen Senats des BAG (v. 27.2.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) gestellt. … (Unterschrift)13 12 Wichtig: Diese Ausführungen sind unbedingt erforderlich, da nach der unklaren und in sich nicht widerspruchsfreien Rspr. der BAG-Senate (BAG v. 27.1.1994 – 2 AZR 484/93, NZA 1994, 812 und v. 16.3.1994 – 8 AZR 97/93, NZA 1994, 860; ausf. dazu Diller, NZA 1994, 830) nicht automatisch davon auszugehen ist, dass zusätzlich zu dem nach §§ 4, 7 KSchG erforderlichen punktuellen Klageantrag (Ziff. 1) auch noch ein allgemeiner Feststellungsantrag nach § 256 ZPO gestellt ist. Nur ein solcher allgemeiner Feststellungsantrag bezieht aber eventuelle spätere Kündigungen in das Verfahren mit ein. Ohne einen solchen Antrag besteht die Gefahr, dass nachfolgende Kündigungen (insbesondere in Schriftsätzen) übersehen und nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG angegriffen werden (ausf. dazu Bitter, NZA 1997, 1407 „Schleppnetztheorie“). 13 Der Streitwert beträgt gem. § 42 Abs. 2 GKG einen Vierteljahresbezug, bei nur kurzer Dauer des Anstellungsverhältnisses kann ein geringerer Streitwert angesetzt werden (zB LAG Rh.-Pf. v. 22.5.2009, AE 2009, Nr. 415 und 28.12.2011, NZA-RR 2012, 155). Entgegen einem verbreiteten Irrtum (der Anwälte viel Geld kostet!) sind also nicht nur drei Bruttomonatsgehälter anzusetzen, sondern auch anteilige Sonderzahlungen, Weihnachtsgelder, Tantiemen, Boni, geldwerte Vorteile aus Dienstwagennutzung etc. Zum Streitwert verbundener Anträge s. auch die Erläuterungen in Fn. 4. Werden, was häufig vorkommt, mit einer Klage mehrere Kündigungen angegriffen, handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände mit der Folge, dass sich die Streitwerte grundsätzlich addieren. Aus diesem Grunde ziehen es manche Anwälte vor, jede neue Kündigung mit gesonderter Klage anzugreifen, statt die bereits anhängige Kündigungsschutzklage zu erweitern. Das ist zwar gebührenmäßig vorteilhaft, weil sich bei getrennten Verfahren die Gegenstandswerte nicht addieren (BAG v. 19.10.2010 – 2 AZN 194/10, AP Nr. 1 zu § 42 GKG 1975), was wegen der degressiven Gebühren für den Anwalt günstiger ist. Allerdings werden die Verfahren dann schnell unübersichtlich und vor allem drohen hochkomplizierte Verwicklungen hinsichtlich der Reichweite der Rechtskraft. Deshalb ist die Zusammenziehung in einem einheitlichen Verfahren regelmäßig der bessere Weg.

M 22.19

Klage gegen Kündigung bei Unanwendbarkeit des KSchG

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25.3. … weder zum 30.6. … noch zum 31.10. … endet.

1 Die dreiwöchige Klagefrist der §§ 4, 7 KSchG gilt seit 2004 auch in Kleinbetrieben iSd. § 23 KSchG. Zu den Einzelheiten der Klageanträge s. M 22.18. 2 S. M 101.1 und M 101.2.

Diller

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.20

2. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.10. … hinaus fortbesteht. 3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als kaufmännischen Leiter im Betrieb in … weiter zu beschäftigen.

Begründung: Die Bekl. ist eine Werbeagentur mit insgesamt fünf Mitarbeitern. Der Kl. seit dem … bei der Bekl. als kaufmännischer Leiter tätig. Grundlage seiner Tätigkeit ist der Dienstvertrag vom … (Anlage K 1). Die Gesamtbezüge des Kl. beliefen sich zuletzt auf ca. Euro … p.a. Dem Kl. wurde am 25.3. … vom Geschäftsführer eine Kündigung zum 30.6. … ausgehändigt. Beweis: Kündigungsschreiben vom 25.3. …, Anlage K 2. Die Kündigung ist unwirksam. Sie verstößt gegen § 612a BGB. Der Kl. hat drei Tage vor Ausspruch der Kündigung zu einer Betriebsversammlung eingeladen, auf der ein Wahlvorstand zur Errichtung eines Betriebsrats gebildet werden sollte. Die Bekl. hat dies offensichtlich zum Anlass genommen, dem Kl. zu kündigen, um die Bildung des Betriebsrats zu verhindern.3 Im Übrigen dürfte die Kündigung auch an § 85 SGB IX/§ 168 ff. SGB IX nF scheitern. Der Kl. leidet seit längerem an einem schweren Rückenleiden. Er hat bereits zwei Monate vor Ausspruch der Kündigung beim zuständigen Versorgungsamt die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch beantragt. Es ist davon auszugehen, dass der Kl. in Kürze mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 % anerkannt werden wird. Von der bereits vor Ausspruch der Kündigung erfolgten Antragstellung informierte der Kl. die Bekl. unverzüglich nach Ausspruch der Kündigung mit Einschreiben vom … Beweis: Schreiben vom …, Anlage K 3. Schließlich ist auch die Kündigungsfrist nicht eingehalten. Die Kündigung ist offenbar mit der im Anstellungsvertrag vorgesehenen Frist von drei Monaten ausgesprochen worden. Die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB sind jedoch nicht einzelvertraglich abdingbar. Aufgrund seiner mehr als 20-jährigen Betriebszugehörigkeit galt für den Kl. also eine Kündigungsfrist von sieben Monaten. Die Kündigung hätte somit allenfalls zum 31.10. … wirksam werden können.4 … (Unterschrift)5 3 Für die Behauptung, die Kündigung sei eine verbotene Sanktion für die Ausübung von Rechten iSd. § 612a BGB, trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden kann aber ein Anscheinsbeweis (Prima-facie-Beweis) in Betracht kommen. 4 Eine Kündigung mit einer zu kurzen Kündigungsfrist ist nicht unwirksam. Sie ist vielmehr umzudeuten in eine wirksame Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt (hier der 31.10. …). 5 Auch bei Nichtanwendbarkeit des KSchG ergibt sich der Streitwert aus § 42 Abs. 2 GKG (Vierteljahresbezug, s. M 22.18 Fn. 14). Deshalb ist die Angabe der Vergütung in der Klageschrift sinnvoll.

M 22.20

Kündigungsschutzklage bei betriebsbedingter Kündigung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/…

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M 22.20

Beendigungskündigung

Kap. 22

(volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: (Klageanträge 1.–3. wie M 22.18)2

Begründung: Die Bekl. ist ein Maschinenbauunternehmen mit einem Werk in X mit 400 Beschäftigten und einem Werk in Y mit 500 Beschäftigten. Der Kl. war im Werk X seit … als Montagearbeiter mit einem Gehalt von zuletzt Euro … beschäftigt. Ein Betriebsrat besteht in beiden Werken nicht. Die Bekl. hat im März … der Belegschaft des Werkes X in einer Belegschaftsversammlung mitgeteilt, wegen anhaltenden Auftragsmangels müssten 100 Arbeitsplätze im Werk X abgebaut werden. Drei Tage später, am …, erhielt der Kl. eine betriebsbedingte Kündigung zum … Im Kündigungsschreiben war angegeben, dass dem Kl. wegen Auftragsmangels im Zuge der bekannt gegebenen Personalreduzierung gekündigt werden müsse. Beweis: Kündigungsschreiben vom …, Anlage K 1 Es wird bestritten, dass die von der Bekl. behaupteten betrieblichen Kündigungsgründe vorliegen. Im Übrigen wird bestritten, dass die Bekl. eine korrekte Sozialauswahl vorgenommen hat. Die Bekl. wird hiermit aufgefordert, die Gründe mitzuteilen, die für die von ihr getroffene soziale Auswahl maßgebend waren. Insbesondere wird die Bekl. zur Mitteilung aufgefordert, mit welchen anderen Mitarbeitern sie den Kl. verglichen hat.3 Im Übrigen ist die Kündigung auch schon deshalb unwirksam, weil der Kl. im Werk Y zu unveränderten Konditionen hätte weiterbeschäftigt werden können. Die Bekl. sucht für ihr Werk Y derzeit einen Maschineneinrichter. Beweis: Stellenanzeige in der … Zeitung vom …, Anlage K 2 Für diese Position wäre der Kl. bestens geeignet, da er bis zum Jahr … als Maschineneinrichter tätig war. Der Kl. wäre auch bereit, nach Y umzuziehen.4 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Vgl. dazu die allgemeinen Erläuterungen zum M 22.18. 3 Praxistipp: Bei der betriebsbedingten Kündigung gibt es Ausnahmen von dem bei personen- und verhaltensbedingten Gründen geltenden Grundsatz, dass der Arbeitnehmer in der Klageschrift so wenig wie möglich vortragen und sich darauf beschränken sollte, das Vorliegen von Kündigungsgründen mit Nichtwissen zu bestreiten. Zum einen muss der Arbeitgeber im Prozess zu den Einzelheiten der Sozialauswahl und insbesondere zu dem von ihm für vergleichbar gehaltenen Personenkreis nur dann vortragen, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt (BAG v. 21.7.1988 – 2 AZR 75/88, NZA 1989, 264). Hat der Arbeitgeber auf Aufforderung entsprechend vorgetragen, ist es dann Sache des Arbeitnehmers, darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitgeber nicht alle vergleichbaren Mitarbeiter in die Sozialauswahl einbezogen und/oder soziale Gesichtspunkte nicht hinreichend oder unrichtig berücksichtigt hat (BAG v. 24.3.1983 – 2 AZR 21/82, NJW 1984, 78 und v. 21.7.1988, NZA 1989, 264). 4 Ähnliches wie für die Sozialauswahl (vgl. oben Fn. 3) gilt für die mögliche Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nach § 1 Abs. 2 KSchG. Weder hat der Arbeitgeber darzulegen, dass die Weiterbeschäftigung nicht möglich war, noch kann sich der Arbeitnehmer mit der pauschalen Behauptung begnügen, es gäbe im Betrieb oder in anderen Betrieben des Unternehmens freie Arbeitsplätze. Vielmehr muss der Arbeitnehmer konkret einzelne Arbeitsplätze benennen, auf denen er eine Weiterbeschäftigung für möglich hält. Es ist dann Sache des Arbeitgebers darzulegen, dass auf diesen Arbeitsplätzen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist. Entgegen dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG macht die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf anderen Arbeitsplätzen desselben oder eines anderen Betriebes des Unternehmens die Kündigung nicht nur dann unwirksam, wenn der Betriebsrat widersprochen hat. Auch wenn kein Betriebsrat existiert oder dieser nicht widersprochen hat, ist bei Bestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit die Kündigung unwirksam. Es kommt auch nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer von sich aus vor der Kündigung Weiterbeschäftigung verlangt hat. Vielmehr muss der Arbeitgeber von sich aus die Weiterbeschäftigung anbieten, wenn Arbeitsplätze frei sind (BAG v. 27.9.1984, EzA § 2 KSchG Nr. 5).

Diller

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.21

… (Unterschrift)

M 22.21

Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: (Ziff. 1.–3. s. M 22.18)2 4. Die Kündigungsschutzklage wird gem. § 5 KSchG nachträglich zugelassen.3, 4

Begründung: (s. zunächst M 22.18) Das Kündigungsschreiben ist am 15.6. … abends durch Boten in den Hausbriefkasten des Kl. eingeworfen worden. Dies hat die Bekl. auf telefonische Nachfrage bestätigt. Der Kl. war mit seiner gesamten Familie in der Zeit vom 12.6. … bis einschließlich 10.7. … im Urlaub. Während dieser Zeit war niemand im Haus. Der Kl. hatte zwar einen Nachbarn gebeten, den Briefkasten regelmäßig zu leeren. Der Nachbar hatte aber ausdrückliche Anweisung, Post nicht zu öffnen, sondern nur an sich zu nehmen. Unmittelbar am Tag seiner Rückkehr hat der Kl. die gesamte im Urlaub eingegangene Post geöffnet und auch das Kündigungsschreiben erstmals gelesen. Er hat sofort am nächsten Tag einen Besprechungstermin mit dem Unterzeichner vereinbart, der sofort die vorliegende Klageschrift gefertigt und eingereicht hat.5 Damit ist die dreiwöchige Klagefrist gem. §§ 4, 7 KSchG zwar überschritten.6 Dem Kl. fällt jedoch kein Verschulden zur Last. Er hatte keinen Anlass, mit dem Zugang einer Kündigung während seines Urlaubs zu rechnen. Dementsprechend war er auch nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass jemand seine Post öffnete und während seines Urlaubs irgendwel1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Wichtig: Der Antrag auf nachträgliche Zulassung nach § 5 KSchG muss mit der Klageerhebung verbunden werden; ist die Klage bereits eingereicht, ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 KSchG). 3 Wichtig: In der verspäteten Klageerhebung liegt grundsätzlich kein Zulassungsantrag nach § 5 KSchG (LAG Berlin v. 11.12.1964, AP Nr. 11 zu § 4 KSchG), der Zulassungsantrag muss ausdrücklich neben dem Kündigungsschutzantrag gestellt werden. 4 Das Verfahren der nachträglichen Zulassung ähnelt der aus dem allgemeinen Zivilprozess bekannten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nicht selten wird bei Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist nach § 4 KSchG beim Arbeitsgericht aus Unkenntnis ausdrücklich „Wiedereinsetzung“ beantragt. Im Regelfall wird ein solcher Antrag in einen Antrag auf nachträgliche Zulassung gem. § 5 KSchG umzudeuten sein. Gleichwohl sollte man die Terminologie des § 5 KSchG („nachträgliche Zulassung“) benutzen. 5 Ist aufgrund eines Verschuldens des Prozessvertreters des Klägers die Frist versäumt worden, muss sich dies der Kläger nach § 85 ZPO zurechnen lassen (BAG v. 11.12.2008 – 2 AZR 472/08, NZA 2009, 692). Das gilt auch für Gewerkschaftsvertreter (BAG v. 28.5.2009 – 2 AZR 548/08, NZA 2009, 1052). Ein Antrag nach § 5 KSchG ist in solchen Fällen nur erfolgreich, wenn der Prozessvertreter darlegt, dass er trotz ordnungsgemäßer Büroorganisation (insbesondere Fristenkontrolle) den Fehler nicht vermeiden konnte. Es gelten hier die gleichen Anforderungen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO. 6 Nach ständiger Rspr. geht ein während des Urlaubs des Arbeitnehmers an seine Heimatanschrift gerichtetes Kündigungsschreiben nach den allgemeinen Grundsätzen zu (BAG v. 16.3.1988 – 7 AZR 587/87, NZA 1988, 875 und v. 2.3.1989 – 2 AZR 275/88, NZA 1989, 635).

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che Maßnahmen ergriff. Nachdem der Kl. von der Kündigung erfahren hatte, hat er ohne schuldhaftes Zögern7 den Unterzeichner eingeschaltet. Zwischen der Kenntnisnahme des Kl. und der Einreichung der vorliegenden Klageschrift lagen weniger als zwei Wochen, so dass die Frist für die Zulassung verspäteter Klagen gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG eingehalten ist.8, 9 Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Kl.,10 Anlage K 1 … (Unterschrift)11 7 Der Antrag ist nur erfolgreich, wenn der Arbeitnehmer darlegt, warum er trotz Anwendung der ihm „nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt“ verhindert war, die dreiwöchige Klagefrist zu wahren (§ 5 Abs. 1 KSchG). 8 Der Antrag kann nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt werden, aber nicht später als sechs Monate nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist (§ 5 Abs. 3 KSchG). Innerhalb der Zwei-Wochen-Frist muss nicht nur der Antrag gestellt werden, vielmehr müssen auch die Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die die nachträgliche Zulassung begründen sollen. Nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist können nach hA nur noch die bereits vorgetragenen Gründe ergänzt oder abgerundet werden, nicht aber völlig neue Gründe noch vorgebracht werden (LAG BW v. 25.11.1958, AP Nr. 6 zu § 4 KSchG; LAG Hamm v. 19.6.1986, AP Nr. 7 zu § 5 KSchG 1969). 9 Das Verfahrensrecht des § 5 KSchG hat sich per 1.4.2008 grundlegend geändert. Nach altem Recht hatte die Kammer über den nachträglichen Zulassungsantrag stets durch Beschluss vorab zu entscheiden, der mit sofortiger Beschwerde angreifbar war. Nach der Neuregelung (dazu Roloff, NZA 2009, 761; Francken/Natter/Rieker, NZA 2008, 377) bildet die Kündigungsschutzklage mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung grundsätzlich eine Einheit (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KSchG). Im Regelfall entscheidet also das Arbeitsgericht durch einheitliches Urteil: Lehnt es die nachträgliche Zulassung ab, wird zugleich die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Ist dagegen der Antrag auf nachträgliche Zulassung begründet, entscheidet das Arbeitsgericht in der Sache zugleich die Kündigungsschutzklage. Eine isolierte Anfechtung der (stattgebenden oder abweisenden) Zulassungsentscheidung durch sofortige Beschwerde findet also nicht mehr statt, vielmehr ist das arbeitsgerichtliche Urteil nur insgesamt mit der Berufung angreifbar. Das Arbeitsgericht kann allerdings optional das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Zulassung beschränken (§ 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG). In diesem Fall ergeht die Entscheidung über den Zulassungsantrag durch Zwischenurteil, welches wie ein Endurteil mit der Berufung angefochten werden kann (§ 5 Abs. 4 Satz 3 KSchG). 10 Wichtig: Häufig übersehen wird, dass die Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung glaubhaft zu machen ist (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG). Noch nicht entschieden ist, ob die Glaubhaftmachung noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist erfolgen muss, vorsorglich sollte dies immer geschehen. Klassisches Mittel der Glaubhaftmachung ist die eidesstattliche Versicherung. Fehlt die Glaubhaftmachung, ist dies unschädlich, wenn der Gegner das Vorbringen nicht bestreitet. 11 Der Streitwert entspricht dem der Kündigungsschutzklage (s. M 22.18 Fn. 14), der Antrag auf nachträgliche Zulassung ist nicht gesondert zu bewerten (Einzelheiten bei KR/Friedrich, § 5 KSchG Rz. 210 ff. mwN).

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Auflösungsantrag des Arbeitnehmers

An das Arbeitsgericht1, 2 In Sachen 1 Wichtig: Der Auflösungsantrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz gestellt werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Eine Zurückweisung als verspätet scheidet grundsätzlich aus, auch wenn der Auflösungsantrag auf neue Tatsachen gestützt wird. Allerdings ist unbedingt zu empfehlen, den Antrag bereits in der ersten Instanz zu stellen. Denn wird der Antrag in der ersten Instanz nicht gestellt und gewinnt der Arbeitnehmer, so muss er in den Betrieb zurückkehren oder selbst (ohne Abfindung!) kündigen, wenn der Arbeitgeber das Urteil rechtskräftig werden lässt. Der Arbeitnehmer kann keine Berufung einlegen mit dem Ziel, in der zweiten Instanz erstmals den Auflösungsantrag zu stellen, weil es an einer Beschwer fehlt.

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…/… (volles Rubrum")3 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: (Klageanträge 1.–3. wie M 22.18)4 4. Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung,5 deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber Euro 20 000,– nicht unterschreiten sollte,6 zum …7 aufgelöst.8

Begründung: (Zu den Anträgen Ziff. 1.–3. s. M 22.18). Der Auflösungsantrag Ziff. 4 ist nach §§ 9, 10 KSchG begründet, da dem Kl. die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist. Der Kl. hat drei Tage nach Zugang der Kündigung ein Gespräch mit dem Personalleiter der Bekl. geführt, um Näheres über die Kündigungsgründe zu erfahren. In dem Gespräch hat der Kl. angekündigt, einen Anwalt einzuschalten und ggf. Kündigungsschutzklage zu erheben. Daraufhin hat der Personalleiter ihn in Gegenwart von dessen Sekretärin grob beschimpft und bedroht. Der Kl. sei ein „fauler und geldgieriger Hund“, den man schon viel früher hätte rauswerfen müssen. Der Kl. werde schon sehen, wohin er mit einer Kündigungsschutzklage komme. Von einem Erfolg beim Arbeitsgericht habe er gar nichts. Wenn der Kl. mit gerichtlicher Hilfe an seinen Arbeitsplatz zurückkehren sollte, werde man ihn binnen kürzester Zeit durch „gezieltes Mobbing“ „zur Strecke bringen“. Beweis: Zeugnis des Personalleiters … und dessen Sekretärin …, zu laden über die Bekl. Dass unter diesen Vorzeichen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kl. nicht zumutbar ist, liegt auf der Hand. Hinsichtlich der Höhe der Abfindung erscheint es angesichts des besonders 2 Praxistipp: Der Auflösungsantrag bietet sich vor allem an, wenn der Arbeitgeber nach Erhebung der Kündigungsschutzklage die Kündigung zurücknimmt. Eine einseitige Rücknahme ist nach den allgemeinen Regeln des BGB nicht zulässig. In der Rücknahme der Kündigung liegt deshalb nach richtiger Auffassung nur ein Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, das der Arbeitnehmer nicht annehmen muss. Es kann allerdings fraglich werden, ob nach Erklärung der Kündigungsrücknahme durch den Arbeitgeber der Arbeitnehmer für die Fortsetzung des Kündigungsschutzverfahrens noch ein Rechtsschutzinteresse hat. Dieses Rechtsschutzinteresse besteht allerdings unzweifelhaft, wenn der Arbeitnehmer alsbald nach der Rücknahmeerklärung des Arbeitgebers die Auflösung nach §§ 9, 10 KSchG beantragt (BAG v. 29.1.1981 – 2 AZR 1055/78, NJW 1982, 1118 und v. 19.8.1982, AP Nr. 9 zu § 9 KSchG). 3 S. M 101.1 und M 101.2. 4 S. dazu die allgemeinen Erläuterungen zu M 22.18. 5 Die Abfindung ist steuerbegünstigt nach §§ 24, 34 EStG und sozialabgabenfrei. Die für das Eingreifen der Steuervorteile erforderliche „Veranlassung des Arbeitgebers“ liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Ursache für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat, auch wenn der Auflösungsantrag formal vom Arbeitnehmer ausgeht (BFH v. 11.1.1980 – VI R 165/77, BStBl. II 1980, 205). 6 Praxistipp: Es ist nicht erforderlich, im Klageantrag einen bestimmten Abfindungsbetrag zu nennen. Auch unbezifferte Anträge sind zulässig. Allerdings kann bei einem unbezifferten Antrag keine Berufung eingelegt werden, wenn das Arbeitsgericht zwar dem Auflösungsantrag stattgibt, aber eine dem Arbeitnehmer zu gering erscheinende Abfindung festsetzt. Denn dann fehlt es an der Beschwer. Es ist deshalb immer sinnvoll, den Antrag zu beziffern. Allerdings trägt der Arbeitnehmer das Kostenrisiko, wenn er eine zu hohe Abfindungsforderung stellt (BAG v. 26.6.1986 – 2 AZR 522/85, NZA 1987, 139). 7 Aufzulösen ist gem. § 9 Abs. 2 KSchG stets zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, bei fristloser Kündigung zum Zeitpunkt des Zugangs. Der Arbeitnehmer braucht im Auflösungsantrag keinen besonderen Auflösungszeitpunkt zu nennen, da dieser sich aus dem Gesetz ergibt. 8 Wichtig: Prozessual ist der Antrag (anders als der Auflösungsantrag des Arbeitgebers, s. M 22.23) kein Hilfsantrag, sondern ein unechter Eventualantrag, der nur für den Fall der Begründetheit der Kündigungsschutzklage gestellt wird. Erhebt der Arbeitnehmer zusätzlich zur Kündigungsschutzklage eine Klage auf Zahlung einer Abfindung, ohne ausdrücklich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu begehren, wird man dies regelmäßig in einen Auflösungsantrag umdeuten können (BAG v. 13.12.1956, AP Nr. 5 zu § 7 KSchG).

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groben Fehlverhaltens der Bekl., die sich das Verhalten ihres Personalleiters nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, angemessen, über die üblichen Maßstäbe9 von einem halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr hinauszugehen. Eine Abfindung in Höhe von einem Monatsgehalt pro Dienstjahr erscheint hier angemessen; bei einer Dienstzeit von fünf Jahren und einem Monatsgehalt von Euro 4 000,– ergibt dies die im Klageantrag Ziff. 4 genannte Abfindung von Euro 20 000,–. … (Unterschrift)10 9 Die alte Faustregel „halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“ (vgl. § 1a KSchG) hat sich mittlerweile in der ganzen Republik weitgehend durchgesetzt. Allerdings werden stets auch die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die soziale Situation des Arbeitnehmers erhöhend oder mindernd berücksichtigt. 10 Der Auflösungsantrag wirkt sich nach hM (zB LAG Berlin v. 12.5.2006 – 17 Ta (Kost) 6061/06) gebührenmäßig nicht aus, auch wenn der Arbeitnehmer seine Abfindungsvorstellung beziffert (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG). Nach aA (zB LAG Berlin v. 30.12.1999 – 7 Ta 6121/99 (Kost), MDR 2000, 526) ist dagegen der Auflösungsantrag zusätzlich mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten.

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Auflösungsantrag des Arbeitgebers

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (Kurzrubrum) vertreten wir die Beklagte. Namens und im Auftrag der Beklagten beantragen wir: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Hilfsweise:2 Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung3 aufgelöst, die Euro 10 000,– nicht überschreiten sollte.4

Begründung: Die Kündigung war sozial gerechtfertigt, weil … (Darlegung der Kündigungsgründe). Der Hilfsantrag wird für den Fall gestellt, dass das Arbeitsgericht die Kündigung nicht als sozial gerechtfertigt ansehen sollte. Dann wäre dem Hilfsantrag auf Auflösung stattzugeben, da eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr erwartet werden kann (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Der Kl. hat eine Woche nach Erhalt des Kündigungsschreibens ein Interview im Lokal-Rundfunksender „Antenne X“ gegeben. Darin hat er die Bekl. wüst beschimpft, insbesondere als „Ausbeuter“. Die Geschäftsführung der Bekl. wurde als „Verbrecherbande“ und „Gangster“ diffamiert. Beweis: Zeugnis des Redakteurs des Senders „Antenne X“

1 Der Auflösungsantrag bedarf keiner Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. 2 Wichtig: Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers wird (anders als der des Arbeitnehmers, s. M 22.22) als echter Hilfsantrag gestellt. Über ihn wird nur entschieden, wenn der Arbeitgeber in der Hauptsache unterliegt, also die Kündigung vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt wird. 3 Zur steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Abfindung s. M 22.22 Fn. 5. 4 Zur Bezifferung des Auflösungsantrags s. M 22.22 Fn. 6.

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Es ist nicht ersichtlich, wie unter diesen Umständen eine künftige Zusammenarbeit noch möglich sein soll.5 Hinsichtlich der Abfindungshöhe ist angesichts der Schwere des Verschuldens des Kl. von der üblichen Faustformel „0,5 Monatsgehälter pro Dienstjahr“ nach unten abzuweichen. Auf der Basis dieser Faustformel ergäbe sich eine Abfindung von Euro 20 000,–. Im vorliegenden Fall erscheint die Hälfte davon angemessen. Im Übrigen bedarf der Auflösungsantrag ohnehin keiner besonderen Auflösungsgründe. Der Kl. ist nämlich leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG. Als Leiter der Filiale X der Bekl. war er sowohl im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung aller Beschäftigten dieser Filiale berechtigt (wird ausgeführt).6 Beweis: Zeugnis des Personalleiters …, zu laden über die Bekl. … (Unterschrift)7 5 Greift die Sonderregelung des § 14 Abs. 2 KSchG nicht ein, setzt der Auflösungsantrag gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG Gründe voraus, die „eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen“. Die Auflösungsgründe müssen nicht notwendigerweise das Gewicht eines personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes erreichen (BAG v. 26.11.1981, AP Nr. 8 zu § 9 KSchG). Das Verhalten dritter Personen (insbesondere abfällige Presseartikel) sind dem Arbeitnehmer nur zuzurechnen, wenn dieser das Verhalten des Dritten entscheidend veranlasst hat. 6 Praxistipp: Die Ausnahmeregelung des § 14 Abs. 2 KSchG wird von der Rspr. äußerst restriktiv gehandhabt. Die Personalkompetenz muss sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis bestehen, und zwar für einen erheblichen Kreis von Beschäftigten. Eine Filiale wie im vorliegenden Fall dürfte allerdings ausreichen. 7 Zum Streitwert s. M 22.22 Fn. 10.

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Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei offensichtlich unwirksamer Kündigung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Antragsteller.2 Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen3 wir: 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Praxistipp: Die einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung wird in der Praxis überwiegend aus taktischen Gründen eingesetzt. Meist geht es dem Arbeitnehmer gar nicht so sehr darum, weiterarbeiten zu können. Vielmehr wird die einstweilige Verfügung als Mittel benutzt, um kurzfristig Verhandlungsdruck für einen Abfindungsvergleich zu erzeugen. Insbesondere bei der Trennung von Führungskräften ist es für den Arbeitgeber äußerst peinlich, wenn sich der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung per einstweiliger Verfügung wieder zurück in den Betrieb kämpft. Droht dem Arbeitgeber ein Unterliegen im einstweiligen Verfügungsverfahren, steigt deshalb erfahrungsgemäß die Neigung erheblich, Abfindungsvergleiche abzuschließen. 3 Nicht möglich ist regelmäßig die Festsetzung einer Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG (s. M 108.2) für den Fall, dass der Arbeitgeber der einstweiligen Verfügung nicht nachkommt. Zwar wird § 61 Abs. 2 ArbGG auch im einstweiligen Verfügungsverfahren für grundsätzlich anwendbar gehalten. Allerdings wäre nach ganz herrschender Auffassung Voraussetzung, dass auch für den Entschädigungsanspruch ein Verfügungsgrund besteht, was regelmäßig nicht der Fall sein wird (Germelmann/Matthes/Prütting, § 61 ArbGG Rz. 28).

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1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung4 – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – aufgegeben, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens,5 Az. …, zu unveränderten Bedingungen im Betrieb in … als Export-Sachbearbeiter weiter zu beschäftigen,6 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

Begründung: Der ASt. ist seit dem … bei der AGg. als Export-Sachbearbeiter im Betrieb in … beschäftigt. Drei Tage vor Ablauf der Probezeit, am …, kündigte die AGg. das Anstellungsverhältnis fristgemäß zum … Mündlich wurde dem ASt. erklärt, man sei mit seinem Verhalten gegenüber Vorgesetzten nicht zufrieden und wolle deshalb das Anstellungsverhältnis nicht fortsetzen. Die Kündigung vom … war offensichtlich unwirksam.7 Die AGg. beschäftigt 50 Arbeitnehmer, bei ihr besteht ein Betriebsrat. Der Betriebsrat ist nicht gem. § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung gehört worden. Mündlich hat die AGg. erklärt, bei einer Kündigung während der Probezeit sei eine Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG nicht erforderlich, da ja auch keine Kündigungsgründe erforderlich seien. Diese Rechtsauffassung ist falsch. Nach ständiger Rechtsprechung ist gem. dem eindeutigen Wortlaut des § 102 BetrVG vor „jeder“ Kündigung der Betriebsrat zu hören, auch vor einer Kündigung während der Probezeit. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG erklärte Kündigung ist nichtig. Die AGg. hat auch keine Möglichkeit, aus den von ihr vorgebrachten Gründen nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats kurzfristig eine neue Kündigung auszusprechen.8 Da das Anstellungsverhältnis mittlerweile mehr als sechs Monate dauert, hat der ASt. nunmehr Kündigungsschutz. Eine erneute Kündigung wegen angeblich unangemessenen Verhaltens gegenüber Vorgesetzten würde schon deshalb scheitern, weil der ASt. nie abgemahnt worden 4 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. 5 Dass der Arbeitnehmer bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung während des Kündigungsrechtsstreits – auch über die Kündigungsfrist hinaus! – hat, ist nach der Entscheidung des Großen Senats (BAG GS v. 27.2.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) anerkannt, vgl. BAG v. 28.3.1985, AP Nr. 4 zu § 767 ZPO und v. 13.6.1985, AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht. 6 Wichtig: Streitig ist, wie bestimmt der Antrag formuliert sein muss. Nach hA reicht der Antrag auf Weiterbeschäftigung „zu den bisherigen“ oder „zu unveränderten Arbeitsbedingungen“ (BAG v. 31.3.1976 und 20.7.1977, AP Nr. 2, 3 zu Art. 33 Abs. 2 GG; LAG Berlin v. 5.12.1977 und v. 20.7.1978, AP Nr. 1 zu § 11 SchwbG bzw. AP Nr. 6 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; LAG Schl.-Holst. v. 6.1.1987, NZA 1987, 322). Allerdings wenden Arbeitgeber bei Unterliegen in der Hauptsache im nachfolgenden Vollstreckungsverfahren häufig ein, der Titel sei zu unbestimmt und deshalb nicht vollstreckbar. Sicherer ist es deshalb, im Antrag zumindest den Arbeitsort und die Funktion zu nennen (Falkenberg, DB 1987, 1534 mwN). Allerdings wird teilweise verlangt, dass sich beim Antrag auf Weiterbeschäftigung „zu unveränderten/bisherigen Arbeitsbedingungen“ die näheren Einzelheiten der Arbeitsleistung (Ort, Art der Tätigkeit) zumindest aus den Urteilsgründen ergibt. Ist dies nicht der Fall, wird von vielen Gerichten die Vollstreckungsfähigkeit verneint (zB LAG Rh.-Pf. v. 7.1.1986, NZA 1986, 196; LAG Hessen v. 13.7.1987, NZA 1988, 175). Für den Antragsteller hat das den Nachteil, dass er aus einer abgekürzten Fassung des Urteils (§ 317 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht vollstrecken kann. Großzügiger hinsichtlich der Vollstreckbarkeit zuletzt BAG v. 15.4.2009 – 3 AZB 93/08, NZA 2009, 917. 7 Gilt für das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz und streiten die Parteien über das Vorliegen ausreichender Kündigungsgründe iSd. § 1 KSchG, so wird nur selten eine offensichtliche Unwirksamkeit vorliegen. Hauptfälle der offensichtlichen Unwirksamkeit sind solche, bei denen die Kündigung ersichtlich schon an Formalien scheitert. Klassische Fälle sind beispielsweise die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts, eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG, die ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern etc. entgegen § 15 Abs. 1 KSchG, die außerordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ohne Einhaltung des Verfahrens nach § 103 BetrVG etc. 8 Fraglich ist das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, wenn der Arbeitgeber den Mangel der Kündigung ohne weiteres beheben und eine neue Kündigung aussprechen kann. Bei einer fristlosen Kündigung scheidet dies allerdings wegen der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB regelmäßig aus.

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ist. Darüber hinaus war sein Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten auch immer völlig einwandfrei. Der ASt. hat ein berechtigtes Interesse daran, während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens weiterbeschäftigt zu werden. Der ASt. ist vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei der AGg. mehr als zwei Jahre arbeitslos gewesen. In dieser Zeit ist er mit Unterstützung der Agentur für Arbeit zum ExportSachbearbeiter umgeschult worden. Der ASt. ist dringend auf aktive Beschäftigung angewiesen, um zu den mittlerweile erworbenen theoretischen Kenntnissen auch praktische Erfahrung hinzuzugewinnen. Ohne solche praktische Erfahrung wäre er auf dem Arbeitsmarkt kaum vermittelbar.9 Der ASt. hat gegen die unwirksame Kündigung vom … am … Klage erhoben, die beim Arbeitsgericht unter dem Az. … geführt wird. Die Güteverhandlung hat am … stattgefunden und blieb erfolglos. Die AGg. beharrt auf ihrem Standpunkt, eine Betriebsratsanhörung sei nicht erforderlich gewesen. Aufgrund der Überlastung der zuständigen Kammer wurde Kammertermin erst auf den … bestimmt. Zur Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten des Verfahrens, Az. … Ohne den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre der ASt. also mehr als neun Monate ohne Arbeit, bis das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung erstinstanzlich feststellen könnte. Es kann dem ASt. nicht zugemutet werden, so lange unbeschäftigt zu bleiben.10 Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 111, 12

9 Wichtig: Welche Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen sind, ist umstritten. Nach hA reicht es nicht aus, dass ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung der Beschäftigungsanspruch bis zur Entscheidung über die Hauptsache verloren gehen würde. Hinzu kommen muss immer noch ein besonderes Interesse des Arbeitnehmers daran, tatsächlich beschäftigt zu werden (vgl. LAG Hessen v. 23.3.1987, NZA 1988, 37; LAG Köln v. 31.7.1985 – 7 Sa 555/85, BB 1985, 2178; ausführlich Baur in Dunkl/ Moeller, Rz. B 83 ff.). Es muss also ein über das Erfüllungsinteresse hinausgehendes Interesse des Arbeitnehmers vorliegen; die bloße Vereitelung des Erfüllungsanspruchs ist noch kein wesentlicher Nachteil iSd. § 940 ZPO. 10 Nach st. Rspr. des BAG hängt die Bejahung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs immer von einer Interessenabwägung ab. Selbst bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen eine Weiterbeschäftigungspflicht nicht besteht. So wird man zB einer Bank nicht zumuten können, einen ungetreuen Kassierer weiter zu beschäftigen, nur weil bei der fristlosen Kündigung der Betriebsrat nicht angehört wurde (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 103). 11 Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO (LAG Berlin v. 19.1.1978, AP Nr. 9 zu § 888 ZPO; LAG Hamm v. 11.5.1989 – 17 Sa 1879/88, DB 1989, 1577; LAG Schl.-Holst. v. 6.1.1987, NZA 1987, 323). Allerdings muss dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung im Moment der Vollstreckung rechtlich und tatsächlich noch möglich sein. Daran fehlt es zB, wenn der Arbeitgeber den Betrieb inzwischen veräußert hat oder der Betrieb durch Abbau von Maschinen etc. endgültig stillgelegt ist. Nach herrschender Auffassung ist die Vollstreckung auch dann ausgeschlossen, wenn die Aufgaben weggefallen sind, die der Arbeitnehmer früher erledigt hat (LAG Hamm v. 29.8.1984, NZA 1985, 68). Zu Einzelheiten s. M 108.7. 12 Wichtig: Die einstweilige Verfügung muss gem. §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO innerhalb eines Monats vollzogen werden. Das wird in der Praxis häufig übersehen. Die Vollziehung erfolgt durch Zustellung im Parteibetrieb durch Gerichtsvollzieher. Die Vollziehung ist auch keineswegs nur dann erforderlich, wenn die einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergeht. Vielmehr muss auch bei der nach mündlicher Verhandlung erlassenen Urteilsverfügung die Zustellung im Parteibetrieb noch erfolgen, obwohl das Urteil gem. §§ 317, 270 ZPO ohnehin von Amts wegen zugestellt wird. Allerdings reicht nach herrschender Auffassung zur Vollziehung einer Urteilsverfügung aus, dass der Verfügungskläger innerhalb der Monatsfrist dadurch von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht, dass er die Festsetzung von Ordnungsmitteln beantragt. Auch die tatsächlich erfolgte Weiterbeschäftigung ist eine ausreichende „Vollziehung“ (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 91). Allerdings werden zu all diesen Punkten Mindermeinungen vertreten. Zur Haftungsvermeidung kann deshalb nur dringend dazu geraten werden, stets im Parteibetrieb zuzustellen.

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… (Unterschrift)13 13 Der Streitwert wird von den Instanzgerichten unterschiedlich gehandhabt, üblich sind ein halbes bis zwei Monatsgehälter, meist wird ein Monatsgehalt festgesetzt (LAG Thüringen v. 27.2.1996, AuR 1996, 196; LAG Sachsen v. 14.7.1993, LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 97; vgl. aber auch BAG v. 18.1.1996, NZA 1996, 1175: zwei Bruttomonatsgehälter). Da die einstweilige Verfügung die Hauptsache vorwegnimmt, ist der sonst für einstweilige Verfügungen übliche Abschlag nicht zu machen.

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Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung während der Kündigungsfrist

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: 1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung2 – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – aufgegeben, den Antragsteller bis zum Ablauf des 31.12. … im Marienhospital in … als Assistenzarzt in der Abteilung Orthopädie zu den bisherigen Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen,3 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

Begründung: Die AGg. betreibt das Marienhospital in … Auf der dortigen orthopädischen Station ist der ASt. seit dem … als Assistenzarzt tätig. Die AGg. hat das Anstellungsverhältnis mit Schreiben vom … fristgerecht zum 31.12. … gekündigt. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben vom …, Anlage AS 1 Die AGg. hat bislang trotz Aufforderung die (angeblichen) Kündigungsgründe nicht mitgeteilt. Kündigungsgründe iSd. § 1 KSchG gibt es auch nicht. Die AGg. beschäftigt ständig mehr als zehn Arbeitnehmer. Im Kündigungsschreiben wurde der ASt. sofort von der Arbeitsleistung freigestellt. Der ASt. hat mit Einschreiben vom … der Freistellung widersprochen und verlangt, zumindest bis zum 31.12. … weiterbeschäftigt zu werden. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom …, Anlage AS 2 Die AGg. hat sich jedoch geweigert, die Freistellung zurückzunehmen und den ASt. weiter zu beschäftigen. Sie ist der Auffassung, es stehe im Belieben eines jeden Arbeitgebers, Arbeitnehmer zu beschäftigen oder nicht.4 1 2 3 4

S. M 101.1 und M 101.2. Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. S. zunächst die Erläuterungen zu M 22.23. Nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats (v. 27.2.1985, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) hat der gekündigte Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf Beschäftigung auch in der Zeit zwischen Ausspruch der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist. Der Beschäftigungsanspruch entfällt nur dann, wenn überwiegende Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Das kann etwa

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Die AGg. ist nicht berechtigt, den ASt. einseitig freizustellen. Ein Recht zur Freistellung hat sie sich im Arbeitsvertrag nicht vorbehalten. Der ASt. hat auch ein dringendes Interesse daran, vertragsgemäß zumindest bis zum 31.12. … weiterbeschäftigt zu werden. Die sofortige Freistellung hat im Kollegenkreis zu Gerüchten geführt, dem ASt. sei wegen Unregelmäßigkeiten gekündigt worden, was unstreitig nicht zutrifft. Die mit diesen Gerüchten für den ASt. verbundene Rufschädigung ließe sich durch eine Weiterbeschäftigung bis zum 31.12. … beseitigen. Vor allem aber ist der ASt. darauf angewiesen, in seinem Beruf als Arzt weiter zu praktizieren, um seine berufliche Qualifikation nicht zu verlieren. Gerade die ärztliche Kunst entwickelt sich in rasantem Tempo fort. Ein Arzt, der seinen fachlichen Kenntnisstand halten und verbessern will, ist darauf angewiesen, zu praktizieren. Die Freistellung gefährdet deshalb die weitere berufliche Entwicklung des ASt. Dem kann nur durch Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung vorgebeugt werden.5 Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 3 Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren käme angesichts der Terminstände beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht mit Sicherheit zu spät. … (Unterschrift)6 bei hochrangigen Führungskräften der Fall sein, bei einer gravierenden Störung des Vertrauensverhältnisses, oder wenn wegen Auftragsmangels oder sonstiger äußerer Umstände eine tatsächliche Weiterbeschäftigung nur unnütze Kosten (Reisetätigkeit bei Außendienstlern etc.) verursachen würde. 5 Welche Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen sind, ist umstritten. Nach herrschender Auffassung reicht es nicht aus, dass ohne Erlass einer einstweiligen Verfügung der Beschäftigungsanspruch bis zur Entscheidung über die Hauptsache verloren gehen würde. Hinzu kommen muss immer noch ein besonderes Interesse des Arbeitnehmers daran, tatsächlich beschäftigt zu werden (vgl. LAG Hessen v. 23.3.1987, NZA 1988, 37; LAG Köln v. 31.7.1985 – 7 Sa 555/85, BB 1985, 2178; ausf. Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 83 ff.). Es muss also ein über das Erfüllungsinteresse hinausgehendes Interesse des Arbeitnehmers vorliegen; die bloße Vereitelung des Erfüllungsanspruchs ist noch kein wesentlicher Nachteil iSd. § 940 ZPO. 6 Der Streitwert einer Beschäftigungsklage wird regelmäßig mit einem Bruttomonatsgehalt angesetzt (zB LAG Thüringen v. 27.2.1996, AuR 1996, 250).

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Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen2, 3 wir: Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung4 – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein, ansonsten unter größtmög1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Der Weiterbeschäftigungsanspruch bei Widerspruch des Betriebsrats nach § 102 Abs. 5 BetrVG ist – obwohl es sich um einen Anspruch aus dem BetrVG handelt – im Urteilsverfahren geltend zu machen, nicht im Beschlussverfahren. 3 Üblicherweise wird der Weiterbeschäftigungsantrag unmittelbar mit dem Kündigungsschutzantrag verbunden. Zwingend ist dies aber nicht. 4 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3.

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licher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen – aufgegeben, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens, Arbeitsgericht …, Az. … zu unveränderten Bedingungen im Betrieb in … als Export-Sachbearbeiter weiter zu beschäftigen.

Begründung: Der ASt. ist seit dem … bei der AGg. als Export-Sachbearbeiter im … Betrieb beschäftigt, sein Gehalt betrug zuletzt Euro … monatlich. Am … kündigte die AGg. das Anstellungsverhältnis fristgemäß zum … Zur Glaubhaftmachung: Vorlage des Kündigungsschreibens vom …, Anlage AS 1 Vor Ausspruch der Kündigung hörte die AGg. mit Schreiben vom … den Betriebsrat gem. § 102 BetrVG an. In der Betriebsratsanhörung wurde die Kündigung des ASt. mit einem Einbruch bei den Export-Aufträgen begründet. Von bislang fünf Export-Sachbearbeitern würden künftig nur noch drei benötigt. Aufgrund seiner Sozialdaten gehöre der ASt. zu den beiden am wenigsten sozial schutzbedürftigen Mitarbeitern der Abteilung, deshalb müsse ihm gekündigt werden. Zur Glaubhaftmachung: Anhörung des Betriebsrats vom …, Anlage AS 2 Mit Schreiben vom … widersprach der Betriebsrat der Kündigung. In dem Schreiben wurde der Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 und 3 BetrVG widersprochen.5 Die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Der Export-Sachbearbeiter A, dem nicht gekündigt werde, sei jünger und kürzer im Betrieb als der ASt., außerdem habe er im Gegensatz zum ASt. keine unterhaltspflichtigen Kinder. Des Weiteren hat der Betriebsrat der Kündigung mit der Begründung widersprochen, der ASt. könne ohne weiteres als Sachbearbeiter im Vertriebs-Innendienst weiterbeschäftigt werden, wo derzeit eine Stelle frei sei.6 Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des Betriebsrats vom …, Anlage AS 3 Der ASt. hat am … unter Hinweis auf den Widerspruch des Betriebsrats von der AGg. schriftlich unter Berufung auf § 102 Abs. 5 BetrVG Weiterbeschäftigung verlangt.7 Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des ASt. vom …, Anlage AS 4 Die AGg. hat daraufhin dem ASt. mit Schreiben vom … mitgeteilt, er werde mit sofortiger Wirkung freigestellt, eine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG komme nicht in Betracht. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben der AGg. vom …, Anlage AS 5 Der ASt. hat gegen die Kündigung vom … am … Kündigungsschutzklage erhoben, die beim Arbeitsgericht unter dem Az. … geführt wird. Die Güteverhandlung hat am … stattgefunden und blieb erfolglos. Aufgrund der Überlastung der zuständigen Kammer wurde Kammertermin erst auf den … bestimmt. Zur Glaubhaftmachung: Beiziehung der Akten des Verfahrens Az. … Ohne den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre der ASt. also mehr als sechs Monate ohne Arbeit, bis das Arbeitsgericht den Weiterbeschäftigungsanspruch erstinstanzlich feststellen könnte.8 Es kann dem ASt. nicht zugemutet werden, so lange unbeschäftigt zu bleiben. Der 5 S. zunächst die Erläuterungen zu M 22.23 und M 22.24. 6 Praxistipp: Es ist stets sorgfältig zu prüfen, ob der Widerspruch des Betriebsrats ordnungsgemäß war. Häufig ist das nicht der Fall, weil entweder die Wochenfrist nicht eingehalten wurde, es an der notwendigen Schriftform fehlt (etwa bei mündlichem Widerspruch, wogegen Widerspruch per Fax oder per E-Mail wohl reicht, vgl. BAG v. 11.6.2002 – 1 ABR 43/01, NZA 2003, 226 zu § 99 BetrVG), oder weil aus Gründen widersprochen wird, die sich nicht den Widerspruchsgründen des § 102 Abs. 3 BetrVG zuordnen lassen (Beispiel: Widerspruch mit der Behauptung, der Arbeitsplatz falle nicht weg). 7 § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nennt als Voraussetzung für den Weiterbeschäftigungsanspruch, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Weiterbeschäftigung verlangt. Allerdings kann das Verlangen auch in dem Antrag auf Erlass einer entsprechenden Weiterbeschäftigungsverfügung liegen. Der Antrag kann nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil der Arbeitnehmer außerprozessual die Weiterbeschäftigung noch nicht verlangt hatte. Rspr. zu dieser Frage liegt aber noch nicht vor. 8 Umstritten ist, welche Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen sind. Nach einer Mindermeinung handelt es sich bei § 102 Abs. 5 BetrVG um eine Sonderregelung, für die die Darlegung eines besonderen Verfügungsgrundes nicht erforderlich ist (LAG Köln v. 2.8.1984 – 5 Ta 134, NZA 1984, 300;

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AGg. wäre die Weiterbeschäftigung des ASt. auch ohne weiteres möglich und zumutbar, der alte Arbeitsplatz des ASt. existiert noch unverändert.9 Zur Glaubhaftmachung des gesamten Sachverhalts überreichen wir als Anlage AS 6 eine eidesstattliche Versicherung des ASt.10 … (Unterschrift)11 Galperin/Löwisch, § 102 BetrVG Rz. 113). Dem ist entgegenzuhalten, dass § 102 Abs. 5 BetrVG nichts darüber aussagt, ob die Weiterbeschäftigung im normalen Verfahren oder per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden kann. Vielmehr ergibt sich im Umkehrschluss aus § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG, der für die einstweilige Verfügung auf Entbindung des Arbeitgebers von der Weiterbeschäftigungspflicht bestimmte Anforderungen aufstellt, dass es für die Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG bei den allgemeinen Regeln bleiben soll. Deshalb setzt der Eilantrag auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG die Darlegung eines Verfügungsgrundes voraus. Ein solcher liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitnehmer zur Erhaltung seiner beruflichen Qualifikation auf die Weiterbeschäftigung angewiesen ist. Von Bedeutung ist aber auch, ob und inwieweit bei einer Geltendmachung im Hauptsacheverfahren der Anspruch auf Weiterbeschäftigung verloren gehen würde. Insofern ist von Bedeutung, ob ein (vorläufig vollstreckbares) erstinstanzliches Urteil noch innerhalb der Kündigungsfrist oder jedenfalls nicht sehr lange nach deren Ablauf erwirkt werden kann. Ist das der Fall, fehlt es am Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung. Die Eilbedürftigkeit fehlt auch dann, wenn der Arbeitnehmer ohne Grund mit dem Eilantrag bis kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist gewartet hat. Man kann dem Arbeitnehmer zumuten, binnen einem Monat nach Zugang der Kündigung sich darüber klar zu werden, ob der Weiterbeschäftigungsanspruch durchgesetzt werden soll (ausf. zum Ganzen Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 85). 9 Wie beim allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch ist auch Voraussetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 102 Abs. 5 BetrVG, dass der Anspruch erfüllbar ist, dem Arbeitgeber also die Weiterbeschäftigung tatsächlich und rechtlich möglich ist (s. M 22.24 Fn. 11). 10 Wichtig: Die erwirkte einstweilige Verfügung muss nach allgemeinen Grundsätzen durch Zustellung im Parteibetrieb vollzogen werden. Nach Auffassung des LAG Berlin (v. 10.6.1985 – 12 Sa 32/85, DB 1986, 976) soll allerdings eine Vollziehung bereits darin liegen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich weiterbeschäftigt wird. Diese Ansicht ist jedoch zweifelhaft, so dass vorsorglich immer die Zustellung zu empfehlen ist (s. M 22.24 Fn. 12). 11 Als Streitwert sind ein halbes bis zwei Monatseinkommen anzusetzen (Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 93), s. auch M 22.24 Fn. 13.

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Einstweilige Verfügung des Arbeitgebers auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG

An das Arbeitsgericht1 2 In Sachen …/… 1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. 2 Örtlich zuständig ist das Arbeitsgericht, bei dem die Kündigungsschutzklage anhängig ist. Der Antrag wird jedoch nicht Bestandteil des Kündigungsschutzverfahrens, sondern unter getrenntem Aktenzeichen geführt und getrennt verhandelt. Hat der Arbeitnehmer allerdings beim örtlich unzuständigen Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage erhoben, kann und muss der Arbeitgeber beim zuständigen Gericht den Antrag nach § 102 Abs. 5 BetrVG stellen (str.). Streitig ist die Zuständigkeit, wenn das Hauptsacheverfahren (Kündigungsschutzklage) bereits in der Berufung ist. Nach einer verbreiteten, aber fraglichen Auffassung (zB LAG Düsseldorf v. 30.8.1977, DB 1977, 2383; LAG BW v. 18.3.1988, LAGE § 102 BetrVG Beschäftigungspflicht Nr. 9) ist in diesem Fall der Entbindungsantrag beim Arbeitsgericht zu stellen. Im Interesse der Verfahrensökonomie vorzugswürdig erscheint dagegen die Auffassung, dass für den Entbindungsantrag das Berufungsgericht zuständig ist (aA Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 159).

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(volles Rubrum)3 vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin beantragen4 wir: 1. Die Antragstellerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung5 – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Antragsgegners nach § 102 Abs. 5 BetrVG6 entbunden, 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

Begründung: Die ASt. ist ein Maschinenbau-Unternehmen mit zahlreichen verschiedenen Standorten im Bundesgebiet. Am Standort … mit 19 Beschäftigten werden ausschließlich Spezialmaschinen für den Großkunden A gefertigt. Im Frühjahr … hat der Großkunde A mitgeteilt, er werde wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten seine Produktion zum Jahresende einstellen und bis dahin keinerlei Maschinen von der ASt. mehr abnehmen. Die ASt. hat daraufhin allen Mitarbeitern des Betriebes betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Die Kündigung des AGg. erfolgte am … mit Wirkung zum … Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben vom …, Anlage AS 1 Der am Standort … gebildete Betriebsrat wurde vor Ausspruch der Kündigung am … ordnungsgemäß angehört. Er hat der Kündigung (innerhalb der Wochenfrist und formell ordnungsgemäß7 schriftlich) mit der Begründung widersprochen, der AGg. könne an anderen Standorten des Unternehmens weiterbeschäftigt werden, notfalls seien dort entsprechende Arbeitsplätze einzurichten. Es sei aus sozialen Gründen nicht tragbar, den AGg. in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Zur Glaubhaftmachung: Widerspruchsschreiben des Betriebsrats vom …, Anlage AS 2 Der AGg. hat gegen die Kündigung vom … fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und mit Schreiben an die ASt. vom … Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG über den

3 S. M 101.1 und M 101.2. 4 Das Gericht entscheidet im Urteilsverfahren, nicht im Beschlussverfahren, obwohl sich der Entbindungsanspruch aus dem BetrVG ergibt. 5 Die Geltendmachung des Entbindungsanspruchs im Hauptsacheverfahren ist ausgeschlossen. § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG ist nach einhelliger Auffassung abschließend, so dass nur die Geltendmachung im Wege der einstweiligen Verfügung in Betracht kommt (BAG v. 31.1.1978, AP Nr. 1 zu § 102 BetrVG Weiterbeschäftigung). Damit kommt auch eine Erzwingung der Hauptsacheklage durch den Arbeitnehmer nach §§ 936, 926 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht (BAG v. 31.1.1978, AP Nr. 1 zu § 102 BetrVG Weiterbeschäftigung). 6 Es sollte nicht pauschal beantragt werden, von „der Weiterbeschäftigungspflicht“ entbunden zu werden, da das Gericht der Auffassung sein könnte, er solle auch vom allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch gem. der Rspr. des Großen Senats entbunden werden. 7 Nach hM ist der Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG auch dann zulässig, wenn der Widerspruch des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß war, etwa wegen Missachtung der Schriftform (s. aber M 22.26 Fn. 6) oder wegen Überschreitung der Wochenfrist aus § 102 Abs. 3 BetrVG (LAG Hbg. v. 9.4.2014 – 6 SaGa 2/14, ArbRAktuell 2015, 31; LAG Düsseldorf v. 15.3.1978, DB 1978, 1283; LAG Hamm v. 31.3.1979, DB 1979, 1232). Nach der Gegenauffassung soll dagegen in solchen Fällen das Rechtsschutzbedürfnis für einen Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 fehlen (LAG Hessen v. 2.11.1984, NZA 1985, 163). Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, da sie das ohnehin komplizierte Verfahren nach § 102 Abs. 5 BetrVG noch weiter verkompliziert. Nicht möglich ist der nahe liegende Ausweg, den Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG mit einem Hilfsantrag auf Feststellung zu verbinden, dass der Arbeitgeber nicht zur Weiterbeschäftigung verpflichtet ist. Es ist grundsätzlich nicht möglich, Feststellungsanträge im einstweiligen Verfügungsverfahren zu stellen (aA Baur in Dunkl/Moeller, Rz. B 153; Stein/Jonas/Grunsky, Vor § 935 ZPO Rz. 60).

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Kündigungstermin hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verlangt.8, 9 Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des AGg. vom …, Anlage AS 3 Klageschrift vom …, Anlage AS 4 Die ASt. ist von der Weiterbeschäftigung gem. § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG zu entbinden. Zum einen ist die Kündigungsschutzklage des AGg. offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Dass die Beschäftigungsmöglichkeit für den AGg. im Betrieb … entfallen ist, dürfte unstreitig sein. Eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb des Unternehmens scheidet aus, da es im ganzen Unternehmen keine freien Arbeitsplätze gibt. Vielmehr wird seit längerem kontinuierlich Personal abgebaut. Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des Personalleiters …, Anlage AS 5 Vor allem aber würde die Weiterbeschäftigung des AGg. zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führen.10 Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens gehen vor den örtlichen Arbeitsgerichten üblicherweise ein bis zwei Jahre ins Land. Während der gesamten Zeit könnte die ASt. den AGg. ebenso wie seine 18 Kollegen nicht sinnvoll beschäftigen. Die ASt. hätte Lohnkosten in Millionenhöhe zu tragen, ohne irgendeine Gegenleistung zu erhalten. Das Unternehmen der ASt. steckt ohnehin in einer existenzbedrohenden Krise. Im vergangenen Jahr wurde ein Verlust in Höhe von Euro 10,0 Mio. erwirtschaftet. Eine Belastung mit Lohn- und Gehaltskosten, denen keine tatsächliche Arbeitsleistung gegenübersteht, würde die bei der ASt. verbliebenen Arbeitsplätze gefährden und könnte eine Insolvenz herbeiführen.11, 12 Zur Glaubhaftmachung: Zeugnis des Wirtschaftsprüfers … (ladungsfähige Anschrift) 8 Macht der Arbeitnehmer nach Widerspruch des Betriebsrats und Erhebung der Kündigungsschutzklage den Weiterbeschäftigungsanspruch außergerichtlich geltend, stellt der Arbeitgeber in der Praxis den Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG meist nicht sofort, sondern wartet zunächst ab, ob der Arbeitnehmer seinen Weiterbeschäftigungsantrag gerichtlich (mit Hauptsacheklage oder im Eilverfahren) geltend macht. Das ist nicht ungefährlich, da nach herrschender Auffassung (LAG Düsseldorf v. 30.8.1977, DB 1977, 2383) der Arbeitgeber die Einwendungen gegen die Weiterbeschäftigungspflicht aus § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG nur im Wege des gesetzlich geregelten Entbindungsantrags geltend machen kann, aber nicht einer vom Arbeitnehmer beantragten einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG als Einreden entgegenhalten kann. 9 Da der Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG nur im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden kann, ist nach richtiger Auffassung die Darlegung eines besonderen Verfügungsgrundes nicht erforderlich (statt aller: Germelmann/Matthes/Prütting, § 62 ArbGG Rz. 110). Insbesondere muss keine Dringlichkeit dargelegt werden (LAG Düsseldorf v. 15.3.1978, DB 1978, 1282; LAG Nürnberg v. 5.9.2006 – 6 Sa 458/06, DB 2007, 752). Wenn das Gesetz ausschließlich die einstweilige Verfügung zulässt, geht es offensichtlich davon aus, dass die Entbindung immer dringend ist. 10 An die Darlegung der unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung stellen die Gerichte erfahrungsgemäß außerordentlich hohe Anforderungen. Die wirtschaftlichen Belastungen müssen so gravierend sein, dass sie Auswirkungen auf Liquidität oder Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens haben. Bei einer einzelnen Kündigung werden diese Voraussetzungen kaum je vorliegen. Bedeutung hat dieser Entbindungsgrund deshalb vor allem bei Massenentlassungen. Insoweit ist zu beachten, dass bei Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG der Arbeitgeber auch dann die Vergütung für den Weiterbeschäftigungszeitraum zu zahlen hat, wenn die Kündigungsschutzklage letztlich rechtskräftig abgewiesen wird (statt aller KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 215 ff.). Nicht ausreichend ist auf jeden Fall die Darlegung, der Arbeitnehmer könne nicht mehr sinnvoll beschäftigt werden. Ist dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung rechtlich oder tatsächlich unmöglich, so ist das nicht im Entbindungsverfahren nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG geltend zu machen, vielmehr kann der Arbeitgeber diesen Einwand unmittelbar im Weiterbeschäftigungsverfahren nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG (Haupt- oder Eilverfahren) vorbringen, der Weiterbeschäftigungsantrag des Arbeitnehmers ist dann abzuweisen (s. M 22.25). 11 Wichtig: Umstritten ist, ob die Entbindungsverfügung vollzogen werden muss. Nach hA (LAG Hamm v. 12.12.1986 – 16 Sa 1271/86, DB 1987, 1945; LAG Nürnberg v. 5.9.2006 – 6 Sa 458/06, DB 2007, 752; ebenso KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 235a) hat die Entbindung rechtsgestaltende Wirkung, so dass eine Zwangsvollstreckung durch Vollziehung entbehrlich ist. Gleichwohl sollte vorsorglich auch eine Urteilsverfügung (für die Beschlussverfügung ist ohnehin Zustellung im Parteibetrieb erforderlich) nach den allgemeinen Regeln durch Zustellung vollzogen werden. 12 Wird dem Entbindungsantrag erstinstanzlich stattgegeben, so endet damit der Weiterbeschäftigungsanspruch. Widerspruch und Berufung des Arbeitnehmers haben keine aufschiebende Wirkung.

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… (Unterschrift)13 13 Der Streitwert des Entbindungsantrags ist umstritten. Meist werden zwei Monatsgehälter angesetzt (BAG v. 18.1.1996, NZA 1996, 1175; LAG Köln v. 4.7.1995, LAGE § 19 GKG Nr. 15; ArbG Berlin v. 5.1.1973, DB 1973, 192). Ein Abschlag für das Eilverfahren ist ausgeschlossen, da ein Hauptverfahren nicht stattfindet.

