Werke von Cajus Cornelius Tacitus: Band 4 [Reprint 2022 ed.]
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Werke von

KamsTomlmsTacttus/ Deutsch, mit Abhandlungen und Anmerkungen

v»n

Karl Ludwig «°n Woltmann. Vierter Band.

Berlin,

1812.

Zu finden in der Realschulbuchhandlung.

Verzeichmß der Subskribenten.

(Fortsttzang.)

Berlin.

)err Bellermann, Dtrector der grauen Klosters.

— —



von von de» von

Röder, Hauptmann im General-Stabe. Sohr, Hauptmann und General-Adjuvant General-Lieutenant v. Winnlng. Wurmb, Lieutenant.

Dorpat.

Herr — — — —

G. Ewer«, Hofrath und Professor. Ferdinand von Frey mann, Studiosus. von Morgenstern, Hofrath und Professor. von Richter, Landrath, auf Waimel inLievland. Baron Ernstv.Ungern-Steraberg, Studiosus.

Fürstenwalde.

Das Königliche Postamt.

G u m b t n e n.

Herr Regierungsrath Ferrow. — Geheimer Staatsrakh von Schön.

iv

Verzeichniß der Subscribentell. Halle.

Büchersammlung des Könkgl. Philolog. Seminarium. Herr Schütz, Professor der Literaturgeschichte und Be­ redsamkeit.

Hamburg. Die Zeitung-expedition des Correspondenten.

Heilbronn am Neckar.

Herr Druck mann, Stadtschreiber.

Groß-Kühn au bet Dessau. Herr Adolph Hey deck. (Fortsetzung folgt.)

Bücher

- e r Geschichten. Erstes Buch.

des Werkes werden mir die

I. Anfang

Consuln Servius Galba, wiederum solcher, Titus

Vinius seyn.

Denn der früheren Zeit sieben­

hundert und zwanzig Jahre nach Erbauung der Stadt haben viele Autoren aufgeführt, so lange

die Angelegenheiten des Römischen Volkes mit

gleicher Beredsamkeit und Freiheit vermeldet wur­

den.

Als,

nach der Schlachtentscheidung bei

es zum Frieden diente, Allgewalt auf

Acrkum,

Einen zu übertragen, schwanden jene großen Ge­

nien: zugleich ist die Wahrheit auf vielerlei Weist zerrüttet;

zuerst aus Unkunde der Republik, als

einer entfremdeten, dann aus Sucht zu schmei­ cheln, oder wiederum aus Haß gegen die Herr­

scher;

also

war

keinem

Sorge

der

Nach,

welt, unter Erbitterten oder Unterwürfigen.

Al­

lein der Schleichkunst des Geschichtschreibers magst du leicht widerwärtig seyn:

Verläumdung und

Scheelsucht werden von geneigten Ohren aufge.

Bücher ver Geschichten.

4

nommen; an der Schmeichelei nämlich haftet das scheußliche Verbrechen der Sklaverei,

an der

Boshaftigkeit ein falscher Schein -der Freiheit. Mir find Galba, Otho, Vitellius, weder durch Wohlthat noch Unbild

erkannt.

Daß

meine

Würde, von Vespasianus angehoben, von Titus gemehrt,

von Domitianus

bin ich nicht in Abrede: Treue gelobt hat,

Liebe,

weitergefördert sei,

aber wer unverderbte

darf nicht irgend einen mit

oder mit Haß aussprechen.

Und sollte

mein Leben auslangen, so habe ich die Fürsten«

schäft des göttlichen Nerva, und Trajanus Ober­ gewalt,

den reichhaltigeren und sicherern Stoff,

meinem Alter aufbewahrt: in seltener Glückselig­

keit der Zeiten, wo, zu fühlen was du wollest, und, was du fühlest, zu sagen freisteht. II.

Zu einem Werke tret' ich,

chen an Zufallen,

einem rei­

greulichen durch Schlachten,

zwieträchtigen durch Aufstande,

auch selbst im

Frieden grausamen. Vier Für sten durch das Eisen getödtet.

Drei bürgerliche Kriege, mehrere aus­

heimische, und meistentheils durcheinandergemischt.

