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German Pages 320 Year 2014
Claudia Mareis, Matthias Held, Gesche Joost (Hg.) Wer gestaltet die Gestaltung?
Claudia Mareis, Matthias Held, Gesche Joost (Hg.)
Wer gestaltet die Gestaltung? Praxis, Theorie und Geschichte des partizipatorischen Designs
Die Realisierung dieser Publikation wurde unterstützt durch: Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd, Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Basel, Universität der Künste Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Redaktionelle Mitarbeit: Malte Bergmann, Bianca Herlo Gestaltungskonzept, Umschlaggestaltung und Satz: Katrin Erl / Nickel − Büro für Gestaltung, Berlin Gezeichnete Grafiken: Johanna Zabojnik-Ihla Übersetzung Text Pelle Ehn: Dorothee Hoffmann, Berlin Korrektorat: Clara Herrmann und Jacob Watson Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2038-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
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Einleitung
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Claudia Mareis Wer gestaltet die Gestaltung? Zur ambivalenten Verfassung von partizipatorischem Design
1. Geschichte 23
Susanne Schregel Gestaltung und ihre soziale Organisation. Schlaglichter auf die Geschichte der Partizipation in den USA und Westeuropa (1960–1980)
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Jesko Fezer Soft Cops und Anwaltsplanung: Planungsbeteiligung oder die Politik der Methode (1962–1973)
2. Designtheorien 65
Elizabeth B.-N. Sanders Perspectives on Participation in Design
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Pelle Ehn Partizipation an Dingen des Designs
105 Pieter Jan Stappers Design Thinking in Research: The Role of Design Skills in Research and Vice Versa
3. Teilhabe und Autorschaft 119 Sandra Buchmüller Partizipation = Gleichberechtigung? Eine Betrachtung partizipativen Gestaltens im Kontext feministischer Designforschung und -praxis 141 Helge Oder Kulturelle Nachhaltigkeit, Open Design und Prototyping 157 Andreas Unteidig Jenseits der Stellvertretung: Partizipatorisches Design und designerische Autorschaft
Inhalt
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4. Co-Design 165 Isabelle Dechamps be able 175 Petra Pferdmenges Co-Design for Co-Existence 189 Gilbert Cockton You Must Design Design, Co-Design Included
5. Infrastrukturen 215 Florian Sametinger und Jennifer Schubert Design als Infrastruktur in urbanen Nachbarschaften 227 Richard Herriott Infrastructure of Justice? Citizen Participation in Public Transport
6. Interaktion und Grenzen 243 Christian Wölfel ⁄ Klaus-Peter Schulz ⁄ Jens Krzywinski ⁄ Daniela Menzel Ernsthaft spielen – zur Stakeholder-Integration in interdisziplinären Entwicklungsprozessen 263 Cornelius Stiegler Let’s Talk about Design – Möglichkeiten und Grenzen der Partizipation des Auftraggebers im Designprozess 283 Ralph Tille ⁄ Monika Webers Kollaboratives Entwerfen mit Multitouch – Meinen Nutzer und Gestalter das Gleiche? Eine explorative Studie mittels partizipativem und kollaborativem Skizzieren 303 Götz Wintergerst ⁄ Ron Jagodzinski Werkzeuge für die partizipatorische Gestaltung haptischer Interface-Systeme 315 Zu den Autorinnen und Autoren
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Inhalt
Einleitung Wer gestaltet die Gestaltung? stellt den zweiten Band in der Publikationsreihe der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung (DGTF e.V.) dar und basiert auf Beiträgen und Diskussionen ihrer 8. Jahrestagung, die 2011 an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd stattfand. Dabei ging es um die Praxis, Theorie und Geschichte des partizipatorischen Gestaltens – Themen, die in der aktuellen Designforschung wieder verstärkt zum Tragen kommen. Anders als in den ersten Ansätzen aus den 1970er Jahren, »Nicht-Designer« in den Gestaltungsprozess aktiv einzubeziehen, sind die Herangehensweisen an Formen der Teilnahme und Teilhabe heute vielfältiger: Sie finden in unterschiedlichen Stadien des Designprozesses statt, beziehen sich auf Ideen, Projekte oder Infrastrukturen, werden im kommerziellen wie im nicht-kommerziellen, sozial-motivierten Bereich angewandt und adressieren so unterschiedliche Inhalte wie Stadtplanung, visuelle Kommunikation, Mode-Design oder Mensch-Maschine-Interaktion. Die Designforschung reflektiert damit einen gesamtgesellschaftlichen Trend, in dem es um Partizipation unterschiedlicher Akteure über offene Schnittstellen geht. Einerseits durch die Möglichkeiten sozialer Medien, durch open source und open access inspiriert, andererseits einem neuen Verständnis bürgerschaftlichen Engagements geschuldet, sind die Kollaboration in offenen Projekten, die Kommentierung und gemeinsame Erarbeitung von Lösungsvorschlägen zentrale Elemente gesellschaftlicher Teilhabe geworden. Eine solche Öffnung zur Mitbestimmung hat die aktuelle Designforschung nachhaltig beeinflusst – sowohl in ihren Themenstellungen als auch in ihren Methoden. Diese Entwicklung zeigte sich im Rahmen der Jahrestagung in praktischen Projekten, die zum Teil Eingang in den vorliegenden Band fanden. Sie reflektieren die Forschungspraxis insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses, dessen Stimme wir im Diskurs stärken möchten. Eine theoretische und konzeptuelle Einordnung leisten die eingeladenen internationalen Fachvorträge, die sich ebenfalls im vorliegenden Band wiederfinden. Darüber hinaus haben wir ergänzende Positionen unter anderem aus historischer Sicht mit aufgenommen, um die Vielfalt des Themas aufzeigen zu können. Dadurch wird deutlich, dass Partizipation nicht nur eines der aktuellen Themen der Designforschung ist, sondern sich als Leitmotiv in vielen Forschungsansätzen sowie in allen Phasen des Designprozesses findet und die Genese der Disziplin seit Jahrzehnten begleitet.
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Unser besonderer Dank für die Organisation der Tagung und des vorliegenden Bandes gilt Bianca Herlo und Malte Bergmann mit ihrem hohen Engagement, der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd als Gastgeberin der Tagung und Unterstützerin des Tagungsbandes, sowie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Basel und der Universität der Künste Berlin. Vielen Dank auch an Katrin Erl für die überaus gelungene Buchgestaltung und an Johanna Zabojnik-Ihla für die Illustrationen. Claudia Mareis Matthias Held Gesche Joost
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Einleitung
Wer gestaltet die Gestaltung? Zur ambivalenten Verfassung von partizipatorischem Design Claudia Mareis
Partizipatorisches Design ist mitnichten ein neues Phänomen und dennoch hat es in den letzten Jahrzehnten kaum an Aktualität und Brisanz verloren.1 Das Interesse an gleichberechtigter Teilhabe im Design hat von den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart zu einer Reihe produktiver Gestaltungspraktiken und Theorien geführt. Das Gleiche gilt für die Frage: Wer gestaltet die Gestaltung? Signifikant verändert haben sich indes die medialen und technologischen Kulturen sowie die gesellschaftlichen Bedingungen, die heute den Hintergrund für partizipative Gestaltungsmodelle und Gestaltungsfragen bilden und innerhalb derer das Ideal eines »kollektiven Designers«2 neu ausgehandelt und re-produziert wird Diese Publikation unternimmt eine kritische Bestandsaufnahme der partizipatorischen Gestaltung, ihrer Entwicklung und der gegenwärtigen Theoriebildung. Die versammelten Beiträge prüfen den Stellenwert von Partizipation in der praxisbasierten Designforschung
1 Design Issues widmete dem Thema partizipatorisches Design 2012 eine ganze Ausgabe: Design Issues, Vol. 28, Nr. 3, 2012. Einen Überblick der aktuellen Tendenzen gibt die Einleitung von Robertson, Toni/Simonsen, Jesper: »Challenges and Opportunities in Contemporary Participatory Design«, in: Design Issues, Vol. 28, Nr. 3, 2012, S. 3–9. Bereits einige Jahre früher publizierte Design Studies ein einschlägiges Themenheft: Design Studies, Special Issue: Participatory Design (hg. von Henry Sanoff), Vol. 28, Nr. 3, 2007, S. 213–340. Eine Auswahl weiterer aktueller Publikationen zum Thema sind:
Simonsen, Jesper/Robertson, Toni: Routledge International Handbook of Participatory Design, London 2012. Binder, Thomas et al.: Design Things, Cambridge/MA 2011, hier besonders Kapitel 8: Participation in Design Things, S. 157–182. Siehe des Weiteren auch Giaccardi, Elisa: Heritage and Social Media: Understanding Heritage in a Participatory Culture, New York 2012. Toker, Umut: Making Community Design Work: A Guide for Planners, Chicago 2012. Ehn, Pelle: »Design Things: Drawing Things Together and Making Things Public«, in: Tecnoscienza, Italian Journal of Science & Technology Studies Volume 2,
Nr. 1, 2011, S. 31–52. Ders.: »Participation in Design Things«, in: Proceedings Participatory Design Conference, Indiana University, 2008, S. 92–101. Sanoff, Henry: »Multiple Views of Participatory Design«, in: Archnet-IJAR, Vol. 2, Nr. 1, 2008, S. 57–69. Schuler, Douglas/ Namioka, Aki (Hg.): Participatory Design. Principles and Practices, Hillsdale 1993. 2 Siehe Ehn, Pelle/Badham, Richard: »Participatory Design and the Collective Designer«, in: Thomas Binder/Judith Gregory/Ina Wagner (Hg.): PDC 2002 Proceedings of the Participatory Design Conference, Malmö 23.–25. Juni 2002, S. 1–10.
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und fragen nach historischen und gegenwärtigen Akteuren in diesem Forschungsfeld. Sie umfassen sowohl theoretisch-historische Studien als auch Anwendungsbeispiele aus Praxiskontexten. Darüber hinaus sollen unterschiedliche Diskursstränge zum partizipatorischen Design, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten in den anglophonen, skandinavischen und deutschen Forschungskontexten etabliert haben, zusammengeführt und in einen Dialog gebracht werden. Um den einflussreichen skandinavischen Diskurs der deutschsprachigen Designforschungs-Community zugänglich zu machen, wurde eigens ein Schlüsseltext von Pelle Ehn, Participation in Design Things (2008), ins Deutsche übersetzt. Partizipatorisches Design als ein zeitgenössisches Phänomen der Designforschung zu diskutieren, bedingt nach unserem Ermessen, aktuelle Tendenzen mit historischen Perspektiven und theoretische Modelle mit praktischen Projekten zu verknüpfen. 3 Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist die Zielsetzung der vorliegenden Publikation, deren Beiträge auf die 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung 2011 zurückgehen und die nun in erweiterter und überarbeiteter Form vorliegen. Historische Grundlagen partizipatorischen Designs Die Idee einer Teilhabe an Planung und Gestaltung der artifiziellen Umwelt kann bis in die Anfänge der modernen Designausbildung nachvollzogen werden. Parallel zum Aufkommen von professionell ausgebildeten Designern/innen eingangs des 20. Jahrhundert, wie sie das Bauhaus und andere Kunstgewerbeschulen hervorbrachten, gewinnt auch die Frage nach dem Verhältnis von Expertensicht und Nutzerperspektive an Kontur. Indiziert wird zugleich eine bis heute vorherrschende asymmetrische Sichtweise auf Gestaltung, die Designer als »Experten« und Nutzer als »Laien« typologisiert. Obwohl bereits in den programmatischen Texten des Bauhauses die Bedürfnisse der durchschnittlichen Alltagsnutzer/innen thematisiert wurden – etwa bei der Gestaltung von Einfamilienhäusern, Küchen oder Alltagsgegenständen4 – so waren bei der Konzeption und Realisierung dieser Dinge doch vorrangig das ästhetische Urteil sowie die technische Expertise von professionellen Designern ausschlaggebend.5 An Radikalität und Popularität gewann das Thema partizipatorische Gestaltung dann vor allem in den gesellschaftspolitisch bewegten Jahrzehnten der Nachkriegszeit. Ab Ende der 1950er-Jahre machte sich das Fehlen eines partizipatorischen Gestaltungsdiskurses zunächst als Problem der Stadtplanung und Umweltge-
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Claudia Mareis
staltung bemerkbar. So diagnostiziert etwa der Soziologe Lucius Burckhardt einen gravierenden Mangel an kollektiver Teilhabe bei der Gestaltung des öffentlichen Raums: »Ist es nicht in der Tat seltsam, daß sich die Öffentlichkeit nicht, oder genauer gesagt: daß sich die Öffentlichkeit nicht als Öffentlichkeit mit dem Stadtbild beschäftigt? Ist doch das Stadtbild die öffentlichste Äußerung unseres Lebens, die sichtbarste Darstellung menschlicher Wirksamkeit?« 6 In seinem Essay »Wer plant die Planung?« (1974), auf den sich auch der Titel der vorliegenden Publikation bezieht, stellt Burckhardt die entscheidende Schlüsselfrage partizipativer Planung: »Wer bestimmt, was geplant wird (und was nicht?)«.7 Er kritisiert, dass in Planungsprozessen stets unterschiedliche »entscheidungsfindende Kollektive« involviert seien, dass aber deren Entscheidungskriterien längst nicht immer den Kriterien rationalen Handelns folgten und dass die Stimme der »Verplanten« nur unzureichend vertreten sei.8 Partizipation war in der Nachkriegszeit im Wesentlichen ein Thema der westlichen Industriestaaten und gründete auf Problemen des gesellschaftlichen Wandels sowie auf einem kompetitiven technologisch-wissenschaftlichen Wachstum, wie es der Kalte Krieg beförderte. In den USA hatte die unzureichende Vertretung von Bürgern/innen in Planungs- und Entscheidungsprozessen zudem einen massiv politischen Hintergrund. Bürger- und Studentenunruhen sowie die zunehmende Kritik an der Rassendiskriminierung führten in zahlreichen US-amerikanischen Städten dazu, eine gleichberechtigte Teilhabe marginalisierter Gesellschaftsgruppen an politischen und urbanen Planungsprozessen einzufordern. Es bildeten sich Beteiligungskonzepte heraus wie jenes der Anwalts-
3 Diesen Zugang hat bereits die vorausgehende Publikation der DGTF gewählt: Mareis, Claudia/Joost, Gesche/Kimpel, Kora (Hg.): Entwerfen. Wissen. Produzieren. Designforschung im Anwendungskontext, Bielefeld 2010. 4 Siehe etwa Muche, Georg: »Das Einfamilienwohnhaus des Staatlichen Bauhauses«, in: Hans Wingler (Hg.): Das Bauhaus. 1919–1933 Weimar, Dessau, Berlin und die Nachfolge in Chicago seit 1937, Köln 2005, S. 80–81. 5
Pelle Ehn und Richard
Badham, die das Bauhaus im Hinblick auf partizipatorische Elemente untersuchen, kommen zum Schluss, dass diese dort nur bedingt ausgeprägt waren: »Despite the high moral and aesthetic principles, there was no real feeling insight or vivid realization of ordinary peoples everyday life and conditions. The ›soft‹ ideas of participation and democracy, supporting and developing a constructive dialogue between design and user communities, was never a corner stone of the Bauhaus.« (Ehn/Badham: Participatory Design and the Collective Designer, S. 3.)
6 Burckhardt, Lucius: »Stadtplanung und Demokratie (1957)«, in: Jesko Fezer/ Martin Schmitz (Hg.): Lucius Burckhardt. Wer plant die Planung? Architektur, Politik und Mensch, Berlin 2004, S. 19–25, hier S. 19. 7 Burckhardt, Lucius: »Wer plant die Planung (1974)«, in: Fezer/Schmitz: Lucius Burckhardt, S. 71–88, hier S. 71. 8 Siehe Burckhardt: Wer plant die Planung, S. 82 f.
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planung (»advocacy planning«) oder der Nachbarschaftsorganisation, durch welche die Interessen von sozial benachteiligten und politisch unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen besser wahrgenommen werden sollten.9 Wichtige Impulse kamen in den 1960er-Jahren auch aus der Designmethodologie, die einerseits eine Systematisierung und Professionalisierung der Entwurfsmethoden und Designausbildung anstrebte, damit aber andererseits auch die Frage nach Teilhabemöglichkeiten an Expertendiskursen eröffnete. Innerhalb der Designmethodologie wurde der Designbegriff sehr weit gefasst und zum Gegenstand sämtlicher Gestaltungs- und Optimierungsaktivitäten artifiziell erzeugter Systeme und Umwelten erklärt. Berühmt geworden ist in dieser Hinsicht Herbert Simons Diktum: »Engineers are not the only professional designers. Everyone designs who devises courses of action aimed at changing existing situations into preferred ones.«10 Gerade die Prämisse jedoch, dass jedes Individuum seine Umwelt mitgestalten und optimieren könne, hielt in der Realität der näheren Betrachtung nicht stand. Selbst Entscheidungs- und Planungsprozesse, die eine große gesellschaftliche Reichweite hatten, wurden keineswegs von allen Beteiligten und Betroffenen gemeinsam getragen, sondern von einigen wenigen Spezialisten und Experten entschieden. In einer der ersten Konferenzen, die 1971 von der Design Research Society zum Thema Design Participation organisiert wurden, kritisierte der Designtheoretiker Nigel Cross die eklatante Diskrepanz, die zwischen einem weitgefassten, inklusiven Designbegriff und einer hochspezialisierten, exklusiven Planungspraxis bestand. Auch erkannte er das Bedürfnis nach einer demokratischen Struktur von Planung: »Any activity concerned with changing the man-made world can justifiably be called a design activity. In this respect, most of us are involved in some kind of ›designing‹ most of the time. But the really crucial areas of decision-making at the interface between technology and society are largely the prerogative of specialist professional designers – engineers, planners, architects and industrial designers. These professions, however, are all currently involved in radical changes, affecting their working methods and their relationships with society. In particular, there is a mounting pressure for wider sections of society to participate in the processes if planning and design.«11 Eine ähnliche Sichtweise vertraten zu der Zeit auch die Planungswissenschaftler Horst Rittel und Melvin Webber. Sie forderten eine »Neuorientierung der Fachleute an den Ergebnissen profes-
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sioneller Aktivitäten« sowie eine »Neuverteilung der Vor- und Nachteile, die Regierungsprogramme bei den konkurrenzierenden Gruppen der Bevölkerung bewirken«.12 Besonders Horst Rittel thematisierte in seinen Texten zur Planung wiederholt den Einfluss, den normative Bewertungen und subjektive Urteile auf den Verlauf und den Ausgang von Planungs- und Problemlösungsprozessen haben. Bei jedem einzelnen Schritt der Problemlösung werde ein Urteil gefällt, so Rittel, das nicht auf wissenschaftlicher Erkenntnis beruhe, sondern eine persönliche »Soll-Aussage« darstelle und damit ein Zeichen politischer, moralischer oder ethischer Haltung sei.13 Die Einsicht in die subjektiven Beweggründe und in die normativen Strukturen von Planung veranlasste auch ihn dazu, eine Demokratisierung des Designbegriffs einzufordern: »Design is not the monopoly of those who call themselves ›designers‹«.14 Von der Stadtplanung zur Mensch-Maschine-Interaktion Kritische Fragen nach den subjektiven und objektiven Entscheidungsgrundlagen von Planungsprozessen sowie nach der Inklusion und Exklusion von Beteiligten und Betroffenen haben das Feld des partizipatorischen Designs seit seinen Anfängen in der Nachkriegszeit begleitet. Sie sind für die grundlegend politische Prägung partizipatorischer Designdiskurse verantwortlich, die bis heute besteht und im Verlauf der Jahrzehnte auch in verschiedene Wissensfelder hineingetragen wurde. Vor allem in den 1980er-Jahren kam es zu einer einflussreichen Verschiebung der Anwendungsbereiche, in der gestalterische und politische Ansätze und Methoden des partizipatorischen Designs von der Stadtplanung in den Bereich der Computer- und Arbeitswissenschaften transferiert wurden. Damit einher ging eine Verschiebung von Rollenbildern, indem etwa die Rolle des »Pla-
9 Siehe dazu im vorliegenden Buch die Texte von Jesko Fezer und Susanne Schregel. 10 Simon, Herbert: The Sciences of the Artificial, Cambridge, MA/London 1996, S. 111. 11 Cross, Nigel: »Preface«, in: Nigel Cross (Hg.): Design Participation. Proceedings of the Design Research Society’s Conference, Manchester, September 1971, London 1972, S. 6.
12 Rittel, Horst/Webber, Melvin: »Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung«, in Wolf D. Reuter (Hg.): Rittel, Horst: Planen, Entwerfen, Design, Ausgewählte Schriften zur Theorie und Methodik, Stuttgart et al. 1992, S. 13–35, hier S. 16. 13 Rittel, Horst: »Zur Planungskrise: Systemanalyse der ersten und zweiten Generation«, in: Wolf D. Reuter (Hg.): Rittel, Horst: Planen, Entwerfen,
Design, Ausgewählte Schriften zur Theorie und Methodik, Stuttgart et al. 1992, S. 37–59, hier S. 50 f. 14 Rittel, Horst: »The Reasoning of Designers«, Arbeitspapier A-88-4, Institut für Grundlagen der Planung. Universität Stuttgart, Stuttgart 1988, S. 1.
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ners« durch diejenige des »Managers« ersetzt wurde. Zu dieser Zeit wurden insbesondere in Skandinavien im Kontext der »workplace democray movements« relevante Beiträge zur Weiterentwicklung des Feldes formuliert.15 Die Idee, dass skandinavische Arbeitnehmer/innen auf demokratische Weise an der Planung und Gestaltung ihres Arbeitsplatzes teilhaben sollten, war eng mit der zunehmenden Computerisierung und Digitalisierung von Arbeitsumgebungen und Arbeitsabläufen verbunden: »Participatory Design researchers and Scandinavian trade unions initiated a range of collective activities to question existing approaches to the computerization of the workplace, to create visions of different kinds of future workplaces and practices to design the new computer based systems that would shape them.«16 Die Verbindung von Human-Computer Interaction und partizipatorischem Design im skandinavischen, aber auch im anglophonen Diskurs erwies sich als produktive Schnittstelle und brachte eine Vielzahl innovativer Ansätze und theoretischer Transfers hervor. Gegenwärtig ist etwa die Übertragung und Weiterentwicklung von Konzepten aus der Akteur-Netzwerk-Theorie und den Science and Technology Studies auf den Bereich des partizipatorischen Designs zu beobachten. So greift Pelle Ehn in seinen Arbeiten zentrale Konzepte der Akteurs-Netzwerk-Theorie auf, namentlich Latours Konzept von »thing«, das sowohl die gemeinschaftsöffentliche, politische Aushandlung von Sachverhalten und Fakten 17 als auch deren materielle Erzeugung und mediale Darstellung meint.18 Mit dem Kompositwort »design thing« adressiert Ehn eine Aporie, »to deal with a thing« that is not yet there, that does not yet exist«,19 die sich gerade für die Gestaltungsdisziplinen und die Designforschung als besonders zutreffend erweist: »For designers, there are two kinds of outcome of a design thing: there is the engineering outcome: devices providing access to functions, but at the same time there is the architectural outcome; ›things‹ modifying the possible spaces of interaction (functional, aesthetic, cultural etc.).«20 Folgt man dieser Sichtweise, dann wird das Konzept des »design thing« als Bestandteil partizipatorischer Gestaltungsprozesse aktiv, indem nicht mehr die Gestaltung finaler Designprodukte im Vordergrund steht, sondern die Veränderung von Möglichkeitsräumen medialer und damit auch gesellschaftlicher Interaktion. Es scheint nur evident, dass Partizipation als Form der Arbeitsteilung sowie als Wunsch nach Teilhabe an der Gestaltung der
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artifiziellen Welt wesentlich den veränderten Lebensbedingungen der digitalen Gesellschaft entspricht. Interaktive und kollaborative Phänomene wie Web 2:0, Social Media, »Prosumenten« und »Produtzers«,21 Crowdsourcing, Schwarmintelligenz22 oder Netzwerktheorien23 sind nicht nur die technologischen und konzeptuellen Konsequenzen einer allumfassenden gesellschaftlichen Digitalisierung, sondern sie verweisen symptomatisch auf einen gefühlten Mangel an Integration innerhalb hochspezialisierter Arbeitstechnologien und ausdifferenzierter Wissenssysteme. Partizipatorisches Design ist in diesem Kontext als Versuch zu verstehen, blinde Flecken und Sollbruchstellen bei der Projektierung und Gestaltung von interaktiven Mensch-Maschine-Systemen aufzuzeigen, Mängel in der Konzeption von Nutzerszenarien zu adressieren und bestenfalls zu beheben. Gesucht werden also nicht nur theoretische Antworten, sondern auch pragmatische Lösungen im Hinblick auf die Frage, »how to establish meaningful and productive interactions among those directly charged with processes of technology design and use«.24 Gerade bei der Entwicklung von digitalen Kommunikationsund Informationstechnologien soll durch den Einsatz von partizipatorischen Designverfahren der idealisierte, rational agierende »Modellnutzer« der klassischen Usability- und Planungsforschung
15 Robertson/Simonsen: Challenges and Opportunities in Contemporary Participatory Design, S. 4. 16 Robertson/Simonsen: Challenges and Opportunities in Contemporary Participatory Design, ebd. 17 Latour, Bruno: »Ein vorsichtiger Prometheus. Einige Schritte hin zu einer Philosophie des Designs, unter besonderer Berücksichtigung von Peter Sloterdijk«, in: Marc Jonen/Sjoerd van Tuinen/ Koenraad Hemelsoet (Hg.): Die Vermessung des Ungeheuren: Philosophie nach Peter Sloterdijk, Paderborn 2009, S. 356–373. 18 Latour, Bruno: »Drawing Things Together«, in: Michael Lynch/Steve Woolgar (Hg.): Representation in Scientific Practice, Cambridge, MA/London 1990, S. 19–68.
19 Ehn: Design Things: Drawing Things Together and Making Things Public, S. 39. Siehe dazu auch: Binder, Thomas et al.: Design Things, Cambridge/MA 2011. 20 Ehn: Design Things: Drawing Things Together and Making Things Public, S. 40. 21 Zum Begriff des Prosumenten (engl.: prosumer), der eine Verschmelzung von Konsument und Produzent impliziert, siehe Toffler, Alvin: The Third Wave, New York 1980 (Deutsche Übersetzung: Die dritte Welle – Zukunftschance: Perspektiven für die Gesellschaft des 21. Jh., München 1983). Weiterführend siehe Blättel-Mink, Birgit/ Hellmann, Kai-Uwe (Hg.): Prosumer Revisited: Zur Ak tualität einer Debatte, Wiesbaden 2010, darin speziell zum Begriff »Produtzer«: Bruns,
Axel: »Vom Prosumenten zum Produtzer«, S. 191–205. 22 Ein aufschlussreicher medienhistorischer Beitrag dazu stammt von Vehlken, Sebastian: Zootechnologien: Eine Mediengeschichte der Schwarmforschung, Zürich/ Berlin 2012. 23 Siehe zu einer historischen respektive sozialwissenschaftlichen Übersicht Gießmann, Sebastian: Netze und Netzwerke. Archäologie einer Kulturtechnik, 1740–1840, Bielefeld 2006 sowie Stegbauer, Christian: Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie: ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010. 24 Suchman, Lucy: »Foreword«, in: Schuler, Douglas/Namioka, Aki (Hg.): Participatory Design. Principles and Practices, Hillsdale 1993, S. VII–IX, hier S. VII.
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durch komplexere situative Handlungstypologien und -modelle ersetzt werden, wie sie in realweltlichen Interaktionskontexten beobachtet werden können.25 Reale Nutzer/innen folgen bei der Handhabung technischer Geräte und Infrastrukturen nicht zwangsläufig den von den Entwicklern und Herstellern intendierten Handlungsroutinen, sondern ersinnen in der konkreten Interaktion mit den Artefakten eigensinnige und non-intentionale, nichts desto weniger aber erfolgreiche Weisen der Nutzung bzw. Umnutzung.26 Solche situativen Handlungsmuster und Nutzungserfahrungen zu erkennen und sie frühzeitig in Gestaltungs- und Entwicklungsprozesse von technischen Systemen zu integrieren, ist eines der zentralen Anliegen von partizipatorischen Designprojekten. Pelle Ehn findet dafür die Formulierung: »designing for use before it actually has taken place – design for use before use«.27 Macht/Wissen-Komplexe und Kritik an partizipatorischem Design Die Verfahren des partizipatorischen Designs sind weder auf die Planung von urbanen Räumen, noch auf informations- und kommunikationstechnische Interaktionen begrenzt. Sie umfassen vielmehr sämtliche Konstellationen und Aktivitäten, in denen professionelle und nicht-professionelle Designer in Gestaltungs- und Entwicklungsprozessen als Co-Designer zusammenarbeiten28 und in denen eine kollektive »reflection-in-action« entsteht,29 wie sie der Soziologe Donald Schön schon in den 1980er-Jahren beschrieb: »When someone reflects-in-action, he becomes a researcher in the practice context. He is not dependent on the categories of established theory and technique, but constructs a new theory of the unique case. […] He does not separate thinking from doing […] reflection-in-action can proceed, even in situations of uncertainty or uniqueness, because it is not bound by the dichotomies of Technical Rationality.«30 Mit dem Fokus auf die situativen Prozesse und Praktiken der Gestaltung geht also auch ein profundes epistemologisches Interesse an praxis- und handlungstheoretischen Konzeptionen, soziomateriellen Realisationsformen und Routinen von »Praxis« und »Arbeit« einher, welche die Grenzen rationalen Handelns oder technischer Rationalität übersteigen.31 Eine der basalen Überzeugungen in dem Feld besagt mithin, dass Praxis nicht bloß als funktionaler Vollzug rationaler oder technischer Vorgaben, sondern als eine soziale Aktivität verstanden werden muss.32 Anwendungsfelder für partizipatorisches Design finden sich entsprechend dieser Prämisse
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heute in so gut wie allen Bereich des »tätigen Lebens« (Arendt):33 bei der Stadt- und Quartierplanung, in politischen Aushandlungen, innerhalb medizinischer Kontexte, bei der Produktentwicklung oder in der Marktforschung.34 Die Spannbreite und Ubiquität möglicher Anwendungskontexte partizipatorischer Gestaltung bringen es mit sich, dass die Rolle von Partizipation heute in sehr unterschiedlicher Radikalität und Konsequenz gedacht wird. Partizipation kann von der oberflächlichen, manipulativen Einbeziehung von Konsumenten bei der Produktentwicklung bis hin zu radikalen Formen des politischen Aktivismus im Kontext von gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen reichen. Auch gründet der Wunsch nach gestalterischer Teilhabe oft auf unkritischen oder idealisierenden Vorstellungen von Demokratie und politischer Teilhabe. Diese Kritik trifft indes nicht nur für heutige Formen des partizipatorischen Designs zu, sondern begleitet dieses schon seit seinen Anfängen. Dabei ist nicht nur die Art und Weise ausschlaggebend, wie partizipatorische Designprozesse geplant und durchgeführt werden, sondern auch der soziale oder politische Status der Initiatoren solcher Prozesse sowie der Moment, in dem ein Problem von einem handlungsmächtigen Akteur überhaupt erst als solches erkannt und definiert wird. Lucy Suchman, eine Pionierin der situativen Interaktionsforschung, fasst den prekären Zusammenhang von Problemdefinition und Handlungsmacht wie folgt zusammen: »A key concern throughout is the question of who does what to whom: whose interests are at stake, who initiates action and for what reasons, who defines the problem (or decides that there is one).«35
25 Wegweisend in dieser Hinsicht ist die Studie, welche die Technikanthropologin Lucy Suchman in den 1980er Jahren am Xerox Palo Alto Research Center zum situativen Umgang mit technischen Geräten durchgeführt hat und in der sie eine Erweiterung des Interaktionsbegriffs im Sinne von soziomaterialen »Rekonfigurationen« vorschlägt. Suchman, Lucy: Plans and Situated Actions: The Problem of Human-Machine Communication. Cambridge 1987. Eine überarbeitete und erweiterte Ausgabe erschien 2007: Dies.: Human-Machine Reconfigurations: Plans and Situated Actions. Cambridge 2007, zum Aspekt der »Rekonfiguration« siehe S. 259–286.
26 Weiterführend zum Thema nicht-intentionales Design siehe Brandes, Uta/Erlhoff, Michael/Wagner, Ingo: Non Intentional Design, Köln 2006. 27 Ehn: Participation in Design Things, S. 93. 28 Ehn: Participation in Design Things, ebd. Siehe dazu auch den Beitrag von Elizabeth Sanders in der vorliegenden Publikation: »Perspectives on Participation in Design.« 29 Robertson/Simonsen: Challenges and Opportunities, S. 3. 30 Schön, Donald A.: The Reflective Practitioner: How Professionals Think in Action, New York 1983, S. 68 f.
31 Robertson/Simonsen: Challenges and Opportunities, S. 5. 32 Robertson/Simonsen: Challenges and Opportunities, ebd. 33 Arendt, Hannah: Vita activa oder vom tätigen Leben, Stuttgart 1960. 34 Beispiele, die das weite Anwendungsfeld für partizipatorisches Design veranschaulichen, sind die Praxisprojekte, die in der vorliegenden Publikation vorgestellt werden. 35 Suchman: Foreword, S. VII f.
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Von kritischer Bedeutung ist bei all den unterschiedlichen Modellen, Projekten und Praktiken also die Frage, wie sich vorherrschende Macht/Wissen-Komplexe36 innerhalb von organisierten und dadurch zwangsläufig vorstrukturierten Teilhabeprozessen überhaupt neu konstituieren können – oder ob sich nicht im Gegenteil hegemoniale Machtgefüge und bestehende soziale Strukturen dadurch gerade re-aktualisieren und stabilisieren.37 Dieser Punkt wird vor allem dann virulent, wenn sich der Wirkungsbereich von politischer Teilhabe auf den Bereich der Gestaltung beschränkt und tieferliegende strukturelle Probleme in Politik und Gesellschaft außer Acht bleiben. Durch partizipatorische Gestaltung wird dann de facto zwar eine Form der Teilhabe realisiert, die jedoch keinerlei weitreichende Konsequenzen und gesellschaftspolitische Veränderungen nach sich zieht. Nicht nur die Frage nach den realen Möglichkeiten und den Grundlagen demokratischer Teilhabe kann sich für die Glaubwürdigkeit und Effizienz von partizipatorischer Gestaltung als prekär erweisen, auch greift die Idee zu kurz, dass sie ein Gegenmodell zu professionellen, expertokratischen Planungs- und Designkulturen sei: Professionalisierung, Expertentum und Partizipationsbegehren stehen einander keineswegs komplementär gegenüber, sondern scheinen einander vielmehr zu bedingen. So sind der Wunsch nach Teilhabe an Gestaltungsprozessen und die daraus resultierenden partizipativen Gegenmodelle und Praktiken aufs Engste mit Mechanismen der Ausdifferenzierung, Abgrenzung und Monopolisierung verbunden, wie sie jede Herausbildung von Expertenkulturen und Spezialistentum mit sich bringt – und wie sie auch im Feld des Designs zu beobachten sind: »Das Monopol, um welches es hier geht, betrifft die legitime Definition dessen, […] was als Design zu gelten hat. Es geht dabei um die Regulierung der Zugangschancen zum Feld des Designs, […] es geht um die Definition von Qualitätskriterien zur Bestimmung von gutem und schlechtem Design, um die Festlegung von als legitim zu erachtenden und sanktionierten Grenzen zwischen Design und Nichtdesign […].« 38 Vor diesem Hintergrund ist das Konzept von partizipatorischem Design nicht zwingend als ein Gegenmodell zu professionalisierten Designkulturen zu verstehen, vielmehr ist das Begehren nach Teilhabe im Professionalisierungsprozess des Designs selbst schon angelegt. Durch die Definition dessen, was als »gutes Design« oder »erfolgreicher Designer« gelten soll, werden explizit, meist aber implizit Kriterien und Verfahren des Einschlusses, aber auch des Ausschlusses festgelegt und perpetuiert.39 Damit sind bereits per
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Definition bestimmte gesellschaftliche Gruppen und Personen aus Design- und Gestaltungsprozessen ausgeschlossen. Auch werden partizipatorische Designprojekte in der Regel noch heute nicht von Laien, sondern von professionellen Designern/innen angeleitet und initiiert – ungeachtet der Frage, worum gerade ihnen die Auswahl und Deutungshoheit über Fragen zukommen soll, die weite Teile der Bevölkerung betreffen. Das kritische Potenztial, das partizipatorischen Gestaltungsansätzen attestiert wird, ist also oft noch ex negativo den professionellen Maßstäben professionellen Expertendesigns verhaftet. Auch arbeitet die Idealisierung demokratischer Prozesse einer Stabilisierung hegemonialer Machtverhältnisse und der Bestätigung des gesellschaftlichen Status quo zu. Lucius Burckhardt bemerkt dazu: »Die Beplanten leben in ihrer Realität, ebenso auch die Planungsberechtigten in der ihren. Die subjektive Realität oder die Art, wie der einzelne die Wirklichkeit zu sehen vermeint, ist die Folge seiner Erziehung in der Gesellschaft, also eine soziale Konstruktion.«40 Dieser ambivalenten Konstitution ist letztlich wohl ein Großteil der Kritik geschuldet, mit der sich partizipatorisches Design fast schon traditionsgemäß auseinandersetzen muss. Nach wie vor stellt sich die Frage, ob das Leitbild der partizipatorischen Gestaltung nicht auf einem idealisierenden Verständnis von Demokratie und sozialer Beteiligung gründet. Nichtsdestoweniger kann die Geschichte des partizipatorischen Designs heute aber auch als Erfolgsgeschichte gelten. Mitbeteiligt an diesem Erfolg ist die gegenwärtige Konjunktur der Designforschung im deutsch- und englischsprachigen Raum sowie die Methodendebatten, die sie begleiten. Immer öfters werden im Kontext von Designforschungsprojekten gestalterische Entwurfsund Produktionsprozesse im Hinblick auf geteilte Autorschaft und demokratische Teilhabe befragt oder Modelle von Co-Design in
36 Siehe Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M.1977, S. 39. 37 Siehe dazu den Artikel von Sandra Buchmüller im vorliegenden Buch: Partizipation = Gleichberechtigung? Eine Betrachtung partizipativen Gestaltens
im Kontext feministischer Designforschung und -praxis. 38 Schultheis, Franz: »Dis ziplinierung des Designs«, in: Ralph Michel/Swiss Design Network (Hg.): Forschungslandschaften im Umfeld des Designs, Zürich 2005, S. 65–84, hier S. 68.
39 Siehe dazu auch Mareis, Claudia: Design als Wissenskultur. Interferenzen zwischen Design- und Wissensdiskursen seit 1960, Bielefeld 2010, S. 273 f. 40 Burckhardt, Lucius: »Wer plant die Planung (1974)«, in: Fezer/Schmitz: Lucius Burckhardt, S. 71–88, hier S. 85.
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unterschiedlichen Anwendungskontexten erprobt. Zugleich kann eine Konsolidierung des partizipatorischen Designdiskurses innerhalb der Designforschung beobachtet werden. Zahlreiche Designmethoden und Tools, die in den letzten Jahrzehnten in diesem Bereich entwickelt wurden, gelten heute als Standard für die Disziplin. »These techniques and tools include various kinds of design workshops in which participants collaboratively envision future practices and products; scenarios, personas and related tools that enable people to present their activities to others (rather than having others do this for them); various forms of mock-ups, prototypes and enactment of current and future activities used to coordinate the design process; and iterative prototyping so that participants can interrogate developing designs and ground their design conversations in the desired outcomes of the design processes and the context in which these will be used.«41 Partizipatorisches Design ist heute, so kann resümiert werden, in der Mitte der Designforschung angekommen und bildet einen festen Bestandteil ihres Themenrepertoires und Methodenkanons. Die Frage, wer die Gestaltung gestaltet, ist aber nicht nur für das Design und die Designforschung virulent. Sie öffnet vielmehr grundlegend den Blick für die Bedingungen, Potenzial und Grenzen demokratischer Planungs-, Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse – vor allem für solche, die über die Gestaltung hinausgehen und uns als Gesellschaft betreffen.
41 Robertson/Simonsen: Challenges and Opportunities in Contemporary Participatory Design, S. 3.
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1 Geschichte
Gestaltung und ihre soziale Organisation Schlaglichter auf die Geschichte der Partizipation in den USA und Westeuropa (1960–1980) Susanne Schregel
Die Frage, wer die Gestaltung gestaltet bzw. gestalten sollte, gewann in den Jahren zwischen 1960 und 1980 besondere Aktualität und Dringlichkeit. Begleitet von einer Politisierung in der Stadtplanung und in der Architekturentwicklung, verbreitete sich in dieser Zeitphase die Debatte darüber, wie Gestaltungsprozesse sozial angemessen zu organisieren wären. In den USA und Westeuropa erörterten Experten wie zivilgesellschaftliche Initiativen die Notwendigkeit, die bürgerschaftliche Teilhabe in Gestaltungsfragen zu erhöhen und »Laien«, Bürger bzw. »Betroffene« mehr als bisher zu beteiligen. Sie befassten sich mit konkreten Methoden, Entwurfsund Gestaltungsprozesse in die Hände der Bürger zu geben, und erprobten diese praktisch. Ansätze partizipatorischer Gestaltung und Bürgerbeteiligung waren vielfältig; sie reichten von Instrumentarien wie der Anwaltsplanung (»advocacy planning«) und der Nachbarschaftsorganisation nach US-amerikanischem Vorbild über die Bürgerversammlung zur Fragebogenaktion, von Ausstellungen, Interviews und Gesprächen hin zu Design Games, Simulationen oder Zukunftswerkstätten.1 Zeitgenössisch viel diskutiert wurde
1 Einen Einblick in historische wie gegenwärtige Partizipationsdebatten (mit Schwerpunkt auf der Architektur und Planung) geben: Peter Blundell Jones/Doina Petrescu/Jeremy Till (Hg.), Architecture and participation, New York: Routledge 2005; Edlinger, Rudolf/Potyka, Hugo: Bürger-
beteiligung und Planungsrealität. Erfahrungen, Methoden und Perspektiven, Wien: Picus 1989; Jesko Fezer/Mathias Heyden (Hg.), Hier entsteht. Strategien partizipativer Architektur und räumlicher Aneignung. metroZones 3, Berlin: b_books 2. Aufl. 2007; Paul Jenkins/Leslie Forsyth (Hg.),
Architecture, participation and society, London/New York: Routledge 2010. Wenig ergiebig dagegen: Bostenaru Dan, Maria: Von den Partizipationsmodellen der 70er Jahre zu Kommunikationsformen Ende des XX.ten Jahrhunderts in Architektur und Städtebau, Göttingen: Cuvillier 2007.
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auch der Ansatz Walter Segals, der einen Selbstbau von Holzhäusern ermöglichen wollte.2 Von einem gewachsenen Interesse am Verhältnis von »Experten« und »Laien« künden nicht zuletzt bekannte Reflexionen dieser Zeit wie diejenige über eine nicht professionell moderierte Gestaltung und Gebrauchsarchitektur (»Learning from Las Vegas«)3 oder über eine »Architektur ohne Architekten«4. Der vorliegende Beitrag richtet den Blick auf einige zentrale Themenfelder, in denen der Ruf nach einer Bürgerbeteiligung in Architekturentwicklung und Planung akut wurde. In welchen Bereichen artikulierten sich Forderungen nach partizipativer Gestaltung in den USA und Europa? Wie verbanden sich diese mit politischen und technischen Entwicklungen dieser Zeitphase? Auf welche Gegenstandsbereiche richteten sich Partizipationsforderungen jenseits konkreter Bauten oder Planungsgebiete? Schließlich: Welche Erkenntnisse ermöglicht die Geschichte der Partizipation für unser allgemeines Verständnis von Entwurf, Gestaltung und Design? Methodendebatten zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft Die Auseinandersetzung um eine stärkere bürgerschaftliche Beteiligung in Gestaltungsfragen entstand in einem Grenzbereich von politisierter Zivilgesellschaft, (wissenschaftlicher) Fachdebatte und staatlicher Förderung. Lehrveranstaltungen und Studienprojekte, die an Hochschulen der 1970er Jahre stattfanden, geben Zeugnis davon, wie sich im Nachklang der Studentenbewegung Interesse an einer teilhabeorientierten Gestaltung der Gestaltung artikulierte.5 Umgekehrt belegen Publikationen von Bürgerinitiativen (unter Beteiligung von Architekten und Planern) in Fachzeitschriften einen direkten Transfer von Ansätzen zivilgesellschaftlicher Initiativen in die wissenschaftliche Reformdiskussion.6 Auch staatliche Instanzen begrüßten partizipative Ansätze und unterstützten diese durch die Auflage spezieller Förderprogramme sowie durch die legislative Verankerung von Beteiligungsgeboten.7 Diskussionen über eine vermehrte Teilhabe der Bürger waren eng mit der Frage verbunden, wie ein Teilhabeanspruch praktisch durchgesetzt werden könnte oder sollte. Bürgerinitiativen im Bereich der Stadtplanung experimentierten mit den praktischen Möglichkeiten gemeinsamer Gestaltung und Planung, Hausbesetzer artikulierten ihre Überzeugung von einem Recht auf eine »selbstbestimmte« Gestaltung urbaner Räume.8 Auch Wissenschaftler und Praktiker befassten sich mit der Frage, wie Bürger einzubeziehen
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wären.9 Yona Friedman etwa ermunterte die Nutzer dazu, im Dialog mit Fachleuten auf die eigene Fähigkeit zu setzen, zu planen und zu zeichnen. Ausgehend von der Überlegung, dass in einer auf die Vermittlung durch »Experten« angewiesenen »paternalistischen« Planung grundlegende Kommunikationsprobleme und Missverständnisse aufträten, strebte Friedman nach der Entwicklung einer Methode, mittels derer jeder Mensch durch einen speziellen graphischen »Code« seine eigenen baulich-planerischen Vorstellungen
2 Vgl. etwa Detlef Bock/ Clemens Deilmann/Jürgen Roder (Hg.), Ansätze zu einer sozialen Architektur. Beispiele einer demokratischen Bau- und Planungspraxis. Katalog zur Ausstellung »Alternative Architektur. Beispiele einer demokratischen Bau- und Planungspraxis«, Aachen: TH Aachen 1978, S. 26–27; Andritzky, Michael: »Einführung«, in: ders./Lucius Burckhardt/Ot Hoffmann (Hg.), Für eine andere Architektur. Band 2. Selbstbestimmt bauen und wohnen, Frankfurt: Deutscher Werkbund 1981, S. 14–20, hier S. 18; »Tendenzen im Wohnbau«, in: Rudolf Dirisamer/ Gernot Figlhuber/Ottokar Uhl (Hg.), Wohnen – Ein Handbuch, Wien/München: Löcker Verlag 1984, S. 247–268, hier S. 266–268. Resümierend: Blundell Jones, Peter, »Sixtyeight and after«, in: ders./ Petrescu/Till (Hg.), Architecture, S. 127–139, hier S. 130 ff.; Broome, Jon, »Mass housing cannot be sustained«, in: ebd., S. 65–75, hier S. 70–72. 3 Haumann, Sebastian: »Schade daß Beton nicht brennt …« Planung, Partizipation und Protest in Philadelphia und Köln 1940–1990, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2011, hier S. 116, schlägt als Übersetzung von »vernacular« »Gebrauchsarchitektur« vor. 4 Die Formulierung einer »Architektur ohne Architekten« geht zurück auf eine Ausstellung, die 1964 im Museum of Modern Art gezeigt wurde (Bernard Rudofsky, Architecture without architects. A short introduction to non-pedigreed architecture, New York 1964).
Im Deutschen war auch die Rede von einer »anonymen Architektur«. 5 Vgl. etwa als illustrative Einzelbeispiele (in chronologischer Folge): »Studien zur Mitbestimmung im Wohnungsbau. Wohnungsplanung durch die Benützer«, in: werk/ oeuvre H. 3 (1975), S. 295–297 (Wohnungsbauprojekt in Schweden, das bewusst auch die Entwicklung geeigneter Partizipationsstrategien zum Gegenstand hatte); Hege, Sibylla: »Selbstbau während des Studiums. Zusammenarbeit von Studenten und Bauherr als Modell«, in: Arch+ 13 (1981), H. 55, S. 53–54 (Studienprojekt am Lehrstuhl Baukonstruktion und Entwerfen, Fachbereich Architektur, Karlsruhe); Sulzer, Peter: »Notes on participation«, in: Blundell Jones/Petrescu/Till (Hg.), Architecture, S. 149–160, hier S. 150–155 (Selbstbauprojekt »Bauhäusle« an der Universität Stuttgart seit 1982, in Anlehnung an Segal); Sieber, Heinz G.: »Architekturlabor Hummelhof. Ein Selbstbau projekt mit Studenten in Darmstadt«, in: Arch+ 17 (1984), H. 77, S. 70–75 (Selbstbauprojekt für das Fachgebiet »Entwerfen und Hochbaukonstruktion«, TH Darmstadt, konzipiert im Herbst 1982/1983). 6 So Arch+ in den 1970er Jahren. 7 Zur Gesetzgebung und institutionellen Förderung vgl. etwa: Becker, Heidede: Stadtbaukultur. Modelle, Workshops, Wettbewerbe. Verfahren der Verständigung über die Gestaltung der Stadt. Mit Beiträgen
von Sabine Knott und Carl Krause. Schriften des Deutschen Instituts für Urbanistik, Band 88. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer 2002, S. 307; Lüttringhaus, Maria: Stadtentwicklung und Partizipation. Fallstudien aus Essen Katernberg und der Dresdner Äußeren Neustadt (Diss. Uni Trier 2000), Bonn: Stiftung Mitarbeit 2000, S. 84–85; Haumann: Beton, S. 83–89. 8 Vgl. etwa Haumann, Sebastian/Schregel, Susanne: »Andere Räume, andere Städte, und die Transformation der Gesellschaft. Hausbesetzungen und Atomwaffenfreie Zonen als alternative Raumpraktiken«, in: Hanno Balz/Jan-Henrik Friedrichs (Hg.), »All we ever wanted«. Eine Kulturgeschichte europäischer Protestbewegungen der 1980er Jahre, Berlin: Dietz 2012, S. 53–72. 9 Die Transformationen verwissenschaftlichend-systematisierender und rationalistischer Entwurfsansätze hin zu stärker partizipatorisch-erfahrungsbetonenden Orientierungen sind bisher vor allem im Hinblick auf die englischsprachige Designdebatte im Kontext des design methods movement diskutiert worden. Vgl. dazu Fezer, Jesko: »Planungsmethodik gestern«, in: disko (2007), H. 6, S. 5–69; ders.: »Deprofessionalisierungstendenzen«, in: disko (2011), H. 24, S. 4–27; Mareis, Claudia: Design als Wissenskultur. Interferenzen zwischen Designund Wissensdiskursen seit 1960, Bielefeld: transcript 2011, S. 34–54; Till, Jeremy: »The negotiation of hope«, in: Blundell Jones/Petrescu/Till (Hg.), Architecture, S. 23–41.
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artikulieren und ohne Verluste vermitteln könne.10 Partizipative Verfahren beschränkten sich aber nicht auf das Zeichnen, sondern versuchten die zeitgenössischen medialen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ratgeberbücher und zeitgenössische Erfahrungsberichte dokumentieren so einen breiten Fundus an Methoden bzw. Verfahren, die eine Beteiligung der Bürger erreichen sollten.11 Diese Ansätze wurden, wie etwa das gemeinsame Agieren mit Modellen, in zeitgenössischen (Selbst-)Darstellungen auch fotografisch besonders in den Mittelpunkt gestellt (vgl. Abb. 1 und Abb. 2). Abb. 1: Fotografische Inszenierung alternativer Planungsmethodiken, I: Partizipativer Planungsansatz mithilfe des Pappaufbaus einer Straße (»Straßenaktion«, Berlin-Kreuzberg, 1975)
Quelle: Arch+ 7 (1975), H. 28, S. 12
Abb. 2: Fotografische Inszenierung alternativer Planungsme thodiken, II: Personen am Papp modell eines Planungsgebietes (»Calthorpe Project«, King’s Cross, London, 1982). Fotografie von Marc Dorfman
Quelle: Wates, Knevitt (1987), Community architecture, Bild 19
Interessant sind auch die räumlichen Bezüge in partizipativen Projekten. Die Forderung nach Teilhabe koppelte sich so einerseits oft mit einer Akzentuierung der Bedeutung lokalen Wissens, gewachsener Strukturen oder regionstypischer Bauweisen. Andererseits griffen Protagonisten partizipativer Projekte zu deren Begründung gerade auch auf überlokal kursierende Muster und Verfahren zurück. Auf diese Weise wurden Ansätze wie etwa die Pattern Language von Christopher Alexander (USA), die in den Niederlanden entwickelte SAR-Methode zur flexiblen Grundrissgestaltung12
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oder die Verfahren der Anwaltsplanung (USA) 13 weit über ihre Herkunftsländer hinaus wahrgenommen und rezipiert und neu in lokale Kontexte eingebunden. Zeitgenössische Begründungsmuster partizipativer Strategien Versuche, ein partizipatives Entwerfen und Gestalten zu erreichen, wurden in den 1970er und 1980er Jahren auf verschiedene Art und Weise begründet. Am wichtigsten waren hierbei sicherlich Demokratisierungsforderungen. Die Zielvorstellung einer breiteren sozialen Teilhabe an Gestaltungsprozessen resultierte insofern aus einer umfassenden, auch wissenschaftsexternen Politisierung des Gestaltungsprozesses. Nicht-Teilhabe konnte als prinzipiell illegitimer Ausschluss aus (kreativen) Entscheidungsprozessen mit großer Auswirkung auf das alltägliche Leben der Bürger begriffen werden. Umgekehrt galt die Beteiligung als Mittel, die Beziehung der Bürger zu ihrer Umwelt zu verbessern, anthropologische Grundbedürfnisse zu realisieren und ureigene Rechte des Menschen wahrzunehmen: »Der einzelne muß bei der Entstehung seiner Umwelt mitwirken können, damit er sich mit ihr identifizieren kann. Das – glauben wir – ist ein Grundrecht des Menschen.«14 10 Friedman, Yona: Meine Fibel. Wie die Stadtbewohner ihre Häuser und ihre Städte selber planen können. Aus dem Französischen von Aglaja Hartig, Düsseldorf: Bertelsmann 1974, Vorwort zur deutschen Ausgabe: »Ziel dieses Büchleins ist es, seine Benutzer zu etwas mehr Selbstvertrauen (nicht jedoch zur Selbstüberschätzung) zu ermuntern. Ich glaube fest, daß jedermann für sich selbst planen kann; da aber der ›Experte‹ viel besser diskutiert als der zukünftige Bewohner, kann dieser von jenem leicht überredet werden. Ich wollte dem zukünftigen Benutzer also eine Hilfe geben, damit er nicht ›unbewaffnet‹ sei im Dialog mit dem ›Experten‹.« 11 Vgl. etwa Sanoff, Henry: Designing with community participation, Stroudsburg/ Pennsylvania: Dowden, Hutchinson & Ross 1978;
Wates, Nick/Knevitt, Charles: Community architecture. How people are creating their own environment, London: Penguin Books 1987, S. 141–146. 12 »SAR« ist die Abkürzung für »Stichting Architecten Research«, eine 1965 von einigen größeren holländischen Architektenbüros und ihren Standesvertretungen errichtete und finanzierte Initiative unter Direktor N. John Habraken. Das ursprüngliche Ziel der Initiative lag darin, die Standardisierung im Hochbau zu gestalten – etwa durch die leichtere Verwendung industrieller Ausbauteile, mehr Abwechslungsreichtum im seriellen Wohnungsbau, oder die Ermöglichung evolutionärer Prozesse durch Erweiterungen oder Austauschbarkeit. Die »SAR-Methode« in partizipativen Wohnungsbauprozessen wollte eine Beteiligung der Bewohner ermöglichen, indem
die »Primärstruktur« eines Gebäudes unabhängig von ihrer »Sekundärstruktur« gestaltet werden sollte. Lüchinger, Arnulf: 2-Komponenten-Bauweise. Struktur und Zufall, Den Haag: Arch-Edition 2000, insb. S. 18, spricht deshalb auch von einer »2-Komponenten-Bauweise«. Vgl. auch Bohning, Ingo: »Autonome Architektur« und »partizipatorisches Bauen«. Zwei Architekturkonzepte, Basel/Boston/ Stuttgart: Birkhäuser Verlag 1981, S. 124–126, S. 223–228; Kroll, Lucien: CAD-Architektur. Vielfalt durch Partizipation, Karlsruhe: C. F. Müller 1985, S. 60 f. 13 Vgl. dazu den Beitrag von Jesko Fezer in diesem Band. 14 Aus einer Werbebroschüre des Projektes »Urbanes Wohnen« Köln 1973, zitiert nach Haumann: Beton, S. 200.
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Zeitgenössische Ausführungen über die Vorzüge der Partizipation referierten zudem auf ein implizites, kontextgebundenes Wissen der Bürger, welches es adäquat nutzbar zu machen gelte. »Interest in user needs or user participation is not rooted in romanticism about human involvement but rather in the recognition that users have a particular expertise different than, but equally important to, that of the designer«15, postulierte so Henry Sanoff zu Beginn seiner 1978 publizierten Abhandlung über Methoden des partizipativen Designs (nach Sanoff: »design assistance techniques«). Dieses Begründungsmuster findet sich auch außerhalb der Lehrbücher in den Willenserklärungen zivilgesellschaftlicher Initiativen. Mit ähnlicher Schlagrichtung erklärte etwa eine Gruppe, die über eigene Zeichnungen und einen Videofilm die Gestaltung eines Münchner Viertels zu verbessern versuchte: »Unsere Vorstellungen von Stadtplanung sind nicht in die Form eines fertigen Entwurfs zu bringen, der dann von Behörden beschlossen und ausgeführt wird, deshalb wollen wir mit den Bewohnern zusammen unsere und ihre Vorstellungen ausprobieren.« »Wir wollen in unsere Planung das Wissen der Bewohner einbeziehen. Dieses Wissen ist verstreut und muss koordiniert werden. Unsere Planung ist dafür ein Gerüst.«16 Welche Ergebnisse aber könnte ein solches gemeinsames, partizipatives Entwerfen und Gestalten konkret hervorbringen? Könnten die Resultate einer solchen Vorgehensweise eine rein professionelle Gestaltung in Ästhetik oder Funktionalität übertreffen?17 Diese Frage fand unterschiedliche Antworten. Vorsichtige Protagonisten betonten, dass im Zuge partizipatorischer Strategien ohnehin nicht notwendig etwas Neues entstehen müsse. Auch Variationen bereits bekannter Lösungsmöglichkeiten, eine verbesserte Identifikation der Nutzer mit ihrem Wohngebäude oder prinzipiell die Ermöglichung von Vielfalt seien bereits lohnenswerte Ziele. So argumentierte eine Stellungnahme zum partizipativen Wohnungsbau gegen den Einwand, dass Beteiligung kaum zu substanziell neuen Lösungsmöglichkeiten führen werde, dies sei auch »gar nicht unbedingt notwendig«. Denn selbst wenn variierende Wohnungsgrundrisse »nichts Neues […] bringen, stellen unterschiedliche Einteilungsmöglichkeiten eine Verbesserung dar gegenüber den schematisch immer gleichen Grundrissen des Massenwohnungsbaus, die immer zu Anpassungsleistungen zwingen.«18
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Andere Stimmen artikulierten zwar ebenfalls Vorbehalte im Hinblick auf die Entwicklung gestalterischer Potenziale in der Breite der Bevölkerung. Sie hielten die Entwicklung kreativer Prozesse und die Herausbildung einer »demokratisierten Ästhetik« gleichwohl für möglich und notwendig. So forderte etwa der Architekt Ottokar Uhl 1976, ästhetische Prozesse müssten bereits aus »Gründen der Selbstbestimmung« und aus »Gründen der Selbstentfaltung und Persönlichkeitsentwicklung« aus den Händen weniger Geschulter in die Breite der Bevölkerung gegeben werden: »Anstelle der Spitzenleistung einzelner Ästhetikfachleute für wenige Privilegierte ist eine reduzierte ästhetische Leistung vieler zu fordern.« Diese schien Uhl zwar individual hinter der Ästhetik von Fachleuten zurückzubleiben, kollektiv betrachtet dennoch mehr zu überzeugen: »Die reduzierte Ästhetik der vielen schlägt infolge ihrer Quantität um in eine neue Qualität von Ästhetik, die der Ästhetik der Spitzenleistungen vorzuziehen ist.«19 Neben diesem Argument von einer Kreativität der großen Zahl konnte auch das Zusammentreffen unterschiedlicher Perspektiven als Quelle gestalterischer Produktivität akzentuiert werden.20 Dennoch regte sich an Ansätzen bürgerschaftlicher Teilhabe auch zeitgenössisch bereits Kritik. Hier schlugen sich nicht zuletzt unterschiedliche Erfahrungen mit praktischen Methoden partizipatorischer Planung und Gestaltung nieder. Sprechend ist diesbezüglich das Erlebnis, welches Studierende am Institut für Grundlagen der modernen Architektur Stuttgart (BRD) bei einer Studienreise
15
Sanoff: Designing, S. 1.
16 »münchen lehel«, in: Monika Hartmann/Wolfram Koblin/Roswitha Näbauer (Hg.), selber & gemeinsam planen, bauen, wohnen, München: Selbstverlag 1978, S. 86–100, hier S. 88. 17 Das Nachdenken darüber, inwieweit partizipatorisch entstandene Lösungen »konventionell« produzierten ästhetisch und funktional über- oder unterlegen waren, prägt auch die retrospektive Debatte. Vgl. etwa Loeper, Herwig: »Industrieller Wohnungsbau für die Zukunft von gestern. Das Wohnungsbauexperiment ›Variables Wohnen‹ in Ost-Berlin 1970«, in: Fezer/ Heyden (Hg.), Hier entsteht, S. 113–121, hier S. 117 ff. Vgl. auch die Diskussion bei
Bohning: »Autonome Architektur«, S. 128 f., mit der Frage, ob partizipative Projekte kunstfeindlich seien. 18 Brech, Joachim: »Grenzen der Partizipation und der Selbstbestimmung im Wohnbereich. Ansätze zu ihrer Überwindung«, in: Andritzky/ Burckhardt/Hoffmann (Hg.), Für eine andere Architektur, S. 21–39, hier S. 32. 19 Uhl, Ottokar: »Demokratisierte Ästhetik«, in: Rudolf Dirisamer/Gernot Figlhuber/ Wolfgang Werner (Hg.), Marginalien zur Kunstpädagogik. Wien/München: Verlag Jugend und Volk 1976, S. 158–164, hier S. 163. 20 Vgl. so Halfmann, Jasper/ Zillich, Clod: »Unkraut vergeht nicht. Modelle kreativer Selbst-
hilfe«, in: Arch+ 7 (1975), H. 28, S. 2–12, hier S. 4. Diese erklärten, es könne »uns als Künstlern und Planern nicht darum gehen, die eigene subjektive künstlerische Ausdruckswelt zu verdrängen, den puristischen Standpunkt einer ›Massenlinie‹ anzunehmen, sich selbst gesichtslos in den Dienst der Artikulation populärer Kultur zu stellen. Was uns zentral interessiert, ist der produktive Dialog zwischen dem avancierten Sensorium der Avantgarde und der eruptiven Produktivität populärer Kultur. Aus diesem Dialog […] kann sich eine neue strukturelle Iconografie entwickeln, in der einander entfremdete Bereiche unserer Kultur kooperieren gegen den Totalitarismus der technischen Rationalität.«
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in die USA im Herbst 1970 machten. Die Reise nach Boston, Chicago, Philadelphia und New York widmete sich unter anderem den Themen »Partizipationsmodelle in den USA, Vergleich dieser Modelle, Kritik, Ansprüche dieser Modelle«, »Machtverhältnisse in den USA, Institutionen, rechtliche Verankerung der Partizipation«, der »Untersuchung realisierter Partizipationsfälle« und der Diskussion der »Rolle des Planers bei der Partizipation der Betroffenen«.21 Während dieser Reise begegneten die Studierenden neben einem Gros an befürwortenden Positionen teils auch äußerst negativen Einschätzungen von Beteiligungsverfahren. Die Skepsis der in den USA befragten Experten beschränkte sich hierbei nicht auf Fragen der Ästhetik.22 Vielmehr brachten einige Gesprächspartner auch die Frage auf, ob Partizipation nicht lediglich der Organisierung von Zustimmung für staatliche Zwecke diene und in diesem Sinne politisch kontraproduktiv sei. So begrüßten Frances Fox Piven und Richard A. Cloward von der Columbia University (School of Social Work) die deutschen Studierenden mit der Frage, weshalb sie »die amerikanischen Erfahrungen von Partizipationsmodellen, die völlig gescheitert seien, die nur affirmativ wirkten und ausschließlich der Besänftigung dienten, nach Deutschland übertragen wollten?«. Partizipation lenke die Bürger lediglich von direkten politischen Aktionen ab. Statt dessen empfahlen die Gesprächspartner: »(P)articipation is dead, stay away, confront them« – »(A)ct, but not by procedures laid down by the bureaucracy«23. US-Publikationen zur Partizipationsdebatte waren von ähnlich deutlichen Zweifeln geprägt. Vielsagend ist etwa, dass sich der bahnbrechende und bis in die Gegenwart viel zitierte Aufsatz der US-amerikanischen Protagonistin Sherry R. Arnstein [»A ladder of citizen participation« (1969)] schwerpunktmäßig gar nicht mit gelingender Partizipation befasste. Vielmehr dienten weite Strecken des Aufsatzes dem Zweck, vor nur scheinbarer Partizipation – etwa zur Organisierung von Zustimmung oder Legitimation – zu warnen. In der von Arnstein konzipierten »Leiter der Partizipation« rekurrierten so auch nur die obersten drei Sprossen auf tatsächliche und gelingende Partizipation. Die fünf darunter angesiedelten Stufen reichten dagegen von Manipulation (»Manipulation«) bis Beschwichtigung (»Placation«) und verwiesen damit viel eher auf deren mögliches Scheitern.24 Auch in der Bundesrepublik Deutschland blieb Kritik an partizipativen Ansätzen nicht aus. Insbesondere im Hinblick auf die Erfahrungen mit dem Städtebauförderungsgesetz, das ein Beteiligungsgebot in Sanierungsgebieten formal verankert hatte, konstatierten zeitgenössische Publikationen bereits in den 1970er Jahren ein widersprüchliches Interesse gesetzlicher Partizipationsgebote.
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Das Ziel, durch Beteiligung die Implementation staatlicher Planungen zu verbessern, schien mit der Absicht einer vermehrten »Selbstbestimmung« der Bürger schwer in Einklang zu bringen.25 Partizipation, hieß es dementsprechend in einer zeitgenössischen Veröffentlichung, sei zwar einerseits als »Beteiligung der Nutzer und Betroffenen im Entwurfs- und Planungsprozeß« durchaus zu begrüßen. Andererseits berge sie jedoch auch Gefahren, insoweit sie drohe, Opfer einer »integrativen Mitbestimmungspolitik seitens des staatlichen Machtapparates« zu werden.26 Partizipation, konstatierte ähnlich skeptisch eine Publikation der frühen 1980er Jahre, bilde oftmals nur ein »demokratisches Sandkastenspiel«, das sich mit ohnehin bereits Vorentschiedenem befasse.27 Auf diese Weise waren die Befürworter partizipativer Ansätze teils zugleich deren schärfste Kritiker, indem sie vor unzureichend umgesetzten, plakatorischen und lediglich Zustimmung mobilisierenden Formen der Beteiligung warnten. Computerisierung, CAD und Partizipation Eine besonders interessante Facette der Partizipationsdebatte ist, dass diese sich streckenweise mit der anlaufenden Auseinandersetzung um die Möglichkeiten und Chancen der Computerisierung vermengte. In Anlehnung an Forschungsarbeiten etwa zu Simulationstechniken oder zum Computereinsatz als Weg zu einem
21 Joedicke, Jürgen/Institut für Grundlagen der modernen Architektur: Seminar- und USA-Reisebericht WS 70/71. Citizen Participation/Computer Aided Design. Redaktion: H. Kissel et al., Stuttgart: Selbstverlag 1971, S. 38. 22 Ein Student notierte etwa im Protokoll über ein Gespräch mit Stanley Tigerman (Chicago), der ein Wohnbauprojekt in einem Sanierungsgebiet unter Bewohnerbeteiligung durchgeführt hatte, dessen Bedenken hinsichtlich der Wünsche der Nutzer. So hatte sich der Archi tekt selber Hochhäuser gewünscht, die Nutzer sprachen sich aber zu dessen Bedauern klar dagegen aus. Der Architekt artikulierte diesbezüglich die Hoffnung, dass sich der
Geschmack der unteren Klassen längerfristig verändern werde. Vgl. Joedicke/Institut für Grundlagen der modernen Architektur, Seminar- und USA-Reisebericht, S. 156–158. 23 Ebd. S. 200–201. In ebd., S. 92–95 (Gespräch mit Edmund M. Burke vom Boston College, Department of Community Organization and Social Planning) wurden partizipatorische Ansätze ähnlich als mögliche Mechanismen der Erzielung von »Legitimation« benannt. Staatliche Planungsinstanzen betrieben Teilhabestrategien, um »effektiv die eigenen Handlungen voranzutreiben«; diese verfolgten »Partizipation im Sinne des schnelleren Ablaufs einer Planung, nicht aber um z. B.
aufgrund der Teilhabe unterschiedlich Betroffener Planalternativen im Hinblick auf eine adäquate Lösung für differierende Bedürfnisse zu entwickeln.« Burke hatte 1968 einen Aufsatz über »Citizen participation strategies« veröffentlicht. 24 Arnstein, Sherry R.: »A ladder of citizen participation«, in: Journal of the American Institute of Planners 35 (1969), July, S. 216–224. 25 Haumann: Beton, S. 170, in der Diskussion des Städtebauförderungsgesetzes. 26 Bock/Deilmann/Roder (Hg.), Ansätze, S. 23–25. 27
Andritzky: Einführung, S. 14.
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»Umwelthumanismus durch Intelligente Maschinen«28 erörterten einzelne Wissenschaftler und Praktiker die Computerisierung auch als eine Möglichkeit, Prozesse der Information, Kommunikation und Bewertung zu organisieren und eine erhöhte und effektivere Partizipation zu erreichen. Der Kybernetiker Stuart Umpleby (University of Illinois, USA) betonte etwa in einem Aufsatz in Policy Sciences 1970, dass ein Rechnereinsatz die Kommunikation zwischen Regierung, Öffentlichkeit und Planungsbehörden verbessern könne. In dem umgehend ins Deutsche übersetzten Beitrag hob Umpleby speziell die Möglichkeiten hervor, welche der »LehrComputer« als in den letzten zehn Jahren entstandenes »Kommunikationsmedium« bzw. »Kommunikationssystem mit Informationsrückkoppelung«29 biete: »Graphische und sonstige bildliche Informationen (in naher Zukunft auch gesprochene Informationen) können dem einzelnen Benutzer vom Computer in einer Menge geboten werden, welche der Benutzer bestimmen kann. Zusätzlich zu seiner Verwendung in bestimmten Lehrsituationen könnte der Lehr-Computer nun auch von Planungsbehörden eingesetzt werden, wenn sie politische Alternativen – so wie sie sie sehen – der Öffentlichkeit darstellen. Hintergrundinformationen würden auf Anforderung der Leute verfügbar werden, die mit Hilfe des Computers alternative Zukünfte ›ausprobieren‹, ›erkunden‹, d.h. simulieren. Die wahrscheinlichen Konsequenzen einer jeden Alternative könnten ebenfalls Teil des programmierten Materials sein. Während des Simulationsverlaufes wäre jeder Besucher in der Lage, seine Meinung zur Wünschbarkeit einer jeden Alternative abzugeben, oder er könnte gebeten werden, die Alternativen in seiner Präferenzskala einzuordnen.«30 Der Computer sollte den Bürgern freilich nicht nur zu einem möglichst fundierten Nachdenken über Optionen und mögliche Handlungsverläufe verhelfen. Umpleby würdigte den Computereinsatz daneben als eine Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen Regierung und Ausbildungsstätten zu fördern. Denn die beschriebenen Programme könnten an den Universitäten genutzt, die Ergebnisse dann an die Regierung weitergeleitet werden. Auf diese Weise werde die Universität zur möglichen »Probebühne politischer Konflikte«. Die Nutzung von Computern in der Industrie berge darüber hinaus das Potenzial, Konfrontationen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern zu verringern: »Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten gemeinsam die Folgen höherer Löhne und Preise durchdenken«. Indem der Computereinsatz soziale Konflikte
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früh erkennbar mache, verschaffe er zudem möglicherweise auch solchen Gruppen rechtzeitig Gehör, die im Vorbringen ihrer Interessen ansonsten eher schlecht organisiert seien.31 Auch in Europa entstanden in den 1970er und 1980er Jahren erste Diskussionen über die Möglichkeit, durch Computer die Teilhabe der Bevölkerung an Planungs- und Entwurfsprozessen zu steigern. Zwar blieb die Nutzung von Computern und CAD-Programmen bis Mitte der 1980er Jahre noch sehr selten32 und brachte enorme finanzielle Belastungen mit sich. Die Computerisierung war zudem mit Ängsten vor einer Verarmung menschlicher Phantasie und einer zunehmenden Standardisierung des architektonischen Ausdrucks befrachtet. Dennoch richteten sich auch in dieser Zeitphase schon vereinzelte Hoffnungen auf eine verbesserte Mitwirkungsmöglichkeit der Bürger. Der Computer versprach speziell im partizipativen Wohnungsbau praktische Einsatzmöglichkeiten.33 So betonte Ottokar Uhl, der Einsatz des Mikro-Computers könne Anschaulichkeit schaffen und dazu beitragen, die Folgekosten möglicher Entscheidungen synchron zum Diskussionsprozess der künftigen Nutzer kalkulierbar zu machen. Dabei hob Uhl insbesondere die grafischen Möglichkeiten des Computers hervor. Diese könnten genutzt werden, um »durch verschiedene Betrachtungsmöglichkeiten dem künftigen Bewohner ein anschauliches Bild
28 Zitat Weckherlin, Gernot: »Architekturmaschinen und wissenschaftliches Entwerfen. Entwurfspraktiken und -theorien Ende der sechziger Jahre«, in: Daniel Gethmann/Susanne Hauser (Hg.), Kulturtechnik Entwerfen. Praktiken, Konzepte und Medien in Architektur und Design Science, Bielefeld: transcript 2009, S. 203–226, hier S. 207, in der Diskussion von Nicholas Negroponte und der »Architecture Machine Group« am MIT. 29 Umpleby, Stuart: »Citizen sampling simulations: A method for involving the public in social planning«, in: Policy Sciences 1 (1970), H. 3, S. 361–375. Der Beitrag wurde im selben Jahr ins Deutsche übersetzt. Vgl. Umpleby, Stuart: »Citizen sampling simulations. Ein Weg zu demokratischer Planung«, in: analysen und prognosen (hg. vom Zentrum Berlin für Zukunftsforschung e.V.) 1970, H. 12, S. 17–20,
hier S. 18. Die Zitierung erfolgt hier nach dieser Übersetzung. 30 Ebd. Der Hintergrund dieses Projektes wird aus gegenwärtiger Perspektive auf der Website von Umpleby unter www.gwu.edu/~umpleby/afp. html näher erläutert [letzter Zugriff 14. 07. 2012]. Zur Geschichte und Vorgeschichte von Planspielen und Simulationen in der Planungsmethodik (mit und ohne Computernutzung) vgl. auch Fezer: »Planungsmethodik gestern«, S. 43–49. 31 Umpleby: »Citizen sampling simulations« (dt. Übersetzung), S. 19-20. 32 Nach Gauchel, Jupp/ Mathis, Krishan/Raetz, Peter: »Computer-Chinesisch für Anfänger«, in: Arch+ 17 (1984), H. 77, S. 26–32, S. 29, setzten in der BRD Ende der 1970er Jahre nur einige Dutzend Betriebe CAD-Programme ein. Anfang der
1980er Jahre seien es etwa 100 Betriebe gewesen. Für Mitte 1982 hätten etwa 300 Betriebe CAD jenseits des Versuchsstadiums genutzt. Zusammenfassend zur his torischen Entwicklung des CAD-/CAAD-Gebrauchs vgl. Becker: Stadtbaukultur, S. 50–56. 33 Vgl. Fezer: »Deprofessionalisierungstendenzen«, S. 11, zur Konferenz der Design Research Society 1971 in Manchester (unter Verweis auf die Beiträge von Nigel Cross, Nicholas Negroponte und William Mitchell); Uhl, Ottokar: »Eine Sprache sprechen«, in: Arch+ 17 (1984), H. 77, S. 44–47; Kroll: CAD-Architektur, S. 95–118; ders., »Homöopathische Architektur und tierischer Städtebau. Die Selbstverständlichkeit der Nutzermitbestimmung«, in: Fezer/Heyden (Hg.), Hier entsteht, S. 195–203; Till: The negotiation of hope, hier S. 28.
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seiner Wohnung zu vermitteln«.34 Trotz noch vorhandener praktischer Probleme werde sich der Computer durch seinen Einsatz in partizipativen Prozessen »als nutzerfreundliches Handwerkszeug zur Erlangung umfassender Information und zur Herstellung einer innigeren Kommunikation erweisen« können. Nach Uhl konnte der Computer somit als »Werkzeug zur Verhinderung der Monotonie« genutzt werden, statt durch wachsende Standardisierung Monotonie zu befördern.35 Praktisch erprobt werden sollte ein solches Vorgehen im Projekt Keyenburg bei Rotterdam, das von der niederländischen Architektengruppe KOKON geplant und gebaut wurde. Für das Wohnbauprojekt, in dem 152 partizipativ geplante Wohnungen in drei bis fünf Geschossen entstehen sollten, beauftragte die Architektengruppe die niederländische Stichting Architecten Research 36 mit der Entwicklung eines speziellen computerbasierten »Bewohnermitsprache-Programms«. Die Beteiligung der Bewohner sollte in drei Phasen erfolgen: Zu Beginn geplant war eine »erste Information mit Darstellung der Primär-Bau-Struktur (Rohbau), um erste Ideen zu entwickeln«. Mit der Erstellung des Computerprogramms wurde dann ein »erstes Beratungsgespräch« angesetzt: »Die künftigen Bewohner bringen Ideenskizzen mit. Der gemeinsam erarbeitete Grundriß wird mit dem Mikro-Computer weiterbearbeitet.« Schließlich könne eine »Simulation des bisher erarbeiteten Grundrisses mit Hilfe eines flexiblen 1:1 (!) Modells« erfolgen: »Die Bewohner sehen nun viel deutlicher ihre Entscheidungen.« Auf dieser Basis könnten weitere Grundrisskorrekturen durchgeführt werden. Der Computer sollte zudem eine Kostenberechnung und Mietvorausschätzung ermöglichen. Die Eingabe der Daten musste im angeführten Projekt letztlich aber doch zeitversetzt erfolgen, da sowohl die vorhandene Beratungszeit als auch das Personalbudget nicht ausreichten.37 Erst in späteren Jahren etablierten sich computerbasierte partizipative Strategien in einem größeren Maßstab – auch unter Nutzung der Möglichkeiten des Internets.38 Subjektivität, das Selbst und die Gesellschaft Indem kreatives Handeln in den 1970er und 1980er Jahren als wesentlicher Beitrag zur Persönlichkeitsentfaltung und »als natürliche Voraussetzung eines nicht-entfremdeten, sein Selbst ›verwirklichenden‹ Subjekts« begriffen werden konnte,39 maßen zeitgenössische Stellungnahmen der partizipativen Gestaltung eine zentrale Bedeutung für den einzelnen Bürger bei; sie betonten die Teilhabe an Gestaltungsprozessen als Prozess der Subjektivierung. Wie
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Robert Jungk am Beispiel der »Zukunftswerkstätten« erklärte, entwickelten die Beteiligten durch die Teilnahme an diesen von ihm propagierten, der Entwicklung von Kreativität in »Zukunfts«fragen gewidmeten Bürgerversammlungen »an einem kollektiven Geschehen, in das sie sonst erst viel später (nämlich in der Phase der Entscheidung durch Abstimmungen) oder gar nicht eingreifen dürfen, erhöhtes Interesse: der akklamierende Bürger wird zum mitschöpferischen Bürger«.40 Die Mitwirkung in methodisch strukturierten Versammlungen wurde hier zum Instrument einer Re-Attribuierung des Bürgers von der zustimmenden zur gestaltenden Instanz. Eine noch umfassendere Beziehung zwischen der Teilhabe an Gestaltungsprozessen und der Konstituierung des Selbst postulierend, erklärte ein Aufsatz zu einem beteiligungsorientierten Planungsverfahren, die »Veränderung des Produktionsprozesses« ermögliche »die Konstituierung der bisher bloß Betroffenen zum Subjekt ihrer alltäglichen städtischen Umwelt«.41 Aussagen wie diese schrieben der Teilhabe an Gestaltungsprozessen eine Bedeutung zu, welche weit über die mit diesen verbundenen konkreten Operationen hinausging; über die Veränderung von Selbstverhältnissen und die Gestaltung von Mensch-Umwelt-Beziehungen standen in ihrem Zentrum letztlich Ansprüche auf eine politisch-soziale (Mit-)Gestaltung der Gesellschaft, ermöglicht durch eine Verwirklichung des Bürgers als kreatives Selbst. Forderungen nach Partizipation tangierten zeitgleich auch die Rolle der professionell Beteiligten. Denn Architekten und Planer traten infolge der Teilhabeansprüche vermehrt als Moderatoren und Unterstützer von Gestaltungsprozessen anderer hervor, was auch Implikationen für die Beziehung zu dem hatte, was gestaltet wurde.
34 Uhl: Eine Sprache sprechen, S. 45. 35
Ebd. S. 46 f.
36 Vgl. dazu die Ausführungen bei Fußnote 12. 37 Uhl: Eine Sprache sprechen, S. 46. 38 Aktuelle Beispiele geben etwa Pereira, Marcia/ Townsend, Leanne: »Case studies on the use of participatory computer-based
techniques«, in: Jenkins/ Forsyth (Hg.), Architecture, participation and society, S. 130–138; Dekleva, Aljosa/ Gatto, Manuela/Gregoric, Tina/ Sedlak, Robert/Stroumpalkos, Vasili: »Negotiate my boundary. Reagierende Umgebungen und gemeinsame Räume«, in: Fezer/Heyden (Hg.), Hier entsteht, S. 177–185. 39 Reckwitz, Andreas: Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne
zur Postmoderne, Weilerstwist: Velbrück Wissenschaft 2006, S. 465. 40 Jungk, Robert: »Einige Erfahrungen mit ›Zukunftswerkstätten‹«, in: analysen und prognosen 5 (1973), H. 25, S. 16–19, hier S. 16. 41 Beck, Peter u.a.: »Lehrbauspiele. Überlegungen zu einer alternativen Berufspraxis und die Planungsstrategie der LEHRBAUSPIELE«, in: Arch+ 8 (1976), H. 30, S. 2–22.
