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German Pages 356 [371] Year 2016
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) · Tobias Nicklas (Regensburg) J. Ross Wagner (Durham, NC)
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Monika Elisabeth Götte
Von den Wächtern zu Adam Frühjüdische Mythen über die Ursprünge des Bösen und ihre frühchristliche Rezeption
Mohr Siebeck
Monika Elisabeth Götte, geboren 1985; Studium der Theologie in Zürich; 2011–14 SNF-Projektmitarbeiterin bei Prof. Dr. Jörg Frey; 2016 Promotion in Zürich; seit 2011 Pfarrerin der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich in Stäfa (ZH).
ISBN 978-3-16-154847-5 eISBN 978-3-16-154848-2 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2016 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Gomaringen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Meiner Familie und meinen Freunden
Vorwort Ἐν τῷ κόσμῳ θλῖψιν ἔχετε· ἀλλὰ θαρσεῖτε, ἐγὼ νενίκηκα τὸν κόσμον. Joh 16,33b Die vorliegende Arbeit ist die für den Druck geringfügig überarbeitete und erweiterte Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Herbstsemester 2015 eingereicht und im Frühjahrssemster 2016 von der Theologischen Fakultät der Universität Zürich auf Antrag von Herrn Prof. Dr. Samuel Vollenweider als Dissertation angenommen wurde. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Bösen hat meinen geistigen und geistlichen Horizont immens erweitert und das gerade in einer Zeit, in der die Frage nach einer Hermeneutik des Bösen allgegenwärtig ist. Ich erachte es als ein Privileg, Zeit und Mittel für eine wissenschaftliche Arbeit gehabt zu haben. Viele haben dazu beigetragen, dass dieses Buch nun vorliegt; ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen. Den Herausgebern danke ich für die Aufnahme in die zweite Reihe der „Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament“ und dem Verlag Mohr Siebeck für die kompetente, effiziente und freundliche Betreuung der Drucklegung und Publikation. Für wichtige inhaltliche Hinweise und Verbesserungsvorschläge danke ich den Gutachern Prof. Dr. Samuel Vollenweider (Zürich) und Prof. Dr. Loren T. Stuckenbruck (München) sowie Prof. Dr. Tobias Nicklas (Regensburg). Dem Kollegium des Neutestamentlichen Forschungsseminars in Zürich danke ich für die wertvolle Weggemeinschaft und Freundschaft. Den Mitarbeitenden und der Behörde der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Stäfa danke ich für ihre Freundschaft, das Interesse an meiner wissenschaftlichen Arbeit und das mir entgegengebrachte Vertrauen. Meinen Eltern und meiner ganzen Familie danke ich für ihre mannigfaltige Unterstützung: Für die Ermöglichung meines Studiums, für unzählige Stunden der Gemeinschaft und alles, was wir zusammen getragen und erlebt haben. Meiner Familie und meinen Freunden ist dieses Buch in großer Dankbarkeit gewidmet. Ich danke meinen vielen lieben Freunden für lange Weggemeinschaft, das Tragen von Freud und Leid, für Erlebnisse und Abenteuer, tiefe Gespräche
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Vorwort
und ganz viel Humor: Dr. med. vet. Annina Fröhlich, lic. theol. Nicole Frei, Pfrn. Stefanie Porš, Laura Gallela, Peter Baldini, Corinne Stemmer, Sabrina Glükler und meinem wunderbaren Pfarrkollegium Diana Trinkner, Rolf Kühni und Christian Frei. Für die große und vielfältige Unterstützung und Begleitung in allen Belangen dieser Arbeit danke ich Prof. Dr. Jörg Frey (Zürich), der mir über dieses Projekt hinaus zum unschätzbaren Gefährten geworden ist. Stäfa, am 29. August 2016
Monika Elisabeth Götte
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Einleitung ................................................................... 1 1. Hinführung ................................................................................................ 1 2. Begriffliche Vorbemerkungen .................................................................... 4
2.1. Zur Frage nach dem Bösen ................................................................ 4 2.2. Zur Interpretation mythologischer Erzählungen ................................ 6
3. Typologie der Erklärung des Bösen ......................................................... 10
3.1. Der exklusive Monotheismus .......................................................... 11 3.2. Der Wächterfall ............................................................................... 15 3.3. Die dualistische Denkform .............................................................. 19 3.4. Der Fall Adams ............................................................................... 25 3.5. Der urzeitliche Satansfall ................................................................ 28 3.6. Die Lehre vom bösen Trieb ............................................................. 33 3.7. Fazit ................................................................................................ 36
4. Zum Gang der Untersuchung................................................................... 37
Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption ................. 40 1. Einleitung ................................................................................................ 40 2. Das Wächterbuch (1 Hen 1-36) ............................................................... 40
2.1. Einführung ...................................................................................... 40 2.1.1. Einleitung 1 Henoch ............................................................. 40 2.1.2. Inhaltsübersicht 1 Hen 1-36 .................................................. 42 2.1.3. Zur Literargeschichte des Wächterbuches ............................ 44 2.1.4. Datierung ............................................................................. 46 2.1.5. Traditionsgeschichtlicher Kontext: Genesis.......................... 47 2.1.6. Religionsgeschichtlicher Kontext: Griechische Mythologie . 49
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Inhaltsverzeichnis
2.2. Analyse ........................................................................................... 52 2.3. Kommentar ..................................................................................... 60 2.3.1. Wortfelder des Bösen im Wächterbuch ................................ 60 2.3.1.1. Aufstellung ........................................................................ 60 2.3.1.2. Zusammenstellung ............................................................ 64 2.3.1.2.1. Ungerechtigkeit und Sünde............................................. 64 2.3.1.2.2. Illegitime Sexualität ....................................................... 65 2.3.1.2.3. Lehren ............................................................................ 66 2.3.1.2.4. Gewalt ............................................................................ 67 2.3.1.2.5. Gebotsübertretung und Lästerung ................................... 68 2.3.1.3. Zusammenfassung und weiterführende Fragestellungen .... 69 2.3.2. Ordnungsdenken .................................................................. 70 2.3.2.1. Zur Vorstellung kosmischer Ordnung ................................ 71 2.3.2.2. Bruch der Ordnung ............................................................ 73 2.3.2.3. Abschließende Bemerkungen ............................................ 77 3. Rezeption im frühen Judentum ................................................................. 78
3.1. Das henochische Schrifttum: Variationen des Wächtermythos ........ 79 3.1.1. Die Tiersymbolapokalypse (1 Hen 85-90) ............................ 79 3.1.2. Die Zehn-Wochen-Apokalypse (1 Hen 93,1-10; 91,11-17)... 81 3.1.3. Die Geschichte der Geburt Noahs (1 Hen 106-107) .............. 83 3.1.4. Die Epistel Henochs (1 Hen 92-105) .................................... 85 3.1.5. Die Bilderreden (1 Hen 37-71) ............................................. 86 3.1.6. Das Gigantenbuch (4QEnGiants) ......................................... 88 3.1.7. Das zweite Henochbuch ....................................................... 90 3.1.8. Zusammenfassung ................................................................ 92 3.2. Das Jubiläenbuch ............................................................................ 94 3.2.1. Einführung ........................................................................... 94 3.2.2. Analyse ................................................................................ 95 3.2.3. Kommentar ........................................................................ 100 3.2.3.1. Der Wächtermythos im Jubiläenbuch .............................. 100 3.2.3.2. Dämonologie ................................................................... 101 3.2.3.3. Abschließende Bemerkungen .......................................... 102 3.3. Qumran-Fragmente ....................................................................... 103 3.3.1. Das Genesis-Apokyrphon (1Q20) ....................................... 105 3.3.2. Damaskusschrift (4Q266-273; 5Q12; 6Q15) ...................... 106 3.3.3. Ages of Creation (4Q180-181) ........................................... 107 3.3.4. Zwischenbemerkung .......................................................... 109 3.3.5. Apotropäische Gebete ........................................................ 110 3.4. Die Patriarchentestamente: Schuld der Frauen .............................. 111 3.4.1. Einführung ......................................................................... 111 3.4.2. Das Testament des Naphtali ............................................... 112
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3.4.3. Das Testament des Ruben................................................... 114 3.5. Ben Sira ........................................................................................ 119 3.6. Das dritte Makkabäerbuch ............................................................. 120 3.7. Hellenistisch-jüdische Schriften des ersten Jahrhunderts ............... 121 3.7.1. Philo von Alexandrien ........................................................ 121 3.7.2. Liber Antiquitatum Biblicarum .......................................... 123 3.7.3. Josephus ............................................................................. 123 3.8. Das zweite Baruchbuch: Die Engel im Gefolge Adams ................. 125 3.9. Abschließende Bemerkungen ........................................................ 127 4. Frühchristliche Rezeption ...................................................................... 129
4.1. Einführung .................................................................................... 129 4.2. Der erste Korintherbrief: ‚Wegen der Engel‘? ............................... 130 4.3. Der erste Petrusbrief...................................................................... 133 4.4. Der Judasbrief ............................................................................... 136 4.5. Der zweite Petrusbrief ................................................................... 139 4.6. Frühe Kirchenschriftsteller ............................................................ 141 4.6.1. Justin der Märtyrer ............................................................. 141 4.6.2. Tatian ................................................................................. 142 4.6.3. Athenagoras ....................................................................... 144 4.6.4. Irenäus von Lyon................................................................ 145 4.6.5. Clemens von Alexandrien .................................................. 146 4.6.6. Bardesanes von Edessa ....................................................... 147 4.6.7. Tertullian............................................................................ 148 4.6.8. Origenes ............................................................................. 150 4.6.9. Cyprian .............................................................................. 151 4.6.10. Commodianus .................................................................. 152 4.7. Die pseudoclementinischen Homilien............................................ 153 4.8. Zusammenfassung ......................................................................... 156 4.8.1. Überblick ........................................................................... 156 4.8.2. Zur Rezeption von 1 Henoch im frühen Christentum .......... 157
5. Synthese................................................................................................. 158
5.1. Übersicht ....................................................................................... 158 5.2. Wesentliche Aspekte ..................................................................... 161 5.2.1. Frauen ................................................................................ 161 5.2.2. Dämonisches Wirken ......................................................... 163 5.2.3. Zurücktreten des Wächtermythos hinter die Adamtradition 164
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 3: Adam und weiterführende Traditionen ................... 166 1. Einleitung .............................................................................................. 167 2. Genesis 3: Eine Ätiologie der conditio humana ..................................... 167 3. Rezeption im frühen Judentum ............................................................... 171
3.1. Das Henochische Schrifttum ......................................................... 171 3.1.1. Das Wächterbuch ............................................................... 172 3.1.2. Die Tiersymbolapokalypse ................................................. 173 3.1.3. Die Bilderreden .................................................................. 174 3.1.4. Zusammenfassung .............................................................. 175 3.2. Das Jubiläenbuch .......................................................................... 175 3.3. Qumran-Fragmente ....................................................................... 176 3.3.1. 4Q422 ................................................................................ 176 3.3.2. Adam als herrlicher Protoplast ........................................... 178 3.4. Weisheitsliteratur: Die Verantwortung des Menschen ................... 181 3.4.1. Ben Sira ............................................................................. 181 3.4.2. Sapientia Salomonis ........................................................... 185 3.5. Hellenistisch-jüdische Schriften des ersten Jahrhunderts ............... 188 3.5.1. Philo von Alexandrien ........................................................ 188 3.5.2. Liber Antiquitatum Biblicarum .......................................... 191 3.5.3. Josephus ............................................................................. 192 3.5.4. Das vierte Makkabäerbuch ................................................. 193 3.6. Das zweite Henochbuch ................................................................ 195 3.6.1. Der Sturz des Erzengels ..................................................... 195 3.6.2. Adam und der Teufel .......................................................... 197 3.6.3. Kommentar ........................................................................ 199 3.7. Exkurs: Zur Geschichte der Satansgestalten .................................. 200 3.8 Apokalypsen des ersten Jahrhunderts ............................................. 206 3.8.1. Das vierte Esrabuch: Adam und das cor malignum ............. 206 3.8.2. Das zweite Baruchbuch: Jeder ist sein ‚eigener Adam‘ ...... 210 3.8.3. Die Apokalypse des Abraham: Azaz’ēl im Paradies ........... 213 3.8.4. Die Apokalypse des Mose: Irreführung durch den Teufel ... 215 3.8.4.1. Einführung ...................................................................... 215 3.8.4.2. Analyse ........................................................................... 217 3.8.4.3. Kommentar ..................................................................... 223 3.8.5. Vita Adae et Evae............................................................... 227 3.8.5.1. Einführung ...................................................................... 227 3.8.5.2. Kommentierte Analyse .................................................... 227 3.9. Zusammenfassung und Ausblick ................................................... 231 3.9.1. Überblick ........................................................................... 231
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3.9.2. Anthropologische Deutung ................................................. 232 3.9.3. Satanologische Deutung ..................................................... 234 4. Frühchristliche Rezeption ...................................................................... 237
4.1. Zu den Figuren des Bösen im frühen Christentum ......................... 237 4.2. Adam und Christus bei Paulus ....................................................... 241 4.2.1. Einführung ......................................................................... 241 4.2.2. Der Teufel .......................................................................... 241 4.2.3. Eva ..................................................................................... 244 4.2.4. Adam ................................................................................. 245 4.2.4.1. Der erste Korintherbrief .................................................. 245 4.2.4.2. Der Römerbrief ............................................................... 249 4.2.4.3. Abschließende Bemerkungen .......................................... 252 4.3. Der erste Timotheusbrief ............................................................... 254 4.4. Die Offenbarung des Johannes ...................................................... 256 4.5. Frühe Kirchenschriftsteller ............................................................ 262 4.5.1. Justin der Märtyrer ............................................................. 262 4.5.2. Irenäus von Lyon................................................................ 264 4.5.3. Clemens von Alexandrien .................................................. 265 4.5.4. Tertullian............................................................................ 266 4.5.5. Hippolyt von Rom .............................................................. 267 4.5.6. Origenes ............................................................................. 270 4.5.7. Cyprian von Karthago ........................................................ 272 4.5.8. Lactantius ........................................................................... 273 4.6. Die pseudoclementinischen Homilien............................................ 273 4.7. Zusammenfassung ......................................................................... 275
5. Synthese................................................................................................. 277
5.1. Übersicht ....................................................................................... 277 5.2. Wesentliche Aspekte ..................................................................... 281 5.2.1. Das aufkommende Interesse an der Adam-Tradition .......... 281 5.2.2. Ekklesiologische Implikationen als Kollateralschaden der Rezeption von Gen 3 .................................................................... 283 5.2.3. Entlastung des Menschen durch die satanologische Deutung von Gen 3 .................................................................................... 284
Kapitel 4: Zusammenfassung und Perspektiven ...................... 286 1. Unde malum? Ein historischer Abriss.................................................... 286 2. Von den Wächtern zu Adam ................................................................... 292
XIV
Inhaltsverzeichnis
3. Pluralität als hermeneutische Herausforderung .................................... 296
Bibliographie ........................................................................................ 301 1. Quellen und Übersetzungen ................................................................... 301
1.1. Bibel (AT, NT, LXX) .................................................................... 301 1.2. Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit ....................... 301 1.3. Hellenistisch-jüdische Autoren ...................................................... 302 1.4. Qumran ......................................................................................... 303 1.5. Rabbinische Literatur .................................................................... 303 1.6. Frühchristliche Schriften und Kirchenschriftsteller ....................... 303 1.7.Griechische und Römische Antike.................................................. 306 1.8. Weiteres ........................................................................................ 306
2. Hilfsmittel .............................................................................................. 306 3. Monographien und Aufsätze .................................................................. 308 Stellenregister............................................................................................ 327 Autorenregister .......................................................................................... 345 Sachregister ............................................................................................... 350
Kapitel 1
Einleitung 1. Hinführung
1. Hinführung „Dass es Böses gibt, bestreitet niemand, der es erlebt. Und weil jeder Mensch in seinem Leben Böses erlebt, weil ihm und anderen widerfährt, was für ihn oder für sie böse, also eine Minderung, Verkehrung, Schädigung oder Schändung des Lebens ist, bestreitet niemand ernsthaft die Wirklichkeit von Bösem. Strittig dagegen ist, und zwar fundamental, wie diese Wirklichkeit zu verstehen ist: Worin besteht das Böse? Warum gibt es Böses? Weshalb hat mich oder Andere dieses Böse getroffen? Wie lässt sich Böses überwinden?“1
Die jüdisch-christliche Überlieferung beantwortet die Frage nach dem Ursprung des Bösen in verschiedenen mythologischen Konzepten. Die unterschiedlichen Entwürfe sind philosophisch, anthropologisch und theologisch von großer Tragweite: Ist das Böse, oder zumindest die Neigung oder der Trieb dazu, im Menschen selbst zu verankern, in seiner selbstmächtigen, willentlichen Übertretung? Ist es somit gleichsam der ‚Preis der Freiheit‘ des Menschen? 2 Dann ist es schließlich zumindest als Möglichkeit in der kreatürlichen, von Gott selbst herzuleitenden Beschaffenheit des Menschen begründet. Geht es andererseits, konsequent gedacht, auf Gottes eigene Schöpfungsordnung zurück? Oder ist als Ursache mit dem Wirken ‚dämonischer‘ oder ‚satanischer‘ Mächte zu rechnen? Steht der Mensch unter dem Einfluss solcher Mächte, die ihn zum Bösen verleiten oder ihm Böses zufügen? Ist die Welt in ihrem Bestand also ‚dualistisch‘ zu erklären, durch ein Neben- und Gegeneinander böser und guter Mächte? Und wie lassen sich solche Mächte ihrerseits im Rahmen der Schöpfung Gottes verstehen? Die Ursprungserzählungen der biblisch-frühjüdischen Überlieferungen greifen hier auf eine mythische Vorzeit zurück, beispielsweise auf einen ‚Fall Adams‘ oder auf einen urzeitlichen ‚Engelfall‘. Diese Traditionen sind sodann der Nährboden der aus dem frühen Judentum hervorgehenden christli1 2
I. U. DALFERTH, Die Kontingenz des Bösen, 13–14. Cf. R. SAFRANSKI, Das Böse, 13.
2
Kapitel 1: Einleitung
chen Theologie. In den neutestamentlichen Texten wird der Ursprung des Bösen allerdings nirgendwo zum eigenständigen Thema, vielmehr ist die Reflexion über das Böse fast vollständig von der Frage nach dessen Überwindung und damit von der Erlösung im Horizont des Christusgeschehens her bestimmt. Eigenständiges Gewicht bekommen die mythologischen Erzählungen vom Ursprung des Bösen dann erst wieder in der frühchristlichapokryphen Literatur, den frühen Kirchenschriftstellern und dann – besonders ausgeprägt – in der Gnosis. Während einzelne Erklärungsmodelle der Ursprünge des Bösen, wie beispielsweise der Wächtermythos, ausführlich aufgearbeitet wurden, sucht man im Rahmen historisch-philologischer Publikationen indes vergebens nach einer Gesamtuntersuchung. Sind auch hie und da Ansätze einer solchen in Aufsätzen zu finden, liegt keine monographische Erarbeitung vor; eine breite und differenziert ausgeführte vergleichende Arbeit fehlt völlig. Ein religionsgeschichtlicher und hermeneutischer Vergleich der Mythen der Ursprünge des Bösen im frühen Judentum sowie ihrer Rezeptionsgeschichte, gefolgt von einer hermeneutisch vergleichenden Auswertung, ist somit ein Desiderat der Forschung. In seinem Aufsatz „The Origin of Evil in Apocalyptic Literature and the Dead Sea Scrolls“ (1995)3 stellt John J. Collins verschiedene mythologische Konzepte über die Ursprünge des Bösen überblicksartig nebeneinander: Den Wächtermythos, die Zwei-Geister-Lehre, sowie die anthropologischen Modelle, die sich in 4 Esra und 2 Bar finden. Dabei wird eine inhaltliche Akzentverschiebung ersichtlich:4 Stand die Tradition der gefallenen Wächterengel lange im Vordergrund, lässt sich sodann eine Verschiebung hin zur Verantwortung des Menschen beobachten. Dieser Beobachtung liegt zunächst die Feststellung zugrunde, dass historisch gesehen nicht der ‚Sündenfall Adams‘ am Anfang der Deutungen des Bösen in der Welt steht, sondern der Mythos vom Fall der Wächterengel, welcher im ersten Henochbuch erstmals schriftlich vorliegt. Die vorliegende Arbeit widmet sich aufgrund der vorangehenden Punkte der vergleichenden Untersuchung von biblisch-frühjüdischen mythologischen Überlieferungen zum Ursprung des Bösen und ihrer frühchristlichen Rezeption unter einem hermeneutischen Leitinteresse: Der Beobachtung, dass sich sowohl in der frühjüdischen Überlieferung als auch im frühen Christentum 3 Weiter R. E. STOKES, Art. Evil, 613–615 (von den Wächtern über böse Geister und Satan zu den Menschen und dem Dualismus der Qumran-Texte). Zur Bedeutung des Wächtermythos in der frühjüdischen Apokalyptik siehe L. T. STUCKENBRUCK, The Origins of Evil in Jewish Apocalyptic Tradition, passim. 4 Siehe auch J. FREY/G. OBERHÄNSLI-WIDMER, Der Diskurs um ‚das Böse‘, XII–XIV.
1. Hinführung
3
gerade keine übergreifende ‚Master-Erzählung‘ von den Ursprüngen des Bösen findet. Es lässt sich demgegenüber beobachten, dass mehrere Erzählungen mit unterschiedlichen theologischen und anthropologischen Implikationen nebeneinander stehen. Versuche einer Haupt-Erzählung des Bösen sind später anzusiedeln, beispielsweise in der Vita Adae et Evae, in welcher Adams- und Teufelstraditionen zusammengeführt werden. Eine (vorschnelle) Vereinheitlichung verschiedener Erklärungsmodelle wird zum Teil auch noch in der zeitgenössischen Forschung vorgenommen, beispielsweise die Identifikation der Schlange in Gen 3 mit dem Satan.5 Im Hintergrund mag das Ideal ‚biblischer Kohärenz‘ oder das Begehren nach einer konsistenten ‚Lehre des Bösen‘ stehen. Demgegenüber ist festzuhalten, dass die verschiedenen Bewältigungsstrategien, die im Laufe ihrer Rezeptionsgeschichte wohl modifiziert und auch kombiniert wurden, zunächst lediglich nebeneinander standen. Die Pluralität der mythischen Erklärungen bedarf der Reflexion im Hinblick auf den sachlichen Anspruch und die Tragweite der jeweiligen Erklärung: Diese sind ihrerseits als narrative und theologische Versuche zur Bewältigung widersprüchlicher und unbegreiflicher Erfahrungen des Lebens bzw. des Glaubens zu würdigen. Hieraus ergeben sich grundsätzliche Folgerungen zur Deutung apokalyptischer ‚narrativer‘ Traditionen und ihrer theologisch-hermeneutischen Bedeutung. In der folgenden Untersuchung werden mythologische Erzählungen systematisch aufgefächert und hermeneutisch-vergleichend betrachtet. Leitkategorien der vergleichenden Arbeit sind monistische bzw. dualistische Ansätze, anthropologische bzw. angelologische, dämonologische bzw. satanologische Deutungen sowie die Unterscheidung zwischen Verhängnis und Verantwortung. Durch diese vergleichende Darstellung soll zur hermeneutischen Frage vorgestoßen werden, wie der Wahrheitsanspruch dieser Modelle angesichts ihrer Pluralität zu beschreiben ist und welche Bedeutung der Pluralität der Mythen zukommt. 5 Als Beispiel mag der Genesis-Kommentar von Russel Reno (2010) dienen. Der Verfasser stellt die Frage nach der Identität der Schlange und interpretiert Gen 3 aufgrund seiner späteren Rezeptionsgeschichte: Die Schlange sei „a worldly form of Satan, the fallen angel“. R. R. RENO, Genesis, 77. Entgegen der historisch-kritischen Tradition (insbesondere Gerhard von Rad) versucht der Verfasser, die Schrift mit der Schrift auszulegen und zieht Texte wie Hi 1–2, Lk 10,17–20 oder Offb 12,9 zur Beweisführung heran (R. R. RENO, Op. cit., 77–78). Die darauf folgenden Seiten bieten einen heilsgeschichtlichen Abriss („salvation history“), in welchem das Wirken Satans geschildert wird. R. R. RENO, Op. cit., 80 Cf. weiter auch J. MCKEOWN, Genesis, 34–35; McKeown sieht die Schlange zumindest als Symbol des Bösen. Siehe weiter auch J. B. HYGEN, Art. Das Böse, 12.
4
Kapitel 1: Einleitung
2. Begriffliche Vorbemerkungen 2. Begriffliche Vorbemerkungen
Weder für den Begriff des ‚Bösen‘ noch des ‚Mythos‘ kann eine allgemein anerkannte Definition wiedergegeben werden, weshalb vorab darzulegen ist, wie sie im Rahmen dieser Untersuchung zu verstehen und zu gebrauchen sind und welche methodischen Implikationen sich daraus ergeben. 2.1. Zur Frage nach dem Bösen
„Ich bin der Geist der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles was entsteht Ist werth daß es zu Grunde geht; Drum besser wär’s daß nichts entstünde. So ist denn alles was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, Mein eigentliches Element.“6
Die mannigfaltige Darstellung von Bösem in Wort und Bild verrät zweierlei: Einerseits tiefe Abscheu und Irritation, andererseits aber auch große Faszination. Man denke dabei an die frühchristlichen Apokalypsen des Petrus und Paulus, die mittelalterliche Darstellung von Höllenreisen und die phantasiereichen Darstellungen in der Kunst, oder die zeitgenössische Buch- und Filmwelt. Das Böse scheint – zu allen Zeiten – mehr zu faszinieren als das Gute. Die Vielfalt der Darstellung deutet zugleich auf die relative Offenheit des Begriffs hin. Das ‚Böse‘ begegnet in unterschiedlicher Terminologie, in der Rede vom Schlechten, Schlimmen und Schrecklichen, vom Mangelhaften, Unvollkommenen und Dysfunktionalen, vom Widrigen, Kranken und Fatalen, von Sünde, Schuld und Laster, von Entfremdung und Leid.7 Nun kennt aber das antike Judentum noch noch keinen Abstraktbegriff des Bösen, welcher einheitlich und systematisch gebraucht würde. Eine lemmatische Suche ist daher wenig ertragreich und ungenügend. Vielmehr muss ein phänomenologischer Zugang gewählt werden: Durch eine sorgfältige Inhaltsanalyse soll herausgearbeitet werden, was in der Erzählung als ‚böse‘ beschrieben und bewertet wird und wie dieses Böse wiederum verortet und erläutert wird. Somit kann lediglich von ‚Wortfeldern des Bösen‘ ausgegangen werden. Wird nach dem Ursprung des Bösen gefragt, fällt auf, dass die ältesten erhaltenen Erläuterungen über Böses im antiken Judentum nicht argumentativer, sondern narrativer Art sind. Dabei scheint der Mythos die geeignete Erzählform zu sein (argumentative Erläuterungen finden sich sodann erst in der 6 7
Johann Wolfgang von Goethe, Faust I, 1338–1344. Siehe O. MARQUARD, Art. Malum I, 652.
2. Begriffliche Vorbemerkungen
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Rezeption). Erzählungen vom Bösen bringen dieses dann beispielsweise in der Terminologie von Sünde oder Gewalt, Tod, Götzendienst oder Unzucht zur Sprache. Zum Begriff ‚Sünde‘ scheint dabei eine besondere Affinität zu bestehen.8 Beobachten lässt sich im Weiteren die Bindung von Phänomenen des Bösen an bestimmte Figuren, welche gleichsam zu ‚Repräsentanten‘ des Bösen entwickelt werden. Als älteste bekannte, jedoch kaum systematisierte Phänomene des Bösen können böse Geister bzw. Dämonen genannt werden, wobei das Phänomen relativ diffus bleibt. Greifbarer demgegenüber erscheinen ‚Figuren‘ wie Belial, Mastema oder Satan. Diese Bezeichnungen sind zunächst personifizierte Substantive: Belial ()בליעל: ‚Wertlosigkeit‘, ‚Boshaftigkeit‘, Mastemah ()משטמה: ‚Feindseligkeit‘, Satan ()שׂטן: ‚Widersacher‘, ‚Anfeinder‘, ‚Ankläger‘. Diese Begriffe scheinen sich dann aber gleichsam zu Eigennamen zu ‚verdichten‘, wobei die ‚personhaften Charaktere‘ mit der Ursprungsbedeutung ihrer Namen zumeist in Zusammenhang stehen. Die ‚Figur Satan‘ beispielsweise steht zumeist in Zusammenhang mit der Erfahrung von Anfeindung oder Anklage. Durch solche Figuren wird dem Erleben von Übermächtigem, Fremdmächtigem, Unheimlichem, Überwältigendem, Übermenschlichem und Übernatürlichem Ausdruck verliehen. Über den ontologischen Status dieser Figuren ist damit freilich wenig ausgesagt. Grundsätzlich ist zuletzt festzuhalten, dass Böses nicht notwendigerweise per se ‚existiert‘, sondern immer in Bezug steht,9 das heißt davon abhängig ist, von wem ein Ereignis wie gedeutet wird. Was als ‚böse‘, oder im Gegenzug dessen als ‚gut‘, bewertet wird, ist nicht unwesentlich von Faktoren wie der Weltanschauung eines Individuums oder Kollektivs und deren Erleben abhängig. Somit ist Böses zumeist auch eine Frage der Deutung; die Gefahr, Böses somit zu individualisieren und letztlich zu depotenzieren ist dabei ebenso offensichtlich. 10 So bewegt man sich unweigerlich in einem Span8 Christliche Dogmatiken behandeln die Thematik des Bösen sodann auch meistens im Rahmen der Hamartiologie. 9 Cf. dazu im Wesentlichen I. U. DALFERTH, Malum, 100ff. 10 Wird nichts als ‚an sich‘ böse bezeichnet, kann nicht mehr von einer ‚Macht des Bösen‘ gesprochen werden. Das ist mitunter deshalb als problematisch zu erachten, da damit einer gewissen Beliebigkeit Raum gegeben wird. Die sog. ‚Entbösung des Bösen‘ (nach E.L. Marquard) beschreibt Dalferth (ID., Das Böse, 47–65) in drei charakteristischen Strategien: 1) Die Integration des Bösen in die Vorsehung Gottes, wie sie in den großen monotheistischen Religionen als Folge der Konsequenz geschieht: Gott kann durch alles, auch durch das Böse, Gutes wirken. Im christlichen Denken ist für diesen Gedanken das Kreuz aussagekräftigstes Ereignis geworden. Es zeugt von Gottes Beistand auch im Bösen und es bedeutet vor allem, dass das Böse nicht das letzte Wort hat, sondern auf Gutes hin offen ist. Das Böse hat einen Stellenwert in der Vorsehung Gottes, die auf Gutes hin zielt. 2) Im neuzeitlichen Fortschrittsdenken wird der Gottesbezug nicht mehr notwendigerweise vollzogen, das Problem wird anders behandelt. Hier sind verschiedene Denkfiguren vorstellbar, denen aber mehr oder weniger gemeinsam ist, dass das Böse als Station auf einem
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Kapitel 1: Einleitung
nungsfeld zwischen der Gefahr der Verabsolutierung einerseits und der Trivialisierung andererseits. Dieser Problematik kann hier insofern begegnet werden, als vom Bösen nur in einem definierten Weltanschauungshorizont bzw. einem religiösen und kulturellen Kontext gesprochen wird, nämlich im Rahmen frühjüdischer und frühchristlicher theologischer Ausführungen. 2.2. Zur Interpretation mythologischer Erzählungen
Die ältesten Ausführungen über die Ursprünge des Bösen im antiken Judentum sind in Erzählungen zu finden, welche mythologischen Charakter aufweisen. Da keine mehr oder weniger konsensfähige Definition von ‚Mythos‘ vorliegt, wird in der Forschung hauptsächlich von Beobachtungsmerkmalen ausgegangen. Insofern ist eine gewisse Zirkularität in der Argumentation in Kauf zu nehmen und kaum zu vermeiden. ‚Mythos‘ (μῦθος)11 bezeichnete bereits in der Antike eine literarische Gattung, wobei der Mythos nicht mit einem spezifischen ‚Text‘ zu verwechseln ist. Der Text ist lediglich das Überlieferungsgut, der Mythos hingegen liegt quasi ‚dahinter‘ und umfasst auch nicht unbedingt den ganzen Text. Insofern lässt sich sinnvollerweise eher von mythologischen Elementen oder mythologischen Erzählungen sprechen. Methodisch lässt sich selbstverständlich nur von den Texten ausgehen, und auch nur da, wo diese einigermaßen vollständig vorliegen. In der Rezeption begegnen sodann oft nur noch Splitter und Modifikationen jener mythologischen Elemente. Schon früh wurde innerhalb der antiken Auseinandersetzung zwischen Mythos und Logos unterschieden. Demnach gilt μῦθος als erzählendes, λόγος als vernünftiges Wort. Ein Mythos kann dabei sowohl eine Tatsache als auch eine erfundene Geschichte erzählen. Die antiken und frühen Mythendefinitionen haben sich schnell (auch in der Abgrenzung zum Logos) in letzterer Deutung niedergeschlagen, was allerdings nicht mit einer Geringschätzung des Mythos einherging, wie später im jüdisch-christlichen Denken.12 Der Mythos Fortschrittsweg in Kauf zu nehmen ist. 3) Das Böse wird individualistisch euphemisiert, sprich, das Böse als Problem ‚gibt‘ es nur für diejenigen, die es zu einem solchen machen. Allen diesen Versuchen ist gemeinsam, dass das Böse kontextualisiert und auf eine gewisse Art und Weise entschärft, oder mit Marquard gesprochen, ‚entböst‘ werden kann. 11 Μῦθος geht möglicherweise auf die Bedeutung ‚Gedanke‘ zurück. Der an sich unausgesprochene Gedanke „[…] trägt in sich den Drang ausgesprochen zu werden, wie denn für die Griechen Denken und sprechen ursprünglich zusammenfielen“. Aufgrund der Bedeutungsgeschichte macht die Erschließung vom Wortstamm mēudh-, mudh- Sinn, „[…] der in mehreren indogermanischen Sprachen in verschiedenen, aber verwandten Bedeutungen (‚sich erinnern‘, ‚sich sehen‘, ‚Sorge‘ usw.) auftaucht […]. Diese Ableitung würde für μῦθος auf die Grundbedeutung ‚Gedanke‘ führen […]“. G. STÄHLIN, Art. μῦθος, 772. 12 So hat Platon seine Mythenkritik zwar am Wahrheitsanspruch des Logos geltend gemacht, wobei er den pädagogischen Wert des Mythos aber gleichwohl herausstellt: Der Mythos bringt nach Platon Sachverhalte zur Sprache, die sich der rationalen Anschauung
2. Begriffliche Vorbemerkungen
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wurde dann auch von historischen Berichten unterschieden und drückt demgegenüber etwas aus, das zwar ‚nie war, aber dennoch immer ist‘ (ταῦτα δὲ ἐγένετο μὲν οὐδέποτε, ἔστι δὲ ἀεί), wie es der neuplatonische Philosoph Sallustius im 4. nachchristlichen Jahrhundert ausdrückte. Die ‚immerwährende Bedeutung‘ des Erzählten rückt somit ins Zentrum.13 Die Mythenforschung hat sich durch die Auswertung verschiedener Quellensammlungen aus der Zeit der Renaissance und im Zuge der Aufklärung im 18. Jh. sprunghaft entwickelt,14 wobei inzwischen verschiedene moderne Mythentheorien vorliegen.15 Mythen erzählen in der Regel Ereignisse aus der frühesten Zeit (Ur-/Vorzeit). In Mythen über die Herkunft des Bösen wird dargelegt, wie aus einer ‚idealen‘ Urzeit die ‚gegenwärtige‘ (problematisierte) Welt entstand. In der frühjüdischen Mythendichtung gilt die Urzeit als früheste (‚vorisraelitische‘) Zeit der Menschheitsgeschichte, in einigen Fällen kann auch auf die Schöpfungsgeschichte vor der Erschaffung der Menschen Bezug genommen werden. Zumeist begegnen in mythischen Erzählungen sodann Götter oder gottähnliche Figuren sowie z.T. ausgewählte Menschen (‚Helden‘).16 Oft führen Mythen die himmlische bzw. göttliche Welt und die dortigen Vorgänge vor Augen und geben damit den Blick auf eine Dimension jenseits der gewöhnlichen Begrenzung von Wissen und Wahrnehmung frei.17 In dieser Hinsicht gleichen Mythen Apokalypsen.18 des Logos entziehen. Cf. M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau, 50. Eine äußerst negative Betrachtung von Mythos findet sich dagegen in frühen christlichen Zeugnissen, e.g. 2 Petr 1,16: „Denn nicht weil wir klug ausgedachten Mythen (σεσοφισμένοις μύθοις) gefolgt sind, haben wir euch die Macht und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus kundgetan….“ Cf. des Weiteren 1 Tim 1,4; 4,7; Tit 1,14. Zur Interpretation der Mythen in den neutestamentlichen Schriften cf. G. STÄHLIN, Art. μῦθος, 788–791. 13 Cf. Sallustius, De diis et mundo, 4,9. Viele weitere Mythendefinitionen wurden vorgelegt, wobei aber keine als ‚klassisch‘ bezeichnet werden kann. Ein Überblick über die Begriffsgeschichte findet sich bei K. HÜBNER, Art. Mythos I, 597–599 und K. W. BOLLE, Art. Myth: An Overview, 6365–6369, ausführlicher bei R. A. SEGAL, Mythos, 7–19, sowie J. MOHN, Mythostheorien, 208–236 zu Cassirer, Hübner und Eliade. 14 Cf. K. W. BOLLE, Art. Myth: An Overview, 6366. 15 Zur Forschung siehe K. W. BOLLE, Op. cit., 6365–6368. 16 In den hier zu betrachtenden mythologischen Erzählungen sind dies zum Beispiel die Wächterengel, eine Teufelsgestalt, Henoch oder Adam (quasi als menschlicher ‚Antiheld‘). 17 K. W. BOLLE, Op. cit., 6363. 18 Auch andere Erzählformen weisen Verwandtschaft zum Mythos auf, beispielsweise Märchen, Sagen oder Legenden. Anders als diesen kommt dem Mythos allerdings eine gewisse Autorität zu. Cf. K. W. BOLLE, Op. cit., 6362. Sodann ist auch die Ätiologie in gewisser Hinsicht mit Mythen verwandt, doch kommt letzteren eine umfassendere Bedeutung zu, da sie nicht bloß auf ein Ereignis in der Vergangenheit zurückweisen, um die Gegenwart zu erklären, sondern darüber hinaus umfassende Orientierung geben. Cf. dazu auch K. W. BOLLE, Op. cit., 6362–6363.
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Kapitel 1: Einleitung
Im Anschluss an Michael Koch seien sodann vier Aspekte des Mythos benannt, welche für die vorliegende Arbeit von zentraler Bedeutung sind, „[…] nämlich (1) die Bildhaftigkeit des Mythos, (2) seine Narrativität, (3) seine Pragmatik sowie (4) sein andersartiges Denkangebot“.19 Somit sind unter Mythen außer-ordentliche20 Erzählungen zu verstehen, welche immer wieder erzählt wurden, „weil sie für Erzähler wie Zuhörer Bedeutung besaßen“.21 Mythen tragen somit zum Verständnis der Welt bei: Sie weisen über sich selbst hinaus, denn dem Erzählten kommt eine weiterführende Bedeutung für die Welt zu. Mit Mohn ist diesbezüglich auf die Pragmatik des Mythos aufmerksam zu machen: Mythen kommt eine ‚weltsetzende Orientierungsfunktion‘ zu, die, freilich nur für einen bestimmten Trägerkreis, handlungsweisend ist.22 Nun stehen im vorliegenden Zusammenhang Mythen über die Ursprünge des Bösen zur Debatte. Im Rahmen einer philosophisch-hermeneutischen Untersuchung der Erfahrungen des Bösen hat sich vor allem Paul Ricœur (1913– 2005) mit Mythen des Bösen auseinandergesetzt. Selbstverständlich kann die Funktion von Mythen auch im Rahmen anderer Perspektiven gedeutet werden (e.g. sozialpsychologisch, politisch, ethnologisch, religionswissenschaftlich, tiefenpsychologisch…); der hermeneutische Zugang legt sich aufgrund des Anliegens der vorliegenden Arbeit jedoch besonders nahe. Ricœurs Interesse galt u.a. einer anthropologischen Philosophie, insbesondere der Frage nach Freiheit und Fehlbarkeit des Menschen. In seinem zweibändigen Werk „Phänomenologie der Schuld“ erörtert er die ‚Symbolik des Bösen‘, die den Abschluss seiner Willensphilosophie bildet; dabei wird schließlich die „philosophische Auslegung der symbolischen Reden der Religionen über das Böse, seine Herkunft, seine Herrschaft und seine Überwindung“ thematisiert.23 Den Mythen kommt die Funktion zu, der Erfahrungsdimension des Bösen einen Platz zu geben; das gedankliche Problem des Bösen wird dabei allerdings nicht gelöst. Innerhalb einer kulturübergreifenden Betrachtung der Mythen des Bösen beobachtet Ricœur vier mythische Paradigmen, die das Böse in seinen Ursprüngen thematisieren:24 Siehe die M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau, 57; weiter 58–61. Gelegentlich wird der Begriff des ‚Heiligen‘ verwendet, um auszudrücken „[…] that it is distinct from ordinary, profane, everyday worldly things“. K. W. BOLLE, Art. Myth: An Overview, 6359. 21 Cf. J. RÜPKE, Leistung und Grenzen von Mythen, 39. 22 J. MOHN, Mythostheorien, 62. 23 P. RICŒUR, Das Böse, 8 (Vorwort von Pierre Bühler). 24 Cf. im Wesentlichen ID., Art. Evil, 2898–2899 und P. RICŒUR/M. OTTO, Symbolik des Bösen, 186–187; 195. Der Mythos des Bösen umspannt die Menschheit in einer exemplarischen Geschichte. Durch die Darstellung einer Zeit, die alle Zeiten darstellt oder 19 20
2. Begriffliche Vorbemerkungen
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1) Zunächst sind Schöpfungsmythen zu nennen, welche das Böse innerhalb der Theogonie und damit vor der Entstehung der Menschheit verorten. Diese finden das Böse innerhalb der Welt dann bereits vor und führen es lediglich weiter (e.g. Enuma eliš). 2) Sodann wird das Böse häufig auf tragische, unvorhergesehene Zwischenfälle zurückgeführt, bei welchen meist Götter (bzw. göttliche Wesen) und Menschen beteiligt sind (e.g. der Prometheusmythos oder der Wächterfall). 3) Böses kann auch als Inkarnation der (göttlichen) Seele in das Gefängnis des Leibes („myth of the exiled soul“) thematisiert werden; das Leben gilt als Strafe, welche beispielsweise auf Fehler in einem früheren Leben zurückzuführen ist. 4) Schließlich nennt Ricœur ‚Mythen vom verlorenen Paradies‘ (anthropologische Mythen), in welchen der Mensch als alleinige Ursache des Bösen gilt. Das (ethische) Übel geht auf Ungehorsam zurück und die Herkunft des Bösen wird in diesem Paradigma deutlich von der Herkunft des Guten abgesetzt. Partiell ist Gen 3 hier einzuordnen. Im historischen Kontext des antiken und frühen Judentums sind die Paradigmen 1) und 3) aus theologischen Gründen (zumindest in dieser Form) nicht denkbar. Hilfreich sind dann vornehmlich die Schlussfolgerungen, die Ricœur aus seinen Untersuchungen zieht, wobei vor allem die Eröffnungsfunktion von Mythen zur Sprache kommt. Eine mythische Erzählung eröffnet ein tieferes Verstehen und bindet die Erfahrungsdimension auf solche Art und Weise ein, dass diese überhaupt erst ent-deckt werden kann.25 So werden Erfahrungen des Bösen in einem bestimmten Verstehenshorizont aufgenommen, aufgedeckt und in narrativer Form gedeutet. Die Erfahrung von Bösem steht nämlich in engem Zusammenhang mit dem Verstehen der Welt. Der Mythos durch exemplarische Personen erhält die menschliche Erfahrung konkrete Universalität, wobei Ricœur vorsichtig von ‚Archetypen‘ spricht (P. RICŒUR/M. OTTO, Op. cit., 186). Beispielhaft kann hier e.g. Röm 5,12–18 genannt werden, sodann die darauf aufbauende Erbsündenlehre des Augustin. Weiter beobachtet Ricœur, dass jeweils ‚Anfang und Ende der Verfehlung‘ erzählt werden; er nennt dabei ‚Bewegung‘ als entscheidendes Stichwort, denn indem Anfang und Ende erzählt werden, wird der Erfahrung eine Richtung gegeben: Die Gegenwart ist nur ein Moment im Spannungsbogen zwischen Ursprung und Vollendung; die gegenwärtige Erfahrung ist schließlich vom Ganzen der ‚Geschichte von Verderben und Heil‘ durchzogen. Ricœur bringt den Ursprung des Bösen jeweils mit Verfehlung in Zusammenhang: „Noch tiefgründiger will der Mythos zum Rätsel der menschlichen Existenz vordringen, nämlich zu dem Mißklang zwischen der Grundwirklichkeit – dem Zustand der Unschuld, dem Urstand des Geschöpfs, der Wesentlichkeit – und der aktuellen Seinsweise des Menschen als eines Befleckten, eines Sünders, eines Schuldigen.“ P. RICŒUR/M. OTTO, Op. cit., 187. Die derartige Fokussierung auf die Schuldhaftigkeit des Menschen kann selbstverständlich kritisch hinterfragt werden. 25 Cf. P. RICŒUR/M. OTTO, Op. cit., 186–196.
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Kapitel 1: Einleitung
über die Herkunft des Bösen hat somit eine grundlegende Funktion darin, die Welt zu ordnen und grundlegend über sie zu orientieren. In einem monotheistischen Kontext stellt sich diese Frage umso brennender. Mythologische Erzählungen von den Ursprüngen des Bösen vergegenwärtigen die Erfahrung(en) des Bösen in einem exemplarischen Narrativ. Dabei spielen Erfahrungen eine Rolle, die sich in verschiedenen Terminologien (‚Wortfelder des Bösen‘) in den zu untersuchenden Texten niedergeschlagen haben, beispielsweise in der Terminologie der Sünde, der Schuld oder der Gewalt. Aus diesen exemplarisch verarbeiteten Erfahrungen ergibt sich zunächst Orientierung und dann eine handlungsweisende Komponente.
3. Typologie der Erklärung des Bösen 3. Typolgie des Bösen
Innerhalb der jüdisch-christlichen Überlieferungsgeschichte lassen sich verschiedene Typen mythologischer Erklärungen des Bösen beobachten, die sich zunächst grob in sechs Kategorien unterteilen lassen: 1) Zunächst findet sich die schroff undualistische Aussage, dass Gott selbst auch das Böse geschaffen hat; 2) demgegenüber kennen manche Texttraditionen eine ‚dualistische‘ Aussageform, welche das Böse auf einen von Gott geschaffenen und eingesetzten (bösen) Geist zurückführt. 3) Sodann führt zuerst die henochische Tradition die Vorstellung eines urzeitlichen ‚Zwischenfalls‘ aus, indem das Böse mit dem Fall von Wächterengeln in Verbindung gebracht wird. 4) Spätere Traditionen erklären das Böse im Kontext eines anderen urzeitlichen Zwischenfalls, durch den Fall Adams; 5) dieser wird hie und da mit einem weiteren vorzeitlichen Engelfall verbunden (Satanssturz). 6) Schließlich ist die Erklärung des Bösen aus dem geschaffenen (und zu seinem Tun freien) Menschen selbst bzw. seiner böse ‚Neigung‘ zu bedenken, wie sie in der rabbinischen Lehre vom ‚bösen Trieb‘ vorliegt (mBer 9,5 etc.)26 und in Teilen auf qumranische und andere Texte zurückzuführen ist (1QS III 13ff.; TestAss 1,3–9).27 Diese sechs Typen sind im Folgenden knapp zu skizzieren, wobei zum Teil schon Aspekte der zwei großen Hauptteile vorweggenommen werden.
26 27
Siehe P. W. VAN DER HORST, Art. Evil Inclination, 317–319. Cf. J. FREY, Flesh and Spirit, 367–404.
3. Typolgie des Bösen
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3.1. Der exklusive Monotheismus
Die hebräische Bibel kennt keine systematische Auseinandersetzung mit der Frage nach den Ursprüngen des Bösen. Gleichsam als Nebenprodukt des sog. Kyrosorakels in Jes 45,1–8 findet sich ein theologischer Spitzensatz, welcher zumindest auf den ersten Blick eine (monistische)28 Erklärung für die Ursprünge des Bösen anbietet. Dabei gilt JHWH als einziger Urgrund der Welt, in welchem auch der Ursprung des Bösen zu verorten ist. Diese Verse können als erstes Beispiel eines strikten Monotheismus bezeichnet werden.
Die Debatte um die Ursprünge des Monotheismus kennt verschiedene Extrempositionen: Von der Annahme, der Monotheismus sei bereits durch den historischen Mose am Sinai gestiftet worden, bis hin zur Behauptung, die ganze vorexilische Zeit sei als polytheistisch zu beschreiben.29 Gelegentlich wird der Begriff Monotheismus im Hinblick auf Jes 45 kritisch betrachtet.30 Grundsätzlich besteht allerdings kein Zweifel daran, dass mit 28 Zum Begriff cf. J. MEHLHAUSEN/D. DUNKEL, Art. Monismus, 212: „Monismus (vom griech. μόνος = einzig, allein) ist die in der Regel sehr allgemeine Bezeichnung für eine Weltanschauung bzw. Weltdeutung, die im Unterschied zum Dualismus oder Pluralismus als Grund der Wirklichkeit nur ein einziges absolutes Prinzip annimmt und die Welt in allen ihren Erscheinungsformen als eine einheitliche Größe zu begreifen versucht. […] Im allgemeineren Sprachgebrauch bezeichnet Monismus jegliche Zurückführung einer Mannigfaltigkeit auf eine Einheit bzw. die Ableitung verschiedener Phänomene aus einem einzigen Prinzip.“ Eine monistische Konzeption muss die Existenz anderer Mächte (beispielsweise Dämonen) aber nicht grundsätzlich ausschließen, sieht sie aber auf einer anderen Ebene als Gott. Cf. L. W. HURTADO, Art. Monotheism, 961–962. So konnte sich auch innerhalb monotheistischer Systeme eine Tradition ‚anderer‘ numinoser Wesen entwickeln. 29 Zur Übersicht siehe R. ALBERTZ, Geschichte und Theologie, 359–362. 30 Skeptisch gegenüber dem Begriff Monotheismus in Deuterojesaja ist beispielsweise Saul M. Olyan. Olyan grenzt sich gegenüber denjenigen Forschern ab, die in Deuterojesaja einen strikten oder radikalen Monotheismus sehen. Er führt Stellen wie Jes 40,1–8; 40,25– 26; 45,12 und 51,9–11 an, die gegen die Vorstellungen der ausschließlichen Existenz JHWHs sprechen. Siehe zur Ausführungen S. M. OLYAN, Is Isaiah 40–55 really monotheistic?, 192–196. Olyan zieht aus seiner Untersuchung das Fazit, dass die Aussage ‚es ist kein Gott außer mir‘ etwas anderes bedeuten muss, als die alleinige ‚Existenz‘, und zwar eher „Yhwh’s incomparability and unique power and agency“. S. M. OLYAN, Op. cit., 198. JHWH komme innerhalb der himmlischen Wesen aber als einzigem der Status אלהיםzu (S. M. OLYAN, Op. cit., 199–200). Der Verfasser hält Monotheismus insofern für eine unglückliche Bezeichnung für die Aussagen in Deuterojesaja (es wird aber gleichwohl kein alternativer Begriff vorgeschlagen). Olyans These kann nicht überzeugen; zudem wird der Monotheismusbegriff durchaus differenziert betrachtet. Siehe auch N. MACDONALD, Monotheism and Isaiah, 43–61. Lynch zieht es vor, von ‚monotheistic rhetoric‘ zu sprechen, um Spekulationen über die theologischen Auffassungen der jeweiligen Verfasser zu vermeiden, „focusing instead on the theological import of their rhetorical claims“. M. J. LYNCH, Mapping Monotheism, 49. Im Folgenden stellt Lynch explizite und implizite Modi monotheistischer Rhetorik vor, womit Jes 45,5–7 als Muster monotheistischer Rhetorik unter verschiedenen zur Sprache kommt. (M. J. LYNCH, Op. cit., 52–56 bzw. 56– 65; 67).
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Kapitel 1: Einleitung
Jes 45,5–7 eine beachtenswerte theologische Aussage vorliegt, die monotheistisch genannt werden kann.
Das Kyrosorakel ist zur deuterojesajanischen Grundschicht zu zählen und ist ggf. bereits vor 539 zu datieren,31 zumindest aber ist das 6. Jh. vorauszusetzen.32 Die Verse 1–4a beinhalten die Beauftragung des Perserkönigs Kyros, welche mit monotheistischen Aussagen verbunden wird (4b–6b). Darauf werden die schöpfungstheologischen Bedingungen dargelegt (6c–8).33 Erasmus Gaß weist darauf hin, dass in diesem Text Geschichte, Monotheismus und Schöpfung logisch aufeinander bezogen sind.34 Für die vorliegende Untersuchung sind vor allem die Verse 5–7 von größtem Interesse, welche in diesem Gefüge als Argument dienen: ֲא נִ ֤י ְי הוָה֙ וְ ֵ ֣א ין ע֔ וֹד זוּל ִ ָ֖ת י ֵ ֣א ין ֱא ִ ֑ה ים ֲא אַ זּ ְֶר ֖ וְ ֥ל ֹא ְי דַ עְ ָ ֽתּ ִנ י׃5 י־א ֶפ ס בִּ ְל ָע ָ ֑ד י ֲא נִ ֥י ְי הוָ ֖ה וְ ֵ ֥א ין עֽ וֹד׃ ֖ ֶ ִח־שׁ מֶ שׁ֙ וּמִ ַ ֣מּ ע ֲָר ֔ ָב הּ כּ ֙ ֶ לְ ַ ֣מ ַע ן יֵדְ ע֗ וּ מִ מִּ ז ְַר6 ָל־א לֶּה׃ ֽ ֵ שׂה כ ֥ ֶ ורא ָ ֑ר ע ֲא נִ ֥י ְי הוָ ֖ה ֹע ֵ שׂ ה שָׁ ֖ ום וּ ֣ ֹב ֥ ֶ ור א ֔ ֹח שֶׁ ֹע ֣ ֵ ֹי וצֵ ֥ ר ֹא ור֙ וּ ֹבi7 Ich bin JHWH und keiner sonst; außer mir ist kein Gott. Ich gürte dich, aber du hast mich nicht erkannt. 6 Damit sie erkennen werden vom Aufgang der Sonne und von ihrem Untergang her, dass keiner ist außer mir; ich bin JHWH und keiner sonst, 7 der Licht bildet und Finsternis schafft, der Frieden macht und Böses schafft; ich bin JHWH, der all dies tut. 5
In der Septuaginta-Übersetzung (um das zweite vorchristliche Jahrhundert entstanden)35 findet sich folgende Textüberlieferung: 5 ὅτι ἐγὼ κύριος ὁ θεός, καὶ οὐκ ἔστιν ἔτι πλὴν ἐμοῦ θεός, καὶ οὐκ ᾔδεις με, 6 ἵνα γνῶσιν οἱ ἀπὸ ἀνατολῶν ἡλίου καὶ οἱ ἀπὸ δυσμῶν ὅτι οὐκ ἔστιν πλὴν ἐμοῦ· ἐγὼ κύριος ὁ θεός, καὶ οὐκ ἔστιν ἔτι· 7 ἐγὼ ὁ κατασκευάσας φῶς καὶ ποιήσας σκότος, ὁ ποιῶν εἰρήνην καὶ κτίζων κακά· ἐγὼ κύριος ὁ θεὸς ὁ ποιῶν ταῦτα πάντα. Zunächst fällt auf, dass Vers 5 hier nicht ganz übersetzt wird, so fehlt „ich gürte dich“ ( ) ֲאאַ זּ ְֶר. Vermutlich lässt der Übersetzer hier, wie andernorts (JesLXX 45,1; 50,11), semitische Redewendungen unübersetzt.36 Weiter ist zu bemerken, dass das spezifisch schöpfungstheologische Verb ברא, welches in Gen 1 und Jes 45 am häufigsten begegnet,37 nicht konsequent übersetzt wird, sondern zum Teil mit ποιέω und zum Teil mit κτίζω wiederSiehe dazu E. GAß, Geschichte und Schöpfung, 14–15. Zur Einführung siehe weiter K. SCHMID, Literaturgeschichte des Alten Testaments, 132–137, sowie J. VERMEYLEN, Jesaja, 392–393. 33 Zu Gliederung und Abgrenzung siehe E. GAß, Geschichte und Schöpfung, 1–9. 34 E. GAß, Op. cit., 22. 35 Siehe dazu R. L. TROXEL, LXX-Isaiah as Translation and Interpretation, 21–24. Der Übersetzer wird in Alexandria und der dortigen jüdischen Gemeinde zu lokalisieren sein. R. L. TROXEL, Op. cit.,1–35. 36 Siehe Z. OLÁH, Schöpfungsterminologie in der Septuagina von Jesaja 44,24– 45,25, 144. 37 Z. OLÁH, Op. cit., 140. 31 32
3. Typolgie des Bösen
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gegeben wird.38 Aus der Perspektive des griechischen Sprachgebrauchs würde sich die Übersetzung des theologisch bedeutsamsten Verbs für die Schöpfertätigkeit Gottes mit κτίζω nahelegen, da κτίζω (z.B. bei Homer) ein „Ausdruck des Erfindens“39 ist und zudem mit der Vorstellung von Herrschaft einhergeht (beispielsweise bei der Gründung von Städten). Vermutlich war diese spezifische Bedeutung für den Übersetzer noch nicht relevant.40 Sodann kann zu den Verben ποιέω und κατασκεάζω Folgendes angemerkt werden: Das Verb „bezeichnet JHWHs Tätigkeit bei der Erschaffung der Welt“ und übersetzt zumeist ;עשהκατασκεάζω wird zumeist für das Herstellen von Gütern durch den Menschen verwendet.41
Nachdem v.a. 45,5–7 gelegentlich als Kritik am (persisch-) zoroastrischen Dualismus interpretiert wurde,42 dürfte direkte literarische Abhängigkeit von zoroastrischen Schriften allerdings kaum anzunehmen sein; zudem ist kaum deutlich zu machen, wieso sich die deuterojesajanische Verfasserschaft gegen die persische Religion hätte abgrenzen wollen. Vielmehr ist das Kyrosorakel auf dem Hintergrund des babylonischen Exils und der Auseinandersetzung mit der spätbabylonischen Marduktheologie zu verstehen.
Friedhelm Hartenstein hat in einer umfassenden Untersuchung über die ‚Schöpfertätigkeit JHWHs‘ im Alten Testament (v.a. Jes 40,12–31)43 und im Vergleich zu babylonischer Theologie die ‚Erschaffung des Himmels‘ als ‚monotheistisches Kernargument‘ ausmachen können: Für die monotheistische Gotteskonzeption ist die Erschaffung des Himmels besonders wichtig,44 insbesondere die Vorstellung, dass Gott den Himmel ‚ausspannt‘ (Jes 42,5). Zwar kämen religionsgeschichtlich auch Vorstellungen aus anderen Kulturkreisen in Frage,45 die Untersuchung zeigt jedoch, dass v.a. Marduk im Enuma eliš „die […] nächsten Parallelaussagen vor allem für die deuterojesajanischen Texte“ bietet.46 Somit steht der (inklusiven) Marduktheologie47 eine exklusiv monotheistische JHWH-Theologie entgegen: „Für unseren Zusammenhang ist festzuhalten, dass von Marduk in allen altorientalischen Quellen mit Abstand am ausführlichsten Tätigkeiten bei der Erschaffung des Himmels beschrieben werden. Wichtig ist aber, dass Marduk sich dabei bereits in einer Vorform von Dazu weiter Z. OLÁH, Op. cit., 149–154. Z. OLÁH, Op. cit., 150. 40 Z. OLÁH, Op. cit., 150–151. 41 Z. OLÁH, Op. cit., 152. 42 E. GAß, Geschichte und Schöpfung, 24 und vor allem F. HARTENSTEIN, JHWH, Erschaffer des Himmels, 397–400. 43 Außerdem Jes 42,5; 44,22.24; 45,12.18; 51,13.16; 66,22. Siehe die Aufstellung bei F. HARTENSTEIN, Op. cit., 388. 44 F. HARTENSTEIN, Op. cit., 387. 45 Aus Palästina kennt man die Vorstellung von El als ‚Besitzer des Himmels‘; aus Ägypten demgegenüber ist nichts Vergleichbares bekannt (F. HARTENSTEIN, Op. cit., 391– 394). Zu Parallelen im Zoroatsrismus und den Achämenidenschriften cf. F. HARTENSTEIN, Op. cit., 397–400. 46 F. HARTENSTEIN, Op. cit., 396. 47 Martin Leuenberger weist darauf hin, dass sich auch im babylonischen Umfeld zum Teil „Einzigkeitsaussagen über bzw. -bekenntnisse zu Marduk“ finden und zwar zumeist in Gebetstexten. M. LEUENBERGER, Kyros-Orakel und Kyros-Zylinder, 251. Von exklusivem Monotheismus kann aber in diesem Zusammenhang aber nicht gesprochen werden. 38 39
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Himmel und Erde vorfindet und dass er selbst ein Enkel des An(u), des Himmelsgottes ist und lediglich ausstattet und vollendet, was schon vor ihm begonnen wurde.“48 Nur JHWH wird allerdings als Erschaffer des Himmels portraitiert.
Im Kyrosorakel lässt sich sodann eine bedeutsame Nähe zum spätbabylonischen Kyroszylinder beobachten. Sowohl der Kyroszylinder als auch das Kyrosorakel blicken auf die Eroberung Babylons durch Kyros II (539 v. Chr.) zurück. Der Kyroszylinder wurde wahrscheinlich von babylonischen MardukPriestern verfasst und kann als Ausdruck der „innerbabylonischen Auseinandersetzung um die Suprematie und Geschichtsmächtigkeit Marduks gelesen werden“.49 Problematisiert wird vermutlich die eher mardukfeindliche Religionspolitik Nabonids, des letzten babylonischen Königs. So gehen beide Texte (nebst ebenso bedeutenden sachlichen Unterschieden) davon aus, dass der Perser Kyros von einer (fremden) Gottheit, JHWH bzw. Marduk, in Dienst genommen wurde, womit in beiden Fällen ein Beispiel theologischer Geschichtsdeutung vorliegt. Freilich stehen die Texte damit nicht auf derselben Seite: Auch hier steht die inklusive Marduktheologie dem exklusiven JHWHMonotheismus gegenüber.50 Wenn so mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die vorliegende Gotteskonzeption auf dem Hintergrund spätbabylonischer Vorbilder zur betrachten und die ‚monotheistischen Transformationen‘ Deuterojesajas „in intensiver Auseinandersetzung mit der dominanten ‚Leitkultur‘ entstanden“ ist, schmälert das in keiner Weise die theologische Leistung.51 Gleichwohl wird man die ‚Verkündigung des Monotheismus‘ nicht als zentrales Anliegen des Kyrosorakels betrachten können, sondern mit der Aussage über die Einzigkeit JHWHs wird in erster Linie die geschichtliche Heilsbotschaft untermauert.52 Auch 45,7 muss infolgedessen im Kontext der Kyroserwählung betrachtet werden. Dieser Kontext spricht allerdings eher „[…] gegen ein so grundsätzlich ethisch-philosophisches Verständnis von 45,7 im Sinne einer monotheistischen Erklärung über die Herkunft des Bösen, die im Alten Testament einmalig wäre“.53 So ist auch das Schaffen (עשה, בראoder )יצרvon Licht und Finsternis ( אורund )חשךsowie Heil und Unheil ( שלוםund )רעzunächst im Rahmen der geschichtlichen Ereignisse zu deuten. Anders als in Gen 1 kann F. HARTENSTEIN, JHWH, Erschaffer des Himmels, 397. E. GAß, Geschichte und Schöpfung, 16 und weiter 12–16. Ausführlich M. LEUENBERGER, Kyros-Orakel und Kyros-Zylinder, insb. 245–247 und M. ALBANI, Deuterojesajas Monotheismus, passim. Hinter dem Kyroszylinder steht die von der Marduk-Priesterschaft problematisierte Hinwendung des letzten babylonischen Königs Nabonid zum Mondgott Sin auf Kosten Marduks. Siehe dazu u.a. M. ALBANI, Op. cit., 179–182. 50 Siehe dazu M. LEUENBERGER, Kyros-Orakel und Kyros-Zylinder, 250. 51 M. LEUENBERGER, Op. cit., 254. 52 Siehe M. ALBANI, Deuterojesajas Monotheismus, 172. 53 ID., Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen, 243. 48 49
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hier statt von einem ‚Naturschaffen‘ von einem ‚Geschichtsschaffen‘ gesprochen werden:54 Die geschichtlichen Ereignisse, sowohl das Unheil des Exils als auch das (erhoffte) neuanbrechende Heil der persischen Herrschaft werden auf JHWH zurückgeführt.55 Schließlich ist festzuhalten, dass mit Jes 45,4–7 nicht in erster Linie ein philosophisch-theologisches Modell zur Erläuterung der Ursprünge des Bösen vorliegt, sondern ein geschichtstheologisches. Gleichwohl ist die Aussage im gegebenen Kontext beachtenswert: Es werden keine numinosen Kräfte mit den implizierten Unheilserfahrungen in Verbindung gebracht und jegliche Art von dualistischem Denken ist hier fremd. Demgegenüber wird alles Weltgeschehen auf das Wirken Jhwhs zurückgeführt, der somit „für die gesamte Lebenswirklichkeit verantwortlich“ ist.56 3.2. Der Wächterfall
Die Frage nach den Ursprüngen des Bösen in der Welt findet im antiken Judentum eine erste ausführlichere Antwort im Mythos von den Wächterengeln. Die Möglichkeit sich verfehlender Engel ist im Alten Testament nur vage angedeutet (Gen 6,1–4), wird dort aber nicht weiter ausgeführt. Im henochischen Schrifttum hingegen wird von dieser Tradition ausführlich berichtet: Das Wächterbuch (1 Hen 1–36), in welchem der Wächtermythos erstmals schriftlich vorliegt, ist Grundlage einer breiten Rezeptionsgeschichte und kommt zugleich als Ausgangspunkt frühjüdischer Dämonologie in den Blick. Dieser älteste uns bekannte Versuch, das Böse auf der Welt zu erklären, macht für Beeinträchtigungen und Schädigungen des menschlichen Lebens wie Krankheiten und Gewalt ‚gefallene‘ Engel verantwortlich. Im Wächtermythos, wie er sich in 1 Hen findet, werden die Verse Gen 6,1–4 elaboriert: Wächterengel sehen die schönen Töchter der Menschen und steigen auf die Erde hinab, um mit ihnen Kinder zu zeugen, womit sie das von Gott vorgegebene Ordnungssystem durchbrechen. Durch die gemeinsamen Nachkommen (Giganten) werden die Menschen Opfer von Gewalttaten. Zugleich berichtet ein anderer Erzählstrang davon, dass die Wächter die E. GAß, Geschichte und Schöpfung, 23–24. Weitere Ausführungen bei K. BALTZER, Deutero-Isaiah, 226–227. Anders Matthias Albani, der רעals ‚geschichtliches Strafhandeln JHWHs an Babylon‘ interpretiert. Siehe M. ALBANI, Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen, 243. Albani kommt zu dieser Einsicht, indem er den Text auf dem Hintergrund altorientalisch-astraler Schöpfungsaussagen betrachtet (lunares JHWH-Verständnis). 1QJesa ersetzt שלוםmit טוב, womit sich ein anderer Sinnzusammenhang ergibt. Es kommen sodann vielmehr die moralischen Komponenten ‚gut‘ und ‚böse‘ in den Blick, wobei der MT mit שלוםkeineswegs eine moralische Dimension anspricht. 56 E. GAß, Geschichte und Schöpfung, 22. 54 55
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Menschen Praktiken wie Kriegskunst oder die Herstellung von Kosmetik lehren, welche zu Gewaltexzessen, Krieg und moralischem Niedergang führen. Die von Gott entsandte Flut vermag sodann zwar die Giganten zu vernichten, doch bleibt die ‚Sünde‘ in Form der (unsterblichen) Geister der Giganten auch nach der Flut bestehen; die bösen Geister führen die Menschen in die Irre und infizieren sie mit Krankheiten. Der Wächtermythos kann somit als Nukleus der frühjüdischen Dämonologie gelten. Der Wächterfall wird in den übrigen Schriften des henochischen Corpus weiter thematisiert und durchzieht das gesamte Corpus gleichsam als Referenzpunkt. Demgegenüber fällt auf, dass der Adam-Stoff innerhalb dieses Überlieferungsgefüges zwar bekannt, aber nur von geringer Bedeutung war. Besonders bedeutsam ist dabei, dass der Wächtermythos bei weitem älter ist als die Zuschreibung des Bösen an Adam in der Gen 3-Tradition, welcher vor allem in der christlichen Theologie eine herausragende Bedeutung zukommt. Das Corpus 1 Hen wurde lange Zeit relativ spät datiert. Exemplarisch sei hier das Standardwerk „Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter“ von W. Bousset und H. Gressmann genannt (erste Auflage 1926), in welchem 1 Henoch noch in Abhängigkeit von Daniel gelesen wird: „Mit Daniel beginnt also die apokalyptische Literatur des Judentums. Von Daniel im Stil und in manchen Einzelheiten abhängig ist bereits jenes Sammelwerk von Schriften ähnlicher Tendenz, das nach seiner Überlieferung als das äthiopische Henochbuch (I Henoch) bezeichnet wird.“57 So ergibt sich infolgedessen die Spätdatierung „zwischen 164 und 80“.58 Auch Martin Hengel datierte die ältesten Teile des Henochbuchs in „Judentum und Hellenismus“ (erste Auflage 1969) noch etwa zeitgleich mit Daniel. 59 Diese Datierung musste durch die Funde von Henoch-Fragmenten in Qumran korrigiert werden: Durch paläographische Untersuchungen konnte das älteste Henochfragment (4QEna) auf die erste Hälfte des 2. Jh. v. Chr datiert werden,60 was wiederum dafür spricht, dass die Abfassung der Texte des Wächterbuchs bis ins dritte vorchristliche Jahrhundert vorgerückt werden kann und zumindest Teile von 1 Hen wesentlich älter sind, als bisher angenommen. Die Frühdatierung von 1 Hen ist für die vorliegende Arbeit von erheblicher Bedeutung: Die Annahme, dass die Adamtradition ‚schon immer‘ im Vordergrund gestanden habe,61 ist W. BOUSSET/H. GRESSMANN, Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter, 12. 58 Ibid. 59 M. HENGEL, Judentum und Hellenismus, 321. 60 Cf. J. T. MILIK/M. BLACK, The Books of Enoch, 140. 61 So beispielsweise der Eintrag zum Bösen von Johan Hygen in der TRE (1993): „Den Ursprung des Bösen hat die alte theologische Tradition in der Übertretung der ersten Menschen gefunden. Die Schöpfung sei als solche gut, aber durch den Ungehorsam des paradiesischen Menschenpaares sei die ursprünglich gute Art des Menschen verdorben worden. 57
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damit deutlich zu korrigieren. Es zeigt sich demgegenüber, dass die AdamTradition erst merklich später theologisch und für die Frage nach den Ursprüngen des Bösen bedeutsam wurde. Außerhalb des henochischen Schrifttums lässt sich im frühen Judentum sodann eine weiterhin breite, wenn auch selektivere und exemplarischere Rezeption des Wächtermythos beobachten.62 Die Breite der Rezeption reicht dabei vom Jubiläenbuch als erstem Text außerhalb des Corpus 1 Hen über verschiedene Qumran-Fragmente (e.g. Genesis-Apokryphon, Damaskusschrift, Ages of Creation), die Patriarchentestamente sowie hellenistischjüdische Schriftsteller wie Philo und Josephus bis ins frühe Christentum hinein. Somit zeigt sich eine Kenntnis des Wächtermythos über eine zeitliche und geographische Breite. Innerhalb dieses Rezeptionsstranges kommt dem Wächterereignis in Bezug auf Sünde jeweils paradigmatische Funktion zu, zum Teil gilt ihr urzeitliches Vergehen als Referenzpunkt für die Sünde der ‚Gegenwart‘. Die theologische Pointe dieses Erklärungsmodells unterscheidet sich deutlich vom geschichtstheologischen Modell in Jes 45,5–7. Übel und Sünde werden hier nicht auf Gott selbst zurückgeführt, sondern auf göttliche Wesen. Diese sind aber nicht wie in einer dualistischen Konzeption von Gott eingesetzt, sondern aufgrund eigenen Verschuldens von Gottes Geboten abgefallen, womit Sünde auf willentliche Übertretung göttlicher Wesen im Rahmen eines urzeitlichen Zwischenfalls zurückgeführt wird. Die Menschen kommen hier zunächst also nicht als Initiatoren von Bösem in den Blick und werden nicht mit der Einführung der Sünde in Verbindung gebracht, wie das dann in der Adam-Tradition der Fall sein wird. Der Negativzustand der Welt wird demgegenüber auf eine (hohe) Engelklasse zurückgeführt, wobei die Menschheit vor allem als Opfer einer über sie hereinbrechenden Gewalt zur Sprache kommt. Erst in einem weiteren Schritt werden die Menschen zu Mittätern erklärt. Sodann ist vermutlich davon auszugehen, dass die mit den Wächtern in Zusammenhang gebrachten kulturellen Errungenschaften mit der Ausbreitung des Hellenismus in Verbindung zu bringen sind. Indem das Böse seinen Anfang in der himmlischen Welt nimmt, wird es gewissermaßen im Wirkkreis Gottes lokalisiert, gleichwohl ohne es direkt mit Gott zu verknüpfen. Damit ist typologisch ein deutlicher Unterschied zum ‚monistischen Modell‘ zu beobachten. Das Böse wird hier gerade nicht auf Gott zurückgeDas Böse kam in die Welt, und als Strafe die Übel: Mühsal, Schmerz und Tod.“ J. B. HYGEN, Art. Das Böse, 12. 62 Zur frühjüdischen Rezeptionsgeschichte des Mythos siehe zuletzt die Dissertation von C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel; grundlegend und am umfassendsten nach wie vor Devorah Dimants unveröffentlichte Dissertation von 1974 (in neuhebräischer Sprache), außerdem der Aufsatz von M. DELCOR, Le Mythe de la Chute des Anges; weiter L. T. STUCKENBRUCK, The Origins of Evil in Jewish Apocalyptic Tradition, A. Y. REED, Fallen Angels, und A. T. WRIGHT, The Origin of Evil Spirits.
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führt, sondern auf ihm untergebene aber dennoch göttliche Wesen; Gott wird der Theodizeefrage damit gleichsam enthoben und gilt vielmehr als Wiederhersteller der weltlichen Ordnung sowie als Richter über die Frevler. Eine in der Forschung offen diskutierte Frage ist, ob neben dem Wächterfall in der frühjüdischen Literatur weitere Formen eines vorzeitlichen Falles identifizierbar sind: Die Diskussion entzündet sich hier insbesondere an dem (nicht-essenischen) Weisheitstext 1Q/4QInstruction (bzw. Mûsār lĕ-Mēvîn) und dort dem Fragment 4Q417 frg. 1 (olim frg. 2). In diesem weisheitlichen Text (Anfang 2. Jh. v. Chr.) findet sich ein Mythologumenon, das erklärt, warum Weisheit den einen offenbart wird, anderen aber verschlossen bleibt. Dabei bietet Instruction eine vermutlich ältere Form jenes weisheitlichen Dualismus, der später in der Zwei-Geister-Lehre zum Ausdruck kommt:63 In beiden Fällen wird eine in die Urzeit zurückreichende Unterscheidung zwischen zwei Gruppen vorgeführt. Neben den auffälligen Termini ‚Volk des Geistes‘ und ‚Geist des Fleisches‘ ist im genannten Fragment besonders die Erwähnung der ‚Söhne Seths‘ sowie des ‚Enosch‘ (4Q417 1 i 14–18) von Bedeutung und dementsprechend strittig. Ist mit Armin Lange davon auszugehen, dass mit dem hebräischen Wort אנושhier jener Patriarch der Urzeit gemeint, zu dessen Zeit nach Gen 4,26 erstmals der biblische Gottesname angerufen wurde und der nach Jub 4,12 selbst als erster den Namen JHWHs anrief? Trifft diese These zu, dann ist die hier angedeutete ‚Zweiteilung‘ mit der biblischen Zeit des Enosch zu verbinden, d. h. es liegt „ein Mythos zugrunde, der den Engelfall und den Beginn des Frevels zur Zeit der Söhne Seths geschehen läßt.“64 Damit läge ein zum Wächtermythos alternativer Typus des Bezugs auf einen urzeitlichen ‚Fall‘ oder ‚Frevel‘ vor. Freilich ist diese Deutung heftig umstritten, andere Interpreten setzen Enosch in diesem Text mit Adam bzw. der Menschheit an sich gleich.65 Darüber hinaus sind Lesung und Rekonstruktion des Textes angesichts gewisser Lücken unsicher.66 Da im Text allerdings zahlreiche Anspielungen auf Gen 1–3 und die Begrifflichkeit von Gut und Böse zu finden sind (e.g. Gen 1,27 in Zeile 17),67 wird Langes These eher in Frage gestellt. Zudem ist die Vorstellung von Adam als Empfänger göttlichen Wissens bekannt (e.g. Jub 3,15), „Enosh, however, is never proclaimed as a recipient of revelation in the Second S. dazu ausführlich J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought, 295–308; grundlegend auch A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 45ff. 64 A. LANGE, Op. cit., 88. 65 M. J. GOFF, Wisdom of 4QInstruction, 96 und ID., 4QInstruction, 162–163; s. auch J. J. COLLINS, In the Likeness of the Holy Ones, 610–612. 66 Cf. neben der offiziellen Edition (J. STRUGNELL/D. HARRINGTON, 4QInstruction, 151) und A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 50–54 jetzt E. J. TIGCHELAAR, To increase Learning for the understanding Ones, 51–60. 67 Siehe auch M. J. GOFF, Discerning Wisdom, 34–35. 63
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Temple period.“68 Im Lichte der neueren Forschung ist Langes These von einer zweiten Form der urzeitlichen Engelfalls daher eher abgelehnt worden. Es ist aber gleichwohl daran festzuhalten, dass das Motiv eines vorzeitlichen ‚Unrechts‘ hier angesprochen und in den Rahmen einer göttlichen Bestimmung gerückt wird. 3.3. Die dualistische Denkform
Während Jes 45,5–7 Heil und Unheil gleichermaßen auf Gott zurückführt, ist in dualistischen Denktraditionen demgegenüber von einem von Gott eingesetzten, bösen Geist die Rede. Somit ist Böses letztlich zwar ebenso in der Vorsehung und dem Wirken Gottes zu lokalisieren, gleichwohl aber von ihm zu unterscheiden.
Das älteste bekannte dualistische Muster findet sich in der Vision Amrams, welche z.T. signifikante Parallelen zur Zwei-Geister-Lehre aufweist. VisAm (4Q543–547 [evtl. 4Q548–549]69) gilt als vorqumranisch und wird aufgrund der aramäischen Sprache und paläographischer Gegebenheiten auf das 2. oder 3. Jh. v. Chr. datiert. VisAm führt ein kosmologisch-dualistisches Muster vor Augen,70 wobei sich in einigen Fragmenten Parallelen zur Zwei-Geister-Lehre beobachten lassen.71 Auch die Vision Amrams kennt zwei sich gegenüberstehende Kräfte, die (anders als in der Zwei-Geister-Lehre) personal gedeutet werden. Die eine Figur heisst Malkireša ()מלכי רשע, der zweite Name ist an keiner Stelle lesbar (anzunehmen wäre Melkiṣedek). Malkireša herrscht über die Finsternis ()משלט על כול חשוכת, der andere Fürst demgegenüber über das Licht (שליט על כול נהורא, 4Q544 2 13–16). Diese beiden Gestalten scheinen eine Debatte über Amram zu führen (והא תרין דאנין עלי, 4Q544 1 10, siehe weiter Zeile 11). Die eine Figur trägt dunkle Kleidung (und das Angesicht einer Otter?),72 die andere Gestalt lächelt.73 Vermutlich wird Amram vor die Wahl gestellt, welche der beiden Gestalten über ihn herrschen soll: „Und sie sprachen zu mir: Von welchem von uns beiden…“ ( ;ואמרו לי במן מננא אנ֯ ת]הder Text ist hier ebenfalls unvollständig und teils rekonstruiert). Die vorliegende dualistische Struktur impliziert somit die Idee der Wahlfreiheit und somit nicht notwendigerweise prädestinatianische Vorstellungen.74 Bei allen Unklarheiten kann zumindest von einer Teilung der
ID., 4QInstruction, 163. In den Fragmenten 548–549 finden sich keine direkten Überlappungen mit den anderen fünf Fragmenten, sondern bloß thematische und paläographische Ähnlichkeiten. Zur Einführung cf. H. DRAWNEL, Art. Amram, 326–327 70 J. FREY, Art. Apocalyptic Dualism, 277–278. 71 In 4Q545 und 4Q549 findet sich die Terminologie nicht, in 4Q546 nur in wenigen übereinstimmenden Worten. In 4Q548 1 ii-2 findet sich die antithetische Thematik in den Begriffen ‚Licht und Finsternis‘, ‚[Wahrheit] und Verrat‘, ‚Ehrlichkeit und Boshaftigkeit‘, ‚Erleuchtung und Zerstörung‘. 72 4Q544 1 13 ()כפ[תן, siehe weiter 4Q543 5–9 5; 4Q547 1–2 III 13. Das Wort פתןist aber nirgendwo deutlich belegt. 73 4Q543 5–9 5.7. 74 Cf. M. T. BRAND, Evil Within and Without, 263. 68 69
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Menschen zwischen ‚Söhnen des Lichts‘ und ‚Söhnen der Finsternis‘ ausgegangen werden; damit wird auch eine ethische Dichotomie angesprochen (4Q547 1 ii 8).75
Die eindrücklichste Ausführung einer dualistischen Weltkonzeption findet sich in der Zwei-Geister-Lehre (1QS III 13–IV 26).76 Diese gilt heute als ursprünglich eigenständige Konzeption, die aufgrund paläographischer Untersuchungen auf Mitte bis Ende 2. Jh. v. Chr. anzusetzen ist77 und in der Sammelhandschrift 1QS im Anschluss an die ‚Bundesliturgie‘ aufgenommen wurde.
Während die Gemeinderegel in zwölf Versionen erhalten ist (1Q-Fragmente und 4Q275), findet sich die Zwei-Geister-Lehre lediglich in 1QS,78 und zwar im Anschluss an die Ausführungen über den Eintritt in den Yaḥad und die Abgrenzung der Gemeinde gegenüber den nicht-Mitgliedern (Gegensatz Gott/Belial). Ebendiese Unterscheidung wird durch die Zwei-Geister-Lehre präzisiert, der für sich selbst betrachtet ein stärker eschatologisches
Siehe auch J. FREY, Art. Apocalyptic Dualism, 278. Zur Interpretation der Zwei-Geister-Lehre siehe H. LICHTENBERGER, Studien zum Menschenbild in Texten der Qumrangemeinde, 123–141. 77 Siehe A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 130. Die Zwei-Geister-Lehre galt lange als ‚Basis-Ideologie‘ der Qumrangemeinschaft und wurde in Abhängigkeit vom zoroastrischen Dualismus verstanden. Seither mussten diese Thesen mehrfach modifiziert werden: So konnte einerseits deutlich gemacht werden, dass die ‚Lehre‘ ein vorqumranischer Text ist und somit nicht als paradigmatisch für die Theologie des Yaḥad gelten kann, darauf weisen auch eine Reihe terminologischer Differenzen hin, wobei für die Yaḥad-Theologie wichtige Begriffe wie ממשלט בליעל, תורהoder ברית, sowie die Bezeichnung בליעלfehlen. Weiter finden sich signifikante theologische Unterschiede. Zur Einführung siehe A. LANGE, Op. cit., 126–135, insb. 127–128, sodann J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought, 295–296. Andererseits ist man auch vorsichtiger geworden, direkte literarische Abhängigkeiten zu konstatieren. Da eine direkte Abhängigkeit kaum mehr angenommen wird, finden sich vereinzelte Stimmen, die sich gegen den Begriff ‚Dualismus‘ in Qumran aussprechen. So P. HEGER, Dualism, passim; Heger möchte für das Verständnis von Qumran-Texten eher von biblischen Quellen ausgehen, als von dualistischen Kategorien. Dem kann entgegnet werden, dass der Begriff ‚Dualismus‘ nach wie vor ein sinnvolles Instrument bietet, um ‚fundamentale Dichotomien‘ zu beschreiben. Siehe J. FREY, Art. Apocalyptic Dualism, 271. Zur Ausdifferenzierung des vielschichtigen Begriffes ‚Dualismus‘ cf. im Wesentlichen ID., Different Patterns of Dualistic Thought, 282–285 und neuerdings ID., Art. Apocalyptic Dualism, 271–294. Zoroastrischer Einfluss wird schließlich nicht grundsätzlich ausgeschlossen, man geht aber in der jüngeren Forschung weitgehend davon aus, dass dualistische Muster (1QS, 1QM, 4QMMT) auf eine innerjüdisch-weisheitliche Entwicklung dualistischen Gedankenguts zurückgehen. 78 Siehe zu 1QS H. STEGEMANN, Zu Textbestand und Grundgedanken von 1QS III,13IV,26, 95–131; zur Analyse der Handschriften der S-Tradition die Monographie von S. METSO, The Textual Development of the Qumran Community Rule; sodann ID., The Textual Traditions of the Qumran Community Rule, 141–147. Siehe weiter J. LEONHARDTBALZER, Evil, Dualism and Community, 123; 126. 75 76
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Gepräge zukommt.79 Diskutiert wird insofern der Einfluss der Zwei-Geister-Lehre auf die Theologie des Yaḥad.80 Ein ausführlicher Vergleich des in den ‚gruppenspezifischen‘ Texten vorliegenden Typus dualistischen Denkens mit der Zwei-Geister-Lehre zeigt, dass das dualistische Gedankengut der Lehre vielschichtiger und vielfältiger ist. Gruppenspezifische Texte drücken sich vor allem in kosmologisch-dualistischer Terminologie aus, betonen die Opposition zwischen Gott und Belial und orientieren sich deutlicher an der Zugehörigkeit zum Yaḥad.81 In den folgenden Untersuchungen wird die Zwei-GeisterLehre als für sich stehendes Textstück betrachtet und nicht im Rahmen von 1QS. Zwar besteht kein Konsens bezüglich der literarischen Einheitlichkeit,82 doch stehen Schichtenfragen innerhalb der Zwei-Geister-Lehre hier nicht zur Debatte.
Bereits der Beginn des Textstücks weist mit dem Belehrungsauftrag an den Maśkîl, der die ‚Söhne des Lichts‘ unterweisen soll, auf die weisheitliche Prägung der Zwei-Geister-Lehre hin (למשכיל להבין וללמד את כול בני אור, „An den Lehrer um zu unterweisen und zu belehren alle Söhne des Lichts“; 1QS III 13). Allerdings stehen hier (anders als in der klassischen Weisheit) weder das rechte Erkennen der Torah noch Fragen des alltäglichen Lebens im Zentrum. Vielmehr wird das Verstehen kosmologischer, ethischer und eschatologischer Zusammenhänge thematisiert. Texte der klassischen Weisheit kennen zwar die Unterscheidung zwischen Weisen und Toren, führen dabei aber weder ausgeprägte dualistische Muster noch prädestinatianische Vorstellungen ein.83 Die weisheitliche Prägung der Zwei-Geister-Lehre wird vor allem auf dem Hintergrund von Instruction (1Q26, 4Q415–418a und 4Q423) und Mysteries (1Q27; 4Q299–301) deutlich, welche als Brücken zwischen der klassischen Weisheit und der Zwei-Geister-Lehre gelten können. Deren Verfasserschaft könnte also evtl. aus dem Kreis um Instruction und
A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 170. Zum Platz der Zwei-Geister-Lehre innerhalb des Wachstums der Gemeinderegel siehe auch die Diskussion bei C. HEMPEL, The Treatise on the Two Spirits, 104–105. 80 Siehe A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 132–135 und J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought, 301–307. Cf. 1QHa, CD, 4Q181, 4Q511, 4Q280. 81 J. FREY, Op. cit., 301–307, insb. 307. Dabei sei schließlich auf die soziale Funktion der dualistischen Struktur hingewiesen. Siehe dazu J. LEONHARDT-BALZER, Evil, Dualism and Community, 146–147: „The social function of this dualism was to cement the community’s identity, to assure the members of God’s lasting support even in the face of the present upper hand of the forces outside the community and to affirm the conviction that ultimately the community’s way of life would be proven to be in accordance with God’s will.“ 82 Verschiedene Schichten innerhalb des Textumfangs schlagen P. von der OstenSacken, J. Duhaime und E. Tigchelaar vor, während J. Licht, A. Lange, H. Stegemann und J. Frey eher von einer literarischen Einheit ausgehen. Zur Diskussion siehe C. HEMPEL, The Treatise on the Two Spirits, 110–113. 83 Texte wie Ben Sira legen eine dualistische Struktur zwar nahe (cf. Sir 33), wobei diese aber nicht in Zusammenhang mit der Idee einer festgesetzten Ordnung steht, sondern dem freien Willen des Menschen unterliegt. Cf. weiter J. FREY, Art. Apocalyptic Dualism, 282. Zu Ben Sira 33 siehe ID., Different Patterns of Dualistic Thought, 297. 79
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Mysteries stammen (so v.a. Armin Lange und Jörg Frey).84 Sowohl Instruction als auch Mysteries und die Zwei-Geister-Lehre können als weisheitliche Texte mit apokalyptischer Weltsicht bezeichnet werden:85 Sie befassen sich mit den klassischen Themen der Weisheit, kombinieren diese allerdings mit kosmologischen und eschatologischen Motiven.86 Auffallend sind sodann eine Reihe von gemeinsamen Begriffen und Theologumena wie ‚Plan‘ ()מחשבה, ‚Geschlechterfolge‘ bzw. ‚Geschichte‘ ()תולדות, ‚erben‘ (נחל, und Derivate), sowie die Wendung ‚Gott der Erkenntnis‘ ()אל הדעות.87 Besonders die Vorstellung der מחשבה Gottes ist bemerkenswert;88 mit dem ‚Plan Gottes‘ wird eine prädestinierte Schöpfungsordnung ausgedrückt (siehe 1QS III 15).89 Die präexistente Weltordnung wird in Instruction und Mysteries mit dem Begriff רז נהיהerläutert (‚das Geheimnis dessen, was ist/was [sein] wird‘).90 Der רז נהיהsoll vom Verständigen studiert werden, damit er Einsicht gewinnt (e.g. 4Q417 I i 1–8). Dabei kann nur der dafür Vorgesehene dieses Studium unternehmen, da von einer partikularen Offenbarung ausgegangen wird (anders in der klassischen Weisheit). Instruction impliziert (ähnlich wie die Zwei-Geister-Lehre) zwei Gruppen von Menschen: 1) ‚( עם רוחgeistliches Volk‘, 4Q417 I i 16), Empfänger der Offenbarung, und 2) רוח בשר (‚fleischlicher Geist‘, 4Q417 I i 17 ).91 Die antithetische Opposition zwischen Weisen und 84 Vorsichtiger M. J. GOFF, Sapiential Dualism, 33–34. Goff plädiert dafür, von der Behauptung direkter Abhängigkeit Abstand zu nehmen, bezeichnet aber sachliche Analogien in der Vorstellungswelt der Verfasserschaft als auffällig: „The sapiential tradition was doubtlessly one of the many traditions that influenced the composition of the Treatise and other Qumran texts. But isolating the impact of the wisdom tradition on the dualism of the Treatise is difficult to achieve. It is not clear that one can identify a direct link of development between types of dualism in Proverbs and the Treatise.“ M. J. GOFF, Op. cit., 37. Weiter E. J. TIGCHELAAR, ‚Spiritual People‘, ‚Fleshly Spirit‘ and ‚Vision of Meditation‘, 105–116. 85 Cf. M. J. GOFF, 4QInstruction, 19. Im Anschluss an J. J. COLLINS, In the Likeness of the Holy Ones, passim. 86 Cf. J. FREY, Art. Apocalyptic Dualism, 282. 87 A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 129–130, weiter J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought, 298–300. 88 4Q299 [4QMysta] 3a ii-b 11; 4Q417 [4QInstrc] I i 12; 1QS III 15. Cf. M. J. GOFF, 4QInstruction, 22. 89 …„( כול הויה ונהייה ולפני היותם הכין כול מחשבתםalles was ist und was sein wird. Und bevor sie waren, hat er ihren ganzen Plan festgesetzt.“). S. auch 4Q299 3a ii-b 11, כול מחשבת עושה. 90 Instruction: 1Q26 1 1.4; 4Q415 6 4; 24 1; 4Q216 2 i 5; 2 iii 9.14.18.21; 17 3; 4Q417 I I 8–9.18.21; 1 ii 3; 2 i 11; 4Q418 77 2.4; Mysteries: 1Q27 1 i 3–4. Cf. auch 1QS 11 3–4 und Prov 3,19. 91 Auch Ben Sira unterscheidet sich hier schon von früheren Weisheitstexten, indem Weisheit im Rahmen von Offenbarung erschlossen wird. Cf. J. FREY, Art. Apocalyptic Dualism, 283. Weiter ID., Paulinische Antithese von ‚Fleisch‘ und ‚Geist‘, 57–66 und E. J. TIGCHELAAR, ‚Spiritual People‘, ‚Fleshly Spirit‘ and ‚Vision of Meditation‘, insb. 108–109. Collins geht davon aus, dass hier zwei Typen von Menschen gemeint sind („double creation“, siehe J. J. COLLINS, In the Likeness of the Holy Ones, 615–618); Frey und Lange interpretieren רוח בשרals ‚sündiges Menschentum‘ (A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 86–87 und J. FREY, Paulinische Antithese von ‚Fleisch‘ und ‚Geist‘, 57–66); Tigchelaar schließlich ist der Ansicht, dass es nicht in erster Linie um Sünde geht, sondern um Nichtwissen (E. J. TIGCHELAAR, ‚Spiritual People‘, ‚Fleshly Spirit‘ and ‚Vision of Meditation‘, 111–116). Die Frage nach der sachgemäßen Interpretation von עם רוחund
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Toren bzw. Gerechten und Frevlern ist ein konstituierendes Element weisheitlicher Texttraditionen. Texte wie Mysteries und Instruction haben die Topoi der klassischen Weisheit zusammen mit der Vorstellung partikularer Erkenntnis prädestinierter Verständiger in einen apokalyptischen Rahmen integriert und in dualistischen Mustern ausgedrückt.92
In der Zwei-Geister-Lehre beinhaltet die weisheitliche Belehrung der Söhne des Lichts durch den Lehrer die Erläuterung des Ursprungs (bzw. der Geschichte) aller Menschen. Diese Belehrung soll unter drei Aspekten behandelt werden (III 14–15a):93 1) Ein kosmologischer Dualismus konstituiert den äußeren Rahmen (III 15–IV 1): Die Art der Menschen wird auf zwei von Gott geschaffene und eingesetzte apersonale Geistwesen zurückgeführt, den Fürsten des Lichts (שר אורים, auch ‚Geist der Wahrheit‘) und den Engel der Finsternis (מלאך חושך, auch ‚Geist der Lüge‘). Die Gegenwart ist durch deren Auseinandersetzung geprägt, welche bis zur von Gott festgesetzten Zeit der endgültigen Heimsuchung dauert. 2) In Übereinstimmung und Weiterführung dazu wird das Handeln der Menschen gemäß ihrer Zugehörigkeit zum einen oder anderen Los ( )גורלin einem ethischen Dualismus beschrieben (IV 2–6). Ihre ethische Qualität steht in Übereinstimmung mit der Zugehörigkeit zum einen oder anderen Los.94 An den jeweiligen Taten der Wahrheit oder Gerechtigkeit oder Boshaftigkeit ist eine Tendenz ihrer Zugehörigkeit ersichtlich, gleichwohl wird ihre Bestimmung erst am Ende der Zeit offenbar. Insofern liegt hier eine vielschichtigere Vorstellung vor als in gruppenspezifischen Texten, in denen die zum Yaḥad gehörenden mit den Erwählten gleichgesetzt werden.95 Während die ‚Tempeltheologie‘ die Trennlinie zwischen Israel und den Heiden zieht, ist die Unterscheidung in den gruppenspezifischen Texten innerisraelitisch, zwischen dem Yaḥad und den ‚anderen Israeliten‘. Die Zwei-Geister-Lehre ist hier nochmals partikularer und macht die Bestimmung zu Heil oder Unheil nicht von der Zugehörigkeit zu einer spezifischen Gruppierung (Israel/Yaḥad) abhängig, sondern von Gottes Erwählung. רוח בשרsteht nach wie vor zur Diskussion, kann hier allerdings nicht breiter ausgeführt
werden. 92 Siehe J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought, 296–298 und ID., Art. Apocalyptic Dualism, 283. 93 Cf. J. FREY, Op. cit., 281 und ID., Different Patterns of Dualistic Thought, 291–294. 94 Die dualistischen Muster schlagen sich auch sprachlich nieder. So wird in Bezug auf die Gesinnung der Menschen ethisches Vokabular benutzt (e.g. ‚Söhne der Gerechtigkeit‘), für die Geistmächte kosmologisches Vokabular (e.g. ‚Engel der Finsternis‘). Siehe A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 156. 95 Siehe beispielsweise CD II 2–13: Das Schicksal des Menschen wird durch Zugehörigkeit bzw. nicht-Zugehörigkeit zum Yaḥad (‚Los Gottes‘ oder ‚Los Belials‘) bestimmt. Cf. im Weiteren J. LEONHARDT-BALZER, Evil, Dualism and Community, 135–136.
