Werke von Cajus Cornelius Tacitus: Band 1 [Reprint 2022 ed.]
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Werke von

LatusKorneliusTacitus, Deutsch/ mit Abhandlungen und Anmerkungen

von

Karl Ludwig von Wolmann, Erster

Berlin,

Band.

i 8 i i.

Zu finden in der Realschulbuchhandlnng.

Verzeichniß der Subscribenten. 'Cente Majestät, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. (6 Exemplare.)

Die Königlichen Hoheiten, Kinder des Königs: Friedrich Wilhelm, Kronprinz. Friedrich Wilhelm Ludwig. Friederike Charlotte Wilhelmine. Friedrich Karl Alexander. Friederike Wilhelmine Alexandrine.

Die Königlichen Hoheiten, Kinder d«S verstorbenen Prinzen Ludwig, Bruder des Königs: Friedrich Wilhelm Ludwig. Friederike Wilhelmine Luise Amalie. Se. Königl. Hoheit, Friedrich Heinrich Karl, Gene» ral-Major, Bruder des Königs. Se. Königl. Hoheit, Friedrich Wilhelm Karl, Gene­ ral-Major, Bruder des Königs. (4 Exempl.) Ihre Königl. Hoheit «Amalie Mariane, Gemahlin des Prinzen Wilhelm K. H. (2 ExeMpl.) Ihre Königliche Hoheit, Friederike Dorothea L^iife Philippine, Prinzessin von Preußen, Gemahlin Sr. Durchlaucht des Fürsten Anton Radzivil. Se. Königl. Hoheit Friedrich Wilhelm Heinrich Au­ gust, Prinz von Preußen, General, Major und Chef der Artillerie.

Seine Herzog!. Durchlaucht Ludwig Friedrich Karl, souveräner Herzog von Mecklenburg - Strelih» (6 Exempl.) Die durchlauchtigsten Kinder des Herzog«: Georg Friedrich Karl Joseph, Erbprinz. (3 ExeMpl.) Ihre Durchlaucht die Herzogin Charlotte von Sach­ sen - Hildburghausen. — --- — die Fürstin Theres» von Thurn und Taxis. (2 Exempl.)

IV

Verzcichuiß

Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friederike von Solme - Braunfels. (2 Exempl.) Se. Durchlaucht der Prinz Karl. — — der Prinz Eruft von MecklenburgStrelih, Bruder des Herzogs. Se. Hochfürstl. Durch!. Günther, souveräner Fürst von Schwarzburg - Sondershausen. Se. Durchlaucht Prinz Paul Friedrich August von Holstein-Oldenburg. — — — Friedrich von Hessen-Cassel. — — — Georg von Hessen - Darmstadt. — — — Louis von Hessen - Homburg, Preuß. General - Major. — — — Alexander von Solms- Lich. Se. Durch!, der Fürst Anton Radzivil. Berlin.

Herr Albrecht, Geheimer Cabinetsrath. — ■ Ancill 0 n, Staatsrath. Demoiselle Ba'udouin. Hr. von Bärenhorst, Referendar, — Bartels, Jusiizkomissarius. — Beyrich. — Biedermann, Königlich - Sächsischer Legations­ sekretär. — Graf von Bombelles, Kaiserlich Oestreich. Char­ ge d'Affaires. — von Borstell, Obrist und Generaladjudant Sr. M. des Königs. Gräfin von Brandenburg. Hr. von Bredow, auf Schwanbeck in dem Havellande. —

Br 0 h in. Geheimer expedirender Sekretär.

Caillard. Kaiserlich - Französischer erster Lega, tionösekretär. Die Bibliothek .des Casino. Hr. Gustav Chemnitz, Kaufmann. — Le Coq, Geheimer Staatsrath, — Le Coq, Sraatsrath. Graf zu Dohna, Capitän im Generalstabe. — Graf zu Dohna, Lieutenant im Ostpreußischen Cürassier - Regiment. Ehrenberg, Hofprediger. von Fagel, Kaiserl. König!. Oestreich. Obristl.



der Subscriberrterr.

V

Hr. Formen Geheimer Ober - Medizinal - Rath. — Frick, Arkanist bei der Königs. Porzelänmanufaetur. — Glaser, Legationsrath und Erzieher des Prinzen Friedrich von Oranien. (2 Exempl.) Fräulein von der Goltz, Hofdame IhrerKönigs. Hoheit der Prinzessin von Oranien. Se. Excellenz Herr Graf von der Goltz, Staats- undKabinetsminister. Hr. von der Goltz, Rittmeister im Ostpreußischen Cürassier - Regiment. —* Graf von Gröben, Hofmarschall Sr. K. H. des Prinzen Wilhelm. — Graf von Gröben, Lieutenant im Schlesischen Uhlanen - Regiment. — Graf von der Hagen. — Haustein, Probst. Se. Excellenz Herr Baron von Hardenberg, Staats­ kanzler. Hr. von Hedemann, Rittmeister, Adjudant Sr. K. H. des Prinzen Wilhelm. — Heinsius, Doktor und Professor. — Helm, Prediger. — Graf von Henkel, Major, und FlügekadMant Sr. M. des Königs. — Henneberg, Justizkonussarius. — Hermbstädt, Geheimer Rath. — Herzberg, Prediger. — von Heydebreck, Geheimer Staatsrath. — Friedrich Heyn e, Privatlehrer. — von Hille, Capitän im ersten Westpreußischen In­ fanterie - Regiment. — Hufeland, Staatsrath. — Jordan, Kammergerichtsrath. Se. Excellenz Herr Graf von Kalkreuth, Feldmar­ schall, Gouverneur von Berlin. Hr. Graf von Kalkreuth, Major von der Kavallerie. — von Kleewitz, Staatssekretär. Se. Excellenz Hr. von Kircheisen, Staats- und"Ju­ stizminister. (2 Exempl.) Hr. Knöpft er, Schulinspector. — Küster, Geheimer Staatsrath. Se. Excellenz Hr. Graf von Lieven, Kaiserlich Rus­ sischer General - Lieutenant und bevollmächtigter Mi­ nister. (2 Exempl.) Se. Erlaucht Fürst Lignowsky, Königl. Preußischer Kammerherr.

vi

Verzeichniß

Hr. Baron von Linden, König!. Westphälischer be­ vollmächtigter Minister. Graf von Lottum, General-Major. Se. Excellenz Herr Graf von St. Marfan, KaiserlichFranzösischer bevollmächtigter Minister. — von Martens, König!. Westphälischer Staarsrath. — von Massow, Lieutenant im ersten Brandenbur­ gischen Husaren - Regiment. — Matth i§, Justizkomiffarius. (2 ExeMpl.) — Fr. Maurer, Buchhändler. (2 Exempl.) — Mirus, Geheimer Ober Finanzrath. — Müller H. Kammergerichtsratl). — von Na hm er, Major und Flügeladjudant Sr. M. des Königs. Friedrich Nicolaifche Buchhandlung. (2 Exempl.) Hr. N 0 biling, Justizkomiffarius. — von Oelsen, Geheimer Staaterath. — von Oubril, Kaiser!. Russischer Staatsrath. von Perlih, Capitän. — Baron vo n Pritwih, Capitän. — von Nappa rd, Justizkommiffarius. — Ransleben, Geheimer-Ober Finanzrath. — • von Raumer, Geheimer Legauonsrath. Die Realschulbuchhandlung. (175 Exempl.) Hr. Reihenfeld, Privargelehrrer. — Renfner. Geheimer Staatsrath. — Roose, Bankier. — Roux, Staatsrath. — Sack, Geheimer Staatsrath. — S ässe, der Aeltere. (2 Exempl.) — ä?ei nrich Sasse. — Baron von Schilden, Oberhofmeister Ihrer Majestät der hochseligen Königin. Se. Excellenz Herr Freiherr von Schröter, Staats­ minister. Hr. von Schuck mann. Geheimer Staatsrath. — S ch ultze, Bankier. — Schu.lh e, Daucondueteur. — Stä gemann. Geheimer Staatörath. Frau Erbgräfin von S toll b er g - Wern igero d e. Frau Geheimeräthin Stosch. Hr. von Strandmann, Kaiserlich-Russischer Lega­ tionssekretär. — von Tiedemann, Major im Generalstabe. —> von Thiele der rste, Capitän im Generalstabe.

der Subscribevten»

vn

Se. Exellenz Hr. von Thiollaz, Königl. Sächsischer General - Lieutenant und bevollmächtigter Minister. Hr. von Tippelskirch, Major im Generalstabe. — vonUrquijo, Königl. Spanischer Charge d'AffaireS. Fräulein von Viereck, Hofdame Ihrer Majestät der hochseligen Königin. Ihre Excellenz Frau Gräfin von Bost, Oberhofmeksterin Ihrer Majestät der hochseligen Königin. Hr. Wag euer, Münzeleve. — Wilmsen, Prediger. — Friedrich August Wolf, Geheimerath.

Danzig. Hr. von Helbig, Königl. Sächs. MinisterResidevt. Se. Excellenz Hr. Generalgouverneur Rapp,

Dresden. Se. Erlaucht Erbprinz Paul Esterhazy, Kaiser!. Oest, reichischer bevollmächtigter Minister. (2 Exempl.) Hamburg.

Hr. Buchhändler Perthes.

(25 Exempl.)

Lübeck. Bibliothek der Stadt Lübeck. Hr. Curtius, Kaiserlicher Colnmissär.

Oldenburg.

Hr. — — — —

Kruse, Hofrach. von Halem, Cabinetssekretär. Nöldecke, Doktor. Heinrich Rudolph Dollere, Advokat. I. Weltmann, Prediger. Rudolstadt.

Hr. Axt.

(2 Exempl.)

vm

Verjeichniß der Subscribenten. Sondershausen.

Hr. von Weisse, Kammer - Vicepräsident. Stargard.

Hr. Falbe, Schulrath und Professor.

Neu-StrelLtz.

Frau von Bassewitz, gebohrne von Dewitz. Hr. Cortz, Lehrer bei der Scbule zu Neustrelitz. Frau von Dewitz, gebohrne von Pentz. Hr. Götze, Hofrath. Frau von Heyden-Linden, gebohrne von Oertzen. Hr. Hieronimy, Hofrath und Leibarzt. — von Kamptz, Kammerjunker. — Kämpfer, Lehrer bei der Schule zu Neustrelitz. — von Monroy, Kammerherr. Ihre Excellenz Frau Staats - Minist, von Oertzen, gebohrne von Jasmund. Hr. Graf von Richemond, Kammerherr.. — Scheuermann, Finanzrath. — von Scheve, Kammerjunker. — Siefert, Professor und Director. — Graf von Voß auf Gr. Giewitz, Königs. Preußi­ scher Kammerherr. — Wolf, Bauconducteur.

Waren

im Mecklenburgischen.

Hr. Fr. Werner, Candidat der Theologie.

(Die.Fortsetzung folgt.)

Das Höchste in Tacitus,

und wodurch

er der.größte aller Geschichtschreiber wird,

ist seine darstellende Kraft.

Mit einer

Energie der Phantasie, wie sie kaum ir­ gend ein Dichter besaß, keiner anwenden konnte, weil er nicht an die gegebene Wahr­ heit gefesselt war, bringt Er die Thatsa­ chen zur Anschauung.

Wer ihn fassen will, muß an sch au en

können;

und

dies

natürlichste Vermögen

des menschlichen Geistes ist seit dem Sturz des Alterthumes stumpf, und weniger Be-

Vorrede.

X

dürfniß in der Welt geworden.

Vouüg-

lich aus dieser Ursache wird Tacitus, wiewol er auch selbst einige Schuld tragt, in neueren Zeiten der Dunkelheit angeklagt. Schwierigkeiten, welche von seinen gelehr­ testen und scharfsinnigsten Erklärern in sei­

ner Darstellung gefunden, und häufig nur durch Veränderung des Textes geho­ ben werden, verschwinden mitunter gänz­ lich, und an ihre Stelle tritt ein einfaches Bild, wenn man den Geschichtschreiber mit nachdringender Einbildungskraft zu lesen

versteht.

Mit der Seele der Völker wendet sich

ihre Sprache weg von der Anschauung. Der Geist, welcher sich ewig verjüngt, wird leicht wieoer zu dem frischen Leben der Phantasie zurückgebracht; die Sprache aber, von der Tradition und für dieselbe gebil­ det, kann von mancher einmal genomme­ nen Richtung nicht ohne ihre Zerstörung abgewendet werden. Wir Deutsche haben unverzeihlich gefehlt, daß wir die darstel-

lend-e Kraft, welche unsrer Sprache durch ihren Schöpfer, Luther, eingehaucht wurde,

so wenig als ihre eigentliche Beseelung wahrnahmen und hochhielten; an der Stel-

Vorrede,

le des Bildes, den todten Begriff; statt des rüstigen, zusammengedrangteu Ausdru­

ckes der Einbildungskraft und des Gemü­ thes, vielfach eine breite Verständlichkeit,

die oft kaum verdient, verstanden zu wer­ den; statt des Klanges der Perioden, durch welchen die Anschauung sich in Töne ver­ wandelt, den langverstrickten, schlaffen Geschaftöstyl aufkommen ließen. Manches Vermögen der Darstellung ist

unfrer Sprache auf immer abgestorben; manches, sehr viel ist ihr seit Klopstock gerettet, sann ihr noch gerettet werden. Ein Berdeutscher der Werke von Lacitus

leidet am meisten durch jene Verwahrlo­ sung. Wie oft will seine Sprache das Höchste in Tacitus, die darstellende Kraft, nicht erreichen! und dennoch soll seine Ar­ beit von dieser ganz durchdrungen, und

zugleich ein DeutschesOriginalwerk seyn.

Unter dieser Betrachtung erlag oft mein Muth, und ich konnte ihn nur durch Dai Gedanken heben, daß auch der treflichste

Geist und gelehrteste Mann die Werke von Tacitus schlecht verdeutschen würde, wenn er durch vieljahrige, religiöse Uebung, und

xii

Vorrede,

mannigfaltige eigne historische Arbeit, nicht den Eigenthümlichkeiten nachgespürt hätte, die unsrer Sprache für die Geschichtschrei­

bung sind; und daß ich mir das Zeugniß geben dürfe, wie wenige meiner Zeitgenos­ sen diesem Ruhme nachgestrebt zu haben.

Wer weiß, wie man historisch darstellt, oder »rach einem andern Ausdruck, wie Ge­ schichtschreibung,

die immer

Geschichtfor-

schung in sich schließt, gehandhabt wird; wie man nicht nur durch die Anordnung der Thatsachen in gewisser Masse, sondern durch die Stellung jedes einzelnen Zuges, die Wahl jeder Wortfügung, die historische

Wahrheit zur Anschauung bringt: der weiß, daß Treue der Übersetzung, die fast buch­ stäbliche, demjenigen unerläßlich sei, wel­ cher die darstellende Kraft des Römischen Tacitus dem Deutschen geben will. Es ist ungemein schwer,- bei solcher Treue nicht häufig undeutsch zu werden. So sehr ich gerungen habe, es nie zu seyn, wird man es mir doch bisweilen mit Grund vorwer­ fen können. Nur bedenke, wer hier rich­ tet, was zu diesem Gericht gehöre, und

wie sehr Luther unsrer Sprache aufhalf, weil er so viel Latein in sie brachte.