Glückliche Angelegenheiten im Orient, widerwär­ tige im Occident.

Illyrien beunruhigt; Gallien

wankend: bezähmt Britannien, und alsbald auf­ gegeben: aufgestanden wider uns der Sarmaten

und Sueven Volksstämme: geadelt durch gegen-

Erstes Buch.

Fast auch der

fertige Niederlagen der Dacer.

Parther Waffen

5

durch des falschen

aufgeregt

Nero Possenspiel. Italien selbst durch neue, oder nach langer Reihe der Jahrhunderte wiederholte bedrängt.

Unfälle,

auf der fruchtbarsten Küste Campa-

eingestürzt,

niens.

Städte verschlungen oder

Rom durch Feuersbrünste verwüstet, ver­

zehrt die ältesten Götterhäuser, das Capitol selbst durch Hände der Bürger angesteckt: große Ehebrüche:

Caremonien:

bannungen das Meer:

besudelte

voll von Ver­

mordbefleckte Klippen.

Greulicher ward in der Stadt gewüthet. Reichthum,

abgekehnte

und

verwaltete

Adel, Ehren

statt Verbrechens, und ob Tugenden der. gewisse­

ste Untergang.

Nicht weniger verhaßt der Ange­

ber Lohn, als die Verruchtheiten; da Einige Prie-

sterthümer uvd Consukate,

wie Beute,

Andre

Verwaltungen, und geheimeren Einfluß erlang­

ten, sie Alles drängten, umkehrten durch Haß und Schrecken.

Verführt wider Herren die Sklaven,

wider Schutzherren die Freigelassenen; und welchen

der Feind fehlte,

die sind durch Freunde unter­

drückt. III.

Doch war nicht so ganz an Tugenden

unfruchtbar das Jahrhundert, daß es nicht auch

gute Beispiele hervorgebracht flüchtige Kinder begleitend:

hätte.

Mütter,

Gemahlinnen, Ehe-

6

Bücher der Geschichten.

männern ins Exil gefolgt: wagende Verwandte:

standhafte Eidame: hartnäckig, auch wider Mar­ tern, Treue der Sklaöen: in letzten Verhängnissen

berühmter Männer, die Nothwendigkeit selbst tapfer

ertragen, und den gepriesenen Toden der Alten gleicher Ausgang.

Außer den vielfachen Unfäl­

len menschlicher Dinge, Wunderzeichen bei Him­

mel und Erde, und Warnungen der Blitze, und des Zukünftigen Vordeutungen, freudige, trau­

rige, zweifelhafte, offenbare.

Denn nimmer ist

durch greulichere Niederlagen des Römervolkes und durch gültigere Anzeigen

zu

dargethan,

Sorge sei den Göttern nicht unsre.Sicherheit,

die Rache sei's. IV.

Uebrigens scheint, ehe ich das Vorge­

setzte anordne, müsse berichtet werden,

welcher

Zustand der Stadt, welche Gesinnung der Heere, welche Haltung der Provinzen,

Kreise der Erden rüstig,

was im ganzen

was siech gewesen sei,

damit nicht , nur Zufalle und der Dinge Ausgang, der größtentheils ein Ungefähr ist, sondern auch das Wesen und die Ursachen erkannt werden.

Neros Ende hatte also, wie es beim ersten Ungestüm der Jauchzenden

erfreulich gewesen,

verschiedene Bewegungen der Gemüther,

nur in der Stadt,

nicht

bei den Vätern oder dem

Volke, oder städtischen Soldat, sondern bei allen

Erstes Buch. Legionen und Führern erregt: den

das

Geheimniß

da kund gewor­

des Reichs:

der Fürst auch sonst wo,

werden.