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Kapitel 1: Einleitung
3) Als Proprium des Textes findet sich die Vorstellung, dass die Grenze der Herrschaftsbereiche und ihr Kampffeld nicht nur durch die Menschheit, sondern auch durch das Herz jedes Menschen verlaufen (IV 22-23). Der ‚äußere Kampf‘ findet auch im Inneren des Menschen statt, womit schließlich ein anthropologischer bzw. psychologischer Dualismus vorliegt.96 Durch die feindliche Intervention des ‚bösen‘ Geistes ist es dann auch zu erklären, dass es selbst in den Kreisen der Weisen, Frommen und Gesetzestreuen zu Anfechtung, Sünde und Abfall kommt. Erst am Ende der Zeit werden die Auserwählten von ‚allem frevlerischen Geist‘ ()כול רוח עולה, der auch in ihnen ist, gereinigt (siehe IV 20–22).
Für die Frage, inwiefern die Vorstellungen, dass der Mensch zwar beide Geister in sich trägt aber dennoch zum einen oder anderen Los gehört, vereinbar sind, wird gerne der astrologische Text 4Q186 (Ende 1. Jh. v. Chr.) herangezogen.97 Der Text ist sehr fragmentarisch und es ist u.a. aufgrund des fehlenden Textanfanges unklar, wie er zu lesen ist. Vor allem das dualistische Grundmuster weist eine Ähnlichkeit zur Zwei-Geister-Lehre auf: 4Q186 beschreibt physiognomische Eigenschaften von Menschen in Zusammenhang mit ihren Anteilen an den Häusern von Licht und Finsternis (בית האור/)בית החושך.98 Ähnlich wie bei einem Horoskop werden verschiedene Menschen (oder Typen?) beschrieben, wobei zunächst deren jeweilige Anteile im Haus des Lichts bzw. der Finsternis genannt werden, sodann Geburts-Zeichen ( )מולדund Tier ()בהמה. Leider ist kein vollständiger Eintrag erhalten, d.h., es ist unklar, wie umfassend eine solche Beschreibung war. Die Häuser werden mit den zwei Geistern in Analogie gebracht, wenn auch bemerkt werden muss, dass sich nach der Zwei-Geister-Lehre gerade keine Hinweise auf Erwählung finden lassen; dort entscheidet nicht die Geburtsstunde über das Schicksal des Menschen, sondern Gottes Vorsehung.99 Im Folgenden wird die Präsenz der zwei Geister im Menschen (bzw. der Kampf zwischen ihnen) in Bezug zu den neun (?) Teilen des Menschen gesetzt (cf. 4Q186 1 ii 7 oder 1 iii 5–6). Die Neunteilung bedingt, dass entweder die Anteile von Licht oder Finsternis überwiegen. Diese breit akzeptierte These wurde von Mladen Popović neu Die Spannung zwischen Prädestination und dem Wirken des Engels der Finsternis wird von J. Leonhardt-Balzer aufgelöst, indem sie die Zwei-Geister-Lehre als ethisierte und psychologisierte Version des Wächtermythos betrachtet. Die Fehlbarkeit der Söhne des Lichts wird auf den Einfluss des Wächtermythos zurückgeführt. Siehe J. LEONHARDTBALZER, Op. cit., 142. Die These vermag allerdings nicht zu überzeugen, da sich zu viele sachliche und inhaltliche Unterschiede zwischen dem Wächtermythos und der ZweiGeister-Lehre beobachten lassen. Zum Beispiel bezeichnen die Gefangennahme der Wächter und die Zerstörung der ‚Söhne der Lüge‘ etwas anderes. Die Zerstörung der Lügensöhne in der Zwei-Geister-Lehre ist ein eschatologisches Ereignis und bedeutet das Ende des Bösen überhaupt, während die Gefangennahme der Wächter lediglich ein Strafakt ist. Außerdem vermögen die vorgelegten Argumente die problematisierte Spannung nicht zu lösen. 97 Beispielsweise A. LANGE, Weisheit und Prädestination, 159–160, J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought, 293–294. Zur Datierung M. POPOVIĆ, 4Q186, 223. 98 Mehr Anteile am Haus des Lichts bedeuten sodann ein attraktiveres Äußeres, die ‚Schönen‘ gelten tendenziell also als ‚gut‘ (ähnlich der Kalokagathia). Siehe dazu auch M. POPOVIĆ, Op. cit., 248–249 mit einem Verweis auf das Genesis-Apokryphon. 99 So J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought, 294. 96
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diskutiert und in Frage gestellt; dabei stellt er zur Debatte, ob tatsächlich vom Geist des Menschen die Rede ist.100 Popović schlägt vor, den Geist nicht auf den Menschen, sondern auf das jeweilige Zeichen (Aszendent) zu beziehen,101 was aufgrund seiner Ausführungen sachgemäß erscheint. Der Aszendent (das im Osten aufgehende Sternbild zum Zeitpunkt der Geburt) wird beim Aufgang durch den Horizont in zwei Teile geteilt, wobei der Teil unter dem Horizont als ‚Haus der Finsternis‘, derjenige oberhalb als ‚Haus des Lichts‘ bestimmt werden kann.102 Somit weisen die beiden Texte nebst ihrer je unterschiedlichen Intention auch bezüglich ihrer dualistischen Struktur nur punktuelle Ähnlichkeiten auf, beispielsweise die Terminologie von Licht und Finsternis; die Häuser in 4Q186 sind aber nicht als sich bekämpfende Kräfte zu verstehen.
Schließlich wird in der dreifach-dualistischen Struktur der Zwei-Geister Lehre der Gedanke einer (doppelten) Prädestination entfaltet. Hierbei ist Veränderung nicht möglich ()ואין להשנות, da alles Gesetz in der Hand Gottes liegt (בידו משפטי כול, cf. IV 15b–17a). Der Mensch ist somit seinem Schicksal ausgeliefert und kann nichts tun, um sein Fatum zu ändern. Das theologische Modell der Zwei-Geister-Lehre erläutert den gegenwärtigen, vom Bösen dominierten Zustand der Welt und die brennende Frage, warum auch diejenigen sündigen, die sich als Gerechte verstehen wollen,103 im Rahmen der Vorsehung und Souveränität Gottes.
„Pragmatically, the idea of the two spirits helps to explain the occurrence of evil, sin and apostasy, even among the wise and pious, it aims at an understanding of their struggle in the world, and the instruction as a whole can be considered an attempt not only to explain this situation but also to assure its addressees that the rule of the evil powers is limited, and so to emphatically underline God’s unity and creational sovereignty. Rather than explaining evil from the rebellion of some angels, from Adam’s disobedience or even from the power of an envious second being apart from God, the Treatise understands it as part of the mysterious plan of the creator himself, rooted in his predestined order of being and history.“104
3.4. Der Fall Adams
Als zweiter grosser Erzählkomplex mit einer ebenso breiten wie bedeutungsvollen Wirkungsgeschichte ist nach dem Wächtermythos die Adam-Tradition zu bedenken. Ausgangspunkt ist die Erzählung über die ersten Menschen und deren Verfehlung, wie sie sich in Genesis 3 findet: Die Menschen übertreten Gottes Anweisung und essen auf Anraten der Schlange vom Baum der Er100 Dieser wird in Qumran in der Regel mit ‚ רוחוsein Geist‘ indiziert, in 4Q186 findet sich aber ‚( רוח לוGeist in Bezug auf ihn‘) Außerdem werden auch die Begriffe Zeichen und Tier suffigiert ( מולדוbzw. )בהמתו. Siehe dazu M. POPOVIĆ, 4Q186, 239–240. 101 M. POPOVIĆ, Op. cit., 240. 102 Siehe die Ausführungen (und weitere Lösungsversuche) bei M. POPOVIĆ, Op. cit., 240–242 und ID., Light and Darkness in the Treatise on the Two Spirits, 160. 103 Siehe dazu auch P. HEGER, Dualism, 57–58. 104 J. FREY, Art. Apocalyptic Dualism, 282.
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Kapitel 1: Einleitung
kenntnis von Gut und Böse. Darauf werden ihnen verschiedene Strafen wie die Mühsal von Arbeit und Geburten auferlegt und sie werden aus dem Garten vertrieben, damit sie nicht noch vom Baum des Lebens essen. Gen 3 ist somit zunächst lediglich als Ätiologie der Lebensumstände der Menschen zu verstehen: Warum die Menschen nicht in der ungeteilten Gegenwart Gottes leben und warum das Leben Mühsal und Arbeit bedeutet. Somit wird die conditio humana und nicht das unde malum thematisiert. In der weiteren Erzählfolge der Genesis wird dann allerdings nicht auf diese Erzählung zurückgegriffen. Gleiches gilt für die anderen Schriften des Alten Testaments: In den kanonisch gewordenen Schriften des AT bietet Gen 3 keinen Referenzpunkt für Sünde, Schuld, den Tod oder die Ursprünge des Bösen. Ez 28 und 32 kennen zumindest die Vorstellung vom ‚Garten Gottes‘, allerdings in einem anderen erzählerischen Zusammenhang; außerdem sind weitere sachliche Unterschiede zu Gen 1–3 zu bemerken. Sachlich in der Nähe von Gen 3 ist die Vertreibung des Königs von Tyros aus dem Garten Gottes (Ez 28).105 Weiter werden die Erhebung eines Gottprätendenten und dessen Sturz thematisiert. Diese Vorstellung begegnet später in der Lucifertradition, welche ihrerseits mit Gen 3 in Verbindung gebracht werden konnte. Nichts desto trotz ist ersichtlich, dass Gen 3 für die Verfasserkreise jüngerer alttestamentlicher Texte kein besonderes Gewicht hatte. Falls die Perikope bekannt war, ist ihr aber offensichtlich keine besondere Bedeutung zugekommen.
Obwohl also weder das Böse noch dessen Ursprünge zur Sprache kommen, ist Gen 3 zum Anknüpfungspunkt einer vielfältigen Adam-Rezeptionslinie geworden, die vor allem in der christlichen Theologie im Anschluss an Paulus bedeutsam wurde.
Die Adam-Tradition stand bedeutungsmäßig lange Zeit hinter dem Wächtermythos zurück. So verrät das henochische Corpus zwar Kenntnis der urzeitlichen Ereignisse um die ersten Menschen (Wächterbuch, Tiersymbolapokalypse und Bilderreden), misst diesen allerdings kaum Bedeutung zu. Zum Teil wird die Erzählung nach Gen 3 dem Wächterfall aufgrund des biblischen Duktus chronologisch sogar vorgeordnet, sachlich bleibt sie ihm aber nachgeordnet (Tiersymbolapokalypse, Jubiläenbuch). Bis kurz vor der Zeitenwende findet sich auch in anderen Texten des frühen Judentums bis auf wenige Beispiele (e.g. Sir 23) keine besonders negative Bezugnahme auf Adam und/oder Eva. So gehen frühjüdisch-weisheitliche und hellenistisch-jüdische Verfasser von der Eigenverantwortung des Menschen aus und beziehen sich dabei u.a. auf die Paradieserzählung. Dabei steht die Sünde der Gegenwart in 105 John J. Collins ist der Ansicht, dass Ezechiel einen Edenmythos gekannt haben muss; dieser muss ursprünglich aber nicht unbedingt etwas mit einer Erzählung von Adam und Eva zu tun gehabt haben. Cf. J. J. COLLINS, Before the Fall, 294–295.
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derselben Linie wie die Sünde der ersten Menschen, eine kausale Verbindung wird dabei allerdings noch nicht impliziert. Auffallend ist andererseits eine positive Adam-Rezeption, wie sie sich in einzelnen Qumran-Fragmenten findet; dort wird den Gerechten die ‚Herrlichkeit von ‘אדםverliehen, womit Adam als herrlicher Protoplast zur Sprache kommt und nicht als urzeitlicher Sünder (Hodayot, Damaskusdokument, Zwei-Geister-Lehre). Ab der Zeitenwende lässt sich dann ein zunehmendes Interesse an der Figur des Adam beobachten, während der Wächtermythos zugleich an Bedeutung verliert. Zunächst fällt die vermehrte Bezugnahme auf Adam (und Eva) als Sündenparadigmen auf. Im Römerbrief findet sich vermutlich zum ersten Mal ein deutlicher kausaler Zusammenhang zwischen der Sünde Adams und dem Übel des Todes. Die paulinische Adam-Rezeption hat sowohl die Anthropologie als auch die Hamartiologie der späteren kirchlichen Theologie maßgeblich geprägt. Die Verkettung der Sünde Adams mit der Sünde aller in Röm 5,12 (ἐφ’ ᾧ πάντες ἥμαρτον = ‚weil sie alle gesündigt haben‘) wurde schließlich durch die sinnverändernde lateinische Übersetzung ‚in quo omnes peccaverunt‘ (‚in welchem alle gesündigt haben‘) für die spätere christliche Theologie zur bestimmenden Erklärung der menschlichen Sünde weiterentwickelt (Erbsündenlehre). Jüdische Apokalypsen des späten ersten Jahrhunderts wie 4 Esra und 2 Bar ziehen Adam ebenfalls als Sündenparadigma par excellence heran; die Sünde Adams hat für alle weiteren Generationen schicksalhafte Bedeutung. 2 Bar verbindet den Fall Adams außerdem mit dem Wächtermythos und macht Adam für den Fall der Wächter verantwortlich. Die weitere Wirkungsgeschichte, vor allem im frühen Christentum, aber auch im rabbinischen Judentum, kennt sodann Tendenzen zur Verlagerung der Schuld von Adam auf Eva bzw. ‚die Frau‘. Während die Schuld Adams die Menschheit als solche betrifft ( = אָ דָ םMensch), ist die Schuld Evas geschlechtsspezifisch und steht zumeist in Zusammenhang mit der Problematisierung der Sexualität. Im Übrigen zeigt sich innerhalb der bedeutsamer werdenden AdamTradition zugleich eine vermehrt satanologische Deutung der Ereignisse, welche die Irreführung der ersten Menschen mit dem Wirken des Satans in Verbindung bringt (beispielsweise in der Apokalypse des Mose). In dieser Deutungstradition wird die Schlange satanologisch gedeutet, womit aus dem Geschöpf Gottes (Gen 3,1) ein vom Teufel inspiriertes und/oder benutztes Geschöpf ‚wird‘. Zunächst bleibt die Motivation des Teufels dabei im Hintergrund und unklar. Später kommt als Begründung dessen Herrschaftskonkurrenz mit Adam in Betracht; dabei wird die Adam-Tradition mit der Vorstellung eines urzeitlichen Teufelsfalles verbunden (s.u.). Typologisch wird hier ähnlich wie beim Wächtermythos ein urzeitlicher Zwischenfall zur Sprache gebracht, wobei (relativ spät) erstmals der Mensch am
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Kapitel 1: Einleitung
Anfang eines Modells zur Erläuterung der Ursprünge des Bösen steht. Dieses Modell hat sich erst im Laufe der Rezeptionsgeschichte von Gen 3 entwickelt und steht möglicherweise eng in Zusammenhang mit den christologischen Ausführungen des Paulus im Römerbrief. Die Menschheit kommt in diesem Modell vor allem unter dem Aspekt der Verantwortung in den Blick: Menschen werden nicht als Opfer einer über sie hereinbrechenden Macht und Gewalt betrachtet und sie sind ebenso wenig Teil einer durch Gottes ewigen Ratschluss prädestinierten Weltordnung, sondern werden für ihr Schicksal selbst verantwortlich gemacht. Dieses Schicksal wird zum Teil mit der Übertretung der ersten Menschen in kausale Verbindung gebracht oder steht in derselben Linie, allerdings nicht ohne die Betonung der Schuld jedes Einzelnen. Somit wird hier eine gänzlich andere Dimension angesprochen, als in den bisher betrachteten Typologien. Die Bürde der Verantwortung ist zunächst alleine dem Menschen auferlegt. Erst mit der (noch späteren) satanologischen Deutung von Gen 3 wird das schicksalhafte Verhängnis der urzeitlichen Sünde thematisiert. Damit wird der Mensch nicht entschuldet, aber von der alleinigen Verantwortung entbunden, indem mit dem Satan eine Macht eingeführt wird, die den Mensch täuscht und zur Sünde verführt. Das typologische Muster des anthropologischen Mythos (cf. Ricœur) birgt einerseits die Gefahr, die Verantwortung des Menschen zugunsten der ‚Entlastung‘ Gottes absolut zu setzen. Die einseitige Fokussierung auf die Schuldhaftigkeit des Menschen ‚in Adam‘ hat vor allem in der christlichen Kirchengeschichte zu bizarren Auswüchsen geführt. Andererseits ist positiv zu bemerken, dass die Verantwortung des Menschen und dessen Vernunftbegabung Bedeutung zugemessen wird – der Mensch ist seinem Fatum also nicht auf Gedeih und Verderben ausgeliefert. 3.5. Der urzeitliche Satansfall
Im Zuge des aufkommenden Interesses an der Adam-Tradition um und v.a. nach der Zeitenwende begegnet in der frühjüdischen Apokalyptik eine vermehrt satanologische Auslegung von Gen 3. Dabei kommt dann in einem weiteren Deutungsschritt das Motiv von Hybris und Sturz Satans in den Blick (Adamviten, 2 Henoch). Die mythische Erzählung vom Fall einer Teufelsfigur in der Urzeit erläutert die Wirklichkeit einer dem Menschen feindlichen, bösen Macht und kontextualisiert diese zugleich innerhalb des Wirkens Gottes: Der (protologische) Teufelsfall erzählt, wie der „Teufel aufhört, ein Engel zu sein“,106 bzw. wie ein hoher Engel ‚zum Teufel‘ und zum Gegner der Menschen ‚wird‘. Schließlich speist sich aus diesen Vorstellungen die spätere Lucifer-Tradition.
106
J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 13.
3. Typolgie des Bösen
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Der Ursprung der Tradition des ‚gefallenen Engels‘ knüpft in erster Linie an zwei alttestamentliche Passagen an, wobei für die spätere Lucifer-Tradition vor allem das Motiv von Hybris und Sturz von Bedeutung ist: 1) Zunächst ist Jesaja 14 (insb. V. 12–15) zu nennen: „12 Wie bist du vom Himmel gestürzt, du Morgenstern, Sohn der Morgenröte [!]הֵ ילֵל בֶּ ן־שָׁ ַחר Wie bist du zu Boden geschmettert, der du Nationen besiegt hast! 13 Du aber hattest in deinem Herzen gesprochen: Zum Himmel empor will ich steigen, hoch über den Sternen Gottes werde ich meinen Thron aufrichten, und ich werde auf dem Berg der Versammlung sitzen, im höchsten Norden! 14 Über Wolkenhöhen will ich emporsteigen, dem Höchsten mich gleichmachen! 15 Doch du wirst ins Totenreich hinabgestürzt, in die tiefsten Tiefen der Gruft.“ Hier liegt vorderhand ein ( מָ שָׁ לSpruch, Klage oder Spottlied) gegen Babel bzw. seinen König als sog. Fremdvölkerpolemik vor (Jes 14,4.23).107 Der angesprochene Gegner ist menschlich, wird aber als gottfeindliche Macht beschrieben.108 Auf einen mythischen Hintergrund weist die Bezeichnung Hêlēl ben Šaḥar hin, womit vermutlich eine außerisraelitische Gottheit bezeichnet wurde.109 2) Sodann kommen Passagen aus Ez 28 in den Blick (Rede gegen den Fürsten von Tyrus): „2 […] So spricht Gott der HERR: Weil dein Herz hochmütig geworden ist und du gesagt hast: Ich bin ein Gott! Auf einem Göttersitz wohne ich im Herzen der Meere! – Doch du bist ein Mensch und kein Gott, dein Herz aber hast du dem Herzen eines Gottes gleichgestellt. 6 Darum, so spricht Gott der HERR: Weil du dein Herz dem Herzen eines Gottes gleichgestellt hast, 7 darum sieh, lasse ich Fremde über dich kommen, die gewalttätigsten Nationen, und sie werden ihre Schwerter ziehen […] 13 In Eden, dem Gottesgarten, warst du […] 14 Ein Kerub warst du mit ausgebreiteten Flügeln, der Beschirmende. Und ich stellte dich auf den heiligen Berg, göttlich warst du, […] 16 […] Da habe ich dich entweiht, dich vom Gottesberg verstossen und dich vernichtet,
Jürgen Kalms weist darauf hin, dass ‚Babel‘ in den zentralen Versen nicht mehr erwähnt wird, was darauf hindeuten könnte, dass die Verknüpfung des Liedes mit der Stadt Babel bzw. ihrem König, sekundär ist. So J. U. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 147. Cf. auch K. SCHMID, Jesaja, 134: „[…] möglicherweise aber bezog es sich zunächst, entsprechend den zeitgeschichtlichen Umständen Jesajas, auf den König von Assur und ist erst sekundär (durch V. 4a) auf den König von Babel übertragen worden.“ 108 Zur Chiffrehaftigkeit von Namen siehe die Ausführung bei J. U. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 148–149. Zur Frage nach der historischen Identität des Gegners siehe P. S. VAN KEULEN, On the Identity of the anonymous Ruler in Isaiah 14, insb. 115–123. Zum ‚Sturz des Gottesfeindes in der Geschichtsdeutung‘ siehe J. U. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 154–171; 200–202. 109 Siehe dazu M. ALBANI, The Downfall of Helel, passim. Das Verb הלל, das womöglich hinter הֵ ילֵלsteht, bedeutet ‚scheinen‘ (‚scheinen lassen‘, Hif.), שַׁ ַחרbezeichnet das (rötliche) Licht vor Tagesanbruch. Šaḥar designiert religionsgeschichtlich eine Gottheit, die auch in kanonisch gewordenen Schriften ihre Spuren hinterlassen hat: „Man spricht von den Flügeln der Morgenröte Ps 139,9, von ihren Wimpern Hi 3,9; 41,10; man sagt, daß sie herabblicke Cant 6,10, und man kann sie wecken Ps 57,9; 108,3. Ps 110,3 gar scheint vom Mutterleib des Schachar gesprochen zu haben. Ebenso ergibt sich aus phönizischen Eigennamen, daß man in Schachar eine Gottheit sah […] Einer der ugaritischen Texte […] schildert die Zeugung Schachars durch El und seine Geburt durch eine der Gattinnen Els, wobei parallel dazu von Schalem, dem Gott der Abenddämmerung gesprochen wird. Auch in Ugarit ist Schachar durch Eigennamen als Gottheit bezeugt […].“ H. WILDBERGER, Jesaja, 551. 107
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[…].“ Hier wird auf noch pointiertere Art und Weise von der Hoheitsstellung des (nunmehr gestürzten) Fürsten berichtet,110 der gleichsam als adamitische Figur stilisiert wird.111
Die Apokalypse des Mose macht zunächst lediglich Andeutungen, dass die Irreführung der Menschen eine ‚diabolische Rachehandlung‘ sein könnte (ApcMos 16,3); zugleich lässt sie aber von Anfang an keinen Zweifel daran, dass der Betrug der Menschen auf die Feindschaft des Diabolos zurückzuführen ist. Die ApcMos illustriert vor allem dessen Versuchungsstrategie (siehe v.a. ApcMos 17–19). VitAd und 2 Hen demgegenüber erzählen von der Weigerung eines Engels, den nach ihm geschaffenen Adam anzubeten, der darauffolgenden Verstoßung dieses Engels und seinem Rachefeldzug gegen den Menschen, der ihn seine Stellung gekostet hat (so e.g. VitAd 12,1: „O Adam, meine ganze Feindschaft und mein Neid und mein Schmerz richtet sich auf dich weil ich deinetwegen vertrieben und meiner Herrlichkeit beraubt worden bin, die ich im Himmel inmitten der Engel hatte, und deinetwegen auf die Erde hinausgeworfen bin.“). Hier wird ersichtlich, wie die Fallmetaphorik zwar an Jes 14 bzw. Ez 28 anknüpft, sich dann allerdings in Verbindung mit der Satansgestalt neu und eigenständig entwickelt hat. Ab wann mit der Vorstellung eines urzeitlichen Teufelssturzes gerechnet werden kann, ist umstritten.
Jüngst hat Jan Dochhorn die Tradition des protologischen Teufelsfalls eingehend untersucht und ist zum Schluss gekommen, dass das Motiv des eschatologischen Teufelsfalls tendenziell älter ist und im Rahmen der Urzeiterzählung quasi ‚protologisiert‘ worden sei.112 Tatsächlich begegnet in den neutestamentlichen Schriften lediglich der eschatologische Teufelssturz (Lk 10,1; Joh 12,31; Offb 12,9.10.[12]). J. Dochhorn argumentiert in erster Linie redaktionsgeschichtlich, wobei zentrale Stellen als Interpolationen eingestuft werden (so 2 Hen 29,4–5a).113 Schließlich gelangt Dochhorn zum Ergebnis, dass Erzählungen über einen urzeitlichen Fall Satans zumeist erst ab dem 2. Jh. n. Chr. aufkommen, keinesfalls aber vor dem 1. Jh.114 Zunächst sind einige Anmerkungen zum eschatologischen Teufelsfall zu machen, bevor die These eingehender besprochen werden kann. Der Saur vermutet hier phönizische Mythologie im Hintergrund und schlägt vor, dass der König von Tyros möglicherweise in enger Verbindung mit dem Stadt-Gott Melqart zu sehen ist, der sich selbst in einem Wiederbelebungs-Verbrennungsritus hingibt. Cf. allerdings Ez 28,18, wo das Verbrennen des Königs (nicht der Stadt) geschildert wird. M. SAUR, Ezekiel 26–28 and the History of Tyre, insb. 216–220. 111 Der zeitgenössische Kontext scheint damit sekundär und die Perikope erhält mythologischen Charakter. Cf. S. BUNTA, Yhwh's Cultic Statue after 597/586 BCE, 224 und D. ARBEL, ‚Seal of Resemblance, full of Wisdom, and perfect in Beauty‘, 128–130. 112 J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 14–16. 113 „Einer aber vom Rang der Erzengel wandte sich ab mit dem Rang, der unter ihm war, [und] er empfing den unmöglichen Gedanken, dass er seinen Thron höher als die Wolken über der Erde stellte, [und] dass er gleich werde meiner [sc. Gottes] Macht. Und ich warf ihn von der Höhe hinab mit seinen Engeln.“ Siehe dazu J. DOCHHORN, Op. cit., 14. Es herrscht allerdings kein Konsens über diese Stelle. 114 J. DOCHHORN, Op. cit., 14; 16. 110
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endzeitliche Fall beschreibt die endgültige Überwindung des Bösen: Lk 10,18 beispielsweise designiert das Ende satanischer Wirkmächtigkeit im Rahmen der Austreibung von Dämonen und des damit anbrechenden Gottesreichs. Offb 12,7–9 spricht demgegenüber vom Sturz des Satans aus dem Himmel auf die Erde, wodurch der Teufel zwar seine Funktion als himmlischer Ankläger verliert, zugleich aber auch der Beginn der großen Verfolgung markiert wird (siehe dann Offb 20,1–3). Somit ist grundsätzlich festzuhalten, dass mit protologischem und dem eschatologischem Satanssturz zwei sachlich verschiedene Sinnzusammenhänge vorliegen: Während der eschatologische Sturz die endzeitliche und/oder endgültige Entmachtung des Teufels bezeichnet, handelt es sich beim protologischen Sturz um den Fall eines Engels, der ‚zum Teufel wird‘. Dieser hat sich geweigert, das Ebenbild Gottes anzubeten und/oder hat sich zum Machtprätendenten erhoben und wurde infolgedessen aus dem Himmel verstoßen. Damit wird die Feindschaft zwischen Teufel und Mensch begründet. Beim eschatologischen Sturz hingegen ist die Ausgangslage eine andere; zum Teil liegt dort die Vorstellung des himmlischen Gerichtshofes vor, in welchem der Satan, gleichsam Teil dieser Versammlung, als Ankläger der Menschen fungiert. Aus dieser Position wird er durch seinen Sturz endgültig ausgeschlossen. Aber auch dort, wo diese Vorstellung nicht imipliziert ist (e.g. Lk 10,18), kommt die endzeitliche Entmachtung des Teufels in den Blick und nicht dessen ‚Entstehung‘. Aufgrund dieser strukturellen Unterschiede erscheint es problematisch, den urzeitlichen Satanssturz lediglich als Protologisierung des eschatologischen Sturzes zu bezeichnen.115 Damit ist freilich noch nichts über die zeitliche Einordnung des protologischen Sturzes gesagt, gleichwohl kann diese unabhängig vom eschatologischen Sturz vorgenommen werden. Der protologische Fall ist somit bereits ab dem ersten Jahrhundert denkbar.
Zumindest ein Element des protologischen Satansfalls begegnet bereits in frühen Texten, nämlich der Neid, der als entscheidendes Motiv in den Erzählungen vom urzeitlichen Fall zu beobachten ist. Auch Texte, die noch nicht von einem Fall des Teufels ausgehen, kennen das Motiv des Neides: Sap 2,24 benennt den Neid des Teufels als Grund für den Tod, Josephus führt den Neid der Schlange als Motiv an, deutet diese allerdings nicht satanologisch (Ant. I.1.4). Auch die Apokalypse Mosis kennt dieses Motiv, weiter auch 2 Hen 29 und schließlich die frühen Kirchenschriftsteller.116 Die VitAd schildert, dass der Neid des Teufels auf dessen Konkurrenz mit dem nach ihm geschaffenen aber höhergestellten Menschen zurückgeht. Diese Auseinandersetzung erinnert an die Erzählungen der Geschwisterrivalität in den atl. Vätererzählungen.117 Samuel Vollenweider weist darauf hin, dass der Satansmythos vermutlich eine weitere Ausführung der Auseinandersetzung zwischen Menschen und Engeln ist: „Die Rivalität zwischen Engeln und Menschen ist, ganz abseits der Satanologie, ein vielfach variiertes Sujet in der antiken jüdiSiehe J. DOCHHORN, Op. cit., 15–16 zu antiken Versuchen, protologischen und eschatologischen Fall bzw. Sturz in logischer Kontinuität zu verbinden. 116 Siehe auch 3 Bar 4, LAB 1,41, sowie merklich später Cave of Treasures 4,4–7. 117 In verschiedenen atl. Erzählungen wird jeweils der jüngere Bruder vom Vater bevorzugt, obwohl dieser in der Erbfolge eigentlich nachgeordnet ist (e.g. Jakob und Esau, Joseph und seine Brüder). Siehe S. VOLLENWEIDER, Luzifer, 209, im Verweis u.a. auf E. H. PAGELS, The Origin of Satan, 49. 115
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Kapitel 1: Einleitung
schen Literatur. Narrativ nimmt sie ihren Anfang bei Gottes Vorhaben, die Menschen zu erschaffen. In ihrer satanologischen Variation verbindet sie sich mit der älteren Überlieferung vom Teufelssturz.“118 Innerhalb der protologischen Fallerzählungen ist der Neid zentrales Motiv. Auch wenn die Erzählung vom Fall tatsächlich verhältnismäßig spät einzuordnen ist, ist zumindest das Motiv von Neid und Rivalität älter und wird mit der mythischen Erzählung vom Fall kombiniert. Gleichwohl verbinden keine der alttestamentlichen Stellen die/eine Satansfigur mit dem Neidmotiv, vielmehr wurde dieses im Laufe der Traditionsgeschichte attribuiert. Möglicherweise wurde es über die Satanologische Deutung von Gen 3 bzw. über den Neid der Schlange eingeführt. Die Fallerzählung ist auf jeden Fall sekundär und auf dem Neidmotiv aufgebaut. Somit kann schließlich davon ausgegangen werden, dass die Motivik der Teufelsfallerzählung vor der Zeitenwende anzusetzen ist, die Ausgestaltung selbst allerdings ins erste Jahrhundert fällt.
Im frühen dritten Jahrhundert hat sich die Teufelsfallerzählung in Verbindung mit weiteren Passagen zur Lucifer-Tradition herausgebildet. Diese gründet zunächst in der Übersetzung von ( הֵ ילֵל בֶּ ן־שָׁ חַ רJes 14,12) mit ἑωσφόρος in der LXX (wörtlich: ‚Morgen-Träger‘ oder ‚Morgen-Bringer‘) bzw. mit lucifer in der Vulgata („…quomodo cecidisti de caelo lucifer qui mane oriebaris corruisti in terram qui vulnerabas gentes.“).119 Die frühen Kirchenschriftsteller verbinden Jes 14,12 (teils mit Ez 28, s.u.) mit Lk 10,18 („Da sagte er [sc. Jesus] zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“).120 In De Principiis des Origenes (182–254 n. Chr.) liegt dieser Zusammenhang erstmals explizit vor (Princ. I,5.5:): „Über eine andere Gegenmacht erfahren wir vom Propheten Jesaja folgendes. [Verweis auf Jes 14,12–22] Auch hier wird ganz deutlich ausgesagt, dass vom Himmel gefallen ist der, der vorher der Morgenstern war und in der Frühe aufging. Denn wenn er, (der Teufel,) wie einige glauben, von der Natur der Finsternis war, wie kann er dann vorher der Morgenstern gewesen sein? […] Aber auch der Erlöser belehrt uns über den Teufel […; Verweis auf Lk 10,18] Auch jenen (den Teufel) vergleicht er ebenso (wie den Menschensohn [cf. Lk 17,24]) mit einem Blitz und sagt und sagt, er sei vom Himmel gefallen, um damit zu zeigen, daß auch er einst im Himmel war, einen Platz unter den Heiligen hatte […] So war auch dieser einst Licht, bevor er sündigte und an diesen Ort herabstürzte und seine Herrlichkeit zu Asche wurde.“121 Die Lucifer-Tradition wird in diesen Kontexten S. VOLLENWEIDER, Luzifer, 209, weiter 209–211. Lucifer bezeichnete in der römischen Religion den Morgenstern (der das Licht des Tages bringt). Cf. K. SCHMID, Jesaja, 133, Anm. 26. Die Lichtbringer-Motivik ist auch positiv konnotiert, beispielsweise in Offb 22,16 (Jesus bezeichnet sich als heller MorgenBringer, ὁ ἀστὴρ ὁ λαμπρὸς ὁ πρωϊνός), sowie 2 Petr 1,19 (Vulgata), wo die Erkenntnis des prophetischen Wortes als Aufgehen des ‚lucifer‘ in den Herzen der Angeredeten beschrieben wird: „et lucifer oriatur in cordibus vestri“ (καὶ φωσφόρος ἀνατείλῃ ἐν ταῖς καρδίαις ὑμῶν). 120 Zum Lucifer-Mythos cf. in erster Linie S. VOLLENWEIDER , Luzifer sowie H. A. KELLY, Art. Teufel V, 125–126. 121 Übersetzung nach H. GÖRGEMANNS/H. KARPP. Siehe weiter Princ. IV.3.9; dort stellt Origenes klar, dass es sich bei dem in Jes 14 beschriebenen Gegner nicht um Nebukadnezar (den König Babylons) handeln kann, weil der, der vom Himmel gefallen ist, 118 119
3. Typolgie des Bösen
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allerdings nicht mehr mit Adam bzw. Gen 2 in Verbindung gebracht. Somit steht auch die Herrschaftskonkurrenz zwischen Satan und Mensch nicht mehr im Vordergrund, sondern es geht vornehmlich um die Auseinandersetzung zwischen dem Teufel und Gott. Insofern sind sich Wächtermythos und Satansfall ähnlich, als nämlich beide von himmlischen bzw. göttlichen Gestalten ausgehen, die ‚den Himmel‘ verlassen haben bzw. aus diesem verstoßen wurden, und in der Folge Böses auf der Erde wirkten. Es kann somit kaum erstaunen, dass beide Traditionen später miteinander assoziiert werden konnten,122 obwohl sie dort, wo sie in derselben Schrift begegnen, eher ineinander verzahnt, als integriert sind (e.g. Jud 6.9).123
Das Modell vom Engelfall erläutert das ‚satanische‘ Wirken. Die Vorstellung teuflischer Gestalten begegnet bereits in Texten des Alten Testaments, wobei kaum über deren Ursprung spekuliert wird. Deutlich wird lediglich, dass diese Wirkmächte nicht unabhängig von Gott zu denken sind. Der Mythos vom urzeitlichen Satanssturz demgegenüber koppelt diese Figuren gewissermaßen von Gott ab. Mit dem aufständischen Engel wird eine eigenständig agierende, böse Macht vor Augen geführt, welche nicht (mehr) im Auftrag Gottes handelt, sondern ihrem eigenen Feldzug gegen den Menschen führt. Zugleich wird Gott sozusagen von der problematischen Frage des Übels und Leids entlastet, ohne, dass dabei eine Art ‚Gegengott‘ ins Spiel gebracht werden müsste. In diesem Sinne liegt hier ein ähnlicher Typos zugrunde wie beim Wächterfall. In ähnlicher Weise wird sodann das Scheitern der Menschen durch diese satanologischen Deutung entschärft, da jenen nun nicht mehr die alleinige Verantwortung für das Böse angelastet wird. 3.6. Die Lehre vom bösen Trieb
Die letzte hier vorgestellte Denkfigur ist die talmudisch-rabbinische Interpretation des Bösen, die Lehre des ‚bösen Triebs‘ ()יצר הרע, welche im rabbinischen Judentum ähnlich bedeutsamen Charakter erhalten hat wie die Lehre vom Sündenfall in der christlichen Theologie im Anschluss an Paulus. Bereits das Alte Testament kennt den Begriff יֵצֶ ר, versteht darunter aber zunächst die ‚Beschaffenheit‘ des Menschen (Gen 6,5; 8,21; siehe weiter 1 Chr 29,18). Während alttestamentliche Texte unter יֵצֶ רkaum etwas Triebhaftes verstehen, kann bereits in Ben Sira 15,14124 oder 11QPsa eine solche Tendenz vermutet werden.125 In 11QPsa XIX 13–16 beispielsweise drückt in kein Mensch sein kann. Siehe auch Tertullian, Adv. Marc. V.17. Cf. weiter H. A. KELLY, Art. Teufel V, 125–126 und zu Erläuterungen zum Teufelsfall in den Schriften von Origenes ID., Satan, 194–199. 122 Cf. J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 292. 123 ID., Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 8–9. 124 Gott gibt den Menschen ἐν χειρὶ διαβουλίου αὐτοῦ bzw. ביד יצרו, siehe die Ausführungen zu Ben Sira im Adam-Teil. 125 Siehe G. OBERHÄNSLI-WIDMER, Bilder vom Bösen im Judentum, 128–129. Weiter auch 4Q436 1 i 10 (Barkhi Nafshi), dazu I. ROSEN-ZVI, Demonic Desires, 47.
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Kapitel 1: Einleitung
Form des Gebets die Gefährdung des Beters durch einen יצר רעaus. Das Gebet endet mit der Bitte, der Beter möge weder durch Satan noch durch einen ‚unreinen Geist‘ ( )רוח טמאהbeherrscht werden ()שׁלט, noch möge er von Schmerz oder ‚bösem Willen‘ ( )יצר רעbesessen sein. Ein Konzept vom ‚bösen Trieb‘ liegt allerdings auch hier noch nicht vor. Nach rabbinischer Lesung ist die Vorstellung des bösen Triebs bereits in der Torah vorfindlich,126 wobei diese Anknüpfung an die Torah erst sekundär geschieht. Die Anbindung erfolgt beispielsweise über die Schöpfung des Menschen (Gen 2; weiter dann auch Gen 6,5; 8,21). Exemplarisch sei hier Berachot 61a genannt:127 Rav Nachman Ben Rav Chisda fragt nach den zwei Jod ( )יin der Wayyiktolform von יצרin Gen 2,7 ()וַיִּ יצֶ ר ְיהוָה ֱא הִ ים אֶ ת־הָ אָ דָ ם und interpretiert die auffällige Schreibweise, indem er die zwei יals zwei יצריםdeutet. Mit diesem orthographischen Spiel wird nicht nur der Trieb zum Bösen, sondern auch dessen Antagonist auf die Schöpfung Gottes zurückgeführt.128 Ishay Rosen-Zvi weist darauf hin, dass die Vorstellung des bösen Triebes allerdings kaum aus einem solchen dualistischen Modell hervorgeht, sondern dass dieses einem späteren Stratum rabbinischer Literatur zuzuordnen ist.129 So präsentiert auch die rabbinische Literatur keine einheitliche Lehre vom bösen Trieb.130 Frühere rabbinische Texte (bei den Tannaiten in erster Linie die Schule des Rabbi Ishmael) sowie die oben genannten Vorstellungen (Sir oder 11Q Psa), lassen darauf schließen, dass zunächst lediglich von einem Trieb ausgegangen wurde.131 Die Amoraim kennen sodann ebenfalls eine nur marginale zwei-יצרים-Tradition.132 Somit ist nicht in erster Linie von
Siehe G. OBERHÄNSLI-WIDMER, Bilder vom Bösen im Judentum, 126. Siehe EAD., Der ‚böse Trieb‘, 19–27. Der Targum Pseudo-Jonathan zu Gen 2,7 bietet zwar keine Herleitung, geht aber auch davon aus, dass Gott den Menschen mit zwei Trieben geschaffen hat (zur Einführung siehe M. MAHER, Genesis, 1–14). Siehe weiter auch den Targum Neofiti zu Gen 4,7. 128 Mit einem ähnlichen Spiel wird in mBer 9,5 (Mishnakommentar zu Dtn 6,5) gearbeitet; dort findet sich im hebräischen Text das Nomen לֵבin der weniger üblichen Form לֵבָ ב. Die beiden Bet werden als zwei Triebe ausgelegt. Folglich soll man Gott mit beiden Trieben, dem guten und dem bösen, lieben. Der gute Trieb, יצר הטוב, begegnet allerdings erst später; der böse Trieb findet sich zumeist als alleiniger Gegenstand der Auseinandersetzung. Siehe dazu J. COOK, The Origin of the Tradition of the yeṣer ha-tôv and the yeṣer ha-ra, 82. 129 Rosen-Zvi nimmt somit eine Gegenposition zur früheren Forschung ein, wo mehrheitlich davon ausgegangen wurde, dass ein dualistisches Muster vorliegt. Siehe beispielsweise den Artikel P. W. VAN DER HORST, Art. Evil Inclination, 318. Anders aber auch J. COOK, The Origin of the Tradition of the yeṣer ha-tôv and the yeṣer ha-ra, u.a. 81–82. 130 Siehe I. ROSEN-ZVI, Two rabbinic Inclinations?, passim. 131 So I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 528. 132 Siehe die Ausführungen I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 517–536. Der Verfasser gibt aufgrund dieser Ergebnisse zu bedenken, dass die rabbinische Anthropologie neu zu betrachten ist: „People are not simply a battleground for inner struggle; rather, they are positive 126 127
3. Typolgie des Bösen
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einem dualistischen Modell auszugehen, in welchem der Kampf zwischen zwei Trieben thematisiert wird.133 Der böse Trieb ist eher als ‚Bewohner‘ des menschlichen Herzens zu betrachten, der den Menschen zur Sünde zu bewegen versucht, wobei er beinahe dämonische Züge annehmen kann. So werden im Traktat Bava Bathra des Talmuds Bavli Satan, der böse Trieb und der Engel des Todes gleichgesetzt.134
Obwohl der böse Trieb in der Torah verankert wird, unterscheiden sich die rabbinischen Vorstellungen vom bösen Trieb maßgeblich von der biblischen Anthropologie. Zwar gehen Autoren wie diejenigen der Genesis durchaus davon aus, dass der Mensch zu Bösem fähig und sein Herz fehlbar ist; allerdings ist die Vorstellung, dass Gott des Menschen Herz mit einem Trieb zum Bösen geschaffen hat, das Böse dem Menschen also ursprünglich eigen ist, der biblischen Theologie fremd. 135 Sodann ist festzuhalten, dass das das Konzept des bösen Triebes bei den Rabbinen durchaus auch mit Paradoxa behaftet ist:136 Beispielsweise lässt sich der böse Trieb z.T. beinahe als innermenschlich agierender ‚Gegengott‘ (oder als dämonische Macht) beschreiben; zugleich gilt er aber als Schöpfung Gottes. Außerdem wird dieser Trieb, ähnlich den Affekten bei Aristoteles, auch als antreibende und zum Guten führene Kraft beschrieben. Somit ist eine grundsätzliche Spannung zu beobachten: Gott schafft den bösen Trieb, der zu Gutem führen kann, gleichwohl aber kontrolliert werden muss; dafür gilt die (ebenfalls von Gott gegebene) Torah letztlich als Mittel und Weg.137
creatures in nature, constantly struggling against their evil yetzer. Strong, sophisticated and demonic as the yetzer may be, it is still external [...].“ I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 536. 133 Anders H. A. KELLY, Satan, 46–47; der Verfasser betont die Nähe zur Zwei-GeisterLehre und betrachtet die zwei Geister als Analogien zu den zwei Trieben. 134 Cf. bBB 16a (3. Jh.). Siehe dazu G. OBERHÄNSLI-WIDMER, Der ‚böse Trieb‘, 125. Weiter I. ROSEN-ZVI, Two rabbinic Inclinations?, 538. 135 Siehe G. OBERHÄNSLI-WIDMER, Der ‚böse Trieb‘ als rabbinisches Sinnbild des Bösen, 24 und EAD., Bilder vom Bösen im Judentum, 142–143. Sodann beschäftigt „[…] die grundsätzliche Spaltung des Menschen in Gut und Böse, welche die Rabbinen immer wieder postulieren. Während in der hebräischen Bibel die Trennlinie zwischen Gut und Böse prinzipiell zwischen guten und bösen Menschen verläuft, […], zwischen Gottesfürchtigen und Gottlosen, so verläuft sie im talmudischen Schrifttum mitten durch das menschliche Herz, in welchem der gute Trieb unablässig mit dem bösen Trieb ringt.“ EAD., Der ‚böse Trieb‘ als rabbinisches Sinnbild des Bösen, 24. Im Folgenden stellt die Autorin die Frage, woher dieser anthropologische Entwurf stammt, wenn nicht aus dem biblischhebräischen Denken. Im Folgenden werden Vergleichspunkte aus der griechischen Philosophie (Platon, Timaios und Phaidros) herangezogen und erläutert. Vermutlich am nächsten bei der Vorstellung der zwei Triebe ist das platonische Bild des Seelenwagens, der von zwei Pferden gezogen wird, einem Guten (weißen) und einem Bösen (schwarzen), und einem Wagenlenker, der den Wagen zu lenken hat. Siehe EAD., Bilder vom Bösen im Judentum, 132–133. 136 Cf. dazu EAD., Der ‚böse Trieb‘ als rabbinisches Sinnbild des Bösen, 30–31. 137 EAD., Bilder vom Bösen im Judentum, 138–140.
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Kapitel 1: Einleitung
Die Stärke dieses Denkmodells liegt darin, dass zugleich der Verantwortung und dem Ausgeliefertsein des Menschen Rechnung getragen wird und beide Elemente mit Gott verbunden werden. Darin liegt sodann auch ein Unterschied zwischen rabbinischer und patristischer Theologie. Die Rabbinen „[…] verbinden den bösen Trieb mit dem Menschen und mit Gott, indem sie postulieren, dass Gott den bösen Trieb geschaffen hat, die patristischen Lehrer aber bürden dem Menschen die gesamte Verantwortung für das Böse auf, da Gott gemäss ihrer Sicht das Böse nicht geschaffen hat, dem Bösen fern ist […].“138 Gleichwohl sind zwischen den rabbinischen Ansätzen und patristischer und früher monastischer Literatur zuweilen auch Ähnlichkeiten zu beobachten; so gleicht der rabbinische Trieb in Beschreibung und Wirkung der frühchristlichen Funktion von Dämonen. Beide gefährden die menschliche Psyche, verführen Menschen zur Sünde und werden gelegentlich als ‚Räuber‘ im menschlichen Haus beschrieben.139 Somit ist die Vorstellung vom bösen Trieb schließlich auch Ausdruck menschlicher Zerrissenheit und Lebenserfahrung (siehe auch Röm 7,19). 3.7. Fazit
Von diesen sechs Typen sollen im Folgenden die Wächter- und die Adamtradition ausführlicher bedacht werden. Das lässt sich dadurch begründen, dass diese beiden Erklärungsmodelle eine breite Rezeptionsgeschichte nach sich gezogen haben. Jes 45,5–7 bleibt demgegenüber eine einzigartige Aussage und die Zwei-Geister-Lehre hat über Qumran hinaus keine Rezeption erfahren. Die Vorstellung vom urzeitlichen Fall eines einzelnen Engels steht zumeist in Verbindung mit der Paradiesgeschichte und die Lehre vom bösen Trieb wird schließlich erst im rabbinischen Judentum ausgedeutet. Während Wächter- und Adamserzählung in ihrer ersten bekannten Bezeugung relativ früh zu finden sind, wird der Wächtermythos bereits früh breit ausgeführt, die Adam-Erzählung demgegenüber wird zunächst nur spärlich rezipiert. Sodann kann allerdings beobachtet werden, dass das Adam-Modell den Wächtermythos gleichsam abzulösen scheint, denn ab der Zeitenwende wird die AdamTradition zunehmend bedeutsamer und steht dann nicht nur chronologisch, sondern auch sachlich vor der Wächter-Tradition. Wächter- und Adamerzählung waren sowohl für das frühe Judentum als auch das daraus herauswachsende Christentum von zentraler Bedeutung und scheinen sich darüber hinaus gleichsam abzulösen. Daraus ergibt sich eine theologisch bedeutsame Verschiebung in der Verantwortung für die Ursprünge des Bösen: Von den Wächtern zu Adam. EAD., Der ‚böse Trieb‘ als rabbinisches Sinnbild des Bösen, 38. I. ROSEN-ZVI, Demonic Desires, 36–43. Siehe im Weiteren auch ID., Sexualising the Evil Inclination, passim. 138 139
4. Zum Gang der Untersuchung
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4. Zum Gang der Untersuchung 4. Zum Gang der Untersuchung
Zur Struktur: Die Untersuchung von Wächter- und Adamtradition konstituiert die beiden Hauptteile der vorliegenden Arbeit. Andere Erklärungstypen stehen gelegentlich mit der Wächter- und/oder Adamtradition in Verbindung (so der Mythos vom Satanssturz oder die Vorstellung vom bösen Trieb) oder markieren demgegenüber nur einzelne Schlaglichter (Zwei-Geister-Lehre, Jes 45,5–7), weshalb sich die exemplarische Fokussierung auf die beiden großen Traditionslinien nahelegt. In der Schlussbetrachtung sollen selbstverständlich alle Modelle berücksichtigt werden. Sowohl Wächter- als auch Adamtradition werden ausgehend von denjenigen Texten erörtert, in welchen die entsprechenden Mythen erstmals schriftlich vorliegen: Gen 6,1–4 bzw. 1 Hen 6–16 bzw. Gen 3. Im Anschluss wird die jeweilige Rezeptionsgeschichte aufgerollt, wobei zunächst frühjüdische und sodann auch ‚frühchristliche‘140 Texte bis ins 1./2. nachchristliche Jahrhundert zur Sprache gebracht werden. Dabei wird soweit möglich auf eine sinnvolle chronologische und sachliche Gruppierung geachtet. Die für die Traditionen elementar wichtigen Texte werden dabei ausführlich behandelt (Einführung, Analyse und Kommentar), andere Texte werden analog betrachtet, allerdings weniger breit und exemplarischer. Bei der Wächtererzählung ist vor allem das (relativ frühe) henochische Schrifttum von großer Bedeutung; bei der Adamtradition demgegenüber sind es spätere Texte, welche um die Zeitenwende anzusetzen sind (Römerbrief, Apokalypse Mosis/Vita Adae et Evae). Die Rezeption durch die frühen Kirchenschriftsteller wird sodann im Sinne eines Ausblicks exemplarisch vorgeführt. Somit ergibt sich eine Betrachtungszeitspanne von gut 500 Jahren. Die gnostischen Texte können aufgrund ihrer erheblichen Fülle nicht mehr behandelt werden. Dass mythologisch-spekulative Traditionen über den Ursprung des Bösen und über die Frage, wie die Welt und die Menschheit in ihren gegenwärtigen Zustand geraten sind, das Denken der christlichen und nichtchristlichen gnostischen Traditionen in besonderer Weise bestimmen, ist hinlänglich bekannt. Natürlich finden sich auch hier Aufnahmen des Engelfall-Motivs,141 daneben auch andere Mythologumena und v.a. eine breitere Differenzierung des göttlichen Pleroma sowie eine Unterscheidung zwischen dem höchsten Gott und einem inferioren Schöpfer-Demiurgen. Diese Unterscheidungen, die z.T. geradezu als differentia specifica zur Definition von Gnosis verwendet werden, markieren dann doch einen Abstand von der grundlegend monotheistisch-schöpfungstheologischen Basis des frühjüdischfrühchristlichen Denkens, die es auch sachlich erlaubt, den gnostischen Bereich im vorliegenden Projekt auszugrenzen. Die Frage nach dem Ursprung des Bösen in der Gnosis Eine klare Linie zwischen diesen Traditionslinien ist nicht immer deutlich zu ziehen, da manche Texte vermutlich genuin jüdischer Herkunft sind, allerdings nur in christlichen Quellen vorliegen und/oder eine christliche Redaktion erfahren haben. 141 Cf. dazu ausführlich C. LOSEKAM , Die Sünde der Engel, 151ff. 140
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Kapitel 1: Einleitung
bedürfte auch aufgrund der schieren Materialfülle einer eigenen monographischen Erarbeitung.
Das Schlusskapitel fasst zunächst zusammen, was in den vorangehenden Textanalysen als Böses in den Blick gekommen ist und führt sodann eine Gesamtdarstellung der Ursprungsmythen des Bösen im Rahmen eines historischen Abrisses auf. Im Folgenden ist dann die Verschiebung vom Wächtermythos zum Sündenfall hermeneutisch zu bedenken. Mit einem systematisch-hermeneutischer Vergleich der verschiedenen Erklärungsmodelle soll schließlich nach der Bedeutung der Pluralität gefragt werden. Zur Methodik: Da traditionsgeschichtliche Entwicklungen systematischhermeneutisch ausgewertet werden sollen, werden in der vorliegenden Untersuchung zwei methodische Schwerpunkte verlangt. Texte der antiken Welt sind zunächst grundsätzlich in ihrem historischen Kontext zu erschließen. In einer jeweiligen Einleitung wird der betreffende Text deshalb historisch und religionsgeschichtlich kontextualisiert, die Fragen nach der Gestalt eines Textes und dessen Entstehung werden im Rekurs auf die je aktuelle Fachliteratur knapp und eklektisch referiert. Dasselbe gilt für jegliche weitere Modifikation und Rezeption in der Wirkungsgeschichte der betreffenden Mythen. Die Vorgehensweise im Einzelnen und die Auswahl der Information zu den jeweiligen Texten sind daher immer im Blick auf ihre Relevanz für die leitende Sachfrage zu wählen. In der darauf folgenden Analyse wird im Rahmen der historisch-kritischen Analyse die narrative Textanalyse im Sinne der Methodik der Narratologie verbreitert. Obwohl nach wie vor ungeklärte methodologische Grundprobleme vorliegen, ist die Methode der Narratologie in den Bibelwissenschaften mittlerweile gängig geworden.142 Die Grundzüge der Methode werden hier als weitgehend bekannt vorausgesetzt,143 im Übrigen wird darauf verzichtet, die Die Grundlagenprobleme, vor allem die Frage nach der prinzipiellen Vereinbarkeit von synchronen und diachronen Methoden, können im vorliegenden Rahmen nicht diskutiert werden, cf. aber überblicksartig S. FINNERN, Narratologie und biblische Exegese, 1– 22. Weiter auch die schematische Darstellung bei S. FINNERN, Op. cit., 478–479 und die darauffolgenden Ausführungen für eine detailliertere Gegenüberstellung von historischkritischer und narratologischer Methode. 143 Zur Narratologie und ihrer Anwendung in der Bibelauslegung liegt eine Reihe von guten und umfassenden Einleitungen vor: D. MARGUERAT/Y. BOURQUIN, Pour lire les Récits bibliques. Eine weitere, sehr umfassende, Einleitung (die dann am Beispiel von Mt 28 durchexerziert wird) findet sich in Sönke Finnerns Dissertationspublikation von 2010. Offen bleibt die Frage, ob eine solch detaillierte Analyse auch den gewünschten theologischen Gewinn bringt. Siehe S. FINNERN, Narratologie und biblische Exegese, 23– 245. Eine Einführung in die Geschichte der Disziplin und die wichtigen Forschungsentwürfe von Gérard Genette, Mieke Bal, Shlomit Rimmon-Kenan und Seymour Chatman finden sich bei U. E. EISEN, Die Poetik der Apostelgeschichte, 1–31; 44–63. 142
4. Zum Gang der Untersuchung
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zu untersuchenden Texte auf alle narrativen Kategorien hin zu befragen und die Methode schulmäßig durchzuexerzieren. Damit wird eine Entscheidung getroffen, die sich auf das für die Fragestellung am Nötigste beschränkt und damit gewisse Einschränkungen mit sich bringt. Für die vorliegende Untersuchung ist eine breitere narrative Analyse geeignet, um die Struktur des Textes, deren Figuren, Schauplätze und Motive herauszuarbeiten, zumindest soweit nicht nur Fragmente oder knappe Passagen, sondern größere und hinreichend vollständige Texte vorliegen. Die narrative Analyse dient also vor allem dem hermeneutischen Interesse und ist schließlich für den religionsgeschichtlichen Vergleich von großer Bedeutung. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass historische Linien dabei zum Teil vereinfacht gezeichnet werden müssen, da letztlich die hermeneutische Frage im Zentrum steht.
Kapitel 2
Der Wächtermythos und seine Rezeption 1. Einleitung
1. Einleitung
Dieser erste Hauptteil widmet sich dem Wächtermythos, in dem eine erste ausführliche Antwort des antiken Judentums auf die Frage nach den Ursprüngen des Bösen gefunden werden kann. Zunächst wird das Wächterbuch, in dem der Mythos zum ersten Mal schriftlich vorliegt, ausführlich besprochen. Die Untersuchung des Wächterbuches und weiterer Texte des henochischen Schrifttums zeigt die Vorstellung eines ausgeprägten Ordnungsdenkens; die Ursache des ‚gegenwärtigen‘ chaotischen Zustands der Welt wird mit der Zerstörung dieser Schöpfungs- und Weltordnung durch die Wächterengel assoziiert. In der weiteren Rezeptionsgeschichte spielen dann besonders die auf die Nachkommen der Wächter und der Frauen zurückgehenden Dämonen eine herausragende Rolle, indem menschliches Fehlverhalten wie Götzendienst oder Unzucht oder deren Leiden an Krankheiten auf dämonisches Wirken zurückgeführt werden. Schließlich gelten die Wächter dann je länger je mehr bloß als ‚Paradigmen der Sünde‘, wobei die Sünde von Menschen und Engeln auf der gleichen Ebene betrachtet wird. Es lässt sich in der Folge auch beobachten, dass die Bedeutung des Wächtermythos um die Zeitenwende abnimmt und jener dann vor allem ab dem ersten Jahrhundert hinter die Adam-Tradition zurückfällt.
2. Das Wächterbuch
2. Das Wächterbuch (1 Hen 1–36)
2.1. Einführung
2.1.1. Einleitung 1 Henoch
Das Wächterbuch (1 Hen 1–36)1 ist Teil des Sammelwerkes 1 Henoch, welches neben dem Wächterbuch noch andere, z.T. ältere Überlieferungen umDie dem Buch den Namen gebenden Wächter werden im Aramäischen mit עיריןbezeichnet. Die äthiopische sowie die griechische Version (GrPan) lesen „die Engel“ [ἄγγελοι 1
2. Das Wächterbuch
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fasst.2 Namensgeber des Werks ist dessen Protagonist Henoch (1 Hen 1,1–2), der nach Gen 5,24 nicht eines natürlichen Todes starb, sondern ‚genommen‘ ()לקח, das heißt von Gott entrückt wurde.3 Henoch wurde so zum Kristallisationspunkt einer Vielzahl von Traditionen über himmlische und eschatologische Geheimnisse. Weitere Schriften mit der Zentralfigur Henoch sind sodann das Buch der Giganten, 2 Hen (slawisches Henochbuch), ein koptisches Henoch-Apokryphon, das Leben Henochs, 3 Hen (hebräisches Henochbuch) und die Visionen Henochs.4 Zunächst kannte man 1 Hen als äthiopisches Henochbuch (äthHen), da es in unseren Regionen erst seit dem 18. Jh. durch altäthiopische (Geʿez) Manuskripte bekannt wurde; inzwischen liegen über 100 Manuskripte vor.5 Nach wie vor ist die einzig vollständige Fassung in äthiopischer Sprache überliefert. Bevor der äthiopische Text 1773 durch den schottischen Naturforscher James Bruce, der äthiopische Handschriften nach Großbritannien brachte, in Europa bekannt wurde, kannte man das Buch ausschließlich aus Fragmenten griechischer,6 syrischer, koptischer und lateinischer Sprache, einigen Kirchenväterzitaten, zudem aus einer wörtlichen Zitierung von 1 Hen 1,9 in Jud 14f. Die Funde am Toten Meer brachten schließlich aramäische Fragmenbzw. malāʾekt], während der griechische Text nach Syncellus und die syrische Übersetzung von 1 Hen „Wächter“ [ἐγρήγοροι bzw. y͑ r ]͗ , lesen. 2 1) 1 Hen 1–36: Buch der Wächter, 2) 37–71: Bilderreden, 3) 72–82: Astronomisches Buch, 4) 83–90 (/91,1–10. 18f): Traumvisionen, (zur literarischen Einheit cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 335–337 und S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 674.), 5) (91,11–17/) 92–105: Epistel Henochs, 6) 106–108: Anhänge. Das astronomische Buch wird weitgehend als ältester Teil des Corpus eingeschätzt, wobei sich aber auch spätere Traditionen darin finden. Cf. G. W. NICKELSBURG , 1 Enoch 1 (Commentary), 7–8 und V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand, 3. Eine detaillierte Einführung zum Schrifttum 1 Hen findet sich bei G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 7–36. Für eine kurze, das wichtigste zusammenfassende Übersicht siehe C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 48–51. 3 Zum biblischen Henochmaterial cf. J. C. VANDERKAM, Enoch and the Growth of an Apocalyptic Tradition, 23–51. Cf. auch 2 Kön 2,3.5.9–10 (Elia). 4 Cf. K. BERGER, Art. Henoch, 479–482. 5 Zu den äthiopischen Manuskripten cf. L. T. STUCKENBRUCK, The Book of Enoch, insb. 21–39 und T. M. ERHO / L. T. STUCKENBRUCK., A Manuscript History of Ethiopic Enoch, passim. 6 Die griechischen Fragmente sind ediert bei M. BLACK/A.-M. DENIS, Apocalypsis Henochi Graece, PVTG 3. Die wichtigsten Fragmente entstammen dem Codex Panopolitanus (GrPan, auch Akhmîmfragmente genannt). Der Codex wird auf das 6. Jh. v.Chr. datiert und enthält Teile von 1 Hen 1–32 und andere Texte wie EvPetr, ApcPetr und das Martyrium des Julian von Anazarbus. Weitere griechische Texte mit anderem Wortlaut als GrPan wurden durch Georgios Syncellus, einen byzantinischen Mönch und Geschichtsschreiber (gest. 810), zitiert: 1 Hen 6,1–9,4; 8,4–10,14; 15,8–16,1. Cf. J. C. VANDERKAM, Enoch and the Growth of an Apocalyptic Tradition, 111 und P. VAN MINNEN, The Akhmîm Gospel of Peter, 56.
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
te zu Tage, was die Henochforschung maßgeblich veränderte.7 Sieben Manuskripte konnten zugewiesen werden (4QEna;b;c;d;e;f;g ar),8 wobei die Fragmente a, b, d, e, f und g jeweils kleinere und größere Abschnitte verschiedener Teile des ersten Henochbuchs beinhalten.9 Vor allem in 4QEnc ar und 4QEne ar finden sich u.a. größere Passagen des Wächterbuchs.10 Die Qumranfunde belegen, dass 1 Hen erst nach und nach aus verschiedenen, ursprünglich selbständigen Teilschriften zusammengestellt wurde und dass seine Originalsprache mit großer Wahrscheinlichkeit Aramäisch war. Man geht weithin davon aus, dass der Text der äthiopischen Kirche über eine griechische Übersetzung auf das aramäische Original zurückgeht. Die uns heute vorliegenden Übersetzungen sind rekonstruierte Texte, die sich aus den verschiedenen Überlieferungen der äthiopischen, griechischen und aramäischen Versionen zusammensetzen. 1 Hen ist (teilweise bis heute) Teil des äthiopischen Kanons, jedoch weder im jüdischen noch im reichskirchlichen griechischen Kanon erhalten geblieben. 2.1.2. Inhaltsübersicht 1 Hen 1–36
Nach der einleitenden Rede Henochs (1–5)11 setzt die Erzählung vom Fall der Wächter ab Kapitel 6 mit einer beinahe wörtlichen Aufnahme von Gen 6,1 ein (1 Hen 6,1): „Und als die Menschenkinder zahlreich geworden waren, da wurden ihnen in jenen Tagen schöne, reizvolle Töchter geboren…“. Anders als Gen 6,2 berichtet das Wächterbuch im Folgenden vom Begehren der Die Qumranfragmente sind ediert bei J. T. MILIK/M. BLACK, The Books of Enoch. Aramaic Fragments of Qumrân Cave 4. Eine detaillierte Liste zur Quellenlage findet sich bei S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 470–483 und G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 9–16. 8 4QEna ar = 4Q201, 4QEnb ar = 4Q202, 4QEnc ar = 4Q204, 4QEnd ar = 4Q205, 4QEne ar = 4Q206, 4QEnf ar = 4Q207, 4QEng ar = 4Q212. Cf. E. TOV/S. J. PFANN, List of Texts from the Judaean Desert, 51–52. Hinzu kommen noch vier Manuskripte des selbständig überlieferten astronomischen Buchs 4QEnastra;b;c;d ar sowie zehn Manuskripte des bis dato nur durch die Manichäer bekannten Gigantenbuchs. Cf. A. LANGE/U. MITTMANNRICHERT, Annotated List of the Texts from the Judaen Desert, 122 und grundlegend L. T. STUCKENBRUCK, The Book of Giants from Qumran, passim. 9 4QEna ar: 1 Hen 1–10; 4QEnb ar: 1 Hen 5–10;14; 4QEnd ar: Teile von 1 Hen 22, 25–27 und 89; 4QEne ar: Teile aus 1 Hen 20–22, 28–29, 31–34 und 88–89; 4QEnf ar: Teile aus 1 Hen 86,1–3; 4QEng ar: 1 Hen 91,10–92,2. Cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 9–10. 10 1 Hen 1–6; 10; 13–15; 18; 31–32; 35–36. Sowie: 1 Hen 89; 104–107. Cf. G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 10. 11 Zur Gliederung des Wächterbuchs: 1) 1 Hen 1–5: Buchüberschrift, Visionsbericht und Gerichtsrede Henochs, 2) 6–8: Geschichte vom Vergehen der Wächter, 3) 9–11: Reaktion im Himmel, 3) 12–16: Henochs Rede an die Wächter und Thronvision, 4) 17–19: Erste kosmische Reise Henochs, 5) 20–36: Zweite kosmische Reise Henochs. Für eine detaillierte Aufstellung cf. V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand, 32. 7
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Wächter und deren Beschluss, Frauen zu nehmen und Kinder zu zeugen (1 Hen 6,2). Der Protagonist dieses ersten Erzählstranges, der Wächter Šemiḥazah, fürchtet, dass er alleine als Schuldiger dastehen wird, worauf die Wächter sich durch einen Eid an das Vorhaben binden; sodann steigen 200 Wächter auf die Erde hinab,12 nehmen sich Frauen und vermischen sich mit ihnen (7,1abc).13 Infolgedessen werden ‚mächtige Riesen‘ geboren, die so groß sind, dass ihre Ernährung bald zu einem Problem wird. Nachdem sie die Ernten der Menschen gefressen haben, wenden sie sich gegen diese selbst, gegen die Tiere (die vor der Flut freilich noch nicht zur Ernährung vorgesehen sind) und fressen sich schließlich gegenseitig „…und tranken das Blut davon“ (7,5). Ab Kapitel 8 kommt nach Šemiḥazah ein zweiter Protagonist zur Sprache, der Wächter ʿAśaʾel. ʿAśaʾel und andere Wächter lehren die Menschen Metallurgie und die Herstellung von Kriegswerkzeug, sowie von Schmuck und Kosmetika, was u.a. zu Gewaltverbrechen und unsittlichem Verhalten führt. Dieses Geschehen wird von den Engeln Michael, Uriel, Rafael und Gabriel wahrgenommen, denen von Gott sodann aufgetragen wird, Noah die Flut anzukünden,14 ʿAśaʾel gefangen zu nehmen und die Erde zu heilen. Die Riesen sollen gegeneinander aufgebracht werden und allen, die sich mit Frauen eingelassen haben, soll das Gericht angekündet werden. Alle Ungerechten sollen vernichtet und die Erde von allem Übel gereinigt werden, während den Gerechten eine blühende Zukunft in paradiesischer Eintracht und Fülle vorausgesagt wird. Damit könnte die Wächtererzählung eigentlich zu Ende sein, doch wird die mythologische Erzählung vom Vergehen der Wächter nun im Rahmen der Henocherzählung weiter gedeutet. Ab Kapitel 12 ist Henoch, der in den Kapiteln 6–11 fehlte, wiederum Protagonist der Erzählung; mit größter Wahrscheinlichkeit wurde die ehedem selbständige Wächtererzählung in die Henochtradition eingebettet (cf. 12,1). Henoch, dessen Entrückung bereits vorausgesetzt ist, wird von den im Himmel verbliebenen Wächtern beauftragt, den Abgefallenen das Gericht zu verkünden. Die Wächter ersuchen Henoch sodann um Fürbitte, diesem wird in einer Vision allerdings mitgeteilt, dass es für die Gefallenen keine Gnade gibt. Ab Kapitel 17 werden sodann zwei große kosmische Reisen Henochs geschildert, mit denen das Wächterbuch endet. Diese Kapitel sind für die Analyse des Wächterfalls im vorliegenden Kapitel nicht mehr von zentraler Bedeutung und brauchen hier nicht mehr nachge‚In den Tagen Jareds‘ ()ירד. S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 517, Anm. 6c). Die Teilverse 7,1de („…und sie lehrten sie Zaubermittel und Beschwörungen und zeigten ihnen das Schneiden von Wurzeln und Pflanzen“) werden oft einer späteren Schicht zugeordnet, da sie das Motiv der Instruktion verbotenen Wissens einführen. 14 Damit füllt 1 Henoch die logische Lücke zwischen Gen 6,1–4 und 6,5. 12 13
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
zeichnet zu werden. Einzelne Passagen werden aber für andere Teile der Arbeit von Relevanz sein und dort behandelt. 2.1.3. Zur Literargeschichte des Wächterbuches
Was den komplexen literargeschichtlichen Sachverhalt angeht, beschränke ich mich an dieser Stelle darauf, eine grobe Zusammenfassung der Forschung zu referieren. Konsens besteht zunächst weitgehend darin, dass die Wächtererzählung aus zwei verschiedenen Traditionssträngen zusammengesetzt ist, der Šemiḥazah- und der ʿAśaʾel-Tradition.15 Die Šemiḥazah-Erzählung beinhaltet den Plan einiger Wächter, auf die Erde hinabzusteigen, sich mit Frauen zu verheiraten und Kinder zu zeugen. Die daraus hervorgehenden Riesen bringen Gewalt auf die Erde. Die Erzählung um ʿAśaʾel beinhaltet demgegenüber die Instruktion von (verbotenem) Wissen, vor allem die Herstellung von Kriegswerkzeug, kosmetischen Artikeln und Schmuck, was auf der Erde zu Gewalt und Unzucht führt. Dass diese beiden Mythen ursprünglich nicht zum henochischen Schrifttum gehörten, lässt sich schon aufgrund der Abwesenheit Henochs im gesamten Teil 1 Hen 6–11 und dem eigenartigen Rückbezug in 1 Hen 12,1 vermuten („Vor diesem Geschehen war Henoch entrückt worden, und niemand von den Menschenkindern wusste, wohin er entrückt worden war, wo er war und was mit ihm geschehen war.“). In der Forschung wird zumeist die Šemiḥazah-Tradition als älter betrachtet, da die Nähe zu Gen 6,1–4 (sowie zum weiteren Kontext von Gen 6–9) hier deutlich ersichtlich ist.16 Wie die vorliegende Form des Wächterbuches allerdings zu Stande gekommen ist, wird demgegenüber weniger eindeutig beantwortet. Im Folgenden werden verschiedene in der Forschung vorgeschlagene Quellen- und Fortschreibungsmodelle kurz und eklektisch referiert.17 Für Milik, der die Qumranfunde edierte und als erster auswertete, stellen die Kapitel 1 Hen 6–19 eine frühe Quelle dar, die in 1 Hen eingearbeitet wurde. Die Kapitel 21–25 werden als Neuformulierung von Kapitel 17–19 betrachtet. Sodann bleiben Kapitel 1–5 und 26–36 als genuines Werk des Autors des Wächterbuches.18 George W. Nickelsburg schlägt vor, dass der ursprüngliche ŠemiḥazahKern zuerst um die Verse 7,1de und 9,8cd erweitert wurde (die Wächter lehren ihre Frauen das Herstellen von Heilmitteln, Zauber- und Liebestränken sowie magische Praktiken und Cf. G. W. NICKELSBURG, Apocalyptic and Myth, 383. Cf. J. J. COLLINS, The Apocalyptic Technique, 95 und weiter G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 166. John J. Collins merkt weiter an, dass der ŠemiḥazahMythos außerhalb des vorliegenden Wächterbuches nicht bekannt ist und man deshalb beide Traditionsstränge in ihrer kombinierten Form betrachten müsse. Cf. J. J. COLLINS, Methodological Issues in the Study of I Enoch, 166. 17 Für eine Zusammenfassung von verschiedenen Modellen zur Textwachstumshypothese siehe V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand, 9–14 und A. T. WRIGHT, The Origin of Evil Spirits, 19–50. 18 Cf. J. T. MILIK/M. BLACK, The Books of Enoch, 25. 15 16
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Zauberformeln). In einem weiteren Schritt sei sodann eine detaillierte Liste der Lehren der verschiedenen Wächter (8,3) eingefügt worden. Bei beiden Erweiterungen handle es sich um eine Beschreibungen ‚quasi-wissenschaftlicher‘ Informationen. Als letzte Einfügung bezeichnet Nickelsburg das ʿAśaʾel-Material. Dieses gilt ihm ebenfalls als ehedem selbständig und wird in die Nähe des griechischen Prometheus-Mythos gerückt.19 Auch Carol Newsom stellt zwei Stränge fest und erachtet beide als ehedem von der henochischen Tradition unabhängig (1 Hen 6–11 wurde ins henochische Material eingegliedert). Nach Newsom hat 6–16 in der ursprünglichen Form nur aus dem Šemiḥazah-Strang und der Mission Henochs bestanden. Danach sei das ʿAśaʾel-Material mit dem Instruktionsmotiv eingearbeitet worden. Wie sich das ergeben hat, sei schwierig zu beantworten; so konzentriert sich Newsom stattdessen auf die Art und Weise, wie das Material in 12–16 aufgenommen und interpretiert worden ist.20 Paul Hanson geht davon aus, dass die ŠemiḥazahErzählung als ursprünglicher Kern das Thema der ‚Rebellion im Himmel‘ aufgreift.21 Der narrative Kern umfasst nach Hanson 1 Hen 6–11 ohne die Verse 7,1de; 8,1–3; 9,6.8c; 10,4–10, also die Stellen, in denen ʿAśaʾel (bei Hanson ͗Azāz ͗ēl)22 oder das Vermitteln von Wissen, erwähnt wird. Das Instruktionsmotiv war an dieser Stelle noch nicht Teil der Erzählung, die Kernerzählung wurde um die ʿAśaʾel-Erzählung als Erweiterung und Ausschmückung ergänzt. Somit liegen nach Hanson (entgegen der Meinung der meisten anderen Forscher) nicht zwei unabhängige Stränge vor, die durch einen Redaktor verbunden worden wären, sondern er geht von einem organischen Weiterwachsen einer Kernerzählung aus.23 Die durch das ʿAśaʾel-Material erweiterte Šemiḥazah-Erzählung lokalisierte die Herkunft des Bösen in der verbotenen Gemeinschaft von Wächtern und Frauen. Durch die Verse 7,16; 8,1–2.3; 9,6.8c; 10,7d-8a, sei sodann das Motiv der ‚geheimen Instruktionen‘ eingeführt worden. Hanson sieht darin eine andere mythische Tradition, die in der nahöstlichen Kultur und später im Griechentum und der gesamten hellenistischen Welt verbreitet war, die Tradition sog. Kultur-Helden (oder Kulturbringer).24 Problematisch ist bei diesem Ansatz, dass die Textwachstumshypothese nicht grundlegend auf Textbeobachtungen basiert, sondern der thematischen Interpretation untergeordnet wird.
Zumeist werden Quellenmodelle (Newsom) oder Fortschreibungsmodelle (Nickelsburg) vorgeschlagen. Dass Textwachstumshypothesen z.T. unter inhaltliche Beobachtungen gestellt werden, ist als Problem festzuhalten (v.a.
Cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 171–172. Cf. C. A. NEWSOM, The Development of 1 Enoch 6–19, 313–321. 21 Siehe dazu den Aufsatz P. D. HANSON, Rebellion in Heaven von 1977. 22 Zur Identifikation von ʿAśaʾel mit ͗Azāz ͗ēl aus Lev 16 siehe P. D. HANSON, Op. cit., 221–225. Hanson vertritt die These, dass die Herkunft des Bösen mit dem Jom Kippur verbunden wird und die Šemiḥazah-Erzählung dadurch vertieft wird. Zu ͗Azāz ͗ēl cf. auch B. JANOWSKI, Art. Azazel, 128–131. 23 Hanson hält die übliche Erklärung, dass zwei unabhängige Quellen durch einen Redaktor zusammengearbeitet wurden, für wenig überzeugend und schlägt deshalb vor, dass der Azāz ͗ēl-Teil organisch aus der Šemiḥazah-Erzählung herausgewachsen ist. Siehe P. D. HANSON, Rebellion in Heaven, 220. 24 P. D. HANSON, Op. cit., 220–221; 226–229. Als ‚Kultur-Helden‘ werden in der Regel göttliche Wesen oder Weise bezeichnet, die den Menschen das Wissen bringen, welches Zivilisation ermöglicht. Hanson nennt mehrere Beispiele aus der Antike und stellt fest, dass das Wissen, das die Kultur-Helden in diesen Erzählungen brachten, denjenigen in 1 Hen inhaltlich sehr nahe steht. 19 20
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Hanson). John Collins warf im Rahmen dieser Auseinandersetzung sodann die berechtigte Frage auf, ob sich die verschiedenen Traditionen überhaupt eindeutig identifizieren lassen: „There can be no doubt that the book in its present form is composite, although I am less confident than others that we can separate the strands exactly or profitably discuss the date and provenance of the components.“25 Einerseits weisen gewisse Lösungsvorschläge einen allzu hypothetischen Charakter auf, und/oder sie sind aufgrund inhaltlicher Überlegungen zustande gekommen. Im Übrigen wird die Antwort auf Textwachstumsfragen vom Fokus der jeweiligen Forschung abhängen. Für die vorliegende Arbeit stehen solche Fragen nicht im Vordergrund. Dennoch sind die literarkritischen Beobachtungen an den betreffenden Stellen miteinzubeziehen und im Hinblick auf die inhaltliche Analyse auszuwerten. 2.1.4. Datierung
Die ältere Forschung vor den Qumranfunden hat das Wächterbuch zumeist nach der Zeit der Makkabäer datiert, so beispielsweise Georg Beer in seiner Einleitung zum Henochbuch (1900): „So lässt sich im Großen und Ganzen sagen, daß von den Traditionen, aus denen sich das Henochbuch zusammensetzt, die ältesten aus der Zeit vor 167, die jüngsten aus der Zeit vor 64 v. Chr. stammen […]“.26 Ebenso Charles (1893), der das Wächterbuch als ältesten Teil des Henochbuches betrachtet (um 170 v. Chr.).27 Somit wurden alle Texte nachmakkabäisch datiert. In eine ähnliche Richtung ging dann auch die nachdanielische Einordnung bei W. Bousset/H. Gressmann (1926) und die mit Daniel etwa zeitgleiche Verortung noch bei Martin Hengel (1969).28 1972 musste Nickelsburg immer noch betonen, dass es sich bei 1 Hen 6–36 um eine vorchristliche Schrift handelt.29 Die Funde bei Qumran am Toten Meer waren für die Datierung des Wächterbuchs sowie für grundsätzliche Fragen nach den Anfängen der frühjüdischen Apokalyptik von umstürzender Bedeutung.30 Aufgrund der paläographischen Analyse der 4Q-Manuskripte datierte Milik das älteste Manuskript des Wächterbuches, 4QEna ar, auf die erste Hälfte des 2. Jh. v. Chr. Da es sich hierbei freilich nicht um Originale, sondern um Abschriften handelt, ist
J. J. COLLINS, The Apocalyptic Technique, 95. G. BEER, Das Buch Henoch, 232. 27 Siehe R.H. CHARLES, The Book of Enoch, 25ff. 28 M. HENGEL, Judentum und Hellenismus, 321. 29 Cf. G. W. NICKELSBURG, Resurrection, Immortality, and Eternal Life, 134. 30 Cf. die Beiträge in J. FREY/M. BECKER, Apokalyptik und Qumran, darin insbesondere J. FREY, Die Bedeutung der Qumrantexte für das Verständnis der Apokalyptik im Frühjudentum und im Urchristentum. 25 26
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zu folgern, dass deren Vorlagen und Erzählstoff weiter zurückreichen. 31 Nickelsburg datiert das Wächterbuch demzufolge auf das 3. Jh. v. Chr,32 einzelne Traditionsstränge mögen zuweilen noch älter sein. 2.1.5. Traditionsgeschichtlicher Kontext: Genesis
Zwischen Gen 6–9 bzw. im Spezifischen 6,1–4 und dem ŠemiḥazahErzählstrang lassen sich sowohl wörtliche als auch inhaltliche Parallelen beobachten.33 Dass zwischen diesen beiden Texten eine Abhängigkeit bestehen muss, ist nicht zu bestreiten. Zumeist wird die Frage nach der Richtung der Abhängigkeit dahingehend beantwortet, dass mit Gen 6,1–4 der ältere Text vorliegt und mit 1 Hen 6–11 eine Interpretation oder Ausführung davon gegeben ist. Anders als die meisten Forscher nimmt Milik dabei eine Sonderposition ein,34 indem er Gen 6,1–2.4 als Interpretation von 1 Hen 6–11 betrachtet. Nach George Nickelsburg interpretiert und transformiert der Autor des ŠemiḥazahStranges in 1 Hen 6–11 die Passage Gen 6–9 in drei Schritten: 1) Der erste Teil erläutert Gen 6,1–2.4, der Grund und die Art der Boshaftigkeit, die zur Flut führen (ab Gen 6,5). Die Gräueltaten, die in Gen 6,5–13 beschrieben werden, werden hier von den Nachkommen der Wächter begangen, die Menschen gelten als Opfer. 2) Der Autor rekurriert auf Gen 4,10, das Blut der getöteten Menschen schreit (wie Abels Blut) zum Himmel; in 1 Hen ist dies der Wendepunkt der Geschichte. 3) Gott geht gegen die im ersten Teil erwähnte 35 Krise vor.
Cf. J. T. MILIK/M. BLACK, The Books of Enoch, 25. Diese These wird durch Anspielungen auf das Wächterbuch in 4QTestLevia 8 III 6–7 und das Zitat in Jub 4,21f unterstützt, cf. J. T. MILIK/M. BLACK, Op. cit., 23–25. Milik datiert einzelne Traditionsstränge allerdings noch viel weiter zurück, e.g. 1 Hen 6–11 (das er als älter als Gen 6,1–4 betrachtet) bis ins 5. Jh. v.Chr. (cf J. T. MILIK/M. BLACK, Op. cit., 30–31). Diese These fand jedoch wenig Zustimmung. Collins bezweifelt, dass solche Datierungen überhaupt genau vorgenommen werden können (J. J. COLLINS, The Apocalyptic Technique, 95), Dimant versucht sich indessen nicht daran (D. DIMANT, 1 Enoch 6–11. A methodological Perspective, 331). 32 G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 7. 33 Beispielsweise Gen 6,1–2a/1 Hen 6,1 (die Menschen mehren sich und bekommen schöne Töchter); Gen 6,2b/1 Hen 7,1a (die Wächter bzw. בְּ נֵי־ ָה ֱא ִהיםnehmen sich Frauen); keine Parallele zu Gen 6,3; evtl. Gen 6,4/1 Hen 7,2. Siehe auch H. S. KVANVIG, Primeval History, 291–293. 34 Cf. J. T. MILIK/M. BLACK, The Books of Enoch, 30–31. 35 Cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 166–168. Gen 6,3 wird ausgelassen, da der Vers lange Zeit als sekundär betrachtet wurde. So findet sich keine Parallele zu Gen 6,3, außer, man lokalisiert den Vers in einem späteren Kontext in 1 Hen 10,9–10, dann allerdings mit Bezug auf die Giganten, die gegeneinander aufgebracht werden, „denn langes Leben sollen sie nicht haben“ (1 Hen 10,9), obwohl „sie doch hoffen ein ewiges Leben zu leben und daß jeder von ihnen 500 Jahre leben werde“ (10,10). Kvanvig löst das Problem, indem er schließt, dass der Autor von Gen 1–4 eine Tradition oder gar einen Text kannte, welche(r) sich mit der Zerstörung der Giganten auseinandersetzte. Dies muss aber 31
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Gen 6,1–4 ist nun in sich selbst äußerst schwierig, inkohärent und umstritten.
ַוֽ יְ הִ י֙ ִ ֽכּ י־הֵ ֵ ֣חל ָ ֽה אָ ָ֔ד ם ל ָ֖רֹ ב ַﬠל־פְּ נֵ ֣י ָ ֽה ֲאדָ ָ ֑מה וּבָ נ֖ וֹת י ֻלְּ ֥דוּ ל ֶ ָֽהם׃1 שׁר בָּ ָ ֽחרוּ׃ ֥ ֶ ֲֵי־ה ֱא הִ ים֙ אֶ ת־בְּ נ֣ וֹת ָ ֽה אָ ָ֔ד ם ִ ֥כּ י ֹט ֹ֖ב ת ֵ ֑ה נָּה ַו ִיּ קְ ֤חוּ לָהֶ ם֙ נ ֔ ִָשׁ ים ִמ ֖ ֹכּל א ֽ ָ ַו ִיּ ְר ֤אוּ בְ נ2 שׂ ר וְ ָה י֣ וּ י ֔ ָָמ יו מֵ ָ ֥א ה וְ ﬠ ְֶשׂ ִ ֖ר ים שָׁ ָנֽה׃ ֑ ָ רוּח י ָ ֽב אָ דָ ם֙ ְל ֹע ָ֔ל ם בְּ שַׁ גַּ ֖ם ֣ה וּא ָב ֤ ִ ו ַ֣יּ ֹאמֶ ר ְיה ֗ ָוה ֽל ֹא־יָד֙ וֹן3 הַ נְּ פִ ֞ ִל ים ָהי֣ וּ ָבאָ ֶר ֘ץ בַּ יּ ִ ָ֣מ ים הָ הֵ ֒ם וְ גַ ֣ם ַ ֽאח ֲֵרי־ ֗ ֵכן ֲא ֶ֙שׁר ָי ֜ ֹבאוּ בְּ נֵ ֤י ָ ֽה ֱא הִ ים֙ אֶ ל־בְּ נ֣ וֹת ָ ֽהאָ ֔ ָדם וְ יָלְ ֖דוּ ל ֶָה֑ם4 ֵ ֧ה מָּ ה ַהגִּ בֹּ ִ ֛ר ים ֲא ֶ ֥שׁ ר מֵ עוֹלָ ֖ם אַ נְ ֵ ֥שׁ י הַ ֵ ֽשּׁ ם׃
„1 Als sich aber die Menschen auf der Erde zu mehren begannen und ihnen Töchter geboren wurden, 2 sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren, und sie nahmen sich alle, die ihnen gefielen, zu Frauen. 3 Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht auf immer im Menschen bleiben, weil auch er Fleisch ist. Seine Lebenszeit soll hundertzwanzig Jahre sein. 4 Zu jener Zeit - und auch später noch -, als die Gottessöhne mit den Töchtern der Menschen verkehrten und diese ihnen Kinder gebaren, waren die Riesen auf Erden. Das sind die Helden, die es vor Zeiten gab, die hochberühmten.“
Der Text birgt verschiedenste Problemstellungen, die hier nur kurz angetönt werden können.36 Da sind zum einen Fragen des Kontexts: Wie lassen sich die Verse 1–4 in den Gesamtkontext von Gen 1–11 einordnen, oder genauer, wie stehen sie zwischen Kapitel 5 und der Flutgeschichte ab 6,5? Wie lässt sich Vers 3 innerhalb von 6,1–4 kontextualisieren? Weiter stellen sich Fragen des Bezuges: Sind die ְנ פִ לִ יםin Vers 4 die Nachkommen, die den ‚Göttersöhnen‘37 und ‚Menschentöchtern‘ geboren wurden? Und sind sie auch identisch mit den בּוֹרים ִ ִ גּund den ?אַ ְנ שֵׁ י הַ שֵּׁ ם In der folgenden Analyse des Wächterbuches ist vor allem von Interesse, wie Gen 6,1–4 gedeutet wird und an welchen Punkten das Wächterbuch die Lücken im Genesistext ‚füllt‘. So scheint beispielsweise zwischen Gen 6,1–4 und Gen 6,5 keine Verbindung zu bestehen, die Aussage über die Bosheit der Menschen steht in keiner logischen Folge zur vorhergehenden Erzählung.38 nicht die henochische Wächtererzählung gewesen sein. Cf. H. S. KVANVIG, Primeval History, 291–294. 36 Für textkritische und redaktionsgeschichtliche Erörterungen sei auf die Fachliteratur verwiesen, vergleiche dazu die entsprechenden Seiten bei C. WESTERMANN, Genesis, L. RUPPERT, Genesis, W. D. REYBURN/E. M. FRY, A Handbook on Genesis. Neuerer H. S. KVANVIG, Primeval History, 266–310. 37 Grundsätzlich wurden die בְּ נֵי־הָ אֱ הִ יםentweder als Engel oder Menschen interpretiert, wobei sich diese Interpretation im Laufe der Zeit verändert hat. Die Targume Onkelos und Pseudo-Jonathan zu Genesis beispielsweise führen ‚( בני רברביאGroße‘) auf. 38 In der Forschung wird diese Problemstellung unterschiedlich beantwortet: 1) Gen 6,1–4 kann zur Verdeutlichung der Schlechtigkeit der besagten Zeit (cf. 6,5) herangezogen werden. Beispielswiese B. T. ARNOLD, Genesis, 90: „By placing vv. 1–4 immediately prior to the traditional Israelite explanation for the flood (vv. 5–6) the editor has transformed it and used it to show further why the flood was necessary. Illicit relations between celestial beings and human daughters belong to a far distant era different from that of the author, in antediluvian days, and illustrates the lawlessness and disorder of that time.“ Kritisch ist dazu anzumerken, dass die Bewertung der Ereignisse der Verse 1–4
2. Das Wächterbuch
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Die Wächtererzählung füllt diese Lücke insofern, als ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Giganten und der darauffolgenden Fluterzählung hergestellt wird. 2.1.6. Religionsgeschichtlicher Kontext: Griechische Mythologie
1) Der Einfluss griechischer Mythologie auf den Wächtermythos wird vor allem in der Diskussion um die illegitime Wissensvermittlung durch die Wächter diskutiert. Viele Forscher stellen eine Nähe zum PrometheusMythos fest, wobei ʿAśaʾel als Pendant des Prometheus gilt.39 Nach Aischylos lehrt Prometheus die Menschen in einem Akt der Rebellion gegen Zeus,40 dabei sind für den gegebenen Kontext vor allem der Abbau von Kupfer, Eisen, Silber und Gold analog zur Lehre der Metallurgie des ʿAśaʾel beachtenswert.41 Nickelsburg sieht sodann eine weitere Parallele zwischen der Heirat der Wächter und der Sendung der Pandora, deren Büchse das Übel beinaufgrund der unklaren Verortung von Vers 3 offen bleibt und dass weder die Verbindung der ‚Gottessöhne‘ und der ‚Menschentöchter‘ noch deren Nachkommen oder ihr Tun negativ gewertet werden. Im Gesamtaufriss der ‚Verfehlungsgeschichten‘ in Gen 3–11 kann die Erzählung durchaus in dieser Art und Weise interpretiert werden. Cf. sodann auch M. A DE LA TORRE, Genesis, 106 (Gen 6,1–4 als Auftakt zur Fluterzählung). 2) Gen 6,5 wird als redaktioneller ‚Ersatz‘ von Gen 6,1 betrachtet (Parallelität von ‚[ ָרבַ בviel werden‘, ‚vermehren‘] in den Versen 1 und 5). Durch Vers 5 wird die Flut ethisch begründet, ursprünglich allerdings müsse 1–4 mit der Fluterzählung zusammengedacht werden. Siehe R. S. HENDEL, Of Demigods and the Deluge, 16–17. Cf. selbigen Artikel für Ausführungen zum babylonischen Atrahasis-Mythos und Hesiods sog. Frauenkatalog. 39 Der Mythos ist in groben Zügen folgendermaßen zusammenzufassen (je nach Bearbeiter des Stoffes finden sich mehrere Variationen): Prometheus, ein Titan, ist der Schöpfer der Menschen, der diese aus Ton geformt, ihnen Eigenschaften gegeben hat und mit ihnen als ihr Lehrmeister lebt. Die Götter reklamieren die Anbetung der Menschen, werden aber von Prometheus um das Opfer betrogen. Zeus bestraft die Menschen, indem er ihnen das Feuer entzieht, doch Prometheus bringt es den Menschen zurück. Zeus sinnt auf Rache und so wird Pandora geschaffen, die dem Bruder des Prometheus, Epimetheus, zugeführt wird. Pandora ist von überwältigender Schönheit und mit vielen Gaben ausgestattet. Sie bringt die berühmte ‚Büchse der Pandora‘ mit, in der die Götter neben der Hoffnung allerlei unheilbringende ‚Gaben‘ eingeschlossen haben. Pandora öffnet die Büchse und schließt sie, bevor die Hoffnung entweichen kann. Diese wird später freigegeben, jedoch hat sich das Übel bereits auf der Welt verbreitet und die Menschen werden von allerlei Mühsal geplagt. Prometheus wird bestraft, indem er an einen Felsen gekettet wird und ein Adler ihm seine (jeweils nachwachsende) Leber jeden Tag von Neuem aus dem Leib frisst. Cf. R. E. HARDER, Art. Pandora, 236–237 und DNP-GRUPPE KIEL, Art. Prometheus, 402–406. 40 Holzbearbeitung, das Bauen von Häusern, Wissen über das Auf- und Untergehen von Sternen, Metallurgie, die Zahlen und die Schrift, die Domestizierung von Tieren, Medizin sowie die Interpretation von Träumen und die Deutung des Vogelflugs. E.g. Aischylos, Prometheus bei H. W. SMYTH, Aeschylus, 228–243. Zur Rebellion G. W. NICKELSBURG, Apocalyptic and Myth, 399. 41 Cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 192–193.