Vorrede. heit

xm

Das Zweite in Tacitus war die Ho­ und Starke seines Nömergemu-

thes, welche, verbunden mit einer gewis­ sen Bitterkeit und Wehmuth, ihm noch

weit mehr Anhänger und Bewunderer schafft haben, als sein Genie, und weit häufiger mißverstanden find, als ses. Durch sein Gemüth wird über

ver­ noch die­ seine

Darstellung ein schauerlich geistiges Colorit verbreitet, seine Sprache in einen tie­ fen Grundton gesetzt, die ununterbrochen bleiben. Wer sie in der Verdeutschung

verletzet, wird nur von demjenigen, wel­ cher die darstellende Kraft des großen Geschichtschrelbers schwinden laßt, an Ver­ sündigung übertroffen. Zum Glück er­

leichtert Tacitus durch seine vornehme Hal­

tung, daß Man auch die Eleganz, wel­ che nach ihrer ganzen damaligen Ausbil­

dung und Eigenthümlichkeit ferne Sprache besitzt, im Deutschen ihm verliehn darf, ohne daß der Eindruck seiner hohen Geisteswür­ de geschwächt werde. Ich sende diese Bemerkungen voraus, um einen Standpunkt zur Beurtheilung meiner Verdeutschung zu geben. Ueber Genie und Gemüth in Tacitus, seine gro-

Vorrede.

XIV

ßen Tugenden und damit zusammenhängen ­ den Fehler, über seine Kunst und Sprache, sein Leben, auch seine Quellen, und andre Punkte, werde ich mich im fünften und sechsten Bande dieses Werkes verbreiten. Dort auch vornehmlich über seine politi­

schen Ansichten und Grundsätze, deren Ur­ sprung und Tiefe ich liebe und bewundre,

die

aber

dem Schauenden,

Befragenden,

eine unwahre Vorstellung, eine unrichtige Antwort geben, wenn er nicht freier, als Tacitus, die damalige Politische und bürger­

liche Gesellschaft Roms, und der Welt, vor sein Urtheil zu ziehen weiß. Jede Verdeutschung eines der großen

Alten ist in philologischer Hinsicht eine fortlaufende, und tüchtigere Erklärung des

Textes, als alle Commentare der Philolo­ gen. Hatte ich nicht, mit Gewissenhaftig­ keit und vielseitiger Umsicht, den Text be­ arbeitet: so hatte ich gar nicht nach ei­ nem Ausdruck für das darstellende Genie und das Gemüth des Römers streben kön­ nen. Wer das Original erforscht, sindet Beweise dafür allenthalben in diesem Ban­ de. Hinlänglichen Aufschluß darüber geben

die Anmerkungen im sechsten Theil. Daß

Vorrede. ich

sehr

häufig

die

Lesart

xv

der

Manuskripte wider alle Autoritäten,

besten

und

solche Emendatronen, die schon die gemeine Lesart geworden, wiederhergestellt habe, wird der Aufmerksamkeit nicht entgehen.

Von meinen Emendationen habe ich im ersten Theil kaum zwei oder drei in den Text ausgenommen: kaum zweimal habe ich einen Satz, als eine Glosse, aus demsel­ ben herausgeworfen. Das

Buch

über

Germanien

gab

ich zuerst, nicht blos, weil es das erste von den noch vorhandenen historischen Wer­

ken des Tacitus war; sondern auch sein Genie und seine Kunst, als er es ver­ faßte, noch nicht in voller Reife standen. Er soll dies Gemälde, und die folgende

Lebensbeschreibung Julius Agricola's, in gleichem Alter geschrieben haben; allein in dieser ist größere Reife, vielleicht nur scheinbar, weil, ihr Stoff leichter zu bear­ beiten war, als die Beschreibung Germa­ niens. Die ganze Glorie seines Genius ist in den Büchern der Geschichten,

und den Annalen sich gleich; und dar­ um darf ich die letzten, wenn sie auch spater geschrieben sind, als jene, früher ge-

xvi

Vorrede.

ben, indem sie den früheren Stoff enthal­ ten. Germanien steht auch deshalb voran, weil es der merkwürdige Schau­ platz so manches Großen ist, was die fol­ genden Bücher beschreiben; und wer woll­

te überhaupt dem Verdeutscher verar­ gen, daß er zu einem Gemälde der herr­ lichen, nicht erloschnen, Eigenschaften feiner Nation, dieselbe zuerst führen mögte?

Berlin im Marz 1811.

v. Weltmann.

Germanien.

L VrJslnj

Gerntakien

wird

von

Rhätiern Und Pannoniern durch

den

Galliern,

Ströme,

den

Rhein und die Donau, von den Sarmaten

und

Dacern durch gegenseitige Furcht, gesondert.

breite

Buchten

fassend,

Uebrige

Das

wo

und

vot

umfließt

ungcMefsene

kurzem

oder Berge,

einige

der

Ocean,

Räume um­ Völker

und

Könige bekannt geworden sind, welche der Krieg offenbart

schen fel

Der

hat.

Alpen

Rhein,

Mit

Rhäti-

sieilem

Gip­

mäßiger Beugung

gegen

unersticgenem

entsprungen,

auf der

Und

Abend gewandt, mischt sich zum Nördlichen Ocean. Die Donau, vom weichen Und gemach erhobenen Rücken des Berges Abnoba ergoßen,

tritt meh­

rere Völker an, bis sie in's Pötttische Meer auf

fechs Wegen hinausbricht; denn die siebente Mün­ dung wird von Sümpfen erschöpft» II. Die Germanen selbst ntogt' ich für Ur­

bewohner halten, und sehr wenig gemischt durch andrer Völker Einwanderungen und Gastbesuche;

4

Germanien.

»veil nicht zu Lande vormals,

ten herangeführt

verändern suchten;

wurden,

sondern auf Flot­

welche die Sitze zu

und der jenseits unermesscne,

und daß ich so sage,

widerwärtige Ocean durch

seltene Schiffe aus unserm Kreise befahren wird.

Wer ferner würde, ausser der Gefahr graunvollen und

unbekannten

Meeres,

Asien,

oder Afrika

oder Italien verlassend Germanien aufsuchen? das

trau­

ungesialtc an Boden, rauhe von Himmel,

rige von Anhau und Anblick, wenn cs nicht Va­

terland iss.

Sie feiern in alten Gegangen, welches bei ihnen

einzige Art von Gedächtniß und Jahrbü­

chern ist,

Tuiekon den erdgebohrncn Gott,

und

den Sohn Mannus als Ursprung und Gründer des Geschlechtes.

Söhne zu,

nach

Dem Mannus eignen sie drei

welcher Namen die Nächsten

am Ocean Ingävoncn,

die Mittlern Hermionen,

die Uebrigen Istävonen geheissen würden.

Einige

aber, bei Ungebundenheit des Alterthums, versichexn,

daß mehrere von dem Gott entsprungen,

und mehrere Benennungen des Geschlechtes, Marser, Gambrivicr, Sueven, Vandalier, und dies

die wahren und alten Namen wären.

Ucbrigens

sei das Wort Germanien neu und kürzlich hin­

zugethan ; weil, welche, zuerst über den Rhein ge­

gangen, die Gallier ausgctrieben hätten, und nun

5

Germanien.

Tungern heißen, damals Germanen genannt feien:

also habe eines Volksstammes, nicht der Nation Namen allmahlig gegolten, daß Alle, zuerst nach,

dem Sieger aus Furcht, bald von sich selbst, mit

dem erfundenen Namen geheißen wurden.

III. Gewesen sei bei ihnen gedenken sie,

auch

und als den ersten

Männer singen sie ihn,

Hercules,

aller tapfren

in Schlachten

ziehend.

Auch haben sie solche Gedichte, durch deren Vor­ trag, welchen sie Bardit nennen,

sie die Gemü­

ther entstammen, und der bevorstehenden Schlacht Erfolg, dem Klange selbst nach, weissagen : denn

sie schrecken oder zittern, je nachdem das Schlacht­ getönt

lied

.Nicht so sehr

hat.

der Stimme

will man, als des Muthes Einklänge.

wird

vorzüglich

Begehrt

Rauhigkeit des Tones und gc-

brochncs Gemurmel, indem die Schilde gegen den Mund gehalten werden, damit voller und schwe­

rer die Stimme durch den Rückschlag anschwelle.

Ausserdem habe auch Ulysses, meinen etliche, auf

jener langen und fabelhaften Irrfahrt in diesen Ocean verschlagen,

Germaniens Lander betreten;

und Aeciburgium,

welches am Ufer des Rheins

gelegen, und jetzt bewohnt wird, fei vom demsel­ ben gegründet und benamet.

Ein Altar sogar,

dem Ulysses geweiht mit beigcfügtem Namen des

Vaters Larrtes, sei an demselben Orte vormale

6

Germanien.

gefunden, und Denkmale und einige Grabhügel mit Inschriften Griechischer Buchstaben,

stünden

noch auf der Grenze Germaniens und Rhätiens.

Welches weder zu bestätigen mit Beweisen, noch zu widerlegen,

ich im Sinn habe:

nach seiner

Denkweise ein jeder, entziehe oder schenke Glauben, IV. Ich selbst trete derer Meinungen bei,

welche achten, daß Germaniens Völker, von kei­

nen andern Ehen andrer Nationen angesteckt, als eigenthümliches und unverfälschtes und nur sich

ähnliches Geschlecht fortgelebt haben: woher auch

der Leiber Beschaffenheit,

obschon

bei einer so

großen Anzahl von Menschen, allen dieselbe: trutz­ volle und blaue Augen,

röthliche Haare, große

Körper, und nur zum Anstürmen gewaltige: für Arbeit und Werke nicht gleiche Ausdauer:

und

am wenigsten Durst und Hitze zu ertragen, wol

Kälte und Hunger, haben sie sich durch Himmel oder Boden gewöhnt, V, Das Land,

wiewol ein wenig im Aus­

int Ganzen doch, entweder von

sicht» verschieden,

oder durch Sümpfe scheuß­

Wäldern starrend,

lich: feuchter, wo es an Gallien; windiger, wo an Noricum und Pannonien stößt: für Saat ergie­

big,

Tragbäume

fruchtbar,

doch

nicht duldend,

das

an Hordenvieh

meiste unansehnlich:

nicht

einmal den Nmdern ist ihr Glanz, oder der Stir-

Germanien. ne Schmuck: dies ist ihr

der Menge freut man sich;

und

theuerstes Vermögen.

einziges und

Ob Silber und Gold gnädige oder erzürnte Göt­

ter versagt haben,

mögt' ich nicht versichern,

maniens, Silber

hat geforscht?

zweifelhaft.

bin ich

denn

erzeuge;

mit Besitz und

nicht wie wir behaftet.

keine Ader Ger­

daß

oder Gold

Doch

wer

Gebrauch sind sie

Wol sind bei ihnen sil­

berne Gefäße, ihren Gesandten und Fürsten zum Geschenk gegeben, in derselben Geringschätzung zu sehn, als die von Thon gebildeten.

uns Nächsten,

Wiewol die

zum Handelsbrauch,

Gold und

Silber in Werth halten, und einige Formen uns­ rer Münze erkennen und auswählen: bedienen sich

die mehr im Innern einfältiger und alterthümlicher des Waarentausches.

Sie billigen die alte und

lang bekannte Münze

Serraten

und Bigaten.

Silber suchen sie auch mehr als Gold; aus kei­

ner Vorliebe,

sondern weil der Silbermünzcn

Vielzahl leichter im Gebrauch ist, da sie mit Al­ lerlei und Geringen» Handthieren, VI, Nicht einmal Eisen ist reichlich La, wie

aus der Waffen Art vermuthet wird.

Wenige

gebrauchen

Lanzen:

Speere,

Schwerter,

oder

größere

oder nach ihrem Ausdruck Pfriehmen,

führen sie mit schmalem und kurzem Eisen, aber

so scharfem und zur Handhabung geschicktem, daß

8

Germanien.

sie mit derselben Waffe, wie's Umstande fordern,

entweder handgemein oder von ferne streiten. Und der Reiter zwar ist mit Schild und Pfriehmen zu­

frieden:

die Fußgänger streun

auch Wurfpfeile

umher, die Einzelnen mehrere, und schwingen sie

in's Unermeßliche: nackt, oder leicht im Kriegs-

wammö. Keine Prahlerei von Schmuck: die Schil­

de nur unterscheiden sie mit den erlesensten Far­ ben:

wenigen ein Panzer:

dern:

eine Sturmhaube

kaum einem und an­

oder ein Helm.

Die

Pferde nicht durch Gestalt, nicht Schnelligkeit vorzüglich;

aber sie werden auch nicht, in Krei-

sungen zu wechseln, auf unsere Sitte abgerichtet: Lrade aus,

oder mit einer Beugung rechts

treibt man sie,

in so verbundenem Kreise,

keiner der Letztere sei. theilt,

ab daß

Im Allgemeinen geur-

ist mehr der Starke beim Fußvolk, und

daher streiten sie gemischt: angepaßt fügt sich zur

Reiterschlacht

die

Schnelligkeit

der

Fußgänger,

welche man, aus der gesammten Jugend erlesen, vor die Schlachtreihe stellt.

ihre Zahl:

Bestimmt ist auch

je hundert sind aus jeglichem Gau:

und die Hunderte werden

sie unter den Ihrigen

genannt; und was anfänglich Zahl gewesen, ist

nun Name und Ehre. nach Keilen geordnet.

Die Schlachtreihe wird Weichen vom Fleck, wenn

du nur wieder andringst, achten sie mehr Klug-

Germanien. fyit als Furcht.

Der Ihrigen Leichname bringen

sie auch aus zweifelhaften Treffen zurück.

Den

Schild zurückgelassen haben, iss vorzügliche Scham

de, und, weder dem Opfer beizuwohnen, oder in

die Volköverfammlung

zu

Schmachvollen

und viele, vom Kriege

übrigbleibend,

erlaubt; haben

ist

gehen,

solchem

diese Ehrlosigkeit mit dem

Strick geendigt. VII. Könige nehmen sie nach Adel; Anfüh»

rcr nach Tapferkeit.

Den Königen ist keine tut»

begränzte oder freie Macht:

und die Führer sind

es vielmehr durch Beispiel als Befehl: wenn sie

rüstig, wenn hochgeschaut, wenn vor der Schlacht­ ordnung walten, sind

vorgesetzt.

sie

durch

Bewunderung

Uebrigens ist weder zu tödten, noch

zu fesseln, nicht zu schlagen einmal,

anders als

den Priestern erlaubt: nicht wie zur Strafe, noch auf des Führers Geheiß, - sondern als wenn der

Gott beföhle, wärtig glauben.

welchen sie den Kriegenden gegen­

Auch tragen sie Bildnisse und

gewisse Zeichen, Hainen entnommen, in das Tref­ fen.

Und was vorzügliche Anreizung der Tapfer­

keit ist, nicht Zufall,

auch nicht ungefähre Zu»

fammcnhäufung, bildet das Geschwader oder den

Keil, sondern Familien und Verwandschaften: und gar nahe sind die Theuersten,

von wannen der

Frauen Geheul gehört wird, von wannen

Ge-

Germanien.

IO

diese sind jeglichem die hei»

wimmer der Kinder:

ligsien Zeugen, diese die größten Lobspender. Müttern,

Zu

zu Gemahlinnen tragen sie die Wun­

den: und jene beben nicht, zu zählen,

oder zu

fodern die Streiche, und bringen Speisen und Anfcurung zu den Kämpfenden. VIII. Zu Gedächtniß wird gegeben, daß ei­

nige Schlachtordnungen,

schon

cingeknickt und

wankend, von Frauen wiederhcrgesiellt seien, durch Standhaftigkeit der Bitten,

und Gcgenwerfen

-er Brüste, und Hinweisung auf nahe Gefangen«

schäft, welche sie weit unerträglicher im Namen ihrer Frauen fürchten:

so sehr,

daß wirksamer

verpflichtet werden hie Gemüther der Gemeinden,

von welchen man unter dm Geisseln auch edle Jungfraun erzwingt: in diesen wohne, glauben

sie, za selbst etwas Heiliges und Vorausschauen-eö; und verachten weder die Rathschläge, noch

vernachlässigen die Antworten derselben.