7 «S

könne

als zu Rom gemacht

Allein die Vater erfreuten sich der als­

bald angemaßten Freiheit ungebundener, wie ge­ gen einen neuen und abwesenden Fürsten; die vor­

nehmeren Ritter standen der Freude der Vater zu­

nächst; ein Theil des Volkes war unverdorben, und großen Hausern anhängig, die Clienten und Freige­

lassenen Verurtheilter und Vertriebener richteten sich zu Hoffnung auf: der schmutzige Pöbel, ge­

wöhnt an Circus und Theater,

scheußlichsten der Sklave::,

zugleich

oder welche,

die nach

Aufzehrung ihres Gutes, durch Nero's Schande

ernährt wurden, waren traurig und nach Gerüch­

ten gierig. V. Der städtische Soldat, von langer Hul­

digung der Cäsaren durchdrungen, und, Nero zu

verlassen,

mehr durch Kunstgriffe und fremden

Antrieb, als durch sein eignes Gemüth verleitet, nimmt kaum wahr, daß weder jenes in Galba's

Namen verheißene Geschenk gegeben werde, noch, für

große Verdienste

und

Belohnungen

im

Frieden gleicher Raum, als wie im Kriege, auch

die Gunst bei dein von Legionen gemachten Für­ sten vorentnommen sei: so wird er, zu Neuerun­

gen geneigt,

überdies durch Verruchtheit der

Bücher der Geschichten.

8

Präfecten Nymphidius

Sabinus,

in Bewegung

nach der Oberherrschaft arbeiret, gebracht.

der für sich

Und Nymphidius ist zwar beim Wag­

nisse selbst unterdrückt worden;

allein

es blieb,

Abfalls hinweggethan

wiewol das Haupt des war,

den meisten Soldaten der Mitschuld Ge­

fühl;

und es fehlte nicht an Gerede derer, die

auf Galba's Alter und Geiz schmahlten. seine vormals gepriesene und im

Auch

militärischen

Stufe gefeierte Strenge, ängstigte die Verächter

der alten.Kriegszucht,

die vierzehn Jahre lang

also durch Stero gewöhnt worden,

daß sie die

Laster der Fürsten nicht weniger liebten, vorzeiten deren Tugenden verehrten.

als sie

Hiezu kam

Galba's, der Republik ehrenreiches, ihm selbst ge­ fahrbringendes Wort:

„erlesen werde von ihm

der Soldat, nicht erkauft." VI. Auch war das Uebrige nicht auf diese

Art.

Den kraftlosen Greisen richteten Titus

Dinius und Cornelius Laco, teste Sterbliche,

einer, der schlech­

der Andre der schlaffste,

Haß der Schandthaten, Schlaffheit zu Grunde.

mit

mit Verachtung der

Träge war Galba's Zug

und blutig, ob Hinrichtung des bezeichneten Consuls Cingonius Varro, und des Consulars Petro­

mus Turpilignus: jener- als des Nymphidius Ge­

nosse, dieser als Führer Nero's, waren ungehört und

Erstes Buch.

9

gleich wie Unschuldige umgekom-

unvertheidigk,

Der Einzug in die Stadt wurde durch

men-.

Hinwürgung sü vieler tausende waffenloser Sol­ daten,

von unseliger Vorbedeutung,

und auch

denen selbst, welche gemordet Hatten, zumSchrekken.

Nach Einführung der Hispanischen Legion,

indem diejenige blieb,

welche Nero von der

Flotte zusammengezogen, war die Stadt voll von

ungewohnter

Kriegsmacht:

dazu

kämen- noch

viele Schaaren aus Germanien und Britannien

und Illyrien, welche Nero auserkohren und gen die Caspischen Pforten, zum Kriege, den er wider

die Albaner rüstete, vorausgesandt, aber zu Un­ terdrückung der Unternehmungen von Vindex zürückgerufen hatte:

ein ungeheurer Vorrath an

Werkzeugen für Neuerungen, wie noch ohne be­

stimmte Gunst für irgend Einen, also dem Wa­ genden bereitet. VII. Zufällig traf damit zusammen,

daß

die Hinrichtungen des Clodius Macer, undFon-

tejus Capito verkündet wurden.

Den Macer,

welcher zweifelsohne Aufwiegelei trieb, hatte der Procurator Trebonius Garucianus, auf Galba's

Geheiß; den Capito hatten in Germanien, als er

Aehnliches

begontt, Pie Legaten der Legionen,

Cornelius Aquinus und Fabius Valens getödtet,

«he es ihnen geheißen wurde.

Einige glaubten.