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Klage gegen fristlose Kündigung und auf Gehaltszahlung

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 31.3. … nicht geendet hat. 2. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. 3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als … weiter zu beschäftigen.3 4. Die Beklagte wird verurteilt, Euro 3 000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5. … an den Kläger zu zahlen.4, 5, 6 1 Wichtig: Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt auch für die Klage gegen außerordentliche Kündigungen die Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG. Seit 2004 sind die §§ 4, 7 KSchG auch im Kleinbetrieb und auch in der sechsmonatigen Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG anwendbar (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 S. dazu M 22.24. 4 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 5 Praxistipp: Die Vor- und Nachteile einer Klage auf Gehaltszahlung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. nach Zugang der fristlosen Kündigung sind sorgfältig abzuwägen. Vorteil ist, dass bei stattgebendem erstinstanzlichen Urteil ohne Sicherheitsleistung (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) vollstreckt werden kann, so dass der Arbeitnehmer nicht mehr auf das niedrigere Arbeitslosengeld angewiesen ist. Aber die Klage kann sich auch als hinderlich erweisen, wenn der Arbeitnehmer in erster Instanz obsiegt und danach doch noch ein Vergleich abgeschlossen wird. Es ist dann nicht mehr möglich, bereits titulierte und vollstreckte Gehaltsansprüche in eine steuerlich und sozialversicherungsrechtlich günstigere Abfindung umzuwandeln. Auch kostenmäßig wirkt sich die Klage auf Gehaltsfortzahlung nicht unbedingt aus (s. Fn. 10). Die Klage auf Gehaltsfortzahlung ist auch nicht erforderlich, um den Arbeitgeber in Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 BGB zu setzen. Denn bereits in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt eine ausreichende Anzeige der Arbeitsbereitschaft, so dass schon durch Erhebung der Kündigungsschutzklage der Arbeitgeber in Verzug gerät. Nach der Rspr. des BAG soll sogar der Arbeitgeber auch dann in Annahmeverzug geraten, wenn er dem Arbeitnehmer unberechtigt kündigt, ohne dass ein ausdrückliches Angebot des Arbeitnehmers auf Weiterarbeit notwendig wäre (BAG v. 9.8.1984 – 2 AZR 374/83, NZA 1985, 119 und v. 21.3.1985, NZA 1985, 778). Besonderheiten gelten nur, wenn der Arbeitnehmer bei Zugang der Kündigung krank war (BAG v. 24.10.1991 – 2 AZR 112/91, NZA 1992, 403). 6 Wichtig: Die Erhebung der Gehaltsklage ist nicht erforderlich, um eine (einzel- oder tarifvertragliche) einstufige Ausschlussfrist zu wahren. Nach ständiger Rspr. des BAG ist in der Erhebung der Kündigungsschutzklage eine ausreichende Geltendmachung im Sinne solcher Ausschlussfristen zu sehen (seit BAG v.

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Begründung: Der Kl. ist seit … bei der Bekl. als … mit einem Gehalt von Euro 3 000,– pro Monat beschäftigt. Die Bekl. beschäftigt ca. 50 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die Bekl. hat das Arbeitsverhältnis am 31.3. … fristlos gekündigt, das Kündigungsschreiben wurde dem Kl. am selben Tag persönlich übergeben. Beweis: Kündigungsschreiben vom 31.3. …, Anlage K 1 Mündlich wurde zur Begründung der Kündigung angegeben, der Kl. habe seinem Arbeitskollegen A aus dem Spind Euro 200,– gestohlen. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Der Kl. hat seinem Kollegen A nichts gestohlen. Die Kündigung ist folglich schon nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksam, weil kein „wichtiger Grund“ vorlag.7 Im Übrigen ist die Kündigung auch unwirksam, weil die Zwei-WochenFrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden ist.8 Der Personalleiter der Bekl. hat dem Kl. bei Übergabe der Kündigung am 31.3. … erklärt, man sei bereits seit drei Wochen überzeugt, dass er den Diebstahl begangen habe. Er (der Personalleiter) habe aber mit dem Ausspruch der Kündigung noch warten müssen, da er noch mit dem (an sich nicht zuständigen) Personalleiter der Konzernmutter habe Rücksprache nehmen wollen. Dieser sei aber im Urlaub gewesen. Beweis: Zeugnis des Personalleiters der Bekl., zu laden über diese Im Übrigen wird die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG mit Nichtwissen bestritten. Mit dem Klageantrag Ziff. 3 macht der Kl. gem. der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend. Mit dem Klageantrag Ziff. 4 wird der Gehaltsanspruch des Kl. für den Monat April … geltend gemacht. Die Bezüge sind nach den Bedingungen des Anstellungsvertrages zum Monatsletzten fällig, so dass ab dem 1. des Folgemonats Zinsen anfallen (§ 286 BGB). Der Kl. hat bereits bei Übergabe der Kündigung diese mündlich zurückgewiesen und seine weitere Arbeitsleistung angeboten. Beweis: wie vor Anderweitige Einkünfte in der Zeit seit Ausspruch der Kündigung, die nach § 615 Satz 2 BGB anzurechnen wären, hat der Kläger nicht erzielt.9 10.4.1963, NJW 1963, 1517). Anders entschied dagegen das BAG lange Zeit bei sog. zweistufigen Ausschlussfristen, nach denen Vergütungsansprüche zunächst innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich geltend gemacht werden und dann binnen einer weiteren Frist nach Ablehnung oder Ausbleiben einer Antwort eingeklagt werden müssen (s. M 12.4). In der Erhebung der Kündigungsschutzklage sah das BAG keine gerichtliche Geltendmachung von Vergütungsansprüchen. Bei zweistufigen Ausschlussfristen war also die Erhebung einer Klage auf Gehaltsfortzahlung unabdingbar. Diese Rspr. hat das BAG mittlerweile aus AGB-rechtlichen Gründen aufgegeben (v. 19.3.2008 – 5 AZR 429/07, NZA 2008, 757), so dass nunmehr die Kündigungsschutzklage im Regelfall auch eine zweistufige Ausschlussfrist wahrt. Zu beachten ist allerdings, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB nicht unterbricht (BAG v. 24.6.2015 – 5 AZR 509/13, NZA 2015, 1256)! Insbesondere bei komplizierten Sachverhalten und überlasteten Arbeitsgerichten kann es durchaus vorkommen, dass sich ein Kündigungsschutzverfahren über mehr als drei Kalenderjahre hinzieht. Dann ist die gesonderte Geltendmachung der Vergütungsansprüche durch Klageerweiterung oder Mahnbescheid unabdingbar. 7 Praxistipp: Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist der Arbeitgeber beweispflichtig. Selbst wenn dem Arbeitnehmer bekannt ist, aus welchem Grund gekündigt worden ist, sollte er dazu in der Klageschrift nichts vortragen, sondern nur pauschal das Vorliegen von Kündigungsgründen bestreiten. Es ist immer geschickter, zunächst den Arbeitgeber vortragen zu lassen und dann zu erwidern. 8 Fristlose Kündigungen scheitern häufig an der Zwei-Wochen-Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB, zumal innerhalb der zwei Wochen auch noch die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG (drei Tage Äußerungsfrist) stattfinden muss. Für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dies gilt aber nur, wenn der Arbeitnehmer bestritten hat, dass die Frist eingehalten wurde. Der Arbeitnehmer kann sich allerdings auf pauschales Bestreiten mit Nichtwissen beschränken, er braucht nicht Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass die Frist nicht eingehalten wurde. 9 Anderweitigen Erwerb während des Annahmeverzugs muss sich der Arbeitnehmer nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen. In der Praxis ist oft zu beobachten, dass der Arbeitnehmer trotz anderweitigen Verdienstes auf das volle Bruttogehalt klagt. Da die „Anrechnung“ nach § 615 Satz 2 BGB keine Willens-

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Beendigungskündigung

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… (Unterschrift)10 erklärung des Arbeitgebers voraussetzt, sondern sich der Gehaltsanspruch kraft Gesetzes reduziert, begeht der Arbeitnehmer einen Prozessbetrug, wenn er unter Verschweigen des anderweitigen Verdienstes auf die ungeminderte Vergütung klagt. Vermutet der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst erzielt hat, macht eine selbständige Klage auf Auskunft wenig Sinn. Obwohl analog zu § 74c Abs. 2 HGB ein selbständig einklagbarer Auskunftsanspruch besteht (BAG v. 29.7.1993 – 2 AZR 110/93, DB 1993, 2437; v. 2.6.1987, AP Nr. 13 zu § 74c HGB), ist dieser Weg zu umständlich und langwierig. Für den Arbeitgeber einfacher ist es, das Zurückbehaltungsrecht aus §§ 273, 320 BGB geltend zu machen, bis der Arbeitnehmer Auskunft erteilt hat (BAG v. 19.7.1978, NJW 1979, 285). 10 Seit jeher umstritten ist, ob hinsichtlich des Streitwerts die eingeklagten Vergütungsansprüche zu dem Streitwert der Kündigungsschutzklage (§ 42 Abs. 2 GKG: Vierteljahresbezug, s. M 22.18 Fn. 13) zu addieren sind. Das ist bei rückständigen Vergütungsansprüchen aus der Zeit vor der Kündigung auf jeden Fall zu bejahen (LAG Bremen v. 25.8.2005, AE 2006, Nr. 352). Für die Zeit danach ist die Rspr. der Gerichte unterschiedlich (für Addition beispielsweise LAG München v. 20.11.2001 – 9 Ta 354/01; LAG Hessen v. 2.9.1999 – 15 Ta 465/99; LAG Hamburg v. 15.5.1990, LAGE § 12 ArbGG Streitwert Nr. 85; aA zB LAG Berlin v. 2.11.2005 – 17 Ta (Kost) 6073/05; LAG Nürnberg v. 15.2.2005 – 8 Ta 26/05; wieder anders LAG Hamm v. 30.1.2002, NZA-RR 2002, 380: Bewertung der Vergütungsansprüche pauschal mit einem zusätzlichen Bruttomonatsverdienst). Sofern mehr als drei Monatsgehälter eingeklagt werden, sollte dies auf jeden Fall gebührenerhöhend sein.

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Gesellschafterbeschluss zur Abberufung und Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers Niederschrift über einen Gesellschafterbeschluss1, 2

Die Gesellschaftsanteile der X-GmbH (Handelsregister Nr. …) werden zu je 50 % von der X Deutschland Holding GmbH (Handelsregister Nr. …) und der Y-AG (Handelsregister Nr. …) gehalten. Unter Verzicht auf die Einhaltung sämtlicher Form- und Fristvorschriften, insbesondere betreffend Ladung, Einberufung und Ankündigung, halten die Unterzeichner hiermit eine außerordentliche Gesellschafterversammlung3, 4 der X-GmbH ab und beschließen einstimmig: 1. Die Bestellung von Herrn Müller zum Geschäftsführer der X-GmbH wird mit sofortiger Wirkung widerrufen.

1 Wichtig: Viele Kündigungen von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern sind unwirksam, weil ein ordnungsgemäßer Gesellschafterbeschluss fehlt. Eine ohne einen wirksamen Gesellschafterbeschluss ausgesprochene Kündigung ist unheilbar nichtig. Sie kann auch durch einen nachfolgenden Gesellschafterbeschluss nicht mehr rückwirkend geheilt werden. Stillschweigende Gesellschafterbeschlüsse gibt es nicht, der Beschluss muss immer klar und eindeutig formuliert sein. Besonders problematisch sind fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse beim Ausspruch einer fristlosen Kündigung, da wegen der Zwei-Wochen-Frist (§ 626 Abs. 2 BGB) eine Reparatur regelmäßig ausgeschlossen ist. 2 Wichtig: Vor der Beschlussfassung ist sorgfältig zu prüfen, ob die Gesellschafterversammlung überhaupt für die Abberufung und Kündigung des Geschäftsführers zuständig ist. Häufig wird diese Kompetenz auf (freiwillige oder zwingende) Aufsichtsräte, Beiräte, Verwaltungsräte etc. verlagert, was zulässig ist. Unter der Mitbestimmung des DrittelbG bleibt die Kompetenz zur Abberufung und Kündigung der GmbH-Geschäftsführer bei der Gesellschafterversammlung. Nach dem MitbestG ist dagegen zwingend der Aufsichtsrat zuständig. Bei Aktiengesellschaften ist für die Kündigung eines Vorstandsmitglieds immer der Aufsichtsrat zuständig. 3 Wenn die Satzung es erlaubt, kann der Beschluss auch im schriftlichen Verfahren gefasst werden. 4 Die frühere Rspr., wonach zumindest in Bezug auf den Dienstvertrag auch eine Vertretung der GmbH durch die Mit-Geschäftsführer zulässig sein sollte, hat der BGH zu Recht aufgegeben (BGH v. 25.3.1991 – II ZR 169/90, GmbHR 1991, 363).

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2. Das Anstellungsverhältnis zwischen Herrn Müller und der X-GmbH wird aus wichtigem Grund fristlos gekündigt.5 3. Das Vorstandsmitglied der Y-AG, Herr Schultze, wird beauftragt und bevollmächtigt, Herrn Müller die Beschlüsse Ziff. 1 und 2 bekannt zu geben. Herr Schultze wird zugleich von den Gesellschaftern bevollmächtigt, sämtliche Rechtsgeschäfte und Erklärungen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Herrn Müller im Namen der X-GmbH abzugeben, dies betrifft insbesondere auch den Abschluss von Vergleichen bzw. Aufhebungsverträgen.6 Für die X Deutschland Holding GmbH:7 … (Geschäftsführer)

… (Geschäftsführer)

Für die Y-AG: … (Vorstandsmitglied)

… (Vorstandsmitglied)

5 Wichtig: Der Beschluss muss unbedingt erkennen lassen, dass die Gesellschafter zwischen der Abberufung vom Amt und der Kündigung des Dienstvertrages unterschieden haben. Ansonsten bleibt unklar, was beschlossen wurde. 6 Wichtig: Die Gesellschafter müssen darauf achten, das Risiko einer Zurückweisung nach § 174 BGB auszuschließen. Typischerweise regelt die Satzung, dass der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung für die Bekanntgabe von Beschlüssen gegenüber Dritten zuständig ist. Soll der Beschluss auf diese Weise bekannt gegeben werden, bedarf es keiner besonderen Zuständigkeitsregelung im Abberufungsbeschluss. Sieht dagegen die Satzung dazu nichts vor, ist es ratsam, die zuständige Person ausdrücklich im Abberufungsbeschluss zu benennen. Noch wichtiger ist, dass bei der Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem Geschäftsführer eine Niederschrift mit Originalunterschriften aller Beteiligten dem Geschäftsführer ausgehändigt wird. Denn es ist umstritten, ob die Bekanntgabe des Abberufungs- und Kündigungsbeschlusses ein Rechtsgeschäft iSv. § 174 BGB ist (so OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, DB 2004, 920; dazu Schockenhoff/Topf, DB 2005, 539). Solange diese Frage nicht höchstrichterlich entschieden ist, sollte durch die Beifügung eines originalunterzeichneten Beschlusses vorsorglich das Risiko einer Zurückweisung nach § 174 BGB ausgeschlossen werden. 7 Wichtig: Sind die Gesellschafter juristische Personen, werden sie durch ihre jeweiligen Vertretungsorgane (GmbH-Geschäftsführer, AG-Vorstände, etc.) vertreten. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die Vertretung ordnungsgemäß erfolgt. Sind die Organmitglieder nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt, so müssen mehrere bzw. alle von ihnen an der Beschlussfassung mitwirken.

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Einstweilige Verfügung auf Herausgabe von Arbeitspapieren

An das Arbeitsgericht1, 2 In Sachen …/… (volles Rubrum)3 vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers beantragen wir: 1 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. 2 Wichtig: Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG. Das gilt aber entgegen einem verbreiteten Irrtum nur für die Pflichten des Arbeitgebers auf Herausgabe und Ausfüllung der Papiere. Ansprüche auf Korrektur falsch ausgefüllter Arbeitspapiere sind hingegen nach verbreiteter Auffassung vor den jeweiligen Fachgerichten anzubringen (zB BAG v. 20.4.2005 – 2 AZR 201/04, NZA 2005, 877: Zuständigkeit der Finanzgerichte für die Korrektur von Lohnsteuerbescheinigungen). 3 S. M 101.1 und M 101.2.

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1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein – aufgegeben, einen Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung (§ 41b Abs. 1 Satz 3 ff. EStG), die Urlaubsbescheinigung (§ 6 Abs. 2 BUrlG) und die Arbeitsbescheinigung (§ 312 SGB III) des Antragstellers herauszugeben, 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

Begründung: Der ASt. war bei der AGg. bis zum … als Maurer tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des ASt. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben des ASt. vom …, Anlage AS 1 Unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung trat die AGg. an den ASt. heran und verlangte von ihm die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von Euro 5 000,–. Zur Begründung gab die AGg. an, der ASt. habe Ende Mai … durch Unachtsamkeit einen Radlader beschädigt, der Schaden betrage Euro 5 000,–. Der ASt. hat die Zahlung verweigert, da er nie einen Radlader beschädigt hat. Der Radlader wurde von seinem Arbeitskollegen X beschädigt, ohne dass den ASt. daran eine Schuld traf. Die AGg. hat jedoch auf ihrem Standpunkt beharrt und dem ASt. erklärt, er werde seine Arbeitspapiere nicht bekommen, bevor er nicht die Euro 5 000,– gezahlt habe. Dies wurde ihm letztmals am … von dem Prokuristen Y in Gegenwart des Arbeitskollegen Z erklärt. Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des Arbeitskollegen Z (ladungsfähige Anschrift), Anlage AS 2 Die AGg. hat kein Recht, dem ASt. die Arbeitspapiere vorzuenthalten.4 Zurückbehaltungsrechte an Arbeitspapieren bestehen nach einhelliger Auffassung grundsätzlich nicht.5 Im Übrigen stehen der AGg. ohnehin keine Gegenansprüche zu, da der ASt. für die Beschädigung des Radladers nicht verantwortlich ist. Es ist dem ASt. nicht zuzumuten, die Arbeitspapiere im Hauptsacheverfahren heraus zu verlangen. Der ASt. bewirbt sich derzeit bei mehreren anderen Baufirmen in der Region. Zwei Unternehmen haben dem ASt. bereits die Einstellung zum … zugesagt, allerdings unter der Voraussetzung, dass der ASt. bis dahin seine Arbeitspapiere beibringt. Die Bundesagentur für Arbeit kann ohne Vorlage der Arbeitsbescheinigung kein Arbeitslosengeld berechnen und auszahlen. Zur Glaubhaftmachung: Eidesstattliche Versicherung des ASt., Anlage AS 3 Ohne die begehrte einstweilige Verfügung könnte der ASt. keine neue Stelle antreten, da ihn ohne Vorlage der Arbeitspapiere niemand einstellt. Dem ASt. droht ein nicht wieder gutzumachender Nachteil. Es ist nicht zu verkennen, dass mit dem Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung die Hauptsache vorweggenommen würde. Dies ist aber zulässig, da dem ASt. schwere nicht wieder gutzumachende Nachteile drohen und die AGg. die Herausgabe der Arbeitspapiere ohne vernünftigen Grund verweigert.6 4 Der Verfügungsanspruch ergibt sich für den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung aus § 41b Abs. 1 Satz 3 ff. EStG, für die Urlaubsbescheinigung aus § 6 Abs. 2 BUrlG, für die Arbeitsbescheinigung aus § 312 SGB III. Daneben ergibt sich der Herausgabeanspruch aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers auch als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (BAG v. 23.1.1958, AP Nr. 22 zu § 61 ArbGG 1953). 5 Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers an den Arbeitspapieren wegen (angeblicher) Gegenforderungen wird von der herrschenden Meinung (BAG v. 20.12.1958, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Urlaubskarten) zu Recht abgelehnt, da die Arbeitspapiere vor allem öffentlich-rechtliche Funktion haben. 6 Die Vollstreckung erfolgt nach § 883 Abs. 1 ZPO durch Wegnahme der Arbeitspapiere beim Arbeitgeber durch den Gerichtsvollzieher und Aushändigung an den Arbeitnehmer (BAG v. 23.1.1958, AP Nr. 22 zu § 61 ArbGG; aA LAG Hessen v. 25.6.1980, AR-Blattei „Zwangsvollstreckung“, Entsch. Nr. 32). Wichtig: Damit die Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher möglich ist, müssen die Arbeitspapiere im Antrag genau bezeichnet sein. Ein Antrag auf Herausgabe „der Arbeitspapiere“ ist unzulässig, weil nicht vollstreckbar.

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Kap. 22

Beendigungskündigung

M 22.31

… (Unterschrift)7 7 Als Streitwert wird von den Gerichten üblicherweise ein fester Euro-Betrag festgesetzt. Üblich waren früher zwischen DM 200,– und DM 500,– pro Arbeitspapier (vgl. LAG BW v. 9.2.1984, AR-Blattei Arbeitsgerichtsbarkeit „Streitwert und Kosten“, Entsch. Nr. 140; LAG Hamm v. 18.4.1985, AnwBl 1985, 586; vgl. Becker-Schaffner, DB 1983, 1304; Kitzelmann, ArbuR 1970, 299 ff.). Zuletzt hat das LAG Rh.-Pf. (v. 14.3.2007, AE 2007, Nr. 433) Euro 300,– festgesetzt. Der ansonsten übliche Abschlag im Eilverfahren erscheint unangemessen, da hier das Eilverfahren die Hauptsache vorwegnimmt.

M 22.31

Klage auf Wiedereinstellung nach Wegfall des Kündigungsgrundes

An das Arbeitsgericht1 In Sachen …/… (volles Rubrum)2 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab …3 als Produktionsarbeiter im Betrieb in … zu den bisherigen Bedingungen mit einem Bruttomonatsgehalt von Euro … wieder einzustellen.

Begründung: Der Kl. ist bei der Beklagten als Produktionsarbeiter beschäftigt. Die Bekl. hat ihm am 29.6. … per 30.9. … betriebsbedingt gekündigt. Die Kündigung wurde damit begründet, dass wegen des Wegfalls des Großauftrages der X-AG die Anlage, an der der Kl. beschäftigt war, stillgelegt werde. Der Kl. erhob gegen diese Kündigung keine Kündigungsschutzklage, da die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen offensichtlich wirksam erschien. Wie der Kl. inzwischen erfahren hat, ist es der Bekl. jedoch Anfang September gelungen, den Großauftrag der X-AG zu erneuern. Sie wird deshalb die Anlage, an der der Kl. bislang beschäftigt war, nicht stilllegen, sondern weiter betreiben. Der Kl. hat einen Anspruch, auf seiner alten Position wieder eingestellt zu werden. Die Bekl. hat ersichtlich noch keinerlei Dispositionen im Hinblick auf den ehemaligen Arbeitsplatz des Kl. getroffen. Sie sucht zwar in Stellenanzeigen Produktionsmitarbeiter, hat aber nach Kenntnis des Kl. (die auf Anfrage vom Betriebsrat bestätigt wurde) noch keine Bewerber eingestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (v. 27.2.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 1) hat der Kl. deshalb einen Wiedereinstellungsanspruch (wird ausgeführt).4 1 S. auch M 1.9. 2 S. M 101.1 und M 101.2. 3 Nach Auffassung des BAG (v. 9.11.2006, EzA § 311a BGB Nr. 1) kann seit der Schuldrechtsreform 2002 auch auf rückwirkende (Wieder-)Einstellung geklagt werden. Die Klage ist dann nach § 894 ZPO auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, nicht auf Annahme des Vertragsangebots auf rückwirkenden Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages (BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 608/08, NZA 2010, 32). 4 Der Wiedereinstellungsanspruch ist begründet, wenn sich die für die Wirksamkeit der Kündigung maßgebenden Umstände noch während des Laufs der Kündigungsfrist verändern. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat, die die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verhindern würden. Ergibt sich dagegen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, hat der Arbeitnehmer keinen Wiedereinstellungsanspruch. Das soll selbst dann gelten, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein Kündigungsschutzverfahren schwebt (BAG v. 6.8.1997, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 2).

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Beendigungskündigung

Kap. 22

… (Unterschrift)5 5 Der Streitwert ist analog zu § 42 Abs. 2 GKG mit einem Vierteljahresbezug anzusetzen.

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Widerklage des Arbeitgebers auf Herausgabe des Dienstwagens und Schadensersatz

An das Arbeitsgericht … In Sachen …/… (Kurzrubrum) vertreten wir die Beklagte. Namens und im Auftrag der Beklagten beantragen wir: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Im Wege der Widerklage1 wird der Kläger verurteilt, a) den Pkw Audi A6, amtliches Kennzeichen S-XY 12342 an die Beklagte herauszugeben, b) für jeden Monat der Nichtherausgabe seit dem … Schadensersatz von Euro 1 100,– an die Beklagte zu zahlen.

Begründung: Die vom Kl. mit der Kündigungsschutzklage angegriffene Kündigung vom … war wirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum … beendet (wird ausgeführt). Der Kl. weigert sich, das im Antrag Ziff. 2 bezeichnete Dienstfahrzeug herauszugeben. Der Herausgabeanspruch besteht jedoch unstreitig. Denn in § … des Arbeitsvertrages des Kl. heißt es unmissverständlich: „Der Dienstwagen ist bei Ausspruch einer Kündigung, gleich durch welche Partei, bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages sowie bei Erklärung einer Freistellung seitens des Arbeitgebers unverzüglich herauszugeben.“ Beweis: Anstellungsvertrag des Kl., Anlage B 1 Die Bekl. hat den Kl. mit Schreiben vom … zur unverzüglichen Herausgabe des Fahrzeugs aufgefordert. Beweis: Aufforderungsschreiben der Bekl. vom …, Anlage B 2 Der Kl. hat jedoch nicht reagiert, so dass Herausgabeklage geboten ist. Zugleich hat der Kl. als Verzugsschaden für jeden Monat der Nichtherausgabe den Nutzungswert des Fahrzeugs zu zahlen, der sich auf Euro 1 100,– beläuft (wird ausgeführt). Hätte der Kl. das Fahrzeug rechtzeitig zurückgegeben, hätte die Bekl. dieses Fahrzeug dem leitenden Angestellten X zur Verfügung gestellt, der ebenfalls vertraglich einen Anspruch auf einen Dienstwagen hat. Wegen der Nichtherausgabe des klägerischen Fahrzeugs musste die Bekl. ein anderes Fahrzeug leasen, wofür Leasingraten von Euro 1 100,– pro Monat anfallen.

1 Allgemein zur Widerklage ausführlich M 101.8. 2 Das Fahrzeug muss so genau bezeichnet werden, dass die Zwangsvollstreckung möglich ist. Dazu muss zumindest das amtliche Kennzeichen angegeben werden, die Angabe der Fahrgestellnummer erscheint hingegen entbehrlich.

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

Beweis: Zeugnis des Personalleiters …, zu laden über die Bekl.3 … (Unterschrift)4 3 Die Berechnung der Nutzungsentschädigung ist außerordentlich umstritten. Teilweise wird eine Abrechnung auf der Basis der ADAC-Kostentabellen befürwortet, teils der Ansatz des steuerlichen geldwerten Vorteils, wieder andere wollen auf die Tabellen von Küppersbusch (früher Sanden/Danner) abstellen (ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 389 ff. mwN). Bei einem geleasten Fahrzeug können mit Sicherheit zumindest die Leasingraten angesetzt werden, da es jedenfalls nach Verzugseintritt nicht mehr um Herausgabeansprüche nach § 812 BGB geht, die sich nach dem Vorteil des Arbeitnehmers bemessen, sondern um Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB, für die der beim Arbeitgeber eintretende Schaden maßgeblich ist. 4 Als Streitwert ist bei Herausgabeklagen grundsätzlich der Verkehrswert des herauszugebenden Gegenstands anzusetzen. Das gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug im Eigentum des Arbeitgebers steht oder geleast ist (LAG Rh.-Pf. v. 16.10.2008, AE 2009, Nr. 231).

Kapitel 23 I. Einführung 1. Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustandekommen des Vertrages . . . . c) Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit des Vertrages . . . . . . e) Beseitigung des Vertrages . . . . . . . . . f) Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB . g) Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §§ 24, 34 EStG . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . (2) Entschädigung . . . . . . . . . . . (3) Zusammenballung . . . . . . . . (4) Fünftelungsregel . . . . . . . . . bb) Anrufungsauskunft . . . . . . . . . . h) Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Beitragspflicht . . . . . . . . . cc) Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . dd) Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 158 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entschädigungen iSv. § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III . . . . . . (2) Maßgebliche Kündigungsfrist (3) Berechnung des Ruhenszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung . . . . . . . . . (5) Folgen des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs . . . . . . .

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Einvernehmliche Beendigung

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 1 4 9 12 23 28 42 42 43 45 49 54 55 57 57 58 59 60 61 62 66 69 70

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

(6) Ruhen wegen anderweitiger Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . ee) Sperrzeiten nach § 159 SGB III . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . (2) Echter Aufhebungsvertrag . . . ff) Anrechnung von Abfindungen auf Arbeitslosengeld . . . . . . . . . . . . gg) Kürzung bei nicht rechtzeitiger Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Erstattung von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose nach § 147a SGB III aF . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Vorzeitige Altersrente . . . . . . . . . jj) Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses durch einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung? . . . . . . . . . 2. Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . a) Sperrzeiten nach § 159 SGB III . . . . . b) Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . Termination Agreement . . . . . . . . . . Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . Klage wegen Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht auf § 17 KSchG . . . . . . . . . .

71 72 72 75 79 81 82 84

85 86 87 88

. .M. .23.1a . .M. .23.1b ..M . . 23.2 ..M . . 23.3 ..M . . 23.4

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

Beweis: Zeugnis des Personalleiters …, zu laden über die Bekl.3 … (Unterschrift)4 3 Die Berechnung der Nutzungsentschädigung ist außerordentlich umstritten. Teilweise wird eine Abrechnung auf der Basis der ADAC-Kostentabellen befürwortet, teils der Ansatz des steuerlichen geldwerten Vorteils, wieder andere wollen auf die Tabellen von Küppersbusch (früher Sanden/Danner) abstellen (ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 389 ff. mwN). Bei einem geleasten Fahrzeug können mit Sicherheit zumindest die Leasingraten angesetzt werden, da es jedenfalls nach Verzugseintritt nicht mehr um Herausgabeansprüche nach § 812 BGB geht, die sich nach dem Vorteil des Arbeitnehmers bemessen, sondern um Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB, für die der beim Arbeitgeber eintretende Schaden maßgeblich ist. 4 Als Streitwert ist bei Herausgabeklagen grundsätzlich der Verkehrswert des herauszugebenden Gegenstands anzusetzen. Das gilt unabhängig davon, ob das Fahrzeug im Eigentum des Arbeitgebers steht oder geleast ist (LAG Rh.-Pf. v. 16.10.2008, AE 2009, Nr. 231).

Kapitel 23 I. Einführung 1. Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustandekommen des Vertrages . . . . c) Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit des Vertrages . . . . . . e) Beseitigung des Vertrages . . . . . . . . . f) Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB . g) Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) §§ 24, 34 EStG . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . (2) Entschädigung . . . . . . . . . . . (3) Zusammenballung . . . . . . . . (4) Fünftelungsregel . . . . . . . . . bb) Anrufungsauskunft . . . . . . . . . . h) Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Beitragspflicht . . . . . . . . . cc) Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . dd) Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 158 SGB III . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entschädigungen iSv. § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III . . . . . . (2) Maßgebliche Kündigungsfrist (3) Berechnung des Ruhenszeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung . . . . . . . . . (5) Folgen des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs . . . . . . .

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_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 1 4 9 12 23 28 42 42 43 45 49 54 55 57 57 58 59 60 61 62 66 69 70

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

(6) Ruhen wegen anderweitiger Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . ee) Sperrzeiten nach § 159 SGB III . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . (2) Echter Aufhebungsvertrag . . . ff) Anrechnung von Abfindungen auf Arbeitslosengeld . . . . . . . . . . . . gg) Kürzung bei nicht rechtzeitiger Meldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Erstattung von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose nach § 147a SGB III aF . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Vorzeitige Altersrente . . . . . . . . . jj) Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses durch einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung? . . . . . . . . . 2. Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . a) Sperrzeiten nach § 159 SGB III . . . . . b) Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . II. Muster Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . Termination Agreement . . . . . . . . . . Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . Klage wegen Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht auf § 17 KSchG . . . . . . . . . .

71 72 72 75 79 81 82 84

85 86 87 88

. .M. .23.1a . .M. .23.1b ..M . . 23.2 ..M . . 23.3 ..M . . 23.4

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Kap. 23

Literatur: Alewell/Hauff, Betriebliches Trennungsmanagement im Schatten des Arbeitsrechts, BB 2010, 3149; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Aufl. 2014; Bauer/Arnold/Zeh, Widerruf von Arbeits- und Aufhebungsverträgen – Wirklich alles neu?, NZA 2016, 449; Bauer/Diller, Zur Inhaltskontrolle von Aufhebungsverträgen, DB 1995, 1810; Bauer/Günther, Neue Spielregeln für Klageverzichtsvereinbarungen, NJW 2008, 1617; Bauer/Haußmann, Der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag, BB 1996, 901; Bauer/Hümmerich, Nichts Neues zu Aufhebungsverträgen und Sperrzeit oder: Alter Wein in neuen Schläuchen, NZA 2003, 1076; Bauer/Kock, Arbeitsrechtliche Auswirkungen des neuen Verbraucherschutzrechts, DB 2002, 42; Bauer/Krieger, Rien ne vas plus – „Nachkarten“ nach Abwicklungsvertrag ausgeschlossen, NZA 2006, 306; Bauer/Krieger, Freistellungsvereinbarung: Neue sozialversicherungsrechtliche Spielregeln-Rechtsfolgen, Kritik, Alternativen, DB 2005, 2242; Bauer/Powietzka, Heilung unterbliebener Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG, DB 2000, 1073; Bergwitz, Beschäftigungsverhältnis bei Freistellung, NZA 2009, 518; Besgen/Velten, Der Rücktritt vom Aufhebungsvertrag in der Insolvenz, NZA-RR 2010, 561; Bubeck/Sartorius, Eintritt von Sperrzeiten nach der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, ASR 2009, 75; Cornelius/Lipinski, Diskriminierungsabrede im Aufhebungsvertrag, BB 2007, 496; Diller/Schuster, Aufhebungsverträge mit (Schein-)Selbständigen, FA 1998, 138; Ferme/Lipinski, Änderung der Rechtsprechung des BAG bei Massenentlassungen, NZA 2006, 937; Freckmann/Müller, Die Massenentlassungsanzeige – ein häufig verkanntes Risiko bei Restrukturierungen, KSzW 2014, 252; Fröhlich, „Kostenlose“ Lösung des Arbeitgebers vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, ArbRB 2014, 244; Fuhlrott/Oltmanns, Aufhebungsverträge, AuA 2016, 18; Gagel, Sperrzeit durch Abfindungsvertrag, ZIP 2005, 332; Gaul/Bonanni/Niklas, Aktuelle Probleme der Freistellung, ArbRB 2008, 149; Gaul/Niklas, Neue Grundsätze zur Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvereinbarung und gerichtlichem Vergleich, NZA 2008, 137; Geserich, Die ermäßigte Besteuerung von Entlassungsentschädigungen, DB 2016, 1953; Günther, Freistellung von der Arbeitspflicht, ArbR 2009, 127; Häcker, Nicht ohne meinen Anwalt, ArbRB 2015, 89; Hilgenstock, Das Arbeitszeugnis als kompensatorische Gegenleistung im Abwicklungsvertrag, ArbR Aktuell 2013, 254; Hjort, Zum Umgang mit Sperrzeitrisiken bei Aufhebung und Abfindung, AiB 2008, 65; Hümmerich/Schmidt-Westphal, Integrierte Aufhebungsvereinbarungen im Dienstvertrag des GmbH-Geschäftsführers, DB 2007, 222; Jooß, Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags, RdA 2008, 285; Kern/Wege, Zuwendungen an den Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag – Steuersparmodelle oder Haftungsfallen?, NZA 2008, 564; Kleinebrink, Besondere Regelungen in Aufhebungsverträgen, ArbRB 2008, 153; Kleinebrink, Grundsätze der inhaltlichen Gestaltung außergerichtlicher Aufhebungsverträge, ArbRB 2008, 121; Kleinebrink, Der Aufhebungsvertrag bei Massenentlassung, Betriebsänderung und Betriebsübergang, FA 2008, 101; Kock/Fandel, Sozialversicherungsrecht – Neue Spielregeln für die unwiderrufliche Freistellung, ArbRB 2009, 203; Kock/Fandel, Unwiderrufliche Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, DB 2009, 2321; Korinth, Die Reichweite allgemeiner Ausgleichsklauseln in arbeitsgerichtlichen Vergleichen, ArbRB 2013, 321; Korinth, Neue Entwicklungen und Tendenzen im Zeugnisrecht, ArbRB 2013, 193; Kroeschell, Die neuen Regeln bei Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen, NZA 2008, 560; Kroeschell, Aufhebungsverträge und Sperrzeit, jM 2016, 30; Kuhn/Becker, Arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte bei Aufhebungsverträgen, DB 2016, 1994; Laws, Die (Un)Wirksamkeit eines Klageverzichts in einem Aufhebungsvertrag, MDR 2015, 1342; Lembke, Sozialversicherungsrechtliche Fragen bei der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen, BB 2009, 2594; Lembke, Aufhebungsverträge: Neues zur Sperrzeit, DB 2008, 293; Linck, Die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen, JbArbR 45 (2008), 73; Lindemann/Polzer, Die (unrichtige) Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III, DB 2016, 2935; Lingemann, Neues zum arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag, NJW 1997, 640; Lingemann, Allgemeine Geschäftsbedingungen und Arbeitsvertrag, NZA 2002, 181; Lingemann/Groneberg, Der Aufhebungsvertrag, NJW 2010, 3496 u. 3624; NJW 2011, 2028, 2937 u. 3629; NJW 2012, 985; Lützeler/Bissels, Reduzierung der Belegschaft ohne Kündigung, AuA 2009, 43; Lützeler/ Bissels, Die Rückkehr des Aufhebungsvertrags, AuA 2008, 141; Meyer, Der Freistellungsvertrag, NZA 2011, 1249; Meyer, Angemessenheitskontrolle von Beendigungsabreden in Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen?, BB 2016, 1589; Müller, Klageverzicht und Abwicklungsvereinbarung, BB 2011, 1653; Oberthür, Aktuelles zur Sperrzeit – Entwicklung der BSG-Rechtsprechung zu betriebsbedingten Trennungsvereinbarungen, ArbRB 2007, 113; Panzer, Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, NJW 2010, 11; Pietrus, Saubere Schnitte, AuA 2015, 292; Preis/Schneider, § 1a KSchG – die sozialrechtliche Aufwertung einer bisher arbeitsrechtlich unbedeutenden Vorschrift, NZA 2006, 1297; Pröpper, Die Übernahme der Rechtsanwaltskosten durch den Arbeitgeber – Arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Gestaltung im Aufhebungsvertrag,

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Kap. 23 Rz. 1

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NZA 2011, 837; Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 11. Aufl. 2016, Reichel/Volk, Portabilität von Versorgungsanwartschaften in der betrieblichen Altersversorgung, DB 2005, 886; Reinecke, Trennungsgespräche, AuR 2011, 234; Reinfelder, Der Rücktritt von Aufhebungsvertrag und Prozessvergleich, NZA 2013, 62; Reinhard/Kettering, Der Mindestlohn und seine Auswirkungen, ArbRB 2014, 302; Ricken, Sperrzeit bei Turboprämie, NZA 2012, 1024; Rieble/Wiebauer, Widerspruch (§ 613a VI BGB) nach Aufhebungsvertrag, NZA 2009, 401; Schmitt-Rolfes, Trennung ohne Kündigung, NZA Beilage 2010, 81; Schmitt-Rolfes, Aufhebungsverträge doch widerruflich?, AuA 2016, 200; Schneider, AGB-rechtliche Inhaltskontrolle bei Aufhebungsvertrag – Wirksamkeit einer Klageverzichtsklausel, jM 2015, 287-288; Seel, Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Aufhebungsverträge – typische Klauseln und rechtliche Risiken, JA 2006, 366; Seel, Sperrzeit für Gesetzestreue?, NZS 2006, 184; Sommer/Staffelbach, Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvereinbarung, AE 2008, 8; Tödtmann/Kaluza, Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag, NWB 2011, 2808; Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 5. Aufl. 2009; Weingarth, Das ruhende Arbeitsverhältnis des „beförderten“ Geschäftsführers – unerkannte Verhandlungsmasse?, GmbHR 2016, 571; Willemsen, Aufhebungsverträge bei Betriebsübergang, ein „Erfurter Roulette“?, NZA 2013, 242.

I. Einführung 1. Aufhebungsvertrag a) Allgemeines 1

Die Arbeitsvertragsparteien können das Arbeitsverhältnis jederzeit einvernehmlich, also durch einen Aufhebungsvertrag, beenden. Der Vorteil einer solchen Vereinbarung liegt aus Sicht des Arbeitgebers darin, die Risiken einer Kündigung und des sich häufig anschließenden Rechtsstreits zu vermeiden. Zudem hat dieser Weg den Vorteil, dass keine gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Kündigungsfristen eingehalten werden müssen und der Betriebsrat nicht beteiligt werden muss.1 Der Arbeitnehmer andererseits hat häufig bei schweren Verfehlungen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden, ein Interesse an einer Aufhebung statt einer Kündigung. Zudem kann er Kündigungsfristen abkürzen, wenn er sofort ein anderes Arbeitsverhältnis antreten möchte.

2

Anders als beim befristeten Arbeitsvertrag, bei dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits Bestandteil des Arbeitsvertrages ist, wird beim Aufhebungsvertrag neben dem Arbeitsvertrag ein weiterer Vertrag geschlossen, der dessen Aufhebung zum Inhalt hat.2 Dem Abwicklungsvertrag geht im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag eine arbeitgeberseitige Kündigung voraus;3 die Parteien erklären übereinstimmend, dass die Kündigung wirksam ist und das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet hat. Beide Vertragsformen (im Folgenden: „Auflösungsvertrag“) sind häufig kaum voneinander zu trennen und gehen ineinander über. Der Unterschied wirkt sich zwar arbeits- und steuerrechtlich praktisch nicht aus; das Sozialversicherungsrecht knüpft jedoch möglicherweise4 verschiedene Rechtsfolgen an die beiden Vertragsarten.5 In dem Ineinandergreifen von arbeits-, steuer- und sozialver-

1 Anders beim Abwicklungsvertrag (BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, NZA 2006, 48); ablehnend Bauer/ Krieger, NZA 2006, 306. 2 Zur Abgrenzung BAG v. 23.11.2006, AP Nr. 317 zu § 613a BGB; v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, BB 2007, 1054; v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614; v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348, 351 sowie Kap. 6 Rz. 11. 3 Gelegentlich – eher atypisch – folgt die Kündigung dem Abwicklungsvertrag auch nach, vgl. BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, NZA 2006, 48. 4 Vgl. Hümmerich, NZA 2007, 1025. 5 Vgl. unten Rz. 72 ff. zum Aufhebungsvertrag und Rz. 86 ff. zum Abwicklungsvertrag.

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Rz. 5 Kap. 23

sicherungsrechtlichen Regelungen liegt die Hauptschwierigkeit bei der Gestaltung von Aufhebungsverträgen. An der Zulässigkeit von Auflösungsverträgen bestehen keine Zweifel. Das folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB) und ist auch keine Umgehung des Kündigungsschutzes.6 Das Kündigungsschutzgesetz schützt den Arbeitnehmer nur vor der einseitigen, im Belieben des Arbeitgebers stehenden Kündigung, nicht aber vor einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Ob der Arbeitnehmer ein entsprechendes Angebot des Arbeitgebers annimmt, unterliegt seiner freien Entscheidung. Dies gilt auch für die Arbeitnehmergruppen, die besonderen Kündigungsschutz genießen (werdende Mütter, Minderjährige, Eltern in Elternzeit, schwerbehinderte Menschen, Betriebsratsmitglieder usw.). Auch eine behördliche Zustimmung oder eine Anhörung des Betriebsrats zu dem Auflösungsvertrag sind nicht erforderlich. Unwirksam ist die Aufhebung allerdings, wenn es sich um eine entgegen § 305c Abs. 1 BGB ungewöhnliche in AGB versteckte Bestimmung handelt.7 Näheres zur AGB-Kontrolle von Aufhebungsverträgen insbesondere unten unter Rz. 28 ff.

3

b) Zustandekommen des Vertrages Gemäß § 623 BGB bedarf der Auflösungsvertrag der gesetzlichen Schriftform gemäß § 126 BGB, welche durch notarielle Beurkundung oder gerichtlichen Vergleich – auch nach § 278 Abs. 6 ZPO8 – ersetzt werden kann (§§ 126 Abs. 4, 127a BGB). Die elektronische Form nach § 126a BGB ist jedoch ausgeschlossen (§ 623 Halbs. 2 BGB). Die Anforderungen an die Einhaltung der Form nach § 126 BGB sind streng.9 Der Austausch von Telefax10 oder Briefen reicht zB nicht aus und hat die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge. Die Berufung auf den Formmangel verstößt nur dann gegen Treu und Glauben, wenn das Ergebnis andernfalls für die Rechtsordnung schlechthin unerträglich wäre.11 Das gesetzliche Schriftformerfordernis gilt allerdings nicht für die Aufhebung eines (isolierten) Umschulungsvertrages iSv. § 1 Abs. 5, §§ 58 ff. BBiG12, da in diesem Fall kein Arbeitsverhältnis vorliegt.13 Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag, wird zugleich vermutet, dass das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis mit Beginn des Geschäftsführerdienstverhältnisses einvernehmlich beendet wird, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden ist.14 Durch einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag wird in diesen Fällen auch das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag gewahrt.15

4

§ 623 BGB erfasst seinem Wortlaut nach nur die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag. Allerdings bedarf auch ein Vorvertrag, der die Parteien

5

6 7 8 9

10 11 12 13 14 15

Zur Ausnahme vgl. Rz. 11. BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614. BAG v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06, NZA 2007, 466. Einzelheiten PWW/Lingemann, § 623 BGB Rz. 1 ff.; vgl. BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 659/03, NZA 2005, 162; LAG Hessen v. 4.3.2013 – 17 Sa 633/12 zur Wahrung der Schriftform durch Unterschrift des Prokuristen. Ist der Prokurist im Außenverhältnis nicht allein vertretungsberechtigt, so führt dessen alleinige Unterschrift zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages nach § 125 BGB, wenn er nach dem Empfängerhorizont nicht als alleiniger Erklärender gehandelt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Prokurist im Innenverhältnis zur Alleinvertretung befugt war. LAG Düsseldorf v. 29.11.2005, LAGE § 623 BGB 2002 Nr. 4. Vgl. BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 659/03, NZA 2005, 162. BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 638/04, NZA 2007, 97; PWW/Lingemann, § 623 BGB Rz. 2. BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 120/11, NZA 2014, 31. BAG v. 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12, NZA 2014, 540; v. 3.2.2009, NJW 2009, 2078. Vgl. BAG v. 15.3.2011, DB 2011, 1400; v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669, 670; v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095, 1097; Kap. 4 Rz. 18.

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zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages verpflichtet, der Schriftform, da dem Schriftformerfordernis auch Warnfunktion zukommt.16 Ebenfalls schriftformbedürftig ist eine Klageverzichtsvereinbarung, die im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung getroffen wird.17 Das Schriftformerfordernis besteht allerdings nur dann, wenn der Zusammenhang die Annahme rechtfertigt, dass Kündigung und Klageverzicht in Wirklichkeit der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses dienen.18 6

Der Auflösungsvertrag kommt nach den allgemeinen Regeln des BGB durch Angebot und Annahme zustande.19 Angebote zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages können nur innerhalb der Fristen der §§ 147, 150 Abs. 1 BGB angenommen werden. Unter Anwesenden kann daher ein Angebot nur sofort angenommen werden, egal ob das Angebot mündlich oder schriftlich erfolgt. Die Annahme eines Angebots mit Änderungen oder Ergänzungen gilt gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Angebot.20 Wegen § 623 iVm. § 126 Abs. 2 BGB kommt ein wirksamer Aufhebungsvertrag in diesen Fällen nur bei erneuter Unterzeichnung der Änderungen durch den Erstantragenden zustande.21 Ein schriftliches Angebot unter Abwesenden (auch unter Anwälten) kann – wenn nicht ausdrücklich eine andere Frist bestimmt ist – nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Eingang der Antwort nach regelmäßigen Umständen erwartet werden kann, § 147 Abs. 2 BGB.

7

Den Arbeitgeber treffen grundsätzlich keine vorvertraglichen Hinweis- und Aufklärungspflichten bzgl. der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen von Aufhebungsverträgen. Es ist Sache des Arbeitnehmers, sich kundig zu machen, etwa durch Beratung durch einen Anwalt, der Agentur für Arbeit, einen Rentenberater oder Steuerberater.22 Das gilt auch für den Verlust von Sonderkündigungsschutz und Versorgungsanwartschaften.23 Auch besteht keine allgemeine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die Pflicht zur frühzeitigen Meldung bei der Agentur für Arbeit (§ 38 SGB III) zu informieren.24 Eine solche Pflicht folgt insbesondere nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III, denn es handelt sich hierbei lediglich um eine Sollvorschrift, die keine selbständige Nebenpflicht des Arbeitgebers begründet.25 Eine Hinweispflicht besteht somit nur in engen Grenzen, wobei die Rechtsprechung diese aus § 242 BGB26 und aus § 241 Abs. 2 BGB herleitet.27 Sie ist jedoch erweitert, wenn der Arbeitgeber die Initiative für einen Aufhebungsvertrag ergreift und dabei den Eindruck erweckt, er werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn 16 BAG v. 17.12.2009 – 6 AZR 242/09, NZA 2010, 273. 17 BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227; krit. hierzu Bauer/Günther, NJW 2008, 1617, 1618 f. 18 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NJW 2015, 1038. 19 Zur Bestimmtheit des Angebots vgl. BAG v. 17.12.2009 – 6 AZR 242/09, NZA 2010, 273. 20 Vgl. hierzu BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 346/07, NZA 2009, 161, 162. 21 BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 346/07, NZA 2009, 161, 162. 22 BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206, 207; v. 13.11.1984, NZA 1985, 712. Instruktiv zu den Grenzen von Informationspflichten des Arbeitgebers auch BAG v. 14.1.2009, AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Auskunft. 23 BAG v. 3.7.1990 – 3 AZR 382/89, DB 1990, 2431. 24 Vgl. BAG v. 29.9.2005 – 8 AZR 571/04, NZA 2005, 1406, 1407 f. mwN auch zur Gegenauffassung. 25 BAG v. 29.9.2005 – 8 AZR 571/04, NZA 2005, 1406, 1408. 26 BAG v. 18.9.1984, NZA 1985, 712; v. 3.7.1990 – 3 AZR 382/89, DB 1990, 2431; v. 12.12.2002, NZA 2003, 687 mwN. 27 BAG v. 16.11.2005 – 7 AZR 86/05, NZA 2006, 535, 538; v. 22.1.2009 – 8 AZR 161/08, NZA 2009, 608, 609.

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Rz. 12 Kap. 23

nicht ohne hinreichende Aufklärung erheblichen atypischen Versorgungsrisiken aussetzen.28 Eine Belehrungspflicht entsteht bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung des Arbeitgebers auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen besonderer Umstände darauf vertrauen durfte, der Arbeitgeber werde sich um die Versorgung kümmern, oder wenn er darauf vertrauen durfte, der Arbeitgeber werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch den Interessen des Arbeitnehmers an einer optimalen Versorgung Rechnung tragen.29 Verletzt der Arbeitgeber eine solche Pflicht, macht er sich gemäß § 280 Abs. 1 BGB iVm. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB schadensersatzpflichtig; der Aufhebungsvertrag besteht aber in der Regel fort.30 Erteilt der Arbeitgeber allerdings Auskünfte, so müssen diese zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen richtig, eindeutig und vollständig sein.31 Bei bewusst falschen Auskünften kommt zudem eine Anfechtung des Auflösungsvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB in Betracht.

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c) Vertragsinhalt Während Kündigungen bedingungsfeindlich sind, können Auflösungsverträge auch unter aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen geschlossen werden.

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Aufschiebende Bedingungen dürfen jedoch nicht zu einer Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes führen. Es gelten dieselben Regeln wie für auflösend bedingte Arbeitsverträge. Erforderlich ist ein sachlicher Grund für die Bedingung. Unzulässig ist daher etwa der Abschluss eines Aufhebungsvertrages für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkehrt.32

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Auflösende Bedingungen sind zulässig, wenn binnen einer kurzen Zeit nach Abschluss des Aufhebungsvertrages feststeht, ob die Bedingung eintritt oder nicht. So ist zB nichts einzuwenden gegen einen Aufhebungsvertrag, der hinfällig werden soll, wenn der Arbeitnehmer nicht binnen 14 Tagen den Verdacht von Spesenmanipulationen ausräumt oder seinen Dienstwagen zurückgibt oder der in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Arbeitgeber die Abfindung nicht binnen zehn Tagen nach Unterzeichnung der Vereinbarung leistet. Problematisch sind allerdings auflösende Bedingungen, die auch nach Jahren noch eintreten können. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit und die kaum lösbare Frage nach der Abwicklung der Übergangszeit verbieten solche Regelungen. So hat zB das LAG Bremen eine Klausel für unwirksam gehalten, nach der ein Aufhebungsvertrag (nebst Abfindung) wegfallen sollte, wenn der Arbeitnehmer nach Vertragsende zur Konkurrenz wechselt.33

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d) Unwirksamkeit des Vertrages Da ein Aufhebungsvertrag grundsätzlich keine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes darstellt, ist er auch nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam (s. Rz. 3). 28 BAG v 15.4.2014, AP Nr. 47 zu § 1 BetrAVG Auslegung; v. 16.11.2005 – 7 AZR 86/05, NZA 2006, 535, 538; v. 11.12.2001 – 3 AZR 339/00, NZA 2002, 1150. 29 BAG v. 12.12.2002, NZA 2003, 687; v. 23.5.1989, AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, BAGE 47, 169, 174 ff.; v. 10.3.1988, AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht. 30 BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206, 207; vgl. im Detail Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. A 231 ff. 31 BAG v. 21.5.2015 – 6 AZR 349/14, NZA-RR 2015, 588. 32 BAG v. 19.12.1974, DB 1975, 890. 33 LAG Bremen v. 25.2.1994, LAGE § 74 HGB Nr. 9.

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Kap. 23 Rz. 13

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Verbreitet waren eine Zeit lang rückdatierte Aufhebungsverträge. Fast immer hatte dies steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Gründe. Die meisten der zahlreichen Neuregelungen des Gesetzgebers hatten aus Vertrauensschutzgründen Stichtagsregelungen vorgesehen, wonach für Aufhebungsverträge, die vor einem bestimmten Datum abgeschlossen wurden, noch die alte, für die Beteiligten günstigere Rechtslage gelten sollte.

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Die Frage, ob rückdatierte Aufhebungsverträge gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit bzw. gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (Betrug zum Nachteil der Finanzverwaltung oder Sozialversicherungsträger, § 263 StGB) nichtig sind, ist ungeklärt. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt nicht vor. Nach herrschender Auffassung bleiben rückdatierte Aufhebungsverträge jedoch wirksam, weil die durch die Rückdatierung beabsichtigte Täuschung des Finanzamts bzw. der Sozialversicherungsträger nicht Hauptzweck der Vereinbarung, sondern nur Nebenfolge ist.34 Nach anderer Auffassung ergibt sich hier die Sittenwidrigkeit bzw. der Verstoß gemäß § 134 BGB bereits aus dem Teilzweck des Rechtsgeschäfts.35 Jedenfalls ist von Rückdatierungen dringend abzuraten, schon weil sie für alle Beteiligten mit einem hohen – insbesondere auch strafrechtlichen – Risiko verbunden sind.

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Der rückdatierte Aufhebungsvertrag ist abzugrenzen von einer rückwirkenden Auflösungsvereinbarung. Die Arbeitsvertragsparteien können ihr Arbeitsverhältnis natürlich mit sofortiger Wirkung oder zu einem zukünftigen Zeitpunkt auflösen, rückwirkend jedoch nur, wenn das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt war.36

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Bejaht wurde die Nichtigkeit einer Aufhebungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB ferner für einen Fall, in dem tatsächlich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen erfolgte und dies auch in einem Exemplar der Aufhebungsvereinbarung festgehalten war, aber daneben zur Vorlage bei der Arbeitsverwaltung ein weiteres Exemplar der Aufhebungsvereinbarung erstellt wurde, in dem eine Beendigung aus betriebsbedingten Gründen vereinbart war. Eine solche Täuschungsabrede zum Zweck des Ausschlusses einer Sperrfrist nach § 159 SGB III soll nach einer Auffassung gemäß § 139 BGB im Zweifel die Gesamtnichtigkeit des Aufhebungsvertrages zur Folge haben.37 Erklärt der Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III wahrheitsgemäß, aber entgegen der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag, dass keine betriebsbedingten Kündigungsgründe vorliegen, schuldet er dem Arbeitnehmer für eine verhängte Sperrzeit keinen Schadenersatz.38

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Auch eine Billigkeitskontrolle führt grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages.

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Nach Auffassung des BVerfG sind zwar die Zivilgerichte gehalten, privatrechtliche Verträge dann nicht anzuerkennen, wenn sie das Produkt eines „Verhandlungsungleichgewichts“ sind.39 Diese Rechtsprechung ist jedoch auf arbeitsrechtliche Auflösungsverträge nicht übertragbar.40 Denn es mag zwar sein, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Abschluss des Arbeitsvertrages in einer strukturell ungleichgewichtigen Situation gegenüberstehen. Dieses Ungleichgewicht besteht aber nicht mehr, wenn beide Seiten über einen Auflösungsver34 35 36 37

LAG BW v. 22.5.1991 und v. 25.4.1991, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 5 und 4. ArbG Wetzlar v. 24.8.1993, EzA-SD 1994, Nr. 5, S. 14. BAG v. 17.12.2009 – 6 AZR 242/09, NZA 2010, 273; v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422. LAG Hamm v. 27.11.1997, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 22; aA LAG Niedersachsen v. 23.11.2004, NZA-RR 2005, 415, wonach die Täuschung über den Beendigungstatbestand unschädlich ist. 38 LAG Hessen 17.7.2012 – 13 Sa 1053/11. Zu Rechtsfolgen unrichtig ausgefüllter Arbeitsbescheinigungen Lindemann/Polzer, DB 2016, 2935. 39 BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, DB 1993, 2580. 40 BAG v. 14.2.1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811 sowie Rz. 31.

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Rz. 21 Kap. 23

trag verhandeln. Der Arbeitnehmer kann das Angebot, einen Auflösungsvertrag abzuschließen, mit einem einfachen „nein“ zurückweisen.41 Droht der Arbeitgeber daraufhin mit einer unbegründeten Kündigung, kommt ohnehin eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung in Betracht (dazu Kap. 21 Rz. 23 ff.). Vom Arbeitgeber vorformulierte Aufhebungsverträge unterliegen der AGB Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Allerdings gilt die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht für die Hauptleistungspflichten.42

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Wird ein Auflösungsvertrag im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang43 geschlossen, kann eine Umgehung des § 613a BGB vorliegen. Diese Vorschrift ist zwingend, eine Umgehung führt zur Unwirksamkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB. Schließt der bisherige Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag, ist dieser nur wirksam, wenn er auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers gerichtet ist und nicht nur der Unterbrechung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses dient.44 Wird der Arbeitnehmer daher unter Hinweis auf die bevorstehende Veräußerung veranlasst, einem Auflösungsvertrag zuzustimmen, um dann sogleich mit dem Erwerber einen neuen, für diesen günstigeren Arbeitsvertrag abzuschließen, liegt eine Umgehung des § 613a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 BGB vor.45 Zulässig ist jedoch ein Aufhebungsvertrag, wenn zugleich ein Übertritt des Arbeitnehmers in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft vereinbart wird.46 Ein Aufhebungsvertrag ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber täuscht, dass ein Betriebsübergang geplant ist, indem er ihm wahrheitswidrig vorspiegelt, der Betrieb solle stillgelegt werden.47

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Ein Aufhebungsvertrag, der seinem Regelungsgehalt nach nicht auf die alsbaldige Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, bedarf zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes im Sinne des Befristungskontrollrechts.48 Fehlt es daran, so ist die Befristung und damit auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum vereinbarten Zeitpunkt unwirksam.49 Für die rechtliche Einordnung der Vereinbarung ist nicht allein die Dauer der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses maßgebend, sondern eine Gesamtwürdigung des Vereinbarten.50 So stellt etwa ein Aufhebungsvertrag, der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Verzögerung von zwölf Monaten gerichtet ist, dann keine nachträgliche Befristung des Arbeitsverhältnisses dar, wenn nach der Vereinbarung keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung mehr bestehen soll („Kurzarbeit 0“) und zugleich Abwicklungsmodalitäten wie Abfindung, Zeugniserteilung und Rückgabe von Firmeneigentum geregelt

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41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

BAG v. 14.2.1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811, im Einzelnen Rz. 31. Vgl. Rz. 28 ff. sowie Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, Rz. 90 „Aufhebungsvertrag“. Einzelheiten Kap. 60 Rz. 62. BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152; v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, BB 2007, 1054; v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145; v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422; kritisch zur Rspr. Willemsen, NZA 2013, 242. BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091, 1093; v. 21.5.2008 – 8 AZR 481/07, NZA 2009, 144, 148; v. 25.10.2007 – 8 AZR 917/06, DB 2008, 989; v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147. BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, BB 2007, 1054; vgl. auch LAG BW v. 18.12.2008, LAGE § 613a BGB 2002 Nr. 25. Zu den Grenzen vgl. jedoch BAG v. 25.10.2012, BB 2012, 2815 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2012, 583 mwN. BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, BB 2007, 1054. Zu Einzelheiten der Befristungskontrolle vgl. Kap. 6 Rz. 1 ff., sowie M 6.1.1 ff. BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348, 351; v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614; v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718. BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348, 351.

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Kap. 23 Rz. 22

Einvernehmliche Beendigung

werden.51 Besonderheiten gelten beim Abschluss eines unbedingten Aufhebungsvertrages mit bedingter Wiedereinstellungszusage während der Probezeit. Zulässig ist ein solcher Aufhebungsvertrag, wenn der Beendigungszeitpunkt die kurze Probezeitkündigungsfrist nur in einem angemessenen Umfang überschreitet.52 22

Bei Massenentlassungen bedarf die Entlassung auch dann der Anzeige nach § 17 KSchG53, wenn sie nicht auf einer Kündigung, sondern auf einem vom Arbeitgeber veranlassten Auflösungsvertrag beruht.54 Dabei stellt bereits der Abschluss eines Aufhebungsvertrags und nicht erst die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine „Entlassung“ iSd. § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG dar.55 Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH und des BAG bei Kündigungen. Danach ist „Entlassung“ iSd. § 17 KSchG nicht mehr der Ablauf der Kündigungsfrist, sondern schon die Erklärung der Kündigung.56 Auch eine unmittelbare Anschlussbeschäftigung dürfte für die Beurteilung als Entlassung unerheblich sein.57 Beruft der Arbeitnehmer sich auf die unterbliebene Anzeige, so ist die Entlassung unwirksam. Wahrscheinlich erfasst die Unwirksamkeit auch den Auflösungsvertrag selbst.58 Der Arbeitnehmer kann auf die Anzeige auch nicht im Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag59 selbst wirksam verzichten, sondern erst durch gesonderte Erklärung nach Abschluss des Vertrages (M 23.4).60 Lehnt er einen nachträglichen Verzicht ab, so kommt eine Nachholung der Anzeige in Betracht.61 Eine unwirksame Massenentlassungsanzeige wird nicht dadurch geheilt, dass ein bestandskräftiger Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1 oder § 18 Abs. 2 KSchG vorliegt. Vielmehr sind auch in diesem Falle die Arbeitsgerichte nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozess die Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige anzunehmen.62 e) Beseitigung des Vertrages

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Ein Widerrufsrecht gemäß §§ 355, 312 BGB hat der Arbeitnehmer jedenfalls bei im Personalbüro abgeschlossenen Aufhebungsverträgen nach der Entstehungsgeschichte, der gesetzlichen Systematik sowie nach Sinn und Zweck des § 312 BGB nicht, schon weil dies keine für das abzuschließende Rechtsgeschäft atypische Umgebung ist.63 Damit ist der Anwendungsbereich für ein Widerrufsrecht, wenn er überhaupt noch besteht, auf völlig atypische Fälle be51 BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614; ähnlich auch der Fall bei BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348, 351. 52 BAG v. 7.3.2002, DB 2002, 1997; Einzelheiten in Kap. 6 Rz.11; Formulierungsvorschlag in M 6.1.8. 53 Einzelheiten zu § 17 KSchG Kap. 22 Rz. 169 ff. 54 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029; st. Rspr., vgl. BAG v. 11.3.1999 – 2 AZR 461/98, DB 1999, 1274. 55 BAG v. 19.3.2015, EzA § 17 KSchG Nr. 34 m. Anm. Lingemann/Otte, DB 2015, 2641. 56 EuGH v. 27.1.2005 – Rs. C-188/03, NZA 2005, 213; BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, NZA 2006, 971, 975; v. 13.7.2006 – 6 AZR 198/06, NZA 2007, 25; Einzelheiten dazu Kap. 22 Rz. 169 ff. 57 BAG v. 19.3.2015, EzA § 17 KSchG Nr. 34 m. Anm. Lingemann/Otte, DB 2015, 2641; das gilt jedenfalls dann, wenn statt eines Arbeitsverhältnisses eine freie Mitarbeit vereinbart wird. 58 Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge, Rz. E 78; APS/Rolfs, Kündigungsrecht - AufhebVtr Rz. 83; so zur Kündigung BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 692/10, DB 2012, 1690; v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, NZA 2006, 971; Ferme/Lipinski, NZA 2006, 937, 941. 59 AA, da beim Abwicklungsvertrag die Kündigung schon zuvor ausgesprochen wurde, Ferme/Lipinski, NZA 2006, 937, 941. 60 BAG v. 11.3.1999 – 2 AZR 461/98, DB 1999, 1274; dies gilt auch nach der Änderung der Rspr. aufgrund EuGH v. 27.1.2005 – Rs. C-188/03, NZA 2005, 213, Ferme/Lipinski, NZA 2006, 937, 941. 61 Vgl. zu den Anforderungen an eine solche Nachholung Bauer/Powietzka, DB 2000, 1073. 62 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029. 63 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682; v. 27.11.2003 – 2 AZR 177/03, BB 2004, 1858; vgl. auch Kap. 2 Rz. 12 mwN.