Wir

haben, unter dem vergötterten Vcspasian, Vel-

leda gesehen, sie,

Gottheit gehalten.

lange

bei den

Meisten als

Allein auch vormals haben

sie Aurinia und mehrere andre verehrt, nicht aus

Schmeichelei, nicht als machten sie Göttinnen,

IX. Von den Göttern verehren sie am mei­ sten den Mercurius, den an gewissen Tagen, auch

durch menschliche Hostien zu sühnen, sie für recht

Germanien.

n

Den Hercules und Mars versöhnen sie

halten.

mit herkömmlichen Opferthieren; ein

Sueven opfert auch der Isis.

Theil der

Woher Ursache

und Ursprung des fremden Religionsbrauches, habe ich wenig erfahren, ausser daß das Sinnbild selbst, auf Art

eines Liburnischen

Schiffes

die zugebrachte Religion beweiset.

gestaltet,

Uebcigens, we­

der zu zwängen durch Wände die Götter, noch irgend einer Gestalt menschlichen Antlitzes zu ähn­ lichen, glauben sie der Größe der Himmlischen ge­

mäß. Haine und Waldungen weihen sie, und nen­ nen mit Namen der Götter jenes Geheimnißvolle,

was sie mit der Verehrung allein fchqpen, X, Wahrsagustgszeichcn und Looft beobachtet;

sie wie die eifrigsten. Die Sitte der Looft ist einfach; ein Reis, vom Fruchtbaum abgeschnitten, zerstück­ le« sie iy Reislein, und diese, durch gewisse Merk­

male unterschieden, streuen sie auf ein weißes Ge­ wand regellos, und nach dem Ohngcfähr: dann hebt,

wenn öffentlich berathen

wird,

der

Gemeinde

Priester, wenn privatweise, der Hausvater selbst, anstehend die Götter und zum Himmel aufschqm

end,

dreimal einzelne Reislein auf, erklärt die

aufgehobnen, mal.

nach vorher eingedrücktem Merk­

Wenn sie verboten haben, ist keine Be­

rathung über dieselbe Sache für denselben Tag; wenn zugelasftn, wird noch der Wahrsagungszei-

Germanien.

ra

Und zwar ist es auch

chen Verbürgung geheischt.

hier bekannt, dec Vögel Stimmen und Flüge zu fragen: eine Volkscigenthümlichkeit ist, auch der

Rosse Weissagungen

schen.

und Warnungen zu erfor­

Oeffentlich werden sie ernährt,

denselben Waldungen und Hainen,

in eben­

weißglänzcnd

und von keiner irdischen Arbeit berührt: gezwängt an den heiligen Wagen, begleitet sie der Priester, und der König oder Fürst der Gemeinde,

und

das Wiehern und Schnauben;

und

beobachten

keinem Wahrsagungszeichen ist größeres Vertraun, nicht blos bei Gemeinen, sondern auch bei Vor­

nehmen,

bei Priestern;

denn sich achten diese.

Diener, jene Rosse, Mitwisscndc der Götter. Noch

ist eine andre Beobachtung von Wahrsagungözeichen,

wodurch sie schwerer Kriege Ausgang er­

kundschaften.

Einen Gefangenen des Volkes, mit

welchem der Krieg ist, auf irgend eine Art aufge­ bracht,

stellen sie mit einem Auserlesenen ihrer

Landsleute,

jeden mit den vaterländischen Waf­

fen, zum Zweikampf: Sieg von diesem oder jenem,

wird als Vorentscheidung angenommen. XI. Ueber kleinere Sachen rathschlagen die

Fürsten, über Größere Alle:

so doch, daß auch

solches, dessen Entscheidung beim Volke ist,

den Fürsten durchgearbeitet wird.

bei

Sic, kommen,

wenn nicht etwas Ungefähres und Plötzliches ein-

Germanien.

15

gefallen ist, an bestimmten Tagen zusammen, wann

der Mond entweder beginnt oder voll wird; denn zu Verhandlungen

glauben ste dann den glück' Und ste rechnen nicht der

deutendsten Anfang.

Tage Zahl rote wir, sondern der Nächte: darnach

bestimmen,

die Nacht

darnach anberaumen ste:

scheint den Tag heranzuführen.

Das ist ein Feh­

ler aus Freiheit, daß sie nicht zugleich, und nicht

rote auf Befehl zusammenkommen;

sondern auch

ein andrer und dritter Tag durch Zaudern der

Heranztchenden hingenommen wird.

Wie'ö

dem

Haufen gefällt, sitzen sie nieder, bewaffnet. Still­

schweigen wird durch die Priester,

auch Zwangerecht ist, geboten. der König oder Fürst,

denen dann

Darauf werden

und jedweder,

wie ihm

Alter, wie Adel, wie Waffenruhm, wie Mohlre-

denheit ist, angehört, mehr mit Ansehn, zu ra­ then, als mit Macht, zu befehlen. Vorschlag mißfiel,

Wenn der

verachten sie durch Gemurre,

wenn gefiel, schlagen ste die Pfriehmen zusammen:

des Beifalls

ehrenvollste Art ist,

mit Waffen

loben.

XII. Erlaubt ist, bei der Volksversammlung guch anzuklagen, gen.

und auf Todesurtheil zu drin­

Der Strafen Unterschied ist nach dem Ver­

brechen: Verräther und Ueberlaufer hängen sic an

Baumen auf:

Feige und Unkriegerische und am

Germanien.

i4

Körper Geschändete versenken sie in Schlamm und Sumpf mit

darüber geworfener

Hürde.

Der

Todesstrafe Verschiedenheit deutet dahin, als wenn

Verbrechen/ Schandlaster

indem sie bestraft werden, gezeigt, verborgen werden müssen.

Allein

auch leichteren Vergehungen ist nach Maaß Stra­

fe: um eine Zahl von Pferden und Hordenvieh,

werden die Ueberführren gebüßt:

ein Theil der

Buße wird dem König oder der Gemeinde,

Theil ihm selbst, der gerächt wird,

oder

seinen

Gewählt werden in den­

Verwandten ausgezahlt.

selben Versammlungen auch die Fürsten, durch Gauen

ein

und Dörfer Recht spenden.

welche Je

hundert Gefährten aus dem Volk, Rath zugleich und Ansehn/ wohnen jeglichem bei. XIII. Nichte aber weder von öffentlicher noch

eigener Sache treiben

sie anders

Doch Waffen anzulegen,

als bewaffnet.

ist nicht. irgend einem

früher Sitte/ als bis die Gemeinde ihn für tüch­ tig gehalten hat.

Dan«/ in der Volksversamm­

lung selbst/ schmücke«/

entweder der Fürsten ei­

ner, oder der Vater, oder ein Verwandter/ mit

Schild und Pfriehmen den Jüngling: dies bei ih-

nen die Toga/ dies der Jugend erste Ehre; -em scheinen sie

ein Theil

des Gemeinwesens.

des

Hauses/

Ausgezeichneter Adel,

vor dann

oder

große Verdienste der Väter/ eignen die Fürsten-

Germanien.

«

würde auch den Jünglein an: den übrigen Stär­ keren und schon längst Bewährten werden sie zugesellt;

und sie beschämt nicht,

hen zu werden.

im Geleite gese­

Grade hat aber auch selbst das

Geleite, nach Urtheil desjenigen, welchem sie fol­

gen: und groß ist der Gefährten Wetteifer, wel­

chen bei ihren Fürsten der erste Platz sei: und der Fürsten, welcher die meisten und rüstigsten Gefährten

habe.

Dies ist Würde,

dies Macht, allzeit von

einem großen Haufen erlesener Jünglinge umringt zu

seyn:

im

Frieden

Schmuck,

Kriege

im

Schutz. Und nicht allein ist es in seinem Volk einem

jeden,

sondern

auch bei benachbarten Ge­

meinden, ein Name, ein Ruhm, wenn durch Men­

ge und Tapferkeit das Geleite hervorragt:

solche werden

angegangen

durch

denn

Gesandschaften

und mit Geschenken geschmückt; und meistentheils

durch ihren bloßen Ruf verbannen sie Kriege.

XIV. Wenn man zur Schlacht gekommen, so ist Schande dem Fürsten, an Tapferkeit über­ troffen zu werden,

Tapferkeit

Schande dem

des Fürsten

Geleite,

der

es nicht gleich zu thun.

Aber selbst entehrend für das ganze Leben und

schmachvoll ist, seinen Fürsten überlebend aus der Schlacht zurückgewichen zu seyn.

Ihn vertheidi­

gen, schützen, auch die eignen tapfren Thaten sei­ nem Ruhm aneignen, ist der Haupteid.

Die Für-

Germanien.

16

sten fechten für den Sieg, die Gefährten für den

Fürsten.

Wenn die Gemeinde, aus welcher sie

entsprungen find, in langem Frieden und in Muße

starrt: suchen die meisten der edlen Jünglinge frei­ willig die Völker, welche dann irgend einen Krieg

führen;

weil unlieb dem Geschlechte die Ruhe,

und sie leichter unter Gefahren berühmt werden,

man auch nicht ein großes Geleite als nur durch Gewalt und Krieg

bewahrt;

denn sie fordern

von ihres-Fürsten Freigebigkeit jenes Streitroß,

jenen blutigen und

siegreichen Pfriehmen; denn

Gastmahle, und wiewol unzierlicher, doch reichli­

cher Zubereitung,

gelten

statt

Soldes.

Die

Krieg und

Mittel

zur

Raub.

Weder zu pflügen die Erde, noch abzu­

Spendung

sind durch

warten das Jahr, beredete man sie so leicht, als aufzurufen die Feinde und Wunden zu verdienen: faul sogar und untüchtig scheint es, durch Schweiß

zu

erwerben,

was man durch Blut gewinnen

kaim.

XV. So oft Ile nicht in Kriege gehen, brin­ gen sie Ml Zeit auf Jagden, mehr durch Müßig­

seyn hin, ergeben dem Schlaf und Essen.

Alle

die Tapfersten und Kriegerischsten, Nichts treibend,

nach übertragener Sorge für Haus und Penaten und Aecker an Weiber und Greife und

jedweden

Schwächsten aus der Familie, brüten selbst stumpf Hin:

Germanien.

17

hin: nach wunderbarer Verschiedenheit der Natur, da dieselben Menschen so die Trägheit lieben und die

Ruhe hassen.

Sitte ist den Gemeinden, freiwil­

lig und manniglich den Fürsten an Hornvieh oder

Früchten zusammenzubringen,

was für Ehrenge­

schenk angenommen, auch dem Bedürfniß beihilft.

Sie

freuen

vorzüglich

stch

benachbarter

über

welche nicht nur von Einzel­

Völker Geschenke,

nen, sondern vom Gemeinwesen gesandt werden:

auserlesene Rosse,

große Waffen, Reirerschmuck Schon auch Geld anzunehmen,

und Halsketten. haben wir gelehrt.

XVJ. Daß keine Städte von den Völkern der Germanen bewohnt werden,

ist bekannt ge­

nug: auch daß sie nicht einmal mit einander ver­

Sie bauen gesondert

bundene Wohnsitze dulden. und einzeln, ein

Gehölz

nicht auf

wie ein Quell,

Dörfer

gefiel.

unsere Weise

und zusammenhängenden umgiebt jeglicher

zue

Hut

wider

kunde zu bauen. ist bei ihnen,

dienen sich zu

mit

wie ein Feld, wie

mit

an,

ancinandergereihten

Gebäuden.:

einem

sie

legen

Raum,

Feuersunfalle,

Haus

sein

entweder,

oder aus

Un­

Nicht der Bruchsteine einmal

oder der Ziegel Gchrauch: Allem einer

sie be­

unförmlichen Masse

ohne Glanz oder Annehmlichkeit.

Einige Stel­

len bestreichen sie sorgfältiger mit einer so reinen I. Band.

L

i8

Germanien.

und glänzenden Erde,

daß sie die Mahlerei und

Striche

nachahmt.

Farben

der

Sie

auch unterirdische Höhlen zu öffnen,

psiegen

und bela­

sten dieselben obenauf mit vielem Mist,

als Zu-

stucht für den Winter und Behälter für Früchte,

weil sie die Strenge der Fröste durch dergleichen

Stäken mildern; und, wenn etwa der Feind ein­ fällt,

er das Offene plündert;

das Verborgene

entweder

aber und Vergrabene

oder eben dadurch trüget,

ungekannt

ist,

weil es gesucht wer­

den muß. XVII. Bedeckung für Alle ist ein Mantel,

durch eine Schnalle,

oder, wenn sie fehlt, durch

einen Dorn zusammengehalten:

das übrige unbe­

deckt, verbringen sie gänze Tage am Heerde und Feuer.

durch

Die Wohlhabendsten ein

Kleid,

nicht

ein

die Sarmaten und Parthen, und

einzelne

Glieder

unterscheiden sich sticßendes,

wie

sondern ein enges

ausdrückendes.

tragen auch Häute wilder Thiere,

Sie

die dem Ufer

Nächsten ohne Wahl, die Ferneren ausgesuchter,

als welchen

kein

Schmuck durch

Handel

ist.

Diese wählen Thiere aus und sprenkeln die ab­

gezogenen Häute mit Flecken und Fellen der Be­ stien, welche der äußere Ocean und das unbekann-

te Meer erzeugt.

Keine andere Tracht ist den

Frauen als den Männern,

nur daß die Frauen

Gerrnauim.

19

häufiger in« linnene Gewände gekleidet.sind,

und

denselben, durch Purpur Wechsel geben,, auch des

oberen Kleides Ähcil nicht

in Aermel ausstrek-

ken, nackt die Arme, und Schultern.

XVIII.

Aber

auch

der

nächste Theil der

Brust steht frei; wiewol die Ehen dort streng find, und man. nicht irgend

einen Theil

der Sitten

mehr loben mögte; denn sie, fast einzig unter den

Barbaren, begnügen sich mit Einer Frau/ ausge­ nommen ßhr wenige,

welche nicht aus Wollust,

sondern ihres Adels wegen, mit sehr vielen Ehe­ angegangen

verbindungen

werden.

Morgengabe

bringt nicht das Weib dem Manne, sondern dem Weibe der Verwandte, schenke,

Mann. welche

nicht

zu

Zugegen sind Aeltern und die Geschenke prüfen: weiblichen Tändeleien

Ge­

erlesen,

noch womit die Neuverlobte geschmückt werde; son­

dern Rinder, und ein gezäumtes Roß> und einem Schild nebst Pfrichmen und Schwert. Gegen diese

Geschenke empfängt er die Fra»;

und wiederum

bringt sie selbst etwas an Waffen dem Manne

zu:

dies, achten

sie das stärkste Band,

dies die

geheime Weihe, dies die ehelichen Götter. Damit

das Weib sich nicht außerhalb der Gedanken der

Tapferkeit und außerhalb der Kriegezufälle wäh­ ne, wird sie durch die Wahrzeichen selbst der be­

ginnenden Ehe erinnert, sie komme als Genossin

20

Germanien.

der Arbeiten und Gefahren, ebendasselbe im Frie­ den, ebendasselbe in der Schlacht zu dulden und

zu

wagen:

dies verkündigen

die

verbundenen

Rinder, dies das gezäumte Roß, dies die gegebe­

nen Waffen.

So sei zu leben, so umzukommen: was sie den Kindern »«entweiht

sie empfange,

und

würdig

wiedergcben,

was die Frauen der

Söhne empfangen und wiederum den Enkelinnen übergeben sollen.