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
haltet, welches die Menschen befällt.42 Diese Parallele bezieht sich jedoch auf den Šemiḥazah-Strang. Weiter bemerkt Nickelsburg für den ŠemiḥazahStrang die Nähe zur Theogonie Hesiods.43 Schließlich kann die Gefangennahme und Verwahrung von Prometheus bzw. ʿAśaʾels aufgeführt werden. Während die sachlichen Parallelen relativ einfach zu benennen sind, bleibt die religionsgeschichtliche Beziehung zwischen den beiden Traditionen unklar. Nickelsburg erachtet es als denkbar, dass die hesiodische Erzählung eine Möglichkeit bot, ʿAśaʾel- und Šemiḥazah-Tradition zu verbinden. Er geht dabei davon aus, dass die Frauen die Engel verführt haben, nachdem sie gelernt hatten, sich zu verschönern. „ʿAśaʾel teaches man mining and metallurgy, including the making of jewelry, which in turn makes women alluring. The women seduce Šemiḥazah and the other angels. This is the beginning of the terrible evils described in Enoch. – Prometheus teaches man. As a result, Zeus sends a woman, beautiful, decked in gold and finery, enticing. Prometheus’ brother, Epimetheus, takes Pandora into his house. Pandora releases all manner of evil and trouble into the world. […] It is possible that the reviser of the Šemiḥazah story found in Hesiod a device for linking his two traditions.“44
Während Nickelsburg also insofern davon ausgeht, dass es eine direkte Abhängigkeit gibt,45 geht Hanson eher davon aus, dass beide Traditionen auf dieselben Wurzeln zurückgehen und führt ältere hurritische Mythen an, die das Thema der Rebellion im Himmel beinhalten, und folgert, dass semitische und nicht-semitische Behandlung des Themas auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen.46 Obwohl die sachlichen Parallelen bemerkenswert sind, liegen dennoch zwei sehr verschiedene Erzählungen vor, was vermutlich eher auf den gemeinsamen kulturellen Hintergrund als auf direkte Abhängigkeit schließen lässt.47
Weiter werden mesopotamische Parallelen aufgeführt; Helge Kvanvig verweist v.a. auf akkadische Quellen und schlägt vor, die henochischen Giganten in die Linie vorG. W. NICKELSBURG, Op. cit., 193. Cf. auch ID., Apocalyptic and Myth, 400. V.a. Hesiod, Theogonie, 675,713–716. Cf. G. W. NICKELSBURG, Apocalyptic and Myth, 395–397. 44 G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 400–401. 45 ID., 1 Enoch 1 (Commentary), 191–193 und ID., Apocalyptic and Myth, 399; 403. 46 Dazu Hanson: „Ultimate derivation of 1 Enoch and the Greek myths in question from the same ancient near eastern sources thus may offer a more plausible explanation for these parallels than the argument for direct influence of, let us say, Hesiod or Aeschylus upon the author of the Šemiḥazah narrative.“ P. D. HANSON, Rebellion in Heaven, 202–218 47 Annette Y. Reed kommt zu einem ähnlichen Schluss aufgrund des Gesamtzusammenhangs von 1 Hen 6–11: „When 1 En. 6–11 is placed in its broader context, it seems improbable that specific Greek parallels can explain the precise origins of the instruction motif. Nevertheless, such parallels can help us to recover the matrix of cultural connotations therein presupposed.“ A. Y. REED, Fallen Angels, 39–40. 42 43
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sintflutlichen Krieger-Könige in akkadischen Quellen zu stellen.48 Überzeugender verweist Henryk Drawnel dagegen auf die zweisprachige mesopotamischen Beschwörungstexte Utukkû Lemnütu (akkadisch/sumerisch). Die Geister der Giganten (cf. 1 Hen 15,11) werden auf die Uttuku-Dämonen zurückgeführt, deren Untaten vergleichbar sind.49 Auch Drawnel räumt ein, dass es unklar ist, ob der Autor von 1 Hen mesopotamische Traditionen kannte, akkadisch und sumerisch konnte und Zugang zu den Utukkû Lemnütu hatte.50 Auch hier stellen sich ähnliche Fragen wie bei den griechischen Parallelen. Festgehalten werden kann somit, dass die Vorstellungen von Dämonen bzw. bösen Geistern, welche im Wächterbuch und andernorts im frühen Judentum begegnen, religionsgeschichtlich keineswegs einzigartig sind.
Die Giganten ihrerseits lassen an den griechischen Titanenmythos denken.51
In der Odyssee des Homer wird erzählt, dass Gaia, entsetzt über das Schicksal der Titanen, ihre anderen Söhne, die Giganten, gegen die olympischen Götter aussandte. Nach Apollodorus konnten die Götter die Giganten nur mit Hilfe eines sterblichen Mannes (Herakles) besiegen. Nach Ovid schließlich entstanden aus dem Blut der Giganten bösartige Menschen, sodass Jupiter eine Flut sandte, um sie zu zerstören. Dabei kamen aber nicht alle um und so wurden die Überlebenden in der Unterwelt gefangen.52
Jan Bremmer bringt den Titantenmythos mit der apokalyptisch-jüdischen Literatur in Verbindung und schließt,53 dass es kulturelle Kontakte gegeben haben muss.54 Hier liegt, was sachliche Parallelität und religionsgeschichtliche Abhängigkeit betrifft, dieselbe Problematik vor wie beim Prometheusmythos (s.o.). Samantha Newington schließt an Bremmers Studie insofern an, als sie die verschiedenen Stränge der griechischen Titanenerzählungen differenziert ausführt und ihre Bedeutung für das Verstehen der Giganten in Genesis und dem Wächterbuch herausstellt, so beispielsweise „the formation of the world […]; violence on a global scale and the fall of ist perpetrators, amounting to either defeat, or destruction or subterranean imprisonment“.55
Zu allen Parallelen lässt sich festhalten, dass sich literarische Abhängigkeiten kaum beweisen lassen. Sie spielen für die vorliegende Untersuchung aber auch keine herausragende Rolle. Insofern sei festgehalten, dass die SachparalH. S. KVANVIG, Primeval History, 413–426. Siehe H. DRAWNEL, The Mesopotamian Background of the Enochic Giants and Evil Spirits, 26–35, insb. 29; 35. 50 H. DRAWNEL, Op. cit., 37–38. 51 Dabei auch sei auf den Unterschied zwischen Titanen und Giganten hingewiesen. Siehe dazu auch S. NEWINGTON, Greek Titans and Biblical Titans, 34 –35. 52 Cf. G. MUSSIES, Art. Giants, 343. 53 Siehe weiter J. M. BREMMER, Remember the Titans!, 55–56; 58. 54 „From the Hurrians and the Hittites it [sc. der Titanenmythos] migrated to the Greeks who, in turn, proved to be a source of inspiration to the Jews.“ J. M. BREMMER, Op. cit., 60. 55 S. NEWINGTON, Greek Titans and Biblical Titans, 36–37, weiter 34–37. 48 49
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
lelen in religionsgeschichtlicher Hinsicht bemerkenswert, für die Interpretation aber nicht ausschlaggebend sind. 2.2. Analyse
Mehrere Erzähler führen den Leser durch die Ereignisse: 1) In 1 Hen 1,1–5,9 kommt ein erster nicht bestimmter allwissender Erzähler zur Sprache, der das Werk einführt. 2) Mehrheitlich spricht ein allwissender Erzähler, der nicht näher bestimmt ist (heterodiegetischer Erzähler (1 Hen 6,1–12,2; 13,1–2). Dieser führt die Erzählung ein und lässt von Anfang an keinen Zweifel daran, dass das Tun der Wächterengel negativ zu bewerten ist und vom Leser so verstanden werden soll (cf. 6,3). 3) Schließlich begegnet Henoch, der Protagonist der Erzählung, als Erzähler. Henochs Ich-Bericht die Erzählung des ersten Erzählers hin und wieder durchbricht (12,3–6; 13,3–16,4). Dieser Bericht besteht abgesehen von der Visionserzählung fast nur aus Reden anderer Figuren und deren Wiedergabe. Durch diese zwei Erzählperspektiven erscheint die Erzählung teilweise uneinheitlich; hier sind gegebenenfalls textgenetische Rückschlüsse zu ziehen. Raumkategorien sind im Wächterbuch von besonderer Bedeutung, vor allem die Bereiche ‚Himmel‘ und ‚Erde‘. Indem die Wächter die himmlische Sphäre verlassen, um sich Frauen zu nehmen, kommt die zentrale Problemstellung der folgenden Erzählung in den Blick: Durch den Übertritt der Wächter in die irdische Sphäre wird die Ordnung der Welt gestört, sodass die Erde über die Frevler zu klagen hat (7,6; weiter 9,2), da deren Nachkommen sich gegen die Schöpfung wenden und Menschen und Tiere angreifen.56 Das Leiden der Welt wird deutlich vor Augen geführt und erst im Anschluss wird auch die Verderbtheit der Welt angesprochen (cf. Gen 6,5). Die strikte Trennung von Himmel und Erde gehört zur Vorstellung kosmischer Ordnung, die dem henochischen Schrifttum zugrunde liegt. Der Himmel (als ‚Ort Gottes‘) ist der Welt nicht zugänglich und wird lediglich über Visionen ‚anschaubar‘ gemacht;57 Gott gehört nicht zur Welt, sondern ist dieser entzogen. Cf. 1 Sam 5,12b, wo die Philisterstadt Ekron unter der Präsenz der Lade leidet: „Und der Hilferuf der Stadt stieg auf zum Himmel.“ 57 Die Thronvision 1 Hen 14 bildet den Ausgangspunkt aller späterer Texte über den himmlischen Tempel bzw. Palast wie 3 Hen oder Offb 4–5. Cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 260: „On the one hand, it [sc. 1 Hen 14,8–23] differs from the prophetic call visions in the seer’s active participation in the vision; from these and Ezekiel 40–48 in that Enoch ascends to heaven; and from the throne visions of 1 Kings 22, Isaiah 6, Ezekiel 1–2, and Daniel 7 in its description of the heavenly temple. On the other hand, in these points and others that it may or may not have in common with prophetic texts, it contains many of the major components and essential elements of later Jewish 56
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Die Andersheit der himmlischen Welt wird eindrücklich vor Augen geführt: Der Thron Gottes liegt jenseits einer flammenden Mauer im Innersten eines Komplexes, der als Analogie des Jerusalemer Tempels verstanden werden kann.58 Der Thronsaal besteht aus kosmischen Elementen wie Feuer, Blitzen und der ‚Laufbahn der Sterne‘. Das darin geschilderte Szenario erinnert an Jes 6, ist aber viel ausführlicher; weder Engel, noch irgendjemand sonst kann diesen Raum betreten und Gottes Angesicht schauen (14,21).
Mit der Beschreibung des Ortes und des sich darin abspielenden Spektakels betont der Autor „[…] the otherness of this realm. Here fire and snow can coexist. Things are larger than life. God dwells in a house greater than the great one to which it is annexed. Its ceiling is the heaven with its streaking luminaries and lightning flashes. He is seated on a lofty throne and is attended by a countless throng of angels of various orders. […] The heaping and redundancy of the author’s imagery is a poetic way to describe the indescribably excellent by means of an overexcess of superlative similes and metaphors. The repetitious use of negatives in vv 16, 19, 21–22 [Kapitel 14, M.G.] documents the final chasm between God and mortals, and, indeed, angels. […] Consonant with this view of God is God’s inaccessibility.“59
Die grundsätzliche Trennung von Himmel und Erde vermag sodann auch die Problematik zu verdeutlichen, welche durch deren Vermischung durch die Wächter impliziert wird. Mit der Trennung der Räume wird dem Ordnungsdenken, von dem das gesamte erste Henochbuch geprägt ist, Ausdruck verliehen.
Das Wächterbuch ist zeitlich in der Urzeit angesiedelt, die Menschen sind daher ethnisch und religiös nicht weiter spezifiziert. Außerdem scheinen ihnen Kulturtechniken wie Kriegskunst oder die Herstellung von Schmuck und/oder Kosmetika fremd zu sein. Es scheint zumindest, als sei hier noch von einer ‚idealen‘ Welt die Rede. Zunächst fällt auf, dass in der Erzählung 1 Hen 6–16 ausschließlich über die Menschen gesprochen wird und diesen eine eigentümliche Passivität zukommt. Die Frauen ziehen die Aufmerksamkeit der Wächter auf sich, bleiben aber in der gesamten folgenden Erzählung ohne Eigenaktivität. Die Wächter intendieren, sie zu wählen (6,2), sie nehmen sie und schlafen mit ihnen (7,1) die Frauen werden schwanger und gebären Nachkommen (7,3). Diese Passivität zieht sich durch den gesamten weiteren Erzählverlauf.60 Aus der VerbinMerkabah mysticism attributable to Ezekiel.“ Zur Thematik allgemein siehe P. SCHÄFER, Hekhalot-Studien sowie ID., Der göttliche Name, und G. SCHOLEM, Die jüdische Mystik. 58 Beispielsweise B. EGO, Henochs Reise, 114–115. 59 G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 260. 60 Eine Ausnahme findet sich in 8,1, wenn eine alternative Lesart berücksichtigt wird. Der Vers beschreibt die Lehren ʿAśaʾels (Kriegsgeräte sowie Schmuck und Kosmetik) und endet mit der Feststellung, dass sich die Welt verändert hat. GrPan führt den Satz nicht auf, Syncellus liest: „und die Söhne der Menschen machten (sie) sich und ihren Töchtern, und
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
dung von Wächtern und Frauen gehen Giganten hervor, durch welche die Menschheit Opfer von Gewalttätigkeit wird; sie werden von Riesen gefressen (7,4) und vernichtet (8,4), das Schreien der Opfer dringt bis zum Himmel (9,2–3) und das Seufzen und Klagen der umgebrachten Seelen wird hörbar (9,10). Somit steht im Šemiḥazah-Erzählteil die Gewalt, die Welt und Mensch erfahren, im Vordergrund. Die Menschen kommen dabei in erster Linie als Opfer in den Blick, die der Gewalt hilflos ausgeliefert und daher auf Gottes Hilfe angewiesen sind (9,2–3.10). Erst in einem weiteren Schritt werden die Menschen auch als Täter betrachtet: Durch die Lehren der Wächter (ʿAśaʾel), werden sie in einem gewissen Sinne zu Mittätern.61 So stellt der Erzähler in 8,2 fest, dass Gottlosigkeit auf der Welt herrscht und die Menschen Unzucht treiben und ihre Wege zerstört werden/sie ihre Wege zerstören (cf. auch 16,3).62 Wo die Schuld bei den Menschen gesucht wird, steht sie jeweils in Zusammenhang mit den Lehren ʿAśaʾels. Das Augenmerk des Textes liegt im Ganzen deutlicher auf der Schuld der Wächter, auch wenn die Flut, die alles vertilgen soll (10,2), natürlich vorderhand die verdorbene Menschheit (siehe Gen 6,5) trifft.63 sie sündigten und führten die Heiligen in die Irre“. Cf. S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 521. Damit ist vermutlich gemeint, dass die Frauen die Frommen verführten. Max Küchler sieht in diesem Vers eine spätere Ergänzung, in welcher die ursprünglich „[…] ‚hübschen und schönen‘ Mädchen […] zu geschmückten, geschminkten und verkleideten Verführerinnen […]“ werden. „Der späte Zusatz […] bringt dies zum Ausdruck und formuliert jenen Zirkelschluss, den die später klar frauenfeindliche Interpretation von 1 Hen 6,1f stets zieht, dass nämlich die aufgeputzten irdischen Frauen die Göttersöhne/Wächter/Engel vom Himmel herabgelockt hätten.“ M. KÜCHLER , Schweigen, Schmuck und Schleier, 274. Siehe dann 1 Hen 19,2 (Uriel zu Henoch): „Und ihre [sc. der Menschen] Frauen, die die Engel verführten, werden zu Sirenen werden.“ Kelley Coblentz Bautch erachtet die Syncellus-Lesart als ursprünglich, siehe dazu K. COBLENTZ BAUTCH, Decoration, Destruction and Debauchery. Aufgrund von 4QEnb ar kann diese These aber kaum überzeugen. Siehe weiter ID., What becomes of the Angels‘‚Wives‘?: A text-critical Study of 1 Enoch 19:2. 61 Diese beiden Ansatzpunkte gehörten ursprünglich möglicherweise verschiedenen Traditionen an. 62 Beide griechischen Texte, GrPan und Syncellus, bieten das Verb ἀφανίζω, (‚zerstören‘, ‚entstellen‘, ‚verunstalten‘, ‚ruinieren‘, ‚vernichten‘, ‚hässlich/unansehnlich machen‘, pass.: ‚schlecht werden‘, ‚verderben‘, ‚untergehen‘, ‚schwinden‘). Während GrPan das Verb im Passiv aufführt (ἠφανίσθησαν), findet es sich bei Syncellus im Aktiv (ἠφάνισαν). Auch der Äthiope bietet eine aktive Form (wamāsanu). Entweder also zerstörten die Menschen selbst ihre Wege, oder ihre Wege wurden zerstört, was inhaltlich vermutlich näher liegt. Cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 189. Siehe auch Gen 6,12. 63 Die Bestrafung der Menschen steht kaum im Zentrum. Eine Ausnahme ist evtl. 10,14, wobei diese Stelle nicht direkt von einer Bestrafung für die unmittelbare Gewalttat spricht. Deutlicher allerdings 10,15 (Gott zu Michael): „Und vertilge alle wollüstigen Seelen und die Söhne der Wächter…“.
2. Das Wächterbuch
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Für die Menschen ist das Böse also in erster Linie ein Verhängnis und liegt nicht ihrer eigenen Verantwortung. Im Hinblick auf die Frage nach der anthropologischen Tragweite der Erklärungsmodelle des Bösen ist diese Feststellung von zentraler Bedeutung. Henoch begegnet in der Kernerzählung des Wächterbuches (1 Hen 6–11) zwar nicht, gleichwohl kommt ihm in der Folge eine herausragende Funktion als Mittler zwischen der himmlischen und der irdischen Welt zu.64 Als Mittler hat Henoch selbst Zugang zum Himmel (12,2) und kann sogar vor den Thron Gottes treten,65 wo sich ansonsten bloß die ‚Heiligen der Heiligen‘ (14,23), vermutlich eine hohe Engelklasse, aufhalten. Sodann wird er von Engeln beauftragt, den abtrünnigen Wächtern das Gericht zu verkünden. Henoch steht, obwohl er ein Mensch ist, über den himmlischen Wächterengeln. Als gerechter Mensch kommt ihm Autorität über die ungerechten Wächter zu; hier ist eine Nähe zur atl. Prophetentradition zu bemerken. Zugleich nimmt Henoch aber auch die Aufgabe des Fürbitters wahr, da die Wächter nun der irdischen Sphäre angehören und jeglichen Kontakt zur himmlischen Welt verloren haben. Bei den Wächtern handelt es sich um eine Gruppe von himmlischen Wesen, die in einer männlichen-anthropomorphen Form dargestellt werden.66 Obwohl sie die Handlung maßgeblich vorantreiben, treten sie als aktiv handelnde Figuren lediglich in den Kapiteln 6–8 auf: Sie sehen und begehren die Frauen, wählen sie sich aus und zeugen mit ihnen Nachkommen (6,2), sie schwören und binden sich mit einem Fluch an das Vorhaben (6,4–5), steigen auf den Berg hinab, nehmen sich Frauen, schlafen mit ihnen und lehren sie Zaubermittel, Beschwörungen und das Schneiden von Wurzeln/Pflanzen (7,1). Der Erzähler lässt den Leser wissen, dass sich die Wächter ihres Vergehens bewusst sind (6,3–4). Insofern ist die Begrifflichkeit vom ‚Fall der Wächter‘ nur angebracht, wenn man ihren Statusverlust betrachtet, nicht aber in Bezug auf ihre ‚Intention‘. Während ‚Fallen‘ immer auch eine unfreiwillige Komponente hat, ‚springen‘ die Wächter zunächst freiwillig. Vom Fallen 64 Henochs gesonderte Stellung gründet in seiner Rechtschaffenheit und ist sehr wahrscheinlich als Interpretation von Gen 5,24 zu verstehen. Cf. dazu G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 260. 65 Die folgende Beschreibung der Vision Henochs ähnelt in mehreren Punkten den atl. (Berufungs)-Visionen, geht aber deutlich über diese hinaus. E.g. Jes 6 und Ez 1–3; 8–11; 40–48. Für eine Zusammenstellung der Unterschiede zwischen 1 Hen und Ez siehe G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 259. 66 Loren Stuckenbruck weist darauf hin, dass die Bezeichnung ‚Wächter‘, die in 1 Hen mehrheitlich negativ besetzt ist, auch positiv konnotiert sein kann, so beispielsweise in 1 Hen 12,2.3 und Dan 4,13.17.23. Siehe L. T. STUCKENBRUCK, The Myth of Rebellious Angels, 1 Anm. 1.
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( )נפלder Wächter reden dann erst die Tiersymbolapokalypse (in Bezug auf die Sterne, welche die Engel symbolisieren) und CD II 18. Die Vergehen der Wächter lassen sich in zwei Themenkreisen beschreiben und zwar 1) Verunreinigung durch den Verkehr mit Frauen (Šemiḥazah) sowie 2) das ‚Offenbarmachen aller Sünden‘ (9,8; ʿAśaʾel). Ad 1) Um sich mit Frauen zu verbinden, verlassen die Wächter den Himmel und handeln wie Menschen, obwohl sie anders als jene ‚heilig‘, ‚geistig‘ und ‚unsterblich‘ geschaffen sind. Aufgrund ihrer Unsterblichkeit ist das Zeugen von Nachkommen in der Schöpfungsordnung für sie nicht vorgesehen (15,2). Problematisiert wird somit das Abkommen von der schöpfungsgemäßen Ordnung. Ad 2) Die Wächter zeigen (ἐδήλωσαν)67 Sünden (ἁμαρτίαι), was wiederum als Ordnungsübertretung zu verstehen ist. Dabei kommt vor allem der Wächter ʿAśaʾel zur Sprache, der Unrecht lehrte und ‚ewige Geheimnisse‘ des Himmels preisgab. In der Rede Gottes wird dann konkludiert, dass die Erde durch seine Lehre verdorben wurde und dass ihm alle Sünde zuzuschreiben ist (10,8). Diese Textstelle hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ʿAśaʾel von manchen Auslegern mit Azaz’ēl (Lev 16) identifiziert wurde.68 Das Kundtun himmlischer Geheimnisse wird sodann als Hartherzigkeit (σκληροκαρδία) gewertet, so beispielsweise 16,3: „Ihr seid im Himmel gewesen, aber die Geheimnisse waren euch noch nicht offenbart, doch ein verwerfliches Geheimnis kanntet ihr, und das habt ihr in eurer Hartherzigkeit den Frauen mitgeteilt, und durch dieses Geheimnis vermehren die Frauen und Männer das Böse auf Erden.“ Der Begriff σκληροκαρδία begegnet häufig in 1 Hen 1–5 und bedeutet jeweils gottwidriges Handeln im Sinne von ‚Sturheit‘ und ‚Widerstand‘, damit schwingt also anders als im heutigen Sprachgebrauches keine emotionale Komponente mit. Vielmehr ist auch dieser Begriff im Sinne der Ordnungsverletzung zu verstehen.69 Giganten sind vornehmlich aus der griechischen Mythologie bekannt (s.o.), in der LXX werden mit dem Begriff γίγαντες eine Vielzahl von Begriffen der hebräischen Bibel wie ְנ פִ לִ יםoder גִּ ֹבּ ִריםbezeichnet.70 Die Nähe zur griechi67 Aramäisch ist diese Textstelle nicht erhalten. Cf. auch 7,1: „…und sie zeigten ihnen das Schneiden von Wurzeln…“. 68 Siehe dazu auch L.L. GRABBE, The Scapegoat Tradition. 69 Claudia Losekam ist der Ansicht, hier stehe die Intention der Wächter, die göttliche Schöpfungsordnung zu stören, zur Debatte. Cf. C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 70. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Erzählung selbst von keiner solchen Intention erzählt. Die Gesetzesübertretung an sich ist dabei allerdings nicht als Intention zu verstehen, sondern vielmehr als deren Folge. 70 Γίγαντες begegnet in der LXX ca. 40 und bezeichnet: 1) ְנפִ לִ ים, die Nachkommen der Göttersöhne und Menschentöchter, 2) ְר ָפ ִאים, die Urbewohner des verheißenen Landes großen Körperwuchses, 3) Söhne des Râphâh () ָר פָא, 4) ֲﬠנָקִ ים, große Menschen, die bei
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schen Mythologie ist dabei vor allem im Wächterbuch besonders deutlich. Dort werden die Giganten ‚(mächtige) Riesen‘ (7,2; 9,9),71 ‚Bastarde‘, ‚Verworfene‘,72 ‚Kinder der Unzucht‘, ‚Kinder der Wächter‘ (9,9) und ‚Söhne der Wächter‘ (10,15) genannt. Zuweilen werden sie sogar als ‚Geister‘ bezeichnet, in 10,15 werden sie beispielsweise ‚Geister der Gepanschten‘ (τὰ πνεύματα τῶν κιβδήλων) genannt (siehe weiter 15,8). Die Bezeichnung ‚Geister‘ scheint zunächst inadäquat, ist aber nicht gänzlich unlogisch, da zwischen den Giganten und den Geistern eine gewisse Kontinuität besteht, weil die Geister gewissermaßen schon Teil der Giganten sind.73 Auch in der Rezeption des Wächtermythos werden die Giganten hin und wieder als Geister bezeichnet.
Anders als in Gen 6,4, wo die אַ ְנ שֵׁ י הַ שֵּׁ םgerühmt werden, ist die Bewertung der himmlisch-irdischen Nachkommen im Henochbuch von vornherein negativ: In 7,2 wird bereits der Akt ihrer Zeugung als Vermischung bzw. Verunreinigung interpretiert.74 Ihre Natur entspricht nicht der festgesetzten Ordnung, weil sie durch den Bruch dieser Ordnung entstanden sind und es sie nach der gegebenen Schöpfungsordnung gar nicht geben dürfte. Im Zuge dieser Problematik steht auch, dass sie sich widernatürlich verhalten, sich gegen Mensch und Tier wenden und sich schließlich gegenseitig vernichten. Im Kannibalismus der Giganten wird die äußerste Form von Gewalt, Lebensfeindlichkeit und Perversion ausgedrückt. Problematisiert wird somit in erster Linie ihre ordnungswidrige Herkunft und nicht so sehr die ihnen mangelnde Ethik. Ihre Taten sind nur die konkrete Folge ihrer Grundkonstitution, ihre absonderliche Riesenhaftigkeit betont ihre Widernatürlichkeit. Sie sind das Ergebnis einer nicht ordnungsgemäßen Verbindung, was ihre Taten definiert und ihnen letztlich zum Verhängnis wird. So „[…] werden auch die Riesen nicht aufgrund ihrer Taten negativ bewertet,
Hebron und in Philistia wohnen, 5) גִּ בֹּ ִר ים, starke, mächtige Männer bzw. Helden. Cf. G. MUSSIES, Op. cit., 343–344. 71 Bei Syncellus findet sich an dieser Stelle ein längerer Textabschnitt: „Und sie gebaren ihnen drei Arten: zuerst grosse Riesen, und die Riesen zeugten die Naphilim, und den Naphilim wurden Eliud geboren...“ Cf. S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 519. 72 Bei GrPan und Syncellus κίβδηλοι, ‚Gepanschte‘, ‚Falsche‘, ‚Unechte‘, was sich auf ihre Entstehung durch Ehebruch (κιβδηλεία) bezieht. Cf. S. UHLIG, Op. cit., 528. 73 Uhlig bemerkt zu 10,15, dass diese Lesung möglicherweise vom später im Text beschriebenen Hervorgehen der Geister aus den Leichnamen der getöteten Wächter beeinflusst ist. Cf. S. UHLIG, Op. cit., 530. 74 GrPan und Syncellus lesen ‚vermischen‘, während der äthiopische Text ‚verunreinigen‘ liest. Zur genauen Erläuterung cf. S. UHLIG, Op. cit., 519 und C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 59. Die Unterscheidung ist gleichwohl nicht entscheidend, da sich beide Verben jeweils zirkulär bedingen: Indem die Wächter sich mit den Frauen vermischen, verunreinigen sie sich; verunreinigt werden sie durch die Vermischung.
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
sondern aufgrund ihres Wesens. Ihr Wesen prädestiniert sie für böse Taten auf Erden.“75 Die Gewalttätigkeit der Riesen endet durch ihre gegenseitige Vernichtung, doch bleiben ihre (unsterblichen) Geister, das Erbteil ihrer Väter, bestehen: „Because of their dual nature, the giants are both eradicable and immortal. On the one hand, the body of their flesh can die. On the other hand, their spirits have continued existence.” 76
Siehe dazu 15,8–16,1: „15,8 Aber nun die Riesen, die gezeugt worden sind aus Geistern und Fleisch: böse Geister werden sie auf Erden genannt werden, und auf Erden wird ihre Wohnung sein. 9 Böse Geister sind aus ihrem Leibe hervorgegangen, weil sie von oben her geschaffen wurden; von den heiligen Wächtern stammt ihr Beginn und der Anfangsgrund. Böse Geister werden sie auf Erden sein und böse Geister genannt werden. 10 Die Geister des Himmels sollen im Himmel ihre Wohnung haben und die Geister der Erde, die auf Erden geboren wurden, auf Erden ihre Wohnung. 11 Die Geister der Riesen […] sind gewalttätig, sind verdorben, brechen herein, kämpfen, zerstören auf Erden, schaffen Leid, verzehren keine Speise und dürsten nicht und sind nicht wahrzunehmen. 12 Und diese Geister werden sich erheben gegen die Menschenkinder und die Frauen, weil sie von ihnen ausgegangen sind. 16,1 Von den Tagen des Umbringens, Verderbens und des Todes der Riesen an, da die Geister aus den Seelen ihre Fleisches ausgegangen sind, werden sie dem Verderben ausgeliefert sein ohne Gericht – so sollen sie verderben bis zu dem Tage der großen Vollendung, von wann an der große Äon vollendet werden wird an den Wächtern und Frevlern.“
Nickelsburg schlägt vor, dass das Wort ‚Geist‘ hier nicht im Sinne des spirituellen Elements menschlicher Wesen verstanden werden soll, sondern im Sinne einer „immortal substance“ der Wächter.77 In der Charakterisierung dieser Geister taucht erstmals der Begriff ‚böse‘ auf (πνεύματα πονηρά).78 Diese Bezeichnung bezieht sich nicht auf ihr unethisches oder gesetzeswidriges Verhalten, sondern auf ihr Wesen. Sie werden ‚böse Geister‘ genannt, weil sie aus Geist und Fleisch gezeugt wurden und ‚von oben her‘ geschaffen wurden (15,9). Sie stehen somit in derselben Linie wie die Giganten. Es wird sich in der Untersuchung der Rezeptionsgeschichte des Wächtermythos zeigen, dass sich in Texten, die den Ursprung von Dämonen thematisieren, zumeist eine gewisse Affinität zur Henochtradition erkennen lässt.79 Das Wächterbuch ist so vermutlich der Nukleus einer systematischen C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 71. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 272; Siehe weiter die Ausführungen bei L. T. STUCKENBRUCK, The Myth of Rebellious Angels, 15–16 und A.T. WRIGHT, The Origin of Evil Spirits, 153–155. 77 Cf. G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 272. 78 Im aramäischen und äthiopischen Text ist diese Stelle nicht überliefert. 79 Cf. L. T. STUCKENBRUCK, The Demonic World of the Dead Sea Scrolls, 57. 75 76
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frühjüdischen Dämonologie. Mit der Beschreibung von Dämonen bzw. bösen Geistern wird vermutlich der Erfahrung von Gewalt und Unrecht Ausdruck verliehen (e.g. 15,10–11). Schließlich wird durch das Wirken von Dämonen erläutert, warum die Gegenwart (bis zum ‚Tage der großen Vollendung‘, 16,1) von Bösem geprägt ist. Gott wird in den Visionen Henochs mit den Insignien des Königs vorgestellt, dessen Darstellung mit Königsdarstellungen im syrischen, mesopotamischen und ägyptischen Raum vergleichbar ist.80 Die Beschreibung seines Thronsaals und des sich darin abspielenden Spektakels zeigt zudem ein liturgisches und eschatologisches Setting: Königtum, Richteramt und Allerheiligstes werden miteinander verbunden,81 was auch in den Titulierungen Gottes anschaulich wird (‚Herr‘ [14,24], ‚Höchster‘ [9,3; 10,1], ‚König‘ [9,4],82 ‚Herr der Herren‘, ‚Gott der Götter‘, ‚König der Könige‘ [9,4],83 ‚Großer und Heiliger‘ [10,1; 14,1–2], ‚Herr der Hoheit‘ [12,3], ‚große Herrlichkeit‘ [14,20], ‚Erhabener und Herrlicher‘ [14,21]).84 Wie bereits in der Darstellung der Räume ersichtlich geworden ist, ist Gott der Welt enthoben: Er kommuniziert nicht direkt mit der irdischen Sphäre oder ihren Akteuren, sondern bedient sich verschiedener Mittlerfiguren wie Henoch oder der Erzengel.85 Im ganzen Kommunikationsprozess zwischen Gott und Henoch und zwischen Gott und den Wächtern übernehmen jeweils die Engel Sariel, Gabriel, Raphael und Michael die Rolle von Boten oder Dienstbeauftragten. An deren Funktion wird abermals die Trennung der verschiedenen Räume ersichtlich; Kommunikation ist zwar möglich, aber Gott 80 Cf. V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand, 116–117 und H. H. SCHMID, Gerechtigkeit als Weltordnung, 23–46. 81 Cf. auch G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 43. 82 Syncellus fügt an: τῶν αἰώνων. Cf. S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 524 und G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 202; 211. 83 Nickelsburg situiert diese Anreden in einem liturgischen Setting. Der ‚König der Könige‘ wurde im Nahen Osten oft auch für irdische Könige verwendet. In der jüdischen Literatur wird ausschließlich Gott damit betitelt, was seine Souveränität gegenüber allen irdischen Königen ausdrückt. Insofern liegt möglicherweise ein polemischer Gebrauch des Titels vor. Cf. G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 211. 84 Eine Liste mit allen Titeln, die sich in 1 Hen finden und deren Erläuterung findet sich bei G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 43–46. Ebenso findet sich eine Zusammenstellung bei V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand, 111–113. 85 Der Begriff ‚Erzengel‘ wird im Rahmen dieser Arbeit der Einfachheit halber verwendet um die Distinktion von den Wächterengeln zu erleichtern. Der griechische Terminus ἀρχάγγελοι begegnet erst bei Syncellus (9,1), cf. S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 523. Es lässt sich allerdings nicht genau eruieren, wie die Relation zwischen diesen und den Wächterengeln zu verstehen ist. Zu den Erzengeln siehe J. W. VAN HENTEN, Art. Archangel, 80–81.
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wird von der Welt zugleich deutlich abgegrenzt.86 Verglichen mit den Pentateuchtexten liegt also ein völlig anderes Gottesbild vor. Gott hat hier Mittlerfiguren, die seine Aufträge ausführen, durch die er handelt und spricht und die ihn als seine Gesandten vertreten. Nickelsburg fasst das Bild Gottes treffend zusammen: „Our author’s God is the transcendent, wholly other, heavenly King. He does not appear on earth, as he did to Abraham or Moses or Isaiah. His chariot throne does not descend to earth as it did for Ezekiel. It is fixed in heaven, the realm of Spirit and holiness, totally different from the earthly sphere of flesh and blood (cf. 15:4–7).”87 Wiederum wird hierbei die Vorstellung eines spezifischen Ordnungsdenkens erkennbar: Gott und Welt sind voneinander getrennt und in gänzlich anderen Kategorien zu beschreiben. 2.3. Kommentar
2.3.1. Wortfelder des Bösen im Wächterbuch
Inwieweit hat das Wächterbuch nun als Mythos über die Ursprünge des Bösen zu gelten und wie ist das Böse zu verstehen? Wie in der Einleitung festgehalten wurde, lässt sich sinnvollerweise nur von ‚Wortfeldern des Bösen‘ sprechen, da eine lexikalische oder lemmatische Suche nach einzelnen Stichworten nicht zu auswertbaren Ergebnissen führen würde. So soll in diesem ersten Kommentarteil herausgearbeitet werden, was in der Wächtererzählung als böse angesehen wird, wer dafür verantwortlich ist und wie dieses Böse einzuordnen ist, indem im Folgenden eine Aufstellung von Lexemen des Sinngehaltes und ihren Bezügen geboten wird. 2.3.1.1. Aufstellung
Die untenstehende Tabelle bietet eine Darstellung dessen, was im Wächterbuch negativ beurteilt wird, was schädigt, zerstört und von Gott verurteilt wird und was zugleich mit der Ursächlichkeit von Negativität in Verbindung steht. Dabei sind die aufgeführten Begriffe in ihrer primären Bedeutung nicht unbedingt negativ, sondern werden zum Teil lediglich im Kontext in einem negativen Sinne verwendet. Deshalb wird jeweils der Bezug angegeben, das heißt mit welchen Akteuren eine Handlung oder Charakteristik verbunden wird; diese Bezüge sind für die anschließende Auswertung von herausragender Bedeutung. Die Tabelle orientiert sich an den griechischen Begriffen und folgt daher auch dem griechischen Alphabet. Obwohl die äthiopische Übersetzung der Das Gigantenbuch allerdings wird das Gericht Gottes beschrieben, indem der ‚Herrscher der Himmel‘ zur Erde hinabkommt und auf einem Thron Platz nimmt. Siehe 4QEnGiantsb ar 1–12 ii 16–20. 87 G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 260. 86
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einzig durchgehende Text ist, wird der Vorzug hier dem griechischen Text gegeben. Die Priorität dem äthiopischen Text gegenüber liegt in der größeren Nähe zum aramäischen Text; außerdem wurde die äthiopische Übersetzung vermutlich aufgrund einer griechischen Vorlage erstellt. Gegenüber dem aramäischen Text liegt im Griechischen eine vollständigere Überlieferung vor; wo vorhanden, wird das aramäische Äquivalent aber aufgeführt.88 Von den hier relevanten Stellen ist die Bezeugung in den Handschriften allerdings eher schlecht. Wo für das Verständnis hilfreich werden exemplarische Textstellen in Klammer angegeben. Griechisches Wort: Übersetzung, (exemplarische Textstelle[n]) ἀδικεῖν: ungerecht sein, Unrechtes tun (1 Hen 15,11) ἀ. τοὺς ἀνθρώπους: Menschen misshandeln ἀδικία/ἀδίκημα ()עול: Ungerechtigkeit (1 Hen 10,16.20) δεικνύειν ἀδικίαν/ ἀδίκημα: Ungerechtigkeit zeigen ἀκαθαρσία ()טמאה: Unreinheit (1 Hen 8,2) (κατα)λαλεῖν ἐν στόματι ἀκαθαρσίας: im Munde der Unreinheit [gegen Gott] reden μ(ε)ιγνύειν ἐν ἀκαθαρσίᾳ: sich [mit den Frauen] in [ihrer] Unreinheit vermischen ἁμαρτάνειν: sündigen (1 Hen 7,5) ἁμαρτία ()חמס: Sünde δηλοῦν/ δεικνύειν ἁμαρτίαν: Sünde lehren/zeigen (1 Hen 9,8; 13,2) ἁμάρτωλοι: Sünder (1 Hen 1,9; 5,6) ἀνόμημα: Gesetzeslosigkeit (1 Hen 9,10) ἄνομος : gesetzlos, unfromm (1 Hen 7,6) ἀπολείπειν οὐρανόν: den Himmel verlassen (1 Hen 12,4) ἀσέβεια ()חמס: Gottlosigkeit (1 Hen 8,2; 10,20) δεικνύειν ἀσέβειαν: Gottlosigkeit zeigen ἀσεβεῖν: gottlos handeln/sein (1 Hen 1,9) ἀσεβής ()ב[שר: gottlos, unheilig, profan ἀφανίζειν: zerstören, verdorben sein ἀ. γῆν: die Erde zerstören (1 Hen 15,11) ἀ. ὁδούς: [die eigenen] Wege zerstören (1 Hen 8,2) ἀφίστημι: sich entfremden/entfernen [hier sc. von Gott] (1 Hen 5,4)
Bezug Giganten; Geister Giganten Bezeichnet den Zustand auf der Erde Wächter (den Menschen) Zustand auf der Erde Menschen Wächter Menschen und Wächter Zustand d. Erde; Wächter Wächter (den Menschen) Menschen Zustand auf der Erde Giganten Wächter Zustand auf der Erde Wächter Menschen Menschen Geister der Giganten Wächter Menschen Menschen
Siehe hierzu L. T. STUCKENBRUCK, Revision of Aramaic-Greek and Greek-Aramaic glossaries in the books of Enoch, 40–48. 88
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γεννᾶν ()ילד: zeugen (1 Hen 15,3f) γ. τέκνα, υἱοὺς γίγαντας: Kinder/ ,Riesensöhne‘ zeugen γ. ἐν αἵματι σαρκός: im Blut des Fleisches zeugen διδάσκειν ()אלף: lehren (1 Hen 7,1) ἐντολή: Gebot οὐ μένειν/ποιεῖν (κατὰ) τὰς ἐντολάς: Gebote nicht halten/tun (1 Hen 5,4) ἐπιθύειν δαιμονίοις: Dämonen opfern (1 Hen 19,1) ἐπιθυμεῖν: begehren (1 Hen 6,2) ἐπιπίπτειν: hereinbrechen (1 Hen 15,11) ἐρημοῦν: verwüsten [hier (pass): die Erde] (1 Hen 10,8) ἐσθίειν ()אכל:89 essen (1 Hen 7,4f) κατἐσθίειν τοὺς ἀνθρώπους: Menschen 90 fressen ἐξανιστάναι εἰς τοὺς υἱοὺς τῶν ἀνθρώπων καὶ τῶν γυναικῶν: sich erheben/aufstehen gegen die Menschen und Frauen (1 Hen 15,12) κίβδηλοι: Verworfene (1 Hen 10,9) τὰ πνεύματα τῶν κιβδήλων: Geister der Bastarde (1 Hen 10,15) κοιμᾶσθαι: [mit Frauen] schlafen (1 Hen 15,3) λαλεῖν ()מל]ל: reden, sagen λ. σκληρά: üble Rede [gegen Gott] reden λ. κατὰ Κυρίου: gegen den Herrn reden καταλαλεῖν (… ἐν στόματι ἀκαθαρσίας): böses [gegen Gott] reden (mit unreinem Mund) λαμβάνειν: [Frauen] nehmen (1 Hen 12,4) λυμαίνειν ἀνθρώπους: Menschen vernichten
Wächter Wächter Wächter Wächter Menschen Menschen Wächter Geister der Giganten Lehre ʿAśaʾels Giganten Giganten Geister der Giganten Giganten Menschen oder Geister der Giganten91 Wächter Menschen Menschen Menschen Menschen Wächter Geister der Engel92
4QEnb ar II 21 führt אכלauf, wohl in Bezug auf das Fressen der Nahrungsmittel der Menschen, wonach sie sich sodann gegen die Menschen selbst wenden. Weiter auch 4QEna ar III 21 (die Giganten fressen sich gegenseitig). 90 4Q201 III 19 weist an dieser Stelle (1 Hen 7,4) zunächst קטלauf. „[…] plotted to kill the men and [to consume them]”… cf. F. GARCÍA MARTÍNEZ/E. J. TIGCHELAAR, The Dead Sea Scrolls Study Edition, 402–403. 91 Siehe S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 530, Anm. zu Vers 15. 92 Cf. 1 Hen 19,1: … ἄγγελοι … καὶ τὰ πνεύματα αὐτῶν. Dabei stellt sich die Frage, ob mit den ‚Geistern der Engel‘ die ‚Geister der Giganten‘ gemeint sind. Da von ‚Geistern der Engel‘ oder Wächtern ansonsten nicht die Rede ist und diese Wendung hier singulär ist, ist davon auszugehen. Nickelsburg kommentiert: „Verse 1 agrees with chaps. 12–16 […] in teaching that the primordial punishment of the watchers did not end their evil influence in the world […] Since the angels are themselves imprisoned, ‚their spirits’ should be interpreted as functionally equivalent if not identical with ‚the evil spirits’ that went forth from 89
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Giganten Zustand der Erde Wächter Zustand der Erde Wächter Wächter Zustand der Erde Engel; (Menschen)93 Sterne Wächter Menschen Giganten Giganten/ Geister Geister der Giganten Giganten Geister der Giganten Wächter Geschehen auf der Erde Giganten Menschen Geister der Giganten Geister der Giganten
the bodies of the dead giants, according to 15:8–12.“ G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 287. 93 Nach varia lectio in 19,2: παρέβησαν καὶ ἐπλάνησεν τοὺς ἁγίους. 94 Nur GrPan; Syncellus und der äthiopische Text führen ‚böse‘ (πονηρός, bzw. ͗ekuyāna) auf. Uhlig und Nickelsburg folgen in ihren Übersetzungen beide Syncellus und dem Äthiopen. Siehe G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 267–268 und S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, 543. Black hingegen hält πνεύματα ἰσχυρά für ursprünglich und betrachtet ἰσχυρός als Wortspiel mit ( גברπνεύματα ἰσχυρά = )רוחות גברות, womit eine Anspielung auf die גברים, die Giganten (γίγαντες), vorliegt. Cf. M. BLACK/J. C. VANDERKAM, 1 Enoch, 152.
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2.3.1.2. Zusammenstellung
Für die Auswertung werden nun die Bezüge mit den ihnen zukommenden Wortfeldern thematisch zusammengestellt. 2.3.1.2.1. Ungerechtigkeit und Sünde
Ein breites, allerdings eher unspezifisches Themenfeld umschließt die sehr häufig verwendete Begriffe ἀδικία, ἁμαρτία und ἀσέβεια plus dazugehörige Verb- und Adjektivformen: ἀδικία/ἀδίκημα (ähnlich ἀνομία): Ungerechtigkeit, Unrecht, Schädigung95 Die Wächter lehrten ἀδικία/ἀδίκημα, ebenso wurde die Erde durch die Giganten mit (Blut und) ἀδικία gefüllt. Auch das Misshandeln (= Töten) der Menschen wird mit dem Verb ἀδικέω bezeichnet. Außerdem ist zu bemerken, dass dieses Wortfeld oft in Bezug zu Taten der Gewalt steht. Diese wiederum ist ein Charakteristikum der Giganten und deren Geister. Das Wortfeld ἀδικία/ἀδίκημα weist Bezüge zu den Wächtern, den Giganten, den Geistern der Giganten sowie dem Zustand der Erde auf. Menschen werden dabei lediglich als Opfer von ἀδικία/ἀδίκημα betrachtet, nicht aber als Täter. ἁμαρτία: Sünde ἁμαρτία ist der am häufigsten gebrauchte allgemeine Sündenbegriff in der LXX96 und begegnet in diesem Sinne auch an zahlreichen Stellen im Wächterbuch (21 Belege).97 Das Wortfeld ἁμαρτία bezeichnet Sünde im Sinne eines Vergehens vor Gott und den Menschen. Die ἁμάρτωλοι (ausschließlich Menschen) stehen im Gegensatz zu den Gerechten, wobei die Unterscheidung unter anderem für den Tag des Gerichts entscheidend ist. Der Begriff ἁμαρτία bezeichnet alle Vorgänge, die gegen eine gesetzte Ordnung verstoßen (so auch die ‚große Sünde‘ der Wächter) und wird demnach auch fast synonym oder zusammen mit ἀδικία und ἀσέβεια verwendet. Menschen und Wächter werden mit diesem Wortfeld gleichermaßen in Verbindung gebracht. ἀσέβεια: frevlerisches Verhalten Im klassischen Griechisch meint ἀσέβεια fehlendes ordnungsgemäßes Verhalten gegenüber den Göttern. In der LXX steht es für רשעund entspricht 95 Im Wächterbuch begegnen die verschiedenen Formen neunmal, davon fünfmal als ἀδικία, zweimal als ἀδικεῖν und zweimal als ἀδίκημα. 96 P. FIEDLER, Art. ἁμαρτία, 158. 97 Das Verb ἁμαρτάνειν begegnet fünf, ἁμάρτημα ein, ἁμαρτία neun und ἁμάρτωλος sechs Mal.
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in etwa ἁμαρτία,98 begegnet aber nicht ganz so häufig.99 In der Wächtererzählung bezeichnet ἀσέβεια den heillosen Zustand auf der Erde, nachdem die Menschen von den Wächtern instruiert wurden. Die Lehren der Wächter gelten als ‚Werke der ἀσέβεια‘. Die Wächter zeigen ἀσέβεια, die Menschen tun sie. Die aufgeführten Begriffe können als Überbegriffe bezeichnet werden, die schlechtes Tun bzw. Sein kennzeichnen. Es lässt sich keine deutliche Zuordnung oder Verbindung mit einzelnen Figuren oder Handlungen erkennen; insofern ist dieses Begriffsfeld relativ unspezifisch. 2.3.1.2.2. Illegitime Sexualität
Eines der größten und vor allem wirkungsträchtigsten Problemfelder der Wächtererzählung steht in Bezug zu illegitimer Sexualität. ἐπιθυμεῖν: begehren; λαμβάνειν: [Frauen] nehmen; κοιμάομαι: [mit Frauen] schlafen; γεννᾶν: zeugen Das Verb ἐπιθυμεῖν bezeichnet zunächst lediglich das Begehren und wird nicht spezifisch im Sinne sexuellen Begehrens verstanden; es wird nicht grundsätzlich negativ gewertet.100 In der Wächtererzählung führen Sehen und Begehren zum illegitimen Zeugen von Nachkommen. Begehren wird negativ gedeutet, weil und wenn es sich auf etwas ‚Verbotenes‘ bezieht. Die Verben λαμβάνειν und κοιμάομαι stehen sodann nur mit den Wächtern in Verbindung. Die Menschen bzw. die Frauen demgegenüber werden ihrer Verbindung mit den Wächtern wegen nicht angeklagt. Auch γεννᾶν ist nicht per se negativ: In 6,1 bezeichnet es die Tüchtigkeit der Menschen, gemäß der Schöpfungsordnung fruchtbar zu sein. Dass die Wächter hingegen Nachkommen zeugen, wird ihnen mehrfach zu Lasten gelegt, währendem das Zeugen gerade dieser Nachkommen den Frauen nie verübelt wird. Im Unterschied zu den Wächtern ist es für die Menschen richtig, Nachkommen zu zeugen. Dahinter steht die Vorstellung, dass jene sich als geistige, unsterbliche Wesen (15,4) nicht vermehren müssen (cf. 15,7), um ihre Art zu erhalten. Den Menschen, die sterblich und vergänglich geschaffen wurden, hat Gott demgegenüber Frauen gegeben, damit sie sich fortpflanzen können (cf. 15,5).
P. FIEDLER, Art. ἀσεβής, 405. Fünfmal als ἀσέβεια, einmal ἀσεβεῖν und sechsmal ἀσεβής. 100 Das zeigt sich u.a. im Gebrauch in der LXX, wo ἐπιθυμεῖν „[…] meist im ethisch neutralen Sinn den Menschen in seinem jeweiligen Aus-sein-auf bezeichnet […].“ H. HÜBNER, Art. ἐπιθυμία, 68. 98 99
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μ(ε)ιγνύειν: vermischen; μιαίνω: beflecken, besudeln, verderben, schänden μ(ε)ιγνύειν bezieht sich weder im Gebrauch der LXX noch grundsätzlich auf eine sexuelle Handlung; bei beiden Referenzen im Wächterbuch ist diese Implikation jedoch deutlich.101 10,11 beschreibt das Vermischen im Sinne der Unreinheitsthematik (s.u.); das Vermischen der Engel mit den Frauen führt zur Befleckung der Wächter.102 Darin zeigt sich wiederum die bereits genannte Grundproblematik der Ordnungsübertretung. ἀκαθαρσία: Unreinheit, Verdorbenheit Mit ἀκαθαρσία wird einerseits die Verunreinigung der Wächter an der Unreinheit der Frauen (10,11, s.o.) bezeichnet, andererseits der Zustand der Erde (10,20.22) und das Freveln der Menschen (5,4). Der Bezug ist wiederum (illegitime) Sexualität bzw. Vermischung. πορνεία: Unzucht; κίβδηλος und πνεύματα τῶν κιβδήλων: Bastarde (bzw. Gepanschte) und deren Geister Da die Zeugung der Giganten als als illegitimer Akt bewertet wird, gilt sie als πορνεία (illegitime geschlechtliche Aktivität). Die Giganten werden sodann als υἱοι τῆς πορνείας bezeichnet. Eine weitere Bezeichnung für die Giganten ist κίβδηλοι (9,9; 10,9). Die Giganten selbst und ihre Geister (πνεύματα τῶν κιβδήλων, 10,15) werden als ‚gepanscht‘ bezeichnet; somit wird wiederum auf die Vermischung angespielt. Als gepanschte Wesen sind die Giganten schließlich ‚unrein‘. Negativität in Bezug auf Sexualität wird fast ausschließlich mit den Wächtern in Verbindung gebracht. Die Grundproblematik ist dabei nicht die Sexualität als solche; die Fortpflanzung der Menschen wird für gut erachtet, weil sie dem Schöpfungsauftrag der Menschen entspricht. Vielmehr wird problematisiert, dass die Wächter ‚wie die Menschen‘ handeln. Hinzu kommt, dass sie sich durch ihr illegitimes Handeln verunreinigen. Vermischung und Verunreinigung sind sich in diesem Zusammenhang inhaltlich nahe und bedingen einander. 2.3.1.2.3. Lehren
Neben der Vermischung werden die Wächter sodann mit Lehren assoziiert, die sich schädlich auf den Zustand der Welt auswirkt. 101 10,11: καὶ εἶπεν Μιχαήλ· Πορεύου καὶ δήλωσον Σεμιαζᾷ καὶ τοῖς λοιποῖς τοῖς σὺν αὐτῷ ταῖς γυναιξὶν μιγεῖσιν, μιανθῆναι ἐν αὐταῖς ἐν ἀκαθαρσίᾳ αὐτῶν. Und 19,1: Καὶ εἶπέν μοι Οὐριὴλ Ἐνθάδε οἱ μιγέντες ἄγγελοι ταῖς γυναιξὶν στήσονται […]. 102 Mit sechs Belegen ist dieser Aspekt relativ häufig. Vermutlich ist mit der Unreinheit der Frauen das Menstruationsblut gemeint.
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διδάσκειν: lehren Nachdem die Wächter auf die Erde gekommen sind und sich Frauen genommen haben, beginnen sie, verschiedene Kulturtechniken und andere Praktiken zu lehren (7,1):103 καὶ ἐδίδαξαν αὐτὰς φαρμακείας καὶ ἐπαοιδὰς καὶ ῥιζοτομίας, καὶ τὰς βοτάνας ἐδήλωσαν αὐταῖς. Hier sind zunächst die Frauen Empfängerinnen der Lehren, in 8,1.3 scheint die Menschheit als Ganze betroffen zu sein.104 Die Verbreitung dieser Lehren bzw. deren Anwendung durch die Menschen führt zur Gottlosigkeit auf Erden.105 Hier wird erklärt, warum Menschen Kulturtechniken beherrschen, die zu Unheil führen. 2.3.1.2.4. Gewalt
Während mit den Wächtern vor allem die Thematik der illegitimen Sexualität oder der Vermittlung von Wissen in Verbindung gebracht wird, werden deren Nachkommen, die Giganten, in erster Linie mit Gewalteinwirkung assoziiert. ἀδικεῖν τοὺς ἀνθρώπους: Menschen misshandeln; κατἐσθίειν τοὺς ἀνθρώπους: Menschen fressen Die riesigen Nachkommen von Frauen und Wächtern wenden sich aufgrund ihres ‚gigantischen Hungers‘ gegen die Menschen und fressen sie (10,15). ἀφανίζειν: zerstören; ἡ γῆ ἐπλήσθη αἵματος καὶ ἀδικίας: die Erde wurde mit Blut und Unrecht gefüllt ἀφανίζειν heißt wörtlich ‚unsichtbar/unansehnlich machen‘. Bezeichnet wird damit einerseits das Zerstören der Wege der Menschen (8,2),106 andererseits die Destruktion der Erde durch die Giganten. Mit neun Belegen, acht davon zwischen 6–16, ist dies das häufigste Wort das mit Gewaltausübung in
Cf. auch 4QEna ar III 15. 4QEna ar IV 1–5. 105 Cf. 8,2: καὶ ἐγένετο ἀσέβεια πολλή, καὶ ἐπόρνευσαν καὶ ἀπεπλανήθησαν καὶ ἠφανίσθησαν ἐν πάσαις ταῖς ὁδοῖς αὐτῶν. 106 8,4 entspricht 7,6 und steht wohl eher in diesem Kontext, so Nickelsburg: „It must have been inserted when this chapter was added in order to continue the flow of the narrative, which had been interrupted by the disgression.“ G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 201. 103 104
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Verbindung gebracht wird;107 es wird sowohl auf die Giganten als auch auf die Taten ihrer Geister bezogen. ἐπιπίπτειν: hereinbrechen; ἐξανιστάναι: sich erheben; λυμαίνειν ἀνθρώπους: Menschen zerstören; συμπαλαίειν: kämpfen, ringen; συρρίπτειν: zusammenwerfen, zerstören Sämtliche dieser Verben beschreiben die Taten der Geister der Giganten. Diese werden sodann folgerichtig als πνεύματα ἰσχυρά (‚starke/gewalttätige Geister‘, 15,8) und πνεύματα πονηρά (‚böse Geister‘, 15,9) bezeichnet. Opfer der geschilderten Gewalttaten sind zumeist die Menschen, im Weiteren sodann die gesamte Schöpfung. Das Schreien der Erde und die Klage der misshandelten Seelen der Menschen können schließlich als Wendepunkt der Erzählung bezeichnet werden, da in der Folge von Gottes Eingreifen berichtet wird. Möglicherweise lässt die ausführliche Darstellung der Gewalterfahrung auf einen realhistorischen Hintergrund schließen. 2.3.1.2.5. Gebotsübertretung und Lästerung
Einführend ist hier zu bemerken, dass die Thematik von Gebortsübertretung und Lästerung zumeist nicht in der eigentlichen Wächtererzählung 6–16 begegnet, sondern in den Kapiteln 1–5, wo sich eine allgemeine Einleitung zum Gericht über Sünder und Frevler findet.108 Somit gehört diese Thematik wohl der ursprünglichen Henoch-Tradition an und ist eher im Zuge von der Feststellung der Verderbtheit der Erde in Gen 6 zu betrachten; Gebotsübertretung und Gotteslästerung werden also zumeist nicht mit den Wächtern in Verbindung gebracht. (κατα)λαλεῖν (ἐν στόματι ἀκαθαρσίᾳ): im Munde der Unreinheit reden; κατηραμένοι: Lästerer; λαλεῖν σκληρά: Übles reden; λαλεῖν κατὰ Κυρίου: gegen den Herrn reden Diese erste Verbgruppe bezieht sich auf schändliches Reden über Gott, womit ausschließlich ein Vergehen der Menschen bezeichnet wird. Sie lästern Gott mit unreinen Worten, schmähen ihn und reden Übles über ihn. Diese Taten stehen an keiner Stelle in Zusammenhang mit dem Tun und/oder Lehren der Wächter.
107 8,2 (Bezug: Menschen); 10,7 (Wächter); 10,8 (durch die Werke ʿAśaʾels); 10,14 (Menschen, im Gericht); 12,4 (Wächter); 15,11 (Geister der Giganten); 16,1 (Geister der Giganten); 22,7 (‚Nachkommenschaft Abels‘, passiv). 108 (κατα)λαλεῖν (ἐν στόματι ἀκαθαρσίᾳ) e.g. findet sich in 1,9 und 5,4, κατηραμένοι in 5,5.6 und 22,11, λαλεῖν σκληρά in 1,9 (cf. 5,4) und λαλεῖν κατὰ Κυρίου in 5,4.
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οὐ μένειν/ποιεῖν (κατὰ) τὰς ἐντολάς: die Gesetze nicht halten, nicht gemäß den Gesetzen handeln; παραβαίνειν: übertreten; παραβαίνειν πρόσταγμα: Gesetze übertreten; παραβαίνειν ἐπιταγήν: Gebot übertreten Hier wird das Nicht-Einhalten von Geboten thematisiert, was als Grundmerkmal des sündigen Verhaltens der Menschen betrachtet wird. Das nichtEinhalten von Geboten kann sodann auch in Zusammenhang mit der Lästerung Gottes stehen.109 Die Begriffe παραβαίνειν πρόσταγμα/ἐπιταγή (18,15; 21,6) beziehen sich auf Sterne, die nicht der gegebenen Ordnung nach erscheinen. Auch Sterne bewegen sich in vorgegebenen Bahnen und gehen nach vorgegebenen Zeiten auf und unter.110 Damit findet sich ein Berührungspunkt zwischen dem ‚Abirren‘ der Sterne und demjenigen der Menschen.111 In 19,2 werden auch die Engel (wegen den Frauen) als Übertreter bezeichnet. Somit findet sich das Ordnungsdenken und die Vorstellung, dass Menschen, Gestirne und himmlische Wesen sich an die von Gott gegebene Ordnung zu halten haben auch in den Teilen von 1 Henoch, die Sünde unabhängig vom Wächterfall thematisieren. ἐπιθύειν δαιμονίοις: Dämonen opfern Dämonen zu opfern gilt als Götzendienst, dessen sich die Menschen schuldig machen. Allerdings werden sie durch Wächter und Geister dazu verführt (19,1).112 2.3.1.3. Zusammenfassung und weiterführende Fragestellungen
Die vorangehende Untersuchung hat die Themenfelder von Negativität, welche im Wächterbuch dargelegt werden, vor Augen geführt. Dabei werden einzelne Themenkreise zumeist mit unterschiedlichen Figuren assoziiert: Das Vergehen der Wächter besteht im Überschreiten von Grenzen und im Durchbrechen festgesetzter Ordnungen: Sie verlassen den Himmel und verun109 So e.g. 5,4: …ὑμεῖς δὲ οὐκ ἐνεμείνατε οὐδὲ ἐποιήσατε κατὰ τὰς ἐντολὰς αὐτοῦ [sc. Gott], ἀλλὰ ἀπέστητε καὶ κατελαλήσατε μεγάλους καὶ σκληροὺς λόγους ἐν στόματι ἀκαθαρσίας ὑμῶν κατὰ τῆς μεγαλωσύνης αὐτοῦ. 110 In 2,1 beispielsweise werden kosmische Werke wie Himmel und Sterne als Vorbilder dargestellt, da sie die vorgegebenen Bahnen nicht übertreten: Κατανοήσατε πάντα τὰ ἔργα ἐν τῷ οὐρανῷ, πῶς οὐκ ἠλλοίωσαν τὰς ὁδοὺς αὐτῶν, καὶ τοὺς φωστῆρας τοὺς ἐν τῷ οὐρανῷ ὡς τὰ πάντα ἀνατέλλει καὶ δύνει, τεταγμένος ἕκαστος ἐν τῷ τεταγμένῳ καιρῷ, καὶ ταῖς ἑορταῖς αὐτῶν φαίνονται, καὶ οὐ παραβαίνουσιν τὴν ἰδίαν τάξιν. 111 Wird die Tier-Symbol-Apokalypse (1 Hen 83–91) berücksichtigt, kann das Tun der Engel hier miteinbezogen werden. 112 Ἐνθάδε οἱ μιγέντες ἄγγελοι ταῖς γυναιξὶν στήσονται, καὶ τὰ πνεύματα αὐτῶν πολύμορφα γενόμενα λυμαίνεται τοὺς ἀνθρώπους καὶ πλανήσει αὐτοὺς ἐπιθύειν τοῖς δαιμονίοις […].
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reinigen sich an Frauen, indem sie sich mit ihnen vermischen und Nachkommen zeugen. Zudem stellt auch ihre illegitime Lehrtätigkeit eine Grenzüberschreitung dar, insofern nämlich die Menschen zu Wissen gelangen, das nicht für sie intendiert gewesen wäre und mit dem sie nicht umzugehen wissen. Innerhalb des im henochischen Schrifttum so bedeutenden Ordnungsdenkens gelten die Wächter als erste Sünder. Die von Wächtern und Menschen abstammenden Giganten und die wiederum von diesen ausgehenden Geister werden vor allem mit Attributen der Gewalt gekennzeichnet, welche sich vornehmlich gegen die Menschen richtet. Die Gewalt umfasst willkürliches Töten und Zerstörung, womit der der existenziellen Bedrohung des Menschen durch Gewalteinwirkung (und Krieg) Ausdruck verliehen wird. Im Trinken des Blutes wird sodann die äußerste Perversion und Blutrünstigkeit zur Sprache gebracht. Die Menschen schließlich erleiden diese Gewalt und sind zunächst deren Opfer. Ihr eigenes Vergehen wird zumeist mit den Begriffen ‚Sünde‘, ‚Ungerechtigkeit‘ und ‚Gottlosigkeit‘ (z.T. auch ‚Götzendienst‘) beschrieben. Zum Teil wird dieses auch unabhängig von den Lehren der Wächter verstanden. In Kontinuität zu den Lehren der Wächter führen sie das von jenen gelernte weiter, wodurch Unheil entsteht. Somit werden die Menschen in einem zweiten Interpretationsschritt zu Mittätern, die das initiierte Übel weiterführen. Als vorläufiges Fazit lässt sich festhalten, dass sich die Ursprünge des Übels auf der Welt ursächlich im Überschreiten von Grenzen und der damit verbundenen Zerstörung der göttlichen Ordnung zeigen: Indem die ‚natürlichen Abläufe‘ gestört werden entsteht Chaos. Die Vorstellung des Ordnungsdenkens soll hier nun weiterführend erläutert werden. 2.3.2. Ordnungsdenken
Die Vorstellungswelt des Wächterbuches ist von einem spezifischen Ordnungsdenken geprägt, welches auch in den anderen unter 1 Hen gesammelten Schriften zum Ausdruck kommt. In der vorangegangenen Analyse sind diese Vorstellungen bereits ersichtlich geworden: Die ‚Sünde‘ der Wächter besteht vor allem im Verlassen des Himmels (des ihnen zugedachten Raumes). Die Anklagen gegen die Wächter beziehen sich sodann auf deren ‚menschliches‘, also nicht ‚artgemäßes‘ Tun (das ‚Nehmen‘ von Frauen und das Zeugen Nachkommen) sowie das Einführen bestimmter Kulturtechniken und Fähigkeiten (wie Verführungskunst, Magie oder Gewalt), welche die Welt ins Unheil stürzen.
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2.3.2.1. Zur Vorstellung kosmischer Ordnung
In der Vorstellung kosmischer Ordnung, wie sie im ersten Henochbuch begegnet, wird ein reibungsloser Ablauf ordnungsgemäßer Vorgänge vorausgesetzt. Die schöpfungsgemäße Ordnung gilt sodann als Gerechtigkeit, während der Bruch oder die Störung dieser Ordnung als Ungerechtigkeit gilt (s.u.). Das Funktionieren der Natur ist gottgewolltes Gesetz, wobei die Ordnung bzw. das Gesetz darin besteht, dass alle Schöpfungswerke tun, wofür sie intendiert wurden. Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen:113 1) 1 Hen 2,1–2: „Beobachtet alle Werke am Himmel, wie sie nicht ihre Bahnen ändern, die Lichter am Himmel, wie sie alle ordnungsgemäß aufgehen und untergehen, alle zu ihrer Zeit und nicht von ihrer Ordnung abweichen. Sehet die Erde und achtet auf die Dinge, die auf ihr geschehen vom Anfang bis zum Ende, wie sich kein Werk Gottes verändert in seinem Erscheinen.“ 2) 1 Hen 5,1b-2: „Begreift alles und erkennt, wie das alles der gemacht hat, der da lebt in Ewigkeit, und wie seine Werke vor ihm geschehen jedes Jahr und alle seine Werke ihm dienen und sich nicht ändern, sondern wie Gott es geboten hat, so geschieht alles.“ Somit wird der fehlerfreie Ablauf als Folgsamkeit bewertet; indem die Schöpfungswerke ihre Aufgabe erfüllen, dienen sie Gott.
Das wohl etwas ältere astronomische Henochbuch (1 Hen 72–82) entstammt derselben Vorstellungswelt wie das Wächterbuch, auch wenn die Überlieferungen der Wächtererzählung und das astronomische Buch aus ehemals verschiedenen Traditionen stammen. Auch das astronomische Buch zeigt Aspekte einer klar strukturierten Schöpfungsordnung, beispielsweise indem klare numerische Strukturen von Mond- und Sonnenlauf vorgeführt werden. Mathematischer Regelmäßigkeit und Ordnung kommt höchste Bewunderung zu:114 Die Kapitel 72–74 beschreiben die Ordnung von Sonne und Mond, deren Beschaffenheit, Fortbewegung und Lauf. In Kapitel 80 offenbart Uriel Henoch, was in den ‚Tagen der Sünder‘ geschehen wird, nämlich u.a. die Abweichung der Gestirne von ihrem gegebenen Lauf.115 Damit ist eine gewisse Spannung zu den Kapiteln 2-5 gegeben, wobei dort der ‚Normalzustand‘ beschrieben wird und in 80 die ‚Tage der Sünder‘.
Im Anschluss an Hans Heinrich Schmid kann festgehalten werden, dass das Einhalten von Ordnung im alttestamentlichen Sprachgebrauch eng mit dem Begriff Gerechtigkeit ( ) ֶצ דֶ קverbunden ist. So stehen die Bereiche Recht, Weisheit, Natur und Fruchtbarkeit, Krieg (im Sinne des Sieges über Feinde), Beide Beispiele entstammen nicht der Kernerzählung des Wächterbuches, sondern befinden sich in den Kapiteln 1–5. Gleichwohl ist eben dieses Ordnungsverständnis dann auch in der Kernerzählung vermutlich vorauszusetzen. 114 Cf. dazu M. ALBANI, Astronomie und Schöpfungsglaube, 100. 115 Die Folgen werden nicht betrachtet, doch sind kalendarische Auswirkungen zu vermuten, v.a. in Bezug auf den Lauf des Mondes. Cf. G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, 1 Enoch 2 (Commentary), 525. 113
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Kult und Opfer sowie das Königtum oftmals in Zusammenhang mit der Wurzel צדק.116 Die Kapitel 2–5 des Wächterbuches zeigen sodann , dass diese Ordnung nicht wie ein Mechanismus funktioniert, der automatisch oder gleichsam mechanisch abläuft, sondern dass jedes Glied zur Erhaltung der Ordnung beiträgt (cf. 1 Hen 2,1); dieselbe Vorstellung findet sich auch im astronomischen Henochbuch: „Die Gestirne werden […] als bewusste Wesen vorgestellt, die ihren Lauf entsprechend dem göttlichen Gesetz vollziehen, und daher als ‚gerecht‘ gelten.“.117 Die Gestirne sollen sich nach der ihnen vorgegebenen Bahn und den dazu vorgegebenen Zeiten bewegen. Die Abweichung von der (implizierten) Ordnung, die in Bezug auf Gestirne beobachtet werden kann,118 wird somit im Horizont von Gesetzestreue gedeutet.119 Somit scheint es einen sachlichen (aber nicht kausalen) Zusammenhang zwischen den Gestirnen und den Wächtern zu geben. In 82,4–20 wird zudem darauf hingewiesen, dass nicht nur das nicht ordnungsgemäße Handeln der Gestirne als Sünde bezeichnet werden kann, son-
Cf. H. H. SCHMID, Gerechtigkeit als Weltordnung, 14–23. M. ALBANI, Astronomie und Schöpfungsglaube, 105. Andererseits wird in der Sünde der Grund für die Veränderung gesehen; so wird in 80,2–8 die Verkehrung der Naturordnung vorausgesagt, die sich in den ‚Tagen der Sünder‘ ereignen wird. Siehe dazu G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, 1 Enoch 2 (Commentary), 523. Weiter kann dabei ein Bezug zu Texten wie Jer 5,24–25 gesehen werden: „24 Und nie haben sie in ihrem Herzen gesagt: Lasst uns den HERRN, unseren Gott, fürchten, der Regen gibt, Frühregen und Spätregen zur rechten Zeit, die Wochen der Erntefrist sichert er uns. 25 Eure Verschuldungen haben dies gestört, und eure Sünden haben das Gute von euch fern gehalten.“ Cf weiter auch Am 4,7. Ähnliche Zusammenhänge zwischen gerechtem Verhalten und dem Erscheinen von lebensnotwendigen Naturerscheinungen wie Regen finden sich beispielsweise in Lev 26,3–4, Dtn 11,13–14; 28,12 und Ez 34,26. Dazu M. ALBANI, Astronomie und Schöpfungsglaube, 114 und G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, Op. cit., 524. 118 Veronika Bachmann schließt von dieser Beobachtung des Abweichens auf die prinzipielle Freiheit der Geschöpfe, die Ordnung zu halten: „Dass die Geschöpfe – nicht nur Menschen, sondern z.B. auch Gestirne, die durch das Erfüllen ihres Ordnungsauftrages ihren Teil zur Gesamtordnung beitragen – prinzipiell frei darin sind, das Gute oder das Schlechte zu wählen, unterstreicht die Analogie zwischen der Vorstellung weltlicher Herrscher und der Vorstellung von Gott als Universalherrscher. Wie ein weltlicher Herrscher hat sich Gott der Gefahr zu stellen, dass es Abtrünnige geben kann, also Wesen, die sich nicht an die vorgegebene Ordnung halten.“ V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand, 113. Cf. dazu 1 Hen 18,14–16 (Sterne sind nicht zu ihrer Zeit hervorgekommen); 21,6 (Sterne haben das Gebot übertreten). Im Text selbst sind dahingehende Äußerungen allerdings nicht direkt zu finden. 119 Mit ‚Planeten‘ (πλανῆται) wurden irrende/wandernde Sterne bezeichnet (πλανάω, ‚umherirren‘). 116 117
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dern auch das falsche Wahrnehmen und Berechnen der Schöpfungsordnung.120 Schließlich sei hier festgehalten, dass die Verletzung der Ordnung Gottes nirgends mit dem Brechen der Gebote der Torah gleichgesetzt wird, was die Bedeutung der Torah in der henochischen Tradition in Frage stellt. Diesbezüglich könnte argumentiert werden, dass Mose in der fiktionalen Zeit der Erzählung noch nicht geboren wurde und die Geschichte Henochs und der Wächter chronologisch vor der Gabe der Torah angesiedelt sei. Das Fehlen jeglicher Torah-Allusionen lässt gleichwohl die Frage aufkommen, wie deren Stellenwert im frühen henochischen Schrifttum und den dahinterstehenden Gruppen zu bewerten ist. John Collins hält fest, dass dieses Fehlen nicht nur auf das zeitliche Setting der Erzählung zurückgeführt werden kann. Auch das Jubiläenbuch spielt vor der Zeit Moses, und doch finden sich darin Anklänge an das Gesetz. Er geht eher davon aus, dass die Torah für die henochische Tradition wohl nicht identitätsbestimmend gewesen ist. 121 Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass der Schöpfungsordnung bzw. dem Ordnungsdenken der Stellenwert des Gesetzes zukommt. Infolgedessen ist auch begreiflich, warum das Brechen dieser Ordnung als zentrales Problem betrachtet worden ist. 2.3.2.2. Bruch der Ordnung
Nach dem vorgestellten Ordnungsdenken gerät die Welt durch die Störung der geschaffenen Ordnung aus den Fugen, Ordnung verkehrt sich in Chaos. Die menschlichen Verhältnisse auf der Welt werden grundlegend und dauerhaft umgestaltet,122 wobei sich auch die Frage nach dem realhistorischen Erfahrungshintergrund stellt. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass die Texte ihre Plausibilität mit der Veränderung des Kontextes offenbar nicht verloren haben und auch noch für spätere Generationen Legitimität und Gültigkeit besessen haben. 120 Cf. e.g. 82,4a: „Selig sind alle Gerechten, selig sind alle die, die auf dem Wege der Gerechtigkeit wandeln und nicht sündigen wie die Sünder nach der Zahl all ihrer Tage, an denen die Sonne am Himmel geht…“ Aus dem folgenden Zusammenhang wird deutlich, dass die Epagonaltage (die dem Jahr hinzugefügten vier Tage zur Scheidung der vier Jahreszeiten) durch die Sünder nicht nach der Ordnung berechnet werden, wodurch ein 360statt 364-Tage-Jahr gebildet wird. Im Hintergrund dieser Auseinandersetzung steht die Argumentation für einen nach der Sonne ausgerichteten Kalender. 121 J. J. COLLINS, Theology and Identity in the Early Enoch Literature, 58; 61. Demgegenüber versucht Mark Elliott wenig überzeugend zu zeigen, dass sich im Wächterbuch dennoch „covenantal language“ finde. So möchte er beispielsweise anhand von den Kategorien Segen und Fluch (1 Hen 28–36) eine Nähe zum Ende des Deuteronomiums nachweisen; cf. M. ELLIOTT, Covenant and Cosmology, passim. 122 Cf. K. KOCH, ‚Adam, was hast Du getan?‘, 187.
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Der Bruch der Ordnung wird im Wächterbuch anhand zweier Themenkreise erläutert: 1) Auf der einen Seite steht der Zusammenhang von Wächtern, Frauen, Giganten und Geistern, 2) auf der anderen die Thematik der Wissensvermittlung. Ad 1) Nach der im Wächterbuch implizierten Ordnung Gottes ist der Platz der Wächter ‚im Himmel‘, wo sie als unsterbliche Wesen keiner Fortpflanzung bedürfen. Indem sie den Himmel verlassen um Nachkommen zu zeugen, übertreten die ihnen vorgegebenen Grenzen. So wird beispielsweise in 15,4–6 deutlich gemacht, dass das Zeugen von Nachkommen nach der Ordnung Gottes für die Wächter nicht vorgesehen war. Durch die Vermischung mit Frauen werden die Wächter dann auch verunreinigt. 123 Problematisiert wird somit zuerst die Ordnungsübertretung und nicht eine konkrete Tat an sich: „[…] the Watchers‘ sin is that they ‚left heaven‘ and ‚did what the sons of earth do‘ in order to beget sons. The indictment shows that the point at issue is not the transgression of some commandment or another, but, literally, the transgression of the separations which God created.“124 Wenn David Suter die Wächter als Chiffre für die sexuell verunreinigte Jerusalemer Priesterschaft interpretiert, verkennt er eben diese Tatsache.125 Sexualität als solche wird dann erst in der Rezeption der Wächtererzählung zum moralischen Problem. Das Vergehen der Wächter wird von einigen Forschern als Akt der Rebellion oder der Verschwörung gegen Gott interpretiert, so Marie-Therese Wacker, Paul Hanson und Claudia Losekam.126 Die Textanalyse hat demgegenüber gezeigt, dass das Vorhaben der Wächter nur schwerlich als aufrührerisches Komplott gedeutet werden kann. Die Grundintention der Wächter wird in keinem Moment im Sinne einer Auflehnung oder Rebellion gedeutet. Der Ordnungsbruch geschieht zwar bewusst, und insofern ist dem Ansatz von Paul Hanson auch zuzustimmen, gleichwohl liegt hier aber kein Vergehen um des Aufstandes willen und somit auch keine Verschwörung vor. Die Wächter 123 Cf. auch I. FRÖHLICH, Evil in Second Temple Texts, 32. Vermutlich ist in dieser Verunreinigung die Begründung für ihren ‚Ausschluss‘ aus dem Himmel zu suchen. 124 E. J. TIGCHELAAR, Prophets of Old, 193. Nickelsburg zeigt sodann, dass ἁμαρτία μεγάλη (bzw. die חטאה גדלה/ )פשע רבim biblischen und postbiblischen Gebrauch ‚Ehebruch‘, ‚Inzest‘, ‚Idolatrie‘ und möglicherweise auch ‚Mord‘ bedeutet. Er schlägt vor, dass der Begriff hier im Sinne sexueller Beziehungen zwischen „forbidden degrees“ zu verstehen ist. 125 D. SUTER, Fallen Angel, Fallen Priest, 124–131. 126 Cf. M.-T. WACKER, Weltordnung und Gericht, 298–299 und C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 70. In vier Punkten erläutert Paul Hanson die Konstruktion der Auflehnung gegenüber Gott: „(1) The mixed procreation transgresses the separation of heaven and earth; (2) Šemiḥazah expresses his fears regarding ‚the penalty of great sin‘; (3) the formality of the oath procedure bespeaks the gravity of the act; (4) Mount Hermon is one of the cosmic mountains, and hence descent upon it by the rebellious angels symbolizes and attack on the Divine King enthroned thereupon […]“. P. D. HANSON, Rebellion in Heaven, 199.
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‚verschwören‘ sich lediglich, indem sie sich gegenseitig durch einen Fluch binden (6,3). Es kann hingegen von keiner Absicht, sich gegen Gott aufzulehnen, die Rede sein. Zudem spricht gegen den Begriff Rebellion, dass die Depotenzierung des Herrschers bzw. Königs an keiner Stelle zur Debatte steht. Die Wächter folgen letztlich bloß ihrem Begehren.127 Durch die Giganten, die aus dem Begehren der Wächter heraus entstehen, erfährt die Welt Gewalt und wird in Unordnung gestürzt. Dieses Chaos wird zunächst einmal durch die wütenden Giganten dargestellt. George Nickelsburg schlägt vor, dies auf dem Erfahrungshintergrund der Feldzüge der Diadochen zu interpretieren, merkt aber selbst an, dass das kaum beweisbar ist.128 John Collins erachtet Nickelsburgs Hypothese für möglich, hält aber zugleich fest, dass der Mythos auch später rezipiert wurde und so auch eine Bedeutung für spätere Generationen hatte, unabhängig von der ‚ursprünglichen‘ historischen Situation. „[…] we cannot confine the application of the myth to the periods of outright warfare. It could apply to the general conditions of Hellenistic rule in the east at any point in the third century. In any case the myth, as it now stands in combination with the ʿAśaʾel story, must have been reapplied to other situations after the wars of the Diadochoi.”129 Der Gewalt durch die Giganten wird durch Gottes (angekündigtes) Eingreifen zwar ein Ende gemacht, dennoch bleibt die Welt durch das Weiterwirken von bösen Geistern gestört. Mit dieser Situation wird der ‚JetztZustand‘, d.h. der ‚gegenwärtige‘, unheilvolle Zustand der Welt angesprochen. Dabei mag gegebenenfalls eine konkrete Situation beschrieben werden, zugleich wird ein andauernder Zustand vor Augen geführt: Die Welt ist nicht in Ordnung und wird durch unerklärliches, unsichtbares, hereinbrechendes, nicht greifbares Böses heimgesucht. Max Küchler führt dazu den Begriff der ‚Dämonie der Begierde‘ ein: „Die Dämonie der Begierde besteht nach Hen 6–11 darin, dass sie das Dämonische in die Welt gebracht hat, und dies im Sinn des alles zerstörenden Bösen, das die menschliche, tierische und kosmische Ordnung (Gottes) durcheinanderbringt.“ M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 257. Begierde sollte allerdings nicht vornehmlich als geschlechtliche Begierde interpretiert werden, sondern vielmehr grundsätzlich als Begehren dessen, was nicht im Rahmen der eigentlichen Möglichkeiten liegt. 128 Die Hypothese wird unter anderem dadurch gestützt, dass sich sowohl Giganten als auch Diadochen gegenseitig vernichteten, wobei sie auch dem Land immensen Schaden zufügten. Zudem haben einige der Diadochen behauptet, göttlicher Abstammung zu sein. Die Wächtererzählung wäre insofern als Parodie der Diadochenherrschaft zu betrachten. G. W. NICKELSBURG, Apocalyptic and Myth, 391; 396–397. Dass solche Zuordnungen schwierig und problembeladen sind, zeigt sich auch bei der Auslegung anderer apokalyptischer Texte wie Dan 12 oder der Offenbarung des Johannes. Zeitgeschichtliche Zuordnungen sind zwar oft plausibel, bleiben aber dennoch auf hypothetischer Ebene. 129 J. J. COLLINS, The Apocalyptic Technique, 98. Und weiter E. J. TIGCHELAAR, Prophets of Old, 178. 127
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Ad 2) Der zweite Themenkreis dreht sich um die Vermittlung diverser Kulturtechniken. Diese wird mit der ‚Familiengründung‘ der Wächter verknüpft bzw. mit dem Leben der Wächter unter den Menschen. Auch die Wissensvermittlung hat ordnungsverletzenden Charakter130 und zwar insofern, als die Menschen durch die Lehren der Wächter ‚korrumpiert‘ werden bzw. die Sünden der Menschen auf die Lehren der Wächter zurückgeführt werden. Die Menschen verbreiten Gottlosigkeit auf der Welt, welche sich in kriegerischen Tätigkeiten, Unzucht und magisch-mantischen Praktiken manifestiert. So ist der Ursprung der Übertretung zwar bei den Wächtern zu suchen, doch werden die Menschen schließlich zu Mittätern (cf. 8,2, v.a. aber 16,3: „… durch dieses Geheimnis vermehren die Frauen und Männer das Böse auf Erden“).131 Somit ist das Ereignis der Vergangenheit (Lehren) für die Gegenwart und deren Schlechtigkeit (Krieg und Gewalt, Unzucht und Götzendienst) maßgeblich bestimmend. Es wird gelegentlich vorgeschlagen, die Lehren der Wächter als eine Form von Kulturkritik zu interpretieren:132 So vermutet Loren Stuckenbruck, dass die Lehren der Wächter Kulturaspekte wiederspiegeln, die als Bedrohung betrachtet und zurückgewiesen wurden: „It is possible that the attribution of these teachings to the fallen angels represent a protest against trends associated with the growing influence of Hellenistic culture and/or a perceived corruption among the priesthood […]“133 Sind die problematisierten Kulturtechniken und Verhaltensweisen nun über die hellenistische Kultur in die eigene eingedrungen oder fanden sie sich im näheren Umfeld vor, ist allerdings se130 Wissen wird aber nicht an sich negativ gewertet, denn auch Henoch ist Empfänger von himmlischem Wissen. Die Verfasserschaft der henochischen Tradition „[…] denkt also dualistisch, doch nicht im kosmischen, sondern im noetischen Sinn. Menschliche Erkenntnis hat zwei Gesichter, kann zu gutem wie zu bösem Handeln ausschlagen […].“ K. KOCH, ‚Adam, was hast Du getan?‘, 192. Cf. auch M.-T. WACKER, Weltordnung und Gericht, 299–300. 131 Cf. dazu V. BACHMANN, Wenn Engel gegen Gott freveln, insb. 95–101. 132 Die Diskussion um hellenistische Einflüsse ist in den letzten Jahren teilweise in den Hintergrund getreten, weil man sich vermehrt mit der These des sog. Enochic Judaism beschäftigt hat. Wird von einem Schisma im Judentum zwischen henochischem und priesterlichem, sog. zadokischem (mosaisch geprägten) Judentum ausgegangen, wäre die Polemik im Wächterbuch weniger gegen eine fremde (hellenistische) Kultur gerichtet ist, sondern vielmehr gegen eine andere Akzentsetzung der eigenen. 133 L. T. STUCKENBRUCK, The Origins of Evil in Jewish Apocalyptic Tradition, 100, Anm. 28. Siehe auch J. J. COLLINS, Theology and Identity in the early Enoch Literature, 60: „Implicit in this narrative is the judgment that cultural innovation is bad, especially when it is accompanied by fornication. These chapters [sc. Kapitel 7 und 8] are often, plausibly, read as an indirect expression of the author's reaction to the novelties of the Hellenistic age, which was marked by technological progress, on the one hand, and exposure to Greek attitudes to the human body and sexuality, on the other.“ Weiter A. Y. REED, Fallen Angels, 37–44.
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kundär, zumal auch für spätere Leser. Bei der Erwägung der Lehren fällt sodann v.a. auf, „[…] dass es bei der Aufzählung durchwegs um Wissen und Techniken geht, die das Verlangen zu fördern und zu stillen helfen, mehr zu wollen als das, was Gott den Menschen zugewiesen hat.“134 Indem das für schädlich erachtete Wissen auf ‚außerweltliche‘ Einflüsse zurückgeführt wird, wird erläutert, warum Menschen Fähigkeiten besitzen, die zu Gewalt oder moralischem Zerfall führen. Außerdem werden gewisse Kulturtechniken nicht nur abgewertet, sondern gleichsam ‚dämonisiert‘. Nach dem Wächterbuch waren die angesprochenen Techniken den Menschen gemäß der Schöpfung nicht zugedacht. So werden sowohl die anthropologische Problematik als auch die Frage nach der Theodizee gewissermaßen ‚entschärft‘. Stehen hinter Taten und Lehren von Engeln und Giganten hellenistische Mächte (so e.g. mit Nickelsburg), müsste hingegen eher von einer Vermischung zwischen Anthropologie und Dämonologie gesprochen werden, indem die feindlichen Mächte dämonisiert werden. 2.3.2.3. Abschließende Bemerkungen
Im Wächtermythos wird das Böse als ‚urzeitlicher Zwischenfall‘ beschrieben. Geschöpfe Gottes durchbrechen die von Gott gesetzte Schöpfungsordnung und führen dadurch das Chaos auf der Welt ein. Zerstörung und Krieg, Unrecht und Sittenlosigkeit werden somit auf das Wirken ‚göttlicher Wesen‘ zurückgeführt. Der Zustand der Welt und die Entstehung des Bösen werden dem ‚Willen‘ Gottes entgegengestellt. Wie in der Einführung zu mythologischen Erzählungen festgehalten werden konnte, kontextualisiert auch der Wächtermythos den ‚gegenwärtigen‘ Zustand der Welt im Rahmen von Ursprung und Überwindung des Bösen. In der Schilderung des urzeitlichen Vergehens liegt der ätiologische Anteil des Mythos, wodurch die Problematik der (implizierten) Gegenwart erläutert wird. Somit kommt das gegenwärtige Erleben in den Blick:135 Die Erfahrung von Gewalt und Schädigung durch äußere Einflüsse, sowie die eigene Verbreitung von Bösem durch Krieg, Gewalt und soziale Misstände. Die problematisierte Gegenwart ist die Folge der ‚damaligen‘ Sünde. Im Übrigen ist zu bemerken, dass der Tod hier nicht Folge der Sünde ist, sondern zur von Gott geschaffenen Ordnung gehört: Während die Wächter ursprünglich unsterblich sind,
V. BACHMANN, Wenn Engel gegen Gott freveln, 95. So sieht Eibert Tigchelaar den Fokus der Erzählung vielmehr auf den Konsequenzen der ursprünglichen Sünde, als auf deren ‚Woher‘: „[…] the story is more concerned with the consequences of these sins, than with the Watchers‘ misbehaviour as such. […] The watchers may be the originators of evil on earth, but the sinners the text is concerned with are the giants and the ‘sons of men’.“ E. J. TIGCHELAAR, Prophets of Old, 178. 134 135
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sind die Menschen sterblich und müssen sich daher fortpflanzen. Der Tod gilt aber nicht als Strafe, sondern gehört zu Gottes ‚guter‘ Schöpfung.136
Mit der Fluterzählung wird von einer bereits erfolgten Überwindung des Bösen berichtet, die das Endgericht vorwegnimmt.137 Zugleich blickt der Mythos aber auch auf die tatsächlich zukünftige, eschatologische Überwindung des Bösen: Die Wiederherstellung der Schöpfung bzw. ihrer Ordnung, geschieht im endgültigen Ende der sie verursachenden Mächte, in ihrem Gericht und ihrer Vernichtung.138 Darauf wird die Wiederherstellung der Weltordnung durch Gott erwartet. Zugleich lässt sich festhalten, dass das vorliegende Modell „Gott der Theodizeefrage enthebt“,139 indem die Ursprünge des Bösen auf die Missachtung von Gottes Ordnung zurückgeführt werden und somit das Böse in der Verantwortung jener Übertreter liegt, während Gott vor allem als Urheber und Wiederhersteller der Ordnung portraitiert wird. Dass diese erste Ausführung über das Böse gerade nicht den Menschen ins Zentrum der Schuld stellt, sondern (als angelologischer Mythos) himmlische Wesen, ist in besonderer Weise festzuhalten.
3. Rezeption im frühen Judentum
3. Rezeption im frühen Judentum
Der Wächtermythos wird in späteren Schriften des antiken Judentums vielfältig rezipiert. Die Intensität der Rezeption, die Auswahl der aufgenommenen Aspekte und das Leitinteresse der Bezugnahme variieren dabei allerdings beträchtlich, wie sich in der nachfolgenden Untersuchung zeigen wird. Im Folgenden werden zunächst diejenigen Texte untersucht, die die zur henochischen Tradition gehören: Die späteren Texte aus 1 Hen, schließlich das Buch der Giganten und das später anzusiedelnde zweite Henochbuch. Im Jubiläenbuch findet sich der Wächtermythos dann erstmals außerhalb der Henochtradition. Es wird sich in der weiteren Untersuchung zeigen, dass der Wächtermythos außerhalb der henochischen Tradition vermehrt selektiv und exemplarisch rezipiert wurde, gleichwohl aber weitgehend bekannt war, so etwa in der Weisheitsliteratur, dem späteren jüdisch-hellenistischen Schrifttum etc.