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Einvernehmliche Beendigung

Rz. 27 Kap. 23

schränkt. Auch die Neufassung von §§ 312 ff. BGB64 ist zur Vermeidung widersprüchlicher Ergebnisses entsprechend teleologisch zu reduzieren.65 Aufhebungsverträge sind auch nicht schon deshalb unwirksam, weil der Arbeitnehmer unter Zeitdruck unterzeichnet hat.66 Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumen.67 Die einzelvertragliche Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist allerdings möglich.68 Zu den Folgen einer widerrechtlichen Drohung des Arbeitgebers beim Abschluss des Aufhebungsvertrages vgl. im Einzelnen Kap. 21 Rz. 23 ff.

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Neben einzelvertraglichen Absprachen sehen auch zahlreiche Tarifverträge für Aufhebungsverträge ein Widerrufsrecht vor, und zwar meist innerhalb einer Frist von ein bis drei Werktagen. Die tarifliche Widerrufsfrist beginnt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf das Widerrufsrecht hingewiesen hat, sofern der Tarifvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt.69 Wird der Aufhebungsvertrag widerrufen, besteht das Arbeitsverhältnis unverändert fort.

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Sofern kein Rücktrittsrecht vereinbart wurde, können die Parteien nicht von dem Aufhebungsvertrag zurücktreten. Ein Rücktrittsrecht kann sich jedoch nach den allgemeinen Regeln des BGB (§§ 320 ff. BGB) ergeben.70 Das ist insbesondere nach § 323 BGB der Fall, wenn eine Partei eine fällige Leistung aus dem Aufhebungsvertrag nicht erbringt und die andere Partei ihr erfolglos eine Frist zur Leistung gesetzt hat. In Betracht kommt dies vor allem, wenn der Arbeitgeber die Abfindung nicht fristgerecht zahlt, es sei denn, die Nichtzahlung beruht auf Insolvenz.71 Ist dem Aufhebungsvertrag eine Kündigung vorausgegangen, so ist bei Ausübung des Rücktrittsrechts freilich zu beachten, dass dann die ursprüngliche Kündigung wieder auflebt.72 Es gilt dann das zum Widerruf Gesagte entsprechend. Gegebenenfalls steht der Arbeitnehmer nach Ausübung des Rücktritts also schlechter.

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Für die Anfechtung des Aufhebungsvertrags gelten die allgemeinen Regeln der §§ 119 ff. BGB (dazu im Einzelnen Kap. 21). Ansprüche auf Annahme-Verzugslohn dürften bei angefochtenem Aufhebungsvertrag allerdings voraussetzen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gemäß § 294 BGB auch tatsächlich angeboten hat.73 Der Aufhebungsvertrag schließt eine außerordentliche Kündigung innerhalb des vereinbarten Beendigungszeitraumes nicht aus. Löst eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem vereinbarten Been-

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64 Durch das am 13.6.2014 in kraft getretene „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“, BGBl. I 2014, 3642. 65 Eingehend Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449 ff. mwN. 66 BAG v. 27.11.2003, NZA 2004, 597; v. 14.2.1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811; v. 30.9.1993, NZA 1994, 209; ebenso LAG MV v. 6.7.1995 – 1 Sa 629/94, NZA 1996, 535; aA LAG Hamburg v. 3.7.1991, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 6. 67 BAG v. 27.11.2003, NZA 2004, 597; v. 30.9.1993, NZA 1994, 209. 68 ZT wird vertreten, dass der Arbeitgeber sich auf den Aufhebungsvertrag nicht berufen kann, wenn er den Arbeitnehmer nicht vorab über den Gesprächsinhalt informiert hat, Reinecke, ArbuR 2011, 234, 236. Das BAG hat darauf bisher nicht abgestellt. 69 LAG Köln v. 11.4.1990 – 7 Sa 67/90, BB 1990, 2047. 70 Dazu ausführlich Reinfelder, NZA 2013, 62. 71 BAG v. 10.11.2011 – 6 AZR 342/10, AP Nr. 43 zu § 620 BGB m. Anm. Richter, ArbRB 2012, 39. 72 Gemäß § 102 BetrVG hätte zur ursprünglichen Kündigung allerdings der Betriebsrat angehört werden müssen (BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, NZA 2006, 48). Gemäß § 7 KSchG ist die Kündigung wirksam, wenn sie nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang durch Kündigungsschutzklage gem. § 4 KSchG angegriffen wurde. Auch der Einwand fehlender oder unzureichender Betriebsratsanhörung ist dann abgeschnitten, da es sich hier um „andere Gründe“ gem. § 4 Satz 1 KSchG handelt. 73 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 19/05, NZA 2006, 435.

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Kap. 23 Rz. 28

Einvernehmliche Beendigung

digungszeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag – einschließlich einer darin vereinbarten Abfindung – gegenstandslos.74 f) Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB 28

Vom Arbeitgeber vorformulierte Aufhebungsverträge unterliegen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB.75

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Nur wenn es sich beim Aufhebungsvertrag um eine völlig individuelle Lösung für den einzelnen Arbeitnehmer, abgestimmt auf dessen berufliche und private Bedürfnisse, handelt, ist das AGB-Recht nicht anwendbar, da er individuell ausgehandelt ist (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). In den meisten Fällen handelt es sich bei Aufhebungsverträgen jedoch um Allgemeine Geschäftsbedingungen.

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Grundsätzlich einer Inhaltskontrolle entzogen sind allerdings auch dann die im Aufhebungsvertrag vereinbarten Hauptleistungspflichten, also die Beendigung des Arbeitsvertrages,76 sowie Restlaufzeit und Höhe der Abfindung, es sei denn, dass eine entsprechende Regelung von gesetzlichen Rechtsvorschriften abweicht (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).77

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Bei der Inhaltskontrolle der übrigen Regelungen eines Aufhebungsvertrages ist uE Zurückhaltung geboten, weil sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in etwa gleich starken Verhandlungspositionen befinden. Das BAG hat ausgeführt, dass in der Situation, die zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages führt, gerade kein strukturelles Ungleichgewicht der Vertragspartner angenommen werden kann.78 Dem Arbeitnehmer könne die zur Durchsetzung seiner berechtigten Interessen erforderliche Verhandlungsmacht nicht abgesprochen werden, denn er brauche dem Ansinnen des Arbeitgebers lediglich ein schlichtes „Nein“ entgegenzusetzen. Das Ob, Wie und Wann der einvernehmlichen Vertragsbeendigung sei also vom vollen Konsens des Arbeitnehmers abhängig. Diese Position, die durch das Kündigungsschutzgesetz in besonderer Weise geschützt ist, stellt uE eine typische „im Arbeitsrecht geltende Besonderheit“ iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB dar.79 Das BVerfG hat allerdings mit Beschluss vom 23.11.200680 eine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers jedenfalls bei Abschluss und Änderung des Arbeitsvertrages bejaht, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz hat. Dies gilt uE aus den vorstehend dargestellten Gründen jedoch nicht für Aufhebungsverträge.

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Angesichts der insoweit bestehenden Rechtsunsicherheit ist daher bei der Formulierung von Klauseln vorsorglich von einer uneingeschränkten AGB-Kontrolle auszugehen. Im Einzelnen:

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Ein Verzicht auf die Erhebung oder Durchführung einer Kündigungsschutzklage ist zwar grundsätzlich zulässig.81 Eine Verzichtserklärung kann in Form eines Aufhebungsvertrages, eines Vergleichs eines Klageverzichtsvertrags oder als vertragliches Klagerücknahmeverspre74 75 76 77 78 79 80 81

BAG v. 10.11.2011 – 6 AZR 357/10, NZA 2012, 205; v. 5.4.2001 – 2 AZR 217/00, NZA 2001, 837. BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148, 1149. BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148. BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148; v. 3.6.2004 – 2 AZR 427/03; v. 22.4.2004, EzA § 312 BGB 2002 Nr. 2; v. 27.11.2003, NZA 2004, 597; BGH v. 24.9.1998 – III ZR 219/97, NJW 1999, 864; Lingemann, NZA 2002, 181, 185 und 188 mwN. BAG v. 14.2.1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811. Allerdings hat das BAG bisher Regelungen außerhalb der Hauptleistungspflichten in Aufhebungsverträgen in gleicher Intensität wie arbeitsvertragliche Regelungen geprüft, sieht hierin also offenbar keine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, NZA 2007, 85; zustimmend BAG v. 25.4.2007, AP Nr. 7 zu § 308 BGB Gratifikation, Rz. 22. Vgl. § 2 bei M 23.2. Zur Formbedürftigkeit des Klageverzichts vgl. Rz. 5.

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Rz. 36 Kap. 23

chen erfolgen.82 Ist die Verzichtsvereinbarung jedoch vom Arbeitgeber vorformuliert und wird sie vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG abgegeben,83 muss sie eine Gegenleistung für den Verzicht vorsehen, etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt oder die Beendigungsart, die Zahlung einer Abfindung oder Prämie84 oder den Verzicht auf eigene Ersatzansprüche85; die Zusage eines überdurchschnittlichen Zeugnisses reicht allerdings nicht aus.86 Der ohne eine solche Gegenleistung erklärte Verzicht stellt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.87 Ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung stellt der formularmäßige Klageverzicht im Rahmen eines Aufhebungsvertrags dar, wenn dieser zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird und ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, die Drohung also widerrechtlich iSd. § 123 BGB war.88

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Die Vereinbarung eines Klageverzichts kann zudem je nach Gestaltung der Erklärung, zB ohne optische Hervorhebung, eine überraschende Klausel darstellen, die gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil wird.89.

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Verzichten kann ein Arbeitnehmer auch auf Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung. Solche Ausgleichs- und Abgeltungsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen, Abwicklungsvereinbarungen oder gerichtlichen Auflösungsvergleichen sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen.90 Sie sind insoweit auch nicht überraschend oder ungewöhnlich iSd. § 305c BGB, sondern die Regel, denn der Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrag soll die Rechtsbeziehung der Parteien ja grundsätzlich im vollen Umfang beenden.91 Dazu gehören alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien auf Grund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ankäme.92 Entscheidend dafür, ob ein Anspruch dem Geltungsbereich einer solchen Ausgleichsklausel unterfällt, ist die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis.93 Daher müssen

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82 BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219. 83 Vgl. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219, wonach die Vereinbarung „Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt, auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet“ eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB darstellt, wenn sich ein vom Arbeitgeber zu widerlegender Anschein dafür ergibt, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden ist. 84 Eine Betriebsvereinbarung, nach der Arbeitnehmer eine Sonderprämie erhalten, wenn sie auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, darf allerdings nicht solche Arbeitnehmer ausschließen, die im Anschluss an ihre Entlassung anderweitig beschäftigt werden und von der Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens absehen, BAG v. 8.12.20015, 1 AZR 595/14, NZA 2016, 767 m. Anm. Günther, FD-ArbR 2016, 374996. 85 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NJW 2015, 1038; v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219. 86 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NJW 2016, 1195. 87 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NJW 2015, 1038; v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219; krit. Bauer/Günther, NJW 2008, 1617, 1619 ff. Im Rahmen eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrages ist aber häufig die Zahlung einer Abfindung vorgesehen, sodass keine unangemessene Benachteiligung vorliegt. 88 BAG v. 12.3.2015, NZA 2015, 676. 89 Das gilt zB im Rahmen einer Ausgleichsquittung (vgl. Rz. 40) zusammen mit der Bestätigung des Erhalts der Arbeitspapiere BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NJW 2015, 1038. 90 BAG v. 28.7.2009 – 3 AZR 250/07, NZA 2010, 356; v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896; v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318; v. 22.10.2008 – 10 AZR 617/07, NZA 2009, 139. 91 BAG v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318. 92 BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 137/14, NZA 2015, 1125. 93 BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896, 899.

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solche Punkte, die auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin bestehen bleiben sollen, einzeln und ausdrücklich aufgeführt werden. Eine ausdrückliche Regelung der ausgenommenen Ansprüche indiziert dabei zugleich, dass nicht bezeichnete Ansprüche als abgegolten gelten.94 Folglich kann eine Ausgleichsklausel auch ein zuvor vereinbartes Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung umfassen.95 Ausgleichsklauseln, die sich auf „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ beschränken, umfassen in der Regel nicht Forderungen aus Werkmietverträgen, Kaufverträgen oder Arbeitgeberdarlehen, da diese rechtlich selbstständig und sich daraus ergebende Ansprüche nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig sind.96 Sollen Ausgleichsklauseln daher zB Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehen mit umfassen, ist es erforderlich, dass nicht nur Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“, sondern auch solche, die mit dem Arbeitsverhältnis „in Verbindung stehen“, ausdrücklich ausgeschlossen werden (vgl. auch M 23.1a § 9 und § 26, jeweils m. Anm.).97 37

Von einer Ausgleichsklausel werden allerdings solche Forderungen nicht erfasst, die objektiv außerhalb des von den Parteien Vorgestellten liegen und bei Abschluss des Aufhebungsvertrages subjektiv unvorstellbar waren.98 Sofern die Ausschlussklausel indes ausdrücklich auch unbekannte Ansprüche aufnimmt, dürften auch diese umfasst sein.99 Ausgenommen sind auch Ansprüche, auf die der Arbeitnehmer nicht vertraglich verzichten kann, so beispielsweise Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung (§ 1b BetrAVG), Rechte aus einem Tarifvertrag (§ 4 Abs. 4 TVG) oder einer Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG), der Anspruch auf Mindestlohn (§ 3 MiLoG) sowie der Zeugnisanspruch. Dasselbe gilt für Ansprüche, die vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrages tituliert wurden.100 Demgegenüber wird der Urlaubsabgeltungsanspruch von der Ausgleichsklausel erfasst.101 Dem steht § 13 BUrlG nicht entgegen, da der Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht auf Urlaub, sondern auf Geld gerichtet ist. Des Schutzes des § 13 BUrlG bedarf der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr. Auch Ansprüche auf equal pay sind von einer allgemeinen Ausgleichsklausel erfasst. § 9 Abs. 2 AÜG steht nicht entgegen, weil dieser nur für Vereinbarungen gilt, die schon die Entstehung des Anspruches ausschließen oder beschränken, nicht aber für den nachträglichen Verzicht darauf.102

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Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass auf Grund des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unverfall- und unverzichtbare Ansprüche von der Geltung der Ausgleichsklausel ausdrücklich ausgenommen werden müssen103 oder die von der Klausel erfassten Ansprüche ausdrücklich aufgezählt werden müssen.104 Demgegenüber hat das BAG auch nach Einführung der AGB-Kontrolle immer wieder zu Recht Ausgleichsklauseln als wirksam angesehen, die keine derartigen Einzelaufzählungen enthielten, sondern nur die bisher auch übli94 BAG v. 28.7.2009 – 3 AZR 250/07, NZA 2010, 356; v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896, 900. 95 BAG v. 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, NJW 2009, 3529; v. 22.10.2008 – 10 AZR 617/07, NZA 2009, 139. 96 BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 873/08, NJW 2011, 2381. Ausnahmen hat das BAG anerkannt zB bei einem Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung einer Mitarbeiterbeteiligung, da aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Darlehens eine zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis bestanden hätte (BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896); ebenso für ein Arbeitgeberdarlehen, das gewährt wurde, um Gesellschaftsanteile in einer stillen Gesellschaft zu erwerben (BAG v. 28.7.2009 – 3 AZR 250/07, NZA 2010, 356). 97 BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 873/08, NJW 2011, 2381. 98 BAG v. 24.6.2009, NZA-RR 2010, 536; v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066, 1073. 99 Vgl. BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 137/14, NZA 2015, 1125. 100 Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge, Rz. C 481. 101 BAG v. 14.5.2013, BB 2013, 1267. 102 BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 137/14, NZA 2015, 1125. 103 So der Hinweis bei LAG Niedersachsen v. 9.10.2009 – 10 Sa 1692/08. 104 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 5.6.2007, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 13.

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Rz. 42 Kap. 23

che allgemeine Ausgleichsregelung.105 Mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wird allerdings zunehmend vertreten, dass zur Vermeidung von Intransparenz unverzichtbare Ansprüche oder jedenfalls der Anspruch auf gesetzliches Mindestentgelt ausdrücklich ausgenommen werden sollten.106 Insoweit handelt es sich um eine ähnliche Problematik wie bei den Ausschlussfristen. Auf die Ausführungen in Kap. 2 Rz. 92 wird daher verwiesen.107 Die AGB-rechtlichen Unwirksamkeitsgründe für einen Klageverzicht108 gelten entsprechend auch für einen Verzicht des Arbeitnehmers auf Ansprüche im Rahmen einer Ausgleichsklausel. Auch ein solcher Verzicht ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zwar unwirksam, wenn er ohne kompensatorische Gegenleistung vereinbart wird.109 Allerdings stellt der Verzicht des Arbeitgebers auf eigene Ansprüche eine solche Kompensation dar.110 Ebenso wir ein Klageverzicht darf auch die Ausgleichsklausel natürlich nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB sein.111

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Eine reine Ausgleichsquittung, in der der Arbeitnehmer lediglich bestätigt, dass keine Ansprüche gegen den Arbeitgeber mehr bestehen bzw. alle Ansprüche erledigt sind, stellt außerhalb eines (außer)gerichtlichen Vergleichs oder eines Aufhebungsvertrags allenfalls ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis dar.112

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Zur Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln vgl. Kap. 2 Rz. 121 ff.

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g) Steuerrecht aa) §§ 24, 34 EStG Abfindungen113 können nach §§ 24, 34 EStG steuerbegünstigt sein.114

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105 Vgl. etwa BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 137/14, NZA 2015, 1125; v. 19.3.2009, NZA 2009, 897 (zum Ausschluss der Rückzahlung eines Arbeitnehmerdarlehens an den Arbeitgeber); v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318 (Aufhebung eines Wettbewerbsverbots in einer Abwicklungsvereinbarung); v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066, 1073 (zu Aktienoptionen). Bei Unwirksamkeit der allgemeinen Ausgleichsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte das BAG die jeweils angesprochenen Fragen nicht mehr zu prüfen brauchen. Dies spricht dafür, dass die Klauseln auch ohne eine entsprechende Aufzählung nicht gegen das Transparenzverbot verstoßen. 106 Vgl. Lembke, NZA 2016, 1, 9. 107 S. ferner M 23.1a, § 26 m. Anmerkungen. 108 Vgl. Rz. 33 ff. 109 BAG v. 21.6.2011, NJW 2012, 103LAG Niedersachsen v. 9.10.2009 – 10 Sa 1692/08; Kroeschell, NZA 2008, 560, 561 mwN; vgl. auch APS/Rolfs, Kündigungsrecht – AufhebVtr Rz. 57. 110 So wohl BAG v. 21.6.2011, NJW 2012, 103 mit Verweis auf BAG v. 6.9.2007, NZA 2008, in der der Verzicht auf eigene Ersatzansprüche als Beispiel für eine ausreichende Gegenleistung aufgeführt wird. 111 BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193. 112 BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 135/12, NZA 2014, 200 m. Anm. Arnold, ArbR 2014, 131. 113 Anstelle oder als Teil der Abfindung kommt auch eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG in Betracht, die immaterielle Schäden ausgleicht und daher stets steuerfrei ist. Sollen im Rahmen von Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 1 AGG allerdings entgangene oder entgehende Einnahmen ausgeglichen werden, sind diese Zahlungen einkommensteuerpflichtig, ggf. unter Anwendung der §§ 24, 34 EStG, dazu sogleich Rz. 42 ff. Resultiert der auszugleichende Schaden jedoch nicht aus der Erwerbsgrundlage, so wäre auch eine solche Schadensersatzleistung steuerfrei, zB beim Ersatz von Heilbehandlungskosten, Einzelheiten bei Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 2 ff. Aufgrund der steuerstrafrechtlichen Relevanz ist dringend davon abzuraten, Abfindungen als Entschädigungen oder Schadensersatz zu „tarnen“, um so Steuervorteile zu erzielen. Zur Abgrenzung vgl. auch Bauer/Günther, NJW 2007, 113; Cornelius/Lipinski, BB 2007, 496. Zu weiteren Zuwendungen im Aufhebungsvertrag, etwa der Übernahme von Anwaltskosten des Mitarbeiters oder der Vereinbarung einer Outplacementberatung, vgl. Kern/Wege, NZA 2008, 564. 114 Zur ermäßigten Besteuerung von Entlassungsentschädigungen eingehend Geserich, DB 2016, 1953.

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Einvernehmliche Beendigung

(1) Allgemeines 43

Zweck der §§ 24, 34 EStG ist die Abmilderung der Belastung des Steuerpflichtigen zum Ausgleich dafür, dass sich Einkünfte, die sich sonst über mehrere Veranlagungszeiträume (Kalenderjahre) verteilt hätten, auf Grund der Vertragsbeendigung und der Abfindung (Entschädigung) in einem Kalenderjahr „zusammenballen“. Diese „Fünftelungsregelung“ führt des Öfteren auch nur zu geringen Steuervorteilen. Im Einzelfall kann es daher steuerlich günstiger sein, auf die Zusammenballung des Abfindungspakets in einem Kalenderjahr und damit auf das Eingreifen von §§ 24, 34 EStG zu verzichten und stattdessen das Abfindungspaket über mehrere Kalenderjahre zu verteilen. Sofern der Aufhebungsvertrag hierzu aber keine Regelung trifft, darf der Arbeitgeber auch vorfällig zahlen, selbst wenn damit für den Arbeitnehmer steuerliche Nachteile verbunden sind.115

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Die §§ 24, 34 EStG gelten auch bei der Beendigung von Nicht-Arbeitsverhältnissen, also bei freien Mitarbeiterverträgen, Beraterverträgen, Handelsvertreterverträgen etc. (2) Entschädigung

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Voraussetzung für die Anwendung der §§ 24 Nr. 1a,116 34 EStG ist zunächst, dass es sich um eine „Entschädigung“ handelt, die „als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen“ gewährt wird. Eine Entschädigung setzt insoweit voraus, dass an die Stelle der bisher geschuldeten Leistung eine andere tritt. Sie muss deshalb unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt sowie dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen.117

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Nicht erforderlich ist, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis vollständig beendet wird.118 § 24 Nr. 1a EStG setzt lediglich voraus, dass Einnahmen wegfallen und dass dafür Ersatz geleistet wird. Das ist auch der Fall, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages eine Verminderung der Arbeitszeit vereinbaren, die Vollzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers also in eine Teilzeitbeschäftigung überführen, und der Arbeitnehmer dafür abgefunden wird.119 Erforderlich ist aber, dass der Arbeitgeber die zur Entschädigung führende Änderung des Arbeitsverhältnisses veranlasst hat.120 Eine Entschädigung iSd. § 24 Nr. 1a EStG kann zwar auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis selbst mitgewirkt hat. Ist das der Fall, muss der Arbeitnehmer bei Aufgabe seiner Rechte aber unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt haben; er darf die Änderung nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.121 115 BAG v. 23.6.2016 – 8 AZR 757/14, NZA 2016, 1459. 116 Da dies die in der Praxis häufigste Rechtsgrundlage für den Steuervorteil auf Abfindungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, konzentriert sich die Darstellung auf diese Regelung. Basis für die Fünftelungsregelung gem. § 34 EStG kann daneben auch § 24 Nr. 1b EStG sein, wenn die Entschädigungen für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche gewährt werden, Einzelheiten dazu bei Bauer/ Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 31 ff. 117 St. Rspr., vgl. etwa BFH v. 16.9.2015, BFH/NV 2016, 26; v. 10.7.2012 – VIII R 48/09, BStBl. II 2013, 155; v. 25.8.2009 – IX R 3/09, BStBl. II 2010, 1030 mwN. 118 BFH v. 25.8.2009 – IX R 3/09, BStBl. II 2010, 1030; anders noch BFH v. 1.8.2007, BFH/NV 2007, 2104 mwN; v. 13.12.2005, BFH/NV 2006, 1071. 119 BFH v. 25.8.2009 – IX R 3/09, BStBl. II 2010, 1030. 120 BFH v. 20.10.1978, BStBl. II 1979, 176; v. 20.7.1978, BStBl. II 1979, 9; vgl. zum Begriff der Veranlassung auch BFH v. 2.4.2008, BFH/NV 2008, 1325 mwN, wonach bei Zahlung einer Abfindung im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass der Arbeitgeber die Auflösung auch veranlasst hat. 121 BFH v. 16.9.2015, BFH/NV 2016, 26; v. 22.1.2009, BFH/NV 2009, 933; v. 4.9.2002, BStBl. II 2003, 177; vgl. auch H 24.1 EStH 2014 „Entschädigungen iSd. § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG“.

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Rz. 50 Kap. 23

Die Zahlung der Abfindung muss auf einer „neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage“ beruhen.122 Die Abfindung darf sich daher nicht als die bloße – ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte – Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses darstellen.123 Unschädlich für die Anwendung der §§ 24, 34 EStG ist allerdings, wenn die Abfindung schon im Anstellungsvertrag für den Fall vorgesehen wird, dass das Anstellungsverhältnis aus bestimmten Gründen endet.124 Hingegen gilt der Steuervorteil nicht für eine Zahlung, die während eines noch laufenden befristeten Dienstverhältnisses dafür geleistet wird, dass das Dienstverhältnis vertragsgemäß ausläuft und nicht verlängert wird, denn es fehlt bereits an der Abgeltung für entgangene oder entgehende Einnahmen.125

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Es handelt sich auch nur dann um eine Entschädigung iSv. § 24 Nr. 1a EStG, wenn ein Verlust von Einnahmen eintritt, mit denen der Arbeitnehmer rechnen konnte. Sofern die Entschädigung daher bereits erdiente Ansprüche abgilt, zB rückständigen Arbeitslohn, Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltung, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Tantiemen oder freiwillige Leistungen, greift der Steuervorteil nicht.126

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(3) Zusammenballung Das Erfordernis der Zusammenballung steht nicht im Gesetz, sondern ist von der Rechtsprechung aufgestellt worden.127 Der BFH sieht die Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG nur dann als steuerbegünstigte „außerordentliche Einkünfte“ iSd. § 34 Abs. 1 EStG an, wenn sie sich als eine Zusammenballung von Einnahmen darstellen. Eine solche Zusammenballung liegt vor, wenn die Entschädigung die bis zum Ende des Veranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen, die der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bezogen hätte, übersteigt.128 Wird beispielsweise das Arbeitsverhältnis per 30.6. beendet und ist die Abfindung geringer als die Bezüge, die in der Zeit vom 1.7. bis 31.12. angefallen wären, ist für die Anwendung von §§ 24, 34 EStG kein Raum.129

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Dem Steuerpflichtigen entstehen die durch §§ 24, 34 EStG auszugleichenden Nachteile vor allem auf Grund der Steuerprogression. Wird zB ein auf drei Jahre vereinbartes Dienstverhältnis, bei dem die Dienstbezüge mit einem durchschnittlichen Steuersatz von 35 % besteuert worden wären, kurz nach seinem Beginn einvernehmlich beendet, und wird die gesamte restliche Vergütung für die drei Jahre als Einmal-Abfindung ausgezahlt, so kann ein Arbeitneh-

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122 BFH v. 14.4.2015, BFH/NV 2015, 1354; v. 10.7.2012 – VIII R 48/09, BStBl. II 2013, 155; v. 25.8.2009 – IX R 3/09, BStBl. II 2010, 1030; v. 10.7.2008, BFH/NV 2009, 130 mwN. 123 BFH v. 29.8.2012, BFH/NV 2012, 2022; v. 22.1.2009, BFH/NV 2009, 933 mwN; v. 12.4.2000, BFH/ NV 2000, 1195. 124 So BFH v. 16.6.2004, BStBl. II 2004, 1055; v. 10.9.2003 – XI R 9/02, BStBl. II 2004, 349 unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rspr.; vgl. auch Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 37. 125 BFH v. 10.7.2008, BFH/NV 2009, 130; vgl. auch BFH v. 22.4.2008, BFH/NV 2008, 1473; a.A. FG Münster v. 30.6.2015 – 13 K 3126/13 E,F; FG Münster v. 30.6.2015 – 13 K 3125/13 E, F, EFG 2015, 1706. 126 St. Rspr., vgl. etwa BFH v. 24.10.2007, BFH/NV 2008, 361 (Tantieme); BMF-Schreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 3. 127 Vgl. st. Rspr., BFH v. 16.9.2015, BFH/NV 2016, 26; BFH v. 26.1.2010 – IX R 20/10, BStBl. II 2012, 659; v. 25.8.2009 – IX R 11/09, BStBl. II 2011, 27; v. 21.9.1993, BFH/NV 1994, 308; v. 21.11.1980 – VI R 179/78, BStBl. II 1981, 214. 128 BFH v. 25.8.2009 – IX R 11/09, BStBl. II 2011, 27; v. 9.10.2008, BFH/NV 2009, 558; vgl. auch BMFSchreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 10. 129 BFH v. 4.3.1998 – XI R 46/97, BStBl. II 1998, 787; BMF-Schreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/13/ 10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 11 mit zahlreichen Berechnungsbeispielen.

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Einvernehmliche Beendigung

mer in leitender Stellung mit der Abfindung leicht den Spitzensteuersatz erreichen. Ohne §§ 24, 34 EStG stünde er dann steuerlich ungünstiger, als wenn das Anstellungsverhältnis fortgesetzt würde. 51

Folglich werden außerordentliche Einkünfte iSd. § 34 EStG auch nur dann bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.130 Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt daher vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.131

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Wird eine Abfindung in Raten ausgezahlt, liegt danach eine Zusammenballung vor, solange sich diese Raten lediglich auf ein Kalenderjahr verteilen. Nur wenn eine oder mehrere Raten in verschiedenen Kalenderjahren gezahlt werden, sind §§ 24, 34 EStG grundsätzlich unanwendbar.132 Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der steuerpflichtige Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr zunächst nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat (zB nur 8,87 %) und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung (zB die verbleibenden 91,13 %133) als ein Betrag in einem anderen Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird.134 Eine geringfügige Nebenleistung nimmt der BFH an, wenn sie weniger als 10 % der Hauptleistung beträgt135 oder die Nebenleistung niedriger ist als die Steuerentlastung der Hauptleistung.136

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Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, sind für die Frage der Zusammenballung grundsätzlich einheitlich zu beurteilen.137 Werden allerdings aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit zusätzliche Entschädigungsleistungen in späteren Veranlagungszeiträumen gewährt, so ist auch dies für die Beurteilung der Entschädigung als einer zusammengeballten Leistung ausnahmsweise unschädlich, wenn die zusätzlichen Entschädigungsleistungen betragsmäßig nur einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung bilden, diese also bei weitem nicht erreichen.138 Derartige Zusatzleistungen können, sofern sie nur ergänzenden Charakter haben,139 beispielsweise sein die befristete Weiterbenutzung des Dienstwagens,140 die befristete Übernahme von Versicherungsbeiträgen,141 Leistungen, die der Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels die130 BFH v. 25.8.2009 – IX R 11/09, BStBl. II 2011, 27 mwN; vgl. auch BFH v. 24.10.2007, BFH/NV 2008, 376, wonach es für die Beurteilung einer Entschädigung als außerordentlich iSd. § 34 EStG ohne Bedeutung ist, ob die Entschädigung entgehende Einnahmen mehrerer Jahre abdecken soll. 131 St. Rspr., vgl. BFH v. 14.4.2015, BFH/NV 2015, 1354; v. 28.6.2006, BStBl. II 2006, 835. 132 BFH v. 14.4.2015, BFH/NV 2015, 1354; v. 3.7.2002, DB 2002, 868; BMF-Schreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 8. 133 So die Verteilung im Fall des BFH v. 13.10.2015, BFH/NV 2016, 133. 134 BFH v. 13.10.2015, BFH/NV 2016, 133; v. 8.4.2014, BFH/NV 2014, 1514; v. 25.8.2009 – IX R 11/09, BStBl. II 2011, 27. 135 Vgl. BFH v. 13.10.2015, BFH/NV 2016, 133; v. 8.4.2014, BFH/NV 2014, 1514. So nun auch BMF v. 4.3.2016, juris. 136 BFH v. 13.10.2015, BFH/NV 2016, 133. So nun auch BMF v. 4.3.2016, juris. 137 BFH v. 8.4.2014, BFH/NV 2014, 1514; v. 29.5.2008, BFH/NV 2008, 1666 mwN; v. 14.5.2003 – XI R 12/00, BStBl. II 2004, 449. 138 BFH v. 14.4.2015, BFH/NV 2015, 1354; v. 29.5.2008, BFH/NV 2008, 1666; v. 28.6.2006, BStBl. II 2006, 835 mwN. 139 BFH v. 29.5.2008, BFH/NV 2008, 1666; v. 24.1.2002 – XI R 27/01, BStBl. II 2004, 444. 140 BFH v. 3.7.2002, BFH/NV 2003, 448; v. 11.12.2002, BFH/NV 2003, 607; BMF-Schreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 14. 141 BFH v. 11.12.2002, BFH/NV 2003, 607; BMF-Schreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 14.

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Rz. 58 Kap. 23

nen (zB Outplacement-Beratung)142 sowie Zahlungen zur Verwendung für die Altersversorgung.143 Diese Zusatzleistungen sind als solche allerdings nicht nach § 34 Abs. 1 EStG steuerbegünstigt.144 (4) Fünftelungsregel Die „Fünftelungsregelung“ des § 34 EStG bedeutet nicht, dass sich die auf die Abfindung entfallende Steuer auf fünf Kalenderjahre verteilt. Vielmehr wird die gesamte Steuer in dem Jahr fällig, in dem die Abfindung zufließt. Nur wird die Steuer so berechnet, als sei die Abfindung verteilt auf fünf Jahre zugeflossen.145

54

bb) Anrufungsauskunft Bestehen Zweifel an der rechtlichen Behandlung der Abfindung oder des Abfindungspakets, so kann eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG beim Betriebsstättenfinanzamt eingeholt werden. Das Finanzamt ist zur Auskunftserteilung verpflichtet und kommt dieser Verpflichtung auch meist recht kurzfristig nach.

55

Die Anrufungsauskunft des Betriebsstättenfinanzamts ist allerdings für das zuständige Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers nicht bindend. Das Wohnsitzfinanzamt kann also ohne weiteres den Vorgang steuerlich anders beurteilen als das Betriebsstättenfinanzamt. In einem solchen Fall ist nur die Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers nach § 42d EStG ausgeschlossen, während der Arbeitnehmer die höhere Steuer zahlen muss. Will der Arbeitnehmer sich schützen, muss er sein Wohnsitzfinanzamt um eine sog. verbindliche Auskunft bitten, auf die jedoch – anders als bei § 42e EStG – kein Anspruch besteht.146

56

h) Sozialversicherungsrecht aa) Allgemeines Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge sollten auch hinsichtlich ihrer sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen mit großer Sorgfalt gestaltet werden. Denn schlecht konzipierte Aufhebungsverträge können zu unliebsamen und teuren sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen führen. Der Arbeitnehmer möchte natürlich erreichen, dass es nicht zur Verhängung von Sperrzeiten oder zum Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs kommt; das erleichtert wiederum den Vertragsschluss auch für den Arbeitgeber.

57

bb) Keine Beitragspflicht Abfindungen sind grundsätzlich sozialversicherungsfrei. Dies gilt unabhängig davon, ob sie nach §§ 24, 34 EStG steuerbegünstigt sind. Die Beitragsfreiheit beruht darauf, dass nur Ar-

142 BFH v. 24.1.2002 – XI R 2701, BStBl. II 2004, 444; v. 14.8.2001, BStBl. II 2002, 180; BMF-Schreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 14. 143 BFH v. 15.10.2003 – XI R 17/02, BStBl. II 2004, 264; BMF-Schreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/ 13/10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 14. 144 BMF-Schreiben v. 1.11.2013 – IV C 4 - S 2290/13/10002, BStBl. I 2013, 1326, Rz. 14. 145 Vgl. zur Berechnung im Einzelnen mit Beispielen Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 59 sowie H 34.2 EStH 2014 „Berechnungsbeispiele“. 146 BMF-Schreiben v. 29.12.2003, BStBl. I 2003, 742.

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Kap. 23 Rz. 59

Einvernehmliche Beendigung

beitsentgelt beitragspflichtig ist, Abfindungen aber kein Arbeitsentgelt darstellen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie für künftig entgehendes Arbeitsentgelt entschädigen.147 cc) Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit 59

Beim Abschluss von Abwicklungsverträgen kommt es häufig vor, dass die Parteien sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem Termin einigen, zu dem ursprünglich gekündigt wurde. Daran besteht oftmals Interesse bei fristlosen Kündigungen, die im Zuge eines Abwicklungsvertrages in eine ordentliche Kündigung umgewandelt werden, oder bei ordentlichen Kündigungen, bei denen das Anstellungsverhältnis noch für weitere Monate fortdauern soll, etwa um die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen und Lücken im Lebenslauf zu vermeiden. Da solche Abwicklungsvereinbarungen häufig erst geschlossen werden, nachdem der Arbeitgeber die Gehaltszahlungen bereits einige Zeit eingestellt hatte (weil er ja von der Wirksamkeit der Kündigung zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt ausging), hat die Agentur für Arbeit in der Zwischenzeit meistens bereits Arbeitslosengeld gezahlt. Entstehen nun durch den Abwicklungsvertrag wegen der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses Gehaltsansprüche für Zeiten, für die die Agentur für Arbeit bereits Arbeitslosengeld gezahlt hat, kann sie das Arbeitslosengeld grundsätzlich nicht vom Arbeitnehmer zurückfordern. Vielmehr gehen die Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers in entsprechender Höhe auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 158 Abs. 4 SGB III iVm. § 115 Abs. 1 SGB X). Vielfach ist es dann günstiger, statt einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zu zahlen, weil sonst von Gehaltsnachzahlungen wegen des Anspruchsübergangs für den Arbeitnehmer nicht viel übrig bleibt. dd) Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 158 SGB III

60

Wird aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung gezahlt und ist die Zeit zwischen dem Abschluss des Aufhebungsvertrages und dem vorgesehenen Beendigungszeitpunkt kürzer als die vereinbarte ordentliche Kündigungsfrist, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen gewissen Zeitraum, § 158 SGB III: (1) Entschädigungen iSv. § 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III

61

§ 158 Abs. 1 Satz 1 SGB III bezieht sich auf Abfindungen und sonstige „Entlassungsentschädigungen“, egal ob in Geld- oder in Sachbezügen, soweit sie unmittelbar für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden.148 Nicht erfasst sind also sonstige Abfindungen, zB für Versorgungsanwartschaften und Karenzentschädigungen sowie Übergangsgelder. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 158 Abs. 1 Satz 6 SGB III sind ferner solche Abfindungsbestandteile ausgenommen, die unmittelbar in die Rentenversicherung des Arbeitnehmers nach § 187a Abs. 1 SGB VI oder in eine berufsständische Versorgungseinrichtung eingezahlt werden, § 158 Abs. 1 Satz 7 SGB III.149 (2) Maßgebliche Kündigungsfrist

62

Für die Bemessung der maßgeblichen Kündigungsfrist kommt es darauf an, welche Frist in dem konkreten Arbeitsverhältnis gemäß Gesetz, Tarifvertrag oder Einzelvertrag gilt. Werden 147 BSG v. 21.2.1990, NZA 1990, 751; BAG v. 9.11.1988 – 4 AZR 433/88, NZA 1989, 270. 148 Hierzu ausführlich ErfK/Rolfs § 158 SGB III Rz. 3 ff. 149 Zu Gestaltungsmöglichkeiten in Aufhebungsverträgen mit älteren Arbeitnehmern aufgrund dieser Vorschriften (damals noch § 143a SGB III) Schrader, NZA 2003, 593.

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Einvernehmliche Beendigung

Rz. 68 Kap. 23

Aufhebungsverträge rückdatiert, um die Anrechnung nach § 158 SGB III zu vermeiden, erfüllt dies den Tatbestand des Betruges zu Lasten der Arbeitsverwaltung (s. Rz. 13 ff.) Ist dem Abschluss des Auflösungsvertrages eine Kündigung vorangegangen, so ist für § 158 SGB III auf den Tag der Kündigung abzustellen, nicht auf das Datum des Abwicklungsvertrages.

63

Zu beachten ist, dass § 158 Abs. 1 Satz 3 SGB III hinsichtlich der maßgeblichen Kündigungsfrist für besonders geschützte Arbeitnehmergruppen Sonderregelungen enthält. Die Vorschrift unterscheidet vier Fälle: (a) Ist die ordentliche Kündigung zeitlich befristet ausgeschlossen (Mutterschutz, Elternzeit, Betriebsratsmitglieder), so ist dies für die Berechnung nach § 158 SGB III unerheblich. (b) Ist die ordentliche Kündigung auf Dauer ausgeschlossen, was insbesondere bei einer tariflichen Alterssicherung der Fall ist, wird eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten zugrunde gelegt, § 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB III. (c) Liegen bei einem an sich tariflich unkündbaren Arbeitnehmer ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist vor (insbesondere Betriebs- oder Abteilungsschließungen), so gilt für die Berechnung die Kündigungsfrist, die ohne Alterssicherung maßgebend wäre, § 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III. (d) Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Abfindung etc. ordentlich gekündigt werden, so gilt eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr, § 158 Abs. 1 Satz 4 SGB III.

64

Unklar ist, welche (fiktive) Kündigungsfrist bei Arbeitsverhältnissen von schwerbehinderten Menschen aufgrund der notwendigen Einschaltung des Integrationsamtes anzusetzen ist.150

65

(3) Berechnung des Ruhenszeitraums Die Berechnung des konkreten Ruhenszeitraums ist kompliziert. Das Gesetz geht bei der Berechnung von der unwiderleglichen Vermutung aus, dass die bezahlte Abfindung aus zwei Teilen besteht, nämlich zum einen aus einer „echten“ Abfindung als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes, zum zweiten aus einem „unechten“ Abfindungsbestandteil, der für die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gezahlt wird. Das Verhältnis der beiden Anteile wird vom Gesetz unter Berücksichtigung von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit festgelegt. Der anrechnungsfreie „echte“ Abfindungsanteil ist pauschal auf 40 % der Abfindung festgesetzt. Der 40 %-Anteil erhöht sich bei Arbeitnehmern nach Vollendung des 35. Lebensjahres und nach einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren um jeweils 5 % für jede fünf zusätzlichen Lebens- bzw. Betriebszugehörigkeitsjahre, maximal aber auf 75 % der Abfindung, § 158 Abs. 2 Satz 3 SGB III.

66

Gemäß § 157 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nur so lange, wie der Arbeitslose bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gebraucht hätte, um den anrechenbaren Teil der Abfindung (also zwischen 60 % und 25 %) zu verdienen. Das ist aber nur der erste Schritt.

67

Anschließend ist zu prüfen, ob nicht von Gesetzes wegen kürzere Ruhenszeiträume angesetzt werden müssen. So darf der Ruhenszeitraum grundsätzlich nicht länger sein als – ein Jahr, § 158 Abs. 2 Satz 1 SGB III – bis zum Ende der normalen oder fiktiven Kündigungsfrist, § 158 Abs. 1 SGB III

68

150 Vgl. Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. H 82.

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Kap. 23 Rz. 69

Einvernehmliche Beendigung

– bis zum Ablauf einer vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses, § 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III. (4) Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung 69

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht ausnahmsweise dann nicht, wenn der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gemäß § 626 BGB zu kündigen, § 158 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III. Die Regelung beruht auf der Überlegung, dass eine Abfindung nicht dem Ausgleich von während der ordentlichen Kündigungsfrist entgangenen Vergütungsansprüchen dienen kann, wenn diese Kündigungsfrist gar nicht hätte eingehalten werden müssen.151 Allerdings muss dann ggf. vor den Sozialgerichten die arbeitsrechtliche Frage nach der Wirksamkeit einer fiktiven außerordentlichen Kündigung geklärt werden. (5) Folgen des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs

70

Während die Sperrzeit zu einem echten Anspruchsverlust führt (s. Rz. 74), bewirkt die Ruhenszeit nur eine Anspruchshemmung. Während der Ruhensfrist besteht zwar kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs führt aber nicht zu einer Verkürzung des Gesamt-Bezugszeitraums, denn der Arbeitslose wird während des Ruhenszeitraums nicht als arbeitslos behandelt. Der Gesamt-Arbeitslosengeldanspruch wird lediglich um die Ruhensfrist hinausgeschoben, kann also im Anschluss an die Ruhensfrist in vollem Umfang und für die volle Dauer geltend gemacht werden. (6) Ruhen wegen anderweitiger Sozialleistungen

71

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht auch für die Zeit, in der der Arbeitslose anderweitige Sozialleistungen gemäß § 156 Abs. 1 Nr. 1–4 SGB III erhält, § 156 SGB III, oder in der der Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder Urlaubsabgeltung erhält oder zu beanspruchen hat, § 157 Abs. 1 und 2 SGB III. ee) Sperrzeiten nach § 159 SGB III (1) Allgemeines

72

Jeder Aufhebungsvertrag birgt das Risiko, dass eine Sperrzeit ausgelöst wird. Sperrzeiten entstehen, wenn der Arbeitslose schuldhaft seine Arbeitslosigkeit verursacht hat.152 Beim Abschluss von Aufhebungsverträgen droht vor allem die Sperrzeit „wegen Arbeitsaufgabe“ nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III. Die Situation hat sich in den letzten Jahren verschärft. In vielen Agenturen für Arbeit hat sich die Praxis durchgesetzt, beim Vorliegen eines Aufhebungsvertrages ohne weitere Amtsermittlung eine Sperrzeit zu verhängen.

73

Die Verhängung einer Sperrfrist ist keine Ermessensentscheidung der Arbeitsverwaltung. Vielmehr tritt die Sperrfrist bei Vorliegen der Voraussetzungen von Gesetzes wegen ein, der 151 BSG v. 17.2.1981 – 7 RAr 94/79, DB 1981, 1983. 152 Welcher Grad des Verschuldens zugrundezulegen ist, ist offen. So genügt es nach einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 1.8.2012 nicht ohne Weiteres, dass einem als Kraftfahrer beschäftigten Arbeitnehmer wegen einer Verkehrsstraftat die Fahrerlaubnis entzogen wurde; entscheidend ist, ob der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhalten beruht (LSG Baden-Württemberg v. 1.8.2012, ArbuR 2012, 443; andererseits LSG BadenWürttemberg v. 8.6.2011, DAR 2011, 603).

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Einvernehmliche Beendigung

Rz. 77 Kap. 23

Bescheid der Agentur für Arbeit hat also nur feststellenden Charakter. Die Sperrzeit dauert grundsätzlich zwölf Wochen, § 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Würde die zwölfwöchige Sperrzeit für den Arbeitslosen eine besondere Härte bedeuten, wird sie auf sechs Wochen reduziert, § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2b SGB III. Auch insoweit hat die Agentur für Arbeit kein Ermessen; der Begriff der „Härte“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff.153 Bei einer Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses von sechs Wochen verkürzt sich die Sperrzeit auf drei Wochen, bei einer Restlaufzeit von zwölf Wochen auf sechs Wochen, § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2a SGB III. Anders als beim Ruhenszeitraum nach § 158 SGB III führt die Sperrfrist zum endgültigen Verlust des Arbeitslosengeldanspruchs. Die Gesamt-Anspruchsdauer mindert sich also um die Anzahl der Tage der Sperrzeit. Gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III mindert sich ferner die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, die Kürzung beträgt mindestens 1/4 der Anspruchsdauer.

74

(2) Echter Aufhebungsvertrag Als kaum vermeidbar wurde die Sperrzeit längere Zeit angesehen, wenn dem Aufhebungsvertrag154 keine Kündigung vorangegangen war. Alleine die Darlegung, der Arbeitgeber habe eine (ordentliche oder fristlose) Kündigung zum gleichen Beendigungstermin für den Fall in Aussicht gestellt, dass der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen hätte, reicht zur Vermeidung einer Sperrzeit nicht aus.155 Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit soll es dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzumuten sein, statt des Aufhebungsvertrages die arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten.

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Diese Rechtsauffassung gilt jedoch nicht einschränkungslos. Zwar wird der Abschluss des Aufhebungsvertrages als Lösen des Arbeitsverhältnisses iSv. § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 SGB III angesehen, was grundsätzlich eine Sperrzeit zur Folge hat.156 Auch bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann die Sperrzeit jedoch vermieden werden, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses hatte.157 Dies gilt insbesondere:158 – Wenn der Arbeitgeber gegenüber einem nicht unkündbaren Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt hat, die Kündigung zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt oder früher wirksam geworden wäre und eine Abfindung zwischen 0,25 und 0,5 Monatsgehältern vereinbart wird.159

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Bleibt die Abfindung nicht in diesem Rahmen, so entsteht trotzdem keine Sperrzeit,

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153 BSG v. 22.3.1979, BSGE 48, 114. 154 Zum Abwicklungsvertrag vgl. unten Rz. 87. 155 Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, Stand 8/2015, 4/2014, Ziff. 159.11. https://www3.arbeits agentur.de/web/wcm/idc/groups/public/documents/webdatei/mdaw/mdyx/~edisp/l6019022dstbai407 897.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI407900 156 BSG v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359. 157 Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, Stand 8/2015, 6/2014, Ziff. 159.78 ff. 158 Eine Vielzahl weiterer Gründe enthält die Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, Stand 8/2015, 4/2012, Ziff. 159.84 ff. 159 LSG Bayern v. 28.2.2013, BeckRS 2013, 69490; BSG v. 2.5.2012, NZS 2012, 874; Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, Stand 8/2015, 6/2014, Ziff. 159 101 ff.

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Kap. 23 Rz. 78

Einvernehmliche Beendigung

– wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen und der Arbeitnehmer ohne die Vereinbarung objektive Nachteile aus einer arbeitgeberseitigen Kündigung befürchten musste, insbesondere den Wegfall von Vergünstigungen.160 – wenn der Arbeitnehmer auch bei Eigenkündigung einen wichtigen Grund zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes hätte, so dass bei Ausspruch einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers keine Sperrzeit eingetreten wäre. Das gilt beispielsweise bei Gründen im persönlichen Bereich (Zuzug zum Ehepartner, Herstellung einer Erziehungsgemeinschaft161 etc.). – wenn es sich um einen leitenden Angestellten iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG handelt, dem der Arbeitgeber jederzeit fristgerecht kündigen oder eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne nähere Begründung durchsetzen könnte (§ 9 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG).162 – wenn die Abwicklungsvereinbarung bei einem Prozessvergleich im späteren Kündigungsschutzverfahren geschlossen wird.163 Das gilt nicht, wenn ein Umgehungsgeschäft vorliegt.164 – wenn der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber Altersteilzeit im Blockmodell unter Umwandlung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in ein befristetes vereinbart und bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nach dem Ende der Altersteilzeit Altersrente zu beziehen und dabei prognostisch von einem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsleben nach der Freistellungsphase objektiv auszugehen ist.165 – wenn der Arbeitnehmer auf einer Namensliste zum Interessenausgleich aufgeführt ist, sodass gemäß § 1 Abs. 5 KSchG vermutet wird, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.166 78

Auch eine Kündigung wegen Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen einen Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 6 BGB löst keine Sperrzeit aus,167 denn der Widerspruch ist gerade darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber zu erhalten und gibt damit als solcher keinen ausreichenden Anlass für eine etwaige Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. ff) Anrechnung von Abfindungen auf Arbeitslosengeld

79

Es existiert – entgegen einer vielfach anzutreffenden Meinung – keine Regelung, wonach Abfindungen grundsätzlich auf das Arbeitslosengeld anzurechnen wären.

80

Die Zahlung von Abfindungen wirkt sich also auf die Höhe des Arbeitslosengeldes grundsätzlich nicht aus, wohl aber gemäß § 158 SGB III auf den Gewährungszeitraum, sofern die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird (dazu Rz. 60 ff.). Auch führt eine Abfindung in § 1a Abs. 2 KSchG nicht übersteigender Höhe nicht zu einer Sperrzeit.168 160 BSG v. 2.5.2012, NZS 2012, 874; Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, Stand 6/2014, Ziff. 159 101, 102 iVm. 104, 105; vgl. schon BSG v. 8.7.2009 – B 11 AL 17/08, BB 2010, 443, 444; v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359; hierzu auch Panzer, NJW 2010, 11, 15; Lembke, BB 2009, 2594, 2596 f. 161 BSG v. 17.10.2007, SozR 4–4300 § 144 Nr. 16; Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, Stand 8/2015, 4/2012, Ziff. 159.94–95. 162 BSG v. 17.11.2005, BSGE 95, 232. 163 BSG v. 17.10.2007, NZA-RR 2008, 383, 385 f.; v. 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661, 663. 164 BSG v. 17.10.2007, NZA-RR 2008, 383, 386, Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, Stand 8/2015, 6/ 2014, Ziff. 159.100b. 165 BSG v. 21.7.2009 – B 7 AL 47/07 R, NZA 2010, 83. 166 BSG v. 25.4.2002, NZA-RR 2003, 105. 167 BSG v. 8.7.2009 – B 11 AL 17/08, BB 2010, 443, 444; Klumpp, NZA 2009, 354, 356, jeweils mwN. 168 BSG v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359; vgl. oben Rz. 76 ff.

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Einvernehmliche Beendigung

Rz. 85 Kap. 23

gg) Kürzung bei nicht rechtzeitiger Meldung Meldet sich der Arbeitnehmer entgegen § 38 Abs. 1 SGB III nicht spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses oder – bei kürzerer Restlaufzeit – innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend, so entsteht eine Sperrzeit von einer Woche, § 159 Abs. 6 SGB III. Der Arbeitnehmer kann seinen Schaden nicht auf den Arbeitgeber abwälzen, auch wenn dieser ihn nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III auf seine Verpflichtung hingewiesen hat, sich rechtzeitig arbeitsuchend zu melden.169

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hh) Erstattung von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose nach § 147a SGB III aF Gemäß § 147a SGB III war der Arbeitgeber insbesondere dann zur Erstattung von Arbeitslosengeld verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Vollendung des 55. Lebensjahres beendet werden sollte, der Mitarbeiter länger als zehn Jahre beschäftigt war und das Unternehmen mehr als 20 Mitarbeiter hatte.

82

Der Arbeitgeber war in diesen Fällen verpflichtet, der Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld nebst darauf entfallenen Sozialversicherungsbeiträgen für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer für 32 Monate zu erstatten. Die Erstattungspflicht betraf allerdings gemäß § 434l Abs. 4 iVm. Abs. 1 SGB III aF nur Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.1.2006 entstanden war. Für derzeit ausscheidende Arbeitnehmer gilt die Regelung daher nicht mehr. 170

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ii) Vorzeitige Altersrente Vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages sollte man sich Klarheit über die Rentensituation des Arbeitnehmers verschaffen. Auf die diesbezüglichen Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden.171

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jj) Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses durch einvernehmliche unwiderrufliche Freistellung? Die Sozialversicherungspflicht besteht auch bei unwiderruflicher Freistellung bis zum Ende der arbeitsvertraglichen Beziehungen fort. Sie endet somit nicht bereits mit dem Beginn der Freistellungsphase.172 Offen ist jedoch, ob es im Hinblick auf einen Wegfall der Sozialversicherungspflicht eine zeitliche Grenze der Freistellung gibt.173 Nach dem Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 13./14.10.2009174 kann jedenfalls bei einem Verzicht auf die Arbeitsleistung von mehr als zehn Jahren eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht mehr angenommen werden. Gemäß Ordnungsziffer 150.1.2 der

169 BAG v. 29.9.2005, BB 2006, 48; im Einzelnen Rz. 7 sowie Kap. 22 Rz. 183. 170 Zur früheren Rechtslage verweisen wir auf die 2. Aufl. des Anwalt-Formularbuch Arbeitsrecht, S. 599. 171 Vgl. die Darstellung bei Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. H 142 ff., ferner oben Kap. 7 Rz. 1 ff. 172 BSG v. 24.9.2008, NZA-RR 2009, 272 (dies gilt erst recht für eine widerrufliche oder einseitige Freistellung); v. 24.9.2008, NZA-RR 2009, 269, 271 („Altersteilzeit Null“); vgl. das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 30./31.3.2009, www.aok-business.de. 173 So Kock/Fandel, DB 2009, 2321, 2322. 174 Vgl. www.aok-business.de

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Kap. 23 Rz. 86

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Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 150 Abs. 1 SGB III175 sollen bei dem Bemessungszeitraum für das Arbeitslosengeld jedoch Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung außer Betracht bleiben. Dies steht uE im Widerspruch zu § 150 Abs. 1 SGB III und zur vorgenannten Rechtsprechung des BSG,176 wonach das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis auch bei unwiderruflicher Freistellung fortbesteht. Solche Bescheide sollten daher genau geprüft und ggf. Widerspruch eingelegt werden. 2. Abwicklungsvertrag 86

Beim Abwicklungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis nicht durch den Vertrag, sondern durch die vorangegangene Kündigung beendet. Die Parteien regeln dann einvernehmlich lediglich die Modalitäten der Beendigung.177 Bei der Vermeidung von Sperrzeiten, § 159 SGB III, kann der Abwicklungsvertrag vorteilhaft sein. a) Sperrzeiten nach § 159 SGB III

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Eine Sperrzeit wird ausgelöst, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft seine Arbeitslosigkeit verursacht. Das ist bei Aufhebungsverträgen zwar typischerweise der Fall, jedoch gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmen (s. Rz. 76 ff.). Das BSG hatte mit Urteil vom 9.11.1995178 die Auffassung vertreten, nur die Hinnahme einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung könne zu einer Sperrfrist führen. Daraus schloss man, dass ein Abwicklungsvertrag auf Grund einer Kündigung, welche vielleicht rechtswidrig, aber nicht offensichtlich rechtswidrig war, zulässig sei und sah darin einen Vorteil des Abwicklungsvertrages gegenüber dem Aufhebungsvertrag.179 Das BSG hat den Unterschied zwischen Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag jedoch später nivelliert mit der Begründung, beim Abwicklungsvertrag liege regelmäßig eine Vorfeldabsprache zwischen den Arbeitsvertragsparteien über den Ausspruch der Kündigung und den späteren Abwicklungsvertrag vor. Dabei wird jedoch nicht beachtet, dass eine solche – angebliche – mündliche „Vorfeldabsprache“ wegen § 623 BGB keinerlei Rechtswirkung entfaltet.180 Ein Aufhebungsvertrag soll jedenfalls dann keine Sperrzeit auslösen, wenn andernfalls eine wirksame Kündigung gedroht hätte (vgl. Rz. 76).181 Rechtstechnisch ist die unterschiedliche Bezeichnung der Verträge allerdings nach wie vor sinnvoll zur Unterscheidung, ob eine Kündigung zuvor ausgesprochen wurde oder nicht, ferner für die Rückabwicklung (Rz. 88) und zur Bezeichnung der typischen Auflösungsvereinbarungen nach Ausspruch der Kündigung vor den Arbeitsgerichten. b) Rückabwicklung

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Bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag für eine nachträgliche Rückabwicklung. Wird ein Aufhebungsvertrag durch Widerruf, Rücktritt, Anfechtung oder im Rahmen der AGB-Kontrolle182 beseitigt, besteht das Arbeitsverhältnis fort (s. Rz. 23). Anders ist es dagegen, wenn ein Abwicklungsvertrag nachträglich beseitigt 175 176 177 178 179 180 181

Stand 7/2016. BSG v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07, NZA-RR 2009, 272. Im Übrigen gilt auch für Abwicklungsverträge das oben, Rz. 1–56, Gesagte entsprechend. BSG v. 9.11.1995 – 11 RAr 27/95, BB 1996, 1510. Zum damaligen Stand Bauer/Hümmerich, NZA 2003, 1076 gegen Geiger, NZA 2003, 838. Vgl. nur BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, NZA 2006, 48. BSG v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359; best. durch BSG v. 8.7.2009 – B 11 AL 17/08, BB 2010, 443, 444 und v. 2.5.2012, NZS 2012, 874. 182 BAG v. 12.3.2015 – 6 AZR 82/14, NZA 2015, 676.

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wird. Die Kündigung bleibt davon grundsätzlich unberührt. Wurde keine Kündigungsschutzklage erhoben oder diese – ggf. auf Grund des Abwicklungsvertrages – wieder zurückgenommen, dürfte für eine (neue) Kündigungsschutzklage regelmäßig die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG abgelaufen sein.183 Damit besteht das Risiko, dass der Arbeitnehmer, nachdem er den Aufhebungsvertrag wirksam beseitigt hat, letztlich mit leeren Händen dasteht. 183 Dazu insbesondere Meyer, BB 2016, 1589, 1593 f.; auch der Einwand fehlender Betriebsratsanhörung (BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, NZA 2006, 48) könnte dann nicht mehr erhoben werden, § 4 Satz 1 KSchG.

II. Muster M 23.1a Aufhebungsvertrag Zwischen der Firma … (im Folgenden: Arbeitgeber) und Herrn/Frau … wird Folgendes vereinbart1:

§ 1 Beendigung2 Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des …3 auf Veranlassung des Arbeitgebers4 einvernehmlich enden wird/geendet hat.