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Sei »einmal das architektonische Objekt in seiner Selbstständigkeit und auratischen Hoheit angezweifelt und durch seine Beziehung zum Benutzer säkularisiert, wird damit auch der traditionelle Entwurfsakt des Künstlerarchitekten in Frage gestellt«, resümierte Ingo Bohning die Folgen eines partizipativen Vorgehens im Bereich der Architekturentwicklung: »Mit dem neuen Ziel, die Gestaltung der räumlichen Umwelt, die Entwicklung emanzipierten Bewusstseins und die bewusste Formung humanen Lebens in einem einzigen, permanenten schöpferischen Prozess zu vereinigen, geht der private Schöpfungsakt über in einen kollektiven Schaffensprozess.«42 Partizipative Gestaltungsstrategien relativierten auf diese Weise die Idee eines einzig verantwortlichen Autors für das ihm allein zugeschriebene »Werk«.43 Dies bedeutet freilich nicht, dass partizipative Ansätze mit einer Fokussierung von Aufmerksamkeit auf den Part der professionell Beteiligten gebrochen hätten.44 Ganz im Gegenteil ließe sich auch die gegenläufige Tendenz konstatieren: Professionell Gestaltende konnten gerade durch partizipative Projekte als Einzelperson bekannt werden. So merkte der Historiker und Zeitkritiker Colin Ward bereits im Jahr 1978 treffend an, dass die ansonsten in der Architektur übliche »Heldenverehrung« auch im Fall der Partizipation nicht beendet sei. Denn auch im Rahmen der neuen Gestaltungsvision entstünden »zufällige« Helden (»Accidental Heros«). Die öffentliche Aufmerksamkeit für Einzelne verlagere sich lediglich von einer »formale[n] Qualität ihrer fertigen Bauten« zu der »Art, wie sie ihre Arbeit angehen«. Als Beispiel solcher durch Prozessorganisation bekannt gewordenen Protagonisten nannte Colin Ward unter anderem die Namen Rod Hackney, Ted Cullinan, Jim Johnson, Ralph Erskine und Walter Segal.45 Die Bildsprache der Partizipation: Inszenierte De-Professionalisierung und die Konstruktion alternativer Professionalität Obgleich sich partizipative Projekte damit erklärtermaßen an breitere Bevölkerungskreise richteten und ihr Gegenstand weit über ihr konkret-materielles Ziel hinausging, bleibt die gegenwärtige Befassung mit ihnen dennoch von einer Expertenperspektive geprägt. So hängt der Blick auch auf vergangene Ansätze und Projekte der Partizipation in der Regel von Publikationen und Dokumentationen ab, welche eben nicht Nutzer oder Beteiligte, sondern etwa Architekten und Planer verfassten. Derartige Projekte erscheinen
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meist aus der Perspektive des professionellen Parts, während die »Beteiligten« anonym verbleiben und vergessen werden. Zeitgenössische Experten-Publikationen als Quellengattung werden dadurch zwar nicht obsolet, wenn es darum geht, die Geschichte der partizipativen Gestaltung zu schreiben. Dennoch wäre es möglich, diese im Bewusstsein ihres Entstehungskontextes stärker auch gegen den Strich zu lesen. So könnte etwa anhand dieser Veröffentlichungen genauer analysiert werden, inwiefern professionell Beteiligte die Inszenierung partizipativer Professionalität als Distinktionsstrategie nutzten: Wie stellten professionell Beteiligte ihre eigene Arbeit, ihre eigene Rolle im Rahmen partizipativer Projekte öffentlich dar? Wie legitimierten sie ihre Arbeit, und wie rechtfertigten sie die professionelle Organisierung verbaler und methodischer Deprofessionalisierung? Fragen nach der Konstruktion von Selbstbildern und nach den Strategien, die partizipative Projekte gegen als nicht-partizipativ betrachtete Ansätze abgrenzten, können sich insbesondere auch an die Bildlichkeit richten, welche sich im Kontext partizipativer Projekte entwickelte: Wie dokumentierten und präsentierten Architekten oder andere professionell Beteiligte partizipative Projekte, auch im Unterschied etwa zur konventionellen Zeichnung oder zur Architekturfotografie? Wie inszenierten sie diese visuell, um »Partizipation« bildlich zu markieren und auch auf diese Weise als distinktes Verfahren der Gestaltung sozial zu konstruieren?46 Abbildungen 1 bis 4 zeigen ausgewählte Fotografien, welche die Bildlichkeit partizipativer Gestaltung illustrieren können. Während die Fotografien in Abbildungen 1 und 2 vor allem partizipative Methodiken betonen, liegt das Schwergewicht in den folgenden beiden Fotografien auf der Inszenierung alternativer Professionalität. In der Fotografie in Abbildung 1 ist im Vordergrund ein Pappaufbau einer Straße (Teilausschnitt) zu sehen, welcher den Bewohnern bei einem partizipativen Projekt in Berlin-Kreuzberg 1975 zur Hand gegeben wurde. Hinter dem Straßen- und Fassadenmodell
42 Bohning: »Autonome Architektur«, S. 121f. 43 Vgl. zur weiteren Einordnung: Schregel, Susanne: »Partizipation«, in: Barbara Wittmann (Hg.), Werkzeuge des Entwerfens, Zürich: diaphanes 2013. 44 Vgl. im Übrigen auch Blunck, Lars: »Partizipation«, in: Ulrich Pfisterer (Hg.),
Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe. 2. Aufl. Stuttgart: Metzler 2011, S. 324–327, hier S. 326–327, zu den Grenzen einer Partizipation in der Kunst. 45 Ward, Colin: »Zufällige Helden«, in: Gerald R. Blomeyer/Barbara Tietze (Hg.), In Opposition zur Moderne. Aktuelle Positionen in der Architektur. Ein Textbuch,
Braunschweig: Vieweg 1980, S. 163–166 (= Artikel »Accidental Heros«, in: New Society, London, 18. Mai 1978, S. 373–374). 46 Vgl. dazu auch Lüchinger: 2-Komponenten-Bauweise, S. 13–14, S. 19–37, mit Aus führungen zu den Bildwelten der 2-Komponenten-Bauweise.
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stehen einige Kinder. Die wiederum hinter den Kindern angeordneten Erwachsenen sind nur bis etwa zum Brustkorb erfasst, sodass ihr Kopf nicht mit im Bild erscheint. Im Bildhintergrund steht eine beschriebene Tafel. Die Fotografie in Abbildung 2 zeigt ein britisches Beispiel aus dem Jahr 1982. In diesem Foto befindet sich ein aus Pappe gefertigtes Modell im Bildvordergrund, wobei ein erwachsener Protagonist auf der rechten Seite der Fotografie mit dem Modell zu agieren scheint. Hinter dem Modell befinden sich weitere Erwachsene und Kinder. Im Bildhintergrund ist eine beschriftete Stellwand erkennbar. In der Fotografie in Abbildung 3 ist der Architekt Ralph Erskine an einem Tisch in seinem Planungsbüro in Byker zu sehen. Der mittig platzierte Erskine wird von Kindern umrundet, die sich diesem teils interessiert zugewendet haben. Während im Vordergrund auf dem Tisch drapiert eine Zeichnung liegt, bestimmen an der Wand aufgehängte Kinderzeichnungen den Bildhintergrund. Die Fotografie in Abbildung 4 schließlich porträtiert den Architekten Rod Hackney vor einer Bewohnergruppe der Black Road, Macclesfield. Architekt und Bewohner wurden vor einer Häuserzeile fotografiert, wobei durch die perspektivische Fokussierung der Architekt in etwa so hoch wie die Häuser erscheint, die Bewohner aber deutlich kleiner. Abb. 3: Fotografische Inszenierung von Professionalität, I: Ralph Erskine zwischen Kindern (Planungsbüro in Byker)
Quelle: selber & gemeinsam bauen, planen, wohnen, S. 130
Abb. 4: Fotografische Insze nierung von Professionalität, II: Rod Hackney vor Bewohnergruppe (Black Road, Macclesfield)
Quelle: Wates, Knevitt (1987), Community architecture, Bild 4
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Aufschlussreich für eine Geschichte der Partizipation sind diese vier Fotografien in verschiedener Hinsicht. Drei Punkte seien an dieser Stelle hervorgehoben. Auffällig ist so erstens die große Altersspanne der abgebildeten Personen; sie erstreckt sich von Kindern über Personen im mittleren Alter hin zu älteren Leuten in Abbildung 4. Diese Motivwahl transportiert die Überzeugung, dass letztlich allen Personen die Fähigkeit zur Gestaltung ihrer Umwelt zukommt, dass diese also in der einen oder anderen Art und Weise jedem Menschen zu eigen sei. Mit der Aussage, dass jeder Bürger sich beteiligen könne, verbindet sich dabei zugleich auch die Aufforderung, dass jeder Bürger sich beteiligen solle. Dass Abbildungen 1 und 3 gerade Kinder besonders betonen, kann in einer doppelten Weise gedeutet werden. Einerseits hebt die Motivwahl eine postulierte Voraussetzungslosigkeit partizipativer Projekte hervor. Andererseits rekurriert die Darstellungsweise auch auf Annahmen einer »natürlichen« Kreativität insbesondere von Kindern (als Vorbild auch für Erwachsene); sie streicht den Wert »spielerischer« Problemlösungs- und Gestaltungsstrategien neben solchen hervor, die als systematisch-rational oder normiert begriffen wurden. Zweitens springt ins Auge, dass die ersten drei Fotografien gleich mehrere mediale Formate bzw. Entwurfswerkzeuge bildlich zusammenbringen: Pappaufbau und Tafel, Modell und Stellwand, Zeichnung (Kartierung) und Kinderzeichnung. Die Menschen werden in den Fotografien mittig zwischen diesen angesiedelt und erscheinen durch diese gleichsam umschlossen. Auch diese bildliche Strategie artikuliert letztlich das Postulat, dass die Entwicklung kreativer bzw. gestalterischer Potenziale jedem Einzelnen möglich sei. Sie akzentuiert diese Annahme freilich in einer bestimmten Weise, indem sie die den Menschen zugeschriebenen Fähigkeiten zugleich mit der Wahl bestimmter materieller Mittel koppelt: Allen Menschen ist ein kreativer Ausdruck möglich, insofern die geeigneten Ausdrucksmittel sie dazu in die Lage versetzen, und insofern sie diejenigen Werkzeuge zur Hand bekommen, die ihnen eine Teilhabe ermöglichen. Als drittes schließlich beinhalten die vier Beispiele auch eine Reflexion über die Rolle des Planers oder Architekten. Diese ergibt sich in einem visuellen Wechselspiel von Professionalität und Deprofessionalisierung. So betonen alle ausgewählten Fotografien zwar einerseits die Gruppe vor dem Einzelnen. Andererseits gewinnt aber – wie in den letzten beiden Beispielen – das Bild des Architekten gerade durch seine Einbettung in die Gruppe erst Kontur. In den Fotografien in Abbildungen 3 und 4 ist es so die Gruppe an Bewohnern, welche den Architekten als Hauptdarsteller in die Lage versetzt, seine eigene Rolle als hauptverantwortlicher Experte
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demonstrativ (und mehr oder weniger glaubwürdig) zu negieren. Gleichwohl verliert der Experte in den betrachteten Fotografien keinesfalls seine bestimmende Position. In der Einbindung anderer konstruiert er vielmehr seine (alternative) Professionalität visuell. Rod Hackney in Abbildung 4 wird so vor den (größtenteils erwachsenen) Bewohnern und deutlich größer gezeigt, um das Bild unangefochten dominieren zu können. Die Position von Ralph Erskine zwischen mehreren Kindern ist dagegen weniger gefährdet. Nahezu in der Bildmitte platziert, stellt die Anordnung des Architekten neben den abgebildeten Personen seine bildbestimmende Position daher nicht infrage – nicht zuletzt deshalb nicht, weil diese durch den Blick der Kinder weiter verstärkt wird. Subtiler, aber dennoch mit gleichlaufender Pointe funktionieren die Fotografien in Abbildungen 1 und 2: Erschienen in Publikationen mit architektonisch-planerischem Hintergrund, ist der professionelle Planer und Architekt auch in diesen keinesfalls abwesend. Vielmehr werden die fotografierten Personen durch ihre Einordnung zwischen Tafel, Aufstellwand und Modell ohne Unterschiede in eine Welt architektonisch-planerischer Gestaltung gebracht, in der die Anwesenheit professioneller Gestalter bereits als Spur (hier: der zur Verfügung gestellten Entwurfs- und Gestaltungswerkzeuge) und Blick (in der visuellen Inszenierung und Einbindung der Fotografien in eine umfassendere Argumentation) gesichert ist. Experten sind insofern in diesen Fotografien nicht weniger wichtig geworden; ihre Bedeutung wird lediglich auf alternative Art und Weise – aber nicht minder personenbezogen und professionalisiert – konstituiert. Die diskutierten Fotografien verdeutlichen mithin sowohl zeitgenössische Ziele partizipativer Gestaltung etwa im Hinblick auf demokratische Teilhabe oder politische Potenziale gestalterischer Selbstverwirklichung, wie sie implizite Folgen und Konsequenzen dieses Ansatzes zeigen. Der Ruf nach einer Teilhabe breiter Bevölkerungskreise wird in ihnen von Praktiken visueller (Selbst-) Inszenierung eingeholt, die letztlich doch einer Fokussierung auf den Architekten bzw. Planer selber – und vor den beteiligten Bürgern – Vorschub leisten. Diese Beobachtung ordnet sich in die vorherigen Ausführungen zur Geschichte der partizipativen Gestaltung ein. Denn die systematische Relativierung von Experten in Projekten partizipativer Gestaltung, die sich in der Ausweitung des Entwurfsgegenstandes bis hin zu Fragen kollektiver Subjekt- und Gesellschaftskonstitution äußerte, machte den Part des professionell Beteiligten wie dargelegt nicht obsolet. Die Rolle des Experten wurde aber im Hinblick auf Prozessorganisation und Unterstützungsleistungen re-definiert. Diese Entwicklung erzeugte scheinbar im Gegenzug die Notwendigkeit, damit zu vereinbarende
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Selbstbilder und Visionen professioneller Gestaltung zu erzeugen und sich ihrer auch visuell zu vergegenwärtigen. Die Spannungen und Inkonsequenzen, die in den diskutierten Fotografien deutlich werden, lassen sich so als Ausdruck von Verunsicherung verstehen, die sich aus der systematischen Relativierung der Bedeutung von Experten in Prozessen kollektiver Gestaltung ergab. Zugleich bildeten sie selber ein Mittel alternativer Selbstvergewisserung und alternativer Konstituierung von Professionalität im Modus zur Schau getragener Partizipation. Ausblick: Perspektiven der Forschung Fragen nach den Verfahren der visuellen wie sprachlichen Inszenierung partizipativer Projekte weiterzuverfolgen, kann dabei helfen, Ansätze partizipativer Gestaltung überhaupt erst analytisch von anderen unterscheiden zu können. Denn was genau trennt letztlich »partizipative« Projekte von anderen Ansätzen der Beteiligung oder der Kommunikation? Was unterscheidet sie von klassischen Kommunikationssituationen zwischen Architekten und Bauherrn? Inwiefern sind Diskussionen und Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb kommunaler Gremien als partizipativ zu begreifen? Welchen Stellenwert hat eine massenmedial geführte Auseinandersetzung um Planungs- oder Bauvorhaben, die öffentliches Interesse erlangen? Das Nachdenken über Fragen wie diese zeigt, dass Partizipation kaum ein invariables soziales Faktum ist; sie bildet vielmehr eine spezifische historische Erscheinungsform, wie auf professionelle Spezialisierung Bezug genommen wird. Insofern kann diese auch nur durch das Studium von sprachlichen und visuellen Kommunikationen um und über Partizipation sowie um und über Professionalität erschlossen werden – ergänzt durch die Analyse konkreter Praktiken und Dinge, die im Rahmen als »partizipativ« gekennzeichneter Ansätze auftraten bzw. genutzt wurden. Eine Geschichte der partizipativen Gestaltung könnte freilich nicht allein die historisch variablen Konturen der Partizipation nachvollziehen. Sie könnte darüber hinaus verdeutlichen, wie getroffene soziale Unterscheidungen und mit diesen verbundene praktische Formen der Arbeitsorganisation konzeptuelle Bestimmungen von Design, Entwurf und Gestaltung mitbestimmen – und zwar bis hinein in die wissenschaftliche Reflexion. In einem bekannten Aufsatz hat so Wolfgang Kemp Mitte der 1970er-Jahre betont, dass die mit der »disegno«-Theorie einhergehende enorme gesellschaftliche Aufwertung des Entwurfs im Florenz des 16. Jahrhunderts durch eine stark arbeitsteilige Produktion möglich geworden sei.
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Denn erst die Trennung zwischen originär und geistig »Entwerfenden« und lediglich materiell »Umsetzenden« habe die Aufwertung des Entwurfsaktes als dem eigentlichen Inbegriff künstlerisch-gestalterischer Kreativität ermöglicht.47 Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen wird klar, dass das Erscheinungsdatum dieses Aufsatzes kein Zufall ist. Ganz im Gegenteil, ordnen sich Kemps Ausführungen über soziale Arbeitsteilung als Grundlage des disegno direkt in die Debatte der 1970er Jahre ein, die insbesondere die soziale Trägerschaft von Entwurfs- und Gestaltungsprozessen zum Thema machte. Wer die Gestaltung gestaltet, hat insofern wesentliche Implikationen auch für die Bestimmung dessen, was Gestaltung eigentlich ist. Auch aus diesem Grund lohnt es sich, die Frage nach der sozialen Gestaltung der Gestaltung aus einer historischen Perspektive zu verfolgen.
47 Kemp, Wolfgang: »Disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607«, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 19 (1974), S. 219–240, hier S. 237 ff.
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Soft Cops und Anwaltsplanung: Planungsbeteiligung oder die Politik der Methode (1962 –1973) Jesko Fezer
»Können die Architekten Anwälte der Betroffenen werden?« war Ende 1972 ein im Deutschen Architektenblatt veröffentlichter Artikel überschrieben.1 Diese Frage stellte der als Kirchenbauer bekannte Architekt Josef Lehmbrock, der im selben Jahr bereits die kritische und sehr populäre Ausstellung »Profitopolis« kuratiert hatte.2 Er kommentierte damit das prominent besetzte Podiumsgespräch »Verbaut die Zukunft nicht« auf dem 2. Deutschen Architektentag. Lehmbrock führte in dem Text eine Anmerkung aus, die er auf der Tagung aus zeitlichen Gründen wohl nicht mehr hatte öffentlich machen können. Er beklagte, dass sich Architekten gerade nicht zum Anwalt der Betroffenen, sondern nur des – sie bezahlenden – Bauherren machen würden und sie daher mit dem »Establishment unserer Gesellschaft verknüpft«3 seien. Nötig wären seiner Auffassung nach allerdings Sachkundige, die den entstehenden Bürgerinitiativen zur Seite stünden – als Anwälte. Was in den USA in Architektenkreisen seit Jahren bereits breit diskutiert wurde, geriet hier beiläufig und noch nicht beim Namen genannt in das Mitteilungsblatt der Bundesarchitektenkammer. Die Idee, dass Architekten als eine Art Anwälte von Betroffenen fungieren könnten, war in der Bundesrepublik damals kaum bekannt. Lediglich die Zeitschrift Arch+4 und bemerkenswerterweise
1 Josef Lehmbruck: »Können die Architekten Anwälte der Betroffenen werden?«, in: Deutsches Architektenblatt, Nr. 22, Stuttgart 1977, S. 1537–1538, hier 1537. 2 Vgl.: Josef Lehmbruck, Wend Fischer: »Profitopolis oder: der Mensch braucht eine andere Stadt«, Neue Sammlung München 1972.
3 Josef Lehmbruck: »Können die Architekten Anwälte der Betroffenen werden?«, S. 1537. 4 Folgende Artikel in Arch+ behandelten ab 1968 das Thema: Fritz Stuber, Robert Yelton: »Städteplanerausbildung USA«, in: Arch+ Nr. 3, Stuttgart 1968, S. 53–56; Klaus Pfromm: »Advozierende Planung«, in: Ach+ Nr. 8, Stuttgart 1969, S. 29–34;
Stephan Brandt: »Zur Demokratisierung des Planungsprozesses«, in Arch+ Nr. 9, Stuttgart 1970, S.19–43; Horst W. J. Rittel: »Zukunfts orientierte Raumordnung«, in: Arch+ Nr. 10, Stuttgart 1970, S. 65–75; Andreas Strunk: »Provocacy Planning. Provokation zur moralischen Planung, dargestellt am Problem der Altersfürsorge«, in: Arch+ Nr. 10, Stuttgart 1970, S. 57–64.
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fast zeitgleich die Bundesregierung griffen das US-amerikanische Prinzip des Advocacy Planning auf.5 Im zweiten Teil des Städtebauberichtes 1970, der Maßnahmen zur Verbesserung der im ersten Teil der Publikation aufgeführten städtebaulichen Missstände empfahl, wurde primär eine »stärkere Mitwirkung der Bürger und der Öffentlichkeit an Planungsprozessen« gefordert und dabei direkt auf Advocacy Planning als ein mögliches Lösungsmodell dafür verwiesen.6, 7 Vernünftige Entscheidungen und Wertevielfalt In der Zwischenzeit war auch ein Text des U.S.-amerikanischen Stadtplaners Paul Davidoffs ins Deutsche übersetzt worden, der 1965 das Prinzip der Anwaltsplanung theoretisch eingeführt hatte.8 »Advocacy and Pluralism in Planning« sollte eine ganze Generation US-amerikanischer Planer der späten 1960er Jahre prägen.9 Gemeinsam mit Thomas Reiner, damals Doktorand und Dozent an der University of Pennsylvania verfasste Paul Davidoff 1962 zunächst für die Zeitschrift des »American Institute of Planners« den Text »A Choice Theory of Planning«. Ausgestattet mit einem Abschluss in Jura und Stadtplanung arbeitete der 32-jährige Davidoff damals als Assistenz-Professor für Stadtplanung und erforschte an einem von der Ford Foundation geförderten Institut die Ziele der Stadterneuerungsprozesse – der sogenannten Urban Renewal Programs. Reyners und Davidoffs planungstheoretischer Ansatz fußte auf der damals in unterschiedlichen Schattierungen gängigen Kritik an der Planerrolle. Ihrer Auffassung nach war die Unzulänglichkeit vieler zeitgenössischer Planungsprojekte die direkte Folge einer Ausbildung, die primär Detailkenntnisse der Planung vermittelte. Sie forderten daher eine Auseinandersetzung mit dem Wissen angrenzender Disziplinen, wie den Sozialwissenschaften, dem Rechtswesen, der Ethik, angewandter Mathematik und der Statistik ebenso wie in den neuen Forschungsrichtungen »Operations Research« und nicht zuletzt der Entscheidungstheorie.10 Sie bezogen sich hiermit explizit auf die Debatten des Design Methods Movement jener Zeit, die sich mit der Entscheidungsfindung in entwerferischen Prozessen befassten, und schlossen mit dem Plädoyer: »For the present, the need is great for widespread attention to planning method«.11 Obwohl die Anwaltsplanung, wie sie Davidoff später einführte,12 primär als politischer Planungsansatz wahrgenommen wurde, entstammte sie – zumindest in dieser Herleitung – nicht primär einer sozialen und politischen Haltung, sondern einer planungsmethodischen Erkenntnis. Sie folgte einem
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»non-sentimental argument«13, wie es Horst Rittel später formulieren sollte. Davidoff und Reiner definierten Planung als einen Vorgang zur Bestimmung geeigneter zukünftiger Handlungen durch eine Folge von Auswahl-Entscheidungen. Bei jeder dieser Entscheidungen müssten ihrer Ansicht nach Werturteile getroffen werden.14 Hierbei tauchte erstmals der Begriff »Advocacy« auf.15 Sie sprachen von einer anwaltlichen Vertretung, mit dem Ziel, miteinander in Konflikt stehende Werte und Ziele in einen Wettbewerb um das bessere Argument treten zu lassen. Oberstes Planungsziel war für Davidoff und Reiner die Eröffnung von Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten. Für die Autoren traf sich der Anspruch, Wahlmöglichkeiten zu erweitern, mit der Zielsetzung rationalen Handelns. Die Möglichkeit zwischen mehreren Alternativen zu entscheiden, war für sie das zentrale Element eines rationalen Entscheidungsfindungsprozesses. Dem Planer käme dabei die Aufgabe zu, die Wahlmöglichkeiten zu eröffnen, ihre Auswirkungen zu untersuchen und verständlich zu machen, denn allgemeingültige oder gar richtige Entscheidungen konnte es aus ihrer Sicht nicht geben.16 Alternative Alternativen Aufbauend auf diesen methodischen Annahmen, kritisierte Davidoff 1965 mit dem Artikel »Pluralism and Advocacy in Planning« das Fehlen wirklicher Alternativen als den entscheidenden Engpass
5 Deutsche Bundesregierung (Hg.): »Städtebaubericht 1970 (Stärkere Mitwirkung der Bürger und der Öffentlichkeit am Planungsprozess)«, in: Drucksachen des Deutschen Bundestages VI/1497, S. 51. 6 Bundesminister für Raum ordnung, Bauwesen und Städtebau: Anwaltsplanung. Eine empirische Untersuchung über ein Verfahren zur gerechteren Verteilung von Sachverstand in Planungsprozessen (Schriftenreihe »Städtebauliche Forschung«), Bonn 1977, Vorwort, S. 7. 7 Joachim Brech, Rainer Greiff: Anwaltsplanung in der kommunalen Planungspraxis. Vier Fallstudien zur Analyse eines parteilichen Verfahrens zur Beteiligung der Bewohner an Stadtplanungsprozessen, Frankfurt a. M. 1981.
8 Paul Davidoff: »Anwaltsplanung und Pluralismus in der Planung«, in: Lauritz Lauritzen (Hg.): Mehr Demokratie im Städtebau. Beiträge zur Betei ligung der Bürger an Planungsentscheidungen, Hannover 1972, S. 149–173. 9 Paul Davidoff: Advocacy and Pluralism in Planning, in: Journal of the American Institute of Planners, Vol. XXXI, Nr. 4, Baltimore 1965, S. 331–338. 10 Paul Davidoff, Thomas A. Reiner: »A Choice Theory of Planning«, in: Journal of the American Institute of Planners, Baltimore, Vol. XXVIII, Nr. 2, Mai 1962, S. 103–115, hier S. 115.
12 Davidoff: Advocacy and Pluralism in Planning. 13 Horst Rittel: »This is a non-sentimental argument for participation. Do you see that? It’s important. There are many sentimental and political arguments in favor of participation, but this is a logical one.«, in: DMG/DRS Journal, Nr. 2, Vol. 7, 1973, S. 146 (Reprint von 1/1972 DMG 5th Anniversary Report, S. 5–10). 14 Davidoff, Reiner: A Choice Theory of Planning, S. 103. 15
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11 Reiner: A Choice Theory of Planning, S. 115.
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zur Verwirklichung demokratischer Planungskultur und echter Pluralität. Um tatsächlich Alternativen zu entwickeln, statt sie lediglich auf dem Stadtplanungsamt widerwillig simulieren zu lassen,17 müssten Planer wie Anwälte Nutzerinteressen berücksichtigen und aus diesen Ansprüchen planerische Alternativen entwickeln. Davidoff schlug vor, Planungen von freien Planern – professionell und gegen Honorar – im Auftrag und in der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Interessensgruppe auszuarbeiten. Dabei sollte ihnen die Aufgabe zukommen, die Betroffenen über die Bedeutung, Auswirkungen und Hintergründe von Planungsvorschlägen zu informieren und sie in die Lage zu versetzen, darauf »in der technischen Sprache des berufsmäßigen Planers zu antworten«.18 Nur so sollte sich planungstheoretisch der Anspruch erfüllen können, Alternativen zu produzieren, um daraus die geeignetste zu bestimmen. Planung war für Davidoff immer Ausdruck unterschiedlicher Werte und somit eine Artikulation politischer Interessen. Diese Werte müssten aus seiner Sicht benannt werden, um die Prämissen einer Planung überhaupt bewerten zu können. 19 Die Anwaltsplanung ermögliche so, »konfligierende Interessen hinter den scheinbar unpolitischen Planungen aufzudecken und für die benachteiligten Bewohnergruppen Partei zu nehmen«.20 Sie stellte eine Praxis dar, die dazu aufforderte, sich mit politischen und sozialen Werten auseinanderzusetzen und die Rolle des neutralen Technikers zu überwinden.21 Davidoff wollte den parteiischen Planer – allerdings nicht aus Eigennutz oder parteiisch in Bezug auf eigene gestalterische Vorstellungen oder vermeintlich allgemeingültige Annahmen. Er forderte eine Parteilichkeit, die an konkrete gesellschaftliche Bedürfnisse und die Probleme Betroffener angebunden sei. Eine solche Form der Planung würde aber auch einen anderen Typus des Planers erfordern, der in der Lage wäre, andere Wissensgebiete zu integrieren. Davidoff kritisierte die planerische Engführung von gesellschaftlichen Problemen auf ihre räumlich-technische Dimension: »Doch die Planer erschöpfen sich meist darin, die günstigen Wirkungen von Grünflächen anzuerkennen oder die räumliche Nähe miteinander verbundener Aktivitäten für vernünftig zu erklären. Wir reagieren auf die Probleme des entfremdeten Menschen mit der Empfehlung, den Zeitaufwand für seinen Arbeitsweg zu reduzieren.«22 Die Anwaltsplanung war nach Davidoff eine rational begründbare, auf bessere Planungsergebnisse zielende Methode der Planung, die neben der Integration anderer Wissensgebiete primär eine
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demokratisch ausgerichtete Entscheidungsfindungstheorie darstellte, wie sie den meisten entwurfsmethodischen Ansätzen jener Zeit zugrunde lag. Und sie wurde bereits angewandt – was für neuartige methodische Ansätze jener Zeit eher unüblich war. In einem BBC Interview verwies Davidoff 1970 auf die zunehmende Verbreitung von Anwaltsplanungsprojekten in den USA: »There are many, particular young planners, who are tired of the approach of the city planning agencies, who feel that they are trying to encompass too much in giving a broad statement in public interest without really deeply putting forth the sentiment of the interest group, that they think needs greatest representation. And those are the people, who are given the least in our society. We always had advocacy for the wealthy in America. They have always been able to hire their professionals. But what is new is a growing movement of professionals seeking to find a way to give representation to the poor.«23
Kontext der Anwaltsplanung Ab 1965 bildeten sich in den USA nach und nach unterschiedliche Gruppierungen, die sich meist direkt auf Davidoffs entwurfsmethodische Argumentation beriefen.24 Diese neue Bewegung fiel auf einen fruchtbaren Boden, der durch die Bürgerrechtsbewegung wie auch auf theoretisch-praktischer Ebene etwa durch Aktivisten und Autoren wie Saul Alinsky oder Jane Jacobs bereits dafür vorbereitet war. So beschrieb die Journalistin und Stadttheoretikerin Jane Jacobs in einem Artikel für Architectural Forum 1962 die Konflikte um Woodlawn – einem armen Stadtteil in Chicago mit großteils afroamerikanischer Bevölkerung, der ihrer Auffassung nach in Chaos, Passivität, Desorganisation und Apathie gefangen war.25
17 Davidoff: Anwaltsplanung, S. 154 f. 18
Ebd. S. 153.
19
Ebd. S. 151.
Bürgerbeteiligung mit Experten. Berichte und Ana lysen zur Anwaltsplanung, Weinheim und Basel 1978, S. 27. 21 Davidoff: Anwaltsplanung, S. 149.
20 Joachim Brech, Rainer Greiff, Heiner Schäfe, Kamilla Will: »Die Konzeption der Anwaltsplanung«, in: Joachim Brech, Rainer Greiff – Institut Wohnen und Umwelt (Hg.):
22 Davidoff: Anwaltsplanung, S. 172 f.
23 Paul Davidoff: BBC Interview von John Donat, Radiomitschnitt, 1970, 5 min. 24 Vgl. Brech, Greiff: Bürgerbeteiligung mit Experten. 25 Jane Jacobs: »Chicagos’s Woodlawn – Renewal by Whom?«, in: Architectural Forum, May 1962, S. 122–123, hier: S. 123.
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Hier standen erstmals Planer und Experten einer neuen Bürgerbewegung gegenüber. In der von Jacobs beschriebenen Szene an einem Mittwochnachmittag behaupteten fünf Experten im Rathaus vor Plänen sitzend, es gäbe keine Community in Woodlawn.26 Gleichzeitig bereiteten jedoch 1.500 Bürger dieses vor wenigen Jahren von der weißen Mittelschicht verlassenen Viertels ein Treffen zur Entwicklung einer Gegenplanung vor. Von Jacobs mit den Worten »We will not be planned for as though we were children«27 zitiert, wollten sich diese Bürger gegen die (planerische) Bevormundung wehren. Bereits Ende 1960 hatten Mitarbeiter des Bürgerrechtlers, Kriminologen und Soziologen Saul Alinsky in Woodlawn begonnen, lokale Organisationen und wichtige Akteure – die sogenannten Community Leaders – zu identifizieren und miteinander zu verknüpfen. Sie hielten sich dazu in Kneipen, Kiosken, Billardzimmern und Plattenläden auf und sammelten und streuten Informationen über den Stadtteil und seine Bewohner. Die sich aus diesen Kontakten entwickelnde »Temporary Woodlawn Organisation« stellte später ein Planungsteam auf, das mit der Stadt über das Stadterneuerungsvorhaben verhandelte. Es war den Betroffenen gelungen, sich zu organisieren und selbstbestimmt unter lokaler Führung aktiv zu werden.28 Für Jacobs war dies das bis dato bedeutendste Beispiel für Community Organizing, wie es damals Saul Alinsky entwickelt und geprägt hatte.29 Praxis der Anwaltsplanung Das erste und wohl bekannteste Anwaltsplanungsprojekt war das »Architects’ Renewal Committee« in Harlem (ARCH). 1964 von dem Architekten Richard C. Hatch als Erweiterung der Wohnungsbaukommission der New Yorker Abteilung des AIA gegründet, war es zunächst eine ausschließlich von weißen Mitgliedern getragene Architektenorganisation. Auf einer AIA Versammlung rief Hatch seine Kollegen dazu auf, freiwillig an der Anwaltsplanung mitzuarbeiten und konnte bald darauf vier Gruppen mit je 12–16 Architekten in die sogenannten Problembezirke in Harlem und Upper Manhattan schicken. Den Planern wurde dort jedoch zunächst mit großer Skepsis begegnet, waren sie bisher ja als Vertreter einer den Bewohnern feindlich gegenüberstehenden, paternalistischen Stadtplanung erlebt worden. Lediglich in West Harlem gelang es, sich in einen bereits schwelenden Konflikt über die Stadterneuerungsvorhaben im Umfeld der Columbia University, dem Morningside Renewal Area, dem 80 % der Nachbarschaft zum Opfer fallen sollten, einzubringen. ARCH erstellte für die dort bereits aktive »West Harlem Community Organization« eine detaillierte Kritik der
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vorgesehenen Planungen und erarbeitete einen Gegenentwurf, der mit öffentlichem Druck der Betroffenen zu erheblichen Teilen durchgesetzt werden konnte.30 Diesem Ansatz im strengen Sinne der Anwaltsplanung folgend, konnte – vom AIA und kleineren Stiftungen finanziert – 1965 offiziell die Arbeit aufgenommen werden. ARCH hatte anfangs kaum eigenes Personal und beteiligte daher Studierende und externe Architekten, die kostenlos halfen, die lokale Bevölkerung als Gemeinschaft zu vertreten und sie dabei beriet, für die Verbesserung ihrer baulich-sozialen Umwelt einzutreten und aktiv zu werden. Stadtplaner, Investoren und Projektentwickler hatten gerade Harlem als Gebiet zur Erweiterung ihrer profitablen Aktivitäten in Manhattan auserkoren. Unter diesem Druck wurde aus einer damals neuen Perspektive – von der Straße als Ort der Gemeinschaft aus – die Qualität des als runtergekommener Slum verrufenen Wohnviertels neu interpretiert. Über solche städtebaulichen und soziologischen Untersuchungen hinaus agierte ARCH explizit gegen die privaten und staatlichen Wohnungsbauprogramme und benannte die Gefahren des Urban Renewal.31 Dazu wurde primär auf die Information und Bildung der lokalen Bevölkerung gesetzt. Ab 1967 bestand ARCH ausschließlich aus Mitgliedern afroamerikanischer Herkunft. Ihr Direktor wurde der in Harvard als einer der ersten Nicht-Weißen ausgebildete Architekt Max Bond, der zuvor in Frankreich mit dem langjährigen Le-Corbusier-Mitarbeiter André Wogenscky zusammengearbeitet hatte. Inzwischen waren nur noch drei der fünfzehn Mitglieder Architekten, während die anderen als Zeichner, Anwälte, Stadtplaner, Community Organizer, Sekretäre oder auch Journalisten ausgebildet waren. Eine ihrer ersten größeren Initiativen war das 1968 begonnene East Harlem Triangle Projekt. Die sogenannte Triangle – ein dreieckiger Bereich des Stadtteil am Hudson River, der neben Verkehrsanlagen, Brachflächen und Industrienutzungen Großteils mit Wohnbebauung gefüllt war – sollte vollständig abgerissen und mit einem Industrie-, Konsum- und Businesskomplex neu bebaut werden. ARCH unterstützte den bereits organisierten Widerstand der lokalen Bevölkerung
26 Jacobs: »Chicagos’s Woodlawn – Renewal by Whom?«, S. 122. 27
Ebd.
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Ebd. S. 123.
29 Saul Alinsky: Rules for Radicals. A pragmatic Primer for Realistic Radicals«, New York 1989, (Original 1971). 30 Andrea Lopen: »Harlem’s Streetcorner Architects«, in: Architectural Forum, Nr. 123,
Boston 1965, S. 50 f und Richard C. Hatch: »Urban Renewal in Harlem«, in: Zodiac, Nr. 17, Mailand 1967, S. 196. 31 Richard C. Hatch: »Planning for Change«, in: Perspecta, Nr. 11, New Haven 1967, S. 43.
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gegen diese städtische Planung großer Neubauten, die keinerlei Wohnnutzung vorsah. Der Bewohnerinitiative gelang es, staatliche Mittel zur Erstellung eines Alternativplans zu erhalten. Dafür beauftragten sie ARCH gemeinsam mit dem in Harlem lebenden Architekten Roger Katan. Dieser hatte, nach seiner Tätigkeit bei Luis Kahn, bereits mit Studierenden für die Community ein System für vorfabrizierten Wohnungsbau entwickelt, mit dem die Bewohner selbst planen und in Eigenleistung bauen konnten.32 Ein primäres Ziel der Triangle-Gegenplanung war, der ansässigen sowie auch der bereits weggezogenen Bevölkerung angemessenen Wohnraum zum Verbleib zur Verfügung zu stellen. 2.000 Mietwohnungen, wovon 70 % für Geringverdiener vorgesehen waren, wurden geplant. Sie sollten (um den lokalen Maßstab zu erhalten) lediglich 6–8 Stockwerke hoch werden, in klassischen Reihenhaus-Dimensionen breite Straßen säumen und neben Licht und Sonne auch Platz für Bäume bieten.33 Mittels Rampen und erhöhter Straßenführung wie auch verkehrsberuhigten Bereichen versuchten die Planer die Verkehrsbelastung zu minimieren. Kleine Industriegebiete, die als Schutzzone gegen den Lärm der Eisenbahnanlagen dienten sowie ein Großteil der bestehenden Brownstones (Reihenhäuser) sollten erhalten bleiben und baulich instandgesetzt werden. Mittels eines genossenschaftlichen Konzeptes sollten die Bewohner am Wohnungsbau und an den geplanten Werkstätten und Supermärkten beteiligt werden. ARCH legte gemeinsam mit der lokalen Community Organisation der New Yorker Wohnungsbaubehörde 1968 einen Report vor, der die vorgeschlagenen Maßnahmen sowie eine Analyse der bestehenden sozialräumlichen Strukturen enthielt.34 Im Anschreiben an die städtische Behörde betonte dort der Direktor Max Bond, dass dies kein Bericht der Planer, sondern der Bewohner sei, da erstmals die Bewohnerschaft des Stadtteils von Beginn an am Entscheidungs- und Gestaltungsprozess partizipiert hätte. 35 In der Danksagung wurde ausdrücklich betont, dass der Report auch dazu diene, den Mythos zu widerlegen, dass der afro-amerikanischen und hispano-amerikanischen Bevölkerung die organisatorischen und technischen Kompetenzen fehlen würden, ihre eigenen Ansprüche planerisch umzusetzen.36 Der »East Harlem Triangle Report« wendete sich gegen die Versuche der dominanten weißen Bevölkerungsschicht, mittels Planung die Wohngebiete afroamerikanischer und spanischer Leute zu eliminieren. Für ARCH waren die Intentionen dahinter offensichtlich: »Such is the nature of racist America«.37 Hier wird deutlich, dass sich ARCH nicht nur möglichst neutral – im Sinne eines demokratischen Wettbewerbs der besseren
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Ideen – für die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen von Top-down Planungen stark machte, sondern dies mit einem politischen Anspruch verband. ARCH begriff sich als Teil der »Black Power Bewegung« und kooperierte mit der »Black Panther Party« sowie der radikalen portorikanischen »Young Lords Party« aus New York. Die systematische Verschlechterung von bestimmten Wohnquartieren und die gleichzeitige Vertreibung mittels Entmietung von neu aufgewerteten Quartieren, verstanden sie auch als rassistisch motiviert. So setzten sie sich gegen Spekulation ein, deren bauliche Manifestationen als »Racist Architecture«38 bezeichnet wurden und forderten auf Bundesebene den Zugang zu Mitteln der Wohnungsbauprogramme für Nicht-Weiße, um wirkliche Beteiligung zu ermöglichen.
Abb. 1: »Tenant Action«, ARCH-Broschüre zur Information der lokalen Bevölkerung und der Mieter mobilisierung, New York 1968
Im Rückblick ist die vom Büro Kaplan entwickelte Planung irritierend – zumindest verglichen mit der wertschätzenden Analyse der bestehenden Bau- und Sozialstrukturen in der ARCH-Studie und der angestrebten behutsamen Vorgehensweise. Durchmischt, teilweise fußgängerberuhigt, mit viel Grünraum und im Vergleich zur eigentlich vorgesehenen Bebauung gewiss zurückhaltend,
32 Vgl. Interview mit Roger Katan: D. Goldschidt: »Roger Katan«, in: l’architecture d’au jourdhui, Nr. 153, Paris 1970, Vol. 42, S. 84–85 und Roger Katan: »Self Help in Community Housing« in: Forum, Nr. 4, Hilversum 1972, S. 30 f. 33 »Advocacy Planning. What it is, How it Works«,
in: Progressive Architecture, New York 1968, S. 102–115. 34 Architects Renewal Committee in Harlem: East Harlem Triangle Plan prepared for the Community Association of the East Harlem Triangle and the New York City Housing and Development
Administra tion, New York 1968. 35 ARCH: East Harlem Triangle, S. I. 36
Ebd. Danksagung, S. II.
37
Ebd.
38 »Advocacy Planning«, in: Progressive Architecture, S. 110.
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sieht sie dennoch einen Abriss eines großen Teils des Altbaubestandes und die Errichtung größerer Wohn- und Geschäftskomplexe vor. Im spätmodernen Stil der Zeit entstanden so Modelle und Axonometrien eines gigantischen Planungsprojektes, das man auf den ersten Blick als das Gegenteil dessen, was es zu sein beanspruchte, ansehen würde. Hier wird deutlich, dass zu jener Zeit noch keine alternative Planungskultur existierte, die auch eine andere Formensprache bzw. ein eigenes Architekturverständnis ausgeprägt hatte. Vielmehr wurde mit dem nahezu identischen Vokabular und ähnlichen planerischen Instrumenten gearbeitet, wie sie auch Investoren und städtische Behörden einsetzten. Auch erforderte das neu gewonnene Selbstverständnis der Community weniger eine zurückhaltende Bescheidenheit der Architektur, sondern strebte durchaus nach der Realisierung einer repräsentativen modernen Anlage. So war es auch kein Missverhältnis, wenn in der ARCH-Broschüre zum Projekt einem Foto, das auf dem Gehsteig spielende Kinder zeigte, ein Modellfoto folgte, das eine in völlig anderem Maßstab angelegte Stadtlandschaft aus Scheiben- und Punkthochhäusern darstellte. Auch in den gezeichneten Detailperspektiven dieses Planungsprojektes spielten Kinder auf der nun verkehrsberuhigten Straße.
Abb. 2: Auszüge des Planungsberichts zum East Harlem Triangle Projekt von ARCH 1968. Cover, Modell des Projekts und Perspektivzeichnung mit spielenden Kindern
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Andere Praxisformen
Abb. 4: 1967 baute Architecture 2001 mit Anwohnern ein verwahrlostes Grundstück in Pittsburgh in einen »Court of Ideas« um. Mit Mauern, Sitzstufen, einer Bühne sowie Wand- und Bodenmalereien schufen sie einen lokalen Treffpunkt und Veranstaltungsort
Einen ähnlichen Planungsansatz wie ARCH vertraten viele der zeitgleich in den USA entstehenden Anwaltsplanungsinitiativen. Architecture 2001 beispielsweise entwickelte sich im Kontext des bereits 1965 in Bürgerinitiative gegründeten Stadterneuerungskomitees im afro-amerikanisch geprägten Hill District in Pittsburgh. Es war, von dem Architekten Troy West 1967 gegründet, die erste an einer Hochschule verortete Anwaltsplanergruppe. Die Carnegie Mellon University war darüber jedoch wenig erfreut und kündigte ihm 1970, so wie auch Chester Hartman von Harvard oder Robert Goodman und Hans Harms vom M.I.T. entlassen wurden. Sie hatten sich dort ebenfalls in der Anwaltsplanung engagiert. Dass das Thema an Architekturhochschulen inzwischen heiß umkämpft war, zeigte die Gründung des Netzwerkes The Architect’s Resistance in Yale, New Haven 1968. Am 8. November dieses Jahres verließen Architekturstudierende der Yale Abb. 5: »Architecture: Whom does it serve?«, Manifest School of Art and Architecture, gemeinsam The Architects Resistance, New Haven 1969 mit ihren Kollegen der Columbia University,
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der University of Pennsylvania, des M.I.T. und Harvards in einem »Walkout« die Tagung des American Institute of Architects (AIA) in New Haven. Sie verlasen gut vorbereitet – die Eröffnungsrede der Konferenz lautstark unterbrechend – einen Text, der die Tätigkeit der AIA und ihrer Mitglieder angriff 39 und mehr soziale Verantwortung einforderte.40 Im selben Jahr wurde vom Architekten Robin Riley und dem Studenten Bill Rushton von der Tulane University School of Architecture in New Orleans die Gruppe Metro Link gegründet. Der Name verwies auf den Anspruch, die unterschiedlichen Stadtteile und Communitys der Stadt zu verbinden. An das Büro von Board Members oder Stadtteilgruppen herangetragene Projekte wurden – koordiniert und geleitet durch Metro Link – von Teams bearbeitet, die aus AIA-Architekten, Studierenden und VISAT-Teilnehmern (ein auf Freiwilligenarbeit basierendes Sozialprogramm der US Regierung im »War Against Poverty«) bestanden. Die Tulane University bot dazu Studierenden die Möglichkeit, ihre freiwillige Mitarbeit bei Metro-Link als Studienleistung anerkannt zu bekommen. So wurden Metro Link, die unter anderem ein mobiles Zeichenbüro unterhielten und neben Architektur und Planung auch Grafikdesign für Poster, Flyer und Broschüren sowie Fotografie, Film und Wandmalerei anboten, von Insassen eines inzwischen geschlossenen Gefängnisses in New Orleans für eine Renovierung angefragt. Den Resozialisierungsflügel des Parish Prison bauten Insassen gemeinsam mit Architektur-Studenten mit gespendeten Materialien wie Farbe, Holz, Teppichresten, Werbepostern und alten Weinkisten aus. Später folgten weitere Bereiche des Gefängnisses. Metro Link wurde jedoch nach eineinhalb Jahren die Förderung durch den »Model Cities Programm Fund« entzogen, nachdem es zu Auseinandersetzungen um die Rolle von Metro Link beim Versuch, einen Autobahnbau durch den Stadtpark zu stoppen, gekommen war.
Abb. 6: Renovierung und Ausbau eines Gefäng nistrakts durch Inhaftierte und Metro Link in New Orleans 1970. Der Gemeinschaftsraum wurde mit Wandmalereien und Werbepostern umgestaltet
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Die neben ARCH wohl bedeutendste Anwaltsplanergruppe war allerdings die 1966 von Studenten und Dozenten des M.I.T. und von Harvard in Boston gegründete Urban Planning Aid (UPA).41 Sie bildete sich zunächst zur Unterstützung lokaler Proteste gegen den Bau einer Schnellstraße sowie gegen die allgemeine Wohnungsnot, und sie begann ihre Arbeit im strengen Sinne der Anwaltsplanung nach Davidoff zur Repräsentation unterprivilegierter Bevölkerungsgruppen im Planungsprozess. In ihrem ersten Arbeitsbericht fassten sie dies wie folgt zusammen: »UPA provides planning services to low-income and other neighborhood groups who wish greater representation in the process of planning physical and social improvements.«42 Der Gruppierung UPA, die vom Stadtplaner Chester Hartman, der Anthropologin Lisa Peattie und dem Architekten Robert Goodman gegründet und zunächst von Privatpersonen finanziell unterstützt wurde, gelang es ab 1969 im Rahmen des »War on Poverty«-Programms staatliche Förderung zu erhalten. 1970 beschäftigte UPA bereits 25 Mitarbeiter, von denen der überwiegende Teil als Community Organizers arbeitete. Gutachten und Gegenpläne wurden entwickelt, Proteste und Demonstrationen organisiert und Studien und Handbücher zu den Themen Wohnungsbau und Infrastrukturentwicklung veröffentlicht. Dabei überschritten ihre Aktivitäten bald das Ausgangsthema Architektur und Planung. UPA arbeiteten zur Sicherheit in der industriellen Produktion, zu Fragen der Gesundheit oder zu den Frauenrechten. Die 1974 veröffentlichte UPA-Publikation »Tenants First«,43 wurde in Boston von vielen Mieterinitiativen so effektiv für ihren Widerstand genutzt, dass bald eine Gruppe von Grundeigentümern und Hausbesitzern gegen die staatliche Unterstützung der UPA klagte. Bekannt wurde die UPA allerdings eher über ihre akademische Tätigkeit, insbesondere über die Theorie- und Forschungsarbeiten von Lisa Peattie,
39 Brian Goldstein: »Planning’s End? Renewal in New Haven, the Yale School of Art and Architecture, and the Fall of the New Deal Spatial Order«, in: Journal of Urban History, No. 3., Charlotte (North Carolina) 2011, S. 400–422. 40 »We believe the architect must no longer be responsible only to the industrial and political powers … but to the users, the people who inhabit
the environment. The architects cannot … remain aloof from people and communities, afraid to acknowledge that other men also know something about their environment, and afraid to lessen their professional distance and learn from the users.« (Brian Goldstein: »Planning’s End?, S. 400). 41 Paul Davidoff nannte ARCH und UPA als beispielhafte Gruppierungen.
Vgl. Davidoff: »Democratic Planning«, in: Perspecta 11, New Haven 1967, S. 158–159. 42 Urban Planning Aid: Urban Renewal’s Effects on Low Income Housing in Boston’s South End, Boston 1967. 43 Urban Planning Aid: Tenants First. A Research and Organizing Guide to FHA Housing, Boston 1974.
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Chester Hartman und Robert Goodman, die auch zu den ersten prominenten Kritikern der Bewegung wurden.
Abb. 7: Urban Planning Aid: Urban Renewal’s Effects on Low Income Housing in Boston’s South End, Boston 1967
Selbstkritik 1971 hinterfragte Robert Goodman in seinem Buch »After the Planners«44 die gesellschaftliche Rolle der Planer in den USA. Seine Erfahrungen als praktizierender Anwaltsplaner hatten ihm verdeutlicht, dass die städtischen Probleme nicht allein auf einen Mangel an fachkundigem Wissen zurückzuführen waren.45 Vielmehr wollte er das Selbstverständnis der Architekten kritisieren, die zwar beständig von einer humanen Bauweise zum Wohle der Menschheit redeten, in Wahrheit aber lediglich ihre eigenen Vorstellungen umzusetzen versuchten. Diesen Typus des Architekten und Planers sah Goodman als Werkzeug der gewaltsamen Unterdrückung, als »Handlanger am Reisbrett«, 46 – vergleichbar mit dem Militär Abb. 8: Robert Goodman: After oder der Polizei.47 the Planners, New York 1971 »Unsere Rolle als Techniker darf uns hingegen nicht zu solch einem Werkzeug machen, wie es das Militär oder die Polizei zu sein scheint. Architekten sind anspruchsvoller, gebildeter, gesellschaftlich bewusster als die Generäle – wir sind die sanften Bullen. […] Den sozialen Wandel, mit dem es die Architekten, ob sie es erkennen oder nicht, in ihren Entwürfen zu tun haben, manövriert die unterdrückte Bevölkerung in ein System hinein, welches meist nicht lebenswerter ist.«48
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Obwohl es Goodman unter den gegebenen Umständen für wenig wahrscheinlich hielt, dass Betroffene ihre Umwelt wirklich selbst mitgestalteten, hielt er an der Idee der Bürgerbeteiligung fest. Er schlug das Konzept einer »Guerilla-Architektur«49 vor, mit dem Potenzial, Repressionen sichtbar zu machen, das Problembewusstsein der Bürger zu schärfen, eine Politisierung zu ermöglichen und Betroffene dazu anzuregen, sich zu organisieren und Gegendruck zu erzeugen. Er bezog sich hierbei auf die Hausbesetzungen in Lateinamerika und in den USA, wie sie John F. Turner in Architectural Design damals in den westlichen Architekturdiskurs als Alternativmodell eingebracht hatte. 50 Vorbildcharakter hatte für ihn auch der von Anwohnern und Studierenden 1969 friedlich besetzte und bepflanzte People’s Park auf ungenutzten Parkplätzen der Universität of California in Berkeley, der zu einem der zentralen Schauplätze der Studentenrevolten in den USA wurde. Die Auseinandersetzungen zwischen Hippies, Studenten und der Bevölkerung mit der Polizei und Einheiten der Nationalgarde hielten über mehrere Wochen an. Zunächst wurde das Gelände eingezäunt und die neuen Pflanzungen wurden entfernt. Später kam es zu mehreren gewaltsamen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf einige Demonstranten ums Leben kamen. Als weiteres Beispiel für eine Guerilla-Architektur nannte Goodman das illegale Aufstellen einer Bushaltestellen-Attrappe auf dem Gelände des M.I.T.51 Auf dem Campus wurden damals Millionen in Neubauten für neue Forschungsbereiche investiert, doch der Wunsch der Studenten nach einer Bushaltestelle, die beim Warten vor dem neuenglischen Wetter schützen würde, blieb ungehört. Die vorfabrizierte und in wenigen Minuten aufgerichtete Fake-Bushaltestelle hatte einen Kaffeeautomaten, eine Heizung, ein gebührenfreies Telefon und einen Blumenautomaten. Zur feierlichen Eröffnung hielt dort ein Bus. Mit dieser Simulation konnte erfolgreich »die Dringlichkeit einer echten Bushaltestelle deutlich« gemacht werden.52 Wenig später errichtete die Hochschule eine dauerhafte Haltestation.
44 Robert Goodman: After the Planners, New York 1971. Deutsche Übersetzung: Robert Goodman: Stadtplanung als Geschäft oder Handlanger am Reißbrett. Die Zerstörung der amerikanischen Stadt, Reinbeck bei Hamburg 1974. 45 Goodman: Stadtplanung, S. 8.
46 Vgl. Titel der deutschen Übersetzung: Robert Goodman: Stadtplanung als Geschäft oder Handlanger am Reißbrett.
50 John F. Turner: »The Squatter Settlement. Architecture that Works«, in: Architectural Design, London 1968, S. 335–360.
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51 Goodman: Stadtplanung, S. 145.
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Goodman forderte ein grundlegendes Umdenken in der Planung, um das bestehende Abhängigkeitsverhältnis der Wohnbevölkerung von Planern zu überwinden. Die Anwaltsplanung könne, so Goodman, diese Abhängigkeit zwar auch perpetuieren, aber nur so lange wie die Macht- und Eigentumsverhältnisse unangetastet blieben und man den »Armen« lediglich »die Möglichkeit zugestehe, ihr Abhängigkeitsverhältnis selbst zu etablieren.«53 Genau diese Form der eingeschränkten Selbstregierung durch Anwaltsplanung lehnte Goodman jedoch ab. Es müsse daher nicht nur, wie es auch Yona Friedman forderte,54 das persönliche Urteil vom technischen Rat eines Planers unterschieden werden, sondern auch eine »Entmystifizierung diese Berufsstandes« stattfinden55, bei der sich Planer als Teil der Gesellschaft begreifen: »Wir können nicht mehr ›uninteressierte‹, ›objektive‹ Professionelle mimen, die ihr technisches Fachwissen mit der gleichen Selbstverständlichkeit verkaufen, ob sie mit ihm übereinstimmen oder nicht. In Wahrheit sind wir unsere eigenen Kunden, denn es ist unsere Gesellschaft, die durch unser Handeln geprägt wird.«56 Aber obwohl diese Aussage nun wiederum eher nach einer parteiischeren Variante der Anwaltsplanung klang, wie sie bereits Davidoff vorgeschlagen hatte, als nach fundamentaler Kritik an Planung, waren inzwischen auch andere Akteure und Beobachter des Phänomens Anwaltsplanung skeptisch geworden. Der Anwaltsplanung wurde zunehmend eine lediglich hemmende und verlangsamende Wirkung in Bezug auf Planung von oben zugeschrieben. Die Anwaltsplanung sei gescheitert, so lautete die Kritik, positive Vorschläge zu machen und wenn doch, würden sich diese nur auf marginale praktische Probleme beziehen. Neben diesen pragmatischen Kritikpunkten gab es auch die radikalere Auffassung, dass die Anwaltsplanung ein grundsätzlich fragwürdiger Ansatz sei. Er sei kontraproduktiv in Bezug auf die angestrebte gesellschaftliche Gerechtigkeit, da er von falschen Annahmen über die politische Ökonomie und das Konzept des Pluralismus ausgehe. Auch der Politikwissenschaftler und Dozent der Stadt- und Regionalplanung in Iowa, Donald F. Mazziotti, kritisiert den von Davidoff geprägten Mythos eines gesellschaftlichen Pluralismus. Dieser übersehe, dass das Ideal der freien Konkurrenz unterschiedlicher Interessen illusorisch sei.57 Weder seien in einer Konsumgesellschaft diese (pluralistischen) Werte frei wählbar noch könnte man unter kapitalistischer Herrschaft von der Möglichkeit einer gleichberechtigten Auseinandersetzung ausgehen. Die liberal-reformerische Annahme,
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dass man dafür nur den Benachteiligten Gehör verschaffen müsse, sei falsch.58 Auch die Metapher des Anwalts offenbarte nach Mazziotti eine gefährliche Naivität, indem sie sich auf ein Rechtssystem bezog, dass die gesellschaftlichen Machtverhältnisse repräsentierte und daher kaum ein geeignetes Werkzeug zu deren positiver Veränderung oder gar Umsturz darstellte.59 Dies könne man, so Mazziotti, beispielweise in den US-amerikanischen Gerichtssälen studieren, wo die Härte des Gesetzes überwiegend auf Arbeiter, Arme und politisch Aktive angewandt werde.60 Vor diesem Hintergrund forderte er zu einer Diskussion über radikalere Ansätze der Anwaltsplanung auf, die nicht auf dem etablierten System der schein-demokratischen Auseinandersetzung gründete.61 Eine weitere verbreitete Kritik in den frühen 1970er Jahren war, dass Anwaltsplanung ihre Klienten von anderen Formen des politischen Aktivismus abhalte, der effektiver wäre als die Auseinandersetzung um nur die räumliche Gestaltung und Planung. Die Politikwissenschaftlerin, Soziologin und Stadtplanerin Frances Fox Piven, die selbst als Anwaltsplanerin aktiv war, legte in ihrem Text »Whom does the Advocate Planner Serve?«62 dar, wie die Anbindung politischer Fragen an städtebauliche Problemstellungen politische Stabilität erzeuge und damit die bereits vorhandenen sozialen Ungerechtigkeiten perpetuiere. Ihrer Auffassung nach war die Etablierung solcher Formen der Partizipation als Modell der Einflussnahme ineffektiv.63 Sherry Arnstein, Autorin des einflussreichen Grundlagentextes »A Ladder of Citizen Participation«, 64
53 Goodman: Stadtplanung, S. 130. 54 Vgl.: Yona Friedman: »Technische Hilfeleistung für maximale Freiheit. ›Instant Urbanism‹, Selbstplanung und Eigenbau«, in: Jesko Fezer, Mathias Heyden (Hg.): Hier entsteht. Strategien partizipativer Architektur und räumlicher Aneignung, Berlin 2004, S. 141–148, hier: S. 141 f. 55 Goodman: Stadtplanung, S. 157. 56
Ebd. S. 159.
57 Donald F. Mazziotti: »The Underlying Assumptions of
Advocacy Planning: Pluralism and Reform«, in: Journal of the American Institute of Planners, Nr. 1, Washington 1974, S. 40 f. 58 »Basing strategies on a faulty assumption about the decisionmaking process renders those techniques ineffective, illusory, and, in many cases, counterproductive in the light of the gross inequity which is an inherent part of corporate capitalisms in the urban-industrial state.« (Mazziotti: »The Underlying Assumptions of Advocacy Planning, S. 44). 59 Mazziotti: The Underlying Assumptions, S. 45 f.
60
Ebd.
61
Ebd. S. 46
62 Francis Fox Piven: »Whom does the Advocate Planner Serve?« (1970), in: Richard a. Cloward, Francis Fox Piven: The Politics of Turmoil. Essays on Poverty, Race, and the Urban Crisis, New York, 1972, S. 43–53. 63 Piven: Whom does the Advocate Planner Serve?, S. 48. 64 Sherry R. Arnstein: »A Ladder of Citizen Participation«, in: Journal of the American Institute of Planners, Baltimore, 1969, S. 216–224.
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Paul und Linda Davidoff sowie der Mitbegründer von UPA Chester Hartman reagierten auf Pivens Fundamentalkritik.65 Zwar hatten sie für diese Kritik durchaus Verständnis, differenzierten sie jedoch in einigen Punkten. So hielt Arnstein dagegen, dass die neueren Formen der Anwaltsplanung, die nicht nur eine andere Stadtentwicklung anstrebten, gerade als Ausgangspunkt für eine weitergehende Mobilisierung und Einforderung von realer politischer Partizipation bedeutsam sei.66 Auch das Ehepaar Davidoff hielt Pivens Verständnis der Anwaltsplanung für zu eng. Gerade Anwaltsplaner würden Fragen des Städtischen politisieren und seien damit auch in Feldern tätig, die Piven im Kampf um soziale Gerechtigkeit als effektiver empfand.67 In ähnlicher Weise und basierend auf seinen eigenen Erfahrungen beschrieb auch Chester Hartman die politisch-organisatorisch katalysierende Wirkung der Anwaltsplanung.68 Als Antwort auf die Kritik Pivens waren zudem bereits spezifischere Modelle der Anwaltsplanung entwickelt worden, wie »Radical Planning« (Peattie), »Guerilla Architecture« (Goodman) oder »Ideological Advocacy« (Davidoff), bei denen die Planer stärker auch ihre eigene (politische) Haltung vertraten als lediglich die ihrer Klienten. 1994 sprach Lisa Peattie diese Frage der Interessensvertretung, die sie bereits 1968 als aktives Mitglied der UPA formuliert hatte, nochmals rückblickend an. Sie hätte damals zwar erkannt, dass die Behauptung eines allgemeinen übergeordneten Interesses durch Planungsinstitutionen nur die Klasseninteressen der Grundstückbesitzer und ihrer Verbündeten repräsentierte, hätte aber selbst bald damit begonnen zwischen, unterschiedlichen Interessen auszuwählen und so bestimmte Interessen nicht zu repräsentieren.69 UPA hätte sich vornehmlich für jene Interessen eingesetzt, die ihrer Vorstellung von der »beloved community« entsprachen.70 An anderer Stelle spricht sie sogar von der Absurdität, als Planer im Namen einer Community sprechen zu wollen.71 Neu war dieses Dilemma für Peattie hingegen nicht. Sie problematisierte es bereits in der Anfangsphase der UPA in einem Memorandum von 1967: »the UPA must adopt the more frankly partisan tack of building representation for people previously unrepresented […] UPA has never said it was out to represent everybody;«72 Peatties Auffassung nach tendierten Anwaltsplaner nicht nur dazu, Problemstellungen unzulässig zu vereinfachen, vielmehr homogenisierten sie auch die sogenannte Community und übersähen die internen Widersprüche und Vielfältigkeiten, die aus widerstrebenden Interessen resultierten. Unterschätzt wurde damit aus ihrer Sicht die Bedeutung politischer Macht in Planungsprozessen wie auch die paternalistisch-mächtige Rolle des wohlwol-
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lenden Planers, der selektiv Themen auswählt und formuliert, zu wenig reflektiert wurde.73 Die Kritik an der Anwaltsplanung war demnach in erster Linie eine Selbstkritik derjenigen, die sie auch umgesetzt und vertreten hatten. Die Anwaltsplanung wurde als selbstreflexive Methode ernst genommen, indem sie sich selbst als Verfahren infrage stellte und in Praxis und Theorie sehr spezifische Formen der Partizipation erarbeitete. Gerade vor dem Hintergrund der offen angelegten Vertretung von Betroffenen über Experten, was letztlich eine sehr unzulängliche Form der Partizipation darstellt, wurde ein radikales Modell von Planung entwickelt, das seine strukturellen Defizite nicht verschleierte, sondern vielmehr herausstellte. Bei diesem Modell wurde Partizipation nicht gewährt, sondern eingefordert und erkämpft. Partizipation sollte sich um Widersprüche herum organisieren und weniger Konsens, sondern Konflikte generieren. Zudem war Partizipation als ein kollektiv-politischer Prozess angelegt, auch wenn er das Feld der Stadtentwicklung fokussierte. Dennoch blieb und bleibt Partizipation auch in seiner radikalsten und politisierten Variante immer dem gerechtfertigten Verdacht ausgesetzt, diese Widersprüche und Konflikte auch zu befrieden und nur eine Scheinbeteiligung zu befördern, die die kritisierten gesellschaftlichen Umstände letztendlich doch affimieren. Die Anwaltsplanung als historisches Projekt setzte sich dieser Debatte um die Wirksamkeit der eigenen Methoden und Praktiken aus. Sie konnte praktische Erfahrung mit sehr weitgehender Partizipation sammeln, die notwendigerweise das klassische Berufsfeld der beteiligten Planer, Architekten und Designer überschritt und durch die Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen tatsächlich politische und soziale Machtgefüge in Frage stellte.
65 Sherry R. Arnstein: »But Which Advocate Planner«; Paul and Linda Davidoff: »Advocacy Planning Polarizes the Issues«; Chester W. Hartman: »The Advocate Planner: From ›Hired Gun‹ to Political Participation«, alle in: Richard a. Cloward, Francis Fox Piven: The Politics of Turmoil. Essays on Poverty, Race, and the Urban Crisis, New York, 1972, S. 54–55; 56–58; 59–63.
68 Hartman: »The Advocate Planner«, S. 60. 69 Lisa R. Peattie: »Communities and Interests in Advocacy Planning«, in: Journal of the American Planning Association, London 1994, S. 152. 70 Peattie: Communities and Interests, S. 152.
66 Arnstein: »But Which Advocate Planner?«, S. 55.
71 Lisa R. Peattie: »Drama and Advocacy Planning«, in: American Institute of Planners, Nr. 36, Baltimore 1970, S. 406.
67 Davidoff: »Advocacy Planning Polarizes«, S. 58.
72 Lisa R. Peattie: What should UPA Consider to be
Adequate Citizen Represent a tion?«, memorandum, 21. März, 1967, zitiert nach: Peattie: Communities and Interests, S. 152. 73 Lisa R. Peattie: »Überlegungen zur Anwaltsplanung«, in: Büro für Stadtsanierung und Soziale Arbeit (Hg.) Sanierung – für wen? Gegen Sozialstaatsopportunismus und Konzernplanung, Berlin 1970, (zitiert nach 2. Auflage 1971, S. 266–281 (original: »Reflections on Advocacy Planning«, in: Journal of the American Institute of Planners, Baltimore 1968).
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Das in dieser Tradition stehende, gegenwärtig in den USA sich zunehmend verbreitende Modell des Community Design allerdings scheint von solchen grundsätzlichen Fragen nach der eigenen systemischen Funktion innerhalb der herrschenden Umstände wenig berührt zu sein. Ebenso wie die Anwaltsplanung an Hochschulen und von einzelnen engagierten Architekten- und Planergruppen praktiziert, versucht Community Design ärmere Bevölkerungsschichten mit planerischem Wissen zu unterstützen und partizipative Planungsansätze umzusetzen.74 Ihr ungezügelter und wohlmeindener Pragmatismus läuft jedoch Gefahr soziale Konflikte lediglich partiell zu befrieden und so euphorisiert durch einzelne gute Taten die Ursachen und Zusammenhänge von Ungerechtigkeit zu verschleiern.75 Dieses Defizit in puncto Selbstreflexion und das Fehlen einer ebenso grundlegenden wie konkreten Kritik an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Planung macht heute eine weitergehende Beschäftigung mit der Theorie, Geschichte und Kritik der Anwaltsplanung als politisches Beteiligungsmodell auch für die Praxis umso wichtiger.
74 Vgl.: An Architektur, Nr. 19–21. Community Design. Involvement and Architecture in the US since 1963, Berlin 2008.
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75 Vgl.: Bryan Bell: Good Deeds, Good Design, Community Service Through Architecture, New York 2003.
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2 Designtheorien
Perspectives on Participation in Design E l i z a b e t h B .– N . S a n d e r s
Is Participatory Design (PD) a collection of tools and techniques, a set of methods or is it a mindset? To answer that question, I’ll start by addressing some preliminary questions. s What is PD and why is the interest in PD growing now? s What are the diverse perspectives on participation in design relevant today? s Who are the participants? s Where in the design development process does participation take place? s And how is PD practiced? What is participatory design? Participatory Design refers to the activity of designers and people not trained in design working together in the design and development process. In the practice of PD, the people who are being served by design are no longer seen simply as users, consumers or customers. Instead, they are seen as the experts in understanding their own ways of living and working. They are seen as valuable partners in the design and development process. This mindset contrasts with a user-centered mindset that recognizes researchers and designers as being the experts and relegates the people being served by design to be the research subjects and/or the recipients of the designed object. PD has been practiced for nearly 40 years in northern Europe where early PD research projects focused on the participation of future users in systems development. In Scandinavia, the Collective Resource Approach was established to increase the value of industrial production by engaging workers directly in the development of new systems for the workplace. This approach put together the expertise of the systems designers/researchers and the situated expertise of the people whose work was to be impacted by the
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change. The approach built on the workers’ own experiences and provided them with the resources to be able to act in their current situation and imagine their future situation. This perspective on PD and the collective mindset continues to be proactively researched in the Scandinavian countries today. More recently, PD has been gaining attention worldwide and is being applied in the design development of consumer, industrial, and medical products and services. Product manufacturers and service providers are beginning to change their perceptions about the people previously known as customers, consumers and users. All kinds of people are now playing a more proactive role in the design and development of new products and services. Another way that the participatory approach has been described is that it is »human-centered«, respecting people as experts and not just as being representatives of the roles they play from the business perspective, i.e., customers, consumers and users. The PD approach is also referred to as »co-designing« and »cocreation«, particularly in the United States. As we will see, these terms refer to a wide range of methods and activities that do not always match the participatory mindset from which the approach originated. For example, co-creation is often used as a marketing concept and refers to an approach for generating and sustaining brand loyalty. So looking at PD (and including the related approaches referred to as human-centered design, co-design and cocreation), we see a very wide range of goals to which it is put to use, mindsets with which it is practiced and contexts within which it is being practiced today. Consequently, there is not a lot of agreement about what PD is. Why is the interest in participatory design growing now? Consumerism has reached a tipping point. Starting in the 1960’s, consumerism grew, leading to conspicuous consumption which has been growing ever since. Conspicuous consumption has resulted in many nonsustainable products and practices. In fact, many consumers are not even aware of or are confused about the negative environmental impacts of their behavior. Consumerism has also led to a preoccupation in the business sector with innovation at all costs. Fortunately, a countermovement to this pattern has recently become evident. First, the recession has made it abruptly and abundantly clear that continuous conspicuous consumption can no longer be maintained. And at the same time we see that many people are seeking ways to be socially and environmentally res-
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ponsible. They are finally starting to take social responsibility seriously. This is true for individuals as well as for large, established corporations. Other manifestations of change can be seen at the intersection of design and business, such as the recent interest and enthusiasm in what is called »design thinking«. Design thinking is already of such interest that business schools at universities around the world are attempting to revamp their curricula to meet the needs of business students who do not want to play the »business as usual« game. Yet another manifestation of change in design is the rise of creative activity seeking by everyday people. This can be seen in the growth of the DIY (do-it-yourself) industry and the resurgence of crafting at all levels. The rise of social networks and other means of online sharing have contributed widely to this phenomenon. The rise of creative activity seeking by everyday people may be a reaction against the overemphasis on consumption over the past 50 years. The internet, and the social networks in particular, are making it possible for all people to take a more proactive role in the ideation, innovation, design and delivery of products and services. Younger people are particularly open toward and embracing of co-designing. Generation Y, in particular, are wonderful students and practitioners of participatory designing since their worldview places high value on participation and collaboration. Co-designing will flourish in the future as more young people take on increasingly more influential positions within organizations and communities. Social media will help. The rise of social media is giving a voice to all people and is helping to bring communities together, which will propel the evolution of participation in designing. The growing interest in PD is coming from many different perspectives, including design, marketing, sales, etc. This diversity manifests itself in several dimensions including: s The people who are involved as participants in the process. s The point or points along the design development. process where PD is taking place. s The mindset with which participation in design is occurring. s How co-designing is being practiced. Who are the participants? We can see differences in who is involved in the practice of PD. This can lead to confusion when people talk about practicing PD but forget to describe who the participants are and how they are working together.
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PD is being practiced within communities. This application of PD is more common in the UK where the government supports the application of this approach to community-wide challenges. PD at the community level is not common in the US at this point in time. However, companies such as IDEO are attempting to get this approach going at a global level with their www.ideo.org effort. PD is being practiced inside companies and organizations. Sometimes it is used as a method to spark the internal innovation process. And in other situations it is the first step in a larger organizational transformation. PD is being practiced between companies and their business partners. This is perhaps the least common application of PD today. This may be due, in part, to the difficulties in establishing and maintaining the participatory mindset in the business world. PD is being practiced between companies and the people that the companies serve. This is a very rapidly growing application of PD and the one that will be the focus of this paper. Much of this type of PD is taking place at the tail end of the design development process where it comes under the name of crowdsourcing, for example. This is the locus of PD that is gaining in popularity most quickly and it is the application that the business community has taken an interest in as will become apparent in the next section. On the other hand, the opportunities for design are even greater in applying PD between companies and the people they serve at the front end of the design and development process. Where in the design development process does participation take place? PD takes place in the front end of the fuzzy front end of the design process where it is often not known whether the deliverable of the design process will be a product, a service, an interface, or something else. Here the goal of the pre-design phases is to find the problems to be solved and identify the opportunities to explore. The goal of the discovery phase is to determine what is to be, or should not be, designed and manufactured. PD is also applicable inside the traditional design development process and on through to the marketing and sales of the product or service. Here the approach is more often referred to as co-design or co-creation. For example, co-creation is now being
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used as a method to drive attention to the brand of the product or the service after the sale has taken place.
Fig.1: Participatory design is being practiced today at all points along the design development process
In fact, PD is taking place throughout all the stages of the design development process as is shown by the location of the many dots in Figure 1: s pre-design: where innovation and opportunity development take place s discovery: where research and translation to design occur s design: where exploration, design, and development take place s marketing, sales and/or distribution: where implementation, roll-out and sales occur s after sales: where product use and service experience take place Levels of value in co-creative activities The methods, tools and activities used in the practice of PD change according to where they are used in the design development process. To better understand why PD looks so different as it is played out across the design development process, it is useful to first consider the levels of value relevant to various PD processes and practices. There are at least three types of value in co-creative activities and relationships: monetary, use or experience and societal. They are described comparatively in Figure 2. The column labeled »people« is the most telling with regard to the mindset that is involved at each level. The monetary value of co-creation is the one that usually receives the most attention in business circles. Co-creation that results in monetary value is fueled by the desire to make money in new ways, more efficient ways, or in ways that provide sustainable revenues over longer periods of time. With this mindset, people are
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thought of and referred to as customers or consumers of goods and/or services. Economic value is based on relatively short-term needs. Further, it is mostly based on transactional metrics of exchange between what the company offers and what the customer consumes and/or experiences. Co-creation associated with monetary value does not necessarily require direct contact between the company and its customers because the conversation can be mediated by tools of information and communication. This can be seen in web-based surveys that ask consumers to select features of choice or the crowdsourcing of large numbers of respondents to obtain feedback about products and/or services.
Fig. 2: A comparison of three levels of value in co-creation
The use/experience value of co-creation is fueled by companies’ desires to transform consumers into users so that the products and services they design, produce and sell will better meet people’s wants and needs. One could argue that this is directly related to monetary value, but this value extends beyond monetary gain. With this mindset, people are thought of and are referred to as endusers and sometimes as empowered consumers who are able to make choices in the goods and services they buy and use. The experience value of co-creation applies not only to products and services, but also to brands and branded environments. The societal value of co-creation is fueled by aspirations for longer term, humanistic, and more sustainable ways of living. It supports the exploration of open-ended questions such as »how can we improve the quality of life for people living with a chronic illness?« When working within this context one does not generally have preconceived notions of the outcome since determination of the form of the outcome is part of the challenge. Co-creation of
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this type involves the integration of experts and everyday people working closely together. Direct personal involvement between people is needed for this type of co-creation. Multiple divergent points of view need to be expressed, listened to and discussed. With this mindset, people are thought of and are treated as partners or equals in the participatory relationship. Although social networks may be used to help identify and locate the participants, the real work in this form of co-creation favors more personal interactions and conversations. All three types of value in co-creation are important to understand and develop, and are at times inextricably linked. Societal value can provide use/experience value as well as financial reward. Figure 2 compares the three types of value co-creation by emphasizing their differences. An interesting pattern Figure 3 has been made by intersecting the stages of the design development process (from Figure 1) with the three levels of value in co-creation (from Figure 2). Placed on the figure are examples of some organizations that are using PD and/or co-creation at different stages of their design development process. The choice of organizations is not based on an exhaustive search and analysis of all companies. But it does represent a wide cross section of what is being communicated today by these organizations on the internet and in the press. Each organization is placed according to where they are practicing co-creation and what level their message is conveying.
Fig. 3: Organizations position themselves as co-creators at points along the design development process and at various levels of value
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An interesting pattern emerges when the types of value intersect the different stages of the design process at which co-creation occurs. Value co-creation with a focus on monetary objectives is more likely to take place later in the design development process, in the design adoption stages such as marketing, sales and distribution. Value co-creation of the use/experience variety tends to take place during the design process, including in the discovery stage. And societal value co-creation is most likely to occur in the very early front end of the design process. The earlier in the design development process that PD or cocreation occurs, the greater and broader will be the likely impact. Societal value co-creation tends to start at the very early front end, well before any specific concept definition and/or exploration. Unfortunately, design and designers are not usually involved this early in the process. Any user/consumer/customer information is most often based on past experience and metrics. This phase is conventionally held closed by the business entity and this is where the vision and definition is set for what the company experts think should be developed. Moving co-creation from the company to the people it serves into these front-end efforts will most likely produce the largest benefit in terms of societal value. Although use/experience value and monetary value may follow, it is often not visible at this stage in terms of a business value proposition. The shift for companies in seeing their objectives change from designing for people to designing with people is profound. It takes many years for the mindset and practices of co-creation between companies and people to permeate and change an organization. Organizational barriers often stand in the way and without support at the highest of levels within the organization, the shift is not likely to occur. There are a number of prerequisites that are needed to support and open the stage for the practice of co-creation with implications for societal transformation: s The belief that all people are creative and will participate in a creative process if they are motivated and are provided the tools to do so is essential. s Diversity is a key driver: if all participants are of the same background, perspective, and opinion, the outcome may be limited and even predictable. s Joint problem definition, not just joint problem solving, is the driver in the fuzzy front end of the design process. s Continuous dialogue and conversation, in conjunction with workshops that involve a broad range of stakeholders, are needed. 72
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s The exploration and use of design tools, materials and methods that put all the players on a common ground are needed. s A focus on experiences, not just on products and services, is needed. s A focus on the whole of an experience, not just an episode or single touchpoint, is needed. How is participatory design practiced? The growing interest in PD has resulted in a large set of tools, techniques and methods. To help to organise the rapidly growing, global collection of tools and techniques for PD, Sanders, Brandt and Binder (2010)1 have proposed a framework into which all currently documented tools and techniques of PD can be placed. The primary dimension of the framework is described by differences in the ›form‹ of the tools and techniques for making, telling or enacting. Making refers to tools and techniques for making tangible things. Making tools and techniques used in PD include collages, maps, models and mock-ups that are made by the non-designer participants. Telling refers to tools and techniques that support verbally oriented activities such as talking and explaining. Telling tools and techniques used in PD include diaries, logs and the use of cards for organizing ideas, for example. Enacting refers to tools and techniques to support and facilitate acting and playing. Enacting activities used in PD include role playing and improvisation, and the tools and techniques of enacting might include props or puppets. The framework shown in Figure 4 combines the activities of making, telling and enacting and uses each activity to fuel the next. By putting making together with telling and enacting, even people who are not skilled in making can be empowered to express them-
Fig. 4: A framework for practicing participatory design
1 Sanders, Elizabeth B./ Brand, Eva/Binder, Thomas: »A framework for organizing the tools and techniques of PD«, in: Proceedings of PDC 2010, 2011, S. 195–198.
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selves creatively. You can enter the cycle at any point, i.e., by making things, or telling stories or by enacting experiences. And from each entry point, you can move in any direction. You may find yourself going around several times. For example, you may tell a story about the future and then enact it. Then you could make stuff that people would need to live in the story, and enact it again. You may then find that you need to go back and rewrite the story or write a new story. The three charts that follow position some of the tools, techniques and methods into the three modes of participation in design. The classification is deceptively simple and it looks like each activity fits neatly in one category. In reality the situation is messier than this because some activities fall on the borders between the categories. But the framework is still useful in organizing all the methods, tools and techniques for PD. MAKING TANGIBLE THINGS 2-D collages using visual and verbal triggers on backgrounds with timelines, circles etc. 2-D mappings using visual and verbal components on patterned backgrounds 3-D mock-ups using foam, clay, Legos or Velcro-modeling Low-tech prototypes Provotypes and design artifacts from the future 3-D space models (small scale) such as the doll house toolkit
In making, we use our hands to embody ideas in the form of physical artifacts. There are many ways to do making. The chart above summarizes only the recent applications of making tools and activities that have been published. It is likely that many other applications of making will be published soon as this is an area of interest and growth. ACTING, ENACTING, AND PLAYING Game boards and game pieces and rules for playing Props and black boxes 3-D space models (full scale) Scenario-making in the space models or through sandplay Participatory envisioning and enactment by setting users in future situations Improvisation Acting out, skits and play acting Role playing with actors, pretenders, puppets, dolls etc. Bodystorming and informative performance
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Enacting refers to the use of the body in the environment to express ideas about future experience. We also call this pretending. The chart above summarizes only the recent applications of making tools and activities that have been published. TALKING, TELLING AND EXPLAINING Stories and storyboarding through writing, drawing, blogs, wikis, photos, video etc. Diaries and daily logs through writing, drawing, blogs, photos, video etc. Self observation through photos, video, blogs, writing, drawing etc. Documentaries and movie-making Experience timelines or maps Paper spaces to collect, organize, categorize, reframe, chart and/or make decisions about ideas or concepts through group brainstorming and collective mindmapping. Cards to organize, categorize and prioritize ideas. The cards may contain video snippets, incidents, signs, traces, moments, photos, domains, technologies, templates and what if provocations. Voting dots to prioritize ideas.
Telling is a verbal description about future scenarios of use. We might tell a story about the future or describe a future artifact. But telling can be difficult for people who don’t have verbal access to their own tacit knowledge. There are many ways to do telling. The chart above summarizes only the recent applications of tools and techniques for telling that have been published. Dimensions to consider in making, telling and enacting The possibilities for the tools and techniques of making, telling an enacting are infinite and the lists continue to grow. However, we know enough about the tools and techniques for participation in designing that it is possible to describe some general principles. Methods and tools for telling, making and enacting vary according to when they will be used in the design development process. As described earlier, the nature of the story, the artifact or the enacted scenario changes from early to later stages in the process. Dreams, visions and experiences are more commonly found early in the design process. Narrative, artifacts and scenarios made later in the process are more likely to resemble the objects, services, and environments that are being designed.