V. BACHMANN, Wenn Engel gegen Gott freveln, 111–112. Siehe dazu L. T. STUCKENBRUCK, The Myth of Rebellious Angels, 223–225. 138 M.-T. WACKER, Weltordnung und Gericht, 302. 139 V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand, 149. 136 137
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3.1. Das henochisches Schrifttum: Variationen des Wächtermythos
Man geht in der neueren Forschung größtenteils davon aus, dass die anderen Teile des Corpus 1 Hen mit Ausnahme des Astronomischen Buches später als das Wächterbuch entstanden sind. Die Datierung einzelner Teiltexte ist freilich schwierig und zum Teil heftig umstritten. Im Folgenden wird die zeitliche Einordnung anhand der Mehrheitsmeinung der neueren Forschung vorgenommen. 3.1.1. Die Tiersymbolapokalypse (1 Hen 85–90)
Die Tiersymbolapokalypse schildert die Geschichte von der Schöpfung bis zur Makkabäerzeit als Vision Henochs in symbolischen Bildern.140 Datiert wird der Text um das Ende des 3. Jh. v. Chr,141 je nach Interpretation spezifisch zeitgeschichtlicher Anspielungen aber auch später (um 169 oder 165/164 v. Chr.).142 Die Wächter als Sterne dargestellt, was für Engel oder andere himmlische Wesen sowohl im jüdischen als auch im heidnischen Denken nicht unüblich ist.143 Die Menschen demgegenüber werden als Rinder und Schafe mit verschiedenen Farben (schwarz, weiß und rot) dargestellt. Ähnlich der Schilderung der Wächtererzählung im Jubiläenbuch (s.u.), aber anders als im Wächterbuch, kommen die Wächter hier in eine Welt, die durch die Tötung Abels (1 Hen 85,3–4) bereits von Gewalt geprägt ist (zumindest erscheint die Welt hier beim Kommen der Wächter nicht mehr als ‚ideale Welt‘). Zuerst wird von einem weißen Bullen und einer jungen Kuh mit zwei Kälbern erzählt, von denen das Schwarze (Kain) das Rote (Abel) erschlägt. Damit wird auf Gen 4 angespielt; Gen 3 demgegenüber wird nicht rezipiert. Die Wächtererzählung ist in ihren Grundzügen deutlich zu erkennen, allerdings ist die aus dem Wächterbuch bekannte Abfolge von Šemiḥazah- und ʿAśaʾel-Strang (deren Namen jedoch nicht genannt werden) hier in anderer Reihenfolge zu finden. Der erste Erzählteil ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verarbeitung des ʿAśaʾel-Materials. Die Erzählung setzt mit dem Fall eines Sterns vom Himmel auf die Erde ein (1 Hen 86,1); eine Begründung dafür wird nicht genannt (oder deren Kenntnis wird vorausgesetzt). Hier findet sich tatsächlich das Verb ‚fallen‘ (wad[a]qa, )נפל, das Kommen der Wächter wird folgerichtig nicht mit dem Namen Jared ( )ירדverknüpft, sondern mit den ‚Nephilim‘ () ְנ פִ ִל ים. Der gefallene Stern weidet unter den RinZur Einführung G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 346–348; 354–363. G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 361. 142 D. ASSEFA, Book of Dreams, 552. Diese Datierung kommt aufgrund der Deutung des Schafbockes (90,9) als Judas Makkäbaus zu Stande; so auch G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 361: „If one believes that references to Judas are original to the Vision, the date will be set between 165 and 163 B.C.E.“ 143 G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 372–373. 140 141
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dern (Menschen), die verschiedene Farben aufweisen; darauf wird die Veränderung der Welt angesprochen, die offensichtlich mit diesem Stern in Verbindung steht (86,2): Die verschiedenfarbigen Rinder beginnen, Pferch, Weide und Kälber auszutauschen; darauf wird (ggf. analog zum Schreien der Erde in 1 Hen) von der Klage der Rinder berichtet. Dieser erste Stern wird in der Forschung zumeist mit ʿAśaʾel identifiziert. Folgende Punkte stützen diese Interpretation:144 1) Wie in 10,4–5 die erste Strafhandlung Gottes ʿAśaʾel betrifft, wird in 88,1 zunächst dieser erste gefallene Stern gefangen genommen. 2) 10,8 betont, dass ‚alle Sünde‘ auf ʿAśaʾel zurückzuführen ist. 3) Die Lehren ʿAśaʾels werden in 9,6 und 10,4–8 jeweils vor der mit Šemiḥazah in Verbindung stehenden Sünde genannt; die Erzählfolge wird also wie in 1 Hen 86 umgekehrt. Sodann kann ein Hinweis auf die Lehrtätigkeit ʿAśaʾels impliziert werden und zwar insofern, als die Rinder sich nach dem Kommen des Sterns (durch Instruktion?) untereinander vermischen. Problematisiert wird hier vermutlich die Vermischung verschiedener Gerechtigkeitsklassen (die Nachkommen Seths mit den Nachkommen Kains), wodruch die Sethiten ‚verdorben‘ werden.145 Im folgenden Erzählteil ist die Aufnahme des Šemiḥazah-Materials dann eindeutig: Es wird vom Fallen weiterer Sterne berichtet, die zu Bullen werden, mit den Rindern weiden und mit diesen Elefanten, Kamele und Esel zeugen.146 Diese Nachkommen verbreiten Angst und Schrecken, fressen die Rinder und schließlich einander; als Folge wird vom Schreien der Erde berichtet (86,3–87,1). Vermischung ist auch hier als zentrales Problem zu benennen, wobei vor allem die Vermischung verschiedener Gerechtigkeitsklassen (Sethiten und Kainiten) problematisiert wird. Darüber hinaus liegt vermutlich auch eine zeitgenössische Anspielung vor, die auf die Vermischung jeglicher Art mit G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 272–273. „6–11 looks like a revision of a stage of the tradition in which Asael was the first angelic rebel. This early form of the tradition is attested also in Jubilees 4–5.“ G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 272. Cf. auch C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 59, insb. Anm. 4 und C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 75–77. 145 Cf. dazu weiter M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 309 oder C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 76. Zur Diskussion auch G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 272–273. 146 Möglicherweise entsprechen diese drei Tierarten den durch Syncellus überlieferten drei Arten von Nachkommen (‚Giganten‘, ‚Nephilim‘ und ‚Elioud‘, 1 Hen 7,2), die in ähnlicher Form auch in Jub 7,22 aufgeführt werden. Einige Forscher sehen in den Tierbegriffen auch wörtliche Anspielungen auf die genannten Namen. So M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 311–314. Küchler überträgt diese Tiere auf einfallende Großmächte, wobei die Elefanten beispielsweise für die Seleukiden stehen, da sich seleukidische Könige auf Münzen mit Elefantenhäuten (und Hörnern) auf dem Haupt dargestellt haben. Siehe weiter die Ausführungen bei C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 60, Anm. 5. 144
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dem Hellenismus (e.g. Mischehen) bzw. der hellenistischen Kultur und deren Praktiken hinweist. Sodann wird die Verbindung zwischen Wächtern und Frauen vermutlich bereits mehr aufgrund ihrer sexuellen Dimension negativ bewertet, da der Zeugungsakt auf der bildhaften Ebene eindeutig eine negative Konnotation aufweist; das Wächterbuch demgegenüber geht nicht auf diesen Aspekt ein, sondern tadelt vor allem die Vermischung als solche.147 Der erste Stern wird bald darauf von einem Engel gefangen genommen und in den Abyssus geworfen (88,1), während die Nachkommen der Sterne Schwerter erhalten, durch welche sie sich gegenseitig niederstrecken (88,2, cf. 1 Hen 10,9–10). Danach werden die übrigen Sterne, die Nachkommen gezeugt haben, gebunden und ebenfalls in den Abyssus geworfen (88,3).148 Abschließend ist festzuhalten, dass hier eine andere Ausgangslage vorausgesetzt ist als im Wächterbuch: Die Welt ist schon beim Eintreffen des ersten Sterns nicht mehr gewaltfrei. Das heißt, der Wächtermythos steht neben der Geschichte der ersten Menschen und deren Vergehen (hier nach Gen 4). Es besteht offenbar kein Interesse, den Ursprung von Übel oder der Sünde monokausal auf die Wächter zurückzuführen: „Important for this study is the fact that human sin (even murder) existed prior to the descent of the watchers. Therefore, the fallen angel myth cannot be the source of evil for the apocalypse. This order of sin, namely human and then angelic, appears to reflect the emphases on human sin and punishment in AA [sc. Animal Apocalypse] as opposed to angelic and giant sin in BW [sc. Book of Watchers].“149 Gleichwohl ist zu bemerken, dass der Tradition der ersten Menschen (Adam/Eva/Kain/Abel) keine Bedeutung zugemessen wird, die über die Kundgabe ihrer Kenntnis hinausreichen würde. Insofern ist das Wächterereignis zwar chronologisch nachgeordnet, sachlich aber bedeutender. 3.1.2. Die Zehn-Wochen-Apokalypse (1 Hen 93,1–10; 91,11–17)
In der Zehn-Wochen-Apokalypse, die wohl ehedem selbständig war und sich nun in der Epistel Henochs eingebettet findet, wird die Weltgeschichte von der Schöpfung bis zu Gericht und Neuschöpfung in zehn Wochen aufge147 Es wird berichtet, wie die Bullen ihre Glieder ‚wie Pferde‘ herunterlassen und dann die Kühe besteigen (1 Hen 86,4), womit vermutlich „übersteigerte sexuelle Lust“ zum Ausdruck gebracht wird. Cf. C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 75. Zumindest auf der Bildebene wird dadurch eine deutlich negative Wertung abgegeben. Ein vergleichbarer Sachverhalt findet sich auch in Ez 23,20 in der Schilderung des Verlangens der ‚Frauen‘ Ohola (Samaria) und Oholiba (Jerusalem) nach ihren Liebhabern. 148 Siehe 90,21: „Und der Herr rief jene sieben ersten weißen Männer, und er befahl, daß sie (alle) vor ihn bringen sollten, von dem ersten Stern an, der jenen Sternen vorausgegangen war, deren Schamglieder wie die Schamglieder der Rosse (waren), und den ersten Stern, der zuerst gefallen war. Und sie brachten sie alle vor ihn.“ 149 C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 59.
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schlüsselt. Die Wochen 1–7 werden in 93,1–10 geschildert, die verbleibenden in 91,11–17, was die verkehrte Reihenfolge der Kapitelnennung zur Folge hat.150 Datiert wird die Schrift vor dem Makkabäeraufstand, i.e. vor 165 v. Chr.151 Was die Rezeption des Wächtermythos anbelangt, lässt sich hier lediglich von einer indirekten Referenz sprechen. Henoch wurde am siebten Tag der ersten Woche geboren, als die Welt noch durch Gerechtigkeit geprägt war. Dabei findet sich keine Anspielung auf eine Adam-Tradition.
Loren Stuckenbruck führt folgende Begründungsmöglichkeiten auf: 1) Der Autor kannte die Traditionen [Gen 2–4] nicht, 2) sie waren ihm nicht wichtig genug, um sie in der Schilderung der ersten Woche zu platzieren oder 3), er stellt sich die Frage nach dem Anfang der Sünde nicht. Stuckenbruck favorisiert 2) und 3), weil er es für schwer vorstellbar erachtet, dass Gen 2–4 und deren Traditionen gänzlich unbekannt waren.152
Die zweite Woche demgegenüber bringt das Aufkommen von Übel mit sich, ohne dass dieses jedoch weiter präzisiert würde (93,4): „Und nach mir [sc. Henoch], in der zweiten Woche, wird sich die große Bosheit erheben [besser: sprießen],153 und die Falschheit wächst empor, und in ihr wird das erste Ende sein […].“154 Dass die Erzählung von den Wächter dabei im Hintergrund steht, liegt dennoch nahe: Zunächst der Hinweis auf Noahs Rettung (‚ein Mann wird gerettet werden‘/Flut), sodann die Nennung der Verurteilung der Wächter (91,15, nur äthiopisch)155 könnten darauf hindeuten: „The perpetra-
Zur Dislokation cf. L. T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108, 49 und G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 414–415. Für eine allgemeine Einführung siehe ebenfalls L. T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108, 49–64 und G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 438–441. 151 G. W. NICKELSBURG, Op. cit., 440–441. 152 L. T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108, 92. 153 Siehe dazu L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 93. Der Verfasser führt aus, dass der Begriff ‚sprießen‘ ( )צמחbesser zum Bild der Pflanzung passt als das von Uhlig gebotene ‚sich erheben‘ (siehe 93,2.5.10). So ist der Gegensatz zur ‚Pflanzung der Gerechtigkeit‘ zu betonen (93,5): „Und danach, in der dritten Woche, an ihrem Ende, wird ein Mann [sc. Noah] zur Pflanze des gerechten Gerichtes erwählt werden, und nach ihm wird die Pflanze der Gerechtigkeit für immer und ewig erscheinen.“ Auch in der hebräischen Bibel findet sich das Bild Israels als Pflanzung Gottes (e.g. Jes 60,21). 154 Der äthiopische Text liest: bakālʾet sanbat ʿabiy ʾekuy wagweḥlut baqwalat (wörtlich: „in der zweiten Woche wird großes Übel und Betrügerei gesprießt sein“). Der aramäische Text liest nicht ‚großes Übel und Betrügerei‘, sondern ‚Betrügerei und Gewalt‘ (שקרה וחמסא, 4QEng ar 1 iii 24–25). Cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 90–91 und L. T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108, 90–91. 155 „Und danach, in der zehnten Woche, im siebenten Teil, wird das ewige Gericht stattfinden, und es wird an den Wächtern des ewigen Himmels vollzogen, das große (Gericht), das mitten unter den Engeln ausbrechen wird.“ Cf. dazu A. Y. REED, Fallen Angels, 78: „If this is not a later Ethiopic expansion, as Milik suggests, it is striking that this apocalypse chooses to omit a description of the angels‘ descent but nevertheless notes their punish150
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tors of the ‚deceit and violence‘ are not identified, that is, whether they are fallen angels and their gargantuan offspring or wicked humanity. Though it is possible that the texts here refer to the activities of both, the reference to ‚sprouting‘ may be an allusion to the illicit sexual activity between bad angels and human women from which the watcher tradition derived.“156 Gleichwohl kann nur von einem impliziten Bezug ausgegangen werden, der wahrscheinlich, aber nicht eindeutig ist. Das Übel auf der Welt wird hier vor allem unter dem Aspekt seiner Überwindung betrachtet. Sein Aufkommen wird in der Frühzeit der Geschichte verordnet und steht dabei im Kontrast zur ‚Zeit der Gerechtigkeit‘, die bis zur Zeit Henochs andauerte (93,3).157 Nach dem ersten ‚Sprießen‘ des Bösen führt die folgende Geschichtsschau mannigfaltiges Übel vor Augen, welches mit dem endzeitlichen Gericht ein Ende findet. Wenn auch dem Ursprung des Übels an sich keine Beachtung zukommt, kann dennoch festgehalten werden, dass Übel entstanden ist und nicht schöpfungsgemäß vorausgesetzt wird. Ob ggf. die Zeugung von Giganten oder die Verbreitung von Lehren als Vorstellung im Hintergrund stehen, ist unklar. 3.1.3. Die Geschichte der Geburt Noahs (1 Hen 106–107)
In den Anhängen zu 1 Hen wird die Geburtsgeschichte Noahs erzählt,158 die ungefähr auf Ende 2./Anfang 1. Jh. v. Chr. datiert wird.159 Der Šemiḥazah-Strang des Wächtermythos wird hier insofern aufgenommen, als zur Debatte steht, ob Noah der Verbindung zwischen seiner Mutter160 und einem Engel entstammt. Noahs Aussehen und Fähigkeiten sind ment. If so, the author ironically downplays the Watchers‘ role in engendering human sin and suffering, even as he retains the didactic value of their punishment as proof for God’s justice against any creature (even an angel!) who strays from the path of righteousness.“ 156 L. T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108, 91. 157 „[…] Ich bin als der Siebente in der ersten Woche geboren, solange Recht und Gerechtigkeit noch andauerten.“ 158 Die Geburtsgeschichte Noahs ist der Epistel Henochs angegliedert, war wohl aber ehedem selbständig und wurde in diese inkorporiert. Zur Einführung siehe G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 539–542. 159 J. C. VANDERKAM, Enoch and the Growth of an Apocalyptic Tradition, 142. Ähnlich G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 542. Loren T. Stuckenbruck datiert die ganze Epistel einheitlich auf die Zeit kurz vor dem Aufstand der Makkabäer. L. T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108, 211–215, insb. 215. 160 Lamechs Frau bleibt hier namenlos. Sowohl das Jubiläenbuch als auch GenesisApokryphon weisen den Namen Bat-Enosh (‚Menschentochter‘) auf. Siehe dazu weiter ID., The Lamech Narrative in the Genesis Apocryphon, 263. Stuckenbruck folgert daraus, dass das Genesis-Apokryphon dem Verfasser der Geburtsgeschichte Noahs nicht bekannt war: „In relation to BN [sc. Book of Noah], for all its propensity to play with the etymologies of proper names (Lamech [Grk.], Jared, Noah), it is remarkable that the name of Lamech’s
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derart außergewöhnlich, dass Lamechs Vaterschaft dadurch in Frage gestellt wird.161 Dieselbe Problematik wird dann auch im Genesis-Apokryphon besprochen (cf. 1QapGen II,1–26).162 Lamechs Sorge wird zu dessen Vater Methuselah gebracht, dieser wiederum befragt seinen Vater Henoch. Daraufhin erzählt Henoch, wie ‚sie‘ (die Wächter) in den Tagen Jareds sündigten und das Gebot übertraten, indem sie sich mit Frauen vermischten und Kinder zeugten.163 Auf die Wächterepisode wird dabei nicht weiter eingegangen, sie dient hier vor allem als Referenzpunkt. Es folgt die Voraussage der Flut,164 die Rettung Noahs und seiner drei Kinder, sowie die Affirmation, dass Noah tatsächlich Lamechs Sohn ist. Festzuhalten ist, dass die Gebotsübertretung der Wächter zwar deutlich negativ bewertet wird, die Eigenschaften des vermeintlichen ‚Mischlings‘ Noah allerdings durchaus positiver Natur sind. Weitaus bemerkenswerter ist aber die Vorstellung, dass Wächter offensichtlich weiterhin als mögliche ‚Gefahr‘ interpretiert wurden bzw. dass das ‚Herabsteigen‘ anderer (lüsterner) Engel thematisiert werden konnte.165 wife is not given. It is therefore difficult to imagine that BN was aware of Genesis Apocryphon (as Bitenosh would have served its etymologies well) […].“ 161 Noahs Körper ist ‚weißer als Schnee‘ und ‚roter als eine Rose‘, sein Haar gelockt und ‚weiß wie Wolle‘, sein Gesicht ‚herrlich‘. Seine Augen erhellen ein ganzes Haus (106,2.6.10), außerdem erhebt er sich sogleich nach seiner Geburt und preist Gott (106,11). 162 Die Frage nach einer gemeinsamen Noah-Tradition bzw. eines Noah-Buches wird derzeit heftig diskutiert, kann hier aber nicht weiterverfolgt werden. 163 In 4Q204 wird evtl. erwähnt, dass die Wächter ihre Gestalt veränderten, um mit den Frauen Nachkommen zu zeugen. Cf. 5 ii 18 (= 1 Hen 106,14) …למע]ל ֯ „( …שניוveränderten ihre [Natur?] um hineinzugehen“). Eine Parallele findet sich in TestNaph 3,5 …οἱ Ἐγρήγοροι ἐνήλλαξαν τάξω φύσεως αὐτῶν… („die Wächter transformierten/veränderten sich weg von ihrer Natur“). Cf. dazu M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 339: „Damit fasste der ursprüngliche Text von Hen 106,14 den in Hen 15,3–7 so eindrücklich gegen die Wächter erhobenen Vorwurf, ihr ‚heiliges und ewiges‘ Wesen und ihren ‚hohen heiligen Ort‘ verraten und verlassen zu haben, präzis zusammen und gebraucht ihn als Begründung für die folgende Disqualifizierung der Wächtersöhne als ‚nicht den Geistern ähnliche, sondern fleischliche (Kinder)‘.“ Von den Nachkommen wird nachdrücklich gesagt, dass sie ‚nicht wie Geister‘ (106,14) sind. Hinter dem dahinterstehenden Begriff רוחותkönnen sowohl Engel als auch Geister/Dämonen stehen. 164 Da die Erwähnung der Flut unmittelbar auf die Nennung der Erwähnung der fleischlichen Nachkommen der Wächter folgt, ist anzunehmen, dass dieser Zusammenhang auch hier gegeben ist und dass die Vernichtung der Giganten in der Flut impliziert ist. Für die Zeit nach der Flut wird eine Zunahme der Sündhaftigkeit vorausgesagt, der möglicherweise mit dämonischem Wirken in Zusammenhang steht. Dieser Zustand dauert an, bis die ‚Geschlechter der Gerechtigkeit‘ (107,1) aufstehen und aller Frevel ein Ende haben wird. 165 Siehe L. T. STUCKENBRUCK, The Lamech Narrative in the Genesis Apocryphon, 262: „To be sure, BN [sc. Book of Noah] in itself ‚historicizes‘ the setting for Noah’s birth, so that the implied reader is transported back into a key moment in ante-diluvian time and made to imagine […] that rebellious angels were (potentially) continuing to mate with
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3.1.4. Die Epistel Henochs (1 Hen 92–105)
Die ‚Epistel Henochs‘ (cf. 1 Hen 100,6c), vor 167 v. Chr. entstanden,166 umfasst drei große Reden, welche je aus mehreren Wehe-Orakeln bestehen (94,6–100,6; 100,7–102,3 und 102,4–104,8; Rahmen: 92,1–5; 93,11–94,5 und 104,9–105,2).167 Die Epistel Henochs wird hier nicht in erster Linie wegen ihrer Rezeption des Wächtermythos aufgeführt, sondern weil 1 Hen 98,4–6 scheinbar in Spannung zum Rest des Corpus 1 Hen steht, da hier die Sünde auf die Menschheit zurückgeführt wird. „4 Ich habe euch geschworen, ihr Sünder: Wie ein Berg weder zu einem Sklaven geworden ist noch werden wird und ein Hügel nicht zur Sklavin einer Frau, ebenso ist auch die Sünde nicht auf die Erde geschickt worden, sondern die Menschen haben sie aus sich selbst erschaffen, und denen, die sie begehen, wird eine große Verfluchung widerfahren. 5 Und die Unfruchtbarkeit ist einer Frau nicht gegeben, sondern wegen des Werkes ihrer Hände stirbt sie ohne Kinder. 6 Ich habe euch, ihr Sünder, bei dem großen Heiligen geschworen, daß all euer böses Tun in den Himmeln offenbar ist und daß (euer) Werk des Unrechts weder verdeckt noch verborgen ist.“168
Diese Passage umfasst zwei Schwüre gegen Sünder,169 in welchen die Sündhaftigkeit der Menschen unterstrichen und dezidiert von äußeren Einwirkungen unterschieden wird (die Sünde ist nicht zur Erde geschickt worden, sondern die Menschen haben sie erschaffen, so V. 4). In dieser Rede über die Sünde und deren Ursprünge liegt kein Narrativ vor, sondern eine Argumentation. Diese will zuerst einmal die ‚Sündhaftigkeit der Sünder‘ (und nicht unbedingt aller Menschen) vor Augen führen. Im Rahmen der ‚Wehe‘Sprüche gegen Sünder ist diese Argumentation sachgemäß und muss daher nicht unbedingt als alternatives Modell zum Fall der Wächter verstanden werden.170 women. If we compare this with the storyline in the Book of the Watchers, the narrative reflects a development: whereas in 1 Enoch 6–11 (and 12–16) the ‚women‘ through whom the giant offspring are sired are simply referred to as ‚the daughters of men‘ whom the angels took ‚as wives‘ for themselves (1 En. 6:1–2, 7:1; cf. also Jub. 5:1, 7:21), in BN the woman in question is already a wife, Lamech’s wife (1 En. 106:1).“ 166 Siehe ID., 1 Enoch 91–108, 211–215. 167 Siehe L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 188 und weiter 189–190. 168 Zu den Textvarianten L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 337–343. 169 Anzunehmen ist, dass es hier um die Thematik der Sklaverei im Verhältnis zwischen Reichen und Armen geht. Siehe dazu weiter 1 Hen 96,5.8, evtl. auch 103,11–12. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 476–477. 170 Siehe weiter auch L. T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91–108, 343–344 (Hervorhebungen durch den Vf.): „Rather than formulating something about sin in terms of a storyline – for example, Adam and Eve – he [sc. der Autor] takes the view that the wrongs committed by each person (here, in particular, the ‚sinners‘ specified in the Epistle) are themselves the reason for the existence of sin.“ Siehe weiter L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 345–346.
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In 1 Hen 100,4 finden sich hinabsteigende Engel im Rahmen eines weiteren ‚eschatologischen Wehes‘ (100,1–4).
„1 Und in jenen Tagen werden die Väter mit ihren Söhnen an einem Ort erschlagen werden
und die Brüder miteinander, und sie werden in den Tod sinken, bis ein Strom von ihrem Blut fließt. […] 3 Und ein Pferd wird bis an die Brust im Blut der Sünder waten, und der Wagen bis zu seiner Höhe einsinken. 4 Und in jenen Tagen werden die Engel in die verborgenen Orte hinabsteigen und alle an einem Ort versammeln, die die Sünde herabgebracht haben [die die Sünde unterstützen, s.u.]. Und der Höchste wird sich an Jenem Tage des Gerichtes erheben, damit er das große Gericht unter den Sündern halte.“
Die Engel steigen zum Gericht hinab, eine Vorstellung, welche aus anderen Texten nicht bekannt ist.171 Die Passage steht gewissermaßen auch im Kontrast zum Wächterbuch, wo das Herabsteigen der Wächterengel zu deren Fesselung führte. Loren Stuckenbruck weist auf vier äthiopische Handschriften hin, welche davon berichten, dass Engel die gefallenen Wächterengel richten (diesen Handschriften folgt Siegbert Uhlig in der oben zitierten JSHRZ Textausgabe). Andere Handschriften belegen demgegenüber „die die Sünde unterstützen“, womit nicht im Spezifischen die Wächterengel gemeint sein müssen.172 Abschließend kann festgehalten werden, dass die Epistel Henochs zumindest in Bezug auf die ‚Sündhaftigkeit der Sünder‘ nicht Wächter oder Dämonen verantwortlich macht, sondern die Sünder selbst. 3.1.5. Die Bilderreden (1 Hen 37–71)
Die Bilderreden, die mehrheitlich um die Zeitenwende angesetzt werden,173 kündigen in drei großen Redeblöcken das Endgericht an.174 Die Vereinigung von Wächtern und Frauen dient in der ersten Bilderrede (1 Hen 38–44) zur Datierung der Entrückung Henochs (39,1b): „Die Kinder der Auserwählten und Heiligen werden aus dem hohen Himmel herabsteigen, Nickelsburg äußert sich vorsichtiger und sieht in dieser Passage zumindest Korrektiv: „The passage serves an important clarifying and corrective function within 1 Enoch as a whole. The myth of the rebel angels notwithstanding […], human beings are responsible for their deeds.“ G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 476–477. 171 Siehe L. T. STUCKENBRUCK, 1 Enoch 91-108, 434. 172 Siehe Ibid. 173 Die Einordnung ist schwierig, da sich wenig historische Hinweise in der Schrift erkennen lassen und Qumran-Belege fehlen. Datierungsvorschläge variieren zwischen ca. 40 v. Chr. bis ins dritte nachchristliche Jahrhundert. Cf. M. A. KNIBB, Art. Similitudes, 587 und G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, 1 Enoch 2 (Commentary), 58–60. R. H. Charles ging von einer Abhängigkeit der Bilderreden vom Jubiläenbuch aus, was nach neueren Erkenntnissen zu Recht in Frage gestellt wird. Cf. die Ausführungen bei J. C. VANDERKAM, Enoch and the Growth of an Apocalyptic Tradition, 143–144. Die Spätdatierung Miliks wird nicht mehr akzeptiert. 174 Die Kapitel 37 und 70–71 sind als Einleitung und Anhänge zu verstehen.
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und ihr Same wird eins werden (= sich vereinigen) mit den Menschenkindern.“ Darüber hinaus werden keine weiteren Informationen gegeben. Auf die Lehrtätigkeit der Wächter wird nicht eingegangen, somit ist hier die Šemiḥazah-Episode der erzählerische Bezugspunkt. In der zweiten Bilderrede (1 Hen 45–57) verweisen verschiedene Elemente der Erzählung deutlich auf den Wächtermythos, insbesondere die Kapitel 8– 10.175 In 1 Hen 54 ist vom Gefängnis der Wächter bzw. des ‚Heers ʿAśaʾels‘176 die Rede (54.6). ʿAśaʾel wird im Folgenden dann vermutlich mit Satan identifiziert (54,6): Für den ‚letzten Tag‘ wird Gottes Rache am ‚Heer ʿAśaʾels‘ erwartet, „weil sie ‚Diener Satans‘ geworden sind“. Der Begriff ‚Satan‘ wird in den Bilderreden zwar noch vielfältig verwendet,177 wobei aber bereits Spuren einer sich bildenden Satan-Tradition zu beobachten sein dürften.178 Die Verbindung mit den Frauen, die in der Kernerzählung des Wächterbuches im Vordergrund steht, wird hier nicht thematisiert. Auch in der dritten Bilderrede (1 Hen 58–69) wird die Lehrtätigkeit der Wächter problematisiert: Die Weitergabe von Wissen ist der Grund für die Gefangennahme der Wächter, ihre künftige Verurteilung und die Flut. Die Sünde der Menschen bzw. ihre Irreführung wird auf die Lehren der Wächterengel zurückgeführt (64–65). Die Lehren der Wächter sind dabei nur zum So zum Beispiel die Gefangennahme bzw. die Ketten (10,4; 54,3–4), die scharfen/zerklüfteten Steine im Gefängnis (10,5; 54,5), der ‚kommende Tag des Gerichts‘ (10,6; 54,6) oder die Lehren, durch welche die Menschen in die Irre geführt werden (10,8; 54,6). Cf. G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, 1 Enoch 2 (Commentary), 201–203. 176 G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, Op. cit., 202 transkribieren ͗Azāz ͗ēl: „In the Parables, the name of this figure appears four times (54,4; 55,4; 69,2 twice), always spelled ͗azāz ͗ēl or some orthographic variant thereof. Given the early attestation of both עזזאלin 4Q180 and עשאל/ עסאלin the Aramaic Enoch fragments, it is impossible to decide whether the name in the original form of the Parables was Asael or Azazel.“ 177 ‚Satan‘ wird in den Bilderreden drei weitere Male aufgeführt: 1) In 40,7, vertreibt ein Erzengel ‚Satane‘, worunter ‚Ankläger‘ zu verstehen sind. Ob sie himmlischer oder irdischer Abstammung sind, geht nicht hervor. 2) In 53,3 sieht Henoch Bestrafungsengel, die ‚Instrumente Satans‘ vorbereiten, durch die die Könige und Mächtigen der Erde zerstört werden sollen. Nickelsburg/VanderKam interpretieren Satan als Fürsten der Bestrafungsengel, wodurch dieser als Gottes Werkzeug zur Bestrafung sündiger Menschen in den Blick kommt. Cf. G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, Op. cit., 196, unter Verweis auf 1 Kor 5,5 und Kor 12,7. 3). Schließlich wird in 65,6 erzählt, dass Gott das Ende der Erdbevölkerung bestimmt habe, da diese die Geheimnisse der Engel und die ‚Gewalt der Satane‘, ihre Mächte und Geheimnisse, Zaubereien, Verschönerungsmittel etc. erlernt hätten. Die beiden Wendungen ‚Geheimnisse der Engel‘ und ‚Gewalt der Satane‘ werden parallel verwendet. Unter den Satanen sind hier somit übernatürliche Wesen, vermutlich die Wächterengel, zu verstehen. Cf. G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, Op. cit., 283. 178 Siehe auch G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, Op. cit., 203: „Perhaps the title reflects the developing identity of ‚the satan‘ as the tempter and chief demon par excellence, as is attested, for example, in the New Testament.“ 175
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
Teil identisch mit den im Wächterbuch genannten (cf. 8,3: ‚Geheimnisse der Engel‘, ‚Gewalt der Satane‘, Zauberei, sowie die ‚Mächte farbiger Kleider‘, das Herstellen von Silber, weichem Metall und Gussbildern). Im Übrigen beinhaltet 1 Hen 69 zwei sehr ausführliche Listen von ‚sündigen‘ Engeln (sog. ‚Engellisten‘, cf. 69,2 und 69,3–12) und deren Taten, wobei sowohl auf die Verbindung mit Frauen als auch ihre Lehren hingewiesen wird.179 69,6 berichtet, wie Gadreʾel die Menschen ‚Todesschläge‘ lehrte, dass er Eva verführte und die Menschen diverse Kriegsmaterialien herzustellen lehrte. Auch hier wird die Kenntnis adamischer Tradition ersichtlich, wobei diese sodann mit der henochischen Tradition verbunden, dieser aber sachlich wiederum nachgeordnet wird. Abschließend lässt sich festhalten, dass der Wächtermythos auch in den Bilderreden nur selektiv rezipiert wird. Dabei werden sowohl der Šemiḥazah- als auch der ʿAśaʾel-Strang aufgenommen. Insgesamt scheint allerdings die Weitergabe von Wissen, welche in der weiteren Rezeptionsgeschichte dann eher in den Hintergrund treten wird, hier bedeutsamer zu sein. Bemerkenswert ist, dass die Wächter hier erstmals die Funktion paradigmatischer Sünder einnehmen, das heißt als Beispiel für die Verurteilung von Sündern der Gegenwart stehen. In diesem Horizont kann auch die Kontinuität zwischen der ‚damaligen Sünde‘ und der problematisierten Gegenwart betrachtet werden. 3.1.6. Das Gigantenbuch (4QEnGiants)
Bis zu den Qumranfunden war das Buch der Giganten lediglich aus der manichäischen Überlieferung und einigen Hinweisen in verschiedenen Fragmenten unterschiedlicher zentralasiatischer Sprachen, wie Uigurisch, Sogdisch, Parthisch und Mittelpersisch bekannt. Unter den in Qumran gefundenen Schriften lassen sich bis zu zehn aramäische Manuskripte dem Gigantenbuch zuweisen.180 Die Nähe zum Wächterbuch ist unübersehbar, das Gigantenbuch wäre ohne Kenntnis des Wächterbuchs über weite Strecken völlig unverständlich. Aus diesem Grund wird das Buch der Giganten im Rahmen des Zu den Engellisten im Vergleich mit 1 Hen 6,7–8 und 8,1–3 siehe G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, Op. cit., 298–299, zur gesamten Liste 298–303. Nach 69,4 hat der Engel Yekon andere Engel in die Irre geführt, sodass sie auf die Erde kamen, wo er sie durch die Frauen weiter in die Irre leitete. Nach 69,5 hat Asbeʾel den anderen Engeln bösen Rat gegeben, dass sie ihre Körper durch die Frauen ruinierten. Die Menschen erfahren durch einen weiteren Engel die ‚Geheimnisse ihrer Weisheit‘ (69,8) und wie sie mit Tinte auf Papyrus schreiben können (69,9). 180 Cf. L.T. STUCKENBRUCK, Art. Giants, 677. Folgende Manuskripte sind zu nennen: 1Q23, evtl. 1Q24, 2Q26, 4Q203, 4Q206a, 4Q530, 4Q531, 6Q8. Zu einer genauen Analyse der Fragmente cf. ID., The Book of Giants from Qumran, 11–24. 179
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henochischen Schrifttums behandelt, obwohl es nicht in das Corpus 1 Hen eingegliedert wurde. Die Datierung ist schwierig und wird zwischen dem späten 3. Jh. v. Chr. und 164 v. Chr. angesetzt.181 Hier wird nur auf die aramäischen Fragmente Bezug genommen, nicht aber auf das spätere manichäische Buch der Giganten. Das Gigantenbuch schildert die Wächtererzählung aus der Sicht der Giganten, die hier erstmals Namen erhalten (͗Ohyah, Hahyah, Mahaway, Gilgamesh und Ḥobabish).182 Während die Informationen über die Giganten insofern reichhaltig ausfallen, wird gleichwohl wenig über das Herabkommen der Wächter erzählt. Die Fragmente erwähnen, dass die Frauen den Wächtern Nachkommen gebaren und geben Hinweise auf die Bestrafung der Wächter und ihrer Söhne (4QEnGiantsa ar 8)183 sowie auf die Zerstörung der Giganten durch ihre Kämpfe (e.g. 4QEnGiantsb ar 7) und die Flut (beispielsweise 4QEna ar ii 7);184 zudem ist von Gewalt die Rede (4QEnGiantsa ar 5 2). Loren Stuckenbruck weist darauf hin, dass möglicherweise von der Herkunft böser Geister berichtet wird: „The text suggests that, instead of being completely wiped out, the giants will continue to exist, through in an altered state; after their bodies have been destroyed, they can only persist in what remains: disembodied spirits (i.e. what they have inherited from the fallen angels in their being).“185 Siehe 4QEnc ar 19 3-4: „3 Wir we[der] Knochen noch Fleisch, 4 [Fl]eisch und wir werden aus unserer Gestalt heraus vernichtet werden.“186 Es ist umstritten, ob sich unter den Qumranfragmenten ein Hinweis auf das Weitergeben von Wissen findet. In den zentralasiatischen Überlieferungen des Textes ist dies demgegenüber deutlich belegt.187 Aufgrund der fragmenthaften Überlieferung lassen sich allerdings keine eindeutigen Aussagen machen.
Zur Auseinandersetzung cf. L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 28–31. Daneben finden sich auch Namen von Wächtern wie Baraq’el (4QEnGiantsa ar 1 2), Šemiḥazah (4QEnGiantsa ar 8 5) und ʿAzazʾel (4QEnGiantsa ar 7a 6). Es scheint, als würde ʿAśaʾel mit ʿAzazʾel gleichgesetzt. Cf. dazu A. Y. REED, Fallen Angels, 97: „Notably, this name-change effaces any etymological association with the teaching of technical skills […], evoking instead the enigmatic creature or demon mentioned in Lev 16 […].“ 183 ( ו֯ ילד ]מן[ ֯ע ירין4QEnGiantsa ar 7b i 3–4). 184 L. T. STUCKENBRUCK, The Myth of Rebellious Angels, 18. Siehe dort auch weitere Belegstellen. 185 L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 21. 186 Text nach Parry/Tov: די[ל]א[ גרמין אנחנא ולא בשר3 ב[שר ונתמחה מן צורתנא4 187 Cf. A. Y. REED, Op. cit., 96–97, v.a. Anm. 37. 181 182
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
3.1.7. Das zweite Henochbuch
Das zweite Henochbuch (2 Hen), auch slawisches Henochbuch (slHen) genannt, ist eine mit Ausnahme von einigen koptischen Fragmenten fast ausschließlich in kirchenslawisch erhaltene frühjüdische Schrift (s.u.).188 Das Buch liegt vorwiegend in zwei unterschiedlich langen Fassungen vor, wobei der längeren Fassung der Vorzug zu geben ist, da sich die Kürzungen und Überarbeitungen der kürzeren Manuskripte nachweisen lassen.189 Die Hauptthemen des Textes sind die Himmelsreise Henochs, seine Metamorphose vor dem Thron der Herrlichkeit und seine Initiation in die himmlischen Mysterien.190 Ursprünglich wurde 2 Hen wohl in Griechisch (eventuell mit semitischer Vorlage) und vermutlich noch zur Zeit des zweiten Tempels abgefasst.191 Diskutiert wird, ob es sich nicht um eine christliche Schrift handeln könnte, die jüdische Quellen und Traditionen benutzt, oder ob es sich doch eher um einen jüdischen Text handelt, der von christlichen Theologen tradiert und interpoliert worden ist. Mit der Mehrheit der Forschung wird die zweite Variante für plausibler erachtet.192 Der Adam-Tradition kommt in 2 Hen große Bedeutung zu. Dabei ist zu bedenken, dass 2 Hen aus einem anderen historischen und theologischen Umfeld stammt als die Schriften in 1 Hen. Der Wächtermythos wird der Adam-Tradition deutlich nachgeordnet und in gewisser Weise damit verbunden (s.u.). Die Wächterengel kommen im Rahmen der Himmelsreisen Henochs zur Sprache. Im zweiten und im fünften Himmel findet Henoch Gefängnisse vor und fragt nach deren Insassen. Der angelus interpres erläutert jeweils deren Identität und der Grund ihrer Gefangenschaft.193 Zu den slawischen und koptischen Fragmenten cf. A. A. ORLOV, Art. Slavonic Apocalypse of Enoch, 588 und C. BÖTTRICH, The Angel of Tartarus, 509–521. Zur Diskussion um die Herkunft cf. C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 93, Anm. 218 und A. A. ORLOV, Art. Slavonic Apocalypse of Enoch, 589. Folgender Aufbau legt sich nahe: 1–38 (Henochs Himmelsreise), 39–67 (Henoch auf der Erde, zweite Himmelfahrt) und 68– 73 (Priesterfunktion von Henochs Familie, Melchisedek und Flut). 189 C. BÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 788–791. 190 Cf. A. A. ORLOV, Art. Slavonic Apocalypse of Enoch, 587 und C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 93. 191 Cf. A. A. ORLOV, Art. Slavonic Apocalypse of Enoch, 588–589 und C. BÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 813. 192 Siehe dazu ID., The Book of the Secrets of Enoch, 37; 44–49; 63–65. 193 Zur Diskrepanz der beiden ‚Himmel’ siehe A. A. ORLOV, The Watchers of Satanail, 166: „It is possible that the discrepancy pertaining to the location of the imprisoned angels can be explained by the topological peculiarities of 2 Enoch whose main theological emphasis is centered on the ascension of the translated hero into the heavenly realm. Yet, possibly cognizant of the various early traditions of the patriarch’s tours into other (subterranean) realms, where Enoch observes the places of the punishment of the rebellious 188
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Im zweiten Himmel (2 Hen 7) sieht Henoch weinende Engel an einem Ort großer Dunkelheit und fragt nach dem Grund ihrer Bestrafung. Es wird ihm erklärt, dass die Wächter von Gott abgefallen seien, indem sie dessen Anordnung nicht gehorchten, sondern ihren eigenen Willen taten „[…] und abfielen mit ihrem Fürsten und mit denen, die im fünften Himmel verwahrt sind.“194 Diesen ‚anderen Engeln‘ begegnet Henoch sodann im fünften Himmel (2 Hen 18): Sie werden ‚Grigori‘ genannt, was auf das griechische Wort für Wächter (ἐγρήγοροι) zurückzuführen ist. Ihr Aussehen entspricht demjenigen von Menschen, nur sind sie größer als Giganten (18,1). Ihre Gesichter sind niedergeschlagen und Henoch bemerkt, dass es keinen Gottesdienst gibt (18,2). Die längere Fassung erwähnt im Zusammenhang der Abkehr der Grigori (18,3) deren Fürsten Satanail, wobei ggf. mit einer christlichen Zufügung zu rechnen ist.195 Weiter wird berichtet, dass die Grigori (kürzere Fassung) bzw. drei von ihnen (längere Fassung) auf die Erde hinabstiegen und auf dem Berg Hermon einen Bund schlossen und sie dann die Frauen sahen, deren Schönheit bemerkten, sie sich nahmen und dass die Erde durch ihre Taten verunreinigt wurde (längere Fassung).196 Dabei werden hier zum ersten Mal die Frauen angeklagt (18,5): „Und die Ehefrauen von den Menschen tun viel Böses zu allen Zeiten dieses Äons, indem sie gesetzlos handeln, Vermischung vollziehen, und es werden große Riesen und Ungeheuer geboren und großes Übel.“ Es scheint, als läge hier eine geteilte Schuld zwischen Wächtern und Frauen vor; letztere gelten überdies offensichtlich als verheiratet und machen sich daher des Ehebruchs schuldig. Anders als im Wächterbuch und den bisher betrachteten Rezeptionsstufen wird hier auch von der Schuld der Frauen ausgegangen. Folgende Punkte können abschließend festgehalten werden: 1) Das Tun der Wächter wird vor allem durch ihre Abkehr von Gott charakterisiert (7,3 und 18,3), was in 2 Hen 18 zudem die Vermischung mit Frauen beinhaltet (ähnlich 1 Hen 6–16). 2) Die Schilderung einer Lehrtätigkeit der Wächter fehlt
Watchers, the authors of 2 Enoch try to reconcile (not always seamlessly) these earlier tradition with their ouranological scheme.“ 194 Übersetzung nach C. BÖTTRICH, JSHRZ V.7. Die Kurzfassung präsentiert denselben Inhalt, wobei die Erwähnung des Fürsten und der anderen Engel fehlt. 195 Siehe dazu C. BÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 876–877. „Vermutlich wurde er [sc. Satanail] […] von christl. Hand hier eingetragen. In 7,3 wird die gleiche Wendung ‚mit ihrem Fürsten‘ ohne konkrete Namensnennung gebraucht.“ C. BÖTTRICH, Op. cit., 876, Anm. 3 d). 196 In der kürzeren Fassung wird lediglich berichtet, dass sich die Wächter mit den Frauen verunreinigten. Die längere Fassung überliefert dies nicht, erwähnt demgegenüber die Verunreinigung der Erde durch die Taten der Wächter (18,4).
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
und ist auch nicht angedeutet,197 3) dafür ist erstmals von der Schuld der Frauen die Rede. 4) Die Erwähnung Satanails in 18,3 ist insofern interessant, als diese Figur im späteren Verlauf von 2 Hen im Rahmen der Weltschöpfung (chronologisch also vor der Wächtererzählung angesiedelt) in der Tradition des Satanssturzes begegnet und somit zwei Traditionen verbunden werden. 5) Der Wächtermythos ist der Adam-Tradition letztlich nachgeordnet und steht hier neben anderen urzeitlichen Ereignissen, die ebenfalls Einfluss auf die Verbreitung von Übel hatten. Zu bedenken ist dabei allerdings, dass 2 Hen wesentlich später entstanden ist als die übrigen Schriften der henochischen Tradition und somit bereits Zeugnis einer späteren Entwicklung ist. 3.1.8. Zusammenfassung
In der henochischen Tradition wird der Wächtermythos auf unterschiedliche Art und Weise rezipiert, zumeist allerdings selektiv und mit spezifischer Bezugnahme auf einzelne Aspekte. Dabei sind besonders die paradigmatische Funktion der Wächter sowie die Schuld der Frauen zu nennen. Die nachfolgende Tabelle zeigt die verschiedenen Aspekte der Rezeption des Wächtermythos in der henochischen Tradition auf. Dabei soll verdeutlicht werden, welche Aspekte in welchen Rezeptionsschichten begegnen. WB Tiersb. 10Wo. Geb. Noah EpHen Bilderr. Gig. 2Hen
Kommen d. Wächter ♀ schön / Kinder unklar unklar
ja
Lehren ja
Giganten ja
Verbindung Flut ja
Geister ja
ja -
unklar -
ja -
ja ja
-
♀/Kinder
ja
-
(Noah?)
ja
-
♀ unklar
ja unklar ja
ja unklar
ja
ja ja
-
-
-
- (anderer Kontext)
-
Eigener Wille; ♀ schön
♀
Rolle d. Menschen Opfer, Täter Opfer unspezifisch unspezifisch Täter Opfer, Täter unspezifisch
197 Es sei denn, man führt das in Kapitel 18 geschilderte negative Verhalten der Frauen auf die Lehren der Wächter zurück. Claudia Losekam hält dazu fest: „M.E. wird in slHen 18,5 weniger der Zustand der Frauen nach den Engelbelehrungen, wie aus äthHen 7,1 u. 8,1–3 bekannt, angesprochen, sondern vielmehr eine allgemeine Charakterisierung von Frauen abgegeben. Die Zeitangabe ‚zu allen Zeiten dieses Äons‘ unterstützt diese Vermutung. Die Frauen werden Hauptaktionistinnen der gesetzlosen Tat der Vermischung, die zur Geburt der Riesen, zu Ungeheuern und großem Übel führt.“ C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 95.
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Zusammenfassend lassen sich folgende Punkte festhalten: 1) Die Verbindung von Wächtern und Frauen (Šemiḥazah-Strang) kommt außer in der Zehn-Wochen-Apokalypse, wo die Thematik nicht begegnet, immer negativ zur Sprache; undeutlich ist hier einzig das Gigantenbuch. 2) Die Giganten werden ebenfalls fast immer thematisiert, der von ihnen ausgehenden Bedrohung wird dabei allerdings wenig Bedeutung zugemessen. 3) Die Dämonen als ‚Geister der Giganten‘ werden in der frühen Rezeption des Wächtermythos allerdings noch nicht thematisiert. 4) Wie im Wächterbuch sind die Frauen auch in der Geburtsgeschichte Noahs, teils in den Bilderreden sowie möglicherweise in 2 Hen der Grund für das Herabkommen der Wächter. Unklar sind diesbezüglich die Tiersymbolapokalypse, die Zehn-Wochen-Apokalypse sowie das Gigantenbuch. 5) 2 Henoch führt darüber hinaus den eigenen Willen und die Abkehr der Wächter von Gott an. 6) Die Lehrtätigkeit der Wächter (ʿAśaʾel-Strang) begegnet selten und wird bloß in den Bilderreden rezipiert. Unklar sind die Tiersymbolapokalypse und das Gigantenbuch. 7) Variierend ist die Rolle der Menschen: Sie kommen sowohl als Opfer der Gewalt als auch als Sünder in den Blick, zuweilen ist ihre Funktion auch unspezifisch. 8) In der Epistel Henochs fallen zwei gegenläufige Bewegungen auf: Zum einen die Betonung der selbstverschuldeten Sündhaftigkeit der Sünder, zum andern die zumindest zum Teil belegte Vorstellung, dass die gefallenen Wächterengel von andern Engeln gerichtet werden. Es zeigt sich über das Ganze hinweg eine selektive und kurze Rezeption des Wächtermythos, welche möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die verschiedenen Rezipienten an unterschiedliche Traditionsstränge und nicht an ein gesammelt vorliegendes Wächterbuch anschlossen. Im Übrigen sind einzelne Punkte wie die Rolle der Menschen bzw. Frauen weiterführend interpretiert worden. So wird stärker als im Wächterbuch nach der Verantwortung der Menschen gefragt. Bereits in der henochischen Tradition zeigen sich somit Tendenzen, die in der späteren Rezeptionsgeschichte verstärkt vorzufinden sind.
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
3.2. Das Jubiläenbuch 3.2.1. Einführung
In der Rezeption des Wächtermythos außerhalb des henochischen Schrifttums ist zunächst das Jubiläenbuch zu nennen,198 das in gewisser Weise noch zur Henochtradition gezählt werden kann, da es die henochische Tradition stark herangezogen hat.199 Das Jubiläenbuch wird an dieser Stelle vergleichsweise breit behandelt, was mit seiner Nähe zur biblischen Tradition einerseits und zur Henochtradition andererseits zu begründen ist. Zwar folgt Jub dem biblischen Duktus, zugleich werden Traditionen aus dem henochischen Schrifttum verarbeitet. Betrachtet man die Rezeption des Wächtermythos, muss davon ausgegangen werden, dass der Autor200 des Jub die Henochtradition zumindest im Rahmen des Wächterbuches kannte.201 Die Einordnung des Wächtermythos in den biblischen Erzählduktus ist insofern von besonderem Interesse. Jub berichtet in einer Nacherzählung (sog. ‚rewritten bible‘) die Ereignisse der biblischen Bücher Gen 1–Ex 24, also von der Schöpfung bis zur Sinaioffenbarung. Die Erzählung ist als göttliche Offenbarung an Mose gestaltet, welche ihm durch einen Engel aus himmlischen Tafeln vorgelesen wird. Bemerkenswerterweise ist hier die Vergangenheit Gegenstand der Offenbarung und nicht die Zukunft. Form und Chronologie weichen dabei vom Pentateuch ab (cf. 1,29). Wichtigste Anliegen der Schrift sind die Einhaltung der Gebote durch die Patriarchen Noah, Abraham und Jakob (also bereits vor der Offenbarung der Einführungen bei M. SEGAL, Art. Jubilees, 843–846, J. C. VANDERKAM, The Origins and Purposes of the Book of Jubilees, passim und K. BERGER, Jubiläen, 279–311. Die Qumran-Funde sind ediert bei J. C. VANDERKAM/J. T. MILIK, Jubilees, DJD 13. Mit rund 15 Handschriften (wenn auch teilweise fragmentarisch), ist Jub eine der meistbezeugten Schriften unter den Qumranfunden. Cf. J. C. VANDERKAM, Enoch, 111. Zur Datierung cf. ID., Textual and Historical Studies, 207–285. Folgender Aufbau des Buches wird vorgeschlagen: 1) 1: Einführung, narrativer Rahmen, 2) 2–10: Geschichten über Adam und Noah, 3) 11–23,8: Abraham, 4) 23,9–32 apokalyptischer Zusatz nach dem Tod Abrahams, 5) 24–45: Jakob und seine Söhne, 6) 46–49: Sklaverei in Ägypten und Exodus, 7) 50: Konklusion. Cf. M. SEGAL, Art. Jubilees, 844. Umstellungen, Ergänzungen und der Umgang mit dem biblischen Prätext werden vorgeführt in den Monographien J. C. ENDRES, Biblical Interpretation in the Book of Jubilees und J. T. VAN RUITEN, Primaeval History Interpreted. 199 Cf. J. C. VANDERKAM, Enoch, 110–121. 200 Die meisten Forscher betrachten das Jubiläenbuch als das Werk eines einzigen Autors. Cf. ID., Book of Jubilees, 16–17. Anders Segal M. SEGAL, Jubilees, 29–35. 201 Vorausgesetzt werden vermutlich 1 Hen 1–36 (Wächterbuch), 72–82 (astronomisches Henochbuch), nach Milik ebenfalls 83–90 (Buch der Traumvisionen). Cf. J. T. MILIK/M. BLACK, The Books of Enoch, 11.24.45. Zur henochischen Tradition in den Jubiläen generell cf. J. C. VANDERKAM, Enoch Traditions in Jubilees. 198
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Gebote am Sinai) und die von Gott verordnete heptadische Chronologie im Rahmen des 364-Tage-Sonnenkalenders, wie er auch in der Henochüberlieferung vorliegt und v.a. in der Gemeinschaft von Qumran von grundlegender Bedeutung war. Dabei verfolgt Jub eine streng partikularistische, antihellenistische jüdische Perspektive, wodurch sich eine zeitliche Einordnung in das 2. Jh. v. Chr. nahe legt.202 Jub ist in Äthiopisch, sowie in hebräischen, griechischen, syrischen und lateinischen Fragmenten erhalten. Man geht davon aus, dass es vom Hebräischen ausgehend über das Griechische den Weg in die anderen Sprachen gefunden hat.203 Vollständig erhalten ist Jub wie 1 Hen nur in seiner äthiopischen Übersetzung. Von Kirchenväterzitaten wusste man, dass es ein Liber Jubilaeorum gegeben haben muss, welches aber bis ins 19. Jh. hinein unbekannt war, als es wie 1 Hen von Äthiopienreisenden nach Europa gebracht wurde (August Dillmann gab 1859 den äthiopischen Text heraus). Auch Jub gehört in Äthiopien (wie 1 Hen) teils bis heute zum biblischen Kanon. 3.2.2. Analyse
Eine strikte Trennung von Räumen bzw. himmlischer und irdischer Welt, wie sie sich im Wächterbuch findet, wird im Jubiläenbuch mit Ausnahme der Rede von himmlischen Tafeln (Jub 1) und in knappen Hinweisen entsprechend der biblischen Erzählung kaum betont. So werden für die Kommunikation zwischen Gott und den Menschen keine Mittlerwesen benötigt. Eine größere Bedeutung hingegen kommt der geographischen Einteilung der Erde zu, die in Anknüpfung an die Völkertafel (Gen 10) und die Überlieferung von den Söhnen Noahs erfolgt; ebenso bedeutsam ist die Zuteilung der Länder an Israel und die Völker, worin sich die territorialen und kulturellen Auseinandersetzungen des zweiten Jahrhunderts spiegeln.204 Wichtiger noch als die geographische Ordnung ist freilich die Zeitordnung, nach der alle Ereignisse der Erzählung von der Schöpfung an nach dem heptadischen Schema (Jubiläen, Jahrwochen, Jahre) datiert werden und mit der sich zugleich eine spezifische eschatologische Hoffnung verbindet (anders Aufgrund seiner Untersuchung des Jub auf zeitgeschichtliche Anspielungen nimmt VanderKam einen terminus a quo von ca. 163–161 v. Chr. und einen terminus ad quem von 140 v. Chr. an. Cf. ID., Textual and Historical Studies, 283–285 und M. SEGAL, Art. Jubilees, 844. 203 Cf. J. C. VANDERKAM, Textual and Historical Studies, 1–18. Das Jubiläenbuch wurde in Hebräisch abgefasst (Qumran-Funde) und von dort ins Griechische und Syrische übersetzt. Das Syrische, das in einigen Fragmenten erhalten ist, ist somit ein wichtiger Textzeuge. Vom Griechischen folgte dann die Übersetzung ins Lateinische und Äthiopische. 204 Cf. dazu J. FREY, Zum Weltbild im Jubiläenbuch, passim. 202
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Gen).205 Kaum zufällig erfolgt der Abstieg der Wächter im 25. Jubiläum, das heißt just in der Mitte des ersten Zyklus von 49 oder 50 Jubiläen, also auf dessen Tiefpunkt (cf. Jub 5,1). Anders als das Wächterbuch geht das Jubiläenbuch von Anfang an davon aus, dass die Menschen die göttliche Ordnung aufgelöst haben (Jub 1,5), indem sie fremde Götter anbeteten, Fest- oder Sabbatordnungen brachen, Kultstätten aufrichteten und Dämonen opferten. Die Wächter werden nicht dafür verantwortlich gemacht, sie diese Dinge gelehrt zu haben, vielmehr kommen jene in eine Welt, die bereits von Negativität geprägt ist. Dabei lässt sich die Grundstruktur der biblischen Urgeschichte erkennen, in der das gottwidrige Verhalten der Menschen im Zentrum der Aufmerksamkeit steht (Gen 5). Eine partielle Schuld tragen zwar auch die Wächter und bösen Geister, indem sie die Menschen zum Bösen verführen; schließlich wird aber in erster Linie die Schuldhaftigkeit der Menschen betont. Die Wächtererzählung wird in den biblischen Duktus eingebunden, indem das Kommen der Wächter in der Genealogie Adams mit dem Namen Jared verbunden wird (Jub 4,15):206 „Denn in seinen Tagen stiegen herab [ ]ירדdie Engel des Herrn auf die Erde, welche Wächter heißen, daß sie lehrten die Menschenkinder und daß sie täten Recht und Ordnung auf Erden.“207 Zwar ist die Wächterepisode in dieser Genealogie nur nebensächlich, doch fällt in dieser kurzen Notiz eine gegenüber dem Wächterbuch andere Ausgangslage auf: Die Wächter kommen, um die Menschen zu lehren und zu tun was ‚Recht und Ordnung‘ ist; das Kommen der Wächter wird also somit grundsätzlich positiv eingeführt. Erst in einer späteren Schilderung wird auf das Vergehen der Wächter hingewiesen, welches mit den Frauen im Zusammenhang steht (4,22): „Und er [sc. Henoch] bezeugte den Wächtern, welche sündigten mit den Töchtern der Menschen. Denn jene fingen an, sich zu vereinigen, so daß sie sich verunreinigten mit den Töchtern der Menschen. Und es bezeugte Henoch in betreff ihrer aller.“ Später wird diese Episode mit der Flut in Verbindung gebracht, indem Unzucht, Unreinheit und Ungerechtigkeit als Gründe für die Sintflut genannt werden (7,20f): Durch die Unzucht, die die Wächter mit den Frauen getrieben haben, stehen die Wächter am Anfang So charakterisiert die Überschrift des Jubiläenbuches dies programmatisch: „Rede der Einteilung der Tage des Gesetzes und des Zeugnisses für die Ereignisse der Jahre, für ihre Jahrwochen in ihren Jubiläen und in jedem Jahr der Welt.“ Wie im 50. Jubiläum der Exodus stattfand – als Erlassjahr mit der Sklavenfreilassung – so wird wohl für das 100. Jubiläum eine vergleichbare Befreiungstat Gottes erwartet. Vom Standpunkt des Autors und seiner Zeitgenossen her ist dies allerdings noch in ferner Zukunft. Cf. J. FREY, Op. cit., 262–270. 206 Cf. 1 Hen 6,6. 207 Übersetzung nach K. BERGER, JSHRZ II.3. 205
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der Unreinheit. Durch die Giganten und ihre Gewalttätigkeit kam es sodann zur Ungerechtigkeit unter den Geschöpfen (Jub 7,20–23).208 Während die Wächter in 1 Hen herabsteigen, um sich Frauen zu nehmen und infolgedessen mit Lehren assoziiert werden, liegt hier eine umgekehrte Reihenfolge vor. Vermutlich ist dabei von der Vorstellung eines ursprünglichen Instruktionsauftrags auszugehen, von welchem die Wächter dann wegen den Frauen abgewichen sind. Kapitel 5 demgegenüber erzählt die Geschichte der Wächter ähnlich wie das Wächterbuch (siehe 1 Hen 6–16). Auch die inhaltliche Fortsetzung und deren Konsequenzen (Ungerechtigkeit, Verderben der Wege) entsprechen auf weiten Strecken den Schilderungen von 1 Hen. Gleichwohl ist auch in Kapitel 5 von der Sendung der Wächter die Rede („[…] auf seine Engel, die er auf die Erde gesandt, zürnte er sehr […]“, 5,6). Das Lehren der Wächter wird also grundsätzlich positiver bewertet als im Wächterbuch. Eine Ausnahme findet sich in 8,3 im Rahmen der Schilderung des Fundes einer alten Schrift: „Und er [sc. Kainam] fand eine Schrift, die die Früheren auf einem Felsen eingeritzt hatten. Und er las, was darin war, und übertrug es und irrte aufgrund ihrer, wie denn die Lehre der Wächter in ihr war, durch die sie sahen die Wahrsagekunst von Sonne und Mond und Sternen und in allen Zeichen des Himmels.“ Anders als in 1 Hen wird hier bloß von Wahrsagerei bzw. Astrologie gesprochen; Taten wie Unzucht oder Krieg bzw. Mord werden demgegenüber (anders als im Wächterbuch) nicht mit den Wächtern in Verbindung gebracht. Grundsätzlich scheinen die Wächter im Jubiläenbuch von merklich geringerer Bedeutung zu sein als im Wächterbuch. Im Jubiläenbuch wird die Vorstellung von Dämonen in Anlehnung an das Wächterbuch fort- und ausgeführt. Anders als im Wächterbuch wird im Jubiläenbuch auch von der Welt nach der Flut berichtet, wobei die Situation der Gerechten in den Blick kommt. Dabei wird die Frage, warum die Gerechten scheitern, dämonologisch beantwortet: Die Nachkommen Noahs werden von Dämonen zu Irrtum und Gesetzlosigkeit verführt. Dies wird in einer Rede Noahs zum Ausdruck gebracht (7,27): „Denn ich sehe, und siehe, Dämonen haben begonnen, in die Irre zu führen euch und meine Kinder.“ Dass die Dämonen als Nachkommen der Wächter zu verstehen sind, erschließt sich aus 208 20 „ Und im 28. Jubiläum begann Noah, zu gebieten den Kindern seiner Kinder die Ordnungen und alles Gebot, das er kannte. Und er verordnete und bezeugte über seine Kinder, daß sie Gerechtigkeit täten und daß sie die Scham ihres Fleisches bedeckten und daß sie den segneten, der sie geschaffen, und daß sie Vater und Mutter ehrten und daß sie ein jeder den Nächsten liebten und daß er bewahre seine Seele vor Unzucht und Unreinheit und vor aller Ungerechtigkeit. 21 Denn wegen dieser drei war die Sintflut über der Erde. Denn wegen der Unzucht, die die Wächter getrieben haben gegen das Gebot ihrer Satzung hinter den Töchtern der Menschen her […].“
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10,5 („[…] Wächter […] Väter dieser Geister […]“).209 Schließlich wird hier somit eine Antwort darauf gegeben, wieso die Möglichkeit der Sünde auch nach der Flut (durch welche die Ungerechten vernichtet wurden) weiterhin besteht.210 Im Folgenden wird von Noahs Bitte um Erlösung von den Dämonen (10,3.5) und von Gottes Befehl, diese zu fesseln berichtet (analog zur Fesselung der Wächter in 1 Hen). An dieser Stelle tritt eine bisher unbekannte Figur auf: Mastema, der Fürst der Geister, der sich deren Überleben ausbittet (10,8):211 „Und der Fürst der Geister, Mastema, kam hervor und sagte: ‚O Herr, Schöpfer, laß übrig von ihnen vor mir!, und sie werden meine Stimme hören und alles tun, was ich ihnen sage. Denn wenn mir nicht(s) übriggelassen wird unter ihnen, werde ich die Herrschaft meines Willens nicht tun (vollziehen) können unter den Menschenkindern. Denn sie sind zum Verderben und zur Verführung vor meiner Vollmacht. Denn groß ist die Bosheit der Menschenkinder.‘“ Mastema begegnet hauptsächlich im Jubiläenbuch; zwar findet sich der Begriff משטמהin verschiedenen Qumrantexten, eine personale Deutung ist dort aber mit größter Wahrscheinlichkeit auszuschließen.212 Im Jubiläenbuch kommt Mastema vielfach die Funktion zu, die im Pentateuch Gott zukam:213 In Gen 22 beispielsweise prüft Gott Abraham, indem er dessen Sohn Isaak als
Indem die Dämonen ‚Söhne der Wächter‘ genannt werden, liegt eine gewisse terminologische Unschärfe vor. Cf. dazu J. T. VAN RUITEN, Angels and Demons, 598. 210 Cf. 10,1f: „Und in der dritten Jahrwoche dieses Jubiläums [sc. des 30.] begannen unreine Dämonen die Söhne Noahs in die Irre zu führen und sie zu betören und sie zugrunde zu richten. Und die Söhne Noahs kamen zu Noah, ihrem Vater, und erzählten ihm über die Dämonen, welche in die Irre führten und verdunkelten und töteten die Kinder seiner Kinder.“ 211 Dabei geht nicht hervor, ob er selbst auch als Geist zu verstehen ist. Van Ruiten führt beispielsweise an, dass es sich bei Mastema auch um einen Engel handeln könnte: „This leader is possibly not a demon himself. He seems to be a bad angel. It is impossible, however, that he be one of the watchers, since they are tied up in the depths of the earth by the good angels, waiting their judgment (5:6–11).“ J. T. VAN RUITEN, Op. cit., 600. 212 Zur Einführung cf. J. W. VAN HENTEN, Art. Mastemah, 553–554 und C. T. PIERCE, Art. Satan, 1199. In den in Qumran gefundenen Texten wird ‚Mastema‘ meist mit Artikel gebraucht und kann somit kein Eigenname sein. An gewissen Stellen ist eindeutig das Nomen ‚Feindseligkeit‘ zu verstehen. Sodann wird gelegentlich auch ein Engel mit משטמה spezifiziert (CD XVI 5: ‚ein Engel der Feindseligkeit‘, )מלאך משטמה. Ebenso präzisiert משטמהhin und wieder die Feindseligkeit Belials (e.g. 1QM XIII 4 oder 4QBera 7a ii b-d 2). In 4QpsJuba 2ii 13f wird schließlich ein nicht weiter erläuterter ‚Fürst der Feindseligkeit‘ ( )שר משטמהgenannt. 213 Mastema kommt u.a. als Verführer der Menschen und Verderber ihrer Taten in den Blick (cf. Jub 10,8; 11,11). Weiter findet sich Mastema als Gegner Moses, Helfer der ägyptischen Magier und Aufwiegler der ägyptischen Armee (48,1–4.9f.12); außerdem schlägt er, an Stelle Gottes (cf. Ex 12,29), die Erstgeburt Ägyptens in der Passanacht (49,2). Cf. im weiteren S. SCHREIBER, The Great Opponent, 443. 209
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Opfer verlangt, Jub 17,15–18 demgegenüber bringt Mastema mit dieser problematischen Episode in Verbindung und entschärft sie somit theologisch. Diverse Passagen des Pentateuchs werden somit ‚satanologisiert‘.
Vermutlich ist Mastema in der Nähe der Figur Satan zu verorten. Dafür spricht zunächst die sprachliche Verwandtschaft: Das Nomen ( מַ ְשׂטֵ מָ הFeindseligkeit) stammt sehr wahrscheinlich von der Wurzel ( שׂטםanfeinden), einer Nebenform von שׂטן.214 Sodann liegt die Identifikation aufgrund 10,11 nahe, die Bezeichnungen synonym zu verstehen („Und ein Zehntel von ihnen ließen wir übrig, daß sie Vollmacht ausübten vor dem Satan auf der Erde.“).215 Die übriggelassenen Dämonen treten nun als Heer Mastemas auf und bewegen die Menschen zum Bösen (siehe 11,4c-5): „4c Bösartige Geister halfen und verführten, daß sie Sünde und Unreinheit der Sünde taten. 5 Und der Herrscher Mastema war stark, dieses alles zu tun. Und er schickte durch Geister, die unter seine Hand gegeben waren, alle Gottlosigkeit und Sünde und jedes Vergehen zu tun, zu vernichten und zugrunde zu richten und Blut auf der Erde zu vergießen.“ Zum einen werden so also die Sünde und Gottlosigkeit auf der Erde nach der Flut erläutert, zum andern gilt dämonisches Wirken gewissermaßen als ‚göttlich legitimiert‘.
Überdies werden Engel geschickt, um die Nachkommen Noahs die Heilkunst gegen dämonisches Wirken zu lehren. Zwar wird nirgends explizit geschildert, dass Dämonen Krankheiten verursachen, doch ist im vorliegenden Zusammenhang davon auszugehen, dass Dämonen u.a. auch als Urheber von Krankheiten betrachtet wurden. Somit findet sich auch hier die Vorstellung einer positiven, notwendigen Engelinstruktion.
Im übrigen Jubiläenbuch werden Dämonen bzw. böse Geister nicht mit den Wächtern verknüpft. Daran ist möglicherweise das Zusammenfließen verschiedener Traditionen zu erkennen (s.u.). Hingewiesen sei schließlich darauf, dass die Aktivität von Dämonen im Jubiläenbuch vor allem in der Begegnung Israels mit dem Heidentum zur Sprache kommt. Dämonisches Wirken wird vor allem da lokalisiert, wo Israel unter fremder Herrschaft steht (e.g. Jub 48),216 womit vermutlich eine zeitgeschichtliche Problematik angesprochen wird. Ähnliche Zusammenhäng sehen dann auch die frühen Kirchenschriftsteller, die den heidnischen Götzendienst
Cf. J. W. VAN HENTEN, Art. Mastemah, 553 und C. T. PIERCE, Art. Satan, 1199. Das äthiopische Wort für Satan (sajṭān) begegnet zwar häufig, ist jedoch nicht personal zu verstehen (cf. 23,29; 40,9; 46,2 und 50,5). Cf. auch J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 6. Bei Syncellus wird der ‚Fürst der Geister‘ (10,8) mit διάβολος übersetzt. Cf. M. BLACK/A.-M. DENIS, Apocalypsis Henochi Graece, 87. Die griechischen Textzeugen stammen allerdings aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert und sind zeitlich somit zu weit von den hebräischen Vorläufern entfernt. Zu diesem Zeitpunkt war die Identifikation eines ‚bösen Fürsten‘ mit dem Teufel bereits sehr naheliegend und wenig überraschend. 216 Cf. auch 11,2–6 (Aufteilung der Erde zwischen Noahs Söhnen). A. Y. REED, Enochic and Mosaic Traditions in Jubilees, 357. 214 215
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und die heidnische Kultur als solche mit den Dämonen in Verbindung bringen. 3.2.3. Kommentar
3.2.3.1. Der Wächtermythos im Jubiläenbuch
Es ist kaum zu bestreiten, dass der Wächtermythos dem Verfasser des Jubiläenbuches in seinen wesentlichen Punkten bekannt war und von diesem rezipiert wurde.217 Innerhalb der Rezeption des Wächterbuches sind sodann allerdings verschiedene grundlegende Unterschiede zum Wächterbuch zu bemerken.218 Zugleich wurde der Wächtermythos in den Duktus der biblischen Urgeschichte und das theologische Programm des Jubiläenbuches integriert. Bedeutsamste sachliche Differenz zwischen Wächter- und Jubiläenbuch ist die unterschiedliche Begründung des Kommens der Wächter. Während das Wächterbuch von Anfang an keinen Zweifel an der Sündhaftigkeit der Wächter lässt, wird im Jubiläenbuch von deren göttlicher Sendung ausgegangen. Zudem kommt ihnen dabei der Auftrag zu, die Menschen zu lehren und für Recht und Ordnung zu sorgen. Demgegenüber führt das Lehren im Wächterbuch gerade im Gegenteil zu Unrecht und Unordnung.219 Auch die Rolle der Frauen wird in Jubiläenbuch anders besprochen als im Wächterbuch. Zwar wird die Verbindung der Wächter mit Frauen beiderorts negativ bewertet, doch stehen im Jubiläenbuch vielmehr Verunreinigung und Unzucht als moralische Kategorien im Vordergrund (cf. dann auch 7,20), während im Wächterbuch v.a. Ordnungskategorien von Bedeutung sind. Im Jubiläenbuch sind die Wächter zudem bereits 14 Jubiläen auf der Erde, als sie die Schönheit der Frauen bemerken und von ihrem ursprünglichen Auftrag abweichen und sich mit ihnen verbinden. Die Wächter kommen dabei kaum als alleinige Urheber von Sünde und Übel in den Blick. Gemäß der inhaltlichen Abfolge der Genesis wird bereits vor ihrem Auftreten ausführlich vom Scheitern der (ersten) Menschen berichtet.220 Das Vergehen der Wächter ist somit vielmehr als irdisches Phänomen zu bezeichnen: „They originally came with good intentions. The realm of heaven is thus safeguarded from any association with evil and God is not its immediate source. Only when they arrive Zum Traditionszusammenhang zwischen Jubiläen- und Wächterbuch siehe C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 116 sowie die dortigen Anmerkungen und Literaturverweise. 218 Weiter L. T. STUCKENBRUCK, The Book Jubilees and the Origin of Evil, 298–306. 219 Jub wertet lediglich die Lehre um divinatorisches Wissen negativ (8,3). Andere Lehren, die im Wächterbuch eine Rolle spielen (wie Metallurgie, Kriegskunst oder Kosmetika), werden nicht genannt. Es ist aus dem Text allerdings nicht ersichtlich, ob und inwiefern das in Jub erwähnte Wissen Schaden verursacht. 220 Cf. dazu A. Y. REED, Art. Fallen Angels, 629 und L. T. STUCKENBRUCK, The Book Jubilees and the Origin of Evil, 296–297. 217
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on earth do the problems begin. This means that [...] human beings (the women at least) have some part in originating sin.“221 Den Menschen kommt im Jubiläenbuch deutlich mehr Verantwortung zu als im Wächterbuch. Das Jubiläenbuch situiert die Wächtererzählung zwischen Ur- und Flutgeschichte, Schuld und Gesetzlosigkeit der Menschen werden ‚von Anfang an‘ vorausgesetzt. Schon zu Beginn des Jubiläenbuches wird der zukünftige Abfall der Menschen vorausgesagt. Dieser wird sodann jedoch nicht mit den Wächtern, deren Lehren oder Nachkommen in Zusammenhang gebracht. Somit nimmt die Wächtererzählung im Jubiläenbuch eine grundlegend andere Position ein als im Wächterbuch: Die Wächter und ihre Nachkommen bleiben zwar Objekt göttlicher Strafe (5,6–7), doch wird die Verantwortung hauptsächlich bei den Menschen verortet.222 3.2.3.2. Dämonologie
Das Wächterbuch gilt gemeinhin als Ausgangspunkt einer systematischen frühjüdischen Dämonologie und beschreibt dabei die Genese eines zuvor nicht systematisch beschriebenen Phänomens, das aus der Volksfrömmigkeit stammt. Das Jubiläenbuch knüpft an das Wächterbuch und dessen Lokalisierung des Ursprungs von Dämonen im Rahmen der erweiterten Fluterzählung an, weiß aber demgegenüber nichts über die Genese von Dämonen, sondern zeigt vor allem Interesse an deren ‚gegenwärtigem‘ Wirken. Dieses wird im Rahmen zweier Bezugspunkte thematisiert: 1) Einerseits wird Sünde auf dämonisches Wirken zurückgeführt, 2) andererseits wird dieses gerade durch menschliche Boshaftigkeit bedingt. Ad 1) Das Phänomen der Sünde wird auf Dämonen bzw. Geister zurückgeführt. Diese Geister, die die Gerechten in die Irre führen, werden theologisch kontextualisiert: Gott hat dem Dämonenfürsten Mastema einen Zehntel der Dämonen übriggelassen, durch welche die Gerechten versucht werden. Dabei besteht ein gewichtiger Unterschied zum Wächterbuch: „[…] demons are testing humankind and tempting them to sin; their encouragement of idolatry is not an extension of the Watchers’ corrupting teaching but part of Mastema’s activity as divinely sanctioned satan.“223 Somit beantwortet das Jubiläenbuch die Frage, warum selbst Gerechte sündigen, mit deren Irreführung der durch dämonische Mächte. 221 J. T. VAN RUITEN, Angels and Demons, 599. Cf. auch C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 89. 222 A. Y. Reed spricht von einer Entlastung der Wächter: „Jubilees, however, progressively absolves the Watchers from blame. By depicting their intentions as good and their descent as divinely mandated, Jubilees characterizes these angels not as evil so much as weak and thus disobedient.“ A. Y. REED, Fallen Angels, 90. Cf. weiter A. Y. REED, Op. cit., 89. 223 A. Y. REED, Fallen Angels, 94.
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Ad 2) Andererseits wird das Wirken der Geister gerade auf die ‚große Boshaftigkeit‘ der Menschen zurückgeführt (siehe 10,8): „Jubilees even stresses that there would be no need for him [sc. Satan] and his demons to torment humankind, if not for one fact: ‚The evil of humankind is great.‘ In the end, the author pins this too on the human propensity to sin, further downplaying the role of the fallen angels in the origins of evil.“224 Beide Aspekte bedingen sich gegenseitig, insofern liegt gewissermaßen eine zirkuläre Argumentation vor. Diese kann allenfalls entschärft werden kann, indem die jeweiligen Argumente unterschiedlichen Traditionssträngen zugeordnet werden. Textimmanent lässt sich die Spannung allerdings kaum auflösen; sie führt vielmehr die grundlegende Ambivalenz zwischen Schuld (Verantwortung) und Schicksal (Verhängnis) der Menschen vor Augen. Indem die Dämonen schließlich der Verfügungsgewalt eines (von Gott abhängigen) Fürsten unterstellt sind, werden sie gewissermaßen in ein theologisches System eingeordnet. Dabei werden hier möglicherweise zwei Traditionsstränge miteinander verknüpft: Das in der Volksfrömmigkeit wurzelnde Phänomen böser Geister bzw. Dämonen und das Konzept eines göttlich legitimierten Satans. Dämonisches Wirken wird durch den Dämonenfürsten Mastema, der als Untergebener und Werkzeug Gottes eingeführt wird, in ein theologisches System eingebunden: „[…] the author succeeds in subordinating the anarchic descendants of the Watchers to a theistic system.“225 Im Jubiläenbuch begegnet also bereits eine weiter systematisierte dämonologische Vorstellung: Während die Geister im Wächterbuch nahezu autonom zu agieren scheinen, stehen sie im Jubiläenbuch unter der Herrschaft Mastemas und letztlich unter der Oberherrschaft Gottes, der ihre Anzahl zwar limitiert hat, sie jedoch billigt.226 3.2.3.3. Abschließende Bemerkungen
Jub schildert wie das Wächterbuch die Verkettung von Wächter- und Fluterzählung. Der Erzählverlauf des Jubiläenbuches folgt hier der Genesis, wodurch die Wächtererzählung in einen breiteren Kontext eingebunden wird. Jub rückt die Menschen in den Mittelpunkt der Polemik und deren Sünde A. Y. REED, Op. cit., 94. Reed betont zwei andere Hauptfunktionen der Dämonen im Jubiläenbuch: Einerseits als Vollstrecker göttlicher Gerechtigkeit und andererseits als Aufseher über die Heiden: „Under the leadership of Mastema, demons are charged with testing humankind, bringing human sins to God’s attention, and destroying the wicked at God’s behest (Jub 1:20; 10:11; 48:15; 49:2).“ EAD., Enochic and Mosaic Traditions in Jubilees, 357. 225 Cf. weiter M. T. BRAND, Evil Within and Without, 195 und 182–186. 226 So auch A. T. WRIGHT, The Origin of Evil Spirits, 160: „Jubilees has placed the evil spirits within the economy of God and under a central leader who, in the biblical tradition, must answer to God.“ 224
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wird somit unabhängig von der Wächtererzählung thematisiert (e.g. Adam, Eva, Kain). In Bezug auf die Sünde der Menschen kommen dann die Dämonen zur Sprache, von welchen sogar die Gerechten verführt werden. Schließlich bleibt die Wächtererzählung aber lediglich eine Episode einer Reihe urgeschichtlicher Sündenerzählungen.
Loren Stuckenbruck beschreibt fünf urzeitliche loci im Jubiläenbuch, die als Ausgangspunkt für Böses auf der Erde gelten könnten: 1) Der Sündenfall, 2) der Mord Kains an Abel, 3) die Wächtererzählung, 4) Noahs Nacktheit und die Verfluchung Kainans sowie 5) der Turmbau zu Babel. Er konkludiert, dass keine der behandelten Episoden etwas mit der Frage zu tun hat, wo das Böse ursprünglich herkam oder der Anfang der Sünde zu verorten ist. Bei diesen Erzählungen handle es sich vielmehr um Erklärungen, warum die Welt so ist, wie sie wahrgenommen wird.227 Jeder einzelnen Episode kommt, wie dem Wächtermythos, schließlich nur geringe Bedeutung zu.
Obwohl die Erzählung sich verfehlender Engel in eine Reihe urzeitlicher Unheilserzählungen eingebettet wurde, werden ihren Verfehlungen weitgreifende und weltverändernde Konsequenzen zugemessen. Diese werden vor allem mit der Bedrohung durch böse Geister zur Sprache gebracht, welche zumindest zum Teil auf die Sünde der Wächter zurückgeführt werden. Die Wächter haben im Jubiläenbuch eine paradigmatische Funktion:228 Die Sündhaftigkeit der Wächter gilt zunächst als Warnung, kaum hingegen als Ursache des Bösen auf Erden. Vielmehr machen sich Menschen wie Engel derselben Vergehen schuldig, womit schließlich eine entscheidende Differenz zum Wächterbuch festgehalten werden kann. 3.3. Qumran-Fragmente
Unter den seit 1947 in den Höhlen bei Qumran am Toten Meer gefundenen Schriften finden sich zahlreiche Henoch-Fragmente, was auf die Bedeutung der henochischen Tradition schließen lässt. Außerdem wird das Wächterbuch in 4Q Ages of Creation mit der Pesherform kommentiert, welche in der Regel der Auslegung von Prophetentexten diente; insofern legt sich die Vermutung
Cf. dazu L. T. STUCKENBRUCK, The Book Jubilees and the Origin of Evil, 307. Reed legt einen anderen Fokus und bezieht die Engel auf Israel und die Dämonen auf die Heiden und interpretiert die gefallenen Engel als abtrünnige Israeliten: „[…] the fallen angels emerge as an important element in Jubilees‘ sacred history. They are not paradigms for human sin in any universal sense. Neither does their inclusion in Jubilees suffice to signal its embrace of a cosmology in which supernatural forces cause evil on earth. Rather, they serve as precursors, more specifically, for an ‚in-between‘ category of special interest of the author, namely, members of the chose nation who sin – or are tempted to sin – by embracing non-Jewish ways and wives.“ A. Y. REED, Enochic and Mosaic Traditions in Jubilees, 362. Zur Parallelisierung der Engel mit Israel und der Dämonen mit den Heiden cf. A. Y. REED, Op. cit., 356; 358. 227 228
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nahe, dass das Wächterbuch (zumindest von gewissen Kreisen) als solcher verstanden worden ist.229
Die Bedeutung der Qumranfunde besteht aus heutiger Sichtweise nicht mehr in ihrem Zeugnis für eine bestimmte Gruppierung, sondern vielmehr in der breiten literarischen Produktion des Judentums zwischen dem 3. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. Gleichwohl brauchen für die Rezeption des Wächtermythos an dieser Stelle nur noch gruppespezifische Texte erwähnt zu werden.230 Die gleichfalls in Qumran gefundenen Fragmente der Henochüberlieferung sind bereits im Rahmen der Analyse des Wächterbuches behandelt worden. Die mutmaßliche Erwähnung der Wächter in dem gleichfalls vorqumranischen dualistischen Text der Visionen Amrams basiert durchgehend auf Rekonstruktionen und kann nicht als sicher gelten.231
In den gruppenspezifischen Texten fällt die Rezeption des Wächtermythos nur spärlich aus. Gleichwohl wurde die Henochtradition intensiv rezipiert: Gruppenspezifische Texte teilen mit der henochischen Tradition sowohl die kalendarische Vorstellung des Sonnenkalenders sowie die ausgeprägte Dämonologie. A. T. Wright geht infolgedessen davon aus, dass das in Qumran rezipierte Henochbuch einen Einfluss auf die dortige Dämonologie hatte und sie maßgeblich prägte.232 Im Folgenden werden zuerst drei Texte erläutert, in welchen sich deutliche Spuren des Wächtermythos finden, das Genesis-Apokryphon, die Damaskusschrift und 4Q Ages of Creation. Dann werden unter einem vierten Punkt apotropäische Gebete besprochen, welche vor allem in Bezug auf das Wirken böser Geister von Interesse sind; unter diesem Punkt werden verschiedene Texte aus unterschiedlichen Fragmenten zusammengefasst. Cf. G. W. NICKELSBURG, The Books of Enoch at Qumran, 106. Welchen Gruppen die Textfunde zugeordnet werden können war lange Zeit heftig umstritten. Die favorisierte Hypothese für die Identität der in Qumran siedelnden Gruppe ist die sog. Essener-Hypothese. Cf. dazu J. C. VANDERKAM, Scrolls, 97–126 und J. FREY, Art. Essenes, 599–602. Darauf deuten antike Quellen wie Philo, Josephus und Plinius. Die Essener-Hypothese wurde durch die sog. Groningen Hypothese herausgefordert (Florentino García Martínez, später mit van der Woude); sodann interpretierte Gabriele Boccaccini die ‚Sekte‘ eher als kleine radikale Gruppe innerhalb des henochischen Judentums. Cf. G. BOCCACCINI, Beyond the Essene Hypothesis (1998), dagegen u.a. den Aufsatz von M. ALBANI, ‚Zadokite Judaism‘, ‚Enochic Judaism‘ und Qumran (2007). Im Allgemeinen wird nicht mehr von einer einheitlichen Qumran-Gemeinschaft ausgegangen, sondern es herrscht mittlerweile Konsens, dass mit innerer Differenzierung und Entwicklung zu rechnen ist (vergleiche beispielsweise die beiden Regelwerke CD und 1QS). Zu den verschiedenen Gemeinschaften, die in den Qumran-Rollen beschrieben werden siehe J. J. COLLINS, Beyond the Qumran Community und weiter L. T. STUCKENBRUCK, Demonic World, 51–52 (gruppenspezifische Texte). 231 Cf. 4QVisions of Amramb ar 1 9; 2 12; 22 1; 1–2 iii 9. 232 Cf. A. T. WRIGHT, The Origin of Evil Spirits, 166: „We can only assume from the presence of BW amongst the DSS that the evil spirits introduced in BW had some influence upon the developing demonology recovered in the Scrolls.“ 229 230
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3.3.1. Das Genesis-Apokyrphon (1Q20)
Das Genesis-Apokryphon (1QapGen) kann wie das Jubiläenbuch als Form von ‚rewritten Bible‘233 bezeichnet werden.234 Das Apokryphon beinhaltet eine Nacherzählung von Stücken des Genesismaterials, sprich Erzählungen über die Patriarchen Henoch, Lamech, Noah und Abraham, wobei die große inhaltliche Nähe zu 1 Hen 106–107 (Geschichte der Geburt Noahs) zu bemerken ist. Die Datierung ist in der Regel von der zeitlichen Einordnung vor bzw. nach 1 Hen 106–107 und das Jubiläenbuch abhängig. Je nachdem ergeben sich dabei Datierungen vom späten dritten bis zum ersten vorchristlichen Jahrhundert (Fitzmyer, Kutscher).235 Kolumne 0 beinhaltet ein bisher unbekanntes Bittgesuch der gefangenen Wächter (bzw. Henochs Wiedergabe derselben; siehe 1 Hen 13,4–7).236 Kolumne I bietet die mutmaßliche Antwort Gottes (oder wiederum deren Wiedergabe durch Henoch).237 Dabei ist die Rede vom Herabsteigen der Wächter und deren Umgang mit Frauen (Zeile 1), vom ‚Geheimnis des Frevels‘ (רז רשעא, Zeile 2), sowie von medizinischen Praktiken, Zauberei und Wahrsagerei (Zeile 9).238 An diese Schilderungen schließt die Geschichte der Geburt Noahs an; diese wird aus der Sicht Lamechs erzählt und ist vergleichbar mit 1 Hen 106–107 (Kolumnen II-V). Die Beschreibung von Noahs außergewöhnlicher Erscheinung ist hier allerdings weit weniger ausgeführt als in 1 Hen. Lediglich 1QapGen V 12–13 gibt einen Hinweis auf Noahs leuchtende Augen. Auch hier wird (wie in der Geburtsgeschichte Noahs) möglicherweise davon ausgegangen, dass Wächterengel weiterhin eine Bedrohung darstellen;239 allerdings wird kaum davon auszugehen sein, dass in den Wächtern eine dauerhafte Bedrohung bis in die ‚Gegenwart‘ gesehen wurde. Daniel Machiela argumentiert dafür, das Genesis-Apokryphon zur Gattung der Apokalypsen zu zählen. Siehe D. A. MACHIELA, Genesis Revealed, passim. Zur Besprechung der Gattungszugehörigkeit und deren Problematisierung siehe ID., The Dead Sea Genesis Apocryphon, 2–5. 234 Zwischen dem Genesis-Apokryphon und dem Jubiläenbuch kann eine gewisse Nähe beobachtet werde; zur Besprechung siehe D. A. MACHIELA, Op. cit., 13–17. 235 Zumeist wird zumindest 1 Hen 106–107 als älter betrachtet; anders demgegenüber ID., Genesis Revealed, 212–213. Siehe dazu auch J. L. KUGEL, Which is older, Jubilees or the Genesis Apocryphon? An Exegetical Approach. 236 D. A. MACHIELA, Genesis Revealed, 208. 1 Hen 13,4–7 erzählt von der Petition der gefangenen Wächter, die allerdings nicht aufgeführt ist: „It is apparently this omitted petition that is recorded by the Apocryphon, either preserving a part of the Enochic tradition that has not survived in 1 Enoch, or filling in what was perceived as a gap in the story by the scroll’s author.“ 237 Siehe dazu D. A. MACHIELA, Op. cit., 209. 238 Textrekonstruktion nach ID., The Dead Sea Genesis Apocryphon, 32. 239 Siehe II 1: הריאתא ומן קדישין זרעא ולנפיל]ין ֯ הא באדין חשבת בלב די מן עירין. Die Befürchtung Lamechs beinhaltet hier möglicherweise auch die Nephilim. Siehe dazu 233
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Auf Lamechs Befürchtung, dass sein Sohn von Wächtern abstammen könnte, folgen die Auseinandersetzung mit seiner Frau Bat-Enosh sowie die Befragung Metuselahs und Henochs. Henoch berichtet von der Sünde der Wächter (III 3–5), bestätigt aber zugleich Lamechs Vaterschaft. Im Folgenden wird dann vor allem die herausragende Rolle Noahs betont (Kolumne VI), wobei die Notwendigkeit der Flut mit den Sünden der Wächter und deren Nachkommen erläutert wird (VI 11–22):240 Die Nephilim werden für Blutvergießen verantwortlich gemacht ()נפילים אשדו די דמא, die ‚Heiligen‘ ( )קדישיןstehen in Verbindung mit Frauen und Wahrsagerei (Zeilen 19–21). Die Rezeption des Wächtermythos im Genesis-Apokryphon umfasst sowohl Material aus dem Šemiḥazah- als auch aus dem ʿAśaʾel-Strang. Die Wächter dienen schließlich auch als Kontrastfiguren zur Rechtschaffenheit Noahs;241 somit steht wiederum eher die paradigmatische Funktion der Wächter im Vordergrund. 3.3.2. Die Damaskusschrift (4Q266–273; 5Q12; 6Q15)
Die Damaskusschrift ist eine halachische Regelschrift mit signifikanten Geschichtsüberblicken. Eigentlicher Titel war (nach 4Q266 11 20–21) vermutlich ‚Die letzte Ausforschung der Torah‘ ( [)]מ[ד ֯ר]ש[ ה תור ֯ה ]האחרון.242 Überliefert ist das Damaskusdokument in zwei mittelalterlichen Fragmenten aus der Kairoer Geniza sowie in zehn Qumranmanuskripten.243 Aufgrund des geschätzten Alters der Handschrift wird die Abfassung auf spätestens gegen Ende des 2. Jh.s v. Chr. angesetzt.244 Inhaltlich spielt einerseits die Auseinandersetzung zwischen dem ‚Lehrer der Gerechtigkeit‘ und dem ‚Frevelpriester‘ eine tragende Rolle. Andererseits werden die Gemeinschaftsregeln des neuen Bundes erläutert. Das Werk zerfällt somit in eine Ermahnung und eine Gemeinderegel,245 die auf dem Hintergrund der Vorstellung einer weisheitlich-präexistenten Weltordnung steht.246 Damit ist die Begründung des Bösen und der Sünde in der Welt schon gegeben: ‚Böse‘ sind diejenigen, die Gott nicht erwählt hat.247 L. T. STUCKENBRUCK, The Lamech Narrative in the Genesis Apocryphon, 263–264; siehe sodann Jub 7,22. 240 Zur Nomenklatur der Wächter siehe L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 261–262. 241 S. THOMAS, Watchers Traditions in the Dead Sea Scrolls, 142. 242 Cf. H. STEGEMANN, Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus, 165. 243 C. HEMPEL, Art. Damascus Document, 510. Die Kairoer Dokumente stammen aus einer Geniza (Lagerraum) der Ben Ezra Synagoge (entdeckt 1896–97), in Qumran wurde die Schrift in den Höhlen 4, 5 und 6 gefunden (davon acht Fragmente in Höhle 4). 244 A. STEUDEL, Art. Qumran-Handschriften, 4.2., weiter A. LANGE, Art. Qumran I, 60. 245 A. LANGE, Op. cit., 59. 246 Cf. ID., Wisdom Literature and Thought in the Dead Sea Scrolls, 473. 247 M. J. DAVIDSON, Angels at Qumran, 180.
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Ein als „weisheitliche Lehrrede gestalteter Geschichtsüberblick“248 führt zunächst ein dualistisches Geschichtsmodell vor: Israel wurde durch den ‚Mann des Spottes‘ (איש הלצון, cf. CD I 14–15) zur Ungerechtigkeit verführt, weshalb es unter die Macht Nebukadnezars preisgegeben wurde. Den wenigen Gerechten wurde ein ‚Lehrer der Gerechtigkeit‘ erweckt (מורה צדק, CD I 11). Die Geschichte vom Fall der Wächter bis zur Gründung des Yaḥad (390 Jahre nach Nebukadnezar) wird sodann von der Vorstellung eines ethischen Dualismus bestimmt.249 In diesem Zusammenhang werden die Adressaten zu sittlichem Verhalten ermahnt, wobei die Wächter als negative Beispiele in den Blick kommen: Sie sind ‚sündigem Plan‘ bzw. ‚Willen‘ ()יצ אשמה und ‚lüsternen Blicken‘ ( )ועני זנותerlegen und gefallen wie ‚die Wächter des Himmels‘ ()נפלו עידי >עירי< השמים,250 indem sie die Gebote Gottes nicht hielten (לא שמרו מצות אל, cf. CD II 16–18). Sodann wird erläutert, dass sowohl die Söhne der Wächter (CD II 19) als auch die Menschen durch dieselben Gedanken zu Fall kamen.251 Somit rücken Wächter, Giganten und Menschen auf eine Ebene: „It thus becomes clear that the author presents the Watchers as victims of the same propensity for guilt and lust that infects people – and not as active agents in the spread of human sin.“252 Die Wächter dienen somit als biblisches Exempel für den Abfall von Gott innerhalb einer dualistischen Weltordnung. Ihre Sünde hat vor allem paradigmatische Funktion, indem sie als Kontrastfiguren zur Gemeinde und deren Selbstverständnis erscheinen.253 Vor allen ‚Erklärungen‘ des Bösen bzw. der Sünde, steht zuerst die Vorstellung der präexistenten Weltordnung. Bemerkenswert ist, dass innerhalb dieser Vorstellung die Wächtererzählung am ‚Anfang der Sünde‘ steht und Adam bzw. Gen 3 dabei keine Bedeutung zukommt. 3.3.3. Ages of Creation (4Q180–181)
Die zwei Fragmente 4Q180 und 181 sind sehr fragmentarisch überliefert, wodurch unklar bleibt, ob es sich um zwei Fragmente derselben Schrift handelt (e.g. Milik), oder ob grundsätzlich zwei verschiedene Texte vorliegen (Dimant). Die Fragmente werden hier getrennt betrachtet, wie es nach der Mehrheitsmeinung der neueren Forschung vorgeschlagen wird. A. LANGE, Art. Qumran I, 59. A. LANGE, Op. cit., 59. 250 Bei עידיliegt wahrscheinlich eine Buchstabenverwechslung vor, sodass רanstatt דzu lesen ist. 251 Im Weiteren gelten auch die Söhne Noahs und Jakobs sowie die Sinaigeneration als abtrünnig, während Abraham und dessen Söhne Isaak und Jakob als Vorbilder gelten. 252 A. Y. REED, Fallen Angels, 99. 253 S. THOMAS, Watchers Traditions in the Dead Sea Scrolls, 145–146. 248 249
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4Q180 ist ein thematischer Kommentar (Pesher) zu den verschiedenen Epochen der Schöpfungsgeschichte (פשר על הקצים, siehe Fragment I Zeile 1), vermutlich aus dem späten ersten vorchristlichen Jahrhundert.254 Die Schrift ist aufgrund der schlechten materialen Erhaltung schwer einzuordnen. Auch hier liegt eine weisheitliche Vorstellung präexistenter Weltordnung zugrunde, wie sie bereits in der Damaskusschrift beobachtet werden konnte (siehe 4Q180 I 2–3):255 „Objekt der Auslegung ( )פשרsind die gottgesetzten Zeiten ()הקצים אשר עשה אל, die allem Seienden den Rahmen seiner zeitlichen Existenz vorgeben […]. Bereits vor ihrer Erschaffung hat Gott allen Wesen ihre Handlungen bestimmt […], und eine jede gottgesetzte Zeit ist auf den himmlischen Tafeln fixiert […], einschließlich der in Z. 4 erwähnten Zeiten ihrer Herrschaft […].“256 Das erste Fragment von 4Q180 thematisiert die Schöpfungsordnung, die anscheinend durch die Wächter gebrochen wurde. Ab Zeile 7 findet sich ein ‚Pesher über Azāz ͗ēl und die Engel‘ ()]ו[פ֯ שר על עזזאל והמלאכים.257 Deutlich ist der Bezug zu den Frauen und zur Zeugung riesenhafter Nachkommen (Gibborim). Diese scheinen mit den Frauen in Zeile 8 in Verbindung zu stehen (]וי[לד֯ ו להם גברים, ֯ „und sie gebaren ihnen Gibborim“; 4Q180 I 7–8).258 Zudem finden sich im näheren Kontext die Begriffe ‚Israel‘, ‚Schuld‘, ‚Gebote‘ und ‚Frevel‘ (Fragment 2).259 In den weiteren Fragmenten lassen sich dann Episoden der Abraham-Erzählung erkennen: Die drei Männer bei den Eichen von Mamre und sodann die Episode über die Zerstörung von Sodom und Gomorrha (siehe Gen 18–19). Eine Interpretation dieser Passage kann aufgrund des spärlichen auswertbaren Textmaterials freilich nur mit Vorbehalten gegeben werden. Auffallend ist auf jeden Fall die Bedeutung Azāz ͗ēls.260 Das Vergehen der Wächter, welches unter dieser Figur zusammengefasst wird, scheint gleichsam programmatisch an den Beginn des Geschichtsablaufes gestellt worden zu sein. Danach erst wird die Sünde Sodoms und Gomorrhas genannt, welche in der Linie der Sünde der Engel steht.261
Cf. G. W. NICKELSBURG, The Books of Enoch at Qumran, 106. Cf. A. LANGE, Wisdom Literature and Thought in the Dead Sea Scrolls, 473. 256 Cf. C. BERNER, Jahre, Jahrwochen und Jubiläen, 359–360. 257 C. BERNER, Op. cit., 352. 258 Siehe weiter J. C. VANDERKAM, Enoch. A Man for all Generations, 123–125. 259 Siehe M. J. DAVIDSON, Angels at Qumran, 272. 260 Möglicherweise wurde der Name ʿAśaʾel mit Azāz ͗ēl aus Lev 16 verwechselt, wodurch es zu dieser Bezeichnung gekommen ist. 261 S. THOMAS, Watchers Traditions in the Dead Sea Scrolls, 148. 254 255
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4Q181, aus herodianischer Zeit stammend,262 umfasst zwei Fragmente, wobei Fragment II vor Fragment I anzuordnen ist.263 Fragment II ist nur äußerst lückenhaft erhalten; Zeile 2 lässt zumindest die Riesen erkennen ()וילד]ו[ להםה גבור]ים.264 Sodann werden zwei Gruppen nebeneinander gestellt: Solche, die „die Sünde lieben und Böses erben“ ( )אוהבי עולה מנחילי אשמהund solche, die kennen (כול יודעין, Zeilen 4– 5).265 Auch in Fragment I findet sich die Vorstellung einer prädestinierten Weltordnung, in welcher die Menschen durch Gottes Los zu Gerechten und Frevlern bestimmt werden (I 5). Möglicherweise findet sich ein Hinweis auf die Wächter in I 2, wobei die Verderbtheit des Textes die Interpretation nur bedingt zulässt. Lesbar und als Hinweis auf die Wächter zu deuten ist die Wendung ‚Abwendung der Söhne [des Himmels?]‘ ([)מסיר בני ]שמים, welche vermutlich mit der zuvor genannten Schuld der Gemeinde in Verbindung steht. Abschließend kann – mit allen Vorbehalten aufgrund der schlechten Überlieferung – festgehalten werden, dass die Wächter in der geschilderten Weltordnung beider Texte eine bedeutende Position einnehmen: Sie stehen gleichsam am Anfang der Sündengeschichte der Welt; infolgedessen werden vermutlich frevlerische Gruppen und/oder die Sünde Sodoms und Gomorrhas in derselben Linie betrachtet: „[…] the iniquity initiated by these figures was passed along through the ages as an inheritance of guilt that would be dispelled in the final age […].“266 3.3.4. Zwischenbemerkung
Überblickt man die Fülle der Qumranhandschriften, so sind zwar zahlreiche Henoch-Fragmente zu finden, gleichwohl aber nur wenige Spuren einer Wächterrezeption innerhalb der gruppenspezifischen Texte. Es ist zwar schwierig, genaue Bezugnahmen zur Henoch-Tradition zu finden, doch lässt sich an manchen Stellen eine geteilte Denkstruktur im Hinblick auf das Zeitverständnis beobachten, was auf den Einfluss der Henoch-Tradition zurückzuführen ist.267 Wo sich eine Rezeption findet, kommt den Wächtern große Bedeutung zu. Die Wächterrezeption begegnet im Rahmen von Geschichtsüberblicken zur, 262 C. BERNER, Jahre, Jahrwochen und Jubiläen, 352 und D. DIMANT, History, Ideology and Bible Interpretation, 405. 263 Siehe D. DIMANT, Op. cit., 406. 264 D. DIMANT, Op. cit., 406. 265 Siehe C. BERNER, Jahre, Jahrwochen und Jubiläen, 352–353 und D. DIMANT, History, Ideology and Bible Interpretation, 409–410. 266 S. THOMAS, Watchers Traditions in the Dead Sea Scrolls, 148. 267 Ich danke Loren Stuckenbruck für diesen Hinweis.