XIX. Also walten sie mit umschirmter Züch­ durch keine Lockungen der Schauspiele,

tigkeit,

durch

keine Reizungen

der Gasimahle verderbt.

Der Briefe Heimlichkeiten kennen die Männer so wenig als die Frauen. Ueberauö selten sind in so zahlreichem Geschlecht Ehebrüche,

deren Bestra­

fung unmittelbar, und den Ehemännern überlassen ist. Mit abgeschnittenen Haaren, treibet der Mann die Entblößte,

aus dem Hause,

in Gegenwart der Verwandten, und zagt sie durch das ganze

Dorf mit Schlägen. Denn gemeingemachter Scham­ haftigkeit ist keine Vergebung; nicht durch Schön­

heit, nicht durch Jugend, nicht durch Reichthum fände sic

einen Ehemann:

denn Niemand be­

lacht dort Laster; noch wird verführen und ver­

führt werden, das Jahrhundert genannt.

Bes­

ser walten freilich noch jetzt diejenigen Gemein­ den,

in welchen nur Jungfrau« heirathen,

und

GermanMj

21

mit Hoffnung und Gelübde der Gattin Einmal die Handlung geschieht.

So empfangen sie Ei,

nen Mann, wie Einen Körper und Ein Lebe«-

daß kein Gedanke drüber, daß keine fürdere Be.

gierde sei, daß sie ihn nicht gleichste den Ehemann, sondern gleichals die

Der Zahl

Ehe lieben.

der Kinder ein.Ziel setzen,

oder einey von den

Ueberschößlingcn zu todten, wird für Schandthat und mehr vermögen daselbst gute Sit­

gehalten:

ten, als anderswo gute Gesetze. XX. Im ganzen Haus umher,

schmutzig,

nackt und

erwachsen sie zu diese» Gliedern,

diesen Leibern, die wir anstaunen. nährt jeden mit den Brüsten,

zu

Seine Mutter

und sie werden

Herren

nicht Mägden und Ammen hingegeben.

und Sklaven unterscheidet man durch keine Zier­ lichkeiten der Erziehung.

Unter demselben Heer?

denviehe, auf demselben Boden Hausen sie: bis die Freigebohrnen, das Alter aussondre, die Tapfer­ keit anerkenne.

Später Liebesgenuß der Jüng­

linge; und deshalb uncrschöpfte Mannheit.

Auch

die Jungfrauen werden nicht übereilt; ebendieselbe Jugendkraft,

ähnliche Hochgestalt;

gleich und

stark »vcrden ste. zngescllt, und, der Acltern Star­ ke, bringen die Kinder von neuem.

söhnen

Vater.

ist dieselbe Ehre

beim Oheim

Schwester­

wie beim

Einige achten für heiliger und. enger tu cs

2-

Germanien.

Band des Blates,

Empfang von

und heischen es mehr beim

Geisseln;

gleich als hielten jene

das Gemüth sichrer 'und die Familie ausgedehn-

ter fest.

Erben jedoch und Nachfolger sind Jeg­

lichem feine Kinder: und kein Testament« keine Kinder sind,

Wenn

folgt der nächste Grad

int

Besitz: Brüder, väterliche Oheime, mütterliche. Je Mehr der-Verwandten,

je größer der Verschwä-

gemn Zähl, um-so' annehmlicher das Akter-; und

Kinderlosigkeit hat- gär deinen Werth. XXJ. Zu übernehmen fo die Feindschaf­ ten des Vaters, dds Verwandten, als ihre

Freundschaften,

ist nothwendig:

nicht unversöhnlich.

Denn

doch dauern sie

gefühnt wird auch

Menschenmord, durch eine' bestimmte Zahl großen und kleinen Heervmviehs,

und es enttiimt

die

Genugthuung das ganze Haus: heilsam dem Ge-

Meinwohi, weil gefährlicher die Feindschaften sind neben der Freiheit.

Gelagen und Gastereien hängt

kein andres Volk zügelloser nach.

Irgend einett

Sterblichen vom Obdach abwehM, wird für Frevel gehalten; nach Vermögen nimmt ein jeder auf an das bereitete Mahl.

sic,

Reicht dieses nicht, so gehen

der kaum Wirth war,

Wegweiser §ur Be-

ivirthung, und der Gefährte, zum nächsten Haufe uneingeladen: und eö verschlagt nichts: mit glei­ cher Freundlichkett werden sie ausgenommen; zwi-

Germanien. schm Bekannten

und

23

Unbekannten unterscheidet

in Hinsicht auf Gastrecht Niemand.

Dem Weg­

gehenden, wenn er was gefedert hat, zu willfahr

reit, ist Sitte: und. man federt dagegen mit der­

Sie freun sich an Geschenken:

selben Leichtigkeit.

aber

weder die gegebenen an,

rechnen

sie

noch

werden sie durch empfangne verpflichtet. XXII. Alsbald nach dem Schlaf,

sie tief in dm Tag ausdehnen figer warm,

welchen

baden sie, häu­

d» bei ihnen der Winter die mei­

ste Zeit besetzt hat.

Gereinigt, nehmen sie. Spei«

se: gesonderte Sitze den Einzelnen, und jeglichem sein Tisch. der

Drauf zu Geschaftey, und picht min­

oft zu Gelagen, gehen sie bewaffnet hervor.

Tag und Nacht durch Zechen in eins zu zieh«, ist keinem Schande. Zänkereien , wie unter Trunk­ yen häufig, werden selten durch

Schimpfrehm,

öfter durch Mord und Wunden beendet.

Al­

lein auch über gegenseitig zu versöhnende Feinde,

und zu

knüpfende

Verschwägerungen,

und

zu

wählende Fürstm, über Friedm mdlich und Krieg rathschlagen

sie

meistentheils bei

Gelagen:

als

wenn zu keiner Zeit mehr das Gemüth entweder

lauteren Gedanken offen sei, glühe.

oder für große er­

Das nicht arglistige noch verschmitzte Ge­

schlecht eröffnet noch das Geheime der Brust in

der Ungebundenheit der Freude.

Also aufgedeckt

Germanien.

24

und bloß, wird Aller Gesinnung

Tage wieder erörtert; versehrt die Gebühr.

am folgenden

und beiden Zeiten ist un­

Sie berathschlagen,

wann

sie nicht zu heucheln wissen; beschließen, wann sie nicht irren können.

XXIII. Ihr Getränk ist von Gersten oder Waizen, zu einiger Aehnlichkeit mit Wein gcgoh-

Die Nächsten am Ufer feilschen auch Wein.

rcn.

Ihre Speisen sind einfach: wildes Obst, frisches Wild, oder geronnene Milch.

Ohne Zurüstung,

ohne Leckereien, vertreiben sie den Hunger.

Wi­

der den Durst haben sie nicht dieselbe Mäßigung. Wenn du ihrer Trunkenheit willfahrtest,

gend so viel sie begehren:

zubkin-

würden sic nicht weni­

ger leicht durch Laster, als an Waffen besiegt.

XXIV. Sie haben Eine Art von Schauspie­ len, und bei jeder Zusammenkunft dieselbe. Nackte

Jünglinge,

welchen dies Spiet ist,

werfen sich

im Sprung

zwischen Schwerter

Pfriehmen.

Uebung erwirbt Kunst, Kunst An­

stand:

und drohende

doch nicht zu Gewinn oder Lohn; wie-

wol es einen Preis des verwegenen Muthwillens giebt, Ergehen der Schauenden. Das Würfelspiel, was zu verwundern, üben sie nüchtern zwischen dem Ernsten, mit so großer

Verwegenheit zu gewinnen oder zu vermehren, daß sie, wenn Allee geschwunden ist, an den äußersten

Germanien.

-s

und letzten Wurf Leib und Freiheit fetzen. DerBesiegte geht in die freiwillige Sklaverei: wenn- auch

der Jüngere, wenn auch der Stärkere, duldet er, daß

er gebunden

in einem

stark ist die Hartnäckigkeit Handel:

So

und weggeführt werde.

schlimmen

sie selbst nennen es Treue.

Sklaven

dieser Art geben sie im Handelsverkehr weg, da­ mit sie sich auch von

der Scham Mer den Ge­

winn erlösen. Die

XXV.

übrigen Sklaven brauchen

sie

nicht auf rnifrc Weise, zu abgetheilren Diensten

Seinen Sitz, seine Penaten re­

im Hauswesen.

Eine Abgabe an Ge-

giert ein jeder derselben.

traide, oder Schafen, oder Gewänden, legt der

gehorcht

und der Sklav

wie einem Anbauer;

Herr auf,

in

so

weit.

Sonstige

verrichten Frau und Kinder.

Hauödienste

Zu geißeln einen

Sklaven, und durch Bande und Arbeit zu zwän­ gen, ist selten; zu tödten, üblich, nicht aus Zucht oder Strenge,

sondern aus Ungestüm und Jäh­

zorn, wie einen Feind; wenn nicht so, doch ungestraft. Freigelassene sind nicht viel über Sklaven, selten

von einigem Gewicht im Hause, Gemeinde:

von

welche

daselbst auch

ausgenommen nur diejenigen Völker,

Königen

steigen

über

niemals in der

sie

Adeliche:

regiert auch

werden. über

welchen

Denn

Freigebohrne,

nicht gleich

bei

26

©enttarnen»

den- Uekrigen, die Freigelassenen der Freiheit Be­

weis Md. XXVI. Wucher treiben,

sen

und auf die Zin­

ausvehNen, ist unbekannt; und wird deshalb

mehr unterlassen,

als wenn es verboten wäre.

Aecker werden nach Zahl der Anbauer von

gc-

fammten Gauen in Besitz genommen, und sofort unter ihnen, nach Schätzung, verthHlt: Leichtig­

keit zu theilen gewährt der Felder Weite.

Mit

dm Gefilden Ludern sie- jährlich: und noch bleibt

Acker übrig:

denn sie Wettstreiten auch nicht mit

Ergiebigkeit und Umfang des Bodens durch Ar­

beitsamkeit, daß sie Obstpstanzungen anlegten und

Wiesen' abfonderten und Gärten wässerten: Saat wird der Erde anbefohlen.

das

Jahr selbst

zertheilen: mer

nicht

Winter ,

haben Bedeutung

in

si>

nur

Woher sie auch

viele • Zeitarten

Frühling

und

Som­

und Benennungen:

des

Herbstes Namen und Güter werden gleich wenig

gekannt.

XXVII.

Bei Leichenbestattungen

ist keine

Anmaßung: dies allein wird beobachtet, daß Kör­ per berühmter Männer mit bestimmten Hölzern

verbrannt werden.

Des Scheiterhaufens Bau be-

häufen sie weder mit Gewänden, noch Wohlgerüchcn: jedwedem werden feine Waffen, der Flam­

me

Etlicher auch

das

Roß,

beigclegt.

Das

GerMammerhöht

Grab

gende - am-

schwer

Rase«.

mühvolle

den Erbkichnen.

27

Der Ehre

rw-

Denkmale

verachten sie, »ds

Wehklagen und Thrä»

nen geben sie schnell auf, Schmerz, und Traurig» kcit langsam. Den Frauen ist anständig, za -tmu-

er«, Dm Mannern, zu. gedenken. Dieses haben, wir ms Allgemeine, über Ur< fprung und Sittm aller Germanen vernommen.'

Jetzt will ich einzelner Volksstämme Einrichtun-

gen

und Branche, in wie fern ste

abweichen,

und welche Völker ans Germanien nach Gallien

gewandert seiend entwickeln.

XXVIII. Daß gewaltiger ehemals derGaklier Macht gewesen sei,' überliefert

der Autoren

höchster, der vergötterte Julius: und dadurch ist glaublich, daß auch Gallier nach-Germanien über­ gegangen.

Dmn wie wenig hinderte der Strom,

daß' jegliches Geschlecht, wie's mächtig geworden, Wohnsitze ««nahm und uMtauschte, meinsamen,

die noch ge­

und durch keine Macht der Reiche

eingetheilten? So haben zwisthen dem HeccyNischen Wald

und

den Flüssen Rhein und

Mayn die

Helvetier, vom Jenseitigen die. Bojer,. beide Gallisches

Geschlecht,

Besitz genommen.

wahrt der Name Bojemen,

ein

Noch

und bezeichnet der

Gegend altes Gedächtniß, bei gleichwol veränderten

Anbauern. Ob aber die Araviscen nach Pannonien

Germanien.

3&

von den Ösen, dem Germanischen Volk, oder die

Ösen von den Araviscen nach Germanien ein.

gewandert sind,

da sie noch einerlei Sprache,

Einrichtungen,

Sitten

haben,

ist ungewiß;

weil vormals, bei gleicher Dürftigkeit und Frei­

heit,

an beiden Ufern dieselben Güter und Ue­

Die Treverrn

bel waren.

und Nervier sind

in-em Begehren Germanischen Ursprungs sehr

ehrgeizig,

als

ob sie durch

diesen Ruhm des

Blutes von der Ähnlichkeit und Feigheit der Gallier,

gesondert

Das Rheinufer

würden.

selbst bebauen »»gezweifelt Germanische Völker, Bangionen, die Ubier,

Tribocen, Nemeten-

Nicht einmal

wiewol sie verdient haben Römische

Colonie za seyn, und lieber Agrippinenser, nach ihre§ Gründers Ramew heißen, erröchen ob der

Abkunft: ehmals herrübergekommen,

und nach

erprobter Treue auf das Rheinufer selbst gesetzt-, damit sie abwehrten,

hin­

nicht damit sie be-

wacht würden. XXIX. Vor allen diesen Geschlechter» an

Tapferkeit vorzüglich,

bewohnen die Bataven

nicht viel vom Ufer, aber doch eine Insel, des

Rheins: einst ein licher Meuterei

in

Catirnvolk, und jene

Sitze

ob häus­

übergegangen,

in welchen sie ein Theil des Römerreichs wür­

den: ihnen bleibt die Ehre und

Auszeichnung

Germanien.

?.g

alter Bundesgenossenschaft: denn sie werde» We­

ber durch

Tribute verachtet,

ein Zöllner:

und ten,

noch schinvü sie

befreit von Lasten und Beisteuern,

nur dem Dienst der Schlachten aufbehal,. werden sie wie Wehr und Waffe,

Kriege bewahrt. der Mattiacen

für

In derselben Folgeleistung ist denn vorwärts ge­

Geschlecht;

tragen hat die Größe des Römervolkes über dey Rhein,

und jenseit der alten Schranken, des

Reichs Verehrurig.

Also walten sie, dem Sitze,

den Gränzen nach auf ihrem Ufer,

nach Sinn

und Gemüth mit uys, im Uebrigen ähnlich den Bataven,

nur daß sie noch durch

den Boden

selbst und Himmel des eigenen Landes muthtger

beseelt werden.

Nicht zahlen wir »nter Germa­

niens Völker,

wiewol sie

jenseit des Rheins

und der Donau sich «»siedelten, diejenigen, wel­ che Zehndäcker bebauen

durch Dürftigkeit verwegen,

der Gallier, den

Boden

Das leichteste Gesindel

ungewissen

Besitzes

Nun, nach verlegter Gränze,

Schutzwehren,

hat

eingenommen.

und vorgerückten

werden sie für des Reichs Vor­

land und einen Theil der Provinz gehalten. XXX. Jenseit dieser heben die Catten ih­

res Wohnsitzes Anfang vom Hercynifchen Berg­

wald an, nicht mit so ausgeflossenen und sump-

figen Gegenden, wie die übrigen Gemeinden, in

German-Kn.

50

welche hin Germanien sich aufthut.

nämlich halten an-,

ten:

Die Hügel

und werden allmählig fet­

und seine Catten geleitet und verläßt zu­

gleich der Hercynische Bergwald.