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Methods and tools for telling, making and enacting vary according to the level of planning involved. Let’s take making for example. People can participate in making activities with very simple and impromptu tools and materials, e.g., paper and pencil, clay or Play-doh, rocks and sticks etc. Or they can be supplied with very carefully planned toolkits to support specific types of making activities. In general, the simple and impromptu approach is quicker to implement but involves the risk that the materials may be too open-ended for non-designers to feel comfortable with. It is also harder to predict how long it will take people working with rough materials to make something and it is usually quite a challenge to analyze the output of the impromptu approach. On the other hand, carefully planned toolkits for making activities take much longer to plan and to prepare but they are far more predictable in terms of the ability of people to use them and the time it takes them to make the artifacts. The analysis of artifacts resulting from planned toolkits is also more efficient and effective than the analysis of artifacts resulting from impromptu toolkits. The risk in using carefully planned toolkits for making is that the creativity of the participants may be hindered if the toolkit components are not sufficiently ambiguous or generative. Tools for telling, making and enacting vary in terms of materiality. They can be paper-based and two-dimensional with components made from words, phrases, quotes, shapes, photos, diagrams, pictures, sketches etc. Tools for making and enacting can also be three-dimensional and made of wood, foam, clay, fabric, blocks, Legos etc. Actually, any kind of material can be used to support and facilitate making activities. The trick is in providing a variety of components that are open to multiple interpretations and unique combinations but that are not so varied as to be overwhelming or confusing. Methods and tools for telling, making and enacting vary in how people are put together for their use. On some occasions you will want to invite individuals to participate. This application is preferred when exploring personal experiences, for example, when asking people to tell a story or make a collage that expresses their memories or feelings. On other occasions you will want to invite people to collaborate. This application is especially powerful when exploring future experiences that will be shared. Regardless of whether people make something by themselves or as part of a group effort, the result will always be shared with other people and hence be part of or feed into a collaborative PD process.
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Tools and materials for telling, making and enacting vary in scale. The scale of tools that is needed for a group effort is different from the scale that works best for individual applications. For example, tools and materials for groups of participants need to contain a larger set of components and the components themselves need to be larger to facilitate the active involvement of everyone. Another way that the tools vary in scale is in reference to the 3D components. Full-scale components are ideal as they make the situation closer to reality and they support naturally occurring enactment. But sometimes a smaller scale is the only practical situation available, e.g., when transportation of the toolkits is required. Methods, tools and techniques for telling, making and enacting vary in terms of purpose. The generative methods, tools and techniques fall into two categories: cognitive and emotional. Cognitive tools and techniques facilitate people’s exploration and expression of how they understand things or events. Emotional tools and techniques facilitate people’s ability to remember and communicate their thoughts, feelings and aspirations for the future.
Participatory design is a collection of tools and techniques, a set of methods and a mindset In summary, the term participatory design is being used today to describe an incredibly wide range of activities with many different goals. So is PD a new way to differentiate your company in the marketplace? Is it yet another method with an interesting collection of tools that can be called upon in the design process? Or is PD much larger than that? Is it a mindset (established set of attitudes held by someone), or a worldview (a philosophy of life or conception of the world) that changes how the entire design development process is seen and takes place? The answer to all these questions is yes. PD can be any one or all three of these perspectives, depending on how you view it and use it. PD as a mindset. This is the broadest and most long-range of the three perspectives and the one that has the most potential to have a positive impact on the lives of people. PD practiced from a mindset perspective is best executed by either very experienced design research practitioners or by young, intuitive practitioners. It is most useful and effective toward the front end of the design development process.
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PD as a method. Here we see PD as a collection of tools and techniques that are often compared to other collections of methods (e.g., contextual inquiry or ethnographic fieldwork). The choice of methods may depend upon who is leading the project, what the budget and timing are, and other constraints. We see PD as a method being used mainly during the design exploration and design phases. PD as a tool or technique. This perspective describes the use of PD as just another option in the toolbox of all tools and techniques that can be used in the processes of design, development, marketing and/or distribution. PD as a tool or technique is the perspective that has received the most attention in the popular press as it is being used as a fast and low-cost way to drive interest in and attention to brands and/or new products and services in the marketplace.
Fig. 5: The three perspectives on PD are positioned at points along the design development process and at various levels of value
Figure 5 shows the relationship between the three perspectives on PD and the point in the design development process at which the perspective is most useful. PD as a mindset is most useful in the front end. PD as a set of methods is useful in the design-focused phases of the process. PD as a tool or technique is most useful at the tail end of the process. It can be very helpful to carify which perspective you are talking about when having conversation with others about PD (or co-creation or co-designing) since all three perspectives are relevant and useful today.
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Partizipation an Dingen des Designs
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Pelle Ehn
Abstract Der vorliegende Artikel diskutiert das Design von Dingen.2 Er untersucht einige der aktuellen politischen und praktischen Herausforderungen partizipatorischer Gestaltung. Welche Dinge und welche Partizipanten sind damit gemeint? Die Perspektive darauf ist strategisch und konzeptuell. Zwei Ansätze stehen im Fokus: Partizipatorische Gestaltung (die Gestaltung für die Nutzung vor der eigentlichen Nutzung) und Metadesign (das Design für die Gestaltung nach der eigentlichen Gestaltung). In diesem Rahmen betrachten wir die Herausforderungen, die es für professionelles Design bedeutet, an öffentlichen kontroversen Dingen zu partizipieren. Dinge und Objekte Für das Design sind natürlich Menschen essenziell, ebenso jedoch auch Objekte und Dinge. Aber was meinen wir mit Objekten und Dingen in der Gestaltung? Der vorliegende Artikel geht von jener Art soziomaterieller Anordnungen aus, die Bruno Latour so treffend als »Kollektive von Menschen und Nicht-Menschen« charakterisierte.3 Dieses Ding war ursprünglich sowohl sozial als auch materiell. In vorchristlichen nordischen und germanischen Gesellschaften waren »Things« die Regierungsversammlungen und Plätze, an denen Streitigkeiten geklärt und politische Entscheidungen
1 Der Text ist eine autorisierte Übersetzung aus dem englischen Original: Ehn, Pelle: Partici pa tion in design things, Proceedings of Participatory Design Conference (PDC), Bloomington, Indiana, USA 2008.
2 Anmerkung der Redaktion: In der vorliegenden Übersetzung wurde der Begriff »Ding« dem im Original verwendeten Begriff »thing« gleichsetzen.
3 Latour, Bruno: Pandoras Hope – Essays on the Reality of Science Studies, Cambridge: Harvard University Press 1999.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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getroffen wurden.4 Partizipatorische Gestaltung, so wie sie in den 1970ern in Skandinavien aufkam, könnte theoretisch und praktisch als modernes Beispiel solcher Dinge, oder besser als »Dingen« (wie Heidegger es nennen würde) betrachtet werden.5 In diesem Sinne sprach sich Latour in jüngerer Zeit für eine »DingPhilosophie« oder »objektorientierte Politik« aus.6 Sein ausdrücklicher Bezug auf objektorientierte Programmierung mag erstaunen, ist in unserem Kontext jedoch auch hochinteressant – besonders weil Kristen Nygaard, der in einem frühen Stadium entscheidend an der Entwicklung der partizipatorischen Gestaltung in Skandinavien mitwirkte, auch einer der Entwickler der objektorientierten Programmierung ist. Dieser Artikel wird den Fokus jedoch auf das Design-Ding und auf Strategien setzen, die dieses Ding öffentlich machen, und weniger auf Softwarearchitektur. Seine Thematik umfasst das Objekt der Überlegungen im Design, das Designobjekt und seine zahlreichen »Repräsentanten« sowie die Gestaltung von Dingen. Dinge gelten in diesem Artikel als Anlässe zu Überlegungen und Möglichkeiten für Erfahrungen. Also stehen Design-Dinge im Fokus, wenn es darum geht, die »Agency« zu untersuchen, also die Mitwirkung/Vermittlung von Designern 7 und Nutzern und ebenso von nicht-menschlichen »Aktanten« wie Objekten, Artefakten und Gestaltungsmitteln.8 Wie gelingt es ihnen, Dinge auf ihre Weise zu bewerkstelligen? Die Perspektive ist eine der Partizipation, Intervention und Ausführung von – und in – diesem Ding. Welche Beziehung besteht zwischen Gestaltung und Nutzung? Für wen und mit wem soll gestaltet werden? Wo, wann und mit welchen Mitteln? Wie bewirken Designprojekt und Designprozesse ein Zusammenspiel menschlicher und nicht-menschlicher Ressourcen, um das Objekt der Gestaltung voranzubringen und die Herausbildung, Umsetzung und Leistungsfähigkeit dieses Objekts zu unterstützen? Wie können Gestalter an diesen Dingen partizipieren und sich selbst in den »Kollektiven menschlicher und nicht-menschlicher Akteure« positionieren? Im Verlauf des Artikels werden zwei komplementäre Positionen und Strategien untersucht: partizipatorische Gestaltung und Metadesign. Charakteristisch für den Ansatz der partizipatorischen Gestaltung ist die Einbeziehung von Nutzern in die Gestaltung. Im Designprozess trifft sie dann, so Redström,9 auf »use before design«. Partizipatorische Gestaltung gilt als Möglichkeit, die nicht zu meisternde Designherausforderung anzunehmen: nämlich die künftige Nutzung schon vor der tatsächlichen Nutzung in den Lebenswelten der Menschen in ihrer Gesamtheit zu antizipieren. Dies ist die strategische Position von Metadesign. Sie will Design und Partizipation teilweise auf die Zeit nach dem Designprojekt
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verschieben und sich der Nutzung als Design, dem Design zur Zeit der Nutzung oder dem »design after design«10 öffnen. Metadesign wird als Möglichkeit untersucht, sich einer weiteren Designherausforderung zu stellen, die sich ebensowenig meistern lässt: der allumfassenden Antizipation oder Vorstellung von potenzieller Gestaltung, die bei der Nutzung nach der Projektkonzeption stattfinden soll. Mit diesen Herausforderungen befasst sich nun der vorliegende Artikel: Er möchte ein umfassendes Verständnis für diese Problematik schaffen und verdeutlichen, wie eng Gestaltungsprozesse und kulturell-materielle Designspiele 11 ineinander verschränkt sind. Das Designspiel-Konzept zur Untersuchung von Designprozessen wird auf Basis von Konzepten für Partizipation, Kommunikation, Gemeinschaft, Sprache und Artefakte dargelegt. In diesen Designspielen betrachten wir besonders die »Repräsentanten« des Designobjekts. Diese agieren in der materiellen Form von Prototypen und Modellen als »boundary objects«, 12 die die Teilnehmer synchroner Designspiele von Gestaltern und Nutzern in dieselbe Richtung lenken (partizipatorische Gestaltung). Desweiteren interessieren uns Infrastrukturen und der Prozess der Infrastrukturierung,13 der Designspiele von Designern und künftigen Gestaltern und Nutzern miteinander verbindet (Metadesign). Bei beiden Designansätzen werden Dinge untersucht, die den Raum von Interaktionen modifizieren (z. B. Grenzobjekte in der partizipatorischen Gestaltung und Infrastrukturen im Metadesign). Die Untersuchung bezieht sich auf diese Dinge als soziomaterielle Rahmen für Kontroversen, die für unerwartete Nutzung bereitstehen und so neue Wege des Denkens und Verhaltens eröffnen. Der
4 Anmerkung der Redaktion: Das Wort »Thing« bezeichnete im Germanischen sowohl eine Volks- und Gerichtsversammlung, eine Sache, einen Gegenstand, wie eine Angelegenheit. 5 Anmerkung der Redaktion: »Dingen« bezieht sich hier auf die von Heidegger entwickelte Sprache: »Die Dinge dingen – die Welt weltet«.
gerechte Schreibweise verzichtet. Es sind jeweils aber immer beide Geschlechter gemeint. 8 Anmerkung der Redaktion: Der Autor bezieht sich hier auf die Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour. Vgl. Latour, Bruno: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2007. 9 Redström, Johan: »RE:Definitions of use.«, in: Design Studies, 29/4 (2008), S. 410–423.
6 Latour, Bruno/Weibel, Peter: Making things public – Atmospheres of Democracy, Cambridge Mass: The MIT Press 2005.
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7 Anmerkung der Redaktion: In diesem Text wird auf Gender-
11 Anmerkung der Redaktion: »Designspiele« werden vom
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Autor in Anlehnung an Wittgensteins »Sprachspiele« verstanden. 12 Star, Susan L.: »The Structure of Ill-Structured Solutions: Boundary Objects and Heterogeneous Distributed Problem Solving«, in: Gasser, Les/Huhns, Michael (Hg.), Distributed Artificial Intelligence Vol. 2., San Francisco: Morgan Kaufman 1989, S. 37–54. 13 Star, Susan L./Ruhleder, Karen: Steps toward and an Ecology of infrastructure – Design and Access for Large Information Spaces, in: Information System Research, 7/1 (1996), S. 111–13.
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Artikel schließt mit einigen Reflexionen über Ding-Politik sowie über die Zukunft partizipatorischer Gestaltung und der Designer, die an öffentlichen kontroversen Dingen außerhalb der Grenzen des sicheren Designprojektes partizipieren. So behandelt der Artikel nicht nur die Partizipation von Nutzern und Designern an Designprojekten, sondern ebenso die Partizipation von nichtmenschlichen Aktanten sowie von Menschen und deren künftigen Nutzungen, die dem Gestalter während des Projektes noch unbekannt sind. Dinge im Designprojekt Zunächst jedoch eine Anmerkung zum Designprojekt. Damit ist jene Art von sozialmateriellem Ding gemeint, das die Hauptform der Ausrichtung von Designaktivitäten darstellt und in diesem Artikel »Designspiele« genannt wird. Ein Projekt ist bei allen größeren Design-Unternehmungen die übliche Form, Ressourcen (Menschen und Technik) aufeinander abzustimmen. Projekte sind Dinge, die Ziele, Zeitlinien, zu liefernde Gegenstände usw. haben. In der Praxis können Ressourcen, die in einem partizipatorischen Designprojekt aufeinander abzustimmen sind, beispielsweise Folgendes umfassen: Projektauftrag, Prototypen, Cultural Probes, Skizzen, ethnographische Beobachtungen und weitere Feldmaterialien, Gebäude, Devices (d.h. zweckdienliche Gegenstände), Projektberichte, Nutzer, Techniker, Architekten, Gestalter, Forscher, sonstige Stakeholder usw. Das Ergebnis eines Designprojekts ist sowohl ein Device als auch ein Ding. Als ein solches Device kann es aus einer »technischen Perspektive« betrachtet werden: Es ist die Verkörperung jenes Designobjekts, das Nutzern Zugriff auf einige Funktionen ermöglicht (ein Stuhl zum Sitzen, ein Handy für Telefonate, Nachrichtenaustausch usw.). Nimmt man hingegen eine soziale und architektonische Perspektive ein, so sind der Stuhl oder das Handy als Ergebnis des Gestaltungsprozesses stets ein Ding, das den Interaktionsraum für seine Nutzer modifiziert, und das zu unerwarteter Nutzung bereitsteht. Es ist reich an Ästhetik und kulturellen Werten, und es öffnet sich neuen Wegen des Denkens und Verhaltens. Oft ist ein Projekt darauf angelegt, mehrere Stufen gradueller Verfeinerung zu durchlaufen. Diese Stadien haben typischerweise Bezeichnungen wie »Analyse«, »Konzeption«, »Konstruktion« und »Implementierung«. Die Unzulänglichkeiten eines derartigen Ansatzes sind jedoch wohlbekannt und vielfältig: Ein zunehmend detailorientierter Blick macht es schwierig, flexibel auf sich verändernde Bedingungen zu reagieren, die hierarchische Herangehens-
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weise behindert legitime Partizipation, Spezifikationen sind zu starr usw. Daher der Appell zur Einbeziehung von Nutzern und zu Ansätzen für partizipatorische Gestaltung. Eine partizipatorische Herangehensweise an dieses Kollektiv von menschlichen und nicht-menschlichen Aktanten würde also eher die performative »Inszenierung« suchen, als ein Projekt als »Gestaltungs-Ding« mit den Phasen Analyse, Konzeption, Konstruktion und Implementierung aufzufassen. Inspiriert von Pedersen14 könnten wir dann fragen: Wie ist das anfängliche Objekt der Gestaltung für das Projekt zu konstruieren? Das heißt, wie sind die Partizipanten in Hinblick auf ein gemeinsam genutztes, wenn auch problematisches, bedenkenswertes Objekt aufeinander abzustimmen? Wie können die involvierten Praktiken im weiteren Verlauf der Arbeit in Berichte gefasst werden (Arbeit im Feld, ethnographische Beobachtungen, direkte Partizipation usw.)? Wie kann das Objekt der Gestaltung manipulierbar gemacht werden? Mit anderen Worten: Auf welche Weise sind »Repräsentanten« dieses Objekts in erfahrbaren Formen enthalten (Skizzen, Modelle, Prototypen, Spiele usw.)? Wie wird das Objekt der Gestaltung zu einem Ding gemacht, und wie öffnet es sich Kontroversen unter den Partizipanten innerhalb und außerhalb des Projekts (Workshops, Ausstellungen, öffentliche Debatte usw.)? Projekte sind jedoch, wie Krippendorff15 betont, nur Teile oder bestimmte Formen der Angleichung im Lebenszyklus eines Devices, und schließlich muss jedes Objekt der Gestaltung Teil bereits vorhandener Ökologien von Devices (in den bereits kontinuierlichen Lebenswelten der Menschen) werden, seien diese digital – wie Computeranwendungen und Datenbanken – oder physisch wie Gebäude, Möbel, Türen, Bücher, Werkzeuge, Fahrzeuge usw. Daher sind Beginn und Ende eines gestalteten Devices offen, und kaum je auf die Grenzen des Projekts beschränkt. Dies ist prinzipiell interessant, denn es zeigt zum einen, wie wichtig es ist, zu verstehen, inwiefern sich Design in einem Projekt auf die Wertschätzung und Aneignung von Nutzern und Stakeholdern bezieht, sei es als Übernahme oder Neugestaltung, und zum anderen, inwiefern Nutzer es zu einem Teil ihrer Lebenswelt und sich entwickelnder Device-Ökologien machen. Man kann sich vorstellen, dass Gestaltung auf ein bestimmtes Projekt mit vorgegebenen Objekten des Designs, Ressourcen, Zeitlinien und spezifizierten
14 Pedersen, Jan: Protocols of research and design, PhD thesis, IT Iniversity: Copenhagen 2007.
15 Krippendorf, Klaus: »Redesigning design«, in: Tahkokallio, Päivi/Vihma, Susanna (Hg.), Design
Pleasure or Responsibility? Helsinki: University of Art and Design 1995.
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Ergebnissen beschränkt ist, aber da die endgültige Verkörperung des Gestaltungsobjekts ein Ding ist, öffnet dies sich einer unvorhersehbaren Aneignung bei der Nutzung im Rahmen von DeviceÖkologien, die bereits existieren und sich weiterentwickeln. Daher sollten Strategien und Taktiken der Gestaltung für die Nutzung auch offen sein für die Aneignung oder Bewertung bei der Benutzung nach Projektabschluss, und sie sollten diese Aneignung als potenzielle, spezifische Weise der Gestaltung betrachten. Tatsächlich impliziert Krippendorffs Gedanke zudem, dass wir bei nutzungsorientierter Gestaltung auch das »Vorher« des Projekts, den »Beschaffungs«-Prozess der Angleichung der Aktanten in einem Designprojekt sowie die Weise, auf die problematisierte Objekte zu einem spezifischen Objekt der Gestaltung werden, genau betrachten sollten. Dabei können die oft verborgenen performativen »Designprotokolle«, die zunächst die Bühne für die Designspiele zur Festlegung des Designobjekts bereiten, sichtbar gemacht werden.16 Zunächst verengen wir den Fokus jedoch auf das Designprojekt: Es geht um die Beziehung zwischen Design und Nutzung in diesem soziomateriellen Ding als partizipatorische Gestaltung und als Metadesign. Partizipatorische Gestaltung: Design für die Nutzung vor der Nutzung Partizipatorische Gestaltung als Empowerment Die Herangehensweise von Designern an Nutzung hat sich im Lauf der Jahre dramatisch verändert: Während der Fokus zunächst allein auf den gestalteten Artefakten und ihren Funktionen lag, also auf der Nutzbarkeit, führten inzwischen unterschiedliche Wege dazu, Nutzer zu testen, Nutzung zu erforschen und potenzielle Nutzer in den Gestaltungsprozess einzubeziehen. Beispiele solcher Ansätze reichen von nutzerzentrierter Gestaltung, die Nutzung und Nutzbarkeit in den Mittelpunkt stellt, 17 kontextuelle Gestaltung, die sich auf die Situiertheit der Nutzung bezieht 18, bis hin zu modernen Ansätzen von Erlebnisdesign, das sich darauf konzentriert, ein Nutzererlebnis zu erzeugen.19 Die Partizipatorische Gestaltung befasst sich in diesem Designkontext speziell mit Personen, die als Co-Designer am Gestaltungsprozess partizipieren. All diese Ansätze versuchen, sich den Herausforderungen zu stellen; sie wollen vorausschauen oder zumindest Vorstellungen entwickeln und schon für die Nutzung gestalten, bevor diese tatsächlich stattgefunden hat. Ihr Anliegen ist Design für die Nutzung vor der Nutzung.20
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Die Wurzeln der partizipatorischen Gestaltung liegen in den skandinavischen Ländern; in Bewegungen für Demokratisierung bei der Arbeit. In den 1970ern wurden Partizipation und gemeinsame Entscheidungsfindung zu wichtigen Faktoren, wenn es um Arbeitsplätze und die Einführung neuer Technik ging. Partizipatorische Gestaltung vertrat den einfachen Standpunkt, dass diejenigen, die eine Gestaltung betrifft, auch beim Gestaltungsprozess mitreden dürfen sollten. Diese politische Überzeugung erwartete nicht (nur) Konsens, sondern auch Kontroversen und Konflikte rund um das entstehende Designobjekt. Infolgedessen stellte sich partizipatorische Gestaltung auf die Seite ressourcenschwacher Stakeholder (typischerweise lokale Gewerkschaften) und entwickelte Projektstrategien für deren effektive und legitime Partizipation. Darüber hinaus sollte Partizipation sicherstellen, dass vorhandene Kenntnisse und Fähigkeiten im Gestaltungsprozess zu einer Ressource gemacht werden können. Bei vielen Organisationen war dies langfristig gesehen vielleicht die stärkste Motivation für ihre Nutzung. Für partizipatorische Gestaltung gibt es also zwei strategische Leitgedanken. Der eine ist die soziale und rationale Idee von Demokratie als Wert. Unter diesem Gesichtspunkt werden Bedingungen für angemessene und legitime Nutzerpartizipation bedacht. Der andere Wert ist die Wichtigkeit, beim Gestaltungsprozess das »implizite Wissen« der Partizipanten ins Spiel kommen zu lassen – und nicht nur ihre formale und explizite Kompetenz.21 Partizipatorische Gestaltung als vielfach verschränkte Designspiele Schon früh versuchte man, Versuche partizipatorischer Gestaltung als eine pragmatische Designtheorie zu konzeptualisieren. Dazu nahm man Bezug auf Wittgenstein und seine Sprachspiel-
16 Vgl. Clark, Brendon: Design as Sociopolitical Navigation, PhD thesis, University of Southern Denmark 2008. Pedersen, Jan: Protocols of research and design. 17 Siehe z.B.: Norman, Donald A./Draper, Stephen W. (Hg.), User centered system design – New perspectives on humancomputer interaction, Hillsdale NJ: Lawrence Erlbaum 1986.
18 Vgl. Beyer, Hugh/ Holzblatt, Karen: Contextual Design – Defining CustomerCentered Systems, Burlington M.A.: Morgan Kaufmann 1998. 19 Vgl. Sanders, Elizabeth B.-N./Dandavate, Uday: »Designing for Experiencing: New Tools«, in: Overbeeke, Kees C.J./ Hekkert, Paul (Hg.), Proceedings of the First International Conference on Design and Emotion, Tu Delft 1999.
20 Vgl. J. Redström: RE:Definitions of use. 21 Für Hintergrundinformationen und einen Überblick vgl.: Ehn, Pelle: Work-Oriented Design of Computer Artifacts – Arbetslivscentrum, Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates 1988; oder: Greenbaum, Joan/Kyng, Morten (Hg.): Design at Work: Cooperative Design of Computer Work, Hillsdale NJ: Lawrence Erlbaum Associates 1991.
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theorie. Design wurde als bedeutsame Partizipation an vielfach verschränkten Sprachspielen der Gestaltung und Nutzung betrachtet. Dies betraf professionelle Designer und professionelle Nutzer. »Performative« Design-Artefakte, wie Prototypen und »Designspiele« konnten als repräsentative »boundary objects« agieren, die unterschiedliche Sprachspiele miteinander verbanden.22 So entstand der Vorschlag, den Gestaltungsprozess als ein Set solcher verschränkten Sprachspiele des Designs zu begreifen. Daraus ergab sich die spezifische Design-Herausforderung, die Bühne für ein wiederum anderes spezifisches Design-Sprachspiel zu bereiten, das eine »Familienähnlichkeit« mit (professionellen) Sprachspielen unterschiedlicher Beteiligter aufweist; besonders mit denen von Nutzern (Amateurdesignern) und (professionellen) Designern. In der Sprache dieses Artikels bedeutete das wortwörtlich, ein soziomaterielles Design-Ding zu konstruieren, also eine bedeutungsvolle, potenziell kontroverse Anordnung für die und mit den Partizipanten in einem Projekt. Es entwickelten sich Empfehlungen und Praktiken, bei denen sich die (Arbeits-)Praktiken der legitimen aber ressourcenschwachen Stakeholder (aktuelle oder potenzielle »Endnutzer«) aus der Basis des Designprozesses ergaben. Ethnographische Beobachtungen unterschiedlicher Aspekte von Arbeit und weitere Möglichkeiten der Fokussierung auf Informationen zu den Nutzern wurden essentiell. Dies gilt auch für Designaktivitäten, die zu Teilnahme und partizipativer Gestaltung motivieren, beispielsweise partizipative Zukunftswerkstätten.23 Am bekanntesten waren jedoch die Ersetzung von »Systembeschreibungen« durch »praktische« Gestaltungsmittel wie Modelle und Prototypen, die zur Teilnahme anregten sowie die »organizational games«. Sie trugen dazu bei, eine Familienähnlichkeit mit der alltäglichen Nutzerpraxis beizubehalten und kreative kompetente Partizipation im Designprozess zu unterstützen. Es gab eine entscheidende Verlagerung der Designmethoden hin zu einer praktischen und spielerischen Nutzerbeteiligung in Form von »Design-by-Doing« und »Design-by-Playing«.24 Dieses Verständnis von partizipatorischer Gestaltung und die entsprechenden Empfehlungen sind wohl weiterhin gültig, auch wenn sich einige ergänzende Konzeptualisierungen als nützlich erweisen könnten. Zum Beispiel gibt es interessante Verbindungen zwischen dem vorgeschlagenen Verständnis von Partizipation an Sprachspielen und einem von John Dewey inspirierten Pragmatismus: Wie kann Kommunikation die Teilhabe von Gemeinschaft befördern; in welcher Beziehung stehen »Design-byDoing« und »Design-by-Playing« zu »Learning-by-Doing« als fundamentale Formen der Untersuchung?
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Ein spezifischer konzeptueller Rahmen in dieser pragmatischen Tradition ist der Fokus auf kollektive, kulturhistorische Formen lokalisierter, engagierter, konflikthafter und bedeutsamer Aktivitäten bei Communities-of-Practice wie den von Jean Lave und Etienne Wenger entwickelten.25 Das Konzept »Communities-of-Practice« ähnelt Sprachspielen, wie oben ausgeführt, ist jedoch weiter gefasst: Sein Ausgangspunkt ist die Alltagspraxis von Gemeinschaften professioneller Gestalter. In einer Community of Practice finden viele spezifische Sprachspiele statt. Ein bedeutender Schwerpunkt liegt in diesen Gruppen auf »Lernen« als dem Akt, ein legitimer Partizipant zu werden; hierbei werden Beziehungen zu anderen, »älteren« Partizipanten hergestellt und die Beherrschung von Werkzeugen und anderen materiellen Devices wird erlernt. Anders als bei Sprachspielen liegt der Fokus nicht auf Sprache als Praxis, sondern auf der Praxis selbst, bei der Partizipation die fundamentale Epistemologie darstellt. Hierbei ist Partizipation zu verstehen als: der »komplexe Prozess, der Tun, Reden, Denken, Fühlen und Zugehörigkeit kombiniert. Er umfasst unsere gesamte Person, einschließlich unserer Körper, Gedanken, Emotionen und sozialen Beziehungen«.26 Wenn man im Rahmen partizipatorischer Gestaltung in Begriffen von Communities-of-Practice denkt, zeigt sich in den Versuchen von Partizipanten, sich Devices und soziale Beziehungen anzueignen, eine Dimension interner Machtstreitigkeiten. Dinge werden deshalb als soziomaterielle kontroverse Vorfälle im Leben einer Community of Practice (oder über diverse Communities of Practice hinweg) aufgefasst, denn diese Vorfälle bestimmen die Ausrichtung aneinander oder an anderen Dingen. Mit dieser Konzeptualisierung wird auch klarer, dass menschliche Handlung und Partizipation sich auf all die physischen, sozialen
22 Wittgenstein, Ludwig: Philosophical Investigations, Oxford: Basil Blackwell 1953. Ehn, Pelle: Work-Oriented Design of Computer Artifacts – Arbetslivscentrum, Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates 1988. S. L. Star: The Structure of Ill-Structured Solutions: Boundary Objects and Heterogeneous Distributed Problem Solving. 23 Junk, Robert/Müllert, Norbert R.: Zukunftswerkstätten – Wege zur Wiederbelebung der Demokratie, Leipzig: Wilhelm Golmann Verlag 1981.
24 Ehn, Pelle./Kyng, Morten: »Cardboard Computers«. In: Greenbaum, Joan M./Kyng, Morton (Hg.): Design at work: cooperative design of computer systems, Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates 1991. Ehn, Pelle/ Sjögren, Dan: »From System Description to Script for Action«, in: Greenbaum, Joan/ Kyng, Morton.: Design at work: cooperative design of computer systems, Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates 1991.
25 Lave, Jean/Wenger, Etienne: Situated Learning Legitimate Peripheral Participation, Cambridge: Cambridge University Press 1991. Wenger, Etienne: Communities of practice – Learning, meaning, and identity, Cambridge MA: Cambridge University Press 1998. 26 Eigene Übersetzung in: Wenger, Etienne: Communities of practice, S. 53.
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und kulturellen Kontexte, in denen sie auftreten, »erstrecken, und nicht zwischen diesen aufgeteilt werden«.27 Aus Designperspektive ist die Aufmerksamkeit ein weiterer wichtiger Gewinn, die auf die Aneignung von Design-Devices (und deren Agency) gelenkt wird, statt einfach nur zu »sprachen«.28 Grundlegend gibt es, wie Wenger betont, in Communities of Practice eine enge dialektische Beziehung zwischen Partizipation und Verdinglichung: die einbezogenen »Repräsentanten«. Diese formen einander reziprok. Durch die Partizipation am Prozess der Verdinglichung 29 werden Gestaltungsmittel (und künftige Objekte der Nutzung) von vornherein mit Bedeutung ausgestattet. Verdinglichungen sind »immer unvollständig, ständig potenziell bereichernd und potenziell irreführend«. Partizipation überwindet einige der Beschränkungen von Verdinglichung. Verdinglichungen bedeuten, dass »Repräsentanten« des Objekts der Gestaltung in den Designprozess aufgenommen werden. Dies »bedeutet zeitweilige Erhärtung oder Verfestigung von Erfahrung, die für Aushandlungen zentral wird«. Nutzung bedeutet dann, diese Verdinglichungen durch Beteiligung an der künftigen Nutzung, wie Björgvinsson es nennt, »aufzutauen«.30 Daher wäre es möglich, partizipatorische Gestaltung auf dieselbe Weise zu konzeptualisieren, wie man dies auf der Basis von Sprachspielen schon getan hatte – als sich überschneidende Communities of Practice (Nutzer als legitime periphere Partizipanten an Gestaltung und umgekehrt Gestalter als legitime periphere Partizipanten an Nutzung). Dies stimmt auch mit dem Verständnis des Designprozesses als Zusammentreffen von Interessengruppen überein.31 Der vorliegende Artikel schlägt vor, sich Gestaltung als partizipative, vielfach verschränkte Bedeutung generierende »Designspiele« vorzustellen, die eine konzeptuelle Familienähnlichkeit sowohl mit ineinander verflochtenen Sprachspielen als auch mit sich überschneidenden Communities of Practice haben. Dabei beachtet er sowohl den semantischen als auch den pragmatischen Aspekt. Partizipatorische Gestaltung kann also als ein Prozess der Verflechtung vieler unterschiedlicher Designspiele betrachtet werden, zum Beispiel: s Es gibt viele alltägliche professionelle (Design-)Spiele sowohl von Nutzern als auch von Gestaltern (das ist die tägliche Praxis der Partizipanten in Bezug auf ein Designprojekt, verstanden als Designspiele). s Es gibt explizit konstruierte spezifische Designspiele, die Familienähnlichkeit mit diesen alltäglichen Designspielen
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aufweisen (das ist der Designprozess als gemeinsames Design-Ding). s Es gibt spezifische performative »Design-by-Doing«- und »Design-by-Playing«-Designspiele (also Gestaltungsmethoden und -mittel, die als Designspiel angesehen werden). s Obwohl keine Designspiele im selben Sinne, gibt es analog zu Designspielen spezifische sogenannte Designspiele wie partizipatorische Spiele im Unternehmenskontext,32 »Konzeptdesignspiele«33 oder »Video als Designmaterial«34 (die Nutzung spezifischer Design-Devices, aufgefasst als »Designspiele«). Nicht-menschliche Design-Partizipanten und Repräsentanten Bevor wir das Thema Partizipation und Gestaltung für die Nutzung verlassen, befassen wir uns noch detaillierter mit nicht-menschlichen Partizipanten und der Rolle von Design-Devices und Artefakten (z.B. Prototypen, Muster, Designspiele, Modelle, Skizzen und andere Materialien) in miteinander verschränkten Designspielen in einem Design. Bei der Projektarbeit gibt es einen starken Fokus auf die »Repräsentationen« des Objekts der Gestaltung. Traditionell werden diese als graduell stärker ausgearbeitete »Beschreibungen« des künftigen gestalteten Objekts aufgefasst. Hier sollten eher die Devices im Mittelpunkt stehen, die bei sämtlichen Designspielen im Designprozess Kommunikation oder Partizipation unterstützen. Diese Devices fungieren hier als materielle »Repräsentanten« des sich entwickelnden Objekts der Gestaltung. Gleichzeitig sind
27 Eigene Übersetzung in: Ebd. 28 Anmerkung der Redaktion: »sprachen« auch hier im Sinne von Heidegger (s.o.) 29 »Unserer Erfahrung eine Form geben, indem wir Objekte produzieren, die diese Erfahrung in Dingheit verfestigen«. Eigene Übersetzung in: Wenger, Etienne: Communities of practice, S. 53. 30 Björgvinsson, Erling: Socio-material mediations – Learning, knowing and self-produced media within
healthcare, Blekinge Institute of Technology Dissertion Series 2007. 31 Fischer, Gerhard/Scharff, Eric: Meta-Design – Design for Designers, in Proceedings of DIS 2000, New York: ACM Press 2000, S. 396–405. 32 Ehn, Pelle/Sjögren, Dan: »From System Description to Script for Action«, in: Joan M. Greenbaum/Morton Kyng (Hg.), Design at work: cooperat ive design of computer systems. 33 Habraken, N. John/Gross, Mark: Concept design games
(Book One: Developing, Book Two: Playing), Report submitted to the National Science Foundation Engineering Directorate, Cambridge Massachusetts: Department of Architecture, MIT 1987. 34 Buur, Jacub/Binder, Thomas./Brandt, Eva: »Taking video beyond ›hard data‹ in user centered design«, in: Todd Cherkasky/Joan Greenbaum/Peter Mambrey/ Jens K. Pors (Hg.), PDC 2000 Proceedings of the Participatory Design Conference, New York, NY: USA, 2000.
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sie aber auch soziomaterielle öffentliche Dinge und können unterschiedliche Beteiligte miteinander verbinden. Es gibt also offenkundig auch eine performative Dimension des sich entwickelnden Objekts. Diese »Repräsentanten« des Objekts der Gestaltung müssen natürlich von den anderen Partizipanten ausgewählt und einbezogen werden, aber sobald sie einbezogen sind, sind sie aktive Partizipanten am Design-Ding als einem Kollektiv von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren. Auch können wir Design-Devices (gleichzeitig »Repräsentanten« des Designobjekts und öffentlicher Dinge) als »bundary objects«, betrachten, deren Konzeptualisierung Susan Leigh Star entlehnt ist.35 Die Bedeutung, die Design-Devices wie bei einem Modell eingeschrieben ist, macht sie in unterschiedlichen, eng ineinander verflochtenen Designspielen sinnvoll. Gleichzeitig können sie mit vielfältiger Bedeutung für professionelle Designer bzw. Nutzer ausgestattet werden. Diese Bedeutung wird nicht über ihre jeweiligen professionellen Designspiele hinweg geteilt. Es ist gut möglich, dass Grenzobjekte schwach strukturiert sind, damit sie flexibel sind und Übertragung und Vereinheitlichung erlauben, dass sie aber dennoch stark genug sind, um bei der individuellen Nutzung oder der Nutzung in einem gleichförmigen Umfeld eingesetzt zu werden. Sie sind Verdinglichungen, die naturgemäß an sich überschneidende Designspiele gebunden sind, verfestigt, um Bedeutung zu stabilisieren, aber auch, um bei der wiederholten Nutzung »aufgetaut« zu werden. Deshalb sollte man bei der Etablierung von Dingen als gemeinsame Designspiele in jedem Gestaltungsprozess erwägen, wie derartige Grenzobjekte identifiziert und einbezogen werden können, und gleichzeitig der unterschiedlichen Bedeutungen gewahr zu sein, die diese »Repräsentanten« in Bezug auf die im Spiel befindlichen unterschiedlichen Designspiele annehmen können. Zudem können wir diese »Repräsentanten« als »Conscription Devices« betrachten, so wie Kathryn Henderson 36 es in ihrer Studie zur Nutzung von Gestaltungsmitteln durch Ingenieure tut; besonders bemerkenswert ist dabei, wie die Repräsentanten als Verweise auf andere zu gestaltende Devices genutzt werden, wenn sich Designspiele überschneiden. Damit nehmen sie nicht nur die Rolle des Bedeutungsträgers für alle Partizipanten ein, sondern lenken die Bedeutungen des evolvierenden Objekts der Gestaltung auch in eine bestimmte Richtung. Dies geschieht, indem sie Vorgaben für neue »Repräsentanten« nahelegen und potenzielle Transformationen als nächste Schritte in andauernden Designspielen anzeigen.
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Oben wurde die Auffassung dargelegt, dass partizipatorische Gestaltung und Gestaltung für die Nutzung eine partizipative komplexe Bedeutung hat. Sie macht die Designspiele und Designmittel gleichzeitig zu »Repräsentanten« für das evolvierende Objekt der Gestaltung und zu öffentlichen Dingen, die ebendiese Designspiele und Mittel verbinden. Nun werden wir Herausforderungen für diesen partizipativen Ansatz untersuchen. Metadesign: Design für Design nach dem Design Metadesign und Infrastrukturierung Partizipatorische Gestaltung, wie sie oben konzeptualisiert wurde, unterliegt einer Einschränkung: dem Fokus auf Projekte, die identifizierbare Nutzer unterstützen. Grundsätzlich ist der beschriebene Designprozess darauf angelegt, Nutzerinteressen und den Produkten oder Dienstleistungen, die zu ihrer Unterstützung konzipiert sind, zu dienen. Kritiker haben zutreffend darauf hingewiesen, dass es Stakeholder gibt, die keine unmittelbaren Nutzer sind, und dass Menschen (sowohl unmittelbare als auch künftige Nutzer) gestaltete Devices auf völlig unvorhergesehene Weisen bewerten und sich aneignen werden. Die vorhergesehene Nutzung ist kaum dieselbe wie die tatsächliche Nutzung, unabhängig davon, wie viel Beteiligung am Designprozess es gab. Bedeutet das, dass die Idee von partizipatorischer Gestaltung und die Vorstellung von »Nutzung vor der Nutzung« komplett aufgegeben werden muss? Die gängigste Antwort auf diese Herausforderung für partizipatorische Gestaltung sind bisher Ideen von flexibler Nutzung oder offenen Systemen, bei denen Devices (also zweckdienliche Gegenstände) für individuelle Anpassungen gestaltet werden. So können Nutzer sich Devices bei der Nutzung aneignen, indem sie sie beispielsweise gemäß ihren unterschiedlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Bedürfnissen individuell anpassen und erweitern.37 Ein ähnlicher Ansatz ist bisher die Vorstellung einer fortwährenden Gestaltung-während-der-Nutzung.38 In einer breiteren
35 Star, Susanne L./Bowker, Geoffrey C.: »How to Infrastructure«, in: Leah A. Lievrouw/ Sonia Livingstone (Hg.), The Handbook of New Media, London: SAGE, 2002, S. 151–162. 36 Henderson, Kathryn: On Line and On Paper – Visual
Representations, Visual Culture, and Computer Graphics in Design Engineering, Cambridge Mass: MIT Press 1999. 37 McCullough, Malcom: Digital ground: Architecture, pervasive computing and environmental knowing, Cambridge MA: MIT Press 2004
38 Henderson, Austin/Kyng Morton: »There is no place like home continuing design in use«, in: Joan M. Greenbaum/ Morton Kyng (Hg.), Design at Work: Cooperative Design of Computer Systems, Lawrence Erlbaum, Hillsdale, New Jersey 1991, S. 219–240.
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Designperspektive korrespondiert dies auch mit Visionen und Begriffen wie kontinuierliches Design und Redesign39 sowie unvollendetes Design.40 Bei solchen Ansätzen liegt ein besonderer Fokus darauf, wie Nutzer sich eine beliebige Technik aneignen. Hierbei interessiert uns besonders die Tätigkeit von Designern, und in welchem Bezug diese zu unvorhergesehener Nutzerbewertung und -aneignung des Objekts der Gestaltung in ihren Lebenswelten steht. Die Nutzung von Cultural Probes (wie Wegwerfkameras und Postkarten) war im Wesentlichen eine neue Methode, mit der Designer spezifisch situierte Nutzererfahrungen als Inspiration für ihre gestalterische Arbeit gemeinsam nutzen.41 Nun suchen wir gewissermaßen das Gegenteil: Wie können Nutzer bei ihren Designspielen von den Spuren, Hindernissen, Objekten und Dingen inspiriert werden, die professionelle Designer nicht beachten, und sie »in die Realität umsetzen«? Wir suchen also eine Art Gestaltung nach der Gestaltung – andere Designspiele als die, die professionelle Gestalter und Nutzer in einem Projekt spielen, aber nichtsdestoweniger Designspiele (in der Nutzung). Das soll nicht heißen, dass jegliche Aneignung in der Nutzung als Design verstanden werden kann oder sollte – es geht nur um eine Öffnung für Designansätze in Designprojekten, die diese Art von Aneignung unterstützen. Einen solchen Ansatz verfolgt Metadesign. Hier gelten sowohl professionelle Designer als auch potenzielle Nutzer als Gestalter. Das trifft zwar weitgehend auch auf partizipatorische Gestaltung zu, aber im Metadesign partizipieren sie nicht an synchronen und ineinander verschränkten Designspielen, sondern an Designspielen, die zeitlich und räumlich aufgeteilt sind. Ein solcher Metadesign-Ansatz wurde von Fischer und Scharff42 sowie von Fisher und Giaccardi43 unter Verweis auf frühere Arbeiten beschrieben, und zwar sowohl in der Kunst (zum Beispiel von Gene Youngblood und Derrick de Kerchove) als auch in der Theorie von Wissensund biotechnischem Design (zum Beispiel von Paul Virilio und Umberto Maturana). Der Fokus verschiebt sich vom Bestreben, Nutzer in den Gestaltungsprozess einzubinden, dahin, jede Nutzungssituation als potenzielle Designsituation zu betrachten. Also gibt es Design während eines Projekts (»zur Projektzeit«), aber ebenso Design bei der Nutzung (»zur Nutzungszeit«). Es gibt Design (bei der Nutzung) nach dem Design (im Designprojekt). Das hat eine Reihe strategischer Konsequenzen in Bezug auf Design für die Nutzung im Allgemeinen und nicht zuletzt für partizipatorisches Design. In Designspielen, die zur Projektzeit stattfinden, ist zu berücksichtigen, dass es Designspiele gibt, die
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noch weitergehen, während die Nutzer bei der Nutzung mitspielen; letztlich gibt es auch Designspiele mit völlig neuen Stakeholdern. Infolgedessen wird es bei den Designspielen zur Projektzeit entscheidend, dass sie Design-bei-Nutzung unterstützen, dass sie also Designspiele zur Nutzungszeit sind. Daher wird es eine Fokusverschiebung geben: von Designspielen, deren Ziel nützliche Produkte und Dienstleistungen sind, hin zu Designspielen, deren Anliegen es ist, gute Umgebungen für Designspiele zur Nutzungszeit zu schaffen. Typischerweise führt dies zur Projektzeit zu einer Beschäftigung mit identifizierenden, gestaltenden und unterstützenden sozialen, technischen und räumlichen Infrastrukturen, die konfigurierbar, und möglicherweise hilfreich für die Alltagsnutzung künftiger Designspiele, sind. Bei der Verlagerung von Design-für-Nutzung zu Design-fürDesign scheinen wir nicht nur mit ineinander verschränkten Designspielen konfrontiert zu sein, sondern ebenso mit einer Kette von Designspielen. Wie bei der partizipatorischen Gestaltung sind die gestalteten Devices sowohl »Repräsentanten« der Objekte der Gestaltung als auch – als Grenzobjekte – soziomaterielle öffentliche Dinge. Die Objekte der Gestaltung bei Designprojekten und in der Nutzung sind jedoch unterschiedlich. Zur Projektzeit soll das Objekt der Gestaltung ein öffentliches Ding produzieren, das offen ist für Kontroversen, aus denen sich bei der Nutzung neue Designobjekte ergeben können. Diese Mediation nennt Leigh Star »Infrastructuring«; es handelt sich eher um ein »Wann« als ein »Was«. 44 Eine Infrastruktur, wie Eisenbahnstrecken oder das Internet, wird nicht jedes Mal neu erfunden, sondern ist in andere soziomaterielle Strukturen »eingebettet« und nur durch Mitgliedschaft bei einer bestimmten Community of Practice zugänglich. Infrastruktur, oder eher Infrastructuring, ist ein soziomaterielles öffentliches Ding. Es ist relational. In Bezug auf Designspiele zur Projektzeit und auf (mehrere
39 Jones, J Christopher: Continuous Design and Redesign, in: Christopher J. Jones (Hg.), »Essays in Design«, New York: John Wiley and Sons 1984. 40 Cameron Tonkinwise: »Is Design Finished? dematerialisation & changing things«, in: Design Philosophy Papers 2 (2004), S. 20–30. 41 Gaver, Bill/Dunne, Tony/ Pacenti, Elena: »Cultural
Probes«, in: Interactions 6/1 (1999), S. 21–29. 42 Fischer, Gerhard/Scharff, Eric: Meta-Design – Design for Designers, in Proceedings of DIS 2000, New York: ACM Press, S. 396–405. 43 Fischer, Gerhard/ Giaccardi, Elisa: »Metadesign. A Framework for End-User Development «, in: Lieberman, Henry/Paternò, Fabio/Wulf, Volker (Hg.), End User
Development – Empowering People to Flexibly Employ Advanced Information and Communication Technology, Dordrecht: Kluwer Academic Publisher 2005. 44 Star, S. L.: The Structure of Ill-Structured Solutions: Boundary Objects and Heterogeneous Distributed Problem Solving; und: Star, S. L./Bowker, G. C.: How to Infrastructure.
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potenziell konfligierende) Designprojekte bei der Nutzung wird es zu Infrastruktur. Die Gestaltung solcher potenziell öffentlichen Dinge, die als Infrastructuring Designobjekte in der Nutzung werden können, bildet die Herausforderung und das Objekt der Gestaltung für professionelles Design zur Projektzeit. Wer die Partizipanten dieses öffentlichen Dings sein werden, und auf welche Weise sie es sich möglicherweise aneignen, muss jedoch teilweise offen gelassen werden. Infrastrukturierungsstrategien Lassen Sie uns mit dieser Positionierung einige potenzielle Metadesignstrategien untersuchen, die als Design zur Projektzeit umgesetzt werden können und die bei Designspielen zur Nutzungszeit die Flexibilität, Offenheit und Konfigurierbarkeit von Infrastrukturen als soziomaterielle öffentliche Dinge unterstützen. Aus einer technischen Perspektive können solche Infrastrukturierungsstrategien offensichtlich das Design und die Aushandlung von »Protokollen« und »Formaten«, sprich die »Protokollierung« und »Formatierung« in den Mittelpunkt stellen. Denken Sie nur an Internetkommunikationsprotokolle wie TCP/IP, HTTP und FTP, die für den Erfolg des Internet wesentlich waren. Aber diese »Protokollierung« könnte auch eher sozial verstanden und entwickelt werden – auf diese Weise werden z.B. in der Diplomatie Beziehungen geregelt, wenn prozedurale Übereinkünfte zu treffen sind. Man könnte auch an Inspiration aus dem Bereich des Digitalen denken: die inspirierende Erstellung von Dateiformat-Konventionen wie ASCII, HTML und JPEG. Aber interessanter ist vielleicht die Erstellung und Nutzung von »Formaten« in der Architektur. Hier sind Formate übergeordnete Lösungen mit klaren Charakteristika, beispielsweise die »Basilika«. Allerdings hat das Format eine gewisse Elastizität, die es offen macht für Kontext, Wandel und Adaptionsfähigkeit; für absichtliche Überschreitung, die keine Verzerrungen verursacht. Generellere Strategien, um Infrastrukturen zu schaffen, die flexibel und offen für Design nach dem Design und für unvorhergesehene Aneignung sind, haben mit der Bereitstellung von Devices zur Konfiguration zu tun. Es gibt mindestens zwei Typen der Konfiguration von Designspielen, die bei der Nutzung gespielt werden: Die Adaption eines Raums für eine Vielzahl von Nutzungen und Identitäten sowie Konfigurationen von Devices innerhalb des physischen Raums. Es ist jedoch nicht a priori gegeben, wie Konfigurationsmöglichkeiten von Raum bei der Konfiguration von Designspielen, die
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in einer spezifischen Praxis auftreten, angeeignet werden. Designer haben möglicherweise zur Projektzeit, bei der Formung der Infrastruktur, bestimmte Spiele im Sinn – aber welche wirklich gespielt werden, wird bei der tatsächlichen Nutzung bestimmt, und sie können sich stark von den avisierten Designspielen unterscheiden. Eine spezifische Strategie, um Designspiele zur Projektzeit mit Designspielen zur Nutzungszeit zu verbinden, ist die Komponentenstrategie. Sie basiert auf der Idee, eine konfigurierbare »Infrastruktur« aufzubauen, die mit allgemeinen Bausteinen, Komponenten und Komponentenmontagen arbeitet. Dabei handelt es sich um eine Art Ingenieurleistung oder »LEGO-Steine«-Ansatz. Exemplarische Prototypen können als »boundary objects« zwischen den Designspielen eines Designteams und denjenigen der »gestaltenden Nutzer« betrachtet werden: Diese »boundary objects« sollen Nutzer konfigurieren und sich aneignen. Software-Plattformen können diese Konfigurierbarkeit direkt unterstützen. Ein gutes Beispiel ist die Open Source-Architektur PALCOM, die die »Montierbarkeit« (von Komponenten) und die »Inspizierbarkeit« (der Montagen von Infrastruktur und Komponenten) unterstützt. Jedoch kann Infrastrukturierung nie auf die technische Plattform reduziert werden;45 sie kann nie dekontextualisiert werden, selbst wenn der Kontext schon von Beginn an unklar ist. Statt eine technische Plattform (»schlanke Infrastruktur«) zu konzipieren, kann Design zur Projektzeit sich – so die Argumentation von Baker – als Infrastrukturierung mit »breiter Infrastruktur« befassen,46 also mit der wechselseitigen Konstituierung des Sozialen und des Technischen sowie der Heterogenität potenzieller Designspiele. Selbst bei der Fokussierung auf »schlanke Infrastruktur« (auf technische Plattformen und Middleware-Software, die die Aneignung und Nutzung verschiedener Devices unterstützen), scheint die Einbindung von Nutzern in Design und Evaluierung eine fundamentale Erfolgsstrategie zu sein.47 Eine andere Infrastrukturierungsstrategie könnte die Entwicklung von Designmustern sein. Die Idee entstammt der bekannten Arbeit des Architekten Christopher Alexander in den 1970ern zu einer Mustersprache (Pattern Language). Sie kann als alternativer
45 J. Buur et al.: Taking video beyond ›hard data‹ in user centered design. 46 Baker, Karen/Ribes, David et al.: Interoperability strategies scientific infra-
structure:research and practice, American Society for Informa tion Systems and Technology Proceedings, ASIST 2005. 47
Edwards, Keith/Belotti,
Victoria/Dey, Abind K./ Newman, Mark W.: »Stuck in The Middle – The Challenges of User-Centered Design and Evaluation of Infrastructure«, CHI 03 Conference Proceedings, 2003.
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Konfigurationsansatz betrachtet werden, der vielleicht eher architektonisch als ingenieurtechnisch orientiert ist. Alexander und seine Kollegen hatten das Ziel, bestimmte räumliche Konfigurationen in Gebäuden und Städten zu identifizieren und zu artikulieren. Solche Konfigurationen nannten sie Muster.48 Muster werden hinsichtlich des Nutzungskontexts, einer problematisierten Situation und vorgeschlagenen Lösung dokumentiert. Designmuster sind, in der Mustersprache Alexanders, systematisch aufeinander bezogen. Wichtiger ist in unserem Kontext von Metadesign und verflochtenen Designspielen die Idee, dass die Artikulierung und Verfeinerung von Mustern als eine Methode verstanden wird, herkömmliche Herangehensweisen zu verknüpfen. Ein Beispiel dafür wäre die lokale Planung, die die Nutzerpartizipation bei der Planung und Aneignung ihrer eigenen Umgebung unterstützt. Muster und Mustersprachen wurden später sowohl von der Softwaretechnik-Gemeinde als auch von Forschern und Praktikern im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion übernommen.49 Weitere Muster sind beispielsweise Muster auf der Basis ethnographischer Beobachtungen, die interaktives Design im häuslichen Umfeld50 oder die generativen Design-Abstraktionen für Produkte des »Pervasive Computing«51 unterstützen. Der wichtige Aspekt von Mustern, die als Aspekte einer Infrastrukturierungsstrategie aufgefasst werden, ist, dass ihre Unterstützung der Aneignung bei der Nutzung eine zentrale Rolle als Vehikel für Design während der Nutzung spielt. Eine weitere Sichtweise von »Infrastruktur« als Beziehung zwischen Design zur Projektzeit und Design zur Nutzungszeit sind domänenpezifische Sprachen oder Umgebungen. Besonders Ontologien erregen seit einiger Zeit in Bezug auf das Design wissensbasierter Systeme und spezifischer Domänen viel Aufmerksamkeit. Typischerweise ähnelt eine Ontologie einem Wörterbuch oder Glossar, jedoch mit einer Struktur, dank derer ein Computer den Inhalt verarbeiten kann. Eine Ontologie besteht aus Konzepten und Beziehungen, die eine bestimmte Domäne innerhalb von z.B. Architektur oder Technik beschreiben.52 Ontologien eignen sich hervorragend zur Untersuchung komplexer Domänen, daher scheint es in gewissem Sinne eine vernünftige Infrastrukturierungsdesign-Strategie zu sein, sie zur Projektzeit zu entwickeln, zumindest wenn sie offen dafür sind, gegebenenfalls bei der Nutzung weiterentwickelt zu werden. Aber woher kommen sie, und wie werden sie in Designspielen zur Nutzungszeit angeeignet? Jeder Versuch, eine universelle Ontologie aufzubauen, gerät mit der Evolution des Objekts der Gestaltung in spezifischen lokalisierten Designspielen in Konflikt.
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Die Ontologie ist keine konzeptuelle Karte der Welt, so wie sie ist, sondern ein »boundary object« unter vielen in einer Infrastruktur – vielleicht sogar ein öffentliches Ding, das Designspiele zur Projektzeit mit denjenigen, die bei der Nutzung gespielt werden, eng verflicht. Ontologien müssen offenbar nicht nur situiert sein, sondern auch ständig neu verhandelt werden, während wir weiterspielen. Sie müssen offene, kontroverse Dinge sein. Dies bringt uns zu einer reversen Infrastrukturierungsstrategie. Wie sähe eine »Infrastruktur« aus, die nicht total oder universal wäre, sondern existierende, modifizierte und künftige Artefakte und Devices aller Art in einer spezifischen Domäne berücksichtigen würde? Ein Ansatz ist die Vorstellung einer »Ökologie der Devices«, wie von Klaus Krippendorff vorgeschlagen (auf der Grundlage von Ideen Gregory Batesons und Kenneth Bouldings).53 Im Allgemeinen geht es bei Ökologien darum, wie eine große Anzahl von Pflanzen und Tieren miteinander interagiert, indem sie sich gegenseitig ernährt, reproduziert, eine Nische findet (oder ausgerottet wird) usw. Typischerweise studieren Ökologen Ökosysteme in spezifischen und speziellen Domänen wie Seen oder Wäldern. Obwohl die meisten von uns mehr »Spezies« von Devices und Artefakten als Spezies lebender Organismen kennen, wurde Ökologien von Devices, bei denen zum Beispiel Fenster, Tische, Stühle, Lampen, Türen, Computer, Displays, Bücher, Abbildungen, Modelle, Taschen, Werkzeuge, Hemden und Schuhe in einer Umgebung interagieren, weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Natürlich ist ein Hauptunterschied zwischen Ökologien lebender Organismen und Ökologien von Devices der, dass biologische Spezies nach ihren eigenen Gesetzen interagieren, während jegliche Device-Ökologie durch Menschen verwirklicht wird, die ebendiese Devices verwenden. Krippendorff geht davon aus, dass in einer Device-Ökologie die Bedeutung eines Devices in seiner möglichen Interaktion mit anderen Devices besteht, und dass innerhalb einer Ökologie kein 48 Alexander, Christoph/ Ishikawa, Sara/Silverstein, Murray./Jacobson, Max/ Fiksdahl-King, Ingrid, Angel, Shlomo: A pattern language – Towns, buildings, construction, Oxford: Oxford University Press 1977.
AI & Society 15/4 (2001), S. 377–385.
49 Borchers, Jan/Fincher, Sally/Griffiths, Richar/ Pemberton, Lyn/Siemon, Elke: »Usability pattern language: Creating a community«, in:
51 McCullough, Malcom: Digital ground – Architecture, pervasive computing and environmental knowing, Cambridge MA: MIT Press 2004.
50 Crabtree, Andy: Pattern-based Support for Interactive Design in Domestic Settings, DIS Conference Proceedings 2002.
52 Vgl. Fensel, Dieter: Ontologies: A Silver Bullet for Knowledge Management and Electronic Commerce – 2nd Edition, Mainz: Springer Verlag 2003 53 Krippendorf, K.: Redesigning design.
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Device realisiert werden kann, das nicht für diejenigen bedeutsam ist, die es weiter»bringen« können. Daher ist sein Vorschlag – analog zu biologischen Ökologien, aber mit einem Fokus auf Bedeutsamkeit: »Kooperation«, »Konkurrenz«, »Unabhängigkeit«, »Reproduktion« und »Stillstand (Tod)« von Devices in spezifischen Kulturen (bzw. Communities of Practice oder sogar Designspielen) zu erkunden. Mit einem solchen Ansatz für Infrastrukturierung und die Koppelung von Designspielen zur Projektzeit mit Designspielen zur Nutzungszeit würde ein Designteam wesentlich stärker darauf achten, die Device-Ökologie in der Praxis, für die es gestaltet, vollständig zu verstehen. Dies unterschiede sich nicht wesentlich von der Art geographischer und historischer Berichte, die heute in vielen Projekten der partizipatorischen Gestaltung erstellt werden. Sie würden jedoch anders wahrgenommen werden, da das ökologische Vorverständnis der Devices im Spiel, sei es zum Guten oder zum Schlechten, dominieren würde. Aber vielleicht noch wichtiger: »Protokolle«, »Formate«, »Komponenten«, »Muster« und »Ontologien« oder andere vorgeschlagene »boundary objects«, »Conscription Devices« oder Infrastrukturen wären hinsichtlich der Perspektive ihres Beitrags zu jenen Designspielen, die in bereits vorhandenen Device-Ökologien gespielt werden, zu betrachten. Wie werden Nutzer diese Devices heute und in Zukunft dazu bringen, zu konkurrieren und zu kooperieren? Werden sie in ihren Designspielen einen angemessenen Platz und eine angemessene Rolle für die neuen »Repräsentanten« des Objekts der Gestaltung finden? Gestaltungsantworten auf solche Fragen fallen notwendigerweise bescheiden aus. Vielleicht müsste man in dieser Strategie zur Projektzeit versuchen, das konkrete Objekt der Gestaltung als ein öffentliches Ding zu entwickeln, das seinen Weg in die Lebenswelten von Nutzern und in bereits existierende Device-Ökologien finden könnte, wenn seine Nutzer Bedeutung generieren. Es handelt sich bei diesen Fragen jedoch keineswegs um Designfragen aus dem Nichts. Die Antworten hängen auch davon ab, inwieweit Designer sich mit Strategien befassen, um ihre Gestaltungen gegenüber Stakeholdern mit Vorteilen auszustatten und spezifischen Device-Ökologien Bedeutung zu verleihen. Daher stellen Strategien partizipatorischer Gestaltung, die potenzielle künftige Nutzer einbeziehen, keinen Gegensatz zu Metadesign und Infrastrukturierung dar, sondern könnten auch bei der Infrastrukturierung eine höchst vorteilhafte Strategie sein. Das ist selbst dann vorstellbar, wenn unsicher ist, wer die künftigen Nutzer sein werden und wie sie sich Infrastrukturen und neue Devices aneignen werden.
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Partizipation und Kontroverse Dinge Die Herausforderung durch soziale Software Als partizipatorische Gestaltung eine neue Sichtweise entwickelte, strebte man eine neue Funktion des Gestalters zur Projektzeit an. Er sollte bei der Ausgestaltung der Bühne für gemeinsame Designspiele, bei der Ausarbeitung von der Formung eines Design-Dings eine Rolle spielen. Darauf geht der vorliegende Artikel noch ausführlich ein. Im Fokus stehen die Infrastrukturierung öffentlicher Dinge, die Unterstützung künftiger Evaluation sowie Aneignung als eine Aktivität von Design zur Nutzungszeit. Möglicherweise gibt es auch eine neue Rolle für den professionellen Gestalter/-in und für künftige Designspiele, die außerhalb des DesignprojektKontextes stattfinden. Der Artikel endet mit einigen Reflexionen über solche künftigen Designspiele. Soziale Software und Web 2.0-Infrastrukturen wie YouTube, Myspace, Facebook und Flickr sind schon seit einigen Jahren extrem erfolgreiche Plattformen; sie unterstützen die massive Beteiligung an der Schaffung und gemeinsamen Nutzung populärer kultureller Materialien über kleine und große, homogene und heterogene Gemeinschaften und Orte hinweg. In einer Diskussion über Partizipation an Design-Dingen können derartige Phänomene nicht ignoriert werden. Welche Rollen könnte und sollte professionelle Gestaltung bei der Schaffung solcher Infrastrukturen und Dinge und bei deren Publikmachung spielen? Geht es hier tatsächlich allein um Design in Nutzung? Öffentliche Infrastrukturen werden vielleicht immer relevanter, denn offene Applikationen, Infrastrukturen und Communitys wie Open Source, Wikipedia und Creative Commons sind Herausforderungen an Design und Partizipation. Wikipedia wächst als gigantische, partizipativ offene Ressource für die Schaffung, gemeinsame Nutzung und Aushandlung von Wissen. »Creative Commons« als Infrastruktur unterstützt die offene Bereitstellung kreativer Inhalte und geistigen Eigentums über Designspiele hinweg, statt Kreativität zu privatisieren und Patente zu sperren. Die Open Source-Bewegung ist auf viele Arten das generische Muster für solche Communitys und ihre Designspiele. Das beinhaltet auch das Risiko, zu einer Infrastruktur zu werden, die für wirklich kreative Gestaltung zu starr ist. Diese Designstrategien müssen jedoch nicht auf das digitale Gebiet beschränkt sein. Ein Beispiel, das zum Nachdenken anregt, ist »Free Beer« der Performancekünstlergruppe SUPERFLEX. Freibier wird nicht ausgeschenkt, sondern ist ein Open Source-Bier. Das Rezept ist im Rahmen einer Creative
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Commons-Vereinbarung, mit kostenlosen Rechten für die Nutzung und Verbesserung des Designs, offen zugänglich, vorausgesetzt, die Verbesserungen werden geteilt und die entsprechenden Danksagungen ausgesprochen. Auch auf anderen Gebieten werden Strategien für massive Partizipation an Design und an Gestaltung bei der Nutzung entwickelt. Ein Beispiel ist der einflussreiche Massive Change-Ansatz nach Vorschlägen von Bruce Mau,54 der Design als außerordentlich wichtige partizipative Praxis zur Formung unserer Welt bewertet. Andere berühmte Bottom-up- und kollektive Ansätze für partizipatorisches Design sind pro-am und We-think. Diese Konzepte stehen für engagiertes professionelles Amateurtum außerhalb der etablierten Ökonomien. Es geht ihnen um die Entwicklung sozialer Software für sozialen Wandel, partizipative öffentliche Dienste usw.55 Und mit einem sogar noch weiteren Blickwinkel: partizipative Strategien für innovatives Design und die Formung von Infrastrukturen, in denen sich Menschen kreativ ausdrücken und kollaborativ in sinnvollen Aktivitäten und Designspielen engagieren können.56 Und schließlich, vielleicht am anderen Rand des Spektrums und ganz im Zeitalter der neuen Medien, gibt es das Revival der Do-it-Yourself-Tradition, die der Punk-Generation entstammt. Sie findet sich nicht zuletzt bei Communities junger Videospieler: in der »machinima«-Tradition, die Standard-Videospielgeräte in ihre ganz eigenen, weiterentwickelten Amateur-Medienproduktionstools umwandelt. Welche Rolle spielt der professionelle Gestalter/-in bei dieser Art von Gestaltung-nach-der-Gestaltung? Einst praktizierte Duchamp seine »Ready-made«-Strategie der Rekontextualisierung und Wiederaneignung auf dem Gebiet der Kunst, inzwischen wird sie absichtsvoll und mit großem Wissen und Können von »Misusern« als tagtägliche Designstrategie in den neuen Medien praktiziert. Und weiter: Wie positionieren sich professionelle Gestalter/ innen angesichts der paradoxen Situation, dass Web 2.0-Anwendungen sozialer Medien sowie massive Nutzerbeteiligung an kreativer Produktion nicht nur ein »alternativer«, »demokratischerer« Produktionsmodus zu sein scheinen, sondern ebenso ein bedeutendes Feature des Eigenimages der modernen Geschäftswelt? Vor diesem Hintergrund scheint es relevant, zu den Zielen partizipatorischer Gestaltung zurückzukehren und sie aus der Perspektive von Design-für-Design und potenziell massiver Beteiligung als Design-in-der Nutzung neu zu formulieren.
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Verantwortlichkeit und Infrastrukturierung Der Ausgangspunkt für partizipatorische Gestaltung waren Überlegungen, wie Design ressourcenschwache Gruppen unterstützen könne. Sie kam auf, als Informationstechnik am Arbeitsplatz eingeführt wurde und führte dazu, dass der/-die Gestalter/-in sich klar positionierte, wenn die Weise, in der Design in die Nutzung implementiert wurde, kontrovers diskutiert wurde. Demokratie, Wissen und Fähigkeiten sind Leitwerte der partizipatorischen Gestaltung. Damit wächst das Interesse an der Unterstützung legitimer Partizipation sowie an Möglichkeiten für Nutzer, »implizites Wissen« und »ästhetische Erfahrungen« auszudrücken und zu kommunizieren. Bei der Weiterführung von partizipatorischer Gestaltung hin zu Design-für-Design und Design-in-Nutzung könnten sich genau jene Leitwerte als nützlich erweisen, für die man sich einst ausgesprochen hatte, um einem hierarchischen und formalistischen und von Dominanz geprägten Gestaltungsprozess entgegenzutreten. Die Begriffe Dominanz, Hierarchie und Formalismen charakterisieren sicher viele soziale, technische und räumliche Infrastrukturen. Daher könnte sich aus der rationalen Idee von Demokratie und legitimer Partizipation im Design-für-Design ein Fokus auf eine Infrastrukturierung entwickeln, deren Ziel der Aufbau von Kommunikation und Gemeinschaft ohne Zwänge ist. Dann müssen wir jedoch, wie Star57 betont, besonders auf diejenigen achten, die »marginalisiert wurden von standardisierten Netzwerken« oder Infrastrukturen. Dies wiederum kann jedoch nicht in einem universellen Sinne als »Design aus dem Nichts« genutzt und geleistet werden, sondern nur, wie Haraway es ausdrückte, als »Politik und Epistemologien von Ort, Positionierung und Verortung, wobei Parteinahme und nicht Universalität die Bedingungen dafür sind, angehört zu werden, um rationale Ansprüche auf Wissen zu erheben«58 sowie, nach Suchman, als »verortete Verantwortung«.59 Aus dieser Perspektive wird Design als »demokratische Innovation« eine Angelegenheit,
54 Mau, Bruce/Leonard, Jennifer: Massive Change, London: Phaidon 2004. 55 Leadbeater, Charles: We-Think, London: Profile Books 2007. 56 von Hippel, Eric: Democratizing Innovation, Cambridge: MIT Press 2005.
57 S.L. Star: The Structure of Ill-Structured Solutions: Boundary Objects and Heterogeneous Distributed Problem Solving. 58 Zitat eigene Übersetzung. Haraway, Donna: »Situated Knowledges: the science question in feminism and the privilege of partial perspective«, in: Haraway, Donna (Hg.): Simians,
Cyborgs, and Women. New York: Routledge 1991, S .195. 59 Suchman, Lucy: Located Accountabilities in Technology Production, published by the Centre for Science Studies, Lancaster University 2000, www.comp.lancs.ac.uk/ sociology/papers/SuchmanLocated-Accountabilities.pdf
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bei der es weniger um das »Neue« oder um Patente geht, sondern eher – so Barrys Vorschlag – um Alltagspraxis an bestimmten Stellen und Standorten, die sich für die Arbeit an einer Vision entstehender Designlandschaften engagiert. Durch diese Arbeit finden soziale und materielle Transformationen statt, die Fragen und Möglichkeiten erschließen.60 Die öffentlichen und kontroversen Dinge Vor einigen Jahren schlug Berard Tschumi solche Strategien zur Erschließung kontroverser Dinge als eine Art »Event-Architektur« vor, bei der der Fokus eher auf der Gestaltung von »ArchitekturEvents« als auf »Architektur-Objekten« lag.61 Hier unterstützt die Infrastruktur zahlreiche und heterogene, oft kontroverse Designspiele bei der Nutzung (oft anstelle homogener und einheitlicher Spiele). Diese Infrastrukturierung könnte beispielsweise durch explizite Programmierungstaktiken erreicht werden, bei denen Brüche in der erwarteten Form und Nutzung – wie beim CrossProgramming – untersucht werden (z.B. der Vorschlag, ein Kirchengebäude für Bowling zu benutzen). Ein neueres Beispiel sozialer Software ist die Umnutzung von Facebook 2007 für eine Art von »Open Source-Politik. Amateuraktivisten und große politische Non-Profit-Gruppen eigneten sich Facebook als wichtige Infrastruktur an und organisierten weltweite Proteste gegen Myanmars gewalttätigen Angriff auf die Pro-Demokratie-Demonstrationen der Mönche. Ein noch weitreichenderes Beispiel dafür, wie Wege gefunden werden, vorhandene Technologie und Infrastruktur »umzugestalten« und in ein kontroverses Ding zu verwandeln, ist »The French Democracy«; siehe Lowoods Analyse. 62 Der Hintergrund waren Aufstände in einer vorwiegend afrikanisch-arabischen Pariser Vorstadt im November 2005, nachdem zwei Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei per Elektroschock getötet worden waren. Ungefähr zur selben Zeit kam ein Computerspiel auf den Markt: eine Hollywoodstudio-Simulation mit einer Toolbox, um Animationsfilme für dieses Studio zu kreieren. Die Community der Videospieler fand jedoch schnell Wege, das Spiel in ein Produktionstool zur Herstellung unabhängiger Animationsfilme umzubauen. Einer von ihnen war ein freiberuflicher Industriedesigner ohne Erfahrung als Filmemacher. Innerhalb weniger Wochen produzierte und veröffentlichte er unter dem Namen Koulamata »The French Democracy«63 eine Kurze Geschichte die kommentierte, wie Minderheitengruppen durch Schikane und Diskriminierung bei der Arbeit zu Opfern gemacht wurden und thematisierte den Zustand der historischen
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französischen Ideale von Freiheit und Brüderlichkeit. »The French Democracy« wurde massiv aus dem Internet heruntergeladen, in mehreren Internetforen kommentiert und schon bald über ein breites Spektrum von Mainstream-Medien auch in der öffentlichen Debatte aufgegriffen. Dieser Do-it-Yourself-Ansatz für das Finden geeigneter Technologie und kreativen »Misuse« (absichtliche Fehlnutzung), die die Technik in neue Designmittel, in neue handelnde »Repräsentanten« transformiert, ist sicherlich auch eine Herausforderung für professionelle Gestaltung. Communitys können ihre Videospielumgebungen in Tools für den öffentlichen Diskurs über öffentliche Ereignisse verwandeln. Welche Rolle spielt professionelle Gestaltung bei derart kontroversen Dingen, die Design bis in politische Prozesse, öffentliche Debatten und subversiv aber kreativen »Misuse« hinein erweitern? In diesem Artikel zur Partizipation an Design-Dingen waren der philosophische Pragmatismus von John Dewey und die »Dingpolitik« von Bruno Latour64 die Eckpfeiler. Sie bildeten das Grundgerüst für Reflexionen zu Design als Partizipation in Kollektiven von Menschen und Nicht-Menschen sowie zur Frage, wie wir »in Kommunikation leben«. Deweys Position zu kontroversen Dingen und der Öffentlichkeit macht Design sogar zu einer noch größeren Herausforderung. Er argumentierte, 65 dass die Öffentlichkeit tatsächlich durch Heterogenität und Konflikt charakterisiert ist. Für, durch und mit Communities of Practice zu gestalten, die in Designspiele verflochten sind und in denen sich gemeinsame soziale Ziele bereits etabliert haben und institutionalisiert oder zumindest erreichbar sind, ist vielleicht schon Herausforderung genug. Relativ stabile Infrastrukturen unterstützen soziale Gemeinschaften. Die wirklich anspruchsvolle Herausforderung ist jedoch, zu gestalten, wo kein solcher Konsens unmittelbar erreichbar scheint, wo keine soziale Gemeinschaft existiert. Kurz gesagt, wo eine politische Gemeinschaft, eine Öffentlichkeit, die durch Heterogenität und Differenz geprägt ist und in der es kein gemeinsames Objekt der Gestaltung gibt, eine Plattform oder Infrastruktur braucht. Nicht
60 Barry, Andrew: Political Machines – Governing a technological society, London: Athlone 2001. 61 Tschumi, Bernard: Event Cities (Praxis), Cambridge MA: MIT Press 1994.
62 Lowood, Henry: »Found technology: Players as innovators in the making of machinima«, in: McPherson, Tara (Hg.): Digital Media and Learning, Cambridge MA: MIT Press, S. 169–196. 63 The French Democracy (Frankreich: 2005, R: Alex Chan)
64 B. Latour/P. Weibel: Making things public. 65 Dewey, John: The Public and its Problems. New York: Holt 1927. Marres, Nortje: »Issues Spark a Public into Being«, in: Latour, Bruno/ Weibel, Peter (Hg.): Making Things Public (2005).
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notwendigerweise zur Konfliktlösung, aber um konstruktiv mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen; öffentlich kontroverse Dinge, bei denen sich heterogene Designspiele entfalten können und Akteure sich mit der gemeinsamen Ausrichtung ihrer konfligierenden Objekte der Gestaltung befassen. Partizipation an der Schaffung solcher Dinge ist offenkundig die ultimative Herausforderung für professionelle Gestaltung.66
66 Danksagungen des Autors: Diese Reflexionen zu Design-Dingen basieren auf einer gemeinsamen Arbeit, entwickelt mit den Kollegen Thomas Binder, Giorgio De Michelis, Giulio Jacucci,
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Per Linde und Ina Wagner. Von 2001 bis 2004 arbeiteten wir, gemeinsam mit anderen Kollegen, an einem europäischen Forschungsprojekt zu kreativen Designumgebungen, ATELIER. Seit dieser Zeit
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arbeiteten wir gemeinsam an einer umfassenden pragmatischen und theoretischen Betrachtung von Designpraxis und den Dingen, die wir gestalten.
Design Thinking in Research: The Role of Design Skills in Research and Vice Versa Pieter Jan Stappers
Design and research are becoming increasingly connected. On the one hand, the methods and techniques of designing have for some time been the object of study of academics, e.g., Cross’s work on design thinking.1 On the other hand, as design is becoming an academic discipline, taught not just at art academies but also at universities, we see research skills from various sciences entering the design curriculum. Hence, we see the term design research used with two different meanings: inquiry by academics to understand the practices of designing, and inquiries by designers to understand the practices of the intended users of the products they design (as in Laurel’s book design research). 2 One hand research studying design, the other hand research serving design. And in the interplay of those hands, we see both of these developments merging in the growing number of designers doing a PhD study, in which the act of designing is either the object of study, the method of generating new knowledge, or both. All this can be thoroughly confusing for all of us involved in it, and for those who deal with. Not only does it affect the discipline of designing, but also it requires that we find our place in the already quite varied landscape of research cultures. In this paper, I aim to share some of the insights that helped me make sense of what is happening. To do that, I will first describe
1 Cross, Nigel: »Designerly ways of knowing«, in: Design Studies 3/4 (1982), S. 221–227.
2 Laurel, Brenda: Design research – Methods and perspectives, Cambridge MA: MIT Press 2003.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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some experiences in research projects, and then use these cases as examples to discuss some underlying principles. These principles are not a complete theory, but rather instruments, tools, which have proved helpful for me. Design research is a relatively young field, especially if we compare it to, e.g., physics, which matured a few centuries ago, or astronomy, which could claim millennia of structured theory. 1 Context and participation At our lab, work on design research in its various meanings occurred with the backdrop of studying user contexts to enable design of improved products for those users. And as much of this work was aimed at developing new tools and techniques for designers, our users were also designers. I will return to the complications of that below in section 3. Key terms in this are context and participation. Why context? In the 1990s and 2000s, understanding the context of use became increasingly prominent. A broad understanding of the need to avoid mistakes about users, their capabilities and needs, grew, marked and fostered by influential publications such as Donald Norman’s psychology of everyday things3 (later renamed the design of everyday things). Industries struggled with the perception that just having clever technologies, or listening to what people asked for, was not enough for successful product development, but that a proactive understanding of the impact of the not-yet-existing product on users’ lives was a necessary ingredient for developing successful products, sometimes even the primary driving force of innovation (see Fig. 1).4
Fig. 1: Forces on innovation or product development
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How to get at context? To understand the context, several sources can be used. Traditionally, input from domain experts from, e.g., psychology, were used, which especially helped to improve ergonomic factors. But experts and their theories often contribute on a level of abstraction that misses out on the details needed to understand the particular situated complexities of the user. At that side, qualitative techniques from, or inspired by, ethnography and social sciences in general became adapted for use in design. Together with Liz Sanders, we worked on techniques in which the envisaged users participated as prime informants. The work on contextmapping intended to develop structured techniques of gathering insights on the user context in a manner that was at the same time appropriate for the context of product design (which required a high emphasis not only on generating rich insights) but also on communicating these within the organization. A key element of the generative techniques is that they use the act of making (giving users designerly tasks and tools, such as making a collage) as a way to evoke observation, reflection, discussion which form the basis for the knowledge that was built about the users’ lives: activities of designing played a key part in the research.
Fig. 2: Contextmapping techniques aim to get at the ›underwater‹ levels of knowledge which are not so easy to reach (figure modified from5)
3 Norman, Donald: The psychology of everyday things, New York NY: Basic Books 1988. 4 Stappers, Pieter Jan/van Rijn, Helma/Kistemaker, Sanne/Hennink, Annet/ Sleeswijk Visser, Froukje: »Designing for other people’s
strengths and motivations – Three cases using context, visions, and experiential prototypes«, in: Advanced Engineering Informatics, A Special Issue on Human-Centered Product Design and Development, 23 (2009) S.174–183.
5 Sleeswijk Visser, Froukje/ Stappers, Pieter Jan/van der Lugt, Remko/Sanders, Liz: Contextmapping – Experiences from practice, Codesign 1/2 (2005), S. 119–149.
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Participation in research Over the past decades, user participation in product development has grown, under the recognition that users carry an expertise about their own situations of use. But similarly we are seeing par ticipation of designers in research, which opens up new possibilities and questions existing practices in ways that are very similar to the user participation. When I did my PhD project in the late eighties, most of us researchers had had their research training in other domains: me in physics, some of my close colleagues in psychology. Around the turn of the century, we saw a shift where PhD projects were increasingly done by researchers with an MSc in design. At first these were industrial design engineers who returned from practice to seek academic deepening, or had gained research skills at other places, but over the years training in research gained a stronger foothold in design education, and by now PhD students with a design background have become a majority. With this shift, we also wrestle with the contribution that design skills and design actions give to research. Of course, many research approaches have been adopted from the physical and social sciences and engineering, but also the discours about research methods which thrive on design skills has grown. In this chapter I describe two cases that have been formative for my understanding in this domain. 2 Designers doing research: some examples The story is beginning to get abstract. Let me illustrate this with two concrete examples of designerly research methods, in the form of two PhD projects of designers in our group. In both cases, the work is already published/readily available and the theses can be freely obtained online, so I can with confidence, limit myself here to what I need for this story only. 2.1 The importance of prototypes 6 Ianus Keller aimed to develop new, interactive tools, to help designers deal with their collections of visual imagery used as inspiration in the early phases of a design process. Before then, our research strategy was mostly technology push, in that we proposed and developed prototypes and visions of how new (computer) technology could be used to support designers. Although this had resulted in ›cool demos‹ and interesting findings, academically speaking, we noticed a gap between academic visioning and design practice.
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With Ianus’ project, we aimed for a short-term impact on practice. To this end, Ianus started with a contextual study of how different creative disciplines used visual materials. One finding from his visits to design offices was the thorough separation between physical and digital imagery (note: this was in 2000). The former was used socially, serendipitously, and for inspiration, the latter individually, and for communication with the client. Moreover, every design office had a scanner, on which lay a stack of magazine pictures which were waiting to be scanned, but rarely were. Based on these observations (and a review of the literature relevant to collecting, cognition, creativity, communication, visual media, and interactive media), Ianus wanted to study how practice would evolve if the digital and virtual world would be added in a more seamless manner. For that purpose, the prototype Cabinet was developed and evaluated in practical context of design offices.