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wobei zumeist eine weisheitlich geprägte Prädestinationsvorstellung im Hintergrund steht. Insofern wird die Wächterepisode nicht wie andernorts als urzeitlicher ‚Unfall‘ zu verstehen sein, der zur Einführung von Sünde und Bösem auf der Welt führte, sondern sie ist vielmehr Teil einer von Gott festgesetzten Ordnung. Innerhalb dieser Ordnung allerdings kommt ihnen die Rolle der paradigmatischen Sünder zu, die gleichsam Anfang einer ‚Sündenlinie‘ stehen: Zum einen muss der Wächtermythos demzufolge bekannt gewesen sein, zum anderen wird hier wiederum ersichtlich, dass die AdamTradition (noch) nicht mit den Anfängen der Sünde in Verbindung gebracht worden ist. Dass den Wächtern übers Ganze gesehen nur geringe Aufmerksamkeit zukommt ist gleichwohl wenig verwunderlich, wird die Vorstellung vom Bösen und der Sünde in den gruppenspezifischen Texten doch vor allem mit der Figur Belials in Verbindung gebracht. 3.3.5. Apotropäische Gebete
Eine ganz andere Rezeption des Wächtermythos findet sich in der Bezugnahme auf unreine Geister im Rahmen apotropäischer Gebete oder Schwurformeln. Bedrohende Geister werden dort zuweilen auf die Wächter zurückgeführt, was die betreffenden Texte für die vorliegende Untersuchung bedeutsam macht. Die Bezeichnung ‚( רוחות ממזריםGeister der Bastarde‘) lässt an 1 Hen 10,9 und 16,1 denken. Apotropäische Gebete sind Ausdruck der Bedrohung durch Geister und andere numinose Kräfte.268 Der Beter wendet sich in seiner Not an Gott mit der Bitte um Hilfe.269 Diese Beistandsbitten beinhalten häufig eine Art von Schwurformel: Gott möge die Geister verscheuchen oder erschrecken ()פחד. Verben wie ‚( שלטherrschen‘) und ‚( ירשbesitzen‘ bzw. ‚übernehmen‘), die mit den Geistern in Verbindung gebracht werden, bringen die starke existenzielle Gefährdung des Beters zum Ausdruck. Zu nennen sind in erster Linie 4Q510 1 4–5; 4Q511 48–49+51 ii 2–3 (Songs of the Maskil). In 4Q510 werden die ‚Geister der Bastarde‘ in einem Zug mit anderen bedrohenden Kräften genannt; mit ‚Geistern zerstörerischer Engel‘ ()כול רוחי מלאכי חבל, Dämonen ()שדאים, Lilith sowie Eulen oder Schakalen. Diese Mächte führen die Vernunft in die Irre und sind letztlich Teil der ‚Herrschaft des Frevels‘ (ממשלת רשעה, 1 6–7).270 Folgende Stellen sind zu nennen: 4Q510 1 1 und 4Q511 2ii 3; 35 7; 48–49+51ii 3; 182 1 (Songs of the Sage), 4Q444 1–4i+5 8 (4QIncantation), 11Q11 V 6 (11QApocryphal Psalms). Cf. auch M. T. BRAND, Evil Within and Without, 198–217. 269 Cf. dazu weiter M. T. BRAND, Op. cit., 199. 270 In einem solchen Zusammenhang wird auch שטןgenannt. Cf. 4Q213a 1 12b-18; 11QPsa XIX 15–16a ( ;אל תשלט בי שטן ורוח טמאה מכאוב ויצר רע אל ירשו בעצמיwohl nicht im 268
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Gelegentlich ist eine solche Schwurformel auch an den Geist selbst gerichtet, so beispielsweise in einem auf David zurückgeführten Gebet (11Q11 V 6): „Wer bist du… Nachkomme von Mensch und dem Samen der Heiligen…“ ()מי אתה ]הילוד מ[אדם ומזרע הקד֯ ]ושי[ם. Die abzuwehrende Kraft entstammt Menschen und Heiligen, wobei vermutlich eine Anspielung auf die Nachkommen der Wächter und der Frauen vorliegt. Wie im Gebet Noahs im Jubiläenbuch (siehe insb. Jub 10,3.6)271 wird hier die Integrität der Gerechten thematisiert.272 Während andernorts zumeist die Wächter als paradigmatische Sünder der Vergangenheit in den Blick kommen, stehen in diesen Gebetstexten die von ihnen ausgehenden Geister im Vordergrund. Damit werden nicht in erster Linie die Ursprünge von Bösem oder die gegenwärtige Sündhaftigkeit problematisiert, sondern vielmehr die akute Bedrohung,273 derer sich die Gerechten ausgeliefert sehen. Die Gebete und Schwur- oder Fluchformeln dienen als Mittel, diese Bedrohungen zu bewältigen und zwar nicht erst in einem eschatologischen Kontext, sondern in der Gegenwart.274 3.4. Die Patriarchentestamente: Schuld der Frauen 3.4.1. Einführung
Die Testamente der Zwölf Patriarchen (TestXII) besteht aus zwölf pseudepigraphen Vermächtnisreden der Söhne Jakobs (cf. Gen 49). Die Reden sind alle nach dem literarischen Schema des Testaments durch einen narrativen Rahmen gestaltet, in welchem der Testamentsverfasser seine Familie versammelt, um seine letzten Worte zu sprechen. Die Rede umfasst sodann Notizen aus dem Leben des jeweiligen Patriarchen, moralische Ermahnungen an seine Nachkommen, Aussagen über die Zukunft sowie schließlich den Bericht von Tod und Begräbnis.275 Yaḥad entstanden). Siehe weiter 4Q444 1–4 i+5 8; dort werden die Geister der Bastarde neben ‚einem unreinen Geist‘ genannt (מ[מזרים ורוח הטמאה ֯ ). 271 Weiter Jub 12,20. 272 In solchen Gebeten wird gleichwohl davon ausgegangen, dass Menschen mit Wissen ( )דעתausgestattet sind, das sie zum Guten befähigt (siehe 4Q511 28–29 3; möglicherweise 4Q511 48–49+51 ii 1; schließlich 4Q444 1–4 i+5 3: )ורוח דעת ובינה א ֯מת וצדק. Die Aktivität von bösen Geistern demgegenüber erläutert, warum die Gerechten dennoch zur Sünde fähig sind. Zu 11Q5 siehe detaillierter L.T. STUCKENBRUCK, The Myth of the Rebellious Angels, 200–202. 273 Siehe auch 4Q510 1 8a. 274 Siehe L.T. STUCKENBRUCK, The Myth of the Rebellious Angels, 199–200. 275 Cf. R. A. KUGLER, Art. Testaments, 1295–1296. Als wichtigste moralische Implikationen gelten u.a. das rechte Tun um Gott zu gefallen, Beliar entgegenzustehen und das
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Man geht weitgehend davon aus, dass die vorliegende Version von TestXII durch christliche Tradenten bearbeitet und mit Zusätzen versehen worden ist.276 In dieser Form sind die Patriarchentestamente auf das 2. Jh. n. Chr. zu datieren.277 Ursprünglich ist die Schrift aber höchstwahrscheinlich eine in Griechisch abgefasste, frühjüdische Komposition des hellenistischen Judentums zur Zeit des zweiten Tempels, worauf sowohl Sprache als auch Stil, Motivrepertoire und die weisheitliche Prägung hindeuten.278 Besonders interessant sind die TextXII, weil die nicht bloß die Taten der Patriarchen geschildert werden, sondern deren Entstehung reflektiert wird.279 In dieser Hinsicht wird dann auch der Wächtermythos rezipiert. Den Ausführungen der Wächterrezeption in TestNaph und TestRub vorauszuschicken ist eine kurze Bemerkung über die Weltanschauung der TestXII. In den Testamenten sind die ‚Gebote des Herrn‘ und das Doppelgebot der Liebe von entscheidender Bedeutung280 im menschlichen Entscheidungskampf zwischen Gott und Beliar.
„The author […] maintains that the commandments of the Lord guide a person in his choices, which has consequences for both his immediate situation and his ultimate salvation. This is because each person’s actions are envisioned as being either works of the Lord or those of the opponent. These actions thus take place in a greater context: the struggle between good and evil.“281
Doppelgebot der Liebe zu halten. Siehe weiter T. DE BRUIN, The Great Controversy, 43–45 und 51–80. 276 So e.g. J. BECKER, Testamente der Zwölf Patriarchen, 24. Siehe auch J. FREY, On the Origins of the Genre of the ‚Literary Testament‘, 369: „[…] against the suggestion that the literary framework or even the composition as a whole is merely late and Christian, one cannot only infer that Christian interpolations are not very numerous and rather clearly identifiable but, moreover, that the links with other Second Temple texts are so tight that not only parts of the material but also the literary design is strongly preformed within Jewish circles of this period.“ 277 Cf. M. TILLY, Art. Testamente der 12 Patriarchen, 1.: „In ihrer vorliegenden Gestalt sind die TestXII eine christliche Schrift. Früheste Erwähnungen begegnen bei Origenes (Homiliae in Josuam 15,26) und Hieronymus (Tractatus de libro psalmorum 15), was als terminus ad quem ca. 200 n. Chr. nahelegt. Hinsichtlich der Frage nach älteren Traditionsstufen der TestXII stehen sich unterschiedliche Positionen gegenüber, die entweder auf die innere Kohärenz des überlieferten Textes verweisen und ihn als ein christliches Werk verstehen (de Jonge, Hollander) oder von der Existenz einer älteren jüdischen Grundschrift ausgehen, die im Verlauf ihrer Überlieferung einer massiven christlichen Überarbeitung unterzogen wurde (Becker, Ulrichsen).“ Weiter auch M. KONRADT, „Fliehet die Unzucht!“ (TestRub 5,5), 249–250. 278 M. TILLY, Art. Testamente der 12 Patriarchen, 1. 279 Dazu M. KONRADT, „Fliehet die Unzucht!“ (TestRub 5,5), 266. 280 Siehe T. DE BRUIN, The Great Controversy, 52–63. 281 T. DE BRUIN, Op. cit., 86.
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Im Hintergrund steht die Vorstellung, dass sich um die menschliche Existenz ein Kampf zwischen ‚Gut und Böse‘, Gott und Beliar, abspielt, der dann auch im Inneren des Individuums stattfindet.282 In diesem Kampf ist in erster Linie die ‚gute Gesinnung‘ des Menschen von Bedeutung und nicht die einzelne moralische Tat; diese kann auch in den Hintergrund treten.283 Das Kampffeld zwischen Gott und Beliar und die vom Menschen geforderte Entscheidung zwischen den beiden Mächten spiegeln sich vor allem in TestRub auch in der Rezeption des Wächtermythos. Grundsätzlich zeigt sich in TestXII die sich verstärkende Tendenz, den Wächtermythos sehr frei, selektiv und exemplarisch zu rezipieren. In beiden betrachteten Texten kommen die Wächter im Rahmen einer Paränese als Beispiele in den Blick.284 3.4.2. Das Testament des Naphtali
In der Testamentsrede Naphtalis (cf. Gen 30,8) werden dessen Nachkommen dazu angehalten, Gottes Gebote zu halten und seine Ordnung nicht zu verkehren. Das hier vorliegende Ordnungsdenken erinnert an 1 Hen, denn auch in TestNaph wird das Gesetz Gottes mit der Ordnung der Gestirne verglichen:285 Wie die Gestirne sollen sich auch die Menschen an die gegebene Ordnung halten (3,2). Als Negativbeispiele werden die Wächter in eine Reihe von Sündenparadigmen eingeordnet: Zunächst werden die Heiden genannt, die die gegebene Ordnung verkehrt haben, indem sie „Hölzern und Steinen, den Geistern der Verführung“286 gehorchten (3,3; cf. auch Röm 1); sodann wird Sodom erwähnt (3,3–4), das auch in vielen anderen jüdischen sowie später christlichen Texten als Negativparadigma herangezogen wird;287 schließlich kommen die Wächter zur Sprache (3,5), die hier am Ende dieser Reihe stehen: „Ebenso verkehrten die Wächter die Ordnung ihrer Natur, die der Herr auch bei der Flut verfluchte, derentwegen er die Erde von Besiedelung und Früchten leer machte.“ Eine ähnliche Paradigmenreihe findet sich dann auch in Jud 6–7. In dieser Paradigmenreihe ist zu bemerken, dass weder die Schuld Sodoms noch die der Wächter ausführlicher erörtert wird, sondern beide Beispiele 282 Nach TestAss beispielsweise hat Gott alles in zwei Möglichkeiten gegeben: Zwei Wege, zwei Gesinnungen, zwei Arten zu Handeln…, wobei jeweils eine Dichotomie zwischen Gut und Böse vorliegt (siehe TestAss 1,3–9). 283 Am Beispiel von TestAss T. DE BRUIN, The Great Controversy, 98–105. 284 Cf. dazu K.-W. NIEBUHR, Gesetz und Paränese, 86–166, insb. 86–97. 285 In TestNaph 4,1 wird sodann die ‚Schrift Henochs‘ genannt; ein Bezug ist also umso wahrscheinlicher. 286 Übersetzung nach J. BECKER, JSHRZ III.1. 287 So beispielsweise: Dtn 29,23; Jes 1,9; 13,19; Jer 23,14; 49,18; 50,40; Klgl 4,6; Hos 11,8; Am 4,11; Zef 2,9; Sir 16,8; 3 Makk 2,5; Jub 16,6; 20,5; 22,22; TestAss 7,1; JosBell V 566; Mt 10,15; 11,24; Lk 10,12; 17,29.
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(wie üblich in solchen Paradigmenreihen) lediglich als Chiffren dienen. Die Schuld der Sodomiter ist aufgrund von Gen 19 und anderen Referenzen innerhalb von TestXII einfach zu bestimmen (die Männer Sodoms gefährden die Integrität de ‚Engel‘ bzw. )מַ ְלאָ כִ ים.288 Den Wächtern wird die Verkehrung ihrer Natur vorgeworfen, womit sehr wahrscheinlich die Frauenepisode angesprochen wird. Da die Wächter zudem hier wie auch sonst gelegentlich direkt neben Sodom genannt werden, kann darüber hinaus davon ausgegangen werden, dass beide Chiffren in Bezug zu illegitimer Sexualität gebracht werden können. Die Rezeption des Wächtermythos kommt hier im Rahmen ethischmoralischer Paränese zur Sprache und steht dabei keineswegs in Zusammenhang mit der Ursächlichkeit von Sünde oder Bösem. Zudem ist das Vergehen der Wächter ein Paradigma inter alia, der Wächtererzählung kommt somit keine gesonderte Bedeutung zu. 3.4.3. Das Testament des Ruben
Ausführlicher wird die Thematik der illegitimen Sexualität in Bezug auf die Wächter im Testament Rubens ausgeführt. Rubens Testamentsrede problematisiert die ‚Unverständigkeit der Jugend‘ im Rahmen einer Unzuchtsparänese:289 Brüder und Söhne werden vor dem Reiz der Frauen gewarnt, wobei das Beispiel der Engel angeführt wird, um das Übel, das durch sexuelles Vergehen in die Welt kommt, zu erläutern. Zunächst wird von Rubens jugendlichem Fehltritt mit der Nebenfrau seines Vaters berichtet (cf. Gen 35,22), welcher den Ausgangspunkt der paränetischen Unterweisung bildet (1,6). Dass die Jugend besonders anfällig für Sünde ist, wird dann mit dem Wirken von Geistern begründet (2,2): „Und sieben Geister sind [von Beliar]290 gegen die Menschen gegeben [κατὰ τοῦ ἀνθρώπου], und diese sind das Oberhaupt der Jugendwerke.“ Diese Geister entsprechen menschlichen Lastern wie Unzucht, Gier, Streit, Lüge oder Sexualität (‚Geist des Samens und des Beischlafs‘).291 Dem letzteren kommt 288 So TestAss 7,1: „Werdet nicht wie Sodom, das die Engel des Herrn nicht kannte und (deshalb) für immer zugrunde ging.“ 289 Cf. C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 97. 290 Nach einigen Textzeugen, aber nicht in allen Übersetzungen berücksichtigt: ἀπό τοῦ Βελιάρ. Vermutlich liegt dabei eine „Harmonisierung mit den dualistischen Stücken der Test XII“ vor. J. BECKER, Testamente der Zwölf Patriarchen, 33, Anm. 2 a). 291 Es werden folgende Geister genannt: 1) Der Geist der Unzucht (πορνεία), der in der Natur und den Sinnen wohnt (3,3). 2) Der Geist der ‚Unersättlichkeit im Magen‘ (3,4). 3) Der Geist des ‚Streites in der Leber und der Galle‘ (3,4). 4) Der Geist der Schmeichelei und Betrügerei, der zur Gefallsucht führt (3,4). 5) Der Geist der Hochmut, der Überheblichkeit und Stolz hervorbringt (3,5). 6) Der Geist der Lüge, der durch Zerstörungswut und Rivalität handelt (3,5). 7) Der Geist des ‚Samens und des Beischlafs‘, der Begierden nachgibt; dieser Geist steht in enger Verbindung mit den anderen Geistern (3,6).
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dabei besondere Aufmerksamkeit zu, da er dazu führt, dass Menschen ihren Begierden nachgeben. Analog dazu werden im Folgenden sieben Geister genannt,292 die den Menschen bei der Schöpfung gegeben wurden. Sie entsprechen den menschlichen Sinnen293 und sind somit für die Handlungsfähigkeit der Menschen notwendig. Sie können allerdings pervertiert werden, so führt der ‚Geist des Sehens‘ zum Begehren und der ‚Geist der Zeugung und des geschlechtlichen Umgangs‘ steht Gefahr, durch die ‚Vorliebe am Spaß‘ zu verkommen. Der Geist der Zeugung gilt als letzter Geist der Schöpfung, zugleich als erster der Jugend: Er führt den jungen Menschen wie einen Blinden in einen Graben und wie ein Tier über eine Klippe (2,9). Sexualität gilt zwar grundsätzlich als gute Gabe der Schöpfung, es sei denn sie kommt mit einer ‚Vorliebe zum Spaß‘ daher, da sie dann zur Sünde führt.294 Diese Erläuterungen bilden den Hintergrund der Erzählung Rubens und Bilhas (3,10): „Achtet nicht auf den weiblichen Anblick, seid nicht allein mit einer (anderen) Ehefrau, gebt euch nicht ab mit Frauenangelegenheiten! Denn wenn ich nicht Balla [sc. Bilha] gesehen hätte, wie sie an einem verborgenen Ort badete, wäre ich nicht in die große Gesetzlosigkeit gefallen. Denn als mein Denken die weibliche Nacktheit aufgenommen hatte, ließ es mich nicht (mehr) schlafen, bis ich die Schandtat ausgeführt hatte.“295 Darauf wird erDiese Geister sind: 1) Der Geist des Lebens (2,4). 2) Der Geist des Sehens, durch den das Begehren kommt (2,4). Dieser Geist steht offensichtlich mit den Erzählungen von Ruben und Bilha sowie den Wächtern und den Frauen in Zusammenhang (das Sehen gibt den Ausschlag für das Begehren). 3) Der Geist des Hörens, der Lehre ermöglicht (2,5). 4) Der Geist des Riechens, mit dem „[…] die Empfindung zum Einziehen von Luft und Atem gegeben ist.“ (2,5). 5) Der Geist der Sprache, durch den das Wissen ermöglicht wird (2,6). 6) Der Geist des ‚Geschmacks für Nahrungsmittel‘, wodurch Kraft entsteht (2,7). 7) Schließlich der Geist der ‚Zeugung und des geschlechtlichen Umgangs,‘ mit welchem die Sünde durch die Vorliebe zum Spaß in Verbindung steht (2,8–9). Zusätzlich wird in 3,1 ein achter Geist erwähnt: Der Schlaf, „[…] mit dem die Verzückung der Natur und das Abbild des Todes geschaffen ist“. Sowohl die Ekstase der Natur und das Bild des Todes „[…] seem to be based on observation and speculation about dreaming (which takes one beyond natural experiences) and about death (sleep and death were often compared).“ Cf. dazu W. LOADER, Philo, Josephus, and the Testaments on Sexuality, 376. 293 Hollander/de Jonge erachten es in ihrem Kommentar für möglich, dass diese Liste auf die stoische Teilung der Seele in acht Teile bzw. fünf Sinne zurückgeht. Cf. H. W. HOLLANDER/M. de JONGE, The Testaments of the Twelve Patriarchs, 93. 294 Siehe dazu auch TestIss 2,3: Rahel wird dafür gelobt, dass sie ‚um der Kinder willen‘ mit Jakob zusammen sein möchte, ‚aber nicht aus Lüsternheit‘. 295 Cf. auch Jub 33,2–9. „Und Ruben sah die Bilha, die Leibmagd der Rahel, wie sich die Konkubine seines Vaters im Wasser im Verborgenen badete. Er gewann sie lieb. Und heimlich in der Nacht kam er in das Haus der Bilha des Nachts und fand sie, als sie allein im Bett lag. Und sie schlief in ihrem Haus. Und er lag mit ihr. Und sie erwachte, und sie sah, und siehe, Ruben lag mit ihr auf dem Lager. Und sie deckte den seitlichen Rand (der Decke) auf und hielt ihn fest und schrie und erkannte, daß es Ruben war. Und sie schämte 292
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zählt, wie Ruben mit der Nebenfrau seines Vaters schlief, ohne dass sie es merkte, da sie betrunken war (3,14). Bilhas Nackt- und Trunkenheit ist hier vermutlich als Indikator für sexuelle Amoralität zu interpretieren, da Nacktund Trunkenheit auch andernorts in TestXII in Zusammenhang mit sexuellen Fehltritten gebracht werden.296 Gleichwohl wird nie von Bilhas Absicht erzählt, Ruben zu verführen (anders von der Frau Potiphars in TestJos). In diesem Gesamtzusammenhang werden schließlich die Wächter herangezogen und zwar als Opfer der ‚listigen Verführungskunst‘ der Frauen (5,1.4.6–7): „Böse [πονηραί] sind die Frauen, meine Kinder [...]. Denn eine Frau kann einen Mann nicht bezwingen auf offene Weise, sondern (nur) durch hurerisches Verhalten überlistet sie ihn. [...] Auf diese Weise bezauberten [ἔθελξαν] sie nämlich die Wächter vor der Flut: Jene sahen sie dauernd, gerieten in Verlangen nach ihnen und empfingen im Herzen die Tat. Sie verwandelten sich in Menschen, und während ihre Männer ihnen beiwohnten, erschienen auch sie ihnen. Und diese (= die Frauen) begehrten in ihrem Herzen nach ihren (= der Wächter) Erscheinungen und gebaren Riesen, denn die Wächter zeigten sich ihnen, bis zum Himmel reichend.“ Die Schuld am Herabsteigen der Wächter hier erstmals den Frauen gegeben wird. Wie Ruben Bilha sah, so sahen die Wächter die Frauen und begehrten sie. Dies entspricht grundsätzlich der Erzählung des Wächterbuches, beschuldigt werden aber nicht die Wächter, sondern die Frauen. Diese werden für die illegitime Handlung der Wächter bzw. Rubens verantwortlich gemacht. Eine gewisse Ironie kann hier kaum übersehen werden, wird doch sowohl von Ruben als auch von den Wächtern erzählt, dass sie durch das andauernde Sehen nicht widerstehen
sich vor ihm und nahm ihre Hand weg von ihm. Und er floh. Und sie war wegen dieser Sache sehr betrübt. Und sie erzählte (es) keinem Menschen. Und als Jakob kam und sie suchte, sagte sie zu ihm: ‚Ich bin nicht rein für dich. Denn ich bin befleckt worden, weg von dir. Denn Ruben hat mich verunreinigt, und er hat mit mir des Nachts gelegen. Ich aber schlief und wusste nichts, bis er den seitlichen Rand meiner Decke aufdeckte und er mit mir lag.‘ […]“ Während die Textparallele unumstritten ist, wird diskutiert, ob eine Abhängigkeit von Jub vorliegt, oder ob man doch eher von einer gemeinsamen literarischen Quelle auszugehen hat. Cf. I. ROSEN-ZVI, Bilhah the Temptress, 68. Bilha wird in Jub keine offensichtliche Schuld zugewiesen, im Gegenteil, sie wacht auf und schreit, als Ruben mit ihr schläft bzw. sie vergewaltigt, und beichtet Jakob davon. 296 Siehe I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 69–70. Weiter auch TestJud 12,3; 13,6; 14,1.2.6. Weiter ist ein signifikanter Unterschied zur Schilderung der Episode im Jubiläenbuch zu bemerken, was mit dem Setting der Erzählung zu erklären ist. Die Geschichte wird im Rahmen unterschiedlicher Paränesen verwendet. Den Unterschied zwischen TestRub und Jubiläen fasst Rosen-Zvi dann folgendermaßen zusammen: „In Jubilees, the episode ends with a long and detailed warning against incest, threatening violators with death […]. T. Reuben, in contrast, uses the story to teach a lesson about the dangers of women generally.“ I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 71–72.
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konnten.297 Im Konzept des Testaments macht dies durchaus Sinn: „[...] the key to T. Reuben’s narration of this story is to be sought in the gender economy built in the testament as a whole in which man struggles to control his sexual desires and woman represents the origin and instigator of these desires.“298 Im Folgenden wird ersichtlich, dass hier mehr auf dem Spiel steht als sittlich-moralisches Verhalten in Bezug auf Sexualität. Ruben warnt vor der ‚Sünde der Unzucht‘ (4,6), denn sie gilt als ‚Falle des Lebens/der Seele‘ (βόθρος γάρ ἐστι ψυχῆς ἁμαρτία τῆς πορνείας): „Denn sie ist’s, die den Verstand und die Erkenntnis in die Irre leitet, und junge Männer führt sie hinab in den Hades vor ihrer Zeit“.299 Unzucht eröffnet Beliar die Möglichkeit, einen Mann zu Fall zu bringen (4,7), womit hier eine existenzielle Gefährdung zur Sprache gebracht wird.
Somit wird auch hier deutlich, dass nicht in erster Linie die moralische Tat im Vordergrund steht, sondern letztlich das Abkommen von Gott: „In this case, the greater controversy between God and the opponent clearly provides the reasoning behind the dangers of fornication. Fornication allies a person with the opponent, deceiving the mind and leading all men away from God and towards destruction.“300 Das Halten der Gebote erfüllt einen höheren Zweck: Bei Gott zu bleiben.
Umgekehrt wird Sexualität als Einfallstor der Verführung durch Beliar angesehen, welche von Gott trennt und zu den Götzen führt (4,6). Beliar wird auch andernorts mit Unzucht in Verbindung gebracht (e.g. TestSim 5,3, Unzucht führt in die Nähe Beliars und weg von Gott.).301 Somit gilt sexuelle Versuchung nicht bloß als innere Angelegenheit, sondern als Angriff Beli-
297 So Rosen-Zvi: „Men are victims even in their active plots.“ I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 76. Weiter führt Rosen-Zvi eine Episode TestJud an. In den Kapiteln 3–7 und 9 werden Judas Kämpfe und seine Stärke gegenüber seinen Feinden im Krieg geschildert. In 11–12 hingegen seine Schwäche gegenüber weiblicher Verführungskunst, die er durch Tamar erfährt. Rosen-Zvi konkludiert: „Two kinds of war are suggested here, the second more dangerous then [sic.] the first. The female threat of sexual temptation provides the ultimate test of man’s power – a threat from which no one is safe, not the most manly (andreious) nor even the most righteous. The true war is thus located not on an external battlefield but rather within man’s soul.“ I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 81. 298 I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 74. 299 Verweisstellen siehe bei H.W. HOLLANDER/M. DE JONGE, The Testaments of the Twelve Patriarchs., 100 (Anm. zu 4,6). 300 T. DE BRUIN, The Great Controversy, 89. 301 Weiter: TestIss 6,1 (wer in Begehren entflammt und die Gebote Gottes missachtet, hängt sich an Beliar); TestIss 7 (vor dem, der sich an die Gebote, unter anderem auch sexuelle Reinheit, hält, fliehen alle Geister Beliars); TestAss 1,8 (wer von Beliar regiert wird, tut was böse ist); TestAss 3,2 (die ihren Begierden dienen, wollen Beliar gefallen); TestJos 7,4 (Potiphars Frau wird vom Geist Beliars in der Form der Begierde geplagt); TestBen 3,3 (die Geister Beliars plagen die Menschen; cf. auch TestDan 1,7).
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
ars.302 Den Wächtern kommt gegenüber Beliar eine nachgeordnete Stellung zu. Die Wächter werden zwar für einen verhängnisvollen Fehltritt in der Urzeit verantwortlich gemacht, die ‚gegenwärtige‘ Gefährdung aber geht von Beliar aus. Gegenüber dem Wächterbuch neu ist schließlich auch, dass sich die Wächter zwar in Menschen (Männer) verwandeln, dann aber doch nicht realiter mit den Frauen schlafen, sondern sie erscheinen „[…] als überdimensionierte Männer, die nur den Frauen sichtbar sind, sozusagen als stimulierende Kulissenbilder (phantasíai). Als Objekt der weiblichen Begierde beeinflussen sie dadurch die Gestalt der Kinder, ohne selbst sexuell aktiv zu werden. Sie dimensionieren nur, was die Frauen von ihren Männern empfangen.“303 Durch die bloße Anwesenheit der Wächter beim Geschlechtsverkehr der Frauen mit ihren Männern werden sodann Giganten geboren.304 Diese sind für die vorliegende Paränese allerdings nicht weiter von Bedeutung, das heißt, die Giganten (oder deren Geister) werden nicht zur Erläuterung der gegenwärtigen Bedrohung herangezogen. Zumindest scheint es nicht so, als würden die ‚Geister Belials‘ mit den Geistern der Giganten in Zusammenhang gebracht werden. Abschließend kann zu den Patriarchentestamenten bzw. TestNaph und TestRub festgehalten werden, dass der Wächtermythos vor allem in Zusammenhang mit Sexualität im ethisch-moralischen Sinn rezipiert wurde und die Siehe auch I. ROSEN-ZVI, Op. cit., 85. Mit anderem Akzent W. LOADER, Philo, Josephus, and the Testaments on Sexuality, 389–390: „While it [sc. TestRub] employs a demonological framework in speaking of spirits from Beliar that lead people astray, the actual leading astray is explained psychologically. […] The author depicts a process that is set off by the sexual gaze which corrupts the mind, making control difficult.“ 303 Cf. M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 444. 304 Küchler bietet eine breite Auswahl an Parallelstellen aus hellenistisch-römischer Zeit und dem Rabbinentum, die sich damit beschäftigen, wie sich ‚Gedankenbilder‘ während des Geschlechtsverkehrs in den Nachkommen ‚abbilden‘ können. Es seien hier zwei Beispiele genannt. 1) Eine Aussage des Empedokles (495–435 v. Chr.) bei PseudoPlutarch, De placitis philosophorum 5,12: „Dem Phantasiegebilde (phantasíaͅ) der Frau bei der Empfängnis gestaltet sich die Leibesfrucht gleich. Oft nämlich empfinden die Frauen Begierde (e͗ráthēsan) nach (männlichen) Statuen (a͗ ndriás) und Bildern und gebären dann jenen ähnliche Kinder.“ H. DIELS/W. KRANZ, Fragmente, 300, Zeilen 19–22. Cf. M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 445–446. 2) Ebenso GenRab 73,10 (zu Gen 30,37ff, wo erzählt wird, wie Jakob sich gescheckte und gestreifte Lämmer züchtet, indem er seinen Schafen an ihrem Paarungsort gestreifte Ruten vorhält): „Es war einmal ein Kuschit, der eine Kuschitin heiratete und aus ihr einen weißen Sohn zeugte. Da nahm der Vater den Sohn und ging zu [sic.] Rabbi und sagte: Dieser ist vielleicht nicht mein Sohn. Jener fragte: Hast du Bilder im Innern deines Hauses? Dieser sagte: Ja. Jener sagte: Schwarz oder Weiß? Dieser: Weiß. Jener sagte ihm: Davon hast du einen weißen Sohn.“ Cf. M. KÜCHLER, Op. cit., 452–453. 302
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Wächter-Frauen-Episode dabei als das Negativparadigma sexueller Amoralität gilt. Problematisiert wird vor allem das sexuelle Begehren als Ursache der von Gott entfernenden Sünde; die Wächter sind dem Begehren gleichermaßen erlegen. Daneben spielt vor allem die Irreführung durch Geister und Beliar eine herausragende Rolle. 3.5. Ben Sira
Die Weisheit Ben Siras (auch Jesus Sirach)305 ist die erste uns vorliegende frühjüdische Schrift, in welcher nach dem Grund der Sündhaftigkeit des Menschen angesichts einer guten, göttlichen Schöpfung gefragt wird (Sir 15).306 Die vorliegende griechische Fassung geht auf ein hebräisches Original zurück,307 die Datierung wird aufgrund zeitgenössischer Figuren (wie dem Hohepriester Simon, dem Gerechten) zwischen 195 und 180 v. Chr. angesetzt.308 Daneben sind lateinische und syrische Traditionen bekannt.309 In Sir 16,7 begegnen die Wächter in einer Paradigmenreihe (V. 7–10). Die Passage steht im Rahmen der Ausführungen zum Zorn und zur Vergeltung Gottes. Die Verse 1–6 führen die Thematik ein (es ist besser, wenige Kinder zu haben, statt vieler, wenn sie gottlos sind). In 7–10 folgt die Begründung: Gott verschont die Gottlosen nicht, weder die ‚Helden der Vorzeit‘, noch die ‚Mitbürger Lots‘, noch die Generation Noahs. „7 Er vergab nicht den Helden der Vorzeit,310 die sich vor Zeiten auflehnten in ihrer Stärke. 8 Nicht erbarmte er sich der Mitbürger Lots, die sich in ihrem Stolz übermütig gebärdeten. 9 Nicht verschonte er ein Volk, das dem Bann verfallen war, das dahingerafft wurde in seiner Schuld.“311
Der Bezug zu Gen 6,1–4 ist zumindest im griechischen Text deutlich, griechischer Text liest: οὐκ ἐξιλάσατο περὶ τῶν ἀρχαίων γιγάντων, οἳ ἀπέστησαν τῇ ἰσχύι αὐτῶν. Hebräische Manuskripte sind hier weniger deutlich.312 Festzuhalten bleibt, dass die griechische Sirach-Tradition die Giganten und nicht
Zur Namensgebung siehe B. G. WRIGHT, Art. Ben Sira, 436. M. T. BRAND, Evil Within and Without, 93. 307 Lange kannte man nur griechische und lateinische Abschriften. Nach den Funden in Qumran und auf Masada (1964) sind nach Friedrich Reiterer inzwischen um die 64% des Textes in Hebräisch zugänglich. F. V. REITERER, Art. Sirach, 3.1. 308 Cf. F. V. REITERER, Op. cit., 1 und B. G. WRIGHT, Art. Ben Sira, 436–437. 309 Zu den Spezifika der verschiedenen sprachlichen Überlieferungen siehe insgesamt die Beiträge in REY, JEAN-SÉBASTIEN/JOOSTEN, JAN (HRSG.), The Texts and Versions of the Book of Ben Sira. Transmission and Interpretation. 310 Sauer lehnt die Übersetzung bereits deutlich an Gen 6,4 an. 311 Übersetzung nach G. SAUER, ATD 1. 312 Siehe dazu M. GOFF, Ben Sira and the Giants of the Land, 646–647. Wird davon abhängen, wie נסיךinterpretiert wird ( ;)לא נשא לנסיךי קדםin der Hebräischen Bibel wird נסיך nie für urzeitliche Giganten verwendet. M. GOFF, Op. cit., 648–649 und die weiteren Ausführungen in diesem Aufsatz. 305 306
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
die Wächter als Sündenparadigmen aufführt. Die Paradigmenreihe ist ähnlich, wie wir sie in 3 Makk und später auch in Jud/2 Petr finden: Die Giganten (dort: die Wächter) werden in derselben Reihe wie die Sodomiten genannt. Die Giganten werden somit nicht unter dem Aspekt der Frage nach den Ursprüngen des Bösen thematisiert, sondern im Rahmen der Ausführung über das Gericht für die Gottlosen. Mit diesem Gedanken verbinden sich schließlich die paränetischen Anweisungen der Passage. 3.6. Das dritte Makkabäerbuch
3 Makk, von einem jüdischen Autor in Griechisch verfasst, stammt vermutlich aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert; erzählerisches Setting ist der Sieg Ptolemaios’ IV. Philopator über Antiochus III (217 v. Chr).313 Erzählt wird die Rettung der Juden, die durch Ptolemaios zu Tode verurteilt wurden, weil sie sich weigerten, am Dionysioskult teilzunehmen. Im zweiten Kapitel begegnen die Wächter wiederum in einer Paradigmenreihe. Der Hohepriester Simon bittet Gott um Schutz und Rettung für das Volk. Zunächst wird Gott als Herr und König und Herrscher über die Schöpfung angesprochen (Κύριε κύριε, βασιλεῦ τῶν οὐρανῶν καὶ δέσποτα πάσης κτίσεως, 2,2), danach führt Simon Gottes Taten gegen die Frevler der Geschichte vor Augen. Am Anfang dieser Reihe stehen die Riesen (2,4): „Du hast diejenigen, die Unrecht taten, unter ihnen auch die Giganten, die sich auf Stärke und Kühnheit verlassen haben, zerstört, indem du große Mengen Wasser über sie hast ergehen lassen.“314 Die weiteren Paradigmen sind die Sodomiten (V. 5) und der ägyptische Pharao (V. 6–7). In der Folgt bittet Simon Gott um Unterstützung gegen die Unterdrücker. Die Riesen und die Ägypter sind hier nicht in erster Linie Paradigmen der Sünde, sondern der Gewalt und der Unterdrückung. Klassische Sündenparadigmen bleiben die Sodomiter, die auch hier, wie in Ben Sira und Jud/2 Petr mit den Giganten (bzw. den Wächtern) zusammen genannt werden. Was die Riesen betrifft ist auch hier deutlich, dass sich der Verfasser der Passage an den Wächtermythos und nicht an Gen 6,4 anlehnt. 3.7. Hellenistisch-jüdische Schriften des ersten Jahrhunderts 3.7.1. Philo von Alexandrien
Philo von Alexandrien (ca. 20 v. Chr. – ca. 50 n. Chr.) gilt als einer der wichtigsten Zeugen der jüdischen exegetischen Tradition zur Zeit des zweiten Siehe S. R. JOHNSON, Art. Maccabees, third Book of, 907–908 und S. VON DOB1–4, 7.2. 314 LXX: σὺ τοὺς ἔμπροσθεν ἀδικίαν ποιήσαντας, ἐν οἷς καὶ γίγαντες ἦσαν ῥώμῃ καὶ θράσει πεποιθότες, διέφθειρας ἐπαγαγὼν αὐτοῖς ἀμέτρητον ὕδωρ. 313
BELER, Art. Makkabäerbücher
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Tempels und zugleich als der gelehrteste Vertreter des Diasporajudentums. Sein Einfluss war zu seinen Lebzeiten zwar groß, ging aber mit der Zerstörung der alexandrinisch-jüdischen Gemeinde (115–117 n. Chr.) im Judentum weitgehend verloren. Das frühe Christentum bewahrte Philos Schriften, denen für die frühchristliche Theologie große Bedeutung zukommt.315 Die Wächter kommen bei Philo im Rahmen allegorischer Kommentierungen von Gen 6,1–4 zur Sprache, welche sich sowohl in seiner Schrift über die Giganten (De Gigantibus) 6–18 als auch in den Ausführungen über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) findet. Philo folgt in seiner Lesart von ἄγγελοι τοῦ θεοῦ für בְּ נֵי־הָ ֱא הִ יםeiner alternativen Lesart der LXX. Dabei lehnt er es ab, diese wie ‚andere Philosophen‘ als Dämonen zu bezeichnen (Gig. 6),316 denn Mose nenne sie Engel, ‚in der Luft fliegende Seelen‘ (Gig. 7). Philo wehrt sich sodann dagegen, die Erzählung als ‚bloßen Mythos‘ zu sehen: „Und niemand glaube, daß das Gesagte ein Märchen sei [καὶ μηδεὶς ὑπολάβῃ μῦθον εἶναι τὸ εἰρημένον].“317 Gleichwohl entmythologisiert er die Erzählung, da er sich nicht für die Engelerzählung als solche zu interessieren scheint, sondern vielmehr für die Fragen der Anthropologie. So wird das Herabkommen der Engel im Folgenden allegorisch gedeutet: Die Engel sind ihrem Wesen nach ψυχαί und damit von gleicher Wesensart wie Dämonen und Engel.318 Ψυχαί verhalten sich auf zweierlei Art und Weise: 1) Die einen bleiben rein und geistig und vermischen sich nicht mit Irdischem. 2) Die anderen vermischen sich mit Irdischem und inkarnieren zu Menschen, was allerdings nocht nicht negativ zu beurteilen ist. Dieser Gruppe wiederum entspringen zwei Kategorien von Menschen, die ‚Gerechten‘ und die ‚Ungerechten‘. Die Seelen, die zu ungerechten Menschen inkarnieren sind ἄγγελοι πονηροί; die Unterscheidung mündet schließlich in einen ethischen Dualismus.319 Die Töchter der Menschen versinnbildlichen in dieser Allegorie die Cf. G. E. STERLING, Art. Philo, 1063–1064. Vergleiche dazu die Ausführung bei L. COHN/P. WENDLAND, Werke in deutscher Übersetzung, 59, Anm. 1: „Die Auffassung, daß die Engel […], die sich irdische Frauen nahmen und mit ihnen die Riesen erzeugten, Dämonen gewesen seien, ist den hellenistischen Schriftstellern jüdischen und christlichen Glaubens, die dieses Thema häufig behandelten, gemeinsam […].“ 317 Übersetzung nach H. LEISEGANG. 318 Cf. Gig. 16 „Wenn du nun Seelen, Dämonen und Engel zwar für verschiedene Namen, im Grunde aber für ein und dasselbe hältst, wirst du die schwerste Bürde, die Dämonenfurcht, ablegen. Denn wie die große Menge von guten und bösen Dämonen spricht und ebenso von (guten und bösen) Seelen, so wirst du nicht fehlgehen, wenn du auch die Engel teils für ihres Namens würdige Boten der Menschen zu Gott und Gottes zu den Menschen, […] teils für unheilig und unwürdig des Namens.“ 319 Cf. u.a. Gig. 12–15. „The first ψυχή descends to the earth to take on human flesh [cf. Somniis I.138 und De Plantatione 14], but it is caught up in the ‚rushing torrent‘ of the human passions, which in turn results in the corruption of the ψυχή and its inability to return to the heavenly realm [cf. De Opificio Mundi 152]. […] The second category of 315 316
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negativen irdischen Aspekte (sinnliche Lüste aller Art), die zur Ungerechtigkeit führen (Gig. 17f; Deus 3f).320 Auch die Giganten werden entmythologisiert: Sie entsprechen der untersten Hierarchiestufe der Menschen, denjenigen, die sich an den ‚Lüsten des Körpers‘ erfreuen.321 Bei Philo verbindet sich die Rezeption des Wächtermythos mit seiner anthropologischen Erklärung der Sünde. Eine detailliertere Auseinandersetzung mit dem Werk und der Anthropologie Philos wird an dieser Stelle nicht ausgeführt,322 sondern wird dann in der Besprechung von Philos Genesis-Rezeption thematisiert. Hier sei lediglich festgehalten, dass der Wächtermythos bei Philo nicht als urzeitliches Geschehen, sondern als interner Prozess der Seele verstanden wird. Dabei ist allerdings zu bemerken, dass dies kein Spezifikum der Wächter-Rezeption Philos ist, sondern Philo umgekehrt seine Anthropologie auf verschiedene biblische Figuren und Erzählungen appliziert: „The spirits of giants in the Watcher tradition represent an external threat, which operates against the internal good inclinations of the individual. Philo’s giants correspond to the internal pleasures of the flesh that are allowed to operate or not operate by the irrational human ψυχή is the one who descends to the earth to take on human flesh but is able to rise above the current of the passions. This soul seeks the wisdom of ‚genuine philosophy‘ (Judaism) in order to regain the immortal and incorporeal existence in the presence of the Divine, keeping him or herself apart from the passions and remaining pure […].“ A. T. WRIGHT, Observations of Philo's ‚De gigantibus‘, 477. 320 Gig. 18: „[…] Töchter […] die sie sich auswählten, die einen die durch den Gesichtssinn hervorgerufenen Lüste, die andern die durch das Gehör, wieder andere die durch Geschmack und Magen, einige auch die Geschlechtsgenüsse, viele aber auch bemächtigten sich der am entferntesten liegenden, indem sie die Begierden in sich am weitesten ausdehnten. Denn mannigfaltig sind notwendig die Neigungen zu mannigfaltigen Lüsten […].“ Weiter Deus 3f: „[…] Wenn aber das Licht des Denkens verdunkelt und überschattet wurde, schleichen sich die Genossen der Finsternis ein, kommen mit den niedrigen und weichlichen Leidenschaften, die er [sc. der Verfasser von Gen] Töchter der Menschen nennt, zusammen und zeugen (Kinder) für sich, nicht für Gott […].“ 321 Cf. Gig. 58.60–61: „‚Die Riesen aber waren auf der Erde in jenen Tagen‘ (1 Mos. 6,4). Vielleicht glaubt einer, daß der Gesetzgeber auf die von den Dichtern über die Riesen erzählten Fabeln anspiele [μεμυθευμένα περὶ τῶν γιγάντων], obgleich er sich aufs weiteste vom Märchenerzählen fern hält und es für richtig erachtet, den Spuren der Wahrheit selbst zu folgen. […] Er führt also durchaus keine Fabel über Riesen an, sondern er will dir nur das darlegen, daß die Menschen teils der Erde, teils des Himmels, teils Gottes sind. Der Erde die, welche den Lüsten des Körpers nachjagen, ihren Genuß und Gebrauch suchen und sich alles verschaffen, was zu einer jeden gehört, des Himmels alle Künstler, Verständigen und Lernbegierigen – denn das Himmlische unserer Bestandteile, der Geist (Geist aber ist auch jedes der himmlischen Dinge) beschäftigt sich mit der allgemeinen Bildung und überhaupt allen anderen Künsten […] , Gottes (Menschen) aber die Heiligen und Propheten, die es nicht für gut hielten, an diesem weltlichen Staatswesen Anteil zu haben und Weltbürger zu werden […].“ 322 Siehe dazu A. T. WRIGHT, Observations of Philo's ‚De gigantibus‘, passim.
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and rational sides of the soul.“323 Somit steht letztlich die Verantwortung des Menschen zur Debatte, den Verstand über die Leidenschaften regieren zu lassen, womit Philo die Verantwortung für das Böse bzw. die Sünde im Menschen lokalisiert und nicht von verführenden oder korrumpierenden Mächten ausgeht. 3.7.2. Liber Antiquitatum Biblicarum
Traditionell wurde der Liber Antiquitatum Biblicarum (LAB), der eine Nacherzählung der biblischen Geschichte von Adam bis zum Tod Sauls bietet, Philo zugeschrieben (Pseudo-Philo). LAB ist in 18 lateinischen Manuskripten überliefert, geht aber sehr wahrscheinlich auf ein hebräisches Original zurück, welches über eine griechische Übersetzung schließlich ins Lateinische gelangte. LAB kann als gemeinjüdische Schrift in der ‚rewritten Bible‘Tradition Palästinas des ersten Jahrhunderts bezeichnet werden.324 Der biblische Stoff wird dabei neu geschrieben und im Rahmen eines deuteronomistischen Geschichtsbildes gedeutet, womit eine gewisse Nähe zum Jubiläenbuch nicht zu übersehen ist.325 Der LAB zitiert Gen 6,1–2 in der Nacherzählung von Gen 6 zwar wörtlich (siehe LAB 3,1–3),326 die Notiz riesenhafter Nachkommen fehlt dabei allerdings, ebenso jegliche weitere Ausführung.327 Dass der LAB als wichtiges Zeugnis „haggadische[r] Art jüdischen Umgangs mit der Bibel im 1. Jh.“ gerade kein Interesse an der Wächtertradition zu zeigen scheint, ist bemerkenswert.328 3.7.3. Josephus
Josephus (37 in Jerusalem – irgendwann nach 95/96), Verfasser autobiographischer, historischer und apologetischer Werke, gilt als einer der wichtigsten A. T. WRIGHT, Op. cit., 483. Cf. F. J. MURPHY, Art. Antiquities, 440–441. Weiter P. W. VAN DER HORST, Art. Pseudo-Philo, 670. 325 F. TÓTH, Exodusdiskurse im Matthäusevangelium, 45. 326 LAB 3,1: „Und es geschah, als die Menschen begonnen hatten, zahlreich zu sein auf der Erde, da wurden ihnen wohlgestalte Töchter geboren. Und es sahen die Söhne Gottes, daß die Töchter der Menschen sehr schön waren, (und) sie nahmen sich die zu Frauen, die sie aus allen aussuchten.“ Übersetzung nach C. DIETZFELBINGER, JSHRZ II.2. 327 Claudia Losekam bedenkt die Möglichkeit, dass sich in LAB 2,8 Hinweise auf die Wächtertradition finden könnten. LAB 2,8 nennt Aspekte sexuellen Fehlverhaltens und schädlicher Lehren. Losekam hält diesbezüglich fest, dass der „[…] Kontext, speziell die einsetzende moralische Degeneration der Menschen durch sexuelles Fehlverhalten, […] deutlich die moralische Rezeption von Gen 6,1–4 […]“ reflektiert und der Verfall der Menschen „[…] mit der Entdeckung der Kunst, speziell der Musik, und der zivilisatorischen Errungenschaft der Metallverarbeitung“ einhergeht. C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 103–104. 328 P. W. VAN DER HORST, Art. Pseudo-Philo, 672. 323 324
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Zeugen für die Zeit des ersten jüdischen Aufstandes gegen Rom (66–73).329 Auch die Überlieferung des Werks des Josephus ist „[…] ausschließlich dem Interesse zuzuschreiben, das die frühe und mittelalterliche Kirche an ihnen genommen hat“.330 Josephus rezipiert den Wächtermythos in den Antiquitates Judaicae (Ant.), in welchen er die Geschichte Israels in zwanzig Bänden nachzeichnet. Die Bücher 1–11 beinhalten eine Paraphrase der biblischen Geschichte von der Schöpfung bis zur Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Die verbleibenden Bücher 12–20 erzählen die jüdische Geschichte in der persischen, hellenistischen und römischen Zeit bis zur ersten jüdischen Revolte gegen Rom. Das Werk wurde im Jahre 93/94 abgeschlossen (siehe Ant. XX.11.3) und hat zum Ziel, dem Leser das jüdische Volk und dessen Geschichte zu vermitteln (siehe Ant. I.Vorwort.2). Es ist Josephus ebenso ein Anliegen, dem heidnischen Leser die jüdische Religion als Philosophie ersichtlich zu machen (Ant. I.Vorwort.3 und Vorwort.4). Die Adressaten sind demzufolge nicht-Juden.331 In der Nacherzählung der Urgeschichte wird zunächst vom Fall Adams und Evas berichtet (Ant. I.1.4), ebenso vom Abfall der Nachkommen Seths (Ant. I.3.1).332 Ob die Engelperikope und der Sinneswandel der Sethiten zusammenhängen bzw. ob die Engel mit den Sethiten zu identifizieren sind, wird hin und wieder diskutiert, jedoch zumeist negativ beantwortet.333 Es ist anzunehmen, dass die Schilderung von Gen 6,1–4 eher im Rahmen der generellen Schlechtigkeit der Welt zu verstehen ist. Nach Ant. I.3.1 haben Engel Gottes (ἄγγελοι τοῦ θεοῦ; cf. auch Philo), die mit Frauen zusammen waren, ‚anmaßende Nachkommen‘ gezeugt (ὑβριστὰς ἐγέννησαν παῖδας), welche alles Gute verachteten und die nach Josephus‘ Schilderung Ähnliches taten wie es die Griechen von den Titanen erzählen.334 Es wird weiter davon berichtet, dass Noah mit den Taten der Giganten unzufrieden war und sie eines Zur Einführung cf. S. MASON, Art. Josephus, 828–832 . G. MAYER, Art. Josephus Flavius, 263. 331 Dazu S. MASON, Art. Antiquities, 834–838 und L. H. FELDMAN, Flavius Josephus, XIII–XXXVI. 332 Es wird erzählt, dass die Menschen für sieben Generationen an Gott festhielten und standhaft auf die Tugend schauten (πρὸς ἀρετὴν ἀποβλέποντες), dann aber begonnen hätten, sich von der Überlieferung ihrer Väter abzuwenden. In der Folge hätten sie weder Gott die geforderte Ehre erbracht, noch Gerechtigkeit gegenüber den Menschen bewiesen. Somit hätten sie sich schließlich mit Gott in den Krieg begeben (ἔνθεν ἑαυτοῖς τὸν θεὸν ἐξεπολέμωσαν). Eine neuere Übersetzung findet sich bloß in Englisch bei L. H. FELDMAN, Op. cit. 333 Zur Diskussion cf. C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 118–119. Siehe weiter A. A. ORLOV, Overshadowed by Enoch's Greatness, 141–142. 334 πολλοὶ γὰρ ἄγγελοι θεοῦ γυναιξὶ συνιόντες ὑβριστὰς ἐγέννησαν παῖδας καὶ παντὸς ὑπερόπτας καλοῦ διὰ τὴν ἐπὶ τῇ δυνάμει πεποίθησιν: ὅμοια τοῖς ὑπὸ γιγάντων τετολμῆσθαι λεγομένοις ὑφ᾽ Ἑλλήνων καὶ οὗτοι δράσαι παραδίδονται. Griechischer Text nach B. NIESE. 329 330
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Besseren belehren wollte, sich aber vor ihnen fürchtete; daraufhin folgt die Erzählung der Flut, durch welche Gott die Welt von allem Frevel reinigen wollte. Anders als Philo hat Josephus somit keine Hemmungen, ‚biblische‘ und ‚griechische‘ Tradition zu vergleichen, da es gerade seine Absicht ist, sich bzw. die biblische Tradition den griechisch sprechenden und denkenden Menschen bzw. den Römern verständlich zu machen. Im Rahmen der biblischen Erzählfolge erläutert Josephus mit der Wächterepisode die Notwendigkeit der Flut. Die Giganten werden dabei mit den Titanen verglichen, um das von jenen ausgehende Unheil zu illustrieren und verständlich zu machen. Die illegitime Verbindung zwischen Engeln und Frauen sowie deren Nachkommen stehen allerdings nicht am Anfang weltlicher Schlechtigkeit, sondern inmitten der bereits von Sünde durchdrungenen Welt. Somit wird mit dem Wächterfall und v.a. mit den Taten der Giganten großes Unheil in Verbindung gebracht, welches die Welt maßgeblich veränderte, jedoch nicht die Ursache von Bösem auf der Welt. Am Anfang der Sünde stehen für Josephus die Ereignisse, wie sie in Gen 3 geschildert werden. 3.8. Das zweite Baruchbuch: Die Engel im Gefolge Adams
Unter den Apokalypsen des ersten Jahrhunderts findet sich die Rezeption des Wächtermythos lediglich in 2 Bar, wobei sich hier deutlich eine Verschiebung hin zum anthropologischen Modell zeigt. Das nur in syrisch erhaltene zweite Baruchbuch reflektiert die Zerstörung des Jerusalemer Tempels 70. n. Chr.;335 fiktiv ist die Handlung aber in der Zeit der ersten Tempelzerstörung durch die Babylonier (587/6 v. Chr.) angesiedelt, also in der Schaffenszeit des historischen Baruch (cf. Jer 32,12f.16; 36,4f.8.10.13ff.26f.32; 43,3.6; 45,1f.). Das Jahr 70 ist somit als terminus a quo zu bezeichnen.336 Inhaltlich und zeitlich rückt 2 Bar in die Nähe von 4 Esra und der Apokalypse des Abraham, die ihrerseits keine Rezeption des Wächtermythos bezeugen.337 2 Bar kann von Kontext und Thematik her anaDie Originalsprache ist nicht definitiv zu bestimmen; außerdem existieren keine jüdischen Manuskripte, Aufnahmen oder Zitate in rabbinischer Literatur. Es ist somit davon auszugehen, dass die Erhaltung christlicher Bewahrung zu verdanken ist. Im Übrigen liegen einige wenige Verse einer griechischen Version vor, auf welche die syrische Übersetzung zurückzugehen scheint. Vermutlich ist das Original Hebräisch, was sich aufgrund einiger Parallelen mit 4 Esra (Hebr.) nahe legt. Cf. M. HENZE, Art. Baruch, 427. 336 Matthias Henze geht davon aus, dass der Terminus ad quem der Bar-KochbaAufstand (132–135 n. Chr.) ist. M. HENZE, Op. cit., 427. 337 Auch ApcAbr wird nach der Zerstörung des zweiten Tempels verfasst worden sein. Der Text ist in slawischen Manuskripten erhalten und beschäftigt sich mit dem Bösen auf der Welt, Fragen nach Prädestination und freiem Willen sowie dem Leiden Israels durch die Heiden im Rahmen der Geschichte Abrahams. Cf. D. C. HARLOW, Art. Apocalypse of 335
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log zu 4 Esra betrachtet werden, ist allerdings etwas später anzusetzen. In beiden Schriften kommen messianische und eschatologische Erwartungen zur Sprache.338 In 2 Bar wird u.a. ein Geschichtsüberblick von der Schöpfung bis zum Kommen des Messias und dem erwarteten eschatologischen Frieden dargelegt. Die Anfänge des Bösen werden dabei in der Urzeit verortet, indem alternierend schwarze und helle Wasser genannt werden, die in der Urzeit auf die Erde niederregneten. Diese Wasser stehen für eine Serie von negativen bzw. positiven Ereignissen, welche über die Erde ergangen sind. Das erste schwarze Wasser steht für die Übertretung Adams (2 Bar 56,5). Darauf wird die Wächtererzählung als Fortsetzung der durch Adam ins Leben gerufenen schwarzen Wasser geschildert (56,10–16). Die Wächterepisode gilt als noch dunkler („[…] und das sehr dunkle Dunkel kam hervor.“, 56,9):339 „Denn jener Adam, der zunächst Gefahr war für sich selbst, war auch Gefahr dann für die Engel. Sie hatten ja auch Freiheit in jener Zeit, als er geschaffen wurde. Und einige von ihnen stiegen ab (zur Erde), um sich mit Frauen zu vermischen. Die damals so gehandelt hatten, – mit Fesseln wurden sie gepeinigt. Die vielen übrigen unzähligen Engel beherrschten sich. Die Erdbewohner aber kamen alle durch der Sintflut Wasser um. Das sind die ersten schwarzen Wasser.“340 Zunächst ist zu beobachten, dass das Vergehen der Wächter hier erstmals mit Adams Übertretung verbunden wird, indem das Vergehen der Engel auf Adam zurückgeführt wird. Der Zusammenhang wird allerdings nicht ausgeAbraham, 295–296. Weiter C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 101. ʿAzazʾel weist in ApcAbr Züge des aus dem Himmel verstoßenen Engels auf (cf. ApcAbr 13,11f). 338 Cf. die Einführung bei A. F. KLIJN, Syrische Baruch-Apokalypse, 107–119 und M. HENZE, Art. Baruch, 426–428. 339 Übersetzung nach A. F. KLIJN, JSHRZ V.2. ‚Weiber‘ werden in der Wiedergabe der Übersetzung durch ‚Frauen‘ ersetzt. 340 Nach den ersten schwarzen Wassern werden weitere helle und dunkle Wasser genannt: Abraham und seine Geschlechter (57,1; positiv), die ‚Vermischung all der Sünden‘ und die ‚Freveltat des Landes der Ägypter‘ (58,1; negativ), das Kommen von Mose und Aaron, Mirjam und Josua (59,1; positiv), die ‚Werke der Amoriter‘ (60,1; negativ), die ‚Zeiten Davids und Salomos‘ (61,1; positiv), die ‚Verkehrtheit der Gedanken des Jerobeam‘ (62,1; negativ), die ‚Gerechtigkeit und die Aufrichtigkeit Hiskias‘ (63,1; positiv), die ‚Gottlosigkeit der Tage von Manasse‘ (64,1; negativ), die ‚Reinheit der Geschlechter des Josia‘ (66,1; positiv), das jetzige Unheil Zions (67,1; negativ) und die kommende Zeit der Rettung und der großen Freude (68,3–4; positiv). Die letzten schwarzen Wasser werden dunkler als alle zuvor bezeichnet und beinhalten die Verwirrung des Geistes und das Entsetzen des Herzens durch den ‚Herrscher‘ (70,2). Es folgt die Ankündigung von Krieg und Vernichtung, wobei alle in die Hände des Knechtes Gottes, des Gesalbten, fallen und die Erde wird ihre Bewohner verschlingen wird (70,6–10). Die letzten hellen Wasser designieren den Gesalbten, der die Völker rufen und die einen retten und die anderen töten bzw. umkommen lassen wird (72,2–6); danach soll ewiger Frieden herrschen (73,1).
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führt, somit bleibt diese Frage offen. Wie dem auch sei, Adam gilt hier als Ursache des Bösen, nicht die Wächter, obwohl deren Vergehen als ‚sehr dunkel‘ bezeichnet wird. Somit ist Adams Sünde derjenigen der Engel zeitlich und sachlich vorgeordnet.341 Im Wächterbuch wurden umgekehrt die Wächter für das gotteswidrige Verhalten der Menschen verantwortlich gemacht. Hier findet sich nun eine bedeutsame typologische Verschiebung: Adam, das heißt, die Menschheit, ist für das Tun der Wächter verantwortlich: „Although 2 Baruch falls short of positing Adam’s direct responsibility for the sinfulness of his descendants, it underlines his culpability for inaugurating sin. Moreover, this text asserts humankind’s responsibility for their own sins by blaming them even for the fall of the angels […].“342 Mit dem letzten in dieser Reihe betrachteten Text wird die graduelle Verschiebung von der Schuld der Wächter zur Schuld Adams abschließend auf den Punkt gebracht. 3.9. Abschließende Bemerkungen
Selektive Rezeption und paradigmatische Funktion: Überblickt man die Rezeption des Wächtermythos von der frühesten Henochtradition bis zu den Schriften am Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, so fällt grundlegend dessen zunehmend selektive Rezeption auf. Dabei werden die Wächter zumeist unabhängig von einer durchgängigen Erzählung aufgeführt, das heißt kaum mehr in einem größeren narrativen Zusammenhang, sondern vornehmlich in Ausführungen argumentativer Art und in kleineren Erzähleinheiten. Auffällig ist dabei vor allem der Beispielcharakter der Wächter, die nun in erster Linie als warnendes Beispiel vor Unzucht (TestXII) oder usuelles Paradigma in der Paränese dienen und zuweilen gar lediglich in ethisierender Allegorisierung herangezogen werden (Philo). Es zeigt sich somit, dass die Rezeption außerhalb der Henochtradition verstärkt Tendenzen aufnimmt, welche bereits in der späteren Henochtradition zu beobachten waren (Bilderreden). Gleichwohl lassen der Beispielcharakter und die Chiffrehaftigkeit in der Rezeption darauf schließen, dass der Mythos gemeinhin bekannt war und ohne weitere Erläuterungen herbeigezogen werden konnte. Zugleich ging die mythologische Funktion der Wächtererzählung zu einem gewissen Grad verloren. Schließlich lässt sich aber festhalten, dass die Wächter, zumindest bis zur Zeitenwende, als das Paradigma für Sünde schlechthin gelten und das auch innerhalb der Vorstellung einer präexistenten Weltordnung, wie sie sich beispielsweise im Damaskusdokument aus Qumran findet.
341 342
Cf. C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 100. Cf. A. Y. REED, Fallen Angels, 111.
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
Illegitime Sexualität und Schuld der Frauen: Wird der Wächtermythos in paränetischer Funktion rezipiert, kommt zumeist die Thematik illegitimer Sexualität (bzw. der Zeugung von Nachkommen) zur Sprache, währendem die Lehrtätigkeit kaum oder nur andeutungsweise thematisiert wird und von geringer Bedeutung zu sein scheint. Die im Wächterbuch mit den Lehren der Wächter verbundenen Übel werden sodann vermehrt mit bösen Geistern in Verbindung gebracht (e.g. Jub). Diese Fokussierung lässt sich vermutlich bereits innerhalb des henochischen Schrifttums bemerken und findet sich in allen weiteren Rezeptionsschichten wieder. Im Wächterbuch kommt Sexualität unter dem Aspekt gottgegebener Ordnung zur Sprache, wird dabei aber nur knapp und nicht in ethisch-moralischer Hinsicht thematisiert. Demgegenüber gelten die Wächter in manchen Traditionssträngen als sexualethisches Negativparadigma. Theologisch wird der Wächtermythos durch diese ethischmoralische Vereinseitigung freilich verkürzt. Vereinzelt wird diese sexualfeindliche Haltung mit misogynen Tendenzen verbunden, indem die Frauen für sexuelle Vergehen verantwortlich gemacht werden (TestRub). Gegenüber frühen Rezeptionsstufen ist dies eine auffällige Verschiebung, welche in der frühchristlichen Rezeption des Wächtermythos bei den Kirchenschriftstellern noch deutlicher zu beobachten sein wird. Zurücktreten hinter die Adamtradition: Weiter ist ersichtlich geworden, dass die Figur Adams in Texten um die Zeitenwende und dann vor allem im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert zunehmend bedeutender wird (siehe beispielsweise 4 Esra, 2 Bar, Josephus). Der Wächterfall wird dem Fall Adams deutlich nachgeordnet, und zwar nicht nur chronologisch, sondern vor allem auch sachlich. Vorläufer sind bereits Schriften wie das Jubiläenbuch, die die Wächtertradition in den Duktus der Erzählfolge der Genesis einordnen und ihn somit nach der Paradieserzählung oder dem Brudermord erzählen. Damit wird die Bedeutung der Wächterepisode freilich relativiert, indem sie nicht mehr ‚an den Anfang‘ der Unheilsgeschichte der Welt zu stehen kommt, sondern im Rahmen einer bereits ‚gefallenen‘ Welt besprochen wird. Mit der zunehmenden Bedeutung der Adamtradition verstärkt sich schließlich auch die Rolle der Menschen im Hinblick auf die Verantwortung für das Böse. Obwohl die Adam-Traditionen ab dem 1. Jahrhundert bedeutender werden, lässt sich in der frühjüdischen Literatur bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert eine breite Rezeption des Wächterfallmythos beobachten. Ausblick: In der rabbinischen Tradition verliert der Wächtermythos an Bedeutung, was (vermutlich) auf die Ablehnung der henochischen Tradition, zumindest bei den Tannaiten,343 zurückzuführen ist. In der rabbinischen ReSiehe dazu C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 133–150 und Anm. 1; weiter A. Y. REED, Fallen Angels, 136–147. 343
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zeption von Gen 6,1–4 wurde einer anthropologischen Deutung der בְּ נֵי־הָ ֱא הִ ים in Gen 6,2 vermehrt der Vorzug gegeben,344 was vermutlich auch die Bewertung der Wächterfalltradition beeinträchtigt hat. Allen voran sei hier der Midrash zu Gen 6,2 (BerRab 26,5) genannt. Rabbi Simeon b. Yoḥai verflucht jeden, der ‚Söhne Gottes‘ liest und nennt stattdessen die Bezeichnung ‚Söhne der Richter‘. Der Targum Onqelos zu Gen 6,2 liest ‚Söhne der Mächtigen‘ bzw. ‚Großen‘.345 Die theologische Intention ist einerseits vermutlich in der empfundenen Anstößigkeit der Verfehlung göttlicher Wesen zu suchen, andererseits ist die Zurückweisung der Engeldeutung „mit einer im 2. Jh. n.Chr. vermehrt einsetzenden kritischen Haltung gegenüber Engeln“ verknüpft.346 An dieser Entwicklung ist die Tendenz zur ‚Anthropologisierung‘ von größtem Interesse. Anstatt des Wächtermythos wird die rabbinische Tradition vermehrt die Lehre vom Bösen Trieb heranziehen.
4. Frühchristliche Rezeption
4. Frühchristliche Rezeption
4.1. Einführung
Vom ersten bis zum frühen dritten Jahrhundert lässt sich eine breite Rezeption der henochischen Tradition beobachten und zwar in der ganzen geographischen Breite des römischen Reiches, dazu in allen wichtigen kirchlichen Zentren. Das Corpus 1 Hen ist für die neutestamentlichen Autoren von großer Tragweite: Apokalyptische Vorstellungen, beispielsweise vom Weltgericht oder dem Kommen des Menschensohnes, sind unmissverständlich in der henochischen Tradition verankert (cf. beispielsweise Mk 13 par, Mk 14,63 par, vor allem aber Mt 25, siehe dazu Stücke in den Bilderreden: 1 Hen 46; 53–57; 60–63).347 Damit ist die Henochtradition zugleich eine wichtige Quelle christologischer Motive. Zwar ist das Weltbild der neutestamentlichen Verfasser deutlich von frühjüdisch-dämonologischen Vorstellungen geprägt, doch lassen sich keine Rückschlüsse auf eine direkte Rezeption des Wächtermythos ziehen. Die Vorstufen dieses Weltbildes sind im frühen Judentum, der LXX sowie in Qumran zu finden und sind ursprünglich in der henochischen Tradition zu verorten.348 Wie in den verschiedensten Ausprägungen frühjüdischer Theologie führen neutestamentliche Autoren ‚gegenwärtiges‘ dämonisches und sataCf. auch C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 133. Siehe weiter den Midrash von Šemḥazai und Azāz ͗ēl. 346 C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 136. 347 Siehe weiter G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 83–84 und G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, 1 Enoch 2 (Commentary), 113–116. 348 Grundlegend H. FREY-ANTHES, Art. Dämonen im Wibilex. Weiter O. BÖCHER, Art. Dämonen IV, 279 und B. KOLLMANN, Art. Dämonen III, 536. 344 345
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
nisches Wirken vor Augen. Dabei gehen sie davon aus, dass das Reich Gottes mit dem exorzistischen Wirken Jesu bereits angebrochen ist (Lk 11,20), womit sowohl dämonische als auch satanische Mächte als überwunden gelten. Jesu Exorzismen schließen in gewisser Weise an zeitgenössische jüdische Riten dämonischer Abwehr an und werden als eschatologische Handlungen im Horizont des anbrechenden Gottesreichs verstanden, womit das Böse vielmehr unter dem Aspekt seiner Überwindung betrachtet wird. Grundsätzlich kommt die Frage nach den Ursachen von Bösem kaum in den Blick. Die Rezeption des Wächtermythos fällt in den neutestamentlichen Schriften und damit in den frühesten christlichen Zeugnissen eher spärlich aus.349 Zu diskutieren sind lediglich zwei Stellen im ersten Korintherbrief und im ersten Petrusbrief (s.u.). Während der Befund im NT somit schmal ausfällt, findet sich eine breite Rezeption des Wächtermythos bei den frühen Kirchenschriftstellern. 4.2. Der erste Korintherbrief: ‚Wegen der Engel‘?
Die früheste Spur einer Rezeption des Wächtermythos könnte sich im ersten Korintherbrief, den Paulus ca. 55 in Ephesus verfasste, finden. Paulus legt in Kapitel 11 u.a. dar, warum die Frauen in der Gemeinde bzw. beim Beten oder prophetischen Reden (cf. 1 Kor 11,5) ‚eine Macht über das Haupt‘ haben sollen (ἐξουσίαν ἔχειν ἐπὶ τῆς κεφαλῆς), „wegen der Engel“ (διὰ τοὺς ἀγγέλους; 1 Kor 11,10).350 Im vorliegenden Zusammenhang des Briefes stehen Fragen zu Gottesdienstpraxis und Geschlechterthematik zur DiskussiIn Bezug auf die Evangelien werden gelegentlich zwei Stellen diskutiert: 1) Zunächst könnten in der Gerichtsrede Jesu (Mt 25,41) mit den ἄγγελοι, welche mit dem Diabolos ins Feuer geworfen werden, die Wächter gemeint sein. Dass die Wächterengel dem endgültigen Gericht anheimfallen werden und sich bis dahin in einem Gefängnis befinden, ist aus 1 Hen bekannt (e.g. Tiersymbol-Apokalypse, Zehn-Wochen-Apokalypse). 2) Weiter wird gelegentlich behauptet, dass die Wächter/Frauen-Thematik in der Geburtsgeschichte Jesu (Mt 1,20; Lk 1,35) aufgenommen wurde. Die Affirmation des Engels, dass ‚heiliger Geist‘ für die Schwangerschaft Marias verantwortlich sei, wird im Kontrast zu ‚abtrünnigem Geist‘ gedeutet. Somit würde eine ähnliche Vorstellung vorliegen wie in der Geburtsgeschichte Noahs oder im Genesis-Apokryphon. In diesem Zusammenhang wird sodann auch ProtevJak 14,1–2 angeführt. Siehe M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 341. Die These vermag allerdings nicht zu überzeugen, da in den Evangelien nicht die ‚Art‘ der Schwangerschaft Marias zur Debatte steht, sondern die Schwangerschaft überhaupt. Siehe dazu auch L.T. STUCKENBRUCK, The Myth of the Rebellious Angels, 158 und weiter 142–160. 350 Zur Diskussion über die exegetischen Schwierigkeiten des Verses (insbesondere der Wendungen und Begriffe ‚διὰ τοῦτο‘, ‚ἐξουσίαν ἔχειν ἐπὶ τῆς κεφαλῆς‘ und ‚διὰ τοὺς ἀγγέλους‘) cf. W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther, 515–517, A. LINDEMANN, Der Erste Korintherbrief, 243, D. ZELLER, Der erste Brief an die Korinther, 358–360 und T. JANTSCH, Einführung in die Probleme von 1Kor 11,2–16, 35–48. 349
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on;351 explizit stellt sich die Frage, ob es anständig sei (πρέπον ἐστὶν), dass eine Frau unverhüllt betet (1 Kor 11,13).352 Dieser Kontext von Gebet und prophetischer Rede muss in den folgenden Überlegungen berücksichtigt werden. Schon antike Exegeten haben ἐξουσία aufgrund der Einfügung von κάλυμμα in einigen frühen lateinischen und bohairischen Übersetzungen und bei den Kirchenvätern als textile Verhüllung interpretiert.353 Viele Auslegungen blieben (auch im Anschluss an 1 Kor 11,5) bei dieser Interpretation.354 Bereits 1947 hat Stephan Lösch die These vorgetragen, dass hier mit größter Wahrscheinlichkeit gar nicht die Verschleierung thematisiert wird, sondern die damals in Korinth übliche Art der Hochsteckfrisur im Gegensatz zu offen getragenem Haar.355 Darin könnte zunächst vorschnell ein Hinweis auf die Verführungskraft der Frauen gesehen werden. Dass es aber nicht in erster Linie um Verführung geht, zeigt die vorangehende Argumentation des Paulus: Die Frau ist dem Mann schöpfungstheologisch nachgeordnet (11,7–9): Sie ist zur δόξα ἀνδρός geschaffen und soll den ihr übergeordneten Mann ‚wegen der Engel‘ nicht beschämen.356 Somit steht infolgedessen die Interpretation der ἄγγελοι zur Debatte.357 Zwar wurden häufig Lösungen vorgeschlagen, die die Problematik zu entschärften suchten, indem die ἄγγελοι beispielsweise als Bischöfe (so im Pauluskommentar des Ambrosiaster aus dem 4. Jh.) oder in Anlehnung an Offb 1,20 als menschliche Boten interpretiert wurden.358 Dem muss entgegengestellt werden, dass Paulus mit ἄγγελοι bei allen anderen Belegstellen tatsäch-
Siehe dazu A. LINDEMANN, Der Erste Korintherbrief, 238. Siehe weiter D. S. DU TOIT, Status und Anstand, 64–68. 353 Cf. S. NASH, 1 Corinthians, 330, A. LINDEMANN, Der Erste Korintherbrief, 243 und T. JANTSCH, Einführung in die Probleme von 1Kor 11,2–16, 35–36. 354 Weiter wurde/wird unter ἐξουσία ‚Macht‘ oder ‚Autorität‘ verstanden, vereinzelt auch ‚Freiheit‘ im Sinne der freien Verfügung, häufig auch als Schutz in einem fast magischen Gebrauch (als Schutz der Frauen vor Engeln und Geistern). Siehe L.T. STUCKENBRUCK, The Myth oft he Rebellious Angels, 264–265. 355 S. LÖSCH, Christliche Frauen in Corinth; siehe auch M. BÖHM, 1 Kor 11,2–16, 211– 213, weiter P. LAMPE, Erster Korintherbrief, 181. Peter Lampe weist darauf hin, dass Paulus aufgrund seiner tarsischen Herkunft „burkaaähnlich verhüllte Frauen erlebt“ haben wird (Lampe verweiset auf DioChrys.or. 33; 48). Siehe dazu den Exkurs Head Coverings, Hairstyle, Corinth, and Mediterranean Antiquity bei L.T. STUCKENBRUCK, The Myth of the Rebellious Angels, 261–262. 356 Siehe dazu D. S. DU TOIT, Status und Anstand, 88–89. 357 Siehe auch den Überblick bei L.T. STUCKENBRUCK, The Myth oft he Rebellious Angels, 269–279. 358 Cf. G. BRAY, 1–2 Corinthians, 108, S. NASH, 1 Corinthians, 331 und T. JANTSCH, Einführung in die Probleme von 1Kor 11,2–16, 43–44. 351 352
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lich Engel meint.359 Bleibt man infolgedessen bei diesem Verständnis, stellt sich dann die Frage nach der Bedeutung der Wendung διὰ τοὺς ἀγγέλους:360 Geht es darum, dass Engel von Frauen verführt werden könnten, womit sodann auf den Wächtermythos Bezug genommen würde? Oder steht ehrerbietiges Verhalten gegenüber den Engeln, wie es gelegentlich im Rahmen der Schöpfungsordnung thematisiert wird, zur Debatte?361 Oder sind unter den Engeln schließlich heidnische Götter, sprich Götzen oder Dämonen, zu verstehen? 362 Es muss an dieser Stelle genügen, lediglich die Wächter-These ausführlicher zu besprechen. Paulus scheint zumindest die aus der henochischen Tradition stammende Vorstellung, dass über Engel gerichtet wird, zu kennen (cf. 1 Kor 6,3); somit wäre eine Anspielung auf den Wächtermythos nicht völlig ausgeschlossen. Außerdem haben bereits Tertullian und Justin diese Stelle auf die Wächter hin ausgelegt (cf. Virg. Vel. 7 oder 1 Apol V).363 Auch neuzeitliche Ausleger erachten diese Deutung als wahrscheinlich.364 Hat Paulus hier tatsächlich an die Wächterengel gedacht, dann müsste allerdings von einer anhaltenden Bedrohung durch lüsterne Engel ausgegangen werden, aufgrund derer sich die Frauen zu ihrem Schutz und zur Wahrung der δόξα ihrer Männer zu entsprechend zu frisieren oder gar zu verschleiern hätten. Dass (andere) (Wächter-)Engel nach wie vor eine Bedrohung darstellen bzw. dass mit dem ‚Fall‘ weiterer Engel gerechnet wurde, konnte in der frühjüdischen Wirkungsgeschichte allerdings nicht beobachtet werden. Außerdem ist ein Zusammenhang zwischen Wächterfall und Gebet oder prophetischer Rede (wie er hier zur Debatte steht, siehe 11,5.13) nicht ersichtlich.365 Ebenso weSiehe Röm. 8,38; 1 Kor 4,9; 6,3; 11,10; 13,1; 2 Kor 11,14; 12,7; Gal 1,8; 2,18; 3,19 und 4,14. 360 Zum Überblick T. JANTSCH, Einführung in die Probleme von 1Kor 11,2–16, 42–48. Du Toit betrachtet die Wendung als ‚Dreh- und Angelpunkt‘ der gesamten Argumentation dieser Perikope (D. S. DU TOIT, Status und Anstand, 63), anders T. JANTSCH, Die Frau soll Kontrolle über ihren Kopf ausüben (1 Kor 11,10), 123, der zu Recht bemerkt, dass die „Engel weder vorher noch nachher irgendeine Rolle spielen“ und die Wendung hier gleichsam als Fremdkörper in der Argumentation erscheint. 361 M. BÖHM, 1 Kor 11,2–16, 229–230. In diesem Fall müsste von der Vorstellung ausgegangen werden, dass die Engel in irgendeiner Art und Weise am Gottesdienst Teil haben. Diese Vorstellung findet sich bereits in Texten der Qumrangemeinde (e.g. 1QSa), sodann auch bei Augustin. Cf. A. C. THISELTON, The First Epistle to the Corinthians, 839– 840. Derselben Ansicht ist auch C. BÖTTRICH, Selbstverständnis, Weltbild, Dämonologie, 387. 362 E. ADAMTZILOGLOU, Die Verantwortung der Frau, 149. 363 Cf. dazu M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 488–489, ebenfalls die weiter vorangehende Untersuchung zur gesamten Perikope M. KÜCHLER, Op. cit., 73–112. 364 Siehe T. JANTSCH, Einführung in die Probleme von 1Kor 11,2–16, 44–45. 365 Sollte die Gefahr für die Frauen nur beim Gebet und bei prophetischer Rede bestehen, weil hier von der Gemeinschaft mit den Engeln ausgegangen wird? Diese Vorstellung 359
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nig wird deutlich, inwiefern die geforderte Haartracht vor Engeln schützen würde.366 Wird andererseits von einer geforderten Verschleierung ausgegangen, könnte diese natürlich vor den Blicken der Engel schützen. Bei weitem überzeugender ist die Vorstellung, dass die ganze Perikope die Frage nach der sich gebührenden Sitte stellt und dass es somit auch die Engel in diesem Kontext zu betrachten sind: „Paulus setzt voraus, dass der (gottesdienstliche) Raum beim Beten (bzw. prophetisch Reden) eine Öffnung hin zum Raum Gottes erfährt, in dem sich die Engel Gottes befinden. In dieser erweiterten Öffentlichkeit gelten wie auch sonst in der Gesellschaft Anstandsregeln.“367 In diesem Kontext ist dann auch der Zusammenhang mit der δόξα des Mannes einzuordnen: Weil die Frau zur δόξα ἀνδρός geschaffen wurde und dem Mann schöpfungstheologisch nachgeordnet wird, soll sie sich in der gottesdienstlichen Gemeinschaft ihrem ‚Stand‘ gemäß verhalten und kleiden (ob dabei nun eine spezifische Haartracht oder eine Verschleierung vorgeschlagen wird, ist für den vorliegenden Zusammenhang dann nur sekundär). Im Hintergrund steht zudem wohl die Tradition der gottesdienstlichen Engelgemeinschaft.368 Somit kann festgehalten werden, dass 1 Kor 11,10 also kaum eine Rezeption des Wächtermythos darstellen wird. 4.3. Der erste Petrusbrief
Strittig bezüglich der Wächterrezeption ist auch eine Stelle im ersten Petrusbrief (vermutlich um 90 in Kleinasien abgefasst).369 Der Verfasser spricht der Gemeinde Mut zu, gegenwärtige Anfeindung und damit verbundenes Leid mit ‚lebendiger Hoffnung‘ (1 Petr 1,3) zu ertragen. Die Gemeinde wird ermutigt, um des Guten Willen Leid zu ertragen, da auch Christus gelitten hat (3,17f). Darauf folgt die Schilderung von Leiden und Tod Christi, wobei hier nun möglicherweise auf die Wächter im Gefängnis angespielt wird, die somit zu Hörern der Verkündigung (post passionem)370 würden (3,19–20): „So/In wiederum begegnet weder im Wächterbuch noch in der Rezeption des Wächtermythos. Das Kommen der Wächter hat keinen Zusammenhang mit Gebet oder Gottesdienst, lediglich mit dem Begehren der Wächter nach den schönen Frauen. 366 Siehe dazu A. ROBERTSON/A. PLUMMER, A Critical and Exegetical Commentary, 233–234. 367 D. S. DU TOIT, Status und Anstand, 91. 368 Hierzu L.T. STUCKENBRUCK, The Myth of the Rebellious Angels, 271–274. 369 Cf. U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, 439–441. Möglich wäre auch eine Situierung in Rom, da der Verfasser ‚Babylon‘, eine gebräuchliche Chiffre für Rom, anführt. Für Kleinasien sprechen sowohl die Kenntnis der Situation der kleinasiatischen Gemeinden sowie die Rezeption des Briefes, welche sich zuerst im Osten nachweisen lässt. 370 Die spätere Tradition situiert die ‚Höllenfahrt Christi‘ zwischen Tod und Auferstehung. Hier kann über den Zeitpunkt der Höllenfahrt allerdings debattiert werden. 3,18 bekennt zunächst das Sterben Christi ‚im Fleisch‘ und seine Lebendigkeit ‚im Geist‘
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diesem [sc. Geist] ist er auch zu den Geistern im Gefängnis (τοῖς ἐν φυλακῇ πνεύμασιν) gegangen und hat ihnen die Botschaft verkündigt, ihnen, die einst nicht hören wollten, als Gott in seiner Geduld zuwartete in den Tagen, da Noah die Arche baute; in ihr wurden ein paar wenige, nämlich acht Seelen (ψυχαί), gerettet durch das Wasser hindurch.“ Im Folgenden wird das Wasser bildlich auf die Taufe übertragen, welche auch die Adressaten rettet, indem sie sie durch Christus an Gott bindet (3,21f). An dieser Stelle können nicht alle komplexen Probleme dieses Textes diskutiert werden. Für die Frage nach Identität und Interpretation der πνεύματα im Gefängnis werden gewöhnlich zwei mögliche Interpretationen vorgeschlagen:371 1) Die Verbindung von ‚Geistern‘ und den ‚Tagen der Flut‘ (Noah, Arche) macht den Zusammenhang mit den Wächtern oder deren Nachkommen wahrscheinlich. Sodann deutet auch die Vorstellung von ‚Geistern in der φυλακή‘ auf die Aufnahme des Wächtermythos (cf. 1 Hen 18,11–19,1; 21,10; siehe sodann weiter auch 1 Hen 64, Jub 7,21; 10,1–9 und 2 Hen 7; 18). Sind mit πνεύματα die Wächter gemeint, ist die Bezeichnung zwar nicht korrekt, braucht allerdings nicht zu erstaunen, da solche Unschärfen bereits beobachtet wurden (e.g. 1 Hen 15,4.6–7).372 2) R. Feldmeier weist demgegenüber darauf hin, dass schon die altkirchliche Exegese annahm, dass mit πνεύματα die Seelen derer, die in der Sintflut umgekommen sind, bezeichnet würden. Tatsächlich wurden die Verse 18–22 als Beweisstelle für den Abstieg Christi in die Unterwelt herangezogen. Dabei finden sich wiederum unterschiedliche Interpretationsnuancen: Clemens von Alexandrien beispielsweise interpretierte die Stelle dahingehend, dass Christus allen vorinkarnatorisch Verstorbenen predigte, um ihnen die Möglichkeit des Heils anzubieten, bei Justin sind dagegen die ‚Frommen des Alten Testaments‘ gemeint.373 Feldmeier führt weiter an, dass auch das Petrusevangelium (Mitte des 2. Jh.) die Predigt Jesu vor den Toten voraussetzt.374 (θανατωθεὶς μὲν σαρκί, ζῳοποιηθεὶς δὲ πνεύματι), worauf von dessen ‚Herabsteigen zu den Geistern‘ berichtet wird. Wird das darauffolgende ἐν ᾧ (V. 19) nicht temporal sondern als Präposition mit Relativpronomen verstanden, müsste davon ausgegangen werden, dass Christus ‚im Geist‘ zu den Geistern hinabsteigt, was auf einen Zeitpunkt nach der Auferstehung schließen ließe. 371 Als dritter, hier nicht weiter ausgeführter Lösungsversuch, wird auch die zwischen Augustin und der Reformation gängige Interpretation vorgeschlagen, dass 1 Petr 3,19 die präexistente Verkündigung Christi meint. Dabei wird Noah zum Verkündiger der Botschaft Christi. Cf. dazu C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 10–14. Zur Forschungsgeschichte siehe C. T. PIERCE, Op. cit., 2–20. 372 Die Bezeichnung πνεύματα könnte ggf. auch insofern programmatisch sein, dass negative Kräfte nicht als ἄγγελοι verstanden werden sollten. Siehe P. H. DAVIDS, James, Peter, and Jude, 162–163. Unklar bleibt dann allerdings, was das für 1 Petr 3,22 heisst. 373 Cf. C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 2–10. 374 R. FELDMEIER, Der erste Brief des Petrus, 135–137. Siehe auch EvPetr 41.
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Grundsätzlich erscheinen beide Lösungen plausibel. Soll einer Interpretation den Vorzug gegeben werden,375 spricht sich die Vf. für die erste Variante aus. Für die Argumentation Feldmeiers spricht zwar die Rettung von Noahs Familie (acht Seelen) im Kontrast zu den ungerechten Menschen; aus Gen 6 oder dessen Rezeption ist allerdings keine Auseinandersetzung mit solchen „die nicht hören wollten“ bekannt.376 Weiter können mit πνεύματα hin und wieder tatsächlich Verstorbene bezeichnet werden (Lk 24,37.39, Hebr 12,23, 1 Hen 22,3–13; 103,3f)377 wobei die Bezeichnung aber zumeist für übernatürliche Wesen steht.378 Außerdem kennt 1 Petr 4,6 selbst die Verkündigung vor den Toten, wobei νεκροί und πνεύματα allerdings kaum identisch sind. Demgegenüber wiegt der Zusammenhang von πνεύματα und φυλακή zu Gunsten der ersten Lösung, welche auch in Kontinuität zur frühjüdischen Tradition steht,379 wenngleich in der altkirchlichen Tradition eine andere Interpretation vorgeschlagen wird. Überdies findet sich ein ähnlicher Zusammenhang in Jud 6 und davon abhängig 2 Petr 2,4–5 (s.u.), wobei dort jeweils Zweifel an der Rezeption des Wächtermythos besteht. Wenn 1 Petr auch nicht in Abhängigkeit von Jud zu betrachten ist, so kann vermutet werden, dass hier ein bekannter Zusammenhang angesprochen wird. Es stellt sich dann die Frage, wie die Verkündigung Christi zu interpretieren ist. 3,22 könnte darauf hinweisen, dass es hier darum geht, den Sieg Christi über sämtliche kosmische Mächte zu demonstrieren. Zwar sind die ‚Mächte‘ in 3,22 (ἄγγελοι, ἐξουσίαι und δυνάμεις) nicht weiter bestimmt, doch sind hier mit ziemlicher Sicherheit kosmische Kräfte gemeint.380 Von daher kann die Verkündigung Christi in derselben Linie wie die Gerichtsankündigung Henochs verstanden werden: Es gibt keine Gnade für die Wächter, 375 Paul-Gerhard Klumbies ist demgegenüber der Ansicht, dass die Alternative falsch ist, da Geister und Sünder der Noah-Generation nebeneinander stehen. P.-G. KLUMBIES, Die Verkündigung unter Geistern, 217. Der Verfasser des Briefes betone vielmehr Christi „Einflußmöglichkeit auf das postmortale Geschick einer längst untergegangenen Generation“. P.-G. KLUMBIES, Op. cit., 219. 376 Siehe Sib. Or. 1.123; Josephus, Ant 1.74; b. Sanh. 108. L. R. DONELSON, I & II Peter and Jude, 244. 377 P.-G. KLUMBIES, Die Verkündigung unter Geistern, 215, Anm. 37. 378 Siehe L. R. DONELSON, I & II Peter and Jude, 112. 379 Das Verb πορεύομαι deutet nicht auf einen spezifischen Ort hin; die Übersetzung ‚herabsteigen‘ (e.g. Zürcher Bibel 2008) suggeriert daher bereits die spätere Vorstellung der ‚Höllenfahrt Christi‘. Nach 1 Hen 10,12 ist das Gefängnis tatsächlich ‚unter den Hügeln‘ (GrP/GrS2 ‚in den Schluchten‘), 1 Hen 21,1 demgegenüber nennt einen leeren Ort (‚wo nichts ist, was geschaffen wird‘), 1 Hen 67,4 ein ‚flammendes Tal‘; in 2 Hen sind die Gefängnisse in verschiedenen Himmelsschichten lokalisiert, also vermutlich ‚oben‘ (2 Hen 7; 18; evtl. auch TestLevi 3,3). Siehe L. R. DONELSON, Op. cit., 116–117. 380 Siehe dazu C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 208–214; 236–238 und L. R. DONELSON, I & II Peter and Jude, 114–115. Die genaue Unterscheidung dieser Kräfte scheint allerdings nicht von Belang zu sein.