§ 2 Abfindung5 Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt der Arbeitgeber Herrn/Frau … eine am … fällige,6 aber schon jetzt entstandene und damit vererbliche7 Abfindung8 iSd. §§ 9, 10 KSchG, §§ 24, 34 EStG von Euro … 1 Muster in Anlehnung an Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. L 26 ff. 2 Auch beim Abschluss von Aufhebungsverträgen ist zwar grundsätzlich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Keine Anwendung findet der Gleichbehandlungsgrundsatz allerdings, wenn die Besserstellung einzelner Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen erfolgt. In einem solchen Fall fehlt der notwendige kollektive Bezug. Nicht anwendbar ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz daher, wenn ein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen über die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses trifft, da die Vertragsfreiheit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vorgeht (vgl. zum Ganzen BAG v. 17.12.2009 – 6 AZR 242/09, NZA 2010, 273). 3 Eine Mindestfrist zwischen Abschluss des Aufhebungsvertrages und Beendigungszeitpunkt ist nicht einzuhalten. Eine Unterschreitung der ordentlichen Kündigungsfrist kann allerdings zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gem. § 158 SGB III führen (vgl. Rz. 60 ff.). 4 Die hier vorgeschlagene Formulierung ist aus steuerlichen Gründen wegen §§ 24, 34 EStG nützlich, da auch für § 24 Nr. 1a EStG in der Regel verlangt wird, dass die Beendigung von dem Arbeitgeber veranlasst wurde und daher für den Arbeitnehmer unfreiwillig erfolgte, vgl. Rz. 45 sowie Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. G 35. Die Finanzverwaltung wird durch diese Klausel aber nicht gebunden. Ein Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss nicht angegeben werden. 5 Ein Arbeitgeber verletzt weder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch verstößt er gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, wenn er die Zahlung einer freiwilligen Abfindung davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht gerichtlich vorgeht (BAG v. 15.2.2005 – 9 AZR 116/04, BB 2006, 1391). Das BAG hat ferner eine Altersdiskriminierung verneint, wenn ein Arbeitgeber die über 55-jährigen Arbeitnehmer aus dem Personenkreis ausnimmt, denen er im Rah-

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evtl. Auf diese Abfindung wird die Abfindung aus dem zwischen der Gesellschaft und dem Betriebsrat des Betriebs … am … abgeschlossenen Sozialplan angerechnet. oder Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit verbundenen Aufgabe des sozialen Besitzstandes zahlt der Arbeitgeber Herrn/Frau … eine einmalige, schon jetzt entstandene und damit vererbliche Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG, 24, 34 EStG in Höhe von Euro … brutto, zahlbar am Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, jedoch nicht vor vollständiger Erfüllung der Rückgabepflichten von Herrn/Frau … gemäß §§ 6 und 15. oder Der Arbeitgeber zahlt Herrn/Frau … für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von Euro … Die Abfindung reduziert sich für den Fall, dass Herr/Frau … innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeits- oder Dienstverhältnis eingeht, und zwar für jeden vollen Monat der neuen Beschäftigung um Euro … . Herr/Frau … ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Eingehung des neuen Arbeits- oder Dienstverhältnisses innerhalb einer Woche nach Aufnahme der Tätigkeit mitzuteilen. Herr/Frau … ist verpflichtet, eventuell überzahlte Beträge an den Arbeitgeber zurückzuzahlen. und/oder Der Anspruch auf die Abfindung fällt weg, wenn der Arbeitgeber bis zu dem nach § 1 vorgesehenen rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses wirksam gemäß § 626 BGB kündigt.9

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men einer Personalabbaumaßnahme den Abschluss von Aufhebungsverträgen gegen Abfindungen anbietet. Es fehlt bereits an einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Den älteren Arbeitnehmern bleibt ihr Arbeitsplatz erhalten. Sie werden deshalb nicht weniger günstig als die jüngeren Arbeitnehmer behandelt, die ihren Arbeitsplatz – wenn auch unter Zahlung einer Abfindung – verlieren (BAG v. 25.2.2010 – 6 AZR 911/08, NZA 2010, 561). Wird die Fälligkeit nicht geregelt, ist die Abfindung erst zum vertraglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt fällig (BAG v. 15.7.2004 – 2 AZR 630/03, DB 2004, 2430; v. 9.12.1987 – 4 AZR 561/87, NZA 1988, 329). Es kann auch Ratenzahlung vereinbart werden. Zu beachten ist dann das Insolvenzrisiko, vgl. § 25 des Musters, bestehen steuerliche Risiken (Rz. 52). Will der Arbeitnehmer zB. aus steuerlichen Gründen, dass die Abfindung nicht vor einem bestimmten Termin – meist dem Jahreswechsel – gezahlt wird, so muss das ausdrücklich aufgenommen werden, etwa durch den Zusatz: „der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, vor Fälligkeit zu zahlen“. Ansonsten darf der Arbeitgeber auch vorfällig zahlen und haftet dann auch nicht für etwaige daraus entstehende Steuerschäden (BAG v. 23.6.2016 – 2 AZR 757/14, NZA 2016, 1459). Wichtig: Abfindungen, die beim Ableben des Arbeitnehmers bereits entstanden waren, sind vererblich. Ob sie bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen, ist eine Frage der Auslegung. Soll die Abfindung in erster Linie eine Gegenleistung für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein, so ist sie nicht davon abhängig, dass der Arbeitnehmer den Beendigungszeitpunkt erlebt (BAG v. 22.5.2003, DB 2004, 2816; v. 25.6.1987 – 2 AZR 504/86, NZA 1988, 466). Dient die Abfindung allerdings in erster Linie dazu, künftige Einkommenseinbußen zu mildern, so entsteht der Anspruch regelmäßig nur, wenn der Arbeitnehmer das vertraglich vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses erlebt (BAG v. 16.5.2000, NZA 2000, 1236; v. 26.8.1997 – 9 AZR 227/96, NZA 1998, 643). Daher sind auch Sozialplanansprüche regelmäßig vor dem Ausscheidenszeitpunkt nicht vererblich (BAG v. 27.6.2006 – 1 AZR 322/05, NZA 2006, 1238). Dasselbe gilt für Abfindungen nach § 1a KSchG (BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 45/06, NZA 2007, 1043). Um Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte der Arbeitnehmer daher anstreben, wie im Muster die sofortige Vererblichkeit zu vereinbaren. Diese kann an die Existenz bestimmter erbberechtigter Angehöriger gebunden werden. Die Höhe der Abfindung ist reine Verhandlungssache. Eingebürgert hat sich die Formel „halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“, ohne dass es dafür zwingende Gründe gibt. Zu der Abfindung können auch Sachbezüge wie Dienstwagen, Werkswohnung etc. gehören (s. unten §§ 6, 8). Für diese gelten auch die allgemeinen steuerlichen Regelungen, so dass sie zu versteuern sind. Der Vertrag steht damit unter der auflösenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt fortbesteht. Endet es vorher durch eine außerordentliche Kündigung, wird der Aufhebungsvertrag gegenstandslos (BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 292/96, NZA 1997, 813).

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§ 3 Freistellung Herr/Frau … wird mit sofortiger Wirkung/wird ab …/bleibt unwiderruflich10 freigestellt unter Fortzahlung der vertragsmäßigen Bezüge/der Fixbezüge bis zu dem in § 1 genannten rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses. Er/Sie ist bis zu dem in § 1 genannten Zeitpunkt in der Verwertung seiner/ihrer Arbeitskraft frei, wobei ihm/ihr jede Beteiligung und/oder Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen untersagt ist.11 Während der Zeit der Freistellung findet § 615 Satz 2 BGB Anwendung/keine Anwendung.12 Durch die Freistellung sind sämtliche Urlaubsansprüche und Ansprüche auf Freizeitausgleich abgegolten. oder13 Herr/Frau … wird ab dem … bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses unter Fortzahlung der Vergütung14 und unter Anrechnung auf etwaige Ansprüche auf Freizeitausgleich15 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Herr/Frau … nimmt seinen/ihren Urlaub in der Zeit vom … bis zum …16 Der Arbeitgeber behält sich vor, die Freistellung zu widerrufen und den Arbeitnehmer außerhalb des Urlaubszeitraums zu beschäftigen.17 oder18 Herr/Frau … wird mit sofortiger Wirkung/wird ab …/bleibt freigestellt bis zu dem in § 1 genannten rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses, und zwar unter Fortzahlung der ver10 Auch bei der unwiderruflichen Freistellung endet das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis erst mit dem Ende der arbeitsvertraglichen Beziehungen, dh. zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt (BSG v. 24.9.2008, NZA-RR 2009, 272; dies gilt erst recht für eine widerrufliche oder einseitige Freistellung). Bei dem Bemessungszeitraum für das Arbeitslosengeld wird das von der BA zT. anders gesehen, zu Einzelheiten s. Rz. 85. 11 Ist die Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes vereinbart, kann der Arbeitnehmer jedenfalls bei einer unwiderruflichen Freistellung gem. § 157 BGB in der Regel davon ausgehen, in der Verwertung seiner Arbeitsleistung frei und nicht mehr an vertragliche Wettbewerbsverbote (§ 60 HGB) gebunden zu sein (BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, DB 2006, 2583, Rz. 22). Soll hingegen anderweitiger Verdienst abweichend von § 615 Satz 2 BGB nicht angerechnet werden, so ist der Arbeitnehmer im Zweifel auch nicht vom Wettbewerbsverbot befreit (BAG v. 6.9.2006, DB 2006, 2583, Rz. 23). Eine ausdrückliche Regelung ist daher sowohl hinsichtlich der Anrechnung anderweitiger Vergütung (dazu Fn. 12), also auch hinsichtlich eines etwaigen Fortbestandes des Wettbewerbsverbotes ratsam. 12 Nach § 615 Satz 2 BGB muss der Arbeitnehmer sich anderweitigen Erwerb auf seinen Vergütungsanspruch aus § 615 Satz 1 BGB während des Annahmeverzugs anrechnen lassen. Bei einer einvernehmlichen Freistellung liegt aber kein Annahmeverzug vor (BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, NZA 2013, 207). Soll daher bei einvernehmlicher Freistellung anderweitige Vergütung angerechnet werden, muss das ausdrücklich vereinbart sein. Wird es ausdrücklich vereinbart, gilt im Zweifel das Wettbewerbsverbot nicht mehr. Soll es trotz Anrechnung weitergelten, muss auch das, wie im Muster, ausdrücklich vereinbart werden, vgl. BAG aaO. 13 Die beiden nachfolgenden Alternativen regeln den Fall, dass eine Differenzierung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Freistellung gewünscht wird. 14 Mit der Vereinbarung einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung wird regelmäßig kein Rechtsgrund für eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers geschaffen, die über die gesetzlich geregelten Fälle der Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit hinaus geht (BAG v. 29.9.2004, DB 2005, 166; v. 23.1.2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595). 15 Ergibt sich aus einem Arbeitszeitkonto ein Freizeitausgleichsanspruch des Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber diesen – anders als Urlaubsansprüche – auch durch eine widerrufliche Freistellung erfüllen (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211). 16 Die genaue Angabe des Urlaubszeitraums ist bei der widerruflichen Freistellung erforderlich, da die widerrufliche Freistellung als solche den Urlaubsanspruch nicht erfüllt (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/ 08, NZA 2009, 1211 mwN). Die erklärte Arbeitsbefreiung muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Urlaub gewährt wird (vgl. BAG v. 20.1.2009, ArbRB 2009, 98). 17 Formulierung nach Bauer/Krieger, DB 2005, 2242, 2244. 18 S. Fn. 13.

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tragsmäßigen Bezüge.19 Die Freistellung erfolgt zunächst unwiderruflich20 unter Anrechnung sämtlicher Urlaubsansprüche21 und Ansprüche auf Zeitguthaben.22 Im Anschluss an die damit verbundene Gewährung des Urlaubs und den Verbrauch etwaiger Zeitguthaben ist die Freistellung widerruflich; nur für diese Zeit behält der Arbeitgeber sich vor, Herrn/Frau … während der Restlaufzeit des Vertrages teilweise oder ganz an den Arbeitsplatz zurückzurufen.23 Während der widerruflichen24 und der unwiderruflichen Freistellung ist anderweitiger Verdienst gemäß § 615 Satz 2 BGB anzurechnen. Während der Freistellung ist Herr/Frau … weiter befugt, sämtliche Büroeinrichtungen einschließlich des in seiner/ihrer Wohnung installierten Diensttelefons auf Kosten des Arbeitgebers für Bewerbungsaktivitäten zu nutzen.25 oder/und Herr/Frau … ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis abweichend von § 1 mit einer Ankündigungsfrist von … zum Monatsende vorzeitig zu beenden.26 In diesem Fall zahlt der Arbeitgeber die dadurch frei werdenden monatlichen Bezüge in vollem Umfang/in Höhe von … % ohne Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (Arbeitnehmerbrutto) zusätzlich als Abfindung nach § 2 mit der Maßgabe, dass die Gesamtabfindung im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird. Eine vorzeitige Beendigung ist im Interesse und entspricht dem Wunsch des Arbeitgebers.27 19 Es ist unklar, ob der Arbeitgeber durch die Freistellung in Annahmeverzug gerät. Einzelheiten s. Fn. 12. Abweichende Regelungen, also etwa eine Beschränkung der Zahlung auf das Grundgehalt, sind im Aufhebungsvertrag aber möglich. Im übrigen ist bei einer unwiderruflichen Freistellung derzeit Vorsicht geboten: Gem. Ordnungsziffer 150.1.2 der Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 150 Abs. 1 SGB III bleiben bei dem Bemessungszeitraum für das Arbeitslosengeld „Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung … außer Betracht“. Dies steht uE im Widerspruch zu § 150 Abs. 1 SGB III und zur Rechtsprechung des BSG v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07, NZA-RR 2009, 272, wonach das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis auch bei unwiderruflicher Freistellung fortbesteht. Gegen solche Bescheide sollte daher Widerspruch eingelegt werden. 20 Die Anrechnung von Urlaubsansprüchen ohne konkrete Angaben zum Urlaubszeitraum ist nur bei unwiderruflicher Freistellung zulässig (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211; v. 14.3.2006, EzA § 7 BUrlG Nr. 117 mwN). Daher sieht die Klausel zunächst eine unwiderrufliche und erst nach vollständig erfolgter Anrechnung eine widerrufliche Freistellung vor. Will man diese Zweiteilung vermeiden, muss der Arbeitnehmer unwiderruflich freigestellt werden, vgl. hierzu § 3 Alt. 3 und 4. 21 Die bloße Freistellung ist keine stillschweigende Urlaubsgewährung (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211, 1212; v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, DB 2006, 2583, Rz. 19; v. 28.2.1991 – 8 AZR 196/90, NZA 1991, 944). Die Anrechnungsklausel darf daher nicht fehlen. Die Freistellung „unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am … von der Arbeitsleistung“ ist eine unwiderrufliche Freistellung, die Anrechnung der Urlaubsansprüche daher wirksam. Die zusätzliche Angabe eines konkreten Urlaubszeitraums ist bei der unwiderruflichen Freistellung nicht notwendig (BAG v. 16.7.2013, BeckRP 2013, 72234 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2013, 520). Bei einer widerruflichen Freistellung hingegen könnten auf diese Weise die Urlaubsansprüche nicht wirksam angerechnet werden (BAG v. 19.5.2009, NZA 2009, 1211; v. 14.3.2006, NZA 2006, 1008 sowie Fn. 16). 22 Ergibt sich aus einem Arbeitszeitkonto ein Freizeitausgleichsanspruch des Arbeitnehmers, kann der Arbeitgeber diesen – anders als bei Urlaubsansprüchen – auch durch eine widerrufliche Freistellung erfüllen (BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009, 1211). Die bloße Freistellung ist keine stillschweigende Urlaubsgewährung (BAG v. 28.2.1991 – 8 AZR 196/90, NZA 1991, 944; v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/ 05, DB 2006, 2583, Rz. 19). Die Anrechnungsklausel darf daher nicht fehlen. Wir halten es für sicherer, sie an die unwiderrufliche Freistellung zu knüpfen. 23 Die vereinbarte Freistellung ist, soweit nichts anderes vereinbart ist, nicht widerruflich. Die Widerruflichkeit muss daher ausdrücklich aufgenommen werden. 24 Zur Notwendigkeit der Regelung s. Fn. 12. Auf Urlaubsansprüche wäre anderweitiger Verdienst jedoch nicht anzurechnen (BAG v. 19.3.2002 – 9 AZR 16/01, BB 2002, 1703). 25 Dieser Satz findet sich eher in Auflösungsverträgen mit Führungskräften. 26 Diese Beendigung ist eine Kündigung und bedarf daher der gesetzlichen Schriftform, § 623 BGB, Telefax reicht nicht aus, BAG v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361. 27 Mit dieser Formulierung soll erreicht werden, dass §§ 24, 34 EStG auf die restliche Abfindung anwendbar bleibt. Es kommt darauf an, dass auch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses „auf Veranlassung des Arbeitgebers“ erfolgt (vgl. hierzu Rz. 46 mwN).

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§ 4 Gewinnbeteiligung Herr/Frau … hat für das laufende Geschäftsjahr/das Kalenderjahr … Anspruch auf Gewinnbeteiligung in Höhe von … % des Jahresgewinns. Diese Gewinnbeteiligung wird trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des … für das ganze Jahr gezahlt.28 Die Auszahlung erfolgt drei Monate nach Feststellung der Handelsbilanz.29 oder Herr/Frau … hat für das laufende Geschäftsjahr/Kalenderjahr … Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung in Höhe von … % des Jahresgewinns. Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am … wird die Gewinnbeteiligung zu …/12 gezahlt. Die Auszahlung erfolgt drei Monate nach Feststellung der Handelsbilanz. oder Herr/Frau … hat an und für sich Anspruch auf eine vertragliche Gewinnbeteiligung. Diese wird pauschal mit Euro … abgegolten.

§ 5 Gratifikation Herr/Frau … erhält am … für das Jahr … die vertraglich zugesagte Gratifikation trotz des Ausscheidens am … ungekürzt. oder Die vertraglich zugesagte Gratifikation erhält Herr/Frau … in diesem Jahr mit Rücksicht auf die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht. oder Herr/Frau … erhält die vertraglich zugesagte Gratifikation am … zu …/12.

§ 6 Dienstwagen Herr/Frau … ist verpflichtet, den Dienstwagen nebst sämtlichen Fahrzeugpapieren, Schlüsseln, allem Zubehör sowie der Tankkarte sofort an den Arbeitgeber zurückzugeben.30 evtl. Als Entschädigung enthält er/sie eine Pauschale von Euro … oder Herr/Frau … kann den Dienstwagen auch während der Zeit der Freistellung privat nutzen. Er/Sie ist verpflichtet, den Wagen nebst … am … an den Arbeitgeber zurückzugeben. oder Herr/Frau … übernimmt den Dienstwagen am … käuflich zum Buchwert.31 Der Preis beträgt somit Euro … (inkl. etwaiger Mehrwertsteuer). Das Fahrzeug nebst … wird am … unter Aushändigung der Fahrzeugpapiere Herrn/Frau … übergeben. Der Kaufpreis wird mit dem Nettobetrag der Abfindung nach § 2 verrechnet. Ggf. anfallende Steuern trägt Herr/Frau … 28 Wird keine Regelung getroffen, mindert sich der Anspruch pro rata, dh. entsprechend der Dauer der Beschäftigung in dem betreffenden Jahr (so die Alternativklausel). 29 Der Anspruch auf die Tantieme wird erst mit Feststellung der Bilanz fällig (LAG BW v. 31.3.1969, DB 1969, 1923; LAG Berlin v. 7.10.1975, DB 1976, 636). Maßgebend ist die Handelsbilanz. Die Höhe der Tantieme kann daher durch Gewinne oder Verluste beeinflusst werden, die erst nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eintreten. 30 Vgl. im Einzelnen Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 250 ff.; auch eine AGB-Kontrolle führt uE nicht zur Unwirksamkeit der Klausel, schon weil es sich bei der Rückgabe des Dienstwagens um einen Teil der Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung handelt, dementsprechend findet eine vorzeitige Rückgabe des Dienstwagens regelmäßig Niederschlag in der Abfindungshöhe oder anderen Kompensationen im Rahmen des Aufhebungsvertrages. 31 Der Verkauf zu einem niedrigeren als dem Marktpreis stellt einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil darstellt.

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oder Der Dienstwagen nebst … wird Herrn/Frau … kostenlos32 mit Wirkung zum … übereignet. Dadurch anfallende Steuern trägt Herr/Frau … oder Die Parteien sind sich einig, dass Herr/Frau … vorbehaltlich der Zustimmung der … anstelle des Arbeitgebers zum rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses in den Leasingvertrag vom … mit der … über den Dienstwagen (Typ … amtliches Kennzeichen …) auf seine/ihre Kosten eintritt. Der Arbeitgeber wird alle für die Vertragsübernahme notwendigen Erklärungen gegenüber der … abgeben. Erteilt die … ihre Zustimmung nicht bis zum …, so wird Herr/Frau … den Dienstwagen nebst … spätestens zum rechtlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses in ordnungsgemäßem Zustand an die Gesellschaft zurückzugeben.

§ 7 Urlaub33 Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr/Frau … den ihm/ihr für das Jahr … noch zustehenden Urlaub von … Werk-/Arbeitstagen vom … bis … nehmen wird.34 oder Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte Herr/Frau … den ihm/ihr für das Jahr … zustehenden Urlaub von … Werk-/Arbeitstagen nicht nehmen. Der Arbeitgeber zahlt deshalb eine Urlaubsabgeltung von Euro …, fällig am …

§ 8 Werkswohnung Herr/Frau … verpflichtet sich, die Werkswohnung in der … straße Nr. … in … bis spätestens … zu räumen.35 oder Die bisher benutzte Werkswohnung in der … straße Nr. … in … wird an Herrn/Frau … ab … zu folgenden Bedingungen weitervermietet: … oder Herr/Frau … ist berechtigt, im Firmenhaus in der … straße Nr. … in … bis zum … zu den bisherigen Konditionen weiter zu wohnen. Der Arbeitgeber hat etwaige anfallende Steuern bis dahin zu übernehmen/nicht zu übernehmen. Herr/Frau … ist verpflichtet/nicht verpflichtet, das Haus zu renovieren.

§ 9 Darlehen36 Herr/Frau … hat von dem Arbeitgeber am … ein Darlehen iHv. Euro … erhalten. Hierauf sind bis heute Euro … zurückbezahlt. Herr/Frau … zahlt den Restbetrag nebst vereinbarten Zinsen in mo32 Auch hier liegt ein geldwerter Vorteil vor. 33 Die Regelungen sind vorgesehen für den Fall, dass nicht schon im Rahmen der Freistellung (§ 3) entsprechende Vereinbarungen getroffen wurden. 34 Die Freistellung bedeutet nicht automatisch die Gewährung von Urlaub (vgl. hierzu im Einzelnen Fn. 21). Die Gewährung ist daher ausdrücklich zu regeln. Wird der Urlaub nicht während der Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses gewährt, ist er nach den allgemeinen Regeln des BUrlG abzugelten. Der Urlaubsanspruch ist in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs unabdingbar. 35 Fehlt eine solche Regelung, besteht das Mietverhältnis grds. über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus fort. 36 Arbeitgeberdarlehen stehen in der Regel rechtlich selbstständig neben dem Arbeitsvertrag. Die Erledigungsklausel in § 26 umfasst Arbeitgeberdarlehen daher nur, wenn sie sich auch auf Ansprüche, die lediglich mit dem „Arbeitsverhältnis in Verbindung“ stehen, erstreckt (BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 873/08, NJW 2011, 2381). Beschränkt sie sich hingegen allgemein auf „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“, sind davon Arbeitgeberdarlehen nur ausnahmsweise erfasst, sofern eine zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis besteht, zB bei Ansprüchen auf Rückzahlung eines Arbeitgeberdarlehens, das gewährt wurde zur Finanzierung einer Mitarbeiterbeteiligung (BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896) oder zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen in einer stillen Gesellschaft (BAG v. 28.7.2009 – 3 AZR 250/ 07, NZA 2010, 356).

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natlichen Raten von Euro …, zahlbar am … eines jeden Monats, beginnend mit dem …, zurück.37 Kommt Herr/Frau … mit mehr als einer Rate in Verzug, ist der gesamte Restbetrag fällig und ab diesem Zeitpunkt mit … % pro Jahr zu verzinsen. evtl. Zur Sicherung des Darlehensrestanspruches tritt Herr/Frau … hiermit zukünftige Entgeltforderungen gegen jeden neuen Arbeitgeber in Höhe des jeweils pfändbaren Betrages an den Arbeitgeber ab. oder Der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag vom … wird zu den vereinbarten Konditionen fortgeführt. Herr/Frau … hat das Recht, die noch offene Darlehensschuld von Euro … (Stand …) vorzeitig durch eine Einmalzahlung abzulösen. oder Herr/Frau … hat von dem Arbeitgeber am … ein Darlehen iHv. Euro … erhalten. Hierauf sind bis heute Euro … zurückgezahlt. Der Restbetrag wird mit dem Nettobetrag der Abfindung gemäß § 2 verrechnet.

§ 10 Diensterfindung Herr/Frau … erhält für die am … gemeldete Diensterfindung eine Vergütung von Euro … Weitere Ansprüche auf Grund des Arbeitnehmererfindungsgesetzes bestehen nicht.38 oder Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr/Frau … für die am … gemeldete Diensterfindung keine Vergütung erhält. oder Für sämtliche Erfindungen, die auf Herrn/Frau … als Erfinder oder Miterfinder zurückgehen, erhält Herr/Frau … eine abschließende Abfindung von Euro … Mit diesem Betrag sind alle Ansprüche von Herrn/Frau … aus dem Arbeitnehmererfindungsgesetz für sämtliche während der Dauer des Anstellungsverhältnisses gemeldeten Diensterfindungen, Schutzrechte bzw. Schutzrechtsanmeldungen, die auf Herrn/Frau … als Erfinder oder Miterfinder zurückgehen, erfüllt. In diesem Betrag eingeschlossen sind also beispielsweise auch solche Beträge, die bei einer eventuellen Nutzung durch den Arbeitgeber entstehen würden oder entstanden, aber noch nicht vergütet sind. Die Auszahlung der Pauschalvergütung wird unter Abzug der gesetzlichen Steuern veranlasst.

37 Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein räumt dem Arbeitgeber nicht das Recht ein, die vorzeitige Darlehensrückzahlung zu verlangen. Dies kann jedoch vereinbart werden, da Kündigungs- und Fälligkeitsklausel, die an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, grundsätzlich zulässig sind. Allerdings sind solche Klauseln im Darlehensvertrag wegen unangemessener Benachteiligung gem. § 307 BGB unwirksam, wenn eine Kündigung des Darlehens auch bei Beendigungen aus Gründen möglich sein soll, die in der Sphäre des Arbeitsgebers liegen (BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, NJW 2014, 2138). Siehe M 12.24. 38 Die Abgeltung durch eine Pauschale ist grds. zulässig. Die §§ 22, 23 ArbNErfG lassen nachträgliche Vereinbarungen über Art und Höhe der Erfindervergütung zu, soweit sie nicht in erheblichem Maße unbillig sind. Auf die Unbilligkeit einer Vergütungsvereinbarung können sich beide Seiten gem. § 23 Abs. 2 ArbNErfG nur berufen, wenn die Unbilligkeit spätestens sechs Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Textform geltend gemacht wird. § 23 ArbNErfG gilt auch für Regelungen, wonach der Arbeitnehmer auf eine Vergütung völlig verzichtet. Eine solche Regelung ist also wegen Unbilligkeit unwirksam, wenn es sich um eine bedeutende Erfindung handelt, die für den Arbeitgeber von hohem Wert ist. Im Übrigen ist streitig, ob überhaupt die Grenzen der §§ 22, 23 ArbNErfG auf Vereinbarungen im Rahmen von Aufhebungsverträgen anwendbar sind (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 5. Aufl. 2013, § 26 Rz. 60; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 288 ff.).

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§ 11 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot39 Das am … von den Parteien vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot wird von dem vorliegenden Aufhebungsvertrag nicht berührt. evtl. Der Arbeitgeber nimmt zur Kenntnis, dass Herr/Frau … am … in die Dienste der Firma … treten wird. Die Parteien sind sich darüber einig, dass diese Tätigkeit nicht gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstößt. oder Die Parteien ändern das am … vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot so ab, dass Herr/ Frau … statt einer monatlichen Karenzentschädigung40 von Euro … monatlich nur Euro … erhält. Außerdem wird die Laufzeit des Wettbewerbsverbotes auf die Zeit vom … bis … beschränkt.41 oder Die Parteien heben das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit sofortiger Wirkung auf.42 oder Das in § … des Anstellungsvertrages vom … geregelte nachvertragliche Wettbewerbsverbot gilt für die Zeit vom … bis … Die für dieses Wettbewerbsverbot zu zahlende Karenzentschädigung ist vollumfänglich in der Abfindung gemäß § 2 dieses Aufhebungsvertrages enthalten.43 Im Übrigen gelten für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot die Bestimmungen des Anstellungsvertrages und die §§ 74 ff. HGB.

§ 12 Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Wohlverhalten Herr/Frau … ist verpflichtet, alle ihm/ihr während seiner/ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen vertraulichen betriebsinternen Angelegenheiten, vor allem Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, geheim zu halten und sie weder zu eigenen Zwecken noch zugunsten Dritter zu verwerten. Das gilt insbesondere für die nachfolgend aufgeführten (Herstellungsverfahren/Rezepturen/…): … . Daneben bleibt die kraft Gesetzes und kraft nachvertraglicher Treuepflicht geltende Verpflichtung zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

39 Vgl. hierzu insb. Kap. 25; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 294 ff. und Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 494 ff. Aufgrund der Erledigungsklausel in § 26 muss ein Wettbewerbsverbot, das auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin bestehen bleiben soll, ausdrücklich aufgeführt werden (vgl. Rz. 36 ff.). Fehlt eine solche Regelung, kann eine Ausgleichsklausel auch ein zuvor vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung umfassen (BAG v. 22.10.2008 – 10 AZR 617/07, NZA 2009, 139; v. 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, NJW 2009, 3529). 40 Die Höhe der Karenzentschädigung richtet sich gem. § 74 Abs. 2 HGB nach der letzten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogenen vertragsgemäßen Vergütung. Dies gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer Elternteilzeit gem. § 15 Abs. 6 BEEG in Anspruch genommen hat und sein Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet (BAG v. 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, NZA 2009, 962). 41 Hier ist die Formvorschrift des § 74 Abs. 1 HGB zu beachten. Es gilt die gesetzliche Schriftform gem. § 126 BGB. Zudem ist dem Arbeitnehmer ein original unterzeichnetes Vertragsexemplar auszuhändigen. Inhaltlich müssen auch die Änderungen mit den §§ 74 ff. HGB vereinbar sein (BAG v. 3.5.1994 – 9 AZR 606/92, BB 1994, 2282). 42 Eine einvernehmliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots ist jederzeit formlos möglich (BAG v. 10.1.1989 – 3 AZR 460/87, NZA 1989, 797). Dann erlöschen alle gegenseitigen Rechte und Pflichten mit sofortiger Wirkung. Dies ist jedoch sorgfältig von dem Verzicht gem. § 75a HGB zu trennen, der die Entschädigungspflicht des Arbeitgebers nur mit Jahresfrist entfallen lässt. 43 Die Verrechnung der Karenzentschädigung mit der Abfindung ist grundsätzlich zulässig. Das Wettbewerbsverbot ist bei dieser Gestaltung allerdings nur wirksam, wenn die Abfindung mindestens die Höhe des nach § 74 Abs. 2 HGB erforderlichen Betrages erreicht (Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 339; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 56).

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bestehen.44 [Evtl: Sollte die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht Herrn/Frau … in seinem/ihrem beruflichen Fortkommen unangemessen behindern, hat er/sie gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von dieser Pflicht.45] evtl. Beide Seiten verpflichten sich, negative Äußerungen über die jeweils andere Seite zu unterlassen. oder Der Arbeitgeber nimmt hiermit alle negativen Behauptungen über Herrn/Frau … zurück. Herr/Frau … sichert zu, sich nicht negativ über den Arbeitgeber zu äußern.

§ 13 Betriebliche Altersversorgung46 Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr/Frau … keine unverfallbare Anwartschaft nach dem BetrAVG erworben hat. oder Herr/Frau … hat aus der betrieblichen Altersversorgung des Arbeitgebers einen unverfallbaren Anspruch/eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistung erworben.47 Die Bescheinigung nach § 4a BetrAVG wird gesondert erteilt. oder Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr/Frau … eine unverfallbare Anwartschaft auf Grund der betrieblichen Altersversorgung des Arbeitgebers erworben hat. Der daraus entstehende Anspruch auf eine Altersrente, die im Alter … einsetzt, beträgt Euro … . Die Parteien vereinbaren, diese Altersrente gemäß § 3 Abs. 2 BetrAVG versicherungsmathematisch abzufinden.48 Herr/Frau … erhält deshalb einen einmaligen Pauschalbetrag von Euro …, fällig am … Damit sind sämtliche Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung erledigt.49 oder

44 Eine Geheimhaltungspflicht besteht ohnehin aufgrund der nachvertraglichen Treuepflicht, wird also durch diese Klausel lediglich bekräftigt. Damit ist dann auch sichergestellt, dass die Geheimhaltungspflicht nicht von einer etwaigen Erledigungsklausel (§ 26) umfasst ist. 45 Zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie zur Vermeidung eines entschädigungspflichtigen Wettbewerbsverbotes gem. § 74 HGB (BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502) wird eine solche Öffnungsklausel in der Literatur vorgeschlagen, vgl. Hunold, SPA 21/2002, Satz 1; eingehend zu Geheimhaltungsklauseln Anm. zu M 3.1 § 5. 46 Enthält der Aufhebungsvertrag eine Erledigung- bzw. Ausgleichklausel (vgl. § 26), werden von dieser Klausel Forderungen, auf die der Arbeitnehmer vertraglich nicht verzichten kann, nicht erfasst. Das gilt auch für die unverfallbaren Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung (§ 1b BetrAVG), ferner für entstandene tarifliche Rechte (§ 4 Abs. 4 TVG), Rechte aus einer Betriebsvereinbarung (außer bei Zustimmung des Betriebsrates, § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG), gesetzliche Urlaubsansprüche (§ 13 BUrlG) sowie den Zeugnisanspruch. Zur Frage, ob solche Ansprüche zur Vermeidung von Intransparenz in einer Ausgleichsklausel jeweils ausdrücklich vorbehalten werden müssen – uE ist das nicht der Fall – Rz. 36 ff., § 26 m. Anm. 47 Je länger das Arbeitsverhältnis dauert, umso höher ist die nach § 2 BetrAVG aufrechtzuerhaltende Anwartschaft. Besondere Vorsicht ist im Hinblick auf die Erfüllung der Unverfallbarkeitsfristen geboten. Unverfallbarkeit bedeutet, dass die Ansprüche trotz des Ausscheidens vor Erreichen der Altersgrenze nicht ersatzlos wegfallen, sondern mit einem Teilwert aufrechterhalten bleiben (§§ 1b, 2 BetrAVG), Einzelheiten Kap. 18 Rz. 4 ff. Die Wahl des Zeitpunkts der Auflösungsvereinbarung kann sich insoweit unmittelbar auswirken. 48 Vorsicht! § 3 Abs. 1 BetrAVG verbietet grundsätzlich die Abfindung einer gesetzlich unverfallbaren Anwartschaft. Ausnahmen sind gem. § 3 Abs. 2 BetrAVG nur für geringwertige Versorgungsansprüche vorgesehen (vgl. dazu Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. C 399). 49 Wird eine bereits gesetzlich unverfallbare Anwartschaft abgefunden, greifen §§ 24, 34 EStG nicht, da es an der notwendigen Kausalität zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung fehlt, da der Anspruch unabhängig von der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag bestand.

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Herr/Frau … hat aus der betrieblichen Altersversorgung des Arbeitgebers eine unverfallbare Anwartschaft erworben. Bei Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze hat Herr/Frau … einen Leistungsanspruch, der nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG gekürzt wird.50 oder Der Arbeitgeber tritt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses die bei der … Versicherung abgeschlossene Direktversicherung (Nr. …) an Herrn/Frau … ab und wird die dazu notwendigen Erklärungen/ Anzeigen gegenüber dem Versicherer auf seine Kosten in der erforderlichen Form abgeben.51 oder Der Arbeitgeber räumt Herrn/Frau … das Recht ein, die Direktversicherung Nr. … mit eigenen Beiträgen fortzuführen und wird alle dazu erforderlichen Erklärungen abgeben. oder Der Arbeitgeber verpflichtet sich, auf Verlangen von Herrn/Frau … die betriebliche Altersversorgung gemäß Zusage vom … auf den von Herrn/Frau … zu benennenden neuen Arbeitgeber zu übertragen.52

§ 14 Zeugnis53 Herr/Frau … erhält das als Anlage zu diesem Aufhebungsvertrag beigefügte qualifizierte Zeugnis. oder Herr/Frau … erhält das als Anlage zu diesem Aufhebungsvertrag beigefügte Zwischenzeugnis. Am … erhält Herr/Frau … ein mit dem Zwischenzeugnis übereinstimmendes Endzeugnis, dessen Schlussformel lauten wird: „Herr/Frau … ist am … auf eigenen Wunsch/auf Grund betriebsbedingter Kündigung ausgeschieden. Wir bedauern seinen/ihren Weggang und wünschen ihm/ihr für seinen/ihren weiteren Lebensweg alles Gute.“ oder 50 Der Verzicht auf die in § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG geregelte ratierliche Kürzung ist idR. von erheblichem Wert, der vor der Vereinbarung genau berechnet werden sollte. Er ist in der Praxis selten, findet sich jedoch gelegentlich in Verträgen mit Organmitgliedern. 51 Die Klausel zur Fortführung der Direktversicherung durch den Arbeitnehmer muss erkennen lassen, ob eine Abtretung oder nur ein Wechsel des Beitragsschuldners gewollt ist. Anderenfalls ist sie mehrdeutig und daher nicht vollstreckbar (BAG v. 31.5.2012 – 3 AZB 29/12, NZA 2012, 1117). Die Abtretung bezieht sich, wie typischerweise, auf eine Direktversicherung. Sollen demgegenüber Ansprüche aus einer Rückdeckungsversicherung abgetreten werden, entstehen erhebliche versicherungsvertragliche und steuerliche Probleme (dazu Diller/Risse, DB 2016, 890 ff.). Will der Arbeitgeber nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG zur Vermeidung seiner Teilhaftung die versicherungsförmige Lösung wählen, muss er das innerhalb von drei Monaten seit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers diesem und der Versicherung gegenüber ausdrücklich erklären; er kann die Erklärung allerdings im Zusammenhang mit dem Ausscheiden auch schon früher abgeben (BAG v. 19.5.2016 – 3 AZR 794/14, BB 2016, 2236, Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2016, 481). 52 § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG lässt das Recht zur einvernehmlichen Übertragung der Versorgungszusage auf den neuen Arbeitgeber unberührt. Daneben gibt § 4 Abs. 3 BetrAVG einen Anspruch auf Übertragung des Übertragungswertes der betrieblichen Altersversorgung, der innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden muss. Der Anspruch besteht nur bei versicherungsförmigen Durchführungswegen, also Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG ist der neue Arbeitgeber nur verpflichtet, eine dem Übertragungswert wertgleiche Zusage zu erteilen und diese über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchzuführen. Wegen der Geltendmachungsfrist empfiehlt es sich, den Anspruch in den Aufhebungsvertrag aufzunehmen, sofern der neue Arbeitgeber bereits feststeht. Andernfalls muss auf Seiten des Arbeitnehmers gesichert werden, dass die Jahresfrist eingehalten wird. Der Übertragungsanspruch des § 4 Abs. 3 BetrAVG gilt gem. § 30b BetrAVG erst für Zusagen, die nach dem 31.12.2004 erteilt wurden und unverfallbar sind. Für Altzusagen ist daher nur eine Übernahme oder Übertragung nach § 4 Abs. 2 BetrAVG möglich. 53 Zu Einzelheiten des Zeugnisanspruchs und -inhalts s. Kap. 24 Rz. 1 ff.

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Herr/Frau … erhält ein wohlwollendes qualifiziertes Endzeugnis, in dem Verhalten und Leistung mit der Note „gut“ bewertet werden und welches folgende Schlussformel enthält: „Herr/Frau … verlässt uns auf eigenen Wunsch. Wir bedauern seinen/ihren Weggang und wünschen ihm/ihr für seinen/ ihren weiteren Lebensweg beruflich und privat alles erdenklich Gute.“

§ 15 Firmenunterlagen Herr/Frau … wird am … sämtliche dem Arbeitgeber gehörenden Unterlagen zurückgeben, insbesondere … . oder Herr/Frau … erklärt, dass er/sie – die Schlüssel und den Zugangsausweis für das Forschungs- und Entwicklungszentrum abgegeben hat, des Weiteren sonstige Schlüssel zu Firmengebäuden und -einrichtungen, ferner sämtliche nur ihm bekannte Passwörter, PIN-Codes und Zugangssperren im Hinblick auf EDV-Nutzung dem Arbeitgeber benannt hat und von diesen selbst keinen Gebrauch mehr machen wird. – alle ihm/ihr von dem Arbeitgeber überlassenen Gegenstände, Waren, Geräte, Apparaturen und alle Unterlagen, die im Zusammenhang mit seiner/ihrer Tätigkeit bei dem Arbeitgeber entstanden sind, vollständig an den Arbeitgeber zurückgegeben hat. Zu diesen Unterlagen zählen ua. Werksausweis, Tankidentitätskarte, Geschäftspapiere, Hard- und Software inkl. Disketten und alle gespeicherten Daten und Informationen, die den Arbeitgeber und die Gesellschaften der Firmengruppe betreffen, Zeichnungen, Skizzen, Briefe, Besprechungsberichte, Versuchsauswertungen, handschriftliche Notizen, Fotos, Literatur usw. sowie Kopien und Abschriften dieser Unterlagen, gleich auf welchem Datenträger.

§ 16 Spesen Eventuelle noch ausstehende Reise-/Spesenabrechnungen sind bis zum … abzurechnen. Ein eventuell bestehender Reise- oder Spesenvorschuss muss bis zum … zurückbezahlt werden.

§ 17 Zurückbehaltungsrecht Den Vertragsparteien steht kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der sich aus diesem Aufhebungsvertrag ergebenden Verpflichtungen zu.54

§ 18 Aufrechnungsverbot Eine Aufrechnung der Vertragsparteien mit den sich aus diesem Aufhebungsvertrag ergebenden finanziellen Verpflichtungen ist ausgeschlossen. Dies gilt nicht, soweit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen aufgerechnet wird.55

§ 19 Arbeitsbescheinigung Der Arbeitgeber stellt Herrn/Frau … eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 1 SGB III aus.56 evtl. 54 In vorformulierten Verträgen sind Beschränkungen des Zurückbehaltungsrechts nach § 309 Nr. 2b BGB unwirksam. Allerdings ist der Arbeitnehmer an zur rein dienstlichen Nutzung überlassenen Gegenständen ohnehin nur Besitzdiener, so dass er insoweit kein Zurückbehaltungsrecht hat. Eine Einschränkung der Klausel sinngemäß auf den Ausschluss „soweit ihr jeweiliger Gegenanspruch nicht auf dem gleichen Vertragsverhältnis beruht“ (vgl. Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 15) oder „Den Vertragsparteien steht ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zu.“ ist uE daher nicht erforderlich, der Anwendungsbereich wäre ohnehin auch nur sehr klein. 55 In vorformulierten Verträgen kann die Befugnis des Arbeitnehmers, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen, nicht wirksam ausgeschlossen werden. § 309 Nr. 3 BGB. 56 Den Arbeitgeber trifft aus § 312 Abs. 1 SGB III eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf dem vorgesehenen Vordruck alle Tatsachen zu bescheinigen, die für die Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld er-

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§ 20 Klageverfahren/Kosten Herr/Frau … verpflichtet sich, die beim ArbG …/LAG …/BAG anhängige Klage (Az. …) unverzüglich nach Unterzeichnung dieses Vertrages/nach Erhalt der Sicherheiten gemäß § 25/nach Erhalt der Abfindung gemäß § 2 zurückzunehmen.57 Jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten und die Hälfte der entstandenen Gerichtskosten. oder Der Arbeitgeber übernimmt die entstandenen Gerichtskosten; jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. oder Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. oder Der Arbeitgeber erstattet Herrn/Frau … die diesem/dieser durch die Inanspruchnahme von Rechtsanwalt … entstandenen Kosten iHv. Euro …/bis zur Höhe von Euro …/. auf der Basis eines Streitwerts von Euro …, in Höhe von …-Gebühren nebst Auslagen.

§ 21 Geheimhaltungsklausel Herr/Frau … sichert zu, Stillschweigen hinsichtlich des finanziellen Inhalts dieser Vereinbarung gegenüber jedermann zu wahren, es sei denn, er/sie ist gesetzlich zur Auskunft verpflichtet oder die Auskunft ist aus steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Gründen gegenüber Behörden oder zur Wahrung von Rechtsansprüchen gegenüber Gerichten erforderlich.58

§ 22 Belehrung Herr/Frau … bestätigt, dass er/sie über etwaige sozialversicherungsrechtliche Nachteile belehrt ist und hierüber der Sozialversicherungsträger verbindlich entscheidet, der zur Erteilung von Auskünften berufen und verpflichtet ist.59 heblich sein können. Dazu gehört vor allem die Angabe des Grundes für die Beendigung, da davon die mögliche Verhängung einer Sperrzeit nach § 159 SGB III abhängt. Bei unrichtiger Erstellung der Bescheinigung kommen Schadensersatzansprüche der Bundesagentur für Arbeit gem. § 321 Nr. 1 SGB III in Betracht. Erklärt (umgekehrt) der Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III wahrheitsgemäß, aber entgegen der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag, dass keine betriebsbedingten Kündigungsgründe vorliegen, schuldet er dem Arbeitnehmer für eine verhängte Sperrzeit keinen Schadenersatz (LAG Hessen 17.7.2012 – 13 Sa 1053/11). Zu Rechtsfolgen unrichtig ausgefüllter Arbeitsbescheinigungen Lindemann/Polzer, DB 2016, 2935. 57 Das Muster betrifft einen Aufhebungsvertrag; regelmäßig ist diesem keine Kündigung vorausgegangen, so dass auch keine Klage erhoben wurde, die zu erledigen wäre. Bei vorausgegangener Kündigung wäre der Abwicklungsvertrag die passende Lösung (vgl. M 23.2 § 2). Die Klageerledigung ist daher nur vorsorglich in § 20 vorgesehen für den Fall, dass die Parteien gleichwohl den Aufhebungsvertrag wählen. Ein Arbeitnehmer kann nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber grundsätzlich auf die Erhebung oder die Durchführung einer Kündigungsschutzklage verzichten (zur Formbedürftigkeit des Klageverzichts vgl. Rz. 5). Ist die Verzichtsvereinbarung vom Arbeitgeber vorformuliert, muss sie nach Auffassung des BAG allerdings eine Gegenleistung für den Verzicht vorsehen, etwa in Form einer Abfindung. Der ohne eine solche Gegenleistung erklärte Verzicht stelle eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NJW 2015, 1038 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 155 (zur Ausgleichsquittung)). Ein Klageverzicht sollte zudem vorsorglich wie hier drucktechnisch besonders hervorgehoben werden, damit er nicht als überraschend nach § 305c BGB eingestuft wird (vgl. zur Wirksamkeit eines Klageverzichts Rz. 33 ff.). 58 Der Arbeitgeber ist ohnehin nach § 32 BDSG verpflichtet, den Vertragsinhalt geheim zu halten. Da der Schaden aus einer Verletzung der Geheimhaltungspflicht durch den Arbeitnehmer selten zu beziffern sein wird, wird dem Arbeitgeber kaum ein Schadensersatzanspruch zustehen. Daher kann die Vereinbarung einer Vertragsstrafe sinnvoll sein, sie ist aber wenig üblich. 59 Zu den Aufklärungspflichten des Arbeitgebers vgl. Rz. 7. In vorformulierten Verträgen wäre die Bestätigung wohl gem. § 309 Nr. 12b BGB unwirksam; der in § 22 enthaltene Hinweis ist damit gleichwohl erteilt.

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§ 23 Hinweis nach § 38 SGB III Herr/Frau … wird auf seine/ihre Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuche nach § 38 SGB III hingewiesen. Er/sie ist verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist nach den beiden vorhergehenden Sätzen reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder von dem Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Weiterhin ist Herr/Frau … verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen.60

§ 24 Sprachregelung Presseveröffentlichungen und andere Verlautbarungen an einen unbestimmten Personenkreis werden die Parteien jeweils nur in einer miteinander abgestimmten Form abgeben. Die Parteien vereinbaren als Richtschnur dafür folgenden Wortlaut: „ …“61/werden als Richtschnur dafür unverzüglich nach Abschluss dieses Vertrages einen Wortlaut ausarbeiten.62

§ 25 Sicherheiten Der Arbeitgeber ist verpflichtet, innerhalb von fünf Tagen nach Unterzeichnung des vorliegenden Aufhebungsvertrages eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bankbürgschaft einer deutschen Bank iHv. Euro … zur Sicherung der nach § 2 geschuldeten Abfindung vorzulegen. Sollte die Bankbürgschaft nicht pünktlich und in rechtlich einwandfreier Form vorgelegt werden, so gilt der Aufhebungsvertrag als nicht geschlossen.63

§ 26 Erledigungsklausel64 Die Parteien sind sich einig, dass mit Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt sind.65 Dasselbe gilt für Ansprüche im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis66 und seiner Beendigung.67, 68 60 Die Belehrung ist nicht zwingend, eine Unterlassung hat keine Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zur Folge (BAG v. 29.9.2005, BB 2006, 48; Einzelheiten bei Rz. 7 sowie Kap. 22 Rz. 183). 61 In Betracht kommen etwa folgende Formulierungen: „Herr/Frau … verlässt die Gesellschaft zum …, um sich anderen Aufgaben zu widmen“/„Herr/Frau … und der Arbeitgeber trennen sich einvernehmlich wegen unterschiedlicher Auffassungen in der Geschäftspolitik zum …“/„Herr/Frau … scheidet im besten Einvernehmen/aus Altersgründen auf eigenen Wunsch zum … aus und wird dem Unternehmen auch künftig als Berater zur Seite stehen.“ 62 Die letztere Variante kann man wählen, wenn man die Einigung daran nicht scheitern lassen will; die Praxis lehrt jedoch, dass die nachträgliche Vereinbarung häufig erhebliche Probleme bereitet. 63 Diese Klausel dient insbesondere der Sicherung des Arbeitnehmers im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers. Die Abfindungsansprüche aus Aufhebungsverträgen genießen nämlich nach der InsO keine besonderen Vorrechte mehr; sie sind grundsätzlich nur Insolvenzforderungen nach § 38 InsO und nicht Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, auch wenn sie erst nach Insolvenzeröffnung entstehen (ausführlich zur Einordnung BAG v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, NZA 2009, 89). Der Arbeitnehmer kann sich durch entsprechende Sicherheiten schützen oder eine auflösende Bedingung vereinbaren, wonach der Aufhebungsvertrag rückwirkend wegfallen soll, wenn die Zahlung der Abfindung nicht erfolgt. Die Vereinbarung ist jedoch wenig üblich. 64 Zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Abgeltungsklausel vgl. Rz. 36 ff. 65 Um eine Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel gem. § 305c BGB zu vermeiden, sollte sie vorsorglich drucktechnisch hervorgehoben werden (zu den Unwirksamkeitsgründen einer Abgeltungsklausel im Einzelnen vgl. Rz. 39). 66 Diese Klausel stellt klar, dass auch solche Ansprüche erledigt sein sollen, die aus gesondert abgeschlossenen Vertragsverhältnissen entstehen, wenn diese im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis abgeschlossen wurden. Dies betrifft etwa Ansprüche aus einem Darlehensvertrag oder einem Werkswohnungs-

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Nicht erledigt sind Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.69 oder70 Nicht erledigt sind – Ansprüche, auf die die Arbeitsvertragsparteien nicht oder nicht ohne Beteiligung Dritter71 verzichten können sowie – Ansprüche auf gesetzliches Mindestentgelt.72

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mietverhältnis. Aufgrund der konkreten Ausgestaltung können Arbeitgeberdarlehen zwar ausnahmsweise auch schon von Satz 1 – „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ – erfasst sein (so zB Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung einer Mitarbeiterbeteiligung, BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896 oder Arbeitgeberdarlehen, die gewährt wurden, um Gesellschaftsanteile in einer stillen Gesellschaft zu erwerben, BAG v. 28.7.2009 – 3 AZR 250/07, NZA 2010, 356). Da dies jedoch nur möglich ist, wenn eine zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis hergestellt werden kann, sollten sich Erledigungsklauseln, die auch Arbeitgeberdarlehen erfassen sollen, auf Ansprüche im „Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis“ erstrecken. Um zu vermeiden, dass etwaige Unklarheiten dieser Regelung auf die Ausgleichsklausel gem. Satz 1 durchschlagen, sollten die Regelungen in getrennten Sätzen stehen. („blue-pencil-Test“, im Einzelnen Kap. 2 Rz. 50). Zur Wirksamkeit und zur Rechtsnatur von reinen Ausgleichsquittungen in AGB, zB: „Herr/Frau erklärt, dass er/sie – gegen die Kündigung vom … keine Einwendungen erhebt – die von ihm/ihr erhobene Klage auf Unwirksamkeit der Kündigung zurücknimmt – keine Forderungen – ganz gleich aus welchem Rechtsgrunde – mehr hat und alle seine/ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten sind. Dies gilt auch für Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.“ Vgl. Rz. 39. Darüber hinaus gelten für Ausgleichsquittungen auch die Ausführungen zur Ausgleichsklausel in Rz. 36 ff. Zur Wirksamkeit des Klageverzichts vgl. Rz. 33 ff. Formulierungsvorschlag für die konkrete Benennung von Ansprüchen (uE nicht erforderlich) wäre: „Folgende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind abgegolten: …“. Vgl. auch Kap. 2 Rz. 91, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausgleichsquittung“. Für die Ausklammerung unverzichtbarer Ansprüche (uE ebenfalls nicht erforderlich) vgl. Satz 3 des Musters. Wegen der geringeren Wirksamkeitsrisiken ist die beidseitige Erledigungsklausel (§ 26 des Musters) der Ausgleichsquittung klar vorzuziehen (krit. zur Wirksamkeit jedoch auch hier wohl Preis/Bleser/ Rauf, DB 2006, 2812, 2816). Keinesfalls sollte man die Ausgleichsklausel und die Empfangsbestätigungen für Arbeitspapiere vermengen (BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NJW 2015, 1038 m. Anm. Lingemann, ArbRAktuell 2015, 155 (zur Ausgleichsquittung); v. 23.2.2005, NZA 2005, 1139; vgl. auch Rz. 39). Die Empfangsbestätigung für Arbeitspapiere ist hier am Ende des Musters gesondert aufgenommen und bedarf wegen § 309 Nr. 12b BGB der gesonderten Unterschrift. Dazu Rz. 38, ferner M 2.1a, Ziff. 10 m. Anm. sowie nachstehend Fn. 70 ff. Möglichweise müssen zur Vermeidung von Intransparenz, wenn man Ansprüche auf Mindestvergütung ausnimmt, auch Ansprüche, auf die die Arbeitsvertragsparteien nicht oder nicht ohne Beteiligung Dritter verzichten können, ausgenommen werden. Einzelheiten zur ähnlichen Problematik bei Ausschlussfristen bei Kap. 2 Rz. 92, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“. Anders als bei der Ausschlussfrist dürften aber die §§ 309 Nr. 7a und 7b BGB nicht für Erledigungsklauseln gelten. Denn sie zielen nach Sinn und Zweck darauf ab, die künftige Entstehung derartiger Ansprüche nicht durch AGB auszuschließen, nicht aber darauf, eine Erledigung für die Vergangenheit zu verhindern (vgl. auch MünchKommBGB/Wurmnest, § 309 Rz. 2: „Anreiz des Verwenders zur sorgfältigen und vertragsgemäßen Leistung“; Palandt/Grüneberg, § 309 BGB Rz. 41: „Der Haftungsausschluss betrifft den Anspruchsgrund und hindert die Entstehung des Anspruches“). Folgt man dem nicht, müsste man sich an der Formulierung der Ausschlussfrist (M 2.1a, Ziff. 10 m. Anm.) orientieren. Vgl. § 77 Abs. 4 Satz 2, § 4 Abs. 4 TVG. Vgl. § 3 MiLoG, § 8 Abs. 3 Satz 3 MiArbG, § 9 AEntG; s. auch Kap. 2 Rz. 92, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“.

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

evtl.73 Die Parteien sind sich jedoch darüber einig, dass das gesetzliche Mindestentgelt vollständig gezahlt wurde/der Urlaub vollständig in natura gewährt wurde. evtl. Sollte der Arbeitgeber im Jahre … einen Sozialplan aufstellen, der für Mitarbeiter Abfindungsleistungen bei Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht, und sollte sich aus diesem Sozialplan zu Gunsten von Herrn/Frau … ein höherer Abfindungsbetrag als in dieser Vereinbarung vorgesehen ergeben, so berechnet sich die Abfindung abweichend von dieser Vereinbarung nach der Regelung des Sozialplans. Auf den sich aus dem Sozialplan ergebenden Anspruch wird die Abfindung gemäß § 2 dieser Vereinbarung dann angerechnet.

§ 27 Salvatorische Klausel74 Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen davon nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Falle einer unwirksamen Bestimmung verpflichtet, über eine wirksame und zumutbare Ersatzregelung zu verhandeln, die dem von den Vertragsparteien mit der unwirksamen Bestimmung verfolgten wirtschaftlichen Zweck möglichst nahe kommt.75 … (Ort, Datum)

… (Unterschriften Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin und Arbeitgeber)

Rückgabe der Arbeitspapiere:76 Herr/Frau … bestätigt hiermit, dass er/sie seine/ihre Arbeitspapiere erhalten hat. … (Ort, Datum)

… (Unterschrift Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin)

73 Ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindestlohn ist nicht zulässig, § 3 MiLoG, allerdings wird zT, wie beim gesetzlichen Mindesturlaub, ein Tatsachenvergleich bezogen auf den gesetzlichen Mindestlohn als zulässig angesehen (APS/Rolfs, Kündigungsrecht – AufhebVtr, Rz. 55; Lembke, NZA 2016, 1, 9). Einzelheiten und die Anforderungen an die Formulierung sind nicht geklärt. 74 Zur salvatorischen Klausel s. M 3.1 § 26 m. Anm. 75 S. M 3.1, § 26 m. Anm. 76 In vorformulierten Verträgen ist die Bestätigung gem. § 309 Nr. 12b BGB gesondert zu unterschreiben.

M 23.1b Termination Agreement The Company … (hereinafter: Company) and Mr./Ms. … hereby agree as follows:

§ 1 Termination The Parties agree that the employment relationship will end/ended by mutual agreement and at the Company’s instigation upon the expiration of …

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.1b

§ 2 Severance payment Due to the termination of the employment relationship, the Company shall make a severance payment of EUR … to Mr./Ms. … which shall fall due on …, but has already arisen now, and thus is heritable within the meaning of sec. 9, 10 of the Protection Against Unfair Dismissal Act (KSchG) and sec. 24, 34 of the Income Tax Act (EStG). If applicable The severance payment arising from the social plan concluded between the Company and the works council of the establishment … on … shall be offset against this severance payment. or Due to the termination of the employment relationship and the associated loss of the vested rights, the Company shall make a one-time severance payment of EUR … gross to Mr./Ms. …, which is payable on the day of the legal termination of the employment relationship, but has already arisen now, and thus is heritable pursuant to sec. 9, 10 of the Protection Against Unfair Dismissal Act (KSchG) and 24, 34 of the Income Tax Act (EStG), but not until Mr./Ms. …’s duties to return company property pursuant to Clauses 6 and 15 have been complied with in full. or The Company shall make a severance payment of EUR … to Mr./Ms. … for the loss of his/her position pursuant to sec. 9, 10 of the Protection Against Unfair Dismissal Act (KSchG). The severance payment shall be reduced in the event that Mr./Ms. … enters into a new employment or service relationship within six months of the termination of this employment relationship, namely by EUR … for each full month of the new employment. Mr./Ms. … shall be obligated to inform the Company of his/her entry into a new employment or service relationship within one week of assuming the position. Mr./Ms. … shall be obligated to return any overpayments to the Company. and/or The claim for severance payment shall extinguish if the Company validly terminates the employment relationship pursuant to sec. 626 of the German Civil Code (BGB) prior to the legal termination date set forth in § 1.

§ 3 Release from work duties With immediate effect/with effect as of …, Mr./Ms. … shall be/shall remain irrevocably released from his/her duties with continued payment of the sums set forth in the employment agreement up to the termination date set forth in § 1. Up to the termination date set forth in § 1, he/she shall be free to work elsewhere, whereby he/she is prohibited from engaging in any participation and/or work for a competing company. During the period of the release, sec. 615 sent. 2 of the German Civil Code (BGB) shall/shall not apply. With this release from duties, all vacation claims and claims for time off in compensation for overtime shall be discharged. or Commencing on …, Mr./Ms. … shall be released from his/her obligation to perform work up to the end of the employment relationship, with continued payment of the remuneration and taking into account any claims for time off in compensation for overtime. Mr./Ms. … shall take his/her vacation in the period from … to … The Company reserves the right to revoke this release and assign tasks to the employee outside of the vacation period. or With immediate effect/with effect as of …, Mr./Ms. … shall be/remains released up to the termination date set forth in § 1, with continued payment of the remuneration set forth in the employment agreement. This release shall initially be irrevocable, taking into account all vacation claims and claims for credit for overtime. Following the associated granting of the vacation and the utilization of any credit for overtime, the release shall be revocable; only for this period of time, the Company reserves the right to call Mr./Ms. … back to work in whole or in part for the remaining term of the 972

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Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

contract. During the period of the revocable and irrevocable release, any income obtained in any other manner pursuant to sec. 615 sent. 2 of the German Civil Code (BGB) shall be credited against him/her. During the release, Mr./Ms. … shall be entitled to use all office equipment, including the business telephone installed in his/her residence, at the Company’s expense for the purpose of seeking new employment. and/or Notwithstanding § 1, Mr./Ms. … shall be entitled to end the employment relationship early with a notice period of … to the end of the month. In that case, the Company shall additionally pay the entire amount/… % of the monthly remuneration that is therefore no longer due to Mr./Ms. …, without employer’s contributions to social security (employee gross), as a severance payment pursuant to § 2, whereby the total severance pay shall fall due at the time of the early termination of the employment relationship. An early termination is in the interest of and desired by the Company.

§ 4 Profit sharing Mr./Ms. … is entitled to a share of the profits for the current fiscal year/calendar year … in the amount of … % of the annual profit. This share of the profits shall be paid for the entire year despite the termination of the employment relationship at the end of … The payment shall be made three months after adoption of the commercial balance sheet. or Mr./Ms. … is entitled to a share of the profits for the current fiscal year/calendar year … in the amount of … % of the annual profit. Due to the early termination of the employment relationship on …, …/12 of the share in the profits shall be paid. The payment shall be made three months after the adoption of the commercial balance sheet. or Under the contract, Mr./Ms. … has a claim to a share of the profits. This claim shall be discharged in full by a lump sum in the amount of EUR …

§ 5 Bonus Despite leaving the Company on …, Mr./Ms. … shall receive the full bonus stipulated in the employment agreement for the year of … on … or In view of Mr./Ms. …’s early termination of the employment relationship, he/she shall not receive the bonus stipulated in the employment agreement this year. or Mr./Ms. … shall receive …/12 of the bonus stipulated in the employment agreement on …

§ 6 Company car Mr./Ms. … shall be obligated to return the company car, along with all vehicle documents, keys, all accessories and the business fuel card, to the Company without delay. if applicable As compensation he/she shall receive a lump sum in the amount of EUR … or Mr./Ms. … may continue to use the company car privately, even during the period of his/her release from work duties. He/She shall be obligated to return the car, along with …, to the Company on … or Mr./Ms. … shall purchase the company car at book value on … The price amounts to EUR … (including any VAT). The vehicle, along with …, shall be handed over to Mr./Ms. …, together with the vehicle documents, on … The purchase price shall be set off against the net amount of the severance payment pursuant to § 2. Any taxes incurred thereby shall be borne by Mr./Ms. … Lingemann

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

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or The company car, along with …, shall be conveyed to Mr./Ms. … free of charge with effect as of … Any taxes incurred thereby shall be borne by Mr./Ms. … or The Parties agree that, subject to the approval of …, Mr./Ms. … shall enter into the leasing agreement of … with … for the company car (type … license number …) in place of the employer at his/her own cost as of the date upon which the employment relationship ends. The employer undertakes to deliver all declarations that need to be made to … for transfer of the agreement to take place. Should … not grant approval by …, the company car along with … is to be returned to the Company in its due and proper state as of the date upon which the employment relationship ends at the latest.

§ 7 Vacation The Parties agree that Mr./Ms. … will take the vacation of … working days to which he/she is still entitled for the year of … from … to … or Due to the early termination of the employment relationship, Mr./Ms. … was unable to take the vacation of … working days to which he/she is entitled for the year of … The Company shall therefore render him/her a vacation severance payment in the amount of EUR …, payable on …

§ 8 Company apartment Mr./Ms. … undertakes to vacate the company apartment located at … street in … by no later than … or The company apartment located at … street in … that has been used to date shall be sublet to Mr./Ms. … commencing on … at the following terms and conditions: … or Mr./Ms. … shall be entitled to continue to live in the company building … until … at the current terms and conditions. The Company shall assume/shall not assume any taxes incurred up to that point. Mr./Ms. … shall be obligated/shall not be obligated to renovate the building.