Fig. 3: Images from Ianus Keller’s Cabinet study. From left to right: a demonstration of the cabinet prototype, a map of domains of theory affecting his topic, and the development timelines of theory, technology (prototype), and interactions with practice during the project (all pictures from the thesis 7)
6 Keller, Ianus: For inspiration only – Designer interaction with informal collections of visual material, PhD Thesis,
Delft 2005. Download available at http:// forinspirationonly.net/ and at http://studiolab.ide.tudelft.nl/
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Fig. 3 illustrates some key elements of the study. First, the project was structured around the development of a prototype aimed to produce an effect, rather than a question framed within a theory. This made the study phenomenon-driven, rather than theory-driven (some would say problem-driven, but I hesitate to use that term, as the project was as much about new opportunities for which no problem was yet known). Second, the need to develop a prototype provided a spur to look for various, sometimes overlapping but largely disconnected, disciplines and theories that might help tackle the phenomenon. Third, in the timeline of the project, the prototype grew in completeness and maturity, which called for repeated excursions to field studies and bringing in new areas of theory along the way. The figure shows the iterative and interactive nature of the project. 2.2 The importance of frameworks guiding exploration8 Froukje Sleeswijk Visser’s PhD project started when Keller’s was finishing up. In this project, the problems of communicating findings from contextmapping research were placed in the center of study. These techniques of user research produced rich user insights, but required intensive efforts usually by researchers outside the design team. As a consequence, companies had difficulties in using the insights, and Froukje set out with the goal of developing more effective methods of communicating user experience insights in ways which would fit the realities of current industrial practice. Also in this project, design actions and field evaluations played a major part, and an effect rather than a theory-derived question drove development. But instead of a central prototype, a broad variety of prototypes of communication techniques was explored. Fig. 4 shows documentation for a face-to-face technique and a web-based tool used in the study. In this project, a large series of case studies was conducted, which were connected through a theoretical framework shown in Fig. 5. The framework shows three layers, with the communication goals on top (inspiration, empathy, and engagement), the pragmatic means of shaping communication events (e.g., procedure and materials) at the bottom, and in between the mechanisms involved, e.g., personification: showing research findings as coming from an existing individual helps recipients of the information gain an empathic understanding of the data. Again, the work took along various related fields of theory as inputs, but as these were often disjunct, it was decided to map out connections between theoretical concepts as they could be
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identified in the cases, rather than to strongly predict what should happen in each case study. As Fig. 5 shows from left to right, a single case study would start with focus on the mechanism of personification and the means of showing a photo from the contextmapping data; from the case study a sequence of connected mechanisms would be identified (e.g., personification connected to imagination, curiosity, interpretation, connection, and immersion). At the end of the case studies, the mechanisms and their relations had been mapped out (Fig. 5 on the right), and a set of general guidelines for practice was formulated.
Fig. 4: Communication tools explored in Sleeswijk Visser’s thesis. Left is a 3D storyboard showing how people’s morning rituals move through the house used in a design session with professional designers, right is a screenshot of an online communication tool showing findings from the user study in the middle of the screen, the user participants on top, and the design team in the bottom (images can be found in full resolution and explanation in the thesis) 9
8 Sleeswijk Visser, Froukje Bringing: The everyday life of people into design, PhD Thesis, Delft 2009. Download available at www.contextqueen.
nl/ and at http://studiolab.ide. tudelft.nl/ 9
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Fig. 5: Three stages of Sleeswijk Visser’s communication framework: research plan, identified factors, and factor map (images from the thesis) 10
These two descriptions are brief, but I hope they convey some of the ways in which the projects were conducted, and the way doing design (making tools and prototypes) and doing research (generating new knowledge) were connected. In the following section I try to go into the underlying structure again. 3 Design, research, and their relations In both cases above, the research was exploratory, aimed at generating an effect, and brought theoretical insights as a spin-off of field evaluations of prototypes. These field studies were evaluative and explorative at the same time. We always went in with at least expectations of what would happen, expectations which were expressed in the many little design decisions that would be in the prototype, found what worked and what didn’t work, and almost always encountered new parts of the phenomenon under study which were not yet in the earlier theory. 3.1 A spiral progress In making sense of the process, and how this can be a model for research, I draw Fig. 6, which shows the iterations of prototypes and field studies as a spiral given guidance by the designer’s goals for the prototype, and with interactions with several knowledge domains along the way.11 It also expresses a frustrating experience which I, and many others with me, have encountered repeatedly: in a design project, very many smaller explorations have been made which often lead to insights and possible modification for the theories that were taken in. But most of these insights go unreported, because the goal of the designer/researcher lies with the further development of the prototype and »selling« the insights
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back into the domain of theory requires more than considerable effort. Also, this possible academic audience is rarely waiting for insights from outsiders to its field. As a larger academic community, we lack means of communication between the disciplines. As designers doing research, we run into this lack time and again.
Fig. 6: A prototype or series of prototypes can be an iterative engagement with the phenomenon under study, during which knowledge from different domains is taken in (represented by the sheets of paper). During the process, new knowledge is taken in and, preferably, published
3.2 Design and knowledge development at different levels simultaneously A second theme which occurred regularly in the projects was the confusion between design and research. When cabinet was demonstrated to people visiting the StudioLab, those visitors often came with questions like »When will it be on the market?«, or »I see this is design, but how can it be research?«. The spiral diagram of Fig. 6 goes some way to explaining how designing a product (the arrow) and researching to generate knowledge (the spin-offs) can go together, but there is another problem, which lies in the very terms »design« and »designer«. Clarifying this greatly helped making sense of the confusions. Fig. 7 explains the differences between types of activity that we undertake when we do projects like the ones described above, and the roles of people involved in that bigger picture.12
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Lab Press 2006. Available at: http://studiolab.ide.tudelft.nl/
11 van der Lugt, Remko/ Stappers, Pieter Jan (Hg.): Design and the growth of knowledge, Delft: ID-Studio-
Intelligent Systems, 24/5 (2009), S. 9–13.
12 Stappers, Pieter Jan/ Hoffman, Robert: »Once more, into the soup«, in: IEEE
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Fig. 7: We act at different levels that are simultaneously active in design research projects aimed at developing tools for designing. At each level there is a person with a role (the manikin), who has a goal (product on the right), which serves the person/role on the level below. At each level there is a different domain of theory (shown as books), considerations (shown as thought balloons), and context of use (shown as background scene)
It also helps to classify something as concrete as the books that we used in the projects. The figure shows roles at different levels, each level related to the next one through a user-product-designer triangle isolated in Fig. 8. In each triangle, methods at one level are used to produce a product at the level below, where that product is a tool to produce its effect, and so on. The model helped clarify a few things: (I) it is not helpful to speak of ›designer‹ or ›user‹ without specific reference to the product one is considering. The habit of some designers to regard themselves as a species
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apart (as in the statement »I as a designer would never read the user manual of a VCR, but most users would be happy to«).13 (II) we consult theory and apply methods on many of these levels, e.g., most of the time we see ourselves to be »developing the pencil« in Fig. 7, and apply research methods that we borrow from others, yet sometimes we need to modify these methods, or even their underlying assumptions on deeper levels. We even make excursions to the philosophical problems, such as »can one design an experience?«, »what can we control or what does it mean to control something«. Most often our activity is taking in what the experts say on that level, but we should keep our eyes open for the times when we need to talk back. It is the fate of a newly explored area that methods, assumptions, frames, an practical applications are in flux and interaction.
Fig. 8: The basic designer-product-user triangle which repeats at every level in Fig. 7
4 Discussion and conclusions: about research Design research is in development. In the sections above I have tried to shed some light on how we can understand the role of design skills in doing research. Designers can set new stuff into the world, and in doing that, they explore a phenomenon, and confront multidisciplinary problems which gives them unique opportunities for gaining insights which may not have arisen in the respective disciplines. The challenge is how to capture these insights, and share them back with those disciplines. Our current academic journals, and even conferences, do not help to frame and communicate such insights sufficiently. The view of research has matured considerably over the last decades. When I started to study at university, my professors all seemed to adhere to the Vannevar Bush model of basic and ap-
13 Yes, this was actually said by a reputable designer in a conference presentation.
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plied research as opponent poles of a single dimension, where any move in one direction implied an equal move away from the other extremity. One astronomy professor proclaimed that he was proud nobody could apply his theories, because it demonstrated that they must be fundamental science. In the 1990s, Donald Stokes proposed that basic and applied (or, more precisely › an eye for generalisation and › an eye for application) were not mutually exclusive, but could go well hand in hand, as the case of Louis Pasteur exemplified.14 And indeed, many of the great scientists in history developed their fundamental theories in close connection to their experience developing applied products. This seems to be a niche, the one with simultaneous attention for application and generalisation, where design research can thrive. As the field of design research matures, and the new generation of researchers find ways to apply their design skills in the quest to generate (generalized) knowledge together with (applied) practical effects, we can hopefully step beyond older prejudices that separate the two, and make more effective progress in joining the two. Several recent books point in that direction. 15 It requires that we develop a mature understanding of the multiple relations between designing and doing research.
14 Stokes, Donald E.: Pasteur’s quadrant – Basic science and technological innovation, Washington DC: Brookings Institution Press 1997.
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15 Vgl. Koskinen, Ilpo/ Zimmermann, John/Binder, Thomas/Redström, Johan/ Wensveen, Stephan: Design research through practice – From the lab, field, and
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showroom, Waltham MA: Morgan Kaufmann 2011.
3 Teilhabe und Autorschaft
Partizipation = Gleichberechtigung? Eine Betrachtung partizipativen Gestaltens im Kontext feministischer Designforschung und -praxis Sandra Buchmüller
1 Einleitung Das allgemeine Programm feministischer Wissenschaft und Forschung kann als die Herstellung von Wissen im Dienste sozialer Veränderung beschrieben werden,1 das soziale Gerechtigkeit unter der Beteiligung möglichst vieler und vielfältiger Gesellschaftsgruppen anstrebt. Dieses Programm setzt eine Beteiligung gesellschaftlich Benachteiligter 2 als Ausgangspunkt von Forschung voraus, die auf einer gleichberechtigten Beziehung zwischen Forschenden und Beforschten basiert. 3 Feministische Gestaltung hat den gleichen Anforderungen gerecht zu werden. Sie hat marginalisierte Nutzungsgruppen und deren Erfahrungen zum Bezugspunkt von Gestaltung zu machen und sie gleichberechtigt in den Gestaltungsprozess mit einzubeziehen. Damit versuchen feministische Forschungs- und Gestaltungsprozesse das abzubilden, was sie auch in der realen Lebenswelt zu verwirklichen gedenken: Eine egalitäre, sozial gerechte Gesellschaft. Diese Anforderungen versprechen partizipative Herangehensweisen sowohl in methodischer, praktischer als auch gesellschaftspolitischer Hinsicht einlösen zu können.
1 Ernst, W.: Diskurspiratinnen. Wie feministische Erkenntnisprozesse die Wirklichkeit verändern, Wien: Milena Verlag 1999, S. 250–262, hier S. 14 ff. 2 Harding, S.: Rethinking Standpoint Epistemology: »What is Strong Objectivity?«,
in: L. Alcoff/E. Potter (Hg.), Feminist Epistemologies, New York/London: Routledge 1993, S. 49–83; Bar On, B.: Marginality and Epistemic Privilege, in: L. Alcoff/E. Potter (Hg.), Feminist Epistemologies, New York/London: Routledge 1993, S. 83–100.
3 Olesen, V.: Early Millennial Feminist Qualitative Research. Challenges and Contours, in: N. K. Denzin/Y. S. Lincoln (Hg.), The Sage Handbook of Qualitative Research, 3rd Ed., London/New Delhi: Sage Publications, Inc. 2005, S. 235–278, hier S. 255.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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Als feministisch motivierte Gestalterin habe ich entsprechend dieser Gesinnung eine Vision von einer gerechteren Welt, der ich über den Forschungs- und Gestaltungsprozess sowie über das Gestaltungsresultat zuzuarbeiten gedenke. Folglich stellt sich die Frage, wie sich eine derartige Haltung mit dem Postulat der Gleichberechtigung verträgt, das sowohl der partizipativen Gestaltung als auch der feministischen Forschung zugrunde liegt. Ausgehend von der zunehmenden Kritik am partizipativen Gestaltungsansatz, einem naiven Demokratieverständnis verhaftet zu sein, das das Macht- und Einflussgefälle unter den Beteiligten ignoriert, damit bestehende Verhältnisse reproduziert4 sowie ihn zu einer rein technokratischen, politisch bereinigten Methode des Nutzerinnen- und Nutzereinbezugs verkommen lässt,5 stelle ich die Frage der vorliegenden Publikation in den Kontext einer feministischen Designforschung und -praxis. Dabei scheint mir eine feministische Betrachtung partizipativen Gestaltens besonders geeignet, um das Postulat der Gleichberechtigung kritisch zu hinterfragen und folgende Fragen zu beantworten: s Heißt partizipatives Gestalten automatisch gleichberechtigtes Gestalten? s Welche Konsequenzen ergeben sich aus verschiedenen feministischen Perspektiven – der Feminist Standpoint Theory und dem poststrukturalistischen Feminismus – für die partizipative Gestaltung? s Inwieweit beeinflussen diese Perspektiven die Rolle von Forschenden und Beforschten bzw. von Gestaltenden und Nutzenden sowie das Gestaltungsresultat? Zu Beginn betrachte ich die Beteiligung von Design an der kulturellen Herstellung von Geschlecht und zeige diesbezüglich den aktuellen Stand der Forschung auf. Dann fasse ich die Grundannahmen, Anforderungen und Ziele feministischer Wissenschaft und Forschung zusammen. Am Beispiel von Human Computer Interaction (HCI) und sozio-technischer Softwareentwicklung zeige ich die forschungs- und handlungspraktischen Konsequenzen auf, die sich durch die Integration verschiedener feministischer Ansätze in die Technologieentwicklung ergeben haben und skizziere davon ausgehend Überlegungen zu einer feministischen Designforschung und -praxis sowie ihre Berührungspunkte zu partizipativen Herangehensweisen. Im Anschluss daran stelle ich feministisch-partizipatives Gestalten in den Unternehmens- und Marktkontext, das im Spannungsfeld von gesellschaftspolitischem und ökonomischem Auftrag gerade im Hinblick auf die Forderung nach der gleichberechtigten
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Beteiligung aller vor besondere Herausforderungen gestellt ist. Diesbezüglich bediene ich mich eines Beispiels aus der eigenen Forschungspraxis, das ich ausgehend von den wesentlichen Unterschieden der partizipativen Gestaltungsansätze nach Pelle Ehn und Elizabeth Sanders aus feministischer Perspektive reflektiere. Anhand dieses Fallbeispiels erörtere ich einerseits die Schwierigkeiten und Fallstricke, mit denen feministisch-partizipatives Design für kommerzielle Anwendungen umzugehen hat, und versuche andererseits Möglichkeiten aufzuzeigen, wie feministische Werte und Visionen marktgerecht transportiert werden können. Die theoretischen Reflexionen und empirischen Erfahrungen ermöglichen mir, abschließend die Frage zu beantworten: Wer gestaltet feministische Gestaltung? 2 Zur kulturellen Gestaltung von Geschlecht durch Design Designerinnen und Designer sind an der Herstellung und öffentlichen Wahrnehmung von Geschlecht aktiv beteiligt. Über die Gestaltung von Werbung, Produkten, informationstechnologischen Bedienoberflächen und Serviceangeboten reproduzieren oder modifizieren sie mehr oder weniger bewusst kulturelle Vorstellungen von Geschlecht. Als Vermittelnde der gegenständlichen und immateriellen Welt definieren sie sowohl die Interaktion und Beziehung zwischen Personen und Objekten als auch interpersonelle Beziehungen über die Gestaltung der jeweiligen Interfaces. Interface Design, hier im umfassenden Sinne als Produkt- und Screendesign verstanden, dient somit dazu, materielle und digitale Artefakte sowohl in funktionaler als auch kultureller Hinsicht zu erschließen. Dem Aspekt des Geschlechts kommt in diesem Zusammenhang eine tragende Rolle zu, da gestalterische Entscheidungen in Abhängigkeit von Annahmen über den Gebrauchskontext und die Adressaten vorgenommen werden. Damit gehen automatisch geschlechtliche Vorstellungen einher, die die Gestaltung prägen. Aus dieser Perspektive stellen sich materielle als auch digitale Artefakte als kulturell-symbolische Darstellungen von Geschlechtlichkeit dar, die sich mehr oder weniger bewusst in den formal-ästhetischen Gestaltungsparametern, den Interaktionslogiken und Informations-
4 Sengers, P./Boehner, K./David, S./Kaye, J.(2005): Reflective Design, in: CC 05, New York: ACM Press 2005, S. 49–58, hier S. 51.
5 Ehn, P./Badham, R.: Participatory Design and the Collective Designer, in: T. Binder/J. Gregory/I. Wagner (Hg.), PDC ›02, Malmoe 2002, S. 1–10, hier S. 5.
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ebenen ausdrücken. Auf gesellschaftspolitischer Ebene kann der Gestaltende somit zur Reformulierung, Verfestigung oder auch zur Veränderung, Vervielfältigung, Auflösung von traditionellen Geschlechterbildern, Geschlechterrollen und geschlechtlichen Verhaltensweisen beitragen. Trotz dieses offensichtlichen Zusammenhangs wird Geschlecht in der Designpraxis entweder in stereotyper Weise oder gar nicht berücksichtigt. Technische Geräte, die sich beispielsweise explizit an eine weibliche Kundengruppe richten, folgen häufig dem Klischee. Sie tarnen sich als Schmuckstücke oder folgen dem Kindchenschema.6 Design verkommt hier zur reinen Oberflächenkosmetik, die geschlechtergerechte Anforderungen an Produkte und Technologien unberücksichtigt lässt, die womöglich andere Gestaltungslösungen, Dienste oder Funktionslogiken erfordern. Wirft man einen Blick in gängige Handbücher zu Interface Design7, Interaction Design8 oder zur Benutzungsfreundlichkeit9 sind die Nutzenden weiterhin geschlechtslos, obwohl es seit Mitte der 1980er Jahre eine wachsende Zahl an Arbeiten vornehmlich aus den Bereichen Human Computer Interaction bzw. sozio-technischer Softwareentwicklung,10 später auch aus dem Kommunikationsdesign11 und Produktdesign12 gibt, in denen Gestaltung nach feministischen Gesichtspunkten analysiert und praktiziert wird. Trotz dieser Ansätze mangelt es weiterhin an einer systematischen Integration feministischer Perspektiven und Herangehensweisen in der Designforschung und -praxis. 3 Feminismus und sein Einfluss auf Gesellschaft, Forschung und Gestaltung 3.1 Grundzüge und Anforderungen feministischer Wissenschaft und Forschung Wenn wir uns auf den Feminismus beziehen, haben wir es mit einer kritischen Erkenntnisperspektive zu tun, die – ähnlich dem Marxismus – grundsätzlich alle Herrschaftssysteme verurteilt, die auf sozialen Hierarchien beruhen und zu sozialen sowie materiellen Ungleichheiten führen. Dabei wird Geschlecht neben anderen Aspekten wie beispielsweise soziale Klasse, kulturelle Herkunft, Religion, Hautfarbe, Alter etc. in unserer Gesellschaft dazu benutzt, diese Ungleichheiten als natürlich gegebene auszugeben. In den feministischen Sozialwissenschaften gilt hingegen als gesicherte Erkenntnis, dass Geschlecht eine gesellschaftlich hergestellte, historisch gewachsene sowie strukturell sedimentierte Konstruktion ist, die Ausdruck be-
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stehender Machtverhältnisse und etablierter Ordnungssysteme ist13, aber potenziell kontingent und veränderbar ist.14 Die Hartnäckigkeit, mit der sich die binäre Geschlechterdifferenz und die zweigeschlechtliche Ordnung in unserer Gesellschaft trotz zahlreicher Untersuchungen und Belege seiner kulturellen Natur hält, ist auf seine strukturelle und symbolische Verwobenheit mit anderen kulturellen Kategorien wie soziale Klasse, Ethnie etc. zurückzufüh-
6 Brandes, U./Stich, S.: Objektkörper – Körperobjekt. Mobiltelefone im interkulturellen Vergleich, in: Fachhochschule Köln (Hg.), insider. Hauszeitschrift der FH Köln, Titelthema: Interkulturelle Kompetenz, Köln 2004, S. 24–25; Buchmüller, S.: Gendered by Design. Zur kulturellen Konstruktion von Geschlecht durch Design, in: Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)/G. Joost (Hg.), Gender & Design, MariaGoeppert-Mayer Programm, Hildesheim 2008, S. 10–19, hier S. 11. 7 Apple Computer, Inc.: Macintosh Human Interface Guidelines, Cupertino: Apple Technical Library 1992; McKey, E. N.: Developing User Interfaces for Microsoft Windows, Washington: Microsoft Press 1999; Shneiderman, B./ Plaisant, C.: Designing the User Interface: Strategies for Effective Human-Computer Interaction, 5th Ed., Amsterdam: Addison Wesley 2009. 8 Cooper, A./Reimann, R.: About Face 2.0. The Essentials of Interaction Design. Indianapolis: Wiley & Sons 2003; Preece, J./Rogers, Y./ Sharp, H.: Interaction Design. Beyond human-computer interaction, New York: Wiley & Son 2002. 9 Krug, S.: Don’t make me think! Web Usability. Das intuitive Web, Heidelberg: New Riders 2006; Nielsen, J./ Loranger, H.: Web Usability. München. 10 Trauth, E. M.: Encyclopedia of Gender and Information Technology. Hershey/London
2006; Bardzell, S.: Feminist HCI. Taking Stock and Outlining an Agenda for Design, CHI ›10, S. 1301–1310; Cassell, J.: Genderizing HCI, in: J. Jacko/ A. Sears (Hg.), The Handbook of Human-Computer Interaction, New Jersey, Mahwah: Lawrence Erlbaum 2002, S. 402–411; Maass, S./Rommes, E./ Schirmer, C./Zorn, I.: Gender Research and IT Construction: Concepts for a Challenging Partnership, in: I. Zorn/S. Maass/ E. Rommes/C. Schirmer/ H. Schelhowe (Hg), Gender Designs IT. Construction and Deconstruction of Information Society Technology, Studien Interdisziplinärer Geschlechterforschung, Bd. 13, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007, S. 9–32; Oudshoorn, N./Rommes, E./ Stienstra, M.: Configuring the user as everybody: Gender and design cultures in information and communication technologies, in: Science, Technology and Human Values, 29 (1), 2004, S. 30–63; Rommes, E.: Gendered User Representations, in: E. Balka/ R. Smith (Hg.), Women, Work and Computerization. Charting a Course to the Future, Dodrecht: Kluwer Academic Pub 2000, S. 137–145. 11 Brandes, U.: Designing Gender: Das Drama der Geschlechter in Logo-Gestaltungen, in: G. Zurstiege/S. J. Schmidt (Hg.): Werbung, Mode, Design, Wiesbaden 2001, S. 197–212. 12 U. Brandes/S. Stich: Objektkörper – Körperobjekt. Mobiltelefone im interkulturellen Vergleich, S. 24 f; Ehrnberger, K.: Materializing Gender, in: Design Inquiries.
Interactive Institute Stockholm 2007; Kirkham, P. (Hg.): The Gendered Object. Manchester: University Press 1996. 13 Ernst, W.: Zur Vielfältigkeit von Geschlecht. Überlegungen zum Geschlechterbegriff in der feministischen Medienforschung, in: J. Dorer/B. Geiger (Hg.), Feministische Kommunikationsund Medienwissenschaft. Ansätze, Befunde und Perspektiven der aktuellen Entwicklung, Wiesbaden: VS Verlag 2002 S. 33–52, hier S. 33. 14 Vgl. dazu bspw. Geschlecht als biologisches Kontinuum in Christiansen, K.: Biologische Grundlagen der Geschlechterdifferenz, in: U. Pasero/F. Braun: Konstruktion von Geschlecht, Herbolzheim: Centaurus Verlag 2001, S. 13–28; zur Rigidität des heteronormativen Modells der Zweigeschlechtlichkeit und der Pathologisierung von Trans- und Homosexualität in neueren ethnomethodologischen Studien zur Transsexualität bspw. Hirschauer, S.: Die soziale Konstruktion der Transsexualität, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1992; Lindemann, G.: Das paradoxe Geschlecht, Frankfurt a.M.: Fischer Taschen buch 1993 sowie Queer und Transgender Stu dien zu alter nativen Geschlechterinsze nierungen und -wirklichkeiten wie bspw. dem Drag Kinging in Schirmer, U.: Geschlecht anders gestalten, Bielefeld: transcript 2010; aktuell dazu auch die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Ein führung einer dritten Geschlechterkategorie für intersexuelle Menschen unter: www.ethikrat.org/presse/ pressemitteilungen/2012/ pressemitteilung-01-2012 vom 16. 05. 2012.
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ren, die sich wechselseitig legitimieren und auf diese Weise stabilisieren. Feministische Wissenschaft und Forschung strebt somit auf wissenschaftlicher wie politischer Ebene eine Überwindung der Geschlechterhierarchie15 an, die einen wesentlichen Bestandteil in der Aufrechterhaltung von Ungleichheitsverhältnissen darstellt und somit der Abschaffung bedarf. Ihr allgemeines Erkenntnisinteresse geht aber darüber hinaus und kann als die Aufklärung und Veränderung von Mechanismen und Faktoren beschrieben werden, die zur Legitimation von Ungleichheitsverhältnissen herangezogen werden und häufig mit Geschlecht in Beziehung stehen.16 Damit gründet sie »nicht auf einer speziellen Eingrenzung und Definition von Subjekten und Objekten der Erkenntnis,17 auch nicht in Form von sozialdiskursiven Strukturen, sondern stellt das soziopolitische Engagement ins Zentrum der Erkenntnis«18 mit dem Ziel, einer sozial gerechten und pluralen Gesellschaft zuzuarbeiten, die Geschlechtergerechtigkeit notwendig voraussetzt. Die Sichtbarmachung derartiger Mechanismen und Faktoren führt zu einer Infragestellung etablierten Wissens sowie daran ausgerichteter Normalitätsannahmen und Gesellschaftsstrukturen, die sowohl Veränderungen in der Wissensproduktion als auch in der Gesellschaft nach sich ziehen. Auf diese Weise hat die feministische Kritik zu einer allgemeinen Pluralisierung der Wissenschaft beigetragen, indem sie Gegenmodelle zur traditionellen – naturwissenschaftlich und damit vornehmlich positivistisch ausgerichteten – Konzeption von Objektivität im Sinne eines wertneutralen Wissens entwickelt hat, die menschliche Erfahrungen zum Ausgangspunkt der Wissensgenerierung machen und damit die Perspektivität, Partialität und Subjektivität allen Wissens anerkennen. Zentrale feministische Objektivitätskonzepte sind Haraways »Situated Knowledges«19 als auch die von Harding entwickelte »Strong Objectivity«. Letztere stellt die Erfahrung marginalisierter Gesellschaftsgruppen bewusst ins Zentrum der Erkenntnis und fordert eine Beteiligung dieser an der Bestimmung des Forschungsziels und des Verwendungszwecks der Forschungsergebnisse.20 Das feministische Wissenschaftsverständnis weist damit deutlich in Richtung einer partizipativen Forschung. 3.2 Überlegungen zu einer feministischen Designforschung und -praxis Im Zuge der sogenannten kulturellen Wende21 in der technologischen Forschung und Entwicklung haben drei feministische Ansätze Einfluss auf den Bereich von Human Computer Interaction (HCI) bzw. sozio-technischer Softwareentwicklung genommen.
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Dabei handelt es sich um den liberalen Feminismus, die Feminist Standpoint Theory und den poststrukturalistischen Feminismus,22 die ich einerseits in ihren forschungs- und handlungspraktischen Konsequenzen für die Technologiegestaltung darstelle und andererseits im Hinblick auf die Grundlegung einer allgemeinen Designforschung und -praxis erörtere. In letzterer Hinsicht halte ich die Feminist Standpoint Theorie als auch den poststrukturalistischen Feminismus für gleichermaßen relevant, da ihre Untersuchungsperspektiven mit den Grundelementen einer Gestaltung übereinstimmen, die sich als »human-centred« versteht. 23 Nach diesem Gestaltungsverständnis werden Menschen mit ihren Erfahrungen, Lebensweisen und Einstellungen zur Informations- und Inspirationsquelle für die Gestaltung von Artefakten. 3.2.1 Liberaler Feminismus Der feministische Liberalismus geht davon aus, dass Frauen und Männer grundsätzlich gleich sind. Folglich wird der unterschiedliche Umgang mit und Zugang zu Technologie zwischen den Geschlechtern auf ihre verschiedenen sozio-materiellen Rahmenbedingungen und Umstände zurückgeführt. Um eine Gleichberechtigung innerhalb der Informatik als auch in der privaten Nutzung zu erzielen, geht es darum, die Rahmenbedingungen zu verändern, zu denen die Abschaffung von Diskriminierungsmechanismen in den Computer- und Ingenieurswissenschaften als auch die Verbesserung der technologischen Bildungsmöglichkeiten und Zugangsoptionen für Frauen gehören. Harding kritisiert diesen Ansatz als einen »Add-women-approach«,24 der sich zwar um eine Integration der Erfahrungen von Frauen bemüht, nicht aber nach den Diskri-
15 W. Ernst: Diskurspiratinnen, S. 28 f u. S. 32. 16 Ebd. V. Olesen: Early Millennial Feminist Qualitative Research, S. 239 f. 17 Wie beispielsweise ›Frauen‹, ›Geschlecht‹ oder ›Geschlechterverhältnisse‹ vgl. dazu Trettin in: W. Ernst: Diskurspiratinnen, S. 29. 18
Ebd. S. 19.
19 Haraway, D.: Situated Knowledges. The Science Question in Feminism and the Privilege of the Partial
Perspective, in: Feminist Studies, Vol. 14 (3) 1988, S. 575–599. 20 S. Harding in S. Bardzell/ J. Bardzell: Towards a Feminist HCI Methodology: Social Science, Feminism, and HCI, CHI ›11, ACM Press 2011, S. 675–684, hier S. 680. 21 Bardzell, S.: Feminist HCI, S.1304; Bødker, S.: When second wave HCI meets third wave challenges. NordiCHI 06, ACM Press 2006, S. 2; Maass u.a.: Gender Research and IT Construction, S. 15.
22
Ebd. S. 12–18.
23 Krippendorff, K.: Design Research, an Oxymoron?, in: Michel, R. (Hg.), Design Research now. Essays and selected projects Board of International Research in Design, Basel: Birkhäuser 2007, S. 67–80, hier S. 71; Cockton, G.: Domain Values and Method Transferability, in: G. Christou/P. Zaphiris/ E.L-C. Law (Hg.), 1st European Workshop on HCI Design and Evaluation IRIT Press, Toulouse 2010, S. 85–90, hier S. 87.
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minierungsmomenten in den bestehenden Grundannahmen und Erkenntnis- und Gestaltungswerkzeugen der Informatik fragt, die ebenfalls zu einer Aufrechterhaltung von Ungleichverhältnissen beitragen können. 3.2.2 Feminist Standpoint Theory Die Feminist Standpoint Theory lenkt den Blick auf benachteiligte Gesellschaftsgruppen, die Gegenperspektiven zu kulturellen Normvorstellungen erwarten lassen und diese angreifbar und veränderbar machen. Im Kontext einer männerdominierten Technologieentwicklung plädiert sie somit für die Berücksichtigung geschlechtlicher Unterschiede durch den Einbezug weiblicher Erfahrungen. Ausgehend vom Marxismus folgt sie der These, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt.25 Das bedeutet, dass das Sein durch die jeweiligen sozio-materiellen Bedingungen geprägt wird, die einem durch die Position innerhalb der Gesellschaftshierarchie zugewiesen werden. Die gesellschaftliche Position wird nach bestimmten Merkmalen vergeben. Geschlecht ist eines dieser Merkmale, das Einfluss auf die soziale Positionierung und damit auf die kulturellen Ressourcen und materiellen Mittel Einfluss nimmt, die einem zur Verfügung stehen. Geschlecht ist somit Bedingung als auch Resultat der sozio-materiellen Umstände, die die Erfahrungen prägen, die wir im Laufe unseres Lebens sammeln. Daraus folgt, dass Männer und Frauen in Verbindung mit anderen positionsund zugangszuweisenden Merkmalen wie bspw. Bildungsniveau, Kultur- und Religionszugehörigkeit andere gesellschaftliche Sphären bewohnen, deren Unterschiede auch im Hinblick auf die technologischen Anforderungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen sind, wenn auch nicht in stereotyper Weise! Übereinstimmend mit Bardzell halte ich die Feminist Standpoint Theory deshalb besonders in der Forschungs- bzw. Informationsphase des Gestaltungsprozesses für relevant: »Feminist standpoint theory’s privileging of alternative epistemologies simultaneously introduces a new domain of user research – the »marginal« user, which forces us to think through what that would mean – and implies a new set of strategies and methods for user research.«26 Design unter einer Feminist Standpoint Perspektive sympathisiert also mit partizipativen Gestaltungsansätzen, sofern diese marginalisierte Zielgruppen mit einbeziehen und ihnen neue Handlungsoptionen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilnahme eröffnen. Feminist Standpoint Design lässt folglich durch die Integration
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anderer Erfahrungen und Sichtweisen neue Gestaltungslösungen erwarten, die zu einer Pluralisierung beitragen, sofern eine Reproduktion kultureller Stereotype vermieden wird. 3.2.3 Poststrukturalistischer Feminismus Ansätze des poststrukturalistischen Feminismus lenken den Blick auf kulturelle Artefakte und ihre medial-symbolische Darstellungsweise von Geschlecht. Anhänger/-innen dieser Denktradition gehen allgemein davon aus, dass Sein ein kulturelles Konstrukt ist, was bedeutet, dass die kulturellen Repräsentations- bzw. Symbolsysteme wie beispielsweise die Sprache, soziale Realität oder Identität nicht abbilden, sondern selbst konstituieren. Dieser Logik folgend behaupten die poststrukturalistischen Feministen/-innen, dass sich das kulturelle Geschlecht (gender) nicht etwa aus einem biologischen (sex) herleitet, sondern dass sowohl die kulturelle als auch biologische Dimension von Geschlecht kulturellen Normen und Darstellungsweisen unterliegen und damit potenziell veränderbar sind.27 Dabei spielen kulturelle Artefakte wie sie durch Wissenschaft, Literatur, Kunst, Architektur, Film, aber auch durch Technologie und Design hervorgebracht werden, eine entscheidende Rolle. Sie bedienen sich unterschiedlicher medial-symbolischer Codes, über die sie Geschlechterbilder manifestieren, aber auch modifizieren können. In der Technologiegestaltung lenkt der feministisch-poststrukturalistische Blick die Aufmerksamkeit auf die kulturelle Ko-Ontogenese von Technologie und Männlichkeit, die sowohl im Selbstverständnis technologischer Disziplinen, ihrer Grundannahmen, Erkenntniswerkzeuge als auch in ihren Artefakten transparent zu machen und unter Vermeidung neuer verallgemeinerbarer Kategorien, Standardisierungen und Formalisierungen zu dekonstruieren ist. Die Integration derartiger Ansätze in die Informatik stellt gerade aufgrund ihres Strebens nach Auflösung der festgeschriebenen, verallgemeinernden Kategorien eine besondere Herausforderung
24 S. Harding in S. Bardzell/ J. Bardzell: Towards a Feminist HCI Methodology, S. 679. 25 Haraway, D.: Situated Knowledges. The Science Question in Feminism and the Privilege of the Partial Perspective, Olesen: Early Millennial Feminist Qualitative Research,
S. 243–245; Harding S.: The Feminist Standpoint Theory Reader: Intellectual and Political Controversies, New York 2003. 26 S. Bardzell: Feminist HCI, S.1302. 27 Vgl. dazu bspw. den historischen Wandel von Beschrei-
bungsmodellen des geschlechtlichen Körpers in der medizinischen Anatomie von der Antike bis zur Gegenwart in Laquer, T.: Auf den Leib geschrieben, Frankfurt a. M.: Campus Verlag 1992; die Geschichte der Sexualität von Foucault, M.: Sexualität und Wahrheit 1–3, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1983, 1989.
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dar, weil die Softwareentwicklung notwendig auf formale Beschreibungen und abstrakte Kategorien angewiesen ist, die Heterogenitäten, Widersprüche, Variationen und Unregelmäßigkeiten eliminieren. »Computing science is firmly rooted in the positivist tradition of natural science and the development of formal descriptions for objects and processes is a core issue. Software developers are trained to use and produce descriptions at various levels of abstraction; the software program is only the last step in a row of abstractions.«28 Allgemeines Ziel des poststrukturalistischen Feminismus ist die Überwindung geschlechtlicher Machtstrukturen und Hierarchien durch die Veränderung bzw. Mobilisierung von Bedeutungen sowie die Erfindung neuer Bedeutungskategorien und die Vervielfältigung von Darstellungsformen jenseits geschlechtlicher Stereotypen. Judith Butler, die wohl populärste Vertreterin des poststrukturalistischen Feminismus, entwirft in ihrer Theorie der Performativität Geschlecht sogar als »freischwebenden« Artefakt, das ihn der grenzenlosen Gestaltbarkeit preisgibt: »Wenn wir jedoch den kulturell bedingten Status der Geschlechtsidentität (gender) als radikal unabhängig vom anatomischen Geschlecht denken, wird die Geschlechtsidentität selbst zu einem freischwebenden Artefakt. Die Begriffe Mann und männlich können dann ebenso einfach einen männlichen und weiblichen Körper bezeichnen wie umgekehrt die Kategorien Frau und weiblich.«29 Der Bezug zum Design wird an dieser Stelle besonders evident. GestalterInnen sind folglich dazu aufgefordert, sich an der Pluralisierung geschlechtlicher Darstellungsweisen zu beteiligen. Ihre Macht besteht gerade darin, auf alltagskultureller Ebene alternative Geschlechtererfahrungen zu ermöglichen, die Darstellungs-, Verhaltens- und Handlungsweisen jenseits tradierter Geschlechterrollen zu etablieren helfen und damit insgesamt zu einer geschlechtlichen und sozialen Vielfältigkeit beitragen. Gestaltung in dieser Denktradition sympathisiert somit mit Ansätzen des Critical Designs oder Design Noir,30 die keine geschlechtergerechten Lösungen liefern, sondern Fragen aufwerfen, Geschlechterverwirrungen stiften und damit das erfüllen, was Krippendorff als Hauptgestaltungsaufgabe formuliert: »In effect, designers need to question the prevailing ontological beliefs. Being afraid of undermining common convictions makes for timid designs. […] Proposing what everyone knows or already uses is not design at all.«31
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3.2.4 Ansätze einer feministischen Designforschung und -praxis »Feminist Standpoint Design« und »feministisch-poststrukturalistisches Design« können aufgrund ihrer komplementären Sichtweisen gut kombiniert werden. Sie können jedoch auch als eigenständige feministische Gestaltungsrichtungen betrachtet werden. »Feminist Standpoint Design« begreife ich dabei als grundsätzlich offene Form der Gestaltung, die Gestaltungslösungen favorisiert, die sich der natürlichen Vielfalt von Menschen sowie ihre Beteiligung, Eigeninitiative, Gestaltungsfähigkeit zur Grundlage macht. Beispiele dafür sind Bewegungen wie Open Source oder Do-ityourself sowie Social Software bzw. Web 2.0 Applikationen, deren politisch-demokratisches Potenzial gerade anhand der Arabischen Revolution32 plakativ sichtbar wird. Der Gestalter oder die Gestalterin ist in dieser Hinsicht Vermittlungsinstanz oder Bereitsteller von Rahmenbedingungen, Räumen oder Werkzeugen zur sozialen Teilhabe und kommunikativen Auseinandersetzung. Feminist Standpoint Design löst somit innerhalb des Forschungs- und Gestaltungsprozesses als auch im Gestaltungsresultat die Forderung nach gleichberechtigter Beteiligung ein, die sowohl Bestandteil partizipativer als auch feministischer Anforderung ist. Anders verhält es sich mit »feministisch-poststrukturalistischem Design«. Es ist eher instruktiv, vielleicht sogar belehrend, in jedem Fall stärker daran interessiert, eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Das kann innerhalb eines partizipativen Forschungsund Gestaltungsprozesses erfolgen, indem bestimmte Themen bewusst an die Beteiligten herangetragen und zur Diskussion gestellt werden und/oder über das Gestaltungsresultat transportiert werden. In letzterer Hinsicht verletzen die Gestaltenden womöglich das Gebot der Gleichberechtigung und versuchen, per Artefakt »ihrer« feministischen Vision von einer gerechteren Welt näher zu kommen. Dennoch setzt diese Form des Designs die Gestaltungsfähigkeit der Nutzer nicht grundsätzlich außer Kraft, sodass im kreativen Missbrauch die feministische Gestaltungsintention unterlaufen oder auf ganz andere Weise erreicht werden kann. 28 S. Maass u.a.: Gender Research and IT Construction, S. 21. 29 Butler, J.: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991, S. 23. 30 Dunne, A.: Hertzian Tales: Electronic Products, Aesthetic
Experience & Critical Design, Cambridge: Mit Press 2005; Dunne, A., Raby, F.: Design Noir: The Secret Life of Electronic Objects, Basel: Birkhäuser 2001. 31 K. Krippendorff: Design Research, an Oxymoron?, S. 74.
32 Der sog. »Arabische Frühling« begann im Januar 2011 in Tunesien, gefolgt von Ägypten und schließlich Libyen im August 2011 unter: www.spiegel.de/thema/ unruhen_in_arabien_2011/ vom 21. 05. 2012
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Bei genauerer Betrachtung weisen jedoch beide Gestaltungsansätze in Richtung einer qualitativen und partizipativen Forschung: Feminist Standpoint Design durch die explizite Hinwendung zu marginalisierten Nutzungsgruppen, feministisch-poststrukturalistisches Design durch die Distanzierung von verallgemeinernden Kategorien der Geschlechterdifferenz, was den Blick unweigerlich auf Individuelles, Kontextuelles, Situatives und Heterogenes lenkt und eine direkte Auseinandersetzung zwischen Forscher, Designer und potenziellen Nutzer nahelegt. »Feminist Standpoint Design« und »feministisch-poststrukturalistisches Design« unterscheiden sich meines Erachtens darin, welche Rolle sie den Gestaltenden innerhalb des Designprozesses als auch darüber hinaus zuschreiben, womit die Forderung nach Gleichberechtigung ganz unterschiedlich berücksichtigt wird. Ihr wesentlicher Beitrag besteht somit darin, verschiedene Perspektiven zu liefern, die die Gestaltenden dazu auffordern, ihre Rolle in der Beziehung zwischen Nutzenden und Artefakt zu bestimmen. 4 Partizipatives Gestalten zur Herstellung geschlechtergerechter Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT) Anhand eines Fallbeispiels aus der eigenen Forschungspraxis möchte ich im Folgenden darstellen, welche Schwierigkeiten und Fallstricke sich trotz partizipativer Herangehensweise und feministischer Gesinnung im Laufe des Forschungs- und Gestaltungsprozesses ergeben können, die letztendlich zu Gestaltungsresultaten führen, die feministisch-demokratischen Anforderungen nicht genügen. Die Problematik resultiert meines Erachtens daraus, dass feministisch-partizipatives Gestalten hier für kommerzielle Zwecke verwandt wurde. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen gesellschaftspolitischem Auftrag und ökonomischen Interessen, das feministisch-partizipatives Gestalten vor besondere Herausforderungen stellt. Dem Artefakt kommt hier eine Schlüsselposition zu, wie ich behaupten möchte: Betrachten wir das marktreife Produkt als Trojanisches Pferd, kann es dazu dienen, feministisch-demokratische Werte in die Konsumgesellschaft zu transportieren und damit Verhaltensweisen fördern, die aus demokratisch-feministischer Perspektive wünschenswert sind. Ausgehend von den unterschiedlichen Anwendungs- und Rezeptionsweisen partizipativen Gestaltens sowie den Projekterfahrungen lassen sich sowohl Schlüsse für die Optimierung des Gestaltungsresultats als auch für eine feministisch-demokratische Gestaltung
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ziehen, in der die Forderung nach Gleichberechtigung zwischen Gestaltenden und Nutzenden unterschiedlich verhandelt wird. 4.1 Partizipatives Forschen und Gestalten: Zwei Perspektiven Ich beziehe mich zunächst auf die beiden HauptvertreterInnen partizipativen Gestaltens Pelle Ehn und Liz Sanders, die ich hier in ihren grundlegenden Unterschieden skizziere. Während Ehn die Makroperspektive einnimmt und sich um die gesellschaftspolitischen Implikationen eines zeitgemäßen partizipativen Gestaltens in der Skandinavischen Tradition des kollektiven Systemdesigns der 1970er Jahre bemüht, das am Grundgedanken von Gestaltung als Mechanismus der Demokratisierung festhält,33 fokussiert Sanders mikroperspektivisch auf partizipative Kommunikationsprozesse. Dafür entwickelt sie Techniken und Werkzeuge, die den Dialog aller am Designprozess Beteiligten fördern, ihre Ausdruckmöglichkeiten erweitern sowie latente Wünsche und Bedürfnisse sichtbar und einander zugänglich machen.34 In dieser Hinsicht sind beide Ansätze komplementär zueinander. Der Unterschied liegt vielmehr in der Intention, die die Autoren dem partizipativen Gestalten zuschreiben: Für Sanders geht es dabei um die Herstellung von Empathie als emotionales im Gegensatz zum rational-verstandesgeleiteten Verstehen, das ihrer Ansicht nach die wesentliche Grundlage für Gestaltung ist.35 Aus feministischer Perspektive ist der Aspekt der Empathie jedoch nicht unproblematisch. Wie Sengers u.a.36 anmerkt, tendiert partizipatives Gestalten dazu, bestehende Praktiken zu unterstützen, auf die sich Designer und in der Kooperation gemeinsam einigen. Folglich werden die Einstellungen, in denen beide Parteien übereinstimmen, nicht weiter hinterfragt. Aus feministischer Perspektive ist es jedoch notwendig, die konsensuelle Grundlage daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie auf Werten
33 P. Ehn/R. Badham: Participatory Design and the Collective Designer; Ehn, P.: Participation in Design Things. PDC ›08, ACM Press 2008, S. 92–101; Björgvinsson/E., Ehn/E., Hillgren, P. A.; Participatory design and »democratizing innovation«, in: PDC ›10, Sydney 2010, S. 41–50. 34 http://www.maketools.com vom 16.05.2012, explizit zu ihren
Werkzeugen: Sanders, E. B.-N./ William, C. T.: Harnessing People’s Creativity: Ideation and Expression through Visual Communication, in: McDonagh-Philip, J. L. a. D. Focus Groups. Supporting Effective Product Development 2001 unter www. maketools.com; Sanders, E.: Generative Tools for CoDesigning, in: Ball/Woodcock (Hg.), Collaborative Design, Scrivener, London: Springer-Verlag 2000, S. 3–12.
35 E. Sanders: From UserCentered to Participatory Design Approaches, S. 4; E. B.-N Sanders: Information, Inspiration and Co-creation, S. 9; E. B.- N. Sanders: Postdesign and Participatory Culture, S. 4. 36 P. Sengers u.a.: Reflective Design, S. 51.
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und Annahmen beruht, die bestehende Machtverhältnisse aufrechterhalten und somit einer sozial gerechten Gesellschaft entgegenstehen. Unter bestimmten Umständen sind Designer/-innen also dazu veranlasst, Themen oder Sichtweisen an die Nutzenden heranzutragen, die diese nicht vordergründig interessieren oder sie sogar unbehaglich fühlen lassen. Ganz anders verhält es sich bei Ehn. Ihm geht es darum, von Leidenschaft getriebene Kontroversen zu entfachen, die für ihn – in Anlehnung an Chantal Mouffe – Ausdruck einer lebendigen Demokratie und Grundlage sozialer Innovationen sind.37 Ehns Ansatz erfüllt mit der Fokussierung und der Beteiligung von marginalisierten Gesellschaftsgruppen als Ausgangspunkt für gestalterische Demokratisierungsprozesse genau die Anforderung dessen, was ich hier als Feminist Standpoint Design markiert habe.38 Stellt man seinen Ansatz jedoch in einen Unternehmens- und Marktkontext, ist er nicht nur wegen seiner expliziten Distanzierung von ökonomischen Verwendungszwecken 39 problematisch, sondern auch wegen seiner Struktur- und Ergebnisoffenheit,40 die sich der Planbarkeit, Voraussagbarkeit und Berechenbarkeit entziehen, auf die Wirtschaftsunternehmen notwendig angewiesen sind. 4.2 Fallbeispiel Zur Veranschaulichung der theoretischen Diskussion bediene ich mich eines einjährigen Designforschungsprojektes, das wir 2009 im Rahmen der Deutschen Telekom Laboratories in Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) und den Interaction Design Studios Berlin (IxDS) durchgeführt haben.41 Ziel des Projektes war, neue informations- und kommunikationstechnologische Dienste und Anwendungen auf der Grundlage von Erfahrungen, Bedürfnissen und Zukunftsvisionen von Frauen zu entwickeln. Die Gestaltungslösungen sollten dabei jedoch keineswegs frauenspezifisch sein. Intention war, die bis heute männerdominierte Technologiegestaltung42 durch alternative Blickwinkel zu erweitern und darüber zu neuen Produkten und Diensten zu kommen, die sowohl für Nutzerinnen als auch Nutzer unterschiedlicher Art interessant und brauchbar sein können. Wir entschieden uns für einen partizipativen Forschungs- und Gestaltungsansatz, den wir mit einer Gender und Diversity Perspektive kombinierten, um stereotype Perspektiven zugunsten vielfältiger Einblicke in den Lebensalltag ganz unterschiedlicher Frauen einzutauschen.
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Dazu luden wir 55 Frauen im Alter von 14 bis 65 Jahren ein. Sie wurden zu Altersgruppen nach bestimmten Lebensphasen zusammengefasst und unterschieden sich innerhalb dieser im Hinblick auf Bildungsniveau, kulturellem Hintergrund und Lebensstil – manche lebten allein, andere in Partnerschaften oder Familien. Alle durchliefen den gleichen Forschungsprozess, der aus einer zweiwöchigen Selbstbeobachtungsphase auf der Basis von Cultural Probes43 sowie einem zweitägigen Ideenworkshop bestand. Die Kernaufgabe des Workshops bestand in der Herstellung von Prototypen, mit denen jede Teilnehmerin ihre Wunschvorstellung von der Kommunikation der Zukunft visualisieren sollte. Zusätzlich
Selbstbeobachtungswerkzeuge »Cultural Probes«
37 E.Björgvinsson/P. Ehn/P. A. Hillgren: Participatory design and »democratizing innovation«, S. 48. 38
design process, in: Personal and Ubiquitous Computing, Vol. 15 (7), London: Springer-Verlag 2011, S. 743–758.
Vgl. dazu Abschnitt 3.2.
39 E. Björgvinsson/P. Ehn/ P.A. Hillgren: Participatory design and »democratizing innovation«, S. 42. 40 Vgl dazu das Konzept des ›Infrastructuring‹ in Ebd. S. 43 f und P. Ehn: Participation in Design Things, S. 95. 41 Buchmüller, S./Joost, G./ Bessing N./Stein, S.: Bridging the gender and generation gap by ICT applying a participatory
42 Laut Bundesbericht zur Forschung und Entwicklung 2010, der sich auf Zahlen von 2007 bezieht, beträgt der Frauenanteil an der Gesamtbeschäftigtenzahl in der in der Forschung und Entwicklung (FuE) 26 %. Forscherinnen in der Wirtschaft waren mit einem Anteil von lediglich 12 % am schwächsten vertreten, wobei Forscherinnen im Hochschulsektor in den Ingenieurwissenschaften mit 17 % am geringsten vertreten
waren. Diese Situation lässt vermuten, dass Technologieentwicklung aus einer männlichen Perspektive erfolgt und die Erfahrungen von Frauen unberücksichtigt lässt (BMBF (Hg.): Bundesbericht Forschung und Innovation 2010, Berlin 2010, S. 400, 401 unter: www.bmbf.de/pub/ bufi_2010.pdf am 16.05.2012. 43 Gaver, W., Dunne, T. and Pacenti, T. Cultural Probes, in: Interactions, 1999, 6 (1), S. 21–29; Gaver, W., Boucher, A., Pennington, S. and Walker, B.: Cultural probes and the value of uncertainty, in: Interactions, 11 (5) 2004, S. 53–56.
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Ideenwerkstatt
Prototyp »Viviennes Wunderbrille«
bedienten wir uns verschiedener sozialwissenschaftlicher Methoden wie Fokusgruppen-Diskussionen und Rollenspielen, um mit den Teilnehmerinnen ins Gespräch zu kommen sowie Fragebögen, um ihre Kommunikationsgewohnheiten und ihre technische Ausstattung zu erfassen. Forschungsziel war, herauszufinden, welchen positiven und negativen Einfluss Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) auf den Alltag der Frauen ausübt, welche Wünsche sie haben und welche Ansprüche und Erwartungen sie an IKT stellen. Wir erhielten sehr detaillierte und persönliche Eindrücke von verschiedenen Alltagskontexten, dem Stellenwert, den IKT
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darin hat, sowie den Gefühlen, Vorlieben, Empfindlichkeiten und Abneigungen, die die Frauen IKT entgegenbringen. Auf dieser Grundlage entwickelten wir 7 weibliche Nutzungstypen, 13 Personas und 60 Konzeptideen, von denen 10 ausgearbeitet und als Videoprototypen realisiert wurden. Einige davon existieren bereits als Demoversionen, die aktuell zur Marktreife fortentwickelt werden. Die Applikation Tactful Calling ist seit Dezember 2011 im App Store »Google Play« erhältlich.44 Wie in der Evaluation der Konzeptideen deutlich wurde, die wir sowohl mit Frauen als auch Männern durchführten, wurden sie von beiden Geschlechtern mit vergleichbaren Lebensumständen gleichermaßen geschätzt. Die Beurteilungen, die auf der Basis von Papierprototypen erfolgten, trugen insgesamt zu einer Erweiterung von Anwendungsszenarien für den jeweiligen Dienst bei, die von den weiblichen und männlichen Testpersonen angeregt und in die konzeptionelle Überarbeitung und Verfeinerung miteinbezogen wurden. Bewertet man die Konzepte und Dienste jedoch nach Maßgabe feministisch-demokratischer Kriterien, wird deutlich, dass ein partizipativer Designforschungsansatz und ein gender-informiertes Team nicht automatisch zu Gestaltungsresultaten führen, die feministisch-demokratischen Zielen genügen. Dazu ein Beispiel: Wir entwickelten einen Dienst auf der Grundlage von Forschungsergebnissen unserer Teilnehmerinnen, die sich in der sogenannten »Rush hour of Life« befanden. Diese Frauen, die sich ungefähr zwischen 29 und 45 Jahren bewegten, meisterten einen sehr komplexen Alltag, der hohe organisatorische Anforderungen aus ihrem beruflichen und privaten Umfeld an sie stellte. Diese Anforderungen wurden bei einigen noch dadurch gesteigert, dass sie für kleine Kinder und/oder pflegebedürftige Eltern verantwortlich waren. Selbst wenn Partner, Nachbarn, Eltern oder Freunde zur Verfügung standen, waren es in den meisten Fällen die Mütter, die neben der Organisation ihrer eigenen Angelegenheiten die gesamten Haushaltspflichten und die Familienorganisation übernahmen. Sie schätzten IKT besonders, weil sie ihnen Mobilität und Freiheit verschaffte. Ständig und überall für die Familie erreichbar zu sein, gab ihnen Sicherheit und eröffnete ihnen die Möglichkeit, flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können – eine Anforderung, die durch kleine Kinder besonders verstärkt wurde. Darüber hinaus merkten sie an,
44 https://play.google.com/ store/search?q=Tactful+ Calling&c=apps vom 16. 05. 2012
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dass es aktuell noch zu wenig Dienste gibt, die eine effiziente Aufgabenverteilung unterstützen und damit die Alltagsorganisation erleichtern. Alle unserer Teilnehmerinnen beklagten bei den hohen Alltagsanforderungen lediglich zu wenig Zeit für sich zu haben, was jedoch nicht auf eine Ungleichverteilung privater oder familiärer Aufgaben zurückgeführt wurde. Auf dieser Grundlage entwickelten wir einen Dienst namens ›Family Wheel‹. Dabei handelt es sich um eine Anwendung für Smartphones, die ermöglicht, Aufgaben an eine lokale Gruppe von Leuten zu verteilen. Der Service zielt somit darauf ab, die Alltagsorganisation über den Einbezug seines lokalen, sozialen Netzwerkes zu erleichtern und die sozialen Bindungen innerhalb dieser Gruppe zu stärken. Das »Family Wheel« ist eine Art Anrufkette, die aus einer Gruppe von mehreren Kontakten besteht, die bestimmte Positionen besetzten, wobei die Personen, die potenziell häufig und verlässlich verfügbar sind, auf die vorderen Positionen gesetzt werden können. Ruft also eines der Mitglieder die Gruppe an, wird sein Anruf zunächst an den Erstplatzierten, dann an den Zweitplatzieren etc. weitergeleitet, bis einer in der Kette den Anruf entgegennimmt. Auf diese Weise ist die Erreichbarkeit nicht mehr nur an eine Person gebunden, sondern auf ein soziales Netz verteilt. Darüber hinaus können die Mitglieder auch Sprachund Textnachrichten mit Dringlichkeitsstatus hinterlassen, die für alle in der Gruppe sichtbar und zugänglich sind. Ein Nutzender kann grundsätzlich über mehrere »Wheels« für ganz unterschiedliche Zwecke verfügen, die sich aus verschiedenen Kontakten zusammensetzen. Die einzelnen Gruppen sind jederzeit editierbar. Kontakte können ausgetauscht, hinzugefügt oder gelöscht werden. Darüber hinaus können die Mitglieder einer Gruppe jederzeit ihren Verfügbarkeitsstatus indizieren und sich temporär auch deaktivieren. Im Unterschied zu den männlichen Testpersonen wurde diese Funktion von einigen Testnutzerinnen besonders positiv bewertet mit der Begründung, auf diese Weise Hilfe ganz emotionslos anbieten als auch Hilfsanfragen anderer ablehnen zu können, die auch von Schwierigkeiten berichteten, im persönlichen Kontakt um Unterstützung zu bitten als auch ihre Hilfe zu verneinen. 4.3 Evaluation aus feministisch-demokratischer Perspektive Methodisch orientierten wir uns am partizipativen Gestaltungsansatz von Sanders, der aus Gründen der Unternehmens- und Marktorientierung des Projektes logisch und folgerichtig erschien.
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Aus heutiger Sicht hätte der Ehnsche Ansatz möglicherweise kritischere Evaluationsmaßstäbe hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Aufgabe geliefert, die wir mit unserem Projekt in der Tat verfolgten. Mit dem Hauptaugenmerk auf Frauen kamen wir jedoch der Empfehlung der Feminist Standpoint Theory nach, da sie im Kontext einer immer noch männerdominierten technologischen Forschung und Entwicklung45 in der Tat eine marginalisierte Nutzungsgruppe darstellen, deren Erfahrungen mit sowie Anforderungen und Wünsche an Technologie noch zu wenig Berücksichtigung finden. Im Nutzungs- und Evaluationstest des »Family Wheels« übersahen wir jedoch einen grundlegenden Aspekt, der mir erst in der analytischen Rückschau aufgefallen ist. Die Äußerungen einiger weiblicher Testpersonen legen nahe, dass das »Family Wheel« im realen Gebrauch zu einem »Women’s« oder »Mothers Wheel« degeneriert und auf diese Weise traditionelle Geschlechterrollen manifestiert. »So ein Service wäre so hilfreich für die typische Abholsituation im Kindergarten. Viele Frauen, die ich kenne, sind sowohl Mütter als auch freiberuflich tätig. Sie würden das sehr nützlich finden. Da es ein reines Organisationswerkzeug ohne persönliche oder emotionale Elemente ist, ist es einfach »ja« oder »nein« zu sagen oder Zeichen zu aktivieren, die Verfügbarkeit anzeigen.« 46 »Ich bin oft Teil des Netzwerks anderer Mütter. Ich werde häufig angerufen, um mich um ihre Kinder zu kümmern, was ich gerne tue. Manchmal wäre es jedoch sehr hilfreich, mich einfach »deaktivieren« zu können.«47 Folgten wir hier auch nicht Ehns Konzeption des Meta-Designs oder des Infrastructuring48, das Gestaltungseffekte in realen Gebrauchssituationen beobachtbar macht, so lassen die Äußerungen in Nutzungstests durchaus erste Gebrauchskonsequenzen antizipieren, die in diesem Falle feministisch-demokratische Ansprüche verfehlen. Selbst wenn der Service die Alltagsorganisation dieser Frauen erleichtert, ist er lediglich Substitut für geschlechtsrollentypische Arbeitsteilung. Aus feministisch-demokratischer Perspektive kann es somit nicht allein um die Bedürfnisbefriedigung der Nutzenden gehen, die sich darin erschöpft, dass das Gestaltungsresultat von potenziellen NutzerInnen in funktionaler Hinsicht verstanden und in praktischer Hinsicht gut geheißen wird.
45 BMBF: Bundesbericht Forschung und Innovation, S. 400, 401.
47 Äußerung einer weiblichen Probandin, 36 Jahre.
48 P. Ehn: Participation in Design Things, S. 92, 95 f.
46 Äußerung einer weiblichen Probandin, 38 Jahre.
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Es ist auch danach zu beurteilen, inwieweit es einen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechterpluralisierung leistet sowie ganz allgemein demokratische Praktiken fördert, die die Lebensbedingungen gesellschaftlich Benachteiligter im Sinne der sozio-materiellen Integration und Teilhabe verbessert. Aus feministisch-poststrukturalistischer Perspektive wäre möglicherweise eine stärker intervenierende Version des »Family Wheel« zu empfehlen, die den Geschlechtsrollenwandel direkt evoziert. Es könnte beispielsweise die Ungleichverteilung familiärer Aufgaben sichtbar machen oder eine quotierte Besetzung einfordern, die dazu zwingt, gleich viele männliche und weibliche Kontakte im Rad zu platzieren. Vielleicht ist aber auch schon der Name des Service unglücklich gewählt, da er aufgrund der kulturellen Kopplung von Weiblichkeit, Mütterlichkeit und Familie möglicherweise stärker Nutzerinnen adressiert und andere Verwendungszwecke ausschließt, in denen es um allgemeine Organisationsbelange innerhalb von Gruppen geht. Eine alternative Bezeichnung wie ›Community Wheel‹ würde den Kreis der Adressaten und die Anwendungsmöglichkeiten wahrscheinlich erweitern. 5 Schlussfolgerung und Fazit Wie wir anhand des Fallbeispiels gesehen haben, führt partizipatives Gestalten trotz seiner Kompatibilität mit feministischen Anforderungen nicht zwingend zu geschlechterfairen und sozial gerechten Gestaltungslösungen. An diesem Punkt wird die Problematik deutlich, die sich möglicherweise aus der von Sanders propagierten Empathie- und Konsensorientierung des partizipativen Gestaltens ergibt, andererseits aus dem generellen Verlust seines gesellschaftspolitischen Gehalts ergibt: Solange die Interessen und Einstellungen der Beteiligten nicht in Widerspruch zueinander geraten, läuft partizipatives Gestalten Gefahr, den Status quo zu reproduzieren. Dabei geht es weder feministischer noch allgemein gestalterischer Forschung um eine Bestandsaufnahme bestehender Verhältnisse zur Befriedigung bestehender Bedürfnisse oder Ansprüche, sondern immer um die Veränderung bestehender Situationen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten zum Besseren wie es Simon bereits 1969 beschrieb: »Everyone designs who devises courses of action aims at changing existing situations into preferred ones.«49 Verbesserungsmaßstab und -strategie ergeben sich dabei aus den Interessen und Wünschen der Beteiligten, die aus gesellschaftlicher
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Perspektive in der schwächsten Position sind, Verbesserungsrichtung aus der feministisch-partizipativen Geisteshaltung, die für eine sozial gerechte, demokratische und vielfältige Gesellschaft eintritt. Wie die Überlegungen zu einer feministischen Designforschung und -praxis (Abschnitt 3.2) sowie ihre Anwendung auf das Fallbeispiel (Abschnitt 4.) gezeigt haben, kann eine systematische Integration feministischer Perspektiven wie die der Feminist Standpoint Theory und des poststrukturalistischen Feminismus dazu beitragen, partizipatives Gestalten zu erweitern und Designentscheidungen in methodischer und gestaltungspraktischer Hinsicht anzuleiten. Sie fordern die Gestaltenden dazu auf, sich mit der eigenen Rolle innerhalb des Forschungs- und Entwicklungsprozesses auseinanderzusetzten, das Gestaltungsresultat im Gebrauchskontext stärker zu reflektieren sowie das Postulat der Gleichberechtigung differenzierter zu betrachten. Dabei erscheint es hin und wieder geboten, dass sich Gestaltende an bestimmten Punkten einmischen, um auf unbewusste Werte und Grundannahmen aufmerksam zu machen, die nach Maßgabe der benannten Gesinnung gesellschaftspolitisch dysfunktional sind. Diesbezüglich stehen ihnen mehrere Strategien der Einflussnahme zur Verfügung: Sie können innerhalb des gemeinsamen Forschungs- und Gestaltungsprozesses bestimmte Dinge zur Diskussion stellen, Artefakte gestalten, die die menschliche Vielfalt und Gestaltungsfähigkeit fördern oder Artefakte gestalten, die bestimmte Werte, Grundannahmen oder Phänomene sichtbar machen oder direkt zu alternativen Betrachtungs- und Verhaltensweisen auffordern, die im feministischen Sinne zu begrüßen sind. Im letzteren Fall verlässt der Gestaltende die partizipative Ebene zugunsten des Critical Designs oder des Design Noir als ›proactive interventions‹.50 In der Wahl der feministischen Perspektive entscheiden DesignerInnen also darüber, wem sie die feministische Gestaltung des Alltags überantworten: den Nutzerinnen und Nutzern oder den Artefakten.
49 Simon, H.A.: The Sciences of the Artificial, Cambridge: MIT Press 1969, S. 55.
50 P. Ehn/R. Badham: Participatory Design and the Collective Designer, S. 8.
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Kulturelle Nachhaltigkeit, Open Design und Prototyping Helge Oder
Einleitung Entscheidende innovative Impulse öffnen oft neue Kontexte mit großer kultureller Wirkung. Henry Ford bemerkte, dass die Menschen auf die Frage, was sie denn wollen, gewiss mit »ein schnelleres Pferd« geantwortet hätten. In diesem Text wird der Frage nachgegangen, ob ko-kreative und communitybasierte Formen der Entwicklung, die einerseits von Freiräumen und spielerischem Erforschen, andererseits von konkreten Forderungen und dem Willen zur Realisierung bestimmt sind, eine direkte Relevanz für die Entwicklung und Fertigung von komplexen technischen Erzeugnissen haben. Welche subjektiven und objektiven Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein? Am historischen Beispiel der Radiobastlerbewegung der 20er-Jahre werden Arbeitsweisen in offenen Gestaltungs- und Entwicklungsprozessen vor dem Hintergrund der kulturell nachhaltigen Implementierung technisch höher komplexer Erzeugnisse untersucht. Dabei werden die Hintergründe der Entstehung ebenso reflektiert wie die verwendeten Arbeitsmethoden und die kulturelle Relevanz von Prozess und Ergebnis. Open Design und Prototyping – über Gegenstände und Vergegenständlichung Mindestens zwei grundlegende Formen des Prototyping können unterschieden werden. Einerseits die Arbeit mit vorkonfigurierten, funktionsfähigen, technischen Elementen, mit deren Hilfe Funktionszusammenhänge und Entwicklungen auf eine komplexere Ebene gebracht werden können. Andererseits die klassische Verwendung von Techniken des Mock-Up Baus, die den Entwurfsgegenstand im Echtmaßstab erfahrbar machen und den Beteiligten Raum zur
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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gemeinsamen Bewertung und Gestaltung lassen. Gemeinsam haben diese Formen des Arbeitens, dass der Abgleich von Intentionalität, die Herstellung eines gemeinsamen Verstehenshorizontes auf Basis der im Entwurf verwendeten physischen Gegenstände hergestellt wird. In diesem Text wird der erstgenannte Aspekt des Prototyping am Beispiel der Radiobastlerbewegung auf seine Besonderheit hin untersucht und aktuellen Tendenzen aus dem Open Design gegenübergestellt. Aktuell genutzte Gestaltungsmethoden- und Werkzeuge wie Physical Computing, Arduino und Hardwarehacking verbinden auf wirksame Art und Weise die Vorzüge digitalen und analogen Entwerfens. Häufig findet diese im realen Raum verortete Arbeitsweise in größeren Gruppen von Teilnehmern statt. Auf Hardware-HackingPartys, in Hacker Spaces und Maker Labs im analogen Raum und am besten an einem Tisch. Dabei werden auch elektronische Elemente und mechanische Bauteile zu funktionalen Prototypen assembliert, die einerseits schwer Vorstellbares und Kommunizierbares abbilden, durch Experimentieren unerwartete Verbindungen zwischen singulären Elementen in neuen Kontexten erzeugen und darüber hinaus den Austausch von Wissen und Ideen fördern. Eine entscheidende Rolle im Entwurfsprozess kommt damit der Arbeit mit vorhandener Komplexität zu. Prototyping ermöglicht Komplexitätsbewältigung durch zwei Faktoren: Erstens ist der »prototypisierte« Gegenstand bereits Ergebnis komplexer Entwicklungsleistung und somit vergegenständlichtes Wissen, welches in Form von physischen Objekten vorliegt und auch sinnlich erfahrbar ist. Der Einstieg in die Entwicklung findet somit nicht bei »Null« statt. Zum zweiten ist er die Basis für Verständigung im Arbeitsprozess sowie mittelbares Werkzeug für den Abgleich und die Entwicklung gemeinsamer Intentionen. Diese Intentionen werden in gemeinsam manipulierbare Objekte eingetragen und vergegenständlichen so auf hohem Niveau auch gemeinsame Sichtweisen auf die Welt. Dafür ist es oft nötig, bereits anderweitig vorhandene und verwendete Technologie in einen neuen Kontext zu stellen; sie aus gewohnten Zusammenhängen zu extrahieren.1 Die daraus assemblierten Objekte werden im folgenden als Prototypen bezeichnet, die daraus resultierenden Empfänger und Sender als Werkzeuge betrachtet, welche die selbstbestimmte Erschließung dieses anfangs freien, unkontrollierbaren Kommunikationsraumes ermöglichten.2 Eine Form der Verbreitung von Komplexität stellt Open Design dar. Open Design umfasst die weitere Entwicklung von typischem Produkt und individuellem Erzeugnis auf Basis vorhandener, frei zugänglicher Entwürfe.3 Detailverbesserungen sind ebenso mög-
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lich wie Neukontextualisierung von Einzellösung und kompletten Entwicklungen. Die offene Lizenzierung ermöglicht auch nicht unmittelbar problemorientiert arbeitenden Akteuren und Communitys den fundierten Einstieg in die Schaffung neuer, oft unerwarteter Lösungen und Möglichkeiten.4, 5 Ein implizites Ziel offener Entwicklung ist daher die Aufrechterhaltung der Verfügbarkeit und somit des Prozesses der Gestaltung an sich. Entwürfe und fertige Produkte werden rückgeführt und zur Disposition gestellt, befinden sich in einem permanenten Status der optimierungsfähigen Beta-Version. Dieser Fakt, der eine implizite Eigenart der offenen Entwicklung von erfolgreichen, technisch höher komplexen Erzeugnissen zu sein scheint, wird imfolgenden an einem historischen Beispiel untersucht.
Abb. 1: Lizenzbestimmung
1 Ein interessantes Beispiel aus jüngerer Zeit: Erst auf Basis der gehackten Kinect, einer bewegungs- und gestenbasierten optischen Eingabeeinheit für Spielkonsolen, ist es einer großen Community seit Kurzem möglich, verschiedenste Anwendungen und Entwürfe jenseits des schmalen, vom Hersteller angedachten Nutzungsspektrums zu entwickeln. 2 Siehe: Daniels, Dieter: Kunst als Sendung. Von der Telegrafie zum Internet, München: Verlag C. H. Beck 2002, S. 104. 3 Der weitere Zugang zu gestalterischen und technischen Lösungen ist durch eine Reihe von Lizenzen wie den Creative Commons geregelt und
bildet die Grundlage von Eigenbau und Weiterentwicklung. 4 Claude Lévi-Strauss fasste unter dem Begriff »bricolage« das zufällige Verknüpfen von Vorhandenem zu nicht unmittelbar intendierten, jedoch oft Mehrwert stiftenden Ergebnissen durch Amateure zusammen. Diese Strategie ist auch der Vorgehensweise der Radiobastler zu eigen, die jedoch oft in Gruppenarbeit dieses im Detail zufällige, ergebnisoffene und nicht immer erfolgreiche Arbeiten unter dem Aspekt der Vergegenständlichung gemeinsamer Haltungen und Werte betreiben und damit trotz des experimentellen, nicht immer intendierten Vorgehens weiter gefasste, konkrete Intentionen erkennen lassen. Siehe: Lévi-
Strauss, Claude: Das wilde Denken, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973. 5 Albert Einstein würdigte anlässlich seiner Eröffnungsrede zur »7. großen Deutschen Funkausstellung und Phonoschau Berlin 1930« die Aktivitäten der Radioamateure: »Wenn ihr den Rundfunk höret, so denkt auch daran, wie die Menschen in Besitz dieses wunderbaren Werkzeugs der Mitteilung gekommen sind: Der Urquell aller technischen Errungenschaften ist die göttliche Neugier und der Spieltrieb des Bastelnden und grübelnden Forschers […].« In: Pfau, Hagen: Mitteldeutscher Rundfunk – Radio-Geschichte(n), Altenburg: Verlag Klaus-Jürgen Kamprad 2000.
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Radiobastlerbewegung der 20er-Jahre – ein historisches Beispiel der offenen Entwicklung von physischen, technisch komplexen Erzeugnissen. Die Ausgangslage in den frühen 20er Jahren weist mehrere Besonderheiten auf. Einerseits wurde ein neues Medium implementiert, dessen kulturelles Potenzial zu erschließen war, auch unter Aushandlung der Teilhabeberechtigung an Medienproduktion und -konsumption – am Senden und Empfangen. Den entscheidenden Impuls zur anfangs amateurbasierten Nutzung der Funktechnologie in dem Sinne, die sich zum öffentlichen Rundfunk entwickelte, gab die Möglichkeit, neben gesprochenen Mitteilungen auch Musik zu senden und zu empfangen. Dies geschah zunächst nur im Rahmen von Übertragungsversuchen, die von Funkamateuren mit entsprechenden Empfängern weitflächig mitgehört werden konnten. Einmal animiert, beschäftigten sich Funkamateure mit der Adaptierung und Weiterentwicklung vorhandener, überwiegend behördlich und militärisch genutzter Technologie.6 Die Hoheit über die Gestaltung einer Massenkultur hing somit eng mit dem Zugriff auf das neue Medium Radio zusammen.7 Andererseits stand die Nutzung einer relativ neuen Technologie zur Debatte, deren Möglichkeiten erschlossen, verbessert, verfügbar gemacht werden mussten. Dabei ist die Wechselwirkung festzuhalten aus kulturellen Potenzialen, welche die zunächst »graswurzelartige«, von befähigten Amateuren vorangetriebene Implementierung eines neuen Mediums ermöglichten, und der Erschließung der kulturellen Möglichkeiten des Mediums selbst. Dies war verstärkt in den frühen 20er Jahren der Fall, da die grundlegenden technischen Voraussetzungen und das rudimentäre Verständnis für die Nutzung der drahtlosen Telegrafie im Sinne eines Massenmediums vorhanden waren. Die gesetzlichen Richtlinien für den Rundfunk in Deutschland führte aber de facto zu stark kontrollierten und sanktionierten Nutzungsbedingungen.8 Es waren daher Begeisterung und Unzufriedenheit, die zur kreativen Beschäftigung mit Telekommunikationstechnik führten. Begeisterung für die sportliche, erlebnisreiche, moderne Technik und die Aussicht auf selbstbestimmtes Empfangen und auch Senden von Medieninhalten. Begeisterung, die auch zur Konsolidierung von Gruppen aus verschiedenen gesellschaftlichen Lagern führten und die Herausbildung von gemeinsamen Einstellungen und Werten förderten. Doch es herrschte Unzufriedenheit über anfänglich leistungsschwache, wenig gebrauchswerte, am Markt erhältliche Empfangsgeräte und die Monopolisierung von Medien-
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gestaltung und Senderecht im öffentlichen Rundfunks ab 1923. 9 Diese Monopolisierung führte damit wiederum zur Beschränkung der Teilhabe bestimmter politischer und gesellschaftlicher Lager an Medienproduktion und Kultur. Aus diesem Grund ist die Motivation der Radioamateure zu differenzieren. Während die Gesamtheit der Radio- und Funkamateure in Deutschland sich des relativ freien Zugangs zum Medium beraubt fühlte, wurde das politisch »linke« Spektrum und konkret die Arbeiterradiobewegung von der Teilhabe am offiziell unpolitischen Rundfunk explizit ausgeschlossen. Unter diesem Aspekt sind die Bastelintentionen unmittelbar auf die Forderung nach selbstbestimmtem Empfangen und Senden und der Verbreitung eigener (teilweise radikaler) kultureller und auch politischer Standpunkte zurückzuführen.10 Paradoxer Weise wurde die in den 1910er und frühen 1920er Jahren durch kreative Verwendung von Technologie in Amateurkreisen angeregte Nutzung der Funktechnik als öffentliches, frei zugängliches Medium nun wiederum durch die »graswurzelartige« Vergegenständlichung in Form von technischen Objekten, den Radioempfängern und, in geringerem Ausmaß, -sendern und deren Verwendung im Sinne von »Material« und »Werkzeug« eingefordert.
6 Die Entwicklung der Funktechnologie geht auf das Wirken technikbegeisterter Pioniere zurück, denen unter heutigen Gesichtspunkten zum Teil der Status von hochbefähigten Amateuren zugesprochen werden würde. Ein teilweise vorhandener hoher Ausbildungsgrad ging einher mit der experimentellen, nicht unmittelbar zielgerichteten Beschäftigung mit einer neuen und, verglichen mit Innovationstätigkeit in Maschinenbau und Schwerindustrie, mit überschaubaren Mitteln zu realisierenden Technologie. Technische Bauteile wurden in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg teilweise in Eigenarbeit gefertigt. Die Erschließung des Kurzwellensendespektrums zur leistungsstarken Nachrichtenübermittlung, auch unter Ausnutzung des Phänomens der Ionosphärenreflexion geht auf Amateurfunker zurück. Auch, weil sie von Amts wegen nur auf diesem scheinbar »wert losen« weil keine leistungsstarken Übertragungen ermöglichenden Sendeband frei funken durften.
7 Siehe: Friemert, Chup: »Zur Ästhetik der drahtlosen Telegrafie«, in Form+Zweck 5 (1986), S. 32–38. 8 Staatliches Monopol für Nachrichtenübertragung, kodifiziert durch das »Gesetzes über das Telegraphenwesen des deutschen Reiches« von 1892. Diese Bestimmung wurde auch auf die drahtlose Telegrafie angewandt. Siehe: Dahl, Peter: Arbeitersender und Volksempfänger-Proletarische Radiobewegung und bürgerlicher Rundfunk bis 1945, Frankfurt am Main: Syndikat Verlag 1978, S. 211. 9 Weiterhin bestand seitens der Politik, auch aus den Erfahrungen im Zuge der Novemberrevolution heraus, Vorbehalte gegen politische Inhalte in Rundfunksendungen und somit gegen einen allgemeinen, wenig reglementierten Rundfunk. Noch 1923 wird vom Postministerium auf die »Gefahr des Missbrauchs bei Putschen und Unruhen« hingewiesen. In einer Notverordnung
vom März 1924 wurde die ernstliche Gefährdung der Sicherheit von Staat und öffentlicher Ordnung durch die zunehmende Anzahl geheimer Funkanlagen festgestellt, die staatsumstürzlerischen Kreisen die Schaffung eines geheimen Nachrichtennetzes ermöglichten. Diese Befürchtungen wurzeln in der Erfahrung des »Funkerspuks«, d.h. der Übernahme des Funktelegrafennetzes durch revoltierende Matrosen und Soldaten im Zuge der Novemberrevolution 1918 und dessen Nutzung zur Koordinierung und Synchronisierung von gemeinsamen Aktionen. Sie bestimmten den Umgang mit Radioamateuren aus dem Arbeitermilieu während der gesamten Zeit der Weimarer Republik. In: Ebd. 10 U.a. war die Möglichkeit, deutschsprachige Sendungen von Radio Moskau zu empfangen, unmittelbare Triebfeder für die Leistungssteigerung vorhandener Empfänger und den Bau kompletter Geräte.
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Neue Kontexte durch gegenständliches Wissen – eine Amateurbewegung entsteht Durch Verwendung vorhandener Technik in einem neuen Kontext, lässt sich anhand der Radiobastlerbewegung ein zentraler Punkt der kulturellen Nachhaltigkeit aufzeigen: Die technischen Möglichkeiten waren vorhanden und ein repräsentativer Teil der Bevölkerung durch Kriegserfahrung im Funk- und Nachrichtendienst in deren Bedienung, Nutzung und Wartung geübt. Die Entwicklung neuer, kulturell bedeutsamer Nutzungskontexte aus diesen instrumentellen Fertigkeiten heraus war somit ein bedeutsamer, aber auch naheliegender Schritt. Das Besondere an dieser Bewegung war somit, dass die Nachfrage einerseits aus der Mitte der Gesellschaft kam, und andererseits aus eben dieser Mitte auf technisch hohem Niveau befriedigt wurde. Durch diese »Graswurzelbewegung« kam es zu einer selbstbestimmten Teilhabe an der Produktion und Sendung von Medieninhalten, und damit zur Erweiterung des kulturellen Vermögens des Einzelnen und der Gruppe. Die ehemaligen Funker aus den Reihen der Kaiserlichen Armee, die sich teilweise schon vor der Einführung des öffentlichen Rundfunks am 29. Oktober 1923 mit dem Bau von Radioempfängern beschäftigten, bildeten so etwas wie einen »harten Kern« der Radiobastelszene. Dies ist in zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen, da Erfahrungsträger in völlig anderem Kontext erworbenes Wissen zur Koordinierung militärischer Operationen und die mit regelrecht konträren Interessen geweckte Begeisterung für komplexe Technik in diesen neuen Kontext stellten. Darüber hinaus verkörperten sie diese technische Kompetenz aus einer produktiven Haltung heraus. Sie verkörperten im militärischen Verbund die zentralen Kompetenzen des Sendens und nahmen später in der Bastlerszene eine führende Rolle ein. Die produktive Nutzung des Mediums war der Radiobastlerbewegung auch aus der Sozialisation der federführenden Erfahrungsträger heraus implizit zu eigen und wichtiger Bestandteil der Agenda. Ein erster Akt der Öffnung und damit des heutzutage als »Hardwarehacking« bezeichneten Aufbrechens und Neukontextualisierens von technischen Geräten und Elementen bestand in der Leistungssteigerung von amtlich verplombten11 und auf den Kurzwellenbereich beschränkten Rundfunkempfängern. Die verwendete Röhrentechnik12 erlaubte den relativ einfachen Umbau zu leistungsfähigen Empfängern und Sendern.13 Die Möglichkeiten zum Empfangen und Senden auf dem amtlich für den zivilen Rundfunk freigegebenen Kurzwellenfrequenzbereich wurden durch stetiges Experimentieren seit dem ersten Jahrzehnt des 20. Jh. verbessert.14
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Parallel dazu existierte kein einheitlicher Qualitätsmaßstab oder eine Vorstellung vom Gebrauchswert Radio und der Markt wurde von spekulativem Wildwuchs und Preiswucher beherrscht.15 Erfahrene Radioamateure fungierten in der Anfangszeit ab 1923 als Verbraucherschützer und Kaufberater.16 Entwicklungen aus dem Amateurbereich waren eine oft qualitativ hochwertigere und preiswertere Alternative. Neben dem Nachbau nach Bauplan stand es jedem Beteiligten frei, das Produkt zu verbessern und diese Informationen wiederum weiterzugeben. Radiobasteln bedeutete permanentes Beta-Stadium. Der Schutz patentierter Lösungen und Geräte galt lediglich der kommerziellen Verwertung. In Bastelkreisen konnten auf Basis dieses auch vergegenständlichten Wissens komplexere Arrangements weiterentwickelt werden. 17 Mit der Zeit kristallisierte sich aus der anfangs großen Zahl an Radiobastlern ein technisch versierter »harter Kern« heraus, der tatsächlich, wie am Beispiel der Optimierung des Sendens und Empfangens auf dem Kurzwellenband gezeigt, technische Innovationen hervorbrachte. Ebenfalls rekrutierten sich aus der Bastlerszene etliche Persönlichkeiten, die auf Basis auch jenseits akademischer Formate gewonnener Kenntnisse, Fähigkeiten und unkonventioneller Arbeitsmethoden erfolgreiche Laufbahnen in Entwicklung und Forschung einschlugen. Ein prominentes Beispiel ist Manfred von Ardenne, in den frühen 20er Jahren ein passionierter Rundfunkamateur. Gemeinsam mit Sigmund Loewe entwickelte er eine der ersten Mehrsystemröhren. Die Dreifachröhre, Type 3NF arbeitete mit voreingestellten und im Glaskolben verplombten Elementen. Diese vorgefertigten, leistungsfähigen Elemente eigneten sich als 11 Unbemerkt und von außen nicht sichtbar konnte theoretisch jeder Röhrenempfänger zu einem Kurzwellensender umgebaut werden. 12 Grundlegend ist zwischen stromlos zu betreibenden Detektorradios und Röhrenradios zu unterscheiden. Kristalldetektoren wurden besonders als preiswerte Alternative zum Empfangen auf kürzere Distanz von vielen Bastlern genutzt. Die leistungsstärkere Röhrentechnologie erlaubte auch die Realisierung weitergehender Ambitionen zum Empfang auch von ausländischen Sendestationen und zum Bau von eigenen Sendern. Diese Technologie wurde wegen der höheren Kosten oft
in Bastelvereinen zum Bau von »Großgeräten« verwendet.
vereinseigenen Laborräumen erlaubte. Ebd. S. 42.