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sondern sie sind, wie die anderen kosmischen Mächte, Christus unterworfen. Die Wächter sind keine reale Gefahr für die Gemeinde mehr, sie gelten nicht als aktiv in der ‚Gegenwart‘. Die gegenwärtige Bedrohung geht vom Satan aus, der „wie ein brüllender Löwe“ umhergeht und „sucht, wen er verschlinge“ (5,8: ὁ ἀντίδικος ὑμῶν διάβολος ὡς λέων ὠρυόμενος περιπατεῖ ζητῶν [τινα] καταπιεῖν). Damit wird die leidende Gemeinde schließlich damit getröstet, dass Gott in der Auferstehung Jesu Christi alle widrigen Mächte unterwirft und die Gerechten – damals wie ‚heute‘ – vor den chaotischen Mächten rettet: „The resurrection of Jesus, the story of the flood, the experience of baptism, and the exaltation of Jesus collectively proclaim to both the evil powers and the threatened believers that God is victorious.“381 Die Wächter gelten somit auch hier als paradigmatische Sünder, wenn auch in einem anderen Kontext. Sie sind Illustrationen ‚chaotischer Mächte‘, welche durch den Christus triumphans überwunden wurden. Zu bemerken ist insofern, dass den Wächtern eine gewisse Bedeutung im Hinblick auf ‚das Böse‘ zugekommen sein muss, da sie in diesem Kontext der Überwindung des Bösen durch Christus aufgeführt werden. 4.4. Der Judasbrief
Der Brief des Judas, vermutlich zwischen 100 und 110 abgefasst, 382 kann als pseudonyme ‚Kampfschrift‘ (cf. Jud 4) mit starkem eschatologischem Fokus bezeichnet werden. Mittels verschiedenen Schrift-Beweisen wird das eschatologische, aber längst feststehende Gericht (κρίμα) über eine ‚gottlose‘ Gruppe von Gegnern (ἀσεβεῖς) verkündet.383
Ähnlich wie in 1 Hen ist ἀσεβεῖς hier ein ‚Überbegriff‘ für verschiedene Arten von Fehlverhalten (siehe 1 Hen 1,9). In Jud 4 werden zwei Vorwürfe gegen die ‚Gottlosen‘ erhoben, und zwar, 1) dass sie die Gnade Gottes in Ausschweifung verkehren und 2) dass sie Jesus Christus verleugnen (κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν ἀρνούμενοι). Ad 1) Vermutlich betrachtet der Verfasser die Gegner als „Christen, die die ‚Gnade unseres Gottes‘, also die nach gemeinchristlicher Überzeugung in der Taufe gewährte Vergebung von Sünden erfahren haben und ihr möglicherweise sogar einen hohen Stellenwert beimessen, aber nun […] diese ‚Gnade‘ zu einem zügellosen Lebensstil ausnutzen.“384 Ad 2) Vermutlich spricht der L. R. DONELSON, Op. cit., 115, siehe weiter 117. Cf. dazu J. FREY, Der Judasbrief zwischen Judentum und Hellenismus, 203–206 und ID., Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 26; Frey datiert aufgrund der Abhängigkeit vom Jakobusbrief. Demgegenüber datiert Schnelle den Brief zwischen 80 und 100, wobei die Frage nach dem Sinn der Inanspruchnahme des Pseudonyms ‚Judas‘ ausschlaggebend ist. Cf. U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, 454. 383 Zur pseudonymen Autorschaft cf. J. FREY, Autorfiktion und Gegnerbild im Judasbrief, 686–691. Zur Einführung siehe des weiteren H. PAULSEN, Der Zweite Petrusbrief und der Judasbrief, 41–52 und U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, 452–460 und J. FREY, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 2–47. 384 J. FREY, Op. cit., 63. 381 382
4. Frühchristliche Rezeption
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Verfasser hier die Problematik an, dass die ‚Gegner‘ Christus nicht als alleinigen Herrscher über ihr Leben und ihre Lebensführung anerkennen.385
Die Henochtradition ist für den Verfasser des Judasbriefes von besonderer Bedeutung. Nicht nur wird der Wächtermythos rezipiert,386 sondern dem Henochbuch scheint darüber hinaus autoritative Bedeutung prophetischer Qualität zuzukommen. Mit Jud 14–15 kommt in einem Zitat von 1 Hen 1,9,387 das im Jud das einzige Zitat überhaupt ist, schließlich noch einmal die zukünftige und endgültige Bestrafung der Sünder (hier der betroffenen Gegner) in den Blick. Henoch wird hier als Gerichtsprophet eingeführt: „Auch für sie gilt, was Henoch, der Siebte in der Reihe nach Adam, geweissagt hat, als er sagte: Siehe, der Herr ist gekommen mit seinen heiligen Heerscharen, Gericht zu halten über alle Menschen und jede Seele zu überführen all der gottlosen Taten, die sie in ihrer Gottlosigkeit begangen hat, und all der trotzigen Worte, die gottlose Sünder gegen ihn gesprochen haben.“ Die Einführung des Zitates zeigt, dass Henoch und den ihm zugeordneten Schriften autoritativer Charakter zugedacht wurde. Im Rahmen seiner Polemik gegen Irrlehrer macht der Verfasser deutlich, dass diese dem ‚vorher aufgeschriebenen‘ Gericht anheimfallen werden (Jud 4), indem er sie in eine biblische Paradigmenreihe von Sündern stellt: Die während dem Exodus bei Kadesch Abgefallenen (Jud 5),388 die Engel (ἄγγελοι), „die die Grenzen ihres Herrschaftsbereichs nicht eingehalten hatten, sondern ihre Wohnstätte verließen“ (μὴ τηρήσαντας τὴν ἑαυτῶν ἀρχὴν ἀλλὰ ἀπολιπόντας τὸ ἴδιον οἰκητήριον, Jud 6a), sowie die Bewohner Sodoms und Gomorrhas (Jud 7).389
Siehe dazu J. FREY, Op. cit., 63–65. Moore geht zu Recht davon aus, dass der Verfasser von Jud das Wächterbuch direkt benutzt, „given the particular phraseology he employs“; an das ‚Verlassen ihres Herrschaftsbereiches‘ klingen 1 Hen 12,4 und 15,3 an, an den ‚großen Tag des Gerichts‘ 1 Hen 10,6.12; 22,11 und an die ‚ewige Fesselung unter Dunkelheit‘ sodann 10,4–6. Siehe N. J. MOORE, Is Enoch also among the Prophets?, 502–503 im Anschluss an R. BAUCKHAM, Jude, 2 Peter, 52–53. Sodann lässt sich auch vermuten, dass evtl. die Bilderreden, das astronomische Buch und die Epistel Henochs ebenso bekannt waren. 387 Siehe den Exkurs „Zur Vorlage und zum Text des Zitats in Jud 14f.“ in J. FREY, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 105–107. 388 „Ich will euch – obwohl ihr dies alles schon wisst – daran erinnern, dass der Herr das Volk zwar ein für alle Mal aus dem Land Ägypten gerettet, die aber, die ihm ein zweites Mal keinen Glauben schenkten, der Vernichtung preisgegeben hat.“ Siehe weiter auch Num 13–14. 389 Die Zerstörung Sodoms und Gomorrhas gilt als ‚geläufigstes Paradigma des göttlichen Strafgerichts‘. J. FREY, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 76. 385 386
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
Kaum überraschend ist, dass Adam unter den hier aufgeführten Paradigmen nicht zur Sprache kommt (siehe auch Sir 16,7–10, CD II 17–III 12; 3 Makk 2,4–7; mSan X,3).390 Die Paradigmen Wächter und Sodom treten in den meisten Reihen dieser Art gemeinsam auf, andere Exempel gruppieren sich dazu. Adam gehört traditionell nicht zu dieser Reihe und findet auch unter frühchristlichen Texten keinen Eingang.
Der Verfasser des Briefes weiß sogar um die zentrale Problemstellung des Wächterbuches, nämlich dass die Wächter den ihnen zugedachten Bereich verlassen haben (ἀπολιπόντας τὸ ἴδιον οἰκητήριον). Mit größter Wahrscheinlichkeit ist somit das Herabsteigen und Zeugen von Nachkommen gemeint. Darauf deutet sodann vermutlich auch die Verbindung mit dem Beispiel von Sodom und Gomorrha hin (τὸν ὅμοιον τρόπον, V. 7); v.a. Sodom gilt als Beispiel für sexuelle Unzucht (siehe auch TestNaph 3,5 und TestAss 7,1).391 Die Sünden der Wächter und der Männer Sodoms sind vergleichbar: Die Wächterengel nehmen sich Frauen und die Sodomiter begehren nach den Engeln, die Lot beherbergt (מַ לְ אָ כִ ים, Gen 19,1). Somit liegt in beiden Fällen eine Verkehrung der vorgesehenen Ordnung vor, wobei gerade die Missachtung der Engel-Ordnung von großer Tragweite ist. Gleichwohl ist die Thematik illegitimer Sexualität hier nicht von primärer Relevanz. Die Paradigmen dienen nicht der Illustration einer spezifischen Sünde, sondern der Demonstration von Gottes Gerichtshandeln.392 Die Argumentation verläuft dahingehend, dass Gott selbst Engel bestraft, die seine Ordnung nicht einhalten: Er hält sie mit ewigen Fesseln unter Dunkelheit für den großen Tag des Gerichts gebunden (εἰς κρίσιν μεγάλης ἡμέρας δεσμοῖς ἀϊδίοις ὑπὸ ζόφον τετήρηκε, Jud 6b). Dabei ist im Weiteren die Nähe zur henochischen Tradition offensichtlich, wird doch in 1 Hen 10,14 geschildert, wie ‚irdische Sünder‘ gemeinsam mit den Wächtern bis zum letzten Gericht gefangen gehalten werden (siehe auch 1 Hen 22 und 102–103).393 Der Judasbrief greift auf die henochische Tradition zurück, die das einzig bekannte Beispiel für die Vorstellung bietet, dass Sünder bis zum Gericht aufbewahrt und nicht sofort bestraft werden: „Ihre Vernichtung erfolgt also nicht umgehend (anders als in anderen alttestamentlichen Episoden wie z. B. der Sintflut- oder der Korachiten-Erzählung), sondern erst am Tag des Gerichts. Dieser Aspekt macht die Wächtererzählung für den Autor des Jud als Beispiel besonders wertvoll. Hier ist ein Vernichtungsgericht belegt, das erst am Ende stattfinden wird, dessen Ausgang aber für die Betreffenden schon jetzt festgelegt ist, wie dies V. 4 für die Gegner zur Sprache bringt.“394 Die Adressaten J. FREY, Op. cit., 67. Sowohl TestNaph als auch Jub 16,5–6 bringen Sodom mit den Wächtern in Verbindung. Cf. dazu weiter B. J.LIETAERT PEERBOLTE, Sodom, Egypt and the two Witnesses of Revelation 11:8, 75–76. 391 Siehe weiter L. R. DONELSON, I & II Peter and Jude, 180. 392 Für weitere Ausführungen siehe A. VÖGTLE, Judasbrief, 43–44. 393 Und weiter 12,4 und 15,3Cf. dazu J. FREY, Judgment on the Ungodly, 501. 394 ID., Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 75. 390
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werden mittels dieser Paradigmenreihe dazu eingeladen, die angesprochenen Erzählungen im Hinblick auf die ‚gegenwärtigen Sünder‘ neu zu bedenken:395 „Die in den biblischen Episoden genannten sündigen Gruppen werden nicht nur als warnende Beispiele für die göttliche Bestrafung der Sünde, sondern genauer als prophetische Typoi der dem Gericht verfallenen Gegner verstanden. Die Adressaten sollen erkennen, dass das Gericht, das über solche Leute wie die Gegner vorhergesagt ist, in der biblischen Geschichte an mehreren Stellen bereits über diejenigen, die dem Unglauben, Abfall oder der Ausschweifung anheimfielen, hereingebrochen ist.“396 Mit der Rezeption des Wächtermythos ist auch im Judasbrief nicht die Problematik von den Ursprüngen des Bösen angesprochen, sondern wiederum dessen Überwindung. Dabei sind die Wächter aber nur Glied einer Kette paradigmatischer Sünder. 4.5. Der zweite Petrusbrief
Der zweite Petrusbrief, ebenfalls ein pseudonymes Werk, steht in großer inhaltlicher Nähe zum Judasbrief und ist in dessen Abhängigkeit zu betrachten; in besonderer Nähe zum Judasbrief steht der Abschnitt 2 Petr 2,1–3,3.397 Gleichwohl weisen beide Briefe ein je eigenes Profil auf; so sind die problematisierten Gegner nicht identisch und 2 Petr setzt durchaus auch eigene Akzente (s.u.).398 Weiter sind auch erhebliche Differenzen zu beobachten was Autorfiktion und Gattung betrifft. Anders als Jud scheint der Verfasser von 2 Petr sodann keine bzw. kaum Kenntnis der henochischen Tradition zu besitzen.399 Außerdem ist im Hinblick auf die Wächter-Rezeption von entscheidender Bedeutung, dass der Verfasser von 2 Petr diese nur insofern ‚rezipiert‘, als er den Judasbrief rezipiert. In 2 Petr wird ansonsten auf sämtliche angelologischen Komponenten verzichtet. Der Verfasser von 2 Petr kannte den Wächtermythos kaum mehr im Detail; außerdem hatte der Wächtermythos und das henochische Schrifttum für sein Denken und Theologie wohl keine besondere Bedeutung mehr. Auch der Verfasser von 2 Petr polemisiert gegen Irrlehrer, deren Ende vorausgesagt wird (2 Petr 2,1–3) und auch diese Begründung wird mittels paradigmatischer Negativbeispiele gegeben. In dieser Paradigmenreihe stehen die Wächter an erster Stelle; damit bilden sie den Ausgangspunkt der folgenden L. R. DONELSON, I & II Peter and Jude, 178 und J. FREY, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 10–13. 396 J. FREY, Op. cit., 67. 397 Zur Einführung cf. ID., Autorfiktion und Gegnerbild im Judasbrief, 702–731. 398 Zur Rezeption von Jud in 2 Petr siehe ID., Judgment on the Ungodly, 504–506 sowie ID., Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 154–162. 399 Siehe dazu N. J. MOORE, Is Enoch also among the Prophets?, 508. 395
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
Argumentation (2,4):400 „Denn wenn Gott die Engel, die sich versündigten, nicht verschont (ἐι γὰρ ὁ θεὸς ἀγγέλων ἁμαρτησάντων οὐκ ἐφείσατο), sondern den Höhlen der Finsternis im Tartarus übergeben hat (ταρταρώσας),401 um sie auf das Gericht hin in Gewahrsam zu halten […].“ Zunächst ist zu bemerken, dass hier nicht ausgeführt wird, was unter der Sünde der Engel zu verstehen ist (anders Jud 6). Auch dies mag als Hinweis dafür gelten, dass das Wächterbuch dem Verfasser von 2 Petr nicht bekannt war.402 So fehlt hier dann auch die vom Verfasser des Judasbriefes noch übernommene Vorstellung der durch die Wächter verletzten Weltordnung; wichtig ist dem Verfasser des 2 Petr vor allem, „dass Freveltaten ohne Ausnahme das Verderben nach sich ziehen“.403 Und anders als im Judasbrief folgt nun kein Vergleich der der Sünde der Wächter mit der Sünde von Sodom und Gomorrha. Auf die Engel (s. Gen 6,1–4) folgt, gemäß biblischem Duktus, zuerst das Beispiel von Zerstörung der ‚alten Welt‘ durch die Flut (2 Petr 2,5, cf. Gen 6,5–9) und dann von Sodom und Gomorrha (2 Petr 2,6, cf. Gen 19). In dieser Paradigmenreihe werden dann (anders als in Jud) sowohl Sünde bzw. Gericht als auch die Rettung Gerechter aufgeführt (siehe auch 2 Petr 2,9.): Bei der Flut ertranken alle, außer Noah (2,5), bei der Zerstörung Sodoms und Gomorrhas kamen alle um, außer Lot (2,6–7). Der gerichtswürdigen Tat wird somit jeweils ein positives Exempel entgegengestellt (Flut/Noah, Sodom/Lot): „The story of the terrors of the flood is balanced by the reminder that God saved Noah. The example of the burning of Sodom and Gomorrah leads to an account of the righteous Lot, whom God saves. Accounts of punishment are balanced by accounts of saving.“404 Schließlich will der Verfasser ausdrücken, dass wenn Gott selbst Engel zu Gericht zieht (εἰ γάρ, V. 4), ja die ganze ‚alte Welt‘ und ganze Städte mit einzelnen Ausnahmen nicht verschonte, dann auch die implizierten Gegner demselben Gericht anheimfallen werden und er sie nicht schonen wird (οὐκ ἐφείσατο, V. 4–5). Anders als im Judasbrief wird hier aber auch von der Rettung der Gerechten berichtet. Auch der Verfasser von 2 Petrus geht davon aus, dass die Sünder bis zum Gericht aufbewahrt werden, das Gericht über sie aber gleichwohl bereits beschlossen ist. Somit kann er auch von bereits feststehenden Verurteilung der ‚gegenwärtigen‘ Sünder ausgehen. Der Verfasser von 2 Petr scheint hier der Erzählabfolge der Genesis zu folgen: Wächter, Flut/Noah, Sodom/Lot. 401 Das Verb ταρταροῦν ist aus den griechischen Mythen bekannt und steht oft in Zusammenhang mit dem Titanenmythos, der erzählt, wie die Zyklopen und Titanen durch Uranos, Kronos und Zeus in den Tartarus verbannt wurden; damit liegt zumindest sprachlich eine Nähe zur griechischen Mythologie vor. Cf. R. BAUCKHAM, Jude, 2 Peter, 249. Weiter J. FREY, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 277. 402 Siehe J. FREY, Op. cit., 276. 403 Ibid. 404 L. R. DONELSON, I & II Peter and Jude, 241. 400
4. Frühchristliche Rezeption
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4.6. Frühe Kirchenschriftsteller
Ein Ausblick auf die Rezeption des Wächtermythos bei den frühen Kirchenschriftstellern soll abschließend exemplarisch aufzeigen,405 wie sich die Rezeption des Wächtermythos zwischen dem ersten und dem dritten Jahrhundert entwickelt hat.406 4.6.1. Justin der Märtyrer
Der Apologet Justin (gest. 165)407 ist vermutlich der erste christliche Autor außerhalb des Neuen Testaments, der die Wächtererzählung aufgreift.408 Im Rahmen seiner Apologie führt Justin die Verfolgung von Christen auf dämonisches Wirken zurück und legt somit dar, warum ‚Gottesfürchtige‘ von ‚Ungerechten‘ misshandelt werden (1 Apol. V). Die Dämonen wiederum werden auf die Wächter zurückgeführt (2 Apol. V).
„Gott hat den Kosmos geschaffen und alles, was auf der Erde ist, den Menschen unterstellt, […] und ein göttliches Gesetz hat er angeordnet […] und die Vorsorge über die Menschen und der Dinge unter dem Himmel hat er den Engeln, die er über jene anordnete, übergeben. Die Engel aber übertraten und haben sich zur Vermischung mit den Frauen erniedrigt und zeugten Kinder, die man Dämonen nennt.“409
Justin folgt in dieser Vorstellung dem Wächterbuch und bringt auch das für das henochische Schrifttum typische Ordnungsdenken zur Sprache. So werden die Dämonen mit der Instruktion von Mord, Krieg oder Ehebruch in Verbindung gebracht. Justin fügt schließlich an, dass alle, die nichts von Engeln und Dämonen wussten (z.B. Dichter und Sagenerzähler), diese Übel Gott bzw. den Göttern zuschrieben, wie es in der griechischen Mythenerzählung üblich sei. Somit ist es auch das apologetische Anliegen Justins, Gott von der Verantwortung am Übel auf der Erde zu entlasten. Weiter werden ‚Neptun’ und ‚Pluto’ als ‚Nachkommen Gottes’ bezeichnet, womit die heidnischen Götter mit den Nachkommen der Wächter und infolgedessen als Dämonen identifiziert werden (2 Apol. V): „Insofar as the Book of the Watchers blames the fallen angels both for the antediluvian corruption Da hier keine patristische Arbeit vorliegt, ist der folgende Überblick zum einen exemplarisch und kann nicht auf die größeren theologischen Bögen der jeweiligen Schriftsteller eingehen. Zum anderen werden hier zumeist Übersetzungen zitiert; die Urtexte werden aber gleichwohl berücksichtigt. 406 Aufstellungen der Texte finden sich bei J. DOCHHORN, The Motif of the Angels‘ Fall, 479, Anm. 9 und J. C. VANDERKAM, Enochic Motifs, 33–70. 407 Zur Einführung siehe O. SKARSAUNE, Art. Justin und C.-P. VETTEN , Art. Justin. 408 Eine Rezeption des henochischen Schrifttums unabhängig vom Wächtermythos findet sich dagegen bereits im Barnabasbrief (erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts). Siehe J. C. VANDERKAM, Enochic Motifs, 36–40. 409 Die Terminologie von Engeln und Dämonen bzw. Dämonen und Giganten wird hier wiederum nicht konsequent angewendet. 405
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
of humankind and for producing the demons who will roam the earth until the final judgment, the Enochic myth of angelic descent enables Justin to amalgamate the error of polytheism and the injustice of persecution; he diagnoses them as two symptoms of the same disease: the demonic inspiration of GrecoRoman culture.“410 Gleichwohl betont Justin auch in 2 Apol. die Fähigkeit des Menschen, die Vernunft oder den ‚dämonischen Trug‘ zu wählen (cf. 2 Apol. VI). Der Wächtermythos kommt bei Justin schließlich als „Ätiologie der Ungerechtigkeit und Unordnung auf der Erde“ in den Blick,411 wobei der Fokus auf der paganen Umwelt liegt. Die pagane Kultur an sich und die Verfolgung von Christen durch Heiden im Besonderen werden in der Fortsetzung der Übertretung der Wächter und dem Wirken der Dämonen gesehen. Bei Justin findet sich zudem die erste uns bekannte Nacherzählung des Wächtermythos im frühchristlichen Kontext, welche sich außerordentlich genau am henochischen Wächterbuch orientiert, indem die wesentlichen Elemente von 1 Hen 6–16 zur Sprache kommen. Dabei wird deutlich gemacht, dass Gott weder für die gegenwärtige Situation noch für das Übel auf der Welt überhaupt verantwortlich gemacht werden kann. Justin rezipiert sodann auch die Paradieserzählung und zwar im Dialog mit Trypho, wobei er die Schuld Adams in seiner Auseinandersetzung mit dem Judentum thematisiert. Bemerkenswert ist somit, dass der Wächterfall zwar als Ursache des Bösen gilt, jedoch nur in einem begrenzten Bereich, nämlich der Auseinandersetzung mit dem paganen Umfeld. Damit wird die Verantwortung der Heiden zugleich heruntergespielt,412 obwohl auch ihnen gemäß ihrer Vernunft die Entscheidungsfähigkeit zum Guten oder zum Bösen zukommt. Justin führt die Ursprünge des Bösen somit kontextgebunden auf unterschiedliche Initiatoren zurück. 4.6.2. Tatian
Auch Justins Schüler Tatian (ca. 125–ca. 185)413 erklärt griechische Kultur und Philosophie unter Verweis auf dämonisches Wirken. In der Rede an die Griechen (Oratio ad Graecos) behandelt er die Unterschiede zwischen dem 410 A. Y. REED, Fallen Angels, 165. Siehe weiter A. Y. REED, Op. cit., 165–166. Somit werden Dämonen für die heidnische Götzenverehrung, Christenverfolgung und das Hervorbringen von Häretikern wie Marcion oder Simon Magus verantwortlich gemacht. 411 A. Y. REED, Op. cit., 162 (Übersetzung durch die Vfn.); weiter 166–170. Die Erwähnung Adams und Evas als Prototypen für die Sündhaftigkeit der Juden findet sich im Dialog mit Trypho. Cf. auch G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 88. 412 Siehe dazu A. Y. REED, Fallen Angels, 170: „[…] he effectively downplays pagan responsibility for their sins, by excusing their practice of idolatry, misunderstanding of Christianity, and persecution of Christians as products of their ignorance to the demonic powers that control their irrational actions.“ 413 Cf. W. L. PETERSEN, Art. Tatian und P. BRUNS, Art. Tatian.
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‚Logos‘ und der ‚Welt‘, indem er christliche und griechische Lebensauffassungen nebeneinander stellt (e.g. Or. XVII.5–6). In der Darstellung dieser Unterscheidung werden auch die Dämonen aufgeführt, welche in Anlehnung an den Wächtermythos auf Menschen und Engel zurückgeführt werden. Gemäß der Schöpfung ist sowohl Menschen als auch Engeln die Möglichkeit der Wahl zwischen Gut und Böse gegeben (VII.3). Indem einige Engel das ‚Irdische‘ wählten, wurden sie zu Dämonen (VII.4–6): Menschen und Engel folgen einem ‚Erstgeborenen‘ (πρωτόγονος) nach, der sich gegen Gott auflehnt und werden dadurch sterblich (θνητός); der ‚Erstgeborene‘ wird zum Dämon, womit hier die Vorstellung des Teufelsfalls anklingt. Der Anführer der Dämonen wird an anderer Stelle auch ‚Zeus‘ genannt (Or. VIII.4), so steht dämonisches Wirken auch für Tatian mit der paganen Religion in Verbindung gebracht. Die Dämonen werden schließlich für die Irreführung der Menschen verantwortlich gemacht. Weiter erläutert Tatian, dass sich auch die Seele des Menschen, wie es zuvor die Dämonen (sc. Engel) taten, dem Irdischen zugewendet habe: Durch die Sünde habe sie ihre Flugkraft verloren und sei auf der Erde gelandet; so habe sie die Verbindung mit dem Himmel verloren und begonnen, sich mit ‚Irdischem‘ zu verbinden. So rät Tatian den Griechen schließlich, die Welt und die irdischen Dinge zu verachten (cf. Or. XIX.11). Als Beispiele werden neben den aus dem Himmel gestürzten Dämonen auch die ersten Menschen genannt, die aus ihrer guten Welt verbannt wurden (Or. XX). Menschen wie Engel sind denselben Leidenschaften verfallen, weswegen die Notwendigkeit vorgebracht wird, zurück zum ‚Urzustand‘ zu streben.
Zwischen Wächtern und Dämonen liegt wie andernorts eine gewisse Unschärfe vor, wobei der Kontext es allerdings nahelegt, unter den Dämonen die Wächter zu verstehen und nicht etwa deren Nachkommen. So steht vermutlich die Vorstellung der Verbindung der Wächter mit den Frauen im Hintergrund (siehe dazu auch die Vergleichspunkte in Or. VIII).414 In letzter Konsequenz betont Tatian den Vorrang des Himmlischen gegenüber dem Irdischen. In dieser Argumentationsreihe gelten die Wächter wiederum als negative Paradigmen, die für die Negativität der griechischen Tradition stehen. Im Übrigen kann festgehalten werden, dass die Sünde der Engel/Dämonen und die Sünde der Menschen sich auf derselben Ebene bewegen; somit sind die Menschen nicht Opfer der Sünde der Engel oder Dämonen, sondern desselben Vergehens schuldig.
Beispielsweise VIII.7: „Aphrodite aber hat ihre Lust an hochzeitlichen Umarmungen…“. So scheinen ‚Wächter‘ und die hellenistischen ‚Gottheiten‘ vergleichbar zu sein. 414
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
4.5.3. Athenagoras
Vom Apologeten Athenagoras (zweite Hälfte des 2. Jh.)415 sind lediglich zwei Schriften erhalten (Legatio pro Christianis und De Resurrectione), wobei seine Kenntnis der Grundzüge des Wächtermythos aus beiden hervorgeht. Wie viele andere Verfasser rezipiert er die Wächter im Zusammenhang mit Dämonen, wobei in erster Linie das dämonische Wirken der Gegenwart thematisiert wird. Wiederum werden Dämonen (zusammen mit ihren Vätern) für die Anstiftung zu Götzendienst verantwortlich gemacht. Die Dämonen ihrerseits führt er auf Engel zurück, die aufgrund ihres freien Willens von ihrer eigentlichen Bestimmung abgekommen seien (Leg. 24). Auch hier findet sich die Vorstellung, dass Gott die Engel aus Fürsorge über die Menschen eingesetzt habe. Tugend und Schlechtigkeit (ἀρετή und κακία) der Engel entspringen ihrem freien Willen, das heißt sind selbst gewählt (αὐθαίρετος). So seien einige der Engel bei Gott geblieben und hätten die ihnen zugewiesene Aufgabe erfüllt, während andere abtrünnig wurden. Unter diesen wird auch der ‚Herrscher (ἅρχων) der Materie (ὕλη)‘ und deren Erscheinungsformen (εἴδη) genannt. Die Engel dieses Herrschers wurden von Begierde zu den Frauen erfasst und ‚gaben dem Fleisch nach‘, wodurch die Giganten gezeugt wurden. Athenagoras führt mit ὕλη und εἴδη klassische Begriffe der griechischen Philosophie ein; so sollten die Engel (ursprünglich) die ‚Materie‘ (ὕλη) und ihre ‚Erscheinungsformen‘ (εἴδη) beherrschen.416 Griechisches Denken wird mit der Vorstellung von Engeln als den Kosmos ordnende Kräfte verbunden (siehe auch 1 Hen 60,11–22 oder Jub 2,2).417 Nach Leg 25 wurden die Engel wegen ihrem Vergehen aus dem Himmel gestürzt; die Seelen der Giganten irren als Dämonen auf der Erde herum (cf. 1 Hen 15,11–16,1) und bringen Begierden über die Menschen. Die aus dem Himmel gestürzten Engel (οἱ ἄγγελοι οἱ ἐκπεσνότες τῶν οὐρανῶν) können nicht mehr in den Himmel zurückkehren und leben fortan in der Luft und auf der Erde. Die ‚Seelen der Giganten‘ (τῶν γιγάντων ψυχαί) sind umherirrende Dämonen (δαίμονες). Der weitere Kontext ist eine Verquickung von freiem Willen und gottgegebener Ordnung: Zwar habe Gott eine Ordnung festgesetzt, diese kann aber aufgrund der freien Wahlmöglichkeit von Menschen und Engeln durchbrochen werden. Athenagoras hält schließlich fest, es sei demnach falsch zu behaupten, dass es keine souveräne Macht und Ordnung im Universum gäbe.
Wiederum begegnet der Wächtermythos in seinen wesentlichen Grundzügen und als Referenzpunkt für die Interpretation der Gegenwart (Dämonen). Gleichwohl wird dabei großes Gewicht auf die Verantwortung des Einzelnen gelegt, seien es Engel oder Mensch. Das Proprium der Wächterfall-Typologie wird damit gewissermaßen anthropologisch erweitert. Somit ist auch hier die Cf. P. PILHOFER, Art. Athenagoras. Siehe hierzu: D. A. GIULEA, The Watchers‘ Whispers, 266–267. 417 Cf. D. A. GIULEA, Op. cit., 266. 415 416
4. Frühchristliche Rezeption
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Sünde von Wächtern und Menschen analog zu betrachten. Anders als bei den meisten anderen frühen Kirchenschriftstellern findet sich bei Athenagoras, zumindest in den erhaltenen Schriften, keine Rezeption der Gen 3-Tradition. Somit könnte für Athenagoras die Ursache des Bösen tatsächlich im Vergehen von kosmischen Mächten, den Engeln, liegen. 4.6.4. Irenäus von Lyon
Irenäus (gest. um 200)418 rezipiert den Wächtermythos breit und bezichtigt die Wächter 1) der Verbreitung von Sünde und Übel und führt sie 2) als paradigmatische Sünder an. Ad 1) Im Rahmen der Darlegung der christlichen Glaubenslehre (Demonstratio apostolicae praedicationis), zunächst an den Glaubensbruder Marcianus zur Stärkung des christlichen Glaubens adressiert, legt Irenäus u.a. das Schöpfungswerk Gottes dar. Dabei wird die Engelepisode an die Nacherzählung von Gen 4 angeschlossen (Demonstratio 18). „Das Böse aber breitete sich über lange Zeit aus und befiel und überwucherte das ganze Menschengeschlecht, so daß es allzu wenig Samen der Gerechtigkeit bei ihnen gab und auf der Erde Vermischungen zwischen verschiedenen Elementen stattfanden; denn die Engel mischten sich mit den Töchtern der Menschenkinder, die ihnen Kinder gebaren, die wegen der übermäßigen Größe Riesen genannt wurden. Sodann boten die Engel ihren Frauen böse Lehren zum Geschenk; denn sie lehrten sie die Kräfte der Wurzeln und der Kräuter sowie die Färberei und das Schminken und die Erfindung kostbarer Stoffe, Zaubermittel für Haß, Verlieben, Liebesglut, Verlockungen zur Liebe, Zauberbünde, jede Gaukelei und gottverhaßten Götzendienst, durch deren Einführung in die Welt die Sache des Bösen angeschwollen sich ausbreitete, die (Sache) der Gerechtigkeit aber, gering geworden, verkümmerte.“419
Das ‚Böse‘ beinhaltet sowohl magische Fähigkeiten und Kosmetika als auch die Anleitung zum Götzendienst (cf. 1 Hen 8,1–3; 9,8): Durch die Taten der Engel wurde die Bosheit auf der Erde verbreitet, doch betrachtet Irenäus die Taten der Engel nicht als Ursache des Bösen. Verantwortlich macht er den Teufel, der die ersten Menschen in die Irre führte (cf. Demonstratio 16). Ad 2) An anderen Stellen gelten Wächter (z.T. auch böse Geister) als paradigmatische Sünder, wobei der Bezug zumeist das Gericht bzw. die Verurteilung von Häretikern ist. Irenäus schildert den durch die Apostel tradierten Glauben der Kirche, welcher mit der Wiederkunft Christi zum Gericht rechnet. Für das Gericht erwartet er, dass Geister der Bosheit und ungehorsame Engel, die von Gott abfielen (zusammen mit anderen Ungerechten und Häretikern) von Christus ins Feuer geschickt werden, während die Gerechten die Rettung zu erwarten haben (Haer. I.10.1). Dazu bemerkt Reed: „[…] it is significant that Irenaeus himself considers the future punishment of the Watchers to be an integral part of 418 419
Cf. H.-J. JASCHKE, Art. Irenäus und U. HAMM, Art. Irenäus. Übersetzung nach N. BROX, FC 8.1.
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the one, apostolic, ‚orthodox‘ version of salvation-history and lists it among the teachings that the Holy Spirit ‚proclaimed through the prophets‘ […]. Insofar as he implies that the denial of this prophecy excludes the believer from the apostolic Church, we may further speculate that it must have been, if not a matter of total consensus, at least widespread enough that he could claim it as such.“420 In Haer. IV äußert sich Irenäus zu grundsätzlichen Fragen, die an das Christentum herangetragen werden können. Kapitel IV.16 handelt die Frage nach der Relevanz der alttestamentlichen Vorschriften ab, IV.16.2 fragt sodann nach der Relevanz der Beschneidung für die Gerechtigkeit des Menschen.421 Unter anderen gelten Abraham und Henoch als exemplarische Gerechte, obwohl beide nicht beschnitten waren. Henochs Gerechtigkeit übertrifft dabei selbst diejenige von Engeln: Während abtrünnige Engel zum Gericht auf die Erde hinabgeworfen wurden, wurde Henoch zum Heil ‚entrückt‘ („translatus est“ IV.16.2). 3) In IV.36 werden ‚Engel, die [das Gebot] übertreten‘ („angeli transgressores“) für den Niedergang der Menschen verantwortlich gemacht. Durch die Flut sollte das Menschengeschlecht gereinigt bzw. zum ‚Urtypus Adam‘ zurückgeführt werden („et ut peccata eorum compesceret, servaret vero archetypum, Adae plasmationem“, IV.36.4).
Abschließend lässt sich festhalten, dass Irenäus die Wächter für die Verbreitung des Übels in der Urgeschichte verantwortlich macht und diese infolgedessen auch immer wieder als negative Beispiele der Vergangenheit heranzieht. Ebenso gilt die Verurteilung der Wächter als paradigmatisch für die Verurteilung anderer Gesetzesübertreter und/oder Häretiker. Die Ursache des Bösen demgegenüber wird mit dem Satansmythos erläutert. 4.6.5. Clemens von Alexandrien
Auch in den Schriften des Clemens von Alexandrien (ca. 140/150-ca. 220)422 finden sich Elemente aus der henochischen Wächtererzählung: 1) Die Frauenthematik kommt im Rahmen der Ausführungen über Enthaltsamkeit zur Sprache, 2) die Lehren der Wächter werden zur Erläuterung der Herkunft von Wissen herangezogen. Ad 1) In Stromata III befasst sich Clemens fast ausschließlich mit heterodoxen Aussagen über Enthaltsamkeit. Dabei teilt er die ‚Irrlehrer‘ in zwei Gruppen ein (Strom. III.5.40,1–2): Libertinisten, die keinen Unterschied zwischen Gut und Böse mehr machen, und Asketen, die die Schöpfungswerke Gottes verachten und von allen Enthaltsamkeit fordern. Als negative Beispiele für das Ausleben maßloser Begierden werden sodann die Engel genannt, die wegen dieses Vergehens vom Himmel herabgestoßen wurden (Strom. III.7.59,2). Die ‚gute Enthaltsamkeit‘ ist nach Clemens diejenige, welche maßlosen Begierden aller Art Einhalt gebietet, die Schöpfungsordnung aber wahrt. Cf. A. Y. REED, Fallen Angels, 150–151. Irenäus ist der Meinung, dass ‚Vorschriften‘ wie die Beschneidung nicht zur Rechtfertigung der Menschen gegeben wurden, sondern ‚zum Zeichen‘ (Haer. IV.16.2). 422 Cf. A. MÉHAT, Art. Clemens und D. WYRWA, Art. Clemens. 420 421
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In Paedagogus III.2.14,2 findet sich sodann eine lange Abhandlung über die Verwerflichkeit weiblicher Eitelkeit. Weil die Wächter Gottes ‚unvergängliche Schönheit‘ für die vergängliche Schönheit der Frauen verlassen haben, wurden sie vom Himmel auf die Erde gestürzt.423 Ad 2) An anderer Stelle in Strom. steht die Frage nach der Herkunft von Wissen zur Debatte. Dieses wird sodann auf die Wächter zurückgeführt und umfasst die Lehre von der Vorsehung und das Wissen um himmlische Vorgänge. Dabei wird besonders negativ gewertet, dass die (gefallenen) Engel Wissen an ihre Frauen weitergaben, während andere Engel es bis zur Parusie zu bewahren gedachten (Strom. V.1.10,2). In Eclogae Propheticae 53.4 führt Clemens sodann das Wissen um Astronomie, Mantik und anderer Künste auf die Instruktion von Engeln zurück; ebenso hätten diese den Menschen die Lehre der Vorsehung weitergegeben und ihnen himmlische Vorgänge enthüllt (weiter Strom. V.1.10.1–3). Auch Clemens zieht die Wächter als Negativbeispiele in sittlich-moralischen Belangen heran. Sie dienen ihm zum einen als Paradigma für maßlose Begierde, wobei Clemens an verschiedenen Beispielen zeigt, wie fatal ein solches Verhalten ist (Šemiḥazah-Strang). Zum anderen werden diverse kulturelle Praktiken auf die Lehre der Wächter zurückgeführt (ʿAśaʾel-Strang), welche in diesem Zusammenhang auch der Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie dienen. Mit dem Tod allerdings wird dann aber eher Adam assoziiert. Somit stehen die Wächter auch für Clemens nicht am Anfang der Unheilsgeschichte. 4.6.6. Bardesanes von Edessa
Der syrisch-aramäische Bardesanes von Edessa (154–222)424 behandelt die Frage nach dem freien Willen in großer Ausführlichkeit. In diesem Zusammenhang rezipiert Bardesanes auch den Wächterfall, und zwar im Buch über die Gesetze der Länder (Liber legum regionum). Der Liber ist in Form eines Lehrgespräches als Dialog des Bardesanes mit seinem Schüler Avida gestaltet. Avida fragt, warum Menschen überhaupt Schlechtes tun bzw. warum Gott sie nicht so geschaffen habe, dass sie gar nicht sündigen könnten. Bardesanes entgegnet, der Mensch sei frei geschaffen; er sei nicht wie eine Zither, die von verschiedenen Akteuren gespielt werde oder wie die Gestirne oder andere
423 Nach Paid. III.2.14.1–2 steht der Logos im Kontrast zu irdischer Lust und Vergänglichkeit. Ohne den Logos fallen sowohl Menschen als auch Engel ab und verstricken sich in ‚weltliche Vergänglichkeiten‘. Auch hier dienen die Engel als Negativbeispiele. 424 Cf. I. RAMELLI, Bardesane di Edessa, 5–22, H. J. DRIJVERS, Art. Bardesanes und P. BRUNS, Art. Bardaisan.
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Naturphänomene, die nach einer strikten Ordnung zu verkehren hätten,425 sondern der Mensch sei gleich der Engel, frei in der Wahl zwischen Gut und Böse. Hätten die Engel diese Wahlfähigkeit nicht gehabt, hätten sie sich nicht mit Frauen eingelassen und wären nicht abgefallen.426 Sünde gilt somit als Resultat des freien Willens, der Engel und Menschen gleichermaßen gegeben ist. Somit sind Engel und Menschen wiederum desselben Vergehens schuldig. Mit der Thematik des freien Willens wird Gewicht auf die Eigenverantwortung gelegt, sowohl von Wächtern als auch von Menschen. Dabei sind die Wächter lediglich Beispiele – Bardesanes interpretiert das Übel auf der Welt und die Sünde letztlich anthropologisch. 4.6.7. Tertullian
Auch Tertullian (ca. 160–220)427 rezipierte sowohl die Verbindung der Wächter mit Frauen sowie deren Lehrtätigkeit und zwar einerseits im Kontext der Auseinandersetzung mit dem Götzendienst, andererseits in sittlichmoralischen Ausführungen. In seiner Auseinandersetzung mit dem Götzendienst thematisiert Tertullian auch die gefallenen Engel, die Entstehung von Dämonen und die Weitergabe von Wissen. Dämonen seien Dichtern und Ungebildeten gleichermaßen bekannt (Apol. 22). Wie aus den Engeln Dämonen wurden, welche mit ihrem Fürsten verdammt wurden, sei aus der heiligen Schrift herzuleiten.428 Zwar führt Tertullian gerade diesen Hergang nicht weiter aus, doch wird an anderen Stellen deutlich, dass er hier auf Gen 6,1–4 bzw. den Wächtermythos anspielt. So haben Engel nach Apol. 35 ‚heidnische Praktiken‘ gelehrt; schließlich werden Dämonen und ‚abtrünnige Engelsgeister‘ für den Götzendienst verantwortlich gemacht (De Idolatria 4).429 Einige Zeilen später wird schließlich doch eingeräumt, dass auch die Gestirne dem Gericht unterzogen werden, weil ihnen eine gewisse Entscheidungsfreiheit zukommt: „Tuttavia, del resto, sappi che anche queste cose le quali ho detto che sono sottoposte ai comandi non sono completamente destituite di ogni libertà, e per questo nell’ultimo giorno tutte loro saranno soggette al Giudizio.“ I. RAMELLI, Bardesane di Edessa, 139 (keine Einteilung des Textes in Kapitel/Verse). Eine modernere Übersetzung liegt weder in Deutsch noch Englisch vor, eine ältere englische findet sich bei H. J. DRIJVERS, STT 3. 426 „Capiamo, infatti, che anche gli angeli, se non fossero stati in possesso del libero arbitrio su se stessi, non avrebbero avuto relazione con le figlie degli uomini, non avrebbero peccato e non sarebbero decaduti dalle loro sedi.“ I. RAMELLI, Bardesane di Edessa, 137. 427 Cf. E. SCHULZ-FLÜGEL, Art. Tertullian und C. BUTTERWECK, Art. Tertullian. 428 Tertullian befasst sich mit der Verteidigung des christlichen Glaubens und behandelt die Dämonen im Rahmen des Zugeständnisses an die Heiden, dass es tatsächlich geistige Wesen bzw. Dämonen gäbe. Dabei erwähnt er, dass auch Plato und andere von ihnen redeten, die heiligen Schriften aber zuerst Zeugnis von ihnen gäben. 429 Der Ausgangspunkt von De idolatria ist die Vorstellung, dass Götzendienst die menschliche ‚Ursünde‘ ist; jede andere Sünde gilt im weitesten Sinne auch als eine Form 425
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Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass Tertullian in diesem Kapitel auch die Epistel Henochs beinahe wörtlich zitiert. Hier wird zunächst das Bilderverbot aufgeführt (Ex 20,4; Dtn 5,8), worauf auf Henoch Bezug genommen wird. Schon Henoch habe prophezeit, dass nur Gott verehrt werden dürfe; Henoch verurteile sowohl diejenigen, die Götzenbilder herstellen und diejenigen, die sie anbeten. Hierauf zitiert Tertullian 1 Hen 99,6–7.430
In Kapitel 9 derselben Schrift werden astrologische Praktiken, die wiederum auf die Wächter zurückgeführt werden, verboten. Hier steht eindeutig die Bedeutung der Astrologie in der römischen Kultur im Hintergrund; Christen sollen sich von dieser abgrenzen. Die Strafe gilt nach Tertullian nämlich nicht nur denjenigen, die lehrten, sondern auch denen, die diese Praktiken anwenden. Somit sind auch Christen betroffen, die am Kult teilnehmen. Die Wächtererzählung dient so der Erläuterung der problematisierten Situation christlicher Gemeinden Ende zweiten, Anfangs des dritten Jahrhunderts n. Chr. Die zweite und bei weitem wirkungsträchtigere Thematik, welche durch den Wächterfall erläutert wird, betrifft die Frauen. In der Abhandlung über den ‚weiblichen Putz‘ (De cultu feminarum) prangert Tertullian den Schönheitskult der Frauen an. Weil die erste Frau den Sündenfall verschuldete, so die Ausgangsargumentation Tertullians, zieme es sich für Frauen grundsätzlich nicht, sich prunkvoll zu kleiden (Cult. Fem. I.1). Die diversen Verschönerungsmittel und -techniken werden ihrerseits auf die Lehren der Wächter zurückgeführt (Cult. Fem. I.2); hierbei handelt es sich um Schmuck für Hals und Arme sowie die Herstellung von Rouge oder Eyeliner. Tertullian stellt die Frage, wozu das nötig sei, da die Frauen bereits ‚ungeputzt und roh‘ („crudae ac rudes“) auf die Engel Eindruck gemacht hätten, sodass diese sie begehrt und den Himmel ihretwegen verlassen hätten.
In Cult.Fem I.3 thematisiert Tertullian dann die Autorität des Henochbuches unter Christen. Weil das Buch Henoch nicht in den jüdischen Kanon aufgenommen wurde, so Tertullian, werde es auch von manch anderen nicht angenommen. Man hielte es für unmöglich, dass das Buch, das vor der Sintflut entstanden sein, unversehrt hätte bleiben können. Tertullian entgegnet dem, dass andere Schriften das Exil und die Zerstörung des Tempels überstanden hätten und dass die Ablehnung der Juden darauf zurückzuführen sei, dass die Schrift von Christus handle.
In den folgenden Kapiteln führt Tertullian dann die verschiedenen Aspekte ‚weiblicher Putzsucht‘ und deren negative Konsequenzen aus. Zum einen trägt die erste Frau die Schuld am Fall der Menschen, zum anderen wird dievon Götzendienst (siehe Kapitel 1). Im Folgenden untersucht Tertullian verschiedene Bereiche der Idolatrie und erläutert ihre vielfältigen Facetten. 430 „[E]t rursos iuro vobis, peccatores, quod in diem sanguinis perditionis iustitia parata est. Qui servitis lapidibus et qui imagines facitis aureas et argenteas et ligneas et lapideas et fictiles et servitis phantasmatibus et daemoniis et spiritibus i fanis et omnibus erroribus non secundum scientiam, nullum ab iis invenietis auxilium. Esaias vero testes, ait, vos stis, si est deus absque me. Et non erant tunc qui fingunt et exsculpunt, omnes vani, qui faciunt libita sibi, quae illis non proderunt…“
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ser mit den Wächtern in Verbindung gebracht: ‚Eva‘ ist schuld an der Sünde, die Frauen am Kommen der Wächter und diese an der Verbreitung von Wissen. Gleichwohl werden hier aber nicht die Ursachen des Bösen thematisiert, sondern in erster Linie sittlich-moralische Fragen. Weiter greift Tertullian das Problem der Verführung in seinen Ausführungen über das Gebet (De oratione) auf. In der Auslegung von 1 Kor 10,11 wird die Verschleierung der Frauen gefordert:431 Weil es Engel gab, die wegen Frauen von Gott abgefallen sind, müssen Frauen ihr Haupt verschleiern (Orat. 22). Dieselbe Thematik wird in De virginibus velandis, ebenfalls in deutlicher Anlehnung an den Wächtermythos, noch breiter ausgeführt (cf. Virg. Vel. 7). In bisher ungekannter Intensität wird der Wächtermythos bei Tertullian mit einer misogynen Haltung verbunden. Kamen die Frauen in 1 Hen 6–16 lediglich unter dem Aspekt der Gebotsübertretung der Wächter in den Blick, wird die Schuld hier monokausal bei ihnen gesucht. Daraus werden sodann Verhaltensanweisungen für die ‚Gegenwart‘ gegeben. Auch Tertullians Auslegung von Gen 3 zeigt diese frauenfeindliche Tendenz, wobei diese negative Bewertung (v.a. weiblicher) Sexualität die Geschichte des Christentums stark prägen sollte. 4.6.8. Origenes
Bei Origenes (185–ca. 253)432 werden die Wächter wenige Male im Rahmen etymologischer oder theologischer Erläuterungen erwähnt, welche allerdings von geringer inhaltlicher Bedeutung sind.433 Weiter begegnen sie in den Ausführungen gegen Celsus (Contra Celsum);434 dort verhandelt Origenes Celsus‘ Meinung, es gäbe Christen, die Christus nicht als den einzigen betrachteten, der ‚vom Himmel‘ zu den Menschen kam (Cels. V.52): Ausgangslage der Diskussion ist die Frage, ob die Aufforderung des Paulus in 1 Kor 11 für ‚Frauen‘ nur für Verheiratete, also Ehefrauen, gilt, oder auch für Jungfrauen. Tertullian legt dar, dass ‚Frauen‘ alle meint, die vom Geschlecht her Frauen sind, ob verheiratet oder nicht. 432 Cf. H. J. VOGT, Art. Origenes. 433 Origenes bringt den Fluss Jordan etymologisch mit den Wächtern in Verbindung (In. Joh. VI.25). Einige, so Origenes, würden den Jordan (Hebr. )י ְַר דֵּ ן, wo Johannes der Täufer taufte, mit ירדin Verbindung bringen und daraus eine enigmatische Referenz zu Seelen lesen, die in Körper herabgestiegen sind (sonst: ‚Tage des Jared‘, siehe e.g. Jub 4,15). Origenes weist diese Aussage aber zurück. Cf. dazu J. C. VANDERKAM, Enochic Motifs, 81. 434 Verfasst als Antwort zur Kritik des Celsus am christlichen Glauben. Celsus schrieb seine Kritik um 178, Origenes‘ Apologie stammt von ca. 250. Cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 91. 431
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„Ist dieser aber der erste und der einzige, der gekommen ist, oder sind auch andere früher gekommen? Werden sie antworten, er sei der einzige, so könnte ihnen nachgewiesen werden, dass sie lügen und sich selbst widersprechen. Denn sie sagen, es seien auch andere oft gekommen, ja ihrer sechzig oder siebenzig auf einmal. Diese seien böse geworden [γενέσθαι κακοὺς] und zur Strafe unter der Erde in Fesseln gelegt; daher kämen auch die warmen Quellen, nämlich aus den Tränen jener Engel. Und fürwahr, auch zu dem Grabe eben dieses Jesus sei ein Engel gekommen, die einen sprechen nur von einem, die andern von zweien, die den Frauen antworteten, dass er auferstanden sei. Denn der Sohn Gottes konnte, wie es scheint, das Grab nicht selber öffnen, sondern bedurfte eines andern, der den Stein entfernen mußte, Ferner kam wegen der Schwangerschaft Marias ein Engel zu dem Zimmermann, dann ein anderer, der ihm gebot, das Kind der Gefahr zu entreißen und zu flüchten. Und wozu braucht man alles sorgfältig zu prüfen und die Engel, die dem Moses und den andern unter ihnen geschickt sein sollen, aufzuzählen? Wenn also auch andere geschickt wurden, so ist es klar, dass auch dieser von demselben Gott geschickt worden ist wie jene.“435
Origenes bedenkt diesbezüglich die Streitigkeit um die Autorität des Henochbuches unter gewissen Christen. Er selbst hält das Henochbuch für heilig (cf. auch In. Joh. VI.25).436 Er lehnt das Verständnis von Celsus ab und erwidert, Celsus bringe durcheinander, was er ‚da und dort‘ gelesen habe (cf. Cels. V.55).437 Der Wächtermythos an sich spielt bei diesen Ausführungen eine verschwindend geringe Rolle. Abgesehen von der Feststellung, dass die Engel ‚böse geworden‘ seien findet sich kein Bezug zu irgendeiner der ihnen üblicherweise vorgeworfenen Untaten. Bemerkenswert ist diesbezüglich, dass Celsus den Wächtermythos oder zumindest Teile davon gekannt haben muss und dass hier die Frage nach der Autorität des Henochbuches behandelt wird, wie auch bei Tertullian beobachtet werden konnte. 4.6.9. Cyprian
Cyprian (gest. 258)438 setzt sich, ähnlich wie Tertullian, mit den Fragen weiblicher Verschönerungspraxis auseinander und erläutert in der Schrift über die ‚Haltung der Jungfrauen‘ (De habitu virginum) ähnliche Fragen wie Tertullian in Virg. Vel. 14. Auch Cyprian verurteilt Schmuck und Kosmetik als Teufelswerk und begründet es damit, dass verdeckt würde, was Gott geschaffen habe („…quibus ceruicem quam fecit absconderet, ut operiatur illud quod Deus in homine formauit et conspiciatur id desuper quod diabolus inuenit…“, 435 Übersetzung nach M. FIEDROWICZ/C. BARTHOLD, FC 50. Siehe weiter auch Cels. V.54. 436 Siehe im Weiteren die Ausführungen bei G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 90–92. 437 Hier wird sodann möglicherweise auf Philo verwiesen, denn Origenes möchte denen, die die Gedanken des Propheten (sc. Mose, Gen 6,2) verstünden, darlegen, dass auch schon „einer vor uns“ diese Aussage auf die menschliche Seele bezogen habe. 438 Cf. A. HOFFMANN, Art. Cyprian.
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Hab. Virg. XIV). Zugleich nennt er ein paar Zeilen später aber auch die Engel als Lehrer solcher Künste. Die sündigen und abtrünnigen Engel hätten diese Künste ans Licht gebracht, als sie auf die Erde herunterkamen („quae omnia peccatores et apostatae angeli suis artibus prodiderunt,439 quando ad terrena contagia deuoluti a celesti uigore recesserunt.“). Wie bei Tertullian geht es hier um die Rötung der Wangen und die Schwärzung der Augenkonturen, um das ‚Echte an Gesichtszügen und Kopf‘ („oris et capitis ueritatem“) zu korrumpieren. Cyprian folgert aus dem Gesagten schließlich, dass Schönheitspraktiken Gott beleidigten, da dieser den Menschen nach seinem Bild geschaffen habe, Kosmetik oder ähnliches dieses Bild aber verdecke. Infolgedessen liegt mit Kosmetik und dergleichen ein größeres Verbrechen vor als bei Ehebruch, da ein Vergehen an Gott und ein Angriff auf sein Schöpfungswerk vorliegt (Hab. Virg. XV). An Cyprians Ausführungen ist die Verbindung von Wächtermythos und Satansfigur besonders bemerkenswert. Beide Traditionen stehen eng und ohne weitere Bestimmung beieinander. Dabei werden Satan hier Taten zugeschrieben, die im Wächterbuch mit ʿAśaʾel assoziiert werden. Das Nebeneinander dieser Figuren kann einerseits implizieren, dass diese in der Vorstellungswelt des Verfassers nahe beieinanderlagen, in Verbindung standen, oder aber auch, dass die Satansfigur wichtiger wurde und so Funktionen übernehmen konnte, die ihr traditionell nicht zugeschrieben wurden. Ersichtlich wird zumindest, dass verschiedene Traditionen zusammenzuwachsen scheinen und dass in erster Linie die Thematik der weiblichen Sitte im Vordergrund steht und verschiedene Traditionen herangezogen wurden, um diese zu erläutern. 4.6.10. Commodian
Commodian440 rezipiert den Wächtermythos im Rahmen der Auseinandersetzung mit Götzenverehrung, dem hellenistischen Umfeld und der Frauenthematik. In den Instructiones werden Frauen- und Lehrthematik verbunden: Zunächst beschreibt Commodian, wie Gott die Engel auf die Erde sandte, um diese zu besuchen und zu verschönern („visitari voluit terram ab Angelis istam“).441 Die Engel aber hätten Gottes Gebote missachtet: Da die Frauen von so ansteckender Schönheit waren, kamen die Engel von ihrem Weg ab und konnten infolgedessen nicht mehr in den Himmel zurück („Tanta fuit forma feminarum quae flecteret illos, ut coinquinati non possent coelo redire…“, Instr. III). Die Aussendung der Wächter auf die Erde erinnert stark an Siehe G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 89. Cf. S. DÖPP, Art. Commodianus. 441 Siehe CSEL 15. Eine geeignete deutsche Übersetzung liegt nicht vor; eine neuere italienische Übersetzung findet sich bei A. SALVATORE, Commodiano: Instructiones. Testo critico, trad. e note esegetiche. 439 440
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das Jubiläenbuch, allerdings ist der Auftrag dort die Instruktion der Menschen, welche nach Commodian gerade verwerflich ist. An diese Schilderung schließt sich der Bericht über die Lehrtätigkeit an. Diese wird hier mit den Nachkommen der Wächter, also den Giganten assoziiert, welche verschiedene Künste wie das Färben von Wolle etc. lehrten (siehe auch Cyprian). Die Giganten werden dann vor allem mit Götzendienst in Verbindung gebracht: Commodian beschreibt, wie die Menschen Bilder der verstorbenen Giganten aufrichteten und sie sich so erhalten haben. Zwar berichtet er, dass Gott es den Giganten nicht gestattet habe, von den Toten zurückzukehren, sie aber gleichwohl in anderer Form weiterwirken: Auf diese Weise führten sie viele ins Verderben („Unde modo vagi subvertunt corpora multa: Maxime quos hodie colitis deos et oratis…“). Weiter spottet Commodian über eine Reihe fremder Götter (e.g. Saturn und Jupiter) sowie über Götzenverehrung im Allgemeinen. Hier wird vermutlich das Motiv des Euhemeros (4.-3. Jh. v. Chr.) aufgenommen, der die olympische Götterwelt entmythologisierte, indem er sie als ‚vergötterte‘ Helden interpretierte, welche durch das Errichten von Statuen in der Vorstellung der Menschen immer ‚jenseitiger‘ wurden, bis ihnen schließlich der Status von Göttern zukam.442 Auch Commodian rezipiert den Wächtermythos, wie viele vor ihm, im Kontext seiner Auseinandersetzung mit dem Hellenismus und mit Fragen der Sittlichkeit, die vor allem die Frauen betreffen. 4.7. Die pseudoclementinischen Homilien
Zur pseudoclementinischen Literatur gehören die griechisch verfassten Werke der ps.-clem. Homilien (Ps.-Clem. Hom.) und die ps.-clem. Recognitionen (Ps.-Clem. recogn.), die nur in der lateinischen Übersetzung durch Rufinus überliefert sind. Ps.-Clem. Hom. und Ps.-Clem. recogn. weisen beinahe denselben Wortlaut auf, das Verhältnis der beiden Texte ist Gegenstand strittiger Diskussionen. Die neuere Forschung geht davon aus, dass es sich um „zwei Rezensionen einer um 220/250 in Cölesyrien entstandenen Grundschrift“, der Periodoi Petrou, handelt.443 Inhaltlich bilden die Reisen des jungen Römers Clemens die Haupterzählung. Clemens, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, hört die Verkündigung des Apostels Petrus, schließt sich diesem an und wird durch ihn in der christlichen Lehre unterrichtet. Diese wird in der Auseinandersetzung mit Simon Magus erläutert. Schließlich findet Clemens seine verlorenen Familienmitglieder mit Hilfe von Petrus wieder.444 Cf. M. FUSILLO, Art. Euhemeros, 235–236. J. HOFMANN, Art. Ps.-Clementinische Literatur, 155–156 und J. N. BREMMER, Pseudo-Clementines: Texts, Dates, Places, Authors and Magic, 1. Zur Grundschrift J. N. BREMMER, Op. Cit., 6–11. 444 Siehe J. WEHNERT, Pseudoklementinische Homilien. Einführung und Übersetzung, 29. 442 443
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Die Pseudo-Clementinen sind in mancherlei Hinsicht äußerst komplex; die Vf. beschränkt sich hier auf die nötigsten Angaben zur Rezeption der Wächtermythos. In Ps.-Clem. Hom. VIII–IX findet sich die ausführlichste und detaillierteste christliche Rezeption der Henochtradition445 in Bezug auf die Frage nach dem Bösen. Der Wächtermythos fungiert allerdings nicht als einziges ‚Modell‘ über die Ursprünge von Bösem. Ps.-Clem. Hom. führt auch die Undankbarkeit der Menschen und die Sünde Adams auf, sowie die Vorstellung, dass Böses durch die Vermischung verschiedener Elemente entsteht (Ps.-Clem. Hom. XX). Der Wächtermythos wird in Ps.-Clem. Hom. VIII–IX in der Rede des Petrus in Tripolis (s. Ps.-Clem. recogn. 4)446 aufgeführt. In der Nacherzählung ist die Linie von 1 Hen 6-16 und deren wichtigste erzählerischen Elemente größtenteils aufgenommen; darin ist der Text einzigartig.447 Die Ausführungen über die Wächter folgen in der Rede des Petrus auf dessen Feststellung, dass es in Tripolis viele von Dämonen gequälte Kranke gibt (Ps.-Clem. Hom. VIII 8,4). Petrus gibt die Erklärung, dass die Menschen zu Recht litten (Ps.-Clem. Hom. VIII 9,2): Gott habe alles gut geschaffen und es ‚Adam‘ („dem nach seinem Bild entstandenen Menschen“) übergeben (Ps.-Clem. Hom. VIII 10,1); die Menschen jedoch seien von Gottes Weg abgekommen und erfuhren die angemessene Strafe. Die Engel seien aus diesem Grund auf die Erde hinabgestiegen, um die Menschen eines Besseren zu belehren, seien jedoch abgefallen um mit Frauen Nachkommen zu zeugen (siehe Jub 4,15 und 5,6). So Ps.-Clem. Hom. VIII 12,1: „Von den im Himmel wohnenden Geistern baten nämlich die Engel, die die unterste Region bewohnen, betrübt über die Undankbarkeit der Menschen gegen Gott, in das Leben der Menschen treten zu dürfen. Zu wirklichen Menschen geworden [ἄνθρωποι γενόμενοι], wollten sie durch sehr ausgedehnten Umgang diejenigen, die gegen ihn undankbar gewesen waren überführen und einen jeden auf der Stelle der gebührenden Strafe unterziehen.“448 Engel können sich in mancherlei Dinge (e.g. Edelsteine) verwandeln, als solche wurden sie von den Menschen gestohlen, worauf sie dann ganz zu Menschen werden und dann auch den menschlichen Begierden verfallen (Ps.-Clem. Hom. VIII 13,1): „Doch als (die Engel) zu diesen (Dingen) geworden waren, überführten sie diejenigen, die sie gestohlen hatten, als habsüchtig und verwandelten sich in die menschliche Natur, damit sie – nachdem sie gottgefällig gelebt und die Möglichkeit dieses Lebenswandels bewiesen hatten – den Undankbaren Strafen auferlegten. Weil sie nun wirklich ganz und gar Menschen geworden waren, befiel sie auch die menschliche Begierde. Von dieser überwältigt, glitten sie in den Geschlechtsverkehr mit Frauen ab [εἰς γυναικῶν μίξιν ὤλισθον].“ Durch diese Vermischung mit den Frauen können sich die E. J. C. TIGCHELAAR, Manna-Eaters and Man-Eaters, 93. Siehe hierzu E. J. C. TIGCHELAAR , Manna-Eaters and Man-Eaters, 95–97. 447 E. J. C. TIGCHELAAR, Manna-Eaters and Man-Eaters, 97–98: „In fact, there is no other Late Antique Christian or Jewish retelling of the narrative that shares so many elements with BW [sc. Book of the Watchers].“ 448 Übersetzung nach J. WEHNERT, Pseudoklementinische Homilien. 445 446
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Engel nicht mehr zurück verwandeln in das, was sie einst waren. ‚Ihre‘ Frauen jedoch wünschen das von ihnen – aus diesem Grund beginnen sie, den Frauen Metalle und Steine zu zeigen und sie allerlei zu lehren (Zauberkünste, Astronomie). Der Verfasser hält fest (Ps.-Clem. Hom. VIII 14,3): „Ja, einfach alle Dinge, die zum Schmuck und zur Freude von Frauen dienen, sind Erfindungen der ins Fleisch gefesselten Dämonen.“
Den Nachkommen von Frauen und Engeln, den Giganten,449 droht wie im Wächterbuch der Mangel an Nahrung, worauf Gott es Manna regnen lässt, um sie zu ernähren.450 Die Giganten jedoch gelüsten nach Blut und Fleisch,451 worauf bald auch Menschen „bastardischen Menschen“ zum Opfer fallen. Auf diese Ereignisse hin sendet Gott die Flut, durch welche die Giganten vernichtet werden (anders als im Wächterbuch nicht durch gegenseitige Zerstörung). Ihre Seelen überleben die Flut und so entsteht ein neues Geschlecht, die Dämonen (Ps.-Clem. Hom. VIII 18,1–2). Diesen gibt Gott ein Gesetz vor, wie sie leben dürfen und wie sie sich in Bezug auf die Menschen zu verhalten haben bzw. über welche Menschen sie Macht haben, beispielsweise über solche, die Götzendienst tun (Ps.-Clem. Hom. VIII 19,1–3).452 Der Wächtermythos wird in den pseudoclementinischen Homilien in auffallender Breite rezipiert und mit dem Adamsmythos in Verbindung gebracht. Gleichwohl „haben weder die Wächter noch deren Lehren eine wirkliche Bedeutung in der Nacherzählung des Verfassers“.453 Eibert Tigchelaar weist darauf hin, dass die grundlegende Weltsicht der Pseudo-Clementinen dualistischer Natur ist (siehe beispielsweise Ps.-Clem. Hom. XX 2–3454). Unter diesem Gesichtspunkt sind dann auch die sich scheinbar entgegenstehenden ‚Erklärungen des Bösen‘ zu betrachten.455 Zudem ist weiter festzuhalten, dass hier nicht von einer fatalistischen Bestimmtheit oder Schicksalsträchtigkeit auszugehen ist. Was in Ps.-Clem. Hom. VIII 16,1 wohl in Bezug zum Fleischkonsum steht, lässt sich gleichwohl auch allgemein verstehen: „Folglich werden wir weder als Gute noch als Schlechte geboren, sondern wir werden so, und wenn wir uns daran gewöhnt haben, sind wir schwer davon abzubringen.“ So betont der Verfasser letztlich die menschliche Eigenverantwortung.
449 Diese werden hier explizit von den Giganten des griechischen Mythos abgegrenzt; demgegenüber wird in erster Linie von ihrem bestialischen Charakter berichtet (VIII 15,1). 450 Dazu E. J. C. TIGCHELAAR, Manna-Eaters and Man-Eaters, 111–114. 451 Die Thematik des Fleischkonsums, der durch die Giganten auch auf die Menschen übergeht, scheint von herausragender Bedeutung zu sein. Vermutlich wird vom Verfasser eine vegetarische Lebensweise bevorzugt. Siehe E. J. C. TIGCHELAAR, Op. cit., 107–109. 452 Später findet sich dann auch die Vorstellung, dass wer nicht getauft ist, von Leid und Dämonen behelligt wird (23,1). 453 E. J. C. TIGCHELAAR, Manna-Eaters and Man-Eaters, 114, Übersetzung von der Vfn. 454 Zu den ‘zwei Wegen’, die hier vorgeführt werden, siehe M. PESTHY, Duae Viae in the Pseudo-Clementine Homilies, passim, insb. 164–169. 455 E. J. C. TIGCHELAAR, Manna-Eaters and Man-Eaters, 110–111.
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
4.8. Zusammenfassung 4.8.1. Überblick
Während sich im Neuen Testament eine nur spärliche, in Jud (und 2 Petr) aber sehr bedeutsame Rezeption des Wächtermythos findet, fällt dessen weitgehende Bekanntheit unter den frühen Kirchenschriftstellern auf. Es kann daher angenommen werden, dass die henochische Tradition im frühen Christentum weithin bekannt war und die unterschiedliche Intensität der Rezeption mitunter auch vom Genre abhängig ist. Die neutestamentlichen Texte beinhalten noch keine systematischen Auseinandersetzungen mit der Urgeschichte oder dem Heidentum (beispielsweise in Form von Apologien), im Rahmen derer die Kirchenschriftsteller den Wächtermythos zumeist aufgreifen. Auch haben die neutestamentlichen Autoren die christliche Lebenspraxis noch nicht auf derart breite und systematische Art und Weise thematisiert, wie die Kirchenschriftsteller in den folgenden Jahrhunderten. Ausgehend von diesen Feststellungen lässt sich die Rezeption nun genauer überblicken. Dabei sind die folgenden vier Punkte zu nennen: 1) In fast allen Anspielungen oder direkten Bezugnahmen zum Wächtermythos wird die Verbindung der Wächter mit den Frauen pointierter dargestellt als ihre Lehrtätigkeit. Die mit den Frauen verbundene Problematik illegitimer Sexualität wird immer thematisiert, während der Lehrtätigkeit weniger Beachtung zukommt. Diese Beobachtung deckt sich mit dem Befund in der frühjüdischen Rezeption. So wird durch die Rezeption des Wächtermythos erläutert, warum Frauen ihren Kopf verschleiern und sich nicht ‚herausputzen‘ sollen, weil nämlich einst die Engel wegen ihrer Schönheit zu Fall kamen oder weil sie dieses verwerfliche Tun von jenen gelernt haben (e.g. Clemens, Tertullian, Origenes). 2) Weiter zentral ist die Bedeutung von Dämonen, die auf die Wächter zurückgeführt werden und für Götzendienst (v.a. Tertullian, teilweise auch Commodian), unrechtmäßige Verfolgung oder Häresien verantwortlich gemacht werden. Oftmals wird die ganze heidnische Religion durch dämonisches Wirken begründet (e.g. Justin): Was in der Ära der Formierung des frühen Christentums als negativ und als Bedrohung erfahren wurde, wurde häufig auf das Wirken von Dämonen zurückgeführt. Ob man darauf schließen kann, dass ein solches Verständnis von Dämonen auch für die neutestamentlichen Autoren (e.g. 1 Kor 10) vorauszusetzen ist, muss hier offen bleiben. 3) Wie in der frühjüdischen Rezeption des Wächtermythos beobachtet werden konnte, werden die Wächter häufig als paradigmatische Sünder dargestellt, die sich gegen Gottes Ordnung und Gebote vergangen haben, obwohl sie zur Aufsicht eingesetzt worden sind (e.g. Justin, Athenagoras, Irenäus). Damit wird hin und wieder auch die Wahlfähigkeit zwischen Gut und Böse thematisiert: Durch den (von Gott gegebenen) freien Willen
4. Frühchristliche Rezeption
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wird das Vergehen gegen die göttliche Ordnung ermöglicht und die Frage der Schuld damit in der Selbstverantwortung der Sünder beantwortet (e.g. Athenagoras, Bardesanes). In diesem Zusammenhang sind Wächter und Menschen des gleichen Vergehens schuldig und zwischen der Sünde der Wächter und derjenigen der Menschen wird keine Kausalität impliziert. Die Sünde der Wächter ist nicht die Begründung für die Sünde der Menschen, sondern lediglich ein urzeitliches Paradigma der Sünde. 4) Schließlich wird der Wächtermythos im Rahmen sittlich-moralischer Implikationen (Clemens), der Nacherzählung der Urgeschichte (Irenäus) sowie der Auseinandersetzung mit der Herkunft von Wissen (Clemens) thematisiert. Somit lässt sich beobachten, dass es kein Problem darstellte, (einen Teil der) ‚Engel Gottes‘ für negative Umstände auf der Welt verantwortlich (oder zumindest mitverantwortlich) zu erachten. Gleichwohl ist ebenso offensichtlich, dass der Wächtermythos nicht (mehr) dazu diente, den negativen Zustand der Erde zu erklären; die Sünde von Wächtern und Menschen wird auf derselben Ebene angesiedelt, in der eigenmächtigen, willentlichen Übertretung des göttlichen Gebotes. Das frühe Christentum weist die Ursprünge des Bösen demgegenüber Adam und (/oder) dem Teufel zu. 4.8.2. Zur Rezeption von 1 Henoch im frühen Christentum
Für viele frühe christliche Autoren gehörte die henochische Tradition offensichtlich zum Allgemeingut der Überlieferung. Dabei kann eine gestufte Rezeption des henochischen Schrifttums im frühen Christentum beobachtet werden:456 In den ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderten findet sich, wie bereits beobachtet werden konnte, eine breite Rezeption des henochischen Schrifttums, wobei nicht bloß das Wächterbuch rezipiert wurde, sondern auch andere Teile von 1 Hen.457 Tertullian argumentiert in Cult. Fem. 3 für die Autorität des Henochbuches, bei Origenes wird bereits die zunehmend ambivalente Auseinandersetzung mit dem henochischen Schrifttum ersichtlich (s.o.).458 Schließlich verliert die Henochtradition ihre Bedeutung ab dem vierten Jahrhundert zumindest in den Kirchen im Westen vollständig. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die rabbinische Tradition einer anthropologischen Deutung der בְּ נֵי־הָ ֱא הִ יםin Gen 6,2 vermehrt den Vorzug gegeben hat und die Henoch-Tradition im Judentum wohl nicht mehr anerkannt wurde, was sich bei Hieronymus beobachten lässt. Hieronymus, De viris illustribus 4, nennt das Henochbuch ‚apokryph‘ „[…] und Augustin, der HenochN. J. MOORE, Is Enoch also among the Prophets?, 504–507. So beispielsweise die Bilderreden und deren Rede vom ‚Menschensohn‘. Siehe im Weiteren J. FREY, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, 102. 458 Siehe J. FREY, Op. cit., 103. 456 457
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
Traditionen auch aus seiner manichäischen Zeit kannte, formulierte klar, dass das Buch zwar Wahres enthalte, aber keine kanonische Autorität beanspruchen könne (CivDei XV,23)“.459 Parallel dazu ist dann auch ein Schwund der Bedeutung der henochischen Tradition insgesamt zu beobachten.460 Allem voran in der äthiopischen Kirche, aber auch bei armenischen und evtl. syrischen Christen wurde die Henochtradition jedoch bewahrt.
5. Synthese
5. Synthese
5.1. Übersicht
Betrachtet man den Wächtermythos und seine Rezeption sowohl im frühen Judentum als auch in frühchristlichen Texten, lässt sich grundsätzlich feststellen, dass die Wächtererzählung zumeist selektiv rezipiert wird, die Wächter selbst mehr und mehr als usuelles Paradigma in der Paränese herangezogen werden und die Figur des Adam zunehmend wichtiger wird. Zugleich können die Wächter auch problemlos in Verbindung mit anderen mythologischen Elementen verbunden werden, vor allem mit der Figur des Satan. Die folgende Übersichtstabelle soll im Anschluss an die vorangehende Untersuchung die Rezeptionsgeschichte des Wächtermythos, wie er sich zunächst in Gen 6,1–4 findet, aufzeigen. Dieser Überblick soll, anhand einer (z.T. mutmaßlichen, auf jeden Fall aber groben) chronologischen und historischer Einordnung aufzeigen, welche theologischen Aspekte zu welchen Zeiten einzuordnen sind. Zeit/Text Gen 6,1–4 3. Jh. v. Chr. Wächterbuch 2. Jh. v. Chr.
Theologische Aspekte und Tendenzen der Rezeption ‚Göttersöhne‘ kommen auf die Erde; keine negative Wertung und kein Bezug zur Flut Die Weltordnung wird durch die Wächter gestört (Chaos); Zwei Themenkreise: Frauen und Lehren; Menschen werden Opfer; Gewalt nach der Flut durch böse Geister
J. FREY, Op. cit., 102. Vermutlich beeinflusste die Formierung des jüdischen ‚Kanons‘ sodann auch die christliche ‚Kanonbildung‘. 460 Siehe auch A. Y. REED, Fallen Angels, 218: „Within Christian tradition, the two developments are so interlaced that we cannot isolate one as the cause for the other. Neither seems to have temporal priority […]. The two developments, it seems, went hand-in-hand: just as the status of the Book of the Watchers declined with the severing of its connection to the exegesis of Genesis, so the support for this interpretation dwindled with the marginalization of the book once used as a source for traditions about the fallen angels.“ 459
5. Synthese Tiersymbolapokalypse 10-Wochen-Apokalypse Geschichte der Geburt Noahs (Epistel Henochs Bilderreden Gigantenbuch Jubiläenbuch
Genesis-Apokryphon Damaskus Dokument
TestXII
Ben Sira 1. Jh. v. Chr. / Zeitenwende Ages of Creation Songs of the Maskil 3 Makk Bilderreden 1. Jh. n. Chr. Philo Paulus Josephus 2 Henoch
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Die Wächter werden als Sterne dargestellt; sie stehen chronologisch nach Kain und Abel, sind sachlich aber bedeutender; Einordnung in die ‚biblische Urgeschichte‘ Evtl.: Wächterereignis als ‚Sprießen‘ des Bösen in der Urzeit Die Wächtererzählung als historischer Referenzpunkt Eigenverantwortlichkeit der Menschen/Sünder) Selektive Rezeption des Wächtermythos; Wächter erstmals als paradigmatische Sünder Informationen über Giganten, die Wächter werden kaum thematisiert Einordnung der Wächtererzählung in den biblischen Duktus; die Wächter wurden von Gott gesandt und sahen erst dann die Frauen; Wächter sind v.a. im Hinblick auf Dämonen von Belang; Betonung der Schuld der Menschen auch unabhängig vom Wächterfall; paradigmatische Funktion der Wächter Eher paradigmatische Funktion der Wächter, Kontrast zur Rechtschaffenheit Noahs Die Wächter als biblisches Exempel des Abfalls von Gott, allerdings in einer von Gott festgesetzten dualistischen Weltordnung; die Wächtererzählung steht am Anfang der Sünde TestNaph: Wächter innerhalb einer Paradigmenreihe (Heiden, Sodom, Wächter); ethisch-moralische Paränese TestRub: Wächterfall zur Illustration der Schuld der Frauen; allgemein: die Wächter-Frauen-Episode als Paradigma sexueller Amoral Giganten in einer Paradigmenreihe Die Wächter (vermutlich) am Anfang der Sündengeschichte der Welt, aber innerhalb einer prädestinierten Weltordnung Gegenwärtige Bedrohung der Frommen durch die ‚Geister der Giganten‘ Wächter in einer Paradigmenreihe Selektive Rezeption; Schwerpunkt auf der Lehrthematik; Die Wächter erstmals als paradigmatische Sünder Allegorische Interpretation (interner Prozess der Seele); Sünde und Böses werden anthropologisch verortet 1 Korinther: keine Wächterrezeption Vergleich zwischen Wächtern und Titanen, großes Unheil durch ihre Taten; Schuld letztlich aber bei Adam Verbindung mit der Adam-Tradition, die Wächtererzählung wird nachgeordnet; die Wächter folgten ihrem Willen; geteilte Schuld von Wächtern und Frauen; keine Lehrthematik
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2 Baruch Liber Antiquitatum Biblicarum 1 Petrus 2./3. Jh. n. Chr. (Tendenzen) Judasbrief
2 Petrus
Justin Tatian Athenagoras Irenäus Clemens Bardesanes Tertullian Origenes Cyprian Commodian Pseudoclementinen
Adam als Gefahr für die Wächter Kein Interesse am Wächtermythos; lediglich Zitat von Gen 6,1–2; Adam trägt die Schuld am Tod aller Menschen Wächter als ‚chaotische Mächte‘ im Gefängnis, paradigmatische Gefangene (Überwindung der Chaosmächte durch Jesus Christus) Die Wächter finden sich in einer Paradigmenreihe (Abgefallene bei Kadesh, Wächter, Bewohner Sodoms und Gomorrhas): Aufbewahrung für das Gericht, gilt demnach auch für die Irrlehrer Rezeption der Wächter durch Rezeption des Judasbriefes: Wächter in Paradigmenreihe, Gericht und Rettung (Wächter, Flut-Noah, Sodom-Lot); auch hier Gewissheit der Verurteilung der Gegner Götzendienst, Christenverfolgung und Heidentum werden auf dämonisches Wirken zurückgeführt; Ursprung der Sünde: Adam Dämonisches Wirken und pagane Religion; Sünde der Engel und Sünde der Menschen sind auf gleicher Ebene anzusiedeln Götzendienst aufgrund dämonischen Wirkens; freier Wille und daher Verantwortung der Menschen Die Wächter als paradigmatische Sünder; Wächter stiften zum Götzendienst an und verbreiten Böses; Ursache des Bösen: Satansmythos Die Wächter als Negativbeispiele sittlich-moralischer Art (maßlose Begierde); (negative) kulturelle Praktiken durch Wächter verbreitet; Tod: Adam Die Wächter als Beispiele für den freien Willen; Gott wird ‚entschuldet‘ Heidnische Kultur durch Dämonen ‚inspiriert‘; Kosmetik etc. durch Wächter, die Frauen gelten als schuldig (sittlich-moralische Erläuterungen); Gen 3 bedeutsamer (argumentiert für die Autorität des Henochbuches); Gen 3 bedeutsamer Kosmetik etc. durch Wächter, die Frauen sind mitschuldig (s. Tertullian); der Teufel gilt als Urheber von Sünde und Tod Der Wächtermythos wird in der Auseinandersetzung mit Hellenismus und Sittlichkeit rezipiert (Giganten und Götzendienst) Rezeption des Wächtermythos neben anderen Begründungen für das Böse
Im Anschluss an die vorangehende Übersicht können folgende Beobachtungen festgehalten werden:
5. Synthese
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1) Über alle Rezeptionsstufen hindurch ist die Tradition der Verbindung von Engeln und Frauen erhalten geblieben (Šemiḥazah-Strang). Diese Thematik zieht sich vom ursprünglichen Wächtermythos mit wenigen Ausnahmen wie der Zehn-Wochen-Apokalypse oder 1 Petr durch sämtliche Rezeptionsstufen durch. Es wird dabei in unterschiedlicher Intensität und Ausführlichkeit darauf eingegangen, teilweise auch nur andeutungsweise oder durch eine Stichwortverbindung (‚Sodom‘). 2) Die Frauenthematik wird fast durchgehend in Form von sittlichmoralischen Implikationen neu aufgegriffen wird. Demgegenüber kommt der sittlich-moralischen Komponente im Wächterbuch kaum Bedeutung zu. 3) Es ist weiter zu beobachten, dass die Wächter je länger je mehr als paradigmatische Negativbeispiele in den Blick kommen. Dabei kann die bereits angesprochene sexualmoralische Problematik besprochen werden oder aber ‚Sünde‘ oder ‚Gebotsübertretung‘ als weiter gefasste Begriffe. 4) Die Polemik gegen Frauen begegnet demgegenüber eher spät, in jüdischen und christlichen Schriften ab dem ersten nachchristlichen Jahrhundert (mit Ausnahme von TestRub). Die zunehmend frauenfeindlichen Auslegungen finden sich vor allem im frühen Christentum ab dem 2. Jh. 5) Während der Šemiḥazah-Strang breit rezipiert wurde, begegnet die Tradition der lehrenden Wächter weniger häufig, aber ebenfalls in sämtlichen Rezeptionsstufen. Dabei kommen einerseits wiederum die Frauen in den Blick (Kosmetika und Verführungskünste), andererseits negative Taten wie Gewalt, Krieg und Götzendienst. 6) Die Lehrthematik kommt zumeist in der Auseinandersetzung mit dem Hellenismus bzw. dem heidnischen Umfeld zur Sprache und steht somit in Verbindung mit den auf die Wächter bzw. die Giganten zurückgeführten Dämonen. 7) Schließlich ist vor allem bedeutsam, dass die Rezeption und damit die Bedeutung des Wächtermythos ab der Zeitenwende deutlich hinter die Adam-Tradition zurücktritt. Zwar bezeugen auch die frühen Kirchenväter eine breite Rezeption des Wächtermythos, doch wird mit den Wächtern nicht mehr die Ursache des Bösen in Verbindung gebracht; diese wird bei Adam und/oder dem Teufel gesucht. 5.2. Wesentliche Aspekte 5.2.1. Frauen
Innerhalb des henochischen Schrifttums lässt sich ein ausgeprägtes Ordnungsdenken beobachten; dass Wächter mit Frauen Nachkommen zeugen gilt insofern als problematisch, als dadurch eine von Gott eingesetzte Ordnung durchbrochen wird. So wird die Problematik unrechtmäßiger Sexualkontakte thematisiert: Nach göttlicher Ordnung müssten sich Wächter nicht fortpflan-
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zen, weil sie heilig und unsterblich sind. Durch die Verbindung mit den Frauen überschreiten sie zum einen die ihnen vorgegebene Ordnung, zum andern verunreinigen sie sich durch die Vermischung. In der Rezeption wird dieses Vergehen sodann als Paradigma für unrechtmäßige Sexualkontakte anderer Art rezipiert, beispielsweise zwischen Männern und verheirateten Frauen. Aber auch dabei wird nicht Sexualität als solche problematisiert (das würde dem Schöpfungsauftrag widersprechen, so e.g. Clemens), sondern deren ‚Perversion‘. Problematisiert wird also an erster Stelle die Gebotsübertretung. Ab dem ersten Jahrhundert findet sich allerdings vermehrt eine Polemik gegen Frauen, diese werden mit dem Fall der Wächter in Verbindung gebracht. Dabei wird sittlich-moralisches Fehlverhalten von Frauen problematisiert, welches (in der einen oder anderen Form) letztlich immer mit Sexualität zu tun hat. Die Wächter gelten dabei als ‚erste Opfer‘ unzüchtiger Frauen. Somit wird mit der Wächter-Frauen-Episode dann beispielsweise begründet, warum Frauen sich ausreichend verhüllen bzw. sich nicht ‚herausputzen‘ sollen; überdies werden Männer vor Frauen und deren ‚Verführungsabsichten‘ gewarnt (mit der Begründung, dass die Frauen bereits die Engel verführt hätten). Zugleich wird behauptet, Frauen hätten ihre Sexualität weniger unter Kontrolle.461 Andererseits gelten die Wächter als Instruktoren kosmetischer Künste, welche mit sittlich-moralischem Verfall assoziiert werden. Sexualität scheint somit grundsätzlich eine Gefahr darzustellen: Die weibliche Attraktivität hat, in Verbindung mit der Wächtermythos, bald etwas mit dem Ursprung und der Verbreitung von Negativität auf der Erde und dem ‚moralischen Zerfall‘ der Menschen zu tun. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass diese Deutungen wirkungsgeschichtlich weitreichend negative Folgen hatten, auch wenn es in den meisten Texten zunächst nicht um Sexualität als solche geht, sondern um deren illegitime Formen. Erst in einer asketisch geprägten frühchristlichen Rezeption schwingt eine grundsätzlich negative Bewertung der Sexualität als solche mit. Im Weiteren ist bedenkenswert, dass Sexualität aus ‚religiöser‘ Perspektive offensichtlich als Bereich des menschlichen Lebens erachtet wurde, welcher 461 Siehe auch TestRub 5,3: „Denn auch über sie [sc. die Frauen] sprach zu mir der Engel Gottes und unterrichtete mich, daß die Frauen dem Geist der Hurerei eher unterliegen als der Mann. Im Herzen schmieden sie Pläne gegen die Männer. Durch den Schmuck verwirren sie deren Gedanken. Durch den Blick säen sie das Gift, und dann nehmen sie (sie) durch die Tat gefangen.“ In 5,4 wird dafür die Begründung gegeben, nämlich, dass Frauen schwächer seien als Männer und deshalb auf diese Weise Macht über sie zu gewinnen suchten. Cf. dazu W. LOADER , Philo, Josephus, and the Testaments on Sexuality, 386: „[…] for the author women are by nature problematic and always share some of the blame for men’s misdeeds because they constantly harass them with their weakly controlled sexual passions, a standpoint which easily plays itself out in blaming the victim in situations of abuse right through to modern times.“
5. Synthese
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strenger als andere Bereiche reguliert werden musste. Das wird damit zu erklären sein, dass Sexualität aus dieser Perspektive letztlich mehr als bloß sittlich-moralisches Verhalten gefährdet: Sexualität steht für die Verfasserkreise offenbar in Zusammenhang mit religiöser Integrität und scheint diese aufs Äußerste zu gefährden. Die thematische Verquickung von sexueller ‚Unzucht‘ und ‚Götzendienst‘ vermag dies eindrücklich zu illustrieren. Ishay Rosen-Zvi argumentiert in Bezug auf TestRub, dass der Kampf gegen Unzucht letztlich ein Kampf für das Leben ist: „[…] the war against porneia plays a crucial role in man’s choice between God and Beliar, the struggle against women is in fact the ultimate struggle against Beliar and his authority. Women do not endanger man’s sexual purity alone; they jeopardize his religious identity as a follower of God, and, ultimately, his very life.“462 5.2.2. Dämonisches Wirken
Ebenso bedeutsam ist die Wächtertradition in Bezug auf dämonisches Wirken. Sowohl in der frühjüdischen als auch in der frühchristlichen Theologie, also in Texten aller Epochen und Herkunft, werden Dämonen (oder ‚böse Geister‘) oftmals auf die Wächter (von Gott abgefallene Engel) bzw. die Giganten zurückgeführt. So wurde in der Untersuchung der Rezeptionsgeschichte des Wächtermythos ersichtlich, dass das Wächterbuch als Nukleus der frühjüdischen Dämonologie zu bezeichnen ist. Durch die von den Wächtern ausgegangen Dämonen wird die ‚Negativität‘ der Gegenwart thematisiert, während der Fall der Wächter und die Untaten ihrer Nachkommen längst der Vergangenheit angehören. In der henochischen Tradition und deren frühen Rezeption wird ‚kulturelles Wissen‘ zunächst auf die Lehren der Wächter zurückgeführt. In der frühesten Wächterrezeption scheinen die Dämonen sodann noch nicht von besonderer Relevanz zu sein. Die Vermittlung negativ bewerteter kultureller Praktiken (wie Astrologie oder Kosmetik) wird später dann allerdings vermehrt mit dämonischer Inspiration in Verbindung gebracht. Ein besonders ausgeprägtes dämonologisches Weltbild findet sich in den Texten von Qumran. Dämonen verkörpern dort die ‚gegenwärtige‘ Bedrohung, denen sich die verschiedenen Trägerkreise ausgesetzt wohl sahen, wie beispielsweise die ‚Anstiftung‘ zum Götzendienst oder zur Sünde. In frühchristlichen Texten findet sich vermehrt die Vorstellung, dass Christenverfolgung oder gewisse Häresien ‚dämonisch inspiriert‘ sind. Ähnlich wie im frühen Judentum werden ‚das Heidentum‘ bzw. dessen ‚Praktiken‘ oder Kultur als ‚dämonisch‘ interpretiert und damit disqualifiziert. Somit wird das ‚Dämonische‘ schließlich auch in einen theologischen Kontext eingeordnet: Gott wird weder für die Gefahren, die vom Heidentum ausgehen, noch für das Scheitern der Ge462
I. ROSEN-ZVI, Bilhah the Temptress, 87.
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Kapitel 2: Der Wächtermythos und seine Rezeption
rechten verantwortlich gemacht, wenn auch deutlich hervorgeht, dass den Dämonen keine theologische Eigenständigkeit zugemessen wird. Schließlich ist ein dämonologisches Weltbild dann auch ein geordnetes, Orientierung stiftendes Weltbild, da die Linie zwischen ‚Gut‘ und ‚Böse‘ klar gezogen wird und die ‚eigene‘ Identität vom ‚Fremden‘ abgegrenzt wird. Auf der anderen Seite wird auch die ‚eigene‘ Sünde dämonologisch interpretiert. Wie bereits im Jubiläenbuch wird erläutert, warum auch ‚Gerechte‘ (oder ‚Rechtgläubige‘) sündigen, nämlich weil sie von Dämonen dazu verführt werden. Allerdings gilt dämonische Inspiration nie als Entschuldigung für Sünde, sondern es wird dabei immer auf die Verantwortung des Menschen rekurriert. 5.2.3. Zurücktreten des Wächtermythos hinter die Adamtradition
Religionsgeschichtlich und theologisch bedeutsam ist schließlich das Zurücktreten der Wächtertradition hinter den Adam-Mythos. Zunächst lässt sich beobachten, dass der Wächtermythos zunehmend selektiv rezipiert wird. In seiner mannigfaltigen Rezeption dient er sodann aber je länger je weniger dazu, die Ursachen des Bösen zu erläutern. Bereits innerhalb des henochischen Schrifttums wird die Wächtererzählung in die Erzählfolge der Genesis eingeordnet und damit nach dem ‚Sündenfall‘ (Gen 3) und der Tötung Abels durch Kain (Gen 4) situiert. Gewissermaßen wird die Erzählung somit bereits durch die chronologische Nachordnung depotenziert. Allerdings ist der Wächtermythos in seiner frühesten Rezeption sachlich noch weitaus bedeutender als die Adam- oder Kain-Erzählungen. In der weiteren Rezeptionsgeschichte werden die Wächter jedoch mehr und mehr als Sündenparadigmen vorgeführt. Damit vollzieht sich eine entscheidende theologische Veränderung: Die Wächter gelten zwar noch als ‚urzeitliche Sünder‘, doch wird ihre Sünde vergleichbar mit der menschlichen Sünde. Wächter und Menschen befinden sich somit auf derselben Ebene. Schließlich verliert der Wächtermythos seine Bedeutung im Hinblick auf die Frage nach den Ursprüngen des Bösen. Es zeigt sich alles in allem eine Verschiebung von der Schuld der Engel hin zur Schuld Adams bzw. des Menschen. Diese Verschiebung ist äußerst bedeutungsvoll: Typologisch gesehen wird das angelologische Erklärungsmodell von einem anthropologischen Modell ‚abgelöst‘. Damit rückt die Verantwortung des Menschen ins Zentrum; außerdem wird die Ursache des Bösen damit noch weiter von Gott abgerückt. „In den unterschiedlichen Akzentuierung [sic.] des Engelfallmythos mit den genannten Elementen zeigt sich die gedankliche Auseinandersetzung mit der Problematik, ob die Sünde bzw. das Böse als eine den Menschen gegenüber unabhängige Macht zu verstehen sei, die von außen in den Bereich des Menschen eingetragen werde, oder nicht. Je nach Ausrichtung, liegt die Sünde mehr im übernatürlichen Bereich bei den Engeln zur Entlas-
5. Synthese
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tung der Menschen oder umgekehrt eher im Verantwortungsbereich des Menschen zur Entlastung der Engel.“463
Diese Verschiebung findet sich sowohl in jüdischen als auch christlichen Texten ab der Zeitenwende, wenn auch unterschiedliche Modelle die jeweilige Tradition bestimmen werden (Adam bzw. die Lehre vom ‚bösen Trieb‘).
463
Cf. dazu auch C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 105.