§ 9 Loan On …, Mr./Ms. … received a loan from the Company in the amount of EUR …, of which EUR … have been repaid to date. The remaining amount along with interest shall be repaid in monthly installments of EUR …, payable on … of each month, commencing on … Should Mr./Ms. … be in default of more than one installment, the entire outstanding balance shall become due and payable. if applicable In order to secure the remainder of the loan claim, Mr./Ms. … hereby assigns to the Company his/ her future remuneration claims against any new employer in the amount of the respective sum that is not exempt from attachment. or The loan agreement concluded by the Parties on … shall be continued at the agreed upon terms and conditions. Mr./Ms. … shall have the right to redeem the outstanding loan debt of EUR … (as of …) early by making a one-time payment. or On …, Mr./Ms. … received a loan from the Company in the amount of EUR …, of which EUR … have been repaid to date. The remaining amount shall be set off against the net amount of the severance payment pursuant to § 2. 974

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M 23.1b

Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

§ 10 Service invention Mr./Ms. … shall receive a remuneration of EUR … for the service invention reported on … No further claims on the basis of the Act on Employees’ Inventions (Arbeitnehmererfindungsgesetz) exist. or The Parties agree that Mr./Ms. … will not receive any remuneration for the service invention reported on … or Mr./Ms. … shall receive a final severance payment of EUR … for all inventions which accrue to Mr./ Ms. … as the inventor or co-inventor. With this sum, all of Mr./Ms. …’s claims under the Act on Employees’ Inventions (Arbeitnehmererfindungsgesetz) are fulfilled for all service inventions reported in the course of the employment relationship, as well as all intellectual property rights or applications for intellectual property rights accruing to Mr./Ms. … as inventor or co-inventor. This sum shall also include, for example, sums that have been or could be incurred by any use by the Company, but have not yet been remunerated. The lump sum remuneration shall be paid out after deduction of the statutory taxes.

§ 11 Post-contractual covenant not to compete The post-contractual covenant not to compete agreed upon by the Parties on … shall not be affected by this Termination Agreement. if applicable The Company takes note of the fact that Mr./Ms. … will begin working for the company … on … The Parties agree that this activity is not in violation of the agreed upon covenant not to compete. or The Parties hereby amend the post-contractual covenant not to compete that was agreed upon on … to the effect that in lieu of a monthly compensation payment of EUR …, Mr./Ms. … shall only receive EUR … per month. Additionally, the term of the covenant not to compete shall be limited to the period from … to … or The Parties hereby cancel the post-contractual covenant not to compete with immediate effect. or The post-contractual covenant not to compete stipulated in § … of the employment agreement of … shall apply for the period from … to … The compensation payment for this covenant not to compete is contained in full in the severance payment pursuant to § 2 of this Termination Agreement. In all other respects, the post-contractual covenant not to compete shall be governed by the provisions of the employment agreement and sec. 74 ff. of the German Commercial Code (HGB).

§ 12 Business and trade secrets, good conduct Mr./Ms. … shall be obligated to maintain secrecy with regard to all confidential internal company matters that have become known to him/her in the course of his/her activity, particularly any business and trade secrets and not to exploit them either for his/her own purposes or to the benefit of third parties. This applies in particular to the following manufacturing procedures/formulae: … . The obligation to safeguard business and trade secrets, as determined by law and post-contractual duty of trust, shall continue to remain in force after the employment relationship ends as well. Should the post-contractual confidentiality duty unreasonably hinder Mr./Ms. … in his/her professional advancement, he/she shall have the right to demand that the Company releases him/her from this duty. if applicable Both sides undertake to refrain from making any negative statements regarding the respective other side. Lingemann

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

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or The Company hereby retracts all negative allegations regarding Mr./Ms. … Mr./Ms. … affirms that he/she will not make any negative statements about the Company.

§ 13 Company pension The Parties agree that Mr./Ms. … has not acquired any vested expectancies pursuant to the Company Pension Act (Betriebsrentengesetz). or Mr./Ms. … has acquired a vested claim/a vested right to payment under the Company’s pension plan. The certification pursuant to sec. 4a of the Company Pension Act (Betriebsrentengesetz) shall be issued separately. or The Parties agree that Mr./Ms. … has acquired a vested expectancy on the basis of the Company’s pension plan. Based on this expectancy, the claim to old age benefits, which commences at the age of …, amounts to EUR … The Parties agree that these old age benefits pursuant to sec. 3 (2) of the Company Pension Act (Betriebsrentengesetz) will be compensated on an actuarial basis. Mr./Ms. … will therefore receive a one-time lump sum of EUR …, payable on …, with which all claims under the Company pension plan are discharged. or Mr./Ms. … has acquired a vested expectancy on the basis of the Company’s pension plan. Upon reaching the normal statutory age of retirement, Mr./Ms. … shall have a claim for payment that shall not be reduced pursuant to sec. 2 (1) sent. 1 of the Company Pension Act (Betriebsrentengesetz). or With the termination of the employment relationship, the Company assigns the direct insurance (policy no …) that was taken out with the insurance company … to Mr./Ms. … and will render the necessary declarations/notifications in the appropriate form to the insurer at its own expense. or The Company shall grant Mr./Ms. … the right to continue the direct insurance policy no. … with his/her own contributions and will render all necessary declarations for this purpose. or At Mr./Ms. …’s request, the Company undertakes to transfer the company pension plan in accordance with its commitment of … to the new employer to be designated by Mr./Ms. …

§ 14 Reference Mr./Ms. … shall receive the qualified reference attached to this Termination Agreement. or Mr./Ms. … shall receive the interim reference attached to this Termination Agreement. On …, Mr./ Ms. … shall receive a final reference identical to the interim reference, which shall end with the sentence: „Mr./Ms. … left the Company on … of his/her own volition/due to a dismissal for operational reasons. We regret his/her departure and wish him/her all the best in his/her future endeavors.“ or Mr./Ms. … shall receive a favorable qualified final reference, in which his/her conduct and performance shall be rated „good“ and which shall end with the following sentence: „Mr./Ms. … is leaving us of his/her own volition. We regret his/her departure and wish him/her all the very best in his/ her private and future endeavors.“

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Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

§ 15 Company documents Mr./Ms. … shall return all documents belonging to the Company on …, specifically … or Mr./Ms. … declares that he/she – has turned in the keys and access card to the research and development center, as well as all other keys to Company buildings and installations, and with regard to IT use, Mr./Ms. … has notified the Company of any passwords, PIN code or blocked access known to him/her and shall not make any further use thereof himself/herself. – (2) has returned to the Company in full all items, goods, devices, apparatuses provided to him/ her by the Company and all documents that came about in connection with his/her activity with the Company. Such documents include inter alia company identification, gas station identification card, business papers, hard and software, including disks, and all stored data and information pertaining to the Company and its affiliates, drawings, sketches, letters, call reports, test evaluations, handwritten notes, photos, literature, etc. as well as copies and reproductions of these documents, regardless of the data carrier.

§ 16 Expenses Any outstanding travel or expense accounting shall be accounted for by … Any existing advance payments on travel or expenses must be repaid by …

§ 17 Right of retention The Parties shall not be entitled to a right of retention with regard to the obligations deriving from this Termination Agreement.

§ 18 Prohibition of setoff The Parties may not perform setoffs against any financial obligations deriving from this Termination Agreement. This shall not apply where setoffs are performed with undisputed or final and binding claims.

§ 19 Certificate of employment The Company shall issue Mr./Ms. … a certificate of employment pursuant to sec. 312 (1) of the Social Security Code (SGB) III. if applicable

§ 20 Litigation/costs Mr./Ms. …undertakes to withdraw the complaint pending before the Labor Court (ArbG) …/Higher Labor Court (LAG) …/Federal Labor Court (BAG) (Case No.: …) without delay following the signature of this Agreement/upon receiving the securities pursuant to § 25/after receiving the severance payment pursuant to § 2. Each Party shall bear its own out-of-court costs and half of the court costs incurred. or The Company shall assume the court costs incurred; each Party shall bear its own out-of-court costs. or The costs shall cancel each other out. or The Company shall reimburse Mr./Ms. … for the costs he/she incurred due to the engagement of the attorney … in the amount of EUR … or Lingemann

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.1b

The Company shall reimburse Mr./Ms. … for attorneys’ fees on the basis of a value of dispute of EUR … at a rate of … fees plus expenses.

§ 21 Confidentiality Clause Mr./Ms. … undertakes to maintain confidentiality with respect to the financial content of this Agreement vis-à-vis all others, unless he/she is legally obligated to provide information or the information must be disclosed to public authorities for tax or social security reasons or to courts in order to protect legal claims.

§ 22 Instruction Mr./Ms. … confirms that he/she has been informed of potential disadvantages that may be incurred under the social security laws and that a binding decision on this will be made by the social security carrier that is called upon and obligated to provide information.

§ 23 Remark pursuant to sec. 38 Social Security Code (SGB) III Mr./Ms. … is informed of his/her duty to seek employment promptly pursuant to sec. 38 of the Social Security Code III. He/She shall be obligated to register personally with the Agency for Labor (Agentur für Arbeit) to seek employment no later than three months prior to the termination of the employment relationship. Should less than three months elapse between the knowledge of the last day of employment and the termination of the employment relationship, the registration shall occur within three days of obtaining knowledge of the termination date. For compliance with the time period set forth in the two preceding sentences, a notification stating the personal data and the termination date shall be sufficient if the personal registration is performed upon appointment. The registration duty exists regardless of whether the continued existence of the employment relationship is claimed in court or the Company holds out the prospect of such a relationship. Mr./Ms. … remains obligated to actively seek employment.

§ 24 Statements The Parties shall issue press releases and other announcements to an undefined group of people only in a form agreed upon between them. The Parties agree upon the following wording as a guiding principle: „ …“/shall develop a text to be used as a guiding principle immediately following the conclusion of this Agreement.

§ 25 Securities With five days of signing this Termination Agreement, the Company shall be obligated to present an absolute, irrevocable bank guarantee for an unlimited period issued by a German bank in the amount of EUR … as security for the severance payment owed pursuant to sec. 2. Should the bank guarantee not be presented in time and legally proper form, this Termination Agreement shall be deemed not to have been concluded.

§ 26 Discharge clause The Parties agree that with the fulfillment of this Agreement, all reciprocal claims arising from the employment relationship and its termination, regardless of their legal grounds, be they known or unknown, are discharged. The same applies to claims in connection with the employment relationship and its termination. No discharge shall be made of claims for the statutory minimum remuneration. or No discharge shall be made of – claims which cannot be waived by the Parties or not without the participation of third parties or – claims which are for the statutory minimum remuneration.

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M 23.2

Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

if applicable However, the Parties agree that the statutory minimum remuneration has been paid in full/the vacation has been fully granted in kind. if applicable Should the Company draw up a social plan (Sozialplan) in the year …, which provides for compensation payments for employees who lose their jobs, and should a higher compensation sum for Mr./Ms. … result from this social plan than that provided for in this Agreement, then notwithstanding this Agreement, the severance payment shall be calculated in accordance with the social plan. The claim deriving from the social plan shall then be set off against the severance payment pursuant to sec. 2 of this Agreement.

§ 27 Severability clause Should a provision of this Agreement be invalid, this shall not affect the validity of the remaining provisions. In the event of an invalid provision, the Parties shall be obliged to negotiate a valid and reasonable substitute provision which comes as close as possible to the economic purpose the Parties had pursued with the invalid provision. … (City, date)

… (signature of employee and employer)

Return of the employment documents: Mr./Ms. … hereby confirms that he/she has received his/her employment documents. … (City, date)

M 23.2

… (signature of employee)

Abwicklungsvertrag § 1 Beendigung

Beide Seiten sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund der Kündigung vom … mit Ablauf des … enden wird. oder Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis am … fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen zum … gekündigt.

§ 2 Klageverfahren/Kosten (1) Herr/Frau …erhebt keine Kündigungsschutzklage. oder Herr/Frau …verpflichtet sich, die beim ArbG …/LAG …/BAG anhängige Klage (Az. …) unverzüglich nach Unterzeichnung dieses Vertrages/nach Erhalt der Sicherheiten gemäß § …/nach Erhalt der Abfindung gemäß § … zurückzunehmen.1

1 Eine solche Regelung zum Verzicht auf gerichtliche Geltendmachung seiner Rechte bzw. Klagrücknahme durch den Arbeitnehmer soll als unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein, wenn sie ohne Gegenleistung, etwa in Form einer Abfindung, erfolgt (BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 sowie Rz. 33). Sie sollte vorsorglich drucktechnisch besonders hervorgehoben werden, damit sie nicht als überraschend nach § 305c BGB eingestuft wird (vgl. auch LAG Köln v. 24.11.1999, LAGE § 4 KSchG Ausgleichsquittung Nr. 4 und LAG Berlin v. 18.1.1993, LAGE § 4 KSchG Ausgleichsquittung Nr. 3).

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Kap. 23

Einvernehmliche Beendigung

M 23.3

(2) Jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten und die Hälfte der entstandenen Gerichtskosten. oder (2) Der Arbeitgeber übernimmt die entstandenen Gerichtskosten; jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. oder (2) Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. oder (2) Der Arbeitgeber erstattet Herrn/Frau … die diesem/dieser durch die Inanspruchnahme von Rechtsanwalt … entstandenen Kosten iHv. Euro …

§§ 3 ff. (vgl. M 23.1a)

M 23.3

Klage wegen Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Aufhebungsvertrag vom … unwirksam ist. 2. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom … nicht geendet hat. 3. und 4. (s. M 22.17, Ziff. 2 und 3)

Begründung: Der Kl. ist bei der Bekl., die ständig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit … als Abteilungsleiter mit einem Gehalt von zuletzt Euro … monatlich tätig. Am … wurde der Kl. überraschend in das Büro des Personalleiters gebeten. Dort wurde ihm ein Schreiben überreicht, in dem eine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde. Beweis: Kündigungsschreiben vom …, Anlage K 1 Mündlich wurde die Kündigung damit begründet, der Kl. habe hinter dem Rücken der Bekl. eine Beratertätigkeit für das Konkurrenzunternehmen Y-GmbH aufgenommen. Der Kl. bestritt diese Vorwürfe sofort. Der Personalleiter erklärte daraufhin, für das Unternehmen sei die Indizienkette lückenlos. Der Kl. habe aber die Möglichkeit, die Sache „aus der Welt zu schaffen“. Der Personalleiter legte dem Kl. daraufhin einen Aufhebungsvertrag vor, der eine Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum … nebst sofortiger Freistellung sowie eine Abfindung von Euro 2 000,– vorsah. Als der Kl. sich weigerte, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, drohte ihm der Personalleiter eine Schadensersatzklage „in Millionenhöhe“ an. Außerdem werde man ansonsten am nächsten Tag die Belegschaft durch Aushang darüber informieren, dass der Kl. ab sofort „wegen gravierender Ver-

1 S. M 101.1 und M 101.2.

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Lingemann/Diller

M 23.3

Einvernehmliche Beendigung

Kap. 23

stöße gegen seine Treuepflicht“ nicht mehr im Hause tätig sei. Aus Angst, von der Bekl. in ruinöse Schadensersatzprozesse verwickelt zu werden und seinen guten Ruf zu verlieren, unterzeichnete der Kl. daraufhin den Aufhebungsvertrag. Vor Unterzeichnung bat er noch um einen Tag Bedenkzeit, um die Sache in Ruhe überlegen zu können. Daraufhin erwiderte der Personalleiter, wenn der Kl. den Raum verlasse, ohne unterschrieben zu haben, sei das Angebot des Unternehmens vom Tisch und man werde wie angekündigt vorgehen. Beweis:2 Zeugnis des Personalleiters … der Bekl., zu laden über diese Der Kl. hat den Aufhebungsvertrag am … mit Anwaltsschreiben vom … widerrufen und zugleich unter allen denkbaren Gesichtspunkten angefochten. Beweis: Schreiben des Unterzeichners vom …, Anlage K 2 Mit dem Klageantrag Ziff. 1 macht der Kl. die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages gemäß §§ 123, 142 BGB geltend. Die Anfechtung ist wegen widerrechtlicher Drohung begründet. Der Kl. ist nie für eine Konkurrenzfirma tätig gewesen. Folglich können der Bekl. auch keine Schadensersatzansprüche entstanden sein. Die Bekl. hatte keine vernünftigen Anhaltspunkte, eine Konkurrenztätigkeit des Kl. zu vermuten. Noch weniger Anhaltspunkte hatte sie für das Entstehen eines hohen Schadens. Sie hätte deshalb dem Kl. nicht mit einer Schadensersatzklage in Millionenhöhe drohen dürfen. Noch viel weniger war die Bekl. berechtigt, dem Kl. ein öffentliches „an den Pranger stellen“ anzudrohen. Selbst wenn die Vorwürfe zuträfen und der Kl. tatsächlich für eine Konkurrenzfirma tätig geworden wäre, würde dies nicht eine öffentliche Beschimpfung rechtfertigen. Dass es der Bekl. mit ihrer Vorgehensweise darum ging, den Kl. unter massiven Druck zu setzen und zu überrumpeln, zeigt sich auch daran, dass ihm keine Bedenkzeit eingeräumt wurde. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 wendet sich der Kl. vorsorglich gegen die am … ausgesprochene fristlose Kündigung.3 Diese Kündigung sollte zwar gemäß § 3 des Aufhebungsvertrages vom gleichen Tag als zurückgenommen angesehen werden. Auf Grund der Anfechtung des Aufhebungsvertrages ist diese Rücknahmewirkung jedoch entfallen, so dass die Kündigung möglicherweise wieder in der Welt ist. Die Kündigung ist jedoch unwirksam, da keine Kündigungsgründe gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Im Übrigen wird die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats mit Nichtwissen bestritten.4

2 Für das Vorliegen der Anfechtungsgründe trägt der Arbeitnehmer nach allgemeinen Beweislastregeln die volle Beweislast. Er muss also beweisen, dass der Arbeitgeber ihn widerrechtlich bedroht hat, wobei der Arbeitgeber sich das Verhalten von Vorgesetzten des Arbeitnehmers zurechnen lassen muss, da diese gem. § 278 BGB insoweit seine Erfüllungsgehilfen sind. 3 Wichtig: Die isolierte Anfechtung des Aufhebungsvertrages ist nur dann ausreichend, wenn der Aufhebungsvertrag an Stelle einer Kündigung abgeschlossen wurde. Denn dann steht mit der erfolgreichen Anfechtung des Aufhebungsvertrages fest, dass das Arbeitsverhältnis weiter besteht. Anders ist es dagegen, wenn dem Aufhebungsvertrag eine Kündigung vorausgegangen ist. Denn dann lebt durch die Anfechtung des Aufhebungsvertrages die Kündigung wieder auf. Ist die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG noch nicht abgelaufen, ist das kein Problem. Unklar ist allerdings, was nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist gilt. Es spricht einiges dafür, dass der Lauf der Drei-Wochen-Frist so lange gehemmt ist, wie der Aufhebungsvertrag unangefochten besteht, so dass bei Abschluss des Aufhebungsvertrages eine Woche nach der Kündigung nach einer wirksamen Anfechtung noch zwei Wochen für die Erhebung der Klage bleiben. Allerdings sollte immer vorsorglich der Antrag auf nachträgliche Zulassung gem. § 5 KSchG (s. M 22.20) gestellt werden. Kein Weg vorbei geht allerdings an der sechsmonatigen Ausschlussfrist für Anträge auf nachträgliche Zulassung gem. § 5 Abs. 3 KSchG. Lässt der Arbeitnehmer sich also länger als sechs Monate und drei Wochen mit der Anfechtung Zeit (nach § 124 BGB beträgt die Anfechtungsfrist bei widerrechtlicher Drohung ein Jahr), so beseitigt zwar die Anfechtung den Aufhebungsvertrag, gegen die Kündigung ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts mehr zu machen (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, Rz. I. 224). 4 S. M 22.18 Fn. 11.

Diller

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Kap. 24

Zeugnis

… (Unterschrift)5 5 Der Streitwert sollte hinsichtlich der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages analog § 42 Abs. 2 GKG mit einem Vierteljahresbezug angesetzt werden. Wird zusätzlich auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung geklagt, kommt es auf die alte Streitfrage an, ob beim Streit über mehrere Beendigungstatbestände jeweils ein Vierteljahresbezug anzusetzen ist oder nur einmal. Nach richtiger Auffassung ist der Streitwert nach § 42 Abs. 2 GKG für jeden streitigen Beendigungstatbestand anzusetzen. Dabei verringert sich der Streitwert der früheren Beendigungstatbestände, wenn zwischen ihnen und dem letzten Beendigungstatbestand weniger als drei Monate liegen, entsprechend, wobei allerdings der Streitwert jedes einzelnen Beendigungstatbestandes richtigerweise mindestens ein Bruttomonatsgehalt betragen sollte (LAG Niedersachsen v. 1.2.2006 – 4 Ta 31/06, AE 2007, Nr. 519).

M 23.4

Verzicht auf § 17 KSchG §1

Die Parteien haben am … einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Herr/Frau … bestätigt, dass der Vertrag auch wirksam ist, wenn keine Anzeige nach § 17 KSchG erfolgt.1 … (Arbeitgeber)

… (Arbeitnehmer)

1 Auch die Entlassung aufgrund eines Aufhebungsvertrags bedarf, sofern sie Teil einer Massenentlassung ist, der Anzeige nach § 17 KSchG (vgl. Rz. 22 aE; BAG v. 11.3.1999, DB 1999, 1073). Neben dem hier vorgeschlagenen nachträglichen Verzicht kommt auch eine Nachholung der Anzeige nach § 17 KSchG in Betracht. Zu den Einzelheiten vgl. Bauer/Powietzka, DB 2000, 1073.

Kapitel 24 I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Einführung Zeugnisanspruch . . . . . . . . . . . . . . . Zeugnisarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht, Verwirkung, Verjährung . . . Formalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfaches Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GewO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussformulierung . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung, Widerruf und Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . Haftung des Arbeitgebers . . . . . . . . .

982 Diller/Lingemann

Zeugnis . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

. 1 . 7 . 10 . 11 . 12

. . 15 . . 16 . . 22 . . 23

. . 24 . . 24a . . 26

_ _ _ _ _ _ _ _ _

II. Muster Einfaches Zeugnis – kurze Form . . . . . . . Einfaches Zeugnis – ausführliche Form . . Zwischenzeugnis für einen/eine Buchhalter/Buchhalterin mit guter Bewertung . Qualifiziertes Zeugnis mit guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für einen Buchhalter/eine Buchhalterin mit guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für einen Leiter/ eine Leiterin Controlling mit sehr guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für eine Assistentin mit unterdurchschnittlicher Bewertung . . Klage auf Erteilung eines Zeugnisses . . . . Klage auf Berichtigung eines Zeugnisses .

M . . 24.1 M . . 24.2 M . . 24.3 M . . 24.4 M . . 24.5 M . . 24.6 M . . 24.7 M . . 24.8 M . . 24.9

Kap. 24

Zeugnis

… (Unterschrift)5 5 Der Streitwert sollte hinsichtlich der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages analog § 42 Abs. 2 GKG mit einem Vierteljahresbezug angesetzt werden. Wird zusätzlich auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung geklagt, kommt es auf die alte Streitfrage an, ob beim Streit über mehrere Beendigungstatbestände jeweils ein Vierteljahresbezug anzusetzen ist oder nur einmal. Nach richtiger Auffassung ist der Streitwert nach § 42 Abs. 2 GKG für jeden streitigen Beendigungstatbestand anzusetzen. Dabei verringert sich der Streitwert der früheren Beendigungstatbestände, wenn zwischen ihnen und dem letzten Beendigungstatbestand weniger als drei Monate liegen, entsprechend, wobei allerdings der Streitwert jedes einzelnen Beendigungstatbestandes richtigerweise mindestens ein Bruttomonatsgehalt betragen sollte (LAG Niedersachsen v. 1.2.2006 – 4 Ta 31/06, AE 2007, Nr. 519).

M 23.4

Verzicht auf § 17 KSchG §1

Die Parteien haben am … einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Herr/Frau … bestätigt, dass der Vertrag auch wirksam ist, wenn keine Anzeige nach § 17 KSchG erfolgt.1 … (Arbeitgeber)

… (Arbeitnehmer)

1 Auch die Entlassung aufgrund eines Aufhebungsvertrags bedarf, sofern sie Teil einer Massenentlassung ist, der Anzeige nach § 17 KSchG (vgl. Rz. 22 aE; BAG v. 11.3.1999, DB 1999, 1073). Neben dem hier vorgeschlagenen nachträglichen Verzicht kommt auch eine Nachholung der Anzeige nach § 17 KSchG in Betracht. Zu den Einzelheiten vgl. Bauer/Powietzka, DB 2000, 1073.

Kapitel 24 I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Einführung Zeugnisanspruch . . . . . . . . . . . . . . . Zeugnisarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht, Verwirkung, Verjährung . . . Formalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfaches Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GewO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussformulierung . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung, Widerruf und Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . Haftung des Arbeitgebers . . . . . . . . .

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Zeugnis . . . . .

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. 1 . 7 . 10 . 11 . 12

. . 15 . . 16 . . 22 . . 23

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II. Muster Einfaches Zeugnis – kurze Form . . . . . . . Einfaches Zeugnis – ausführliche Form . . Zwischenzeugnis für einen/eine Buchhalter/Buchhalterin mit guter Bewertung . Qualifiziertes Zeugnis mit guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für einen Buchhalter/eine Buchhalterin mit guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für einen Leiter/ eine Leiterin Controlling mit sehr guter Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifiziertes Zeugnis für eine Assistentin mit unterdurchschnittlicher Bewertung . . Klage auf Erteilung eines Zeugnisses . . . . Klage auf Berichtigung eines Zeugnisses .

M . . 24.1 M . . 24.2 M . . 24.3 M . . 24.4 M . . 24.5 M . . 24.6 M . . 24.7 M . . 24.8 M . . 24.9

Zeugnis

Rz. 4 Kap. 24

Literatur: Adam, Praxisprobleme des Zeugnisrechts, MDR 2005, 553; Berkowsky, Der arbeitsrechtliche Zeugnisanspruch in der Insolvenz, NZI 2008, 224; Berscheid, Zeugnis, in Handwörterbuch des Arbeitsrechts, Loseblatt; Burkard-Pötter, Das Arbeitszeugnis, NJW-Spezial 2013, 50; Dachrodt, Zeugnisformulierungen und ihre Bedeutung, dbr 2006, Nr. 9, 16; Düwell/Dahl, Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis, NZA 2011, 958; Ecklebe, Das Arbeitszeugnis – Viel Lärm um Nichts oder ein Relikt aus vergangenen Tagen?, DB 2015, 923; Fischer, Das Arbeitszeugnis: Zankapfel, Gefälligkeitspapier oder Transferhilfe? Versuch einer Standortbestimmung, FA 2004, 7; Fischer, „Zu unserer vollen Zufriedenheit“, AiB 2005, 425; Gäntgen, Die Leistungsbeurteilung im Arbeitszeugnis, RdA 2016, 147; Grimm, Das Zeugnis, AR-Blattei SD 1850; Höfers/Hinrichs, Personalbeurteilung einerseits – Zeugniserstellung andererseits, AiB 2009, 703; Howald, Die Durchsetzung von Zeugnisansprüchen, FA 2012, 197; Huber/Müller, Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis, 16. Aufl. 2016; Kolbe, Zeugnisberichtigung und Beweislast, NZA 2015, 582; Korinth, Prozessuale Stolpersteine auf dem Weg zum Arbeitszeugnis, ArbRB 2004, 321; PWW/Lingemann, 11. Aufl. 2016, § 630 Rz. 1 ff.; Löw, Neues vom Arbeitszeugnis, NZA-RR 2008, 561; Löw, Aktuelle Rechtsfragen zum Arbeitszeugnis, NJW 2005, 3605; Mauritz/Wischnath, Arbeitszeugnisse, AiB 2006, 222; Moderegger, Zeugnisse – Sein oder Schein?, ArbRB 2006, 240; Mühlhausen, Die Erwähnung von Ausfallzeiten im Arbeitszeugnis, NZA-RR 2006, 337; Noe, Ansprüche auf Arbeitszeugnisse erfolgreich vollstrecken, AA 2009, 2; Novak, Zeugnisgestaltung aus Arbeitgebersicht – Wahrheit oder Pflicht?, ArbR Aktuell 2015, 443; Ostermaier, Das Arbeitszeugnis in der Zwangsvollstreckung, FA 2009, 297; Popp, Das formal korrekte Arbeitszeugnis, DB 2016, 1075; Roth, Das Arbeitszeugnis – Einzelfragen, FA 2002, 9; Schleßmann, Historisches zum Arbeitszeugnis, NZA 2006, 1392; Schleßmann, Zwei Fragen zum Arbeitszeugnis, BB 2015, 2421; Schulz, Alles über Arbeitszeugnisse, 9. Aufl. 2015; Schwirtzek, Zeugnisse „stets einwandfrei“ – Rechtsprechung und Checklisten, AuA 2005, 714; Spiegelhalter, Beck’sches Personalhandbuch Bd. I, Arbeitsrechtslexikon, Loseblatt, Stichwort Zeugnis; Stiller, Der Zeugnisanspruch in der Insolvenz des Arbeitgebers, NZA 2005, 330; Stück, Das Arbeitszeugnis, MDR 2006, 791.

I. Einführung 1. Zeugnisanspruch Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis.

1

Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer, also auch Teilzeitbeschäftigte, leitende Angestellte, Heimarbeiter, Werkstudenten, Arbeitnehmer in einem Probe- und Aushilfsverhältnis sowie Handlungsgehilfen iSd. § 84 Abs. 2 HGB. Der Zeugnisanspruch des Auszubildenden ist in § 16 BBiG geregelt, auf den § 26 BBiG für Praktikanten und Volontäre verweist. Bei Leiharbeitnehmern richtet sich der Zeugnisanspruch gegen den Verleiher. Auch Organmitglieder haben jedenfalls dann einen Anspruch auf Zeugniserteilung, wenn sie keine oder nur unwesentliche Gesellschaftsanteile besitzen.1

2

Arbeitnehmerähnliche Personen und Heimarbeiter, Einfirmenvertreter nach § 92a HGB können ein Zeugnis nach § 630 Satz 1 BGB verlangen; freie Handelsvertreter iSd. § 84 Abs. 1 HGB haben hingegen keinen Anspruch, denn sie sind nicht Arbeitnehmer, sondern Kaufleute. Freie Mitarbeiter haben einen Anspruch auf ein Zeugnis wohl nur, wenn es sich um ein dauerndes Dienstverhältnis handelt, nicht aber bei gelegentlicher Übernahme von Beratungsaufträgen.2

3

Verpflichtet zur Erteilung des Zeugnisses ist der Arbeitgeber, der sich durch Betriebsangehörige vertreten lassen kann, soweit diese in der Hierarchie über dem anspruchstellenden Arbeitnehmer angesiedelt sind.3 Eine Vertretung durch Externe, zB einen Rechtsanwalt, scheidet

4

1 BGH v. 9.11.1967, NJW 1968, 396; LAG Hessen v. 16.7.2015 – 12 Ta 510/14. 2 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 2; PWW/Lingemann, § 630 BGB Rz. 1. 3 Vgl. BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 507/04, NZA 2006, 436; BAG v. 26.6.2001, AP Nr. 27 zu § 630 BGB; LAG Hessen v. 6.2.2015 – 3 Sa 266/14.

Lingemann

983

Kap. 24 Rz. 5

Zeugnis

aus.4 Bei Insolvenz des Arbeitgebers richtet sich der Anspruch gegen den Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausscheidet, andernfalls gegen den Insolvenzverwalter, der sich ggf. beim Gemeinschuldner über die zur Beurteilung erforderlichen Tatsachen unterrichten muss.5 Das Gleiche gilt sinngemäß, soweit nach dem Tod des Arbeitgebers die Erben zur Zeugniserteilung verpflichtet sind.6 Scheidet der Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB aus, so muss der Übernehmer das Zeugnis erstellen. Der Arbeitnehmer hat gegen den früheren Arbeitgeber jedoch unter Umständen einen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis.7 5

Ein Zeugnis ist nur auf Verlangen des Arbeitnehmers zu erstellen; nur Auszubildende (§ 16 Abs. 1 BBiG), Praktikanten und Volontäre (vgl. § 26 iVm. § 16 Abs. 1 BBiG) haben davon unabhängig einen Anspruch.8 Das Verlangen muss sich auch darauf erstrecken, welche Art Zeugnis gewünscht ist, insbesondere, ob ein qualifiziertes oder ein einfaches Zeugnis verlangt wird (s. Rz. 7).

6

Fällig ist das Zeugnis gemäß § 109 GewO, § 630 BGB, § 16 BBiG „bei Beendigung“ des Vertrages. Das Zeugnis wird jedoch nicht erst fällig, wenn das Arbeitsverhältnis auch rechtlich beendet ist; es reicht aus, wenn die Beendigung auf Grund der rechtlichen Rahmenbedingungen absehbar ist. Das ist der Fall, wenn eine Kündigung ausgesprochen oder ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde oder der Ablauf der Befristung bevorsteht. Auch die Erhebung der Kündigungsschutzklage schiebt die Fälligkeit des Zeugnisses nicht hinaus.9 Trotz Fälligkeit ist der Zeugnisanspruch für den Arbeitgeber regelmäßig erst dann erfüllbar, wenn der Arbeitnehmer von seinem Wahlrecht, ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis zu verlangen, Gebrauch gemacht hat.10 Das Zeugnis ist unverzüglich nach Ausübung des Wahlrechtes zu erstellen. Notwendig ist allerdings die Einräumung einer angemessenen Bearbeitungszeit, die von den betrieblichen Umständen abhängt. Dabei kann eine Bearbeitungszeit von zwei bis drei Wochen noch angemessen sein.11 Bei Verzug haftet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB auf Schadensersatz. 2. Zeugnisarten

7

Nach dem Inhalt des Zeugnisses unterscheidet man zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis, nach dem Zeitpunkt der Zeugniserteilung zwischen einem vorläufigen Zeugnis, einem Zwischenzeugnis und einem Endzeugnis.

8

Das einfache Zeugnis nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (M 24.1 und M 24.2). Das qualifizierte Zeugnis nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO enthält darüber hinaus Aussagen über die Leistung und Führung im Arbeitsverhältnis (M 24.3 ff.).

9

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Wunsch ein einfaches oder ein qualifiziertes Endzeugnis auszustellen (Rz. 7, 8). Ist der Zeugnisanspruch schon fällig, das Arbeitsverhältnis aber rechtlich noch nicht beendet, so dass das

4 5 6 7 8 9 10 11

LAG Hamm v. 17.6.1999 – 4 Sa 2587/98, MDR 2000, 590; v. 2.11.1966, DB 1966, 1815. BAG v. 23.6.2004, NZA 2004, 1392. BAG v. 30.1.1991 – 5 AZR 32/90, DB 1991, 1626. Vgl. Küttner/Reinecke, Zeugnis, Rz. 11; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 50. LAG Hamm v. 27.2.1997 – 4 Sa 1691/96, NZA-RR 1998, 151. BAG v. 27.2.1987, DB 1987, 1845. LAG Schl.-Holst. v. 1.4.2009, AuA 2009, 485; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 7. Vgl. LAG Schl.-Holst. v. 1.4.2009, AuA 2009, 485.

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Lingemann

Zeugnis

Rz. 10 Kap. 24

Zeugnis noch inhaltlichen Veränderungen gegenüber offen sein muss, kann der Arbeitgeber das Zeugnis als „vorläufiges“ Zeugnis bezeichnen.12 Das vorläufige Zeugnis wird mit rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen ein „End“-Zeugnis ausgetauscht. Das in der Praxis deutlich häufigere Zwischenzeugnis kann der Arbeitnehmer verlangen, wenn das Arbeitsverhältnis noch besteht13 und ein berechtigtes Interesse dafür vorliegt (M 24.3).14 Häufigster Fall sind Änderungen im Arbeitsbereich wie Versetzungen oder Bewerbungen innerhalb des Betriebes, Unternehmens oder Konzerns, der Wechsel eines Vorgesetzten,15 Kündigungen mit längerer Kündigungsfrist,16 ein zu erwartender Betriebsübergang17 oder vergleichbare Änderungen der Unternehmensstruktur. In Betracht kommen aber auch Maßnahmen, die Dritte von der Vorlage eines Zeugnisses abhängig machen, beispielsweise Kreditanträge, Bewerbungen oder beabsichtigte Fort- oder Weiterbildungen. Schließlich kann ein Zwischenzeugnis auch verlangt werden, wenn mit einem längeren Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu rechnen ist, beispielsweise bei bevorstehendem Wehr- oder Zivildienst oder auch Elternzeit18 (vgl. dazu Kap. 17). Während des Verlaufs eines Kündigungsschutzprozesses hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er ein Endzeugnis oder ein Zwischenzeugnis verlangt.19 Die Anspruchsvoraussetzungen sind relativ weit; das Zwischenzeugnis soll meist verhindern, dass infolge eines Wechsels der beurteilenden Person oder des Arbeitgebers die Beurteilung für spätere Zeugnisse verloren geht. Hat ein Arbeitgeber vor Ausscheiden eines Arbeitnehmers ein Zwischenzeugnis erteilt, so ist er an die in dem Zwischenzeugnis enthaltene Bewertung von Führung und Leistung des Mitarbeiters gebunden, es sei denn, es sind inzwischen Tatsachen bekannt geworden, die eine Änderung verlangen.20 Dies gilt auch, wenn bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB der Betriebsveräußerer das Zwischenzeugnis vor dem Übergang bereits erteilt hat und der Arbeitnehmer das Endzeugnis vom Betriebserwerber verlangt.21 3. Holschuld Da das Zeugnis zu den Arbeitspapieren zählt, muss der Arbeitnehmer es nach Maßgabe von § 269 Abs. 2 BGB beim Arbeitgeber abholen.22 In der Praxis wird es jedoch häufig vom Arbeitgeber geschickt. Hatte der Arbeitnehmer das Zeugnis rechtzeitig vorher verlangt und hält der Arbeitgeber es nicht bei Fälligkeit bereit, so soll er jedoch auf Grund des entstehenden Verzuges zur Übermittlung des Zeugnisses an den Arbeitnehmer verpflichtet sein.23

12 LAG Schleswig-Holstein v. 1.4.2009, AuA 2010, 553; Novak, ArbR Aktuell, 2015, 520. 13 Vgl. LAG Rh.-Pf. v. 26.10.2007 – 9 Sa 307/07, das den Antrag einer Arbeitnehmerin, die trotz Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im Berufungsverfahren weiterhin die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses geltend machte, als unbegründet abgewiesen hat. 14 Vgl. BAG v. 21.1.1993 – 6 AZR 171/92, DB 1993, 2134; v. 1.10.1998 – 6 AZR 176/97, NZA 1999, 894. 15 BAG v. 1.10.1998 – 6 AZR 176/97, NZA 1999, 894; LAG Köln v. 2.2.2000, NZA-RR 2000, 419. 16 LAG Hamm v. 13.2.2007, NZA-RR 2007, 486. 17 BAG v. 21.1.1993 – 6 AZR 171/92, DB 1993, 2134. 18 Vgl. hierzu LAG Köln v. 30.8.2007, AE 2008, 276. 19 LAG Hamm v. 13.2.2007, NZA-RR 2007, 486. 20 BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, NZA 2008, 298, 300; vgl. auch LAG Schl.-Holst. v. 23.10.2007, LAGE § 109 GewO 2003 Nr. 5. 21 BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, NZA 2008, 298. 22 BAG v. 8.3.1995 – 5 AZR 848/93, BB 1995, 1355; LAG Bdb. v. 6.2.2013, LAGE § 109 GewO 2003 Nr. 10. 23 BAG v. 8.3.1995 – 5 AZR 848/93, BB 1995, 1355.

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Kap. 24 Rz. 11

Zeugnis

4. Verzicht, Verwirkung, Verjährung 11

Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer nicht auf das Zeugnis verzichten; auch allgemeine Ausgleichsklauseln erfassen den Zeugnisanspruch nicht.24 Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses dürfte der Anspruch jedoch verzichtbar sein.25 In Formularverträgen vereinbarte Ausschlussfristen unterliegen zwar der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.26 Grundsätzlich unterfallen Zeugnisse aber vertraglichen27 und tariflichen Ausschlussfristen.28 Davon unabhängig kann der Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis verwirken, wenn vom Arbeitgeber nach einer längeren Zeit nicht mehr erwartet werden kann, dass er Führung und Leistung noch zutreffend beurteilt. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer sein Recht über längere Zeit hinweg nicht ausgeübt hat (Zeitmoment) und bei dem Arbeitgeber dadurch die Überzeugung hervorgerufen hat, er werde sein Recht nicht mehr durchsetzen (Umstandsmoment).29 Ein Zeitraum von zehn Monaten kann im Einzelfall ausreichen, wenn der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum gänzlich untätig geblieben ist,30 aber natürlich nicht, wenn er gegenüber dem Arbeitgeber mehrfach versucht hat, seinen Zeugnisanspruch durchzusetzen.31 Für ein einfaches Zeugnis dürfte die Verwirkung wesentlich später eintreten, da dieses auch problemlos später noch erstellt werden kann.32 Im Übrigen gilt für den Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB.33 Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses entstanden und der Arbeitnehmer von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. 5. Formalien

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Im Zeugnis ist die Person des Arbeitnehmers mit vollständigem Namen und offiziell verliehenen Titeln aufzunehmen.34 Die Zeugnissprache ist – auch für ausländische Arbeitnehmer – 24 BAG v. 16.9.1974, NJW1975, 407. 25 Im Rahmen von Prozessvergleichen finden sich häufig Formulierungen mit dem Inhalt, dass mit Erfüllung des Vergleichs „sämtliche gegenseitige Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis, dessen Beendigung und dem Rechtsstreit“ ausgeglichen seien. Eine solche Klausel umfasst nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg v. 6.12.2011, BB 2012, 380, auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses; anders BAG v. 16.9.1974 – 5 AZR 255/74, NJW 1975, 407; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 52. 26 Dazu Kap. 2, AGB-Klauselkontrolle von A–Z, „Ausschlussfrist“, Rz. 92 ff. sowie M 2.1a Ziff. 10 m. Anm. 27 LAG Hamm v. 10.4.2002 – 3 Sa 1598/01, NZA-RR 2003, 463; vgl. auch BAG v. 30.1.1991 – 5 AZR 32/ 90, NZA 1991, 599. Zum Teil wird dies von der Auslegung der Klausel abhängig gemacht (ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 54). 28 BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 507/04, NZA 2006, 436, 438; v. 23.2.1983 – 5 AZR 515/80, DB 1983, 2043, beide zu § 70 BAT. 29 BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, NZA 2008, 298, 301. 30 BAG v. 17.2.1988, DB 1988, 1071 für den Zeugnisberichtigungsanspruch; vgl. auch LAG Schl.-Holst. v. 30.9.2009 – 3 Ta 162/09, wonach jedenfalls nach fünf Jahren eine Berichtigung unzumutbar ist. 31 Vgl. BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, NZA 2008, 298, 301 für einen Zeitraum von etwa 22 Monaten. 32 LAG Hamm v. 28.3.2000, BuW 2001, 308. 33 BeckOK/Tillmanns, § 109 GewO Rz. 18; Ecklebe, DB 2015, 923; bei Annahme eines Verzichts auf die Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber ist Zurückhaltung geboten, LAG Köln v. 31.8.2016 – 11 Sa 1025/15. 34 Vgl. BAG v. 8.2.1984 – 5 AZR 501/81, NZA 1984, 225. Eine fehlerhafte Schreibweise hindert die Erfüllung des Zeugnisanspruchs, vgl. LAG Hessen v. 23.9.2008, AuA 2009, 242.

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Zeugnis

Rz. 14 Kap. 24

deutsch. Das hindert den Arbeitgeber natürlich nicht, das Zeugnis auf Wunsch auch in anderer Sprache zu verfassen. Das Zeugnisdatum muss grundsätzlich dem tatsächlichen Ausscheidensdatum entsprechen. Auch wenn der Arbeitgeber das Zeugnis auf Grund eines Zeugnisrechtsstreits oder Zeugnisberichtigungsrechtsstreits erst wesentlich später ausgestellt, ist das Datum zu verwenden, zu dem das Zeugnis hätte ausgestellt werden müssen, im Zweifel also das Ausscheidensdatum.35 Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer während eines Kündigungsschutzprozesses vorübergehend bis zum klageabweisenden Berufungsurteil weiterbeschäftigt wird.36 § 109 Abs. 2 Satz 1 GewO bestimmt gesetzlich, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss.37 Gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO darf das Zeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als die aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Damit sind dem Arbeitgeber unzulässige Auslassungen und Geheimzeichen untersagt.38 Die Bescheinigung eines Arbeitgebers, den Arbeitnehmer „als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt zu haben, der stets eine hohe Einsatzbereitschaft zeigte“, genügt diesen Anforderungen, solange sich kontextbezogen kein abweichendes Bild ergibt.39

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Unterschreiben muss das Zeugnis der Arbeitgeber oder der für ihn handelnde Vertreter eigenhändig. Eine Vertretung in der Unterschrift40 oder gar ein Faksimile oder eine fotokopierte Unterschrift41 reichen nicht aus. Die Person und der Rang des Unterzeichnenden gibt Aufschluss über die Wertschätzung des Arbeitnehmers und die Beurteilungskompetenz des Arbeitgebers.42 Diesen Zweck erfüllt das Zeugnis nur, wenn es von einem „erkennbar Ranghöheren“ (vgl. Rz. 4) ausgestellt ist.43 Bei einer Vertretung bedeutet dies, dass der ausstellende Vertreter gegenüber dem Arbeitnehmer weisungsbefugt gewesen sein muss. Der Zeugnisleser muss den höheren Rang des Vertreters ohne weitere Nachforschungen aus dem Zeugnis ablesen können.44 Der Vertreter muss außerdem das Vertretungsverhältnis und seine Funktion angeben, um obigen Zweck zu erfüllen.45 Bei leitenden Angestellten ist das Zeugnis von einem Mitglied der Geschäftsleitung auszustellen, das auf seine Position als Mitglied der Geschäftsleitung hinweisen muss.46

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35 Vgl. BAG v. 9.9.1992, NZA 1993, 698; LAG Hamm v. 27.2.1997 – 4 Sa 1691/96, NZA-RR 1998, 151. Macht der Arbeitnehmer seinen Zeugnisanspruch allerdings erst lange nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend, so soll das tatsächliche Datum anzugeben sein, Löw, NJW 2005, 3605, 3606 mwN. 36 BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 8/15, BeckRS 2016, 73357. 37 Vgl. auch BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, NZA 2012, 448; v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, NZA 2008, 1349 mwN und Beispielen. 38 Vgl. BT-Drucks. 14/8796, S. 25 mit Bezug auf den Rechtsgedanken des § 113 Abs. 3 GewO aF. Vgl. dazu auch BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, NZA 2008, 1349 sowie Novak, ArbR Aktuell 2015, 443, 444; Löw, NJW 2005, 3605, 3606. 39 BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, NZA 2012, 448. Mit der Wendung „kennen gelernt“ bringe der Arbeitgeber nicht zum Ausdruck, dass die im Zusammenhang angeführten Eigenschaften tatsächlich nicht vorliegen. 40 BAG v. 21.9.1999 – 9 AZR 893/98, NZA 2000, 257. 41 LAG Bremen v. 23.6.1989 – 4 Sa 320/88, BB 1989, 1825. 42 Vgl. BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 507/04, NZA 2006, 436, 437; v. 21.9.1999 – 9 AZR 893/98, NZA 2000, 257. 43 Vgl. BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 507/04, NZA 2006, 436, 437; v. 16.11.1995, EzA § 630 BGB Nr. 20. 44 BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 507/04, NZA 2006, 436, 437. 45 Vgl. BAG v. 26.6.2001, AP Nr. 27 zu § 630 BGB; vgl. auch LAG Hessen v. 6.2.2015 – 3 Sa 266/14. 46 Vgl. BAG v. 26.6.2001, AP Nr. 27 zu § 630 BGB.

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Kap. 24 Rz. 15

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6. Einfaches Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GewO) 15

Neben diesen Grundangaben sind im einfachen Zeugnis Art und Dauer der Beschäftigung darzustellen, wobei alles anzugeben ist, was ein Urteil über Kenntnis und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erlaubt und ihn für einen künftigen Arbeitgeber interessant erscheinen lässt.47 Maßgeblich für die Dauer ist die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses.48 Unterbrechungen (zB durch Elternzeit49) sind nur anzugeben, wenn sie erheblich ins Gewicht fallen, insbesondere im Verhältnis zur Gesamtdauer der Beschäftigung.50 Nicht aufzunehmen ist der Grund des Ausscheidens des Arbeitnehmers, es sei denn, dies wäre sein ausdrücklicher Wunsch.51 7. Qualifiziertes Zeugnis (§ 109 Abs. 1 Satz 3 GewO)

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Beim qualifizierten Zeugnis müssen über diese Anforderungen hinaus auch Angaben zu Führung und Leistung gemacht werden.52

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Diese Ergänzung ist allerdings nur auf Verlangen des Arbeitnehmers vorzunehmen. Ein einmal geäußertes Verlangen nach einem qualifizierten Zeugnis ist verbindlich und nicht mehr rücknehmbar. Das Zeugnis muss den Tatsachen entsprechen (Gebot der Zeugniswahrheit). Es darf nichts Wesentliches weggelassen oder hinzugefügt werden.53 Dies korrespondiert mit dem Grundsatz der wohlwollenden Zeugniserteilung54: Das Zeugnis darf den Arbeitnehmer in seinem Fortkommen nicht ungerechtfertigt behindern.55 Daher ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine wohlwollende Zeugnissprache zu verwenden.56 Führung des Arbeitnehmers gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO betrifft das Sozialverhalten des Arbeitnehmers gegenüber Vorgesetzten und gleichgestellten Mitarbeitern sowie gegenüber Kunden und Geschäftspartnern. Allerdings beschränken sich die Angaben auf das dienstliche Verhalten, es sei denn, dass sich privates Verhalten in erheblichem Umfang dienstlich ausgewirkt hat; Letzteres kann bei Alkohol-/Drogenmissbrauch oder bei Verschwendungssucht bei einem Kassierer57 der Fall sein. Der Arbeitgeber ist auch berechtigt, im Zwischenzeugnis für eine Krankenschwester ein gegen diese noch laufendes Ermittlungsverfahren wegen Mordversuchs an Patienten zu erwähnen.58 oder im Zeugnis für einen Kindergärtner, dass ihm wegen sexuellen Übergriffs auf ein Kind gekündigt wurde.59 47 Vgl. BAG v. 12.8.1976, DB 1976, 2211. 48 Vgl. auch LAG Köln v. 4.3.2009 – 3 Sa 1419/08. 49 Nach dem BAG darf die Elternzeit nur erwähnt werden, sofern die Ausfallzeit „eine wesentliche tatsächliche Unterbrechung der Beschäftigung darstellt“. Das sei dann der Fall, „wenn diese nach Lage und Dauer erheblich ist und wenn bei ihrer Nichterwähnung für Dritte der falsche Eindruck entstünde, die Beurteilung des Arbeitnehmers beruhe auf einer der Dauer des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses entsprechenden tatsächlichen Arbeitsleistung“, BAG v. 10.5.2005 – 9 AZR 261/04, NZA 2005, 1237; LAG Köln v. 4.5.2012, NZA-RR 2012, 563. 50 LAG Köln v. 4.5.2012, NZA-RR 2012, 563; Ecklebe, DB 2015, 923. 51 LAG Berlin-Brandenburg v. 25.1.2007, NZA-RR 2007, 373; LAG Düsseldorf v. 22.1.1988 – 2 Sa 1654/ 87, NZA 1988, 399. 52 Zur Frage, aus welchen Grundelementen ein qualifiziertes Arbeitszeugnis besteht, vgl. auch LAG Hamm v. 4.9.1997 – 4 Sa 391/97. 53 So schon BAG v. 23.6.1960, NJW 1960, 1973; BAG v. 9.9.2011 – 3AZB 35/11, NZA 2012, 1244. 54 Schleßmann, BB 2015, 2421, hält dieses Erfordernis für überflüssig. 55 Vgl. BAG v. 23.6.1960, NJW 1960, 1973; v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, NZA 2013, 324 mwN. 56 Vgl. dazu Schwirtzek, AuA 2005, 714, 716. 57 Vgl. BAG v. 29.1.1986 – 4 AZR 479/84, NZA 1987, 384. 58 So LAG BW v. 29.11.2007, LAGE § 630 BGB 2002 Nr. 4 (dies gilt jedoch nicht bei einer überlangen Dauer des Ermittlungsverfahrens). 59 Ecklebe, DB 2015, 923.

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Rz. 18b Kap. 24

In den Grenzen der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit ist der Arbeitgeber in der Formulierung des Zeugnisses grundsätzlich frei, solange es nichts Falsches enthält.60 Der Arbeitgeber hat insbesondere einen erheblichen Beurteilungsspielraum bei der Frage, welche Leistungen und Eigenschaften er aufnimmt. Er muss sich jedoch auf wesentliche Vorfälle oder Umstände beschränken. Entscheidend ist der Maßstab eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers. Bloße Vermutungen oder Verdächtigungen,61 Angaben über den Gesundheitszustand62 oder auch die Mitgliedschaft im Betriebsrat oder gewerkschaftliche Betätigung63 gehören nicht in das Zeugnis, es sei denn, dass der Arbeitnehmer ihre Aufnahme ausdrücklich wünscht.64 Eine Ausnahme besteht, wenn ein Betriebsratsmitglied aufgrund seiner Tätigkeit im Betriebsrat für einen längeren Zeitraum von der Arbeitsleistung freigestellt war.65 Je nach der Art der Tätigkeit müssen bestimmte Eigenschaften genannt werden, damit das Zeugnis nicht durch „beredtes Schweigen“ unwahr wird. Soweit daher für eine Berufsgruppe oder in einer Branche der allgemeine Brauch besteht, bestimmte Leistungen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers im Zeugnis zu erwähnen, ist deren Auslassung regelmäßig ein (versteckter) Hinweis für den Zeugnisleser, der Arbeitnehmer sei in diesem Merkmal unterdurchschnittlich oder allenfalls durchschnittlich zu bewerten.66 So ist etwa bei Kassierern und anderen Bankangestellten, aber auch bei Hausangestellten Ehrlichkeit zu attestieren, soweit das Gegenteil nicht feststeht. Der Hinweis des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe sich „stets bemüht“, ist als Bewertung unterdurchschnittlicher Leistung zu verstehen, solange das Zeugnis zum Erfolg des Bemühens schweigt.67

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Die Formulierungshoheit kann übertragen werden, zB indem die Parteien in einem (Prozess)Vergleich vereinbaren, dass ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis entsprechend einem vom Arbeitnehmer vorzulegenden Entwurf zu erstellen ist. Dann liegt es im Ermessen des Arbeitnehmers, darüber zu entscheiden, welche Leistungen besonders hervorgehoben werden sollen. Der Arbeitgeber muss aber nicht den Vorschlag des Arbeitnehmers ungeprüft und ohne jede Änderung übernehmen. Die Formulierung „entsprechend“ erlaubt es ihm vielmehr zu überprüfen, ob der Entwurf einem pflichtgemäßen qualifizierten Zeugnis sowie dem Gebot der Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit entspricht, um ihn ggf. an die Vorgaben des § 109 GewO anzupassen.68

18a

Aus dem Gebot der Zeugniswahrheit folgt auch, dass sich der Arbeitgeber an einer bestimmten Beurteilung grundsätzlich festhalten lassen muss. Ein Zeugnis, in welchem der Arbeitnehmer ohne jeden Vorbehalt und ohne jede Einschränkung als ehrlich und gewissenhaft beurteilt wird, hat somit zur Folge, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nachträglich nicht mehr für etwaige – vor Erteilung des Zeugnisses festgestellte – Fehlbestände im

18b

60 BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, NZA 2008, 1349, 1350. 61 Auch, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Arbeitnehmer anhängig ist, lässt einen Verdacht noch nicht zu einer zu erwähnenden Tatsache werden, LAG Düsseldorf v. 3.5.2005 – 3 Sa 359/05, DB 2005, 1799. 62 LAG Sachs. v. 30.1.1996 – 5 Sa 996/95, NZA-RR 1997, 47. 63 LAG Hamm v. 12.4.1976, DB 1976, 1112. 64 Vgl. Witt, BB 1996, 2194. 65 BAG v. 19.8.1992 – 7 AZR 262/91, NZA 1993, 222; Ecklebe, DB 2015, 923; Witt, BB 1996, 2194. 66 BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, NZA 2008, 1349, 1350. 67 BAG v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, NZA 2012, 448. 68 BAG v. 9.9.2011 – 3AZB 35/11, NZA 2012, 1244 m. Anm. Merten ArbRAktuell 2011, 586. Weicht der Arbeitgeber vom Entwurf des Arbeitnehmers durch Steigerungen nach „oben“ ab, ist der titulierte Zeugnisanspruch nicht erfüllt, wenn sich aus dem Gesamteindruck des Zeugnisses ergibt, dass die Bewertungen durch ihren ironisierenden Charakter nicht ernst gemeint sind, LAG Hamm v. 14.11.2016 – 12 Ta 475/16.

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Kap. 24 Rz. 19

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Warenlager haftbar machen kann.69 Auch eine fristlose Kündigung soll nach abzulehnender Auffassung nicht möglich sein, wenn dem Arbeitnehmer trotz Kenntnis der kündigungsrelevanten Umstände ausschließlich positive Leistungen und Fähigkeiten bescheinigt wurden.70 19

Bei der Beurteilung der Leistung haben sich bestimmte Formulierungen eingebürgert, die trotz des Erfordernisses der wohlwollenden Zeugnissprache eine klare Bewertung enthalten: Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt. oder stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unsere Erwartungen in jeder Hinsicht übertroffen.71 = sehr gute Leistungen stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. = gute Leistungen72 zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. = gute durchschnittliche Leistung73 zu unserer Zufriedenheit erledigt. = unterdurchschnittliche, aber noch ausreichende Leistung74 im Großen und Ganzen/insgesamt zu unserer Zufriedenheit erledigt. = mangelhafte Leistung Er/Sie hat sich bemüht, die ihm/ihr übertragenen Arbeiten zu unserer Zufriedenheit zu erledigen. oder Er/Sie führte die ihm/ihr übertragenen Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse aus. = völlig unzureichende Leistung75 Die so attestierte Leistung muss zum sonstigen Inhalt des Zeugnisses passen;76 ergibt sich also aus dem sonstigen Text des Zeugnisses eine sehr gute Leistung, so darf die „Leistungsklausel“ dahinter nicht zurückbleiben.

69 BAG v. 8.2.1972, NJW 1972, 1214. 70 LAG Bremen v. 22.11.1983 – 4 Sa 167/82, BB 1984, 473, dagegen zu Recht Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 147 Rz. 29. 71 Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Formulierung „vollste“ Zufriedenheit zu benutzen, weil es kein voller als voll gibt. Eine sehr gute Leistung ist dann jedoch mit anderen Worten zu bescheinigen, BAG v. 21.6.2005 – 9 AZR 352/04, NZA 2006, 104. 72 LAG Düsseldorf v. 26.2.1985 – 8 Sa 1873/84, DB 1985, 2692; LAG Köln v. 8.7.1993, LAGE § 630 BGB Nr. 18. 73 LAG Köln v. 18.5.1995 – 5 Sa 41/95, NZA-RR 1996, 41. 74 BAG v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435; LAG Köln v. 5.2.2015 – 7 Sa 884/14; LAG Hessen v. 10.9.1987, DB 1988, 1071. 75 BAG v. 24.3.1977, DB 1977, 1369; LAG Hamm v. 16.3.1989 – 12 (13) Sa 1149/88, BB 1989, 1486; Ecklebe, DB 2015, 923. 76 BAG v. 23.9.1992, EzA § 630 BGB Nr. 16.

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Rz. 22 Kap. 24

Anders als bei der Beurteilung der Leistung gibt es bei der Beurteilung der Führung77 keine allgemein anerkannten Zeugniscodes. Es dürfte wie folgt zu differenzieren sein: Sein Auftreten war geprägt von höchster persönlicher Integrität, vorbildlichem Einsatz und herausragendem Führungsvermögen. Er war bei Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern gleichermaßen anerkannt und geschätzt. = sehr gute Führung

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Er war durch sein ausgeglichenes und freundliches Wesen, seine hohe Integrität und sein Führungsvermögen bei Vorgesetzten, Kollegen78 und nachgeordneten Mitarbeitern gleichermaßen geschätzt. oder Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern war stets höflich und korrekt. = gute Führung Durch sein Auftreten war er bei Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern gleichermaßen geschätzt. = gute durchschnittliche Leistung Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und nachgeordneten Mitarbeitern gab zu Beanstandungen keinen Anlass/war einwandfrei. = unterdurchschnittliche Leistung Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war zufriedenstellend. oder Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war im Großen und Ganzen einwandfrei. = mangelhafte Führung Der Arbeitgeber darf bei der Bewertung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers unterschiedliche Bewertungen im Zeugnis zum Ausdruck bringen. Erhält der Arbeitnehmer etwa die überdurchschnittliche Leistungsbeurteilung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“, so kann er daraus kein Recht herleiten, dass der Arbeitgeber auch sein Verhalten als überdurchschnittlich bewertet.79

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8. Schlussformulierung Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, in das Arbeitszeugnis Zukunftswünsche aufzunehmen, in denen er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt und ihm für die Zu-

77 Zum Teil wird vorgeschlagen, den Begriff „Führung“ durch „Verhalten“ zu ersetzen. Allerdings spricht § 630 Satz 2 BGB ausdrücklich von „Leistungen und die Führung im Dienst“. Das spricht dafür, diese Terminologie auch im Zeugnis beizubehalten. Zu Formulierungsvorschlägen siehe auch Nowak, ArbRAktuell 2015, 443. 78 Es besteht kein Anspruch auf die Einhaltung der Wortreihenfolge „Vorgesetzte – Kollegen“ bei der Verhaltensbeurteilung, vgl. LAG Köln v. 30.8.2007, AE 2008, 276. 79 Vgl. hierzu LAG Rh.-Pf. v. 14.5.2009 – 10 Sa 183/09, NZA-RR 2010, 69.