13 1924 wurde der Umgang mit Funktechnik in einer Verordnung präzisiert. So gab es neben der Rundfunkgenehmigung und der SelbstbauGenehmigung für Kristallempfänger die sogenannte »Audion-Versuchsgenehmigung«. Sie erlaubte den Empfang von Rundfunk und von »Nachrichten an Alle« mit leistungsstärkeren, röhrenverstärkten, selbstgebauten Empfangsgeräten. Ergänzt wurde die Verordnung durch die Sende- und Empfangsversuchs-Genehmigung, die Mitgliedern eines Funkvereins das Senden und Empfangen von Funknachrichten in den
14 Der Effekt der Ionosphärenreflexion von Kurzwellen wurde in diesem Zusammenhang bereits vor dem 1. Weltkrieg entdeckt. 15 Chup, F.: Zur Ästhetik der drahtlosen Telegrafie. 16 Günther, Hans/Dr. Fuchs, Franz: Der Praktische Radio-Amateur, Frankfurt am Main: Franck’sche Verlagshandlung 1926. 17 Siehe: Günther, Hans/ Dr. Fuchs, Franz: Der Praktische Radio-Amateur, S. 55.
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Ausgangspunkt für die Entwicklung komplexerer Empfangs- und Sendeanlagen, war aber auch zentraler Bestandteil des von Loewe 1926 auf dem Markt eingeführten, zuverlässig funktionierenden und dabei relativ preisgünstigen Radioempfängers OE 333.
Abb. 2: Loewe Ortsempfänger OE 333
Prototyping, Open Design Verschiedene Gruppen aus der Arbeiterradiobewegung und anderen Bastelvereinen organisierten die preiswerte Beschaffung von Bauteilen. Diese stammten anfangs zum Teil noch aus militärischen Beständen des ersten Weltkriegs oder wurden durch Beziehungen direkt von Herstellern »offizieller« Funktechnik oder aus dem Ausland beschafft.18 Komplexe, hochfunktionale Einzelkomponenten wie ab 1912 entwickelte und stetig verbesserte Verstärkerröhren waren trotz anfänglicher Verkaufsbeschränkungen ab Mitte der 1920er Jahre in Deutschland frei erhältlich. Geräte mit höherer Empfangsleistung konnten auf legalem Wege entwickelt und gefertigt werden.19 Die ersten Radiogeräte präsentierten sich dann auch als additiv zusammengestellte, durch Kabel verbundene Einzelelemente, die keinen konkreten Formwillen erkennen ließen, jedoch durch die offene Konfiguration von technischen Modulen zum experimentellen Umgang einluden. Wurde eine neue Konstellation von Bauteilen und Einstellungen gefunden, präsentierte sich den Radioamateuren das Ergebnis in einer objekthaften Form. Diese unmittelbare Repräsentanz beinhaltet nicht nur nachvollziehbare technische Informationen, die auch in Form eines Schaltplans niedergeschrieben werden konnten; sie ermöglicht auch, eingeladen durch multiple Möglichkeiten der Manipulation und Veränderung, die unmittelbare, gemeinsame Arbeit am Versuchsaufbau. Oft wurden diese Versuche direkt im laborartigen Ambiente der Vereinsräume durchgeführt, wobei meist mehrere Personen zusammen arbeiteten.
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Abb. 3: Zubehör für einen einfachen, leistungsschwachen Kristalldetektor-Empfänger
Dennoch stand bereits ein standardisiertes Format zum Zeichnen von Schaltplänen und Darstellen der einzelnen Bauteile zur Verfügung. Doch was unterscheidet das gemeinsame arbeiten am Prototypen vom aufzeichnen und weiterreichen? Der Nachbau von Geräten wird durch ab 1924 verfügbare Bastelliteratur möglich. Blaupausen von erfolgreichen Konfigurationen wurden publiziert. Die Ähnlichkeit zu Strategien des freien Zugangs zu technischen und gestalterischen Informationen – gegenwärtig unter den Begriffen Open Source Design und Open Hardware realisiert – sind unverkennbar. Diese aktuelle Entwicklungs- und Fertigungsphilosophie ermöglicht nicht nur den Nachbau nach Plan. Auch die Weiterentwicklung und lizenzrechtlich geregelte20 Verwertung durch andere Akteure ist durch zugängliche Informationen und »offenes« Design der Objekte realisierbar. Parallelen zur programmiersprachen-basierten Entwicklung in Open Source Communitys sind erkennbar. Den Beteiligten ist es in dieser Entwicklungskultur heute möglich, vermittels einer gemeinsamen, erlernbaren Sprache komplexe Aufgaben in Arbeitspakete zu separieren, Kenntnisse in diesem codierten Format auszutauschen und zu lesen und vielfältig verwendbare offene Programierkernel zu nutzen. Auch die Prototypingplattform Arduino ermöglicht wirklich komplexes Arbeiten erst durch die Verwendung von in Onlineforen verfügbaren und mit geringem Aufwand für die eigenen Zwecke
18 Bis Mitte der 20er Jahre unterlag der Verkauf von Einzelelementen starken Beschränkungen. Damit sollte der illegale Bau von Empfängern und Sendern verhindert werden. Quelle: Interview mit Ralf Rudolf, Mitarbeiter des Museums »Technische Sammlungen« in Dresden.
19 So war mit handelsüblichen, stromlos zu betreibenden Kristalldetektoren der Empfang nur in einem Radius von 30 km um den Sender möglich. Ein einfaches Röhrenradio schaffte schon bis zu 100 km, mit einer guten, selbstgebauten Antenne sogar 150km. in: Günther, Hans/Dr. Fuchs, Franz (1926).
20 Beispielsweise kann mit sogenannten »Creative Commons« (CC)-Lizenzen definiert werden, wie der Akteur die als Bauplan oder fertiges Objekt vorliegenden Entwürfe weiterverwerten darf. Auch Möglichkeiten der kommerziellen Nutzung sind vorgesehen.
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modifizierbaren Programmierbausteinen. Doch die Entwicklung von komplexen physischen Erzeugnissen ist auf die Verwendung von Materialien angewiesen, denen, analog zu den diversen Eingabeund Ausgabedevices bei Arduino, bereits einen höherer Grad an konkretem, themenbezogenem Wissen und Komplexität eingeschrieben ist. Dies regt die Teilnehmer zu verschiedenen Sicht- und Denkweisen an, die experimentell am vorliegenden Gegenstand abgeglichen und zu brauchbaren Lösungen weiterentwickelt werden. Tatsächlich war es einer großen Anzahl von Amateuren so möglich, Verbesserungen durch stetes Probieren zu erlangen. Verschiedene Wege wurden eingeschlagen und gemeinsam ausgewertet. Was sich als gut und praktikabel erwies, bildete die Basis für weitere, verschiedenartige Entwicklungen. Die Objekthaftigkeit der Anordnung, des Arrangement, und die in technischen Bauteilen veranlagte Schaltung ermöglichte einfaches Rückverfolgen und an einem früheren Stadium ansetzendes Arbeiten. Die Vergleichbarkeit der damaligen und der heutigen Entwicklungskultur liegt in der Verwendung vorgefertigter Komplexe. Programmierbausteine müssen nicht bis ins Einzelne verstanden werden, um sie zu höherer Komplexität assemblieren zu können. Dies gilt auch für physische Bauelemente und deren experimentellen Einsatz. Die zweite Parallele besteht in der Arbeitsweise, die sich oft an einem konkreten Raum abspielt und somit Orte der zwischenmenschlichen Begegnung schafft, in denen der Abgleich von entwicklungsspezifischen Sichtweisen und das Feiern der Gemeinschaftlichkeit ineinander übergehen. Und als drittes werden in diesen Formen der Entwicklung tatsächlich neue Kontexte geöffnet, die singulär technischen Komplexen erst zu auch kultureller Relevanz verhelfen. Kulturelles Lernen und sozialpragmatische Erfordernisse Die experimentelle Handhabung vorhandener, komplexer technischer Elemente in einem gemeinsamen Entwicklungsprozess fungierte als Motor und Anregung zu weiter Komplexität und zur gemeinsamen Entwicklung neuer Kontexte. Die Kenntnisse einzelner Akteure werden durch die Assemblierung vorhandener, funktionaler Elemente gegenständlich erfahrbar und im Experiment operationabel. Diese gemeinsame Aufmerksamkeit bildet ein referenzielles Dreieck, bestehend aus (min. zwei) Akteuren und dem physisch-objekthaft vorliegenden Prototypen. Dieser bzw. dessen Einzelelemente bilden den Angelpunkt. Damit wird der Abgleich der Intentionalität vieler an einem konkreten Gegenstand ermöglicht, der zur Übernahme der Perspektive des jeweils Anderen und
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Entwicklung geteilter Intentionalität führt.21 Dieses zweckbezogene Wissen und darüber hinaus Aspekte der Weltsicht der Beteiligten werden dem Prototypen eingeschrieben. 22 Die Handlungsangebote der Gegenstände sind auch Verlängerungen von Erfahrungen, Haltungen, Gedanken der Akteure. Den verwendeten, artifiziellen Gegenständen ist ihrerseits bereits Komplexität eingeschrieben, sie sind intendiert. Sie sind Ergebnis und Vergegenständlichung vorausgegangener menschlicher Weltsicht, Arbeit und heterotechnischer Kooperation23 und müssen nicht zwingend bis ins kleinste Detail verstanden werden. Doch es werden kreative Haltungen zu den »Black Boxes« entwickelt, Interaktionszusammenhänge erschlossen, Handlungsweisen und Kooperation angeregt und letztlich neue gemeinsame Denkräume geöffnet.24
21 Tomasello, Michael: Die kulturelle Entwicklung des Menschlichen Denkens, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2002, S. 71 ff.
seiner Ansicht nach der Schlüssel zu Anerkennung. Siehe: Ricoeur, Paul: Wege der Anerkennung, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006, S. 317 ff.
22 Paul Ricoeur benutzt in Anlehnung an Husserl den Begriff der analogisierenden Auffassung. Damit ist die handlungsbasierte Appräsentation an den Anderen gemeint, ohne dass die originäre Asymmetrie zwischen ihm und mir je aufgehoben sein würde. In der Bewusstwerdung der Qualität dieser Differenz in gemeinsamen Handlungskontexten liegt
23 Mit dem Begriff der heterotechnischen Kooperation wurde von dem Anthropologen Peter C. Reynolds die zur Herstellung komplexerer Erzeugnisse erkennbare Form der Zusammenarbeit bezeichnet. Die dafür nötige Spezialisierung setzt das Verstehen des Beitrags des Anderen und das Verfolgen gemeinsamer Ziele voraus, um die eigene
Tätigkeit abzustimmen und Anschlussfähigkeit zu schaffen. Symmetrische Kooperation basiert hingegen auf der Gleichartigkeit und Austauschbarkeit der Aufgaben und Rollen einzelner Akteure. Siehe: Wilson, Frank R.: Die Hand – Geniestreich der Evolution, Stuttgart: Klett-Kotta (2000). S. 191. 24 Siehe: Petruschat, Jörg: »Tische, Tennisbälle, kurze Schreie. Einige Bemerkungen zum Prototyping«, in: Julian Adenauer/ Jörg Petruschat (Hg.), »Prototype!«, Berlin: Form+Zweck 2012, S. 313 f.
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Ein gut nachvollziehbares Beispiel für diese Arbeitsweise findet sich in Form des »Zigarrenkistenradios«. Gut funktionierende Kombinationen von Bauteilen wurden in eine Zigarrenkiste gepackt und den Bastelfreunden gezeigt.25 Diese unmittelbare Repräsentanz beinhaltete nicht nur nachvollziehbare technische Informationen, die auch in Form eines Schaltplans niedergeschrieben werden könnten. Sie ermöglichte auch das unmittelbare Zeigen und bewirkende Arbeiten am Versuchsaufbau und war nicht durch ein codiertes oder abbildhaftes Format der Vermittlung beschränkt. Die Funktionskategorien der verwendeten Bauteile waren überschaubar. Verschiedene Kombinationen und Einstellungen brachten das tatsächliche Entwicklungspotenzial mit sich und die Palette der verwendbaren Einzelkomponenten war groß. Ständig kamen neue, verbesserte Teile auf den Markt oder es wurden nicht ausdrücklich für den Bau von Rundfunkgeräten bestimmte Elemente genutzt, die sich am besten durch augenscheiniges Betrachten und unmittelbares Probieren in der Gänze ihres Potenzials erfassen ließen. Die Entwicklung und Fertigung leistungsstarker, komplexerer Sende- und Empfangsanlagen funktionierte ähnlich. Im Rahmen der Arbeit in den Vereinsräumen wurden das Oszillieren zwischen individuellem Arbeiten und dem gemeinsamen Assemblieren, Testen, Bewerten und Modifizieren der Ergebnisse individueller Entwicklungen oder separierter Arbeitsschritte systematisch betrieben. Natürliche Gesten, im Besonderen auf das Teilen von Informationen wie von individuellen Einstellungen zur vorliegenden Sache ausgerichtete Zeigegesten sind zwingend erforderlich, um den Stand der Entwicklung zu erfassen und den Wissensgehalt der assemblierten Komplexe gemeinsam experimentell zu erschließen. Darüber hinaus vergewissern sich die Beteiligten ihrer Gemeinsamkeit jenseits zweckrationalen Vorgehens. Der von dem Anthropologen Michael Tomasello verwendete Begriff der erweiterten Gestenkommunikation deutet an, dieses so gewonnene Wissen zu arbiträren Gesten oder anderen konventionsbasierten Kommunikationsformen zu erweitern, zu konzeptualisieren und daraus wieder Anknüpfungspunkte zur Bezugnahme auf andere, möglicherweise für das Erreichen der gemeinsamen Ziele nützliche Gegenstände herzustellen. Das Potenzial der kreativen Unschärfe, die in dieser Kombination der Vielzahl von Bauelementen besteht, wird gemeinsam zeigend und bewirkend ausgelotet.26 Im Gegensatz zum individuellen Lernen wird das kulturelle Lernen erst durch die Erkenntnis und das Verstehen darüber ermöglicht, dass es sich bei den Artgenossen um einem selbst ähnliche Wesen handelt, deren Intentionalität und innere Realität der eigenen ähneln. Dadurch erst ist denkbar, nicht nur von, sondern auch durch den Anderen
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zu lernen.27 Diese Fertigkeiten des rekursiven Erkennens geistiger Zustände führen zur Bildung gemeinsamer Ziele, zu einer sozialen Perspektive. Daraus wiederum resultiert ebenfalls die gemeinsame Aufmerksamkeit auf Dinge, welche dafür relevant sind. Letztlich ist es als eine Besonderheit des kulturellen Lernens hervorzuheben, dass die Erkenntnisorientierung intersubjektiv erfolgt und damit von einem Konsens abhängt. Tomasello spricht in diesem Zusammenhang von einem »Wagenhebereffekt«, der die Kumulation von einmal Gelerntem über Generationen zulässt und zur Verbesserung und Veränderung tradierter Fähigkeiten beiträgt.28 Dieser Effekt funktioniert durch das Verstehen der Intentionalität des Anderen auf Basis der eigenen Intentionalität. Zentrales Element für dieses kulturelle Lernen29 ist die beschriebene Kommunikation über eine perspektivische, kognitive Repräsentation mittels eines vorliegenden Gegenstandes, der im Falle des Prototyps gemeinsam im realen Raum aus verschiedenen Perspektiven zu beobachten ist. Diese technischen Komplexe, die als Grundlage des Prototyping dienen, wurden als Resultate vorangegangener Entwicklungen bereits mit dem »Wagenheber« angehoben, verkörpern Wissen und Erfahrung und liegen nun als Material vor. Dies gilt im Besonderen für Komplexe, die im Rahmen von aktuellen Open Design Prozessen entstanden sind, da ihre »offene« Weiterverwendung und Weiterentwicklung intendiert ist. Das Wissen, welches in diesem Arbeitsprozess entstanden ist, wird nun dem Allgemeinwissen und Erfahrungsschatz der Gruppe hinzugefügt und operationabel gemacht. Diese linear und intentional anmutende Methode ist Teil einer in sich wiederum Zufälligkeiten, Diversität und damit neue Möglichkeiten generierenden Verfahrensweise. Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich, basierend auf dem Wunsch nach preiswerten Radiogeräten und der allgemeinen Begeisterung für die neue Technik ab 1923 eine Bastlerszene entwickelte, die in den ersten Jahren Radioempfänger – von einer gegenüber käuflichen Geräten zum Teil höheren Qualität – entwickelte und fertigte. Doch viel bedeutsamer war die Feststellung,
25 Siehe: www.dra.de/rund funkgeschichte/75jahreradio/. 26 Tomasello, Michael: Die Ursprünge der menschlichen
Kommunikation, Frankfurt am Main: Suhrkamp (2009), S. 341f. 27
28
Ebd. S. 50 ff.
29 Ebd. S. 183–206, S. 339–346, S. 362–365.
Ebd. S. 15.
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dass dem kreativen Umgang mit Technik das Potenzial innewohnt, Forderungen nach Mitbestimmung, Teilhabe und Meinungsäußerung Gewicht zu verleihen. Dies bildet die Basis einer sich wechselseitig stimulierenden Entwicklung von technisch höher komplexen Erzeugnissen, der Implementierung einer offenen Entwicklungskultur und Steigerung der subjektiven und objektiven Möglichkeiten kultureller Teilhabe und Entwicklung. Mit Blick auf die Arbeiterradiobewegung ist der politische Wunsch nach Artikulation eines »eigenen Klassenbewusstseins«, die Notwendigkeit politischer Organisation in Echtzeit und das Brechen des Meinungsmonopols, letztlich die Fähigkeit des Sendens und damit die Fertigung und Nutzung von Sendern ausschlaggebend. Diese Strategie der De-Exklusivierung und Verbreitung von Technologie lässt sich bis in die heutige Zeit nachverfolgen über die Computerhacker bis zu aktuellen Tendenzen von Hardwarehacking und Open Design. Bertolt Brechts Forderung nach einer Demokratisierung des Rundfunks beinhaltete so auch die Forderung, der Rundfunk müsse aus seinem »Lieferantentum«, d.h. seiner ausschließlichen Funktion als Kommunikator herauskommen, und vielmehr den Hörer zum Lieferanten von Inhalten organisieren und ihn im Sinne einer Zweikanal-Kommunikation »sprechend« machen.30 Auch wenn diese Forderung nach Mitsprache in letzter Konsequenz erst im Web 2.0 eine geeignete mediale Plattform gefunden hat, ist die Rolle der Radioamateure als »Lieferanten« von technischen Entwicklungen und einer neuen, kulturell nachhaltigen Entwicklungskultur, getragen durch den ihnen eigenen Gestus der Produktion, hervorzuheben. Das Prototyping und vergegenständlichende Arbeiten hatten im Kontext der Radiobastlerbewegung zwei Bedeutungen. Zum einen wurden kulturelle Möglichkeiten und dafür nötige Werkzeuge und Materialien in einem wechselseitigen Prozess erschlossen. Die medialen Bedürfnisse und Zielsetzungen verschiedener Gruppierungen waren um- und durchsetzbar. Zum anderen ist die Analogisierung innerhalb der Gruppe durch Verständigung über Gegenstände und damit die Bestätigung und Stärkung gemeinsamer Haltungen wie auch intersubjektive Anerkennung gewährt. Verbale und gestische Kommunikation wie auch bewirkendes Handeln am Prototypen schaffen einen Raum, in dem diese individuellen und kollektiven Bedürfnisse durch die Nutzung vorhandener, bereits »gedachter«, intendierter und in diesen kreativen Prozessen zum Teil neu kontextualisierter technischer Erzeugnisse vermittelt werden. Diese Sichtweisen auf Gegenstand und Kontext heben die Entwicklung von komplexeren, physischen Erzeugnissen auf eine Ebene, die unmittelbar in den Intentionen Einzelner und deren Emmergenz in einer aktiven Gemeinschaft verwurzelt ist. Diese Aktivi-
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täten müssen nicht vordergründig kommerziellen Absichten entspringen, können jedoch zu kommerziell erfolgreichen Entwicklungen führen. Damit ist die Teilhabe an dieser offenen Entwicklung durch praktische Formen integrierter Kreativität bestimmt, da eigene Interessen und intrinsische Motivationen bedingt durch den Prozess der Zusammenarbeit zugleich interperspektivisch mit denen Anderer verbunden und nicht privatistisch verengt sind.31 In wie fern die von Hans Joas beschriebene und im Text am Beispiel der Radiobastler nachvollzogene, vorreflexive Intentionalität des Körpers im Bezug auf seine Umwelt, auf die in Prototypen assemblierten Komponenten und damit auch auf die gemeinschaftliche, kreative Arbeit im vergegenständlichenden Gestaltungsprozess zum Tragen kommt, muss durch weitere genauere Beobachtung und Analyse aktueller Beispiele konkretisiert werden.32 Die durch technische Komponenten vermittelte Verschränkung der eigenen Körpererfahrung mit der eigenen Erfahrung des anderen Körpers durch natürliche Gesten und bewirkendes Handeln am vorliegenden Gegenstand sind ein wichtiges Fundament von individueller Erfahrung.33 Kulturelle Lernprozesse, die Erweiterung intrinsischer Motivation zu geteilter Intentionalität wie auch die Entwicklung konkreter technischer Erzeugnisse gründen sich auf die gemeinsamen Erfahrungen im vergegenständlichenden und produktiven Tun. Der daraus resultierenden Bedeutung für die experimentelle und innovative Produktentwicklung kann das Potenzial zu einer Kulturtechnik innewohnen.
30 Bertolt Brecht zitiert in: Dahl, Peter: Arbeitersender und Volksempfänger-Prole tarische Radiobewegung und bürgerlicher Rundfunk bis 1945.
31 Vgl. Joas, Hans: Die Kreativität des Handelns, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996, S. 374.
32
Ebd. S. 256.
33
Ebd. S. 264.
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Jenseits der Stellvertretung Partizipatorisches Design und designerische Autorschaft Andreas Unteidig
Das Design unterliegt seit jeher definitorischen Verhandlungen und praktischen Veränderungsprozessen und ist (wie viele andere Domänen auch) in jüngster Zeit besonders von Diskussionen um offene Zugänge und Beteiligung, um Transparenz und Demokratisierung betroffen. Aspekte, die im Rahmen des partizipatorischen Designs ganz eigentlich und bereits seit Dekaden diskutiert werden – und dennoch problembehaftet bis zum heutigen Tage sind: Die Öffnung einer Domäne, bei deren Protagonisten nicht selten noch immer die Reflexionsfigur des Künstlers, des Genies mitschwingt, das mit mühselig erworbenen Kompetenzen ebenso wie mit nicht erwerbbaren Talenten konnotiert wird, ist erwartungsgemäß streitbar. Ein interessantes, aber nicht sehr ausführlich besprochenes Problem dieser Öffnung ist die schwindende Autorschaft von Designern in partizipatorischen Designprozessen und die dadurch resultierenden Veränderungen für die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Disziplin und ihrer Vertreter. Ebendiese Veränderungen sollen als Gegenstand dieses Artikels zur Diskussion gebracht werden und sind dabei durch die in diesem Band vorliegende Darstellung zum Projekt Neighborhood Labs perspektiviert. Hierbei handelt es sich um ein langfristig angelegtes Designforschungsprojekt des Design Research Labs der Universität der Künste Berlin mit einer doppelten Zielsetzung: Einerseits arbeiten wir am Aufbau realer Strukturen, die es Bürgern des Berliner Fischerinsel-Kiezes erlauben und erleichtern sollen, tatsächlichen Einfluss auf soziale, politische, ökonomische und architektonische Wandlungsprozesse der Nachbarschaft zu üben. Andererseits fungieren diese design-praktischen Erfahrungen im Sinne eines Researchthrough-Design1 Ansatzes als Bezugsmoment für die praxisgeleitete Forschung im Rahmen mehrerer Dissertationsprojekte. Das designerische Handeln des Forschungsteams wird somit ebenso
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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stark von konzeptionellen Überlegungen und theoretischen Fragestellungen geleitet und wie es diese selbst informiert. Die Argumentationen dieses Textes entstammen also der Perspektive angewandter Forschung im Rahmen dieses Projekts, an dessen Beispiel verdeutlicht werden soll, wie gewinnversprechend, aber auch wie schwierig und kontrovers die konsequente Einbeziehung von »Nutzern« für die Rolle des Designers oder der Designerin ist, beziehungsweise sein kann. Gegenstand dieses Artikels bilden somit Überlegungen zu durchaus aktuellen Tendenzen des partizipatorischen Designs mit einer Fokussierung designerischer Tätigkeit innerhalb urbaner Gemeinschaften im Sinne eines Design as Infrastructure.2 Im Adressieren dieser Fragen ist der folgende Text durch zweierlei Aspekte gerahmt und damit beschränkt: zum einen durch die Bezugnahme auf ein reales Projekt mit bestimmten, theoretischen Bezugsgrößen, welches schon strukturell sehr politisch ausgerichtet ist; zum anderen durch eine gewisse Verabsolutierung, die in der Praxis freilich nur in Graustufen anzutreffen ist, es aber erlaubt, die Fragestellungen zu schärfen. Denn trotz dieser Rahmung besteht die begründete Hoffnung, dass die beschriebenen Perspektiven skalierbar und damit für einen breiteren Diskursrahmen von und über Design relevant sind: schließlich soll aus diesen Überlegungen zumindest tendenziell abgeleitet werden können, welche Selbstverständnisse des Designs behauptet und ausgebaut werden können – und welche sich möglicherweise erübrigen. Die Diskussionswürdigkeit einiger dieser (für die designerische Identität zentral erscheinenden) Aspekte wird aus der Perspektive von Neighborhood Labs als ein sehr praktischer Versuch der Öffnung, der Partizipativ-Machung des Designs deutlich – reichen die CoDesign-Partner in ihrer Rolle doch weit über die von Ideengebern für marktökonomisch motivierte Formgebungsprozesse hinaus. 3 Unser Ziel in Bezug auf Partizipation ist eine Autorschaftsübertragung, deren Konsequenz eine Neuverhandlung der designerischen Rolle geradezu erzwingt: Anstelle der Beanspruchung einer antizipatorischen Kompetenz, mit welcher Designer Probleme identifizieren und mittels einer mehr oder weniger fundamentalen Beteiligung von betroffenen Individuen und Gruppierungen Lösungen entwickeln, tritt das Einnehmen einer infrastrukturierenden und dadurch ermächtigenden Position, welche die Grundlagen und Rahmenbedingungen zur Handlungsbefähigung der betroffenen Akteure schafft, um tatsächliche und konkrete Partizipation zu ermöglichen. Dies impliziert einen entscheidenden Perspektivwechsel auf das partizipatorische Design, in welchem die zentrale Planungs-
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und Umsetzungskompetenz – kurzum: der als Design bezeichnete Schaffungs- und Problemlösungsprozess nunmehr im Verantwortungsbereich derjenigen liegt, deren Lebenswelten den Gegenstand der projektierten Unternehmung darstellen. Design als die Gestaltung eines Handlungsrahmens Mit Blick auf unsere Arbeit im Rahmen von Neighborhood Labs und die hierfür relevanten, theoretischen Bezugsgrößen wird die hier (freilich als bloßes Fragment designerischer Realität) umrissene designerische Tätigkeit als politisches Handeln betrachtet, da es im Kontext und in der Verhandlung städtischer Pluralität stattfindet. Durch die Gestaltung eines Rahmens – einer Infrastruktur (Pelle Ehn) – sollen Bürger dazu bemächtigt werden, sich zu vernetzen, eine gemeinschaftliche Basis zu erarbeiten, um auf eben dieser (mittels den dazugehörigen Instrumenten) handlungsfähig, das heißt faktisch in der Lage zu sein, aktiv in der Gestaltung der eigenen Lebenswelt, möglicherweise entgegen der Interessen von Politik, Medien und Wirtschaft, mitzuwirken. Lösbare und unlösbare Probleme: Von der diagnostischen Kompetenz des Designs Dieser Gegenstand jedoch erweist sich als äußerst wandlungsfähig: Begann das Projekt mit der Untersuchung von Strategien und Strukturen des Wissensaustauschs zwischen Mitgliedern eines Computerclubs von und für Senioren, geht es nunmehr um die Identifikation und die designerische Adressierung mannigfaltiger, soziopolitischer Bedürfnisse eines gesamten Stadtviertels4 – sowie
1 Findeli, Alain/Brouillet, Denis/Martin, Sophie/ Moineau, Christopher/Tarrago, Richard: Research Through Design and Transdisciplinarity – A Tentative Contribution to the Methodology of Design Research, in: »Focused« – Current Design Research Projects and Methods, Swiss Design Network Symposium Proceeding 2008, S. 67–91. 2 Binder, Thomas/De Michelis, Giorgio/Ehn, Pelle/Jacucci, Giulio/Linde, Per/Wagner, Ina: Design Things, Cambridge MA: The MIT Press 2010.
3 Ein zentraler Kritikpunkt an historischen wie auch aktuellen Variationen partizipatorischen Designs ist die bloße Einbindung von NutzerInnen als Testobjekte, als begünstigende Parameter in marktökonomischen Logiken im Sinne der Ausbeutung kreativen Potenzials oder der Orientierung an ohnehin privilegierten Gesellschaftsteilen. Vgl. von Hippel’s Konzept der »lead user«: Von Hippel, Eric: Democratizing Innovation, Cambridge, Massachusetts: The MIT Press 2003.
4 So reichen die bisherigen Handlungsfelder im Rahmen des Projekts von der Organi sation von Nachbarschaftsveranstaltungen und der Initiierung von P2P-Kursen zu verschiedenen Themen über die selbstorganisierte Betreuung älterer Nachbarn bis hin zur Erstreitung neuer Stadt möbel von einer diesbezüglich unkooperativen Stadtteilverwaltung.
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eben die Beschreibung und Diskussion partizipatorischer Grenzgebiete aus Sicht der Designforschung. Die fundamentale Wandlungsfähigkeit dessen, was gestaltet werden soll, impliziert nunmehr einen weiteren Perspektivwechsel auf das Design. Denn anstelle eines klar formulierten Ziels, statt Briefings und Milestones tritt eine konsequente Ergebnisoffenheit, eine Verzichtshaltung hinsichtlich eines unmittelbaren Resultats – womit sich im Sinne des Design Infrastructuring eine Erweiterung des Innovationsbegriffs ergibt: Die Fokussierung auf unmittelbare Lösungen und dingliche Resultate weicht der Auffassung, dass eben auch und gerade die Neuschaffung, Verbesserung und Stabilisierung sozialer Strukturen Innovationen im Sinne sozialer Nachhaltigkeit darstellen.5 Strukturen, die es Individuen erlauben, gemeinsam und über lange Zeiträume an Gegenständen hoher Komplexität zu arbeiten und dabei mit gegenseitiger Unterstützung die eigene Handlungsfähigkeit zu erfahren. Die im Projekt Neighborhood Labs gewählte Vorgehensweise der graduellen Steigerung von Einbindung und damit der Partizipation strahlt – so die Hypothese und Hoffnung – in beide Richtungen: Die kollektive Bearbeitung eines Gegenstands formt das Gemeinwesen, das Gemeinwesen ermöglicht die produktivere Bearbeitung einer unbestimmten Anzahl von Gegenständen verschiedener Qualitäten und Möglichkeiten der Lösung. Die ergebnisoffene, fortwährende und gemeinschaftliche Arbeit an den »großen«, prinzipiell unlösbaren Problemen stellt für Bazon Brock geradezu die Begriffsdefinition von Urbanität dar. Urbanität realisiert sich demnach dann, wenn Akteure unterschiedlichster Herkunft gemeinsam versuchen, mit der Unlösbarkeit gewichtiger Probleme umzugehen, und diese in Anerkennung ihrer Unlösbarkeit diskursiv entwickeln 6 – die zentralen Problemstellungen menschlichen Zusammenlebens sind in Brocks Ausführungen deshalb die Unlösbaren, weil sie prinzipiell jede individuelle Lebenswelt tangieren und dadurch ihre Aktualität schöpfen. 7 Im Bezug auf städtisches Zusammenleben lässt sich dies leicht nachvollziehen – ist doch die ideale Stadt, in welcher die Einwohner gleichberechtigt und im Konsens zusammenleben, ganz eigentlich ein Ideal, ein Bild, welches noch niemals erreicht wurde und auch kategorisch unerreichbar bleiben wird. »Städtisches Leben« ist das Aufeinandertreffen einer großen Anzahl von Menschen, die von unterschiedlichsten Interessen, Bedürfnissen, Herkünften, Horizonten und vielem mehr geprägt und geleitet sind – ein finaler Konsens ist alles andere als erwartbar. John Dewey liefert einen ganz ähnlichen Aufbau für seinen Begriff der Öffentlichkeiten (publics), die ganz und gar pluralistisch
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dort auftreten, wo sich Individuen handelnd zusammenschließen, um etwaige sie direkt oder indirekt betreffende Parameter ihrer Lebenswelt zu kontrollieren oder zu verändern.8 Eine urbane Gemeinschaft kann dort entstehen, wo trotz dieser Gegensätze gemeinsame Bewegungen auf der Grundlage des Erkennens von Problemlagen stattfinden, wo Individuen sich ihrer eigenen Handlungsfähigkeit und -notwendigkeit bewusst werden. Sie verlassen sich in der Übernahme von Verantwortung zur sozialen Verhandlung von Problemen und Perspektiven nicht auf administrative, religiöse, ethnische oder kulturalistische Autoritäten, sondern sehen die Autorität in ihren eigenen, aus sich selbst heraus begründeten Handlungen, ihrer Autorschaft.9 Realitätstaugliche Zusammenschlüsse finden demnach eben nicht statt, weil Individuen sich von anderen die Lösung ihrer Probleme erwarten, sondern weil diese Probleme in der Bewegungsdynamik sozialer Prozesse bearbeitet und weiterentwickelt werden, woraus diskursive Umgangsformen mit den real existierenden Gegebenheiten entstehen. Statt dem Bedürfnis nach Transzendenz oder Führung, also einer so oder anders gearteten Instanz externalisierter Entscheidungsmacht nachzugeben, liegt das autorschaftliche Handeln in der individuellen Anstrengung des eigenen Verstandes. Im Erkennen und Beurteilen von übergeordneten Problemen und der Entwicklung von Themen und Arbeitsgebieten im Zusammenschluss mit anderen Individuen: in einer kollektiven, antiautoritären Stiftung von Verbindlichkeiten. Design jenseits der Stellvertretung Das Ziel des hier vorgeschlagenen Designbegriffs besteht nun also in der Schaffung struktureller Bedingungen, in welchen sich Öffentlichkeiten im Sinne von Dewey bilden können, in welchen sich Möglichkeiten für Individuen bilden, sich angesichts ihrer geteilten Handlungsbedürfnisse zu organisieren und – ohne dem Irrglauben an eine finale Problembeseitigung zu verfallen – tätig zu
5 Björgvinsson/Erling, Ehn, Pelle/Hillgren, Per-Anders: Participatory design and democratizing innovation, Proceedings of the 11th Biennial Participatory Design Conference 2010, S. 43. 6 Vgl. Brock, Bazon: Gesellschaftliche Konflikte –
Privatisierung des Öffentlichen, Vortrag auf der Public Design Conference der Köln International School of Design am 19. Januar 2007. http:// spaces.kisd.de/netzradio/ 2008/10/ 16/bazon-brock-aufder-public-design-conference vom 28. Februar 2012.
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Vgl. Ebd.
8 Dewey, John: The Public and its Problems. Ohio University Press 2006, S. 126 ff. 9 Vgl. Brock, Bazon: Gesellschaftliche Konflikte – Privatisierung des Öffentlichen.
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werden. Das Erfahren der eigenen, individuellen Handlungsfähigkeit vor dem Hintergrund komplexer Problemlagen und im Organisationszusammenhang mit anderen wirkt in dieser Zielsetzung selbst wieder als Initiationsmoment für gemeinschaftliches Handeln: für Prozesse, die sich ebenso aus Gemeinschaftlichkeit speisen wie diese selbst konstituieren. Die Designaufgabe besteht also in erster Linie in der Initiierung, Förderung und Organisation beständiger, sozialer Strukturen durch und zum Ziele der Adressierung sozialer Bedürfnisse. Eine wichtige Grundlage hierfür liegt in der Konzeption und Praktik des Designs als einem andauernden Prozess: Auseinandersetzungen und deren Resultate sind wandelbar, verändern sich auch nach dem Ende eines projektierten Zeitraums und sind somit nur sehr bedingt antizipierbar. Anstelle von abgeschlossenen Projekten, bei denen beispielsweise ein entwickeltes Artefakt oder Interface das konkrete Ziel darstellt, forciert die hier beschriebene Perspektive die Gestaltung von Umständen und adaptierbaren Prozessen, in welchen langfristig und kooperativ gestaltet werden kann. Das tatsächliche Designerzeugnis ist somit also weniger dieses oder jenes Resultat in Form eines einzelnen Dings als vielmehr die Infrastruktur selbst, welche im Idealfall langfristig (selbst)produktiv ist. Diese Überlegung impliziert einen schwindenden Einfluss der Gestalter auf den Prozess und vor allem das Ergebnis. Wenn zukünftige Entwicklungen als ergebnisoffen akzeptiert und in dieser Weise projektiert werden, gilt, dass Ideen und Vorstellungen von heute schon morgen obsolet sein können. Die Implikationen der hier geschilderten Autorschaftsübertragung und eine programmatische Ergebnisoffenheit, in welcher die Definition von und Abarbeitung an Problemstellungen Vorrang vor einer scheinbar finalen Lösung hat, bedeuten also zunächst einen massiven Sinnverlust für ein Designverständnis, welches Attribute wie schöpferisch und problemlösend als ebenso exklusiv wie konstitutiv für sich beansprucht. Betrachtet man diese Position jedoch unter Einbezug einer klaren Perspektivierung des Designs als politisch, ermöglicht dies einen Deutungswechsel. Dadurch nämlich, dass Design sich als Akteur in politischen, in demokratischen Prozessen versteht, erscheint das Austesten der Potenziale und Grenzen in der Erweiterung, Entwicklung und Einbringung designspezifischer Kompetenzen und Spielformen in die diskursive Gestaltung menschlichen Zusammenlebens als ein lohnendes Experiment. Dies gilt umso mehr, als dass sich das Design als junge und prismatische Disziplin in einer permanenten Neuverhandlung und Transformation befindet, was gleichsam das Ausloten eben jener Grenzen erlaubt wie geradezu unabdingbar macht: Die designerische Autor-
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schaft schafft sich nicht ab, sie ist Gegenstand notweniger Veränderungen. Zu der Fähigkeit, Analysen anzustellen, welche sich aus dem Sinnverstehen von Lebenswelten begründen, addiert sich die Umsetzungskompetenz, was in dieser Kombination ja gerade die Grundlage der entwerferischen Praxis darstellt. Gesellt sich hierzu eine gesellschaftliche Haltung und der Anspruch, über klassische Rollenzuweisungen der eigenen Disziplin hinwegzuschreiten, wendet sich das Design von seinen tradierten Ressorts – der Gestaltung und Optimierung von materiellen Gütern – ab und den sozialen, politischen und intersubjektiven Bedürfnissen der Menschen zu, die nicht allein durch neue, schöne, schnelle, effiziente Artefaktwelten zu befriedigen sind und es auch nicht sein sollen. Bezüglich dieser Umsetzungskompetenz jedoch, muss die Identität der Disziplin und ihres konstitutiven Selbstbilds als problemlösende Instanz infrage gestellt werden. Die immer häufiger zu vernehmende Forderung nach der Anerkennung diagnostischer, problemgenerierender Designkompetenzen gilt es zu übertragen auf das Feld der Sozialität: zum Beispiel durch die konzeptionelle Gestaltung diskursiver, öffentlicher (Dewey) Räume und Werkzeuge, in und mittels welchen sich Menschen über die Identifikation und Bearbeitung der lösbaren wie unlösbaren Probleme austauschen und daraufhin aktiv handlungsfähig werden können – ohne dieses Handeln an die Notwendigkeit (oder gegebenenfalls auch nur Möglichkeit) der finalen Beseitigung jeglicher Missstände zu koppeln. Ein so umrissenes Design bewegt sich weg von der Stellvertretung der Menschen durch das expertenhafte Treffen von Entscheidungen über Erscheinung und Funktion von Systemen, Services und Artefakten hin zur konsequenten Ermächtigung von NichtDesignern zur Teilnahme an Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen, weg von der Determination von Deutung und Nutzung hin zur bewussten Gestaltung von Möglichkeiten subjektiver Aneignung, weg von der Stellvertretung von Nutzern durch die komfortable Bereitstellung dessen, was vermittels normativer Zuschreibungen als begehrenswert erscheint, hin zur Aktivierung von Individuen: zur Ermächtigung Einzelner zur Ergreifung der Autorität durch Autorschaft.
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4 Co-Design
be able Isabelle Dechamps
»Designtheoretiker und Philosophen behaupten seit Jahren, dass Design – auch Produktdesign – sich nicht mehr prioritär mit der Gestaltung von Objekten zu befassen hat, sondern vielmehr mit der Gestaltung zwischenmenschlicher Räume und mit dem Re-Design von Arbeitsabläufen und Prozessen.« Jean-Baptiste Joly
»be able« ist ein Projekt, in dem handwerklich tätige Menschen gemeinsam mit jungen Designern/-innen Produkte entwerfen, in Werkstätten produzieren und vermarkten. Es entstand in einer Kooperation zwischen der Designerin Isabelle Dechamps mit den VIA Werkstätten, einem Verbund von Werkstätten, die für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen eigens für sie zugeschnittene Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Inzwischen sind neue »be able« Projekte in Zusammenarbeit mit Werkstätten von drei weiteren Berliner Trägern für Behindertenwerkstätten und einer interkulturellen Manufaktur für Textiles Handwerk initiiert worden. Die Designprozesse wurden in diesen Kooperationen gemeinsam mit Design-Studenten der Kunsthochschule Berlin Weißensee angeleitet, die innerhalb eines Semesterprojekts ihre eigenen Ansätze für eine Designvermittlung entwickeln lernten. Es entstanden weitere Entwürfe und neue Perspektiven auf das jeweilige Arbeitsmaterial der Werkstätten. Über Kerzen, in die rot gefärbte Dochte verstickt werden, neuartige Lolli-Formen, die ein wahres Lutscherlebnis erzeugen, Notizbücher, die ewig währen, da man die mit Tafellack behandelten Seiten immer wieder auswischen kann, bis zur Vase der Überraschungen, in der Gummibärchen, Staatsgeheimnisse oder auch heimliche Ehemänner verwahrt werden können, ist ein spannendes Sortiment an Produkten und Erfahrungen entstanden. Es sind Produkte, die Freiräume für die eigene Entfaltung ihrer Hersteller, die zugleich die Autoren der Entwürfe sind, lassen. Sie werden lokal in Handarbeit produziert und ermöglichen eine starke Identifikation der Hersteller mit ihrer Arbeit. Die Kompetenzen der Designer/-innen ermöglichen dabei das Entstehen von Entwürfen, die erfolgreich am Markt kommuniziert und verkauft werden können.
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Dem Projekt »be able« liegt die Überlegung zugrunde, dass die Werkstätten Produktentwürfe benötigen, deren Konzeption mit dem Arbeitsalltag der Werkstätten verknüpft ist und die Fähigkeiten ihrer Teilnehmer stärker einbezieht. Als partizipatives Projekt richtet sich »be able« insofern mit einem Bildungskonzept an die Werkstattmitarbeiter und ihre Betreuer. Es zielt darauf, Gestaltungskompetenz zu vermitteln und in einem gemeinsamen Dialog aus dem Kontext heraus individuelle Ideen zu verwirklichen. So werden Design und Produktion an einem Ort vereint. Die Mitarbeiter der Werkstätten sollen durch »be able« befähigt werden, ihren Arbeitsalltag selbst mit zu gestalten. Durch die Vermarktung neuer Produkte aus dem Projekt und ihren Entstehungsgeschichten soll eine neue Wertschätzung und Wahrnehmung der besonderen Fähigkeiten ihrer Autoren entstehen, die sich auch positiv auf das Image der Werkstätten auswirkt. Als das Projekt 2010 in der Keramikwerkstatt der VIA Werkstätten begann, wurden zunächst über einen Zeitraum von 9 Wochen wöchentlich in eintägigen Workshops fokussierte kreative Arbeitsphasen in Gang gesetzt. Die Arbeiter der Werkstatt konnten sich mit den unterschiedlichen Ebenen, auf denen Produkte funktionieren und kommunizieren, auseinandersetzen. Durch den designgeleiteten Ansatz wurden neue Perspektiven auf das alltägliche Arbeitsmaterial der Werkstatt eingenommen. Spielerisch entstanden in Experimenten zu Form, Volumen, Proportion, Struktur, Funktion und Farbe reizvolle Artefakte und Studien, die zum Teil ungeahnte Potenziale im Material und ihren Machern zu Tage brachten. Der Einstieg über freie Übungen in eine praktische Auseinandersetzung mit dem Thema Design wurde von der Gruppe sehr gut aufgenommen und ist zum festen Bestandteil eines jeden beginnenden Projektes von »be able« geworden. Im Mittelpunkt einer zweiten Phase mit den Keramikern, die von November 2010 bis März 2011 lief, stand der Gestaltungsprozess von Produkten zum Thema »Aufbewahren«. Ziel war es, die sechs Teilnehmer mit dem Designprozess vertraut zu machen und eine erste limitierte Auflage, die von der Werkstatt hergestellt werden kann, zu gestalten. Aus zahlreichen Ideen entstanden unterschiedliche Gefäße, kleine, große, zarte, robuste, lustige und klare oder schlichte. Gemeinsam mit der Werkstatt wurden dann drei Entwürfe für die Einführung in die Produktion ausgewählt. Ein Formbauer bekam den Auftrag, Gipsformen herzustellen. Es wurde an Details gefeilt, mit Glasuren experimentiert, Verpackungen und das Vermarktungskonzept wurden entwickelt. Der Weg vom Prototypen in die Produktion war schwerer als ursprünglich angenommen. Vieles musste erst entwickelt und er-
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Isabelle Dechamps
probt werden. Sobald man nicht mehr regelmäßig vor Ort war, wurde es schwierig, eine konstante Kommunikation aufrechtzuerhalten und gemeinsam geplante Meilensteine tatsächlich einzuhalten. Und doch ging und geht es immer weiter. Erste Produkte aus den Projekten werden in Serie produziert und verkauft. Der Stolz und die gemeinsame Erfahrung, etwas Nützliches und Schönes geschaffen zu haben sowie die Übertragbarkeit des Erlernten auf andere Lebensbereiche sind ein wichtiger Wert und Erfolg des Projektes. Die fertigen Produkte sind dabei auch Vehikel, die Erlebtes in die Öffentlichkeit transportieren und in positiver Resonanz zurück in die Werkstatt spiegeln. Das Konzept von »be able« ist auf viele Zielgruppen übertragbar. Ein partizipativer Prozess verlangt Offenheit, gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft, sich auf die anderen einzulassen und mit Unbekanntem zu experimentieren. Auch die Möglichkeit des Scheiterns gehört dazu. Von allen ist viel Engagement und auch ein langer Atem gefordert. Seit November 2012 arbeitet »be able« mit der BOX 66, einem Zentrum für Migranten/-innen, an dem Aufbau einer interkulturellen Manufaktur für textile Handarbeit. Ziel der Projektkooperation mit der Box 66 ist es, den meist arbeitslosen Frauen mit Migrationshintergrund eine selbstbestimmte Tätigkeit zu ermöglichen. Dies geht über die Entwicklung von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, das Erlernen und Erleben von multikultureller Teamarbeit und die Übernahme von Verantwortung für gemeinsame Ziele hin zu der Verwirklichung eigener Ideen. In einer intensiven Zusammenarbeit sollen Eigenprodukte entwickelt werden, die in den Räumen der Box 66 hergestellt und über das Lable »be able« vermarktet werden. Dabei spielt die Neuinterpretation kultureller Handwerkstechniken, die heutzutage immer weniger ausgeführt werden, eine wichtige Rolle. Das Projekt sieht seine Aufgabe auch in der Erhaltung und Pflege dieses wertvollen kulturellen Erbes. Ermöglicht wird diese vielschichtige Projektarbeit durch die engagierte Unterstützung vonseiten der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der Mart Stam Stiftung, dem social impact Lab, zahlreicher externer Helfer und Fürsprecher sowie durch ein Elsa Neumann Stipendium. Die Bildstrecke zeigt Proträts der »be able« Projektteilnehmer mit ihren eigenen Entwürfen aus dem partizipativen Arbeitsprozess zwischen Jungdesigner/-innen und Mitarbeitern der Werkstätten für Menschen mit Behinderung.
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Christine Roedel – Tafel Memo
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Ergün Baser – eLamp
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Michael Poggemann – Die Vase der Überraschungen
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Cindy Franke – Kreidetiere
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Katy Metzger – Notizheft
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Katja Renner – Gewürztöpfchen
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Romm Kulosa– Doppelschale
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Co-Design for Co-Existence Petra Pferdmenges
Our cities are in a state of transformation towards archipelagos of different realities: In shopping malls we enjoy the clean imitation of the city, our historic centres tend to become museums for touristic purposes and gated communities allow its inhabitants a safe life surrounded by people who think the same way as they do (Fig. 1). In contrary to the Middle Ages where the historic town was an artificial place protected from the wild nature outside, the contemporary city is built up of multiple islands. Rem Koolhaas already revealed this urban issue in 1995 through the notion of the generic city.1 Outside these privileged areas, the search for the clean and perfect in urban planning leads to the spatial exclusion of certain societies, often placed in marginal zones: Trailer parks are pushed towards the edge of the city (Fig. 2), prostitution areas tend to be limited to mega brothels and immigration camps are placed far from any human settlement. The notion of containment politics2 takes part in the making of a bubble city3: urban islands reach from gated communities to socio-spatial margins. The reflective practice »Alive Architecture« researches into the role of the architect in and around marginal bubbles in the contemporary city. Is it possible to create open moments in order to design co-existence4 between inhabitants and surrounding realities? How can people in and around the zones urbaines sensibles5 (urban fragile areas) be involved in the making of the project through co-design? And wich other architects use a similar participative approach in their practice in order to define the new knowledge that is produced through the projects?
1 Koolhaas, Rem: The Generic City, in: Bruce Mau (Hg.), S, M, L, XL, Rotterdam: 010 Publishers1994, S.1238–1264.
3 Pferdmenges, Petra: Bubble City, lecture given in the framework of the international Master at Sint-Lucas Architectuur Brussels 2011.
2 BAVO (Boie, Guideon/ Pauwels, Matthias): Too active to act, Amsterdam: Valiz Publishers 2010, S. 34,
4 Rieniets, Tim/Sigler, Jennifer/Christiaanse, Kees: Open City – Designing
Co-existence, Rotterdam: Sun-publishers 2009. 5 ZUS: The architecture office established the name of their office through the three capital letters of Zones Urbaines Sensibles to express their interest into socio-spatial aspects in underdeveloped neighborhoods.
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Fig. 1: Gated Community, The La Rue Team, Buyer representation & relocation specialists in Houston, www.down2houston.com
Fig. 2: Stijn Beeckmann, photographer: Wonen op Wielen, Trailer Parks Flanders, 2010
1 Co-Existence At the 4th International Architecture Biennale in Rotterdam in 2009, Kees Christiaanse revealed the notion of the Open City 6 where co-existence among the polarized society happens through infrastructure that connects the different islands of the contemporary city (Fig. 3). He calls for innovation through design as a weapon against the tendency of the closeness of the city. In his discourse Christiaanse refers to the project Potteries Think Belt7 of Cedric Price (Fig. 4) wich is one of the main references in his discourse. In Price’s proposal from 1964 for a university campus in Staffordshire, England, the British architect and thinker proposes an open concept for the university: Instead of designing an academic bubble disconnected from the rest of the city, he spreads the campus throughout the city. Price proposes to re-use the existing railway and its abandoned buildings that are located in different neighbourhoods. The rails do not only allow easy movement between the different buildings but are used themselves as an educational space through the application of mobile classrooms.
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Alive Architecture proposes co-existence of inhabitants of sociospatial margins and surrounding city-dwellers through micro-interventions. The re-use of urban vacant spaces serve as new nodes in the existing infrastructure in order to expand the network of flux of the different actors. The intention is to create open moments of visual or physical encounters. While the projects provoke movement of people, it is the occupation by the different users that transforms the stage into a lively spectacle.
Fig. 3: Kees Christiaanse: Diagrams City as a Tree and Open City, 2007, in Open City: Designing Co-existence
Fig. 4: Cedric Price: Potteries Thinkbelt, Proposal for a university campus spread through out the city of Staffordshire, England, 1964, in Cedric Price: Potteries Thinkbelt
6 Christiaanse, Kees: The Open City and Its Enemies, in: Ebd. (Hg.), Open City: Designing Co-existence, S. 25–36.
7 Price, Cedric: Potteries Thinkbelt, London: Routledge 2008.
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2 Co-Design In order to act in marginal areas it is crucial to involve different actors in the making of a project to allow future appropriation of the intervention and to avoid gentrification of the neighbourhood. The wijkcontract8 in Brussels is a good example for co-design in order to revitalize underdeveloped neighbourhoods. Within the duration of the contract an analysis of the state of buildings and public spaces in the area is realized. The city is obliged to work with the inhabitants and different associations to make the future user part of the design and realisation process. Client, inhabitants and designers develop future projects collectively through different means: Interviews with local people, round tables for public discussions, workshops to develop ideas and participation of inhabitants in decision-making are some of the instruments. Alive Architecture equally uses a bottom-up strategy to involve different actors into the process of making and future occupation of projects. Observations from within the space give a first understanding of the situation: Interviews, mental maps, photography and recordings lead to an analysis of the needs and current coexistence of people. It allows opening up the existing situation in order to comprehend its nature. Further, different 1:1 actions respond to the uncovered potential of the area and lead to reactions of people. Those are analysed and mapped to forward the making of the design. The temporary events lead to the proposal of microinterventions that plug into the existing situation and function as stages that are transformed through spatial occupation by people. Involved actors co-design the project throughout the process of making, from the first onsite observation to the permanent space making after completion. Stefano Boeri’s eclectic atlases originally inspired this method of working from within space. In his publication USE9 he refers to the importance of the view from below as an additional perspective to the zenith view in the period of observation and designing. The intention of this perspective from the inside of space is to understand the connection between space and society. 3 Case-Studies The following three research-based projects were initiated and developed by Alive Architecture. They serve as case studies to explain the participative design method in urban margins.
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3.1 Asica Enters Europe In September of 2005 six hundred immigrants from Asia and Africa crossed the border between Morocco and the Spanish enclave Ceuta in order to enter the fortress Europe. In that context Alive Architecture conducted field research through eclectic mappings in order to understand the spatial reality of the new immigrants and their current co-existence with the local society of Ceuta (Fig. 5–7). In the forest around the camp the new immigrants continued their Asican (Asian/African) informal way of occupation
Fig. 5: Left: Abu from Ghana: Mental Map of where he comes from, 2005 Right: Abu from Ghana: Expressing his travel from Ghana to Ceuta as part of an interview, Spain, 2005
Fig. 6: Alive Architecture: Map of the immigration camp and the informal use of African and Asian immigrants in the forest around it, 2005
8 Website of the City of Brussels, Information on the notion of »Wijkcontracten« or »Contrats de Quartier«. http:// www.bruxelles.be/artdet. cfm/4099
9 Multiplicity Research Group: USE – Uncertain States of Europe, Milano: Skira Editore 2003, S. 428.
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of space (Fig. 6/7). During the day they moved between camp and city in order to participate in the European reality. Along this promenade different spots were appropriated by the new city dwellers (Fig. 8). Alive Architecture organized a workshop with the new immigrants in order to understand their needs and current encounters with local inhabitants. The five most important issues (cooking, working, leisure activities, education & privacy) were addressed through urban installations in vacant spaces along the existing flow between the camp and the city (Fig. 8/9). The new spots responded not only to the needs of the immigrants (Fig. 10/11), but were also new gathering spots for city inhabitants. The installations were designed to respond to people’s needs: Through its occupation the space was transformed, adapted and reinvented by the users.
Fig. 7: Alive Architecture: Photo of informal use in the forest around the camp, 2005
Fig. 8: Alive Architecture: Map of the circulation of new immigrants between the immigration camp and the city, existing gathering spots and new urban interventions in vacant spaces, 2006
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Fig. 9: Alive Architecture: City-map with the five new spots along promenade between camp and city centre. The map addresses new immigrants as well as local inhabitants, 2006
Fig. 10: Alive Architecture: Proposal of the urban installation ›Meals on Wheels‹ in a leftover tunnel. The project leaves the opportunity to the user to occupy the space through movable kitchens, 2006
Fig. 11: Alive Architecture: Proposal urban installation ›Meals on Wheels‹, 2006
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3.2 Fairground Pleasures The fairground is one of the main urban events in the summer in Brussels. For 38 days the food and amusement stalls occupy 3.2 km of the city’s polygon. The strip, usually dominated by a frequented street and loads of parking places, is transformed into a lively event with a temporary linear promenade. (Fig. 12/13). After the attractions and stalls were de-installed, Alive Architecture conducted several interviews with inhabitants of the surrounding neighbourhood. While the noise of the fairground seemed to be a disturbing aspect for them, almost all participants appreciated the fact that the street became a pedestrian zone for the period of the event. Several people referred to the fact that it offered a safe place for their kids to play in front of their houses. This first observation lead to several 1:1 actions that proposed to turn the street into a pedestrian zone for exceptional moments such as weekends or holidays. A temporary pedestrian crossing, a candyfloss stand and closing the street for cars with a rope provoked interactions with passers-by (Fig. 14). Positive reactions of people lead to the idea to turn the street permanently into a pedestrian zone (Fig. 15). Beyond a place to play for kids the restaurant owners could expand their spatial occupation (public barbecues, terraces, informal selling’s …) towards the street throughout the year. Posters are currently hanging in windows along the road that propose the permanent solution to the public (Fig. 16), asking them to share their opinion on the project. Fig. 12: Alive Architecture: Spatial use temporary fairground Brussels before stands open: strolling people and playing kids occupy the temporary pedestrian promenade; restaurants expand their terraces onto the street, 2011
Fig. 13: Alive Architecture, Mapping of spatial use on temporary fairground Brussels, 2011
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Fig. 14: Alive Architecture: 1:1 actions to provoke reactions of people on a possible transformation of the street into a temporary pedestrian zone, 2011
Fig. 15: Alive Architecture: Proposal to turn the street into a permanent pedestrian zone to offer a play space to kids and the possibility to restaurants to expand their terraces and the use of barbecues towards the street, 2011
Fig. 16: Alive Architecture: poster for public enquiry to ask people’s opinion on a possible transformation of the strip into a pedestrian zone, 2011/2012
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3.3 Visible Invisible While the city of Antwerp transformed its red-light district into a mega-brothel (Fig. 17) in 2006, the city of Brussels did not yet take a final decision on how to handle the notion of window-prostitution. The city and involved associations express the need to find a more inclusive approach. An observation of the rue d’Aerschot, the principal street of Brussels red-light district, revealed the notion of rental prices, vacant spaces and visual relations (Fig. 18): While women pay 250 Euro for 12 hours to rent a place in a window on the ground level, the upper floors are rented at 250 Euro for a whole month. Still about 40 % of those spaces remain empty. The upper floors profit from a visual relation with the railroad system where the international train runs between Paris and Amsterdam. Through interviews with prostitutes and Espace P (who defend the rights of the sex-workers in Belgium), a lack of openness of the street became evident. Alive Architecture proposes to transform the upper floors into further working spaces for the creative people that search for an affordable space in Brussels (Fig. 19–21). The same concept as on the ground floor windows is applied: The future user can appropriate the space to attain public visibility or cut the view of through a curtain (Fig. 19). The project was discussed with and appreciated by Espace P. They proposed to start with a prototype in order to test the concept. The city of Brussels will be contacted in the framework of the wijkcontract that gegan in the neighbourhood in 2012.
Fig. 17: Alive Architecture: Villa Tinto, Mega-brothel in Antwerp that replaces the previous red-light district, construction 2006
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Petra Pferdmenges
Fig. 18: Alive Architecture: Mapping of rue d’Aerschot Brussels on rental prices, vacant spaces and visual relations, 2011
Fig. 19: Alive Architecture: Occupation upper floors through the creative society in the rue d’Aerschot. They may appropriate and expose their work towards the public, 2011
Fig. 20: Left: Alive Architecture: appropriation of space and expression towards public space of activities in the windows on the ground floor, 2011
Right: Alive Architecture: prospection of user becoming part of design: appropriation of space and expression towards public space through creative society
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Fig. 21: Alive Architecture: Model of the prospection for Brussel’s red-light district, 2011
4 Context To forward projects into research, the intellectual context of the practice has to be defined. A family of different architects uses similar methods of designing, or rather co-designing. The participatory method of Alive Architecture is compared to their ways of involving people. By recognizing not only common aspects but as well where it differs from others, new knowledge will be produced. The methods of three different architects will give insight in similar participatory approaches in architectural design. 4.1 »Baupiloten« The »Baupiloten« is a joint venture of Susanne Hofmann Architects and the Technical University Berlin. The socially committed architecture of the platform encourages future users of any project to take part in the conception of their constructed environment through different means as discussions, workshops or public enquiries. Architecture becomes a way of community involvement and creates spaces for encounter and communication. Baupiloten is the only academic platform with university-external clients. This situation gives them the possibility to develop research on participation in architecture through realizing projects. »The Baupiloten deploy participatory design strategies to create spatial atmospheres. Such strategies are a useful mean to promote communication between architects and clients, as explanations of desired or experiential atmospheres often circumvent the established code of architectural drawings – a code that for non-architects can be difficult to understand.
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Petra Pferdmenges
This interactive process enables the expression of complex and subconscious needs, as well as ideas, which are often difficult to communicate. Further, it encourages multicultural communication and facilitates the users’ identification with their constructed environment. Individual participation models are deployed in accordance with the age range and type of user.«10 4.2 Patrick Bouchain The Paris-based architect Patrick Bouchain tends to involve as many people as possible in the process of building: Clients, architects, citizens but as well the workers become part of the building process. In his publication construire autrement11 he explains this very innovative approach of how to do architecture differently. »What I am interested in is the faire avec, to do with. In the construction process you will encounter different people, each of them with their own capacities and characters. All of these backgrounds influence the end product of the project. If for example one of the workers is a craftsman on wood it will influence the building …«12
4.3 Muf Muf is a London-based office with a multi-disciplinary approach (architecture, art and urban design). In their projects the designers address social, spatial and economic infrastructures of the public realm. Creating spaces that are accessible for anyone they provide for possible future ownership through occupation of space. They consider this spatial use as equally important as the architectural product itself. »The practice philosophy is driven by an ambition to realize the potential pleasures that exist at the intersection between the lived and the built. The creative process is underpinned by a capacity to establish effective client relationships that reveal and value the desires and experience of varied constituencies.«13
10 Baupiloten: Statement of their approach of participatory design and their practice in 2011. http://www.baupiloten.com
11 Bouchain, Patrick: Construire Autrement – comment faire? Arles: Actes Sud 2006. 12 Bouchain, Patrick: Lecture at Sint-Lucas Architectuur Gent
in the framework of Fragile, translated from French, 2011. 13 Website Muf Architecture/ art, office profile. http://www.muf.co.uk
Co-Design for Co-Existence
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4.4 Map the Gap All three offices are interested in notion of participation through co-design within the process of making. Baupiloten focuses on participation within the design phase, whereas Patrick Bouchain focuses on the involvement of people during the process of construction and Muf designs primarily the occupation after completion. Through a lateral, on-site approach of self-initiated projects Alive Architecture tries to involve the future user through out the making of a project, from the establishment of a possible program or space to the transformation of it through occupation after completion. Conclusion The research on socio-spatial margins demands a sensitive approach towards the urban and social context. In order not to reinforce the marginal islands in the archipelago of the contemporary city but to design open moments it is important to approach the areas in a bottom-up way. Different actors have to be involved at any stage of the project. The principal tool of Alive Architecture to achieve the participation of the future users is to work from within space in order to understand and respond to people’s needs. This on-site method might be the gap within existing participatory approaches of existing architectural practices. The role of the architect is expanded from the designer of space towards the designer of process.
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Petra Pferdmenges
You Must Design Design, Co-Design Included Gilbert Cockton
Co-Design spans a broad range of design practices that include stakeholders in option generation, appraisal and choice. What stakeholders do within co-design will vary across practices, but can be related to a broad structure, the Working to Choose (W2C) framework, which spans a space of possible design practices. W2C characterizes existing major design paradigms as Abstract Design Situations, which reduce design practices to the co-ordination of different types of design choice. The W2C framework further distinguishes design methods via the different functions of their component resources. W2C was used in a DGTF 2011 workshop for junior researchers to explore design and evaluation methods. By understanding how the ›same‹ method can be used in different ways, workshop participants came to understand how design can be designed, enabling them to consider DGTF 2011’s question: Who Designs Design? (Wer gestaltet die Gestaltung?). The background and outcomes of the workshop provide a framework for reasoning about a wide range of design practices, including codesign. The effectiveness of co-design practices very much depends on how embracing design processes are configured. Whoever designs design decides the fate of co-design, as do those who work at design. There are no a priori certainties. Abstract Design Situations as a Basis for Unifying Design Paradigms Three major design paradigms can be distinguished: (I) applied arts; (II) engineering; and (III) human-centred.1 There may be others (a brief account of these paradigms and their origins is given elsewhere2), but deciding whether this is the case cannot be answered
1 Cockton, Gilbert: UCD: Critique via parody and a sequel, in: CHI 2012 Extended
Abstracts (CHI EA. ›12) ACM 2012, S. 10.
2
Ebd.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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without a basis for distinguishing between design paradigms. Whatever this basis is, it is highly likely that co-design, the focus of DGTF 2011, relates differently to each paradigm. Of the major paradigms, at first glance co-design is almost by definition best suited to human-centered design (HCD). If HCD is inherently superior, then the answer to who designs co-design can be answered solely in terms of HCD practices. However, if other design paradigms have strengths that HCD lacks, then co-design practices can benefit through exploiting a framework that combines the best of each paradigm. The three major design paradigms have distinct disciplinary origins (arts, engineering, human sciences). Strengths and weaknesses are due to different emphases and foci within each, which are reinforced by differences in disciplinary vocabularies (e.g., engineering design’s problems vs. applied arts design’s briefs). However, we can cut across these vocabularies (and to a lesser extent, their values) by focusing on types of choices that let design paradigms be idealised as Abstract Design Situations, defined as specific combinations of up to four choice types. Types are abstractions that range over massive groups of design choices on the basis of their focus, i.e., what sorts of decisions are made for each choice type. Four such distinct types of design choice are now briefly characterised. Choices of Qualities and Features for Envisaged Artefacts The first abstract type of design choice is common to all design paradigms, which must all focus on features and qualities for designed artefacts. Something always results from designing, typically a product or service, but increasingly some coupling of both. A design may or may not be realised, but even when not, it is communicated with sufficient detail to let us imagine how it would appear and behave. We understand what is proposed via the qualities and features that are expressed in some form (e.g., sketches, specifications, scenarios). The term artefact generalises over a very wide range of design outputs. For example, the outputs of interaction design include apps, web sites, multimedia titles, interactive installations, automotive user interfaces, and video games. Outputs of other craft practices include garments, furniture, posters, jewellery and vehicles. Choices of Values for Motivating Purposes Design motivations vary across the three paradigms. In Applied Arts, design purpose can be tacit and largely experimental, with
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Gilbert Cockton
creative insights and opportunities shaping evolution of realised artefacts. Such craft practices lie at one extreme of Applied Arts design. At the other extreme, commercial design (product, fashion marketing, retail interiors etc.) has purposes that closely align to business needs with clearly expressed positive value propositions. Engineering Design too can have a commercial focus, but also covers public goods, e.g., civil engineering. However, it translates intended purpose into specifications that state required functions and performance of a desired artefact, and thus tends to subsume choices of purpose within choices about artefacts. It could be argued that there is an explicit paradigmatic choice within Engineering Design to not express design purpose other than via required artefact features and performance. Motivating purposes thus span from the tacit dynamic goals of the designer-maker to the explicit fixed requirements of Engineering Design. Purpose in HCD tends to gravitate towards engineering, focusing on non-functional requirements related to usage qualities and experience. However, such requirements are rarely specified, or may not be shared by designers and managers, placing them outside of a design’s core purpose. It may not be clear what choices have been made about intended purpose within HCD, apart from paradigmatic values such as ease of use, ease of learning and user satisfaction. It is thus a stretch here to span all practices that set design direction across the main paradigms. Motivating purposes is an umbrella term for a second type of design choice (the first being envisaged artefacts). It has a limited fit to some design settings, due to a lack of explicit product-specific intentions (Applied Arts, HCD), or due to specifications that are effectively descriptive artefacts that state what will be realised, rather than (axiologically) why it is being realised. At the extreme, there is little distinction between the realised artefact and intended purpose in Engineering Design. The term purpose must thus generalise over a very wide range of design choices. For example, the goals of interaction design may be expressed as requirements, specifications, product visions, or design briefs, each motivated by a client strategy. These differ in the extent to which they make choices of design purpose explicit in terms of benefits to be enhanced or added, and costs to be reduced or averted. Choices about Validating Evaluations HCD has an uneasy relationship with the artefact, but has lavished attention on empirical evaluation. Engineering Design has an
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equally strong focus on evaluation, but on the realised artefact, rather than on its resulting usage. Evaluation activities in HCD and Engineering Design are typically explicit, distinct and planned, with expectations for design modifications where results are not satisfactory. In contrast, evaluation activities in Applied Arts practices are often tacit, opportunistic and unscheduled, and can focus as much on motivating purposes as on its achievement. Reflection by designers can result in a change of purpose as well, or instead of, changes to the current design. Whereas the artefact and intended purpose can be hard to separate in Engineering Design, evaluation and purpose can blur into each other in the Applied Arts. This holds for the distinct practices of the »crit« (criticism, especially in design education). Contrary to some expectations, ›crits‹ do not just focus on aesthetic qualities. Design intent often dominates, with a focus on whether or not a design’s purpose is worthwhile. This extends from educational crits to the wider world of design awards and critical reviews. It could be argued that there is an explicit paradigmatic value within Applied Arts of avoiding choices about evaluation practices, and instead trusting all to designers’ judgements on whether to stick with existing features and qualities or choose new ones. Much of HCD’s initial success and attractiveness could be attributed to its evaluative focus on usage. Such practices are not native to other paradigms, but can be readily incorporated, especially if they can be tightly coupled with design purpose. However, HCD evaluators often choose evaluation criteria independently of product strategy, especially routine HCD metrics such as ease of learning, time on task, error rates, contextual fit or subjective satisfaction. Evaluations are thus the third type of design choice, with each paradigm managing them differently, and making distinct choices about testing, assessment, verification, validation, and critique. Choices of Benefitting Stakeholders HCD would not exist if other design paradigms had established a strong effective focus on users and other important stakeholders. Some Engineering Design practices do include ergonomic considerations (especially safety-critical and military), but human factors engineering focuses on universals rather than individual and group differences. This provides re-usable parameters for ergonomic requirements. Applied Arts design varies extensively in its consideration of beneficiaries. Much remains focused on the dialogue between arte-
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Gilbert Cockton
facts and designers, with limited attention to human contexts (client interactions are one clear exception). However, there have been strong documented human-centred traditions in architecture since at least 80 AD (Vitruvius’ de Architectura). Even so, human insights tend to be opportunistically sourced and rapidly absorbed into designers’ conversations with materials. Systematic studies of usage contexts remain exceptional in Applied Arts practices, as well as within co-design, making it hard to find explicit choices, documented or otherwise, as to who a design is meant to benefit and how (especially with respect to usage contexts and activities). Commercial design practices tend however to be explicit in this respect. Benefitting stakeholders, including users, thus receive varying attention across and within design paradigms. Even HCD is inconsistent in whether it is human-centred across a range of stakeholders, or solely focused on users. Beneficiaries are thus the fourth type of design choice, although this strictly covers those to whom good is done, and not those who lose out (e.g., criminals in design against crime). A word to cover both would have to be made up, e.g., anyficiairies, those for whom something is made, whether for good or for harm. Design Paradigms: More on Strengths and Weaknesses For the rest of this chapter, we refer to choice types using the short names of Artefacts, Beneficiaries, Purposes and Evaluations. Involving stakeholders in all four types of design choice is required for thorough co-design. Making explicit choices for all four types requires competences in creative and technical invention, strategic focus, human sciences, humanities and ethics. This is very demanding, so unsurprisingly, paradigms are not equally strong on all types (Table 1 + indicates relative strength, - indicates relative weakness). Artefact
Purpose
Evaluations
Beneficiaries
Applied Arts
+
+
–
–
Engineering
+
–
+
–
Human-centred
–
–
+
+
Table 1: Relative Strengths on Design Choice Type across Main Design Paradigms.
Figure 1 contrasts the three main design paradigms via the design choice types that they strongly commit to, and how they co-ordi-
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nate these. On the left, Applied Arts design combines tacit choices of purpose and evaluation in the minds of designer-makers, with artefacts evolving explicitly through conversation with materials (two way arrow). In the centre, Engineering Design expresses purpose explicitly through specifications that describe the artefact and its verifiable properties (for evaluation). Specifications are subject to rigorous change management procedures (hence the one way arrows). On the right, HCD involves beneficiaries in evaluations of artefacts, but provides little in the way of systematic effective inputs3 to support choices about artefact features and qualities. HCD evaluations tend to focus on negative issues, while contextual research more often indicates what is not desirable rather than identifying clear options for artefact design.4 The absence of, or relative weaknesses for, one type of design choice in each of the three diagrams in Figure 1 indicates a lack of methodological support. In reality, there will be some ephemeral or tacit considerations of missing choice types, but this will not be well supported by a paradigm’s tools, techniques and methods. Design Teams Work to Choose: The W2C Framework Figure 1 shows three Abstract Design Situations (ADS) as a set of connections between a set of design choice types. Four types of design choice have been identified. Most definitions and characterisations of design do not span all four types, but focus on a
Fig. 1: Design Paradigms, Design Choice Types and their Co-ordination
194
Gilbert Cockton
subset (e.g., artefact, artefact and purpose) or on specific connections (e.g., between artefact and beneficiaries, or purpose and evaluation). An exception is John Heskett’s characterisation of the origins of design outcomes: choice implies alternatives in how ends can be achieved for what purposes and for whose advantage [beneficiaries] … design is … about how these are implemented [artefacts] and by what means we can evaluate their effect or benefit5 (emphases and [insertions] added) For Heskett, achieving ends involves identifying purposes for beneficiaries and evaluating the benefits that artefacts bring. No wellcited definition or characterisation of design is this broad, which increases confidence in the adequacy of the four types of design choice identified as the idealised elements for any ADS. Many other structures than those in Figure 1 are possible. In fact, an infinite number of ADSs are possible since second order co-ordinations are possible (i.e., connections to connections). For example, evaluation of activities that achieve purpose through use of an artefact is a second order co-ordination that connects evaluation to a connection between an artefact and its purpose. Not only are second order co-ordinations possible, but so are third and fourth order, and so ad infinitum.6 Although design teams will never achieve infinite connectivity, there is a barely explored space for design thinking here, moving beyond bi-directional twoway to three and four way connections between choice types, plus second order connections on top of these, in so far as these are useful and manageable intellectually and practically, even with the power of tacit thinking in design. When designing design requires co-designing co-design, this will always be within the context of an ADS, whether or not design teams realise this. At the very least, co-design practices correspond to applied arts design situations, where choices about artefacts result from conversations that blur purpose and evaluation together. However, co-design practices must also make choices about beneficiaries to be able to identify representative stakeholders. Thus co-design will always cover all four types of design choice, some or all of which may be implicit or unsystematic.
3 Dourish, Paul: Implications for design, in: Proceedings of CHI’06, ACM 2006, S. 541–550. 4
Ebd.
5 Heskett, John: Toothpicks and Logos – Design in Everyday Life, Oxford: Oxford University Press 2002, S. 8.
6 Cockton, Gilbert: Design Situations and Methodological Innovation in Interaction Design, in: CHI 2010 Extended Abstracts ACM 2010, S. 2745–2754.
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Working to Choose Part 1: Abstract Design Situations:
Fig. 2: A Fusion of Existing Design Paradigms: All Choice Types with 2-Way Co-ordinations
Abstract Design Situations (ADSs) are the first part of the Working to Choose (W2C) framework, which provides foundations for fusing existing design paradigms. ADS highlight strengths and weaknesses of major design paradigms, and can also audit codesign practices, the focus for DGTF 2011. W2C can also guide innovation, extension and adaptation of design methods in response to revealed gaps in design support from tools, value systems, knowledge, methods and tools. More generally, W2C aims to support design teams who want to escape from the confines of existing design paradigms and explore more co-ordinated comprehensive design practices. Figure 2 shows a fusion of existing design paradigms that provides a broad reference structure for auditing design settings, as it avoids limitations of existing paradigms. Figure 2 only shows twoway co-ordinations, three- and four-way co-ordinations are possible, along with infinite recursive co-ordinations of co-ordinations.7 The use of ADSs as one component of W2C builds on Heskett’s characterisation of design outcomes as the result of heterogeneous choices,8 but extends this to co-ordinations between different types of choices. Design always involves more than one type of design choice, and thus the coherence and integrity of a design depends on how well these are co-ordinated. ADSs go beyond the heterogeneity of design choices to embrace the resulting co-ordinations that determine the effectiveness of each type of design choice. For example, co-design activities could involve participants in making decisions about artefact features, but these decisions could remain unconnected with activities focusing on design purpose or evaluation planning. Given the scope of design activities in Figure 2, activities for genuine co-design must cover all types of design choice and their co-ordinations.
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Gilbert Cockton
Choices and co-ordinations may be tacit or explicit, based on rational choices between explicit options, or on design teams’ intuitive responses to co-evolving briefs. Whatever forms choices take, design teams need to work at making and co-ordinating choices that emerge as the outcomes of a range of design activities. Choices are not confined to artefact features and qualities, since as Heskett makes clear, artefacts are means to ends, and both are chosen, i.e., features and qualities as means, and design purposes as ends. ADSs are the main structural construct for the W2C framework. They can be used to establish balance between choice types, but further conceptual apparatus is required to establish balance within choice types. The required concepts are provided by the second part of the W2C framework: meta-principles for designing9 that express generic values for design work. Working to Choose Part 2: Meta-Principles for Designing Abstract Design Situations provide breadth for W2C, but ignore how choices are made and co-ordinated. This is provided by a set of meta-principles, which can be thought of as overarching goals for more specific design principles. Just as a design choice type is not an actual choice, but an abstract grouping of choices, so a meta-principle is not a concrete actionable principle, but instead is a value that spans instances of them. As values, meta-principles have no concrete existence but instead group actionable principles that guide specific design work. Specific principles can enact meta-principles. Meta-principles are needed to match the generality of abstract design choices. Existing design principles tend to be restricted to, or biased towards a specific type of design choice.10 For example, Shneiderman’s 1980s principles for direct manipulation11 only cover artefact qualities, while Gould and Lewis’ key principles for designing for usability12 require activities focused on beneficiaries and evaluations, with artefacts only mentioned as
7
Ebd.
8 Heskett, John: Toothpicks and Logos – Design in Everyday Life. 9 Cockton, Gilbert: Getting There – Six Meta-Principles and Interaction Design, in:
Proceedings of CHI 2009 ACM 2009, S. 2223–2232.
in: IEEE Computer 16 (1983), S. 57–69.
10
12 Gould, John/Lewis, Clayton: »Designing for usability – Key principles and what designers think«, in: CACM 28/3 (1985) S. 300–311.
Ebd.
11 Shneiderman, Ben: »Direct Manipulation – A step beyond programming languages«,
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things that must be changed (›iterate designs‹). Some principles, for example from Dourish13, focus on interaction as the co-ordination of artefact usage with (users’) purpose.Exclusively user- or usage-centred principles overtly marginalise designers’ purposes and abilities to understand beneficiaries, the influence of artefact features and qualities on usage, and the ability of evaluations to reveal designers’ successful exploitation of principles. Meta-principles need to be able to apply to all types of design choices and are thus necessarily more abstract than choice types. Simple meta-principles express values that guide the enabling, making and co-ordination of design choices. A set of options is needed to enable choice, hence the meta-principle of Acquisitiveness values proactive gathering of options for all design choices, i.e., not just for possible artefact features, but also for evaluation approaches or insights into beneficiaries. However, some options will not withstand critical challenge, so here the meta-principle of Tenacity values critical and rigorous approaches to testing options for all design choices. Tenacious or otherwise, options must be expressed in some way, which is reflected in the meta-principle of Expressivity, which values explicit and extensive communication of options. Examples of concrete principles that can enact simple meta-principles include: s building on design’s histories enacts acquisitiveness, through providing options for features of designed artefacts (e.g., garments, car interiors) that can be reviewed to select stylistic features that communicate intended emotions, moods and meanings. s evidencing success enacts tenacity, through gathering evidence that an artefact (e.g., a technology probe14) delivers intended benefits s building to think15 enacts expressivity, through prototypes that can be examined and understood by non-designers The simple meta-principles of acquisitiveness, tenacity and expressivity16 add to W2C’s auditing capabilities by providing generic evaluation criteria for specific design principles and related activities. Thus overall, a design project’s co-design activities need to be acquisitive, with options well expressed and some with sufficient tenacity to be adopted for implementation and evaluation. These three simple meta-principles, although highly abstract, nevertheless allow focused questions on the quality and effectiveness of co-design practices, i.e:
198
Gilbert Cockton
s Can co-design activities acquire a wide range of options for each type of design choice? Are there restrictions in coverage? s How well do co-design activities express options under consideration for some type of design choice? Are there restrictions in coverage across choice types or the ability to record and communicate? s How tenacious are the options generated and expressed during co-design activities? Are there restrictions in coverage across choice types or the ability to distinguish between strong and weak options? From the above, it can be inferred that not all co-design activities will result in sufficient acquisitiveness, tenacity or expressivity. Simply involving stakeholders as design participants is technically sufficient to acheive co-design, but just involving users and other potential beneficiaries in design activities does not guarantee adequate quantity or quality of ideas and insights, nor will these necessarily be recorded in ways that allow good use of them. It is thus not possible to establish whether co-design in general is or is not a good practice. It is specific co-design practices that result in appropriate acquisitiveness, expressivity and tenacity. Appropriate has different meanings for virtues such as acquisitiveness (indicated by –ness suffix) and potentials such as expressivity and tenacity (indicated by –ity suffix). Virtues are understood in the Aristotelian sense of lying between undesirable extremes, e.g., courage lies somewhere between cowardice and recklessness, but this golden mean could lie anywhere on the continuum. It is thus possible to be too acquisitive, rather than not acquisitive enough. In co-design contexts, it is thus possible to waste time with participants, and damage design outcomes as a result.