Kapitel 3
Adam und weiterführende Traditionen 1. Einleitung
1. Einleitung
Bereits die prophetischen und weisheitlichen Traditionen der Hebräischen Bibel betonen die Verantwortung des Menschen für das Unheil auf der Welt. Das Exil und die Zerstörung des Tempels werden so als Strafe Gottes für die Sünde Israels interpretiert und somit geschichtstheologisch gedeutet. Diesen Interpretationen liegt allerdings kein Mythos des Ursprungs des Bösen zugrunde, das heißt es wird dabei keine Erklärung für Phänomene wie Sünde oder Tod gegeben. Aus Gen 3 ‚wird‘ im Laufe der Zeit erst ein Ursprungsmythos für das Übel in der Welt. Damit ist grundsätzlich eine andere anthropologische Voraussetzung geschaffen als mit dem Wächtermythos. Zunächst wird hier nun Gen 3 als Ausgangspunkt der Adam-Tradition eingeführt und in den für die Rezeptionsgeschichte wesentlichen Punkten kurz und selektiv kommentiert. In der darauffolgenden Untersuchung der Rezeptionsgeschichte wird sich zeigen, dass nicht alle Texte, die Gen 3 rezipieren, für die Frage nach den Ursprüngen des Bösen in gleichem Maße relevant sind, da die Thematik des Bösen z.T. nur implizit, beiläufig oder gar nicht angesprochen wird. Dabei zeigen sich aber gerade in dieser Vielfalt der Genesisrezeption verschiedene, für die Gesamtschau durchaus relevante Interpretationsnuancen. Außerdem wird dabei ersichtlich, wie die Adam-Tradition erst im Laufe der Rezeptionsgeschichte zu einem Mythos über die Ursprünge des Bösen geworden ist: Die anfänglich äußerst spärliche Rezeptionsgeschichte, wie sie im Folgenden dargestellt wird, zeigt, dass Gen 3 lange Zeit nicht im Hinblick auf die Ursprünge von Bösem in der Welt, Sünde oder Tod rezipiert wurde. Interessant wird demnach die Frage sein, warum Gen 3 für die Erläuterung der Ursprünge des Bösen alsdann überhaupt in den Blick kam. Sodann wird sich zeigen, dass die Paradies-Erzählung, wo sie als Referenzpunkt für das Unheil der Welt gilt, nach und nach ‚satanologisiert‘ wird, sprich die Teufelsfigur in die Adam-Tradition eingearbeitet wird, womit die Verantwortung der Menschen wiederum relativiert wird, indem eine aus der göttlichen Sphäre stammende Macht an seiner Übertretung beteiligt ist.
2. Genesis 3 2. Genesis 3
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2. Genesis 3: Eine Ätiologie der conditio humana
Kaum ein biblischer Text hatte eine derart ausgeprägte Wirkungsgeschichte wie Gen 1–3 und insbesondere die Erzählung vom sog. ‚Fall‘ der ersten Menschen (‚Sündenfall‘). Dabei ist zunächst die Rezeption in verschiedenen frühjüdischen und frühchristlichen Texten zu nennen, sodann die weitere Ausdeutung durch christliche Theologen und schließlich die zahllosen Ausgestaltungen in der christlichen Kunst. Kaum ein anderer Text unterliegt aber auch derart vielen exegetischen Missverständnissen und Missdeutungen. Im Folgenden wird eine narrative Kurzanalyse der Paradieserzählung geboten. Diese dient in erster Linie dazu, die Nuancierungen und Variationen der Erzählung in der Rezeptionsgeschichte herauszustellen. Auf die Entstehungsgeschichte sowie die literarische Einordnung (Pentateuchdiskussion) kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen werden, es sei dazu auf die Sekundärliteratur verwiesen.1 Gen 3 ist relativ einfach aufgebaut: Vier Figuren (Gott, Adam, die Frau und die Schlange) agieren an einem einzigen Ort in einem linearen Zeitverlauf.2 Der Erzähler ist allwissend und selbst keine Figur der Erzählung. Ort der Handlung ist ein ‚Garten in Eden‘ (גַּן־בְּ ֵﬠדֶ ן, cf. Gen 2,8),3 welchen Gott als Lebensraum der Menschen geschaffen hat. Zeitlich ist die Erzählung unmittelbar nach der Schöpfung angesetzt, bezeichnet also ein Ereignis der frühesten Zeit der Weltgeschichte, was ihr (u.a.) mythologischen Charakter verleiht. Zuerst begegnet die Schlange, die sich durch Schlauheit gegenüber den anderen Geschöpfen Gottes auszeichnet: „Die Schlange aber war listiger als alle Tiere des Feldes, die der HERR, Gott, gemacht hatte…“ (וְ הַ נָּחָ שׁ הָ יָה ָﬠרוּם ִמ ֹכּל חַ יַּת ַהשָּׂ דֶ ה ֲא שֶׁ ר ָﬠ שָׂ ה יְ הוָה ֱא הִ ים, Gen 3,1).4 Über die Schlange und ihre Motivation wird weiter nichts gesagt; eine Lücke, die erst in der späteren Auslegung gefüllt wird. Die Interpretation der Schlange wird in den Kommentaren vielfältig diskutiert,5 wobei folgende Interpretationen besonders häufig begegnen: 1) Antike wie zeitgenössische Kommentatoren interpretieren die Schlange als Verkörperung des Satans, was zumindest
1 Cf. die forschungsgeschichtliche Zusammenfassung bei T. N. METTINGER, The Eden Narrative, 1–5. 2 Cf. auch T. N. METTINGER, Op. cit., 13. 3 Zum Garten Eden cf. S. D. SPERLING, Art. Garden of Eden, 388–389 und für die frühjüdischen Traditionen J. T. VAN RUITEN, Art. Garden of Eden – Paradise, 658–661. 4 Zu ָﬠרוּםist zweierlei anzumerken: 1) ָﬠרוּםkann auch ‚nackt‘ bedeuten, wobei hier vermutlich ein Wortspiel mit Gen 3,7 vorliegt; cf. Hi 24,7.10; 26,6; Qoh 5,14; Jes 20,2–4; Am 2,16. 2) In den Sprüchen wird ָﬠ רוּםpositiv in Abgrenzung zur Torheit gebraucht, cf. Spr 12,16.23; 13,16; 14,8; 22,3; 27,12. 5 Auch hier sei auf die Zusammenfassung bei Westermann verwiesen: C. WESTERMANN, Genesis, 323.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
christlicherseits teilweise mit einer Lesung des Genesistextes durch die Brille von Offb 12,9 zusammenhängt.6 Zum Teil wird zwar keine satanologische Interpretation gegeben, gleichwohl aber von einer maliziösen Absicht der Schlange ausgegangen.7 2) Auf einer mehr psychologischen Ebene kann die Schlange als ‚Symbolgestalt‘ interpretiert werden, welche die Begierde des Menschen symbolisiert und als dessen innere Stimme gedeutet werden kann. 3) Religionsgeschichtlich wird die Schlange als ursprünglich mythologische (‚göttliche‘) Gestalt erachtet, die in der jüdischen Tradition zum Tier degradiert wurde.8 4) Schließlich wird die Sprachfähigkeit der Schlange als Hinweis auf den Märchencharakter der Episode hin gedeutet.
Zu Beginn der Konversation fragt die Schlange die Frau nach Gottes Gebot, welches sie allerdings zu radikal formuliert („…von keinem Baum des Gartens essen“). Die Frage der Schlange ( )אַ ף כִּ י־אָ מַ ר ֱא הִ יםkann als Konditionalsatz („Wenn Gott gesagt hat…“) oder als Fragesatz („Hat Gott gesagt…?“) übersetzt werden, wobei ein leicht ironischer Unterton herausgehört werden kann.9 Die Frau korrigiert die Schlange in Bezug auf den Baum, verschärft das Gebot allerdings (Gen 3,2–3). Die Schlange bestreitet Gottes Todesdrohung (3,4f): „Ihr werdet auf keinen Fall sterben (ל ֹא־מוֹת ְתּמֻתוּן, figura etymologica): Sondern Gott weiss, dass euch die Augen aufgehen werden und dass ihr wie Gott sein und Gut und Böse erkennen werdet.“10 Sodann wird erzählt, dass die Frau sieht, dass der Baum gut ( )טוֹבzu essen sei, ein ‚Begehren für die Augen‘ ( )תַ ֲאוָה־הוּא ָל ֵﬠי ַנ ִיםund ‚begehrenswert‘, weil er verständig mache (לְ הַ ְשׂכִּ יל, Gen 3,6a). Ihr Begehren richtet sich somit nicht in erster Linie auf das Verbotene oder auf das ‚Sein wie Gott‘, sondern auf die Erkenntnis. Auch hier wird (wie im Wächterbuch) nicht eine Rebellion um der Rebellion willen geschildert, sondern es ist die Rede von einem Begehren, welches schließlich zur Gebotsübertretung führt. Im Folgenden wird sodann erzählt, dass die Frau isst und auch ihrem Mann, zu essen gibt ()ו ִַתּתֵּ ן גַּם־לְ ִאישָׁ הּ ﬠִ מָּ הּ וַיּ ֹאכַל. In der So beispielsweise R. R. RENO, Genesis, 77–85. Eine Auslegung, welche die Passage durch ihre Wirkungsgeschichte ausgelegt wird, kann selbstverständlich nicht überzeugen. 7 So J. MCKEOWN, Genesis, 34–35: „[...] its devious arguments and malicious intention are enough to make it clear that this snake symbolizes evil - not the belligerent, aggressive kind of evil, but the subtle and seductive kind. We may surmise that this was a poignant message for early readers to warn them that the most dangerous attacks may not be from armies with spears and battering rams but from the quiet seductive enticement to disobey the clear instruction of God.“ 8 So beispielsweise als Symbol für den Fruchtbarkeitsgott Baal, cf. H. SCHÜNGELSTRAUMANN, ‚Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang‘?, 45. Die Schlange in ihrer Symbolik in religionsgeschichtlicher Perspektive wurde von James H. Charlesworth ausführlich untersucht. Cf. J. H. CHARLESWORTH, Serpent, insbesondere 197 ff. und 218 ff. 9 In den Übersetzungen wird versucht, einen solchen wiederzugeben, so beispielsweise in der Zürcher Bibel (2008) und der Elberfelder Übersetzung (1993): „Hat Gott wirklich gesagt…?“, oder in der Luther Bibel (1984): „Ja, sollte Gott gesagt haben…?“. 10 Zu Parallelen im Gilgamesch-Epos cf. J. A. BAILEY, Initiation and the Primal Woman in Gilgamesh and Genesis 2–3, passim und L. RUPPERT, Genesis, 150–151. 6
2. Genesis 3
169
Rezeption wird demgegenüber zumeist davon ausgegangen, dass ‚Adam‘ nicht anwesend war, sondern die Frau zuerst und ohne das Beisein ihres Mannes ‚verführt‘ wurde. Trotz seiner Anwesenheit ist der ‚Adam‘ in dieser Erzählung eigenartig passiv.
Auch spätere Nacherzählungen der Passage werden der Irreführung des ‚Adam‘ durch seine Frau keine große Aufmerksamkeit widmen. Entgegen mancher späterer Darstellung finden sich keine Elemente in der Erzählung, die auf sexuelle Verführung oder sexuelle Handlungen überhaupt schließen lassen würden.11 Der Zustand von Nacktheit und Scham reicht für eine solche Deutung nicht aus.
Nach dem Essen der Frucht werden den beiden die Augen geöffnet, was mit der Erkenntnis der Nacktheit einhergeht (3,7).
In der Forschung wird das Öffnen der Augen und der dadurch bedingte Wandel unterschiedlich interpretiert. Die drei häufigsten Ansätze seien hier genannt: 1) Der Wandel wird als Erwachen des ‚sittlichen Bewusstseins‘ ausgelegt. 2) Wirkungsgeschichtlich am bedeutendsten ist die Vorstellung, dass die Menschen durch ihre nun offenen Augen das Bewusstsein ihrer Geschlechtlichkeit erlangten. 3) Hin und wieder wird auch eine soziokulturelle Interpretation nahegelegt, nämlich im Sinne des Übergangs von einem primitiven zu einem zivilisierten Zustand des Menschseins.12 Was die Auslegung zudem erschwert, ist die Tatsache, dass die Schlange in der Erzählung mit ihrer Aussage (3,4f) Recht behält. Der angedrohte Tod (2,17) tritt nicht ein, stattdessen geschieht, was die Schlange der Frau versprochen hat. Zwei Lösungsvorschläge für dieses Problem seien hier aufgeführt: 1) Das Problem wird literarkritisch gelöst und man rechnet mit verschiedenen Schichten. Dann geht die Schwierigkeit letztlich auf textliche Inkohärenzen zurück. 2) Man löst die Frage semantisch und interpretiert die Rede vom ‚Sterben‘ unterschiedlich, indem man den Tod einerseits metaphorisch (Gott), andererseits physisch (Schlange) interpretiert. Diese Lösung ist sprachlich allerdings nicht sachgemäß, denn מוּתhat in Bezug auf Menschen ausschließlich physische Bedeutung. Letztlich muss die inhaltliche Spannung wohl offengelassen werden. Für die vorliegende Untersuchung ist sodann vor allem von Interesse, ob und wie in der Rezeptionsgeschichte mit dieser Problemstellung umgegangen wird.
Auf Gottes Erscheinen und Rufen hin (אַ ֶיּכָּה, wo bist du? [mit Suffix 2. P. m. sg.]) reagieren Adam und seine Frau mit Furcht, weil sie realisieren,
Das Verb ( נשאtäuschen) hat keine sexuelle Komponente, weswegen die Übersetzung mit ‚verführen‘ ein zu zweideutiges Licht auf das Ereignis wirft (siehe e.g. Einheitsübersetzung, Schlachter). נשאist in seiner Grundbedeutung ein Wort aus der Finanzsprache (‚[etwas auf Zinsen] leihen‘, ‚Gläubiger sein‘ und schließlich ‚betrügen‘). In der Übersetzung der LXX (ἀπατάω) kann eine sexuelle Komponente aufgrund des griechischen Sprachgebrauchs impliziert sein. 12 Siehe C. WESTERMANN, Genesis, 341. Westermann bevorzugt die Deutung Wellhausens: „[…] daß die Menschen jetzt wissen, daß es nicht richtig ist, wenn sie weiterhin nackt bleiben. Und wenn dieses Wissen sie fähig macht, Abhilfe zu schaffen, dann ist das von dem Erzähler als Fortschritt gemeint; sie sind auch klug geworden […].“ 11
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
dass sie nackt sind und sich vor Gott schämen. 13 Gott stellt Adam zur Rede („Wer hat dir [m.] gesagt, dass du nackt [ ] ֵﬠי ֹרםbist? Hast du [m.] von dem Baum gegessen…?“). Adam wälzt die Schuld zunächst auf die Frau ab, die Gott ihm gegeben hat, welche wiederum die Schlange bezichtigt, die sie betrogen habe ()הַ נָּחָ שׁ הִ ִשּׁיאַ ִני. Wirkungsgeschichtlich ist vor allem diese Aussage bedeutsam, welche die Schlange als Täuscherin bzw. Betrügerin charakterisiert. Darauf folgt die Strafrede Gottes: Durch Gottes Strafe erlangen Mann, Frau und Schlange ihre uns bekannte Daseinsform und den Modus ihrer Existenz. Somit liegt in dieser Hinsicht eine Ätiologie der conditio humana vor. Die Erzählung beantwortet die Frage nach der Mühsal, die die Menschen von Ernährung, dem sozialen Gefüge und der Geburt von Nachkommenschaft erleben. Schließlich wird das Ereignis dann aber nicht als große Katastrophe gewertet, sondern eher süffisant kommentiert (Gen 3,22): „Siehe, der Mensch ist geworden wie einer von uns, dass er Gutes und Böses erkennt.“ ()הֵ ן ָ ֽהאָ דָ ם הָ יָה כְּ אַ חַ ד מִ מֶּ נּוּ לָדַ ַﬠת טוֹב ו ָָרע. Das ‚Erkennen von Gut und Böse‘ kann aufgrund der wenigen atl. Vergleichsmöglichkeiten vermutlich als Vernunftsbegabung verstanden werden, die einem Kind noch fehlt und bei älteren Menschen wieder abnehmen kann. Die Wendung begegnet im Alten Testament vier weitere Male: 1) Dtn 1,39: Kinder wissen noch nicht, was gut oder böse ist. 2) 2 Sam 14,17: Der König (David) weiss, was Gut und Böse ist. 3) 2 Sam 19,36: Barsillai, ein alter Mann und Freund Davids stellt die rhetorische Frage, ob er denn in seinem Alter (80) noch Gut und Böse unterscheiden könne. 4) 1 Kön 3,9: Salomo wünscht sich von Gott die Fähigkeit, Gut und Böse unterscheiden zu können. Somit kann die ganze Erzählung psychologisch oder psychosozial im Sinne eines ‚Pubertätsmärchens‘ verstanden werden. Der Prozess des Erwachsenwerdens beinhaltet den Zweifel an ‚Gott‘ (‚den Eltern‘), die Auflehnung (der ‚Reiz des Verbotenen‘) sowie den Wunsch nach Eigenständigkeit und sodann auch die Scham, voreinander nackt zu sein.14
Cf. dazu die Ausführungen von Westermann: „Es ist zunächst festzustellen, daß damit weder ein Schuldbewußtsein noch eine aus dem Schuldbewußtsein resultierende Furcht direkt ausgesprochen ist. […] Es ist etwas geschehen, es ist etwas anders geworden. […] Es ist ein viel weiteres, viel elementareres Phänomen in diese Worte gefaßt als das, was wir Sünde oder Schuld, Sünden- oder Schuldbewußtsein nennen: es ist die Angst, vor Gott nackt, vor Gott bloßgestellt zu sein, trotz der selbstgemachten Schurze. Die eigentliche Tiefe der Erzählung liegt darin, dieses Nacktsein, dieses Bloßgestelltsein des Menschen vor Gott als das Neue, als das, was jetzt anders geworden ist, hinzustellen.“ C. WESTERMANN, Op. cit., 345. 14 Cf. weiter K. SCHMID, Loss of Immortality?, 61: „It is […] helpful to see that, biblically understood, the knowledge of good and evil is not a hybrid or sinful wish of the human beings to take God’s place. […] Rather, ‚knowledge of good and evil‘ means the capacity and necessity to make reasonable and responsible decisions which is an everyday task for every mature human being. […] Genesis 2–3 apparently interprets this basic hu13
3. Rezeption im frühen Judentum
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Wie in vielen späteren Rezeptionsstufen deutlich wird, ist ‚Adam‘ in dieser Erzählung eine Figur zwischen ‚Person‘ und ‚Funktion‘: Zwar ist אָ דָ םin der Erzählung ein Individuum, zugleich steht er aber auch für den Menschen als Gattung. Folgerichtig wird אָ דָ םin der Septuaginta nicht mit Ἀδὰμ, sondern mit ἄνθρωπος übersetzt. Als Eigenname findet sich Ἀδὰμ in der LXX gleichwohl in Genealogien (Gen 4,25; 5,1; 3–5; 1 Chr 1,1). Sodann schwingt in אָ דָ םauch ( ֲאדָ מָ הErde) mit (adam wird aus ‚Staub der Erde‘ gemacht, ) ָﬠ ָפר ִמן־הָ ֲאדָ מָ ה, was auf dessen Sterblichkeit hindeutet (Gen 2,7), siehe dazu auch Gen 3,19: „Im Schweiss deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst, denn von ihm bist du genommen. Denn Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück.“ Die Sterblichkeit des Menschen ist somit nicht die Strafe für das Vergehen, sondern sie ist in der ‚Erdbeschaffenheit‘ des Menschen bereits angelegt. Somit handelt es sich hier kaum um eine Ätiologie der menschlichen Sterblichkeit, wenn die Erzählung auch bereits im frühen Judentum so interpretiert worden ist. Alttestamentliche Texte gehen demgegenüber von einer ursprünglichen Sterblichkeit des Menschen aus (e.g. Ps 30,10; 44,26; 90,3; 103,14; 104,29; Qoh 3,20; 12,7). In Gen 3,19 wird das Sterben des Menschen zwar im Rahmen der Strafrede Gottes erwähnt; es wird allerdings auch hier nicht vorausgesetzt, dass der Mensch vor seinem Ungehorsam unsterblich gewesen ist. Die Möglichkeit zur Unsterblichkeit ist nur im Essen vom Baum des ewigen Lebens angelegt.15 Abschließend ist noch einmal zu betonen, dass hier eine Ätiologie der conditio humana vorliegt, jedoch keine Ätiologie von Sünde und/oder Tod. Ebenso wenig wird hier Sexualität thematisiert, Sünde, Tod und (sexuelles) Begehren werden demgegenüber erst in der Rezeptionsgeschichte miteinander und mit Gen 3 verbunden.
3. Rezeption im frühen Judentum
3. Rezeption im frühen Judentum
Während die Rezeption von Gen 3 ist in den kanonisch gewordenen Texten des Alten Testaments spärlich ausfällt, lässt sich im frühen Judentum ab der Zeitenwende ein deutlich gesteigertes Interesse an der Paradieserzählung bemerken. Eine grundlegende Kenntnis von Gen 3 lässt sich bereits im henochischen Schrifttum beobachten, wobei der Erzählung aber kaum größere Bedeutung zugemessen wird. Auffälligerweise findet sich in Qumrantexten dann vermutman ability as a theologically relevant element that necessarily entails a fundamental distance to God rather than as something which needs to (or even could) be avoided.“ 15 Siehe grundlegend auch J. BARR, The Garden of Eden and the Hope of Immortality.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
lich eine positive Adam-Rezeption. Die weisheitlichen und hellenistischjüdischen Strömungen betonen grundsätzlich die Verantwortung des Menschen; in diesem Rahmen wird auch Gen 3 rezipiert, wobei die urzeitliche Gebotsübertretung nun stärker in den Blick kommt. Zudem fällt auf, dass Gen 3 nun für die Erörterung weiterer Topoi rezipiert wird, so vor allem die Fragen nach der Sünde in der Welt und nach dem Tod. Im ersten Jahrhundert nach der Zeitenwende spitzt sich die Fokussierung auf die Schuld Adams in höherem Maße zu (frühjüdische Apokalypsen wie die Apokalypse Mosis, 4 Esra und 2 Baruch). Analog zum vorangehenden Teil wird auch die folgende Untersuchung nach grob chronologischer und sachlicher Reihenfolge gestaltet. Dies geschieht in der Absicht, die inhaltlichen Akzentsetzungen in gruppierter Form deutlicher herausstellen zu können. Da bei vielen Texten mit späteren Redaktionen und/oder (christlichen) Interpolationen gerechnet wird, ist eine abschließende Datierung kaum möglich und muss unbeantwortet bleiben. Ein analytischer Schwerpunkt liegt sodann auf der Apokalypse Mosis und der ihr verwandten Adamviten, da dort vermutlich die ersten satanologischen Deutungen der Paradieserzählungen zu finden sind. 3.1. Das henochische Schrifttum
Im henochischen Schrifttum findet sich neben dem Fokus auf den Wächtermythos auch eine spärliche Rezeption der Adam-Tradition. Während der Wächtermythos in allen Schichten des henochischen Sammelwerks von zentraler Bedeutung ist, findet sich eine Rezeption von Gen 3 lediglich an wenigen Stellen. Damit lässt sich vorab festhalten, dass die Verfasser der henochischen Schriften die Adamtradition der Genesis kannten, sie aber nicht im Hinblick auf das Übel in der Welt rezipierten. Das wesentlich später anzusetzende zweite Henochbuch wird hier – anders als im Wächterteil – noch ausgeklammert und später analysiert, da es, obwohl zur henochischen Tradition gehörend, in Bezug auf die Rezeption von Gen 3 in einen anderen Traditionszusammenhang einzuordnen ist. 3.1.1. Das Wächterbuch
Neben der Erzählung vom Fall der Wächter wird im Wächterbuch lediglich am Rande von den ersten Menschen berichtet; gerade der Kernteil des Wächterbuches, den Kapiteln 6–16, erwähnt die Paradiesgeschichte nicht. Eine kurze Referenz auf die ersten Menschen findet sich in den Himmelsreisen Henochs: Henoch werden verschiedene Berge und Bäume gezeigt; der schönste dieser Bäume wird vom angelus interpres16 als ‚Baum der Weisheit‘ Je nach Lesart Gabriel oder Raphael, cf. G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 322, Kommentar zu 6a. 16
3. Rezeption im frühen Judentum
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identifiziert (32,6): „[…] Dies ist der Baum der Weisheit, von dem dein alter Vorfahre und deine alte Vorfahrin, die vor dir waren, gegessen haben und Weisheit kennenlernten, und ihre Augen wurden geöffnet, und sie erkannten, daß sie nackt waren, und sie wurden aus dem Paradies vertrieben.“17 Anders als in Gen 3 ist hier nicht vom ‚Baum der Erkenntnis von Gut und Böse‘ die Rede, sondern vom ‚Baum der Weisheit‘. Während die ‚alten Vorfahren‘ nicht von diesem Baum hätten essen dürfen, dient dieselbe Frucht an anderer Stelle als Nahrung, die Weisheit verschafft und somit positiv bewertet wird; so 1 Hen 32,3: „Und ich kam zum Garten der Gerechtigkeit, und ich sah über jene Bäume hinaus viele und große Bäume dort wachsen; von gutem Duft waren sie, groß, sehr schön und herrlich; und (ich sah) den Baum der Weisheit, von dem die, die davon essen, große Weisheit kennenlernen.“ Zwar kommt das Essen vom Baum als Begründung der Vertreibung aus dem Garten zur Sprache, doch wird dieser Gegebenheit keine weitere Bedeutung zugemessen. Zugleich wird ersichtlich, dass manche Details der Erzählung bekannt waren, wie das Öffnen der Augen und das Erkennen der Nacktheit; demgegenüber werden sowohl das Verbot bzw. das ‚Sterben‘ und die Schlange nicht erwähnt. Jedenfalls wird vom Vergehen der ‚alten Vorfahren‘ lediglich im Rahmen der Erläuterung des ‚Baumes der Weisheit‘ gesprochen, jedoch nicht im Zusammenhang mit der Einführung des Bösen auf der Welt. 3.1.2. Die Tiersymbolapokalypse
In der Tiersymbolapokalypse wird die Erzählung über die ersten Menschen an ihrem ‚eigentlichem Erzählort‘ platziert: Während das Wächterbuch mit dem Wächterfall einsetzt, also sozusagen mit Gen 6,1–4, ist hier der Erzählduktus der Genesis bereits erkennbar. Vor der Erzählung vom Fall der Sterne (Wächter), wird von den Ureltern und deren Nachkommen berichtet (1 Hen 85,3–4): „3 Ehe ich [sc. Henoch] deine Mutter Ednä nahm, schaute ich in der Vision meines Lagers, und siehe, ein Bulle kam aus der Erde, und dieser Bulle war weiß, und nach ihm kam eine Färse hervor, und nach ihr kamen andere Jungbullen, und der eine von ihnen war schwarz und der andere rot. 4 Und jener schwarze Bulle stieß den roten und verfolgte ihn auf der Erde; und ich konnte jenen roten Bullen von da an nicht mehr sehen.“ Im Wächterbuch wurde das Vergehen der ‚Vorfahren‘ deutlich, wenn auch nur beiläufig geschildert; in der Tiersymbolapokalypse findet sich demgegenüber keine Übertretungsgeschichte. Dafür wird die Tötung Abels durch Kain zur Sprache gebracht. Die rudimentäre ‚Nacherzählung‘ von Gen 4 kennDer Baum wird vorher ausführlich in einem eschatologischen Zusammenhang erörtert, jedoch unabhängig von der urzeitlichen Geschichte: Der ‚Baum der Weisheit‘ wird einst beim großen Gericht den erwählten Gerechten zur ‚ewigen Nahrung‘ dienen. Dazu wird er zum ‚Haus Gottes‘ (dem Heiligtum in Jerusalem) versetzt werden. 17
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
zeichnet die Welt bereits vor dem Fallen der Sterne als Ort der Gewalttätigkeit, zumindest in diesem einen Fall. Dabei scheint Kain hier bedeutender zu sein als Adam. Wie im vorangehenden Teil bereits erwähnt wurde, kommt im Folgenden vermutlich die Problematik der Vermischung der Nachkommen Kains mit den Nachkommen Seths in den Blick. Gleichwohl wird das Unheil auf der Welt schließlich erst mit dem Kommen der Wächter in Verbindung gebracht. Somit wird eine Tradition von menschlicher Schuldhaftigkeit zwar chronologisch vorgeordnet, sachlich aber deutlich hinter die Wächtererzählung gestellt. 3.1.3. Die Bilderreden
Während die vorangehend betrachteten Texte die in Gen 3 geschilderten Ereignisse nicht oder nur vage andeuten, wird in den Bilderreden, die freilich merklich später anzusetzen sind als die Tiersymbolapokalypse oder das Wächterbuch, von der Irreführung Evas durch einen Wächter berichtet. Insofern werden Adam- und Wächtertradition in der ‚Engelliste‘ der dritten Bilderrede auf eigentümliche Art und Weise verbunden (1 Hen 69,6): „Und der Name des dritten (ist) Gädre'el: Dieser zeigte den Menschenkindern alle tödlichen Schläge. Und er hat die Eva verführt, und er hat den Menschenkindern die Todes(= Tötungs)Werkzeuge gezeigt: Schild, Brustpanzer und Kampfschwert und alle Todeswerkzeuge für die Menschenkinder.“ Zunächst ist auffällig, dass die Wächter hier in die Nähe der Paradieserzählung rücken. Sowohl die Irreführung Evas wie auch der in die Welt tretende Tod durch Waffengewalt passen allerdings eher zu Gen 3 bzw. 4 als in die Wächtererzählung. Die Irreführung Evas durch ein Engelwesen findet sich sodann vor allem in der satanologischen Deutung von Gen 3. Zur genannten Stelle werden folgende Erläuterungen vorgeschlagen: 1) G. Nickelsburg und J. VanderKam sind der Ansicht, dass Eva hier thematisch passt, da das Essen von der Frucht in Gen 3 mit dem Tod in Verbindung gebracht werde und die vorliegende Passage ebenfalls den Tod thematisiere. Zudem könne Eva hier mit den Frauen in 1 Hen 8,1 parallelisiert werden, durch welche die Engel verführt wurden.18 2) Nach Gabriele Boccaccini markiert 1 Hen 69,6 eine Art Wendepunkt im henochischen Judentum (‚Enochic Judaism‘); an diesem ‚Wendepunkt‘ finde sich ein Gleichgewicht zwischen außermenschlicher und menschlicher Verantwortung für das Böse („psychologization of the ancient myth of the fallen angels“). So werde die Ursünde der Wächter durch die Übertretung Adams und Evas ersetzt, was dann in späteren henochischen und christlichen Schriften offensichtlich werde.19 3) Weiter nennt K. Coblentz-Bautch die Möglichkeit, dass hier verschiedene Traditionen, die mit Henoch assoziiert wurden, zusammengenommen wurden.20
G. W. NICKELSBURG/J. C. VANDERKAM, 1 Enoch 2 (Commentary), 301. G. BOCCACCINI, Beyond the Essene Hypothesis, 145–146. 20 K. COBLENTZ-BAUTCH, Adamic Traditions in the Parables?, 358–360. 18 19
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Für die vorliegende Untersuchung muss es genügen, festzuhalten, dass hier eine ‚Eva-Tradition‘ vorliegt, welche sich eventuell bereits in einer Verbindung zwischen Wächter- und Satansfallmythos beobachten lässt. Um die Zeitenwende bzw. im ersten Jahrhundert n. Chr. wäre dies ggf. bereits denkbar. 3.1.4. Zusammenfassung
Die henochische Tradition kennt und rezipiert eine Adam-Tradition, die der Wächtererzählung z.T. sogar chronologisch vorgeordnet wird, sachlich aber immer deutlich hinter jener zurücksteht. Diese Beobachtung deckt sich gleichsam mit der Bedeutungslosigkeit von Gen 3 innerhalb der hebräischen Bibel. Die henochische Tradition bringt die Ursprünge von Negativität ausschließlich mit den Wächtern und deren Taten in Verbindung. Wo Spuren einer Adam-Tradition zu finden sind, wird das Geschehen weder mit Sünde noch dem Bösen in der Welt in Verbindung gebracht. 3.2. Das Jubiläenbuch
Im Jubiläenbuch fließen erstmals Genesis-, Exodus- und Henochtraditionen zusammen und werden dabei sogar teilweise miteinander verknüpft. Die Geschichte Adams ist hier im Wesentlichen nach Gen 1–3 gestaltet. Da Jub eng an seiner Vorlage bleibt, werden die dort vorfindlichen Lücken oder Unklarheiten nicht gefüllt oder weiter ausgeführt. Adam wird trotz seines Vergehens nicht besonders negativ beurteilt, da ihm als dem Ersten in der Linie der biblischen Patriarchen eine positive Bedeutung zukommt. Das Jubiläenbuch geht unabhängig von der Paradieserzählung von der grundsätzlichen Schlechtigkeit des Menschen aus. Dabei wird vor allem das Auflösen der Gebote thematisiert (e.g. Jub 1,5). So gilt Sünde zunächst als prinzipiell menschliches Phänomen; dabei kommt in erster Linie allerdings die Sinaigeneration und nicht etwa die Urzeitgeneration in den Blick. Die Schlechtigkeit des Menschen wird somit nicht auf Adam oder dessen Übertretung zurückgeführt und dem Vergehen der ersten Menschen wurden offenbar auch hier keine weiterführenden Konsequenzen zugewiesen. Jub 7,20–25 bringt die Ursache von Übel sodann mit der Wächtererzählung in Zusammenhang, weil jene für den ‚Anfang der Unreinheit‘ verantwortlich gemacht werden (Jub 7,21), obwohl Sünde bereits vor dem Kommen der Wächter existierte. Schließlich werden aber weder Adam (oder Kain) noch die Wächter als Sündenparadigma herbeigezogen. Die ersten Menschen kommen vielmehr unter dem Aspekt der grundsätzlichen menschlichen Sündhaftigkeit zur Sprache.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
3.3. Qumran-Fragmente
Die Auswertung der Qumranfragmente zeigt in Bezug auf die AdamRezeption einen ähnlichen Befund wie das Alte Testament und die henochische Tradition: Die Rezeption von Gen 3 oder der Erzählung vom ‚Fall‘ der ersten Menschen fällt äußerst bescheiden aus.
Die Figur Adam findet sich lediglich an einigen wenigen Stellen. Mit Adams Übertretung wird so beispielsweise die Begrenzung der Lebenstage der Menschen begründet (CD X 8). Der Kontext sind hier Anweisungen für die Besetzung des Richteramtes. Dieses darf nur von Männern zwischen 25 und 60 Jahren ausgeübt werden, wobei die Altersbegrenzung mit dem Treuebruch Adams ( )במעל האדםund der darauffolgenden Lebensverkürzung begründet wird. Zwar steht אדםhier mit Artikel, gleichwohl ist die Anspielung auf die Figur Adam offensichtlich.21
Daneben wird die Vorstellung der Sünde der ersten Menschen – mit Ausnahme von 4Q422 (s.u.) – kaum rezipiert. Demgegenüber findet sich in einigen wenigen, jedoch bedeutenden Fragmenten möglicherweise eine positive Adam-Tradition, welche für gewisse Gruppierungen vermutlich sogar im Vordergrund stand. 3.3.1. 4Q422
Die breiteste Rezeption des Adam-Stoffes liegt in der Paraphrase von Genesis und Exodus (4Q422) vor,22 welche vermutlich aus hasmonäischer Zeit stammt.23 Der Text ist leider nur sehr fragmentarisch überliefert, es lassen sich jedoch Elemente der Schöpfungserzählung, des ‚Sündenfalls‘ sowie der Fluterzählung ausmachen. Der für die vorliegende Untersuchung relevante Abschnitt findet sich in den Zeilen 8–12 des ersten Fragments (Kolonne I):24 הנפ[ש החיה וה רמש]ת על הארצ ֯ ? בכול25 נתן לאדם לרדות8 שם האדם על ? האר[צ המשילו לאכול פר]י האדמה9 [ל]ב[לתי אכול מעצ הד֯ ]עת טוב ורע ֯ 10 ו[יקום עליו וישכחו] חוקיו11 עש]י רשעה ֯ ולמ ֯ [ל] [ביוצר רע ֯ 12 Siehe weiter auch 4Q265 7 11; sodann evtl. 4QpHosb 7–8 1 (nicht weiter erläutert und sehr fragmentarisch bzw. unsicher). 22 Zur Einführung siehe A. FELDMAN/L. GOLDMAN, Scripture and Interpretation, 83– 86. Erstmals untersucht von T. ELGVIN, How to Reconstruct a Fragmented Scroll: The Puzzle of 4Q422, passim. 23 T. ELGVIN, Op. cit., 231. 24 Rekonstruktion nach D. W. PARRY/E. TOV, The Dead Sea Scrolls Reader, Bd. 3. 25 Die Herausgeber setzen hier ein Fragezeichen, die Rekonstruktion des Textes rechts davon wird damit als unsicher bezeichnet. 21
3. Rezeption im frühen Judentum
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8 [und er gab dem Menschen zu herrschen ? über alles …] was lebt und kriech[t auf der Erde 9 [er setzt den Menschen über ? die Wel]t um zu herrschen und zu essen die Früchte [des Feldes] 10 [nicht zu] essen vom Baum der Er[kenntnis von Gut und Böse] 11 [und] er stand auf gegen ihn und sie haben vergessen [seine Gebote] 12 mit einer bösen Neigung und für [seine] Tate[n des Frevels] Im Anschluss an Zeile 8, wo sehr wahrscheinlich von der Schöpfung die Rede ist, findet sich in den Zeilen 9–10 vermutlich das Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen (Gen 2,17). Interessant ist sodann die Fortsetzung in Zeile 11, die möglicherweise einen Akt der Rebellion erzählt („er stand gegen ihn auf…“);26 das Satzobjekt ist dem Kontext nach mit großer Wahrscheinlichkeit Gott. Darauf folgt in Zeile 12 leider kontextlos die Formulierung „mit einer bösen Neigung“ ()ביוצר רע. Vermutlich ist der Bezug hier die Gebotsübertretung Adams (das Essen vom Baum). Da das Fragment nach Zeile 12 abbricht, kann dies jedoch lediglich als Vermutung geäußert werden.
Alternativ können zwei weitere Bezüge hergestellt werden: 1) Einerseits könnte hier auch die Schlange bezichtigt werden, die Menschen mit böser Neigung in die Irre geführt zu haben. Somit käme zumindest ansatzweise eine Motivation der Schlange in den Blick. Allerdings erscheint es aufgrund der Fortsetzung wahrscheinlicher, dass der Mensch hier Subjekt ist. 2) Sodann könnte Gen 6,5 bereits anklingen (… ;)…וְ ָכל־יֵצֶ ר מַ חְ ְשׁבֹ ת לִ בּוֹda die Passage allerdings direkt auf die Schilderung des Vergehens der ersten Menschen folgt, ist eher davon auszugehen, dass die Zeile noch in Bezug zu Gen 3 steht.27
Die nächste Kolumne beginnt dann mit der Nacherzählung der Flutgeschichte, was weiter darauf hindeuten mag, dass zuvor die ‚gefallene Menschheit‘ in den Blick gekommen ist.28 Aufgrund der Lückenhaftigkeit des rekonstruierbaren Textbestandes kann somit nicht abschließend gesagt werden, ob die Wendung ביוצר רעtatsächlich das Vergehen im Garten erläutern soll. Wird des Menschen Gebotsübertretung mit dessen böser Neigung erläutert, kann eventuell bereits eine Vorform der späteren Vorstellung des יצר הרעvermutet werden. Abschließend seien folgende Bemerkungen festgehalten: Zeile 11 impliziert möglicherweise einen bewussten Aufstand des Menschen gegenüber Gott. Zudem wird das Tun der ersten Menschen sehr wahrscheinlich mit einer ‚bö-
Feldman bezieht die 3. P. m. sg. auf Adam, an den das Gebot ursprünglich gerichtet wurde (cf. Gen 2,16–17), das darauffolgende Plural („sie haben vergessen“) sodann auf beide Menschen, da die Frau das Gebot nach Gen 2–3 auch kannte. Siehe T. ELGVIN, Genesis Section, 90. 27 Dazu auch T. ELGVIN, Op. cit., 187. 28 Siehe weiter T. ELGVIN, Op. cit., 185. 26
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
sen Neigung‘ in Verbindung gebracht. Schließlich kommt eine „bewusste Reflexion über den Anfang der Sünde auf der Welt“ zur Sprache, wie man die einzelnen Textstücke auch im Detail interpretieren mag.29 3.3.2. Adam als herrlicher Protoplast
Dass es vor der (später) mehrheitlich negativen Adam-Rezeption in Bezug zu Gen 3 auch eine positive Adam-Rezeption in Bezug zu Gen 1–2 gegeben haben könnte, zeigt sich in mehreren Qumran-Handschriften, in welchen einer Gruppe von Erwählten die ‚Herrlichkeit von ‘אדםverheißen wird. Das ausführlichste Beispiel findet sich in den Hodayot (um 100 v. Chr.): Denen, die Gott treu dienen, wird die כבוד אדםverheißen, die zugleich auch Vergebung aller Sünden bedeutet (1QHa IV 26–27):30 [ת ה לעובדיך באמונה ]ל[ה֯ יות זרעם לפניך כול הימים ושם֯]ותיהם[ ה֯קימותה ֯ ] 26 ] [פ֯ שע ולהשליך כול עו֯ו֯נ֯ות֯ם ולהנחילם בכול כבוד אדם ֯ל רוב ימים27 26 [ ] die dir in Treue dienen [damit] ihre Nachkommen alle Tage vor deinem Angesicht sein werden … Und [ihre] Na[men] hast du erhoben 27 [ ] Übertretung und wegzuwerfen jede Sünde und um ihnen in Erbschaft all die Herrlichkeit von אדםzu geben für viele Tage…31 In den der Passage vorangehenden Kolumnen ist der Bezug zur Schöpfung gegeben: III 27 fragt rhetorisch nach dem Schöpfer aller Dinge („wer hat sie alle geschaffen?“, )מי עשה כול אלה, in III 29 wird sodann vom Schöpfungsakt (יצר, ‚bilden‘) Gottes gesprochen; darauf folgt das Lob der Größe Gottes, die Vorstellung vom plötzlichen Gericht und der Dank für die Wiederherstellung der Diener Gottes. Mit כבוד אדםliegt mit ziemlicher Sicherheit ein Bezug auf den erstgeschaffenen Menschen vor,32 wenn ‚Adam‘ auch kaum als Eigenname zu verstehen T. ELGVIN, Op. cit., 187. Übersetzung durch die Vfn. Textrekonstruktion nach H. STEGEMANN / E. M. SCHULLER, DJD 40. 31 Entspricht: ‚langes Leben‘. 32 C. H. FLETCHER-LOUIS, All the Glory of Adam, 95–97. Fletcher-Louis setzt den Bezug zum erstgeschaffenen Menschen für seine Argumentation bereits voraus und argumentiert sodann für ein theologisches Verständnis der ‚Herrlichkeit von ‘אדם. Zur These C. H. FLETCHER-LOUIS, Some Reflections on Angelomorphic Humanity Texts among the Dead Sea Scrolls, xii: „(1) the theology of ancient Judaism took for granted the belief that in its original, true, redeemed state humanity is divine (and/or angelic), and that (2) this belief pattern was conceptually and experientially inextricable from temple worship in which ordinary space and time, and therefore human ontology, are transcended because the true temple is a model of the universe which offers its entrants a transfer from earth to heaven, from humanity to divinity and from mortality to immortality.“ Auch bei A. GOLITZIN, Recovering the ‚Glory of Adam‘ wird die Diskussion, ob hier tatsächlich 29 30
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sein wird. Freilich kann auch dahingehend argumentiert werden, dass mit der ‚Herrlichkeit von ‘אדםdie Herrlichkeit bzw. Ehre der Gerechten oder Erwählten bezeichnet würde. Die Bezüge zur Schöpfung lassen allerdings unmissverständlich an Gen 1 und/oder 2 denken (cf. auch Sir 49,16, s.u.). Außerdem lässt die Verheißung ungeteilter Gottesgegenwart bzw. -gemeinschaft (IV 26) ebenfalls auf ‚Adam‘ denken, der im Garten mit Gott lebte. Möglicherweise ist sodann auch die Verheißung eines langen Lebens ( )לרוב ימיםin dieser Hinsicht zu verstehen. In diesem prälapsarischen Zustand kannte ‚Adam‘ keine Sünde – zu eben diesem urzeitlichen Zustand sollen die Gerechten restituiert werden, indem sämtliche Sünden getilgt werden (Zeilen 24 und 26). Siehe dann auch 4Q504 I 8 4–7:33 [Adam] geht ‚ בדמותder Herrlichkeit Gottes‘. Hier ist deutlich, dass es sich um den erstgeschaffenen Menschen handelt, da Zeile 6 den ג[ן֯ עדן, den Gott gepflanzt hat, erwähnt. Möglicherweise gilt in Zeile 4 als ‚Vater‘ der Erzähler ( ֯)א[בי֯ נו.34
In einem ähnlichen Zusammenhang findet sich dieselbe Wendung sodann auch in CD III 19–20:35 ויבן להם בית נאמת בישראל אשר לא עמת כמהו למלפניהם ועד19 הנה ה מחזיקים בו לחיי נצח וכל כבוד אדם להם20 19 Und er baute für sie ein Haus der Treue in Israel, wie noch keines bisher hervorgekommen ist; und an 20 diesem Tag sollen all diejenigen, die an ihm festhalten andauerndes Leben und all die Herrlichkeit von אדםgehört ihnen… Auch hier findet sich der Zusammenhang der verheißenen Herrlichkeit mit langem/ewigen Leben ()לחיי נצח, allerdings fehlt die Vorstellung der Restitution. Diese Verheißung gilt in CD denen, die im ewigen Bund mit Gott bleiben (III 13 und 20). Hier kann keine Korrelation zum Schöpfungsgeschehen beobachtet werden, die Wendung von der Herrlichkeit ‚Adams‘ wird aller-
Adam zu verstehen ist, nicht geführt. Für die vorliegende Untersuchung ist nun vor allem von Interesse, ob hier tatsächlich ein Bezug zu Gen 1–2 vorliegt und die Figur Adam somit in positiver Weise rezipiert wurde. 33 4Q540 (DibHama), auch ‚Words of the Luminaries‘, ist ein Gebetszyklus mit Gebeten für jeden Wochentag. 34 Möglicherweise steht dann auch der ‚Fall‘ Adams in Zusammenhang mit der Flutepisode; siehe dazu E. GLICKLER CHAZON, Creation and Fall of Adam, 14–16. Auf die Sterblichkeit Adams deutet zumindest Zeile 9 hin („er ist Fleisch und zu Staub…“). 35 Textrekonstruktion nach D. W. PARRY/E. TOV, Bd. 1.
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dings ähnlich verwendet wie in den Hodayot, wenn auch einige formale Unterschiede zu bemerken sind. Schließlich kennt auch die Zwei-Geister-Lehre die ‚Herrlichkeit von ‘אדםund zwar in der Vorstellung der endzeitlichen Restitution (1QS IV 20–23):36 ואז יברר אל באמתו כול מעשי גבר יזקק לו מבני איש להתם כול20b כול רוח עולה מתכמי בשרו ולטהרו ברוח קודש מכול עלילות רשעה ויז עליו רוח אמת כמי21 נדה מכול תועבות שקר והתגולל ברוח נדה להבין ישרים בדעת עליון וחכמת בני שמים להשכיל תמימי22 דרכ כיא בם בחר אל לברית עולמים ולהם כול כבוד אדם23a 20b Und dann wird Gott mit seiner Wahrheit alle Werke des Menschen reinigen, und er wird einige Menschen für sich läutern um allen frevlerischen Geist zu vernichten aus den innerersten Teilen 21 seines Fleisches,37 um ihn zu reinigen in heiligem Geist von allen frevlerischen Taten; und er wird über ihn einen Geist der Wahrheit sprenkeln; wie reinigendes Wasser gegen alle Scheußlichkeiten der Lüge und der Besudelung 22 durch unreinen Geist. Er wird die Aufrichtigen unterweisen in der Weisheit des Höchsten und der Weisheit der Söhne des Himmels, um diejenigen weise zu machen, die tadellosen Weges ; denn sie hat Gott auserwählt zu einem ewigen Bund 23a und ihnen gehört all die Herrlichkeit von אדם. Den auserwählten Gerechten wird eschatologische Herrlichkeit verheißen, das heißt, die in der ‚Gegenwart‘ noch an der Sünde teilhabenden Söhne des Lichts werden zur gegebenen Zeit zu כול כבוד אדםrestituiert werden, indem sie von aller Unreinheit geläutert werden. Alle aufgeführten Beispiele bringen die כבוד אדםin Gegensatz zu einem Zustand der Sünde (quasi in einem ‚vorher-nachher‘-Denkschema) oder bezeichnen mit damit zumindest einen (eschatologischen) Status der Sündlosigkeit. Eine gedankliche Verbindung zum prälapsarischen אדםlässt sich, auch im Hinblick auf die Schöpfungsterminologie, vermuten. Aufgrund dieser Belege kann davon ausgegangen werden, dass zumindest gewisse Trägerkreise eine positive Adam-Tradition rezipierten. Adam kommt dabei als herrli36 37
Textrekonstruktion nach D. W. PARRY/E. TOV, Bd. 1. Satzobjekt ist hier der ‚auserwählte Mensch‘ (3. P. m. sg., Zeile 20).
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cher Protoplast in den Blick (siehe auch Sir 49,16) und nicht als paradigmatischer Sünder der Vergangenheit, wie dies in späteren Rezeptionsschichten der Fall sein wird.38 Die eschatologische Anthropologie wäre somit in der Urzeit verwurzelt,39 der Zustand der Erwählten gleichsam eine ‚Restitution zum Urzustand‘. Auch kanonisch gewordenen Texte kennen die herausragende Bedeutung einzelner Figuren wie Noah, Abraham oder Mose. In der späten Literatur des zweiten Tempels begegnet dann auch die Vorstellung, dass Adam (und Eva) vor ihrem Fall eine spezifische Herrlichkeit zukam,40 welche ihnen gar die Verehrung der Engel zukommen lässt (4Q381 1 3–11,41 siehe auch VitAd 12–16). 3.4. Weisheitsliteratur: Die Verantwortung des Menschen
Texte weisheitlicher Prägung betonen vor allem die Verantwortung des Menschen und legen damit einen Fokus auf das rechte Tun: Der Weise und Verständige tut das Rechte, Unrecht wird demgegenüber in der willentlichen Übertretung der Gebote Gottes lokalisiert. Insofern wird die Verantwortung des Menschen auch im Hinblick auf die ‚Theodizee‘ geltend gemacht: Weil der Mensch selbst die Verantwortung trägt, ist Gott ist für das Übel nicht verantwortlich zu machen. Diese Vorstellung prägt dann auch die Rezeption von Gen 3. 3.4.1. Ben Sira
Ben Siras rezipiert Gen 1–3 im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Schöpfung und Anthropologie,42 wobei insbesondere der Erschaffung des Menschen und dessen Grundvoraussetzungen große Aufmerksamkeit zukommt. In dieser Lektüre von ‚Schöpfung und Fall‘ wird des Menschen Fähigkeit, Gut und Böse zu unterscheiden, als anthropologische Grundkonstitution vorausgesetzt (Sir 15,11–17,20) „11 Sag nicht: ‚Durch den Herrn bin ich abgefallen‘; denn was er hasst, wird er nicht tun. 12 Sag nicht: ‚Er selbst hat mich getäuscht; denn er hat kein Verlangen nach einem sündigen Mann‘. 13 Jeden Gräuel hasst der Herr, und es ist nicht liebenswert für die, die ihn fürchten. 14 Er selbst machte am Anfang den Menschen und ließ ihn in der Hand seines
38 Darin muss keine Alternative gesehen werden, interessant im vorliegenden Kontext ist lediglich die Fokussierung. 39 Ähnlich C. H. FLETCHER-LOUIS, All the Glory of Adam, 97. Fletcher-Louis spricht in Zusammenhang mit seiner These allerdings von ‚theologischer Anthropologie‘. 40 C. H. FLETCHER-LOUIS, Op. cit., 6; 91; 97. Der Vf. geht allerdings von ‚göttlicher‘ oder ‚engelhafter‘ Herrlichkeit aus. 41 C. H. FLETCHER-LOUIS, Op. cit., 98–103. 42 Cf. die Aufstellung bei J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 33–48.
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(eigenen) Willens (ἐν χειρὶ διαβουλίου αὐτοῦ).43 15 Wenn du willst, wirst du die Gebote bewahren und die Treue, Wohlgefälligkeiten zu tun. 16 Er stellte dir Feuer und Wasser zur Verfügung (παρέθεκέν σοι/;)מוצק44 wonach du willst, wirst du deine Hand ausstrecken. 17 Vor den Menschen (stehen) das Leben und der Tod, und das, woran er Gefallen findet, wird ihm gegeben werden. 20 Er trägt niemandem auf, gottlos zu sein, und er gesteht niemandem zu, zu sündigen.45“
Da das Wissen um das rechte Tun dem Menschen bereits schöpfungsgemäß zugedacht wird,46 kann das Übel nach dem Verfasser in der Entscheidung und dem Willen des Menschen verortet werden. So gibt es keine Entschuldigung für den Menschen, sein Scheitern ist auf seine eigene Wahl zurückzuführen, die „Geschichte der Menschen ist demnach eine Entscheidungsgeschichte“.47 Die anthropologische Kondition ist damit deutlich anders als in Gen 3, wo das Erkennen von Gut und Böse an das Essen vom Baum der Erkenntnis, das heißt letztlich an die Gebotsübertretung gekoppelt ist. Die Erkenntnis von Gut und Böse gilt hier im Rahmen einer anthropologisch-ethischen Erörterung als anthropologische Grundvoraussetzung, die schon ‚im Anfang‘ galt: „In this reading of Genesis, there is no Fall, in the sense of one fateful event that changed the circumstances of human life. Neither sin nor death can be attributed to the deed of Adam (or Eve). Death is simply the decree of God for all flesh, and sin is the responsibility of every human being.“48 Im gleichen Abschnitt wird dann auch die Frage nach der Verantwortung Gottes für ‚das Böse‘ reflektiert und negativ beantwortet: Gott schafft nichts, was er hasst (Sir 15,11ff) und so kann das böse Tun des Menschen nicht auf Gott zurückgeführt werden. Im Gegenteil, es heißt im Folgenden, Gott habe den Mensch sich selbst überlassen. Die hebräische Vorlage von Sir 15,14 liest an Stelle von ἐν χειρὶ διαβουλίου αὐτοῦ: ויתנהו ביד יצרו. Ein Hinweis auf die Vorstellung vom יצר הרעlässt sich allerdings noch nicht erkennen.49 Der
Die lateinische Version lautet hier: „Deus ab initio constituit hominem et reliquit illum in manu consilii sui“ und fügt im folgenden Vers an: „adiecit mandata et praecepta sua“. 44 Siehe dazu F. V. REITERER, „Alles hat nämlich der Herr gemacht“, 98. 45 Cf. Dtn 30,19. Dazu F. V. REITERER, Op. cit., 99: „Deutlich ist, dass den biblischen Autoren die rechte Entscheidung für JHWH ein zentrales Anliegen ist. Neu ist bei Sira, dass er den Menschen von seinem Menschsein her grundsätzlich dafür geschaffen beschreibt, sich richtig zu entscheiden, wo immer eine Wahlmöglichkeit gegeben ist, und dass er für diese Wahl die Verantwortung zu übernehmen hat.“ 46 Siehe weiter Sir 17,7: „(Mit) Auffassungsgabe erfüllte er sie und Gutes wie Böses zeigte er ihnen.“ 47 F. V. REITERER, „Alles hat nämlich der Herr gemacht“, 99. 48 J. J. COLLINS, Before the Fall, 301. So gibt es auch keinen Platz für die Vorstellung von der Todesverfallenheit aufgrund von ‚Erbsünde‘. 49 Zur Gegenüberstellung von griechischem und hebräischem Wortlaut sowie zur Textkritik cf. J. COOK, The Origin of the Tradition of the yeṣer ha-tôv and the yeṣer ha-ra, 82– 43
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Mensch ist keiner fatalistischen Neigung ausgeliefert, der יצרist vielmehr als ‚Gesinnung‘ bzw. die Entscheidung eines Menschen im Sinne seines Charakters zu verstehen (cf. Gen 6,5).50 Der griechische Begriff διαβούλιον macht dies deutlicher als יצר: „In the original Hebrew, placing humans ‚in the power of‘ their yēṣer indicates that the yēṣer is something that may determine human actions, i.e. it signifies the human character. But by interpreting yēṣer as diaboulion, the translator has distanced God further from the responsibility for human sin. Surrendering humans to their character may indicate that human character is determined by God. In contrast, diaboulion signifies the human capacity for free choice, and therefore cannot be determined.“51
Während die von Gott gegebene menschliche Grundkonstitution keinen urzeitlichen Sündenfall voraussetzt, um das Übel in der Welt zu erläutern, klingt ein solcher gleichwohl in einer späteren Ausführung an: Sir 25,24 führt den Tod auf die Sünde zurück, an deren Anfang, die Frau gestellt wird: „Von einer Frau (kommt der) Anfang der Sünde, und durch sie sterben wir alle.“52 In der Septuaginta lautet der Text: ἀπὸ γυναικὸς ἀρχὴ ἁμαρτίας καὶ δι᾽ αὐτὴν ἀποθνῄσκομεν πάντες; in Hebräisch: „( מאשת תחלת עון ובגללה גוענו יחדvon einer Frau kommt der Anfang der Sünde und wegen ihr schwinden wir dahin, alle zusammen“).53 Hier findet sich erstmals die Vorstellung, dass der Tod auf ein bestimmtes Geschehen zurückzuführen ist, nämlich auf die Sünde (siehe sodann Röm 5,12ff). Die Verbindung von ‚Sünde‘ und ‚Tod‘ liegt in Gen 3 zwar terminologisch nicht vor, kann aber inhaltlich impliziert werden. Sir bringt die Sünde und den Tod sodann mit ‚einer Frau‘ in Verbindung; dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Aussage über den ‚Anfang der Sünde‘ im Kontext der Gegenüberstellung der ‚bösen Frau‘ (γυνὴ πονηρά) und der ‚guten Frau‘ steht.54 Somit ist hier kaum an einen ‚Prototyp‘ aller Frauen zu den-
85 und G. SAUER, Sirach, 131. Zu einer Glosse zu 15,14, die sich in mittelalterlichen Genizah-Manuskripten befindet und dem eigentlichen theologischen Anliegen Ben Siras entgegenläuft cf. M. T. BRAND, Evil Within and Without, 99–100. 50 Cf. weiter M. T. BRAND, Op. cit., 100–103. Die Vfn. verweist beispielsweise auf Sir 27,6, wo יצרim Sinne des moralischen Charakters zu verstehen ist (der יצרeines Menschen ist an seinen Früchten erkennbar). Siehe weiter auch F. V. REITERER, „Alles hat nämlich der Herr gemacht“, 97–98. 51 M. T. BRAND, Evil Within and Without, 105. Weiter dazu auch R. J. COGGINS, Sirach, 100. 52 Zählung nach der Septuaginta. 53 Vom hebräischen Text liegt lediglich eine Handschrift vor (Manuskript C); einen Vergleich zwischen griechischem und hebräischem Text bietet T. A. ELLIS, Is Eve the ‚Woman‘ in Sirach 25:24?, 729ff. Hebräischer Text nach P. BEENTJES, The Book of Ben Sira in Hebrew, VTSup 68. 54 Cf. dann Sir 26,1–24; e.g. 26,3: „Eine gute Frau (ist) ein guter Anteil, zum Anteil derjenigen, die den Herrn fürchten, wird sie gegeben werden.“ Die Ausführungen zu guten und bösen Frauen erläutern, welchen Unterschied es für einen Mann macht, ob einer mit einer bösen oder einer guten Frau zusammen lebt.
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ken.55 Dass hier Gen 3 im Hintergrund steht, kann aus dem Text zwar nicht gefolgert werden, ein anderer Zusammenhang ist allerdings nur schwer vorstellbar.56
Daneben ist zu erwähnen, dass Sir an anderer Stelle davon ausgeht, dass der Mensch von Beginn an sterblich geschaffen wurde und der Tod nicht eine Strafe für das Vergehen, sondern dem Menschen schöpfungsgemäß inhärent ist, cf. Sir. 17,1–3: „1 Der Herr schuf aus Erde den Menschen und ließ ihn wieder zu ihr zurückkehren. 2 Tage an Anzahl bemessen und eine rechte Zeit gab er ihnen, und er gab ihnen Macht über die (Dinge) auf ihr. 3 Wie es ihm entspricht, stattet er sie (mit) Stärke aus, und nach seinem Bild machte er sie.“57 Sir legt somit verschiedene theologische Konzeptionen nebeneinander, wodurch gewisse Spannungen zu beobachten sind, welche hier allerdings nicht besprochen werden können.58
Obwohl Sir eine von Gen 3 abweichende Anthropologie vertritt, ist gleichsam ein Bewusstsein dieser Tradition zu erkennen. In der Unterscheidung von Gut und Böse beispielsweise klingt Gen 3 deutlich an, wird dann allerdings positiv umgeformt. Sir vertritt somit eine eigene Lesart von Gen 3: „In his use of Gen 1–3 to portray humanity, Ben Sira is able to create a varied interpretation of Gen 1–3 because he ignores the original context, extracting elements and assimilating their meaning to the contexts of which they are a part in his own composition. [...] By applying Gen 1–3 to humanity, Ben Sira dissociates the
Siehe J. LEVISON, Is Eve to blame?, passim. Levison setzt mit seiner Kritik bei der voreiligen Korrelation mit Gen 3 an. Ausgehend von der Gegenüberstellung zwischen der ‚guten‘ und der ‚bösen‘ Frau, interpretiert er 25,24 dahingehend, dass eine ‚böse Ehefrau‘ ihren Ehemann durch ihren schlechten Einfluss zur Sünde führe und somit dessen Tod bewirke. Demgegenüber bewirke die ‚gute Ehefrau‘ ein langes, fröhliches Leben: „The distich is a climactic, hyperbolic description of the effect an evil wife has upon her husband. Having worn him down and weakened him, she ensnares him in her own sinfulness.“ Sodann verweist der Vf. auf einen ähnlichen Zusammenhang in 4Q184 Fragment 1. J. LEVISON, Op. cit., 621–622 (Zitat), weiter 619–622. Gleichwohl legt die Verbindung von ‚Frau‘, ‚Sünde‘, ‚Anfang‘ und ‚Tod‘ eine Anspielung auf eine Gen 3-Tradition nahe. 56 E.g. M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 45. Weiter M. T. BRAND, Evil Within and Without, 113–115 und R. J. COGGINS, Sirach,88. Feministischerseits zu Sir 25,24 cf. H. SCHÜNGEL-STRAUMANN, ‚Von einer Frau nahm die Sünde ihren Anfang‘? Hier wird die unsachgemäße Verbindung zwischen ‚Frau‘, ‚Sexualität‘ und ‚Sünde‘ erörtert. Teresa Ellis schlägt andererseits vor, die ‚böse Frau‘ mit Pandora und damit mit der hellenistischen Kultur zu identifizieren; die ‚gute Frau‘ dagegen repräsentiere die biblische ‚tugendhafte Frau‘, cf. T. A. ELLIS, Is Eve the ‚Woman‘ in Sirach 25:24?, insb. 735–741. Die These kann aber nicht stichhaltig begründet werden. 57 Cf. zum ganzen Abschnitt auch J. J. COLLINS, Before the Fall, 296–301. 58 Widersprüchlichkeiten finden sich auch hinsichtlich anderer Topoi: Siehe e.g. Sir 17,1–26; 23,1–5 und 36,7–14. Cf. J. COOK, The Origin of the Tradition of the yeṣer hatôv and the yeṣer ha-ra, 86, J. KLAWANS, Determinism, 270–271 und M. T. BRAND, Evil Within and Without, 106–113.117–118 55
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elements of Gen 1–3 from their narrative context, from sin, temptation and expulsion.“59 So kann abschließend festgehalten werden, dass die Verantwortung des Menschen grundsätzlich im Vordergrund steht und jene bereits in der Lektüre von Gen 1–3 impliziert wird. Außerdem wird in Ben Sira ausdrücklich betont, dass Gott nicht für das Übel auf der Welt verantwortlich gemacht werden kann, auch nicht in Bezug auf die Schöpfung des Menschen. Gerade die schöpfungsgemäße Fähigkeit der Unterscheidung zwischen Gut und Böse ‚entschuldet‘ Gott und legt die Verantwortung in die Hände des Menschen. Hier ist zugleich erstmals die Rede von einem ‚urzeitlichen Zwischenfall‘ mit Konsequenzen für alle nachfolgenden Generationen. 3.4.2. Sapientia Salomonis
Die Sapientia Salomonis ist eine jüdisch-hellenistische Schrift in griechischer Sprache, als deren Autor traditionell König Salomo gilt. Die Sapientia entstand vermutlich um die Zeitenwende60 (möglicherweise in Alexandrien) und gilt nach neuerem Forschungskonsens als Werk eines einzigen Autors. Dieser baut stark auf jüdischer Weisheitstradition auf und zieht biblische Figuren und Ereignisse heran, um das Wirken der Weisheit in der Geschichte darzustellen und zu erläutern; zugleich lassen sich Einflüsse aus der griechischen Philosophie beobachten.61 Hauptanliegen der Sapientia ist es, Juden, die sich der griechischen Kultur verschrieben haben, für das Judentum zurückzugewinnen.62 Der Verfasser möchte „seinen jungen Lesern die Erfahrung vermitteln, dass es sich ‚lohnt‘, das eigene jüdische geistige und religiöse Erbe mit Hilfe der in der hellenistisch-römischen Gegenwart verbreiteten Philosophie, Psychologie, Literatur, Naturerkenntnis und Rhetorik neu zu betrachten und sogar tiefer zu verstehen“.63 Levison gliedert die SapSal anhand dieses Anliegens: 1) In den Kapiteln 1–6 (‚eschatologisches Buch‘) wird erläutert, dass Unsterblichkeit nur für die Frommen zu erreichen ist. 2) In den Kapiteln 6–10 (‚Buch der Weisheit‘) wird Salomo als Paradebeispiel eines Weisen vorgeführt. 3) Kapitel 10–19 (‚Buch der Geschichte‘) schließlich führen die Geschichte Israels vor Augen und demonstrieren, dass Gott sein Volk durch Weisheit rettet.64
Gen 1–3 wird in verschiedenen Zusammenhängen rezipiert. Zunächst ist Sap 10 zu nennen, wo Adam in positiver Weise zur Sprache kommt; dabei ist
J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 48. Zur Diskussion der Datierung siehe H. ENGEL, Art. Weisheit Salomos, 3.1. 61 Stoische und platonische Einflüsse sind mit ziemlicher Sicherheit erkennbar. Cf. dazu R. D. CHESNUTT, Art. Solomon, Wisdom of, 1242–1244. 62 Siehe dazu J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 49. 63 H. ENGEL, Art. Weisheit Salomos, 4. 64 Siehe dazu J. R. LEVISON, Op. Cit., 49–50 59 60
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eine gewisse Nähe zu Hodayot oder der Zwei-Geister-Lehre zu bemerken. Adam wird als ‚Erstgeschaffener‘ als Erster von sieben durch Weisheit gerettete Helden genannt (Sap 10,1–2): „Diese hat den erstgestalteten Vater der Welt, (der zunächst) allein erschaffen (worden war), bewahrt und ihn herausgenommen aus seiner eigenen Übertretung, und sie hat ihm Kraft gegeben, über alles zu herrschen.“65 Die Interpretation dieser Verse ist umstritten, für unsere Untersuchung ist es aber ausreichend, die positive Adam-Rezeption im Rahmen rettender Weisheit festzuhalten.66 Adams Übertretung wird angesprochen, aber gewissermaßen ‚übergangen‘. Im vorliegenden Kontext und aufgrund der Kommunikationsabsicht ist dies allerdings nicht weiter verwunderlich, wird doch von der Notwendigkeit der Weisheit für die Erlangung der Unsterblichkeit argumentiert. Bereits im zweiten Kapitel wird die Thematik der Zerstörung der ursprünglichen geistlichen Unvergänglichkeit des Menschen thematisiert.
In Sap 2,23 werden Unsterblichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen im Rahmen der Rede über die Gottlosen erläutert. Die Gottlosen sind durch ihre Bosheit verblendet und setzen ihre Hoffnung nicht auf ein gewissenhaftes Leben (2,22). Sie haben somit keinen Anteil an der Belohnung für die Rechtschaffenen: „Denn Gott hat den Menschen geschaffen auf Unvergänglichkeit hin (ἔκτισεν τὸν ἄνθρωπον ἐπ᾽ ἀφθαρσίᾳ) und als Bild von sich selbst hat er ihn gemacht [cf. Gen 1,27]67.“ Hier ist somit nicht von einer physischen Unsterblichkeit des Menschen die Rede, sondern von einer ‚spirituellen‘, eschatologischen Unvergänglichkeit.68 Dass der Mensch aus Erde geschaffen und damit sterblich ist (cf. Gen 2,7), das legt auch Sap 7,1 nahe. Somit wird von einer Schöpfung des Mensch in ‚zweifacher‘ Natur, leiblich und geistlich, ausgegangen. Leibliche Unsterblichkeit scheint dabei nie Voraussetzung zu sein, dafür die Unzerstörbarkeit der Seele (siehe auch bei Philo). Vermutlich ist es dieser Status, zu dem die Gerechten in Texten wie 1QHa restituiert werden sollen ()כבוד אדם.69
Die Störung der Schöpfungsordnung wird auf den Neid des Teufels zurückgeführt (2,24): „Aber durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, es erfahren ihn aber, die zu seinem Anteil gehören (φθόνῳ δὲ διαβόλου θάνατος εἰσῆλθεν εἰς τὸν κόσμον. πειράζουσιν δὲ αὐτὸν οἱ τῆς ἐκείνου μερίδος ὄντες).“ Ähnlich der Frau in Sir 25,24 wird der Diabolos in einer an
Übersetzung nach W. KRAUS/M. KARRER, Septuaginta Deutsch. Zur weiterführenden Interpretation cf. J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 57–61 und insb. 60–61 zur Frage der Interpretation der ‚Rettung‘. 67 Siehe dazu M. J. GOFF, Adam, the Angels and Eternal Life, 11–12: „[…] Wis 2,23 states that the man is made the image of God, not in the image of God, as in the biblical text. Adam is himself the image of God – a copy or reflection of the deity’s eternal nature. Philo puts forward a similar scenario, understanding the creation of humankind, to be a ‚copy‘ and ‚archetypal seal‘ of the Logos or God’s image, making humanity ‚an image of an image‘ (Opif. 25).“ 68 Siehe auch Sap 1,13; dort wird festgehalten, dass Gott den Tod nicht geschaffen hat. Siehe weiter H. HÜBNER, Die Weisheit Salomos, 47. 69 Cf. M. J. GOFF, Adam, the Angels and Eternal Life, 10–13. 65 66
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Röm 5,12 erinnernden Wendung70 mit dem Ursprung des Todes in Verbindung gebracht. Kontext ist die Auseinandersetzung mit dem Tod, dessen Endgültigkeit die Sünder trifft, während die Gerechten durch den Tod in die Unvergänglichkeit eingehen. Es scheint plausibel, dass hier Gen 3 im Hintergrund steht, wird doch unmittelbar zuvor die Schöpfung des Menschen aufgegriffen.71 Die Passage wurde bereits in der altkirchlichen Tradition auf Gen 3 bezogen wurde. 1 Clem 3,4 hat dieselbe Stelle vermutlich auf Kain bezogen (cf. weiter 1 Clem 4,1–6,4).72 Gerade in Zusammenhang mit dem von Gott angedrohten Tod, der hier seelisch zu verstehen wäre und nicht physisch, scheint der Bezug zu Gen 3 naheliegender.73 Zwar wird in Gen 4 tatsächlich vom ersten physischen Tod berichtet und der verhängte Tod in Gen 3 kann als seelischer Tod interpretiert werden. In Gen 3 jedoch liegt eine solche Vorstellung des Todes nicht vor.
Vermutlich kann hier von der ersten, wenn auch lediglich angedeuteten, satanologischen Deutung von Gen 3 ausgegangen werden. Die Vorstellung einer Teufelsfigur im Kontext der Weisheit mag zwar überraschen, da sie eigentlich nicht ins weisheitlich-theologische Konzept der Schrift passt; gleichwohl ist das Aufkommen satanologischer Deutungen im zeitlichen Umfeld der Sap durchaus denkbar.74 Schließlich ist damit allerdings noch nichts darüber ge-
Hübner geht davon aus, dass Paulus diese Passage kannte und aufnahm. Siehe H. HÜBNER, Die Weisheit Salomos, 48 und dort insb. Anm. 61. 71 Cf. J. DOCHHORN, Mit Kain kam der Tod in die Welt, 150. 72 Innerhalb des Duktus von Gen mag dies sodann auch korrekt erscheinen, da der erste physische Tod durch Kains Eifersucht und den darauf folgenden Mord an Abel in die Welt kam; diese Vorstellung könnte auch hier im Hintergrund stehen. Siehe dazu J. A. GREGG, Wisdom, 22–23 und weiter J. DOCHHORN, Mit Kain kam der Tod in die Welt, 152–154. H. Kelly geht demgegenüber davon aus, dass der Diabolos hier mit Kain zu identifizieren ist. Siehe dazu H. A. KELLY, Satan, 72–79. Die Argumentation kann allerdings nicht überzeugen. 73 Anders hingegen J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 51–52. Levison übersetzt διάβολος mit ‚Feind‘ und interpretiert den ‚Neid des Feindes‘ als Tötung Abels durch Kain, weil der Neid Kains besser zu den vorhergehend geschilderten Gegnern passt, als der Neid des Teufels. 74 Andere Deutungen vermögen inhaltlich kaum zu überzeugen, so etwa der Löungsvorschlag von Jason Zurawski: Entgegen der landläufigen Übersetzung von διάβολος mit ‚Teufel‘, legt er folgende Übersetzung vor: „But through an adversary’s envy death enters the world, and those who belong to death’s party put humanity to the test.“ Diese Übersetzung kommt zunächst zustande, indem διάβολος im traditionellen Sinne als menschlicher Widersacher übersetzt wird, da ‚der Teufel‘ nach dem Vf. nicht in das theologische Programm der Sap passt. Sodann wird Sap 2,23–24 in Übereinstimmung mit 1,14–16; 2.17 übersetzt. Damit wird die Problematik der Übersetzung von 2,24b elegant gelöst (πειράζουσιν δὲ αὐτὸν οἱ τῆς ἐκείνου μερίδος ὄντες). Πειράζω wird sachgemäß mit ‚testen/versuchen‘ übersetzt, οἱ τῆς ἐκείνου μερίδος bezeichne in Anlehnung an 1,16 diejenigen, die sich durch ihr Fehlverhalten selbst dem (spirituellen) Tod ausliefern. Überblicks70
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sagt, wie dieser Vorgang zu beschreiben ist und/oder wie die Relation zwischen ‚dem Teufel‘ und den ersten Menschen gedacht wurde. Einzig ein Motiv ist hier angegeben, der Neid (φθόνος). Ein Handlungsmotiv, das v.a. in Texten des ersten Jahrhunderts vermehrt begegnet und jeweils mit Gen 3 in Zusammenhang steht (2 Hen, ApcMos/VitAd, als Motiv der Schlange auch bei Josephus). Worauf des Teufels Neid sich hier bezieht, kann nur vermutet werden. Die Unsterblichkeit als grundlegendes Thema der Ausführungen legt sich nahe. Vermutlich steht somit auch hier die Vorstellung von einem Konkurrenzverhältnis zwischen Mensch und Teufel. Ist hier nun also tatsächlich mit einer satanologischen Deutung von Gen 3 zu rechnen, kann die Sapientia als erste Zeugin dieser aufkommenden Tradition gelten. 3.5. Hellenistisch-jüdische Schriften des ersten Jahrhunderts
In Texten hellenistisch-jüdischer Autoren des ersten Jahrhunderts zeigt sich vermehrt die Auseinandersetzung mit griechisch-philosophischem Denken. Diese wird u.a. darin ersichtlich, dass sich hier erste systematische Auseinandersetzungen mit verschiedenen theologischen Themen finden, die zumeist im Rahmen biblischer Kommentare erörtert werden, wobei auch die Frage nach dem Bösen philosophisch bedacht wird. 3.5.1. Philo von Alexandrien
In der Untersuchung philonischer Texte im Rahmen der Rezeption des Wächtermythos konnte festgehalten werden, dass die Wächter für Philo keine historische, sondern in erster Linie allegorische Bedeutung haben und mit dem Wächtermythos ein Seelenprozess erläutert wird. In ähnlicher Weise wird auch Gen 3 allegorisch-anthropologisch ausgelegt. 75 Zunächst ist vorauszuschicken, dass Philo anhand der zwei Schöpfungsberichte (Gen 1 und 2) von einer ‚zweifachen‘ Schöpfung des Menschen ausgeht, und zwar von einer himmlischen und einem irdischen.76 Gen 1,27 berichtet von der Schöpfung des himmlischen Menschen: Dieser hat nach wie vor am göttlichen Geist Anteil und kann gleichsam als ‚Idee‘ im platonischen Sinne bezeichnet werden (cf. Opif. 134–135).77 Der irdische Mensch (Gen 2,7) dagegen hat das Paradies verloren; auf ihn beziehen sich die allegorischen und anthropologischen Ausführungen von Gen 3. Diese stehen bei halber siehe J. ZURAWSKI, Separating the Devil from the Diabolos, 397–399; weiter zur Übersetzung 376–377; 384–386; 389–390; 394. 75 Grundsätzlich hält Philo am Literalsinn eines biblischen Textes fest und greift nur hin und wieder auf eine allegorische Auslegung zurück. Siehe J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 64. 76 Zur Diskussion siehe J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 69–70. 77 Cf. auch M. J. GOFF, Adam, the Angels and Eternal Life, 12.
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Philo im Rahmen der Problematisierung des menschlichen Lasters; exemplarisch wird hier De Opificio Mundi 151–156 angeführt.78 Hier findet sich keine detaillierte Nacherezählung der Ereignisse im Paradies, sondern Philo „wählt jene Details aus, ,,die er braucht, um die grundsätzliche Entscheidung des Lebenswegs der ersten Menschen zu erklären“.79 In Opif. 151–156 führt Philo zunächst an, dass nichts in der Schöpfung von ewiger Dauer ist, und dass so alle sterblichen Dinge der Veränderung ausgesetzt sind. So war auch das Leben des ersten Menschen, dessen Charakteristik vorangehend ausführlich erläutert wurde (v.a. Opif. 134–150), der Veränderung unterworfen. Dabei kommt der Schuld der Frau spezielle Aufmerksamkeit zu, denn sie steht am Anfang des ‚schuldbeladenen Lebens‘ des ersten Menschen (Opif. 151):80 Die „Veranlassung zum sündhaften Leben gab ihm die Frau“.81 Der Mensch glich „in seinem Alleinsein der Welt und Gott“, doch die Liebe zieht Mann und Frau zueinander hin und veranlasste in ihnen das „Verlangen nach inniger Gemeinschaft“ und zur „Erzeugung eines ähnlichen Wesens“ (151–152). So entstand „[…] jene Wollust des Körpers, die der Anfang ungerechter und ungesetzlicher Handlung ist, um derentwillen die Menschen das sterbliche und unglückliche Leben für ein unsterbliches und glückseliges eintauschen“ (152). Vorderhand fällt auf, dass hier nicht das Essen der ‚verbotenen Frucht‘ und damit die Gebotsübertretung bzw. der Ungehorsam gegenüber Gott thematisiert wird, sondern das Problem der Lust und des Begehrens.82 Dieses wiederum ist dann nicht die Folge der Gebotsübertretung, sondern „emerged from the natural desire which results in procreation and fellowship“.83
Vermutlich hat Philo hier die platonische Vorstellung übernommen, dass der ursprünglich androgyne Mensch geteilt wurde und daraus erst die beiden Geschlechter entstanden; damit wird das Begehren zwischen den Geschlechtern begründet, weil sie ihre jeweils ‚andere Hälfte‘ suchen.84 Nun deutet Philo das gegenseitige Verlangen allerdings negativ.
Das Begehren bleibt zentrale Problematik in den darauffolgenden Ausführungen, wobei die Frau besonders problematisiert wird, da sie von der Schlange, die für die Lust (ἡδονή) steht, verführt wird (157ff).85 Erst durch die Frau Weitere Abhandlungen Philos zu Gen 3 finden sich in Quaest. Gen. 1,33 und Leg. 1,31–42; 2,4; 3,16. 79 D. T. RUNIA, On the Creation of the Cosmos according to Moses, 363, Übersetzung durch die Vfn. 80 Cf. auch M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 46. 81 Übersetzung nach J. COHN, LCL. ‚Weib‘ wurde durch ‚Frau‘ ersetzt. 82 Siehe weiter den Exkurs „Philo’s attitude towards women and sexuality“ bei D. T. RUNIA, On the Creation of the Cosmos according to Moses, 359–361. 83 J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 75. 84 Siehe J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 75–76. 85 Auch an anderer Stelle steht die Schlange für die ἡδονή. So Quaest. Gen. 1,31. Cf. S. KRAUTER, Eva, 10, Anm. 39. 78
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verführt die Lust dann auch den Mann (165).86 In Anlehnung an die stoische Philosophie erachtet Philo die Frauen als anfälliger für die Lust, da diese den sinnlichen Teil des Menschen anspricht, welcher als weibliches Prinzip gilt. Der Geist, das männliche Prinzip, wird dann aber von der Frau verführt (siehe dazu Quaest. Gen. 1,33.37–38). Der Wollust entgegen stehen die Gebote, die Philo am Schluss seiner Ausführungen als Richtlinie für das menschliche Verhalten aufführt. Grundsätzlich verortet Philo die Gefahr für den Menschen in diesem selbst, nämlich in der Unfähigkeit, seine Leidenschaften zu zügeln. Philo geht an anderer Stelle zudem davon aus, dass der Mensch mit einem freien Willen ausgestattet ist, der ihm die bewusste Wahl zwischen Gut und Böse ermöglicht.87 An diesem Beispiel wird die komplexe Anthropologie Philos ersichtlich; der Mensch ist in Philos ‚Allegorie der Seele‘ ein ‚zusammengesetztes Geschöpf‘. Die verschiedenen Seelenteile des Menschen konstituieren die ethische Theorie Philos; dabei steht schließlich zur Debatte, was geschieht, wenn das Laster im Menschen über die Tugend siegt. Die Konsequenzen, die in Gen 3 geschildert werden, deutet Philo wörtlich (Opif. 167–169): Das Laster in der Seele führt zu Schwierigkeiten im ‚äußerlichen‘ Leben.88 Abschließend kann festgehalten werden, dass Philo keine unabhängige Adam-Tradition benutzt, sondern seine Anthropologie, die mitunter stark von platonischen und stoischen Vorstellungen geprägt ist, auf Gen 1–3 appliziert.89 Ein Überblick über das Werk Philos zeigt im Übrigen, dass er sein allegorisches Konzept auf verschiedene biblische Figuren und Themen applizierte. Somit steht hier nicht in erster Linie die Auslegung von Gen 1–3 im Vordergrund, sondern die philonische ‚Allegorie der Seele‘: „Es ist eine Lösung, die im Geist des Platonismus Mittlerwesen postuliert, um die biblische Theologie in der Kritik griechischer Philosphie zu retten und um im Geist der Bibel den Hellenisten eine Ahnung zu vermitteln, was es heißt, dass der
86 Cf. Opif. 156: „Da habe sie [sc. die Frau] ohne Überlegung infolge ihres schwachen und unbeständigen Sinnes eingewilligt, habe von der Frucht gegessen und auch ihrem Manne davon gegeben; das stürzte beide urplötzlich aus der Unschuld und Einfalt ihres Herzens in Sünde.“ 87 Siehe Deus 45–50. Dabei wird Dtn 30,15 zitiert, Gott hat dem Menschen das Leben und das Gute ()אֶ ת־הַ חַ ִיּ ים וְ אֶ ת־הַ טּוֹב, den Tod und das Übel ( )וְ אֶ ת־הַ מָּ וֶת וְ אֶ ת־הָ ָרעvorgelegt. Die Entscheidung zwischen den Optionen liegt beim Menschen selbst. Cf. weiter M. T. BRAND, Evil Within and Without, 124–126. 88 Siehe J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 77 und zusammenfassend J. R. LEVISON, Op. cit., 86–88. 89 Siehe J. R. LEVISON, Op. cit., 74.
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Mensch ‚nach‘ Gottes Ikone geschaffen sei, wie Philo in der Septuagintagenesis gelesen hat.“90 Ähnliches kann auch für die Auslegung von Gen 6,1–4 gelten. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist gleichwohl bemerkenswert, dass Gen 3 mit der Problematik (sexuellen) Begehrens in Verbindung gebracht wird. Weiter ist bemerkenswert, dass keine externen Kräfte wie Dämonen für die Laster des Menschen verantwortlich gemacht werden, sondern interne Kräfte, ‚Seelenteile‘. So ist auch die Schlange eine interne Kraft: Gott schafft das Böse nicht, sondern es entstammt dem Inneren des Menschen und dessen willentlicher Entscheidung. 91 3.5.2. Liber Antiquitatum Biblicarum
Während Gen 6,1–4 im LAB kaum angesprochen wird, wird Gen 3 ausführlicher rezipiert. Zur Debatte steht die Verantwortung des Menschen im Rahmen der Sinai-Gebote. So stehen die weiteren Ausführungen zu Gen 3 an einem anderen Ort im biblischen Duktus. Innerhalb der Schilderung der Urgeschichte findet sich im LAB lediglich die Genealogie Adams; die Nacherzählung der Urgeschichte setzt inhaltlich detailliert erst ab Gen 6,1 ein, womit die Kapitel Gen 2–4 narrativ fast vollständig ausgeklammert werden. Die Aufnahme von Gen 3 ist stattdessen in der Sinaiperikope situiert. In der Sinaiperikope werden Mose diverse Gebote erläutert, wobei Adam als Erstgeschaffener und erster Gebotsübertreter zur Sprache kommt (LAB 13,8): „Dies ist der Ort,92 über den ich [sc. Gott] den Ersterschaffenen [protoplastus] belehrte, indem ich sagte: ‚Wenn du nicht übertrittst, was ich dir aufgetragen habe, wird alles unter dir sein.‘ Jener aber übertrat meine Wege und ließ sich von seiner Frau überreden. Und damals wurde der Tod bestimmt für die Geschlechter der Menschen.“ Die Gabe der Gebote am Sinai wird somit inhaltlich an die erste Gebotsgabe gebunden und in ihren Konsequenzen bedacht (cf. sodann 13,9–10). Durch den Ungehorsam des ersten Menschen wurde der Tod über alle verhängt. Dem protoplastus kommt eine herausragende Bedeutung zu, da seine Übertretung als Ursache für die Strafe aller betrachtet wird. Formal findet sich somit eine gewisse Ähnlichkeit zu Sir und Sap. Der Rückbezug auf das urzeitliche Vergehen des ersten Menschen hat hier die Funktion, die Forderung der Gebotseinhaltung zu verstärken. T. SÖDING, Der erste und der zweite Adam, 406. Siehe weiter De Virtutibus 199–205 bei J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 77–78. 92 Vermutlich ist hier der vorher genannte locus generationis, das Paradies, gemeint. An dieser Stelle ist der Sinn des Textes jedoch leider undeutlich. Cf. C. DIETZFELBINGER, Pseudo Philo: Antiquitates Biblicae, 138. 90 91
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Betont wird folglich die Verantwortung des Menschen: Schließlich ist auch der Verfasser des LAB der Ansicht, dass es des Menschen eigene Abwendung von Gott ist, die zu seiner Vernichtung führt (26,2; 28,9). 3.5.3. Josephus
Auch Josephus betont die Eigenverantwortung des Menschen: Gehorsam gegenüber Gott führt zu Gutem, Ungehorsam demgegenüber zu Bedrängnis,93 wie Josephus es im Vorwort der Jüdischen Altertümer darlegt. Diese Prämisse stellt er im somit an den Anfang der Geschichte Israels, wodurch er gleichsam auch Israels Schicksal interpretiert (Ant. I.Vorwort.3). „Im Allgemeinen kann man aus dieser Geschichte leicht entnehmen, dass denjenigen, die Gottes Willen befolgen und sich scheuen, seine wohl gemeinten Gesetze zu übertreten, alles wider Erwarten zum Besten dient und ihnen der Lohn der Glückseligkeit [εὐδαιμονία] Gottes winkt; dass hingegen die, welche von der treuen Beobachtung der Gesetze abweichen, das unüberwindlich finden, was sonst leicht erscheint, und das Gute, das sie tun, in heillose Verwirrung umschlagen sehen.“94
Unter dieser Voraussetzung wird dann wenig später auch die Übertretung der ersten Menschen betrachtet, wobei die Erzählung in ihren wesentlichen Zügen der Genesis entspricht. Als wesentliche Motive begegnen hier das Verbot, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, die Androhung des Todes und die Aussage der Schlange. Weiter analog zu Gen 3 sind das Essen vom Baum und das Erkennen der Nacktheit und die Scham darüber. Zusätzlich werden hier die Feigenblätter als Kleider eingeführt sowie ein Zusatz über das neue vermeintliche Glück Adams und Evas (I.1.4): „Da aber erkannten sie, dass sie nackt waren, und voll Scham suchten sie nach Bekleidung, denn jener Baum machte sie klarsehend und klug. Sie verhüllten sich mit Feigenblättern und bedeckten ihre Scham, und sie kamen sich glücklicher vor, weil sie das gefunden, was ihnen früher gefehlt hat.“. Der weitere Erzählverlauf entspricht ebenfalls Gen 3 (Gottes Kommen in den Garten, die Entdeckung der Gebotsübertretung und die Bestrafung der Menschen). Die Bestrafung der Schlange beinhaltet darüber hinaus den Entzug der Sprache und der Füße sowie der Gabe des Giftes, womit sie zum Feind der Menschen wird. Es fehlen die Aspekte imago Dei und dominium terrae sowie der Mehrungsauftrag.95
Bei Josephus wird darüber hinaus im Spezifischen das Handlungsmotiv der Schlange erläutert (Ant. I.1.4).
„Da aber zu jener Zeit alle Tiere sich der Sprache bedienten, überredete die Schlange, die mit Adam und seiner Frau vertraulich verkehrte und sie um ihr Glück beneidete, das sie im Cf. J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 105. Übersetzung modifiziert auf der Basis von H. CLEMENTZ. Siehe weiter Ant. I.Vorwort.4. 95 Zu Erläuterungen der Nuancen im Vergleich zu Gen 3 cf. J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 101–104. 93 94
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Gehorsam gegenüber Gott genossen, die Frau, dass sie von dem Baum der Erkenntnis esse, wohl wissend, dass die beiden in ihr Unglück stürzten, sobald sie vom Weg des Gehorsams abwichen. Sie stellte ihr nämlich vor, an diesem Baume hänge die Unterscheidung des Guten und Bösen, und wenn sie diese erlangt hätten, würden sie ein glückseliges Leben wie Gott genießen. Und so verführte sie die Frau, Gottes Gebot zu missachten.“
Während in Gen 3 keine Begründung für das Handeln der Schlange aufgeführt wird, wird hier nun eine psychologische Analyse des Motivs gegeben: Der Neid der Schlange bezieht sich auf das Glück der Menschen, das in deren Gehorsam Gott gegenüber gründet. Dabei ist äußerst bedeutsam, dass Neid für Josephus ein geläufiges Motiv ist; negatives Handeln wird auch an anderen Stellen auf Neid zurückgeführt (cf. VI.4.3; XIII.11.2).96 Die Konsequenzen der Übertretung der Menschen entsprechen in etwa den Strafen, die in Gen 3 genannt werden (jedoch in anderer Reihenfolge); zudem wird erläutert, dass Gott den Menschen eigentlich ein langes, glückliches, sorgenfreies Leben beschieden hätte (ohne Leid, Mühsal und Arbeit, siehe I.1.4). Somit ist der ‚Sündenfall‘ auch hier eine Ätiologie der conditio humana. Diese besteht nun vor allem in der Tragödie des menschlichen Unglücks und nicht im Tod. Levison verweist auf die Ähnlichkeit des ‚guten Lebens‘, welches hier vor Augen geführt wird, mit dem stoischen Ideal der Apathia; Josephus‘ Darstellung des urzeitlichen Zustandes ist vergleichbar mit dem griechischen Ideal des ‚guten Lebens‘ (Eudaimonia). 97 Ähnlich dem Gesamtaufriss der Genesis ist das Ereignis in der weiteren Erzählung allerdings kaum von Bedeutung. Die Geschichte von Adam und Eva ist in erster Linie ein Exempel dafür, dass Gebotsübertretung zu Unglück führt und der Mensch sich deswegen in seiner ‚gegenwärtigen‘ Lage befindet. Das Unglück der Menschen bzw. ihr ‚Fall‘ wird zwar auf den Neid der Schlange zurückgeführt, doch steht der Ungehorsam der Menschen im Vordergrund, womit wiederum die Verantwortung des Menschen betont wird. 3.5.4. Das vierte Makkabäerbuch
Der Verfasser des vierten Makkabäerbuches war Jude, erweist sich aber als Kenner griechischer Philosophie98 und zeichnet sich durch einen elaborierten rhetorischen Stil aus. Die Datierungsversuche reichen (aufgrund zeitgeschichtlicher Faktoren) von ca. 63 v.Chr.–70 n.Chr.,99 bis weit ins zweite
J. R. LEVISON, Op. cit., 104–105. J. R. LEVISON, Op. cit., 107. 98 Siehe dazu R. WEBER, Eusebeia und Logismos, 228–234. 99 Cf. H. ANDERSON, 4 Maccabees, 530–534, insb. 533–534. 96 97
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Jahrhundert hinein; am überzeugendsten ist die Datierung von H.-J. Klauck auf das Ende des ersten Jahrhunderts.100 Das grundsätzliche Anliegen der Schrift ist die Erörterung ‚ob die fromme Vernunft Herrscherin über alles sei‘ (εἰ αὐτοδέσποτός ἐστιν τῶν παθῶν ὁ εὐσεβὴς λογισμός, 4 Makk 1,1).101 Davon ausgehend kommt u.a. das Martyrium zur Sprache, welches gleichsam als Testfall dieser Frage gilt. So ist auch die Erzählung des Martyriums des Priesters Eleazar sowie von sieben Brüdern und deren Mutter im Rahmen dieser Frage zu verstehen (siehe auch 2 Makk 6,18–7,42). Im Rahmen einer Rede besagter Mutter an ihre Söhne findet sich eine eigentümliche Rezeption von Gen 3. Die Rede ist innerhalb des Martyriums der Mutter angesetzt und führt deren Beispielhaftigkeit vor Augen. Zunächst wird auf die Schöpfung der Frau in Gen 2 angespielt: Die Mutter schildert, dass sie stets Sorge zur „gebildeten Rippe“ (4 Makk 18,7), sprich zu sich selbst, trug. Dies wird sodann ausführlicher erläutert (18,8): „Mich missbrauchte nicht der Verführer in der Wüste, der Schänder auf freiem Feld, noch tat meiner jungfräulichen Reinheit Schimpf an der Verführer durch listigen Trug, die Schlange (οὐδὲ ἐλυμήνατό μου τὰ ἁγνὰ τῆς παρθενίας λυμεὼν ἀπάτης ὄφις).“ Im ersten Versteil ist vermutlich von einer Vergewaltigung die Rede (cf. Dtn 22,25),102 im zweiten von sexueller Verführung, die offenbar mit der Schlange assoziiert wird. Die Mutter wird hier als Musterbeispiel vorgeführt, die ihre Integrität bewahrt hat und keiner ‚Versuchung‘ erlegen ist. Eine Rezeption von Gen 3 liegt hier nur äußerst implizit vor, kann aber kaum von der Hand gewiesen werden. Somit wird die Begegnung der Schlange mit Eva in Gen 3 in 4 Makk offenbar sexuell gedeutet, wenn daraus auch nicht darauf zu schließen ist, wie Gen 3 tatsächlich interpretiert worden ist. Ist Eva ‚der Versuchung‘ erlegen? Und wenn ja: Der Versuchung der Sexualität oder des Essens vom Baum? Diese Fragen müssen hier offen bleiben. Allenfalls ist aber von einer gewissen Geläufigkeit einer solchen Rezeption von Gen 3 auszugehen. Deutlich wird, dass Gen 3 auch hier mit Blick auf die menschliche Verantwortung rezipiert wird. 4 Makk geht grundsätzlich kaum von Kräften wie Dämonen aus, die von außen auf die Menschen einwirken und diese zum Bösen verführen, obwohl die Realität äußerlich bedingter Versuchungssituationen durchaus gesehen wird. Vielmehr wird an die Vernunft des Menschen appelliert, den Versuchungen, denen er durch seine Leidenschaften durchaus zugeneigt ist, nicht nachzugeben. H.-J. KLAUCK, 4. Makkabäerbuch, 668–669. Cf. dazu R. WEBER, Eusebeia und Logismos, 217–218. 102 Cf. W. LOADER, The Pseudepigrapha on Sexuality, 454–455 zu Dtn 22,25–27. Siehe dann auch Ex 22,15. 100 101
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Siehe 2,21–23: „21 Zu dem Zeitpunkt nämlich, als Gott den Menschen erschuf, hat er ihm auch seine Leidenschaften und Charaktereigenschaften mit eingepflanzt. 22 Und als er über alles den heiligen Führer Vernunft (ἐπὶ πάντων τὸν ἱερὸν ἡγεμόνα νοῦν), auf die Sinneswerkzeuge gestützt, auf den Thron setzte, 23 gab er auch diesem ein Gesetz, nach dem er seinen Lebenswandel ausrichten und so eine Königsherrschaft ausüben sollte, die besonnen und gerecht und gütig und tapfer ist.“
So kommt auch hier die herausragende Bedeutung des Verstands zur Sprache. Dieser ist schöpfungsgemäß zur Herrschaft über die Leidenschaften gesetzt. Zwar sind auch die Leidenschaften dem Menschen von Gott gegeben worden, doch sollen sie vom Verstand beherrscht und regiert werden: Zu diesem Zweck habe Gott dem Verstand die Gebot gegeben. Schließlich dient die Rezeption von Gen 3 also auch hier der Betonung der Verantwortung des Menschen. Außerdem wird hier, anders als andernorts, nicht Adams, sondern ‚Evas‘ Scheitern aufgegriffen. 3.6. Das zweite Henochbuch
Bereits die Untersuchung der Wächterrezeption im slawischen Henochbuch hat gezeigt, dass Adam, gleichsam typisch für das erste Jahrhundert, der Wächtertradition sachlich vorgeordnet wird. Zudem wird Gen 3 hier nun satanologisch gedeutet. Gleichwohl ist 2 Hen der henochischen Tradition verbunden und so werden Stränge von Wächter- und der Adamstradition miteinander verknüpft. Dabei ist zu fragen, ob manche Adam-Stellen als christliche Interpolationen zu bewerten sind. 2 Hen ist inhaltlich und überlieferungsgeschichtlich äußerst komplex, wie bereits im vorangehenden Teil ersichtlich geworden ist. Daher wird der Textzusammenhang der Klarheit halber z.T. etwas detaillierter ausgeführt. 3.6.1. Der Sturz des Erzengels
Während sowohl die Zwischenfälle im Garten Eden als auch der Fall der Wächter nach der Schöpfung angesetzt sind, kennt 2 Hen einen urzeitlichen Zwischenfall innerhalb der sechs Schöpfungstage. Die Schöpfungsereignisse werden Henoch vor dem Thron Gottes offenbart; zuvor wurde bereits von Henochs Begegnung mit den Wächtern im Gefängnis berichtet (Kapitel 7 und 18). Am zweiten Schöpfungstag, an welchem Gott die Engel aus Feuer geschaffen hat (29,9–10), ist auch der Sturz eines dieser Engel angesiedelt (V. 4–5): „Einer aber vom Rang der Erzengel wandte sich ab mit dem Rang, der unter ihm war, [und] er empfing den unmöglichen Gedanken, dass er seinen Thron höher als die Wolken über der Erde stellte, [und] dass er gleich werde meiner [sc. Gottes] Macht. Und ich warf ihn von der Höhe hinab mit seinen Engeln. Und er flog fortwährend in der Luft, oberhalb des Abgrundes.“ Die hier problematisierte Figur ist ein Erzengel, der eine gottgleiche, hoheitliche Stellung einzunehmen gedenkt; vermutlich ist dabei wohl an die
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Herrschaft über die Erde zu denken („dass er seinen Thron höher als die Wolken über der Erde stellte“). Somit wird hier die Herrschaftskonkurrenz zwischen Gott und einem Engel angesprochen.103 Die Identifikation dieses Engels mit dem Satan ist hier nicht gegeben und kann lediglich aufgrund einer anderen Passage implizit angenommen werden (31,6, s.u.).104 Die redaktionsgeschichtliche Stellung der obigen Passage ist heftig umstritten. Jan Dochhorn beispielsweise erachtet 2 Hen 29,4–5 als christliche Interpolation, da die Passage in Konflikt mit 2 Hen 31,3–6 (s.u.) stehe.105 Andrei Orlov beurteilt die Passage demgegenüber als ursprünglich.106 Letzterer geht dabei von einer geschickt gestalteten theologischen Komposition aus.107 Vermutlich ist 29,4–5 aber doch als Interpolation zu interpretieren, welche den später im Erzählverlauf begegnenden Versucher der Menschen bereits als ‚aufständischen Erzengel‘ charakterisiert.