Bücher der Geschichten.

10

Capito habe,

scheußlich

wie er durch Geiz und Lustgker

und

makelvoll

war,

sich des

dankens an Neuerungen enthalten^

Ge­

ja von den

Legaten, welche Krieg riethen und ihn nicht da­

zu bringen konnten, fei ihm das Verbrechen so­ gar noch angedichtet;

und Galba habe, nach

Wankelmuth des Sinnes, nachzuforschen,

oder um nicht tiefer

welcherlei That auch,

weil sie

nicht geändert werden konnte, gut geheißen. Ue-

brkgens wurden beide Hinrichtungen übel ausge­ nommen: ist einmal der Fürst verhaßt, so drückt ihn, was er wohlwollend, was er böslich voll­ bringt.

Schon trugen übermächtige Freigelaßne

Alles feil: der Sklaven Hande, gierig bei PlöH, lichem, eilten als des greisen Herrschers wegen:

und eben dieselben Uebel des neuen Hofes, gleich

schwer,

waren nicht gleich entschuldigt.

Selbst

das Alter Galba's diente zum Gespött und Eckel ihnen, die an Nero's Jugend gewöhnt, die Im­ peratoren nach Gestalt und Schöne des Körpers,

wie der Haufe pflegt, verglichen. VIII. Und dies war denn zu Rom,

wie

eben in einer so großen Menge, die Stimmung

der Gemüther.

Von den Provinzen stand Hi,

fpanien unter Cluvius Rufus, der Künste des Friedens,

Mann.

Gallien war,

einem beredten,

der Kriege kundigen

abgesehn vom Gedenken

Erstes Buch.

ir

an Vindep, verpflichtet durch das neuerliche Ge­

schenk des Römischen-Bürgerrechtes, und Erleich­ terung des Tributes für die Zukunft. die

Germaniens

Heeren

nächsten

Jedoch

Gemeinden

Galliens, nicht mit gleicher Ehre behandelt, einige

auch, mit

ob Schmälerung ihres Gebietes,

gleichem Schmerz

und ihre Unbilde.

maßen

die fremden Vortheile

Die Gennanischen Heere wa­

ren, was das Gefährlichste bei so großer Macht

ist,

bekümmert und trotzig, aus Stolz ob der»

neulichen Sieg, und Besorgniß, als wenn sie eine andre Parthei gehegt hätten.

Langsam waren

sie von Nero abgefallen; und nicht alsbald war Vergknius für Galba: ob er herrschen gewollt habe,

ist zweifelhaft; daß ihm die Obergewalt von den Soldaten angeboten sek,

stimmt man überein.

Ueber die Hinrichtung Fontejus Capito's waren

auch die, welche darob nicht klagen konnten, doch entrüstet.

Der Führer fehlte,

nachdem ihnen

Verginius unter verstellter Freundschaft entzogen worden:

daß er nicht zurückgesandt, und sogar

angeklagt wurde, nahmen sie als ihr eignes Ge­

richt auf.

IX. Das obere Heer verachtete den Legat Hordeonius Flaccus, den ob Alter und Schwäche der Füße unvermögenden, ohne Standhaftigkeit, ohne Ansehn.

Nicht einmal den ruhigen Krie-

Bücher der Geschichten.

12

ger wußte er zu regieren;

um so mehr wurden

die Würhenden noch durch die Kraftlosigkeit des

Zurückhaltenden entflammt.

Des unteren Ger,

maniens Legionen waren längere Zeit ohne einen Consular gewesen, bis von Galba gesandt Aulus

Ditellius einrraf,

Sohn des Censors und drei­

maligen Consuls Vitellius: so wollte das Schick­

sal.

Im Brittannischen Heere war nichts von

Erbitterung.

Wol nicht haben andre Legionen,

alle Bewegungen der bürgerlichen Kriege hin­ durch, schuldloser gewaltet:

sei's, weil sie fern

und durch den Ocean geschieden;

sei's, daß sie

durch häufige Feldzüge angewiesen waren,

mehr den Feind zu

hassen.

viel­

auch

Ruhe

kn

Illyrien: wiewok die von Nero herberufenen Le­ gionen, indem sie in Italien verzogen, den Ver-

ginius mit Gesandtschaften angegangen.