13 Dourish, Paul: Where the Action Is – The Foundations of Embodied Interaction, Cambridge MA: MIT Press 2001. 14 Hutchinson, Hilary et al.: Technology probes: inspiring design for and with families, in: Proceedings of CHI ›03 ACMv2003, S. 17–24. 15 Brown, Tim: Change by Design – How Design Thinking Transforms Organizations and
Inspires Innovation, New York: Collins Business 2009. 16 Cockton’s Getting There: Six Meta-Principles and Interaction Design respectively named two meta-principles as receptiveness and credibility rather than acquisitiveness and tenacity These original names were criticised by DGTF workshop participants, resulting in a discussion that arrived at the current names. The original names were biased towards
HCD values and the emphasis on collecting valid insights into beneficiaries and designing valid evaluation studies. The current names are more open to proactive designerly practic es, whether creative or critical. Design teams proactively acquire ideas and insights during design, with success due to tenacity in general, rather than specific epistemological positions such as scientific validity.
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Potentials can be subject to Pareto’s Law17 (80:20 law, 80 % of outputs result from 20 % of inputs), but where not, they are still subject to some law of diminishing returns, whereby additional effort returns fewer rewards. This tends to become favourable for co-design, since return on extensive documentation (expressivity) and validation (tenacity) may be poor. Even so, increasing documentation and validation from a low base in co-design would better support reflection, audit and review. Stakeholder participation should be no excuse for uncritical and unauditable design practices. Whereas simple meta-principles value design work in support of single choice types, complex meta-principles value co-ordinations. Complex meta-principles became better understood during the workshop and its preparation. Initially regarded18 as special requirements for two specific choice types (inclusiveness for beneficiaries, improvability for evaluations), complex meta-principles are better understood as applying to co-ordinations for all single choice types. Thus inclusiveness (a virtue) requires co-ordination between choices about beneficiaries and other choice types, for example between beneficiaries and: s evaluations to ensure that an appropriate range of beneficiaries are involved in planning and implementing evaluations s purpose to ensure that important insights are translated into specific values as explicit design objectives s artefacts to ensure that capabilities and preferences are reflected in choices of features and qualities As with all co-design, simply involving stakeholders is no guarantee of design success. Inadequate co-ordination between types of design choices is a major challenge for professional design management, so there should be no assumptions that amateur design participants can compensate for all oversights here. Improvability requires complex challenging co-ordinations between evaluations and other design activities. Two further complex meta-principles are needed: desirability (for artefacts) and viability (for purpose). The value of complex meta-principles lies in their ability to expose how rarely existing design and evaluation methods co-ordinate types of design choices. The effect is to isolate design activities and undermine integrity and coherence. The combination of four different types of design choices and seven meta-principles for designing (three simple, four complex) results in a potentially highly complex design space, where it is impossible for design teams to do everything. A final complex metaprinciple is required to focus design team’s efforts on practical al-
200
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location of resources. This eighth committedness meta-principle values pragmatic self-awareness through valuing explicit but limited commitments to combinations of meta-principles and design choice types. Committedness lets design teams design design through focused commitments to specific meta-principles and design choice types. The main design paradigms illustrate the possibility of varying commitments through different coverages of design choice types. They also vary in how they instantiate specific meta-principles. For example, HCD favours primary research for acquisitiveness, whereas Applied Arts favours local resources such as designers’ experience, intuition and creativity. Similarly, Engineering Design favours scientific methods for tenacity, whereas Applied Arts again favours local resources. Working to Choose Part 3: Approaches as Resource Groups There is one further part to W2C, approaches divided into resources, which recognises that design and evaluation methods are project specific realisations of approaches and their reusable resources.19 Methods do not pre-exist concrete design practices, but instead result from them. What pre-exists design projects in re-usable forms are approaches, i.e., loose collections of re-usable resources that need to be adapted, configured and complemented to become effective elements of actual design practices. Whereas Abstract Design Situations and Meta-Principles for Designing are highly abstract, design resources are lower level and more concrete. Examples include sketches, specifications, procedures, heuristics and value propositions. Approaches divided into resources were presented after the exercises. There is no place to present this part of W2C in this chapter. Interested readers should consult the Ingredients and Meals paper20 and the author’s CHI 2012 workshop paper.21 The W2C manifesto below also outlines W2C’s basic position on approaches and resources.
17 Aron, Raymond: Main Currents in Sociological Thought – Durkheim, Pareto, Weber, Volume 2, New Jersey: Transaction Publishers 1965. 18 Cockton, Gilbert: Getting There: Six Meta-Principles and Interaction Design.
19 Woolrych, Alan/Hornbæk, Kasper/Frøkjær, Erik/Cockton, Gilbert: »Ingredients and Meals Rather Than Recipes – A Proposal for Research That Does Not Treat Usability Evaluation Methods as Indivisible Wholes«, in: International Journal of Human-Computer Interaction 27/10 (2011), S. 940–970.
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21 Cockton, Gilbert: Making Designing Worth Worth Designing, Position Paper, CHI 2012 Workshop on Methods for Accounting for Values in Human-Centered Computing. http://ii.tudelft.nl/ValuesInDesign/ submissions/cockton.pdf
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The remainder of this chapter presents W2C’s use at the DGTF 2011 workshop. Report on the DGTF 2011 Workshop for Junior Researchers The workshop that I facilitated mixed lecture presentation of each part of W2C with examples and exercises. Two exercises were planned, with an additional exercise if time permitted. Participants were sent three lists of design methods in advance,22 along with the first version of the W2C manifesto. The version of W2C presented above has advanced in a few places since the workshop in October 2011. In the exercises, participants worked in groups to classify design and evaluation approaches in terms of the types of design choices and work that they support. Participants could also draw on their own personal knowledge, expertise and experience, as well as a merged list of existing design and evaluation approaches of the three sources. These preliminary resources are provided below, followed by a summary of the workshop’s outcomes. The first resource was the W2C Manifesto. The W2C Manifesto: You Always Know What Your Methods Were Designers, we are told, don’t use methods. Design Thinking, we are also told, differs from other human activities in its processes. Designers develop expertise in developing design processes. Design processes exhibit regular repeatable tactics and re-usable strategies. And yet, there are no methods here, or so we are told. What is true is that designers are not governed by methods. Designers are not slaves to procedure. There are no design algorithms that can be followed faithfully to deliver repeatable high quality results. Whatever commonalities exist across the design practices of individuals, teams, agencies, craft practices and national professions, these commonalities are not methods as normally understood. They are not repeatable procedures. At best, they are schemata that capture general strategies, but the details of design work are locked to specific project contexts. The common, the recognizable and the repeatable are not methods, but lie at a level below them. They are resources for expressing ideas, for generating options, for sourcing options, for assessing options, and for co-ordinating design decisions. Complementary resources are often grouped into approaches. For ex-
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ample, approaches to inspecting design quality can combine heuristic resources with directive resources (i.e., an inspection procedure). However, such combinations of resources, although typically referred to as methods, are not ready-made procedures. An approach’s re-usable resources must be configured, adapted, revised and complemented for each project. Approach is thus a more appropriate word than method for anything that pre-exists specific design projects. An approach’s resources are inputs to design work. Methods are outputs of design work, alongside designs. Methods are achievements, not premonitions. Designers do not use methods: they complete them. Designers never know what their precise methods will be. They only know what they were, when designing has finished. Designers know which approaches they intend to use, and as a project evolves, they create the methods that they actually use. Design is (re)designed in the process of designing. Design involves expertise. Designing design involves expertise. We design design by designing the methods that we complete through design. We design these up to a point by designing re-usable approaches and complementary resources. We complete methods through concrete design activities. We can thus design design to some extent prior to specific projects, but every design process is unique in its details and actual practices, both of which can move design some distance from what we could expect from approaches selected at a project’s start. Exercises In the workshop, participants used the W2C framework and the list of design methods overleaf to map out the strategic resources that can guide designers in the design of design, and to audit existing design and evaluation approaches. Once participants had classified approaches, they next looked for gaps, i.e., types of design choices with little or no support from existing approaches. With these gaps identified, participants could explore ways to fill them. A List of Design and Evaluation Methods For the key to the source(s) for each listed method (e.g., [I],[T], [L]) please see footnote 22. Brackets and slashes indicate differences in naming, e.g., Scenarios (Technique)/and Storyboard [I(T)/L] indicates that the method is called Scenarios [I], Scenarios Technique [T] or Storyboard [L].
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Activity/Task Analysis [I/T] A Day in the Life [I] Affinity Diagrams [I] Alpha Prototype [L] Anthropomorphic Analysis [I] Appearance Model [L] Appearance Prototype [L] Assembly Model [L] Behavioural Archaeology [I] Behavioural Mapping [I] Behaviour Sampling [IT] Beta Prototype [L] Be Your Customer [I] Brainstorming [T] Brand Pyramid [T] Body Storming [IT] Camera Journal [I] Card Sort [I] User/Character Profiles (Development) [T/I(T)] Coded Sketch [L] Cognitive Maps [I] Cognitive Task Analysis [I] Collaborative Sketching [T] Collage (Making) [I(T)] Company Benchmarking [T] Competitive Product Survey [I] Conceptual Landscapes [I] Cross-Cultural Comparisons [I] Cultural Probes [IT] Design Development Model [L] Detail Drawing [L] Diagram [L] Draw the Experience [I] Empathy Tools [I] Error Analysis [I] Experience Prototype [I] Experimental Prototype [L] Extreme User/Expert Interviews [I/T] Final Hardware Prototype [L] Five Whys? [I] Flow Analysis [I] Fly on the Wall [I] Foreign Correspondents [I] Functional Model [L] General Arrangement Drawing [L]
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Goal-Cost Specifications [T] Guided Tours [I] Historical Analysis [I] Idea Sketch/Sketchbook [L/T] Informance [I] Information Sketch [L] Layout Rendering [L] Long-Range Forecasts [I] Memory Sketch [L] Mood Board [T] Narration [I] Off-tool Component [L] Operational Model [L] Osborn Method [T] Paper Prototyping [IT] Personal Inventory [I] Perspective Drawing [L] Predict Next Year’s Headlines [I] Pre-Production Prototype [L] Prescriptive Sketch [L] Presentation Rendering [L] Product Reverse Engineering/ Competitive Analysis [T] Production Model [L] Quick-and-Dirty Prototyping [I] Rapid Ethnography [I] Referential Sketch [L] Role-Playing [I] Scale Modeling [I] Scenarios (Technique)/and Storyboard [I(T)/L] Scenario Testing [I] Secondary Research [I] Service Model [L] Shadowing [IT] Sketch Model [L] Sketch Rendering [L] Social Network Mapping [I] Still-Photo Survey [I] Study Sketch [L] Surveys & Questionnaires [I] System Prototype [L] Technical Illustration [L] Time-Lapse Video [I] Try it Yourself [I] Unfocus Group [I] Word-Concept Association [I]
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Exercise 1: What Do Existing Methods Do? Participants classified design and evaluation approaches in terms of the types of design choices and work that they support (as simple meta-principles). To support this, participants used a list of existing design and evaluation approaches formed from three sources. Despite there being 83 methods in the merged list (above), there were still obvious omissions, e.g., aesthetic criticism, studio ›crits‹, Heuristic Evaluation, User Testing, so it was important to fill gaps from personal knowledge. Exercise 2: What Don’t Existing Methods Do? Participants worked in groups using the results of Exercise 1 to identify gaps in the provision of existing design and evaluation approaches. These gaps may be due to complete lack of support for design work in support of a type of design choice (or co-ordination of types of choices), or due to only partial coverage.
Fig. 3: Venn Diagram for Method Sorting
22 Prefixed letters in [brackets] refer to the method corpus listed after the workshop exercises below, which lists methods and their sources. [I] IDEO. IDEO Method Cards: 51 Ways to Inspire Design. IDEO Palo Alto. [L] Evans, Mark/Pei, Eujin: iD
Cards – A Taxonomy of Design Representations to Support Communication and Understanding During New Product Development, Loughborough University School of Design. www.lboro.ac.uk/media/ wwwlboroacuk/content/lds/ downloads/newsandevents/
generalnews/2011/id-cards.pdf [T]. Joost, Gesche/Nieters, Jim/Bollman, Erik: PRACTICING INNOVATION – Methods for Practicing Innovation in Your Daily Work, 2010 (pdf of pocket sized booklet, by kind permission of Prof. Joost)
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Workshop Experiences For the first method sorting exercise, participants spent 5–10 minutes working individually to list methods that they knew of and understood. They were guided to use the method list above as a prompt, not a prison, i.e., they should add missing methods known to them. For the next 20–25 minutes they worked in one of two groups, placing post-its for methods on the diagram in Figure 3 (this was predrawn on a flip chart sheet, with larger areas of overlap). Participants wrote the method name on a post-it before placing it on the diagram, as well as adding triangles to indicate supported values for design work (triangle orientations corresponded to simple meta-principles, e.g., Ż for acquisitiveness, źŸ for tenacity, Ź for expressivity). Example placements and annotations were presented when introducing the exercise. Participants discussed placements on the diagram and triangle symbols. Once groups had worked together, each presented their results to the other. The two groups completed Venn Diagrams are shown in Figures 4 and 5 (both follow Figure 3 with evaluation at the top and purpose at the bottom, artefact on the left and beneficiaries on the right). Figure 4 is fairly sparse, and reflects the extent of Group A’s discussion when placing their 10 post-its. They only associated one method, detailed drawing, with a single choice type. All others were placed to indicate co-ordination of at least two choice types. Methods were sometimes placed to indicate their full potential, rather than a single typical usage. For example, Group A placed brainstorming in the intersection of all choice types. While it is unlikely (but not impossible) that one brainstorming episode would ever simultaneously harvest options for all four choice types, it nevertheless can apply to any type of design choice. Method placement in this exercise was as much a way of exploring limits as it was a way to categorise typical usage.
Fig. 4: Groups‘ A Venn Diagram
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Many participants were surprised by each other’s placements, expecting there to be a correct classification of a method, but often some participants saw a method as providing complex support for a few choice types and meta-principles. This could typically only be achieved through local practices that extend a simple approach to more comprehensive design support, confirming that what are presented as complete methods in the design literature are actually incomplete approaches that have to be configured, extended and by resources from project and design team contexts. Group B placed personas as expected (supporting only choices about beneficiaries), but without a narrow position that personas only express insights. Instead, they were seen as an approach that can also harvest information and insights about beneficiaries (and thus support acquisitiveness as well as expressivity). Personas were also marked as supporting tenacity of insights and information for beneficiaries, matching the capabilities of The Persona Lifecycle,23 which provides broad support for design work, addressing all three simple meta-principles through its resources. In contrast, Group A placed personas in the overlap of all four choice types, which is possible if persona skeletons24 are configured to achieve this, i.e., to support co-odination of information and insights about beneficiaries with other choice types as in the following examples: s purpose – personas are a key part of Cooper’s GoalDirected Design,25 and provide anchors for design purpose when used as intended through elements of persona skeletons that capture key goals and aversions s artefacts – persona skeletons for interaction and service design often include information such as levels of IT familiarity, skills, preferences and usage patterns, all of which can constrain the artefact features that will be desirable. More generally, persona skeletons can express preferences for, as well as aversions to, specific artefact features and qualities s evaluations – persona skeletons can contain elements that can be used directly to target user test participants and screen volunteers for suitability
23 Pruitt, Jonathan/Adlin, Tamara: The Persona Lifecycle – Keeping People in Mind Throughout Product Design, Burlington MA: Morgan Kaufmann 2006.
24
Ebd.
Interaction Design, Hoboken NJ: Wiley 2007.
25 Cooper, Alan/Reimann, Robert/Cronin, David: About Face 3.0 – The Essentials of
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A design team is more likely to create persona skeletons capable of supporting the above range of co-ordinations if they are committed to such breadth, which requires a broader view of personas than that developed in the most comprehensive published account of them26. Given that the resources gathered for a specific approach must always be configured (e.g., create persona skeletons), adapted (e.g., extend persona skeleton to support user testing) and complemented (e.g., add a screening form for test participant selection), the additional resources required to fill out complex method use must come from somewhere else. The implication here is that a design team who are less knowledgeable than the creators of an approach can never use it to the full. Depending on a design team’s expertise, personas can thus range from an approach that supports a single meta-principle, expressivity, for a specific design choice type, beneficiaries, via an approach that supports all three simple meta-principles, to an approach that can co-ordinate across all four types of design choice. There are implications here for all design methods, co-design included, where claims about the pros and cons of a method can never be based on what a method is, because methods aren’t. Claims can only be made about approaches in use, which are inevitably subject to extensive variations in practice. In answer to the DGTF 2011 question ›Who Designs Design‹, the design of design does not stop at the invention, advocacy and selection of specific methods, co-design or otherwise. Instead, design is constantly being redesigned throughout design work. Selection of design approaches for a project is very much a first step, leaving most of the work to working out the realities of methods in practice.
Fig. 5: Groups‘ B Venn Diagram
Returning to Group B’s method classifications (Figure 5, clockwise from top: Evaluations, Beneficiaries, Purpose, Artefacts), over 40 methods were placed and categorized, with almost half associated
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with a single choice type. With no recordings of the discussions, it is not possible to determine why methods were placed where they were. What was clear from group discussions was that participants explained their placements to each other, and in the process, differences in the ways that different methods were constructed by different designers were exposed. For the second exercise on identifying and filling gaps in the provision of design methods, participants were asked to fill in Table 2. Group B made notes in the top left of their flip chart. Group A discussed opportunities, but made no notes. Group A identified a lack of methods for making choices about motivating purposes. Gap
Opportunity
Notes
Table 2. Gap Analysis based Identification of Method Innovation opportunities
Group B recorded their general observation of a lack of metamethods for understanding and managing a design team’s own practices. W2C provides such a meta-method, and the evidence from the short exercises at the DGTF 2011 workshop is that W2C can provide insights on differences and gaps in design practices. Similar exercises were used a month later at the DEVISE II PhD training school,27 with similar outcomes in terms of supporting reflection on design practices. Group B also noted a gap in methods that co-ordinate artefacts and purpose. Methods do exist here, with Group B placing four methods in the overlap: scenario testing, market testing, observation and intentional misuse. All need to be used in specific ways to co-ordinate artifact features with design purpose, but such use is possible. However, methods such as scenario testing and task specification and analysis are more typically used in ways that restrict purpose to the low level goals that are known to be supported by designed artefacts, rather than the higher level motivating goals in focus for Cooper’s Goal-Directed Design.28 The result is a focus on what designs can do, rather than what beneficiaries want to do. For example, I never wanted to program
26 Pruitt, Jonathan/Adlin, Tamara: The Persona Lifecycle – Keeping People in Mind Throughout Product Design.
27 www.tik.ee.ethz.ch/~lawl/ DEVISEII
28 Cooper, Alan/Reimann, Robert/Cronin, David: About Face 3.0 – The Essentials of Interaction Design.
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a video recorder, and I still do not want to program a central heating controller. Instead, I want to watch television programs when I choose (much simpler today with broadcasters’ video on demand services) and to have a warm enough house without wasting energy or money. The gap identified by Group B here has already been addressed, following earlier gap analyses, by worth delivery scenarios29 and worth maps.30 Both were briefly presented in the closing section of the DGTF 2011 workshop as examples of method innovations that were designed to fill gaps that had been identified as a result of early reflection31 on what were later called ADSs. Two further gaps identified by Group B were methods that only provided support for options for artefacts or evaluation, with the notes that these were respectively not necessary or not possible, although they had identified three such methods for artefacts and five for evaluations. This raises an interesting point as to whether such methods are desirable. At some points in the design process, it is efficient to allow specialists to focus on their areas of expertise, for example interaction design (for software and media specialists) and user experience evaluation (for human-centred specialists). Risks however will arise if these activities are not coordinated through the use of additional methods. Human science based evaluations in interaction design are a good example of methods that may be poorly co-ordinated with other design activities.32 Nevertheless, to be able to co-ordinate anything, there has to be something to co-ordinate, and thus independent work focused on a single design choice type is essential in all design processes. Group B’s positions here may reflect firstly, the HCD prejudice against design activities focused solely on artefacts, and secondly the reasonable belief that an evaluation has to be an evaluation of something. Even so, there is project-independent knowledge relating to evaluations, and there are many re-usable evaluation measures with well-established data collection procedures. For example, some well-established approaches to accessibility evaluation can be applied with no or minimal project specific adaptations before testing a specific design. Overall, use of W2C met the two main objectives of the workshop, i.e., to demonstrate the range of contextual variations in method use, and to show how W2C can be used to audit current design practices, with an emphasis on identifying gaps in method provision and opportunities for filling them through innovative approaches.
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Conclusions: We are Always Designing Design (Co-Design included) DGTF 2011’s question: Who Designs Design? (Wer gestaltet die Gestaltung?) can be answered at several levels. At the lowest level of actual design practice, the answer is all those with the ability to shape design. Design (i.e., the process of design) is never fully designed at the start of any project. Stable re-usable processes only exist as ideals, and even where a design team has a preferred process in place, the realities of project management will inevitably depart from this process. Thus anyone can potentially design design in the process of designing. At the highest level of design theory and practice, design is designed by researchers and practitioners who offer frameworks for design management. Such frameworks are necessarily abstract, with abstraction increasing as frameworks become more comprehensive. The very high level of abstraction within W2C indicates what is required to cover major differences in design paradigms. Designing design becomes designing co-design when stakeholders are involved in design. Technically, client or sponsor involvement without end-user involvement is co-design, but generally the expectation is that co-design must involve stakeholders other than the commissioner of design work. As to who designs co-design, the answer may be no different to that for who designs design, i.e., one or more of the design team, their management and the commissioner of design work and other stakeholders. Co-designing co-design only results when stakeholders other than the commissioner of design work are involved in decisions about the design process itself. This remains rare in co-design, with user representatives generally assigned to specific roles and activities within the overall design process, for example collaborative lo-fi prototyping, requirements focus groups, contextual research or user testing. As with any design approach, none of these practices
29 Cockton, Gilbert: When and Why Feelings and Impressions Matter in Interaction Design, in: Kansei 2009, Interfejs U ytkownika – Kansei w praktyce, CD Rom Proceedings, Polsko-Japo ska WyĪsza Szkoła Technik Komputerowych, Warszawa, Poland 2009. http://www.cs.tut.fi/ihte/ projects/suxes/pdf/Cockton_ Kansei2009 Keynote.pdf
30 Cockton, Gilbert/Kirk, David/Sellen, Abigail/Banks, Richard: Evolving and Augmenting Worth Mapping for Family Archives, in: Proceedings of HCI 2009 – People and Computers XXIII 2009. http://www.bcs.org//upload/ pdf/ewic_hci09_paper42.pdf
31 Cockton, Gilbert: »Designing Worth – Connecting Preferred Means with Probable Ends«, Interactions 15/4 (2008), S. 54–57. 32 Cockton, Gilbert: Make Evaluation Poverty History, in: alt.chi paper 2007. www. viktoria.se/altchi/submissions/ submission_gilbert_0.pdf
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guarantee success. Much depends on the actual user representatives who are involved, since they are key resources in co-design, typically focused on acquisitiveness and tenacity for artefact features and qualities. As a broad framework, W2C exposes a wide range of unexplored or underexplored opportunities for co-design. At the highest level, all co-designers could be involved in choices for committedness, deciding on what will be valued within the design process and how this will be acted on. At a lower level, W2C indicates that co-designers need not be restricted to making choices about artefact features and qualities, or participating in evaluations. Instead, they could be involved in planning research into potential beneficiaries, making decisions about who is and is not a stakeholder for a particular project, planning evaluations, and making decisions about motivating purposes. Similarly, all co-designers could be involved in establishing quality standards related to simple metaprinciples (acquisitiveness, tenacity, expressivity), which again tend not to be co-designed in existing practices. Most of the above opportunities have not yet been well explored, raising questions about the ethics of co-design. Can nondesigners really be regarded as full co-designers if their roles and activities are limited to a narrow set of pre-defined activities? W2C as a general framework on the scope of design work is thus well suited for posing specific questions about co-design practices. As well as exposing unexplored (radical) opportunities for co-design, W2C also exposes some paradoxes in co-design thinking. On the surface, co-design seems to be well rooted in the HCD paradigm, given its clear commitment to beneficiary involvement. Co-design inevitably has to draw on HCD approaches. However, modes of working in co-design are much closer to applied arts practices, with all co-designers involved in conversations with materials that blur distinctions between design purpose and artifact evaluation, and are largely driven by tacit intuition. It is not clear how the benefits of informed professional design practice, especially as within HCD and engineering design paradigms, can be combined with amateur design inputs while maintaining a democractic balance of power between designers, commissioners, end users and other stakeholders. When co-design is seen as a good in itself, i.e., as an end in itself and not simply a means to an end, then this is problematic. However, this in turn causes problems for design quality, since the experience of genuine participation could take precedence over the quality of design decisions. There are no easy answers to who should (co-)design (co-) design. Ultimately, all design processes depend existentially on
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the meta-principle of committedness. Designing requires moral, ethical, aesthetic, and other axiological commitments from all involved, and this involvement must be genuine and in good faith. In this sense, who designs design is less of a concern than how design is designed. W2C supports continuous improvements of design processes in this respect via its comprehensive idealized structures and typologies that, as the workshop experiences showed, let designers look at design through new lenses.
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5 Infrastrukturen
Design als Infrastruktur in urbanen Nachbarschaften Florian Sametinger und Jennifer Schubert
Einleitung Im folgenden Text beschreiben wir eine mögliche Perspektive auf Design as Infrastructuring,1 dessen Implikationen und Ergebnisse wir in Bezug auf die Verbesserung der sozialen Nachhaltigkeit 2 in urbanen Nachbarschaften anhand unseres Forschungsprojektes »Neighborhood Labs« erläutern werden. Als Ausgangspunkt dient dabei die Ökonomie des Teilens und Teilhabens sowie Ansätze der gesellschaftlichen Kollaboration, die sich seit einigen Jahren immer stärker in den Vordergrund geschoben haben. Der grundlegenden Projekteinführung folgt eine Vorstellung der Forschungsfragen sowie der methodischen Grundlagen, die das Projekt prägen. Dabei legen wir besonderes Augenmerk auf Design as Infrastructuring sowie unser Living Lab und verschiedene Ansätze und Methoden des Participatory Designs, 3 die wir im Laufe des Projektes angewandt und weiterentwickelt haben. Projektübersicht Neighborhood Labs ist ein seit zwei Jahren laufendes Designforschungsprojekt mit dem Fokus auf Design für soziale Nachhaltigkeit 4, die wir hier als Inklusion von BürgerInnen in politische und 1 Ehn, Pelle: Design Things and Living Labs, in: Swiss Design Network Symposium, 2009, S. 54 ff.
das nach Jon Hawkes eine kulturell-politische, soziale, ökologische und ökonomische Dimension vorsieht.
2 Beim Begriff »Nachhaltigkeit« orientieren wir uns am Modell der Nachhaltigkeit,
3 Ehn, Pelle et al.: Participatory design and democratizing innovation, MEDEA – Collab-
orative Media Institute Malmö University, 2010, S. 41ff. 4 Manzini, Ezio: Collaborative Services: Social innovation and design for sustainability, Edizioni POLI.design, Milano 2008.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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soziale Entscheidungs- und Wandlungsprozesse in der Nachbarschaft verstehen. Wir stellen die Hypothese auf, dass wir durch unsere Arbeit Rahmenbedingungen zur kollaborativen Gestaltung und Verbesserung des sozialen Gefüges schaffen können, um somit aktiv eine Nachbarschaft und sowohl deren BewohnerInnen als auch BesucherInnen zu unterstützen. Wissensaustausch bildet dabei das Vehikel, worüber anfänglich Gemeinschaftsbildung angetrieben wird, um als Folge daraus die soziale Nachhaltigkeit – in diesem Fall fokussiert auf Teilhabe an Alltagsleben und Veränderungsprozessen in der Nachbarschaft – verbessern zu können. Die Grundlage ist im individuellen und gesellschaftlichen Verhältnis gegenüber Besitz zu sehen. Eine Tendenz, die Michael Erlhoff bereits 1995 als Nutzen statt Besitzen5 beschreibt und die wir in unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft beobachten können. Überwiegend digitale Plattformen helfen dabei, private Unterkünfte, Autos, Zeit oder Essen zu teilen. Aber auch Werkzeuge politischer Teilhabe, beispielsweise zur digitalen Unterzeichnung von Petitionen, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Dabei fällt auf, dass nur äußerst selten Verbindungen zwischen analogen und digitalen Werkzeugen für Wissens- und Informationsaustausch bestehen und dadurch weniger Internet-affine Nutzer teilweise ausgegrenzt werden. Das Projekt ist nach dem Research-Through-Design-Ansatz6 konzipiert und wird durch vorwiegend qualitative Forschungsmethoden wie etwa semi-strukturierte Interviews, teilnehmende Beobachtung, Diskussionsrunden oder experimentelleren Methoden wie Cultural Probes, unterstützt. Wir sehen uns in der Tradition des skandinavischen Participatory Design, das eine deutlich politische Ausrichtung verfolgt und sich auf die kritische Auseinandersetzung und den offenen Verlauf des iterativen Gestaltungsprozesses bezieht, wobei wir die Teilnehmer/-innen nicht nur als Designer/-innen, sondern teils auch als Forschende miteinbeziehen. Dieser partizipative Forschungsprozess wirft in unserem Fall aber auch Fragen bezüglich der negativen Auswirkungen gesellschaftlichen Konsenses und demokratischer Abstimmungsabläufe auf Gestaltungsentscheidungen auf. An welcher Stelle zieht man also die Grenzen des partizipativen Designs, um die Reproduktion von Stereotypen und Gewohntem zu vermeiden?7 Dabei stellen wir die Frage, ob die grundlegende Integration der Teilnehmer/-innen in den Forschungsprozess zur Übertragung der Autorenschaft und damit zur nachhaltigen Etablierung einer designten Infrastruktur führt.
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Sametinger und Schubert
Theoretische Grundlagen Neben partizipativen Designansätzen, sehen wir Ezio Manzinis Überlegungen zur sozialen Nachhaltigkeit im Design als wichtigen Einfluss für unser Forschungsprojekt, da hier Veränderungen der Handlungsweisen von Individuen oder Gemeinschaften untersucht werden, um zu ergründen, wie Probleme oder neue Möglichkeiten in diesem Kontext erschlossen und gelöst werden.8 Bilden partizipatives Design und sozial nachhaltiges Design die Ausgangsposition für unser Projekt, stellen der Ansatz des Design als Infrastruktur und Living Labs als Forschungsumgebungen die spezifische Ausrichtung dar. Obwohl keine allgemeingültige Definition besteht, werden Living Labs grundsätzlich als Forschungsumgebung beschrieben, die reale Lebenssituationen abbilden. Dies soll den intensiven Austausch zwischen Forscher/-innen und Bewohner/-innen antreiben, ohne die Beteiligten in eine sterile Laborumgebung versetzen zu müssen. ENoLL, das Europäische Netzwerk für Living Labs beschreibt sie als »lebensnahe Test- und Experimentierumgebung, in der Nutzer und Hersteller gemeinsam Innovationen entwickeln. Ein Living Lab nutzt vier Hauptaktivitäten: Co-Creation, das CoDesign durch Nutzer und Produzenten, Exploration, die Entdeckung aufkommender Nutzungs- und Verhaltensweisen und Marktpotentiale, Experimentieren, die Implementierung von Szenarios innerhalb bestimmter Nutzercommunities und Evaluierung, die Bewertung der Konzepte, Produkte und Services im Hinblick auf sozio-ergonomische, sozio-kognitive und sozio-ökonomische Aspekte.« Diese Beschreibung geht auf die Europäische Komission zurück, die Living Labs kurz als »Public-Private-People Partnerships (PPPP) for user-driven open innovation« zusammenfasst. Viele bestehende Living Labs bauen dafür eigens Labore auf, die oftmals eine reale Lebensumgebung kopieren,9
5 Vgl. Erlhoff, Michael: Nutzen statt besitzen. Göttingen: Steidl 1995.
7 Vgl. Buchmüller, Sandra: Partizipation = Gleichberechtigung? in diesem Band.
6 Jonas, Wolfgang: »Research through DESIGN through research – a problem statement and a conceptual sketch«, in: Society 36/1 (2006) S. 1–8.
8 Vgl. Manzini, Ezio: »Collaborative organisations and enabling solutions – Social innovation and design for sustainability«, in: Francois
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Jégou/ Ezio Manzini (Hg.), Collaborative services – Social innovation and design for sustainability, Milano: Ediizioni Poli.Design 2008, S. 29 ff. 9 Z.B. Fraunhofer Urban Living Lab in Duisburg.
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um genauer auf Nutzeransprüche reagieren zu können. Wir schlagen hier einen alternativen Ansatz vor, der die Integration bestehender aktiver Gruppen und deren eigene Räumlichkeiten sowie virtuelle, aber auch physische Interventionen in der gesamten Nachbarschaft einschließen, um die Teilnehmer/innen nicht in einem artifiziellen Umfeld, sondern in ihrer vertrauten Umgebung in die Forschung einzubeziehen. Damit weichen wir von der Grunddefinition ab und setzen den Fokus nicht primär auf die Entwicklung und Evaluation neuer (kommerzieller) Innovationen, sondern auf die grundsätzliche Erforschung der Lebenswelt und die Bedürfnisse der Teilnehmer/-innen. So werden Frage- und Problemstellungen auch von den Teilnehmer/-innen, sozusagen bottom-up, in die Forschung eingebracht. Diese Herangehensweise führt zu einer veränderten Sichtweise auf Design, das nicht im Sinne eines Projektes mit begrenzten, vorbestimmten Rahmenbedingungen funktioniert, sondern die Bewohner/-innen und Teilnehmer/-innen als offene, nachhaltige Infrastruktur unterstützt. Dieses Umdenken nennt Ehn »Design as Infrastructuring«.10 Setting und TeilnehmerInnen Nach Voruntersuchungen und einigen Kurzworkshops mit dem SeniorenComputerClub Berlin-Mitte (SCC), kristallisierte sich der Fischerkiez als möglicher Forschungsstandort für Neighborhood Labs heraus. Er liegt am Südende der vor allem durch den Museumsbezirk bekannten Spreeinsel in Berlin-Mitte. Der Kiez, der ehemals wohlhabende Fischer- und Schifferfamilien beherbergte, wurde im Lauf der letzten beiden Jahrhunderte einem starken Wandel unterzogen.11 Besonders hervorzuheben ist der Abriss des gesamten Viertels samt Straßennetz im Zeitraum von 1967 bis 1972, dem ein Wiederaufbau nach sozialistischen Idealen folgte. Die in der Folge entstandenen Hochhäuser dienten zum einen zur Repräsentation der DDR als starken, modernen Staat und zum anderen als Pilotprojekt für weitere Vorhaben.12 Einwohnerstatistiken zeigen, dass 46 Prozent der heute dort lebenden Bevölkerung über 55 Jahre alt ist,13 wobei die zentrale Lage des Kiez, vergleichsweise günstige Mieten und allgemeine Wohnungsknappheit einen stärkeren Zuzug z. B. durch Studierende und junge Familien zur Folge hat. In Interviews mit Bewohnern wird deutlich, dass diese Durchmischung der Bewohnerstruktur nicht ohne Spannungen verläuft. Viele der älteren Bewohner/-innen beklagen beispielsweise die mangelnde Interaktion mit Zugezogenen, wobei umgekehrt fehlende Flexibilität und Offenheit angemahnt werden.
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Sametinger und Schubert
In den partizipativen Workshops während der Untersuchungen wird ein gewisser historischer Ballast zwischen alteingesessenen und neu hinzugezogenen Bewohnern spürbar, wenn beispielsweise Kommunikationsmittel besprochen werden, die für die einen noch als Propagandainstrumente gelten, für die anderen hingegen als möglicher Ansatz für die Verbesserung der Kommunikation auf der Fischerinsel. Der bereits erwähnte SCC, das Kreativhaus, ein theaterpädagogisches Zentrum und Mehrgenerationenhaus und diverse andere aktive Gruppen sind als communities of practice14 idealer Ausgangspunkt für die Untersuchung der Forschungsfragen. Die Mitglieder des SCC bringen sich gegenseitig in unterschiedlichen Lernformaten technologische Kommunikationsmittel in Kursen über Basiswissen über Computer und Internet sowie Videotelefonie, Wikipedia oder Videobearbeitung näher. Dabei kann ein Mitglied jederzeit vom Lernenden zum Lehrenden werden und umgekehrt. Dieser Wissensaustausch ist im Falle des SCC und des Kreativhauses für die Verbesserung der sozialen Interaktion und Kommunikation untereinander wichtig, der Gegenstand des Tauschs erscheint dabei nachrangig. Der kontinuierliche Aufbau des Forschungsumfelds Der Aufbau eines konstanten Forschungsumfeldes mit den teilnehmenden Gruppen und Einzelpersonen wurde durch regelmäßige, partizipative Workshops und die Präsenz unserer Forschergruppe vor Ort verstetigt. Dazu war es notwendig, sich sehr behutsam und schrittweise der Nachbarschaft anzunähern, um Vertrauen aufzubauen und die Infrastruktur für partizipative Designansätze zu etablieren. Im folgenden Abschnitt widmen wir uns der Beschreibung unseres Forschungsprozesses, in dem sowohl die ersten explorativen Untersuchungen als auch partizipative Design- und Konzep10 Ehn, Pelle: Design Things and Living Labs – Participatory design and design as infrastructuring, in: Swiss Design Network Symposium Conference Proceedings 2009, S. 54 ff. 11 Schwenk, Herbert: Lexikon der Berliner Stadtentwicklung, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung: Berlin 2002, S. 56.
12 Vgl. Berning, Maria/Braum, Michael: Berliner Wohnquartiere: Ein Führer durch 70 Siedlungen, Dietrich Reimer Verlag: Berlin 2003, S. 186. 13 Eigene Daten bereitgestellt durch das Amt für Statistik Berlin Brandenburg, 2011. 14 Wenger, Etienne/Lave, Jean: Situated Learning – Legitimate peripheral participation, Cambridge University Press,
Infrastrukturen
Cambridge U.K. 1991, S. 45. Der Begriff »Communities of Practice« (CoP) beschreibt nach Wenger und Lave den Zusammenschluss von Individuen, die gemeinsam und voneinander lernen wollen. Entweder arbeiten sie an der Handhabung eines spezifischen Anliegens oder wollen Wissen über eine gemeinsame Vorliebe miteinander teilen. CoPs können im digitalen oder physischen Raum situiert sein.
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tionsworkshops erläutert werden. Dazu ist es notwendig, die Forschungsfrage einzuführen und die daraus folgenden Designfragen anzuschließen: Kann Design as Infrastructuring die soziale Nachhaltigkeit in Form von Partizipation an gesellschaftlichen Veränderungs- und Entscheidungsprozessen unterstützen und antreiben? Der partizipative Prozess und die schrittweise Annäherung an die Forschungsumgebung bedingten eine iterative Anpassung und Schärfung der Forschungsfragen. Die anfängliche Hypothese wurde dahingehend konkretisiert, dass Tauschpraktiken nicht ausschließlich Einfluss auf ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit im Sinne von Ressourceneinsparung nehmen, sondern auch direkte Auswirkungen auf die soziale Nachhaltigkeit, genauer gesagt die Inklusion sozial benachteiligter Gruppen in gesellschaftliche Entscheidungsabläufe haben können. Hier gilt es nun, die Parameter des Austausches zu bestimmen, die die persönliche Interaktion mit anderen Akteuren in der Nachbarschaft antreiben sowie die existierenden Medien zu erforschen und gegebenenfalls neue und experimentelle Interfaces einzuführen, die diesen Austausch ermöglichen und erleichtern können. Des Weiteren etablieren wir in der Living Lab-Umgebung Design als infrastrukturelle Disziplin, die den nötigen Rahmen schaffen kann, Teilnehmer/-innen als Designer/-innen agieren zu lassen, d.h. – aus der theoretischen Reflexion heraus – in eine aktive, handelnde Position zu bringen. Dabei ist es wichtig, dass jede/-r Aktive auf die Infrastruktur zugreifen kann. Ein fehlendes Kommunikationsgerät oder fehlendes Vorwissen soll motivierte Bewohner/innen nicht daran hindern, an der Infrastruktur teilzunehmen. Um einen universellen Zugriff zu ermöglichen, sollen neben digitalen und webbasierten, auch analoge Zugangsmöglichkeiten im physischen Raum geschaffen werden. Einfache analoge Medien, die durch alltägliche Handlungen vertraut sind (bspw. Einwurf eines Briefes), sollen mit digitalen Zusatzfunktionen verknüpft werden (bspw. Einscannen von handgeschriebenen Botschaften). Ziel ist es, das Living Lab auf solch eine nachhaltige Art und Weise aufzubauen, dass es – auch nach dem Verlassen des Feldes unsererseits – selbsttragend und autark weitergeführt wird. Fragen über den Umgang mit Design in Living Labs Im Laufe des Research-Through-Design-Prozesses untersuchen wir konkret, welche designerischen Konzepte, Prototypen und Interventionen15 effektiv und nachhaltig Wissensaustausch in Nach-
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Sametinger und Schubert
barschaften unterstützen können. Für die praktische Phase des Forschungsprozesses erscheinen folgende Fragen besonders wichtig: Wie kann Design als infrastruktuelle Disziplin gemeinsam mit BewohnerInnen einer Nachbarschaft Werkzeuge zur Handlungsbemächtigung entwickeln? Wie kann ein nachhaltiges, selbsttragendes System zum Austausch von Wissen entstehen, das durch seine Akteure und TeilnehmerInnen mitgetragen wird? Wie können einzelne Interfaces der Infrastruktur nach und nach entwickelt werden? Wie kann die Kluft zwischen digitalen und analogen Interfaces mit designerischen Mitteln überwunden werden? Exploration und empirische Erfahrungen Die angesprochenen Interventionen und Prototypen dienen mehreren Zwecken. Erstens werden sie auf der Forschungsebene als experimentelle »Sonden« (»Probes«) eingesetzt, um die Bedürfnisse und Motivationen der Bewohner/-innen bezüglich Wissensaustausch abzufragen. Zweitens wird eine Bandbreite von experimentellen Designprototypen und -interventionen entwickelt und getestet, wodurch das Projekt einem größeren Publikum vorgestellt wird. Dabei findet ein Wechsel zwischen partizipativen Workshops und eigenständig designten Artefakten statt. Neben der spielerischen Integration der Bürger/-innen in den Designprozess ist es ebenfalls unser Ziel, verschiedene Kommunikationsmittel und Arten der Informationssammlung zu testen. Wir sehen die Interventionen und Prototypen als Experimente im laufenden Arbeitsprozess, die uns dabei unterstützen, unsere Forschungsmethoden weiterzuentwickeln und zu präzisieren.
15 Unter Designinterventionen verstehen wir temporäre Forschungsartefakte, die gewohnte Abläufe und Denk-
strukturen im Lebensumfeld disruptiv brechen und dadurch einen Perspektivwechsel beim Betrachter erzeugen sollen.
Infrastrukturen
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Abb. 1: Temporäres, partizipatives Design Lab und eine Ideen-Maschine
Die erste Intervention bestand aus einer schwarzen Kreidewand, die wir im Rahmen eines Sommerfestes im Kreativhaus aufgestellt haben. Darauf befanden sich zwei vorher aufgeklebte offen formulierte Fragen: »Worüber weißt du sehr gut Bescheid?« und »Worüber würdest du gern mehr wissen?«. Die Interaktion verlagerte sich im Laufe der kurzen Intervention sehr schnell von der schriftlichen Beantwortung der Fragen auf mündliche Diskussionen, wobei die Tafel als Konversationsstarter fungierte. Die Gespräche zeigten die Wichtigkeit der Gemeinschaft, besonders anhand folgender Fragen: »Wer ist eigentlich mein Nachbar?«, »Wer lebt in dieser Nachbarschaft?«, »Wie wird diese Nachbarschaft in XY Jahren aussehen?«, »Welche Möglichkeiten gibt es, das Kreativhaus als lokalen Anziehungspunkt attraktiv zu machen?« oder »Was kann ich für meinen Kiez tun?«.
Abb. 2: Informationstafel im Kreativhaus
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Sametinger und Schubert
Nachdem die erste Intervention unsere Vorüberlegungen nur zum Teil unterstützt und bestätigt hat, entwickelten wir weitere Elemente, die in Kombination mit der Tafel, aber auch alleinstehend, genutzt werden konnten, um die Interaktion mit den BewohnerInnen und damit die Analyse ihrer Bedürfnisse bezogen auf ihr Lebensumfeld, zu bestärken. So wurden etwa Aufkleber mit Sätzen wie: »Nachbarschaft ist …«, »Mich stört …«, »Ich möchte … für meine Nachbarschaft« ausgeteilt, um die TeilnehmerInnen so zum Nachdenken über ihre Lebensumgebung anzuregen und sie zu animieren, auf diese Art und Weise ihre Ideen und Perspektiven mit uns zu teilen. Nach dieser Phase wurde das übergreifende Thema des Wissensaustauschs zur Unterstützung von sozialer Interaktion von den TeilnehmerInnen als zentrales Thema angenommen und unterstützt. Eine Möglichkeit des Austauschs – physisch und virtuell – die zur politischen Teilhabe führt, wurde als Wunsch explizit artikuliert.
Abb. 3: Nächste Intervention: Plakat mit Aufklebern
Die iterative Weiterentwicklung der Interventionen als Forschungswerkzeuge, ermöglicht uns ein besseres Verständnis der Gemeinschaft und eine größere Akzeptanz im Kiez, da BewohnerInnen und Aktive in die Entwicklung stets einbezogen werden. Wir lernen viel über alltägliche Probleme, das Zusammenleben im Kiez, die angrenzenden Bezirke und die Veränderung während der letzten beiden Jahrzehnte. Neben konventionellen, den TeilnehmerInnen bekannten Mitteln wie Kreidetafeln, Banner und Sticker, arbeiten wir auch mit experimentellen, spielerischen Interventionskonzepten.
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Ein Beispiel für ein solches Konzept ist die »Ideenmaschine«, die Ideen zur Verbesserung der lokalen Kommunikation in Form eines ausgedruckten Zettels anbietet, nachdem eine Idee im Austausch beigesteuert wird. Hier werden über sehr einfache, technologisch unterstützte Tauschvorgänge Impulse zu Perspektivwechsel und Handlung gegeben. Ein partizipativer »Kiez-Workshop« Die Organisation einer heterogenen Gruppe aus Mitgliedern diverser Altersgruppen und sozialer sowie ethnischer Hintergründe ist beim Aufbau des Living Labs eine Herausforderung. Aus diesem Grund suchen wir aktive Mitwirkende, die diese Aufgabe mit übernehmen und als Botschafter/-innen agieren. Ziel ist hier eine graduelle Verlagerung der Autorenschaft von Designer/-innen auf Bewohner/-innen zu bewirken und um Aufmerksamheit in der Nachbarschaft zu erlangen. Um dies zu erreichen, fand der Kiez-Workshop statt, der im November 2011 im Kreativhaus mit etwa 25 Teilnehmer/-innen unterschiedlichsten Alters, Bildungsherkünften und individuellen Hintergründen durchgeführt wurde. Nachdem wir unsere Forschergruppe sowie den Projektaufbau vorgestellt hatten, begann der Workshop mit experimentellen Design Games,16 um die Teilnehmer/-innen für das Thema zu sensibilisieren und die Grundlage für einen offenen Diskurs zu schaffen. Die Teilnehmer/-innen wurden gebeten, die kommunikative Situation des Kiez durch Materialkarten zu erklären. Dadurch wurde jeder herausgefordert, ohne logische Einschränkungen assoziativ zu denken. Durch das gemeinsame Mapping der Interaktionsorte auf der Insel kamen viele interessante Themen und Herausforderungen zur Sprache.
Abb. 4: Die Botschafter beim Beschreiben der Materialkarten
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Sametinger und Schubert
Die Bewohner/-innen wünschten sich für das gemeinsame Handeln eine Stärkung der lokalen Gemeinschaft bzw. eine Verbesserung des sozialen Gefüges in der Nachbarschaft. Gleichzeitig ahnten sie Schwierigkeiten bei der Organisation einer lokalen Community of Practice außerhalb existierender Strukturen wie die des SCC.
Abb. 5: Der ›Kiez Workshop‹
Ausblick Die erste Projektphase brachte uns zentrale Erkenntnisse über die Vergangenheit des Fischerkiezes, die damit zusammenhängende Konnotation spezifischer Medien und Interaktionen, existierende sowie fehlende Kommunikationsstrukturen, Veränderungen bezüglich des Zusammenlebens im Kiez und aktuelle Probleme durch politische, architektonische sowie städteplanerische Gegebenheiten. Die regelmäßigen partizipativen Workshops lehrten uns den angemessenen Grad der Partizipation. In einigen Fällen war die ganzheitliche Teilhabe zu früh im Prozess angedacht worden. Durch das Wechselspiel zwischen Input-Workshops unsererseits, mit detailliertem Feedback der Teilnehmer/-innen und Output-Workshops, in denen die Teilnehmer/-innen selbst Designaufgaben übernahmen, wurden immer mehr zufriedenstellende Einsichten generiert.
16 Sanders, Elizabeth B.: »Generative Tools for CoDesigning«, in: Steven A.R Scrivener/Linden J. Ball/
Andree Woodcock (Hg.), Collaborative Design – Proceedings of CoDesigning 2000, Mainz: Springer-Verlag 2000.
Infrastrukturen
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Nach der Projektlaufzeit von zwei Jahren konnte eine schrittweise Zunahme der Verantwortung seitens der Teilnehmer/-innen, und ein damit einhergehender Wandel unserer Rolle von »Initiatoren« zu lediglichen »Prozessbegleitern« und »Vermittlern« festgestellt werden. Unsere Verantwortung wird also schrittweise auf die Teilnehmer/-innen übertragen, was ebenfalls eines der Ziele unseres Projektes ist. Durch die unterschiedlichen Interventionen konnten die Reaktionen der Bewohner/-innen eingefangen, unser Projekt publik gemacht und die Akzeptanz für experimentelle Interfaces getestet werden. Durch diese Erkenntnisse können wir die Rahmenbedingungen für die nächste Prozessphase, also die Gestaltung der einzelnen Elemente der Infrastruktur, konkreter abstecken. Der nächste Schritt sieht nun vor, die theoretischen Erkenntnisse anhand einer konkreten, abgeschlossenen Design Case Study in die Praxis zu überführen. Diese soll die Entwicklung einer offenen Infrastruktur beinhalten, die es Teilnehmer/-innen ermöglicht über unterschiedlichste analoge und digitale Zugangspunkte Wissen zu tauschen, (politische) Entscheidungen im Kiez mitzugestalten und sich für ihre Nachbarschaft zu engagieren. Entscheidend wird dabei sein, bestehende Strukturen mit einzubinden und gegebenenfalls weiterzuentwickeln, um den Teilnehmer/-innen den Zugang und die Involvierung zu erleichtern. So wird eine mobile Webapplikation ebenso Teil der Infrastruktur sein wie Nachrichtentafeln in den Hochhäusern, digitale Briefkästen im Kreativhaus oder Ideenmaschinen-Prototypen am Eingang des Schwimmbads.
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Sametinger und Schubert
Infrastructure of Justice? Citizen Participation in Public Transport Richard Herriott
Introduction This article examines the context of public design and argues that co-design is compatible with a social contractarian conception of the relationship between passengers and providers of public transport. It proposes using Sherry Arnstein’s concept of the ladder of participation to analyse the existing relationship between userspassengers and those who provide public transport solutions. Public transportation exists in an ambiguous zone between the market and the public sector. This is the design context. The interests of producers are market-orientated. Some, but not all operators, are market-driven. The provision of public transport itself is a non-market good or a pseudo-market good. In the sense that democratic decisions about the provision of public goods are passed to actors operating in market conditions, the context of public transport design is not ideal. Disabled and elderly users are still disenfranchised.1, 2 Public transport design is neither open nor accountable nor democratic in that voters do not have control over design decisions. Thus it is not truly socially responsive. The process by which detail design decisions are made is not subject to public scrutiny. The democratic requirement for equitable, barrier-free transport is confounded by the market-orientated interests of large commercial organisations operating in a context of geographically and temporally dispersed networks. Producers cite organisational reasons for difficulty in implementing inclusive design,
1 Gybels. Guido: Speech given at the Railways Interiors Expo, Köln Messe, Köln, Germany. 2005. p. 1
2 Frye, Ann: »Transport Accessibility in Europe: Findings of the EuroAccess Project.« 2009,
Http://www.euro-access.org/ dissemination/EA_diss_ AFrye_findings.pdf
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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as described by Hua Dong.3 However, the various barriers described by Hua Dong are intra-organisational in character. These would include the culture of the organisation. Larger scale barriers exist. This paper describes these. In contrast with this analysis of public transport is the generally held view that designers have been »moving increasingly closer to the future users of what they design«. 4 Morelli writes that »Competitive advantages for companies consist of generating innovation at the local level, and for individual people.« 5 One might expect then that user-involvement and co-design might be more widely used by rolling stock producers to develop a competitive advantage. This article considers examples from rail-based public transport rather than road. Rail-transport is composed of elements with a long service life and is comparatively inflexible compared to road-based systems. Inadequacies in road-based transport can be ameliorated with greater ease than in rail where the service life of equipment is measured in decades. Considerable care, therefore, is needed in deciding how rail-transport is to be arranged. Failures in planning and policy are failures with a considerable life-span. Theoretical Framework This section looks at the justifications for co-design and participatory design and notes that these justifications are relative rather than absolute. An argument then follows that John Rawls’ concept of deriving a fair social contract provides a higher level of justification. This article takes co-design to be a development of the concept of participatory design and that co-design is »collective creativity as it is applied across the whole span of a design process«.6 Participatory design emerged in North European countries in the 1970s. That the emergence of this mode of design occurred in the more strongly social democratic states is not co-incidental. Socialdemocracy is an attempt to redistribute resources within society and participatory design is an attempt to redistribute decisionmaking and creative inputs between maker, designer and user. One can link participatory design and inclusive design by noting the shared objective of designing products that are better matched to the needs of the user. Participatory design and inclusive design differ conceptually in that the former is a design process and the latter can be an end point of any given design process. The stated argument for participatory design is that it would increase the value of industrial production by linking the skills of designers with the experience of workers. It widens the range of interested
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Richard Herriott
parties but only to include labour as well as the managerial or owning group. Arguments for inclusive design have been made at the level of design-reasoning. This is that it makes for »better design« and »good business«7. Arguments for the design process and the design goal both stand or fall on the test of whether they add value. This is a weak argument. If such design outcomes and processes do not have a demonstrable commercial advantage they can be discounted. Arguments for co-design and inclusive design appeal to commercial and ethical considerations on the assumption that both sets of considerations are not antithetical to one another.8 But ethical considerations can be viewed as being problematic for producers and designers since accommodating them can lead to extra demands on time and resources so as to optimise the product’s requirements. 9 Commercial reasoning can lead to the view that co-designed products are not as acceptable to the mainstream of the market.10 And in power terms, companies are not democratic entities. They are primarily and usually structures of authority managed for the generation of profit for owners and shareholders. Ceding power (to users) in the design process means some control is accorded to parties whose direct interests are not necessarily the same as the producer’s or designer’s. At the level of design – within the domain of design – arguments for inclusive co-design do not trump all others. Actors can decide what weight to accord different competing values and proceed accordingly. It is possible to make a sound commercial case to discount certain potential users. To find justifications for design processes that redistribute power, time and resources away from key stakeholders in design and production it is necessary to move up a level of abstraction. An analogy is, considered from within the framework of business, externalising costs to the environment (emitting pollution) or restricting of the demands of the labour
3 Hua Dong: Investigating Perceptions of Manufacturers and Retailers to Inclusive Design. The Design Journal, 7 (3), 2003, pp. 3–15, here p. 10. 4 Sanders, E., Stappers, Pieter Jan: Co-Creation And The New Landscapes of Design. Co-Design, Vol 4, No 1, 2008, pp. 5–18. 5 Morelli, Nicola: »Social Innovation and New Industrial
Contexts« Design Issues, Vol 23, Number 4. Autumn, 2007, p. 2. 6 Sanders & Stappers: Co-Creation And The New Landscapes of Design, here p. 7. 7 Clarkson, John. Coleman, Roger et al.: Inclusive Design Toolkit. Cambridge, Engineering Design Centre 2007. Pp. 1.18–1.29.
8 Keates, Simeon and Clarkson, John: Countering Design Exclusion. London, Springer 2004, here pp. 34–49. 9 Hua Dong: Barriers and Drivers for Inclusive Design: Designers’ Perspective. In »Proceedings of Include 2009«, London 2009, p. 1. 10 Hua Dong: Barriers and Drivers for Inclusive Design: Designers’ Perspective, p. 1.
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force (keeping wages low) are entirely reasonable. Waste treatment and wages are a cost to business and need to be kept to a minimum. Only external forces from wider society can impose costs on business through consistently enforced rules legitimated by democratic processes. As a subject of the legal framework, a commercial enterprise must pay regard to legal norms and act accordingly on the proviso that all other similar commercial enterprises are bound by the same rules and norms. The next section looks at arguments for a supra-design case for co-design and inclusive design. Rawls’ theory of justice As a starting condition, Rawls11 assumed the existence of a »wellordered society … designed to advance the good of its members and effectively regulated by a public conception of justice«12 This is a reasonably accurate description of the countries of Western Europe or of how they wish to be understood. The argument put forward by Rawls is an attempt to balance liberty and equality. In the case under consideration, public transport, the focus is on the liberty of citizens to travel unimpeded, the liberty of producers and designers to work in a commercially realistic mode and the equality of all parties. Rawls’ hypothetical contract theory was put forward in the wider context of how society can allocate moderately scarce resources in a fair manner. As a mental model he asks what kind of a society one would reasonably prefer if one did not know under what circumstances one would live if placed within that society. These conditions are presented in order to arrive at a set of fundamental agreements that would govern society. His argument is that individuals should choose mutually acceptable principles of justice. Central to the mental model is the notion of the »veil of ignorance.« The consequence of this condition is that the person does not know the circumstances under which they will find themselves when placed in society. If there is a possibility that one would be disadvantaged under the new conditions, one would reasonably prefer that the structure of society would be such that one would not suffer due to this disadvantage. Rawls’ description of the veil of ignorance is that behind it »no one knows his place in society, his class position or social status; nor does he know his fortune in the distribution of natural assets and abilities, his intelligence and strength…«13 Under the hypothetical conditions one might or might not be elderly, disabled, rich or especially favoured in terms of status. Since one could experience any of these condi-
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tions once the veil is lifted, Rawls’ model provides an insight into considering society and its arrangements from a perspective other than one’s own. Rawls used this model to propose that people would and indeed should tend to prefer an equitable society. Towards this end he focused on devising a set of fair rules for the allocation of resources. One can also use this thought experiment in a much more narrow fashion to consider what might be the most inherently just way to design the products of society and the best way to arrange the context of design. Rawls’ thought experiment asks participants to consider themselves in a changed position. Using this model, one can ask whether public transport would be designed in the way it presently is if those who legislated, regulated, designed and produced it were in the position of those who use it. What such a system might then look like will be a matter to which this paper returns to later. Arnstein’s Ladder of Citizen Participation Using cases drawn from urban renewal, anti-poverty programmes and the Model Cities programmes of the 1960s, Sherry Arnstein devised a »Ladder of Citizen Participation«14 which outlines different levels of participation in the planning of public projects. The lowest rungs of the ladder are termed Manipulation, Therapy and Informing. These are grouped as »Non-participation.« The middle rungs are Consultation, Placation and Partnership. The middle three are termed Tokenism. The highest rungs are Delegated Power and Citizen Control. The last three are »citizen power«. Arnstein defines this as »the redistribution of power that enables the havenot citizens, presently excluded from the political and economic processes, to be deliberately included in the future. It is the strategy by which the have-nots join in determining how information is shared, goals and policies are set, tax resources are allocated, programmes operated…«15 The point at which public involvement begins to open the possibility of the public’s views being translated into a policy is
11 This section is only intended to deploy some of Rawls’ thinking in a new context. It is not intended as further exegesis on his ideas which is more a matter of political science and philosophy than design.
12 Rawls, John: A Theory of Justice. Cambridge USA, Harvard Univerity Press 1971, p. 5.
14 Arnstein, Sherry R: A Ladder of Citizen Participation. JAIP, Vol. 35, No. 4, 1969, pp. 216–224.
13 Rawls: A Theory of Justice, p.12.
15 Arnstein: A Ladder of Citizen Participation, p. 2.
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Arnstein’s fourth stage, »Consultation«. This must be »combined with other modes of participation« if it is to be a valid process.16 Consultation must be accompanied by an assurance that citizen concerns and ideas will be taken into account. »The most frequent methods used for consulting people are attitude surveys, neighbourhood meetings and public hearings«.17 If interest groups become members of boards and panels Arnstein terms this Placation. The process is empty if the citizen interest groups can be easily out-voted or outmanoeuvred at decision time. The degree to which citizens are actually placated depends largely on two factors: »the quality of technical assistance they have in articulating their priorities; and the extent to which the community has been organised to press for those priorities.« 18 Arnstein’s concepts of Delegated Power and Citizen Control were devised in the context of the politics of urban renewal in the US in the mid 1960s. For the purposes of this article, the design of rail transport is considered using Arnstein’s model. The model is used as a critical tool to examine how it is that decisions affecting design in public transport are taken and to also examine the context and conditions of that design.
Fig. 1: Arnstein’s ladder of participation
Arnstein points out that the ladder model has limitations. While juxtaposing »powerless citizens« with »the powerful« the reality is that »…neither the have-nots nor the power holders are homogenous blocs. Each group encompasses a host of divergent points of view, significant cleavages, competing vested interests, and
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splintered sub-groups«.19 This description evokes Rittel’s wicked problem: »situations with multiple stakeholders, competing interests leading to an inability to formulate the problem.«20 Synthesis The value of Rawls’ mental model is that we can use it to ask ourselves to imagine how else we could order the circumstances of the design of public transport. It can be used to provide a reasoned alternative to the arrangement as we find it. Arnstein provides a critique of elements of the existing ways in which the needs of the public are met by the process in which policy on transport are turned into design decisions at the level of a) the pre-planning consultation and b) the design of the final products. Rawls’ argument, in the context of the organisation of society at large, is that from behind a veil of ignorance we might choose a society that maximised fairness and justice, where these are equated with there being an equitable distribution of power and resources. We can ask about the existing framework in public transport design what fairness is and how it might be translated into a substantial structure and final product. Fairness can be defined as an arrangement that allowed equal access to a barrier-free transport system. To achieve this end, one could propose that the power to define standards for this system and the opportunity to genuinely participate in the shaping of policy and design decisions (Arnstein’s higher levels) would be system we would insert word. Arnstein recognizes that the divisions between the citizen and power holders are not clearly cut. Rawls has argued in considerable detail that it is rational to act morally, that is to say choosing a system that maximises fairness and equality is beneficial to all participants. That participatory design developed first in Scandinavian countries in the 1960s may be due to the general acceptability of social-democratic political principles. Among these principles is the redistribution of wealth. One can derive from the idea that redistribution of power is also socially desirable. Participatory design is just such a redistribution with benefits that accrue to the actors involved. It has not been stated clearly how such ideas might relate to inclusive design.
16 Arnstein: A Ladder of Citizen Participation, p. 6
18 Arnstein: A Ladder of Citizen Participation, p. 7.
17 Arnstein: A Ladder of Citizen Participation, p. 6.
19 Arnstein: A Ladder of Citizen Participation, p. 3.
20 Rittel, H.W.J. & Webber, M.M:. Dilemmas in a general theory of planning. Policy Sciences, 4 (1), 1973, pp. 155–169.
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Balaram21 has drawn attention to the economic and political implications of design: »Design in the economically developing world is beyond an activity that is concerned with formal qualities and superficial aspects aimed at boosting sales.« And D’Souza22 asks if universal design can be read as a critical theory due to its stance on social issues and inclusion and the power relationships that exist between users and those that produce and design their products. The short answer is no, universal or inclusive design is not a critical theory but an answer to an as-yet imprecisely formulated question. Both Balaram and D’Souza point out problems in society that inclusive design can help manage but do not point to an underlying moral rationale. Co-design and participatory design also seem to be methods for achieving a desirable social end but grounded at the level of design thinking. Using the framework of Rawls coupled with the critical tools of Arnstein, a consistent, coherent and objective approach from outside design and industrial considerations can be arrived at. How should we design a Rawlsian public transportation system? The proposition is that in the light of Rawls and Arnstein, public transport would be designed and provided in a rational, transparent way. From behind a veil of ignorance we would choose a system that gave a voice to all stakeholders and represented the fairest distribution of resources and influence. This is because we would not know if we would have the role of passenger, designer, producer or operator. Public consultation would take place and have a proportionate impact on standards, legislation and the individual details of public transport systems. This is in line with Arnstein’s conception of full and meaningful public participation. A participative development model would apply co-design principles to the design process. This would allow producers and designers to create products that best suited the environment into which they would be fitted. A legal framework would ensure that all designers and producers adhered to the same rules thus keeping commercial competition on a level playing field. While there is scope in a Rawlsian conception of public transport design for the private, free-market competition for the design and building of public transport infrastructure, the linkage between the producer and the market should be quite tight. Each equipment set must be constructed and specified with the interests of regional users rather than bought »off the shelf« as is sometimes the case. A situation where,
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for example, a producer commissioned design-work from a third party and sold it to a system-operator without public input would be far from ideal. Should consultation come after the development process is finalised we would also conclude this was not ideal. The Rawls-Arnstein synthesis provides a moral rationale to industrial design and is consistent with co-design processes. But instead of applying them where the linkage between user group is quite direct, it allows for their application in larger populations. It also provides a model against which to compare real-world examples. These now follow. How do we actually design public transport? The public transport industry, on one side, demonstrates a profound tension between the commercial imperatives for scale and global presence and, on the other side, the need to provide products that are situated in very specific cultural and geographical contexts. Morelli writes »Although the debate on globalisation requires a wide perspective on global problems, a real understanding of the present situation is only possible when focusing on local instances«23. Public transport is fundamentally a local, situated system. It uses products manufactured in a globalised world but the users are primarily not themselves globalised. Public transport shows the problem of how globalised products can sit uneasily, for a variety of reasons, in local contexts. An investigation into the arrangement of nine public transport systems in seven different countries reveals a context of design that features producers, designers and commissioners spread over a wide geographical area. The data is collected in Table 1 below. The purpose of presenting this information is to make clear the potential gap between how one might conceive of a well-organised system of production and how the system actually is ordered. Rolling stock and particularly carriage interiors and equipment are provided by a small number of producers operating in a large international market. For example, the Alstom Citadis light rail vehicle is effectively the standard tram in France and 860 examples are in use worldwide24. There has been considerable con-
21 Balaram, Singanapalli: »Universal design and the majority world« in Preiser WFE et al., (ed) Universal Design Handbook. Columbus, OH, USA, McGraw Hill, 2001, section 5.1.
22 D’Souza, Newton: »Is universal design a critical theory?« in Keates, S et al. (Eds.) Designing a more inclusive world; Springer-Verlag,
23 Morelli: Social Innovation and New Industrial Contexts, p. 2. 24 Railway Technology, 2010: www.railway-technology.com
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solidation in the industry in the last twenty years with firms closing or being taken over. The main producers in Europe are Bombardier, Siemens, Alstom and Stadler. Design is handled internally and externally, with some companies showing a preference for outsourcing this activity. Siemens has contracted work to BMW Designworks of California, USA. AnsaldoBreda has commissioned design from Zagato and Italdesign of Italy. Stadler uses its own in-house designer and Werner Paulesson. At another level, the commissioners of carriage interiors also have design input based on their local preferences and experiences. In some cases the design element constitutes the setting of requirements. These requirements stem from a complex mix of inputs from customer experience, business needs and regulatory demands. An alternative model to that of the distributed design chain is provided by Stuttgarter Strassenbahn (SSB) of Stuttgart, Germany. The original carriages were produced to SSB’s design by MAN and further work was carried out by Adtranz and its successors. Importantly, renovation and improvement of the rolling stock to a high standard is currently being undertaken. SSB has a permanent structure of user consultation groups and it carries out its own refurbishment.25 There is a strong linkage between the input of the user groups and the institutional knowledge of the organisation. The context of this is the stability of the ownership and management of the company which retains institutional knowledge.26 Metro of Copenhagen, Denmark, has an arrangement which is structurally similar to many of the other providers but, due to its emphasis on accessibility and inclusive design, it manages to provide a service that is recognised for its high level of inclusivity. Metro has run public-participation workshops to elicit information and views from the public. Designers assisted in the visualisation process.27 This model demonstrates that the distribution of responsibility between owners, operators, designers and manufacturers can be quite equitable. The Luas tram system in Dublin, Ireland, was specified by the Rail Procurement Authority and the tram units are provided by Alstom. The service is managed under contract with Veolia Transport Ireland. The contract has a seven year duration. Analysis of publically available documentation indicates that public consultation was focused on the placement of the lines and stations rather than to do with accessibility or industrial design. The involvement of interest groups came late in the design process so this consultation is focused on after-design fault finding and amelioration.28 The Aarhus (Denmark) light rail takes a similar approach to Dublin’s Luas. Consultation with users took place at the beginning
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of the development process and was general in nature. The system is being specified with the local public transport provider with design of carriages outsourced to a private consultant with a remit to make detail changes to a standard model. The system will be managed by a third party, under contract.
Location
Operator
Manufacturer
Designer
Date of first operation
Köln, Germany
Kölner VerkehrsBetriebe (KVB)
Bn, Belgium (Now Bombardier)
Bombardier (Germany)
Circa 2005
Bergen, Norway
Hordaland County Municipality / Bybanen As
Stadler Rail (Swizerland)
Abb Group, (Switzerland) And Werner Paulessen
2010
Aarhus, Denmark
Midttraffik
TBD
TBD
2017
Copenhagen, Denmark
Metro Service A/S (Serco Group)
Ansaldo Breda (Italy)
Italdesign (Italy)
2002
Dublin, Irland
Veolia Transport Ireland
Alstom (France)
Alstom (France) & Railway Procurement Authority
2004
Suttgart, Germany
Stuttgarter Strassenbahnen (SSB)
Düwag, Adtranz and Successors (Germany)
M.A.N. (Germany), Herbert Lindinger and Others
1964 (SSB GT4), 1985 (SSB DT8) 1996 and 2011
Barcelona, Spain
Trammet
Astom (France)
Alstom (France)
2004
Milan, Italy
Azienda Transporti Milanesi
Ansaldo Breda (Sirio Vehicles) And Adtranz (Eurotram, Now Owned By Bombardier)
Italdesign Zagato (Italy)
2000 (Eurotram), 2002 (Sirio)
Warsaw, Poland
Metro Warszawskie
Siemens (Germany)
Bmw Group Designworks (Usa)
2013
Table 1: Distribution of some producers, designers and providers in Europe
25 Shaw, Stephen: Designing in more passengers – light rail in Stuttgart. Access by Design Journal (Issue 119), Centre for Accessible Environments, 2009, pp. 27–32.
26 Schroeter, Rheinhold. 2010.Service Director, SSB Personal communication. 27 Priess Christnensen, Henrik, Designer, Copenhagen
Metro, Denmark, personal communication. 2010. 28 O’Brien, Niel, Architect, LUAS, Dublin, Ireland. Personal communication, 2010.
Infrastructure of Justice
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The extent to which design is affected from another direction, namely standards and regulation, is also a matter of great complexity. In this case, manufacturers and service providers and, to a lesser extent, interest groups have a say in the setting and implementation of standards such as the Technical Specification of Interoperability relating to ›persons with reduced mobility‹ known as the TSI-PRM, 2007. This standard has been the subject of critique from the Danish Handicapped Association »as representing the lowest common denominator of applicable standards.«29 The subject of how accessibility standards are created themselves is beyond the scope of this article. Conclusion The arrangement of actors in public transport design (with light rail selected as an example) is not arranged optimally. Using John Rawls’ mental model to ask ourselves how public transport should be designed one would expect a more rational alignment of producers, designers, users and operators. If public transport is there to serve the public we would expect more public participation in planning processes and user-participation in design processes than we find in reality. Using Rawls’ model we would reasonably expect that co-design and participatory design were fair and equitable means to match the products of the industrial design process with the needs of citizens and users, particularly elderly and disabled users. The system would be a more redistributive one in terms of how resources were allocated. Accessibility is about a holistic approach to design and provision – a point made by Marques et al. in the 2009 Mediate report on accessibility in Europe.30 What we would not expect if creating a system of producing public transport from scratch would be a system where the trains were designed, built and used in three different places without the users having any input into the design process, or where, at best, users’ input occurs during the drafting of standards which are then interpreted without any further reference to users’ needs or wishes. The current system has evolved through a complex interaction of historical processes (change in ownership of producers) and economic and geographical factors. One major factor is that Germany and France both have large internal markets to nurture the development of internationally competitive light rail producers. And in contrast to another large, industrialised country, Britain, they have more consistently supported light rail solutions. Accepting that the economic geography of light rail production is not something that can be altered, it becomes even more impor-
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Richard Herriott
tant that the main actors are more responsive to users’ needs in the commissioning of light rail, its specification and operation. Discussion Morelli writes that »competitive advantages for companies consist of generating innovation at the local level, and for individual people.«31 This examination of the existing structure of public transport design shows that there is room for improvement in the design process. From a purely mechanistic and self-interested point of view, rail manufacturers and operators would gain by accessing the local-knowledge and experience of their users. There is also a moral justification. There is either a need to bring co-design into the process of designing train interiors or a need to ensure that all other elements of the process of commissioning these fully acknowledge the preferences and wishes of users. Ideally, in a fair process, citizens and users are present and empowered both in local consultative processes and also that manufacturers tailor their products to those who use them. Redistribution channels resources and wealth. Among other benefits this allows citizens to redistribute themselves. Public transportation systems permit this movement, making links between one citizen and the next and between the places in which those citizens live. The existence of a public transport system is not sufficient. The system itself must be as barrier-free for disabled and elderly citizens as it is for the able-bodied. This is still not the case. Systemic problems arise from the dispersed and complex network of designers, manufactures, operators and regulators. With reference to John Rawls’ concept of the veil of ignorance, the question is whether we would choose to have the structure of public transportation design we now have or whether we would choose another. The existing network of actors involves multiple stakeholders, multiple agendas and multiple contexts. As it stands it is not a well ordered structure. There is scope for optimism in that the example of the Copenhagen Metro shows how
29 Nielsen, Lene: 2009 http://danskhandicapforbund. dk/pdf/hoeringssvar/ EU-forordning.doc.pdf. 2009. 30 Marques et al.: Mediate WP2 – Identify indicators for
describing accessibility. Task 2.1 Review of previous and existing initiatives and methods for defining and measuring accessibility in public transport. Lisbon: TIS. Pt. 2009, p. 115.
31 Morelli: Social Innovation and New Industrial Contexts, p. 4.
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the potential gaps between users and operators can be bridged using design tools and meaningful consultation. This can also be done while producing a system that is economically viable, functional and aesthetically satisfactory. Stuttgart’s SB system offers another model with greater vertical integration of the elements. But again, design and design processes ensure the results are inclusive, functional and rational. Both Metro and SSB show how socially responsive design can be arrived at from two different starting points.
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Richard Herriott
6 Interaktion und Grenzen
Ernsthaft spielen Zur Stakeholder-Integration in interdisziplinären Entwicklungs prozessen Christian Wölfel / Klaus-Peter Schulz / Jens Krzywinski und Daniela Menzel
Einführung Aus wirtschaftlicher Perspektive ist für Unternehmen eine permanente Anpassung an Markterfordernisse und insbesondere an Kundenbedürfnisse erfolgsentscheidend. Weiter verstärkt wird dies durch hohe Technologiedynamik, Verkürzung von Produktlebenszyklen und die nach wie vor zunehmende Vielfalt und Komplexität von Produkten und Prozessen. Die aktive Einbindung potenzieller Nutzer und Kunden in Entwurfs- und Entwicklungsprozesse ist daher ein erfolgversprechender Ansatz, um vielfältige Perspektiven zu integrieren und neue, häufig nutzergetriebene Impulse aufzunehmen.1 Entstanden in den 1970er Jahren,2, 3 finden derartige partizipative Prozesse unter anderem in den Bereichen der Stadtplanung, der politischen Bürgerbeteiligung, der Unternehmensmitbestimmung, aber auch des Interaktions- und des Produktdesigns in der Praxis zunehmend Akzeptanz. Mitunter sind sie bereits institutionalisiert, etwa durch öffentliche Anhörungen oder Gremien. In anderen Bereichen wie der Organisationsgestaltung, dem Investitionsgüterdesign oder in der technischen Produktentwicklung hingegen, ist die aktive Einbindung von Kunden, Auftraggebern oder weiterer an der Realisierung der Entwürfe beteiligter Partner bereits zu Beginn des Entwicklungsprozesses bislang eher die Ausnahme.
1 Yanow, Dvora: »Translating local knowledge at organizational peripheries«, in: British Journal of Management 15 (2004), S. 9–25.
2 Lee, Yanki: »Design participation tactics: the challenges and new roles for designers in the co-design process«, In: CoDesign 4/1 (2008), S. 31–50.
3 Sanders, Elizabeth/ Stappers, Pieter Jan: »Co-creation and the new landscapes of design«, in: CoDesign 4/1 (2008), S. 5–18.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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Dabei zählen eine zielgerichtete Konzeption, effiziente Entwicklung und erfolgreiche Markteinführung innovativer Produkte zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren von Unternehmen.4, 5 Entsprechend werden Open-Innovation-Ansätze6, 7 zunehmend diskutiert, um eine gemeinsame Ideenentwicklung von Partnern mit unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen zu fördern. Allerdings mangelt es bislang an geeigneten Methoden, um Open Innovation zu ermöglichen und effizient zu machen. Damit eine tatsächliche Ko-Konfiguration im Sinne einer kundenintelligenten Produktentwicklung8 stattfinden kann, muss zunächst eine gemeinsame kommunikative und kooperative Basis geschaffen werden.9 Um Konzeption und Entwurf bereits in den ersten Phasen von Entwicklungsprozessen gemeinsam erarbeiten zu können, ist neben Kommunikations- und Kooperationsrahmenbedingungen ein gemeinsam geteiltes Verständnis der beteiligten Akteure über Disziplin- und Funktionsgrenzen hinweg essenziell. Insbesondere die auf dem Ansatz der Aktionsforschung basierenden Methoden10 setzen dafür Entwurfsrepräsentationen in Form von Prototypen, Mock-Ups oder Vorgängerprodukten voraus. Allerdings fehlen in frühen Entwurfsphasen oder in Organisationsentwicklungsprozessen als Anker kooperativer Prozesse derartige gegenständliche Repräsentationen. Zudem erfordern die bisherigen Methoden entweder spezielles gestalterisches Können, sind zu wenig aussagekräftig oder bringen die kreativen Potenziale der Beteiligten unzureichend zur Geltung. Im Rahmen des Beitrags soll theoretisch-konzeptionell umrissen und anhand zweier konkreter Fallbeispiele erläutert werden, wie mithilfe der spielerischen Methode »serious play« 11 die Entwicklung gemeinsamen Verstehens und Handelns in Entwurfsund Entwicklungsprozessen zwischen Partnern unterschiedlicher institutioneller und disziplinärer Herkunft gefördert werden kann. Serious play kombiniert das konkrete Gestalten von Metaphern mit der intuitiven, spielerischen Auseinandersetzung (Dialog) mit dem Gegenstand. Die dabei verwendeten Bausteine oder Bastelmaterialien bieten insbesondere gestalterisch unerfahrenen Personen die Möglichkeit, sich aktiv an kreativen Prozessen zu beteiligen. Durch das Entwickeln des Modells werden Ideen vergegenständlicht und anschließend verbal den anderen Teilnehmern erläutert. Die Bedeutung der Metapher entwickelt sich somit in beidem, dem Gestaltungs- und dem Erläuterungsprozess (»story-telling«). Der Fokus der dargestellten Fallbeispiele liegt auf der Methodenanwendung in frühen Entwicklungsphasen komplexer Produkte, Strukturen und Prozesse – dort, wo bislang kooperatives Handeln
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Wölfel / Schulz / Krzywinski / Menzel
mangels erst in späteren Entwicklungsphasen verfügbarer gegenständlicher Repräsentationen erschwert ist. Innovations- und Veränderungsprozesse Der Begriff Innovation wird heute vielfältig zur Bezeichnung von Erneuerung oder dem Schaffen von Neuem in unterschiedlichen technischen und gesellschaftlichen Bereichen verwendet.12 »Innovation can then be defined as encompassing both stages – the development of ideas – creativity; followed by their application – the introduction of new and improved products, services, and ways of doing things at work. Innovation, I shall argue, is therefore a two-component, but essentially non-linear process, encompassing both creativity and innovation implementation. At the outset of the process, creativity dominates, to be superseded later by innovation implementation processes«.13 Damit steht der Begriff sehr nah an dem des Entwerfens.14 Innovation bedeutet darüber hinaus eine ausreichend hohe Akzeptanz
4 Rogers Everett M.: Diffusion of Innovation, New York: Free Press 2003. 5 Bausch, Andreas/ Rosenbusch, Nina: »Innovation und Unternehmenserfolg: Eine meta-analytische Untersuchung«, in: Die Unternehmung, 60/2 (2006), S. 125–140. 6 Chesbrough, Henry: Open Innovation: The New Imperative for Creating and Profiting from Technology, Boston: Harvard Business School Press 2003; Chesbrough, Henry: »Open Innovation: A New Paradigm for Understanding Industrial Innovation«, in: Henry Chesbrough/Wim Vanhaverbeke/ Joel West (Hg.), Open Innovation: Researching a New Paradigm, Oxford: Oxford University Press 2006, S. 1–12. 7 Reichwald, Ralf/Piller, Frank: Interaktive Wertschöpfung – Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung, Wiesbaden: Gabler 2006.
8 Victor, Bart/Boynton, Andrew C.: Invented Here – Maximising Your Organisation’s Internal Growth and Profitability, Boston: Harvard Business School Press 1998. 9 Sleeswijk Visser, Froukje/ van der Lugt, Remko/Stappers, Pieter Jan: »Sharing User Experiences in the Product Innovation Process – Participatory Design Needs Participatory Communication«, in: Creativity & Inn Man 16/1 (2007), S. 35–45. 10 Z. B. Sanoff, Henry: Community participation methods in design and planning, New York: Wiley 2000; Maurer, Martin/Githin, Rod P.: »Toward a reframing of action research for human resource and organization development – Moving beyond problem solving and toward dialogue«, in: Action Research 8/3 (2010), S. 267–292. 11 Roos, Johan/Victor, Bart: »Towards a new model of
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strategy-making as serious play«, in: European Management Journal 17 (1999), S. 348–355. 12 Z. B. in: West, Michael A./ Farr, James: Innovation and creativity at work – Psychological and organizational strategies, Chichester: Wiley 1990. 13 West, Michael A.: »Sparkling fountains or stagnant ponds: an integrative model of creativity and innovation implementation in work groups«, in: Applied Psychology – An International Review, 51 (2002), S. 355–424. 14 Kranke, Günter/Uhlmann, Johannes: »Innovation durch Design. Eine universitäre Aufgabe«, in: Norbert Hentsch/ Günter Kranke/Christian Wölfel/Jens Krzywinski/Frank Drechsel (Hg.), Innovation durch Design, Dresden: TUDpress Verlag der Wissenschaften Dresden 2009, S. 266–282.
245
des Entworfenen, allgemein mit den Begriffen Invention und Diffusion beschrieben. Entsprechend der Vielfalt dessen, was mittels Entwerfen neu geschaffen werden kann und welche Kriterien für die Bewertung der Akzeptanz oder des Erfolges herangezogen werden können, existieren zahlreiche durchaus variierende Auslegungen des Begriffes Innovation. Abbildung 1 zeigt ein Modell des Innovationsprozesses mit den Entwurfshandlungen als Kern.