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Kap. 24 Rz. 23

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kunft alles Gute wünscht.80 Da Schlusssätze bloß „üblicher“ Zeugnisinhalt sind, obliegt es der Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers zu entscheiden, ob er das Zeugnis damit anreichert. Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers gehören damit nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt. Auch wenn in der Praxis überdurchschnittliche Leistungs- und Beurteilungen häufig mit einer „Dankes- und Wunschformel“ versehen werden, hat der Arbeitnehmer mangels gesetzlicher Grundlage darauf keinen Anspruch.81 Wird eine Schlussformel jedoch verwendet, muss sie mit dem übrigen Zeugnisinhalt in Einklang stehen.82 Unklar ist, ob auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Verpflichtung zur Aufnahme eines Beendigungsgrundes besteht (zB „Das Arbeitsverhältnis endet auf Wunsch des Arbeitnehmers.“).83 9. Form 23

Das Zeugnis bedarf naturgemäß der Schriftform. Elektronische Form gem. § 126a BGB oder Telefax reicht nicht aus (vgl. § 109 Abs. 3 GewO). Das Zeugnis muss eigenhändig unterschrieben werden; ein Handzeichen (Paraphe) reicht nicht aus.84 Das Papier muss haltbar und von guter Qualität sein.85 Streichungen, Ausbesserungen, Anführungszeichen, Frage- und Ausrufezeichen haben im Zeugnis nichts zu suchen. Alles, was den Eindruck eines gestörten Arbeitsverhältnisses oder einer Herabsetzung des Arbeitnehmers erwecken könnte, ist zu vermeiden. Das Zeugnis ist daher auf dem offiziellen Firmen-/Geschäftsbriefbogen zu erteilen86 und in Maschinenschrift zu erstellen.87 Der Streit, ob das Zeugnis zweimal gefaltet werden darf, so dass es in einem Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen ist, oder ob es ungefaltet übergeben werden muss,88 ist in ersterem Sinne geklärt.89 10. Berichtigung, Widerruf und Zurückbehaltungsrecht

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Soweit das Zeugnis den vorgenannten inhaltlichen und formalen Anforderungen nicht entspricht, kann der Arbeitnehmer Zeugnisberichtigung verlangen. Der Arbeitnehmer hat das alte unrichtige Zeugnis Zug um Zug gegen die Aushändigung des korrigierten Zeugnisses auszuhändigen. In diesem Fall ist der Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers beim Verfassen des „neuen“ Zeugnisses stark eingeschränkt, er ist grundsätzlich an seine bisherige Beurteilung ge-

80 BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, NZA 2013, 324; v. 20.2.2001 – 9 AZR 44/00, NZA 2001, 843; Ecklebe, DB 2015, 923. 81 BAG v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11, NZA 2013, 324; anders noch LAG Köln v. 29.2.2008, AE 2009, 155; LAG Düsseldorf v. 3.11.2010, NZA-RR 2011, 123. 82 Vgl. auch LAG Köln v. 29.2.2008, AE 2009, 155; LAG Hamm v. 28.3.2000, BuW 2001, 220. 83 Dafür LAG Köln v. 29.11.1990, LAGE § 630 BGB Nr. 11; v. 29.10.2014, ArbR 2015, 109; unklar LAG Berlin-Brandenburg v. 25.1.2007, NZA-RR 2007, 373. 84 LAG Hamm v. 27.7.2016 – 4 Ta 118/16, NZA-RR 2016, 570, das offenlässt, ob ein Arbeitszeugnis mit einem Handzeichen unterzeichnet werden kann. Ein Handzeichen erfordere aber jedenfalls nach § 126 Abs. 1 BGB eine notarielle Beglaubigung oder nach § 129 Abs. 2 BGB eine notarielle Beurkundung. Darüber hinaus soll ein Zeugnis nach Ansicht des LAG Hamm aufgrund von Zweifeln an der Ernsthaftigkeit auch dann unwirksam sein, wenn der Schriftzug des Unterzeichnenden nicht parallel zum maschinenschriftlichen Zeugnistext auf das Zeugnis gesetzt wurde, sondern von links oben nach rechts unten gekippt wurde. 85 Vgl. BAG v. 3.3.1993 – 5 AZR 182/92, NZA 1993, 697. 86 BAG v. 3.3.1993 – 5 AZR 182/92, NZA 1993, 697; LAG Hamm v. 27.2.1997 – 4 Sa 1691/96, NZA-RR 1998, 151. 87 Ecklebe, DB 2015, 923; BeckOK/Tillmanns, § 109 GewO Rz. 3. 88 So noch LAG Hamburg v. 7.9.1993 – 7 Ta 7/93, NZA 1994, 890. 89 BAG v. 21.9.1999 – 9 AZR 893/98, NZA 2000, 257; Popp, DB 2016, 1075.

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Rz. 25 Kap. 24

bunden, es sei denn, neue Umstände rechtfertigen eine schlechtere Beurteilung.90 Seltener ist der Fall des Zeugniswiderrufs, weil der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Zeugnishaftung das Zeugnis noch um spätere Erkenntnisse ergänzen will. Dies ist zulässig, soweit die Erkenntnisse für spätere Arbeitgeber von Bedeutung sind.91 Der Arbeitgeber hat jedoch Zug um Zug gegen Herausgabe ein neues Zeugnis zu erteilen.92 Ansprüche auf Zeugniserteilung, Zeugnisberichtigung und Zeugniswiderruf können im Urteilsverfahren geltend gemacht werden. Gegenstand der Klage ist hierbei genau genommen die Erfüllung des Zeugnisanspruchs und kein (dem Gesetz fremder) Berichtigungs- oder Ergänzungsanspruch.93 Beim Zeugnisberichtigungsanspruch muss im Klageantrag bereits die geänderte Zeugnisformulierung angegeben werden. Der Arbeitgeber hat in Bezug auf das Zeugnis des Arbeitnehmers kein Zurückbehaltungsrecht. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gem. § 320 BGB kann der Arbeitgeber nicht geltend machen. Denn die Pflicht zur Erstellung eines Zeugnisses ist lediglich eine Nebenpflicht des Arbeitgebers und keine synallagmatische Hauptleistungspflicht.94 Auch ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB hat der Arbeitgeber nicht, da die Zurückbehaltung des Zeugnisses das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers übermäßig erschweren würde.95 11. Darlegungs- und Beweislast Zwar trägt der Arbeitgeber nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für die Erfüllung des Zeugnisanspruches.96 Für die häufigsten Einwände des Arbeitnehmers aber, seine Tätigkeit sei nicht vollständig bezeichnet oder seine Bewertung sei zu schlecht, gilt dies nur eingeschränkt: Sind nach dem Vortrag des Arbeitnehmers wesentliche Tätigkeiten im Zeugnis nicht angegeben, so muss der Arbeitnehmer beweisen, dass er diese Tätigkeiten ausgeübt hat.97 Sofern er keine nachteiligen Tatsachen beweisen kann, muss der Arbeitgeber eine durchschnittliche Leistung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ bescheinigen.98 Wünscht der Arbeitnehmer die Bescheinigung einer überdurchschnittlichen Leistung, so trifft insoweit ihn die Beweislast für die zugrunde liegenden Tatsachen.99 Will der Arbeitgeber eine unterdurchschnittliche Leistung bescheinigen, muss er die Abweichung vom Durchschnitt beweisen.100

24a

Vollstreckt wird der Zeugnisanspruch und der Zeugnisberichtigungsanspruch nach § 888 ZPO.101 Die Fiktion des § 894 ZPO würde den Interessen des Arbeitnehmers naturgemäß

25

90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101

BAG v. 21.6.2005 – 9 AZR 352/04, NZA 2006, 104. Ecklebe, DB 2015, 923. Ecklebe, DB 2015, 923; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 56. BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, NZA 2008, 1349. Ecklebe, DB 2015, 923; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 48. Ecklebe, DB 2015, 923; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 48. Zur Beweislast bei der Zeugnisberichtigung s. Kolbe, NZA 2015, 582. Vgl. auch LAG Schl.-Holst. v. 30.9.2009 – 3 Ta 162/09, wonach ein Berichtigungsanspruch von vornherein nicht besteht, wenn das Zeugnis bereits derart umfassend ist, dass es einen hinreichenden Überblick über die Tätigkeit des Arbeitnehmers gewährt. BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 12/03, DB 2004, 1270; nach aA muss der Arbeitgeber im Zweifel eine „gute“ Leistung bescheinigen, also „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“, so noch LAG Köln v. 8.7.1993, LAGE § 630 BGB Nr. 18. BAG v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435; BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 12/03, DB 2004, 1270; LAG Köln v.5.2.2015 – 7 Sa 884/14. Vgl. auch BAG v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435; ausdrücklich LAG Köln v. 5.2.2015 – 7 Sa 884/14. BAG v. 9.9.2011 – 3 AZB 35/11, NZA 2012, 1244 m. Anm. Merten ArbR Aktuell 2011, 586. Zum Arbeitszeugnis in der Zwangsvollstreckung Ostermaier, FA 2009, 297; Howald, FA 2012, 197.

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Kap. 24 Rz. 26

Zeugnis

nicht entsprechen. Maßgeblich für das streng formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren ist der Titel, aus dem sich mit hinreichender Bestimmtheit der Inhalt der Verpflichtung zur Zeugniserteilung ergeben muss. Inhaltsfragen sind demgegenüber im Erkenntnisverfahren zu klären. Gerichtliche Vergleiche, aus denen sich die Verpflichtung ergibt, ein „wohlwollendes“ Zeugnis auszustellen, sind im Rahmen der Zwangsvollstreckung insofern nur daraufhin überprüfbar, ob überhaupt ein Zeugnis ausgestellt wurde, das den Formvorgaben entspricht.102 Ebenso können gerichtliche Vergleiche mit dem Inhalt, dass ein Endzeugnis auf Basis eines bestimmten Zwischenzeugnisses zu erteilen ist, nicht vollstreckt werden, wenn der Wortlaut des Zwischenzeugnisses nicht im Tenor enthalten ist.103 Demgegenüber soll die Regelung in einem gerichtlichen Vergleich, nach dem der Arbeitgeber ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis entsprechend einem vom Arbeitnehmer noch anzufertigenden Entwurf zu erstellen hat, grundsätzlich einen vollstreckbaren Inhalt haben.104 Im Zwangsvollstreckungsverfahren kann der Arbeitgeber jedoch nicht gezwungen werden, ein Zeugnis zu erteilen, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Trägt der Arbeitgeber insofern glaubhaft Umstände vor, die ergeben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht, so kann der Antrag zurückgewiesen werden, um den maßgeblichen Inhalt des Zeugnisses in einem neuen Erkenntnisverfahren klären zu lassen.105 12. Haftung des Arbeitgebers 26

Eine Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn das Zeugnis zu Unrecht nicht, nicht ordnungsgemäß oder zu schlecht ausgestellt wurde.106 Zu ersetzen ist hier der kausal verursachte entgangene Verdienst; die Kausalität, für die der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig ist,107 ist in der Praxis allerdings kaum nachweisbar. Auch hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen verspäteter Erteilung des Zeugnisses, wenn er den Arbeitgeber nicht durch ausdrückliches Verlangen in Verzug gesetzt hat.108

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Gegenüber einem anderen Arbeitgeber haftet der zeugnisausstellende Arbeitgeber nach § 826 BGB, wenn er schuldhaft ein zu Gunsten des Arbeitnehmers unrichtiges Zeugnis ausgestellt hat und dadurch bei dem späteren Arbeitgeber ein Schaden entstanden ist.109 Typischer Fall ist die Angabe, der Kassierer sei ehrlich, obwohl er bei dem zeugnisausstellenden Arbeitgeber Unterschlagungen begangen hatte.110 Auch haftet der Arbeitgeber dem neuen Arbeitgeber in diesem Fall aus § 280 BGB aufgrund einer „vertragsähnlichen Rechtsbeziehung“ 102 LAG Sachsen v. 6.8.2012, NZA-RR 2013, 215. 103 Howald, FA 2012, 197. 104 BAG v. 9.9.2011 – 3 AZB 35/11, NZA 2012, 1244 m. Anm. Merten ArbR Aktuell 2011, 586; vgl. auch LAG Köln v. 4.7.2013, NZA-RR 2013, 490, nach dem die Vergleichsklausel „Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis entsprechend der Schulnote ‚gut‘ auf der Basis des im Antrag der Klageschrift vom 10.10.2012 bezeichneten Zeugnisses zu erteilen“ nicht bestimmt genug ist, um im Wege der Zwangsvollstreckung ein Zeugnis mit einem bestimmten Inhalt durchzusetzen. 105 BAG v. 9.9.2011 – 3AZB 35/11, NZA 2012, 1244 m. Anm. Merten ArbR Aktuell 2011, 586; anders LAG Rh.-Pf. v. 22.7.2014 – 5 Sa 357/14, nach dem der Einwand des Arbeitgebers, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit vor, keinen nicht ersetzbaren Nachteil iSv. § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG darstellt und die Zwangsvollstreckung aus einem erstinstanzlich titulierten Anspruch auf ein Zeugnis mit einem bestimmten Wortlaut nicht hindert. 106 Vgl. Kölsch, NZA 1985, 382. Zur verspäteten Zeugniserteilung vgl. Rz. 6. 107 BAG v. 16.11.1995, EzA § 630 BGB Nr. 20; vgl. auch LAG Hessen v. 31.3.2009 – 13 Sa 1267/08. 108 BAG v. 12.2.2013 – 3 AZR 120/11, NZA 2014, 31. 109 BGH v. 15.5.1979, DB 1979, 2378; OLG München v. 30.3.2000 – 1 U 6245/99. 110 Vgl. BGH v. 15.5.1979, DB 1979, 2378.

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M 24.3

Rz. 27 Kap. 24

Zeugnis

zwischen ihm als Zeugnisaussteller und dem neuen Arbeitgeber. 111 Darüber hinaus kommt eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. §§ 263, 27 StGB wegen Beihilfe zum Anstellungsbetrug in Betracht, wenn der alte Arbeitgeber bei der Erstellung des unrichtigen Zeugnisses kollusiv mit dem Arbeitnehmer zusammen gewirkt hat.112 111 Vgl. BGH v. 15.5.1979, DB 1979, 2378; aA. ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 71. 112 Ecklebe, DB 2015, 923; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 71.

II. Muster M 24.1

Einfaches Zeugnis – kurze Form

Herr/Frau …, war ab dem … bei uns als … beschäftigt. Er/Sie verlässt uns zum … auf eigenen Wunsch.1 … (Ort, Datum)

… (Unterschrift [Firma])

1 Der Grund des Ausscheidens ist nur dann anzugeben, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist (vgl. Popp, NZA 1997, 588). Bei der Angabe, der Arbeitnehmer verlasse den Arbeitgeber auf eigenen Wunsch, kann dies regelmäßig unterstellt werden. Ob der Arbeitgeber auf Wunsch des Arbeitnehmers zur Angabe des Ausscheidensgrundes verpflichtet ist, ist bisher offen, vgl. dazu die Nachweise Rz. 22.

M 24.2

Einfaches Zeugnis – ausführliche Form

Herr …, war ab dem … bei uns als Kranführer beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte vorwiegend die koordinierte Kranführung auf Baustellen, insbesondere der Großbaustelle Elbphilharmonie. Herr … verlässt uns auf eigenen Wunsch. Wir bedauern seinen Fortgang und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute. … (Ort, Datum)

M 24.3

… (Unterschrift [Firma])

Zwischenzeugnis für einen/eine Buchhalter/Buchhalterin mit guter Bewertung

Herr/Frau …, ist seit dem … als Buchhalter/Buchhalterin im Berliner Büro unserer Sozietät tätig. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit führt Herr/Frau … nun die umfangreiche Buchhaltung unseres Büros selbständig. Dazu gehören neben der Buchung von Ein- und Ausgängen auch die kanzleiinterne Rechnungsanalyse, die Führung von Anderkonten und die Personalverwaltung. Bei der EinLingemann

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Kap. 24

Zeugnis

M 24.4

führung eines neuen komplexen Buchhaltungsprogrammes hat sich Herr/Frau … in besonderer Weise bewährt. Herr/Frau … ist absolut zuverlässig, ehrlich und verantwortungsbewusst. Er/Sie erfüllt alle ihm/ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und stets zu unserer vollen Zufriedenheit. Dieses Zwischenzeugnis wird auf Wunsch von Herrn/Frau … ausgestellt. Wir bedanken uns für die bisherige Zusammenarbeit mit Herrn/Frau … und freuen uns, auch in Zukunft mit ihm/ihr zusammenarbeiten zu können. … (Ort, Datum)

M 24.4

… (Unterschrift [Firma])

Qualifiziertes Zeugnis mit guter Bewertung

Herr/Frau …, war vom … bis zum … als Bürobote/Bürobotin in dem Hamburger Büro unserer Sozietät tätig. Seine/Ihre Aufgabe bestand darin, sowohl innerhalb des Büros als auch im Stadtgebiet von Hamburg Botendienste zu verrichten. Dazu gehörte auch die selbständige Zustellung fristgebundener Schriftstücke bei Mandanten, Gegnern und Gerichten. Herr/Frau … ist ein/eine gründlicher/gründliche und gewissenhafter/gewissenhafte Mitarbeiter/Mitarbeiterin. Er/Sie führte seine/ihre Botengänge stets zuverlässig aus, wobei seine/ihre gleichzeitig zügige Arbeitsweise hervorzuheben ist. Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Dritten war stets höflich und korrekt. Die Zusammenarbeit mit ihm/ihr war immer angenehm. Herr/Frau … scheidet auf eigenen Wunsch aus. Wir bedauern dies und wünschen ihm/ihr für seinen/ihren weiteren Lebensweg alles Gute. … (Ort, Datum)

M 24.5

… (Unterschrift [Firma])

Qualifiziertes Zeugnis für einen Buchhalter/eine Buchhalterin mit guter Bewertung

Herr/Frau …, war vom … bis zum … als Buchhalter/Buchhalterin im Berliner Büro unserer Sozietät tätig. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit führte Herr/Frau … die umfangreiche Buchhaltung unseres Büros selbständig. Dazu gehörten neben der Buchung von Ein- und Ausgängen auch die kanzleiinterne Rechnungsanalyse, die Führung von Anderkonten und die Personalverwaltung. Bei der Einführung eines neuen komplexen Buchhaltungsprogrammes hat sich Herr/Frau … in besonderer Weise bewährt. Herr/Frau … war stets absolut zuverlässig, ehrlich und verantwortungsbewusst. Er/Sie hat alle ihm/ ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und stets zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt. Herr/Frau … verlässt uns auf eigenen Wunsch, um eine Stelle in einem größeren Unternehmen außerhalb Berlins anzutreten. Wir bedauern dies und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute. … (Ort, Datum)

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… (Unterschrift [Firma])

M 24.7

M 24.6

Zeugnis

Kap. 24

Qualifiziertes Zeugnis für einen Leiter/eine Leiterin Controlling mit sehr guter Bewertung

Herr/Frau …, war vom … bis zum … als Leiter/Leiterin der Abteilung Controlling tätig. Er/Sie hatte Führungsverantwortung für fünf Controller. Seine/Ihre Abteilung war zuständig insbesondere für das Controlling des Einkaufs. Er/Sie war dem Vorstand Finanzen unmittelbar unterstellt. Der Tätigkeit von Herrn/Frau … ist es in erster Linie zu verdanken, dass während der Zeit seiner/ihrer Tätigkeit unser Unternehmen die Kosten im Einkauf trotz steigender Umsätze senken konnte. Herr/Frau … ist außerordentlich zuverlässig und in hohem Maße belastbar. Seine/Ihre Aufgaben erledigte er/sie stets zu unserer vollsten Zufriedenheit. Auch schwierige Situationen erfasste er/sie jederzeit sofort zutreffend und zog daraus die richtigen Schlüsse. Besonders hervorzuheben ist seine/ihre Fähigkeit, sich schnell in neue Sachverhalte einzuarbeiten und sehr zügig zu tragfähigen und ausgewogenen Lösungen zu gelangen. Das persönliche Verhalten von Herrn/Frau … war stets vorbildlich. Dies gilt gleichermaßen für sein/ ihr Verhalten gegenüber der Geschäftsleitung wie auch gegenüber anderen Abteilungsleitern und … Kollegen. Besonders hervorzuheben ist seine/ihre Fähigkeit, seine/ihre Mitarbeiter auch in schwierigen Zeiten oder unter starker Belastung zu motivieren. Herr/Frau … scheidet zum … aus unserem Unternehmen aus, um eine Stelle in der Geschäftsleitung eines größeren Unternehmens zu übernehmen. Wir verlieren in ihm/ihr einen/eine hervorragenden/hervorragende Mitarbeiter/Mitarbeiterin und bedauern sein/ihr Ausscheiden sehr. Wir danken ihm/ihr für seine/ihre langjährige Tätigkeit in unserem Unternehmen und wünschen ihm/ ihr für die Zukunft alles Gute. … (Ort, Datum)

M 24.7

… (Unterschrift [Firma])

Qualifiziertes Zeugnis für eine Assistentin mit unterdurchschnittlicher Bewertung

Frau …, geboren am … in …, war vom … bis zum … als Assistentin in unserer Hamburger Niederlassung tätig. Ihre Aufgabe bestand in der Erledigung von Schreibarbeiten nach Phonodiktat und der Ablage. Frau … schreibt zügig und im Wesentlichen fehlerfrei. Auch die Ablage gab nur in Einzelfällen zu Beanstandungen Anlass. Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt. Ihr Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen gab zu wesentlichen Beanstandungen keinen Anlass. Infolge einer Restrukturierung ist der Arbeitsplatz von Frau … weggefallen.1 Wir wünschen ihr für ihren weiteren Lebensweg alles Gute. … (Ort, Datum)

… (Unterschrift [Firma])

1 Der Grund des Ausscheidens ist nur dann anzugeben, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist (vgl. M 24.1 Fn. 1).

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997

Kap. 24

M 24.8

Zeugnis

M 24.8

Klage auf Erteilung eines Zeugnisses

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen:2 Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistungen im Arbeitsverhältnis erstreckt.

Begründung: Der Kl. war in der Zeit vom … bis … bei der Bekl. als … beschäftigt, sein Monatsgehalt betrug zuletzt Euro …3 Trotz mehrfacher Aufforderung4 hat die Bekl. dem Kl. bislang kein Zeugnis ausgestellt, obwohl der Kl. nach § 109 GewO einen Anspruch darauf hat.5 … (Unterschrift)6 1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Wichtig: Die konkrete Formulierung des Zeugnisses ist Sache des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber das Zeugnis mit einem bestimmten Wortlaut ausstellt. Der Arbeitnehmer kann deshalb nicht den Antrag stellen, den Arbeitgeber zur Ausstellung eines der Klageschrift beigefügten fertig formulierten Zeugnisses zu verurteilen. In Betracht kommt nur eine nachträgliche Zeugnisberichtigungsklage, wenn der Arbeitnehmer mit dem vom Arbeitgeber ausgestellten Zeugnis in einzelnen Punkten nicht zufrieden ist (s. M 24.9). 3 Die Angabe des Gehalts ist für die Schlüssigkeit der Klage nicht erforderlich, erleichtert aber dem Gericht die Streitwertberechnung (s. Fn. 6). 4 Der Arbeitgeber hat ein Arbeitszeugnis grundsätzlich nur auf Verlangen des Arbeitnehmers auszustellen (§ 109 GewO). Es muss deshalb vorgetragen werden, dass außergerichtlich der Arbeitgeber erfolglos zur Erstellung des Zeugnisses aufgefordert worden war. Anderenfalls droht bei sofortigem Anerkenntnis des Arbeitgebers die negative Kostenfolge des § 93 ZPO. 5 Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Anspruch auf Erteilung des qualifizierten Zeugnisses tariflichen Verfallfristen unterfällt (vgl. BAG v. 23.2.1983, AP Nr. 10 zu § 70 BAT). Eine Verwirkung wird nur selten in Betracht kommen, da der Arbeitnehmer häufig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht weiß, ob er das Arbeitszeugnis benötigt (s. allerdings BAG v. 17.2.1988 – 5 AZR 638/86, NZA 1988, 427). 6 Der Streitwert einer Zeugnisklage beträgt im Regelfall ein Bruttomonatsgehalt (BAG v. 20.2.2001, NZA 2001, 843; LAG Berlin-Brandenburg v. 3.11.2014, JurBüro 2015, 250; so auch Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit idF v. 9.7.2014, NZA 2014, 745). Die Dauer des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses ist für den Streitwert unerheblich (LAG Köln v. 26.8.1991, JurBüro 1992, 24).

M 24.9

Klage auf Berichtigung eines Zeugnisses

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. 1 S. M 101.1 und M 101.2.

998 Diller

M 24.9

Zeugnis

Kap. 24

Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage2 und beantragen:3 Die Beklagte wird verurteilt, das dem Kläger am … ausgehändigte Zeugnis in folgenden Punkten zu ändern bzw. zu berichtigen:4 1. Das Zeugnis ist auf dem offiziellen Briefbogen des Unternehmens neu auszustellen. 2. In der dritten Zeile ist der Schreibfehler „Vertrib“ in „Vertrieb“ zu korrigieren. 3. Der Auflistung der Aufgaben des Klägers im zweiten Absatz ist folgender Spiegelstrich anzufügen: „– Erstellung des Budgets für die gesamte Abteilung“. 4. Der letzte Satz des 5. Absatzes wird wie folgt gefasst: „Der Kläger hat die ihm obliegenden Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.“ 5. Das Zeugnis ist vom Geschäftsführer oder von einem Prokuristen zu unterschreiben. 6. Das Zeugnis ist auf den … zu datieren.

Begründung: Der Kl. war bis zum … bei der Bekl. als … tätig, sein letztes Gehalt5 betrug Euro … pro Monat. Am … erteilte die Bekl. dem Kl. das als Anlage K 1 beigefügte Zeugnis, mit dem der Kl. jedoch in verschiedenen Punkten nicht einverstanden sein kann. Es ist anerkannt, dass ein Arbeitszeugnis auf ordnungsgemäßem Firmenbriefbogen geschrieben sein muss, nicht auf Blankopapier.6 Selbstverständlich darf das Arbeitszeugnis keine Schreibfehler enthalten.7 Ein Arbeitszeugnis muss – von Belanglosigkeiten abgesehen – die Aktivitäten des Arbeitnehmers umfassend darstellen. Der Kl. hatte unstreitig für die Aufstellung des Budgets seiner Abteilung zu sorgen. Dies ist eine außerordentlich verantwortungsvolle und schwierige Aufgabe. Dass der Kl. diese Aufgabe hatte, zeigt, welches Vertrauen die Bekl. in seine Leistungsfähigkeit hatte. Der Kl. hat deshalb einen Anspruch darauf, dass dieser Umstand im Zeugnis erwähnt wird. 2 Tarifliche Ausschlussfristen sind zu beachten. Für den Berichtigungsanspruch beginnt allerdings die Ausschlussfrist erst zu laufen, wenn der Arbeitnehmer die erste Fassung des Zeugnisses erhalten hat, da er erst ab diesem Zeitpunkt beurteilen kann, ob das Zeugnis in Ordnung ist (BAG v. 23.2.1983, AP Nr. 10 zu § 70 BAT). Von besonderer Bedeutung hinsichtlich des Zeugnisberichtigungsanspruchs ist die Verwirkung, die schon nach recht kurzen Zeiträumen in Betracht kommt (vgl. LAG Hamm v. 16.3.1989 – 12 (13) Sa 1149/88, BB 1989, 1486: 2 Monate; BAG v. 17.10.1972, BB 1973, 195: 5 Monate; BAG v. 17.2.1988, BB 1988, 978: 10 Monate). 3 Umstritten ist, ob der Arbeitgeber an dem eingeklagten berichtigten Zeugnis ein Zurückbehaltungsrecht in der Weise hat, dass er vom Arbeitnehmer die Rückgabe des zunächst ausgestellten vermeintlich unrichtigen Zeugnisses verlangen kann. Wäre das zu bejahen, könnte der Arbeitnehmer die Klage nur „Zug um Zug gegen Herausgabe des zunächst am … ausgestellten Zeugnisses“ verlangen (so aber LAG Hamm v. 23.2.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE Nr. 16 zu § 630 BGB). Nach überwiegender Auffassung hingegen besteht ein solches Zurückbehaltungsrecht nicht (LAG Hamburg v. 6.12.2007 – 8 Sa 51/07, juris; Hess. LAG v. 28.3.2003 – 12 SaGa 1744/02, LAGReport 2004, 215; HWK/Gäntgen, § 109 GewO Rz. 50). Das Argument, nur durch das Zurückbehaltungsrecht könne der Arbeitgeber sicherstellen, dass nicht zwei verschiedene Zeugnisse zur selben Tätigkeit im Umlauf seien, überzeugt schon deshalb nicht, weil nicht anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer das ursprüngliche, aus seiner Sicht zu schlechte Zeugnis weiter bei Bewerbungen vorlegen wird. 4 Wichtig: Bei der Zeugnisberichtigungsklage reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer bestimmte Mängel des Zeugnisses rügt. Er muss zugleich im Klageantrag klarstellen, auf welche Weise die Mängel behoben werden sollen. Dazu ist es regelmäßig erforderlich, konkrete Formulierungen anzugeben, die in dem geänderten Zeugnis verwendet werden sollen (LAG Düsseldorf v. 21.8.1973, DB 1973, 1853). 5 Die Angabe des Gehalts in der Klageschrift ist sinnvoll, da sie dem Gericht die Streitwertberechnung erleichtert. 6 Das Zeugnis ist stets auf Firmenpapier zu verfassen, wenn das Unternehmen ein solches besitzt (BAG v. 3.3.1993, AP Nr. 20 zu § 630 BGB). 7 Schreibfehler sind grundsätzlich zu berichtigen (zweifelhaft ArbG Düsseldorf v. 19.12.1984 – 6 Ca 5682/ 84, NJW 1986, 1281).

Diller

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Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Unzutreffend ist die Gesamtbewertung des Kl. im letzten Satz des 5. Absatzes des Zeugnisses vom … Es heißt dort wie folgt: „Die ihm übertragenen Aufgaben erledigte Herr … zu unserer Zufriedenheit“. Eine solche Beurteilung ist nach allgemeiner Auffassung erheblich unterdurchschnittlich. Die Leistungen des Kl. waren aber überdurchschnittlich, so dass sie die im Klageantrag begehrte überdurchschnittliche Bewertung rechtfertigen.8 Die Bekl. hat sich bis zuletzt immer lobend über den Kl. erwähnt. Zuletzt wurde ihm im Dezember … wegen besonderer Leistungen eine Gehaltserhöhung von Euro … bewilligt. Beweis: Belobigungsschreiben vom …, Anlage K 2 Nach allgemeiner Auffassung muss ein Arbeitszeugnis von der Geschäftsleitung oder zumindest einem Prokuristen unterschrieben sein. Die Unterschrift des Abteilungsleiters reicht nicht. Außerdem muss das Zeugnis stets auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses datiert sein.9, 10 … (Unterschrift)11 8 Äußerst umstritten ist die Beweislastverteilung. Nach Auffassung des BAG trägt grundsätzlich der Arbeitgeber die Beweislast (BAG v. 25.10.1957, AP Nr. 1 zu § 630 BGB). Der Arbeitgeber habe grundsätzlich ein richtiges Zeugnis auszustellen, deshalb sei er für die gehörige Erfüllung nach den allgemeinen Regeln des BGB beweispflichtig. Allerdings gilt diese Beweislast nur eingeschränkt hinsichtlich der bewertenden Leistungsbeurteilung. Hier trifft den Arbeitgeber die Beweislast nur für die Richtigkeit einer unterdurchschnittlichen oder durchschnittlichen Bewertung. Verlangt der Arbeitnehmer dagegen eine überdurchschnittliche Bewertung, muss er darlegen, dass er tatsächlich überdurchschnittlich gut gewesen ist (BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 12/03, NZA 2004, 842). Daran ändert sich dadurch nichts, wenn in einer Branche in 86,6 % aller Zeugnisse „gute“ oder „sehr gute“ Leistungen bescheinigt werden (BAG v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435). 9 Ein vom Arbeitgeber berichtigtes Zeugnis ist auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum zurückzudatieren (BAG v. 9.9.1992, AP Nr. 19 zu § 630 BGB). Dabei darf im Zeugnis weder die Tatsache vermerkt sein, dass es nachträglich ergänzt wurde, noch dass die Parteien gerichtlich darum gestritten haben (LAG BW v. 27.10.1966, BB 1967, 161). 10 Die Zeugniserteilung ist eine unvertretbare Handlung iSd. § 888 ZPO, insbesondere weil sie auf Firmenpapier erfolgen muss (BAG v. 29.1.1986 – 4 AZR 479/84, NZA 1987, 384). Die Zwangsvollstreckung erfolgt deshalb durch Zwangsgeld bzw. Zwangshaft. In Betracht kommt auch ein Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG (s. M 108.2). 11 Die Praxis der Arbeitsgerichte erachtet wie bei der Klage auf Erteilung des Zeugnisses einen Streitwert von einem Monatsgehalt für angemessen (BAG v. 20.2.2001, NZA 2001, 843; LAG Baden-Württemberg v. 9.2.2010 – 5 Ta 16/10; so auch Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit idF v. 9.7.2014, NZA 2014, 745).

Kapitel 25 I. 1. 2. 3. 4. 5.

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Einführung Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . Bedingte Wettbewerbsverbote . . . . . . . Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers/ unbillige Erschwerung . . . . . . . . . . . . 6. Anrechnung anderweitigen Erwerbs . . . 7. Lösung vom Verbot bei Kündigung . . .

1000

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. . . .

_ _ _ _ _ _ _ 1 2 4 8

. 9 . 12 . 13

_ _ _ _ _

8. Verzicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . 9. Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 16

II. Muster Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 25.1 Wettbewerbsverbot mit einem Organmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 25.2 Verzicht des Arbeitgebers gem. § 75a HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 25.3

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Unzutreffend ist die Gesamtbewertung des Kl. im letzten Satz des 5. Absatzes des Zeugnisses vom … Es heißt dort wie folgt: „Die ihm übertragenen Aufgaben erledigte Herr … zu unserer Zufriedenheit“. Eine solche Beurteilung ist nach allgemeiner Auffassung erheblich unterdurchschnittlich. Die Leistungen des Kl. waren aber überdurchschnittlich, so dass sie die im Klageantrag begehrte überdurchschnittliche Bewertung rechtfertigen.8 Die Bekl. hat sich bis zuletzt immer lobend über den Kl. erwähnt. Zuletzt wurde ihm im Dezember … wegen besonderer Leistungen eine Gehaltserhöhung von Euro … bewilligt. Beweis: Belobigungsschreiben vom …, Anlage K 2 Nach allgemeiner Auffassung muss ein Arbeitszeugnis von der Geschäftsleitung oder zumindest einem Prokuristen unterschrieben sein. Die Unterschrift des Abteilungsleiters reicht nicht. Außerdem muss das Zeugnis stets auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses datiert sein.9, 10 … (Unterschrift)11 8 Äußerst umstritten ist die Beweislastverteilung. Nach Auffassung des BAG trägt grundsätzlich der Arbeitgeber die Beweislast (BAG v. 25.10.1957, AP Nr. 1 zu § 630 BGB). Der Arbeitgeber habe grundsätzlich ein richtiges Zeugnis auszustellen, deshalb sei er für die gehörige Erfüllung nach den allgemeinen Regeln des BGB beweispflichtig. Allerdings gilt diese Beweislast nur eingeschränkt hinsichtlich der bewertenden Leistungsbeurteilung. Hier trifft den Arbeitgeber die Beweislast nur für die Richtigkeit einer unterdurchschnittlichen oder durchschnittlichen Bewertung. Verlangt der Arbeitnehmer dagegen eine überdurchschnittliche Bewertung, muss er darlegen, dass er tatsächlich überdurchschnittlich gut gewesen ist (BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 12/03, NZA 2004, 842). Daran ändert sich dadurch nichts, wenn in einer Branche in 86,6 % aller Zeugnisse „gute“ oder „sehr gute“ Leistungen bescheinigt werden (BAG v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435). 9 Ein vom Arbeitgeber berichtigtes Zeugnis ist auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum zurückzudatieren (BAG v. 9.9.1992, AP Nr. 19 zu § 630 BGB). Dabei darf im Zeugnis weder die Tatsache vermerkt sein, dass es nachträglich ergänzt wurde, noch dass die Parteien gerichtlich darum gestritten haben (LAG BW v. 27.10.1966, BB 1967, 161). 10 Die Zeugniserteilung ist eine unvertretbare Handlung iSd. § 888 ZPO, insbesondere weil sie auf Firmenpapier erfolgen muss (BAG v. 29.1.1986 – 4 AZR 479/84, NZA 1987, 384). Die Zwangsvollstreckung erfolgt deshalb durch Zwangsgeld bzw. Zwangshaft. In Betracht kommt auch ein Entschädigungsantrag nach § 61 Abs. 2 ArbGG (s. M 108.2). 11 Die Praxis der Arbeitsgerichte erachtet wie bei der Klage auf Erteilung des Zeugnisses einen Streitwert von einem Monatsgehalt für angemessen (BAG v. 20.2.2001, NZA 2001, 843; LAG Baden-Württemberg v. 9.2.2010 – 5 Ta 16/10; so auch Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit idF v. 9.7.2014, NZA 2014, 745).

Kapitel 25 I. 1. 2. 3. 4. 5.

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Einführung Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . Bedingte Wettbewerbsverbote . . . . . . . Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers/ unbillige Erschwerung . . . . . . . . . . . . 6. Anrechnung anderweitigen Erwerbs . . . 7. Lösung vom Verbot bei Kündigung . . .

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. 9 . 12 . 13

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8. Verzicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . 9. Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 16

II. Muster Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 25.1 Wettbewerbsverbot mit einem Organmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 25.2 Verzicht des Arbeitgebers gem. § 75a HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 25.3

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

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Lösungserklärung des Arbeitnehmers gem. § 75 Abs. 1 oder 2 HGB . . . . . . . . . M . . 25.4 Angebot einer erhöhten Karenzentschädigung nach § 75 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . M . . 25.5 Lösungserklärung des Arbeitgebers bei fristloser Kündigung nach § 75 Abs. 1, 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 25.6 Aufforderung zur Mitteilung anderweitigen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 25.7 Erfüllungsablehnung des Arbeitgebers nach Verstößen des Arbeitnehmers . . . . . M . . 25.8

Rz. 1 Kap. 25

_ _ _ _ _

Fristsetzung/Ablehnungsandrohung des Arbeitnehmers bei Nichtzahlung der Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . Klage auf Zahlung von Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von nachvertraglichem Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzschrift gegen eine mögliche Unterlassungsverfügung wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots . Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes . . . . . .

.M . . 25.9 .M. .25.10

.M. .25.11

.M. .25.12

.M. .25.13

Literatur: Bauer/Diller, Indirekte Wettbewerbsverbote, DB 1995, 426; Bauer/Diller, Karenzentschädigung und bedingte Wettbewerbsverbote bei Organmitgliedern, BB 1995, 1134; Bauer/Diller, Wechselwirkungen zwischen Wettbewerbstätigkeit, Ruhestand und betrieblicher Altersversorgung, BB 1997, 990; Bauer/Diller, Zulässige und unzulässige Bedingungen in Wettbewerbsverboten, DB 1997, 94; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 7. Aufl. 2015; Bauer/Diller, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote: Änderungen durch die Schuldrechtsreform, NJW 2002, 1609; Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016; Becker, Zulässigkeit und Wirksamkeit von Konkurrenzklauseln zwischen Rechtsanwälten, 1990; Bergwitz, Möglichkeiten des abberufenen GmbH-Geschäftsführers zur Befreiung vom Wettbewerbsverbot, GmbHR 2006, 1129; Bergwitz, Befreiung der GmbH von der Karenzentschädigungspflicht beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot des abberufenen Geschäftsführers, GmbHR 2007, 523; Bossmann, Die Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer, 1993; Bruckner, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, 1987; Brune, Bedingte Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 1989; Buchner, Wettbewerbsverbote während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 2. Aufl. 1995; Diller, Parallele nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Anstellungs-, Gesellschafts- und Unternehmenskaufverträgen, FS Buchner, 2009, S. 177; Diller/Wilske, Grenzüberschreitende Durchsetzung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote, DB 2007, 1866; Dorndorf, Freie Arbeitsplatzwahl und Recht am Arbeitsergebnis, 1979; Gaul/Khanian, Zulässigkeit und Grenzen arbeitsrechtlicher Regelungen zu Wettbewerbsverboten, MDR 2006, 181; Görg, Nachträgliche Geltungshindernisse und Leistungsstörungen bei Wettbewerbsvereinbarungen für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 1969; Gravenhorst, Die Zusage der Karenzentschädigung nach § 74 II HGB, NJW 2006, 3609; Grüll/Janert, Die Konkurrenzklausel, 5. Aufl. 1993; Grunsky, Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl. 1987; Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers, 5. Aufl. 2009; Hunold, Rechtsprechung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, NZA-RR 2007, 617; Karlsfeld, Die Lösung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot – Vorsicht, Haftungsfalle!, ArbRB 2007, 248; Koch, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im einseitig vorformulierten Arbeitsvertrag, RdA 2006, 28; Löwe, Der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, 1988; Menke, Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, NJW 2009, 636; Mückl, Erfolgreiche Taktik beim Umgang mit Wettbewerbsverboten, FA 2008, 194; Reinfeld, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1993; Reinhard, Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeitsrecht, ArbRB 2007, 297; Reufels/Schewiola, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern, ArbRB 2008, 57; Röhsler/Borrmann, Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, 1981; Wertheimer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, 1998.

I. Einführung 1. Rechtsgrundlagen § 74 HGB definiert das Wettbewerbsverbot als eine Vereinbarung, die den Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beDiller

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Kap. 25 Rz. 2

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

schränkt. Die §§ 74 ff. HGB galten ursprünglich nur für kaufmännische Angestellte. Die Rechtsprechung wendet aber seit den 1960er Jahren die Vorschriften generell auf Wettbewerbsverbote mit allen Arbeitnehmern an; dies ist jetzt in § 110 GewO auch gesetzlich verankert.1 Nicht unmittelbar anwendbar sind die §§ 74 ff. HGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dagegen für GmbH-Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und sonstige Organmitglieder.2 Hier ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die analoge Anwendung einzelner Vorschriften der §§ 74 ff. HGB in Betracht kommt. Bejaht wird dies beispielsweise bei den §§ 75 und 75a HGB3 (Lösung, Verzicht), nicht dagegen bei § 74c HGB4 (Anrechnung anderweitigen Verdiensts) und § 74 Abs. 2 HGB (Erfordernis einer mindestens 50%igen Karenzentschädigung).5 2. Form 2

§ 74 Abs. 1 HGB enthält für nachvertragliche Wettbewerbsverbote eine äußerst scharfe Formvorschrift, die in der Praxis häufig missachtet wird. Erforderlich ist nicht nur Schriftform, sondern auch die Aushändigung einer vom Arbeitgeber original unterzeichneten Abschrift der Vereinbarung.

3

Praxistipp: Da der Arbeitgeber die Beweislast dafür trägt, dass dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss die Abschrift ausgehändigt wurde, und der Abschluss des Wettbewerbsverbots beim Ausscheiden des Arbeitnehmers oft Jahrzehnte zurückliegt, entstehen hier schnell Beweisprobleme. Unverzichtbar für den Arbeitgeber ist es deshalb, sich den Erhalt der unterschriebenen Abschrift vom Arbeitnehmer schriftlich bestätigen zu lassen. Wegen § 309 Nr. 12b BGB sollte die Bestätigung vom Arbeitnehmer unbedingt getrennt unterschrieben werden (s. M 25.1). § 74 Abs. 1 HGB verlangt, dass die vom Arbeitgeber unterzeichnete Abschrift unmittelbar bei oder nach Abschluss des Wettbewerbsverbots ausgehändigt wird, eine spätere Aushändigung heilt das Wettbewerbsverbot nicht mehr.

3. Karenzentschädigung 4

Gemäß § 74 Abs. 2 HGB ist das Wettbewerbsverbot nur verbindlich, wenn dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zugesagt wird, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der vertragsgemäßen Leistungen erreicht. Liegt die zugesagte Entschädigung auch nur 1 Euro darunter, ist das Verbot unverbindlich. In der Praxis werden hier häufig Fehler gemacht.

5

Praxistipp: Am sichersten ist es, den Text des § 74 Abs. 2 HGB (ohne das Wort „mindestens“!) wörtlich abzuschreiben. Jede andere Formulierung birgt die Gefahr, dass die Rechtsprechung vermutet, mit der vom Gesetz abweichenden Formulierung habe der Arbeitgeber die zugesagte Entschädigung bewusst niedriger als in § 74 Abs. 2 HGB gefordert festsetzen wollen.6

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Die Berechnung der Karenzentschädigung erfolgt zweistufig. Soweit es um Festbezüge (Lohn, Gehalt) geht, kommt es nur auf die „zuletzt bezogenen“ Leistungen an. Maßgeblich ist also der letzte Monatslohn bzw. das letzte Monatsgehalt vor dem Ausscheiden. Deshalb ist es nicht ausreichend, wenn dem Arbeitnehmer zB der Durchschnitt des letzten Jahres oder der letzten drei Jahre zugesagt wird. Anders ist es dagegen bei variablen Vergütungen wie Prämien, Tantiemen, Provisionen, Boni etc. Hier regelt § 74b Abs. 2 HGB ausdrücklich, dass es auf den Zeitraum der letzten 36 Monate vor dem Ausscheiden ankommt. In die Berechnung der Ka1 2 3 4 5 6

Seit BAG v. 13.9.1969, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1. BGH v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, DB 1992, 936; OLG Celle v. 21.9.1979, GmbHR 1980, 36. BGH v. 15.4.1991 – II ZR 214/89, DB 1991, 1508; v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, NZG 2008, 664. Vgl. im Einzelnen M 25.2. Vgl. die umfassenden Beispiele bei Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 451.

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Rz. 9 Kap. 25

renzentschädigung einzubeziehen sind sämtliche geldwerten Leistungen, die der Arbeitnehmer erhält, egal um welche Leistungen es sich handelt (Dienstwagen, Sozialleistungen, Weihnachtsgeld, Mietzuschuss etc.). Ob auf die Leistungen ein Rechtsanspruch besteht oder der Arbeitnehmer sie freiwillig erhalten hat, spielt keine Rolle.7 Ist eine zu niedrige Entschädigung zugesagt, ist das Wettbewerbsverbot nicht nichtig, sondern „unverbindlich“. Nach der Rechtsprechung hat der Arbeitnehmer bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot ein Wahlrecht.8 Er kann sich beim Ausscheiden für die Einhaltung des Verbots entscheiden und erhält dann die zugesagte (zu niedrige) Karenzentschädigung. Der Arbeitnehmer kann sich aber auch für die Nicht-Einhaltung des Verbots entscheiden, erhält dann aber natürlich keine Karenzentschädigung.

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4. Bedingte Wettbewerbsverbote Ein Dauerbrenner in der Rechtsprechung sind die sog. „bedingten“ Wettbewerbsverbote.9 Darunter versteht man Vertragsgestaltungen, bei denen sich der Arbeitgeber letztlich vorbehalten will, ob er das Verbot im Ernstfall in Kraft setzt oder nicht. Hierunter fallen Klauseln, nach denen der Arbeitgeber sich vorbehält, ein Wettbewerbsverbot auszusprechen, es dem Arbeitnehmer aufzuerlegen, es in Kraft zu setzen oder geltend zu machen. Den gleichen Effekt versuchen Arbeitgeber häufig auch durch eine Klausel zu erreichen, wonach sie bis zuletzt von dem Verbot zurücktreten oder darauf verzichten können oder die Zustimmung zu einer Konkurrenztätigkeit erteilt werden kann. Diese Konstruktionen dienen letztlich nur dazu, den Arbeitnehmer um die Karenzentschädigung zu bringen. Der Arbeitgeber will abwarten, ob der Arbeitnehmer sich nach dem Ausscheiden in der gleichen Branche orientiert, und das Verbot nur in diesem Fall geltend machen. Dies würde dazu führen, dass der Arbeitnehmer von vornherein eine konkurrenzfreie Tätigkeit aufnimmt und dann um die Entschädigung gebracht würde. Der Arbeitgeber hätte also sein Ziel erreicht, ohne Karenzentschädigung zahlen zu müssen. Deshalb verweigert die Rechtsprechung10 solchen „bedingten Wettbewerbsverboten“ die Anerkennung und behandelt sie als unverbindlich mit der Maßgabe, dass der Arbeitnehmer (wie bei einer zu niedrigen Karenzentschädigung) die Wahl hat, ob er das bedingte Wettbewerbsverbot einhält und die (eigentlich nur vorbehaltlich zugesagte) Karenzentschädigung bekommen will oder ob er das Verbot ignoriert.

8

5. Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers/unbillige Erschwerung Eine weitere Grenze für Wettbewerbsverbote enthält § 74a Abs. 1 HGB. Danach ist ein Wettbewerbsverbot – auch bei ausreichender Entschädigungszusage! – unverbindlich, soweit es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Rechtsfolge der Unverbindlichkeit ist ein Wahlrecht des Arbeitnehmers (s. Rz. 8). Als berechtigtes geschäftliches Interesse anerkannt ist der Wunsch nach Geheimhaltung von innerbetrieblichem Know-how (Rezepturen, Fertigungsverfahren, Marketing-Strategien etc.) sowie der Schutz von Kunden und Lieferanten. Dementsprechend sind Wettbewerbsverbote vor allem bei Ingenieuren in Forschung und Entwicklung sowie bei Vertriebsmitarbeitern in leitender Stellung anzutreffen. Nicht ausreichend ist dagegen der bloße Wunsch des Arbeitgebers, eine fähige Kraft für die Konkurrenz zu sperren.11 7 8 9 10 11

BAG v. 16.11.1973, AP Nr. 34 zu § 74 HGB. BAG v. 13.9.1969, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel. Ausführlich Bauer/Diller, DB 1997, 94. Nachweise bei Bauer/Diller, DB 1997, 94. BAG v. 1.8.1995, AP Nr. 5 zu § 74a HGB.

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Nach § 74a Abs. 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot weiter unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der zugesagten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält. Insbesondere bei hoch spezialisierten Arbeitnehmern mit schnell veraltendem Know-how kann ein Wettbewerbsverbot eine unbillige Erschwerung darstellen, wenn nur eine 50%ige Karenzentschädigung zugesagt ist und der Arbeitnehmer de facto nach seinem Ausscheiden einen komplett neuen Beruf erlernen muss.

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Die Höchstdauer des Wettbewerbsverbots beträgt gem. § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB zwei Jahre. Die Zwei-Jahres-Frist rechnet ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (nicht ab einer früheren Freistellung). Ist ein Verbot von mehr als zwei Jahren vereinbart, bleibt es für die ersten beiden Jahre verbindlich, während es für die Zeit danach unverbindlich ist (Wahlrecht des Arbeitnehmers). 6. Anrechnung anderweitigen Erwerbs

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Tritt das Wettbewerbsverbot in Kraft, hat sich der Arbeitnehmer auf die zu zahlende Karenzentschädigung gem. § 74c HGB einen anderweitigen Erwerb anrechnen zu lassen. Es gilt das Prinzip der „Gleichheit von Berechnung und Anrechnung“.12 Anrechnen lassen muss sich der Arbeitnehmer also alles, was auch bei der Berechnung der Karenzentschädigung13 zugrunde zu legen ist. Anzurechnen sind also sämtliche geldwerten Leistungen, die der Arbeitnehmer von einem neuen Arbeitgeber erhält. Anrechenbar ist nach richtiger Auffassung auch Arbeitslosengeld.14 Um die Anrechnung durchführen zu können, gibt § 74c Abs. 2 HGB dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunftserteilung über anderweitigen Erwerb, was nach der Rechtsprechung15 die Vorlage geeigneter Nachweise einschließt (vgl. M 25.7). Die Anrechnung anderweitigen Erwerbs nach § 74c HGB beginnt erst dann, wenn der neue Verdienst des Arbeitnehmers zusammen mit der gezahlten Entschädigung 110 % seiner letzten Bezüge übersteigt. War der Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so greift statt der 110 % eine Grenze von 125 %. 7. Lösung vom Verbot bei Kündigung

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In der Praxis besonders fehlerträchtig ist die unübersichtliche Lösungsregelung des § 75 HGB. Kündigt der Arbeitnehmer berechtigt fristlos wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers, so kann er sich durch Erklärung binnen eines Monats gem. § 75 Abs. 1 HGB von dem Wettbewerbsverbot lösen (vgl. M 25.4). Das gleiche Lösungsrecht hat der Arbeitgeber, wenn er berechtigt fristlos wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kündigt (vgl. M 25.6). Die ursprünglich für diesen Fall in § 75 Abs. 3 HGB vorgesehene Rechtsfolge (Bestehenbleiben des Verbots bei Wegfall der Entschädigungsfrist) ist vom Bun-

12 BAG v. 16.11.1973, AP Nr. 34 zu § 74 HGB. 13 S. die Erläuterungen unter Rz. 4 ff. 14 So früher BAG v. 25.6.1985, AP Nr. 11 zu § 74c HGB. Ob das heute noch gilt, ist allerdings fraglich (offengelassen in BAG v. 14.9.2011, NZA-RR 2012, 98 und v. 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, NZA 2014, 536). 15 BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB.

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Rz. 16 Kap. 25

desverfassungsgericht16 für verfassungswidrig erklärt worden; die entstandene Lücke wurde durch entsprechende Anwendung des Abs. 1 geschlossen. Besonders unübersichtlich ist das Lösungsrecht des Arbeitnehmers gem. § 75 Abs. 2 HGB, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigt, ohne dass Gründe in der Person des Arbeitnehmers vorliegen. Hauptfall ist die betriebsbedingte Kündigung. In solchen Fällen ergibt sich aus der in § 75 Abs. 2 HGB vorgesehenen entsprechenden Geltung des § 75 Abs. 1 HGB, dass der Arbeitnehmer sich binnen eines Monats nach Kündigungserklärung von dem Verbot lösen kann. Der Arbeitgeber kann das Lösungsrecht nur dadurch abwenden, dass er zugleich mit der Kündigungserklärung die Karenzentschädigung auf 100 % aufstockt (vgl. M 25.5).

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8. Verzicht des Arbeitgebers Nicht mit dem Lösungsrecht des § 75 HGB verwechselt werden darf das Verzichtsrecht des § 75a HGB. Dieses Recht steht nur dem Arbeitgeber zu. Der Verzicht kann nur während der Dauer des Anstellungsverhältnisses erklärt werden, nach seinem Ende nicht mehr. Die Wirkung eines erklärten Verzichts auf die wechselseitigen Hauptleistungspflichten ist unterschiedlich geregelt. Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsunterlassung fällt unmittelbar mit dem Ausspruch des Verzichts weg. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung entfällt dagegen erst zwölf Monate später. Endet also das Arbeitsverhältnis früher als zwölf Monate nach Ausspruch des Verzichts, muss noch anteilige Karenzentschädigung gezahlt werden (s. dazu im Einzelnen M 25.3). Das Verzichtsrecht aus § 75a HGB ist für den Arbeitgeber deshalb besonders bedeutsam, weil es ihm die Möglichkeit bietet, sich von einem unverbindlich oder uninteressant gewordenen Wettbewerbsverbot rechtzeitig zu befreien.

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9. Streitigkeiten Tritt das Wettbewerbsverbot mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers in Kraft, so hat dieser jegliche Wettbewerbstätigkeit zu unterlassen. Verstößt er gegen das Verbot, verliert er für die Dauer des Verstoßes den Entschädigungsanspruch. Zugleich kann ihn der Arbeitgeber per einstweiliger Verfügung zur Einhaltung des Verbots anhalten (vgl. M 25.11). Hat die weitere Einhaltung des Wettbewerbsverbots wegen der bereits erfolgten Verstöße des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber kein Interesse mehr, kann dieser sich unter bestimmten Voraussetzungen gem. § 323 BGB von dem Verbot lösen (vgl. M 25.8). Zahlt der Arbeitgeber nicht die zugesagte Karenzentschädigung, kann der Arbeitnehmer auf Zahlung klagen (vgl. M 25.10). Der Arbeitnehmer kann auch eine Nachfrist setzen und sich bei beharrlicher Nicht-Zahlung der Entschädigung vom Wettbewerbsverbot lösen (vgl. M 25.9). Besteht Streit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Wirksamkeit des Verbots, kann der Streit vorab durch Feststellungsklage geklärt werden (vgl. M 25.13).

16 BVerfG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB.

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M 25.1

II. Muster M 25.1

Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer

Vereinbarung Zwischen der Firma … (im Folgenden: Firma) und Herrn/Frau … (im Folgenden: Mitarbeiter) wird folgendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart: 1. Dem Mitarbeiter ist es untersagt, auf die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Mitarbeiter untersagt, während der Dauer dieses Verbots ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zugunsten der mit der Firma verbundenen Unternehmen.1 2. Während der Dauer des Wettbewerbsverbots erhält der Mitarbeiter eine Entschädigung, die für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der von dem Mitarbeiter zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen beträgt.2 3. Der Mitarbeiter muss sich anderweitigen Erwerb nach Maßgabe von § 74c HGB auf die Entschädigung anrechnen lassen. Der Mitarbeiter hat jeweils zum Quartalsende unaufgefordert in Textform mitzuteilen, ob und in welcher Höhe er anderweitige Einkünfte bezieht. Auf Verlangen sind die Angaben zu belegen. 4. Für jede Handlung, durch die der Mitarbeiter das Verbot schuldhaft verletzt, hat er eine Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreteroder Beraterverhältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalmäßige Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Bei Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen ist der gesamte Betrag der zu zahlenden Vertragsstrafen auf das Sechsfache des letzten Bruttomonatsgehalts begrenzt. Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung (zB Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruchs auf Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes etc.).3 1 Die hier gewählten Formulierungen sind sehr weitgehend. Teile des Verbots werden nicht von dem nach § 74a Abs. 1 HGB erforderlichen geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein. Das ist jedoch unschädlich, da § 74a Abs. 1 HGB ausdrücklich eine geltungserhaltende Reduktion vorsieht. 2 Praxistipp: Vor einer genauen Beschreibung der Berechnungsmechanismen kann nur dringend gewarnt werden, da die Rechtsprechung bei jeder noch so marginalen Abweichung von den §§ 74 ff. HGB das Verbot für unverbindlich erklärt. 3 Praxistipp: Ein Wettbewerbsverbot ohne Vertragsstrafe ist das Papier nicht wert, auf dem es steht, da ohne Vertragsstrafe keine wirksame Abschreckung erzielt werden kann. Auch nach der Schuldrechtsreform sind trotz § 309 Nr. 6 BGB Vertragsstrafen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote zulässig

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M 25.2

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Kap. 25

5. Das Wettbewerbsverbot gilt auch mit einem Rechtsnachfolger des Betriebs, insbesondere geht es bei einer Veräußerung auf den Erwerber über. Der Arbeitnehmer ist mit dem Übergang der Rechte aus dieser Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger einverstanden.4 6. Das Wettbewerbsverbot tritt nicht in Kraft, wenn der Mitarbeiter bei seinem Ausscheiden die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht oder das Arbeitsverhältnis weniger als ein Jahr bestanden hat.5 7. Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB.6 … (Ort, Datum) … (Firma)

… (Mitarbeiter)

Der Mitarbeiter bestätigt, eine von der Firma unterschriebene vollständige Abschrift dieser Vereinbarung erhalten zu haben.7 … (Mitarbeiter)

4

5 6 7

(Bauer/Diller, NJW 2002, 1614). Die früher verbreiteten Standardvertragsstrafeklauseln (s. 3. Aufl.) hat das BAG mit Entscheidung v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170, für unwirksam erklärt, da sie dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht genügten (ausf. Diller, NZA 2008, 574). Diese Klausel ist sinnvoll, da umstritten ist, ob im Zuge einer Betriebsveräußerung nach § 613a BGB Wettbewerbsverbote auf den Erwerber übergehen, insbesondere wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist (im Einzelnen Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 984 ff.). Die Zulässigkeit dieser Klausel ist allerdings wegen § 309 Nr. 10 BGB nicht unumstritten (dazu Bauer/Diller, NJW 2002, 1614). Solche „objektiven“, also willensunabhängigen Bedingungen sind zulässig und führen nicht zu einem unverbindlich „bedingten Wettbewerbsverbot“. Dieser Hinweis ist zwar rechtlich nicht erforderlich, weil §§ 74 ff. HGB ohnehin gelten. Der Hinweis verdeutlicht aber, dass grundsätzlich keine Abweichungen von den §§ 74 ff. HGB beabsichtigt sind (was die Wirksamkeit des Verbots in Frage stellen könnte). Vgl. Rz. 2 f.

M 25.2

Wettbewerbsverbot mit einem Organmitglied

1. Herrn … ist es untersagt, auf die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma im direkten oder indirekten Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es Herrn … untersagt, während der Dauer dieses Verbots ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zugunsten der mit der Firma verbundenen Unternehmen.1 2. Für die Dauer des Verbots erhält Herr … eine Entschädigung in Höhe von 50 % seiner letzten festen Vergütung. Die Entschädigung wird auf laufende Leistungen aus der Versorgungszusage angerechnet.2 1 Umfassend zu Wettbewerbsverboten mit Organmitgliedern Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885 ff. 2 Nach herrschender Auffassung (ausf. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885) ist jedenfalls bei umfassenden Tätigkeitsverboten auch für GmbH-Geschäftsführer eine Karenzentschädigung zuzusagen, weil sonst das Verbot gegen § 138 BGB verstößt. Allerdings braucht die Höhe der Karenzentschädigung nicht § 74 Abs. 2 HGB zu entsprechen (BGH v. 26.3.1984, BGHZ 91, 5). Nach verbreiteter Auffassung (Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885) ist bspw. eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der Festbezüge (ohne variable Vergütungen, vgl. aber § 74b HGB) ausreichend, jedenfalls wenn nicht die variable Vergütung die Festvergütung übersteigt.

Diller

1007

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.2

3. Das Verbot gilt räumlich für [Deutschland/Europa/alle Länder, in denen die Firma selbst oder über Tochtergesellschaften im Moment des Ausscheidens von Herrn … tätig ist]. 4. Auf die Entschädigung muss sich Herr … anderweitige Bezüge insofern anrechnen lassen, wie diese zusammen mit der Entschädigung 100 % der zuletzt bezogenen festen Vergütung übersteigen.3 Herr … hat über anderweitige Einkünfte zum Ende eines jeden Quartals unaufgefordert in Textform Auskunft zu geben, die Auskunft ist auf Anforderung zu belegen. 5. Für jede Handlung, durch die Herr … das Verbot schuldhaft verletzt, hat er eine Vertragsstrafe in Höhe des letzten Bruttomonatsgehalts zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (zB Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreteroder Beraterverhältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalmäßige Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverletzung). Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen einer Dauerverletzung, sind sie von der für die Dauerverletzung verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Bei Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen ist der gesamte Betrag der zu zahlenden Vertragsstrafen auf das Sechsfache des letzten Bruttomonatsgehalts begrenzt. Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbehalten, desgleichen die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus einer Verletzung (zB Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruchs auf Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes etc.).4 6. Das Wettbewerbsverbot tritt nicht in Kraft, wenn Herr … bei seinem Ausscheiden die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung erreicht oder das Anstellungsverhältnis weniger als ein Jahr bestanden hat. 7. Soweit vorstehende Regelungen nichts anderes bestimmen, gelten §§ 74 ff. HGB entsprechend, insbesondere § 74a HGB (geltungserhaltende Reduktion).5 8. Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, so wird hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, welche dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt. Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit einer Bestimmung auf einem Maß der Leistung oder der Zeit beruht; es gilt dann das rechtlich zulässige Maß.6 3 Praxistipp: Nach der Rechtsprechung des BGH gilt für GmbH-Geschäftsführer § 74c HGB nicht analog (BGH v. 15.4.1991 – II ZR 214/89, DB 1991, 1508; v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, NZG 2008, 664). Deshalb muss die Anrechnung anderweitigen Erwerbs bei GmbH-Geschäftsführern ausdrücklich geregelt werden. Dabei sind die Parteien nicht an die 110 %-Grenze des § 74c HGB gebunden. 4 Praxistipp: Ein Wettbewerbsverbot ohne Vertragsstrafe ist das Papier nicht wert, auf dem es steht, da ohne Vertragsstrafe keine wirksame Abschreckung erzielt werden kann. Auch nach der Schuldrechtsreform sind trotz § 309 Nr. 6 BGB Vertragsstrafen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote zulässig (Bauer/Diller, NJW 2002, 1614). Die früher verbreiteten Standardvertragsstrafeklauseln (s. 3. Aufl.) hat das BAG mit Entscheidung v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 (NZA 2008, 170) für unwirksam erklärt, da sie dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht genügten (ausf. Diller, NZA 2008, 574). 5 Das zentrale Problem bei Wettbewerbsverboten mit Organmitgliedern ist die Frage der geltungserhaltenden Reduktion. Diese ergibt sich bei Arbeitnehmern aus der gesetzlichen Regelung in § 74a HGB. Für Organmitglieder dagegen, deren Wettbewerbsverbote die Rechtsprechung an § 138 BGB misst, soll nach der – verfehlten – Rechtsprechung des BGH eine geltungserhaltende Reduktion ausscheiden, wenn sich die Unwirksamkeit des Verbots aus einer unangemessen weit reichenden sachlichen oder geografischen Reichweite des Verbots ergibt. Zulässig sein muss aber, durch ausdrückliche Inbezugnahme von § 74a HGB vertraglich die geltungserhaltende Reduktion auch bei Organmitgliedern zu vereinbaren. 6 Wichtig: Eine solche salvatorische Klausel ist bei Wettbewerbsverboten mit GmbH-Geschäftsführern unerlässlich. Denn nach der Rechtsprechung des BGH kommt bei einem zu weit gefassten Wettbewerbsverbot entgegen der für Arbeitnehmer geltenden Regelung des § 74a HGB bei GmbH-Geschäftsführern grundsätzlich keine geltungserhaltende Reduktion in Betracht (BGH v. 28.4.1986, WM 1986, 1252 und v.