Härtere Kör­

per sind diesem Geschlecht, straffe Glieder, dräu-

hafte Mienen,^-und größere Rüstigkeit des Gemüthes: für Germanen hat es viel vonUeberlegung

vorzufttzen Erkohrne,

und Geschick;

zu hören

Vorgesetzte, Ordnungen kennen, Gelegenheiten

wuhrnehnien, -Ungestüm anhalten, sich bemeistern des Tages, umschanzen die Nacht, das Glück

dem Zweifelhaften,

beizuzählen;

Tapferkeit

dem

Gewissen

und was das Seltenste, und nicht

als durch der Kriegskunst Berechnung verliehn ist,

mehr zu bauen auf den Führer, als auf

das Heer.

All ihre Stärke ist im Fußvolk, das

sie ausser den Waffen mit Eisenwerk auch,

und

Vorräthen belasten. Andre sähest du zur Schlacht gehn,

die Catten zum Kriege.

Ausfälle und ungefähres Gefecht.

Selten sind

Der Reite­

rei Kräften nämlich ist es eigenthümlich, rasch

zu erwerben den Sieg, rasch zu weichen.

Flüch­

tigkeit ist neben der Furcht; Zaudern, der Stand­ haftigkeit näher.

XXXI. Und waL bei andren Völkern der Germanen durch seltene und des Einzelnen angemaßt ist,

besondre Keckheit wird bei den Cat-

Germanien. fett übereinstimmende

gewachsen sind,

sobald sie- Heran­

Haar und Bars herabfallen zu

und nicht,

lassen,

Sitte:

5t

als nur nach einem erschla­

abzunehmen die gelobte und der

genen Feinde,

Tapferkeit 'verpflichtete

Tracht

des

Hauptes.

Ueber Blut und Beute decken sie die Stirn auf, und glauben dann endlich den Preis der Geburt

dargebracht zu haben, und sich des Vaterlandes

und der Aeltern würdig.

Feigen und Unkriege­

rischen blecht der Wust.

Jeder Tapferste trägt

Überdies

einen

eisernen

Armring,

schmachvoll

diesem Geschlechte,

wie eine Fessel,

durch

erlöse.

Feindeöblut

Sehr

Cattsn gefällt diese Tracht,

selbst,

bis er sich

vielen

der

und sie ergrauen

so ausgezeichnet, und von Feinden zu­

gleich und den ihrigen bestaunt:

ten Beginn

ihnen;

bei

Schlachtreihe,

sie

aller Schlach­

immer

die

erste

durch den Anblick überraschend.

Denn nicht einmal im Frieden ermildern sie sich durch sanfteres Aussehn. Acker,

Keiner hat HauS oder

oder irgend eine Sorge:

wie sie zu je­

mand kommen, werden sie ernährt: Fremdes verprassend, Verächter des Ihrigen: Alter,

sie zu

so

harter

bis blutloses

Tapferkeit

unfertig

macht.

XXXII.

Zunächst den Catten liegen am

Rhein, wo er schon sicher im Bett, und Gränze

5a

Germanien.

zu seyn genüget, Tcnctcren,

Usipier und Tenctercn.

Die

ausser dem gewohnten Waffenruhm,

ragen hervor durch -die Kunst ritterlicher Kriegs­

zucht.

Und

größer

nicht

den

Catten

Fußvolkes Lob, als den Tencteren, der

So Haben

terei.

des

Rei­

angeordnet die Vorfahren,

ahmen die Spateren nach.

Dies ist der Kinder

Spiel, dies der Jünglinge Wetteifer, dabei be-

Mit Familie und Penaten

harren die Greise.

und. Rechten der Erbfolge,

werden die Ros.

se übergeben: sie empfängt nicht, wie das Uebri-

der Aelteste der Söhne, sondern wie einer

ge,

im Kriege rüstig und tüchtiger ist. XXXIII.

begegne-

Neben den Tcnctcren

ten ehemals di« Bructeren:

erzählt wird, nun

wären Chamaven und Angrivarier «ingewandert,

nach

vertriebenen

Bructeren,

und

kraft einer

benachbarten Völker: ihren Uebermuth,

feit,

gänzlich

ausgerotteten

Uebereinstimmung der

entweder ob Haß gegen

oder der Beute Annehmlich,

oder ob einer gewissen Gunst der Götter

gegen Uns.

Denn fie haben nicht einmal das

Schauspiel einer Schlacht mißgönnt. Ueber sech­

durch Römische Waffen

zigtausend sind

nicht

und Geschosse,

sondern,

zu

Ergehen und

bleibe,

sich' ich,

was prachtvoller ist,

Augenweide und daure

gefallen. den

Es

Völkern, wenn

Germanien. wenn nicht Liebe gegen uns,

35 doch wenigstens

Haß unter sich, wann bei drängenden Verhäng« nisten des Reichs das Glück schon nichts Größeres gewähren kann, als der Feinde Zwietracht.

XXXIV. Die Angrivarier und Chamaven schließen im Rücken die Dulgibinen und Cha«

suaren

te

sen

ein,

Völker.

sie

auf:

und andre nicht gleich

Von

nehmen

vorn

große

und

erwähn« die

Frie­

Friesen

kleine

ist

ihre Benennung nach Maaß ihrer Macht. Vor beiden Stämmen webt bis zum Ocean sich der Rhein, und sie umwohnen ausserdem unermeßne

und von Römischen Flotten beschiffte Seen. Ja

selbst den Ocean haben wir dort versucht: und übrig seien da noch

des Hercules Säulen, hat

die Sage verbreitet: entweder kam Hercules hin,

oder wir sind eins geworden, was allenthalben es Ausgezeichnetes

überzutragen.

giebt,

auf seinen

Ruhm

Auch hat Kühnheit nicht dem

DrusuS GermanicuS gefehlt:

allein der Ocean

widerstand, über sich und Hercules zugleich nach­

forschen zu lassen. mand:

Darauf versuchte es Nie­

und heiliger und ehrerbietiger schien,

an der Götter Thaten zu glauben,

als sie zu

wissen.

XXXV. So weit kennen wir gen Abend Germanien. I. Band.

Gen Mitternacht weicht es mit

2

Germanien.

54

ungeheurer Beugung zurück.

Und sogleich erst

der Chancen Geschlecht, wiewol eS beginnt von den Friesen und einen Theil des Gestades ein­

nimmt,

streckt 'sich gegen die Seiten aller Ge­

schlechter, welche ich aufgeführt habe, bis es in die Catten eingebuchtet wird. So ungemeinen Län­

derraum besitzen nicht blos die Chancen, sondern

erfüllen ihn auch,

das edelste Volk unter den

Germanen, und welches feine Große durch Ge-

rechtigkeit zu beschirmen liebt:

ohne Begierde,

ohne Nichtbefriedigung, ruhig und abgesondert,

rufen sie keine Kriege hervor,

verheeren nicht

durch Räubereien und Einbrüche.

Und dies ist

vorzüglicher Beweis von Tapferkeit und Kraft,

daß sie,

wie die Ueberlegenen zu walten,

durch Unbilde erreichen.

die Waffe,

ein

Heer;

und,

nicht

Bereit indeß ist, Allen

wenn die Umstände fordern,

Menge der

Krieger und

Rosse:

und den Ruhenden der gleiche Ruhm. XXXVI. Zur Seite der Chaucen und Catten,

haben die Cheruscen einen zu tiefen und

längst schlaffen Frieden ungereizt genährt:

und

dies ist mehr annehmlich als sicher gewesen; weil man zwischen Unbändigen und Gewaltigen trüg« lich ruhet;

wo mit der Faust gehandhabt wird,

sind Bescheidenheit und Biederherzigkeit

des Mächtigern.

So werden,

Titel

welche vormals

Germanien.

35

die guten und billigen CheruScen, nun die trä-

gen und thörigten genannt.

Den Catten, ihren

Besiegern ward das Glück zu Weisheit gekehrt. Fortgerissen durch den Ruin der CheruScen wur­

den auch die Foftn, ein angränzendes Geschlecht, des Widerwarts Genossen zu gleichem Theil, da sie im Glück die geringeren gewesen waren.

XXXVU. Eben diesen Busen Germaniens haben zunächst dem Ocean die Cimbren inne, jetzt eine kleine Gemeinde, aber an Ruhm unge­

und des alten Rufes Spuren dauern

heuer; weithin,

an

beiden Ufern Lager und Räume,

nach deren Umfang du jetzt und die Mannschaften des

mäßest,

noch die Masse

Volksstammes er­

und die Glaubwürdigkeit einer so gro­

ßen Auswandrung-

Im sechshundert und vier­

zigsten Jahr waltete unsre Stadt,

als zuerst

der Cimbren Waffen vernommen wurden, unter

den Confuln Cäcilius Metellus und Papirtus Carbo.

Bon wo an, wenn wir bis zum zwei­

ten Consulat des Imperators Trajan rechnen, fast zweihundert und zehn Jahre gezahlt wer-

den.

So lange wird Germanien besiegt. Wäh­

rend so langest Zeitraums gegenseitig viel Verlust:

nicht der Sammt, nicht die Punier, nicht Hiöpa-

nie» noch Gallien, nicht einmal die Parthen haben

häufiger Erinnerung gegeben: rüstiger nämlich als

Germanien.

56

des Arsaces Reich ist der Germanen Freiheit. Denn was anders hat uns,

als des Craffuö Mord,

nach eignem Verlust des Pacorus,

der unter

Ventidius unterjochte Orient vorzuwerfen? Aber die Germanen habe», indem sie Carbo und Cas­ sius, und Scauruö Aurelius und Servilms Ca-

pio, auch Cnaeuö Manlius, schlugen oder fingen, fünf Consularische Heere zusammt,

schen Volke;

mit ihm,

den Varus, und

auch

dem

dem Römi­

drei Legionen

Cäsar hinweggcnommen:

und nicht ungestraft haben Cajus Marius in Italien, der vergötterte Julius in Gallien, Dru-

sus und Nero und Germanicus in ihren eignen Sitzen dieselben erschüttert.

Bald sind die un.

geheuren Drohungen von Cajus Caesar zu Spott

verwandelt. Von da an Ruhe, bis bei Gelegen­

heit unsrer Zwietracht und bürgerlichen Waffen,

nach erobertem Winterlager der Legionen,

sie

auch Galliens begehrten: und wiederum vertrie­ ben von dannen, sind sie in den nächsten Zeiten mehr zum Triumph, als besiegt gewesen. XXXVIII, Nun ist über die Sueven zu re­

den, welche nicht Ein Stamm sind, wie die Cat«

ten oder Tencteren: denn sie haben den größeren Theil Germaniens inne, noch durch eigenthüm-

liche Stämme

und Namen gesondert, wiewol

sie insgesammt Sueven genannt werden.

Germanien.

37

Das Auszeichnende des Geschlechtes ist, das

Haar schräg und in einen Knoten zu binden. So werden die Sucven von den übrigen Germanen,

so der Sueven Freigebohrne von den Sklaven un­

terschieden.

Bei

andren

trift man

Völkern

dies, doch selten, entweder wegen irgend einer Ver­

wandschaft mit den Sueven, oder, was begeg­ net, aus Nachahmung, gendzeit;

und innerhalb der Ju­

bei den Sueven tragen sie bis zum

Graukopf das struppige Haar rückwärts, binden

es oft auf den bloßen

Fürsten haben es geschmückter.

und

Scheitel selbst.

Daö ist Sorge

für Wohlgestalt, aber unschädliche;

denn nicht,

damit sie lieben oder geliebt- werden;

zu einer

gewissen Größe

sind sie,

und

zum

Schrecken

wenn sie in Schlachten gehn wollen, geschmückt, daß sie von derFeindeAugen angeschaudert werden.

XXXIX. Als der Aeltesten und Adelichsten der Sueven, gedenken ihrer selbst die Semnoneu. Der Glaube an ihr Alterthum wird von Reli­

gion bestärkt.

Zur bestimmten Zeit kommen in

einem Walde, durch

der Väter

Weihgebräuche

und alten Schauer heilig, alle Völker desselben

Blutes in Gesandschaften zusammen,

und mit

öffentlichem Menschenopfer feiern sie des bar­ barischen Gottesdienstes

Auch

schauderhafte Anfänge.

eine andre Religionsehre ist dem Haine:

Germanien.

58

Niemand geht em, als nur durch ein Band ge«

fesselt,

der Geringere und der Gottheit

wie

Macht darweiseyd ;

ist er von ohngefähr gefal­

len, darf er nicht aufgehoben werden und auf­ stehen;

am Boden werden

sie hinausgewalzt.

Und dahin deutet der ganze Aberglauben,

als

oh von dort des Volksstammes Beginn, daselbst des Ms Regierer,

terwürfig

und

Gytt fei,

Has Uehrige um

gehorchend,

Dey Semnonen Glücksstand vermehrt ihr

Ansehn; in hundert Gauen wohnen

durch dies

große Gemeinwesen

sie;

wird

und

bewirkt,

daß sie sich der Sueven Haupt glauben,

XL. Hingegen die Longobarden adelt die

Geringzahl:

indem sie von sehr vielen und den

gewaltigsten Volksstammen umzingelt, nicht durch

Folgeleistung,

sondern durch Schlachtet,

gefährdend, sicher sind.

und

Die Reudignen darauf,

und Avionen, und Anglen, Varmen, Eudosen, Suardonen und Nuithonen werden durch Strö­

me oder Walder gedeckt; und gar nichts Merk­ würdiges bet den Einzelnen, insgesammt,

die Hertha,

Erde, verehren,

als nur,

das ist,

daß sie

die Mutter

und glauben, dieselbe komme

unter die Angelegenheiten der Menschen, de unter die Völker gefahren.

wer­

Es ist auf des

Oceans Insel ein keuscher Hain,

und

in

ihm

Germanien.

5g

ein geweihter Wagen, durch Hülle verdeckt: den zu berühren, ist Einem Priester gewährt.

ser verspührt, sei,

Die-

daß die Göttin im Heiligthum

und begleitet

mit vieler Andacht.

die von Kühen

Gefahrne

Fröhliche Tage alsdann,

festlich die Orte, welche irgend sie der Hinkunft und des GastbefuchS würdigt.

Nicht in Kriege

gehen sie, nehmen nicht Waffen; verschlossen ist alles Eisen;

Friede und Ruhe ist dann nur ge­

kannt, dann nur geliebt: bis eben derselbe Prie­ ster die am Verkehr der Sterblichen gesättigte

Göttin,

dem Heiligthum zurückgiebt.

Sofort

werden Wagen und Decke, und, wenn du glau­

die

Gottheit selbst im verborgenen

See gewaschen.

Sklaven dienen dabei, welche

ben willst,

alsbald derselbe See verschlingt.

Daher gehei­

mer Schrecken rttb heilige Unkunde, was

jenes

sei, das nur Verlohrne schauen.

XJLI. Und dieser Theil der Sueven erstreckt sich freilich in das entferntere Germanien.

Nä­

her ist, damit ich, wie kaum zuvor dem Rhein, so nun der Donau folge, der Hermunduren Ge­ meinde, treu den Römern: und deshalb, Haben sie allein unter den Germanen nicht nur am

Ufer Handelsverkehr, sondern im Innern, und in der glänzendsten Colonie der Provinz Rhätien:

hin und wieder und

ohne Hüter gehen

4p

Germanien.

sie hinüber;

und da wir den übrigen Völkern

nur Waffen und unsre Lager zeigen, haben wir Häuser und Villen,

diesen geöffnet,

den nicht

lüsternen.