Allein

die Heere, durch weite Räume gesondert,

was

das heilsamste ist, Soldatentreue zu sichern, hat­ ten weder Laster noch Kräfte vermengt. X.

Der Orient noch unbewegt.

Syrien

und vier Legionen hielt Mucianus inne, ein Mann,

durch Glückliches und Widerwärtiges gleich be­

kannt.

Ausgezeichneter Freundschaften hatte er

als Jüngling ehrsüchtig gepflogen.

Schwindung seines Vermögens, ger Lage,

Dann, nach

in

schlüpfri­

auch scheu vor des Claudius Er-

Erstes Buch.

13

grimmunq, stand er, in das entlegnere Asien ent­ fernt,

am Verbannten so nahe,

als nachmals

Von Schwelgerei,

Unverdrossen-

am Fürsten.

Heit, Leutseligkeit,

Hochmuth,

guten und bösen

Eigenschaften war er ein Gemisch: zu groß seine Wollust, wenn er Muße hatte; so oft er hinaus­

gezogen, seine Tapferkeit ungemein; preiswürdig

sein

geheimeres

öffentliches Leben, "fein

berüchtigt.

Auf Untergebene, auf Freunde, auf

Amtsgenossen indeß

wirkte er gewaltig,

mancherlei Lockmittel;

seyn,

und

durch

leichter mogte ihm

die Obergewalt zu ertheilen,

haben.

übel

als inne zu

Den Judäischen Krieg besorgte FlaviuS

Vespasianus, ihn hatte Nero zum Führer erkoh-

ren, mit drei Legionen. Auch Vespasianus hegte keinen

Wunsch noch Zweck wider Galba.

Er

hatte nämlich seinen Sohn Titus zu Verehrung

und Huldigung desselben gesandt,

gehörigen Ort gedenken werden.

wie wir am

Daß durch ein

verborgenes Gesetz des Schicksals und Wunder­

zeichen und Götterantworten dem Vespasian und

seinen Kindern die Oberherrschaft bestimmt wor­ den sei, haben wir nach dem Erfolg geglaubt.

XI. Aegypten und die Heerkrafte, wodurch

es gezähmt wird,

haben schon vom göttlichen

August her Römische Ritter inne, statt der Kö­ nige.

Also schien gerathen, eine Provinz schwe-

14

Bücher der Geschichten.

reS Zuganges,

für Getraidelkeferung fruchtbar,

durch Aberglauben und Ungebundenheit zwiespal,

tig und beweglich,

der Gesetze unkundig,

der

Magistrate ungewohnt, vom Hause her festzuhal-

ten.

Damals regierte Tiberius Alexander,

von

derselben Nation. Afrika und

dessen Legionen waren,

Hinrichtung des Elodkus Macer,

welchem Fürsten auch,

nach

zufrieden mit

weil sie des kleineren

Beide Mauritanken, Rhätien,

Herrn geprobet.

Noricum, Thracken, und welche andre Provinzen von Prokuratoren gezügelt sind, wurden, je nach­

dem sie einem der Heere nahe waren,

so zu

Gunst oder Haß, durch Einwirkung der mächti­ gern getrieben.

Die wehrlosen Provinzen, und

vornehmlich Italien selbst,

das jedwedem Skla-

venthum ausgesetzte, sollten sich zum Preise des Krieges hingeben. Dies war der Zustand der Römischen Dinge,

als die Consuln, Servius Galba, wiederum sol­

cher, Titus Vinius, das Jahr begonnen, ihnen

das, letzte, der Republik beinahe das äußerste. XII. Wenige Tage nach des Januars Ka,

lenden wird ein Schreiben des Prokurators Pom-

pejus Propknquus aus Belgien überbracht: „des

oberen Germaniens Legionen,

durchbrechend die

Ehrfurcht des Eides, heischten einen andern Im-

Erstes Buch. perator,

15

und ließen dem Senat und Römischen

Volke die Willkühr der Wahl,

damit die Meu­

terei milder ausgenommen würde." reifte Galba's Entschluß,

stand

Dieser Um­

welcher schon

langst mit sich und den Vertrautesten über Adop­

tion zu Rathe ging. Wol nicht war in der gan­ zen Stadt jene Monathe hindurch über sonst anfänglich ob

was häufiger die Rede gewesen:

Unge-undenheit und Lust derlei zu sprechen, dann ob Galba's schon müdem Alter.