1008

Diller

M 25.3

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

29.10.1990, GmbHR 1991, 17, s. Fn. 5). Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern, die keine salvatorischen Klauseln enthalten, sind daher so gut wie wertlos.

M 25.3

Verzicht des Arbeitgebers gem. § 75a HGB

Sehr geehrter Herr/Frau …, hiermit1 verzichten wir nach § 75a HGB2 auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gemäß § … Ihres Anstellungsvertrages.3 Aufgrund des Verzichts wird unser Unternehmen mit Ablauf eines Jahres seit dem Zugang dieser Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei.4 Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 1 Wichtig: Für die Verzichtserklärung nach § 75a HGB ist Schriftform erforderlich. Da es sich um eine gesetzliche Formvorschrift iSd. § 126 BGB handelt, reicht eine Verzichtserklärung per Fax nicht aus, BGH v. 28.1.1993 – IX ZR 259/91, NJW 1993, 1126 (näher dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 575). Als einseitiges Gestaltungsrecht ist der Verzicht grundsätzlich bedingungsfeindlich. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass eine Verzichtserklärung nach § 75a HGB keine Vorbehalte enthalten darf. Unwirksam ist die Verzichtserklärung auch dann, wenn sie so formuliert ist, dass der Arbeitnehmer nicht sofort, sondern erst ein Jahr nach der Erklärung von der Wettbewerbsunterlassung frei werden soll (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 579 ff., 586 f. mwN). 2 Gemäß § 75a HGB kann der Arbeitgeber vor Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot verzichten. Der Verzicht wirkt – was in der Praxis oft verkannt wird – auf die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Wettbewerbsverbot unterschiedlich. Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Unterlassung von Wettbewerb erlischt mit Zugang der Verzichtserklärung mit sofortiger Wirkung. Allerdings bleibt trotz der Verzichtserklärung das gesetzliche Wettbewerbsverbot aus § 60 HGB, § 241 BGB noch solange bestehen, wie das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht. Die Entschädigungspflicht des Arbeitgebers endet jedoch erst ein Jahr nach Zugang der Verzichtserklärung, wobei selbstverständlich die Entschädigungspflicht erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses beginnt, nicht schon mit dem Zugang der Verzichtserklärung. In der Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist während der Jahresfrist die Entschädigung auch dann zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer bei einem Konkurrenzunternehmen tätig ist (ArbG Stuttgart v. 30.11.1995 – 5 Ca 7609/95, NZA-RR 1996, 165; LAG BW v. 4.11.1997 – 7 Sa 29/97, nv.; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 594). Erklärt der Arbeitgeber beispielsweise am 28.9. dem Arbeitnehmer die fristgemäße ordentliche Kündigung zum 31.12. und verzichtet er gleichzeitig auf das Wettbewerbsverbot, so ergeben sich folgende Konsequenzen: Der Arbeitnehmer ist in der Zeit bis zum 31.12. noch an das gesetzliche Wettbewerbsverbot aus § 60 HGB, § 241 BGB gebunden, kann aber ab dem 1.1. unbeschränkt Wettbewerb machen. In der Zeit zwischen dem 28.9. und dem 31.12. erhält der Arbeitnehmer seine normalen Bezüge. In der Zeit vom 1.1. bis zum 27.9. des Folgejahres erhält der Arbeitnehmer dann die Karenzentschädigung, egal ob er für die Konkurrenz tätig ist oder nicht. 3 Wichtig: Das Verzichtsrecht nach § 75a HGB besteht auch bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot (BAG v. 19.1.1978, AP Nr. 36 zu § 74 HGB; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 570). Bei unverbindlichen Wettbewerbsverboten ist das Verzichtsrecht sogar besonders wichtig, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dessen Wahlrecht nur durch rechtzeitigen Verzicht aus der Hand nehmen kann. 4 Oft übersehen wird, dass der Verzicht nach § 75a HGB nur während des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden kann. Auf die Kündigungsfrist des Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an, so dass der Verzicht wirksam noch am letzten Tag erklärt werden kann, auch wenn der Arbeitnehmer vorher schon gekündigt und freigestellt war (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 571 mwN). Bei einer fristlosen Kündigung muss der Verzicht spätestens zusammen mit der Kündigung ausgesprochen werden (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 573). Klauseln, nach denen der Arbeitgeber den Verzicht auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen kann, sind unzulässig und führen zu einem unverbindlichen „bedingten“ Wettbewerbsverbot (s. Rz. 8). Wird der Verzicht erst nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen, kann er nicht mehr nach § 75a HGB wirksam werden. Unter bestimmten Umständen (näher dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 612) kann die Verzichtserklärung dann jedoch umgedeutet werden in ein Angebot auf einvernehmliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots.

Diller

1009

Kap. 25

M 25.4

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.4

Lösungserklärung des Arbeitnehmers gem. § 75 Abs. 1 oder 2 HGB

Sehr geehrter Herr (Geschäftsführer),1 hiermit2 erkläre ich gemäß [§ 75 Abs. 1/Abs. 23] HGB4, dass ich mich an das Wettbewerbsverbot ab sofort nicht mehr gebunden erachte. 1 Spricht der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aus (bei außerordentlicher Kündigung gilt § 75 Abs. 3 HGB, dazu s. M 25.6), hat er kein Lösungsrecht. Vielmehr hat der Arbeitnehmer ein Lösungsrecht, wenn die Kündigung nicht auf personenbedingten Gründen beruht. Dieses Lösungsrecht kann der Arbeitgeber dadurch abwenden, dass er bei Ausspruch der Kündigung die Karenzentschädigung auf 100 % der letzten Bezüge erhöht (M 25.5). Nach seinem Wortlaut setzt § 75 Abs. 2 HGB zwar eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers voraus. Nach einhelliger Auffassung ist aber ein Aufhebungsvertrag grundsätzlich gleichzustellen, der auf Veranlassung des Arbeitgebers geschlossen wird (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 628). Das Lösungsrecht ist davon abhängig, dass nicht ein „erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers“ zur Kündigung geführt hat. Entgegen dem irreführenden Wortlaut schließen nicht nur personenbedingte, sondern vor allem auch verhaltensbedingte Kündigungsgründe das Lösungsrecht aus. Auf Verschulden des Arbeitnehmers kommt es nicht an, so dass auch eine ordentliche Kündigung wegen Krankheit nicht zu einem Lösungsrecht führt (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 665). Hauptfall des Lösungsrechts nach § 75 Abs. 2 HGB ist die betriebsbedingte Kündigung, die grundsätzlich nie auf „der Person“ des Arbeitnehmers beruht, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer nur aufgrund einer für ihn ungünstig ausgegangenen Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) Opfer der Kündigung wird. Den Arbeitgeber trifft die Beweislast dafür, dass die Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen erfolgte (statt aller Heymann/Henssler, § 75 HGB Rz. 15; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 667). Gelingt ihm dieser Beweis nicht, hat der Arbeitnehmer das Lösungsrecht. Deshalb ist Vorsicht hinsichtlich der allgemein geübten Praxis geboten, in gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe hinter „betrieblichen Gründen“ zu verstecken. Hat der Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt, so kann er das Lösungsrecht des Arbeitnehmers nach § 75 Abs. 2 HGB nur dadurch abwenden, dass er bei Ausspruch der Kündigung die Karenzentschädigung auf 100 % aufstockt. Die Aufstockung muss zusammen mit der Kündigung angeboten werden. Der Arbeitgeber kann also nicht zunächst abwarten, ob der Arbeitnehmer das Lösungsrecht aus § 75 Abs. 2 HGB ausübt (s. M 25.5 nebst Erläuterungen). Die Lösungserklärung des Arbeitnehmers muss aufgrund der Verweisung in § 75 Abs. 2 HGB auf Abs. 1 schriftlich und innerhalb eines Monats nach Zugang einer Kündigung erfolgen. Dies wird häufig übersehen. Unzulässig sind vertragliche Vereinbarungen, die das Verzichtsrecht nach § 75 Abs. 2 HGB zu Lasten des Arbeitnehmers verändern. Dies gilt zB für Klauseln, wonach das Wettbewerbsverbot bei Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung automatisch entfallen oder überhaupt nur bei Ausspruch einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers in Kraft treten soll. Ebenfalls unzulässig sind Klauseln, nach denen das Wettbewerbsverbot nur bei unverschuldeter Kündigung gelten soll. In allen genannten Fällen nimmt die Rechtsprechung ein unverbindliches „bedingtes Wettbewerbsverbot“ an (BAG v. 14.7.1981, AP Nr. 8 zu § 75 HGB; v. 10.12.1985, AP Nr. 31 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; v. 25.6.1985, AP Nr. 11 zu § 74c HGB unter I.2. der Gründe; umfassend Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 684 ff.). 2 Die Monatsfrist für die Abgabe der Lösungserklärung nach § 75 Abs. 1 HGB läuft grundsätzlich ab dem Zugang der Kündigung, nicht ab der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Lösungserklärung muss schriftlich erfolgen, so dass insbesondere konkludente Erklärungen oder Faxe nicht ausreichen. 3 Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers kommt beispielsweise in Betracht, wenn der Arbeitgeber das Gehalt nicht mehr zahlt, den Arbeitnehmer zur Begehung von Straftaten nötigt etc. Entsprechend § 90a Abs. 3 HGB muss das zur Kündigung führende Verhalten des Arbeitgebers allerdings „schuldhaft“ sein, was zB bei einer Insolvenz aufgrund unvorhergesehener Umstände fehlen kann (dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 623). Das Lösungsrecht des Arbeitnehmers nach § 75 Abs. 1 HGB setzt nicht voraus, dass tatsächlich eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird (BAG v. 26.9.1963, AP Nr. 1 zu § 75 HGB). Das Lösungsrecht besteht vielmehr auch dann, wenn der Arbeitnehmer zwar zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigt wäre, aber stattdessen nur ordentlich kündigt (etwa um sich für eine gewisse Zeit das Einkommen zu sichern) oder einen Aufhebungsvertrag abschließt. Allerdings muss der Arbeitnehmer, wenn er sich die Rechte aus § 75 Abs. 1 HGB erhalten will, beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder beim Ausspruch einer ordentlichen Kündigung klar zu erkennen geben, dass er die Beendigung des

1010

Diller

M 25.5

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) Arbeitsverhältnisses gerade wegen des vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers will (ausf. Bauer/ Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 628 ff.). Zu beachten ist im Zusammenhang mit einer Lösungserklärung nach § 75 Abs. 1 HGB immer auch § 628 Abs. 2 BGB. Danach ist der Vertragspartner, der durch vertragswidriges Verhalten eine außerordentliche Kündigung verursacht, dem Kündigenden zu Schadensersatz verpflichtet. Der Arbeitnehmer kann deshalb nach Abgabe der Lösungserklärung nach § 75 Abs. 1 HGB die ihm entgehende Karenzentschädigung unter Umständen gem. § 628 Abs. 2 BGB als Schadensersatz verlangen (BAG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB unter I.2.d der Gründe). 4 Wichtig: § 75 HGB ist eine völlig missglückte Regelung, die sich bei unbefangenem Lesen des Gesetzestextes in keiner Weise erschließt. Für den Arbeitnehmer hält § 75 HGB zwei verschiedene Lösungsmöglichkeiten bereit: Zum einen besteht das Lösungsrecht nach § 75 Abs. 1 HGB für den (in der Praxis seltenen) Fall, dass der Arbeitnehmer wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers selbst fristlos kündigt. Größere Bedeutung hat dagegen die Verzichtsmöglichkeit nach § 75 Abs. 2 HGB bei Ausspruch einer nicht-personenbedingten ordentlichen Kündigung seitens des Arbeitgebers (insbesondere bei betriebsbedingter Kündigung). Zu beachten ist, dass in beiden Varianten das Wettbewerbsverbot nicht von selbst entfällt, sondern nur, wenn der Arbeitnehmer binnen eines Monats und schriftlich die Lösung vom Verbot erklärt.

M 25.5

Angebot einer erhöhten Karenzentschädigung nach § 75 Abs. 2 HGB

Sehr geehrter Herr/Frau …, hiermit müssen wir Ihnen leider ordentlich betriebsbedingt wegen Betriebsschließung zum … kündigen. Trotz der Kündigung halten wir an dem mit Ihnen vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (§ … Ihres Anstellungsvertrages) fest1, und erklären deshalb gemäß § 75 Abs. 2 HGB hiermit,2 dass wir Ihnen während der Dauer des Wettbewerbsverbots an Stelle der im Vertrag zugesagten 50%igen Karenzentschädigung die vollen3 zuletzt von Ihnen bezogenen vertragsmäßigen Leistungen gewähren.4 1 Zum Lösungsrecht des Arbeitnehmers bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung s. die Anm. zum M 25.4. Hat der Arbeitgeber von vornherein eine 100%ige Karenzentschädigung vertraglich zugesagt, hat der Arbeitnehmer in keinem Fall das Lösungsrecht des § 75 Abs. 2 HGB (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 674). 2 Das Angebot der 100%igen Karenzentschädigung kann der Arbeitgeber nicht widerrufen, auch dann nicht, wenn er nachträglich erfährt, dass der Arbeitnehmer nie vorhatte, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 672). 3 Wichtig: Ebenso wie bei der Formulierung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots muss auch bei der Formulierung des Erhöhungsangebots nach § 75 Abs. 2 HGB darauf geachtet werden, dass 100 % der gesamten Bezüge angeboten werden. Es reicht also beispielsweise nicht aus, nur 100 % der Grundvergütung ohne Zusatzleistungen anzubieten (ausf. dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 434 ff.). Schriftform sieht das Gesetz für die Erklärung nicht vor, sie empfiehlt sich aber aus Beweisgründen. 4 Das Angebot der 100%igen Karenzentschädigung nimmt dem Arbeitnehmer nur dessen Lösungsrecht nach § 75 Abs. 2 HGB, heilt aber nicht sonstige Mängel des Wettbewerbsverbots. Bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot hat das Angebot erhöhter Karenzentschädigung also keinen Sinn (s. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 677). Das Angebot der 100%igen Karenzentschädigung kann der Arbeitgeber nicht widerrufen, auch dann nicht, wenn er nachträglich erfährt, dass der Arbeitnehmer nie vorhatte, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 672). Nach hA ist § 74c HGB (Anrechnung anderweitigen Erwerbs) auch auf die erhöhte Karenzentschädigung anwendbar, wobei sich die 110 %-Grenze des § 74c HGB allerdings nicht nach oben verschiebt (bestr., s. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 675).

Diller

1011

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.6

Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) Wichtig: Ebenso wie bei der Formulierung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots muss auch bei der Formulierung des Erhöhungsangebots nach § 75 Abs. 2 HGB darauf geachtet werden, dass 100 % der gesamten Bezüge angeboten werden. Es reicht also beispielsweise nicht aus, nur 100 % der Grundvergütung ohne Zusatzleistungen anzubieten (ausf. dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 434 ff.). Schriftform sieht das Gesetz für die Erklärung nicht vor, sie empfiehlt sich aber aus Beweisgründen.

M 25.6

Lösungserklärung des Arbeitgebers bei fristloser Kündigung nach § 75 Abs. 1, 3 HGB

Sehr geehrter Herr/Frau …, hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Zugleich erklären wir gemäß § 75 Abs. 1 und 3 HGB, dass wir uns an das Wettbewerbsverbot gemäß § … Ihres Anstellungsvertrages nicht gebunden erachten.1

1 § 75 Abs. 3 HGB hatte ursprünglich vorgesehen, dass bei berechtigter arbeitgeberseitiger außerordentlicher Kündigung das Wettbewerbsverbot bestehen bleiben sollte, während der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Karenzentschädigung entfiel. Das BAG hat die Vorschrift jedoch für verfassungswidrig und nichtig erklärt, weil sie im Vergleich zu § 75 Abs. 1 HGB im Fall einer fristlosen Kündigung den Arbeitnehmer schlechter stellt als den Arbeitgeber (BVerfG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB); das Bundesverfassungsgericht hat in der Folge die für Handelsvertreter geltende Parallelregelung des § 90a Abs. 2 Satz 2 HGB aF ebenfalls für verfassungswidrig und nichtig erklärt (BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242). Die durch die Verfassungswidrigkeit von § 75 Abs. 3 HGB entstandene Lücke hat das BAG durch eine Analogie zum Lösungsrecht des Arbeitnehmers aus § 75 Abs. 1 HGB geschlossen (BAG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB; ebenso die 1998 erfolgte Neuregelung des § 90a Abs. 3 HGB für Handelsvertreter). Die Analogie zu § 75 Abs. 1 HGB bedeutet, dass die Lösungserklärung des Arbeitgebers schriftlich und innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung erfolgen muss (das Muster geht davon aus, dass wie üblich der Verzicht gleich zusammen mit der Kündigung erklärt wird, was aber nicht zwingend ist). Eine formunwirksame oder verspätete Lösungserklärung kann unter Umständen in das Angebot zur einvernehmlichen Aufhebung des Wettbewerbsverbots umgedeutet werden (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 655). Das Lösungsrecht aus § 75 Abs. 3, 1 HGB hat der Arbeitgeber auch dann, wenn er zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt ist, stattdessen aber einen Aufhebungsvertrag abschließt oder eine ordentliche Kündigung erklärt. Voraussetzung des Lösungsrechts ist in solchen Fällen allerdings, dass der Arbeitnehmer weiß oder wissen muss, dass das Arbeitsverhältnis wegen seines vertragswidrigen Verhaltens aufgelöst wird (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 651). Ob die ausgesprochene Kündigung wirksam ist oder (zB wegen Formfehlern) unwirksam, spielt für das Lösungsrecht gem. § 75 Abs. 3/Abs. 1 HGB keine Rolle. Das Lösungsrecht besteht also auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine wegen Formfehlern unwirksame Kündigung widerspruchslos hinnimmt oder darüber einen Abfindungsvergleich schließt (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 650). Zu beachten ist, dass bei berechtigter fristloser Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers zum Lösungsrecht des Arbeitgebers nach § 75 Abs. 3/Abs. 1 HGB noch der Anspruch auf Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB hinzutritt. Als Schaden kann der Arbeitgeber den Wegfall des Wettbewerbsverbots geltend machen. Da als Schadensersatz grundsätzlich Naturalrestitution gem. § 249 BGB verlangt werden kann, hat der Arbeitnehmer also unter Umständen bis zum nächstmöglichen Termin für eine ordentliche Kündigung entschädigungslos Wettbewerb zu unterlassen (BAG v. 23.2.1977, AP Nr. 6 zu § 75 HGB; aA OLG Frankfurt aM v. 13.5.1997, GmbHR 1998, 3776; dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 658).

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Diller

M 25.7

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift)

M 25.7

Aufforderung zur Mitteilung anderweitigen Erwerbs

Sehr geehrter Herr/Frau …, gemäß § 74 HGB müssen Sie sich anderweitigen Erwerb auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen, die Sie aufgrund des mit uns vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots erhalten.1 Gemäß § 74c Abs. 2 HGB sind Sie verpflichtet, uns während der Dauer des Wettbewerbsverbots Auskunft über anderweitige Einkünfte zu erteilen. Bitte2 teilen Sie uns im Hinblick auf die Monate

1 Nach § 74c HGB muss sich der Arbeitnehmer anderweitigen Erwerb auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen, soweit Karenzentschädigung und Hinzuverdienst 110 % der früheren Bezüge übersteigen. Die Hinzuverdienstgrenze erhöht sich gem. § 74c Abs. 1 Satz 2 HGB auf 125 %, wenn der Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot gezwungen wurde, seinen Wohnsitz zu verlegen. Anrechenbar sind alle Einkünfte, die der Arbeitnehmer durch die Verwertung seiner Arbeitskraft erzielt. Dazu gehören nicht nur die Vergütung aus einem neuen Anstellungsverhältnis, sondern auch Honorare für freie Mitarbeit, Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit etc. Anrechnungsfrei bleiben nur solche Einkünfte, die nichts mit der Verwertung der Arbeitskraft zu tun haben (zB Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung). Anrechnungsfrei bleiben auch Zahlungen, die der Arbeitnehmer nachträglich noch aus dem beendeten Arbeitsverhältnis erhält (zB Abfindung, Tantiemenachzahlungen, Überhangprovisionen etc.). Nebeneinkünfte, die der Arbeitnehmer schon neben seiner aktiven Tätigkeit erzielt hatte, bleiben ebenfalls anrechnungsfrei (die Einzelheiten sind streitig, ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 784). Umstritten ist die Anrechenbarkeit von Sozialleistungen. Für das Arbeitslosengeld ordnete § 148 SGB III aF ausdrücklich die Anrechenbarkeit an. An der Anrechenbarkeit hat sich durch die Streichung des § 148 SGB III per 1.1.2004 nichts geändert (offengelassen allerdings in BAG v. 14.9.2011, NZR-RR 2012, 98 und v. 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, NZA 2014, 536). Denn die Anrechenbarkeit von Arbeitslosengeld war bereits vor Inkrafttreten von § 148 SGB III und der Vorgängerregelung § 128a AFG höchstrichterlich anerkannt (BAG v. 25.6.1985, AP Nr. 11 zu § 74c HGB). Nicht anrechenbar soll dagegen das Übergangsgeld (§§ 20 ff. SGB VI) sein (BAG v. 7.11.1989, AP Nr. 15 zu § 74c HGB; zu weiteren Sozialleistungen s. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 795, insbesondere auch zum Kurzarbeiter- und Krankengeld). Anrechenbar ist nach der 2. Alternative des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nicht nur tatsächlich erzieltes anderweitiges Einkommen, sondern auch böswillig unterlassener Erwerb. Allerdings handelt der Arbeitnehmer nicht schon dann böswillig, wenn er seine eigene Lebensplanung ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitgebers verfolgt (zB Aufnahme eines Studiums, dazu BAG v. 13.2.1996, AP Nr. 18 zu § 74c HGB) oder Aufbau einer selbständigen Existenz (BAG v. 8.2.1974 und v. 2.6.1987, AP Nr. 4, 13 zu § 74c HGB; ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 806). Die Beweislast für das böswillige Unterlassen trägt der Arbeitgeber (BAG v. 13.2.1996, AP Nr. 18 zu § 74c HGB). Die bloße Darlegung, die Bewerbungsaktivitäten des Arbeitnehmers seien zu gering und/oder untauglich gewesen, reicht insoweit nicht aus (LG Frankfurt v. 20.4.1994, GmbHR 1994, 803). Auch begründet eine unterlassene Arbeitslosmeldung keine Vermutung dafür, dass bei erfolgter Arbeitslosmeldung eine adäquate Stelle vermittelt worden wäre (LG Frankfurt v. 20.4.1994, GmbHR 1994, 803). In bestimmten Konstellationen kann jedoch ein Anscheinsbeweis des Arbeitgebers in Betracht kommen. Gibt sich beispielsweise der Arbeitnehmer mit einer untertariflichen Bezahlung zufrieden, spricht alles dafür, dass er mehr hätte herausholen können und/oder durch kollusives Zusammenwirken mit seinem neuen Arbeitgeber Teile seiner Vergütung in die Zeit nach Ablauf des Wettbewerbsverbots verschoben hat (ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 812). 2 Nach § 74c Abs. 2 HGB muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf Anforderung über die Höhe anderweitigen Erwerbs Auskunft erteilen. Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber die Auskunft monatlich verlangen (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 829). Wird die Auskunftspflicht unter Festlegung bestimmter Zeitpunkte oder Zeiträume (monatlich, quartalsweise) bereits in der Wettbewerbsklausel vereinbart, ist eine spätere erneute Aufforderung zur Auskunftserteilung überflüssig.

Diller

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Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.8

Januar bis März d.J. schriftlich3 mit, welche Einkünfte aus welchen Quellen Sie erzielt haben. Aussagekräftige Belege fügen Sie bitte bei. Den Eingang Ihrer Auskunft erwarten wir binnen zwei Wochen. Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir die Zahlung der Karenzentschädigung zurückbehalten werden, falls Sie nicht rechtzeitig und vollständig Auskunft erteilen.4 Gleichzeitig fordern wir Sie hiermit auf, künftig unaufgefordert an jedem Quartalsende Auskunft über anderweitigen Erwerb und dessen Herkunft zu geben. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 3 Die Auskunft muss vollständig, klar und überprüfbar erteilt werden, und zwar in Textform (Heymann/ Henssler, § 74c HGB Rz. 23; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 831). Die erteilten Auskünfte sind durch Nachweise zu belegen, weil sonst das Auskunftsrecht eine Farce wäre (BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB). Bei Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung müssen die Bruttobezüge mitgeteilt werden, auf Verlangen sind Lohn- bzw. Gehaltsabrechnungen und/oder Lohnsteuerkarte vorzulegen (BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB). Bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist streitig, ob nur die Vorlage des Einkommensteuerbescheides verlangt werden kann (so BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB unter II.2. der Gründe) oder ob Bilanz und/oder Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen sind (LAG Kiel v. 5.11.1957, BB 1957, 1275; ausf. zum Streitstand Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 836 ff.). 4 Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf Erteilung der Auskunft verklagen und einen Titel nach § 888 ZPO vollstrecken (BAG v. 13.11.1975, AP Nr. 7 zu § 74c HGB). Üblicherweise wartet der Arbeitgeber jedoch ab, bis der Arbeitnehmer die Karenzentschädigung verlangt, und übt dann bis zur Erteilung der Auskunft ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 273 BGB aus. Eine Zugum-Zug-Verurteilung des Arbeitgebers nach § 273 BGB ist in diesem Fall ausgeschlossen, da der Arbeitnehmer mit der Auskunft grundsätzlich vorleistungspflichtig ist (BAG v. 12.1.1978, AP Nr. 8 zu § 74c HGB). Ob der Arbeitgeber über die Vorlage von Nachweisen hinaus die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung entsprechend §§ 259, 260 BGB verlangen kann, ist umstritten (bejahend wohl BAG v. 25.2.1975, AP Nr. 6 zu § 74c HGB unter II.1. der Gründe; ebenso LAG Hamm v. 28.1.1974, DB 1974, 972; ablehnend zB Buchner, C. 386; umfassend dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 842).

M 25.8

Erfüllungsablehnung des Arbeitgebers nach Verstößen des Arbeitnehmers

Sehr geehrter Herr/Frau …, wie wir erfahren haben, sind Sie inzwischen für die Firma … GmbH als kaufmännischer Angestellter tätig. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um einen unserer schärfsten Konkurrenten. Mit dieser Tätigkeit haben Sie gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen, das in § … Ihres Anstellungsvertrages vereinbart war.1 Da Sie bereits seit mehreren Wochen bei der …-GmbH tätig 1 Verletzt der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot, bieten sich dem Arbeitgeber eine Vielzahl verschiedener Reaktionsmöglichkeiten. Am wirkungsvollsten gesichert wird das Wettbewerbsverbot durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, bei Verstoß kann dann nach §§ 344 ff. BGB die Vertragsstrafe geltend gemacht werden. Stattdessen kann der Arbeitgeber auch durch Unterlassungsklage oder durch Unterlassungsverfügung die künftige Einhaltung des Wettbewerbsverbots durchsetzen (s. dazu M 25.11). Häufig ist der Arbeitgeber jedoch daran interessiert, sich von dem Wettbewerbsverbot zu lösen. Einen Weg dazu eröffnet § 323 BGB. Diese Vorschrift mit ihren verwirrenden Alternativen räumt dem Arbeitgeber allerdings nur dann eine sofortige Lösungsmöglichkeit ein, wenn er aufgrund des stattgefundenen Verstoßes kein Interesse mehr an der Erfüllung des restlichen Vertrages hat (§ 323 Abs. 5 BGB). Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Wettbewerbsverbot nur dem Schutz bestimmter Geschäftsgeheimnisse dienen sollte und der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass diese aufgrund des stattgefundenen Verstoßes bereits aufgedeckt sind (ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 914; BAG v. 10.9.1985, AP

1014

Diller

M 25.9

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

sind, gehen wir davon aus, dass dieses Unternehmen bereits alle unsere geheimhaltungsbedürftigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erfahren hat, wegen derer wir mit Ihnen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatten. Aufgrund Ihres Verstoßes haben wir daher an der weiteren Einhaltung des Wettbewerbsverbots kein Interesse mehr. Wir treten deshalb hiermit vom Wettbewerbsverbot nach § 323 Abs. 5 BGB zurück. Zugleich machen wir gemäß § 280 BGB Schadensersatz geltend mit der Wirkung, dass die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung ab sofort entfällt. An das Wettbewerbsverbot sind Sie ab sofort nicht mehr gebunden. Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) Nr. 49 zu § 74 HGB). Lässt sich dagegen ein Wegfall des Interesses trotz des erfolgten Verstoßes nicht darlegen (zB wenn der Arbeitnehmer zu einem unbedeutenden Wettbewerber gewechselt ist), so kann sich der Arbeitgeber nur nach § 323 Abs. 1 BGB von dem Wettbewerbsverbot lösen. Dazu muss er den Arbeitnehmer zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots auffordern und ihm eine Frist setzen (s. das Muster bei Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Anh. I Nr. 12). Die nach früherem Recht (§ 326 BGB aF) zugleich erforderliche Ablehnungsandrohung ist nach § 323 BGB nicht mehr notwendig. Ein Lösungsrecht kann sich des Weiteren aus § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ergeben, zB wenn der Arbeitnehmer von vornherein kategorisch erklärt, er werde das Verbot nicht einhalten (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 920).

M 25.9

Fristsetzung/Ablehnungsandrohung des Arbeitnehmers bei Nichtzahlung der Karenzentschädigung

Sehr geehrter Herr (Geschäftsführer), aus dem Wettbewerbsverbot gemäß § … meines Anstellungsvertrages steht mir eine monatliche Karenzentschädigung von Euro … zu, fällig jeweils am Monatsletzten. Die Rate für den Monat … ist bei mir bislang nicht eingegangen. Ich setze Ihnen hiermit eine Zahlungsfrist bis zum … (drei Wochen). Sollte die Zahlung bis dahin nicht eingegangen sein, werde ich von dem Wettbewerbsverbot zurücktreten.1 Mit freundlichen Grüßen … (Unterschrift) 1 Das Wettbewerbsverbot ist ein gegenseitiger Vertrag iSd. § 320 BGB (BAG v. 20.10.1960 und v. 5.8.1968, AP Nr. 16, 24 zu § 74 HGB). Zahlt der Arbeitgeber nicht fristgerecht, gerät er in Verzug mit den üblichen Folgen (Verzugszinsen, Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 2, 286 ff. BGB). Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Vorschriften dem Arbeitgeber gem. § 323 Abs. 1 BGB eine Nachfrist setzen. Eine Frist von drei Wochen ist stets angemessen, meist dürften auch zwei Wochen genügen. Nach hA verdrängt § 323 Abs. 1 BGB die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 BGB. Bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer also nicht solange gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen, bis die Zahlung bewirkt ist. Vielmehr muss er den Weg des § 323 BGB gehen (BAG v. 5.10.1982, AP Nr. 42 zu § 74 HGB). Die nach früherem Recht (§ 326 BGB aF) zusätzlich zur Fristsetzung erforderliche Ablehnungsandrohung verlangt § 323 Abs. 1 BGB nicht mehr. Sie ist aber sinnvoll, um den Druck zu erhöhen.

Diller

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Kap. 25

M 25.10

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.10

Klage auf Zahlung von Karenzentschädigung

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: 1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro 10 000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.8. … an den Kläger zu zahlen.2 2. Es wird festgestellt,3 dass die Beklagte verpflichtet ist, künftig an jedem Monatsletzten, beginnend mit dem 30.8. … und letztmals am 30.6. …, Euro 10 000,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit an den Kläger zu zahlen.

Begründung: Der Kl. war seit … bei der Bekl. als … tätig. Grundlage der Tätigkeit war der Anstellungsvertrag vom … In Ziff. … dieses Vertrages war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, für das die Bekl. eine Entschädigung in Höhe von 50 % des Grundgehalts unter Ausschluss aller darüber hinausgehenden freiwilligen Leistungen zahlen sollte. Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1 Zusätzlich zum Festgehalt gewährte die Bekl. jährlich eine „freiwillige Weihnachtsgratifikation“, die üblicherweise ein Monatsgehalt betrug. Beweis: Zeugnis des Personalleiters …, zu laden über die Bekl. Aufgrund seiner am … erklärten Eigenkündigung schied der Kl. zum 30.6. … bei der Bekl. aus. Beweis: Kündigungsschreiben des Kl. vom …, Anlage K 2 Das letzte Festgehalt des Kl. betrug Euro 240 000,–, das Gehalt wurde in zwölf gleichen Raten jeweils zum Monatsletzten gezahlt. Beweis: Gehaltsabrechnung für den Monat …, Anlage K 3 Dem Kl. steht die vertraglich zugesagte Karenzentschädigung für die Zeit ab dem 1.7. … zu. Zwar war das Wettbewerbsverbot unverbindlich, da die zugesagte Karenzentschädigung nicht § 74 Abs. 2 HGB entsprach. Nach ständiger Rechtsprechung muss eine Karenzentschädigung mindestens 50 % aller Bezüge betragen, wobei freiwillige Leistungen mit einzurechnen sind. Ein Wettbewerbsverbot, dessen Entschädigung § 74 Abs. 2 HGB nicht genügt, ist allerdings nicht unwirksam. Vielmehr ist es nach ständiger Rechtsprechung nur unverbindlich. Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, ob er das Wettbewerbsverbot einhält und die zugesagte Karenzentschädigung geltend macht, oder ob er sich vom Wettbewerbsverbot lösen will. Der Kl. hat der Bekl. mit Einschreiben vom … mitgeteilt, dass er sich an das Wettbewerbsverbot halten werde. Beweis: Schreiben des Kl. vom …, Anlage K 4 Der Kl. hat sich seit seinem Ausscheiden am 1.7. … an das Verbot gehalten. Ihm stehen also 50 % seines letzten Gehalts zu, das sind monatlich Euro 10 000,–.

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Allgemein zur Antragstellung bei Zahlungsklagen, insbesondere zu Fragen von brutto/netto, Verzinsung, Verzugsschaden etc. s. M 101.3. 3 Insoweit scheidet eine in die Zukunft gerichtete Leistungsklage aus, da die künftigen Ansprüche von einer Gegenleistung abhängen, nämlich der Einhaltung der Pflicht zur Wettbewerbsenthaltsamkeit (§§ 257, 258 ZPO).

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Diller

M 25.11

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Anrechenbare anderweitige Einkünfte gemäß § 74c HGB hat der Kl. nicht. Zwar ist es ihm gelungen, unmittelbar ab dem 1.7. … eine Anschlussbeschäftigung bei der …-GmbH in … zu finden, die kein Konkurrenzunternehmen zur Bekl. ist. Dort verdient er jedoch nur Euro 13 000,– pro Monat. Der neue Verdienst macht zusammen mit der Karenzentschädigung von Euro 10 000,– einen monatlichen Gesamtbezug von Euro 23 000,– aus. Damit ist zwar die in § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB festgelegte Anrechnungsgrenze von 110 % überschritten. Der Kl. war jedoch durch das Wettbewerbsverbot gezwungen, seinen Wohnsitz zu verlegen. Im Umkreis um seinen bisherigen Wohnort konnte er aufgrund des Wettbewerbsverbots keine andere adäquate Stelle finden. Vielmehr musste er nach … umziehen, um bei der Firma …-GmbH anfangen zu können. Deshalb gilt für den Kl. die erhöhte Anrechnungsgrenze von 125 % gemäß § 74c Abs. 1 Satz 2 HGB, die nicht überschritten ist. Eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung ist erfolglos geblieben. Daher ist Klage geboten. Mit dem Klageantrag Ziff. 1 wird die Karenzentschädigung für den Monat Juli … geltend gemacht, die zum 30.7. … fällig war und deshalb ab dem 1.8. … zu verzinsen ist. Der Feststellungsantrag Ziff. 2 richtet sich auf die Zahlung der weiteren Entschädigungsraten. … (Unterschrift)4 4 Der Streitwert entspricht dem eingeklagten Bruttobetrag.

M 25.11

Einstweilige Verfügung auf Unterlassung von nachvertraglichem Wettbewerb

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin beantragen2 wir: 1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung3 – wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein4 – bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von Euro 250 000,– bzw. Zwangshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache für Unternehmen tätig zu werden, die … herstellen und mit der Antragstellerin in Konkurrenz stehen, insbesondere für die Firma …-GmbH in …; 2. hilfsweise, die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

1 S. M 101.1 und M 101.2. 2 Es ist anerkannt, dass der Unterlassungsanspruch aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot durch Unterlassungsverfügung durchgesetzt werden kann (LAG Hessen v. 24.7.1956, BB 1956, 853 und v. 16.2.1962, BB 1962, 922; ausf. Heinze, RdA 1986, 280; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 888). Denn ein Hauptsacheverfahren käme regelmäßig zu spät. 3 Allgemein zur einstweiligen Verfügung im Urteilsverfahren s. M 107.1 bis M 107.3. 4 In Fällen einer eklatanten Verletzung des Wettbewerbsverbots, wie sie im vorliegenden Fall gegeben ist, kommt auch eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in Betracht (zB ArbG München v. 18.6.1996 – 5 Ga 109/96, nv.).

Diller

1017

Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.11

Begründung: Die ASt. ist die führende Herstellerin von … in Deutschland. Als Anlage AS 1 überreichen wir einen Firmenprospekt der ASt., als Anlage AS 2 fügen wir unsere Vollmacht bei. Der AGg. war bei der ASt. zuletzt als Leiter ihres Produktionswerkes tätig. Grundlage der Tätigkeit war der Anstellungsvertrag vom … In Ziff. … des Anstellungsvertrages war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Das Verbot untersagte dem AGg., für die Dauer von zwei Jahren nach seinem Ausscheiden für ein Konkurrenzunternehmen der ASt. tätig zu werden. Zur Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom …, Anlage AS 3 Der AGg. ist aufgrund seiner Eigenkündigung vom … zum … bei der ASt. ausgeschieden. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben des AGg. vom …, Anlage AS 4 Wie die ASt. inzwischen erfahren hat, ist der AGg. seit dem 1.7. … für die …-GmbH in … als Produktionsleiter tätig. Die …-GmbH stellt ebenfalls … her, sie ist die schärfste Konkurrentin der ASt. auf dem deutschen Markt. Zur Sicherheit hat der Personalleiter der ASt. vor drei Tagen bei der …-GmbH angerufen und nach dem Produktionsleiter gefragt. Daraufhin wurde er mit dem AGg. verbunden. Gegen die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots bestehen keine Bedenken. Solche Wettbewerbsverbote sind mit Führungskräften wie dem AGg. üblich und auch rechtlich unbedenklich. Die Einhaltung des Wettbewerbsverbots durch den AGg. ist zum Schutz der berechtigten geschäftlichen Interessen der ASt. erforderlich, da es um wichtige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der ASt. geht. Der AGg. hat bei der ASt. an wichtigen technischen Neuentwicklungen gearbeitet. Es ist davon auszugehen, dass er diese nunmehr der …-GmbH preisgeben könnte, die sich dadurch einen erheblichen Wirtschaftsvorteil verschaffen würde.5 Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Personalleiters der ASt., Anlage AS 5 Der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit ist gegeben. Die durchschnittliche Verfahrensdauer der ersten Instanz beim Arbeitsgericht beträgt inzwischen im Durchschnitt mehr als sechs Monate. Würde die ASt. auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen, würde dies bedeuten, dass der AGg. zunächst ca. ein dreiviertel Jahr unbehelligt Wettbewerb machen und alle wesentlichen Geschäftsgeheimnisse der …-GmbH mitteilen könnte. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot, für das die ASt. eine hohe Karenzentschädigung zahlt, wäre damit praktisch wertlos. … (Unterschrift)6 5 Zu dem Schaden, der dem Arbeitgeber aufgrund der Verletzung des Verbots droht, muss unbedingt vorgetragen werden. Denn allein in der Verletzung des Verbots liegt noch kein ausreichender Verfügungsgrund (LAG BW v. 7.9.1967, BB 1967, 1426; ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 892). 6 Der Streitwert einer Unterlassungsklage richtet sich nach einhelliger Auffassung nach dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist dieses Interesse mit dem Wert der für die gesamte Laufzeit des Verbots insgesamt zugesagten Karenzentschädigung anzusetzen (LAG Düsseldorf v. 8.11.1984, JurBüro 1985, 763; LAG Hamm v. 23.12.1980, AnwBl. 1981, 106; LAG Nürnberg v. 25.6.1999, BB 1999, 1929). Der Wert kann aber auch deutlich höher sein, wenn es um die Existenzgefährdung des Arbeitgebers geht (LAG Nürnberg v. 25.6.1999, BB 1999, 1929; ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 603a). Die üblichen Abschläge beim Streitwert im Eilverfahren gegenüber dem Hauptsacheverfahren sind bei Wettbewerbsverboten nicht gerechtfertigt, da hier das Hauptsacheverfahren regelmäßig nicht vor Ablauf der Verbotsdauer rechtskräftig beendet werden kann (LAG Hamm v. 23.12.1980, AnwBl 1981, 106; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz. 897).

1018

Diller

M 25.12

M 25.12

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Schutzschrift gegen eine mögliche Unterlassungsverfügung wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots

An das Arbeitsgericht In Sachen Firma …-GmbH – mögliche Antragstellerin – gegen Herrn … – möglicher Antragsgegner – wegen Abwehr einer einstweiligen Verfügung1 vertreten wir den möglichen Antragsgegner (im Folgenden: AGg.) Namens und im Auftrag des Antragsgegners beantragen wir: 1. einen möglichen Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner eine Tätigkeit für die Firma … oHG zu untersagen, zurückzuweisen; 2. hilfsweise, über den möglichen Antrag nur nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Begründung: Der AGg. war seit … bei der ASt. als Vertriebsleiter tätig. Grundlage der Tätigkeit war der Anstellungsvertrag vom … In Ziff. … dieses Vertrages war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, für das die ASt. eine Entschädigung in Höhe von 50 % des Grundgehalts unter Ausschluss aller darüber hinausgehenden freiwilligen Leistungen zahlen sollte. Zur Glaubhaftmachung: Anstellungsvertrag vom …, Anlage AG 1 Zusätzlich zum Festgehalt gewährte die ASt. jährlich eine „freiwillige Weihnachtsgratifikation“, die üblicherweise ein Monatsgehalt betrug. Zur Glaubhaftmachung: Gehaltsabrechnung für den Monat Dezember …, Anlage AG 2 Aufgrund seiner am … erklärten Eigenkündigung schied der AGg. zum 30.6. … bei der ASt. aus. Zur Glaubhaftmachung: Kündigungsschreiben des AGg. vom …, Anlage AG 3 Das letzte Festgehalt des AGg. betrug Euro …, das Gehalt wurde in zwölf gleichen Raten jeweils zum Monatsletzten ausbezahlt. Zur Glaubhaftmachung: Gehaltsabrechnung für den Monat …, Anlage AG 4 Das Wettbewerbsverbot gemäß Ziff. … des Anstellungsvertrages ist unverbindlich, da die zugesagte Karenzentschädigung nicht § 74 Abs. 2 HGB entspricht. Nach ständiger Rechtsprechung muss eine Karenzentschädigung mindestens 50 % aller Bezüge betragen, wobei freiwillige Leistungen miteinzurechnen sind. Ein Wettbewerbsverbot, dessen Entschädigung § 74 Abs. 2 HGB nicht genügt, ist unverbindlich. Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, ob er das Wettbewerbsverbot einhält und die zugesagte Karenzentschädigung geltend macht, oder ob er sich vom Wettbewerbsverbot lösen will. Der AGg. hat der ASt. mit Einschreiben vom 15.6. … mitgeteilt, dass er sich nicht an das Wettbewerbsverbot halten wird. Zur Glaubhaftmachung: Schreiben des AGg. vom 15.6. …, Anlage AG 5 Dadurch ist das Wettbewerbsverbot weggefallen, so dass für eine mögliche einstweilige Verfügung bereits der Verfügungsanspruch fehlen würde. Im Übrigen würde es auch an einem Verfügungsgrund fehlen. Denn die Tätigkeit für die … oHG fällt nicht unter die sachliche Reichweite des Wettbewerbsverbots. In dem Wettbewerbsverbot ist dem AGg. lediglich untersagt worden, „nach seinem 1 Allgemein zur arbeitsgerichtlichen Schutzschrift s. M 107.2.

Diller

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Kap. 25

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

M 25.13

Ausscheiden im Vertrieb von … tätig zu werden“. Das Wettbewerbsverbot war also tätigkeitsbezogen, nicht unternehmensbezogen. Der AGg. ist seit 1.9. … für die Firma … oHG tätig. Die Firma … oHG stellt zwar auch … her und vertreibt sie. Der AGg. ist jedoch nicht in diesem Bereich tätig, sondern im Geschäftsfeld … Zur Glaubhaftmachung: Tätigkeitsbeschreibung gemäß § … des Anstellungsvertrages zwischen dem AGg. und der Firma … oHG vom …, Anlage AG 6 Eine Vollmacht ist als Anlage AG 7 beigefügt. … (Unterschrift)

M 25.13

Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes

An das Arbeitsgericht In Sachen …/… (volles Rubrum)1 vertreten wir den Kläger. Namens und im Auftrag des Klägers erheben wir Klage und beantragen: Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot gemäß Ziff. … des Anstellungsvertrages vom … unwirksam ist.

Begründung: Der Kl. ist seit … bei der Bekl. als Fahrlehrer tätig. Die Bekl. betreibt eine Fahrschule mit insgesamt zehn Fahrlehrern. Im Anstellungsvertrag zwischen den Parteien vom … wurde unter Ziff. … des Vertrages ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Danach war es dem Kl. untersagt, „während der Dauer von zwei Jahren nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Umkreis von 100 km um die Stadt … als Fahrlehrer tätig zu werden“. Beweis: Anstellungsvertrag vom …, Anlage K 1 Der Kl. hat mit Kündigungsschreiben vom … sein Anstellungsverhältnis unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartal zum 30.9. … gekündigt. Beweis: Kündigungsschreiben vom …, Anlage K 2 Auf Befragen der Bekl. hat der Kl. im April … erklärt, er plane, sich nach seinem Ausscheiden bei der Bekl. als Fahrlehrer in … selbständig zu machen. Die Bekl. hat daraufhin mit Schreiben vom 2.5. … vom Kl. verlangt, er solle verbindlich anerkennen, dass er aufgrund des Wettbewerbsverbotes gemäß Ziff. … des Anstellungsvertrages nach seinem Ausscheiden nicht wie geplant in … als Fahrlehrer tätig werde. Beweis: Schreiben der Beklagten vom 2.5. …, Anlage K 3 Der Kl. hat daraufhin der Bekl. mit Einschreiben vom 10.5. … mitgeteilt, er werde sich nach seinem Ausscheiden nicht an das Wettbewerbsverbot halten, da es unverbindlich sei. Beweis: Schreiben des Kl. vom 10.5. …, Anlage K 4 Das Wettbewerbsverbot in Ziff. … des Anstellungsvertrages war unverbindlich, da es an einem berechtigten geschäftlichen Interesse der Bekl. gemäß § 74a HGB fehlte. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG besteht ein berechtigtes geschäftliches Interesse iSv. § 74a HGB nur dann, wenn das 1 S. M 101.1 und M 101.2.

1020

Diller

M 25.13

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Kap. 25

Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder dem Schutz des Kunden- bzw. Lieferantenstamms dient. Beides ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gibt es im Fahrlehrergeschäft praktisch nicht, jedenfalls sind dem Kl. solche Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse nicht bekannt. Es gibt auch keinen schützenswerten Kunden- bzw. Lieferantenstamm. Das Fahrschulgeschäft basiert auf Laufkundschaft, typischerweise kommt jeder Kunde nur einmal (nämlich zum Erwerb des Führerscheins) und dann nicht wieder. Es geht der Bekl. bei dem Wettbewerbsverbot also offensichtlich nur darum, mit dem Kl. eine qualifizierte Kraft als Konkurrenten auszuschalten, der unter Jugendlichen einen erstklassigen Ruf hat und immer wieder weiterempfohlen wird. Das reicht als Rechtfertigung für ein Wettbewerbsverbot nicht.2 Ein unverbindliches Wettbewerbsverbot gibt dem Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung ein Wahlrecht, ob er das Verbot gegen Zahlung der vereinbarten Entschädigung einhalten oder sich von ihm lösen will.3 Aufgrund der Erklärung des Kl. vom … ist das Verbot endgültig unwirksam geworden. Der Kl. hat ein rechtliches Interesse iSv. § 256 ZPO an der Feststellung der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots. Die Bekl. hat mehrfach mündlich erklärt, sie werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um den Kl. daran zu hindern, sich nach seinem Ausscheiden wie geplant selbständig zu machen. … (Unterschrift)4 2 BAG v. 21.3.1964, AP Nr. 15 zu § 133f GewO; v. 1.8.1995, AP Nr. 5 zu § 74a HGB. 3 S. Rz. 8. 4 Zum Streitwert s. M 25.11 Fn. 6.

Kapitel 26–29 frei.

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Zweiter Teil

Betriebsverfassung/ Personalvertretung

Kapitel 30

Errichtung des Betriebsrats

_ _ _

I. Einführung 1. Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4

II. Muster Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 30.1

Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Durchführung einer Betriebsratswahl Antrag auf Klärung des Betriebsbegriffs . Anfechtung der Betriebsratswahl . . . . . Strafanzeige wegen Wahlbehinderung nach § 119 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _

.M . . 30.2 .M . . 30.3 .M . . 30.4 .M . . 30.5

Literatur: Ahlburg, Das Minderheitengeschlecht und die Quote, AiB 2009; Berg, Der Schutz der Betriebsratswahl, AiB 2009, 514; Böhm, Leiharbeitnehmer: Wahlrecht zum Betriebsrat im Kundenbetrieb?, DB 2006, 104; Bram, Wahlstop im Eilbeschlussverfahren, FA 2006, 66; Burger, Die Nichtigkeit von Betriebsratswahlen, Diss. 2008; Haas/Salamon, Betrieb, Betriebsteil und Hauptbetrieb – Die Zuordnung und Reichweite des Leitungsapparates, NZA 2009, 299; Hahn/Rudolph, Betriebsratswahlen außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums, AiB 2008, 651; Henssler, Betriebsratswahlen bei Unternehmen mit bundesweiter Vertriebsstruktur, FS Küttner, 2006, S. 479; Kamanabrou, Betriebsratswahl – Geschlechterquote, RdA 2006, 186; Kaus, Abbruch, Verschleppung oder Verhinderung einer Betriebsratswahl durch den Arbeitgeber, AiB 2007, 298; Kolmhuber, Anfechtbarkeit und Nichtigkeit der Betriebsratswahl, FA 2006, 68; Lerch/Sparchholz, Wahlanfechtung und nachwirkender Kündigungsschutz, AiB 2007, 594; Maschmann, Virtueller Belegschaftswahlkampf im Netz des Arbeitgebers?, NZA 2008, 613; Mückl/Köhler, Rechtsfolgen unwirksamer Vereinbarungen über die Organisation der Betriebsverfassung, NZA-RR 2009, 513; Nägele, Die Anfechtung der Betriebsratswahl, ArbRB 2006, 58; Nießen, Fehlerhafte Betriebsratswahlen, Diss. 2006; Rieble/Triskatis, Vorläufiger Rechtsschutz im Betriebsratswahlverfahren, NZA 2006, 233; Scheriau, Die Durchführung der Betriebsratswahl, 2. Aufl. 2009; Schneider, Betriebsratswahl, 1978; Schneider/Berg/ Hayen/Heilmann/Ratayczak, Wahl des Betriebsrats, 2009; Sieg, Qualen bei Arbeitnehmerwahlen, FS Hromadka, 2008, S. 437; Soltmann, Betriebsratswahl 2010 erfolgreich meistern, AiB 2009, 502; Veith/Wichert, Betriebsratswahlen – Einstweilige Verfügung gegen rechtswidrige Maßnahmen des Wahlvorstands, DB 2006, 390; Wiesner, Korrekturen von Fehlern der Betriebsratswahl, FA 2007, 38; Will, Das vereinfachte Wahlverfahren für Kleinbetriebe, FA 2006, 71; Zwanziger, Gerichtliche Eingriffe in laufende Betriebsratswahlen, DB 1999, 2264.

I. Einführung 1. Vorfragen § 1 BetrVG spricht davon, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern (davon drei wählbar) Betriebsräte „gewählt werden“. Das ist wie eine Rechtspflicht formuliert, nach einhelliger Auffassung trifft den Arbeitgeber allerdings keine Pflicht, für die Errichtung eines Betriebsrats zu sorgen. Vielmehr ist es allein Sache der Belegschaft, einen Betriebsrat zu errichten.

1

Soll ein Betriebsrat errichtet werden, ist zunächst zu klären, für welche betriebsverfassungsrechtliche Einheiten zu wählen ist. Häufig ist streitig, ob in Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten ein einheitlicher Betriebsrat oder getrennte Betriebsräte zu wählen sind (vgl.

2

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Kap. 30 Rz. 3

Errichtung des Betriebsrats

M 30.3). Insoweit ist zu beachten, dass die vom BetrVG vorgegebene Organisation der Betriebsverfassung grundsätzlich zwingend ist. Es steht den Beteiligten (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsrat, Gewerkschaften) nicht frei, nach (vermeintlichen) Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten einseitig oder einvernehmlich von den Vorschriften des BetrVG abzuweichen. Wirksam kann von den Vorschriften des BetrVG nur in den Grenzen des § 3 BetrVG durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag abgewichen werden (zu Gestaltungen durch Tarifvertrag s. M 50.4 und M 50.5). Allerdings ist in der Praxis häufig zu beobachten, dass sich die Beteiligten „auf dem kleinen Dienstweg“ auf eine bestimmte zweckmäßige Organisationsform einigen, auch wenn diese nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht. 3

Im zweiten Schritt ist zu klären, welche Arbeitnehmer aktives und passives Wahlrecht haben. Hier spielt insbesondere die gesetzestechnisch verunglückte Abgrenzung des leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG eine große Rolle (s. M 32.2). 2. Wahlverfahren

4

Das Wahlverfahren ist im BetrVG nur rudimentär geregelt (§§ 7–20 BetrVG), die Einzelheiten ergeben sich aus der Wahlordnung (vgl. § 126 BetrVG). Es besteht Einigkeit darüber, dass das Wahlverfahren nach der Wahlordnung viel zu kompliziert ist und zahllose unnütze Formalismen enthält. In der Praxis ist fast jede Betriebsratswahl anfechtbar, wenn man nur lange genug akribisch nach Fehlern sucht, wobei allerdings die Novelle von 2001 ein gewisses Maß an Vereinfachung gebracht hat.

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Das Wahlverfahren beginnt mit der Bestellung eines Wahlvorstands (§ 16 BetrVG). Besteht noch kein Betriebsrat, wird der Wahlvorstand in einer Betriebsversammlung mehrheitlich gewählt (§ 17 BetrVG). Zu der Betriebsversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen. Findet trotz Einladung keine Betriebsversammlung statt oder wählt die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand, wird er vom Arbeitsgericht auf Antrag von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft bestellt (§ 17 Abs. 3 und 4 BetrVG, vgl. M 30.1). Der Wahlvorstand hat dann für die Einreichung von Wahlvorschlägen zu sorgen und schließlich die Wahl durchzuführen. In Kleinbetrieben mit maximal 50 Arbeitnehmern wird gemäß § 14a BetrVG im „vereinfachten Wahlverfahren“ in einer Wahlversammlung gewählt. Das vereinfachte Wahlverfahren kann durch Vereinbarung zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber gemäß § 14a Abs. 5 BetrVG auch in Betrieben mit 51–100 Arbeitnehmern angewendet werden. Während des Wahlverfahrens sind beim Auftreten gravierender Fehler einstweilige Verfügungen möglich, mit denen die Fehler korrigiert werden oder das weitere Wahlverfahren unterbunden wird (s. M 30.2). Ansonsten sind Fehler im Wahlverfahren durch Anfechtung der Wahl vor dem Arbeitsgericht gemäß § 19 BetrVG geltend zu machen (s. M 30.4).

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Kap. 30

II. Muster M 30.1

Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten 1. IG Metall2 Bezirksleitung …, vertreten durch den Bezirkssekretär (Name, Adresse) – Antragstellerin – 2. Metallwerke GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer (Name, Firmenadresse) – Antragsgegnerin3 – 3. Betriebsrat der … Metallwerke GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden (Name, Firmenadresse) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Zur Durchführung einer Betriebsratswahl wird im Betrieb … der Antragsgegnerin ein Wahlvorstand bestellt, der aus 1. Herrn … (Privatadresse) als Vorsitzendem, 2. der Angestellten Frau4… (Privatadresse) und 3. dem gewerblichen Arbeitnehmer Herrn … (Privatadresse) als Beisitzer besteht.5

Begründung:

Im Betrieb … der Antragsgegnerin besteht ein Betriebsrat6 (der Beteiligte zu 3.). Obwohl die Amtsperiode des Betriebsrats in diesen Wochen abläuft, hat er noch keinen Wahlvorstand bestellt.7

1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Allgemein zur Beteiligung von Gewerkschaften im Beschlussverfahren s. M 104.2. 3 Praxistipp: Umstritten ist, ob bei Untätigkeit des Betriebsrats dieser oder der Arbeitgeber Antragsgegner ist. Die besseren Gründe sprechen dafür, den Arbeitgeber als Antragsgegner anzusehen (aA Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 741). Die Unklarheiten sind aber unproblematisch, da das Gericht von sich aus die (nach seiner Auffassung) Beteiligten zu laden und um sachgerechte Antragstellung zu bitten hat. Anträge können grundsätzlich alle Beteiligten stellen, unabhängig davon, ob sie Antragsgegner, Antragsteller oder sonstige Beteiligte sind (§ 83 ArbGG). Zur rechtssystematisch zweifelhaften Bezeichnung als „Antragsgegner“ s. im Übrigen Kap. 104 Rz. 10. 4 Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG sollen im Wahlvorstand Männer und Frauen vertreten sein. 5 Nach hA ist es nicht notwendig, unmittelbar im Antrag die Mitglieder des Wahlvorstandes namentlich vorzuschlagen. Wird ohne konkrete Namensnennung schlicht beantragt, einen Wahlvorstand zu bestellen, hat das Arbeitsgericht von sich aus in der Verhandlung oder durch vorbereitende Verfügung um geeignete Vorschläge zu bitten. Nach § 16 Abs. 2 Satz 3 BetrVG kann das Arbeitsgericht in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern auch betriebsfremde Gewerkschaftsmitglieder zu Wahlvorständen bestellen, was sinnvoll ist, wenn der Arbeitgeber die Wahlen massiv behindert. 6 Das Muster bezieht sich auf den Fall, dass bereits ein Betriebsrat besteht. Weigert sich dieser, einen Wahlvorstand zu bestellen, so kann der Arbeitgeber und jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft beim Arbeitsgericht die Bestellung eines Wahlvorstandes beantragen. Geht es um die erstmalige Wahl, so ist Voraussetzung der arbeitsgerichtlichen Bestellung des Wahlvorstands, dass vorher zu einer Betriebsversammlung eingeladen worden war, die jedoch entweder nicht stattgefunden hat oder aber auf der kein Wahlvorstand gewählt wurde (§§ 16, 17 BetrVG). Den Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands können auch drei wahlberechtigte Arbeitnehmer stellen. Die Bestellung des Wahlvorstands kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Beschlussverfahren nachgeholt werden (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 17 BetrVG Rz. 17 und § 16 BetrVG Rz. 24), das Beschlussverfahren erledigt sich dadurch. 7 Der Anspruch kann ggf. auch per einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden (grds. ablehnend allerdings Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 744). Fraglich ist allerdings, ob es insoweit als Verfügungsgrund ausreicht, dass bis zur rechtskräftigen Einsetzung des Wahlvorstands und Durchführung der Betriebsratswahl ein betriebsratsloser Zustand eintritt, oder ob besondere Dringlichkeitsgründe erforderlich sind.

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Errichtung des Betriebsrats

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Beweis: Zeugnis des Betriebsratsvorsitzenden (Name), zu laden über die Antragsgegnerin Auf Anfrage, warum noch kein Wahlvorstand bestellt sei, hat der Betriebsratsvorsitzende mitgeteilt, zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat „laufe es derzeit prima“, man brauche keine Neuwahlen. Beweis: wie vor Es steht jedoch nicht im Belieben des Betriebsrats, ob neu gewählt wird oder nicht. Daher hat das Arbeitsgericht einen Wahlvorstand zu bestellen. Dazu werden die im Antrag genannten Personen vorgeschlagen, die für das Amt geeignet sind und sich auf Anfrage zur Übernahme des Amtes bereit erklärt haben. Beweis: Zeugnis des Gewerkschaftssekretärs (Name, Adresse) Die Antragstellerin ist eine im Betrieb der Antragsgegnerin vertretene Gewerkschaft, ihr gehören drei Arbeitnehmer des Betriebes an (wird ausgeführt).8 … (Unterschrift)9 8 Zum Nachweis, dass die Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist, s. M 104.2. 9 In Verfahren im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen orientiert sich die Rechtsprechung hinsichtlich des Streitwerts an der Größe des zu errichtenden Betriebsrats. Meist wird der Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (Euro 4 000,–) auf Euro 8 000,– verdoppelt und dann für jede weitere Größenstufe des § 9 BetrVG noch einmal erhöht (vgl. zB BAG v. 17.10.2001 – 7 ABR 42/99; LAG Rh.-Pf. v. 21.5.2007, AE 2007, Nr. 366; LAG Hessen v. 3.1.2003 – 4 Ta 499/02; LAG Niedersachsen v. 12.8.2002 – 8 Ta 269/02; LAG Hamm v. 9.3.2001, NZA-RR 2002, 104). Für das Verfahren auf Bestellung des Wahlvorstands wird das entsprechend gelten (LAG Hessen v. 8.8.2002 – 6 Ta 398/02).

M 30.2

Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Durchführung einer Betriebsratswahl

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten 1. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer (Name, Firmenadresse) – Antragstellerin – 2. Wahlvorstand2 der Firma … GmbH, vertreten durch den Vorsitzenden des Wahlvorstands … (Privatadresse)3 – Antragsgegner –4 vertreten wir die Antragstellerin. 1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Anträge auf Abbruch einer Betriebsratswahl sind stets gegen den Wahlvorstand zu richten, nicht gegen den Betriebsrat oder die Gewerkschaft, auch wenn diese hinter der Wahl stehen. Untersagungsanträge können von allen Beteiligten gestellt werden, die ansonsten zur Wahlanfechtung berechtigt wären (BAG v. 28.11.1977, AP Nr. 6 zu § 19 BetrVG 1972; v. 14.12.1965, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG). Umstritten ist, ob neben Antragsteller und Wahlvorstand noch weitere Beteiligte hinzuzuziehen sind (zB Arbeitgeber und Betriebsrat). 3 Teilweise wird vorgeschlagen, die einstweilige Verfügung nicht nur gegen den Wahlvorstand als Organ, sondern zusätzlich auch noch gegen die einzelnen Mitglieder des Wahlvorstands persönlich zu beantragen. Zwar ist der Wahlvorstand (wie alle anderen Organe der Betriebsverfassung) nicht rechtsfähig. Seine Prozessfähigkeit ergibt sich aber aus § 10 ArbGG. Prozessuale Probleme erfordern also nicht, den Antrag auch gegen die Mitglieder des Wahlvorstands persönlich zu stellen. Eine solche Antragstellung wird aber mit dem Argument befürwortet, dass dann ggf. die Vollstreckung gegenüber den natürlichen Personen in Betracht käme. Das wiederum setzt gedanklich voraus, dass man überhaupt eine Vollstreckung mittels Zwangsgeld (weil unvertretbare Handlungen nach § 888 ZPO) für zulässig hält, was aber unrichtig ist. 4 Zur rechtssystematisch zweifelhaften Bezeichnung als „Antragsgegner“ s. Kap. 104 Rz. 10.