Bei den Hermunduren entspringt die Elbe, ein berühmter und wohlbekannter Strom

vor­

mals ; jetzt hören wir nur von ihm.

XLII. Neben den Hermunduren walten die

Nariscen,

und darauf die Marcomannen und

Auaden. Vorragend ist der Marcomanncn Ruhm und Macht;

und auch ihr Wohnsitz selbst,

da

sie vor Zeiten die Bojer vertrieben, durch Tap­

ferkeit erworben. den entarten nicht.

Auch die Nariscen und (Sua­

Und dies ist gleichsam Ger­

maniens Stirn, so weit sich vor ihm die Donau hinwebt. Den Marcomannen und Suaden sind bis

auf unser Gedenken Könige aus ihrem Volks­ stamm geblieben, das edle Geschlecht des Maroboduus und Tudrus: schon dulden auch sie aus­ ländische.

Und Kraft und

Gewalt ist ihren

Königen durch die Römische Machtvollkommen­

heit.

Selten werden sie durch

unsre Waffen,

häufiger durch Geld unterstützt. XLIII. Nicht weniger vermögen, mehr zu­

rück, die Marsignen, Gothinen, Ösen, Burier: sie schließen den Rücken der Marcomannen und

Germanien. Ouaden:

4i

worunter die Marsignen und Burier

durch Rede und Brauch die Sueven wiederhoh-

ken.

Die Gothinen überführt

Gallische,

ihre

die Ösen ihre Pannonische Sprache,

auch dies, daß sie Tribute

nicht Deutsche sind; dulden.

daß sie

Einen Theil der Tribute

legen die

Sarmaten, einen Theil die Suaden, ihnen auf Die Gothinen, damit diese-

wie Fremdlingen.

so mehr beschäme, graben auch Eisen aus. Und alle diese Völker haben sich auf we« nig Felder,

meist auf Waldhöhn

und

Berg­

gipfel und einen Gebürgsrücken niedergelassen; denn es reißt durch und spaltet Suevien ein fortlaufendes Joch von Bergen,

jenseit dessen

sehr viele Volkestämme walten, von welchen am weitesten der Lygier Name daliegt,

Die mächtigsten

Gemeinden ausgebrcitet. nennen wird genügen-

in mehrere zu

Arier, Helveconen, Ma.

nimen, Elysier, Naharvalen.

Bei den Naharvalen wird «in Hain alter

Religion gezeigt. Schmuck

steht

als Götter,

Ein Priester in weiblichem

ihm

nach

vor;

aber

Römischer

Castors und Pollux.

sie

gedenken

Deutung,

des

Gleiches Wesen ist der

Gottheit; dec Name Alcis: keine Bildnisse, kei­ ne Spur ausländischen Aberglaubens; wie Brü«

der doch, wie Jünglinge, werden sie verehrt.

Germanien.

4a

Ausserdem sind die Arier,

ob der Macht,

woran sie die kaum aufgezählten Völker über» treffen, trutzig, und Handthieren mit der angebohr-

uen Wildheit nach Kunst und Zeit: schwarz die

Schilde, gefärbt die beider; düstre Nächte wäh­ und durch die Furcht

len sie zu Schlachten; selbst

den

und

Schatten

des

jagen sie Schrecken

Heeres

neuen und

Feind den

leichenmäßigen

ein,

indem

kein

gleichsam unterirdischen

Anblick erträgt; denn zuerst in allen Schlachten werden die Augen besiegt, Ienftit der Lygier werden die Gotonen be­

herrscht,

ein wenig schon gezügelter,

als die

übrigen Volksstämme der Germanen, noch nicht indessen über die Freiheit hinaus.

Unmittelbar darauf, vom Ocean her, die Ru­ gier und Lemovier.

Und aller dieser Volksstäm-

me Auszeichnung sind,

runde Schilde,

kurze

Schwerter, und gegen Könige Gehorsam. XLIV,

Der Suionen Gemeinden hierauf,

im Ocean selbst,

sind ausser Mannschaft und

Waffen durch Flotten mächtig.

Der Schiffe

Gestalt ist dadurch unterschieden, daß an beiden

Enden ein Schnabel, allzeit eine zum Anlanden

bereite Spitze giebt: auch werden sie nicht durch Segel

bedient,

noch

Reihe den Seiten bei:

fügen lose,

sie

Ruder

in

wie auf einigen

43

Germanien.

Flüssen, und drehbar ist, wie'S die Lage fodert, hiehin und dorthin das Steuerruder. Es ist bei ihnen auch dem Reichthume Ehre: und dadurch

gebietet Einer, schon ohne Ausnahme, nicht mit vorübergehendem Rechte des Gehorsams.

Auch

stnd Waffen nicht, wie bei den übrigen Germq«

nett, im vermischten Gebrauch; sondern verschloss sen unter einem Wächter, und zwar einem Skla«

weil

ven:

plötzliche

Einfälle

der Feinde der

Heran verhindert; ferner, müßige Hände von Bewaffneten leicht zu weit greifen;

und wahr«

sich, weder einen Adelichen, noch Freigebohrnen,

nicht einmal einen Freigelassenen, den Waffen vorsetzen, ist königlicher Vortheil, XLV, Jenseit der Suionen ist ein andres

Meer, träge, und fast unbewegt;

daß von ihm

umgürtet und geschlossen werde der Erdkreis, ist

daher glaublich,

weil der äusserste Schein der

schon

Sonne

sinkenden

währt,

so hell,

zum

Aufgang

daß er die Sterne schwächt.

Daß ein Klang ausserdem gehört,

gestalten,

fort«

und Götter»

und die Strahlen eines Hauptes ge­

sehen werden,

fügt Ueberredung hinzu.

Bis

dorthin geht nach wahrer Sage nur die Natur. Also weiter am rechten Gestade des Sue-

vischen Meeres werden der Aestyer Stämme angefpült,

welchen Brauch und Tracht der Sue«

44

Germanien.

ven ist, eine Sprache, der Britannischen naher.

Sie verehre»» die Mutter der Götter: als Wahr­ zeichen ihres Aberglaubens tragen sie Eberge­ stalten:

dieses

macht,

statt Waffen und der

Schutzwehr Aller, der Göttin Verehrer auch un­ ter Feinden ficher.

der Knüttel

Selten des Eisens,

Gebrauch.

Getraide und andere

Früchte bauen sie fleißwilliger,

als der gewohn­

ten Trägheit der Germanen gemäß ist. sie durchspüren auch das Meer,

Strande selbst.

Allei«»

und sie allein

unter allen sinnmeln den Bernstein,

selbst Glas nennen,

häufig

welche«» sie

zwischen Untiefen und a«n

Welche Naturkraft oder welche

Veranlassung ihn erzeuge,

haben sie als Bar­

baren, weder gefragt noch ausgemittelt.

Lange

sogar lag er unter den übrigen Auswürfen des Meers,

bis unsre Ueppigkeit ihm Namen gege,

bcn. Bei ihnen selbst ist er in keinem Gebrauch:

roh wird

er aufgelesen,

ungestalt überbracht,

und den Preis empfangen sie verwundrungsvoll.

Daß er indessen Saft yon Bäumen fei, mögte man abnehmen, weil einige Erd-Insecten, und

auch geflügelte, mehrentheils durchscheinen, wel­

che verwickelt in die Feuchtigkeit,

bald von der

verhärtenden Materie umschlosser» werden.

Des­

wegen mögt' ich glauben, daß fruchtreichere Ge­

hölze und Haine,

wie in

des

Morgenlandes

45

Germanien. Fernen,

wo

schwitzt wird,

Weihrauch

und Balsam

ausge-

so auf deö Abendlandes Inseln

und Erdstrichen seien.

Was

durch der nahen

Sonne Strahlen auögeprcßt und fliessend ge­ worden,

fällt in das benachbarte Meer,

und

wogt durch der Stürme Gewalt hin an die ge­

genseitigen Gestade.

Wenn du des Bernsteins

Natur durch genähertes Feuer versuchst;

wird

er auf Art des Kiehns entzündet, und nährt ei­ ne fettige und riechende Flamme;

bald verzähl

er sich wie zu Pech oder Harz. Von den Suionen werden

der

Sitonen

Stämme fortgesetzt. Im übrige« jenen ähnlich, sind sie durch Eines unterschieden, daß ein Weib Herrscht:

so sehr entarten sie nicht nur von der

Freiheit, sondern sogar von der KnechtschaftHier Sueviens Ende. XLVI. Ob ich der Peucinen und Veneben

und Fennen Stämme, Sarmaten rechne,

zu den Germanen oder

bin ich unschlüstlg:

wiewol

die Peucinen, welche einige Bastarnen nennen, in Rede,

Brauch, Ansiedlung

sern, wie Germanen walten.

und Wohnhäu­

Schmutz bet Allen,

und Starrheit bei den Vornehmen: mischte Heirathen

durch ge­

werden sie ein wenig nach

Art der Sarmaten verhäßlicht.

Die Veneden

haben viel von den Sitten dieser angenommen.

Germanien.

46

denn was zwischen

Peucinen und Fennen

den

aufsteigk, durchstrei­

von Waldern und Bergen fen ste auf Raub.

Doch werden sie Mehr unter

weil ste auch Hauser

die Germanin gerechnet, bilden,

und Schilde führen,

brauche und der

freuen;

und sich des Ge-

Schnelligkeit

Fußvolkes

des

welches Alles verschieden bei den Sar-

maten ist, die zu Wagen und Roß leben.

Den

scheußliche Ar«

Fennen ist wunderbare Wildheit,

muth: nicht Waffen, nicht Pferde, nicht Pena­

ten;

zur Nahrung das Kraut,

Häute, Schlafstelle der Boden: len ist ihre Hoffnung, an Eisen,

zur Kleidung

einzig in Pfei­

welche sie aus Mangel

Mit Knochen

schärfen.

Ebendieselbe

Jagd ernährt die Männer zugleich und Weiber;

denn diese folgen hin und her,

nen Theil der Beute,

bind

und fodern

ei­

den Kindlein

ist

keine andre Zuflucht gegen Raubthiere und Regenströme,

als

daß sie

in

von Arsten verdeckt werden:

einigem

Geflechte

hieher kommen die

Jünglinge zurück, dies der Greise Hort. ches halten sie glückseliger,

an Aeckern,

und

fremdes

abzuarbeiten an Hausern, Gut

Sol-

als sich abzustöhncn eignes

mit Hoffnung und Furcht

in Verkehr zu setzen.

Sicher wider Menschen,

sicher wider Götter,

haben sie den schwersten

Germanien.

4z

Punkt erreicht, daß ihnen nicht einmal ein Wunsch vonnöthen ist. Nun ist das Uebrige fabelhaft: so, daß die Hellusier und Oxionen Angesicht und Mienen des Menschen, Leib und Glieder der Raubthieführen: welches ich als unerkundet, auf sich be» ruhn lassen werde.

Julius Agricola.

I. «berühmter Männer Thaten und Sitten den

Nachkommen zu überliefern,

alteröher gebräuch­

hat nicht einmal zu unsren Zetten,

lich,

ein

gleichwohl der Seinen unsorgendes Alter unterlas­ so oft irgend eine große und edle Tugend

sen;

und hinausgegangen ist über jenes

gesiegt hat,

kleinen liche

und

großen Gemeinwesen

Gebrechen,

Mißgunst.

Mein,

Denkwürdiges

mehr

des

Unkunde

wie

bei

vollbringen,

am Tage:

so

wurde

nie vorzüglich Berühmte, zu gend Andenken,

durch des guten

gemeinschaft­ Rechten

den

Vorfahren,

leicht war, jeder

und

durch

und Ge-

fördern der Tu­

ohne Gunst und Absicht,

nur

Bewußtseyns Lohn bewogen.

Und die meisten haben,

selbst iHv Leben zu er­

zählen, Zuversicht vielmehr auf Sitten, als An­ maßung geglaubt; auch ward dies gegen Rutilius und Scaurus weder wie hinaus über die Glaubwür­ digkeit, noch zur Schmälerung genommen: so wahr

52

Julius Agricola.

werden Tugenden zu den Zeiten am besten geschätzt,

in welchen fie am leichtesten erzeugt werden. Al­ lein mir,

der

Leben erzählen then,

>eßt eines verstorbenen Mannes will,

war Verwtlligung vonnö-

welche ich nicht erbeten hätte,

wenn ich

nicht so grausame und Tugenden feindselige Zei­ ten durchlaufen wollte.

II. Wlr lesen, es sei, als Pätus Thrasea von Arulcnus Rusticus, Priöcus Helvidius von Heremüus Seneeio,^ gelobt worden, dies ein To­

desverbrechen gewesen: nicht blos wider die Au­

toren ftlbst, sondern auch wider ihre Bücher sei

gewütet,

indem

Triumvirn

aufgetragen ward,

daß

das Amtsgeschäft

die Denkmale der be­

rühmtesten- Genien in Volksversammlung -und auf dem Forum verbrannt würden. durch jene Flqmme,

glaubten

fie,

Nänüich,

werde

die

Stimme des Römischen Volkes, und des Senats Freiheit, und die Mitkunde des menschlichen Ge­

schlechtes vertilgt,

nachdem überdies der Weis­

heit Bekenner auögetrieben, und alle gute Kunst in Verbannung gejagt worden,

damit nicht ir­

gend was Ehrenmäßiges entgegenträte. ben

Gege­

haben wir wahrlich einen übergroßen Be­

weis von Geduld : und, wie die Vorzeit gesehen hat,

was das Aeusserstc in der Freiheit sei,

also sahen wir,

was cs in der Knechtschaft:

Julius Agricoia. da entnommen

55

durch Inquisitionen auch

war

de^ Verkehr im Reden und Hören.

Das Ge­

dächtniß selbst sogar hatten wir mit der Stimme

verlohren, wenn so in unsrer Gewalt wäre, zu

vergessen, als zu schweigen.

IH. Nun endlich kehret Muth zurück: und wicwol,

sogleich im ersten Entstehen des glück-

seligsten

Jahrhunderts,

Nerva Casar ehemals

hat,

unvereinbare Dinge

verbunden

macht und Freiheit,

und täglich der Herrschaft

Milde Nerva Trajanuö vermehrt,

fentliche

Sicherheit

nicht

nur

Fürsten­

und die öf­

Hoffnung und

Gelübde, sondern auch des Gelübdes Zuversicht

und Kraft angenommen hat:

sind doch nach

Natur menschlicher Schwäche,

Heilmittel

die

träger als die Uebel, und, wie Körper langsam

wachsen,

im Augenblick erlöschen,

fi» wirst du

die Genien und Studien leichter unterdrücken, als zurückrufen.

Es überfchleicht nämlich auch

selbst der Trägheit Süße; haßte

Lässigkeit

wird

und anfänglich ver­

zuletzt

geliebt.

wenn fünfzehn Jahre hindurch, Raum sterblicher Lebenszeit,

Wie,

einen großen

trotz vieler unge­

fähren Unfälle, alle die Bravsten durch Wüthig,

keit des Fürsten,

umgekommen sind?

Wenige

sind wir der Rest, und, daß ich also sage, nicht nur von Andren, sondern auch von dem Unsern;

54 denn

Julius Agricota. herausgenommen

sind

aus

des

Leben-

Mitte so viele Jahre, in welchen wir, der junge Mann zum Alter, die Greise fast zu den Grän»

zen selbst deö abgethanen Lebens, durch Still»

schweigen hingekommen sind.

Doch wird nicht

verdrießen, daß ich, wenn gleich mit ungebilde» ter und rauher Stimme, ein Gedächtniß vori­

ger Knechtschaft,

und Zeugniß gegenwärtigen

Heils zusammengestellt habe.