Abb. 1: Innovationsmodell mit Entwerfen als Kern
Im Fall kooperativer Erneuerungsprozesse im Sinne des Open-Innovation-Paradigmas ist die Einbindung interner und externer Teilhaber (»stakeholder«) hervorzuheben. Die Invention baut auf (potenziellen) Bedürfnissen oder neuen (technologischen) Möglichkeiten auf. Die Diffusion durch Akzeptanz und somit der wirtschaftliche Erfolg von Innovationen hängt in der Regel davon ab, ob sie für potenzielle Nutzer (u. a. Teilhaber) auch eine Bedeutung erlangen können. Es lässt sich erneut die Zielsetzung des Open-InnovationAnsatzes ableiten: Gemeinsam mit potenziellen Kunden, Nutzern und anderen internen wie externen Teilhabern passgenauer auf deren Bedürfnisse hin zu entwickeln, erhöht die Erfolgsaussichten der Ergebnisse. Die frühzeitige Einbindung dieser unterschiedlichen Gruppen ist jedoch insbesondere dann, wenn es »nur« um die Verständigung auf Zielsetzungen vor Beginn der eigentlichen
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Wölfel / Schulz / Krzywinski / Menzel
Entwicklungsprozesse geht nicht problemfrei, wie im folgenden Abschnitt näher erläutert wird. Das Modell gemeinsam geteilter Verständnisse Bei komplexen Neuentwicklungen werden Entscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen bereits in den ersten Prozessphasen getroffen. Die Einbindung, Berücksichtigung und Überprüfung der Bedürfnisse und Anliegen zahlreicher interner und externer Teilhaber im Sinne eines Open-Innovation-Ansatzes ist jedoch in der Regel erst dann gewinnbringend, wenn allgemein verständliche Repräsentationen des Entwurfes bzw. der Produktidee vorliegen. Anhand derer können dann Prüfungen hinsichtlich unterschiedlicher Kriterien (wie User Experience, technische Funktion, Herstellbarkeit, Wirtschaftlichkeit) vorgenommen, kann evaluiert, gestaltet oder verbessert werden. Gerade bei technisch komplexen Produkten können aber in fortgeschrittenen Phasen des Produktentwicklungsprozesses häufig bestimmte Bedürfnisse oder Anregungen aus Gründen hoher Änderungskosten nicht mehr angemessen berücksichtigt werden15 oder es entstehen Zielkonflikte zwischen den Bedürfnissen der unterschiedlichen Teilhaber. Diese Probleme gewinnen zusätzlich an Bedeutung, wenn es sich nicht um Konsumgüter handelt, bei denen Käufer, Betreiber und Nutzer in der Regel in einer Person vereint sind, sondern um die Entwicklung von Investitionsgütern oder um organisatorische Veränderungsprozesse. Derartige Ko-Konfigurationsprozesse16, 17 basieren auf Kommunikations- und Kooperationsprozessen, in der Regel vermittelt durch Symboliken und Metaphern. Insbesondere in frühen Entwurfsphasen zeichnen sich die Repräsentationen durch ein hohes Maß an Abstraktion aus. Um deren Bedeutung zu erfassen, ist ein gemeinsam geteiltes Verständnis18 unter den Teilnehmern eines Ko-Konfigurationsprozesses erforderlich. Dieses entwickelt sich auf Basis längerfristiger Zusammenarbeit und ähnlicher professioneller Hintergründe der Kooperationspartner. Betrachtet man allerdings die Innovationsfähigkeit von Kooperationsgemeinschaf-
15 Z. B. Ehrlenspiel, Klaus: Integrierte Produktentwicklung – Denkabläufe, Methodeneinsatz, Zusammenarbeit, 3. Aufl. München: Hanser 2007. 16 Victor, B./Boynton, A. C.: Invented Here.
17 Pihlaja, Juha: Learning in and for production – An activity-theoretical study of the historical development of distributed systems of generalizing, Helsinki: Helsinki University Press 2005.
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18 Baitsch, Christof: Was bewegt Organisationen? Frankfurt, Zürich: Campus 1993.
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ten, so sind es insbesondere heterogene Gruppen, die Neuheiten hervorbringen.19, 20 Geht man bei den Kooperationsstrukturen über die klassischen Verfahren Ko-Konfiguration, mit den ZuliefererHersteller-Kunden-Beziehungen, und die Open-Innovation mit der Expertengemeinschaft 21 hinaus, so stellt insbesondere die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses als konstruktive Arbeitsgrundlage eine, wenn nicht die künftige Kooperationsherausforderung dar.
Abb. 2: Plattform modell heterogener Arbeitsgruppen
Es stellt sich die Frage, wie der Vermittlungsprozess in Kommunikation und Handlung22 ablaufen sollte, damit alle Teilnehmer eine gemeinsame Arbeitsbasis haben. Dafür müssen die Teilnehmer von Gestaltungs- und Innovationsprozessen die Möglichkeit haben, ihr Spezialwissen zu explizieren und zu vergegenständlichen. Dabei geht es um das »Verständlichmachen« einerseits und das »Darstellen« andererseits. Beide Aspekte sollten in einer Form realisierbar sein, die keine besonderen gestalterischen Fertigkeiten erfordert (und zulässt), da ansonsten der Prozess Gefahr läuft, designdominiert zu sein, womit die Perspektiven der Nicht-Gestalter unterrepräsentiert wären. Gemeinsam geteilte Verständnisse basieren sowohl auf explizitem Wissen als auch auf impliziten Hintergrundannahmen,23 sowie Überzeugungen. Insbesondere die Möglichkeit deren Integration in den Entwicklungssprozess bietet vielfältige Innovationspotenziale.24 Die Entwicklung eines gemeinsam geteilten Verständnisses in heterogen zusammengesetzten Arbeitsgemeinschaften bedeutet allerdings nicht, dass sich alle Teilnehmer auf eine gemeinsame Überzeugung verständigen, sondern vielmehr, dass sich die Teilnehmer untereinander verständlich machen können und die verschiedenen Perspektiven im Entwicklungsprozess angemessen vertreten sind.
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Wölfel / Schulz / Krzywinski / Menzel
Der Prozess stellt somit eine Reflexions- und Entwicklungsplattform25 dar, auf der gemeinsam kommuniziert und erarbeitet wird (Abb. 2). Diese Plattform ist allerdings nur temporär. Deshalb ist bei ihrer didaktisch-methodischen Ausgestaltung darauf zu achten, dass sie für die einzelnen Teilnehmer eine nachvollziehbare Verbindung zu ihrem jeweiligen Arbeitsumfeld darstellt.26 Theoretischer Rahmen und Lösungsansatz: »Ernsthaft Spielen« Wie oben bereits angedeutet, besteht die Herausforderung in der methodischen Konzeptualisierung des Plattformprozesses: Wie kann der Vermittlungsprozess von Handlung27 aussehen (vgl. Abb. 3), damit ein gemeinsam geteiltes Verständnis entsteht? Dabei sollte in Betracht gezogen werden, dass der Handelnde sich seiner Erfahrungen und Überzeugungen nur sehr eingeschränkt bewusst ist.28 Es gilt somit, den anderen Teilnehmern nicht nur (explizites) Wissen zu vermitteln, sondern gleichzeitig die eigenen Erfahrungen und Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen.
Abb. 3: Prinzip des Ernsthaften Spielens: intuitive Modellentwicklung als Vermittlungsprozess
19 M. A. West/J. Farr: Innovation and creativity at work. 20 M. A. West: Sparkling fountains or stagnant ponds. 21 Schulz, Klaus-Peter: Lerntätigkeit in Organisationen, Münster: Waxmann 2006. 22 Vygotskij, Lev S.: Denken und Sprechen, Weinheim: Beltz 2002. 23 Polanyi, Michael: The Tacit Dimensio, Garden City, New York: Doubleday & Company 1966.
24 Schulz, Klaus-Peter: »Shared knowledge and understandings in organizations – Its development and impact in organizational learning processes«, in: Management Learning, Vol. 39/4 (2008), S. 457–473.
26 Schulz, Klaus-Peter/ Geithner, Silke: »Between Exchange and Development – Organizational Learning in Schools through Inter-Organizational Networks«, in: The Learning Organization. Vol. 17 /1 (2010), S. 69–85.
25 Ciborra, Claudio U.: »The Platform Organization: Recombining strategies, structures, and surprises«, in: Organization Science, Vol. 7/2 (1996), S. 103–118.
27 L. Vygotskij: Denken und Sprechen.
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28 M. Polanyi: The Tacit Dimension.
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Insbesondere bei Open-Innovation-Ansätzen werden zur Ideenentwicklung in frühen Entwurfsphasen »tool-based methods« angewendet, bei denen mithilfe von Bausteinen, Bildern und Bastelmaterialien physische Modelle entstehen. Die Modellgestalter vermitteln die Bedeutung ihres Gebildes durch dessen verbale Erklärungen. Die Modellentstehung folgt einer konkreten Aufgabenstellung. Das gegenständliche Entwerfen an sich ist ein spielerischer Prozess, bei dem Kreativität und Intuition vorherrschen. Es handelt sich somit um eine Kombination von Zielorientierung und Instrumentalität mit Unsicherheit und Ungerichtetheit, die als serious play bezeichnet wird. Die Entwerfenden sind sich somit des Ergebnisses zu Beginn des Prozesses nicht bewusst. Die Motivation zur kreativen Gestaltung liegt im spielerischen Vorgehen, weniger im Erfüllen einer bestimmten Aufgabenstellung. Es handelt sich beim serious play um eine »Einladung mit den Händen zu denken« um das eigene Verständnis zu explizieren. Dieser Prozess des spielerischen und ergebnisoffenen Entwickelns bekommt durch die Ergebnispräsentation noch eine zusätzliche kreative Komponente – die erzählerische Vermittlung des Modells. Dieses story-telling ermöglicht es, das Ergebnis im Kontext darzustellen, zusätzliche Wissensdimensionen zu transportieren29 – dem Modell wird eine zusätzliche bzw. eine modifizierte Bedeutung verliehen. Serious play beinhaltet somit die beiden Komponenten der physischen Modellgestaltung30 und des story-telling. Das heißt, es besteht aus einer materiellen und einer volatilen Komponente, wobei sich die komplette Bedeutung des Artefakts nur in der Kombination ergibt. Wählt man nun Entwurfsmethoden bzw. »toolkits« aus, die von jedem beherrschbar sind und wenig künstlerische oder handwerkliche Fertigkeit erfordern, so kann davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer einer heterogenen Gruppe in der Lage sind, Modelle vergleichbarer Aussagekraft zu erstellen. Insbesondere die Möglichkeit manueller Gestaltung verbunden mit Verbalisierung erfordert unterschiedliche Kompetenzen, wobei die gestalterische Qualität des physischen Modells in den Hintergrund tritt und vielmehr die vermittelte Aussage an Bedeutung gewinnt. Dadurch werden zwangsläufig Verständnisse expliziert und gemeinsam geteilt. Zunächst abstrakte Fragestellungen und Konzepte werden vergegenständlicht und konkretisiert, was schrittweises Entwickeln gemeinsam geteilter Verständnisse ermöglicht. Der Prozess des ernsthaften Spielens übernimmt somit die vermittelnde Funktion im gemeinsamen Handeln. Er lässt sich in folgenden Schritten zusammenfassen:
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s s s s
Aufgabenstellung bzw. Eingangsfrage Physische, spielerische Modellentwicklung Verbale Erläuterung des Ergebnisses (story-telling) Reflexion, Klärung und Diskussion unter allen Teilnehmern. Fallbeispiel 1: Konzipierung von Produktideen durch Design Thinking
Das erste Beispiel beschreibt die spielerische Entwicklung von Ideen zum Einsatz von Augmented-Reality-Technologien in neuen Anwendungsszenarien und Produkten. Um die unterschiedlichen – in diesem Fall internen – Teilhaber vor Beginn eigentlicher Entwicklungsprozesse einbinden zu können, wurde ein zweitägiger Workshop erarbeitet, in dessen Rahmen interdisziplinäre Teams gemeinsam geteilte Verständnisse zum Entwicklungsziel auf zunächst abstrakter und anschließend auch gegenständlicher Ebene entwickeln und erproben können. Im vorliegenden Fall wurden prinzipielle Vorgehensweisen und Methoden des Designs in ein für Nicht-Designer handhabbares und moderiertes Format gebracht. Damit wurde das Problem in Teamprozessen hemmender unterschiedlicher Methodenkompetenz, beispielsweise unterschiedlicher Zeichenfertigkeiten, reduziert. Dies entspricht prinzipiell dem Ansatz des Design Thinking,31 Werkzeuge und Methoden des Designprozesses an Nicht-Designer weiterzugeben. Ein Phasenmodell des Design Thinking wird von Plattner et al. angeboten.32 Die Phasen Understand – Observe – Point of View – Ideate – Prototype – Test werden dabei flexibel, iterativ und ergebnisoffen durchlaufen. Mitentscheidend für den Erfolg von Design Thinking sind die Untersetzung der Phasen, die Implementierung unterstützender Methoden und die Zusammenarbeit im Team. Individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten kommen dabei jedoch ebenso zum Tragen:
29 Beispielsweise implizites Wissen, vgl. z. B. Thier, Karin: Storytelling – Eine narrative Managementmethode, Heidelberg: Springer 2006. 30 Roos, Johan/Victor, Bart/ Statler, Matt: »Playing seriously with strategy«, in: Long Range Planning 37 (2004), S. 549–568.
31 Hier verstanden in beiden gängigen Auslegungen: Einerseits designtypische Denkprozesse und damit verbundene Werkzeuge, andererseits auch deren Anwendung durch Nicht-Designer, allerdings hier dennoch für konkrete Produktentwicklungsaufgaben. Zum Begriff siehe auch Plattner, Hasso/Meinel, Christoph/ Weinberg, Ulrich: Design
Thinking. Innovation lernen – Ideenwelten öffnen, München: mi-Wirtschaftsbuch 2009. Sowie: Brown, Tim: Change by Design – How Design Thinking Transforms Organizations and Inspires Innovation, New York: Harper Collins 2009.
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32 H. Plattner et al.: Design Thinking.
»Design thinking begins with skills designers have learned over many decades in their quest to match human needs with available technical resources within the practical constraints of business.«33 Hierin liegt sowohl das wesentliche Potential des Design Thinking als auch der häufigste Kritikpunkt. Nicht-Designer können ohne die entsprechende Erfahrung kaum erfolgreich mit diesen Methoden arbeiten, da es hierfür einerseits häufig an notwendigen Fähigkeiten mangelt sowie andererseits ein langwieriges Erlernen und Erproben gegenständlichen Entwerfens nicht Bestandteil der Auseinandersetzung sind. Im Kontext des Fallbeispiels wurden diese Barrieren durch eine entsprechende Moderation und vorbereitete Materialien beispielsweise zur Erstellung von ad-hoc mood boards und schnellen Papier-Modellen reduziert und durch den Ansatz des Ernsthaften Spielens die damit verbundenen positiven Effekte bezüglich Motivation und flow genutzt. Damit verbunden ist eine Reduzierung der Komplexität auf ein leicht bearbeitbares Niveau. In den Workshop konnten Nicht-Designer eingebunden werden, ohne dabei auf die bisherigen »Designmacher« verzichten zu müssen. Vorgehensweise Im hier beschriebenen Workshop wurden Prinzipien des Design Thinking – des Nutzen von Designprozessen und -methoden auch durch Nicht-Designer – in einem interdisziplinären Team von unterschiedlichen Experten (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, Ingenieure, Designer) angewendet. Der Ablauf entsprach dem iterativen Wechsel von systematischer Analyse und Ernsthaftem Spielen. Beginnend mit einem allgemeinen Problem wurde über abnehmende Abstraktionslevel bis hin zu ersten konkreten dreidimensionalen Vergegenständlichungen »gespielt«. Das Ernsthafte Spielen baut dabei wie beschrieben auf eine physische und eine erzählerische Komponente (vgl. Abb. 4) auf. Die Produktideen wurden in zwei, aus typischen Entwurfsprozessen abgeleiteten Stufen gemeinsam entwickelt. Zunächst wurden in einem Wechsel aus individueller und Teamarbeit abstrakte Zielvorstellungen entwickelt und diskutiert. Dazu kamen neben »klassischen« Methoden wie Clustering, Brainwriting und Brainstorming insbesondere narrative 34 und visualisierende Methoden zum Einsatz, welche den Ansatz des Ernsthaften Spielens als Kombination von metaphorischer Externalisierung (ad-hoc mood boards, mood words, claims) und erklärender Geschichte
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Wölfel / Schulz / Krzywinski / Menzel
Abb. 4: Anwendung des Modells des Ernsthaften Spielens auf gegenständliche Entwurfsprozesse
(Persona,35 personal inventory, user stories, A Day in a Life36) in einem iterativen Prozess gerecht werden (Abb. 5). Diese Methoden sind im Design durchaus bekannt (wenn auch nicht überall etabliert), in der technischen Produktentwicklung jedoch bisher die Ausnahme. Als Ergebnisse dieser Phase standen Designkonzepte als »früher und überwiegend stabiler Bestandteil des Entwurfes«,37 welche »persönlich verbindliche Leitlinien und thematische Grenzen für den nachfolgenden Entwurf« ziehen und somit eine »Zieldefinition« liefern. Als solche sind Designkonzepte kooperativ entstandene geteilte gemeinsame Verständnisse über die Entwicklungsziele auf einem abstrakten Level. Darauf aufbauend wurde in einer zweiten Phase konkret gegenständlich »gespielt«: ein Zusammenspiel von (jetzt gegenständlicher) Externalisierung (Zeichnen38 und Entwurfshandeln39)
33
T. Brown: Change by Design.
34 Gabriel, Yiannis: Storytelling in organizations. Facts, fictions, and fantasies, Oxford: Oxford Univ. Press 2000; Gaßner, Robert/Steinmüller, Karlheinz: »Narrative normative Szenarien in der Praxis«, in: Falko E. P. Wilms (Hg.), Szenariotechnik – Vom Umgang mit der Zukunft, Bern: Haupt 2006. Siehe auch: Dindler, Christian/ Iversen, Ole S.: »Fictional Inquiry – Design collaboration in a shared narrative space«, in: CoDesign 3 (2007), S. 213–234. 35 Konkrete Beschreibung eines prototypischen Zielgruppenvertreters, auch Nutzerarchetypen. Der Begriff Persona wurde im Design von Cooper
eingeführt (Cooper, Alan: The inmates are running the asylum, Indianapolis, Ind.: SAMS 1999), detaillierte Darstellungen zur Persona-Methode bei Cooper, Alan/Reimann, Robert/ Cronin, Dave: About face 3 – The essentials of interaction design, Indianapolis, Indiana: Wiley 2007; und bei: Pruitt, John S./Adlin, Tamara (Hg.): The persona lifecycle – Keeping people in mind throughout product design, Amsterdam: Morgan Kaufmann/Elsevier 2006. 36 Eine Zusammenfassung zu narrativen Methoden im Designprozess ist zu finden bei: Wölfel, Christian: Designwissen – Spezifik und Unterstützung der Akquise durch reflexive und narrative Methoden (= Technisches Design, Band 7),
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Dresden: TUDpress Verlag der Wissenschaften 2012. 37 Krzywinski, Jens: Das Designkonzept im Transportation Design – Einordnung, Analyse und zukünftige Anwendung (= Technisches Design, Band 5), Dresden: TUDpress Verlag der Wissenschaften 2012. 38 Goldschmidt, Gabriela: »The Backtalk of Self-Generated Sketches«, in: Design Issues: history, theory, criticism 19 (2003), S. 72–88. 39 Gül, Leman F./Maher, Mary L.: »Co-creating external design representations: Comparing face-to-face sketching to designing in virtual environments«, in: CoDesign 5 (2009), S. 117–138.
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und Geschichte wurde hier mittels einfacher Papiermodelle und entsprechender use cases realisiert (Abb. 6). Selbstverständlich sind dabei keine konkreten Produktentwürfe entstanden, aber eine grundlegende Kenntnis der Wünsche und Ziele der jeweils anderen Beteiligten und ein gemeinsam geteiltes Verständnis konnten entwickelt werden.
Abb. 5: Lebenswelten erstellen
Abb. 6: Modellentwicklung
Ergebnis und Auswertung Es handelt sich bei beiden Fallbeispielen um eine explorative Studie. Zur Evaluation wurde die Methode der teilnehmenden Beobachtung40 angewendet. D.h. die Beobachter waren gleichzeitig am Prozess beteiligt. Die Beobachter nahmen an beiden Fallstudien teil, allerdings in unterschiedlichen Rollen. Die Beobachtung wurde mithilfe eines teilstandardisierten Bogens dokumentiert, die Ergebnisse kategorisiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.41
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Der für das Spielen typische flow 42 konnte bei allen Teilnehmern beobachtet werden – unter anderem in Form von Weiterspielen nach Abschluss der entsprechenden Phasen innerhalb des Workshops. Das spielerische Entwickeln von Produktideen erlaubte die Verbindung von konkreter Absicht mit Spontanität. Dabei entstanden geteilte Verständnisse innerhalb der heterogenen Teilnehmergruppe. Ad-hoc-Narration und rough prototyping funktionieren hier durch den spielerischen Ansatz, moderiert und in der Gruppe. Narrative Komponenten im Kontext technischer Produktentwicklungen finden bei Nicht-Designern ohne entsprechende Einbettung wie im beschriebenen Workshop kaum Akzeptanz.43 Hier jedoch ist die Akzeptanz sehr groß und geht so weit, dass einzelne der teilnehmenden Nicht-Designer in ihrer weiteren individuellen Arbeit nach Abschluss des Workshops einzelne der narrativen und spielerischen Methoden weiterhin einsetzen. Wesentliche positive Effekte der Kombination von Externalisierungen und Narration sind in dem beschriebenen Beispiel folgende: s Schaffen gemeinsam geteilter Verständnisse auf der Grundlage fachspezifisch und individuell unterschiedlicher Wissens- und Erfahrungsbasis. s Entwickeln, Kommunizieren, Abgleichen und Evaluieren von abstrakten und konkreten Zielvorstellungen (in diesem Fall bezüglich potenziell zu entwickelnder Produkte). Auf schnellem Weg werden klare Bilder geschaffen, die von allen beteiligten Disziplinen verstanden und hinsichtlich ihrer spezifischen Kriterien bewertet werden können. s Diffusion, gemeinsames Nutzen und Entwickeln individueller auch impliziter Wissensbestände von Experten unterschiedlicher Disziplinen.44 s Verstehen anderer Positionen und insbesondere Einfühlung in die Lage potenzieller Nutzer, was die Akzeptanz von Anforderungen und Entscheidungen anderer Disziplinen erhöht.
40 Bachmann, G. (2002): Teilnehmende Beobachtung, in: Stefan Kühl; Petra Strodtholz (Hg.), Methoden der Organisationsforschung, Reinbek: Rowohlt, 323–361.
41 Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Techniken, Weinheim: Beltz 2007. 42 Csikszentmihalyi, Mihaly: Das Flow-Erlebnis, Stuttgart: Klett 2000.
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43
C. Wölfel: Designwissen.
44 Diese Effekte gelten auch bei individuellen Narrationen. Vgl. C. Wölfel 2012 zum Design; bezüglich Organisationen: K. Thier Storytelling 2006.
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Fallbeispiel 2: organisationale Entwicklung durch serious play mit Steckbausteinen In den 1990er-Jahren als Strategieentwicklungsmethode entstanden45, 46 ist Lego Serious Play® ein prominenter Vertreter der auf Steckbausteinen basierenden Mittel für zielgerichtetes Spielen. Die Steckbausteine werden eingesetzt, um Metaphern und Modelle zu generieren. Ohne Vorkenntnisse und besondere künstlerische oder handwerkliche Fertigkeiten können in kurzer Zeit aussagekräftige Modelle erstellt werden. Ein weitgehend beliebiges Kombinieren und wieder Zerlegen ist möglich. Die dabei entstandenen Modelle werden von ihren Schöpfern anschließend erläutert und im Team diskutiert. Die Anwendungsfelder des bausteinbasierten serious play sind vielfältig. Eine Stärke der Methode liegt in der Nutzung in sehr frühen Projekt- und Entwurfsphasen, in denen Prinzipmodelle erstellt werden. Dabei muss es sich keineswegs um gegenständliche Produktentwicklungsprozesse handeln, die Methode ist gleichermaßen tauglich bei der Gestaltung sozialer Prozesse (Teamentwicklung) oder organisationaler Entwicklung. Serious play mit Steckbausteinen weist gegenüber anderen tool-based methods die Besonderheit auf, dass sich die Modelle einzelner zu einem gemeinsamen Modell aller Teilnehmer zusammenfügen lassen, wobei die Modelle angemessen positioniert und zusätzlich modifiziert werden können. Es entsteht ein Modell, das die gemeinsam geteilten Überzeugungen aller Teilnehmer beinhaltet, also sowohl Gemeinsamkeiten als auch unterschiedliche Perspektiven. Die Teilnehmer schaffen damit sukzessiv ein gemeinsam geteiltes Verständnis (siehe Abb. 7).
Abb. 7: Verständnisvermittlung durch gemeinsame Modellentwicklung
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Wölfel / Schulz / Krzywinski / Menzel
Vorgehensweise Die oben beschriebene Methode des Lego Serious Play® wurde in einem eintägigen Workshop angewendet. Das Treffen hatte zum Ziel, ein Zukunftskonzept für ein Forschungsinstitut zu entwickeln. Bei den Teilnehmern handelte es sich um acht Mitarbeiter des bestehenden Instituts in unterschiedlichen Funktionen sowie zwei externe Kooperationspartner. Der Workshop wurde moderiert und dokumentiert (teilnehmende Beobachtung sowie partielle Videoaufzeichnung). Er lief nach dem oben beschriebenen Grundschema – Aufgabenstellung, Modellerstellung und story-telling – ab. Dabei wurden von den Teilnehmern folgenden Aufgabenstellungen bearbeitet:
Abb. 8: Entwickeln individueller Modelle und Vermittlung durch story-telling
s Bau eines gegenständlichen Modells, um mit der Methode und dem Einsatz des Toolkits vertraut zu werden. s Erstellen einer arbeitsbezogenen Metapher, um das Arbeitsverständnis der einzelnen Teilnehmer zum Ausdruck zu bringen. s Entwickeln eines individuellen Modells zum Ist-Zustand des Forschungsinstituts (Abb. 8). s Zusammenfügen der individuellen Modelle zu einem Gesamtverständnis des derzeitigen Forschungsinstituts (Abb. 9). s Entwickeln eines individuellen Zukunftsmodells des Forschungsinstituts.
45 J. Roos/B. Victor: Towards a new model of strategymaking as serious play.
46 J. Roos/B. Victor/M. Statler: Playing seriously with strategy.
Ernsthaft spielen
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s Integrieren der individuellen Modelle in ein gemeinsames Zukunftsmodell (Abb. 10). s Erstellen von Einflussfaktoren und Konzepten, um vom Ist-Zustand zum Zukunftsmodell zu gelangen. Die jeweiligen gemeinsam geteilten Modelle – Ist und Zukunft – wurden den Moderatoren von den Teilnehmern erläutert. Das Modell und die zugehörige Geschichte wurden per Videoaufzeichnung dokumentiert. Dies stellt eine übliche Dokumentationsform eines Lego Serious Play®-Workshops dar, da zwar das Bausteinmodell weiterhin zur Verfügung steht, die verbale Erläuterung aber ein wesentlicher Bestandteil der Bedeutung des Modells ist.
Abb. 9: In-Beziehung-Setzen der Modelle
Abb. 10: Gemeinsames, verbundenes Modell
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Wölfel / Schulz / Krzywinski / Menzel
Ergebnis und Auswertung Analog zu Fall eins konnte insbesondere bei der Verwendung von Lego-Bausteinen ein intuitives spielerisch anmutendes Gestalten der Modelle beobachtet werden. In diesem Zusammenhang war auch die Dynamik der Bedeutungsentwicklung erkennbar. Es handelte sich nicht um die Erfüllung einer Aufgabe, sondern die Aufgabe entwickelte sich zuerst im Dialog mit dem Modell und anschließend durch die Verbalisierung der Bedeutung des Modells. Die handwerkliche Qualität der Modelle an sich spielte dabei auch eine untergeordnete Rolle, da sich die Modellqualität ohnehin in der Kombination von Gebilde und Narration ausdrückt. Durch die Erklärung der einzelnen Modelle, das Reflektieren und Erläutern entwickelte sich auch ein gemeinsames Verständnis der Zielsetzung. Dies wurde insbesondere deutlich beim Schritt von den individuellen Modellen zu einem gemeinsamen, das im Prinzip Gemeinsamkeit und Unterschiedlichkeit zum Ausdruck brachte. Hier waren umso mehr Widersprüche zwischen den einzelnen Verständnissen aufzulösen. Insbesondere durch das Zukunftsmodell wurde die gemeinsame Vision der Teilnehmer deutlich. Eine weitere interessante Beobachtung waren die Nebeneffekte im Workshop: Da während eines Workshops die Steckbausteine ständig umherliegen, nutzen die Teilnehmer sie in der Regel nicht nur zum Erfüllen der Arbeitsaufträge. Das kreative und intuitive Gestalten wird zum ständigen Begleitaspekt eines serious play-Workshops. Diese nicht intendierten »Nebenmodelle« beeinflussen zum Teil erheblich den Hauptprozess, indem sie zusätzlich inspirieren oder sogar in die eigentlichen Modelle integriert wurden. Es zeigte sich allerdings auch, dass der Nutzen der Methode in der Metaphorik liegt. Hier wird unterschiedliches gestalterisches Können kompensiert und Bedeutung verliehen. Je konkreter die Aufgabenstellung wird, desto weniger tauglich ist die Nutzung von Steckbausteinen, denn der Fokus verschiebt sich vom intuitiven Spielen hin zum »Konstruieren«. Während in der Frühphase die Limitierung der Möglichkeiten des Entwurfsmittels kaum eine Rolle spielt, schränkt dieses bei der Ausarbeitung von Entwürfen erheblich ein, bzw. erfordert die Auseinandersetzung mit dem »Wie« des Modellbaus. Beim gegenständlichen Einsatz von Lego in Entwurfsdisziplinen, der beispielsweise im Architekturbereich stattfindet, wird der Artefakt Steckbaustein zum künstlerischen Gegenstand und das story-telling zum ergänzenden Erläutern. Es verliert somit seine Funktion als Element der dynamischen Bedeutungsentwicklung.
Ernsthaft spielen
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Ergänzend zu den in Fall eins genannten positiven Effekten kommt bei serious play mit Lego die Möglichkeit hinzu individuelle Modelle zu kombinieren, ohne deren Diversität zu verlieren. Diskussion und Ausblick Wie beide Fallbeispiele verdeutlichen, liegt das Potenzial kollaborativer und interdisziplinärer Entwicklungsprozesse darin, unterschiedliche Fachrichtungen, Denkschemata, Funktionsbereiche, Interessen und Motivationen zu bündeln und damit für Innovation und Veränderung zu nutzen. An dieser Stelle bietet ein Vermittlungsprozess, der nicht nur auf audiovisuellen Austausch ausgerichtet ist, sondern »intuitives« Entwickeln und Vermitteln beinhaltet, erhebliche Vorteile. Das diesem Beitrag zugrunde liegende Denkmodell geht dabei über die klassischen Ko-Konfigurations- und Open-Innovation-Prinzipien hinaus, die in sich eine klare Strukturiertheit der Teilhabergruppen aufweisen. Somit ist die Herausforderung der Erlangung von Kooperationsfähigkeit weitaus größer. Mit der Methode des serious play, das den Bau eines physischen Modells mit story-telling kombiniert, können in relativ kurzer Zeit und ohne besondere Vorkenntnisse und Fertigkeiten gemeinsame, geteilte Verständnisse der Situation und der Ziele entwickelt werden. Implizite Erfahrungen und Überzeugungen werden bewusst, Unterschiedlichkeiten aufgedeckt und überbrückt, aber gleichzeitig bewahrt. Somit können bewusst andere Perspektiven eingenommen und anerkannt werden. Dabei können disziplin-spezifische, machtbasierte oder kommunikative Barrieren aufgrund der bewusst involvierten unterschiedlichen Perspektiven durch ernsthaftes Spielen gezielt abgebaut werden. Indem die individuellen physischen Modelle beschrieben, interpretiert und ihnen damit ein Bedeutungsgehalt zugeschrieben wird, schafft man eine Verständigungsbasis. Das story-telling wird damit zum Dreh- und Angelpunkt offener Entwicklungsprozesse und kann als Reflexionsanker verstanden werden. Die »Geschichte zum Modell« erfüllt die Brückenfunktion zwischen den heterogenen Teilnehmern. Da gleichzeitig stets am und über das Modell diskutiert wird, wird eine gewisse Distanz zur Person des Entwicklers/Erbauers ermöglicht, was etwa hierarchische Strukturen nivelliert, gleichzeitig aber auch das Einnehmen anderer Positionen sowie ein Lösen vom Selbstbezug ermöglicht. Dies unterstützt das Erkennen und Einordnen eigener Ziele ebenso wie der Ziele anderer Beteiligter. Eine eventuelle anfängliche Skepsis gegenüber den ernsthaften Spielansätzen wird zügig abgebaut, sodass unterschiedliche Teilhaber vergleichsweise leicht einen Zugang zu den beschriebenen
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Methoden finden. Es konnte auch beobachtet werden, dass der Einsatz beider Methoden schnell zu konkreten Lösungsansätzen führt, was im Umkehrschluss den Auftakt von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen beschleunigen und effizienter gestalten kann. Wie die individuellen Lern- und Erkenntnisprozesse im weiteren Entwicklungsverlauf das gemeinsame Teilen der zuvor entwickelten Verständnisse negativ beeinflussen und wie dem entgegen gewirkt werden kann, ist eine der offenen Fragen, die konkreten Forschungsbedarf auf diesem Gebiet aufzeigen. Während der Design Thinking-Ansatz auf einer Methodenkombination eher »klassischer« Gestaltungswerkzeuge basiert, verwendet der Lego Serious Play®-Ansatz exklusiv Steckbausteine und deren Derivate. Dies reduziert zwar Komplexität, schränkt aber insgesamt auch ein. Somit ist zu überlegen, ob nicht über den Projektverlauf selbst in frühen Phasen mehrere Methoden kombiniert werden sollten, die letztendlich auch eine zwangsläufig erforderliche Konkretisierung des Entwurfsgegenstandes besser unterstützen. Dieser Konkretisierungsprozess ist auch über die Gruppendynamik der Kooperationsgemeinschaft möglich. Während zu Beginn ein Universalexpertentum sinnvoll ist, um alle Perspektiven, Wissen und Erfahrungen zu erfassen, könnte im Projektverlauf ein Wechsel hin zu einem Methodenexperten innerhalb der Gruppe stattfinden, der die Diskussion der Gruppe vergegenständlicht. Auch an dieser Stelle besteht weiterer Forschungsbedarf.
Ernsthaft spielen
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Let’s Talk about Design Möglichkeiten und Grenzen der Partizipation des Auftraggebers im Designprozess Cornelius Stiegler
1 Partizipation, Co-Creation und der Auftraggeber Der Perspektivwechsel vom benutzerzentrierten zum partizipatorischen Design ändert nicht nur die Rollenverhältnisse von Gestalter, Forscher und »der Person, die früher als ›Nutzer‹ bekannt war«1, er verändert auch die Prämissen, mit denen der Gestaltungsprozess selbst und die darin liegenden Hierarchien, Kompetenzen und Zuständigkeiten betrachtet werden. Er setzt voraus, dass alle Menschen kreativ tätig werden können2 und stellt nicht zuletzt die Frage nach der Autorenschaft eines Designs neu: Wer gestaltet die Gestaltung? Im Auftragsdesign existiert neben dem Nutzer ein zweiter relevanter Spieler. Insbesondere im Design für Organisationen und Marken tritt der Auftraggeber nicht nur als Initiator und Financier auf, ihm fällt auch das Briefing und die Evaluation zu. Die sich daraus ergebende Frage, inwiefern eine Partizipation des Auftraggebers ebenfalls möglich, sinnvoll und aus der Perspektive der einzelnen Parteien wünschenswert ist, soll im Folgenden im Zentrum stehen.
1 Sanders, Elizabeth/ Stappers, Pieter Jan: »Co-creation and the new landscapes of design« in:
CoDesign, Ausgabe 4, Nr. 1, März 2008, S. 5–18, hier S. 5 (im Original: »the person formerly known as the ›user‹ «).
2 Vgl. Sanders/Stappers: Co-creation and the new landscapes of design, S. 10.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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2 Rahmenbedingungen – Designauftrag als Principal-Agent Beziehung Die ökonomische und soziale Beziehung zwischen Auftraggeber und Designer unterscheidet sich erheblich von der zwischen Designer und Nutzer. Im Auftragsdesign stehen sich zwei ökonomisch operierende Systeme gegenüber, die neben dem Selbsterhalt vor allem nach der wirtschaftlichen Leitdifferenz des Habens operieren.3 Ihnen kann im wirtschaftlichen Kontext begrenzt rationales Handeln4, Opportunismus sowie die Absicht der Profitmaximierung unterstellt werden, was einen typischen Interessenkonflikt hervorbringt: Die Absicht des Auftraggebers ist es, die maximale Leistung des Designers zum minimalen Preis abzurufen, während der Designer bemüht ist, die vertraglich fixierte Leistung mit minimalem Ressourcenaufwand zu erbringen, um seinen eigenen Nutzen zu maximieren. Eine klassische Principal-Agent-Beziehung.5 Die Spezifikation des gewünschten Designs und die Bewertung der Kreationen hingegen sind allgemeine Probleme komplexer Designprozesse. Insbesondere wenn die Gestaltung vor allem als Träger von Informationen, Assoziationen und Emotionen fungiert, ist eine objektive6 Bewertung unmöglich. Da die rationale Überprüfung vorgegebener Einzelparameter die Wirkung des Gesamtwerks nicht erfasst und die Wirkung auf die Rezipienten (i.e. das Verhalten der Zielgruppe) nicht isoliert von dritten Faktoren (i.e. Umwelteinflüsse) gemessen werden kann, bleibt oft die subjektive Wahrnehmung des Principals entscheidend dafür, ob das Design als auftragserfüllend angenommen wird oder nicht. Dies wird durch die klare Hierarchie der Parteien noch verschärft. Denn während aufseiten des Principals in der Regel nur geringe Ausstiegsbarrieren (e.g. bereits getätigte Investitionen) vorhanden sind, bedeutet ein vorzeitiger Auftragsabbruch für den Agenten meist den Verlust eines Großteils seiner Einkünfte. 7 Da die zeitlichen und monetären Ressourcen sowie die Fehlertoleranzen in einer Principal-Agent-Beziehung begrenzt sind, sind in der Kommunikation darüber hinaus Präzision und Effizienz geboten. Es liegt daher im Interesse der Agenten, möglichst präzise Vorgaben zu erhalten, um erstens adäquate Entwürfe (mit möglichst geringem Ressourceneinsatz) zu erstellen und diese zweitens gegenüber dem Principal auch plausibilisieren zu können.8 Da eine prädefinitorische Fixierung aller Designparameter jedoch der Natur der Kreation zuwider laufen würde, stellt sich die Frage, wie eine angemessene Zielvereinbarung aussehen könnte. Hier scheint das partizipatorische Design einen Ansatz zu bieten, um den Auftraggeber gewinnbringend in den Arbeitsprozess
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Cornelius Stiegler
zu integrieren. Indem der Principal nicht nur ein Briefing erteilt, sondern selbst kreativ wird, könnte dieser seine Wünsche direkt einbringen und gleichzeitig eine Teilverantwortung für die Ergebnisse übernehmen. Aus Sicht der Agenten könnte so das Risiko eines Auftragsabbruches verringert und die Plausibilität der »Richtigkeit« der Entwürfe erhöht werden. Ob und inwiefern diese Aspekte tatsächlich zutreffen, war Thema einer qualitativen Expertenstudie, die sich mit dem Sonderfall der Gestaltung eines Corporate Sounds befasste.9 3 Corporate Sound Gestaltung als Auftragsdesign Der 1995 von Peter Philippe Weiss geprägte Terminus des Corporate Sound bezeichnet »die Eingliederung des gesamten akustischen Auftritts des Unternehmens in den Zusammenhang der bestehenden Corporate Identity«10. Der Corporate Sound schließt aus Sicht der Rezipienten alle hörbaren Kontaktpunkte11 mit der Marke ein und impliziert aufseiten der Organisation deren gezielte, einheitliche Inszenierung. Als Pendant zum visuellen Corporate Design werden an den Corporate Sound die gleichen Ansprüche wie an die anderen Bereiche der Corporate Identity gestellt: Prägnanz und eindeutige Zuordenbarkeit zur Marke, Differenzie-
3 Zur Systemtheorie vgl. insb. Luhmann, Niklas: »Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie.« Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1984 und Luhmann, Niklas: »Die Gesellschaft der Gesellschaft. Erster und Zweiter Teilband.« Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997. 4 Vgl. Schachtner, Dirk: »Die Beziehung zwischen werbungtreibendem Unternehmen und Werbeagentur« Wiesbaden: Dt. UniversitätsVerlag 2002, S. 23. 5 Zur Principal Agent Theorie vgl. u.a. Pratt John/Zeckhauser Richard: »Principals and Agents: The Structure of Business« Boston: Harvard Business School Press 1985. sowie Jost, Peter (Hg.): »Die Prinzipal-Agent-Theorie in der Betriebswirtschaftslehre« Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag 2001. Zur Anwendung in der Auftrags-
kommunikation insb. Schachtner: Die Beziehung zwischen werbungtreibendem Unternehmen und Werbe agentur. 6 Innerhalb der konstruktivistischen Systemtheorie, die den Rahmen dieser Betrachtungen bildet, sind »objektive Bewertungen« aufgrund des Blinden Flecks eines jedes Beobachters nicht möglich. Aufgrund der häufigen Verwendung in der Praxis und aus Gründen der Verdeutlichung wird der Begriff hier dennoch als Gegenstück zur subjektiv erlebten Wahrnehmung verwendet. 7 Dies ist umso relevanter, als die Produktionskosten im akustischen Design oft durch den Verkauf der Nutzungsrechte an der finalen Komposition refinanziert werden. Die allgemeine Problematik von Design-Pitches ist ebenfalls relevant, wird hier jedoch aus Platzgründen nicht separat betrachtet.
8 Zum »Begründungszwang« der Agenten vgl. auch Kastner, Sonja: »Klang macht Marken. Sonic Branding als Designprozess« 1. Aufl., Wiesbaden: Gabler, 2008, S. 139 f. 9 Stiegler, Cornelius: »SOUND COMMUNICATION. Kommunikation über Klang in der Auftragskommunikation« unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität der Künste Berlin 2010. 10 Weiss, Peter Philippe: »Corporate Sound: Marketinginstrument der Zukunft?« In: Tomczak, T.; Müller, F.; Müller, R. (Hg.): Die Nicht-Klassiker der Unternehmenskommunikation. THEXIS. Fachbuch für Marketing. St. Gallen: Verlag Thexis 1995, S. 230–233, hier S. 231f. 11 Etwa: TV- und Radiowerbung, Telefon, Internet, Messestände, mobile Applikationen.
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rung, Merkfähigkeit, Flexibilität in der Anwendung und die Passung zur Marke.12 Als beauftragte Gestaltungsarbeit, bei der spezialisierte Expertise gefordert ist, entspricht die Erstellung eines Corporate Sound ebenfalls einer Principal-Agent-Beziehung. Der Prozess kann jedoch in zweierlei Hinsicht als Sonderfall gelten: Erstens ist das zu gestaltende Medium rein akustisch. Dies stellt in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Hürde dar. Nicht nur ist die heutige Gesellschaft immer noch stark visuell geprägt, auch die Kommunikation über Klang13 ist kulturell wie individuell weit weniger etabliert als die über Bilder. Wie Sam Auinger, Professor beim Masterstudiengang Sound Studies an der Universität der Künste Berlin bemerkt: »Seit der Renaissance haben wir eine allgemein anerkannte visuelle Perspektive und eine Sprache, um präzise über Bilder zu sprechen. Dies fehlt uns noch in der Welt des Klangs […] Wir sind einem Sturm von Geräuschen ausgeliefert, ohne eine Sprache zur Diskussion«.14 Das Fehlen von Sprachkonventionen und die resultierenden Missverständnisse werden vielfach als Hürde in der Auftragsklanggestaltung genannt.15 Diese Barriere mag auch dazu beitragen, dass die Co-Creation von Klängen weniger geläufig ist als die von visuellen oder räumlichen Objekten etwa mit Hilfe von Skizzen, Collagetechniken, Miniaturen oder leicht manipulierbaren Materialien wie Knete oder LEGO-Steinen. Obwohl die heutigen Technologien der digitalen Audiobearbeitung das Verändern einzelner Parameter wie Tonhöhe, Tempo oder Klangfarbe teilweise in Echtzeit erlauben, sind die Möglichkeiten, schnell und ohne Fachwissen eine klangliche »Skizze« anzufertigen, sehr begrenzt. Daher gilt die Ausarbeitung akustischer Ideen weithin als Kompetenz spezialisierter Experten. Eine zweite Besonderheit ist, dass es sich beim Corporate Sound nicht um ein Objekt handelt, das »benutzt« werden soll. Während die Nutzer bei klassischen Produkten (e.g. Küchengeräte, Mobiltelefone etc.) oft das Wissen von Alltagsexperten über geeignete Formen und Proportionen besitzen und kompetente Einschätzungen zur Handhabung geben können, könnten diese bei einem Markenklang nur auf ihre persönliche Wahrnehmung zurückgreifen. Eine aktive Mitarbeit an der Gestaltung, die über die Beschreibung gewünschter Wirkungen und Präferenzen hinausgeht, scheint daher schwierig.16 Beide Aspekte gelten in eingeschränkter Form auch für die Partizipation des Auftraggebers. Denn wenngleich bei diesem ein detailliertes Wissen über die Marke und gewünschte Assoziationen
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Cornelius Stiegler
und Emotionen vorausgesetzt werden kann, bestehen die Probleme der handwerklichen Barriere der Klangkreation, der ungeübten Verbalisierung und der nicht vorhandenen Alltagsexpertise auch hier. Ein anderer Aspekt ist hingegen klarer als in ergebnisoffeneren Gestaltungsprozessen: Die im »fuzzy front end« auftretende Frage, was gestaltet werden soll, ist beim Corporate Sound idealerweise im Briefing, spätestens aber im Re-Briefing der Agentur nach abgeschlossener Applikationsanalyse17 fixiert. 4 Studiendesign Ziel der Studie war es, den Corporate Sound Prozess unter besonderer Berücksichtigung der Kommunikation und Interaktion mit dem Auftraggeber zu erforschen. Daher wurde ein exploratives, qualitatives Studiendesign gewählt. Zehn Branchenexperten der Agenturseite wurden in jeweils 1,5 – 2,5 stündigen, halbstandardisierten Interviews (Face-to-Face bzw. Ferngespräch) befragt.18 Experte
Sound Branding Agentur
Andreas Graf
S12, München
Christoph Groß-Fengels
Groves Sound Branding, Hamburg
Milo Heller
Hastings Audio Network, Hamburg
Rainer Hirt
audity, Konstanz
Karlheinz Illner
Karlheinz Illner Marken & Tonkultur, Würzburg
12 Vgl. dazu auch: Groves, John: »A short History of Sound Branding« in: K. Bronner & R. Hirt (Hg.) Audio-Branding: Entwicklung, Anwendung, Wirkung akustischer Identitäten in Werbung, Medien und Gesellschaft, München: Verlag Reinhard Fischer 2007, S. 40–51.
are lost in a storm of noise with no language for discussion.« Vgl. Auinger, Sam: »My Definition of Sound Studies« abgerufen unter www.udk-berlin. de/sites/soundstudies/ content/lehrende/sam_auinger_ leitung_experimentelle_ klanggestaltung/index_ger. html am 24.11. 2011.
13 Der Begriff »Klang« soll hier analog zum englischen »sound« die Gesamtheit aller hörbaren Ereignisse umfassen, inklusive der Stimme, natürlich und künstlich erzeugter Geräusche, Musik etc.
15 Vgl. u.a. Kastner: Klang macht Marken, S. 132 f. sowie Ulrich, Christian: »Abgehört – der Stellenwert der akustischen Markenführung aus Expertensicht« In: Bronner, K.; Hirt, R. (Hg.): Audio-Branding. München: Verlag Reinhard Fischer 2007, S. 132–140, hier. S. 138.
14 Im Original: »Since the Renaissance we have had an agreed visual perspective, and language to speak accurately about images. This we still lack in the world of sound […] We
16 Die Einbindung von »Nutzern« müsste möglicherweise zusätzlich ethische
Barrieren überwinden, da Markenklänge mitunter als Manipulation wahrgenommenen werden. Dass im identitätsbasierten Marketing nicht die akustischen Präferenzen der Zielgruppe entscheidend sind, sondern die Vorgaben der Marke, sei hier ebenfalls angemerkt. 17 Durch die Analyse der zukünftigen Einsatzgebiete (TV, Radio, Telefon etc.) lassen sich in der Regel die benötigten Klangelemente (Soundlogo, Corporate Song, Websound, Klanginstallation etc.) ableiten. 18 Der Ansatz der teilnehmenden Beobachtung konnte aufgrund von Vorbehalten der Agenturen und Auftraggeber (Vertraulichkeit der Markenidentitäten, Methoden etc.) nicht umgesetzt werden.
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Experte
Sound Branding Agentur
Patrick Langeslag
acg audio consulting group, Hamburg
Stephan Vincent Nölke
Comevis, Köln
Georg Rabbe
Klangwerk Brand Acoustics, Köln
Peter Philippe Weiss
Corporate Sound AG, Basel
Carl-Frank Westermann
MetaDesign, Berlin
Tabelle 1: Experten der qualitativen Studie in alphabetischer Reihenfolge, Stand 2010
Dieses Forschungsdesign wurde unter anderem deswegen gewählt, weil zum Zeitpunkt der Studie noch kein empirisches Material zu dieser Fragestellung vorlag. Die Publikationen der noch jungen Disziplin thematisierten zwar Relevanz und Vorteile eines Markenklangs,19 die Einbindung in die Marketingtheorie, 20 Best Practice Beispiele und den allgemeinen Arbeitsprozess.21 Auch die Einbindung ins multisensorische Marketing wurde betrachtet,22 eine detaillierte Analyse der Kommunikation und möglicher Partizipation im Designprozess fehlte bislang jedoch.23 Ziel der Erhebung war es, die Interaktionsprozesse einer Corporate Sound Erarbeitung nachzuvollziehen und durch die verwendeten Kommunikationsmethoden auf die zugrunde liegenden Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Rollenmuster zu schließen. Dabei stand neben der Kommunikation über Klang die Form der Zielvereinbarung (i.e. des Briefings) im Fokus. Zur Partizipation des Auftraggebers wurden außerdem zwei Kommunikationsmethoden vorgestellt und diskutiert, die für die Pole zweier unterschiedlichen Herangehensweisen stehen: die Co-Creation von Klangparametern und die persönliche Klangerzählung als Beschreibung einer intendierten Klangwirkung. Die Erhebung wurde durch schriftliche Notizen und einen Audiomitschnitt dokumentiert. Die anonymisierte Auswertung von acht der zehn Interviews erfolgte anhand einer Inhaltsanalyse nach Mayring24 und der anschließenden Prüfung von neun Hypothesen.25 4.1 Co-Creation von Klangparametern Trotz der eingangs erwähnten Hürden bei Klanggestaltung und Verbalisierung ist eine partizipative Gestaltung auf der Ebene der Klangobjekte 26 denkbar. So könnten einzelne Parameter eines Klangereignisses mithilfe eines Softwarewerkzeugs partizipativ manipuliert werden. Ein solches »Kommunikationstool« hat Bastian Holzheimer kreiert.27 Es erlaubt auf einer bewusst reduzierten grafischen Oberfläche, die Variation der Parameter Tempo, Tonhöhe und Instrumentierung (siehe Abb. 1).28
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Cornelius Stiegler
Abb. 1: Kommunikationstool von Holzheimer zur Gestaltung von Klangparametern
19 Vgl. u.a. Simmons, Ruth: »What Every CMO Should Know About Sound and Music« In: Bronner, K./Hirt, R./Ringe, C. (Hg.): Audio Branding Yearbook 2009/2010. Baden-Baden: Nomos Edition Fischer, S. 89–94. 20 Vgl. Krugmann, Dennis/ Langeslag Patrick: »Akustische Markenführung im Rahmen eines identitätsbasierten Markenmanagements« In: Bronner, K.; Hirt, R. (Hg.): Audio-Branding. München: Verlag Reinhard Fischer 2007, S. 70–79. Vgl auch: Kilian, Karsten: »Von der Markenidentität zum Markenklang als Markenelement« In: Bronner, K.; Hirt, R. (Hg.): Audio-Branding. München: Verlag Reinhard Fischer 2007, S. 54–69. 21 Vgl. u.a. die Beiträge im Sammelband: Bronner, K.; Hirt, R. (Hg.): »Audio-Branding« München: Verlag Reinhard Fischer 2007. 22 Vgl. u.a. Westermann, C.-F.: »Plädoyer für Multisensorische Markenmodelle« In: Schulze, H. (Hg.): Sound Studies: Traditionen Methoden Desiderate. Bielefeld: transcript Verlag 2008, S. 281–290.
sowie: Lindstrom, Martin: »Brand sense: build powerful brands through touch, taste, smell, sight, and sound« New York: Free Press 2005. 23 Aufgrund der thematischen Ausrichtung und aus Platz gründen wird auf eine ausführliche Betrachtung der Corporate Sound Literatur verzichtet. Eine Übersicht bietet u.a. die Audio Branding Academy: http://audio-branding-academy. org/aba/knowledge/literature/ (abgerufen am 02.08. 2012). 24 Vgl. Mayring, Philipp: »Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken«, Weinheim: Deutscher Studienverlag 1990. 25 Die Thesen deckten unterschiedliche Themengebiete vom Wissen des Auftraggebers über die Ebene der Kommunikation bis hin zur Form der Zielvereinbarung im Briefing ab. Aufgrund der thematischen Ausrichtung und aus Platzgründen wird hier nur eine Auswahl der Ergebnisse vorgestellt. 26 Zu unterscheiden ist hier zwischen der Beschreibung bzw. Gestaltung von Klangobjekten (i.e. dem Klang an sich
bzw. dem Klangereignis) und der Klangwirkung bzw. dem Hörerlebnis. Die strikte Trennung von Klangobjekt und Schallquelle, wie sie Schaeffer definiert (vgl. 1966, S. 23) wird hingegen nicht aufrecht erhalten, da in der Corporate Sound Praxis die Beschreibung eines Klangobjekts über seine Quelle (i.e. ein Instrument) durchaus üblich ist (vgl. Schaeffer, Pierre: »Traité des objets musicaux. Essais interdisciplines« Paris: 1966, S. 23). 27 Vgl. Holzheimer, Bastian: »Die Wirkung von Sound und Musik« Berlin: unveröffentlichte Masterthesis, Universität der Künste Berlin, Studiengang Sound Studies, 2010. 28 Das Tool funktioniert als ›erweitertes Metronom‹, welches in Schritt 1 einen sich wiederholenden Ton aktiviert. Die Bedienelemente 2, 3 und 4 dienen der Variation von Tempo, Klangfarbe und Tonhöhe. Unter Punkt 5 können verschiedene Einstellungen gespeichert und geladen werden. Punkt 6 erlaubt die Ausspielung als WavDatei. Durch eine Forschungskooperation konnte dieses Tool zur Veranschaulichung des Co-Creation Ansatzes in der Studie genutzt werden.
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Ein solches Vorgehen könnte nicht nur Briefingvorgaben mit konkreten Beispielen erweitern, es könnte auch die Partizipation des Auftraggebers im Gestaltungsprozess selbst ermöglichen. Dadurch würde zwar die Principal-Agent-Beziehung teilweise aufgehoben29, dies soll jedoch der grundsätzlichen Betrachtung eines solchen Ansatzes vorerst nicht im Wege stehen. Allerdings bleibt die Einschränkung bestehen, dass nur einzelne Parameter einer akustischen Momentaufnahme gestaltet werden können. Die partizipative Skizzierung eines gesamten Musikstücks oder Sound Designs scheint nach wie vor problematisch. 4.2 persönliche Klangerzählung als Wirkungsbeschreibung Eine grundsätzliche Alternative besteht darin, die Beschreibung der intendierten Wirkung in den Fokus zu nehmen. Hierbei wird die klassische Arbeitsteilung der Principal-Agent-Beziehung nicht berührt. Die Kommunikation über das Wirkungsziel tritt an die Stelle der partizipativen Gestaltung. Im Zuge der Studie wurde stellvertretend für diesen Ansatz die Methode der persönlichen Klangerzählung eingeführt. Diese entstammt der historischen Anthropologie des Klangs, die »einzelne Menschen, in ihrer individuellen Gewordenheit und Biographie, ihrem persönlichen Erleben und Erfahren, […] und Umgehen […] mit Klängen in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung rückt«.30 Ziel ist nicht die möglichst präzise Beschreibung eines Klangobjekts, sondern die reichhaltige und aussagekräftige Nacherzählung eines persönlichen Klangerlebnisses. Nutzt man dieses Vorgehen, um ein gewünschtes Wirkungserlebnis zu beschreiben, kann eine aussagekräftige Narration erstellt werden, in der die markenrelevanten Assoziationswelten, Emotionen und Stimmungen vermittelt werden können. Grundsätzlich erscheint auch hier eine Co-Creation als CoNarration möglich. Dabei würde es sich nicht um partizipatives Design im Sinne des gemeinsamen Entwerfens für eine Designaufgabe im Medium selbst (i.e. hier Klang) handeln, sondern um das gemeinsame Gestalten eines Artefakts in einem anderen Medium (i.e. Narration). Für die Erhebung wurde jedoch zunächst das nicht-partizipative Vorgehen als Gegenentwurf zur Co-Creation von Klangparametern eingeführt. 5 Ergebnisse Die zentrale Hypothese der Studie lautete, dass der Briefingprozess vor allem dazu dienen soll, der Agentur den Möglichkeitsraum der
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Cornelius Stiegler
zu erstellenden Klänge aufzuzeigen und dass die dazu eingesetzten Kommunikationswerkzeuge die gewünschte Klangwirkung (i.e. nicht Klangobjektbeschreibung) erfassen sollen. Diese These konnte anhand der Experteninterviews bestätigt werden. Dies ist insofern bemerkenswert, als die vielzitierte Entwicklung einer »gemeinsamen Sprache« impliziert, dass die Vorgaben des Auftraggebers mehr oder weniger direkt in Designparameter zu »übersetzen« seien, um den »Markenfit« zu sichern.31 Basierend auf dem Fokus auf die Markenidentität32 oder Metaphern wie der »Marken DNA«33 könnte die Kommunikation zwischen Principal und Agent mitunter als reine Informationsübertragung missverstanden werden: Wäre ein Code zur Klangobjektbeschreibung bekannt, so könnte der Auftraggeber dem Designer schlicht »mitteilen«, wie das Design (i.e. der Corporate Sound) zu gestalten wäre (siehe Abb. 2).
Abb. 2: Lineare Kommunikation zwischen Auftraggeber und Agentur, eigene Darstellung
29 Es könnten Fragen zu den zu vergütenden Gestaltungsanteilen sowie der Autorenschaft aufkommen. 30 Schulze, Holger: »Sprechen über Klang. Vorüberlegungen zu einer künftigen Klanganthropologie«, Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe Ton und Prozess – Fachübergreifende Perspektiven der Musik, Technische Universität Berlin 12. Juli 2004. abgerufen unter: www.udk-berlin.de/downloads/ VortragSprechenüberKlang
(2004).pdf am 04. 02. 2010, S. 12. ebenfalls publiziert als: Schulze, Holger: »Sprechen über Klang. Vorüberlegungen zu einer künftigen Klanganthropologie« In: Brüstle, C.; Rebstock, M.; Klein, G. (Hg.): Reflexzonen \ Migration. Musik im Dialog VI − Jahrbuch der berliner gesellschaft für neue musik 2003/2004, Saarbrücken: PFAU-Verlag 2006, S. 70–76.
31 Vgl. Groves: A short History of Sound Branding, S. 45. sowie Krugmann/ Langeslag: »Akustische Markenführung im Rahmen eines identitätsbasierten Markenmanagements.« 32 Vgl. Kilian: »Von der Markenidentität zum Markenklang als Markenelement.« 33 Keller, Kevin Lane: »Strategic Brand Management« Upper Saddle River: Prentice Hall 2003, S. 153.
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Die vorliegenden Studie zeigt jedoch eindeutig, dass derartige Kommunikation in der Praxis nicht stattfindet. Ein solches Modell würde außerdem weder Rückbezüglichkeit noch Entscheidungsprozesse innerhalb der Kommunikation34 abbilden und einen Auftraggeber voraussetzen, der das zu erstellende Design bereits »kennt«. Dies entspricht jedoch nur in Ausnahmefällen der Realität, wie die Studie ebenfalls zeigt. Vielmehr betonen die Experten, ein »Gefühl« für die Wünsche des Auftraggebers und die beabsichtigte Gesamtwirkung entwickeln zu müssen: »Eine Marke ist nicht ein Ton, ist nicht ein Instrument, sondern es ist eine Emotionalität.« (Exp. 6) Insgesamt zeigen die diskutierten Methoden zur Kommunikation über Klang, dass ein Modell dieser Interaktionen nicht auf der Beschreibung von Designparametern (i.e. Klangobjekten) basieren kann. Stattdessen wird das intuitive, nicht verbalisierbare, aber dennoch aussagekräftige Gespür von Auftraggeber und Designer für die gewünschte Wirkung als wichtiges Element genannt. Dies sei laut den Aussagen der Experten sowohl für die Zielvereinbarung als auch für den Entwurfsprozess von zentraler Bedeutung. Eine exakte Klangbeschreibung in Einzelparametern führe hingegen nicht zwingend zu einem den Auftraggeber zufriedenstellenden Ergebnis: »Wenn Sie […] mit dem Kunden herausgefunden [haben]: Klavier, 120 BPM, Tonhöhe: zweigestrichenes C. Das passt. Jetzt komponieren Sie damit etwas, was eine Emotionalität hat. […] Sie werden 100-prozentig einen Kunden haben, der sagt: Das ist ja viel zu langsam, viel zu schnell, viel zu hoch, warum ist da Klavier drin?« (Exp. 6)35 Die emotionale Aussage eines Entwurfs sei maßgeblich für dessen Bewertung und eben diese könne nicht durch Einzelparameter fixiert werden: »Tempo ist glaube ich nicht so wichtig. Wichtiger ist die emotionale Aussage. […] Wie bei einer Filmmusik: Welche Stimmung kreiert das Soundlogo? […] Es geht immer um das Gesamte, nicht nur um Tempo, Melodie oder Klangfarbe.« (Exp. 4) Zur Beschreibung werden verschiedene Techniken, vom Sammeln charakteristischer Adjektive über grafische Positionierungen und die gemeinsame Bewertung von Klangbeispielen bis hin zu spielerischen Ansätzen genutzt: »Wir spielen. Wir locken das Kind im Erwachsenen heraus. Wir versuchen mit den Leuten auf eine emotionale Basis zu
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kommen, auf der wir Statements von Ihnen hören, die wir in einer sachlichen Diskussion nicht hören würden.« (Exp. 5) Es kann daher festgehalten werden, dass inhaltlich nicht die Ebene der Designdeskription, sondern die der Designwirkung maßgebend ist.36 Das wirft die Frage auf, inwiefern eine Partizipation im Sinne des Gestaltens im Medium Klang grundsätzlich fruchtbar für den Corporate Sound Prozess sein kann. Was die Bewertung der zwei vorgestellten Kommunikationsmethoden betrifft, sind die Ergebnisse ebenfalls eindeutig. Die Co-Creation von Klangparametern wird von den Experten einheitlich verworfen. Hauptargument gegen ein solches Vorgehen ist die bereits genannte Tatsache, dass akustische Einzelparameter nicht wesentlich für die Wirkung eines Gesamtwerks sind. So können etwa zwei Musikstücke mit identischem Tempo, gleicher Tonart und Instrumentierung durch Melodieführung, Harmonik und Rhythmus vollkommen gegensätzliche Assoziationen und Emotionen hervorrufen. Daher sei die partizipative Gestaltung einzelner Klangparameter nicht zielführend für den Designprozess. Zusätzlich wurde angemerkt, dass von einem Auftraggeber nicht die Expertise erwartet werden könne, kreative Entscheidungen über Einzelparameter zu fällen. Dies falle in die Kompetenz und den Verantwortungsbereich der Agentur. Grundsätzlich positiver wurde die Methode der persönlichen Klangerzählung bewertet. Diese biete einen Rahmen, um Assoziationen, Emotionen und Stimmungen zu transportieren, die die gewünschte Wirkung charakterisieren. Gleichzeitig lasse sie den nötigen Freiraum in der Kreation: »Es hilft dem Ausführenden gar nicht, wenn man das geordnet strukturiert, sondern ich glaube so ein Stimmungsbild wäre das einzig Richtige, […] indem man sagt: ›Versuch diese Stimmung, versuch unsere Markenstimmung in die Audiowelt zu übertragen.‹ « (Exp. 4)
34 Genutzt wird hier der luhmannsche Kommunikationsbegriff als dreifache Selektion von Information, Mitteilung und Annahme der Mitteilung (vgl. Luhmann: Soziale Systeme, S. 193). Zur Rückbezüglichkeit von Kommunikation vgl. auch: Watzlawick, Paul/Beavin, Janet/Jackson, Don: »Menschliche Kommunikation«
Bern: Verlag Hans Huber 1996, 9. Aufl. S. 31 sowie S. 122. 35 Mit »Kunde« ist hier der Auftraggeber (Principal) der Agentur gemeint. 36 Nur ein Experte gab an, formale Zielkriterien wie Ins trumentierung und Genre zu fixieren, führte jedoch aus,
dass dies lediglich dazu diene, das gezielte Auslösen von Assoziationswelten beim Re zipienten zu operationalisieren und so die Agenturleistung »überprüfbar« zu machen. Auch dieser Experte räumte jedoch ein, dass diese Vereinbarungen nichtig seien, sollte der Auftraggeber mit der Wirkung des Klangs nicht zufrieden sein.
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Hinsichtlich der Praxistauglichkeit wurde zwar auf die doppelte Subjektivität einer Narration durch die individuellen Perspektiven des Erzählenden und des Hörenden hingewiesen, die die Plausibilisierung einer Klangkreation erschweren könne. Allgemein sei ein wirkungsbeschreibender Ansatz allerdings die zielführendere Option. Sowohl aus den Darstellungen der Interaktionen mit dem Auftraggeber, den verwendeten Methoden als auch aus der Diskussion der beiden Kommunikationstools wurde deutlich, dass vor allem die intendierte Klangwirkung als Inhalt der Zielvereinbarung mit dem Auftraggeber relevant ist. Dabei betonen die Experten, dass eine Punktdefinition nicht möglich ist. Stattdessen soll ein möglichst reichhaltig beschriebener Möglichkeitsraum als Richtlinie für die Kreation fungieren. Zusätzlich wurde auf die Notwendigkeit eines Gespürs für die beabsichtigte Wirkung und von Empathie für den Auftraggeber verwiesen, was nahelegt, dass nicht nur eine möglichst präzise Wirkungsbeschreibung, sondern auch die persönliche Annäherung von Auftraggeber und Designer erfolgsentscheidend ist. 6 Diskussion und kritische Einordnung der Ergebnisse Bei der Interpretation der Ergebnisse muss die Perspektivität der Experten als Agenten sowie die spezifische Erhebungssituation berücksichtigt werden. So ist anzumerken, dass eine partizipative Gestaltung von Klangentwürfen für die Agenten nicht nur ein potenzieller Gewinn in der Zielformulierung bedeuten würde. Dies würde auch eine teilweise Offenlegung ihrer Arbeitsprozesse beinhalten. Als Dienstleister sind die Agenten jedoch auch von der wahrgenommenen Komplexität ihrer Tätigkeit abhängig, da diese das wahrgenommene Preis-Leistungsverhältnis beeinflusst. Es liegt also nicht in ihrem Interesse, dem Auftraggeber ein niederkomplexes Bild ihrer Arbeit zu vermitteln, welches das Preisniveau gefährden könnte. Dieses ökonomische Interesse zeigt sich auch in der Geheimhaltung entscheidender Prozesse als »Black Box«. Als weiterer Einflussfaktor muss die Selbstdarstellung der Experten betrachtet werden. Als Vertreter einer Branche, die in vielen Fällen noch immer der Erklärung und Überzeugung bedarf, muss davon ausgegangen werden, dass die Experten im »Verkauf« ihrer Dienstleistung geübt sind. In einer Interviewsituation – auch einer wissenschaftlichen – muss daher mit einer positiven Selbstdarstellung gerechnet werden. Neben der Filterung derartiger Aussagen in der Auswertung37 könnte dies auch ein Indikator dafür
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sein, dass eine direkte Partizipation des Auftraggebers als Relativierung der eigenen Expertise wahrgenommen werden könnte. Eine Fokussierung auf einen Möglichkeitsraum der Klangwirkung sichert den Agenten hingegen kreativen Spielraum und fördert die Anerkennung ihrer Gestaltungskompetenz. Beide Faktoren könnten zu einer Ablehnung der Co-Creation von Klangparametern beigetragen haben. Da die Experten diese Umstände jedoch nicht explizit machten, kann dieser mögliche Einfluss weder zweifelsfrei nachgewiesen noch in seiner relativen Stärke eingeschätzt werden. In diesem Fall wäre allerdings eine eher undifferenzierte oder gar unbegründete Ablehnung zu erwarten gewesen. In der Erhebung begründeten jedoch alle Experten ihre Position mit der schlüssig erscheinenden Argumentation, dass die Co-Creation von Klangparametern nicht hinreichend auf die Wirkung schließen lasse, die schlussendlich relevant sei. Dabei ist anzumerken, dass eine solche Haltung die Plausibilisierung von Klangentwürfen eher erschwert. Zur »Rechtfertigung« von Entwürfen wäre eine partizipative Klanggestaltung durchaus zielführend. Die Co-Creation wird also abgelehnt, obwohl sie der Nutzenmaximierung der Agenten dienlich sein könnte. Die Ergebnisse der Studie scheinen daher die Designpraxis im Corporate Sound angemessen widerzuspiegeln, auch wenn die zugrunde liegenden Kausalitäten nicht vollständig offen gelegt werden konnten. 7 Modellierung des Kommunikationsprozesses Angesichts der Studienergebnisse stellt sich die Frage, wie ein zutreffendes Modell der Beziehung zwischen Auftraggeber und Designer im Corporate Sound Prozess aussehen könnte. 7.1 Inhaltlicher Fokus: Klangwirkung Was den Inhalt der Kommunikation und des Briefings betrifft, steht die Klangwirkung klar im Vordergrund. Damit einher geht die Problematik, dass das Erleben von Klang ein grundsätzlich subjektiver Prozess ist, der nicht beliebig reproduziert werden kann. Zwar können Klangmuster (i.e. ein Musikstück) innerhalb einer Zuhörerschaft scheinbar kollektive und über die Zeit hinweg stabile Wir-
37 Um den Gesprächsfluss nicht zu stören und die Interviewsituation nicht zu verzerren, wurden derartige
Aussagen in der Erhebung zwar nicht gefördert, jedoch auch nicht unterbunden.
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kungen erzielen,38 es liegt jedoch in der Natur der akustischen Wahrnehmung, dass sie situativ und individuell erfahren wird. Jeder Rezipient hat ein persönliches Klangerleben, welches unter anderem durch die eigene akustische Sozialisation, den persönlichen Musikgeschmack, durch Erinnerungen und den aktuellen Kontext geprägt wird. Damit entzieht sich Klang einer starren Wirkungskausalität.39 »[…] wohl wissend, dass ich vielleicht morgen etwas anderes zu dem Klang sagen würde, […] weil so viele Faktoren […] wie Tagesform, Tageszeit, Konzentration und selektive Wahrnehmung eine Rolle spielen.« (Exp. 8) Zudem unterliegen auch Klangereignisse der grundsätzlichen Problematik der Abnutzung und der Reaktanzen bei häufiger Wiederholung. Die objektiv jederzeit gültige Beschreibung einer Klangwirkung scheint daher unmöglich. Die grundsätzliche Unschärfe kann auch kommunikativ nicht eliminiert werden, was nochmals gegen ein codebasiertes Kommunikationsmodell spricht. Stattdessen muss der Umgang mit metaphorischen und wirkungsbeschreibenden Methoden gerade wegen der herrschenden Unschärfe trainiert werden. Dabei kann zwar keine perfekte Verständigung entstehen, wohl aber ein sich annäherndes Verständnis dessen, was das Gegenüber auszudrücken versucht. Nach Aussage der Experten ist dabei nicht nur die Verbesserung der Kommunikation selbst, sondern auch das Element der persönlichen Annäherung der Parteien entscheidend. Beides soll daher Bestandteil des Modells sein. 7.2 Empfindungsgenauigkeit und präzises Gespür Diese Spezifika der Kommunikation über Klangwirkungen werfen die Frage auf, wie Präzision und Effizienz in der Interaktion abgebildet werden können. Wenn ein rationaler Informationsaustausch als Modell der Praxis nicht gerecht wird und genaue und allgemeingültige Beschreibungen eines Wirkungserlebnisses nicht möglich sind, wie können dann Missverständnisse vermieden und zusätzliche Iterationsschleifen verhindert werden? Dazu scheint es lohnend, den Begriff der Präzision als impliziten Teil eines Kommunikationsmodells zu problematisieren. In den westlich geprägten Kulturkreisen ist eine Vorstellung von Präzision als technische Genauigkeit vorherrschend, die linearer messbar und berechenbar ist.40 Eine solche Definition scheint jedoch nur für den bereits verworfenen Ansatz des rationalen Informationsaustausches zutreffend. Eine Alternative bietet ein Ansatz
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der Philosophie: Es entspricht unserer Alltagserfahrung, dass wir ein Gespür »für eine bestimmte Situation, für die Gestimmtheit eines Menschen; für die Angemessenheit möglicher Handlungen«41 besitzen: »Nur für die gröbsten dieser Reize haben wir ein bewusst ausgearbeitetes Sensorium. Wir nehmen sofort die ›Laune‹ von Personen wahr, wenn sie den Raum betreten; besonders von Personen, die wir gut kennen. Aber wenn wir sagen der oder die war aber ›geladen‹, dann sind wir uns dessen sicher auch bei Personen, die wir kaum oder gar nicht kennen – und wie geht das?«42 Hier führt Holger Schulze den Begriff der Empfindungsgenauigkeit als »Genauigkeit des Wahrnehmens […] in Bezug auf einen Gegenstand, eine Situation, einen Sachverhalt«43 ein: »Wir handeln, so sagen wir, mit einem guten Gespür – und diese Auszeichnung bedeutet etwas: Wir […] könnten auch ohne ein Gespür oder mit sehr wenig Gespür handeln.«44 Mit Verweis auf Ulrich Pothasts Innengrund45 und Eugene T. Gendlins »bodily felt sense«46 argumentiert Schulze, dass ein präzises Gespür handlungsanleitend wirken kann, auch wenn es sich einer exakten Verbalisierung entzieht. In Bezug auf die Kommunikation über Klangwirkungen scheint dieses Konzept ein lohnendes Denkmodell anzubieten, da es den empirischen Ergebnissen der Studie deutlich näher kommt als eine naturwissenschaftliche Vorstellung von Präzision. Es trägt außerdem der vielfach geäußerten
38 Nach Ehrenfels ist die ›Transponierbarkeit‹ – die Erzeugung der gleichen Wirkung bei verschiedenen Aufführungen – von Musik eine ihrer Gestaltqualitäten (vgl. Bruhn, Herbert: »Musik als Repräsentation von vorgestellten Handlungen – Ausdrucksmodelle und die Wirkung von Musik« In: Bronner, K.; Hirt, R. (Hg.): Audio-Branding. München: Verlag Reinhard Fischer 2007, S. 20–31, hier S. 26). Das erstmalige Hören eines Klangs kann als Erlebnis jedoch nicht reproduziert werden. 39 Dies trifft auch auf andere Designmedien zu, die Effekte scheinen hier jedoch besonders ausgeprägt.
40 Vgl. Schulze, Holger: »Empfindungsgenauigkeit. Eine Syrrhese« In: Holger Schulze (Hg.): Gespür. Empfindung. Kleine Wahrnehmungen. Klanganthropologische Studien. Bielefeld: transcript 2010, S. 18. 41 Schulze: Empfindungsgenauigkeit, S. 6. 42 Theweleit, Klaus: »Übertragung. Gegenübertragung. Dritte Körper. Zur Gehirnveränderung durch die Medien. International Flusser Lecture« Köln: Verlag der Buchhandlung Walter König 2007, S. 26.
44 Schulze: Empfindungsgenauigkeit, S. 7. 45 Pothast, Ulrich: »Philosophisches Buch: Schrift unter der aus der Entfernung leitenden Frage, was es heißt, auf menschliche Weise lebendig zu sein.« Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1988. 46 Gendlin Eugen: »The Wider Role of Bodily Sense in Thought and Language«, in: Sheets-Johnstone, M. (Hg.): Giving the Body its Due, Albany: SUNY Press 1992, S. 192–207.
43 Schulze: Empfindungsgenauigkeit, S. 18.
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Erfahrung Rechnung, dass sich ein Design »richtig anfühlen« kann, ohne dass eine rationale Argumentation diese Einschätzung verifizieren könnte. Als individuelle Wahrnehmung ist ein präzises Gespür zudem stets an eine Person gebunden. Da die »Weitergabe« in Form von objektiven Informationen nicht möglich ist, sollte ein Modell nicht die ›Übertragung‹ eines Gespürs abbilden, sondern die Annäherung der Gespüre von Designer und Auftraggeber. 7.3 Ein neues Modell: Die Synchronisierung präziser Gespüre Aufbauend auf diesen Erkenntnissen und dem inhaltlichen Fokus auf die Klangwirkung wird im Folgenden ein Modell entworfen, welches das Element des präzisen Gespürs aufgreift und auf zwei Prämissen fußt: P 1: Der Auftraggeber hat ein präzises Gespür für die zu kreierende Wirkung. P 2: Der Designer hat ein präzises Gespür für die Wirkungen, die seine (akustischen) Gestaltungen erzeugen. Aufgrund des Gestaltcharakters und der Übersummenhaftigkeit47 kann ein (akustisches) Design weder durch analytische Zerlegung auf einzelne Reize zurückgeführt werden, noch kann eine spezifische Wirkung rein kausal-logisch »konstruiert« werden. Daher kann von einem gestalterisches Gespür dafür ausgegangen werden, mit welchen kreativen Mitteln bestimmte Wirkungen erreicht werden können. Ein präzises Gespür für die intendierte Wirkung aufseiten des Designers könnte folglich als Ergebnis einer Synchronisierung48 der Gespüre der Designagentur und ihres Auftraggebers, entstehen (siehe Abb. 3):
Abb. 2: Synchronisierung präziser Gespüre für die intendierte Wirkung, eigene Darstellung
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Die Art des Kommunikationsverständnisses ändert sich damit grundlegend: Nicht mehr die Übertragung von Informationen, sondern die Kommunikationsbeziehung selbst steht im Fokus. Diese vertieft sich durch Inspiration und Korrektur, hilfreiche Irritation und konstruktive Kritik. Die Oszillation, das sprichwörtliche ›Hin und Her‹ zwischen den Parteien, führt zu einem stetigen Abgleichen und Annähern der Vorstellungen, sodass die Designagentur ein präzises Gespür dafür erlangen kann, welche Wirkung der Klang erzielen soll. Selbstverständlich kann und soll dies ein Briefing nicht substituieren. Idealerweise wird in der Interaktion mit dem Auftraggeber sowohl eine wirkungsbasierte Zielvereinbarung formuliert, als auch ein präzises Gespür dafür ausgebildet, wie diese Zielvereinbarung »zu verstehen« ist. 8 Fazit: Möglichkeiten und Grenzen der Partizipation des Auftraggebers im Corporate Sound Prozess Wie die Studie zeigt, ist im Corporate Sound Prozess die Klangwirkung das entscheidende Element in Briefing und Evaluation. Eine Partizipation des Auftraggebers in der Klang(objekt)gestaltung ist in der Praxis schwer möglich, da die handwerkliche Barriere zur Gestaltung von akustischen Entwürfen, die auf den Gesamteindruck einer Kreation schließen lassen, relativ hoch ist. Die präzise Beschreibung oder die partizipative Gestaltung von Einzelparametern wie Tempo oder Tonhöhe ist zwar möglich, aber nicht zielführend, da diese nicht hinreichend auf die Wirkung der Gesamtkreation schließen lassen. Die Fokussierung auf die Klangwirkung und das im Modell betonte Moment der persönlichen Annäherung bietet jedoch ebenfalls eine Chance zur Partizipation: Bei der gemeinschaftlichen Gestaltung einer Wirkungsbeschreibung wird sowohl die handwerkliche Barriere des akustischen Entwerfens als auch die Problematik der Einzelparameter umgangen. Stattdessen können Artefakte aus einfach zu manipulierenden Materialien gestaltet und diskutiert werden, um die gewünschten Aspekte des Wirkungserlebnisses
47 Nach Bruhn entsteht bei der Rezeption von Klang er eignissen im erlebenden Subjekt eine »psychische Wirklichkeit, die mehr als die Summe der physikalischen Reize ausmacht« (Bruhn: Musik als Repräsentation
von vorgestellten Handlungen, hier S. 25). 48 Die Metapher der ›Synchronisierung‹ ist hier nicht technisch zu verstehen. Der Schwerpunkt des Modells liegt auf dem Prozess der Annäherung.
Die Herstellung perfekter Kongruenz stellt allenfalls einen idealisierten Optimalzustand dar, dem sich das wachsende Verständnis der Parteien annähert.
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zu verdeutlichen. Ähnliche Prozesse, wie das partizipative Gestalten mit zweidimensionalen Toolkits49 oder die Methode des LEGO Serious Play50, werden in anderen Bereichen bereits erfolgreich eingesetzt. Dazu bietet sich auch die gemeinsame Erstellung einer persönlichen Klang- bzw. Designerzählung an. Als partizipative Erarbeitung einer essayistischen Stimmungsbeschreibung kann sie gerade durch die vielfältigen Möglichkeiten der Narration (Charaktere, Orte, Zeiten, Handlungen, szenische Beschreibungen) ein reichhaltiges Bild von dem beabsichtigten Rezeptionserlebnis liefern. Hier kann der Auftraggeber aktiv einbezogen und befähigt werden, auf der Wirkungsebene gestalterisch tätig zu werden – eine Aufgabe die auch der Kompetenz und dem Wissensstand des Principals als Inhaber der Marke entspricht. Die Co-Narration scheint als Methode zur Synchronisierung präziser Gespüre daher möglich und vielversprechend.51 Da die gestalterischen Kompetenzen des Designers nicht verletzt werden und das Auftragsverhältnis intakt bleibt, ist auch nicht mit Reaktanzen zu rechnen, die auf ökonomischen Interessen basieren. Die Frage der Autorenschaft bliebe ebenfalls unangetastet, da die akustischen Entwürfe weiterhin ausschließlich von der Designagentur erarbeitet werden. Unabhängig von der Partizipation möglicher Nutzer kann daher festgehalten werden: Was die Gestaltung von Klängen als Corporate Sound einer Marke betrifft, scheinen die Möglichkeiten und Grenzen der Partizipation des Auftraggebers derzeit in der partizipativen Gestaltung einer wirkungsbasierten Zielvereinbarung zu liegen. In der vorliegenden Studie konnte nur der Sonderfall der Gestaltung eines Corporate Sounds betrachtet werden. Die Erkenntnisse scheinen zwar grundsätzlich auf andere Designdisziplinen übertragbar, ob und inwiefern dies jedoch tatsächlich möglich ist, müssen Folgestudien klären. Auch ist der am Beispiel der Co-Narration beschriebenen Ansatz nicht im Allgemeinen mit partizipativem Design gleichzusetzen. Eine derartige Partizipation würde vor allem zu Beginn des Arbeitsprozesses stattfinden und keine Mitwirkung des Auftraggebers am eigentlichen Design bedeuten. Gleichzeitig könnten die sich daraus ergebenden Rollenverhältnisse und Kompetenzverteilungen auch für andere Auftragsgestaltungen zutreffend sein. Die Frage: »Wer gestaltet die Gestaltung?« würde durch eine Zweite ergänzt, die anstelle der Autorenschaft den Prozess in den Mittelpunkt rückt: »Wer gestaltet die Kommunikation über die Gestaltung?«
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49 Sanders/Stappers: Co-creation and the new landscapes of design, S. 15 f.