Wenigen war

Urtheil oder Liebe in Betreff der Republik: viele

bestimmten mit geheimer Hoffnung', so wie einer Freund oder Client war,

diesen oder jenen für

bewerbungsvolle Gerüchte, auch aus Haß gegen

Titus Vinius, wie

viel

welcher Tag

mächtiger,

haßter ward.

so

Nämlich,

auf Tag,

eben

dadurch

um ver­

die bei großem Glücke

überhastigen Begierden der Freunde spannte Gal­

ba's

Leichtwilligkeit

selber:

indem

vor

dem

Schwachen und Leichtgläubigen mit geringerer

Furcht und größerem Lohn gesündigt wurde. XIII. Die Macht der Fürstenschaft war zwi­

schen dem Consul Titus Vinius und Cornelius Laco, Präfecten der Prätorischen Cohorten, ge­ theilt.

Auch war nicht geringere Gunst dem

Jcelus, Freigelaßnen Galba's, welcher, mit dem

Ring beschenkt, nach seinem ritterlichen Namen

i6

Bücher der Geschichten.

Martianus hieß.

bei müv

Diese Zwistvoüen,

deren Dingen jeglicher für sich strebend, wurden im Rath über den zu wählenden Nachfolger in

Vinius war

zwei ( Partheien geschieden. Marcus Otho:

für

Laco und Jcelus begünstigten

durch Zusammenhalten nicht so irgend bestimmt Einen, als einen Andern.

Auch war dem Galba

Otho's und Titus Vinius Freundschaft nicht un­ bekannt;

und nach Gerüchten derer, die nichts

mit Stillschweigen übergehen, wurden sie, weil

dem Vinius eine verwittwete Tochter, Otho unverheirathet war,

zum

Eidam und

Ich glaube,

auch Sorge

für die Republik habe eingewirkt,

die umsonst

einander

Schwäher bestimmt.

von Nero fortgenommen war, wenn sie bei Otho

zurückgelassen würde.

Denn Otho hatte die Kna­

benzeit unachtsam, das Jünglingsalter mutßwillig verbracht, dem Nero werth ob Wetteifer in Schwelgerei; und bei ihm hatte derselbe schön Pop-

päa Sabina, die fürstliche Buhlerin,

wie beim

Mtverschworenen der Lüste aufbewahrt,

bis er

die Gemahlin Octavia wegschaffe: bald beseitigte er den eben, derselben Poppäa halber Beargwohn­

ten in die Provinz Lusitanien, der Sendung. Provinz

unterm Schein

Nach milder Verwaltung der

zuerst übergekreten zur Parthei,

auch

nicht lässig, und, so lange der Krieg währte, in der

Erstes Buch.

-7

der Umgebung der Glanzvollste, ergriff Otho die alsbald gefaßte Hoffnung zur Adoption

täglich

indem ihn die meisten der Soldaten

heftiger:

begünstigten; und ihm, als dem Aehnlichen, der

Hof Nero's geneigt war. XIV. Allein Galba,

nach Botschaft des

Germanischen Aufruhrs, wiewol noch nichts Ge­

wisses über Vitellius war, bangend, wohin der

Heere Gewalt

ausbrache,

nicht einmal

dem

städtischen Soldat vertrauend, hält Comitken der

was er das einzige Rettungsmittel

Herrschaft,

Als außer Vinius und Laco der be­

glaubte.

zeichnete Consul Marius Celsus, und Ducennius Geminus, Präfect der Stadt, dazugezogen wor­

den, redet er zuerst ein Weniges über sein Alter, und befiehlt, den Piso Licinkanus herbekzurufen;

entweder nach eigener Wahl, oder,

wie Einige

geglaubt haben, auf Laco's Andringen, der bei Rubellius Plautus mit Piso

Freundschaft ge­

pflogen, aber verschmitzt ihn wie einen Unbekan-

ten hegte;

und der günstige Ruf Piso's hakte

seinem Rathe die Beglaubigung gemehrt.