Dieses Buch in­

zwischen, der Ehre Agricola'ö, meines Schwie­

gervaters,

bestimmt,

Bekenntniß

entweder

wird ob der Frömmigkeit

gelobt

oder

entschuldigt

werden. IV. Cnäus Julius Agricola,

ten und

erlauchten Colonie

entsprungen,

der Forojulienser

hat zu beiden Großvätern Procu»

ratoren der Cäsarn gehabt: ist.

aus der al»

welches Ritteradel

Sein Vater Julius Gräcinus, vom Scna»

torenstande,

war durch Neigung zu Beredsam»

keit und Weisheit bekannt, und veranlaßte durch diese Vorzüge Cajus Cäsars Erbitkrung;

denn

er ward geheißen, Marcus SilanuS anzuklagen, und, weil cr'S verweigerte, umgebracht. Mutter

ist

Keuschheit.

gen,

Julia Procilla

gewesen,

Seine

seltener

In deren Schooß und Huld erzo»

er in jeglichem Fleiß für würdige Künste,

die Knabenzeit und das Jünglingsalter

hinge

Julius Agricola. bracht hat.

55

Ihn hielt ab von Lockungen der

Lasterhaften, ausser seiner eignen guten und un« verdorbenen Natur,

daß er sofort als Knabe

Massilia zum Wohnsitz , ner Studien hatte, Zartheit

und

und zur Meisterin sei­

einen Ort, der Griechische

provinzielle Nüchternheit mischt,

und wohl zusammensetzt.

Ich

halte im

Ge.

dächtniß, wie er selbst zu erzählen pstegte, daß

er in frühester Jugend der Philosophie Studium

mehr als dem Römer und Senator

heftiger,

gebühre, verfolgt hätte, wenn nicht der Mutter Klugheit,

das entbrannte und stammende Ge-

müth zähmte.

Nämlich, der erhabene und auf­

gerichtete Sinn, begehrte die Schönheit und de»

Glanz hohen und großen Ruhms mehr heftig, als besonnen: bald milderte ihn Ueberlegung und Alter;

und er behielt,

was das Schwerste ist,

von der Philosophie das Maaßhalten zurück.

V. Des Lagers ersten Lehrdieust versah er

in Britannien mit Beifall von Suctonius Pau­ linus, einem emsigen und gemäßigten Heerfüh­ rer: erkohren, von demselben durch Zeltgenssscn-

schaft geschätzt zu werden. Und Agricola brauch­

te nicht frech, nach Sitte der Jünglinge, wel­ che den Kriegsdienst in Ausgelassenheit verkchrett,

auch nicht gemächlich zu Wollüsten und

Abschweifungen den Tribunstitel,

und um un-

Julius Agricola.

56

terrichtet zu bleiben: sondern zu kennen die Pro­

vinz, gekannt zu seyn vom Heere,

zu lernen

von Erfahrnen, zu folgen den Besten, nichts an zugreifen mit Prahlerei,

nichts aus Furchtsam-

keit abzulehnen, und zugleich bangend und rüstig

zu handeln. Nicht leicht sonst ist Britannien aufgewühl­

ter,

und mehr im Ungewissen gewesen:

nieder­

gemetzelte Veteranen, eingeäscherte Colonien, ab­

geschnittene Heere:

damals

Rettung, bald um den Sieg.

kämpften sie

um

Was Alles, wie«

wol cs nach Rathschlägen und Anführung eines Andern betrieben wurde,

und die Summe der

Dinge, und der Ruhm der wiedereroberten Pro­

vinz auf bung,

den

Heerführer fiel,

Kunst,

Sporn dem Jüngling verlieh:

Ue­

und es

trat in feine Seele Begierde nach Kriegöruhm, die

unlohnendc in Zeiten, wo tückisch wider Hervor­

ragende die Deutung ist, und nicht geringer die

Gefahr vom großen Rufe, als vom schlechten. VI. Von dort, Staatöämter zu fahn, zur

Stadt abgegangen,

verband

er sich Domitia

Decidiana, die von glänzender Geburt stammte,

und

diese Ehe

ward ihm Ansehn

zum Größeren aufzustreben;

und Kraft,

und gelebt haben

sie in wundersamer Eintracht, durch gegenseitige Zärtlichkeit,

und der eine den andern sich vor-

Julius Agricola.

67

ziehend > nur daß für eine gute Ehefrau das Lob

soviel größer,

als für eine schlechte der Schuld

mehr ist.

Das Loos der i^uastur gab ihm die Pro­ vinz Asien,

den Proconsul Salviuö Titianue.

Durch keines von beidem ward er verdorben;

obschon sowol die Provinz reich,

und vokbereit

für Ungerechte war, sind der Proconsul, zu al,

ler Habgierigkeit

hingeneigt,

mit wie großer

die gegenseitige Verheimlichung der

Leichtigkeit,

Uebelthat erhandelt haben würde. Gemehrt ward er daselbst durch eine Tochter

zum Ersatz zugleich und Troste; denn einen frü­ her gebohrnen Sohn verlor er in kurzem. Dar­ auf,

zwischen der Ouastur und dem VolkStri,

bunat, und auch selbst des Tribunates Jahr hin-

durch, lebte er in Ruhe und Muße, kundig un­

ter Nero

der Zeiten,

welchen Lässigkeit statt

Weisheit diente.

Eben diese Haltung und Stil-

le seiner Prätur;

denn die Gerichtsbarkeit war

ihm auch nicht zugefallen,

Spiele

und

eitlen

Ehrenaufwand nahm er als Sache der Maßr-

gung und des U-berflußes,

so fern von Ver­

schwendung, als auf Ehre haltend.

Alsdann

erkohren von Galba,

pelgeschenke nachzusehen,

die Tem­

that er es mit der

fleißigsten Nachsuchung, daß keines Andren Tem-

Julius Agricola.

58

pelraub, als Nero'ö,

das Gemeinwesen empfun­

den hat. VII. Das folgende Jahr traf mit schwerer

Wunde sein Gemüth und Haue; denn die Othonianische Flotte, frech umherschweifend,

tödtete,

indem sie Intemelien, einen Theil Liguriens feind­

lich verheert, Agricola'e Mutter innerhalb ihrer Weh­

rung; und plünderte den Landsitz selbst, und ei­ nen großen Theil des Erbgutes, welches die Ur­

sache des Mordes gewesen war.

Als nun Agri­

cola zu den Feierlichkeiten der letzten Kindespsticht

ward er von der Nachricht, Veöspasian

reiste,

maße sich das Reich an, überrascht, und trat so­

gleich zu dessen Parthci.

Der Herrschaft Beginn, der Stadt,

regierte Mucian-

und den Zustand

indem Domitian

gar iung war, und aus dem väterlichen Glück,

nur die Ungebundrnhcit an sich riß. te Agricola,

Jener sand­

die Truppenaushebung zu besorgen;

und da er unbescholten und gewissenhaft zu Werk

gegangen,

setzte er ihn der zwanzigsten,

langsam

zum Schwur übergegangnen Legion vor, bei wel­

cher,

hieß es,

thierte.

sein Vorgänger meuterisch hand-

Sie war nämlich sogar Consularischen

Legaten zu

unbändig

und furchtbar:

auch

Prätorlsche Legat konnte sic nicht zahmen, wiß,

der

unge­

ob durch sein oder der Soldaten Naturell.

69

Julius Agricola. Also zum Nachfolger

zugleich,

und Rächer

er«

kohren, wollte er, nach der seltensten Mäßigung, lieber scheinen.

Gute vorgefunden, als geschaffen

zu haben. VIII. Damals stand VettiuS Bolanus Bri«

tannien

vor, milder als der rohen Provinz ge­

bührt.

Agricola janftigte feine Kraft und zäh«

nute sein Feuer,

daß er nicht zu sehr wüchse:

geübt zu gehorchen, und gelehrt, das Nützliche dem

Ehrenmäßigen heizumengen. Kurz darauf empfing Britannien den Consular Petilius Cerialis.

hatten die Tugenden Raum

Es

zu Bethätigungen.

Allein anfänglich machte Cerialis nur Arbeiten

und Gefahren, bald auch den Ruhm gemeinsam: setzte ihn oft einer Abtheilung dcö Heeres vor, zur Probe, bisweilen, dem Erfolg gemäß, größerer

Auch frohlockte Agricola niemals

Truppenmacht.

zu seinem Preise über eine That;

ber und Heerführer bezog er, das Glück.

auf den Urhe«

wie ein Diener,

Also war er durch Tüchtigkeit im

Folgeleisten, Verschämtheit im Berichten, baar des Neides, und nicht baar des Ruhms.

IX. Den Iurückgekehrten vom Legatenposten der Legion nahm der vergötterte Vespasian unter

die Patricier auf, vinz Aquitanien Würde,

wegen

und setzte ihn dann der Pro­

vor,

seiner

zu

vorzüglich glänzender

Verwaltung,

und

der

6c»

Julius Agricola.

Hoffnung des CensulatS,

dem er ihn bestimmt

hatte.

Die Meisten glauben, daß militairischett Gei­ stern die Feinheit fehle; weil "des Lagers Gerichts­

barkeit sicher und stumpfer fei,

der Faust abthuend, rums nicht übe.

und, vieles mit

die Vcrfchmitzheit des Fo­

Agricola waltete mit natürli­

wicwol

cher Klugheit,

leicht und gerecht.

unter Togabekleideten,

Schon aber waren die Zeiten

der Sorgen und der Erhohlungen geschieden: wo

Versammlungen und Gerichte es heischten,

war

er ernst, gespannt, strenge, und öfters barmher­ zig: wenn der Pflicht genügt war, keine Machtö-

Der Düsterheit und Anmaßung

hcrfon mehr.

und Habsucht war er ganz ledig:

was sehr selten ist, Anfehn,

weder die

auch hat ihm, Gefälligkeit das

noch die Strenge die Liebe gemindert.

Unbeschoftcnheit

und Uneigennützigkeit bei einem

so großen Mann erwähnen, wäre Beleidigung der Tugenden. Nicht einmal den Ruf, dem auch Gu­ te öfters nachhängen, darweisend,

suchte er,

oder durch Kunst:

sucht wider AmtSgeNostcn, wider Procuratoren;

unrühmlich,

fern

die Tüchtigkeit fern von Eifer­

von Streitlust

da obzusiegen,

hielt er für

und mitgenommen zu werden,

für

beschmutzend.

Weniger als drei Jahre ward er auf diesem

Julius Agricola. Legatcnposten gelassen,

des

und sofort zur Hoffnung

Consulate zurückgerufen,

unter Geleite der

daß Britannien ihm zur Provinz ge­

Meinung,

geben werde: wirkten,

61

nicht, daß dazu feine Aeußermlgcn

sondern

weil er dem gewachsen schien.

Nicht allzeit irret der Ruf, bisweilen hat er gar

die Wahl gemacht. Er hat als Consul,. die schon hoffnungsvolle Tochter,

mir, dem Jüngling verlobt,

dem Constlsat vermahlt. Britannien vorgesetzt,

und nach

Gleich darauf ist er

nach hinzugefügtcm Prie-

sterthum des Pontificatö.

X'.

Von Britanniens Lage und Völkern,

deren viele Schriftsteller gedacht,

will ich nicht

zu Vergleichung der Sorgfalt und des Genie's

berichten, sondern weil es damals zuerst durchaus

bezähmt ist.

Deshalb wird, was, noch unausge­

macht, Frühere mit Beredsamkeit ausgeschmückt

haben,

mit

Wahrheit

der Sachen

überliefert

werden. Britannien, von den Inseln, welche die Rö­

mische Kunde umfaßt, die größte, streckt sich öst­

lich

gegen

Raum

westlich, Spaniens:

und

Hnnmel

Germaniens,

von den Galliern

wird es

gegen Süden auch angeschaut: seine Nordgesta­ de, keinen Landern gegenüber, werden von dein wü­

sten und offenen Meer geschlagen.

Die Gestalt

62

Julius Agricola.

des ganzen Britanniens haben Livius, alten, Fabius Rufticus,

von den

von den neuern die be-

einem langlichten Schüßlein

redtesten Autoren,

oder einer Hellebarde verglichen; und solches An­ fehn hat es dieffeit Caledoniens,

woher auch die

Sage auf das Ganze übcrgegangen ist.

Allein

des mit

der ungemessene und ungemeine Raum

dem äussersten Gestade vorlaufenden Landes, wird gleichsam in einen Keil zugespitzt.

Diese Küste

des letzten Meeres umfuhr damals zuerst die Rö­

und

mische Flotte,

eine Insel sei,

bestätigte,

daß Britannien

entdeckte und unterwarf zugleich

die bis zu damaliger Zeit unbekannten Inseln, welche sie die Orcaden

nennen.

Ersehen ward

auch Thule, soweit als Schnee und Winter ein­

brach;

das Meer aber, berichten sie,

beschwerlich

den

Fahrenden,

träge und

werde von da an

nicht einmal von den Winden gehoben: ich glau­ be,

weil seltener Länder

sind und Berge,

Ursache und der Stoff von Stürmen;

die

und die

tiefe Masse des ununterbrochenen Meeres langfa-

mer bewegt wird.

Des Oceans Natur und Flu-

thenwechsel zu untersuchen, kes,

ist nicht dieses Wer-

und Viele haben darüber berichtet.

mögt' ich hinzuthun: Meer herrsche,

dorthin

sende,

Eines

daß nirgends breiter

das

viele Strömungen hierhin und und nicht bis zum Gestade an-

Julius Agricola. wachse

und

werde;

zurückgeschlungen fliesse und

landeinwärts

sich winde,

auf Hügelreihen und Gebirge,

65

sondern

und auch

wie in sein Bett

steige.

XI. Welche Sterbliche übrigens Britannien im Anfang bewohnt

haben,

Eingebohrne oder

Ankömmlinge, ist wenig, wie bei Barbaren, auö-

Der Körper Art mannigfaltig, und

gemittelt.

daraus folgert man;

denn das röthliche Haupt­

haar der Einwohner Caledoniens, die großen Glied­ maßen, bewähren Germanischen Ursprung.

Der

Siluren hochfarbige Gesichter und meisientheils krause Haare,

und das

machen glaubhaft,

nien,

gegenüberliegende Hispa-

Iberen

daß die alten

hinübergeschifft sind, und diese Sitze eingenommen haben.

Die den Galliern Nächsten sind ihnen

auch ähnlich:

entweder,

Kraft förtwährt,

weck der Abstammung

oder weil,

genfeitig sich vorstrecken,

da die Länder ge»

der Himmelsstrich den

Körpern die Beschaffenheit gegeben hat:

haupt indeß zu urtheilen,

ist glaublich,

über­

daß die

Gallier den benachbarten Boden besetzt haben. Ihren

Religionebrauch fändest du hier

des Aberglaubens Ueberredung: nicht sehr verschieden;

die Sprache ist

Gefahren zu heischen, die-

selbe Verwegenheit, und,

zu vermeiden,

in

wann sie genaht sind,

dieselbe Feigheit;

doch mehr der

64

Julius Agricola.

wilden Muthes zeigen die Britanncn, als welche

noch nicht.ein langer Frieden verweichlicht hat:

denn wir haben vernommen, daß die Gallier auch in Kriegen geblüht haben; bald schlich Trägheit

mit der Muße ein,

Tapferkeit und Freiheit wa­ Eben dies begegnete un­

ren zugleich verlohren.

ter den Britannen den langst Uebcrwundncn: die

Uebrigcn sind noch, was die Gallier gewesen. XII. Im Fußvolk ihre Starke: einige Völ­

ker .Kämpfen auch zu

ist Lenker,

Wagen:

der Vornehmere

Clienten beschirmen ihn.

gehorchten sie Königen,

Vorzeiten

jetzt werden sie

durch

Fürsten in Widerparten und Partheisucht gezerrt; und- nichte

andres wird wider die

Nationen uns- nützlicher,

gewaltigsten

als daß sie nicht zum

Gemeinsamen sich berathen.