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M 30.2

Errichtung des Betriebsrats

Kap. 30

Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen wegen der Dringlichkeit des Falles ohne mündliche Anhörung der Beteiligten durch den Vorsitzenden allein im Wege der einstweiligen Verfügung:5 1. Dem Antragsgegner zu untersagen, die laufende Betriebsratswahl fortzusetzen.6, 7, 8 2. Hilfsweise: Die beantragte einstweilige Verfügung nach Anhörung der Beteiligten unter größtmöglicher Abkürzung der Ladungs- und Einlassungsfristen zu erlassen.

Begründung: Die Antragstellerin ist ein Einzelhandelsunternehmen in … mit 100 Arbeitnehmern. Es besteht derzeit kein Betriebsrat. Am 17.5. … hat die Gewerkschaft ver.di zu einer Betriebsversammlung für den 25.6. … in die Gaststätte „…“ geladen, um einen Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl zu bilden. Am 23.6., also zwei Tage bevor diese Betriebsversammlung stattfinden sollte, hat sich bei der Geschäftsführung ein dreiköpfiger „Wahlvorstand“ unter Leitung des Herrn … gemeldet und mitgeteilt, er werde für die Durchführung der Betriebsratswahl sorgen. Zugleich hat der „Wahlvorstand“ am schwarzen Brett die Betriebsversammlung abgesagt, die zwei Tage später stattfinden sollte. Auf die Frage, wann denn der „Wahlvorstand“ gewählt worden sei, hat Herr … der Geschäftsführung mitgeteilt, es habe am Vorabend (22.6.) bereits eine Betriebsversammlung stattgefunden, zu der die Gewerkschaft „Proletarische Initiative“ eingeladen habe. An dieser Versammlung hätten vier Mitarbeiter teilgenommen, die mit Unterstützung des örtlichen Sekretärs der „Proletarischen Initiative“ den Wahlvorstand gewählt hätten. In dem Betrieb ist über eine Einladung der Gewerkschaft „Proletarische Initiative“ zu einer Betriebsversammlung am 22.6. … nichts bekannt. Überhaupt ist diese angeblich existierende Organisation 5 Zur einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren allgemein s. M 107.5. 6 Praxistipp: Einstweilige Verfügungen auf Unterbrechung von Betriebsratswahlen haben in der Praxis große Bedeutung. Das liegt daran, dass ein erst nach der Wahl eingeleitetes Anfechtungsverfahren aufgrund der langen Terminierungsfristen von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sowie aufgrund des dreigliedrigen Instanzenzugs (inklusive Nichtzulassungsbeschwerde) nicht selten fast genauso lange dauert wie die Amtsperiode des Betriebsrats. Das Verfahren hat keine aufschiebende Wirkung. De facto kann also eine fehlerhafte Betriebsratswahl nachträglich kaum noch korrigiert werden. Umso interessanter ist es in der Praxis, fehlerhafte Betriebsratswahlen von vornherein zu unterbinden. 7 Im Vorfeld einer erstmals durchgeführten Betriebsratswahl kommt es mitunter zu endlosen Streitereien über Kleinigkeiten, insbesondere wenn der Arbeitgeber mit allen Mitteln die Wahl zu behindern versucht. Wegen der Zeitdauer eines Hauptsacheverfahrens bleibt für den Betriebsrat häufig nur der Weg, selbst wegen Kleinigkeiten einstweilige Verfügungen zu beantragen, etwa im Hinblick auf Auskunftserteilung für die Erstellung der Wählerliste, Bereitstellung von Sachmitteln (Urnen, Wahlzettel, Vordrucke, Schreibgerät), Zugang des Wahlvorstands zum Betrieb (bei gekündigten Wahlvorständen oder der ausnahmsweisen Bestellung von externen Gewerkschaftsmitgliedern zum Wahlvorstand; vgl. dazu die Muster bei Herbst/Bertelsmann/Reiter, Rz. 745 ff.). 8 In einem Beschluss des BAG v. 17.3.2012 – 7 ABR 95/08, NZA 2010, 1133, hat das BAG einen im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen rechtswidrige Aktivitäten des Betriebsrats abgelehnt mit der Begründung, die für Rechtsverstöße des Betriebsrats im Gesetz vorgesehenen Sanktionen des § 23 BetrVG (Ausschluss aus dem Betriebsrat oder Auflösung des gesamten Betriebsrats) seien lex specialis. Überdies seien Unterlassungsansprüche gegen den Betriebsrat wegen Vermögenslosigkeit ohnehin nicht vollstreckbar. Deshalb sei allein eine Feststellungsklage des Arbeitgebers möglich, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Betriebsrats. Auf die einstweilige Verfügung lässt sich dies nicht übertragen. Denn eine Feststellungsverfügung wird allgemein als nicht möglich angesehen, und es kommt sicher auch nicht in Betracht, dass der Arbeitgeber jeden Rechtsverstoß des Betriebsrats ungeachtet seiner Schwere widerstandslos hinzunehmen hätte und lediglich auf nachträgliche Anträge nach § 23 BetrVG angewiesen wäre. Vielmehr muss richtigerweise jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutz die Unterlassungsverfügung zulässig sein, auch wenn sie nicht vollstreckbar ist (offengelassen LAG Brandenburg v. 8.4.2011 – 9 TaBV 2765/10, BeckRS 2011, 69176). Es ist davon auszugehen, dass sich Betriebsräte an Unterlassungsverfügungen regelmäßig halten, auch wenn keine Vollstreckung droht. Auch die durchgängige Spruchpraxis der Landesarbeitsgerichte bejaht die Zulässigkeit einstweiliger Unterlassungsverfügungen gegen grob fehlerhafte Betriebsratswahlen (siehe die Nachweise in Fn. 9 und 10).

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Errichtung des Betriebsrats

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niemandem im Betrieb bekannt. Eine ordnungsgemäße Einladung durch eine „Gewerkschaft“ im Sinne des § 17 Abs. 3 BetrVG hat es offensichtlich nie gegeben. Offensichtlich hat eine kleine Gruppe von Mitarbeitern auf eigene Faust einen Wahlvorstand gebildet, möglicherweise um der für zwei Tage später angesetzten Betriebsversammlung zuvorzukommen. Der angeblich am 22.6. gewählte „Wahlvorstand“ hat unverzüglich mit den Vorbereitungen zur Durchführung einer Betriebsratswahl begonnen und insbesondere auch am schwarzen Brett um Wahlvorschläge gebeten. Zur Glaubhaftmachung für alles Vorstehende: Eidesstattliche Versicherung des Personalleiters …, Anlage AS 1 Dem „Wahlvorstand“ ist seine weitere Tätigkeit zu untersagen, da er nicht ordnungsgemäß gebildet worden ist. Zu der Veranstaltung, auf der angeblich die Wahl stattgefunden haben soll, ist in keiner Weise im Betrieb eingeladen worden, so dass die Masse der Belegschaft keinerlei Möglichkeit hatte, an der Bildung des Wahlvorstands teilzunehmen. Dieser Mangel ist so schwerwiegend, dass er zur Nichtigkeit der Bildung des Wahlvorstands führt. Eine von einem nichtigen Wahlvorstand durchgeführte Betriebsratswahl ist ihrerseits nichtig. Es ist anerkannt, dass die weitere Durchführung eines Wahlverfahrens untersagt werden kann, wenn ansonsten die Wahl des Betriebsrates nichtig wäre.9 Das ist vorliegend der Fall. … (Unterschrift)10 9 Wichtig: Wie so häufig beim einstweiligen Rechtsschutz divergieren auch hier die Anforderungen, die die einzelnen Landesarbeitsgerichte an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes stellen. Dass meist hohe Anforderungen gestellt werden, ist verständlich, da der Abbruch einer Betriebsratswahl zu einer je nach den Umständen nicht unerheblichen betriebsratslosen Zeit führen kann. Anerkannt ist die Zulässigkeit von einstweiligen Verfügungen auf Wahlabbruch, wenn das Wahlverfahren einen so gravierenden Mangel aufweist, dass dieser die Betriebsratswahl nichtig machen würde und der Mangel auch nicht mehr zu korrigieren ist (zB LAG Köln v. 27.12.1989, DB 1990, 539 und LAG Köln v. 5.7.1987 – 6 TaBV 28/87, DB 1987, 1996; LAG Hessen v. 21.3.1990, DB 1991, 239; LAG München v. 3.8.1988 – 6 TaBV 41/88, NZA 1989, 444). Dieser Rechtsprechung ist uneingeschränkt beizupflichten, da auch eine nichtige Betriebsratswahl letztlich zu einem betriebsratslosen Zustand führt, also durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Abbruch der Wahl kein Nachteil entstehen kann. Umstritten ist allerdings, ob auch die hohe Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Wahlanfechtung ausreicht (so zB Germelmann/Matthes/Prütting, § 85 ArbGG Rz. 38; LAG Niedersachsen v. 4.12.2003, NZA-RR 2004, 197; LAG Düsseldorf v. 19.12.1977, DB 1978, 255; LAG Hamm v. 10.4.1975, DB 1975, 1176). Andere Grundsätze müssen allerdings gelten, soweit mit der einstweiligen Verfügung nicht der Abbruch der Wahl erreicht werden soll, sondern bestimmte Handlungen des Wahlvorstands erzwungen werden sollen. Das spielt beispielsweise eine Rolle, wenn der Wahlvorstand bestimmte Arbeitnehmer oder bestimmte Kandidaten-Listen (nicht) zur Wahl zulässt. Hat beispielsweise der Wahlvorstand eine bestimmte Liste wegen angeblicher Mängel des Wahlvorschlags nicht zugelassen, wäre die Wahl anfechtbar, wenn die Mängel tatsächlich nicht bestanden. Hier muss es im Interesse aller Beteiligten sein, dass dem Wahlvorstand im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben werden kann, die Liste nachträglich noch zuzulassen. Denn damit ersparen sich alle Beteiligten ein nachträgliches Anfechtungsverfahren, das mit Sicherheit erfolgreich wäre (dazu ArbG Bielefeld v. 20.5.1987 – 4 BVGa 9/87, BB 1987, 1458; LAG München v. 14.4.1987 – 2 TaBV 14/87, DB 1988, 347; ArbG Emden v. 3.4.1984 – 1 BvGa 1/84, NZA 1985, 228; LAG Hessen v. 21.3.1990, DB 1991, 239). 10 Hinsichtlich des Streitwerts s. allg. M 30.1 Fn. 9. Die einstweilige Verfügung wird regelmäßig mit 80 % des Werts des Hauptsacheverfahrens bewertet (LAG Köln v. 10.10.2002, NZA-RR 2003, 493; LAG Hessen v. 8.8.2002 – 5 Ta 399/02; aA LAG Hamm v. 28.4.2005, NZA-RR 2005, 435).

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Antrag auf Klärung des Betriebsbegriffs

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten (Arbeitgeber/Betriebsrat, volles Rubrum) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Es wird festgestellt, dass die Betriebsstätten der Antragstellerin in … und … getrennte Betriebe im Sinne des BetrVG sind.2

Begründung: Die Antragstellerin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen. Zum Unternehmen gehören zwei Betriebsstätten, eine Fertigungsstätte im Industriegebiet … mit 100 Mitarbeitern sowie eine weitere Fertigungsstätte in … mit ca. 90 Mitarbeitern. Antragsgegner3 ist der einzige im Unternehmen existierende Betriebsrat, der im Jahr … erstmals gewählt wurde, und zwar gemeinsam für die Betriebsstätten … und … In der Zeit seit der Betriebsratswahl ist es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten über verschiedene betriebsverfassungsrechtliche Fragen gekommen. Im Zuge dieser Meinungsverschiedenheiten hat sich die Antragstellerin von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen. Dieser hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Betriebsratswahl des Jahres … nicht korrekt erfolgt ist, da die Betriebsstätten … und … keinen gemeinsamen Betrieb darstellen, sondern als getrennte Betriebe im Sinne des BetrVG anzusehen sind. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner auf diesen Umstand hingewiesen und erklärt, man werde zwar den gemeinsam gewählten Betriebsrat bis zum Ablauf seiner Amtsperiode im Jahr … als vollwertigen Betriebsrat anerkennen und respektieren, im Jahre … müssten jedoch getrennte Betriebsratswahlen in … und … stattfinden. Der Antragsgegner hat dieser Auffassung vehement widersprochen und mitgeteilt, er werde sich der Aufspaltung in zwei getrennte Betriebsräte mit allen Mitteln widersetzen. Es ist in mehreren Gesprächsrunden den Beteiligten nicht gelungen, die Meinungsverschiedenheiten auszuräumen.4 Deswegen hat die Antragstellerin beschlossen, bereits jetzt das vorliegende Verfahren einzuleiten, um noch rechtzeitig vor der Betriebsratswahl im Jahre … Klarheit über die Rechtslage zu erhalten.5

1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Streitigkeiten über die richtigen Betriebsratsstrukturen kommen recht häufig vor, da die gesetzlichen Regeln unklar und schwammig sind. So wird häufig wie im Muster darüber gestritten, ob zwei selbständige oder ein gemeinsamer Betrieb vorliegt (BAG v. 17.1.1978, AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG) oder ob Nebenbetriebe/Betriebsteile selbständig oder dem Hauptbetrieb zuzuordnen sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, § 4 BetrVG). Problematisch und recht häufig Gegenstand eines Beschlussverfahrens ist auch die Klärung der Frage, ob mehrere Unternehmen einen einheitlichen Betrieb iSd. § 1 Abs. 2 BetrVG (Gemeinschaftsbetrieb) führen (BAG v. 25.9.1986 und v. 14.9.1988, AP Nr. 7, 9 zu § 1 BetrVG). 3 Zur rechtssystematisch zweifelhaften Bezeichnung als „Antragsgegner“ s. Kap. 104 Rz. 10. 4 Praxistipp: In der Praxis werden Streitigkeiten über die richtige Betriebsratsstruktur häufig durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Unternehmen geregelt. Solche Vereinbarungen sind häufig unwirksam, da das BetrVG eine gesetzlich zwingende Betriebsratsstruktur vorschreibt, die nur in den Grenzen des § 3 BetrVG zur Disposition der Betriebspartner steht (s. ausf. M 50.4). Vereinbarungen zwischen den Betriebspartnern entfalten aber starke faktische Wirkung, selbst wenn sie von § 3 BetrVG nicht gedeckt sind. Insbesondere ist die Wahl der Betriebsräte nicht unwirksam, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die vereinbarte Betriebsratsstruktur mit dem BetrVG unvereinbar ist. Es ist den Betriebspartnern darüber hinaus verwehrt, sich später hinsichtlich einzelner Beteiligungsrechte des Betriebsrats auf eine abweichende Betriebs- und Unternehmensstruktur zu berufen (zB bei Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan). 5 Am Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag ist nicht zu zweifeln, da das Verfahren den Beteiligten eine Wahlanfechtung erspart, die für den Betrieb mit erheblich größerer Unsicherheit verbunden wä-

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Die Betriebsstätten in … und … sind schon deshalb nicht als einheitliche Betriebe im Sinne des BetrVG anzusehen, weil … (wird ausgeführt). … (Unterschrift)6 re. Im Übrigen ergibt sich nach st. Rspr. des BAG die Zulässigkeit solcher Feststellungsanträge schon aus entsprechender Anwendung von § 18 Abs. 2 BetrVG (BAG v. 29.1.1987, AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG). 6 Auch bei Verfahren zur Klärung des Betriebsbegriffs richtet sich der Streitwert nach hA nach den für Streitigkeiten um Betriebsratswahlen entwickelten Grundsätzen (LAG Köln v. 3.1.2008 – 8 Ta 277/07; LAG Berlin v. 19.10.2005 – 17 Ta (Kost) 6062/05), s. M 30.1 Fn. 9.

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Anfechtung der Betriebsratswahl

An das Arbeitsgericht In dem Beschlussverfahren1 mit den Beteiligten2, 3, 4 (Arbeitgeber/Betriebsrat, volles Rubrum) vertreten wir die Antragstellerin. Namens und im Auftrag der Antragstellerin leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Betriebsratswahl5 vom … wird für unwirksam erklärt.6, 7

1 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 2 Anfechtungsberechtigt sind der Arbeitgeber, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer (§ 19 BetrVG). Nicht anfechtungsberechtigt ist dagegen der neu gewählte Betriebsrat selbst. Hat der Betriebsrat Bedenken gegen die Korrektheit der Wahl, so steht ihm als einfacher Weg der Rücktritt mit anschließender Neuwahl offen. Wird nicht nur Anfechtbarkeit, sondern auch Nichtigkeit (vgl. Fn. 6) geltend gemacht, ist jedermann anfechtungsberechtigt, also auch ein einzelner Arbeitnehmer (LAG Berlin v. 8.4.2003, NZA-RR 2003, 587). 3 Antragsgegner ist stets der neu gewählte Betriebsrat, obwohl der Wahlfehler meist auf Fehlern des Wahlvorstands beruht. Wird nur die Wahl eines einzelnen Betriebsratsmitglieds (etwa wegen fehlender Wählbarkeit) angefochten, so ist dieses Mitglied allein Antragsgegner (BAG v. 28.11.1977, AP Nr. 2 zu § 8 BetrVG unter II 1e) der Gründe). Zur rechtssystematisch zweifelhaften Bezeichnung als „Antragsgegner“ s. Kap. 104 Rz. 10. 4 Beteiligte des Verfahrens sind in jedem Fall der Arbeitgeber (auch wenn er nicht Antragsteller ist). Richtet sich das Verfahren gegen die Wahl eines einzelnen Betriebsratsmitglieds, so ist der gesamte Betriebsrat weiterer Beteiligter. Die Gewerkschaft ist (soweit sie nicht Antragsteller ist) grundsätzlich nicht zu beteiligen (BAG v. 19.9.1985, AP Nr. 12 zu § 19 BetrVG). 5 Die Wahl muss (und kann!) nicht insgesamt angefochten werden, wenn der Wahlfehler sich nur auf einen Teil der Wahl auswirken konnte. 6 Bei der Wahlanfechtung handelt es sich grundsätzlich um eine Gestaltungsklage. Nur bei ganz gravierenden Fehlern ist die Wahl von selbst nichtig. Das ist nur der Fall, wenn der Fehler so gravierend ist, dass schon der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahl fehlt. In solchen Fällen ist der Betriebsrat von vornherein nicht existent, so dass beim Arbeitsgericht nur die Feststellung beantragt werden muss, dass die Wahl nichtig war (BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG unter B II 2a) aa)). Für den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gilt die Zwei-Wochen-Frist des § 19 BetrVG (s. Fn. 9) nicht (BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG unter B II 1a); Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 19 BetrVG Rz. 45). Bezüglich der Frage, ob der Wahlfehler die Wahl nichtig oder nur anfechtbar macht, wird häufig mit gestaffelten Anträgen gearbeitet, indem zunächst die Feststellung der Nichtigkeit und nur hilfsweise die Unwirksamerklärung beantragt wird. Erforderlich ist dies aber nicht, da der Anfechtungsantrag nach ständiger Rechtsprechung des BAG grundsätzlich auch den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit umfasst (BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG unter B I 2 der Gründe). In der Praxis sind verschiedene Antragsformulierungen gebräuchlich und auch zulässig. So wird beispielsweise häufig beantragt, die Wahl „aufzuheben“ oder „für unwirksam zu erklären“ oder „für ungültig zu erklären“. Ungenau formulierte Anträge

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Errichtung des Betriebsrats

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Begründung: Am … hat im Betrieb der Antragstellerin in … eine Betriebsratswahl stattgefunden. Für diese Wahl waren zwei Vorschlagslisten eingereicht worden („Liste A“ und „Liste B“). Auf Liste A kandidierten alle drei Mitglieder des Wahlvorstands. Der Wahlvorstand hat die gleichfalls eingereichte Liste B nicht zur Wahl zugelassen mit der Begründung, die Liste sei „vom Unternehmen gekauft“. Auf der Liste hätten nur solche Mitarbeiter kandidiert, die von der Geschäftsführung ausdrücklich zur Kandidatur aufgefordert worden seien. Damit biete diese Liste keine Gewähr dafür, engagiert für die Belange der Arbeitnehmer einzutreten. Beweis: Zeugnis des Vorsitzenden des Wahlvorstands (Name, Adresse) Die Entscheidung des Wahlvorstands war rechtswidrig. Richtigerweise hätte der Wahlvorstand auch die „Liste B“ zulassen müssen. Seine Unterstellung, die Kandidaturen auf der Liste B seien nur durch entsprechende Aufforderung der Geschäftsführung zustande gekommen, ist unrichtig. Letztlich kommt es darauf aber nicht an. Auch eine Liste mit Kandidaten, die sämtlich nur auf Initiative der Geschäftsführung kandidieren, ist ohne jede Einschränkung zulässig. Dass die „Liste B“ nicht zugelassen wurde, führt zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl. Denn es liegt auf der Hand, dass bei Zulassung der Liste B das Wahlergebnis anders hätte ausfallen können, da dann Listenwahl stattgefunden hätte und nicht eine Personenwahl unter den Kandidaten der Liste A.8 Die Zwei-Wochen-Frist ist eingehalten worden.9 Das Wahlergebnis wurde am … durch den Wahlvorstand ausgehängt.10, 11, 12

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sind stets von Amts wegen zu korrigieren. Die Beschränkungen der Anfechtungsberechtigung für Betriebsratswahlen in § 19 BetrVG gelten für die Geltendmachung der Nichtigkeit nicht, die Nichtigkeit kann jederzeit von jedermann geltend gemacht werden, also auch von einem einzelnen Arbeitnehmer (LAG Berlin v. 8.4.2003, NZA-RR 2003, 587). Ist das Wahlverfahren ordnungsgemäß abgelaufen und nur bei der Stimmenauszählung ein Fehler passiert, so ist nicht die Unwirksamerklärung zu beantragen, sondern die Feststellung des richtigen Wahlergebnisses (BAG v. 26.11.1968, AP Nr. 18 zu § 76 BetrVG; v. 15.7.1960, AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG). Es wird dann zB die Feststellung beantragt, dass „statt des Mitarbeiters X der Mitarbeiter Y gewählt ist“. Wahlfehler berechtigen nur dann zur Wahlanfechtung, wenn ohne den Fehler ein anderes Wahlergebnis möglich gewesen wäre. Ist zB ein leitender Angestellter zu Unrecht in die Wählerliste aufgenommen worden, hat er aber nachweislich nicht gewählt, so kommt eine Wahlanfechtung nicht in Betracht. Ist umgekehrt ein einzelner Mitarbeiter zu Unrecht nicht in die Wählerliste aufgenommen worden, so ist eine Anfechtung der Wahl nur möglich, wenn sich durch diese eine Stimme das Ergebnis hätte verändern können (zB wenn zwei Kandidaten gleiche Stimmzahl erreicht haben oder nur durch eine Stimme getrennt sind). Wichtig: Von größter Bedeutung in der Praxis ist die Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG. Diese Frist ist deshalb so tückisch, weil innerhalb der zwei Wochen (gerechnet ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses) nicht nur der Anfechtungsantrag beim Arbeitsgericht eingegangen sein muss. Vielmehr muss – entgegen dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 BetrVG! – der Antrag auch innerhalb der Zwei-WochenFrist so umfassend begründet sein, dass für das Gericht erkennbar ist, aus welchem Grund die Wahl in welchem Umfang angefochten wird. Es reicht also (anders zB als bei der Einlegung einer Berufung) nicht, zunächst nur den Antrag zu stellen und die Begründung erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist nachzuschieben. Die Zwei-Wochen-Frist hat allerdings keine Präklusionswirkung hinsichtlich anderer Unwirksamkeitsgründe. Hat der Anfechtende innerhalb der Zwei-Wochen-Frist einen Wahlmangel hinreichend konkret behauptet, muss das Arbeitsgericht vielmehr im weiteren Verfahren von Amts wegen allen für eine Wahlanfechtung in Betracht kommenden Wahlverstößen nachgehen, die sich aus dem späteren Vortrag der Beteiligten ergeben (BAG v. 3.6.1969, DB 1969, 1707; v. 4.12.1986, NZA 1987, 166). Wird in einem Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten die Wahl mit der Begründung angefochten, statt mehrerer Einzelbetriebsstätten hätte nur ein zentraler Betriebsrat gewählt werden dürfen, so müssen die Wahlen aller einzelner Betriebsräte innerhalb der Zwei-Wochen-Frist angefochten werden (BAG v. 7.12.1988, AP Nr. 15 zu § 19 BetrVG). Mit der Rechtskraft der Entscheidung endet das Amt des Betriebsrats. Ein Übergangsmandat besteht in diesem Fall nicht, der Betrieb wird mit sofortiger Wirkung betriebsratslos. Dagegen bleiben bis zum Eintritt der Rechtskraft alle vorgenommenen Handlungen des Betriebsrats voll wirksam. Auch der Arbeit-

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Errichtung des Betriebsrats

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… (Unterschrift)13 geber muss sich hinsichtlich der Zeit bis zum Eintritt der Rechtskraft so behandeln lassen, als habe es einen wirksam gewählten Betriebsrat gegeben. Ist beispielsweise vor Eintritt der Rechtskraft eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG ausgesprochen worden, so bleibt sie auch dann unwirksam, wenn später die Wahl des Betriebsrats erfolgreich angefochten wird. Anders ist es nur in den seltenen Fällen, in denen die Wahl für nichtig erklärt wird. Hier hat es nie einen wirksam gewählten Betriebsrat gegeben, so dass in der Vergangenheit stattgefundene Verletzungen des BetrVG (zB unterlassene Anhörung vor einer Kündigung) für den Arbeitgeber folgenlos bleiben. Allerdings hat der (Schein-)Betriebsrat Anspruch auf Erstattung seiner Kosten nach § 40 BetrVG, wenn er mit vertretbaren Gründen von der Wirksamkeit oder jedenfalls nur Anfechtbarkeit der Wahl ausgehen konnte (BAG v. 29.4.1998, DB 1998, 992). 11 Eine Zwangsvollstreckung findet nicht statt, da es entweder um eine gestaltende Entscheidung (Unwirksamkeitserklärung) oder um eine Feststellung (Nichtigkeit) geht. 12 Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts ist Beschwerde zum LAG möglich. Der Gegenstandswert wird je nach Größe des Betriebs meist auf ein Vielfaches des Hilfswerts (§ 23 Abs. 3 RVG) festgesetzt (zB LAG Hamm v. 28.4.1976, DB 1977, 357: DM 75 000 in einem Großbetrieb mit 3 500 Mitarbeitern). 13 Zum Streitwert s. die Erläuterungen zu M 30.1 Fn. 9.

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Strafanzeige wegen Wahlbehinderung nach § 119 BetrVG

An die Staatsanwaltschaft beim Landgericht1 Sehr geehrte Damen und Herren, wir vertreten den im Betrieb … der X GmbH gebildeten Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahl des Jahres …, bestehend aus (Namen, Adressen). Im Namen unseres Mandaten erstatten wir Strafanzeige nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Behinderung der Betriebsratswahl) und stellen Strafantrag gemäß § 119 Abs. 2 BetrVG2 gegen den Geschäftsführer der X GmbH, Herrn … Der Strafanzeige liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In dem Betrieb … der X GmbH bestand jahrzehntelang kein Betriebsrat, obwohl der Betrieb mehr als 200 Arbeitnehmer hat. Am … hat erstmals in einer nach § 17 BetrVG ordnungsgemäß einberufenen Betriebsversammlung die Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer einen Wahlvorstand (den Anzeigeerstatter) gewählt. Das Protokoll der Betriebsversammlung ist als Anlage 1 beigefügt. Der Wahlvorstand hat die Wahl ordnungsgemäß vorbereitet und zur Durchführung der Wahl den … von … bis … Uhr bestimmt (Wahlausschreiben, als Anlage 2 beigefügt). Eine Woche vor der beabsichtigten Betriebsratswahl hat der Geschäftsführer … die Belegschaft zu einer Versammlung zusammengerufen. Auf dieser Versammlung hat er erklärt, einen Betriebsrat könne sich die X GmbH nicht leisten. Falls die Wahl tatsächlich stattfinde, werde der Betrieb geschlossen und die Produktion nach Kasachstan verlagert. Der Geschäftsführer hat die anwesenden Belegschaftsmitglieder aufgefordert, auf den Wahlvorstand mit dem Ziel ein1 Da es sich bei der Behinderung der Betriebsratswahl nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG um eine Straftat und nicht um eine Ordnungswidrigkeit handelt, ist die Anzeige an die Staatsanwaltschaft beim örtlich zuständigen Landgericht zu richten, nicht wie bei Ordnungswidrigkeiten nach § 121 BetrVG (s. M 43.8) an die Verwaltungsbehörde. 2 Straftaten nach § 119 BetrVG sind Antragsdelikte. Den Strafantrag können stellen der Betriebsrat, der Gesamtbetriebsrat, der Konzernbetriebsrat, die Bordvertretung, der Seebetriebsrat, eine nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildete besondere Arbeitnehmervertretung, der Wahlvorstand, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Wird zunächst nur Anzeige erstattet, ohne dass gleich Strafantrag gestellt wird, wird die Staatsanwaltschaft nachfragen, ob der Anzeigende Strafantrag stellen will. Zu beachten ist, dass gemäß § 77b StGB der Strafantrag nur binnen drei Monaten nach Kenntnis des Antragstellers gestellt werden kann.

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zuwirken, dass dieser sein Amt niederlegt und die Wahl nicht durchführt. Beweis: Zeugnis der Mitarbeiter …, … und …, zu laden … … (Unterschrift)3 3 Der Strafantrag kann bis zum Urteil zurückgenommen werden (§ 77d Abs. 1 Satz 1 StGB), ein einmal zurückgenommener Antrag kann nicht erneut gestellt werden (§ 77d Abs. 1 Satz 2 StGB). Bei Rücknahme des Antrags durch den Anzeigenden wird die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen daher unverzüglich vorläufig einstellen. Wenn auch seitens der anderen Antragsberechtigten (§ 119 Abs. 2 BetrVG) kein Strafantrag erfolgt, wird die Strafanzeige hinfällig und das Ermittlungsverfahren endgültig eingestellt. In der Praxis ist oft zu beobachten, dass in der Hitze des Gefechts Strafanzeigen nach § 119 BetrVG nebst Strafantrag erstattet werden, sich dann aber kurzfristig die Wogen wieder glätten und der Strafantrag zurückgenommen wird. Viele Staatsanwaltschaften bearbeiten deshalb Strafanzeigen nach § 119 BetrVG recht schleppend, weil erfahrungsgemäß kaum je ein Urteil erfolgt. Der Gegenstandswert ist nicht an der Höhe der (erhofften) Geldbuße zu orientieren, sondern mit dem Hilfswert von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) anzusetzen. Nach der – kaum nachvollziehbaren – Entscheidung des ArbG Gießen (v. 9.6.2009, AiB 2010, 120) soll der Arbeitgeber die Kosten des mit der Erstattung der Anzeige beauftragten Anwalts übernehmen müssen.

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster Anfechtung der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 31.1

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Anfechtung der Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . M . . 31.2

Literatur: Balluf, Befreiung von der beruflichen Tätigkeit und Freistellung, AiB 2006, 611; Blanke/Trümner, Die Wahl der Betriebsausschussmitglieder und der freizustellenden Betriebsratsmitglieder, BetrR 1990, 25; Denecke, Freigestellte Betriebsratsmitglieder, AuA 2006, 80; Felser, Beschlussfassung leicht gemacht, AiB 2006, 280; Fischer, Das Ehrenamtsprinzip der Betriebsverfassung „post Hartzem“ – antiquiert oder Systemerfordernis?, NZA 2007, 484; Gillen/Vahle, Umfang und Grenzen pauschaler Freistellungsansprüche des Betriebsrats, BB 2006, 2749; Göpfert/Fellenberg/Klarmann, Leistungsbezogene Vergütung für teilfreigestellte Betriebsräte, DB 2009, 2041; Hayen, Zukunftsfähige Betriebsratsarbeit, AiB 2008, 36; Heither, Minderheiten- und Gruppenschutz im neuen Betriebsverfassungsgesetz, NZA Beilage 1/1990, 11; Kleinebrink, Fehlerhafte Beschlüsse des Betriebsrats: Auswirkungen und Möglichkeiten der Heilung, ArbRB 2009, 211; Klimaschewski, Nachträgliche Beschlussfassung des Betriebsrats – Genehmigung, AiB 2008, 419; Krampe, Die Anfechtbarkeit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden, Diss. 2006; Linde, Übertragung von Aufgaben des Betriebsrats auf Arbeitsgruppen gemäß § 28a BetrVG, Diss. 2006; Löwisch/Rügenhagen, Angemessene arbeitsvertragliche Vergütung von Betriebsratsmitgliedern mit Führungsfunktionen, DB 2008, 466; Pfister, Die Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen gemäß § 28a BetrVG, Diss. 2007; Ratayczak, Interne Wahlen des Betriebsrats, AiB 2006, 270; Rieble, Die Betriebsratsvergütung, NZA 2008, 276; Rieble, Gewerkschaftsnützige Leistungen an Betriebsräte, BB 2009, 1016; Roos, Ungestörte Amtsausübung, AiB 2006, 316; Rudolph/Wassermann, Das Profil der Betriebsräte 2006, AiB 2007, 220; Schneider, Erhöhte Fahrtkosten eines freigestellten Betriebsratsmitglieds zwischen Wohnsitz und Betriebsratssitz, AiB 2007, 301; Schoof, Koppelungsgeschäfte in der Betriebsverfassung, ArbuR 2008, 271; Schweibert/Buse, Rechtliche Grenzen der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern – Schattenbosse zwischen „Macht und Ohmacht“, NZA 2007, 1080; Stück, Handlungsmöglichkeiten bei überzogener BRTätigkeit, AuA 2006, 586; Thannheiser, Gehaltsanpassung für Betriebsräte, AiB 2007, 529; Tüttenberg, Die Arbeitsgruppe nach § 28a BetrVG, Diss. 2006; Wiesner/Siemer, Die „Falschberufung“ beim Nach-

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zuwirken, dass dieser sein Amt niederlegt und die Wahl nicht durchführt. Beweis: Zeugnis der Mitarbeiter …, … und …, zu laden … … (Unterschrift)3 3 Der Strafantrag kann bis zum Urteil zurückgenommen werden (§ 77d Abs. 1 Satz 1 StGB), ein einmal zurückgenommener Antrag kann nicht erneut gestellt werden (§ 77d Abs. 1 Satz 2 StGB). Bei Rücknahme des Antrags durch den Anzeigenden wird die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen daher unverzüglich vorläufig einstellen. Wenn auch seitens der anderen Antragsberechtigten (§ 119 Abs. 2 BetrVG) kein Strafantrag erfolgt, wird die Strafanzeige hinfällig und das Ermittlungsverfahren endgültig eingestellt. In der Praxis ist oft zu beobachten, dass in der Hitze des Gefechts Strafanzeigen nach § 119 BetrVG nebst Strafantrag erstattet werden, sich dann aber kurzfristig die Wogen wieder glätten und der Strafantrag zurückgenommen wird. Viele Staatsanwaltschaften bearbeiten deshalb Strafanzeigen nach § 119 BetrVG recht schleppend, weil erfahrungsgemäß kaum je ein Urteil erfolgt. Der Gegenstandswert ist nicht an der Höhe der (erhofften) Geldbuße zu orientieren, sondern mit dem Hilfswert von Euro 4 000,– (§ 23 RVG) anzusetzen. Nach der – kaum nachvollziehbaren – Entscheidung des ArbG Gießen (v. 9.6.2009, AiB 2010, 120) soll der Arbeitgeber die Kosten des mit der Erstattung der Anzeige beauftragten Anwalts übernehmen müssen.

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Interne Organisation des Betriebsrats

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Muster Anfechtung der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 31.1

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Anfechtung der Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . M . . 31.2

Literatur: Balluf, Befreiung von der beruflichen Tätigkeit und Freistellung, AiB 2006, 611; Blanke/Trümner, Die Wahl der Betriebsausschussmitglieder und der freizustellenden Betriebsratsmitglieder, BetrR 1990, 25; Denecke, Freigestellte Betriebsratsmitglieder, AuA 2006, 80; Felser, Beschlussfassung leicht gemacht, AiB 2006, 280; Fischer, Das Ehrenamtsprinzip der Betriebsverfassung „post Hartzem“ – antiquiert oder Systemerfordernis?, NZA 2007, 484; Gillen/Vahle, Umfang und Grenzen pauschaler Freistellungsansprüche des Betriebsrats, BB 2006, 2749; Göpfert/Fellenberg/Klarmann, Leistungsbezogene Vergütung für teilfreigestellte Betriebsräte, DB 2009, 2041; Hayen, Zukunftsfähige Betriebsratsarbeit, AiB 2008, 36; Heither, Minderheiten- und Gruppenschutz im neuen Betriebsverfassungsgesetz, NZA Beilage 1/1990, 11; Kleinebrink, Fehlerhafte Beschlüsse des Betriebsrats: Auswirkungen und Möglichkeiten der Heilung, ArbRB 2009, 211; Klimaschewski, Nachträgliche Beschlussfassung des Betriebsrats – Genehmigung, AiB 2008, 419; Krampe, Die Anfechtbarkeit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden, Diss. 2006; Linde, Übertragung von Aufgaben des Betriebsrats auf Arbeitsgruppen gemäß § 28a BetrVG, Diss. 2006; Löwisch/Rügenhagen, Angemessene arbeitsvertragliche Vergütung von Betriebsratsmitgliedern mit Führungsfunktionen, DB 2008, 466; Pfister, Die Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen gemäß § 28a BetrVG, Diss. 2007; Ratayczak, Interne Wahlen des Betriebsrats, AiB 2006, 270; Rieble, Die Betriebsratsvergütung, NZA 2008, 276; Rieble, Gewerkschaftsnützige Leistungen an Betriebsräte, BB 2009, 1016; Roos, Ungestörte Amtsausübung, AiB 2006, 316; Rudolph/Wassermann, Das Profil der Betriebsräte 2006, AiB 2007, 220; Schneider, Erhöhte Fahrtkosten eines freigestellten Betriebsratsmitglieds zwischen Wohnsitz und Betriebsratssitz, AiB 2007, 301; Schoof, Koppelungsgeschäfte in der Betriebsverfassung, ArbuR 2008, 271; Schweibert/Buse, Rechtliche Grenzen der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern – Schattenbosse zwischen „Macht und Ohmacht“, NZA 2007, 1080; Stück, Handlungsmöglichkeiten bei überzogener BRTätigkeit, AuA 2006, 586; Thannheiser, Gehaltsanpassung für Betriebsräte, AiB 2007, 529; Tüttenberg, Die Arbeitsgruppe nach § 28a BetrVG, Diss. 2006; Wiesner/Siemer, Die „Falschberufung“ beim Nach-

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Interne Organisation des Betriebsrats

rücken von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat, FA 2008, 66; Wolff, Vergütung von Betriebsratsmitgliedern, AuA 2008, 534; Wulff, Beschlüsse wirksam fassen, AiB 2008, 528; Zumbeck, Die Geschäftsführung des Betriebsrats, AiB 2006, 272.

I. Einführung 1

Die innere Organisation des Betriebsrats ist in den §§ 26 ff. BetrVG geregelt. Zunächst hat der Betriebsrat aus seiner Mitte den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter zu wählen (§ 26 BetrVG). Die Wahl findet in der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats statt, die der Wahlvorstand binnen einer Woche nach dem Wahltag einzuberufen hat (§ 29 Abs. 1 BetrVG). Der Vorsitzende des Wahlvorstands leitet die konstituierende Sitzung, bis der Betriebsrat aus seiner Mitte einen Wahlleiter bestellt, der dann die Wahl des Vorsitzenden und dessen Stellvertreter durchführt (§ 29 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Das Amt des Vorsitzenden ist in der Praxis von großer Bedeutung und deshalb oft heftig umkämpft (vgl. M 31.1). Der Vorsitzende hat zwar keine besonderen Rechte nach dem BetrVG, nimmt aber de facto im Betrieb häufig eine herausgehobene Stellung ein.

2

In Betrieben mit Betriebsräten, die aus neun oder mehr Mitgliedern bestehen, ist ein Betriebsausschuss zu bilden, der die laufenden Geschäfte führt (§ 27 BetrVG). Bestimmte Rechte nach dem BetrVG stehen ausdrücklich dem Betriebsausschuss und nicht dem Gesamtgremium zu, so zB das Recht auf Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten nach § 80 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat kann auch weitere Ausschüsse bilden (zB IT-Ausschuss, Ausschuss für Frauenfragen, Akkordausschuss etc.), die Einzelheiten sind in § 28 BetrVG geregelt. Außerdem kann durch Rahmenvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat die Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen geregelt werden (§ 28a BetrVG).

3

Von großer Bedeutung ist auch die Wahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder. Gemäß § 38 BetrVG soll die Betriebsratsarbeit in Betrieben mit unter 200 Mitarbeitern durch partielle Arbeitsbefreiung der Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG erfolgen. In Betrieben mit 200 oder mehr Mitarbeitern sind dagegen ein oder mehrere Betriebsratsmitglieder vollständig von der Arbeit freizustellen. Der Betriebsrat kann eine ihm nach § 38 Abs. 1 BetrVG zustehende volle Freistellung anteilig auf mehrere Mitglieder verteilen (§ 38 Abs. 1 Satz 3 und 4 BetrVG). Eine vollständige Freistellung kann im Einzelfall auch in Betrieben mit weniger als 200 Mitarbeitern in Betracht kommen, wenn sich ungewöhnlich schwierige Aufgaben oder Arbeitsbedingungen für den Betriebsrat stellen (zB hoher Ausländeranteil, zersplitterte Einsatzorte, häufig wechselnde Arbeitsbedingungen etc.). Aber auch aus anstehenden außergewöhnlichen Maßnahmen wie Betriebsänderungen etc. kann sich der Bedarf nach einer ausnahmsweisen vollen Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ergeben. Allerdings muss der Betriebsrat in einem entsprechenden Beschlussverfahren die Erforderlichkeit einer über § 38 BetrVG hinausgehenden vollen Freistellung im Einzelnen darlegen. Insbesondere muss der Betriebsrat darlegen, warum es nicht möglich ist, die notwendigen Betriebsratsarbeiten durch (zusätzliche) Teilfreistellungen nach § 37 Abs. 2 BetrVG abzudecken.1

4

Die Entscheidung, welche Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 1 BetrVG vollständig freigestellt werden, trifft der Betriebsrat. Dabei stellt sich die schwierige Abgrenzung, ob bei Streit über die freigestellten Personen das Arbeitsgericht oder die Einigungsstelle entscheidet (vgl. M 31.2).

1 BAG v. 26.7.1989, AP Nr. 10 zu § 38 BetrVG; v. 13.11.1991 – 7 ABR 5/91, NZA 1992, 414.

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M 31.1

Interne Organisation des Betriebsrats

Kap. 31

II. Muster M 31.1

Anfechtung der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden

An das Arbeitsgericht1 In dem Beschlussverfahren2 mit den Beteiligten3 1. Herrn …, Mitglied des Betriebsrats der … GmbH (Privatadresse) – Antragsteller4 – 2. Betriebsrat der … GmbH, vertreten durch die Betriebsratsvorsitzende Frau … (Firmenadresse) – Antragsgegner5 – 3. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer … 4. die gewählte Betriebsratsvorsitzende Frau … (Firmenadresse) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Wahl der Betriebsratsvorsitzenden … vom … wird für unwirksam erklärt.

Begründung: Der neu gewählte Betriebsrat der … GmbH mit insgesamt sieben Mitgliedern trat am … zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Für die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden wurden zwei Kandidaten vorgeschlagen, nämlich der Antragsteller, Herr …, sowie das weitere Betriebsratsmitglied Frau …, die Beteiligte zu 4. Das Betriebsratsmitglied … beantragte, geheim abzustimmen. Die Beteiligte zu 4., die die Wahl leitete, meinte jedoch, eine geheime Wahl sei im BetrVG nicht vorgesehen und komme deshalb nicht Betracht. Es müsse offen abgestimmt werden. Es ist im Betrieb bekannt, dass mehrere Vertreter der Wahlvorschlagsliste, die von der Beteiligten zu 4. angeführt wurde, erhebliche Vorbehalte gegen die Person der Beteiligten zu 4. haben, sich aber nicht trauen, diese Vorbehalte offen zu äußern. Mit der Ablehnung einer geheimen Wahl wollte die Beteiligte zu 4. offensichtlich verhindern, dass gewählte Betriebsratsmitglieder „ihrer“ Liste gegen sie und für den Antragsteller stimmen. Bei der Betriebsratswahl waren auf die vom Antragsteller geführte Liste drei Betriebsratssitze, auf die Liste der Beteiligten zu 4. vier Sitze entfallen. Bei der offenen Abstimmung über den Betriebsratsvorsitzenden stimmten, wie erwartet, alle vier Betriebsratsmitglieder der „Liste …“ für die Beteiligte zu 4., so dass diese als gewählt festgestellt wurde. Wäre eine geheime Abstimmung durchgeführt worden, was auf Antrag eines Mitglieds zu geschehen hat,

1 Die Rechtsprechung wendet für die Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen weitgehend die Regeln über die Anfechtung von Betriebsratswahlen (§ 19 BetrVG) entsprechend an. Hinsichtlich der Antragstellung (Formulierung, Teilanfechtung, positive Feststellung etc.) kann deshalb auf das Muster zur Anfechtung der Betriebsratswahl (M 30.4) verwiesen werden. Es bestehen jedoch einige Besonderheiten. 2 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 3 Beteiligte des Verfahrens sind der Arbeitgeber und das Betriebsratsmitglied, dessen Wahl angefochten wird (BAG v. 19.3.1974, AP Nr. 1 zu § 26 BetrVG). 4 Antragsbefugt sind nur die einzelnen Betriebsratsmitglieder sowie eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft (BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 9 zu § 26 BetrVG; v. 16.2.1973, AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG). Nicht antragsbefugt sollen dagegen nach herrschender, aber nicht überzeugender Auffassung der Arbeitgeber sowie einzelne Arbeitnehmer des Betriebes sein, da ihnen keine Kontrolle der internen Geschäftsführung des Betriebsrats zustehe (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 26 BetrVG Rz. 37). 5 Antragsgegner ist stets der gesamte Betriebsrat, nicht dasjenige Betriebsratsmitglied, dessen interne Wahl angefochten wird (BAG v. 12.10.1976, AP Nr. 2 zu § 26 BetrVG). Der Betriebsrat wird im Verfahren immer durch seinen Vorsitzenden vertreten, egal ob die Wahl des Vorsitzenden, seines Stellvertreters oder von Ausschussmitgliedern angefochten wird (BAG v. 12.10.1976, AP Nr. 2 zu § 26 BetrVG). Zur rechtssystematisch zweifelhaften Bezeichnung als „Antragsgegner“ s. Kap. 104 Rz. 10.

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Interne Organisation des Betriebsrats

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so wäre die Wahl mit ziemlicher Sicherheit anders ausgefallen, der Antragsteller wäre gewählt worden. Die Wahl ist deshalb für unwirksam zu erklären.6, 7 … (Unterschrift)8 6 Wichtig: Die entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Anfechtung von Betriebsratswahlen führt dazu, dass auch bei der Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen grundsätzlich die Zwei-WochenFrist des § 29 Abs. 2 BetrVG gilt (BAG v. 12.10.1976, v. 13.11.1991 und v. 15.1.1992, AP Nr. 2, 9, 10 zu § 26 BetrVG). Streitig ist, ob die Anfechtungsfrist mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder erst mit Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund beginnt (Fitting, § 26 BetrVG Rz. 55). 7 Die Entscheidung kann mit Beschwerde nach §§ 87 ff. ArbGG angegriffen werden. Eine Zwangsvollstreckung findet nicht statt, da es sich um einen feststellenden oder gestaltenden Beschluss handelt. 8 Als Streitwert wird üblicherweise der Hilfswert nach § 23 Abs. 3 RVG (Euro 4 000,–) angesetzt.

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Anfechtung der Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds

An das Arbeitsgericht1, 2 In dem Beschlussverfahren3 mit den Beteiligten 1. Herrn A, Mitglied des Betriebsrats der … GmbH (Privatadresse) – Antragsteller4 –

1 Es kann im Wesentlichen auf die Anmerkungen zur Anfechtung der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden verwiesen werden (M 31.1). Wichtig: Zu beachten ist auch hier die Zwei-Wochen-Frist, innerhalb deren nicht nur der Antrag, sondern auch die Begründung beim Arbeitsgericht eingegangen sein muss. 2 Ein gänzlich anderes Verfahren sieht das BetrVG für den Fall vor, dass der Arbeitgeber sich gegen die Wahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder wendet mit der Begründung, die freigestellten Mitglieder seien für den Betrieb unverzichtbar. Um solche Streitigkeiten zu vermeiden, sieht § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zunächst vor, dass die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder erst nach Beratung mit dem Arbeitgeber stattfinden darf. Auf diese Weise wird dem Arbeitgeber Gelegenheit gegeben, seine Bedenken gegen einzelne Freistellungskandidaten rechtzeitig zu äußern. Unterbleibt die Beratung mit dem Arbeitgeber, ist allerdings streitig, ob dies zur Unwirksamkeit der Freistellungswahl führt (offengelassen vom BAG v. 29.4.1992, AP Nr. 15 zu § 38 BetrVG, bejahend zB Becker-Schaffner, BB 1982, 500; verneinend Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 38 BetrVG Rz. 40). Hat der Arbeitgeber – mit oder ohne vorherige Anhörung – gegen die vom Betriebsrat beschlossenen Freistellungen Bedenken, so muss er diese binnen zwei Wochen vorbringen (§ 38 Abs. 2 Satz 4 BetrVG). Äußert sich der Arbeitgeber binnen zwei Wochen nicht, gelten die Freistellungen als genehmigt. Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Einigungsstelle anzurufen (nicht: ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einzuleiten!). Die Anrufung der Einigungsstelle kann nicht mit der Zahl der beschlossenen Freistellungen begründet werden, da diese gesetzlich bindend in § 38 Abs. 1 BetrVG geregelt ist. Vielmehr kann der Arbeitgeber nur betriebliche Bedenken gegen die Person des oder der Freigestellten vorbringen, zB wenn eine unersetzbare Schlüsselkraft freigestellt wird, die dringend für die Erledigung bestimmter betrieblicher Aufgaben gebraucht wird. Ruft der Arbeitgeber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist irrtümlich das Arbeitsgericht an, kann er nach Fristablauf nicht mehr die Einigungsstelle anrufen. Ist die Einigungsstelle fristgemäß einberufen worden, muss sie, wenn sie dem Antrag des Arbeitgebers stattgibt, zugleich ein anderes Betriebsratsmitglied freistellen (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, § 38 BetrVG Rz. 51). Der Spruch der Einigungsstelle kann von Arbeitgeber und Betriebsrat in entsprechender Anwendung von § 76 Abs. 5 BetrVG in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren daraufhin überprüft werden, ob er sachlich vertretbar ist, da der Begriff „sachlich vertretbar“ in § 38 BetrVG ein unbestimmter und damit gerichtlich überprüfbarer Rechtsbegriff ist (wenn auch mit weitem Beurteilungsspielraum, vgl. Henssler, RdA 1991, 272). 3 Allgemein zu Rubrum, Antragstellung und zu Verfahrensfragen im Beschlussverfahren s. M 104.1. 4 Antragsbefugt ist nur das einzelne Betriebsratsmitglied oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft, nicht dagegen der Arbeitgeber oder einzelne Arbeitnehmer (str.).

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Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

2. Betriebsrat der … GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden B (Firmenadresse) – Antragsgegner5 – 3. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer … 4. Herrn B, Mitglied des Betriebsrats der … GmbH (Privatadresse) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds vom … wird für unwirksam erklärt.

Begründung: Der frühere Betriebsratsvorsitzende und Vorsitzende des Wahlvorstands B lud den neu gewählten Betriebsrat der … GmbH (400 Mitarbeiter) zur konstituierenden Sitzung am …, 15.00 Uhr in das Betriebsratszimmer ein. Der neu gewählte Betriebsrat besteht aus neun Mitgliedern, unter ihnen der Antragsteller. Am … gegen 9.30 Uhr morgens telefonierte B im Betrieb herum und informierte die Mitglieder des neu gewählten Betriebsrats darüber, dass die konstituierende Sitzung von 15.00 Uhr auf 10.00 Uhr vorgezogen werden müsse, da er am Nachmittag dringend zu einer Besprechung ins Gewerkschaftshaus müsse. Es gelang Herrn B jedoch nicht, den Antragsteller zu erreichen, da dieser am Vormittag auf Montage war. Gleichwohl hielt Herr B die konstituierende Sitzung des Betriebsrats ab. In der Sitzung wurde mit den Stimmen der acht anwesenden Mitglieder über die Freistellung entschieden. Für das freizustellende Betriebsratsmitglied wurden zwei Vorschläge gemacht. Die Abstimmung endete vier zu vier, so dass ein Losentscheid erfolgen musste. Der Losentscheid fiel zu Gunsten der Freistellung des Herrn B aus. Als der Antragsteller gegen 14.00 Uhr in den Betrieb zurückkehrte, war die Wahl bereits gelaufen und die konstituierende Sitzung des Betriebsrats beendet. Es liegt auf der Hand, dass bei Anwesenheit des Antragstellers die Wahl anders hätte ausfallen können. Der Betriebsrat war nicht befugt, seine konstituierende Sitzung ohne den Antragsteller abzuhalten, zumal zu der vorverlegten Sitzung nicht ordnungsgemäß eingeladen worden war.6 … (Unterschrift)7 5 Antragsgegner ist stets der Betriebsrat, der auch dann durch den Vorsitzenden vertreten wird, wenn es um dessen Freistellung geht. Weitere Beteiligte sind der Arbeitgeber sowie diejenigen einzelnen Betriebsratsmitglieder, deren Wahl als freizustellende Mitglieder angefochten wird (BAG v. 26.2.1987, AP Nr. 5 zu § 26 BetrVG). Zur rechtssystematisch zweifelhaften Bezeichnung als „Antragsgegner“ s. Kap. 104 Rz. 10. 6 Die Entscheidung kann mit Beschwerde nach § 87 ArbGG angegriffen werden. 7 Als Streitwert ist regelmäßig der Hilfswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG in Höhe von Euro 4 000,– festzusetzen (s. BAG v. 26.2.1987, AP Nr. 5 zu § 26 BetrVG; LAG BW v. 21.3.1991, JurBüro 1991, 1484; LAG Düsseldorf v. 22.8.1991, JurBüro 1992, 94), während andere Gerichte § 42 Abs. 2 GKG (Vierteljahresbezug) entsprechend anwenden wollen (LAG BW v. 17.7.1980 – 1 Ta 61/80, BB 1980, 1695; LAG Rh.-Pf. v. 3.3.1993, ARST 1994, 14).

Kapitel 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Muster Einstweilige Verfügung wegen Zugangs eines Betriebsratsmitglieds zum Betrieb . . M . . 32.1

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Antrag auf Feststellung des Status eines leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . M . . 32.2 Antrag auf Duldung des Zugangs von Gewerkschaftsbeauftragten zum Betrieb . M . . 32.3

Diller

1037

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Kap. 32

2. Betriebsrat der … GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden B (Firmenadresse) – Antragsgegner5 – 3. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer … 4. Herrn B, Mitglied des Betriebsrats der … GmbH (Privatadresse) vertreten wir den Antragsteller. Namens und im Auftrag des Antragstellers leiten wir ein Beschlussverfahren ein und beantragen: Die Wahl des freigestellten Betriebsratsmitglieds vom … wird für unwirksam erklärt.

Begründung: Der frühere Betriebsratsvorsitzende und Vorsitzende des Wahlvorstands B lud den neu gewählten Betriebsrat der … GmbH (400 Mitarbeiter) zur konstituierenden Sitzung am …, 15.00 Uhr in das Betriebsratszimmer ein. Der neu gewählte Betriebsrat besteht aus neun Mitgliedern, unter ihnen der Antragsteller. Am … gegen 9.30 Uhr morgens telefonierte B im Betrieb herum und informierte die Mitglieder des neu gewählten Betriebsrats darüber, dass die konstituierende Sitzung von 15.00 Uhr auf 10.00 Uhr vorgezogen werden müsse, da er am Nachmittag dringend zu einer Besprechung ins Gewerkschaftshaus müsse. Es gelang Herrn B jedoch nicht, den Antragsteller zu erreichen, da dieser am Vormittag auf Montage war. Gleichwohl hielt Herr B die konstituierende Sitzung des Betriebsrats ab. In der Sitzung wurde mit den Stimmen der acht anwesenden Mitglieder über die Freistellung entschieden. Für das freizustellende Betriebsratsmitglied wurden zwei Vorschläge gemacht. Die Abstimmung endete vier zu vier, so dass ein Losentscheid erfolgen musste. Der Losentscheid fiel zu Gunsten der Freistellung des Herrn B aus. Als der Antragsteller gegen 14.00 Uhr in den Betrieb zurückkehrte, war die Wahl bereits gelaufen und die konstituierende Sitzung des Betriebsrats beendet. Es liegt auf der Hand, dass bei Anwesenheit des Antragstellers die Wahl anders hätte ausfallen können. Der Betriebsrat war nicht befugt, seine konstituierende Sitzung ohne den Antragsteller abzuhalten, zumal zu der vorverlegten Sitzung nicht ordnungsgemäß eingeladen worden war.6 … (Unterschrift)7 5 Antragsgegner ist stets der Betriebsrat, der auch dann durch den Vorsitzenden vertreten wird, wenn es um dessen Freistellung geht. Weitere Beteiligte sind der Arbeitgeber sowie diejenigen einzelnen Betriebsratsmitglieder, deren Wahl als freizustellende Mitglieder angefochten wird (BAG v. 26.2.1987, AP Nr. 5 zu § 26 BetrVG). Zur rechtssystematisch zweifelhaften Bezeichnung als „Antragsgegner“ s. Kap. 104 Rz. 10. 6 Die Entscheidung kann mit Beschwerde nach § 87 ArbGG angegriffen werden. 7 Als Streitwert ist regelmäßig der Hilfswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG in Höhe von Euro 4 000,– festzusetzen (s. BAG v. 26.2.1987, AP Nr. 5 zu § 26 BetrVG; LAG BW v. 21.3.1991, JurBüro 1991, 1484; LAG Düsseldorf v. 22.8.1991, JurBüro 1992, 94), während andere Gerichte § 42 Abs. 2 GKG (Vierteljahresbezug) entsprechend anwenden wollen (LAG BW v. 17.7.1980 – 1 Ta 61/80, BB 1980, 1695; LAG Rh.-Pf. v. 3.3.1993, ARST 1994, 14).

Kapitel 32

Allgemeine Betriebsratsarbeit

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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Muster Einstweilige Verfügung wegen Zugangs eines Betriebsratsmitglieds zum Betrieb . . M . . 32.1

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Antrag auf Feststellung des Status eines leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . M . . 32.2 Antrag auf Duldung des Zugangs von Gewerkschaftsbeauftragten zum Betrieb . M . . 32.3

Diller

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Kap. 32 Rz. 1

Allgemeine Betriebsratsarbeit

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Antrag auf Freistellung/Übernahme von Sachmittelkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 32.4 Antrag auf Erstattung von Schulungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M . . 32.5 Antrag auf Gestattung der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständigen M . . 32.6 Antrag auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar wegen Prozessvertretung . . . . . . M . . 32.7 Klage des Rechtsanwalts gegen den Betriebsrat auf Beratungshonorar bei eigenmächtiger Beauftragung . . . . . . . . . M . . 32.8 Antrag auf Unterlassung und Ordnungsgeld gegen den Arbeitgeber wegen grober Pflichtverletzung nach § 23 BetrVG . . . . M . . 32.9

Antrag der Gewerkschaft auf NichtDurchführung einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts . . . . . . . Antrag auf Feststellung eines Tendenzbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer mitbestimmungspflichtigen Handlung . . . . . . . . . . . . . Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit . . . . . . . . . . . . . . .

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. .M. .32.10 . .M. .32.11 . .M. .32.12 . .M. .32.13 . .M. .32.14 . .M. .32.15

Literatur: Christoffer, Die Erforderlichkeit von Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für Jugend- und Auszubildendenvertreter, NZA-RR 2009, 572; Korinth, Das Recht des Betriebsrates zur Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes, ArbRB 2008, 53; Lück, Internet als Sachmittel im Sinne des § 40 BetrVG, AiB 2009, 96; Lück, Internetzugang für Betriebsräte, ArbuR 2009, 55; Peter, Betriebsratsschulungen, AiB 2006, 284; Schiefer, Betriebsratsschulungen – geänderte Spielregeln, DB 2008, 2649; Schneider/Sittard, Die Erforderlichkeit von Betriebsratsschulungen und ihre Erzwingung im Wege der einstweiligen Verfügung, ArbRB 2007, 241; Schoof, Koppelungsgeschäfte in der Betriebsverfassung, AuR 2007, 289.

I. Einführung 1

Zur Wahl des Vorsitzenden, eines Betriebsausschusses sowie der freigestellten Betriebsratsmitglieder s. Kap. 31. Die Geschäftsführung des Betriebsrats erfolgt vor allem in Betriebsratssitzungen (§§ 29–35 BetrVG). Die Sitzungen finden grundsätzlich während der Arbeitszeit statt und sind nicht öffentlich (§ 30 BetrVG). Der Arbeitgeber hat kein Teilnahmerecht. Ein Viertel der Mitglieder kann jedoch die Hinzuziehung eines Gewerkschaftsvertreters verlangen (§ 31 BetrVG), außerdem haben die Schwerbehindertenvertretung sowie die Jugend- und Auszubildendenvertretung ein Teilnahmerecht (§§ 32, 77 Abs. 1 BetrVG). Die Sitzungen werden vom Vorsitzenden des Betriebsrats einberufen und geleitet (§ 29 BetrVG).

2

Beschlüsse des Betriebsrats können nur in Sitzungen gefasst werden, und zwar regelmäßig mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 33 Abs. 1 und 2 BetrVG). Beschlussfähig ist der Betriebsrat aber nur dann, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder (einschließlich der Ersatzmitglieder) teilnimmt. Dabei kann ein nicht auf der Tagesordnung stehender Punkt durch einstimmigen Beschluss aller Anwesenden auf die Tagesordnung gesetzt und über ihn wirksam beschlossen werden (BAG v. 22.1.2014 – 7 AS 6/13, NZA 2014, 441). Nähere Einzelheiten können durch eine Geschäftsordnung geregelt werden, die der Betriebsrat sich selbst geben kann (§ 36 BetrVG).

3

Die Einrichtung von Sprechstunden regelt § 39 BetrVG.

4

Das BetrVG sieht ausdrücklich vor, dass der Betriebsrat sich durch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unterstützen lassen kann (§ 2 BetrVG). Dazu regelt das Gesetz beispielsweise ausdrücklich, dass Gewerkschaftsvertreter zu Betriebsratssitzungen (§ 31 BetrVG) oder zu Betriebsversammlungen (§ 46 BetrVG) hinzugezogen werden können, wobei jeweils die Einzelheiten der entsprechenden Regelung genau zu beachten sind.

1038

Diller

M 32.1

Allgemeine Betriebsratsarbeit

Rz. 7 Kap. 32

Zuständig ist der Betriebsrat grundsätzlich nur für die „Arbeitnehmer“ iSd. BetrVG. Als „Arbeitnehmer“ zählen nicht die Geschäftsführung sowie leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG. Insbesondere die Abgrenzung des leitenden Angestellten ist gesetzlich verunglückt und deshalb häufig Anlass von Streitigkeiten (s. M 32.2).

5

In der Praxis konfliktträchtig ist auch die Kostenregelung. Gemäß § 40 BetrVG trägt die Kosten der Betriebsratsarbeit grundsätzlich der Arbeitgeber. Er hat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, Sachmittel, Informations- und Kommunikationstechnik und Büropersonal zur Verfügung zu stellen (§ 40 BetrVG). Die Betriebsratskosten dürfen nicht auf die Arbeitnehmer umgelegt werden (§ 41 BetrVG). In der Praxis entsteht häufig Streit über die Erforderlichkeit von Kosten, insbesondere im Zusammenhang mit Schulungen nach § 37 BetrVG (vgl. die M 32.4 und M 32.5). Probleme bereitet häufig au