Piso,

von Marcus Crassus und Scribonia erzeugt, bet# derseicsher

und Tracht,

adelich,

alter Sitte an

Gebehrde

und nach rechter Schatzung ernst,

ward von übler Deutenden mehr für finster ge­

halten.

Dieser Theil seiner Sitten, ;e verdachri#

iv. Band.

Bücher der Geschichten.

iS

gefiel um so

ger den Besorgten/

mehr dem

Adopcirenden.

XV. Galba nun soll Pl'so's Hand fassend auf diese Weise geredet haben:

Privatmann/

//wenn ich/ ein

dich nach EuriengeseH/

bei den

Oberpriestern, wie Brauch ist, adoptirte, wär' es

mir auch ein Treffliches, des Cnejus PompejuS und Marcus Crassus Sprößling unter -meine Pe,

naten zu bringen;

und dir Auszeichnung,

der

Sulpicier und Lutatier Zierden deinem Adel bei­

gefügt zu haben.

Nun hat mich, den durch der

Götter und Menschen Zusammenstimmung zur Obergewalt Berufnen, art,

deine herrliche Sinnes­

und Liebe zum Vaterland getrieben,

daß

ich die Fürstenschafr, um welche unsre Vorfah­

ren mit Waffen stritten, die ich durch Krieg er­

langte, dem Ruhevollen darbiete, nach Beispiel des göttlichen Augustus,

Sohn Marcellus,

der seiner Schwester

dann seinen Eidam Agrippa,

bald seine Enkel, zuletzt den Stiefsohn Tiberius

Nero, auf den ihm nächsten Gipfel gestellt hat. Allein Augustus suchte den Nachfolger in seinem Hause;

ich, in der Republik:

nicht, weil ich

nicht Verwandte oder Kriegsgenossen hätte; allein ich selber habe nicht die Obergewalt durch Be­ werbung empfangen: und Beleg meines Urtheils

seien nicht nur meine Verwandtschaften, welche

Erstes Buch. ich, dir nachgesetzt habe,

neu.

-9

sondern auch die der»

Dir ist ein Bruder von gleichem Adel,

in Jahren höher/ würdig dieses Glückes/

Jenes Alter

du nicht der Vorzüglichere warst.

ist dein/

wenn

welches den Begierden der Jugend ein solches Leben,

schon entging,

an welchem

du nichts Vergangnes zu entschuldigen brauchst. Unglück hast du bis jetzt ertragen;

das Glück

prüft mit schärferem Stacheln die Gemüther aus,

weil Drangsale erduldet, durch Glückseligkeit wir

Treue, Freiheit, Freundschaft,

verderbt werden.

die vorzüglichsten Güter des menschlichen Gemü­ wirst du zwar mit gleicher Standhaftig­

thes,

keit festhalten; allein durch Geschmeidigkeit wer­ den

andre

sie

schmälern.

Schmeichelei, Liebkosung,

Eindringen

wird

und^das ärgste Gift

für wahre Zuneigung, der Eigennutz.

Ich und

du, wir reden heute auf das einfachste mit ein­ ander: die Uebrigen sind lieber mit unsrem Glück,

als mit uns. seyn müsse,

Denn rathen dem Fürsten,

ist viel Arbeit:

was

Beifälligkeit wird

gegen jedweden Fürsten, ohne Zuneigung, aus­ geübt."

XVI. „Auch wäre, wenn des Reiches ungeheurer

Körper ohne den Lenker stehn und im Gleichge­

wicht seyn könnte, publik von

mir

ich es werth,

begönne:

nun

daß die Re­

ist es längst

20

Bücher der Geschichten.

zu solcher Nothwendigkeit gekommen, baß weder

mein Mer dem Römischen Volke mehr zuwen# den kann,

als einen guten Nachfolger,

deine Jugend mehr,

noch

als einen guten Fürsten.

Unter Tiberius und Cajus und Claudius sind wir

gleichsam die Erbschaft einer einzigen Familie ge