Seriously with Strategy« In: Long Range Planning Vol. 37, S. 549–568, 2004.
50 Roos, Johan/Victor, Bart/ Statler, Matt: »Playing
51 Die Erprobung unterschiedlicher Methoden
Ernsthaft spielen
der Co-Creation zur Förderung der oben genannten Kommunikation scheint ein lohnendes Thema für Folgestudien zu sein.
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Kollaboratives Entwerfen mit Multitouch – Meinen Nutzer und Gestalter das Gleiche? Eine explorative Studie mittels partizipativem und kollaborativem Skizzieren Ralph Tille / Monika Webers
Zusammenfassung In diesem Artikel beschreiben wir eine Studie zum partizipativen und kollaborativen Entwurf von Zeichen im Interfacebereich mithilfe einer digitalen Zeichenoberfläche auf einem Multitouch-System. Hierbei wird es mehreren Nutzern ermöglicht, frühzeitig am Designprozess teilzunehmen. Gegenstand der Untersuchung ist die aktive Nutzerbeteiligung beim kollaborativen Entwerfen von Icons als Bestandteil grafischer Benutzungsoberflächen. Die Studie vergleicht dabei, wie Gestalter und Nicht-Gestalter die Aufgabenstellung zeichnerisch lösen, welche Vorgänge dabei ablaufen und auch, welche Strategien der Zusammenarbeit angewandt werden. Ferner wird untersucht, ob es bemerkenswerte Unterschiede der Arbeits- und Denkweise von Gestaltern und Nicht-Gestaltern gibt und wie beide Gruppen die grafischen Repräsentanten darstellen. Die Sitzungen wurden dazu per Audio und Video aufgezeichnet und die Teilnehmer wurden gebeten, ihre Gedanken während des Entwerfens laut zu äußern.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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Die anschließende Auswertung zeigt, dass die Teilnehmer nach einer kurzen Eingewöhnungs- und ggf. Kennenlernphase die vorgelegten Aufgaben selbständig und kollaborativ bearbeiteten. Bei der Auswertung formaler Gestaltungsmittel wie bspw. Form, Symmetrie sowie semantischer Aspekte der skizzierten Funktionsbezeichnungen wurden teilweise Kategorien und Muster für bestimmte Funktionen und Begriffe gefunden. Die Ergebnisse zeigen, dass Gestalter im Vergleich zu Nichtgestaltern tendenziell eher in der Lage sind, Begriffe abstrakt darzustellen sowie eine direkte Bewertung ihrer Ergebnisse durchzuführen und darauf aufbauend neue Ideen zu entwickeln. Fragestellung und theoretisch-methodische Grundlagen Ausgangspunkt für die Untersuchung war die Frage, wie Zeichen zur Darstellung von Funktionen für die Zielgruppe verständlicher entworfen werden können bzw. wie man den Entwurfsprozess dahingehend optimieren kann. Hinsichtlich der Ausprägung formeller Gestaltmittel — Steffen1 verwendet hier auch den Begriff Formalästhetik – untersucht man beispielsweise, wie gegenständlich oder abstrakt (Vgl. Abb. 1) eine Darstellung wirken soll.
Abb. 1: Darstellung der visuellen Bandbreite von gegenständlich und abstrakt am Beispiel eines grafischen Zeichens für die Tätigkeit »Bügeln« bzw. den Gegenstand »Bügeleisen«
Am Beispiel einer Skizze für die Funktionsbezeichnung »Import/ Export« einer Musikanwendung (Vgl. Abb. 2) wurde jedoch auch deutlich, dass Ideen nicht nur durch Anwendung einer Methode entstehen (hier buchstäblich außerhalb des Rahmens einer morphologischen Matrix). Die dargestellte Skizze zeigte für uns, dass eine genauere Untersuchung des Ideenfindungs- und Entwurfsprozesses notwendig ist, um die Komplexität von bildhaften Darstellungen erfassen zu können. Damit wir nicht nur die Ideen und Entwürfe von Designexperten betrachten, sondern auch die Vorstellungswelt von Anwendern, entwickelte sich der Ansatz, den Entwurfsprozess durch Partizipation der Nutzer sowie durch die Kollaboration mehrerer Personen zu optimieren.
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Um ein besseres Verständnis des komplexen Ablaufes beim Entwerfen zu erhalten, steckten wir zunächst den Rahmen der relevanten Theorien und Methoden ab. Abb. 2: Ausschnitt der Ideenskizzen von Studierenden zu der Funktionsbezeichnung »Import/Export«
Partizipation und Partizipatives Design Das Partizipative Design (PD) bedeutet, den Nutzer stark in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen, ihn als Informationsquelle und Gestalter zu betrachten, wie Schuler bemerkt. Sanders berichtet gar von einer partizipativen Kultur.2 Partizipation verspricht direkten Zugang zur Information und ermöglicht Einsicht in das Nutzerbild ohne Expertenmeinungen, wie auch Clement/van de Besselaar 3 beschreiben. Die Entwicklung vom Konsumenten hin zum Ko-Kreativen innerhalb des partizipativen Entwicklungsprozesses zeigt die Einbindung des Anwenders als aktives Mitglied bei Entwicklungsprojekten (Vgl. Abb. 3)
Abb. 3: Darstellung der Stakeholder unter Einfluss unterschiedlicher Grade der Partizipation
Kollaboration Von Kollaboration spricht man, wenn es sich um ein gemeinschaftliches Arbeiten an einem gemeinsamen Ziel handelt. Im Gegensatz 1 Steffen, Dagmar: Design als Produktsprache, Der Offenbacher Ansatz in Theorie und Praxis, Frankfurt a. M.: form Publisher 2000. 2 Schuler, Douglas/Namioka, Aki: Participatory design –
Principles and practices, Mahwa: CRC / Lawrence Erlbaum Associates 1993. Sanders, Elizabeth B.: »From User-Centered to Participatory Design Approaches«, in: Jorge Frascara (Hg.), Design and the social sciences: Making
Connections, New York: Taylor & Francis 2002, S. 1–8. 3 Clement, Andrew/van den Besselaar, Peter: A retro spect ive look at PD projects, Communications of the ACM, 36(4), 1993, S. 29–37.
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dazu wird von Kooperation gesprochen, wenn ein gemeinsames Ziel in individuelle Ziele und in Teilaufgaben, ggf. auch hierarchisch unterteilt wird. Auch die Verantwortung wird hier aufgeteilt.4 Kvan5 führt weiter aus, dass die Kollaboration sich auch dann einstellt, wenn dadurch eine Gruppe etwas bewältigt, was der Einzelne nicht in der Lage gewesen wäre zu leisten. In unserem Versuchsaufbau gab es Teams, deren Mitglieder sich nicht kannten, nur flüchtig kannten und Teams, die bereits miteinander gearbeitet hatten. Wir schalteten eine gemeinsame »Aufwärmrunde« mit einer einfachen Zeichenaufgabe (»wie sieht das Icon für ›Home‹ in einem Browser aus?«) vor, sodass ein erstes Kennenlernen der Beteiligten und der Arbeitsweise erfolgen konnte. Die Videoauswertung ergab, dass die Personen zwar teilweise zurückhaltend agierten, dies kann jedoch auch der jeweiligen Persönlichkeit entsprechen. Den Erfüllungsgrad, die Dauer und den Umfang konnten die Teilnehmer jedoch individuell und in der Gruppe bestimmen. Falls eine Unsicherheit bei der Aufgabenstellung vorlag, konnte der Moderator eingreifen. Der Aspekt der Führungsrolle einer Person war nicht vorgegeben. Jede Position am Tisch war gleichberechtigt. Die Gruppen einigten sich gemeinsam, wann die Entwurfszeichnungen abgeschlossen und zu einer neuen Funktionsbezeichnung gewechselt werden sollte. Obwohl Zusammenstellung und zeitlicher Umfang der Gruppenzusammenarbeit keineswegs vergleichbar sind mit den Daten aus diversen Studien zu Kollaboration in Arbeitsgruppen – die Zusammenarbeit spielte sich dort meist über mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre ab und die Gruppen bestanden mitunter aus mehreren hundert Personen6 – so ist die Kollaboration bei uns deutlich erkennbar, da in der kurzen Zeit ähnliche Abläufe zu beobachten waren. Wenn man die Erkenntnisse der Studie von Kvan7 heranzieht, entspricht unsere Studie den Vorstellungen von Kollaboration, im Gegensatz zu vielen stark kooperativ geprägten Abläufen bei der Zusammenarbeit in Gruppen. Unser System bietet eine enge Verbindung der Design-Aufgabenstellung und der Teilnehmer und wir konnten auch den Aufbau einer kommunikativen Beziehung der Teilnehmer untereinander während der Zeichnungserstellung feststellen, ganz im Sinne einer engen Zusammenarbeit bzw. dem gemeinsamen Problemlösen wie bei Kvan beschrieben:
»It means working with others with shared goals for which the team attempts to find solutions that are satisfying to all concerned.«8
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Zeichnerische Kollaboration Bei der zeichnerischen Kollaboration arbeiten mehrere Personen mehr oder weniger zeitgleich an einem oder mehreren Entwürfen9. Diese können auf einer gemeinsamen Zeichnung oder auf eigenständigen Zeichenbereichen in einem iterativen Prozess entstehen. Laut Craft und Cairns10 hilft Skizzieren beim Problemlösen und fördert Kreativität hinsichtlich einer Lösungsfindung. Sie beschreiben weiter, dass durch das gemeinsame Skizzieren – auch durch NichtGestalter – konsequentere und zielgerichtetere Ergebnisse erreicht werden können. Auch Buxton11 spricht davon, dass es nicht nur um die Qualität der Skizze an sich geht, denn die Skizze liefert einerseits Erkenntnis für den Entwerfenden selbst, dient aber andererseits auch als Informationsquelle und Grundlage für Kommunikation mit mehreren Personen innerhalb eines Entwicklungsprozesses. In unserer Untersuchung verbinden wir den Ansatz des kollaborativen Zeichnens von Shah,12 die »Design-Kollaboration« von Gero & McNeill13 sowie die »Co-Discovery«-Methode,14 in der mehrere Personen gemeinsam auf unabhängigen, digitalen Zeichenflächen vorgegebene Funktionsbezeichnungen und Begriffe skizzieren und besprechen können. Im Gegensatz zu Kyng (1994), bei dem ein Designer anhand der Beschreibungen Zeichnungen anfertigt, zeichnet der Nutzer bei unserem Ansatz selbst.15
4 Schmalz, Jan Sebastian: »Zwischen Kooperation und Kollaboration«, in: kommunikation@gesellschaft, 8/5 (2007). 5 Kvan, Thomas: »Collaborative design: what is it?«, in: Automation in Construction, 9/4 (2000), S. 409–15. 6
Ebd.
7 Kvan, T: Collaborative Design: what is it? S. 413. 8
Ebd. S. 410.
9 Shah et al.: Collaborative Sketching (C-Sketch) – An Idea Generation Technique for Engineering Design, 2001. http://www.clemson.edu/ces/ cedar/images/3/34/ Shah2001.pdf vom 24.05.2011
10 Craft, Brock/Cairns, Paul: »Using Sketching to Aid the Collaborative Design of Information Visualisation Software – A Case Study«, in: Torkil Clemensen et al. (Hg.), Human Work Interaction Design: Designing for Human Work. Maderia: Portugal, 2006. Craft, Brock/Cairns, Paul: »Sketching sketching: outlines of a collaborative design method«, in: Proceedings of the 23rd British HCI Group Annual Conference on People and Computers: Celebrating People and Technology (BCS-HCI ›09). British Computer Society, Swinton, UK 2009, S. 65–72. 11 Buxton, Bill: Sketching User Experiences: Getting the Design Right and the Right Design, Burlington: Morgan Kaufman 2007.
12 Shah et al.: Collaborative Sketching. 13 Gero, John S./ Mc Neill, Thomas: »An approach to the analysis of design protocols«, in: Design Studies, 19/1 (1998), S. 21–61. 14 Kahler, Helge/Kensing, Finn/Muller, Michael: »Methods & tools: constructive interaction and collaborative work – Introducing a method for testing collaborative systems«, in: interactions 7/3 (2000), S. 27–34. 15 Kyng, Morton: Scandinavian Design: Users in Product Development, in: Proceedings of CHI ›94, Boston: ACM 1994, S. 3–9.
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Vorstudie und Arbeitshypothesen Zunächst wurde eine Vorstudie mit 12 Personen durchgeführt, um herauszufinden, ob unser digitales System sowie die Methode des kollaborativen Skizzierens sich für einen solchen Prozess eignen. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer ohne Berührungsängste mit dem System arbeiteten und auch schnell Spaß an der Sache entwickelten. Es fiel auf, dass es für bestimmte Begriffe Cluster zu geben scheint. Beispielsweise für den Begriff »Klangeinstellungen« wurden häufig entweder Noten oder Lautsprecher aufgezeichnet (Vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Beispiele aus der Vorstudie zu der Funktionsbezeichnung »Klangeinstellungen«
Unsere erste zu prüfende Arbeitshypothese war, dass es »Vorlieben« für bestimmte Zeichen oder Zeichenbestandteile gibt. Das System ließ sich von den Personen gut bedienen, erste Verbesserungsvorschläge zur Bedienoberfläche wurden umgesetzt. Da sich das System prinzipiell auch von Nicht-Gestaltern bedienen lässt, entwickelte sich unsere zweite Arbeitshypothese, um Gestalter mit Nicht-Gestaltern zu vergleichen und zu überprüfen, ob dieses Clusterphänomen allgemein ist. Konkret lautete unsere Arbeitshypothese: »Gestalter bilden mit ihren Entwürfen die Vorstellungen der Nicht-Gestalter ab«. Partizipatives & kollaboratives Gestalten In unserem Versuchsaufbau ist die Partizipation dadurch gegeben, dass der Nutzer gezielt in den Gestaltungsprozess mit eingebunden wird. Ein Vergleich der Ergebnisse von Nutzer und Designer wird anhand derselben Funktionsbezeichnungen für beide Gruppen möglich. Aber auch die Kollaboration ist in verschiedenen Ausprägungen gegeben. Kollaboration kann in diesem Zusammenhang nicht nur unter dem Gesichtspunkt des gemeinsamen Zeichnens an einem Bild auf einer zusammenhängenden Zeichenoberfläche gesehen werden, sondern ergibt sich durch verschiedene Aspekte: der erste ist durch das gemeinsame Diskutieren und
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Evaluieren der Zeichenergebnisse gegeben. Auch das zeitgleiche, an einem Ort stattfindende Zeichnen eines gemeinsamen Begriffs zeichnet die Kollaboration in unserem Fall aus und wird erweitert durch die Evaluation der Ergebnisse bis hin zur iterativen Überarbeitung – teilweise auch gemeinsam auf einer Zeichenfläche. Durch die Kombination dieser beiden Methoden sollte der Nutzer nicht nur teilnehmen, sondern so tief in den Prozess des Entwerfens einbezogen werden, dass er eine ähnliche Rolle wie der Gestalter annehmen kann. Dessen Aufgaben sind definiert als das Feststellen von Problemen, Bewertung und anschließende konzeptuelle Ausarbeitung verschiedener Lösungsansätze. Zu prüfen war, ob der Nicht-Gestalter durch iterative Prozesse zu einem ähnlichen Ergebnis wie der Gestalter gelangen kann. Zeichen, Piktogramme und Icons Das vorgegebene Entwurfsziel war, für bestimmte Funktionsbezeichnungen ein Zeichen oder, mit anderen Worten, einen grafischen Repräsentanten zu skizzieren. Dieser sollte nicht »perfekt« wirken, sondern der Funktionsbezeichnung möglichst nahe kommen und diese verständlich darstellen. Ob und wie viele Varianten skizziert werden sollten, bestimmten die Teilnehmer selbst. Um die Zeichnungen der Personen auswerten zu können, betrachten wir zunächst die vorhandenen Definitionen von Zeichen im Designbereich. Auch eine Einordung hinsichtlich der Semantik und Formalästhetik ist hilfreich. Es gibt in der Fachliteratur unterschiedliche Definitionen der wesentlichen Begrifflichkeiten. Abdullah/Hübner16 beziehen sich in Ihrer Definition von Piktogrammen auf Arbeiten von Frutiger,17 bei dem die Bestandteile ikonisch, symbolisch oder indexikalisch sein können. Diese Unterteilung wiederum basiert auf den Arbeiten von Charles Sanders Peirce und insbesondere deren Fortsetzung von Charles Morris, bei der die Dreiteilung zunächst in eine syntaktische, semantische und pragmatische Dimension erfolgt. Für das weitere Verständnis wesentlich ist die Ableitung in ikonische Zeichen, welche eine hohe Abbildungsähnlichkeit zum Original aufweisen, in indexikalische Zeichen, welche einen direkten Bezug oder eine Nähe zu dem bezeichneten Objekt aufweisen und den symbolischen Zeichen, welche wiederum unabhängig von visuellen oder inhaltlichen
16 Abdullah, Rayan/Hübner, Roger: Piktogramme und Icons: Pflicht oder Kür? Mainz: Hermann Schmidt 2005.
17 Frutiger, Adrian: Der Mensch und seine Zeichen, Wiesbaden: Fourier Verlag 1978.
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Merkmalen einen Bezug über eine Konvention herstellen.18 Den ikonischen Zeichen werden die besten Voraussetzungen hinsichtlich der Nutzbarkeit zugesprochen.19 Krampen et al.20 legen andere Bestandteile zugrunde und sprechen von Metaphern, Analogien, Gegenständen, abstrakten Zeichen. Aber auch sie sprechen davon, dass sichtbare Objekte der Alltagswelt sich leichter gestalten lassen können als abstrakte, nicht sichtbare Vorgänge. Yvonne Rogers21 entwickelte wiederum in Ihrer Arbeit aus dem Jahre 1989 eine ebenfalls oft verwendete Definition. Ihre »icon types« bestehen entweder aus Repräsentanten der Objekte, analogen Repräsentationen der Funktion oder abstrakten Repräsentationen von Systemzuständen. Ergebnis der Arbeit ist die Einteilung in die »four formal icon types« (Vgl. Abb. 5):
Abb. 5: four formal icon types nach Rogers (1989), Piktogramme im Original bei Rogers
Für die Analyse der Zeichnungen ist es essenziell zu verstehen, welche Art von Zeichen es gibt. Rogers beschreibt vier Typen von Zeichen: »Resemblance«, »Exemplar«, »Symbolic« und »Arbitrary« also Analogie, Ähnlichkeit, symbolisch und willkürlich. Allerdings lässt sich dieses viergliedrige Modell nicht auf unseren Kontext anwenden. Basierend auf den vorher genannten Definitionen anderer Autoren entwickelten wir die folgende Arbeitsdefinition, hier am Beispiel der »Allgemeinen Einstellungen« im nachfolgenden Schaubild erläutert. Die Skizze dieses Schaubilds in Abb. 6 zeigt, dass zunächst eine Unterscheidung zwischen Metapher, direktem Abbild und Symbol gemacht werden muss. Ob es sich um eine Metapher oder ein Symbol handelt, ist kontextabhängig. Ein Schraubenschlüssel auf der Verpackung eines Schraubenschlüssels ist ein direktes Abbild, auf der Arbeitskleidung eines Handwerkers eine Metapher. Eine Metapher ist also nicht direkt dem Bezeichneten ähnlich, sondern entstammt dem gleichen Kontext. Ein Symbol geht noch weiter: Es entstammt nicht einem bestimmten, zugehörigen Kontext, seine Bedeutung kann nicht gefolgert, sondern
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muss erlernt werden. Abhängig von der Bezeichnung des Zeichens ist auch sein Abstraktionsgrad. Ist das Zeichen eher abstrakt, in Abb. 6 z. B. in Form einer Liste (Punkte/Striche) dargestellt, ist es eher ein Symbol, da es erlernt werden muss und der direkte Bezug fehlt. Ist das Zeichen allerdings sehr gegenständlich, handelt es sich entweder um ein Abbild oder, wenn es in einen anderen, neuen Kontext gestellt wird, um eine Metapher. Diese Unterscheidung wird in unserer Analyse eingesetzt, um zu ermitteln, welche Art von Abbildern die Teilnehmer bevorzugt erstellen und hieraus zu generieren, welche Art der Darstellung für welche Art von Funktionalität am besten geeignet ist. Das Schaubild selbst wurde bewusst als Skizze dargestellt, da wir dies als Arbeitsmodell verstehen und eine spätere Überarbeitung möglich oder auch notwendig sein kann.
Abb. 6: Eigenes Schaubild in Skizzenform der Einordnung vorhandener Definitionen in die vorliegende Arbeit
Versuchsaufbau und Ablauf Basis des Versuchsaufbaus bildet eine selbst entwickelte digitale Zeichenanwendung auf einem 46“-Multitouch-Tisch. Es konnte sowohl mit digitalen Stiften als auch direkt mit den Fingern gezeichnet werden. Jeder Teilnehmer hat einen eigenen Arbeitsbereich mit Funktionen zur Veränderung von Strichstärke, Eingabemöglich-
18 Aicher, Otl/Krampen, Martin: Zeichensysteme der visuellen Kommunikation – Handbuch für Designer, Architekten, Planer, Organisatoren, Stuttgart: Koch 1977.
19 Ferreira, Jennifer/Noble, James/Biddle, Robert: »A case for iconic icons«, in: Wayne Piekarski (Ed.): Proceedings of the 7th Australasian User interface conference – Volume 50, Darlinghurst, Australia 2006, S. 97–100.
20 Krampen, Martin/Kneidl, Michael/Götte, Michael: Die Welt der Zeichen, Ludwigsburg: AV Edition 2007. 21 Rogers, Yvonne: »Icon Design for the User Interface«, in: International Reviews of Ergonomics, 3 (1989), S. 129–155. Hier: S. 130.
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keit für Text, Löschen der Zeichnung, Schritte rückgängig machen und abspeichern (siehe Ausschnitt der Anwendung in Abb. 7).
Abb. 7: Interface der persönlichen Zeichenfläche mit den Funktionen: Name, Texteingabe, Strichstärke, Rückgängig, Löschen, Speichern. Das Feld ganz oben zeigt zentral für alle Personen die aktuelle Funktionsbezeichnung an
Insgesamt nahmen 28 Personen an der Studie teil, 12 Nicht-Gestalter und 16 Gestalter. Die Gruppe der Nicht-Gestalter setzte sich zusammen aus je 6 Männern und Frauen im Alter zwischen 23 und 41 Jahren. Die Computererfahrung lag dabei zwischen 10 und 25 Jahren. Ähnlich sah es bei den Gestaltern aus. Hier lag die Computererfahrung bei 8 bis 16 Jahren und das Alter zwischen 22 bis 37. 11 Frauen und 5 Männer bildeten die Gruppe der Gestalter ab. Wir wählten für diese Studie sechs tatsächlich verwendete Funktionsbezeichnungen aus diversen Desktopsystemen und mobilen Geräten aus sowie 2 Begriffspaare aus dem allgemeinen Sprachgebrauch: 1 2 3 4 5 6 7 8
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Allgemeine Einstellungen Anwendungen Datenschutz schnelle Suche mit … verbinden übertragen bekannt/unbekannt einfach/komplex
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Um eine möglichst breite Sicht auf die Clusterbildung zu liefern, wählten wir Funktionsbezeichnungen mit unterschiedlichen Möglichkeiten der grafischen Repräsentation aus. Einerseits sollten die Begriffe durch Abbildungen des Originals dargestellt werden können (Suche, Datenschutz), andererseits aber auch keine oder eine nur abstrakte Visualisierung nahelegen (Allgemeine Einstellungen). Beide Gruppen wurden isoliert voneinander betrachtet. Nach einer kurzen Einführung durch den Moderator sollten die Teilnehmer eine erste Vorübung mit der weit verbreiteten Funktionsbezeichnung »Home« absolvieren. Dies diente dazu, dass sich die Teilnehmer ein wenig kennenlernen konnten und den Umgang mit dem digitalen Zeichensystem üben konnten. Den Teilnehmern wurden die o.g. acht Funktionsbezeichnungen und Begriffe vorgelegt. Sie wurden gebeten, Ideen und Fragen während des Zeichnens laut zu äußern. Die Sitzungen wurden medial per Audio- und Video aufgezeichnet. Außerdem wurden die digitalen Skizzen gespeichert. Ein Moderator stand für die Einführung und bei Fragen zur Verfügung. Die Versuchssituation zeigt sich in Abbildung 8. Sobald für eine Funktionsbezeichnung die letzte Skizze erstellt war, konnten die Teilnehmer selbständig die nächste Funktionsbezeichnung aufrufen. Die Dauer der Studie, die Ergebnisse – auch ihre Anzahl – wurde von den Nutzern selbst bestimmt. Abb. 8: Studiensituation. Drei Teilnehmer arbeiten gleichzeitig, äußern ihre Gedanken und werden dabei per Audio und Video aufgezeichnet
Die Entscheidung, digital auf einem Multitouch-Tisch zu arbeiten anstatt z. B. mit Papier und Stift, rührt; dass insbesondere das Kompetenzerleben im Gegensatz zur analogen Handskizze hervorgerufen oder verstärkt werden kann, wenn eine wertige, digitale Zeichnung entstanden ist. Hinzu kommt, dass es nicht direkt um
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eine »schöne«, hochwertige Zeichnung geht, sondern die Funktionsdarstellung im Vordergrund steht, womit ablenkende Ausschmückungen entfallen können und handwerkliche Fertigkeiten in den Hintergrund rücken. Durch die digitale Verfügbarkeit der Skizzen wird zudem die Auswertung vereinfacht, neue Analysemöglichkeiten eröffnen sich. Ähnlich wie beim Arbeiten mit Papier und Stift werden jedoch auch beim Multitouch-Tisch bestimmte Grundbedürfnisse des Menschen erfüllt. Hierzu zählen das Autonomiestreben, das durch das selbständige Arbeiten und Festlegen des Arbeitstempos erreicht wird, außerdem Verbundenheit beim gemeinsamen Besprechen und Arbeiten. Auswertungsmethoden Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte über die »co-discoverymethod« bzw. die »constructive interaction-method«22, 23 und die Grounded Theory. Wie Kahler 24 beschreibt, bilden die beiden Begriffe »codiscovery-method« und »constructive interaction method« letztlich dieselbe Herangehensweise ab, werden lediglich in verschiedenen Zusammenhängen namentlich unterschieden. Ziel dieser Methode ist es, die Gedanken der Testteilnehmer zu erfassen und dabei in einer natürlichen Situation zu bleiben. Im ersten Schritt sollen dazu mehrere Teilnehmer gemeinsam eine Aufgabe bearbeiten. Der zweite Schritt resultiert meist aus dem ersten: Die Teilnehmer diskutieren die Herangehensweise, ihre Ideen und liefern sich gegenseitig Erklärungen. Diese Diskussion unter den Teilnehmern ist ein natürlicher Prozess und kann deshalb durchaus bessere Ergebnisse erzielen als die verwandte Methode des »thinking aloud«, bei der jegliche Gedanken laut geäußert werden sollen. Durch den Einsatz dieser Methoden kann sehr detailliert erfasst werden, welche Gedankengänge die Teilnehmer hatten. Dadurch kann eine viel genauere Analyse der gemachten Zeichnungen stattfinden, die einen Einblick in den tatsächlichen Arbeitsablauf während des Zeichnens bietet. 25 Die Teilnehmer standen durch die Kollaboration häufig in regem Austausch miteinander und eine mögliche Belastung durch die Aufgabenstellung selbst wurde nicht festgestellt oder angemerkt. Mithilfe einer vereinfachten Version der Grounded Theory26 wurden die Video- und Audioaufzeichnungen nach verschiedenen Gesichtspunkten gegliedert. Diese waren die Aussagen, die die Teilnehmer machten, Themen sowie Kategorien, darunter beispielsweise Kompetenz, Handlungswissen und Formalästhetik. Mit dieser
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Unterteilung konnten gute Einblicke in die Arbeitsweise der verschiedenen Teilnehmer gewonnen werden. Ergebnisse Zu Beginn des Tests wurden die Teilnehmer gebeten einen Fragebogen auszufüllen. Hiermit wurden neben demografischen Daten auch Computer- und Mobilgeräteerfahrung, benutzte Systeme und gestalterische Fähigkeiten abgefragt. Aus den Ergebnissen dieser Fragebögen geht hervor, dass viele Teilnehmer Erfahrung mit dem Windows Betriebssystem haben, geht es hingegen um mobile Geräte, so verschieben sich die Vorkenntnisse vorwiegend auf Produkte der Firma Apple und somit auf das IOS Betriebssystem. Die Nutzung dieser Systeme spiegelt sich auch in den Zeichnungen wider, die die Teilnehmer anfertigten. Im gegenseitigen Austausch fielen häufig Bemerkungen wie »Also bei Apple sieht das so aus«. Abbildung 9 zeigt, dass dies auch der Fall für den Begriff »Anwendungen« war. Die Teilnehmer zeichneten zunächst auf, wie sie den Begriff bereits vom Betriebssystem von Apple her kennen.
Abb. 9: Zeichnungen zum Begriff »Anwendungen«
22 Kahler, Helge/Kensing, Finn/Muller, Michael: Methods & tools – Constructive interaction and collaborative work: introducing a method for testing collaborative systems.
24 Kahler, Helge/Kensing, Finn/Muller, Michael: Methods & tools: constructive interaction and collaborative work – Introducing a method for testing collaborative systems.
23 Kennedy, Sue: »Using video in the BNR usability lab«, in: SIGCHI Bulletin 21/2 (1989), S. 92–95.
25 Kemp, J.A.M./van Gelderen, T.: » Co-discovery exploration: an informal method. for the iterative design of consumer products«, in:
Patrick W. Jordan (Hg.), Usability evaluation in industry, Mahwa: CRC / Lawrence Erlbaum Associates 1996, S. 139–146. 26 Strauss, Anselm/Corbin, Juliet: Basics of Qualitative Research – Grounded Theory, Procedures and Techniques, Thousand Oaks: Sage 1990.
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Die Teilnehmer bedienten sich also vorhandenen Wissens. Teilweise wurden dabei die Vorgaben durch das referenzierte Betriebssystem als Status quo angesehen, teilweise diente es allerdings auch nur als Orientierungshilfe. Die eigenen gestalterischen Fähigkeiten wurden von beiden Gruppen jeweils eher als mittelmäßig eingestuft. Es zeigten sich jedoch Unterschiede in der Ausführung. Die Gestalter waren bemüht, stets ein hochwertiges Bild ihrer Idee umzusetzen und setzten dafür auch grafische Mittel wie Strichstärkenunterschiede und Schraffuren ein. Die Nicht-Gestalter hingegen, bedienten sich einer schematischeren Darstellungsweise und wiesen darauf hin, dass es die Aufgabe des Designers sei, diese Darstellungen weiter auszubauen. Beispielsweise wiesen mehrere Zeichnungen zu der Funktionsbezeichnung »Allgemeine Einstellungen« Ähnlichkeit zu Sternen auf, während die verbalen Ausführungen von »Zahnrädern« sprachen (vgl. Abb. 10). Aus diesem Umstand ergibt sich ein wichtiger Unterschied für den weiteren Arbeitsverlauf: Durch die genauere und dem endgültigen Ergebnis nahe kommende Darstellung der Ideen konnten die Designer schon jetzt eine mögliche Wirkung auf den Nutzer diskutieren und evaluieren. Bei den Nicht-Gestaltern war dies so nicht direkt möglich. Wurden die Ergebnisse evaluiert, bezog man sich hauptsächlich auf sich selbst. Ein Hineinversetzen in einen unbeteiligten Nutzer fand eher nicht statt.
Abb. 10: »Allgemeine Einstellungen«, links Non-Designer, rechts Designer
Generell war die Herangehensweise oft abhängig vom jeweiligen Begriff. Während als einfach empfundene Begriffe, beispielsweise die »schnelle Suche« (Vgl. Abb. 11), von den meisten Teilnehmern – sowohl von Gestaltern als auch von Nicht-Gestalter – direkt, ohne Absprache aufgezeichnet wurden, wurde bei anderen Begriffen, beispielsweise »übertragen«, im Vorfeld über verschiedene Möglichkeiten diskutiert. Es kam auch vor, dass eine Person zeichnete, und die anderen die entstehende Zeichnung kommentieren. Das nachfolgende Beispiel stammt aus den Ergebnissen der Funktionsbezeichnung »Allgemeine Einstellungen«: »Was ist wenn du noch so einen … Schraubenzieher dazu machst?«.
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Bei den Gestaltern zeigte sich deutlich ein iterativer Prozess: Basierend auf Grundideen wurden in mehreren Schritten verschiedene Möglichkeiten, Kombinationen und Repräsentanten diskutiert und evaluiert. Bei den Nicht-Gestaltern zeigte sich dieser Prozess im Ansatz. Dies könnte möglicherweise an der o.g. Genauigkeit der Zeichnungen liegen, oder aber auch an der Methodengeschultheit der Gestalter – die den Nichtgestaltern nicht zugrunde liegt. Unklar ist dabei, ob die iterative Arbeitsweise der Designer eine gezielt methodische Strategie als Grundlage hatte. Ergebnisse Kollaboration Gruppe Designer In Bezug auf die Kollaboration konnten sehr zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden. Die Teilnehmer deckten weitestgehend alle Aspekte der Kollaboration ab: Sie arbeiteten zeitgleich an einer bestimmten Aufgabe, sie diskutierten und verfeinerten sowohl eigene als auch die Skizzen anderer Teilnehmer. Teilweise ging es soweit, dass gemeinsam an einer Zeichnung gearbeitet wurde – durch Diskussion oder durch tatsächliches Zeichnen in der Zeichenfläche eines anderen Teilnehmers. In den Gruppen in denen stärker kollaborativ gearbeitet wurde, konnte ein verstärkt iterativer Prozess erkannt werden; somit kann auch die Möglichkeit steigen, vielfältigere Ideen zu entwickeln. Es fanden sich folgende Strategien der Zusammenarbeit: s Lautes Denken der Interpretation von Begriffen und Zeichnungen. s Brainstorming: Es wurden sowohl gezielt als auch spontan Assoziationen und mögliche Nutzerszenarien diskutiert. In diesem Rahmen wurden auch Skizzen im Sinne einer Verständnisfrage für die Gruppe erstellt. s Gemeinschaftliche Abstimmung, Auslotung und Bewertung der Ergebnisse über Skizzen und Gespräche. Diese Strategie scheint sehr dicht am idealtypischen Verständnis des kollaborativen Entwerfens zu liegen, denn dabei entwickelten die Teilnehmer in kurzen, iterativen Prozessen individuelle und gemeinschaftliche Zwischenstände, um anschließend ein gemeinsames Ergebnis zu bestimmen. s Konsensfindung im Sinne eines Ergebnisses von allen: »(…) ja die Lupe … es gibt gar keine Alternative zur Lupe.« s Gemeinsame Diskussion von einer oder von allen Skizzen. Bei der Gruppe der Gestalter zeigte sich auch eine breite Kenntnis bzw. der Vergleich von Computersystemen, bspw. »[…] beim Mac steht das für ich kann nichts verstellen […] «. Deutlich wurde
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auch, dass Designer den sogenannten »design-space« ausloten möchten, d.h. sie entwerfen viele Varianten. Dabei wurde entweder geäußert, dass diese Varianten weit verbreitet sein müssten, oder dass es sich sogar schon um Standards handeln könnte. Die Zeichnungen wurden häufig verworfen und im Vergleich zu den Nicht-Gestaltern wurde ungefähr dreimal soviel gezeichnet. Die zur Verfügung stehenden Werkzeuge wie »Einstellung der Strichstärke« wurden gezielt eingesetzt. Ergebnisse Kollaboration Gruppe Non-Designer Deutlich geworden ist, dass die Gruppe der zeichnerisch nicht Ausgebildeten bei Fällen in denen die eigene Zeichnungsqualität nicht auszureichen scheint, ganz klar formulierte, dass dies nur zum Verständnis diene und ja schließlich Designer für die Feinarbeit zuständig seien: […] das soll dann der Designer machen […]«. Erstaunlich war jedoch, dass die kollaborative Umgebung auch dazu führte, dass man das Problem in der Gruppe lösen wollte, nachdem man zunächst eigene Skizzen erstellt hat. Das wurde kommuniziert und danach zeichneten die Teilnehmer hinsichtlich eines gemeinsamen Ziels, hier zur Funktionsbeschreibung »Datenschutz«. »[…] oder ein Zaun als Schutz.« Falls die Zeichnungsqualität nicht auszureichen schien, wurde sehr häufig und ausgiebig die eigene Zeichnung kommentiert, um den anderen Teilnehmern etwas klar zu machen oder um die eigene Zeichnung zu verbessern. Das folgende Beispiel zeigt dies an der Funktionsbezeichnung »Datenschutz«: »Ich habe einfach Nullen und Einsen auf ein Blatt gemalt und dann davor ein Schloss oder ein Schlüssel« Ein weiterer interessanter Aspekt war das häufige Auftauchen von Zeichnungen, die einen mehr oder weniger deutlichen Bezug zum menschlichen Körper hatten. Dieser Bezug scheint nicht unwichtig bei der Entwicklung grafischer Repräsentanten zu sein. Visuelle und formalästhetische Auswertung Die visuelle Auswertung der zeichnerischen Ergebnisse sollte der Fragestellung nachgehen, ob die Darstellungen ähnliche, vielfältige oder sehr unterschiedliche Motive aufweisen. Außerdem sollte er-
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mittelt werden, in welcher Form der grafische Detailgrad einer Zeichnung in einem solch anfänglichen Stadium eine Rolle spielt. Für die visuelle Auswertung wurden die verschiedenen Zeichnungen, getrennt nach Begriff und Gestalter bzw. Nicht-Gestalter, mit einer Transparenz übereinander gelegt. Taucht eine Zeichnung öfter auf, wie z.B. die Lupe beim Begriff »schnelle, Suche« so wird dies durch die Überlagerung deutlich hervorgehoben, wie sich in Abb. 10 zeigt.
Abb. 11: Visualisierung der Ergebnisse zum Begriff »Schnelle Suche«. Links: Non-Designer, rechts: Designer
Die formalästhetische Auswertung der Bestandteile der Zeichnungen zeigte, dass sich für bestimmte Begriffe Cluster bilden. Dies bedeutet, dass die Gestaltenden zu Funktionen ein bis mehrere Varianten von gleichartigen Repräsentanten aufzeichneten. So bevorzugen beispielsweise sowohl Nicht-Gestalter als auch Gestalter die Lupe für die Funktion der Suche, während andere Darstellungen nur marginal auftauchen. Bei eher abstrakten Begriffen sind die Ideen und Zeichnungen hingegen sehr vielfältig. Abb. 12 zeigt die große Varietät des Begriffs »Anwendungen«. Dies mag besonders daran liegen, dass dieser Sammelbegriff sich erst seit Kurzem, besonders mit dem verstärkten Gebrauch von mobilen Geräten, etabliert.
Abb. 12: »Anwendungen«: links: Non-Designer, rechts: Designer. Unleserlichkeit der Visualisierung zeugt von großer Varietät der gezeichneten Ergebnisse
Im Hinblick auf die Formalästhetik und dem Einsatz formaler Gestaltmittel folgen sowohl Gestalter als auch Nichtgestalter zunächst bekannten Mustern. Ist den Zeichnenden beispielsweise eine Lupe von links nach rechts geläufig, so wird dies in der Regel
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auch zeichnerisch umgesetzt. Eine Vermutung, es könnte sich hierbei um einen Unterschied zwischen Rechts- und Linkshändern handeln, konnte so nicht nachgewiesen werden. Zwar waren mehr Rechtshänder an der Studie beteiligt, doch wurden die meisten Lupen von links nach rechts gezeichnet. Es wird vermutet, dass dadurch eine offene Suchbewegung in Leserichtung dargestellt wird. Auch bei »Allgemeine Einstellungen«, bei dem Symbol des Schraubenziehers, konnte dies festgestellt werden, da die meisten Schraubenzieher von links nach rechts gezeichnet wurden. Generell zeichneten die Teilnehmer häufig Konturen und eher selten ausgefüllte Flächen. Interessanterweise wurden Überlagerungen von zusammengesetzten Begriffen eher vermieden. Auffällig war jedoch die Darstellung des Begriffs »Datenschutz«. Hierbei waren Überlagerungen häufiger bei den Nichtgestaltern zu finden als bei den Gestaltern, welche häufig einen Teil des Begriffs darstellten, bzw. versuchten, durch ein Symbol beide Teile auszudrücken. Generell zeigte sich, dass beide Seiten daran interessiert sind, ein umfassendes Bild verschiedener Möglichkeiten darzustellen; allerdings sind die Nicht-Gestalter dabei sehr bildhaft. Sie orientieren sich häufig an für sie greifbaren, realen Vorbildern. Die Gestalter hingegen arbeiteten in eine eher abstrakte Richtung. Sie suchten nach einem allgemein verständlichen Repräsentanten, der auch losgelöst vom Kontext funktioniert und verständlich ist. Somit gehen sie schon einen Schritt weiter und arbeiten an einem kontextunabhängigen Gesamtkonzept. Für Gestalter scheint dieser Aspekt der Ergebnisfindung eine äußerst wichtige Rolle einzunehmen. Dass die abstrakte Darstellung nicht unbedingt nachteilig sein muss, soll das nachfolgende Beispiel der Abb. 13 von überlagerten Skizzen zur Funktionsbezeichnung »übertragen« zeigen. Die Designer entwickelten sehr abstrakte Darstellungen (»Kästchen«), während die Non-Designer häufig ein direktes Abbild von Computern oder EDV-Komponenten zeichneten. Sofern kein konkretes Abbild möglich war, wurde versucht eine metaphorische Abbildung zu finden.
Abb. 13: links: Non-Designer, rechts: Designer
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Zusammenfassung Unsere Untersuchung legt nahe, dass der Einsatz einer digitalen Zeichenumgebung kollaboratives Entwerfen sowohl für Gestalter als auch für Nichtgestalter ermöglicht. Es zeigte sich auch eine Tendenz für »Vorlieben« für bestimmte Begriffe, sowohl bei Gestaltern als auch bei Nichtgestaltern. Diese Grenzen werden aber durchaus auch aufgebrochen, um neue Ideen zu generieren. Auch die zweite Hypothese konnte – mit Rücksicht auf die kleine Stichprobe unserer Untersuchung – nachvollzogen werden: Die Gestalter sind in der Lage, die Wünsche und Vorstellungen des Nutzers abzubilden. Hinsichtlich der Kollaboration zeigte sich eine Tendenz, »einfache« Begriffe zunächst für sich selbst zu zeichnen und erst bei »schwierigen« Begriffen in die Diskussion mit allen einzusteigen Abschließend sei noch ein Hinweis auf die mögliche Praxistauglichkeit des Systems gegeben. Die Auswertung der Audiound Videodaten ist erfahrungsgemäß sehr aufwendig, daher streben wir hier eine weitere Optimierung in einem zukünftigen Projekt an. Denkbar wäre auch der Einsatz einer Version auf mobilen Geräten wie Tablet-PCs. Gestalter könnten die Anwendung in ihrem Arbeitsumfeld nutzen, um gemeinsam – auch ortsunabhängig – Ideen zu entwickeln. Zudem läge der Fokus der Anwendung dann auf einer stärkeren Vereinfachung der Auswertung der Entwürfe, ein sehr wichtiger Parameter für den Einsatz in realen Entwurfsprojekten.
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Werkzeuge für die partizipatorische Gestaltung haptischer Interface-Systeme Götz Wintergerst / Ron Jagodzinski
1 Die Bedeutung haptischer Rückinformationen für die Human-Computer Interaction Der Computer ist für die meisten von uns seit Jahren ein ständiger Begleiter. Er bestimmt dabei nicht nur häufig unsere tägliche Arbeit, sondern hat sich von einem multifunktionalen Werkzeug zu einem allgegenwärtigen Kommunikationsmedium entwickelt. 1 Für viele von uns sieht die gängige Interaktionsform eine Manipulation virtueller Objekte vorwiegend mithilfe von Maus und Tastatur vor. Basierend auf grafischen Nutzerschnittstellen, sogenannten »WIMP-Interfaces« (»Windows, Icons, Menus, Pointing Device«), findet diese Manipulation zwar deutlich direkter als noch zuvor im Zeitalter der befehlszeilenbasierten Systeme statt, jedoch schränkt die starke Betonung des visuellen und akustischen Wahrnehmungssystems den Interaktionsdialog zwischen Mensch und Computer ein und vernachlässigt den haptischen Wahrnehmungsmodus. Ende der 1990er Jahre wurden eine Vielzahl an InterfaceAnsätzen entwickelt, die über »WIMP-Interfaces« hinausgehen. Diese von van Dam2 als »Post-WIMP User Interfaces« bezeichneten Schnittstellen nehmen seither einen stetig wachsenden Stellenwert im Forschungsfeld der »Human-Computer Interaction« (HCI) ein. Unter anderem wurden hier Nutzerschnittstellen entwickelt, 1 Esposito, Elena: »Der Computer als Medium und Maschine«, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 22, Heft 5, (1993), S. 338–354.
2 van Dam, Andries: »Post-WIMP user interfaces«, in: Communications of the ACM 40, 2, (1997), S. 63–67.
Wer gestaltet die Gestaltung ?
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die gewohnte Umgangsformen mit realen, physischen Artefakten in die Mensch-Maschine-Interaktion integrieren.3 Nutzer steuern dabei virtuelle Elemente durch die Manipulation physischer Gegenstände. Solche unter dem Begriff »Tangible User Interfaces« (TUIs) gefassten Interface-Systeme verschieben durch die Verknüpfung von Gegenstand und digitaler Information die Grenze zwischen realer, physischer Welt und Virtualität. Die Dinge des Alltags werden dabei durch die Erweiterung um eine virtuelle Komponente selbst Teil des Interface.4 »Tangible User Interfaces« integrieren – neben dem visuellen und akustischen – gezielt den haptischen Wahrnehmungsmodus in die Informationsvermittlung. Das haptische Wahrnehmungssystem als Modalität der Nähe ist prädestiniertes Sinnesorgan für schnelle Interaktionen. Durch die Verbindung von hochempfindlichem Tastsinn mit motorischer Präzision und Autonomie der Bewegung ist die Hand das wichtigste Organ für die Manipulation von Gegenständen und somit der Gestaltung unserer Umgebung. Eine Rückmeldung über die Auswirkungen des eigenen Handelns kann hier nahezu zeitgleich mit der eigentlichen Aktion wahrgenommen und ausgewertet werden, wodurch viele Interaktionen intuitiv und somit unbewusst stattfinden können. Arbeiten wie die von Dennerlein5, Hasser6, Dosher und Hannaford7 oder Brewster8 belegen die Relevanz haptisch unterstützter Interfaces und zeigen, dass der Interaktionsprozess durch ein haptisches Feedback hinsichtlich Geschwindigkeit, Fehlerrate und Datendurchsatz signifikant verbessert werden kann. 2 Die Gestaltung des haptischen Feedbacks erfordert Co-Designer Die Art und Weise, wie Hardware und Software in multimodalen Systemen miteinander verknüpft werden, stellt für deren Gestaltung eine neue Herausforderung dar. Diese liegt neben der Informationsgestaltung für die unterschiedlichen an der Interaktion beteiligten Wahrnehmungskanäle vor allem in der Integration zu einer einheitlichen, robusten und für Nutzer verwertbaren Gesamtwahrnehmung.9 Die zu vermittelnde Information muss hierbei stimmig und widerspruchsfrei auf die einzelnen Wahrnehmungskanäle verteilt werden. Dies gilt neben den visuell akustischen Systemen des Interfaces auch für die begreifbaren beziehungsweise berührbaren Komponenten dieser Systeme. Aus diesem Grund werden zunehmend Gegenstände und Steuerelemente mit dynamischem Feedback integriert, wohingegen frühe TUIs noch statische Artefakte für die Steuerung virtueller Inhalte verwendeten. Diese neuen
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Götz Wintergerst / Ron Jagodzinski
Gegenstände oder Steuerelemente können ein aktives oder besser reaktives haptisches Signal kontextsensitiv erzeugen. Sie können ihren fühlbaren Zustand dynamisch ändern und so interaktiv haptische Qualitäten beispielsweise eines virtuellen Objekts vermitteln10. So lassen sich haptische Eigenschaften virtueller Elemente neben visuellen und akustischen inhaltsabhängig darstellen. Daraus ergeben sich nicht nur eine Vielzahl neuer Interaktionsmöglichkeiten und Anwendungsszenarien für die HCI, sondern vor allem auch neue Anforderungen an die Gestaltung. Um die neuen Anforderungen zu charakterisieren, die multimodale Interface-Systeme an die Gestaltung stellen, ist es zunächst hilfreich, den Gestaltungsprozess interaktiver Systeme allgemein zu betrachten. Nach Bill Verplank11 sind bei der Gestaltung interaktiver Systeme generell drei Kernfragen zu beantworten: s How do you do? s How do you feel? s How do you know?
»How do you do?« stellt die Frage nach den Möglichkeiten, die Nutzern zur Verfügung stehen, in ihrer Umwelt zu agieren. »How do you feel?« fragt nach den Reaktionen auf die Aktionen von Nutzern und wie sie diese wahrnehmen.
3 Ishii, Hiroshi: »Tangible bits: beyond pixels«, in: Albrecht Schmid/Hans Gellersen/Elise van den Hoven/Ali Mazalek/ Paul Holleis/Nicolas Villar (Hg.), TEI 2008 – Proceedings of the 2nd International Conference on Tangible and Embedded Interaction, New York, NY: ACM 2008, S. XV-XXV. 4 Hornecker, Eva: »Die Rückkehr des Sensorischen: Tangible Interfaces und Tangible Interaction«, in: Hans Dieter Hellige (Hg.), Mensch-Computer-Interface. Zur Geschichte und Zukunft der Computerbedienung. Bielefeld: Transcript Verlag 2008, S. 235–256. 5 Dennerlein, Jack/Martin, David/Hasser, Christopher: »Force-Feedback Improves Performance for Steering and Combined Steering-Targeting
Tasks«, in: CHI Letters 2 (1) (2000), S. 423–429. 6 Hasser, Christopher/ Goldenberg,/Martin,/ Rosenberg, : »User Performance in a GUI Pointing Task with a Low-cost Force-feedback Computer Mouse«, in: ASME Dynamics Systems and Control Division 64 (1998), S.151–156. 7 Dosher, Jesse/Hannaford Blake: »Human Interaction with Small Haptic Effects«, in: Presence 14 (2005), S. 329–344. 8 Brewster, Stephen/Chohan, Faraz/Brown, Lorna: »Tactile Feedback for Mobile Interactions«, Proceedings of CHI (2007), S. 159–162.
interaction with other senses«, in: Martin Grunwald (Hg.), Human Haptic Perception: Basics and Applications, Basel: Birkhäuser 2008, S. 235–249. 10 Wintergerst, Götz/ Jagodzinski, Ron/Hemmert, Fabian/Müller, Alexander/ Joost, Gesche: »Reflective haptics: enhancing stylusbased interactions on touch screens«, in: Astrid M. L. Kappers/Jan B. F. van Erp/ Wouter M. Bergmann Tiest/ Frans C. T. van der Helm (Hg.), Haptics: Generating and Perceiving Tangible Sensations, Part I, Berlin, Heidelberg: Springer, 2010, S. 360–366. 11 Verplank, Bill: Interaction Design Sketchbook. CCRMA course Music, 2003.
9 Helbig, Hannah/Ernst, Marc: »Haptic perception in
Werkzeuge für die partizipatorische Gestaltung
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»How do you know?« schließlich beleuchtet die Schlussfolgerungen, welche Nutzer aus dem Zusammenspiel von Aktion und Reaktion ziehen. Das heißt, welche Verknüpfung zwischen Ursache (eigene Handlung) und Wirkung (Reaktion der Umwelt) Nutzer herstellen und welche Repräsentationen, also welche mentalen Modelle, ein bestimmter Prozess im Bewusstsein von Nutzern auslöst. Ein mentales Modell ist eine vereinfachte und subjektiv individuelle Repräsentation eines Gegenstandes oder Prozesses im Bewusstsein des Nutzers. Im Falle interaktiver digitaler Systeme ist dies die Vorstellung des Nutzers von Aufbau, Struktur und Funktionalität einer Software oder eines Gerätes, welches mit Software gesteuert wird. Ein Großteil der Nutzer von Computersystemen haben keine Kenntnis der zugrunde liegenden komplexen Informationstechnik und Strukturen. Sie bedienen sich lediglich einer bestimmten Funktion des Geräts, beispielsweise dem Abspielen eines Musikstücks. Diese Funktionen werden unter Zuhilfenahme einer Verhaltensoberfläche Nutzern verfügbar gemacht, beispielsweise das grafische Interface einer Software. Auf dieser Oberfläche oder Schnittstelle werden Repräsentationen für die verschiedenen Funktionalitäten dargestellt. Die Aufgabe von Interaktionsgestaltern ist es, Nutzern eine möglichst leicht verständliche Repräsentation für die jeweilige Funktion zur Verfügung zu stellen. Cooper et al.12 bezeichnen die Repräsentation der tatsächlichen Funktionsweise einer Software als »Implementierungsmodell«. Es beschreibt die tatsächliche technische Funktionalität der Software. Das beim Nutzer entstehende mentale Modell von der verfügbaren Funktionalität der Software wird als »User-Modell« bezeichnet und die von Gestaltern entworfene Repräsentationen der Funktionalität auf der Verhaltensoberfläche als »Repräsentationsmodell«. Je stärker das entworfene Repräsentationsmodell den verschiedenen User-Modellen entspricht desto leichter und unmissverständlicher ist die Funktionalität der Software für den Nutzer zu verwenden. Deshalb ist es erfolgsentscheidend, dass Gestalter die verschiedenen mentalen Modelle der Ziel-Nutzer kennen und verstehen. Um dies zu erreichen, bedient sich die Software-Gestaltung seit geraumer Zeit verschiedener Vorgehensweisen, die Nutzer nicht nur in den Mittelpunkt der Gestaltung stellen, sondern versucht, sie aktiv in den Gestaltungsprozess als Co-Designer zu integrieren. Vor allem für die Gestaltung haptischer Eigenschaften virtueller Objekte ist eine Beteiligung der Nutzer als Co-Designer am Gestaltungsprozess von zentraler Bedeutung. Die mentalen Modelle, die Nutzer von den haptischen Eigenschaften virtueller Objekte haben, sind einer Beschreibung aus Expertenperspektive,
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wie für das »User-Centred-Design« charakteristisch, nur schwer zugänglich. Nach Sanders und Stappers untersuchen beim »UserCentred-Design« ausgebildete Forscher die Reaktionen von nicht am Gestaltungsprozess beteiligten Nutzern auf Produkte oder erheben deren Meinung oder Empfindung über vorgefertigte Produktkonzepte.13 Die Gestaltung des haptischen Feedbacks erschwert diese Art der Untersuchung bzw. entzieht sich ihr, da sie eine sprachliche Verständigung zwischen beobachtendem Experten und Nutzer über dessen mentale Repräsentationen haptischer Eigenschaften voraussetzt bzw. diese nur durch umfassende Untersuchungsreihen erhoben werden können. Wie sich ein virtuelles Objekt anfühlen soll, lässt sich also aus Expertenperspektive nur unpräzise oder mit aufwändigen Untersuchungen darstellen. 3 Der Dialog mit dem Nutzer Im »Participatory Design« (PD) wird bereits seit Ende der 1970er Jahre nach Möglichkeiten gesucht, das Wissen und die Fähigkeiten unterschiedlicher Nutzertypen für die Gestaltung durch deren direkte Beteiligung am Gestaltungsvorgang nutzbar zu machen.14,15 Dies kann zum einen politisch motiviert sein, wie zum Beispiel bei der Gestaltung von Prozessen oder Produkten, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Die Partizipation ist hier nicht nur eine Frage der Funktionalität, sondern es geht dabei auch darum, ein Produkt oder Verfahren durch die Partizipation der Nutzer zu legitimieren. Steht jedoch die Funktion im Vordergrund, dient die Nutzerbeteiligung der Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit des jeweiligen Prozesses oder Produkts sowie einer Optimierung des damit verbundenen Gestaltungsprozesses. Beiden Ansätzen gemein ist das Ziel, in einem Dialog mit dem Nutzer nicht nur die Gestaltungsanforderungen zu definieren, sondern gemeinsam Lösungen dieser Anforderungen zu erarbeiten. Gerade aber dieser dialogische Prozess stellt sich in der Praxis als problematisch dar. Um in einen Dialog zu gelangen, müssen dem Nutzer
12 Cooper, Alan/Reimann, Robert/Cronin, Dave: About Face 3: The Essentials of Interaction Design, New York, NY: John Wiley & Sons, Inc. 2007. 13 Sanders, Elizabeth B.-N./ Stappers, Peter Jan: »Co-creation an the new
landscapes of design«, in: CoDesign: International Journal of CoCreation in Design and the Arts 4 (1), (2008), S. 5–18. 14 Greenbaum, Joan: »PD: A Personal Statement«, in: Communications of the ACM 36 (4), (1993), S. 47.
15 Bergvall-Kåreborn, Birgitta/Ståhlbröst, Anna: »Participatory design – One step back or two steps forward?«, in: David Hakken/ Jesper Simonsen/Toni Robertson (Hg.), PDC 2008. Experiences and Challenges, Indianapolis, IN: Indiana University 2008, S. 102–111.
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adäquate Ausdrucksmöglichkeiten an die Hand gegeben werden, damit dieser seinen Vorstellungen präzise Ausdruck verleihen kann, trotz unterschiedlichem Fach- und Hintergrundwissen von Gestalter und Nutzer. So entstanden im Lauf der Jahre eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden, Techniken und Hilfsmittel, um diesen Dialog zu strukturieren und die Kommunikation der beteiligten Partner zu verbessern.16 Die Gestaltung haptischer HardwareInterface-Systeme stellt darüber hinaus besondere Anforderungen an diesen Dialog. Haptische Eigenschaften lassen sich nur schwer hinreichend genau sprachlich beschreiben. Deshalb fällt es Gestaltern und Nutzern gleichermaßen schwer, sich über haptische Empfindung präzise zu verständigen und eine gewünschte haptische Empfindung eindeutig zu benennen. Bisher wurde zur Lösung dieser kommunikativen Problemlage der User-Centred-DesignAnsatz verwendet, bei dem die Nutzer nicht aktiv als Co-Designer in die Gestaltung der haptischen Interface-Systeme eingebunden waren. Designer erstellten Einzelprototypen der gewünschten Hardware-Komponenten, die mit Testpersonen überprüft wurden. Die langen Entwicklungs- und Umsetzungszeiten der Einzelprototypen führten zu einem langsamen Design-Prozess, an dem die Nutzer nur passiv beteiligt waren. 4 Toolkits für die partizipatorische Gestaltung des haptischen Feedback Einen Lösungsansatz für die problematische Kommunikationslage bei der Gestaltung des haptischen Feedbacks bietet das »Participatory Design«. Innerhalb dieser Gestaltungstradition wurde durch Toolkits den am Gestaltungsprozess beteiligten Co-Designern die Möglichkeit gegeben, ihre Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen17. Für die Gestaltung des haptischen Feedbacks hat sich die Verwendung von modularen Prototyping-Toolkits als zielführend erwiesen. Mit diesen Toolkits als gemeinsamer Entwicklungsumgebung von Gestaltern und Nutzern lässt sich nicht nur das haptische Feedback für den Nutzer darstellen, sondern sie ermöglichen es den Nutzern das Feedback auch aktiv und direkt zu verändern. Auf diese Weise lässt sich eine partizipatorische Gestaltung haptischer Hardware-Interface-Systeme ohne den Umweg einer sprachlichen Beschreibung der haptischen Empfindungen verwirklichen. Die Partizipation des Nutzers führt zu einer wesentlichen Beschleunigung des Gestaltungsprozesses und ermöglicht durch die unmittelbare Erhebung des User-Modells, der mentalen Repräsentation, eine hohe Verständlichkeit der gestalteten Interaktion. Im Folgenden werden zwei Toolkits vorgestellt.
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Der erste Toolkit dient zur Darstellung und Entwicklung rotatorischer Steuerelemente.18 Der Drehregler-Toolkit ist ein Ergebnis des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts haptICS. In dem Projekt wurden Grundlagen und Technologien für ein neuartiges haptisches Interaktions- und Kommunikationssystem als Komponente von Cockpit-Bedienelementen entwickelt und überprüft.
Abb. 1: Prototyping Toolkit für Drehregler-Interfaces
Der Toolkit besteht aus einem Bremsaktor, einer modular aufgebauten sich ständig erweiternden Effektbibliothek und einer Auswahl relevanter Drehsteller, welche in Größe, Gewicht, Form und Oberfläche variieren. Durch eine Kombination von Bremse, Softwarepaket und Schaltteil ist nicht nur die freie Gestaltung des Schaltverhaltens eines Drehreglers möglich, sondern auch die auf den jeweiligen Einsatzzweck abgestimmte Gestaltung des Knopfes. Ausgehend von einer grafischen Interface-Komponente entwerfen Nutzer und Gestalter gemeinsam das entsprechende haptische Feedback. Der Gestalter fungiert als Versuchsleiter. Er macht den Nutzer zunächst mit der Funktionsweise des Toolkits vertraut und leitet den anschließenden Gestaltungsprozess. Um schnelle und direkte Vergleiche zu ermöglichen, werden in der Regel zwei Bremsaktoren vorbereitet. Zunächst mit gleichem Effekt-Setup und identischen Drehknöpfen. Über das Interface der Effektbibliothek kann nun eine Grundform des gewünschten Schaltverhaltens
16 Sanders, Elizabeth B.-N/ Brandt, Eva/Binder, Thomas: A framework for organizing the tools and techniques of participatory design, in: Proceedings of the 11th Biennial Participatory Design
Conference, ACM New York 2010. S. 195–198. 17
Ebd.
18 Jagodzinski, Ron/ Wintergerst, Götz: »A Toolkit
for developing haptic interfaces – control dial based on electromagnetic brake«, in: Adjunct Proceedings of the UIST’09 conference. (2009). S. 19–20.
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(Kraftkurve) ausgesucht werden, welches in Echtzeit von beiden Bremsaktoren dargestellt wird. Unter stetiger Überprüfung durch Drehbewegungen modifiziert der Nutzer die Kraftkurve in Form, Amplitude und Frequenz bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Nun kann ein in Größe, Gewicht, Form und Oberfläche variierender Drehknopf aus dem Sortiment gewählt werden und mit einem der Bremsaktoren verbunden werden.
Abb. 2: Übersicht über die Grundausstattung des Prototyping-Toolkits für Drehregler-Interfaces: Bremsaktoren, Microcontroller sowie eine Auswahl an Drehknöpfen, als Basis für eigene Entwicklungen
Für die Verbindung der Drehknöpfe mit dem Bremsaktor wurde ein Stecksystem entwickelt, welches einen schnellen Wechsel der Knöpfe möglich macht und somit einen effektiven Workflow ermöglicht. Die bereitgestellte Auswahl an Drehknöpfen ist dabei als ein Ausgangspunkt für eigene Entwicklungen zu sehen. Zwei Adapterteile erleichtern die Montage und Verwendung eigengestalteter Drehknöpfe. Der zweite Bremsaktor verbleibt bei der Drehknopfauswahl immer als Referenz.
Abb. 3: Der Bremsaktor kann über den Arduino Microcontroler von jeder gängigen Computerplatform angesteuert werden
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So kann in mehreren iterativen Schleifen eine ideale Drehreglerkombination entsprechend einem grafischen Interface ermittelt werden. Der beschriebene Ablauf wird zunächst mit Einzelpersonen durchgeführt bis diese mit dem System vertraut sind. Danach kann dieser Gestaltungsprozess auch in einer Gruppenarbeit erfolgen.19 Die Mobilität und Flexibilität des Systems ermöglicht Vor-Ort-Prototyping, was zu einer drastischen Verkürzung der Entwicklungszeiten und Präzisierung der Ergebnisse führen kann. Der zweite Toolkit basiert auf einem haptisch unterstützten Eingabestift zur Verwendung auf berührungssensitiven Flächen und Monitoren (Touchscreens). Der Stift erzeugt ein dynamisches, haptisches Feedback und ist in seinem mechanischen Aufbau einem konventionellen Kugelschreiber ähnlich.20 Durch die kontextsensitive, dynamische Vermittlung haptischer Reize an den Nutzer können virtuelle Kanten, Oberflächen, Strukturen, gleichmäßige und ungleichmäßige Texturen, Gewichte oder vergleichbare Elemente der graphischen Nutzeroberfläche haptisch simuliert und kommuniziert werden21. So können zum Beispiel die Objektkanten eines Ordnersymbols oder auch dessen virtuelles Gewicht haptisch dargestellt werden.
Abb. 4: Berührungssensitiver Monitor mit integriertem Microcontroller und verschiedenen Stiftprototypen
19 Sanders, Elizabeth B.-N./ Brandt, Eva/Binder, Thomas: »A framework for organizing the tools and techniques of participatory design.« 20 Wintergerst, Götz/ Jagodzinski, Ron/Hemmert, Fabian/Müller, Alexander/ Joost, Gesche: »Reflective
haptics: enhancing stylusbased interactions on touch screens.« 21 Hemmert, Fabian/Müller, Alexander/Jagodzinski, Ron/ Wintergerst, Götz/Joost, Gesche: »Reflective haptics: haptic augmentation of GUIs through frictional actuation
of stylus-based interactions«, in: Adjunct proceedings of the 23nd annual ACM symposium on User interface software and technology (UIST ›10), New York, NY: ACM 2010, S. 383–384.
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Bei der stiftbasierten Computerinteraktion – wie bei jeder vermittelten, werkzeuggebundenen Interaktion – kommt dem vermittelnden Werkzeug eine Schlüsselfunktion zu. Seine physischen Eigenschaften prägen das Empfinden der vermittelten haptischen Eigenschaften virtueller Objekte. Somit ist auch hier für die Gesamtwahrnehmung des haptischen Interface-Systems nicht nur die Gestaltung des dynamischen haptischen (Oberflächen-)Feedbacks entscheidend sondern auch Form, Größe, Gewicht etc. der Hardware sowie deren Benutzungskontext. Um auch hier eine partizipatorische Gestaltung des haptischen Hardwaresystems zu ermöglichen, wurden neben einem Software-Interface eine Reihe verschiedener Eingabestifte in den Toolkit integriert. Der modulare Aufbau des Toolkits ermöglicht eine freie Positionierung des Monitors. Arbeitshöhe und Neigungswinkel sind frei wählbar und ermöglichen so die Darstellung unterschiedlicher Benutzungsszenarien.
Abb. 5: Modular aufgebauter Toolkit für die partizipatorische Gestaltung stiftbasierter haptischer Interfaces
Der Toolkit umfasst neben einem Software-Interface für die Gestaltung des Oberflächen-Feedback-Verhaltens von graphischen Bildschirmelementen wie Fenstern, Ordnern, Pull-Down-Menüs, Scrollbars etc. verschiedene Stiftprototypen. Diese Prototypen unterscheiden sich in ihrer Grundcharakteristik deutlich voneinander und stellen darüber hinaus verschiedene Funktionen zur Verfügung. Auch hier entwerfen Nutzer und Gestalter wieder ausgehend von der graphischen Interface-Komponente gemeinsam das entsprechende haptische Feedback. Nachdem der Nutzer in die grundlegenden Funktionalitäten des Toolkits eingewiesen wurde, kann er
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mit der Gestaltung des Objektfeedbacks beginnen. In einem Editiermodus stehen ihm dazu direkt auf dem Screen die verschiedenen Manipulationsmenüs zur Verfügung. Diese können direkt mit dem Stift am jeweiligen Bildschirmelement eingestellt werden. Nach der Einstellung verlässt man den Editiermodus und überprüft nun das haptische Feedback-Verhalten der Objekte. Dabei können nun die verschiedenen Stiftprototypen hinsichtlich ihrer Charakteristik überprüft werden. Dazu kann der Nutzer den gewünschten Stift am integrierten Steuergerät mittels eines Wählschalters aktivieren und so schnell zwischen den verschiedenen Prototypen wechseln. Dies ermöglicht den direkten Vergleich der Hardwareprototypen anhand einer gleichbleibenden Interface-Situation. 5 Zusammenfassung Interface-Systeme, welche auf die gesamtsensorischen Fähigkeiten des Menschen eingehen, haben das Potential, die »HumanComputer Interaction« nachhaltig zu verbessern. Sie können einen Beitrag zu einem natürlichen Umgang mit digitaler Technologie leisten, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Der Entwurf und die Umsetzung dieser Systeme stellt eine große Herausforderung für die Gestaltung dar und gerade hier ist es wichtig, die Vorstellungen und Wünsche einer breiten Anwenderschicht zu kennen und zu berücksichtigen. Den Nutzer an der Gestaltung seiner Maschinen partizipieren zu lassen setzt einen Dialog voraus, welcher mangels gemeinsamen Vokabulars scheitern kann. Gerade bei der sprachlichen Beschreibung haptischer Empfindungen wird dies deutlich. Mit den hier vorgestellten Werkzeugen möchten wir den gemeinsamen dialogischen Erkenntnisgewinn von Gestaltern und Nutzern unterstützen und vorantreiben.
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Zu den Autorinnen und Autoren Sandra Buchmüller ist Designerin und Designforscherin. Sie absolvierte ihr Diplom an der Köln International School of Design und arbeitete danach als freie Designerin für RTL Enterprises, die Entwicklungs- und Ausstellungsgesellschaft Zollverein, als User Experience Designerin für Vodafone, T-Systems, die Deutsche Telekom, als Designforscherin für die Telekom Innovation Laboratories sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Designforschung von Prof. Dr. Gesche Joost an der Universität der Künste Berlin. Aktuell arbeitet sie an ihrer Dissertation, in der sie sich mit der Vergeschlechtlichung von Gestaltungsprozessen und -resultaten auseinandersetzt mit dem Ziel, einen feministischen-normalitätskritischen Ansatz für die Designforschung und -praxis zu entwickeln. Gilbert Cockton is Professor of Design Theory in Northumbria University’s Faculty of Arts, Design and Social Sciences. He has a multidisciplinary background, with a dual major in History and Education, a Computing PhD, extensive research and practical experience for interaction design, and a UK NESTA fellowship (2005–2008) on value-centred design. He has mixed high school, university and industry posts with consultancy and childcare, teaching history, sociology, software and information engineering, computer graphics, HCI, interaction design, and design theory. He understands and has practiced within each main design paradigm, but favours none. Isabelle Dechamps studierte das Fach Foundation Studies in Art and Design an der University of the Arts in London und Produktdesign an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo sie im Jahr 2012 ihr Diplom absolvierte. In ihrer Arbeit verfolgt sie partizipative künstlerische Ansätze, insbesondere in Projekten mit Menschen mit Behinderung und über interkulturellen Austausch. Sie innitierte 2010 das partizipative Design Projekt be able. Bei be able arbeiten junge Designer mit designfernen sozialen Randgruppen zusammen, die handwerklich produzieren können. Dabei geht es darum die Teilnehmer dazu zu befähigen, ihre eigenen Ideen als Produktentwürfe zu entwickeln und als marktfähige Produkte umzusetzen. Pelle Ehn is professor at the School of Arts and Communication, Malmö University, Sweden. He has for four decades been involved in the research field of participatory design and in bridging design and information technology. Participatory design research projects include DEMOS from the seventies on information technology and work place democracy, UTOPIA from the eighties on user participation and skill based design, ATELIER from the last decade on
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architecture and technology for creative environments, and during the last years Malmö Living Labs, on open design environments for social innovation. His publications include Computers and Democracy (1987), Work-Oriented Design of Computer Artifacts (1988), Manifesto for a Digital Bauhaus (1998), and as one of the voices of A.Telier Design Things (2011). Publications from last year include Agonistic participatory design (CoDesign), Design Matters in Participatory Design (International handbook on Participatory Design), Design Things versus Design Thinking (Design Issues), Utopian Design (Design and Anthropology) and What is the object of design (CHI). In 2008 he received the biannual ACM Rigo Award for a lifetime contribution to the field of communication design. Jesko Fezer ist Professor für Experimentelles Design an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und arbeitet als Architekt, Autor, Designer, Künstler und Ausstellungsgestalter. Er ist Mitbegründer der thematischen Buchhandlung »Pro qm« in Berlin. In Kooperation mit dem Institut für angewandte Urbanistik realisierte Jesko Fezer Projekte in München, Graz, Utrecht, Stuttgart, Berlin, New York und London. Er gibt die politische Architekturzeitschrift »An Architektur. Produktion und Gebrauch gebauter Umwelt« mit heraus und ist Mitbegründer des Studios »Kooperative für Darstellungspolitik«. 2009–2010 leitete er das Projekt »Civic City. Design for the Post-Neoliberal City« an der Züricher Hochschule der Künste. Jesko ist seit 2011 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung (DGTF) und Mitglied der Hamburger Kunstkommission. Matthias Held ist Professor an der HfG Schwäbisch Gmünd mit dem Schwerpunkt gestalterische Grundlagen. Er ist Gründungsmitglied des Instituts für Angewandte Forschung der HfG und forscht dort insbesondere zu Fragen der Medizintechnik und der regenerativen Energie. Nach dem Studium der Produktgestaltung an der HfG Schwäbisch Gmünd ging er als Fulbright Stipendiat in die USA, wo er am Pratt Institute in New York mit dem Master of Industrial Design abschloss. Zurückgekehrt nach Deutschland war er Mitbegründer der Stuttgarter Designagentur »quintessence“. In seiner Praxis arbeitete er in der Produkt- und Ausstellungsgestaltung und im transmedialen Design. Später wand er sich vermehrt epistemischen Fragestellungen und der Forschung und Lehre zu. Seit 2008 ist er Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung (DGTF) und engagiert sich als Berater und Gutachter u.a. für die Studienstiftung des Deutschen Volkes, das Swiss Design Network und den Bundespreis Ecodesign.
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Gesche Joost ist Professorin für Designforschung an der Universität der Künste Berlin und leitet seit 2005 das Design Research Lab. Mit ihrem Team forscht sie zu den Schwerpunkten Gender und Diversity, soziale Nachhaltigkeit im Design, Interaction Design, Community Infrastructuring sowie zu Grundlagen der Designtheorie und -forschung. Gesche Joost ist Jurymitglied der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Gutachterin für internationale Konferenzen wie SDN und CHI und Gutachterin des BMBF. 2006 wurde sie als einer der »100 Köpfe von morgen« ausgezeichnet und erhielt 2008 den Nachwuchswissenschaftspreis des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. Seit 2008 ist sie Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung (DGTF). Jens Krzywinski leitet als Junior-Professor das Zentrum für Technisches Design an der Technischen Universität Dresden, welches vorrangig zu Projekten im Investitionsgütersektor – stationären und mobilen Maschinen – forscht, lehrt und entwickelt. Promoviert zu Designkonzepten im Transportation Design liegt der aktuelle Forschungsschwerpunkt seiner Arbeit auf dem Transfer durch Design und Designmethoden in Technischen Anwendungsbereichen. Petra Pferdmenges is running the research-based practice Alive Architecture. The multidisciplinary platform reclaims the public role of designers by making social challenges explicit through unsolicited projects. Since 2010 the approach is developed further through a PhD (design research at Sint-Lucas Architectuur & RMIT Melbourne). Petra Pferdmenges teaches design & theory at SintLucas Architectuur & at the ULG. Previously, Petra worked for five years in renowned architecture offices throughout Europe (Edouard Francois in Paris, Josep Llinas in Barcelona, Architecten Cie in Amsterdam and ARJM in Brussels) after having completed the International Master in Architecture at the TU Delft, Netherlands. Claudia Mareis absolvierte eine Erstausbildung in Visueller Kommunikation und ein Zweitstudium in Design-, Medien- und Kunsttheorien sowie Kulturwissenschaften in Zürich, Berlin und Linz. Die Promotion folgte 2010 mit einer diskursanalytischen Arbeit zu Design als Wissenskultur (erschienen 2011, Transcript Verlag). Von 2010–2013 forschte sie im Forschungscluster »Bild, Modell, Entwurf« beim NFS Bildkritik eikones an der Universität Basel an einem Projekt zur Geschichte und Praxis von Kreativitäts- und Ideenfindungstechniken in der Nachkriegszeit. Seit Februar 2013 ist sie Professorin für Designtheorie und Leiterin des Instituts Designund Kunstforschung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel. Sie ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung (DGTF) und Mitglied im Board of International Research in Design (BIRD) des Birkhäuser-Verlags.
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Daniela Menzel ist Dozentin an der Kompetenzschule sowie Projektleiterin in einem interdisziplinären Projekt zur Innovationsund Strategieforschung in KMU an der Technischen Universität Chemnitz. Hier promovierte sie 2009 zur Strategie- und Lernfähigkeit von KMU. Zwischen 2000 und 2009 war die Diplom-Soziologin in der Lehre im Themenfeld Personal und Führung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und als wissenschaftliche Mitarbeiterin in unterschiedlichen Forschungsprojekten tätig. Florian Sametinger studierte Interaction und Industrial Design an der Brunel University of West London, Politecnico di Milano und der Hochschule Magdeburg Stendal. Danach arbeitete er mehrere Jahre als selbständiger Interaction Designer in München und begann 2010 am Design Research Lab der UdK seinen PhD mit dem Forschungsschwerpunkt Design for Social Sustainability. Er rief das Forschungsprojekt Neighborhood Labs ins Leben und leitet es gemeinsam mit Jennifer Schubert und Andreas Unteidig. Elizabeth B.-N. Sanders joined the Design Department at The Ohio State University as an Associate Professor in 2011 after having worked as a design research consultant in industry since 1981. She introduced many of the tools, techniques and methods being used today to drive and/or inspire design from a human-centered perspective and has practiced co-designing across all the design disciplines. She speaks and conducts workshops about participatory design research, collective creativity and transdisciplinarity all over the world. Liz serves as an Associate Editor for Codesign: International Journal of CoCreation in Design and the Arts, and is on the Advisory Board for the School of Design at Carnegie Mellon University. She is also the founder of MakeTools, a company that explores new spaces in the emerging design landscapes. Some of her clients have included Apple, AT & T, Coca Cola, Compaq, GE, IBM, Intel, Kodak, Microsoft, Motorola, Procter & Gamble, Roche Diagnostics, Steelcase, Thermos, 3M, and Xerox. She recently co-authored (with Pieter Jan Stappers) a book called »Convivial Toolbox: Generative Research for the Front End of Design«. Susanne Schregel, Dr. phil. Studium der Geschichte, Soziologie und Philosophie in Münster und Bielefeld. 2006–2011 Stipendiatin am Graduiertenkolleg »Topologie der Technik«, TU Darmstadt. Seit Oktober 2011 Research Fellow am IKKM Weimar (im Programm »Werkzeuge des Entwerfens«). Forschungsschwerpunkte: Raumbezogene Gesellschaftsanalyse, Politikgeschichte, Soziale Bewegungen und Alternativmilieu. Jennifer Schubert studierte an der Köln International School of Design und der Parsons – New School for Design in New York mit den Schwerpunkten Kommunikationsdesign und qualitative Design-
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forschung. In dieser Zeit arbeitete sie in den Bereichen Service Design und Nachhaltigkeit. Seit Februar 2012 ist sie Doktorandin des Design Research Labs der Universität der Künste Berlin und promoviert im Bereich »Community-Infrastructuring«. Klaus-Peter Schulz ist Professor für Strategie und Innovation an der ICN Business School in Nancy und Metz. Zuvor war er als Projektleiter mehrerer öffentlich geförderter Forschungsprojekte zum Thema Innovationsfähigkeit und partizipatives Veränderungsmanagement an der Technischen Universität Chemnitz tätig. Dort hat er auch zum Thema organisationale Entwicklung durch spielerische Ansätze promoviert. Vor seiner wissenschaftlichen Tätigkeit arbeitete er als Projektleiter für Innovationsprozesse bei der Roche Diagnostics GmbH. Pieter Jan Stappers made the switch to Industrial Design Engineering (IDE) at TU Delft, after an education in experimental physics (MSc 1984), and followed a research path which led from human perception, spatial imagery, Virtual Reality (PhD in 1992), to design tools and participatory design techniques. His activities as full professor of Design Techniques (as of 2002) encompassed coordinating Delft’s new Master programme of Design for Interaction (until 2013), being informal director of ID-StudioLab, heading the research subprogramme on tools and techniques for the conceptual phase of design. As of 2013, he is Director Graduate School and Research at IDE. Key elements in his work are »research through design«, »experiential prototypes« and contextmapping. Cornelius Stiegler studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin mit den Schwerpunkten strategisches Marketing und Kommunikationswissenschaft. Er hat sich auf die Kommunikationsprozesse zwischen Auftraggeber und Designagenturen spezialisiert. Sein Fokus liegt auf dem Feld des Corporate Sound (auch Sound Branding, Audio Branding) und der Komplexität des Sprechens über Klang. Neben seiner Tätigkeit als Berater für Markenklang bei nhb corporate sound (Kunden u.a. BMW, Hornbach, Aspirin) ist er auch als Referent und Gastdozent aktiv. Ralph Tille studierte Industrial Design an der HfG Pforzheim und ist seit 1997 als selbständiger Designer tätig. Ab 2002 Forschungstätigkeit am Institut für Ergonomie und Designforschung (IED) der Universität Duisburg-Essen. Bei der Daimler AG konzipierte, gestaltete und beforschte er Mensch-Maschine-Interfaces. 2006 Professur an der FH Oberösterreich. Seit 2007 Professur für Design interaktiver Medien an der HdM Stuttgart. Die Forschungsschwerpunkte sind Interaktive Informationsvisualisierungen und Information-Experience.
Zu den Autorinnen und Autoren
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Andreas Unteidig arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Design Research Labs der Universität der Künste in Berlin. Er studierte Design in Köln (KISD) und New York (Parsons) und arbeitete als Designer, Berater und Dozent für verschiedene Unternehmen und Institutionen. Seine forscherische Arbeit ist im DRL-Schwerpunkt Community Infrastructuring angesiedelt, wo er gemeinsam mit Jennifer Schubert und Florian Sametinger das Designforschungsprojekt Neighborhood Labs leitet. In seinem Dissertationsvorhaben beleuchtet er Ermächtigungsstrategien zum partizipatorischen Entwerfen möglicher Zukünfte und deren Projektierung zu Basen jetzt-zeitlichen Handelns im Kontext urbaner Gemeinschaften. Monika Webers (B.A.) studierte Informationsdesign mit Schwerpunkt Interface- und Interactionsdesign an der Hochschule der Medien Stuttgart. Nach ihrem Abschluss im Jahre 2011 arbeitet sie als akademische Mitarbeiterin im Forschungsbereich Interaction Design Research. Ihr Forschungsbereich ist der Entwurf von innovativen Interfaces mit Fokus auf der Nutzerbeteiligung. Götz Wintergerst und Ron Jagodzinski sind wissenschaftliche Mitarbeiter der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd (HfG). Seit 2005 forschen und lehren sie im Bereich multimodale Mensch-Maschine-Interaktionen. Ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sind zentraler Bestandteil des Forschungsschwerpunktes Tangible Interaction Research der HfG. Schwerpunkte ihrer Arbeiten sind dabei Entwicklungsumgebungen für die Gestaltung haptischer Rückinformationen, die stiftbasierte MenschComputer-Interaktion, automotive und mobile Interfaces sowie Wissensmanagement im Design. Gemeinsam gründeten sie 2012 nui lab – eine Agentur für die Gestaltung, Entwicklung und Beratung multimodaler Interface-Systeme. Christian Wölfel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Dresden, forscht und lehrt dort seit 2005 im Technischen Design. Als Mitglied der DGTF initiierte er 2008 die Themengruppe »Design promoviert«, die er seitdem gemeinsam mit Katharina Bredies leitet. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit der Spezifik von Entwurfswissen im Industriedesign und konnte die Effekte reflexiver und narrativer Methoden bei der Wissensakquise empirisch belegen.
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