Selten ist der Ver­

ein von zwei uyd drei Gemeinden,

um die ge.

mcinschaftliche Gefahr abzuschlagen:

also, indem

sie einzeln kämpfen,

werden sie insgesammt über­

wunden. Der Himmel ist durch häusige Regengüsse und

Nebel scheußliche der Fröste Rauhigkeit mangelt. (Ls reicht der Tage Lange über das Maaß unse­ res

Ländcrkrciscö hinaus:

die Nacht ist

klar,

und auf dem äußersten Theil Britanniens kurz, daß

du

Ende

und Beginn

des Lichtes

schmalen Zwischenraum unterscheidest.

durch

Ja wenn

Wol-

65

Julius Agricola. Wolken,

versichern sie, nicht gegenwirken,

werde

die Nacht hindurch der Sonne Glanz geschaut, gehe nicht unter und gehe über.

steige

nicht auf,

sondern

Nämlich die äußersten und

ebenen

richten durch den niedrigen Schat­

Erdgegenden,

ten keine Finsterniß auf, und unterhalb deöHimmels

und

der Gestirne

Der Boden trägt,

fällt die Nacht nieder.

ausgenommen den Oelbaum,

und Rebenstock und Uebriges, was in wärmeren

Ländern zu entstehn pstegt, reichlich Früchte. Lang­ sam reifen sie,

kommen schnell

hervor:

Ursache der zwiefachen Erscheinung-

einerlei

ist die viele

Feuchtigkeit des Landes und HimMls.

Britan­

nien hegt Gold und Silber und andre Metalle,

den Preis des Sieges:

der Ocean erzeugt auch

Perlen, aber trübe und bleifarbige.

Einige mei­

nen, den Sammelnden fehle das Geschick:

im

rothen Meer würden

sie lebendig und ath­

mend von den Felsen abgerissen, zusammengelesen,

denn

in Britannien

wie sie auegeworfen sind:

mögke leichter glauben,

ich

die Art fehle diesen Per­

len, als uns die Habsucht.

XIII.

Die Britannen gehen selbst

unver­

drossen an Truppenaushebung und Tributzahluy-

gen,

und die auferlegten Reichöpstichten,

wenn

Unbilde fern sind: diese ertragen ste schwer, schon

bezähmt, I. Band-

daß sie gehorchen, doch Nicht, 5

daß sie

66

Zulius Agricola.

dienen.

Der vergötterte Julius nämlich, welcher

zuerst von allen Römern mit einem Heer in Bri­ tannien einstel, kann, wicwol er durch eine glück­

liche Schlacht die Einwohner geschreckt, der Küste bemächtigt hat,

doch scheinen,

und sich es den

Nachkommen gezeigt,

nicht übergeben zu haben.

Darauf Bürgerkrieg,

und die Waffen der Gro­

ßen. wider tue Republick gewandt, und lange Ver­ gessenheit Britanniens auch im Frieden.

KlnMcik nannte dies der vergötterte August, Vorschrift Tiberius.

Daß Cajus Caesar einen

Einfall in Britannien betrieben habe, ist bekannt

genug; wenn er nur nicht flüchtig von Geist, be­

weglich durch Reumüthigkeit, und die ungemeinen

Wagnisse "wider- Germanien

vergeblich

gewesen

waren.

Der vergötterte Claudius vollführte das

Werk,

indenr Legionen und Hülfstruppen hin-

Übergeschifft, und Vespasian für

einen Theil der

wurde:

welches

der

Anfang des bald kommenden Glückes war:

be­

Ausführung

angenommen

zähmt sind Völker worden, gefangen Könige, und

dem Schicksal dargezeigt Vespasian. XIV. Von Consularen ward zuerst Aulus

Plautius vorgesetzt, und nachmals Ostorius Sca­

pula, beide im Krieg treflich: und allmählig wurde

der nächste Theff Britanniens in die Form einer Provinz gebracht:

hinzugethan war überdies eine

67

Julius Agricola.

Einige Gemeinden sind

Colonie von Veteranen.

demKönigeCogidunus geschenkt worden; dieser ist

bis auf unser Gedenken der Treuste geblieben:

nach der alten und schon langst angenommenen

Gewohnheit des Römischen Volkes, daß es Werk­ zeuge

der

auch Könige

Unterjochung,

befaße.

Darauf behauptete Didius Gallus, was die Vor­

gänger erworben hatten,

indem er sehr wenige

Castelle ins Jenseitige vorrückte,

wodurch der

Ruf von erweiterter Verwaltung gesucht wurde. Auf Didius folgte Veranius, Jahresfrist erblichen.

Von da an hat Sueto-

zwei Jahre

nius Paulinus

Dinge vollführk,

und ist innerhalb

hindurch glückliche

Völker unterjochend

Landwehren befestigend.

und

die

Im Vertrauen auf die­

se griff er die Insel Mona an, als welche Auf­

rührern Kräfte leihe,

und gab sich im Rücken

Zufällen bloß.

XV. Nach beseitigter Furcht durch des Le. gaten Abwesenheit, verhandeln die Britannen un­

ter sich

die Uebel der Sklaverei,

sammeln die

Unbilde, und entflammen erörternd: „daß nichte

gefördert würde durch Geduld,

wie

nur, daß

schwerere Last, als wenn sie vom Leichten trügen, geboten werde.

gehabt,

Einen König hätten sie vormals

nun würden zwei aufgebürdet, von wel­

chen der Legat wider Blut,

der Pronator nw

Julius Agricola. der Gut wüthen sollte.

Gleich sehr sei die Zwie­

tracht, gleich sehe die Eintracht der Vorgesetzten den Unterworfenen verderblich.

Des Einen Ge­

folge, die Centurionen des Andren, mischten Ge­ waltthätigkeit urib Schmähungen;

sei ihrer Gier,

nichts

schon

nichts ihren Lüsten entnommen;

in der Schlacht sci's der Stärkere,

welcher er­

beute: jetzt würden von Feigen meistcntheils und Unkriegerischen entrissen die Häuser, weggeschleppt

aufgezwängt die Truppenaushebung,

öle Kinder,

als wüßten fie,

nur für das Vaterland nicht,

Wie viel an Soldaten wäre denn

zu sterben.

herübcrgekommcn,

wenn sich die Brikanncn zähl­

ten? so habe Germanien das Joch abgeschüttelt, und werde durch den Strom, nicht den Ocean

geschirmt.

Ihnen wären Vaterland, Gattinnen,

Aeltern: jenen Habsucht und Schwelgerei Anlaß

zum Kriege.

Zurück würden sie weichen, wie der

vergötterte Julius zurückgewichen wäre, wenn sic

nur der Tapferkeit ihrer Vorfahren nacheiferten.

Auch sollten sic nicht über den AuSgang einer oder der andern Schlacht erzittern:

mehr Unge-

stüin, größere Beharrlichkeit, sei bei den Unglückli­

chen.

Schön erbarmten sich der Britannen auch

die Götter,

wesend,

welche den Römischen Anführer ab­

welche gebannt das Heer auf einer an­

dern Insel hielten.

Endlich

sei

gefahrvoller,

Julius Agrieola.

69

bei dergleichen Rathschlägen betroffen zu werden,

als zu wagen." XVI. Durch dieses und dergleichen wechsel­

seitig gestachelt,

ergriffen sie unter der Führerin

Boadicea, einer

Frau von königlichem Stamme,

denn sie unterscheiden nicht das Geschlecht beim

Oberbefehl,

insgesammt die Waffen:

und über­

wältigend

die in Castellen zerstreuten Soldaten,

fielen sie,

nach eroberter Landwehr, die Colonie

selbst an, wie den Sitz der Sklaverei.

Nicht ei­

ne Art der Grausamkeit bei Barbaren,

unterlie­

ßen Rache und Sieg.

Wäre nicht Paulinus,

nach vernommener Bewegung der Provinz,

eilig

dazugekommen: verlohren würde Britannien seyn,

das einer einzigen Schlacht Erfolg der alten Ge­ duld zurückgab, wiewol Viele die Waffen behiel­

ten,

welche

das Bewußtseyn

des

Abfalls und

mehr die Furcht vor dem Legaten ängstigte.

Da

dieser, vortrefflich übrigens, hochfahrend wider die

Unterwürfigen,

und,

nen Beleidigung,

als Rächer auch

der eige­

härter zu Rathe ging-

ward

Petronius Turpilianus gesandt, gleich als crbitt-

licher, und der Feinde Vergehungen neu, darum milder gegen die Reue: nach Beilegung des Frü­ heren, nichts weiter wagend, übergab er an Tre-

bellius Marimus die Provinz.

bellius,

Der trägere Tre-

von gar keiner Kricgöcrfahrung,

erhielt

Julius Agricola.

7o

die Provinz durch eine gewisse Gütigkeit, Sorge Gelernt haben schon die Barbaren,

zu tragen.

auch nachsichtig seyn,

wenn Fehler sanft thun;

und die Zwischenkunft bürgerlicher Waffen

lieh der Trägheit geltende Entschuldigung.

ver­

Aber

durch Zwietracht kam die Mühe: da der Soldat, gewöhnt an Feldzüge, durch Muße frech wurde.

Trebellius, durch Flucht und Schlupfwinkel dem

Heeres

Zorn des

unanständig und

entgangen,

niedrig, stand nun bittweise vor: und als sie sich,

das Heer Zügellosigkeit,

das Leben ausbedungen. ohne Blut gestillt.

dem

die

hätten

der Anführer

Dieser Aufruhr hat sich

Auch Vettiuö Bolanus, in­

bürgerlichen Kriege

noch fortwährten,

ängstigte Britannien nicht durch Zucht: dieselbe Schlaffheit gegen den Feind,

ähnliche Ausgelas­

senheit des Lagers: nur daß der schuldlose Bola­

nus,

durch

keine

Vergehungen verhaßt,

Liebe

statt des Ansehns geschafft hatte.

XVII. Allein, als mit dem übrigen Erdkreis Vespasian auch Britannien erlangte, gab es gro­ ße Anführer, treffliche Heere, geminderte Hoffnung der Feinde:

und den Schrecken führte sogleich

Petiliuö Cerialis ein, angreifend,

der Briganter Gemeinde

welche für die zahlreichste der ganzen

Provinz gehalten wird. Viele Treffen waren, und

bisweilen nicht unblutige: einen großen Theil der

Julius Agricola. Briganter

Krieg.

faßte

Und

er

entweder

71

mit Steg

oder

da Cerialiö eines andren Nachfol­

gers Verwaltung und Ruf zu Grunde gerichtet hatte, trug die Last auch Julius Frontinus, ein

so weit cr's zeigen konnte.

großer Mann,

Er

hat den gewaltigen und kriegerischen Stamm der Siluren durch Waffen unterworfen;

ausser der

Feinde Tapferkeit auch der Gegend Schwierigkei­ ten überwindend. XVIII. Diesen Zustand Britanniens, diesen

Wechsel des Krieges fand Agricola, in der Mit­

te erst des Sommers wol die Soldaten,

hinübergegangen,

wie nach aufgegcbcnem Feld­ als die Feinde auf Gele­

zuge, auf sichre Ruhe,

genheiten,

da so»

angewiesen

wurden.

Der

Ordoviccn

Gemeinde hatte, nicht lange vor seiner Ankunft,

ein

Geschwader,

das

innerhalb

stand, fast ganz aufgerieben..

fang ward

ihrer Gränzen

Durch diesen Aw

die Provinz crmuthigt;

und, indem

sie den Krieg wollten, billigten sic entweder das Beispiel, oder warteten die Sinnesart des neuen Legaten ab. 1 Damals, wiewol der beendete Sommer; die

in der Provinz zerstreute Cohortenzahl; die vom Soldaten vorausgenommcne Ruhe dieses Jahres; Saumniß und widerwärtig dem Krieg Beginnen­

den

schienen,

und den

Meisten dauchte,

besser

Julius Agricola.

72

würden

verdächtigen Orte besetzt;

die

Agricola

der

Gefahr

entgegen

zusammengezogenen Fänhlein

und

mäßigen

der

und

Legionen,

Hülfstruppen,

der

Mannschaften

gehn;

zu

nach

beschloß

führte er selbst, weil die Ordovicen nicht wagten, in die Ebene hinabzusteigen, dem Heere vorauf, da, mit dm Uebrigen gleicher Muth bei gleicher Ge-

fahr

die

wäre,

Schlachtordnung

hinan:

und

nach Niedermetzclung fast des ganzen Volksstam­

mes, wohl wissend, daß man dem Rufe nachdringen müsse, und, wie das Erste, Alles weichen wür­

de, nahm er im Geist fich vor, die Insel Mo­ na, von deren Besetzung Paulinus, wie ich obm

gedacht habe,

durch

den

Britanniens zurückgerufen war, zu bringen.

schlägen,

Allein,

des ganzen

Aufstand

in feine Gewalt

wie bei unvorbereiteten An­

die Schiffe fehlten:

die Klugheit und

Standhaftigkeit des Heerführers führten hinüber. Nach Ablegung alles Gepäckes, sensten

der

bekannt,

Hülfstruppen,

und

schwimmen,

ein

durch

ließ er die erle­

herkömmlicher den

die

denen

sie

Fürthen

Gebrauch

zugleich

sich

zu und

die Waffen und die Pferde regieren,

so plötzlich

daß die bestürzten Feinde,

welche eine

einfallen,

Flotte,

welche Fahrzeuge,

warteten,

nichts

welche die Fluth er­

schwer und

unbezwinglich für

solche glaubten, die so zur Schlacht kämen. Also,

Julius Agricola. nach gesuchtem Frieden,

?5

und übergebener Insel,

ward Agricola für hochberühmt und groß gehal­ ten: er, welchem bei dem Eintritt in die Provinz,

einer Zeit, die

andre mit Prahlerei,

und

der

Beamten Huldigung hinbringen, Mühe und Ge­ fahren gefallen haben.

Auch nannte Agricola nicht, des glücklichen Erfolgs zu Eitelkeit gebrauchend,

Sieg,

oder

einen Feldzug

bezähmt

Ueberwundene

zu

haben:

nicht einmal mit dem Lorberzweig begleitete er die Thaten.

Aber er hat durch Verhehlung selbst

seines Ruhms den Ruhm gemehrt,

indem man

ermaß, mit wie großer Hoffnung des Künftigen,

er so Großes verschwiegen haben müsse.

XIX. Im Uebrigen, der Gemüther der Pro­ vinz kundig,

Erfahrungen,

und zugleich belehrt

durch fremde

daß wenig durch die Waffen ge­

fördert werde, wenn Uubilde nachfolgten, beschloss

er die Ursachen der Kriege auszurotten:

von sich

hielt er zuerst sein

und den seinigen beginnend,

Hauswesen in Zwang, was den Meisten nicht we­ niger

Nichts

schwer von

Freigelassene

ist,

als die Provinz

öffentlichen und

nach Privatgunst,

regieren.

Angelegenheiten

Sklaven.

noch

zu

Er

durch

nimmt nicht

auf Empfehlung,

oder

Bitten der Centurionen, Krieger zu sich, sondern

halt jeglichen Besten

für

den Treuesten:

weiß

Julius Agricola.

74

Alles, bringt nicht Alles zur Sprache: paßtVerzeihnng kleinen Vergehet,, Strenge großen an: und wird durch die Strafe nicht immer, sondern

öfters durch Reue zufrieden gestellt:

fetzt Pstich-