Zum Herrschaftsanspruch siehe insb. Auch Jes 14,13–14: „13 Du aber hattest in deinem Herzen gesprochen: Zum Himmel empor will ich steigen, hoch über den Sternen Gottes werde ich meinen Thron aufrichten, und ich werde auf dem Berg der Versammlung sitzen, im höchsten Norden! 14 Über Wolkenhöhen will ich emporsteigen, dem Höchsten mich gleichmachen!“ Gemeinsam ist den Texten das Motiv des hoch errichteten Thrones, der angestrebten Gottesgleichheit und der folgenden Entmachtung des Gottprätendenten. 104 Wenn dem so ist, dann ist dabei die Bezeichnung ‚Erzengel‘ einzigartig, denn eine Identifikation Satans als (einstigen) Erzengels findet sich sonst bloß in Abhandlungen von Kirchenvätern. Cf. S. VOLLENWEIDER, Luzifer, 216, insb. Anm. 49. 105 Cf. J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 37. 106 Unklar bei C. BÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 803–804; die Stelle findet zwar keine Erwähnung bei der Aufführung der frühchristlichen Interpolationen, gleichwohl wird nirgends explizit von ihrer Ursprünglichkeit ausgegangen. 107 Nach Orlov‘s These soll Henoch als zweiter Adam etabliert werden. Orlov geht von der Beobachtung aus, dass adamisches Material in beiden Fassungen von 2 Hen sehr häufig begegnet, was im Rahmen der henochischen Tradition beachtenswert ist: „[…] it might appear that the sudden occurrence of a large bulk of Adamic materials in 2 Enoch represents alien accretions skillfully interpolated into the original narrative during its long transmission in the Greek and Slavonic milieux. A closer examination of the text, however, shows that the presence of Adamic tradition in the Slavonic apocalypse is not secondary or fortuitous but has a profound conceptual value for the whole theological framework of the Slavonic apocalypse.“ A. A. ORLOV, Enoch-Metatron Tradition, 212. Die konzeptionelle Bedeutung des Adam-Materials ist schließlich die Übertragung auf Adam: „[…] the elevated angelic status of the prelapsarian Adam, his luminosity, his wisdom, and his special roles as the king of the earth and the steward of all earthly creatures are transferred to the new occupant of the celestial realm. This new occupant is the patriarch Enoch […].“ A. A. ORLOV, Op. cit., 214. In den weiteren Ausführungen kommt sodann der formative Wert der Adam-Tradition im Hinblick auf die Henoch-Metatron-Tradition zur Sprache. Problematisch an diesem Ansatz ist jedoch, dass die textgenetische Frage mit einer der inhaltlichen Argumentation (Adam-Henoch) begründet wird. 103
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3.6.2. Adam und der Teufel
Innerhalb der Erzählung der Schöpfungsereignisse wird auch die Schöpfung des Menschen ausführlich thematisiert (längere Fassung):108 Gott schuf den Menschen aus sieben Elementen und stellte ihn auf die Erde „als einen zweiten Engel, geehrt und groß und herrlich“, gleich einem „König der Erde“ (2 Hen 30,11–12). Dabei gilt das Wissen um Gut und Böse als anthropologische Voraussetzung (2 Hen 30,15): „Und ich [sc. Gott] gab ihm seinen Willen. Und ich zeigte ihm 2 Wege: Licht und Finsternis. Und ich sprach zu ihm: ‚Dies ist gut für dich, jenes aber ist böse‘, damit ich erkenne, ob er Liebe zu mir hat oder Haß, [und] damit in seinem Geschlecht diejenigen offenbar werden, die mich lieben.“ Adams Schuld besteht darin, trotz freiem Willen nicht das Gute, sondern das Schlechte gewählt zu haben. Als Folge dieser Sünde gilt der Tod (29,16).109 Somit wird der freie Wille des Menschen gleichsam als Prämisse vor die weiteren Ereignisse gestellt: „In this way, the author seems to project the outcome of the events back into the divine deliberations preceding their occurrence, in an apparent effort to safeguard God’s prescience and providence.“110 Auf diesem Hintergrund kommt die Irreführung der Menschen durch den Teufel in den Blick und wird gleichsam verständlich (2 Hen 31,3–6). „3 Und der Teufel erkannte, daß ich [sc. Gott] eine andere Welt schaffen wollte, weil [alles] auf Erden dem Adam untertan war, darüber zu herrschen und König zu sein. [4 Der Teufel gehört an die untersten Orte. Er wird ein Dämon, weil er die Flucht aus dem Himmel unternahm, [und] Satan, weil sein Name Satanail111 war. 5 So wandte er sich von den Engeln ab. Das Wesen veränderte er nicht, doch den Sinn, denn es gibt eine Gesinnung der Gerechten und der Sünder.]112 6 Und er erkannte seine Verurteilung und die Sünde, die er
108 Die kürzere Fassung berichtet lediglich davon, dass Gott nach den anderen Schöpfungswerken den Menschen durch seine Weisheit schuf. Siehe C. BÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 914, Anm. 8a). 109 Im gleichen Zug wird dann auch die Frau genannt, die Gott für Adam geschaffen habe, „damit auch der Tod durch die Frau zu ihm käme“ (29,17). 110 J. MAGLIANO-TROMP, Adamic Traditions in 2 Enoch and in the Books of Adam and Eve, 291. 111 Satanail wird auch ‚Fürst der Wächter (Grigori)‘ genannt (18,3): „Der Name ‚Satanael‘ ist wahrscheinlich eine christl. Analogiebildung zu dem schon aus der frühen jüd. Haggada bekannten ‚Sam(m)ael‘, wobei die Endsilbe als Ausweis der Zugehörigkeit zum himml. Hofstaat verstanden ist.“ C. BÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 925–926, Anm. 4c). In einer Auflistung zeigt Böttrich weiter, wie der Namenswechsel in verschiedenen späteren Traditionen mit dem Fall begründet worden ist, bzw., mit dem Abkommen von Gott (-el von Elohim). Siehe weiter H. E. GAYLORD, How Satanael lost his ‚-el‘, passim. 112 Die Verse 4–5 sind interpoliert, siehe dazu C. BÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 803: „Der Passus 31,4–5 spielt auf den Abfall Satans an, den er in dem Namenswechsel und Sinneswandel des ehemaligen Erzengels ausgedrückt findet. Sowohl die Namensform ‚Satanael‘ als auch die Überlieferung vom Verlust eben jenes ‚-el‘ lassen sich
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zuvor begangen hatte. Und deshalb sann er [etwas] gegen Adam. Auf diese Weise ging er in das Paradies hinein und verführte die Eva. Den Adam aber berührte er nicht.“113
An dieser Stelle wird der Sturz der Figur Satan(ail) und seine Auflehnung gegen Mensch und Gott mit dem Vergehen der ersten Menschen verknüpft. Die vorab geschilderte Vorrangstellung des Menschen begründet dessen Irreführung durch den Teufel: In der Welt, die Gott zu schaffen gedachte, ist der Mensch als ‚Ebenbild Gottes‘114 zur Herrschaft über die Erde eingesetzt und erhält somit eine gegenüber den Engeln bevorzugte Stellung. Der ‚Teufel‘ will dessen Herrschaft offensichtlich nicht akzeptieren und sinnt darauf, seinen Kontrahenten auszuschalten.
Vers 6 (das Erkennen der Verurteilung und der zuvor begangenen Sünde) könnte den eingangs erwähnten Zusammenhang zu Kapitel 29 und der dort genannten Herrschaftskonkurrenz ggf. verdeutlichen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass in Kapitel 29 die Herrschaftskonkurrenz zwischen Gott und dem Erzengel angesprochen wird, wobei hier die Herrschaftskonkurrenz zwischen Mensch und Teufel zur Sprache kommt.
Obwohl die Menschen in die Irre geführt wurden, wird grundsätzlich von ihrer Entscheidungsfähigkeit ausgegangen (s.o.). Insofern wird die Schuld nicht monokausal bei der Teufelsfigur gesucht. Diese Feststellung ist insbesondere auf dem Hintergrund der Verbindung von Adam- und Wächtertradition bemerkenswert. In der henochischen Tradition kam der Verantwortung der Menschen jeweils bloß eine untergeordnete Bedeutung zu.
erst in späteren christlichen Texten nachweisen.“ Weiter J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 21. In Vers 4 liegt vermutlich ein kirchenslawisches Wortspiel zugrunde, da die slawischen Worte ‚Dämon‘ und ‚Flucht‘ sich sehr ähnlich sind. Siehe F. I. ANDERSEN, 2 Enoch, 154: „[…] ‚The devil‘ will become a demon (běsı̆ ) because he fled (běže).“ Cf. weiter C. BÖTTRICH, Das slavische Henochbuch, 925, Anm. 4b). Damit findet sich ein sprachliches Argument für eine spätere Zufügung, weil dieses Wortspiel im Griechischen nicht funktioniert. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Randerklärung. Cf. des weiteren J. H. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 152: „Offensichtlich wird auf Kap. 29 rekurriert, wenn von der Flucht aus dem Himmel und vom Abwenden des Satans von den Engeln die Rede ist. Der Sturz, der bereits vorausgesetzt wird, erscheint als eine eigene Entscheidung des Satans. Er selbst entschied sich für seine Hybris, Gott gleich werden zu wollen.“ 113 Stefan Krauter sieht hier einen Hinweis für eine „erotisierende Auslegung“, weil Satanail Adam nicht berührt. Cf. S. KRAUTER, Eva in Röm 7, 9. Der Text lässt eine solche Interpretation aber nur schwerlich zu. 114 Lemmatisch findet sich die ‚Gottebenbildlichkeit‘ allerdings nicht. Sachlich stehen sich Gott und Mensch in einem solchen Maß nahe, dass der Aufstand gegen den Menschen auch den Aufstand gegen Gott bedeutet. Cf. 2 Hen 44,2: „Und wer das Angesicht eines Menschen schmäht, schmäht das Angesicht eines Königs und verabscheut das Angesicht des Herrn. Wer das Angesicht eines Menschen verachtet, verachtet das Angesicht des Herrn.“ Cf. auch 52,2.
3. Rezeption im frühen Judentum
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3.6.3. Kommentar
Im slawischen Henochbuch der vorliegenden Fassung liegt ein komplexes Gefüge aus verschiedenen mythischen Erzählelementen vor; diese stammen einerseits aus der adamischen und andererseits aus der henochischen Tradition und zudem aus verschiedenen Überlieferungsschichten. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1) Henoch findet auf seiner Himmelsreise abgefallene Engel im Gefängnis im zweiten Himmel vor, die in Verbindung mit den Gefangenen im fünften Himmel stehen (2 Hen 7). 2) Im fünften Himmel finden sich die Grigori (Wächter) im Gefängnis (mit ihrem Fürst Satanail [vermutlich eine Zufügung]). Diese haben sich mit Frauen zusammengetan und Riesen gezeugt (2 Hen 18). 3) (nur längere Fassung): Es wird von der Abwendung eines Erzengels am zweiten Schöpfungstag (also vor dem Fall der Wächter) berichtet; dieser Engel will seinen Thron höher stellen als die Wolken und Gottes Macht gleich sein. Gott wirft ihn „mit seinen Engeln“ hinab. (2 Hen 29). 4) (nur längere Fassung): Am sechsten Schöpfungstag wird Adam aus der Weisheit Gottes geschaffen, Eva aus der Rippe Adams (2 Hen 30,8–18). 5) (nur längere Fassung): Ebenfalls im Rahmen der Schöpfungserzählung wird vom Neid des Teufels und Herrschaftskonkurrenz zu Adam berichtet. Diese hat die bewusste Abwendung des Teufels von den Engeln zur Folge, sodann die Irreführung Evas (2 Hen 31,3–6).115 Vermutlich gehörte nur die Wächtertradition zum ursprünglichen Bestand von 2 Hen; das Adam-Erzengel-Material findet sich nur in der längeren Fassung, welche der kürzeren zwar vorzuziehen ist, aber nicht mit der ursprünglichen Fassung identisch ist. Bedenkt man die Erzählung ohne die Angaben aus der längeren Fassung, kommt das Adam-Material, wie in der henochischen Tradition üblich, nicht zur Sprache. Die Adam-Tradition findet sich somit erst in der ‚Interpolationsschicht‘, ebenso die satanologische Deutung der Paradieserzählung. In dieser Textfassung scheint die Wächtertradition von zweitrangiger Bedeutung zu sein. Daher wird umso klarer ersichtlich, wie die Adam-Satan-Tradition die Bedeutung des Wächtermythos schmälerte. Die ‚adamisierte‘ und ‚satanologisierte‘ Lesart des Textes führt zwei Themenkreise ein, in denen es je um eine Herrschaftskonkurrenz geht. Die Auseinandersetzung zwischen Mensch und Teufel und zwischen Gott und Teufel. Beide Konkurrenzkämpfe finden eine sachliche Übereinstimmung: Gott schuf mit dem Menschen ein Wesen, das ihm in eigentümlicher Weise nahe steht, sodass die Auflehnung des Teufels bzw. seine Herrschaftskonkurrenz mit den Unklar bleibt, ob die Irreführung der Menschen bzw. Evas bereits am sechsten Schöpfungstag angesiedelt wird. 115
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Menschen auch als Auflehnung gegen Gott gelten kann. Dieser Zusammenhang dürfte allerdings ebenfalls sekundär sein. Die vorliegende Version des zweiten Henochbuches zeigt ein locker verbundenes, noch kaum systematisiertes Gefüge verschiedener Traditionen. Die Frage nach den Ursprüngen des Bösen wird vielfältig beantwortet, dabei wird ein Zusammenwirken verschiedener urzeitlicher Ereignisse vorgeführt: Menschen, Wächter und eine Teufelsgestalt sind in der einen oder anderen Art und Weise beteiligt. Die verschiedenen Deutungsmomente sind dabei aber (noch) nicht systematisch geordnet. Die Datierung dieser Lesart ist freilich schwer zu bestimmen, sie ist aber ab dem Ende des ersten Jahrhunderts durchaus denkbar. Eine solche Darstellung ist bereits auf dem Weg zu einer gestalteten Haupterzählung über die Ursprünge des Bösen und zeigt dabei einen Prozess einer Reinterpretation der Ereignisse der Urzeit. 3.7. Exkurs: Zur Geschichte der Satansgestalten
Das bereits mannigfaltig bestehende Paradigma einer Gestalt des Bösen wird in der vorliegenden Form von 2 Henoch und dann auch in weiteren Texten systematisch in die Rezeption von Gen 3 integriert. Eine Satansgestalt im Sinne einer personalen, selbständig agierenden ‚Figur des Bösen‘ ist freilich ein spätes Stadium der Begriffsentwicklung, die in den hebräischen Texten des Alten Testaments einen ersten (vagen) Ausdruck findet. Die Texte der Hebräischen Bibel schenken ‚teuflischen‘ oder ‚satanischen‘ Figuren und dämonischen Mächten nur wenig Aufmerksamkeit. Gleichwohl hat die spätere Teufelsfigur ihre Wurzeln in ebendiesen Texten in der ‚Figur‘ des שָׂ טָ ן,116 später Σατανᾶς oder Διάβολος (LXX). שָׂ טָ ןbegegnet in der hebräischen Bibel gerade 27x117 und ist in den meisten Fällen ein gewöhnliches Nomen oder Verb (e.g. Ps 38,21; 71,13; 109,4.20f.).118 So bezeichnet שָׂ טָ ןv.a. menschliche Widersacher (e.g. 1 Sam 29,4; 2 Sam 19,23; 1 Kön 5,18) oder juristische Gegner (Ps 109,6.20.29), welche auch von Gott aufgestellt worden sein können (1 Kön 11,14.23.25). Sodann kann auch ein ‚Bote Gottes‘ ()מַ לְ אַ יְ הוָה jemandem zum Widersacher ( )לְ שָׂ טָ ןwerden (Num 22,22.32), wobei ggf. schon eine metaphysische Dimension mitschwingt.
Nur in den wenigsten Fällen steht שָׂ טָ ןfür eine numinose Figur (1 Chr 21,1; Hi 1,6–9.12; 2,1–4.6–7; Sach 3,1f). In Hi und Sach wird jeweils ein bestimm-
Die Etymologie von שָׂ טָ ןist umstritten, wird jedoch geläufiger Weise auf das Verb ‚( שׂטןanfeinden‘, ‚anklagen‘) zurückgeführt. In der Volksetymologie wurde Satan auf das 116
Verb שׁוּטzurückgeführt (cf. Hi 1,7; 2,2). Siehe weiter H. FREY-ANTHES, Art. Satan, 1. und H.-J. FABRY, Satan, 276–280. 117 Num 22,22.32; 1 Sam 29,4; 2 Sam 19,23; 1 Kön 5,18; 11,14.23.25; 1 Chr 21,1; Hi 1,6ff.12; 2,1ff.6f; Ps 38,21; 71,13; 109,4.6.20.29; Sach 3,1f. 118 Cf. dazu auch C. T. PIERCE, Art. Satan, 1197.
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ter Artikel vorangestellt, was einen Eigennamen ausschließt. In beiden Büchern scheint הַ שָּׂ טָ ןjeweils Teil des himmlischen Hofstaates zu sein, im Hiobprolog gehört er gar zu den בְּ נֵי הָ ֱא הִ ים. Somit steht hier zunächst die Funktion dieser Figur im Vordergrund.119 In 1 Chr 21,1 könnte mit שָׂ טָ ןbereits ein Eigenname gemeint sein (oder dann wiederum ‚ein Anfeinder‘, worunter ein beliebiges menschliches oder himmlisches Wesen zu verstehen wäre).120 Wird 1 Chr 21,1 im Zuge von 2 Sam 24,1 gelesen (Gott reizt David zur Volkszählung, weil er zornig auf ihn ist), kann für 1 Chr 21,1 ein ‚böser Gegenspieler Gottes‘ angenommen werden, auf den die Verantwortung für Davids Tat ‚abgeschoben‘ wird. Die LXX liest hier διάβολος (ohne Artikel), die Vulgata ‚Satan‘, womit deutlich wird, dass zumindest spätere Generationen hier eine Teufelsfigur am Werk glaubten.
Im Alten Testament liegt also noch keine elaborierte Satanologie vor, im Gegenteil: Vielmehr finden sich Volksetymologien und ältere Traditionen vor, welche aber nicht weiter ausgeführt oder systematisiert werden. Zugleich ist ersichtlich, dass שָׂ טָ ןzuerst ein vielseitiger Begriff für einen vergleichsweise harmlosen menschlichen Gegner ist und erst für spätere Generationen als ‚Satan‘ oder ‚Diabolos‘ als der Böse schlechthin gilt. Spuren einer solchen ‚Diabolisierung‘ des Begriffs sind erkennbar, bleiben aber vorerst vage. Unter den Qumran-Fragmenten begegnet eine ‚Teufelsfigur‘, die Belial ( )בליעלgenannt wird.121 Belial wird anders als Satan wenig personale beschreieben, sondern vielmehr als kosmische Macht. Auch בליעלist zunächst ein gewöhnliches Nomen, das im Alten Testament ‚Wertlosigkeit’ und ‚Boshaftigkeit’ im Sinne gottwidrigen Verhaltens bedeutet:122 „In most of its OT attestations, běliyya‘al functions as an emotive term 119 P. Day untersuchte in ihrer Dissertation von 1988, ob sich in den Texten des Alten Testaments die Vorstellung eines ‚Anklägeramtes‘ beobachten lässt. Gerade die Belege mit einem bestimmten Artikel könnten darauf hinweisen. Die Untersuchung einer Reihe von altorientalischen Texten hat diesbezüglich aber keine bestätigenden Ergebnisse ans Licht gebracht. P. L. DAY, An Adversary in Heaven, 34–43. Weiter M. Z. KENSKY, Trying Man, Trying God, 39–42. 120 Cf. dazu C. T. PIERCE, Art. Satan, 1197. 121 Zur Einführung siehe A. STEUDEL, Der Teufel in den Texten aus Qumran, 191–200. Andere Bezeichnungen für ‚böse Figuren‘ begegnen kaum. Unter שטןist zumeist ein gewöhnliches Nomen zu verstehen, e.g. 1Q28 b I.8; 4Q213 a 1 17; evtl. 4Q504 XVII 13; 11QPs a XIX 15. Mastema (cf. Jub) ist zwar als ‚personale‘ Figur zu interpretieren, allerdings kommt ihm in den gruppenspezifischen Texten kaum Beachtung zu, siehe 4QpsJub a 1 8; 2 i 9; 2 ii 6.7.13.14 (im Jubiläenbuch oft ;)שר המשטמה4Q270 6 ii 18; 4Q271 4 ii 6. 122 Zur Etymologie cf. F. W. RÖCKER, Belial und Katechon, 21–22. Vermutlich geht das Wort auf die Wurzel ‚( בלעverwirren‘, ‚schaden‘ oder ‚verschlingen‘) zurück. Möglicherweise ist aber auch ein Kunstwort aus der Negation ‚( בליohne‘) und den Verbformen עלה oder יעלzu denken, was Bedeutungen wie ‚was nicht aufsteigt‘ und ‚was keinen Erfolg hat‘ nahelegen würde.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
to describe individuals or groups who commit the most heinous crimes against the Israelite religious or social order, as well as their acts [...].“123
So ist בליעלzumeist eine attributive Bezeichnung für Menschen (‚Söhne Belials‘, בְּ נֵי־בְּ לִ ַיּﬠַל oder ‚Mann Belials‘, ) ִאישׁ בְּ לִ יַּﬠַ ל. Damit können Menschen bezeichnet werden, die Gott nicht kennen oder Götzendienst betreiben (Dtn 13,14; 1 Sam 2,12), Verbrecher (Ri 19,22; 20,13), Abtrünnige (2 Sam 20,1) oder Toren (Spr 6,12; 16,27; 19,28). In der LXX werden diese Begriffe dann keineswegs einheitlich übersetzt, sondern teilweise mit υἱοὶ λοιμοί (e.g. 1 Sam 2,12; 10,27), υἱοὶ παρανόμων (1 Kön 20,10.13), ἀνομία (e.g. Ps 17,5), in den Sprüchen mit ἄφρων. Im Anschluss an eine umfassende Analyse stellt Fritz Röcker fest, dass die Textüberlieferungen der Septuaginta Belial vorzugsweise mit Worten des Stammes übersetzt -νομ- übersetzt: (παρα-/α-)νομ-(-ος/-ια).124 Das zeugt wiederum von der sachlichen Nähe zu gottwidrigem Handeln und letztlich zur Sünde. Gleichwohl ist ersichtlich, dass mit בליעלnoch keine eigenständige Figur indiziert wurde.
Belial findet sich in den Qumran-Fragmenten besonders häufig in gruppenspezifischen Texten und zwar vor allem in traditionellen Textgattungen wie historischen Paraphrasen, Hymnen und Beschwörungsformeln. 125 Dabei wird ‚Belial‘ in verschiedenen Wendungen und Zusammenhängen wiedergegeben: ‚Los Belials‘ ()גורל בליעל,126 Anführer der ‚Söhne der Finsternis‘ ()בני חושך, böser Geister (1QS)127 und den ‚Sturzbächen Belials‘ (נחלי בליעל, v.a. 1QHa).128 Dabei ist von Belial zumeist in einem eschatologischen Kontext die Rede, sein Wirken gehört zur Endzeit, welche als ‚Herrschaft Belials‘ ( )ממשלת בליעלbezeichnet wird.129 Der gegenwärtige aber vergehende Äon wird durch Angst, Terror und Verfolgung sowie durch Schuld und Übertretung charakterisiert. Besonders bedeutsam ist dabei die Vorstellung, dass die ‚Armee Belials‘ (חיל בליעל, 1QS) im endzeitlichen Krieg mit den ‚Söhnen Gottes‘ bzw. den ‚Söhnen des Lichts‘ steht. Gleichwohl gilt der Machtbereich Belials als begrenzt. Somit kann festgehalten werden, dass sich auch in den gruppenspezifischen Qumran-Texten kein einheitliches Belial-Bild findet.
S. D. SPERLING, Art. Belial, 169. Eine detailliertere, thematisch gegliederte Auswertung der atl. Stellen findet sich bei F. W. RÖCKER, Belial und Katechon, 26–49. 124 F. W. RÖCKER, Op. cit., 22–23. 125 A. STEUDEL, Der Teufel in den Texten aus Qumran, 194. Siehe 1QHa (11x), 1QS (5x), 1QM (33x), 4Q177 (10x), CD (6x), sowie 4Q177 (Catena A) und 11Q13 (Melch). 126 Weiter ‚Belial und alle Männer seines Loses‘ (כול אנשי גורלו, 1QM IV 2) oder ‚Männer des Loses Belials‘ (אנשי גורל בליעל, 1QS II 4–5). 127 E.g. Belial und ‚alle Geister seines Loses‘ (כול רוחי גורלו, 1QM XIII 2). 128 Diese Wendungen finden sich sowohl unabhängig als auch kombiniert ()בני חושך בחיל בליעל. Allenfalls ist zu fragen, ob ‚Los Belials‘, ‚Sturzbäche Belials‘ oder ‚Männer des Loses Belials‘ noch als frühe, apersonal zu denkende Stufen in der Entwicklung bezeichnet werden können. 129 Weiter wird Belial e.g. für das Abfallen der Menschen von Gottes Geboten verantwortlich gemacht (e.g. 1QS III 20–25 oder 1QM XIII 10–12). 123
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In den Schriften des frühen Judentums kommt ‚Teufelsfiguren‘ bereits weit mehr Aufmerksamkeit zu als in der hebräischen Bibel. Zumeist wird die gräzisierte Form von שָׂ טָ ן, Σατανᾶς, verwendet. Damit liegt nun vermutlich ein Eigenname vor oder zumindest ist von einer ‚personalen Figur‘ (einem ‚Individuum‘) die Rede. Diese Verschiebung ist möglicherweise auch auf den Sprachwechsel zurückzuführen: Die Transliteration (mit Großschreibung) wirkt namenhaft und verleiht dem damit Bezeichneten personalen Charakter. Außerdem wird im Griechischen mit ‚Satan‘ keine inhaltliche Bedeutung mehr verknüpft. Zwei weitere Figuren stehen ‚Satan‘ in Namen und Funktion nahe:130 Sam(m)a’el und Satanail (siehe bei 2 Hen). Beide begegnen noch äußerst selten.131 Alternativ und z.T. parallel zu Satan begegnet auch die Bezeichnung ὁ διάβολος, welche dann in frühchristlichen Texten besonders wichtig wird. Auch ‚Diabolos‘ kann (ähnlich wie Satan im Hebräischen) apersonal verwendet werden. Zumeist wird aber ein numinoses Wesen mit Diabolos bezeichnet. Vor allem in den Testamenten der zwölf Patriarchen begegnet die Figur Βελιάρ als Repräsentant des Bösen und wird dabei in ähnlichen Kontexten wie Belial in den Qumranhandschriften genannt. Dabei begegnet mit Beliar wiederum eine (‚apersonale‘) kosmische Macht. In den Patriarchentestamenten wird Beliar in Zusammenhang mit widergöttlichem Tun aufgeführt (so TestRub, TestSim, TestLevi, TestIss, TestBen; weiter VitProph und Sib); sodann werden verschiedene menschliche Laster auf Beliars Wirken zurückgeführt und auch die Geister, die die Menschen zu Lastern verführen, werden mit dem Wirken Beliars in Verbindung gebracht (TestLevi, TestJud, TestIss, TestDan, TestJos und TestBen). Wie in vielen Qumran-Fragmenten gilt Beliar als Herrscher über die Menschen (TestDan und TestAss), der dereinst gebunden werden wird (TestLevi) und mit Gott im Krieg steht (TestDan und TestBen).
Der vorangehende Überblick zeigt, dass der Rede von Teufelsfiguren eine Entwicklung zugrunde liegt: Zu Beginn dieses Prozesses stehen einzelne Begriffe sowie ältere Vorstellungen und Traditionen. Begriffe wie שָׂ טָ ןoder בְּ לִ ַיּ ַﬠלwerden dabei zunächst auf vielseitige Art und Weise und eher unspezifisch für menschliche Gegner oder als menschliche Kategorie verwendet (in constructus-Verbindung mit ִאישׁoder )בְּ נֵי. Sodann können bereits auch quasinuminose Opponenten als ‚Satan‘ bezeichnet werden, jedoch ohne dass damit
Reeg notiert sodann auch die inhaltlichen Unterschiede zwischen Satan und Sama’el (e.g. das Attribut רשע, das nie für Satan gebraucht wird). Cf. G. REEG, The Devil in Rabbinic Literature, 81–83 und J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 11–12. 131 Samael begegnet dann vor allem im babylonischen Talmud, sowie in der AscJes; Satanail findet sich in erster Linie in 2 Hen (s. dort). Zu Sama’el im babylonischen Talmud cf. H. FREY-ANTHES, Art. Satan, 3.3. 130
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
eine einzelne, spezifische Figur des Bösen bezeichnet würde. Mit der Voranstellung eines Artikels wird die Funktion spezifischer, allerdings kann dann aber zumindest im hebräischen Sprachgebrauch kein Eigenname verstanden werden (anders im Griechischen). In den Texttraditionen des frühen Judentums werden numinose Mächte dann vermehrt mit ‚Satan‘ bezeichnet. Diese Bezeichnung schillert gleichsam zwischen Person und Funktion und ist nicht auf das eine oder andere festzulegen. ‚Satan‘ ist (noch) nicht der Name einer konkreten Figur.132 Diese Entwicklung ist auch in den neutestamentlichen Texten noch nicht abgeschlossen (e.g. Mk 8,33 par Mt 16,23). Es scheint, als würden Phänomene, die mit Begriffen wie שָׂ טָ ןoder בְּ לִ ַיּﬠַל und damit assoziierten Erfahrungen und Erlebnissen in Verbindung gebracht wurden, nach und nach zu spezifischen Figuren hin ‚verdichtet‘: Der oder ein Anfeinder und Widersacher ‚wird‘ zum Satan, oder die Erfahrung von Anfeindung wird in ein numinoses Wesen ‚personalisiert‘; gleiches gilt für ‚Belial‘: Wertlosigkeit und Boshaftigkeit ‚werden‘ zu Belial. In den folgenden Jahrhunderten werden diese Bezeichnungen dann zunehmend nur noch namenhaft gebraucht, sowohl in der jüdischen als auch in der christlichen Tradition. Die ursprüngliche Bedeutung gerät dabei in den Hintergrund, vor allem aber werden die Bezeichnungen austauschbar und schließlich für eine einzelne Figur des Bösen, den Teufel, verwendet. Eine abschließende Bemerkung betrifft das lange Fehlen einer bildlichfigürlichen Beschreibung (eine Ausnahme ist ggf. der Drache in der Offb oder die Figur in ApcAbr). Dies mag als weiteres Indiz für eine zunächst eher funktionale Teufelsvorstellung gelten. Es bleibt dabei unklar, ob Teufelsfiguren überhaupt bildlich vorgestellt wurden und wenn ja, wie; insofern ist auch unklar, wie materiell sie gedacht wurden und was für ein ‚ontologischer Status‘ ihnen zugemessen wurde. Später freilich haben sich präzise Verbildlichungen herausgebildet, die dem frühjüdischen sowie dem frühchristlichen Denken aber noch weitgehend fremd sind.133 Wie die Entwicklung vom Begriff zur Bezeichnung im frühen Judentum zu erklären und wo sie historisch und religionsgeschichtlich einzuordnen ist, ist freilich umstritten. Häufig wird das babylonische Exil als Erfahrungshintergrund angeführt; ebenso wird mit zoroastrisch-dualistischem Einfluss gerechnet, was bereits im Hinblick auf die Zwei-Geister-Lehre problematisiert wurSiehe weiter H.-J. FABRY, ‚Satan‘ – Begriff und Wirklichkeit, 286. Siehe M. A. de LA TORRE/A. HERNÁNDEZ, The Quest for the Historical Satan, 131: „Historian Robert Muchembled reminds us that by the time of the Coucil of Toledo in 447 CE, Satan is physically described as being ‚a tall, black creature, horned and clawed, with asses‘ ear, glittering eyes and gnashing teeth, endowed with a large penis and giving off a sulphurous smell‘ […].“ 132 133
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de. Gelegentlich werden Teufelsfiguren auch als Chiffren für fremdländische Aggressoren interpretiert.134
Satan kommt in den meisten Texten eine soziale Funktion zu, indem er gleichsam als Chiffre existenzieller Bedrohungen gelten kann: „The concept of Satan corresponds to the various and multifarious experiences of evil in personal and social every-day life. While caution should be urged as to simple causalities, it is clear that in the literary contexts the devil appears as a cipher for an existential political, cultural or personal threat; in the personification of the devil, evil becomes visible. On the one side, evil is experienced as an occurrence like disease and death, the causes of which are grounded outside human influence and therefore demand a cosmological explanation. On the other side, the devil helps to make clear for the in-group what is evil and which behavior is wrong.“135
Dass bestimmte Erfahrungen zu diesen Entwicklungen beigetragen haben, legt sich durchaus nahe. Gleichwohl wird man diese Entwicklung nicht auf einzelne Faktoren zurückführen können, zumal gerade keine systematisierte Satanologie zu beobachten ist. Vielmehr scheinen verschiedene Vorstellungen und Traditionen nebeneinander zu stehen und je länger je mehr verbunden zu werden.
Schließlich sind mit einer aufkommenden Satanologie auch anthropologische und theologische Implikationen verbunden. Wo ‚Satane‘ am Werk sind und mit dem ‚Bösen‘ in Verbindung gebracht werden, da ist Gott – wie auch immer dessen Relation zum ‚Satan‘ gedacht wird – nicht direkt mit dem erfahrenen Bösen in Verbindung zu bringen. Der Ursprung des Bösen ist also gewissermaßen in der göttlichen Sphäre zu lokalisieren, womit der Mensch von seiner alleinigen Verantwortung für das Böse entlastet wird. Zugleich wird ‚der Satan‘ aber auch von Gott abgerückt. Mit der sich entwickelnden Satanologie bewegt sich die Theologie also immer weiter von einer monistischen Vorstellung, wie sie sich in Jes 45,4–7 findet, weg. Demgegenüber kommt den satanologischen Erzählungen die Funktion einer mythologischen Theodizee zu.
134 So beispielsweise Pierce: „First, the development of a celestial enemy was heavily influenced by the Jews’ experience under Babylonian and Persian rule. Exposure to Zoroastrianism with its emphases on cosmic dualism played a fundamental role in the expansion of the good versus evil dichotomy found in early Judaism. […] Second, the concept of Satan as a personification of evil solidified with the rise of brutal enemies who oppressed Israel.“ C. T. PIERCE, Art. Satan, 1198. Cf. weiter O. BÖCHER, Art. διάβολος, sowie G. J. RILEY, Art. Devil, 245. 135 S. SCHREIBER, The Great Opponent, 454.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
3.8 Apokalypsen des ersten Jahrhunderts
3.8.1. Das vierte Esrabuch: Adam und das cor malignum
In 4 Esra wird von der Paradiesepisode zwar nahezu nichts berichtet, doch wird auf Adams Vergehen in der Diskussion um die Interpretation der Tempelzerstörung mehrfach Bezug genommen. 4 Esra wurde vermutlich in Hebräisch oder Aramäisch verfasst, allerdings sind keine Manuskripte in diesen Sprachen erhalten; vorliegend sind dagegen die lateinische Vollversion (Vulgata) und u.a. georgische und syrische Fragmente.136 Zeitlich passt 4 Esra in die Herrschaft Domitians (81–96 n. Chr.), eine spätere Abfassung ist aber ebenfalls möglich. 137 Die Handlung ist während des babylonischen Exils angesetzt (30 Jahre nach der Zerstörung Jerusalems), blickt aber realiter auf die Katastrophe von 70 zurück. Dabei wird Esra in der Erzählfiktion mit dem biblischen Esra138 gleichgesetzt (wobei dieser zeitlich wiederum viel später einzuordnen ist). Die Reflexion der Katastrophe bietet sodann auch die Ausgangslage der theologischen Fragestellung, nämlich dem Verständnis der Zerstörung Jerusalems und des Tempels.139 Dabei muss vorausgeschickt werden, dass 4 Esra von der Vorstellung einer zwei-Äonen-Lehre geprägt ist (siehe v.a. 4 Esra 7). Die Gegenwart ist unter der Prämisse des kommenden Äons als Ort der Bewährung zu verstehen. Die Vorbedingungen der Katastrophe werden in einem Geschichtsrückblick durch einen Dialog zwischen Esra und Gott wiedergegeben. Esra setzt Adams Gebotsübertretung und das darauffolgende Todesverhängnis an den Anfang der Geschichte Israels (4 Esra 3,7).140 Weiter wird von der Sintflut berichtet (ohne Erwähnung der Wächterengel), dann von den Patriarchen Noah, Abraham, Isaak, Jakob und Esau und schließlich von der Gabe des Gesetzes an die Nachkommen Jakobs und die Gabe der Gebote an das Volk Israel. Im Vordergrund vor allem das Scheitern dieser Generationen. Dazu kommt Adam gleichsam als ‚Prototyp‘ aller Menschen zur Sprache. Das Scheitern der nachfolgenden Generationen wird auf sein Vergehen 136 Zwei griechische Übersetzungen sind erhalten: Auf der einen basieren eine lateinische und eine syrische Übersetzung, auf der anderen äthiopische und armenische Versionen, zwei arabische, eine teilweise georgische Version sowie ein koptisches Fragment. Cf. K. M. HOGAN, Art. Ezra, 623–624. Siehe ausführlicher bei M. E. STONE/F. M. CROSS, Fourth Ezra, 1–9. 137 Clemens zitiert 4 Esra in Stromata, somit muss um ca. 190 n. Chr. eine griechische Fassung vorgelegen haben. Cf. K. M. HOGAN, Art. Ezra, 624. 138 Zur pseudepigraphen Figur Henochs siehe J. J. COLLINS, Enoch and Ezra, 91–92. 139 Siehe dazu ausführlicher P. METZGER, Das böse Herz, 226–229. 140 4 Esra wird nach der JSHRZ-Ausgabe nach der Lat.-Edition der Stuttgarter VulgataAusgabe gezählt und zitiert (J. SCHREINER, JSHRZ V.4).
3. Rezeption im frühen Judentum
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(cf. 4 Esra 3,7) zurückgeführt. Dabei wird hier die Motivation für die Übertretung des Gebots erläutert: Weil er ein böses Herz hat (3,20–22).141
„20 Aber du [sc. Gott] hast das böse Herz (cor malignum) nicht von ihnen weggenommen, damit dein Gesetz in ihnen Frucht brächte. 21 Weil er nämlich ein böses Herz (in sich) trug, verging sich der erste Adam (primus Adam) und wurde besiegt, ebenso aber auch alle, die von ihm abstammen. 22 So entstand eine dauernde Krankheit (permanens infirmitas): das Gesetz im Herzen des Volkes zusammen mit der Wurzel des Bösen; das Gute schwand, das Böse blieb.“142 Die Thematik des bösen Herzens wird dann aber nicht weiter erläutert. Konrad Schmid interpretiert dieses dann lediglich als sachliches Problem: „Woher das ‚böse Herz‘ kommt, ist nicht (oder mit 14,47 nur für die Weisen) beantwortbar […]. Sein Vorhandensein ist eine gegebene, je und je zu beobachtende Realität – aber man kann es ‚aus seiner Rohheit herausführen‘ (erudire […]).“
Das theologische Problem wird mit dem Hinweis auf Gottes Souveränität beantwortet; Esra wird darauf „[…] verwiesen, dass er als Mensch Gottes Pläne nicht durchschauen kann“143 (s. auch Hi 38). Darauf interveniert Esra, er wollte nicht die kosmischen Geheimnisse erkunden, sondern nur warum „Israel zur Schmach den Heiden ausgeliefert“ sei (4 Esra 4,23b). Gottes Antwort führt die Schlechtigkeit der Menschen vor Augen und begründet jene in der Schöpfung Adams: In Adams Herz wurd ein ‚Korn des bösen Samens‘ gesät (4,28–30).
„28 Denn das Böse, wonach du mich fragst, ist ausgesät; aber seine Ernte ist noch nicht gekommen. 29 Bevor also nicht geerntet ist, was ausgesät war, wird der Acker nicht erscheinen, wo das Gute gesät ist. 30 Denn ein Korn des bösen Samens wurde am Anfang in das Herz Adams gesät (granum seminis mali seminatum est…). Doch wieviel Sündenfrucht hat es bisher hervorgebracht und wird es hervorbringen, bis die Ernte kommt.“
Somit wird die Möglichkeit des Bösen in der Schöpfung verankert, wie aber später ersichtlich wird, in die Verantwortung des Menschen übergeben.
In einem späteren Redegang wird die Thematik der Gerechtigkeit erneut aufgegriffen: Esra fragt, warum es den Völkern, die Gott nichts sind, gut ginge (6,56), während Israel, der ‚Erstgeborene und Liebling Gottes‘, darben müsser (6,58). In Gottes Antwort wird Adams Gebotsübertretung für den leidlichen Zustand verantwortlich gemacht (7,11–12): „11 Denn ihretwegen [sc. Israel] habe ich die Welt erschaffen. Als aber Adam meine Gebote übertrat, wurde das Geschaffene gerichtet. 12 Da wurden die Zugänge in dieser Siehe dazu auch P. METZGER, Das böse Herz, 234. Im bösen Herzen lässt sich zumindest sachlich eine ‚Vorform‘ des ‚bösen Triebs‘ erkennen. Auch die Vorstellung des bösen Herzens bedarf keiner dämonischen Kräfte, sondern ‚internalisiert‘ das Dämonische in den Menschen. Ob unter dem ‚bösen Herzen‘ aber bereits dasselbe verstanden werden soll wie unter dem ‚bösen Trieb‘, ist sehr umstritten. Cf. W. HARNISCH, Verhängnis und Verheißung der Geschichte, 44–51. 143 P. METZGER, Das böse Herz, 227. 141 142
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Welt eng, leidvoll und beschwerlich, wenig und böse, voll von Gefahren und mit großen Nöten behaftet.“144 Schließlich hinterfragt Esra den Sinn des Menschseins (7,116–126) und führt Adam als Ursache des menschlichen Verhängnisses vor (7,118–119): „118 Ach, Adam, was hast du getan? Als du gesündigt hast, gereichte es ja nicht zum Sturz für dich allein, sondern auch für uns, die wir von dir stammen. (O tu quid fecisti, Adam? si enim tu peccasti, non est factum solius tuus casus sed etnostrum qui ex te advenimus.) 119 Denn was nützt es uns, daß uns die unsterbliche Welt (inmortale tempus) verheißen ist, wir aber sterbliche Werke getan haben…“145 Während Esra in Bezug auf das eschatologische Schicksal des Menschen einen fatalistischen Standpunkt vertritt, stellt Uriel, der angelus interpres, demgegenüber die Verantwortung jedes Menschen heraus (7,127–129).
„127 Das ist der Sinn des Kampfes, den der Mensch kämpft, der auf Erden geboren ist (hoc est cogitamentum certaminis, quem certavit qui super terram natus est homo), 128 daß er, wenn er unterliegt, das leiden muß, was du gesagt hast, wenn er aber siegt, das empfängt, was ich gesagt habe. 129 Denn das ist der Weg, von dem Mose gesprochen hat, als er (noch) lebte, indem er zum Volk sagte: Wähle dir das Leben, damit du lebst (elige tibi vitam ut vivas).“
Der Mensch wird als Schöpfungswerk Gottes grundsätzlich positiv bewertet;146 dass Adam bzw. der Mensch dann allerdings zum Sünder wird, liegt in der eigenen willentlichen Übertretung des Gebotes Gottes. Die Möglichkeit der Sünde in der Schöpfung Gottes wird zwar schöpfungsgemäß im Menschen verankert, in ihrer Ausführung jedoch in die Verantwortung des Menschen gestellt: „Theologisch lehnt der IV Esr also die Vorstellung einer unentrinnbaren Erbschlud Adams ab und behaftet den Menschen bei seiner eigenen Verantwortung.“147 So kommt Adam als paradigmatischer erster Sünder zur Sprache,148 zugleich wird deutlich, dass jeder Mensch vor die Wahl zwischen Gut und Böse gestellt ist. Das Korn bösen Samens („granum
Weil Adam das Gebot übertrat, ist die Schöpfung, die um Israels Willen geschaffen wurde, ‚gefallen‘; so ist Israel Teil der Welt, die von Kampf und Leid geprägt ist. Zugleich besteht für Israel durch die Torah die Möglichkeit, das böse Herz zu bekämpfen und am neuen Äon Anteil zu haben. Siehe P. METZGER, Das böse Herz, 241–242. 145 Lateinisch nach der Vulgata. Siehe dazu weiter M. T. BRAND, Evil Within and Without, 138–139. 146 Zur Schöpfung des Menschen siehe J. A. MOO, Creation, Nature and Hope in 4 Ezra, 37–45. 147 P. METZGER, Das böse Herz, 248. 148 Siehe weiter J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 125: „The author of 4 Ezra interprets the figure of Adam according to his Tendenz. Because he regards the present age as an age of torment, despair, and trials, Adam, the first man of the present age, is entirely a negative figure. The impact of the only positive statement, 6.45–59, is effectively vitiated in 7.11–14, and an underlying tradition about Adam’s existence in paradise (3.6) is suppressed.“ 144
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seminis mali“), das in Adams Herz gesät wurde, scheint allen Menschen inhärent zu sein: Adam gilt als erster gefallener Mensch (cf. 4,30), seine Sünde steht aber nicht in kausaler Verbindung mit der Sünde aller Menschen.149 Vielmehr gilt das Leben des Menschen grundsätzlich als Kampf gegen den bösen Sinn,150 das cor malignum ist der Grund (und nicht die Folge) des Scheiterns der Menschheit (7,48).151 Der Mensch kann den Kampf gewinnen, wenn er sich an Gott und seine Gebote hält. Insofern steht die Gerechtigkeit Gottes nicht zur Debatte, denn das eschatologische Schicksal des Menschen liegt einzig in dessen Entscheidung (cf. 8,60: Gott hat nicht gewollt, dass die Menschen verloren gehen). Für Esra, der jeweils eher den fatalistischen Standpunkt vertritt, bleibt schließlich nur die Hoffnung auf Gottes Gnade.152 Diese Hoffnung ist nach Uriel jedoch vergeblich. „Wohl war Gott bislang und vielerorten gnädig, so Uriel, aber nicht aus Gnade, sondern weil er die Zeiten so vorherbestimmt hat (7,47). Gnade ist lediglich ein befristeter Programmpunkt Gottes für den vergänglichen und bald vergangenen ersten Äon.“153 Gottes Gnade lediglich als „Notbehelf“ betrachtet, Gott ist demgegenüber „gnadenlos gerecht“: „Das ist die himmlische Antwort, die Esra auf seine Gnadentheologie präsentiert bekommt […].“154 Diese „konsequent gedachte Gesetzestheologie“ verweist den Menschen „trotz seines ‚bösen Herzens‘ an das Gesetz und nicht an die Gnade“.155 In den Gesprächen zwischen Esra und Uriel begegnen somit verschiedene theologische Standpunkte. Dabei stellt sich die Frage, welche Position den Standpunkt des Verfassers widergibt. Michael Stone einerseits geht davon aus, dass aus Esras Stimme das Erleben des Autors klingt.156 Es erscheint allerdings gewinnbringender für die gesamttheologische Interpretation, die verschiedenen Standpunkten als Reflexion
Cf. J. R. LEVISON, Op. cit., 126. 7,92 beschreibt die Freuden derer, die zu Gott eingehen: Die erste Freude ist, dass sie gekämpft haben und sich nicht von ihrem ‚bösen Trieb‘ haben besiegen lassen. Dieser hätte sie in den Tod geführt; siehe dazu M. E. STONE/F. M. CROSS, Fourth Ezra, 65–67. 151 Im weiteren siehe G. BOCCACCINI, The Evilness of Human Nature in 1 Enoch, Jubilees, Paul, and 4 Ezra, 72. 152 Cf. weiter M. T. BRAND, Evil Within and Without, 141: „On the one hand, Ezra accepts that the destruction of the Temple is punishment for Israel’s sins. On the other hand, these sins, whose scale does not seem to match the enormity of the punishment received, are nearly inevitable as part of the human condition. The ‚solution‘ proposed in 4 Ezra that this situation will only be righted during the eschaton or after death […] is a sad expression of what must have seemed an almost impossibly grim reality to the author.“ 153 K. SCHMID, Die Zerstörung Jerusalems und seines Tempels als Heilsparadox, 189. 154 Ibid. 155 K. SCHMID, Op. cit., 195. 156 M. E. STONE/F .M. CROSS, Fourth Ezra, 33. 149 150
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einer theologischen Debatte zu betrachten.157 Nach Miryam Brand liegt hier die Diskussion zwischen dem philosophischen Ideal des freien Willens, wie er in Ben Sira oder bei Philo ersichtlich wird (Standpunkt Uriels), und dem Trieb zum Sündigen, wie er in Gebeten in Qumran zur Sprache kommt (Standpunkt Esras) vor. Brand kontextualisiert diese Auseinandersetzung im Rahmen der historischen Ereignisse; in 4 Esra und 2 Bar werden andere Problemstellungen bewältigt als in Texten, die vor der Katastrophe von 70 verfasst wurden.
„The concepts of human freedom and of the innate evil inclination are found in works that predate the destruction […]. In contrast, the idea of ‚original sin‘ (namely that sin somehow resulted from Adam’s actions before the expulsion from Eden) is prominent only in 4 Ezra and 2 Baruch, and is barely alluded to in works that precede the destruction, with the possible exception of Rom 5:12–21 and 1 Cor 15:20–22.“158 Diese These ist sowohl theologisch als auch historisch nachvollziehbar. Zwar liegt mit Paulus tatsächlich eine Ausnahme vor, doch darf dabei nicht vergessen werden, dass für Paulus eine völlig andere Thematik im Mittelpunkt steht (s.u.).
Die Aussagen Esras und Uriels können als Antworten auf die Krise gelten, die die Zerstörung des Tempels ausgelöst hat und dem scheinbaren Widerspruch zum Glauben an einen guten und gerechten Gott.159 In den Standpunkten Esras und Uriels ist die Frage nach dem Unheil Israels eine anthropologische Frage. Während andere Texte vom Wirken böser Geister oder Dämonen ausgehen, wird der Konflikt hier in das Innere des Menschen verlegt (‚Korn bösen Samens‘, ‚böses Herz‘). Wenn die Schuld Adams („Ach, Adam, was du getan?“, 7,118) auch relativiert wird, so ist dennoch ersichtlich, dass der Sünde Adams besondere Bedeutung zugedacht wird. Dabei wird auf Gen 3 eigentümlich wenig Bezug genommen, obwohl eine Kenntnis der Ereignisse vorausgesetzt wird. Gleichwohl ist die Erzählung von Adams Übertretung somit die Erzählung, mittels derer die Frage nach Sünde, Tod und eschatologischem Schicksal erläutert werde. 3.8.2. Das zweite Baruchbuch: Jeder ist sein ‚eigener Adam‘
In 2 Bar findet sich nebst wesentlicher Unterschiede eine ähnliche Denkstruktur wie in 4 Esra: Auch hier greifen die ‚Urschuld‘ Adams und die Verantwortung jedes Einzelnen ineinander; auch in 2 Bar wird somit zunächst die 157 Dazu grundlegend W. HARNISCH, Verhängnis und Verheißung der Geschichte sowie K. M. HOGAN, Theologies in Conflict in 4Ezra und E. BRANDENBURGER, Adam und Christus: Exegetisch-religionsgeschichtliche Untersuchung zu Röm 5,12–21. 158 M. T. BRAND, Op. cit., 143. Siehe im weiteren M. T. BRAND, Op. cit., 142–143. 159 Siehe L. DI TOMMASO, Who is the ‚I‘ of 4Ezra?, 130–131. DiTommaso interpretiert die Figur Esras dann als Ausdruck der früheren Position des Autors und die Figur Uriels als Ausdruck der Lösung die der Autor für das Problem gefunden habe. Damit ist er dann auf der Linie von Michael Stone.
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Schuld Adams betont, welcher im Folgenden Konsequenzen für alle kommenden Generationen zugedacht wird. Wie in 4 Esra steht die Rezeption von Gen 3 hier im Rahmen der Frage nach dem Schicksal Israels und dem Zorn Gottes (2 Bar 48,1–25). Im Dialog zwischen Gott und Baruch hält Gott am Gericht fest (48,26–41), indem er die Verantwortung gleichsam an die Menschen zurückgibt („Denn jeder der Bewohner der Erde wußte, wann er ungerecht handelte, und sie erkannten mein Gesetz nicht ihres Stolzes wegen.“, 48,40). Schließlich wird in Baruchs Replik auf die Schuld Adams rekurriert (48,42–43): „42 Oh, was hast du, Adam, getan an allen, die aus dir geboren sind? Was wird man von der ersten Eva sagen, daß sie der Schlange gehorcht hat, 43 so daß zum Untergang diese ganze Menge geht und Ungezählte (dann) das Feuer verschlingt.“ Neben Adam kommt hier auch Eva zur Sprache, wobei für die Argumentation von 2 Bar jedoch nur Adam von Relevanz ist. Die weiteren Umstände der Gebotsübertretung werden aber nicht thematisiert. Mindestens ebenso deutlich wie in 4 Esra rückt Gen 3 hier als locus classicus des Ursprungs des Bösen und des tragischen Schicksals der Menschheit in den Blick. Im Folgenden macht der Verfasser dann deutlich, dass das ‚damalige‘ Vergehen nicht in irgendeiner Art und Weise ‚erblich‘, das heißt schicksalsbedingt, fortgeführt wird.160 Nicht ‚aus Adam geboren‘ zu sein ist das Verhängnis, sondern jenen zu imitieren (cf. 2 Bar 54,15): „Zwar sündigte einst als erster Adam und hat damit vorzeitigen Tod gebracht für alle, doch hat von denen, die aus ihm geboren sind, ein jeder auch sich selbst zukünftige Strafe bereitet. Und also wählte ein jeglicher auch für sich selbst die künftige Herrlichkeit.“ Adam gilt zwar gewissermaßen als Paradigma der Sünde, indem er für den physisch vorzeitigen Tod aller verantwortlich gemacht wird.161 Der Tod als Folge der Sünde ist im Hinblick auf das künftige Schicksal somit eschatologisch und nicht physisch zu verstehen.162 Das eschatologische Schicksal (die ‚künftige Herrlichkeit ‘) liegt schließlich in der Hand des Individuums (54,19): „Somit ist Adam einzig und allein für sich der Grund; wir alle aber wurden Stück für Stück zu Adam für uns selbst.“ Somit liegt auch hier eine gewisse Spannung zwischen der Verantwortung Adams und der Verantwortung des Einzelnen vor.163 Gerade diese wird vom Verfasser von 2 Bar aber explizit betont, wobei sich die Frage stellt, ob er sich gegen eine andere theologische Lehrmeinung abzugrenzen versucht.164 Dazu J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 136. Siehe 17,3; Adam lebte 930 Jahre, Moses sodann nur noch 120. 162 Cf. dazu P. SCHÄFER, Adam in der jüdischen Überlieferung, 73. 163 Cf. die Ausführungen bei J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 135– 137. Cf. ebenfalls L. L. GRABBE, ‚Better Watch Your Back, Adam‘: Another Adam and Eve Tradition in Second Temple Judaism, 280. 164 Dieselbe Frage könnte sodann auch für 4 Esra gestellt werden. Siehe im Weiteren J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 138. 160 161
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Weiter spielt Adam dann in der späteren Argumentation um die Heilsbzw. Unheilsgeschichte Israels eine wichtige Rolle.
Auf den Fall Adams werden folgenden Übel genannt: Der vorzeitiger Tod,165 Trauer, Trübsal, Krankheit, Mühsal, Prahlerei bzw. Stolz, Kinderzeugen bzw. die Wegnahme von Kindern,166 die Leidenschaft der Eltern,167 die Erniedrigung der Erhabenheit der Menschen und das Schwinden der Güte (56,5–6). Außerdem wird an anderer Stelle der Verlust des Paradieses genannt (4,4).168 Die insgesamt elf genannten Übel können vermutlich als ‚gegenwärtige Plagen‘ betrachtet werden, welche im Horizont der Tempelzerstörung zu kontextualisieren sind.
Die urzeitliche Übertretung Adams wird im Rahmen der Schilderung der schwarzen und weißen Wasser, die symbolisch für negative bzw. positive urzeitliche Ereignisse stehen, als Ausgangspunkt verschiedenster Übel interpretiert (56,7–9): „7 Was könnte darum schwärzer sein und dunkler noch als diese Dinge? 8 Dies ist der Anfang nun der schwarzen Wasser, die du gesehen hast. 9 Aus diesen schwarzen Wassern entstanden wieder schwarze (Wasser), und das sehr dunkle Dunkel kam hervor.“ Hier nun verbindet sich die AdamTradition mit der Wächtertradition, indem Adam auch für das Vergehen der Wächter verantwortlich gemacht wird (56,10): „Denn jener Adam, der zunächst Gefahr war für sich selbst, war auch Gefahr dann für die Engel. Sie hatten ja auch Freiheit in jener Zeit, als er geschaffen wurde. Und einige von ihnen stiegen ab (zur Erde), um sich mit Frauen zu vermischen. […]“169 Die genaue Verbindung zwischen Adam und Wächtern wird nicht erläutert, liegt aber vermutlich in der ‚Nachahmung Adams‘. Die sachliche Vorordnung Adams in dieser Form ist bemerkenswert: Das bis um die Zeitenwende dominierende Paradigma der Wächterengel wird von Adam, der nun sogar als ‚Initiator‘ der Sünde der Wächter gilt, ‚abgelöst‘. Wie auch 4 Esra liegt in 2 Bar ein interpretatorischer Schwerpunkt auf dem ‚freien Willen‘ des Menschen. Allerdings nutzt der Autor von 2 Bar Adam als ‚theologischen Vorfahren‘, um für den freien Willen zu argumentieren, währendem der Autor von 4 Esra zumindest die Möglichkeit erörtert, dass alle Menschen durch Adams Sünde moralisch beeinträchtigt wurden: „The question of hereditary sinfulness gains no foothold in 2 Baruch, in which the belief in individual responsibility determines the author’s view of Siehe 17,3: „Er brachte nur den Tod und schnitt die Jahre derer ab, die aus ihm geboren waren.“ Weiter auch 23,4. 166 Siehe dazu J. R. LEVISON, Op. cit., 140 sowie D. M. GURTNER, Second Baruch, 99. 167 Möglicherweise liegt hier eine (negative) sexuelle Deutung von Gen 3 vor: „The word, rtḥ’, literally ‚bubbling up‘, connotes the desire […]. The sexual nuances may lead us to suspect that the inclusion of this element is due to the author’s interpretation of Genesis 3. Only after the tragedy of Adam’s transgression do Adam and Eve produce children.“ J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 141: 168 Zum Ganzen siehe J. R. LEVISON, Op. cit., 139–141. 169 In der Übersetzung wurden ‚Weiber‘ durch ‚Frauen‘ ersetzt. 165
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the effects of Adam’s sin.“170 Schließlich gilt auch für das zweite Baruchbuch, dass nicht mit dem Einfluss von Dämonen oder teuflischen Mächten gerechnet wird: „Kein Teufel, kein Engel entlastet die Menschen von der Haftung für ihr Tun.“171 Die Kontinuität zu Adam liegt in dessen Imitation. 3.8.3. Die Apokalypse des Abraham: Azaz’ēl im Paradies
Anders als die bisher betrachteten Apokalypsen, die die Ursprünge des Übels auf der Welt mit Adam in Verbindung bringen und Gen 3 nicht satanologisch deuten, kommt in der Apokalypse des Abraham eine Auslegung von Gen 3 zur Sprache, die der Teufelsfigur, die hier Azaz’ēl heißt, eine bedeutsame Position im urzeitlichen Drama zukommen lässt. Die ApcAbr ist zeitlich in der Nähe von 4 Esra und 2 Bar zu verorten (zw. 70 und 100/150 n. Chr).172 Sie ist u.a. in Kirchenslawisch überliefert und kann als „Bindeglied zwischen der antiken jüdischen Apokalyptik und der rabbinischen bzw. spätantikjüdischen Hekhalot-Literatur“ bezeichnet werden.173 Zugleich ist mit verschiedenen (christlichen) Interpolationen zu rechnen (e.g. Kapitel 29).174 In der Apokalypse Abrahams wird zunächst von der ‚Bekehrung‘ Abrahams erzählt (Kapitel 1–8), worauf das Weltgeschehen in Visionen Abrahams vor Augen geführt wird (Kapitel 9–32). In einer von insgesamt sieben Visionen wird Abraham das Paradies gezeigt; dabei sieht er ein Mann und eine Frau, die sich unter einem Baum umarmen; dahinter steht eine obskure Figur (ApcAbr 23,5): „[…] wie eine Schlange, sie hatte Hände und Füße, die denen eines Menschen glichen, und an den Schultern Flügel: sechs rechts und sechs links; und sie hielt in der Hand eine Traube von dem Baum.“175 In der physischen Beschreibung der Figur wird sowohl auf die Schlange als auch auf einen Engel angespielt (anthropomorphe Gestalt, Flügel). Auf die Frage Abrahams hin erläutert Gott das Bild (ApcAbr 23,8): „Dies ist der Trieb der Menschen, dies ist Adam; und dies ist ihre Begierde auf Erden, dies ist Eva; und das, was zwischen ihnen ist, das ist die Gottlosigkeit ihres Unternehmens zum Verderben, das ist Asasel selbst.” Jede der drei Figuren wird allegorisch gedeutet: Adam steht für den Trieb, Eva für die Begierde, womit sich gleichsam erahnen lässt, dass das Vergehen der ersten Menschen mit deren nicht kontrollierter Triebhaftigkeit und Begierde in Zusammenhang gestellt wurde. J. R. LEVISON, Op. cit., 143, weiter 142–143. K. KOCH, ‚Adam, was hast Du getan?‘, 210. 172 Cf. G. S. OEGEMA, Apokalypsen, 119. 173 G. S. OEGEMA, Op. cit., 116. Oegema geht davon aus, dass die slawischen Übersetzungen auf einen griechischen Text mit hebräischem oder aramäischem Einfluss zurückgehen. Siehe G. S. OEGEMA, Op. cit., 118–119. 174 Siehe dazu R. RUBINKIEWICZ, L'Apocalypse d'Abraham en vieux Slave, 63–69. 175 Übersetzungen und Verszählung nach B. PHILONENKO-SAYAR/M. PHILONENKO, JSHRZ V.5. 170 171
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Vom Hergang wird lediglich erzählt, dass Azaz’ēl einst Eva verführte (23,1). Die mehrmalige Erwähnung der Umarmung lässt sodann auf eine sexuelle Deutung schließen. Dabei dürfte „[d]ie Betonung der sexuell-moralischen Gebote […] auf einen weisheitlichen und hellenistisch-jüdischen Hintergrund des Sitzes im Leben hinweisen.“176 Weiter erinnert der Name Azaz’ēl an Lev 16177 und 1 Hen 8ff, wobei hier vermutlich eine Dämonisierung Azaz’ēls vorliegt.178 Die Gottlosigkeit der Menschen wird somit durch einen Versucher repräsentiert, gleichwohl wird in der darauffolgenden Erklärung Gottes deutlich, dass die Möglichkeit der Versuchung nur gegeben war, weil die Menschen offenbar selbst Böses wollten und Gott Azaz’ēl deren Irreführung erlaubte (ApcAbr 23,30):179 „…weil sie das Böse wollen […] habe ich ihm über sie die Macht gegeben, und (ich habe es zugelassen), daß er von ihnen geliebt wird.“180 Die Rolle, die Azaz’ēl in diesem Stück zukommt, wird besser verständlich, wenn dessen Funktion an anderen Stellen kurz erläutert wird: 1) 13,6–12 führt Azaz’ēl im Rahmen von Abrahams Opfergabe ein; er wird da als unreiner Vogel dargestellt und vom Engel Jaoel vertrieben.181 Durch die darauf folgende Rede Jaoels legt sich die Vermutung nahe, dass Azaz’ēl als gefallener Engel zu interpretieren ist: (13,6b-8). „6b Schmach über dich, Asasel! Denn Abrahams los ist im Himmel, das deine aber ist auf Erden. 7 Denn du hast sie gewählt und liebgewonnen im Wohnsitz deiner Unreinheit. Deshalb hat der Urewige Starke Herr dir die Einwohner der Erde gegeben. 8 Und durch dich kommt der allböse und betrügerische Geist, der Zorn und alles Böse auf die Geschlechter der gottlosen Menschen.“
Hier wird deutlich auf eine Herrschaftskonkurrenz zwischen Abraham und Azaz’ēl angespielt, ähnlich, wie sie andernorts zwischen Adam und dem Satan beschrieben wird. Siehe weiter auch 13,12, wobei an das Substitutionsschema in ApcMos erinnert werden kann: „Denn, siehe, das Gewand, das einst im Himmel dein war, wurde ihm abgesondert, und die Verwesung, die früher auf ihm lag, ist auf dich übergegangen.“182 G. S. OEGEMA, Apokalypsen, 126. Weiter S. KRAUTER, Eva in Röm 7, 9. Andrei Orlov geht sodann davon aus, dass hier eine eschatologische Nachstellung von Lev 16 vorliegt. Siehe A. A. ORLOV, Dark Mirrors, 27–46. 178 B. JANOWSKI, Art. Azazel, 130–131. 179 Dabei kommen Vergehen wie Mord (Kain und Abel), sowie Unzucht, Eifersucht, und (vermutlich) Homosexualität zur Sprache. Siehe dazu die Anmerkungen zum Text bei B. PHILONENKO-SAYAR/M. PHILONENKO, Apokalypse des Abraham, 446–447. 180 Siehe weiter 24,3–8. 181 Jaoel wird in der Gestalt eines Greifs dargestellt. Die beiden Wesen sind also in gewissen Aspekten durchaus vergleichbar (‚Vögel‘/Engel), gelten aber gleichfalls als Kontrahenten. Cf. auch A. A. ORLOV, Dark Mirrors, 79. 182 Siehe dazu im weiteren A. A. ORLOV, Op. cit., 47–81. 176 177
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2) Weiter sind die Kapiteln 20 und 22 zu nennen: Gott scheint sich die ‚Völker der Welt‘ mit Azaz’ēl zu teilen, wobei die Abraham verheißene Nachkommenschaft Gott gehört (20,4), verschiedene andere Völker (womit vermutlich die Heiden gemeint sind) aber Azaz’ēl (22,6). Dieser nimmt hier u.a. diejenige Stellung ein, die in ApcMos und VitAd u.a. dem Teufel bzw. Satan zukommt.183 Wiederum wird ersichtlich, wie Funktionen verschiedener Figuren zusammengefasst werden; möglicherweise kann man hier bereits von sich vereinheitlichenden Tendenzen ausgehen.184 So lässt sich festhalten, dass dieselbe ‚Teufelsfigur‘ an verschiedenen Punkten der Unheilsgeschichte lokalisiert wurde, angefangen bei der Urgeschichte, wobei Azaz’ēl, vermutlich ein gefallener Engel, von der Schöpfung an mit der Gottlosigkeit auf Erden in Verbindung gebracht wurde. Die Paradiesepisode steht hier nicht nur am Anfang der Weltgeschichte, sondern zugleich auch am Anfang der Unheilsgeschichte: Adam und Eva gelten gleichsam als Paradigmen der menschlichen Schlechtigkeit, da sie sich von der Gottlosigkeit haben verführen lassen. Dabei scheint allerdings kein kausaler Zusammenhang zwischen der Sünde der ersten Menschen und den nachfolgenden Generationen zu bestehen. Mit dem ‚Bild‘, das Abraham gezeigt wird, wird vielmehr ein grundlegend menschliches Problem erläutert (siehe auch 23,30). Das Problem der Gottlosigkeit wird theologisch kontextualisiert, im gleichen Zuge allerdings wiederum anthropologisch begründet. 3.8.4. Die Apokalypse des Mose: Irreführung durch den Teufel 3.8.4.1. Einführung
Apokalypsen wie 4 Esra und 2 Bar ziehen Aspekte von Gen 3 in exemplarischer Bezugnahme heran und problematisieren in erster Linie das böse Tun der Menschen, wobei Adam als urzeitliches Paradigma herangezogen wird. Dabei interessieren sich die Verfasser von 4 Esra und 2 Bar aber kaum für die eigentliche Erzählung, wie sie sich in Gen 3 findet. Die Apokalypse des Mose demgegenüber bietet eine Nacherzählung von Gen 3, welche primäres Interesse an den Figuren Adam und Eva zeigt. Die Apokalypse des Mose erzählt 183 Siehe weiter R. RUBINKIEWICZ, L'Apocalypse d'Abraham en vieux Slave, 79 sowie C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 130–132. 184 So Jan Dochhorn: „In die Satanologie integriert erscheint Wächterengelüberlieferung [sic.] auch in der slawisch erhaltenen Apokalypse Abrahams, wo der Verführer Adams und Evas – wie einer der wichtigsten Wächterengel – Azazel heißt (vgl. ApcAbr 23 und 1Hen 8,1; 9,6; 10,4.8), doch zeigt dieser Beleg vermutlich nicht mehr, als dass der Teufel sehr viele Namen an sich ziehen konnte.“ J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 8.
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die Geschichte Adams und Evas (ApcMos 1,1) als breit ausgeschmückte, großzügig erweiterte und satanologisch gedeutete Rezeption von Gen 3. Die ApcMos, auch Griechisches Leben Adams und Evas (GLAE), genannt, wurde vermutlich über einen längeren Zeitraum hinweg verfasst, weiter bearbeitet und in diesem Überlieferungsprozess auch maßgeblich erweitert.185 Vermutlich handelt es sich somit kaum um eine ‚normative‘ Schrift, sondern vielmehr um das „Ergebnis methodischer exegetischer Arbeit am hebräischen und griechischen Bibeltext“.186 Von der ApcMos sind verschiedene Versionen erhalten, deren Textumfang sich nicht unerheblich unterscheiden; zudem liegt die Überlieferung in verschiedenen Sprachen vor (Griechisch, Latein, Slawisch, Armenisch, Georgisch).187 Vornehmlich interessant sind zwei Fassungen, nämlich die griechische Apokalypse Mosis, die hier im Fokus steht, und die lateinische Vita Adae et Evae (s.u.).188 Die älteste Fassung liegt in ApcMos vor, von der die Adamviten mit ziemlicher Sicherheit abhängig sind. Die VitAd beinhaltet 22 zusätzliche Kapitel, welche vor dem mit der ApcMos gemeinsamen Inhalt stehen, sowie weitere Ausführungen, die sich in der ApcMos nicht finden. In Bezug auf die Herkunft der ApcMos sowie der VitAd steht zur Debatte, ob sie genuin jüdischer oder bereits christlicher Herkunft sind. Für letzteres spricht zum einen, dass sich deutlich christliche Allusionen finden189 und zum andern, dass ausschließlich christliche Handschriften vorliegen. Dennoch bleibt fraglich, ob mit einer genuin christlichen Komposition zu rechnen ist. Es lässt sich beispielsweise kein Hinweis auf das Heilswerk Christi erkennen, was eher auf jüdische Provenienz mit christlicher Redaktion schließen lässt.190
Cf. J. DOCHHORN, Op. cit., 14. Ibid. 187 Zur Einführung cf. J.-P. PETTORELLI, Art. Life of Adam and Eve und O. MERK/M. MEISER, Das Leben Adams und Evas, 740–787. 188 Hilfreich ist die synoptische Auswertung bei G. A. ANDERSEN/M. E. STONE, A synopsis of the Books of Adam and Eve. 189 „Spezifisch christlich sind […] die Schlußdoxologie in diversen Handschriften der Apokalypse Mosis, das aus dem Nikodemusevangelium eingeschobene Stück VitAd 41,1– 42,2, dessen Parallele ApcMos 13 ohne christliche Bezüge auskommt, sowie der Schluß der in den Handschriften der Klassen II III IV eingeschobenen ausgeführten zweiten Belehrung Adams an Setz VitAd 29,7–10.“ O. MERK/M. MEISER, Das Leben Adams und Evas, 765. Die Frage bleibt ungeklärt. Zur Diskussion cf. im Weiteren J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 9–14. 190 Weiter nennen Merk/Meiser u.a. folgende Begründungen, die allerdings weniger zu überzeugen vermögen: 1) Gen 3,15 wird nicht im Sinne eines Protevangeliums gedeutet. 2) Es gibt keine typologische Beziehung zwischen Adam und Christus. Cf. zusammenfassend O. MERK/M. MEISER, Das Leben Adams und Evas, 767–768. 185 186
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Ebenfalls unklar bleibt der Ort der Entstehung. Für die Abfassungszeit wird „[…] ein Zeitraum von kurz vor der Zeitenwende bis weit in das erste Jahrhundert n. Chr. […]“ angenommen.191 Für die vorliegende Untersuchung sind nun vor allem die Teile aus der ApcMos (mit einem Seitenblick auf die Tradition der Adamviten) relevant, in denen die Erzählung aus Gen 3 geschildert wird. 3.8.4.2. Analyse
Die ApcMos wird zunächst als Belehrung Moses durch den Erzengel Michael eingeführt (Überschrift), wobei der Erzähler unbekannt bleibt. Innerhalb der Erzählung werden die Figuren Adam und Eva z.T. zu Erzählern ihrer eigenen Geschichte, wodurch das Interesse der Verfasser an diesen beiden Figuren und ihren Beweggründen wiederum ersichtlich wird. Die ‚Geschichte Adams und Evas‘ setzt mit dem Brudermord ein, womit die Erzählung zeitlich und örtlich nach der Verstoßung aus dem Paradies angesetzt wird; die eigentliche Nacherzählung der in Gen 3 geschilderten Ereignisse wird im späteren Erzählverlauf mittels Analepsen erzählt.192 Raum der Handlung ist das Paradies, welches wie sich auch in Gen 3 nahelegt, ein irdischer Bezirk, der von einer Mauer umgeben ist (ApcMos 17,1) und in sich noch einmal unterteilt ist. Die männlichen Tiere werden von Adam gehütet, die weiblichen von Eva. Adam und Eva sind beauftragt, ihren jeweiligen Bezirk zu bewachen (17,3), was für die spätere Erläuterung ihrer Schuld von großer Bedeutung ist. Mit dem Diabolos kommt die Störung von außen in den geschützten Bereich hinein; insofern liegt eine gewisse strukturelle Parallele zum Wächterbuch vor. Anders als im Wächtermythos hingegen wird das Paradies nicht in seiner Ordnung gestört oder zum Schlechten verändert; die Schuldigen werden demgegenüber aus dem Bezirk entfernt, wodurch das Paradies ‚intakt‘ und zukunftsfähig bleibt: Mit ihrem Tod kehren die ersten Menschen nämlich wieder dorthin zurück, indem sie dort bestattet werden. Das Paradies ist somit ein ‚qualitativer Ort‘ und weniger im topographischen Sinn zu verstehen.
O. MERK/M. MEISER, Op. cit., 769. Weiter: „Eine Datierung der Apokalypse Mosis etwa z. Zt. der Abfassung der paulinischen Briefe oder relativ kurz davor kann heute begründet favorisiert werden und somit deutlich machen, daß theologisch bewegende Gedanken und ihre Tradition gleichzeitig erfaßt und doch verschieden ausgewertet werden konnten. Für die Endgestalt der Vita Adae empfiehlt sich aufgrund der zu vermutenden Prozesse redaktioneller Umgestaltung eine spätere Datierung.“ 192 Weiter M. MEISER, Ätiologie und Paränese, 205-206. 191
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Der Inhalt ist wie folgt kurz nachzuzeichnen: In einem Traum sieht Eva Blut aus dem Mund Abels in Kains Mund fließen und befürchtet daher einen Angriff des ‚Feindes‘ (ἐχθρός), worauf die Eltern ihre Söhne suchen und den ermordeten Abel finden. Darauf wird von der Geburt weiterer Söhne und Töchter berichtet. Nach einer Lebenszeit von 930 Jahren versammelt Adam, von Krankheit gezeichnet, seine Söhne zu seiner Abschiedsrede, im Rahmen derer die eigentliche Paradiesgeschichte erzählt wird. Dabei führt Adam sein Leiden auf den ‚Sündenfall‘ zurück. Adam erzählt, wie es zum ‚Fall‘ und zur Vertreibung aus dem Paradies kam, indem er von Evas Irreführung durch den Feind berichtet. Darauf wird erzählt, wie sich Seth und Eva zum Paradies aufmachen, um Öl für die Heilung Adams zu erbitten. Dort angekommen werden sie vom Erzengel Michael ohne das Heilmittel zurückgeschickt. Sodann folgt Evas Bericht über ihre Täuschung durch den Feind und die Vertreibung aus dem Garten, danach schließlich Evas Bußgebet und die Erzählung vom Tod Adams und Evas und der Bericht ihrer Bestattung. Sowohl Adam als auch Eva werden als ‚Charaktere‘ gestaltet, indem ihrem Denken, Fühlen und Handeln große Beachtung zukommt. Die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren ist durch eine klare Hierarchie gekennzeichnet: Adam steht Eva in allen Dingen vor, führt und belehrt sie, deutet die Ereignisse und ist ihr in sämtlichen Belangen übergeordnet.193 Die Vorrangstellung Adams gründet in seinem Schöpfungsprimat; im Folgenden ist die Abstammung Evas von Adam (cf. auch Gen 2) grundlegend für die Ungleichheit der beiden: Eva wurde aus der Rippe Adams geschaffen und ist somit ein (untergeordneter) Teil Adams. Zudem besteht eine enge, fast symbiotische Zusammengehörigkeit zwischen den beiden, welche ebenfalls durch Evas Abstammung von Adam bedingt ist.194 Infolge dieser Vorrangstellung Adams wird das Prädikat der Gottebenbildlichkeit fast ausschließlich auf jenen (bzw. Seth) bezogen, kaum aber auf E.g. 9,2 κύριέ μου Ἀδάμ. Cf. Gen 3,16: „Nach deinem Mann wirst du verlangen, und er wird über dich herrschen“ ( מָ שַׁ לbzw. κυριεύω). Siehe weiter e.g. ApcMos 27 und 28. Rekonstruktion Übersetzung nach J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose. 194 Cf. ApcMos 42,5–7: „Herr, Gebieter, Gott aller Tugend, entfremde mich nicht von dem Leibe Adams, aus dessen Gliedern du mich am sechsten Tag genommen hast, sondern würdige auch mich, die unwürdige und sündige, einzugehen mit seinem Zelt; wie ich mit ihm war im Paradies, beide voneinander nicht getrennt, wie wir bei der Übertretung aufgrund einer Täuschung dein Gebot übertraten, ohne getrennt zu sein, so trenne uns, Herr, auch jetzt nicht!“ Zur redaktionsgeschichtlichen Verortung von 42,5–7 cf. J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 558. Siehe weiter 42,2 „Nach diesen Worten machte Gott ein dreieckiges Siegel und versiegelte das Grabmal, damit niemand daran etwas verändere in den sechs Tagen, bis seine Rippe zu ihm zurückkehre.“ 193
3. Rezeption im frühen Judentum
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Eva.195 Die Gottebenbildlichkeit Adams scheint die spezielle Relation zwischen Adam und Gott zu kennzeichnen196 und bildet zugleich den Konfliktpunkt zwischen Adam und dem Diabolos (s.u.). Auch nach Adams Vergehen und seiner Bestrafung kommt ihm Gottes Zuwendung zu, Gottes Erbarmen entspricht „strukturell der Geschöpflichkeit Adams in ihren besonderen Ausprägungen“: „Weil Adam Geschöpf der Hände Gottes ist, nimmt ihm Gott schließlich in die Hand (37,4) und lässt ihn daraufhin ins Paradies bringen.“197 Somit ist Adam trotz seines Vergehens Träger der Verheißungen Gottes, ihm wird das himmlische Paradies in Aussicht gestellt (37,5). Zudem soll er auf den Thron seines Verführers kommen (39,4). So steht eine endzeitliche Restitution der Herrschaftsverhältnisse aus; Adam wird an die Stelle des Diabolos treten und dieser wird zugunsten Adams entmachtet.198 Während Adam trotz seiner Schuld eine Vorrangstellung behält, wird die Schuld Evas umso deutlicher betont.199 Der Verfasser von ApcMos zeigt großes Interesse an der Szene zwischen Eva und der Schlange bzw. dem Diabolos (s.u.). Diese wird in Anlehnung an Gen 3 breit ausgestaltet, anders als in Gen 3,6 ist Adam hier aber nicht anwesend. Der Bezugspunkt der Schuld Evas ist der Tod Adams und nicht etwa dessen Krankheit (siehe beispielsweise ApcMos 14,2: „O Eva, was hast du uns angetan? Du hast auf uns großen Zorn gebracht, nämlich den Tod, der über unser ganzes Geschlecht herrscht.“).200 Schließlich wird in den Reden Gottes dennoch zumeist Adam 195 ApcMos 33,5; 35,2; Seth: 10,3; 12,1–2. In VitAd 13 und 14 wird die Anbetung Adams durch die Engel durch dessen Gottebenbildlichkeit begründet. Die Bezeichnung Evas als Ebenbild Gottes in ApcMos 29,9 (Va [Codex Vatikan] und P1 [Patmos]) ist als als sekundär zu betrachten. „Selbst für die Vit Ad (gr), aus deren Überlieferung er [sc. der Zusatz] stammt, kann die Prädizierung Evas als ἐικὼν θεοῦ nicht als gesichert gelten, denn die Parallelen in Vit Ad (aram.georg.lat) 3 sind sich einig darin, daß sie keine Erwähnung der Gottesebenbildlichkeit Evas haben. Zu beachten ist, daß der Ebenbildtitel in der Apc Mos und in Vit Ad ausschließlich auf Personen bezogen ist; nirgends ist erkennbar, daß er als anthropologischer Terminus fungiert. Es wäre daher verfehlt, zu fragen, ob denn die Apc Mos von einem Fortbestand der Gottesebenbildlichkeit nach dem ‚Sündenfall‘ ausgeht.“ Cf. J. DOCHHORN, Op. cit., 126; weiter 134–136; 265. 196 Siehe beispielsweise die Fürbitte der Engel für den verstorbenen Adam (35,2c): „Bewillige ihm (die Bitte), o Vater des Alls, denn er ist dein Ebenbild!“ Und weiter (37,2): „Gepriesen sei die Herrlichkeit des Herrn von seinen Geschöpfen, denn er hat sich erbarmt des Gebildes seiner Hände, Adams!“. 197 J. DOCHHORN, Op. cit., 479. 198 Zum Substitutionsgedanken siehe weiter J. DOCHHORN, Op. cit., 517–520. 199 Die Schuldzuweisung wird zumeist in den Mund Adams gelegt (e.g. γύναι πονηρά, 21,6), findet sich aber auch in Evas Mund (e.g 32,2: „Ich habe gesündigt, o Gott, ich habe gesündigt, o Vater des Alls… ich habe vor dir gesündigt – und alle Sünde ist durch mich entstanden in der Schöpfung.“ Siehe allerdings 27,2). 200 Cf. vermutlich auch 7,1: „Adam aber sagte zu ihm [sc. Seth]: ‚Als Gott uns geschaffen hatte, mich und eure Mutter, [durch die wir auch sterben / δι᾽ ἧς καὶ ἀποθνῄσκομεν], gab er uns jeden Baum im Paradies; bei einem aber gebot er uns, nicht von ihm zu essen,
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
als Schuldiger angesprochen. So ist Adam dann auch der erste Ansprechpartner Gottes, wenn er und Eva als Kollektiv angeredet werden (e.g. 8,1: „Adam, wo bist du? …“, ähnlich 23,1). In der Bestrafungsfolge steht dann auch Adam an erster Stelle. Das Strafmaß überschreitet die in Gen 3 genannten Strafen, indem 72 Plagen (Krankheiten) hinzukommen, die letztlich zum Tod führen.201 Somit ist davon auszugehen, dass die Tradition nach Gen 3 übernommen, in der Auslegung der Passage aber ein anderer Schwerpunkt gesetzt wurde. In der Begegnung Gottes mit den schuldig gewordenen Menschen wird jener als allwissender König und Richter gezeigt. Während sich diese Begegnung in Gen 3,8 eher zufällig ereignet, ist das Kommen Gottes in ApcMos 8 direkt mit dem Vergehen Adams und Evas in Zusammenhang zu bringen.202 Gott erzürnt über das Vergehen der Menschen, begibt sich ins Paradies, richtet seinen Thron auf und spricht Recht (8,2). Diese Gerichtstheophanie wird in der Erzählung Evas noch breiter geschildert: Gott fährt unter dem Lobpreis der Engel auf einem Cherubenwagen (ἅρματος χερουβίμ) zum Gericht ein.203 Die Gerichtsszene weist somit auch liturgische Elemente auf. Gottes Thron wird beim Baum des Lebens errichtet (22,3–4) und von dort werden die Strafurteile über Adam, Eva und die Schlange gesprochen. Der Diabolos erfährt keine Strafe, es wird keine Auseinandersetzung zwischen Gott und dem Diabolos geschildert; ApcMos bleibt hier vermutlich an seiner Vorlage Gen 3. Im Übrigen wird der Bezug zwischen dem Diabolos (dem ‚Feind‘) und Gott nicht interpretiert: Gott ist der Frage nach der Möglichkeit des Bösen enthoben. Wie in Gen 4 steht die Erzählung des Brudermordes in der ApcMos in keinerlei Beziehung zu den Ereignissen, die in Gen 3 geschildert werden; die Tötung Abels durch Kain steht nicht in Verbindung mit der Sünde ihrer Eltern [durch die wir auch sterben]‘.“ J. DOCHHORN, Op. cit., 237. Nach Dochhorn liegt hier eine Glosse vor, die auf Sir 25,24 zurückgeht; diese wurde „[…] zunächst von einem Abschreiber versehentlich auf den verbotenen Baum bezogen […], allerdings unter Beibehaltung des im neuen Kontext grammatisch falschen ἧς […]. Kurz darauf (vielleicht secunda manu in derselben Abschrift) wurde sie […] wo sie ursprünglich intendiert war, hineinkorrigiert.“ J. DOCHHORN, Op. cit., 231. 201 Siehe auch M. MEISER, Ätiologie und Paränese, 215-215. 202 Siehe 8,1: „Und Gott erzürnte über uns und der Herr kam ins Paradies, richtete seinen Thron auf und rief mich mit furchtbarer Stimme und sprach: ‚Adam, wo bist du? Und wozu verbergt ihr euch vor meinem Angesicht? Kann etwa das Haus verborgen bleiben vor seinem Erbauer?‘“ 203 Die Cherubim und Serafim begegnen hier in ihrer klassischen Funktion als Reittiere und Schutzwesen Gottes um seinen Thron. Die Engel sind sodann auch Mittlerfiguren Gottes, welche in dessen Auftrag reden und handeln.
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oder deren Vertreibung aus dem Paradies. Anders als in Gen 4 wird die Erzählung allerdings nicht ausgeführt; Kain und Abel kommt keine weitere Bedeutung zu. Seth demgegenüber nimmt eine wichtige Position ein: Er tritt zunächst an die Stelle Abels und dann an jene Adams; er scheint Gott in der ‚adamischen Sukzession‘ näher zu stehen als seine Mutter Eva. Dies wird in erster Linie anhand der Episode des Gangs zum Paradies gezeigt, wobei Seth gegenüber seiner Mutter die Führungsrolle zukommt. Seth wird von einem Tier angegriffen (ApcMos 10,1), doch die Berufung auf seine Gottebenbildlichkeit bewegt dieses schließlich zum Rückzug, während Eva mit derselben Argumentation scheitert. Außerdem ist Seth in der darauffolgenden Begegnung mit dem Engel dessen einziger Gesprächspartner. In der ApcMos wird demnach nicht davon ausgegangen, dass ‚der Mensch‘ die Gottebenbildlichkeit durch Adams Übertretung grundsätzlich verloren hätte; hier steht vielmehr die Gottebenbildlichkeit einzelner Figuren zur Debatte. Gleichwohl scheint dieser Aspekt auch für die nachkommenden Generationen von Bedeutung zu sein, indem von einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse auf der Welt ausgegangen wird (s.u.). Die Gefahr, die vom Diabolos ausgeht, wird dem Leser schon zu Beginn ins Bewusstsein gerückt, Evas Sorge um ihre Söhne gründet in der Bedrohung durch den Feind (ἐχθρός). Ἐχθρός ist eine in der frühjüdischen sowie der frühchristlichen Literatur häufig begegnende Bezeichnung für den Teufel (TestDan 6,3f; TestHi 47,10; Lk 10,19 par Mt 13,39).204 Die ‚Herkunft‘ dieses Feindes wird nur andeutungsweise erläutert, einzig im Dialog des Diabolos mit der Schlange findet sich eine Anspielung (ApcMos 16,3): „Weswegen issest du von dem Lolch Adams und nicht aus dem Paradies? Steh auf und komm, und sorgen wir, daß er herausgeworfen wird aus dem Paradies, wie auch wir herausgeworfen wurden um seinetwillen.“ Es legt sich somit die Vorstellung nahe, dass der Diabolos (aus dem Paradies oder aus dem Himmel?) hinausgeworfen wurde; weiter wird die Frage aufgeworfen, ob die Schlange dieses Schicksal teilt. In der Wirkungsgeschichte wird dieser Zusammenhang dann deutlicher ausgeführt; für die ApcMos kann die Frage noch nicht abschließend beantwortet werden.205
Einerseits wird erzählt, dass der Diabolos in den Bezirk Adams hineingeht (ApcMos 15,3), wo sich die männlichen Tiere befinden, und dort die Schlange instrumenntalisiert (16,1), andererseits wird geschildert, wie sich die Schlange durch das Mauerwerk des Paradieses hangelt (17,1; allenfalls ist hier an eine interne Mauer zu denken). Die Widersprüchlichkeit liegt allerdings lediglich auf der narrativ-bildhaften Ebene; eine theologische Dissonanz
204 205
Cf. auch J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 204; 291. Cf. die Texte bei J. DOCHHORN, Op. cit., 311 Anm. 12.
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liegt dabei nicht vor.206 Nach 16,3 scheint sodann die Möglichkeit gegeben, dass die Schlange nicht im Paradies selbst wohnt (siehe dann VitAd 12–15). Zudem legt der Text nahe, dass die Schlange einst im Paradies wohnte und anscheinend um Adams Willen daraus vertrieben wurde, wenn auch unklar ist, weshalb.
Die Vorstellung einer durch den Teufel instrumentalisierten Schlange schlägt sich ggf. bereits in der Schilderung der ‚prälapsarischen Gestalt‘ der Schlange nieder; diese kommt im Rahmen der Strafrede Gottes zur Sprache (ApcMos 26,2b-33): „Auf der Brust und dem Bauche wirst du dich bewegen, deiner Hände und Füße ermangelnd. Kein Ohr wird dir gelassen werden, auch kein Flügel, oder überhaupt eines der Glieder mit denen du sie geködert hast in deiner Schlechtigkeit und dafür gesorgt hast, daß sie vertrieben werden aus dem Paradies.“ Die Adamviten beantworten die Frage nach der Herkunft des Diabolos dann mit der Erzählung von einem protologischen Teufelssturz (s.u.). Dass der Diabolos ursprünglich im Paradies, dem weltlichen Bezirk, gelebt haben soll, wird aber auch in der VitAd nicht vorausgesetzt. In der ApcMos bleibt sein Motiv weitgehend im Dunkeln. Größerem Interesse kommt dem Charakter des ‚Feindes‘ zu, welcher als äußerst gewandter und listiger Gegner dargestellt wird. Zwei Episoden führen dies eindrucksvoll vor Augen, 1) die Instrumentalisierung der Schlange und 2) die Irreführung Evas. Ad 1) Der das Gespräch initiierenden Anrede folgt die Schmeichelei der Klugheit der Schlange (16,1–2): „Ich höre, daß du klüger [φρονιμώτερος] bist als alle Tiere, und will mich mit dir unterhalten“; der Diabolos ‚solidarisiert‘ sich gewissermaßen mit der Schlange, sie habe doch (gerade wegen ihrer Klugheit) Besseres verdient. Schließlich beschwichtigt er deren Furcht vor Gottes Zorn mit einer Formel, die aus dem Mund der Boten Gottes bekannt ist: „Fürchte dich nicht“ (μὴ φοβοῦ). Ad 2) Der Dialog zwischen dem Diabolos und Eva ist noch subtiler gestaltet: Auch dieses Gespräch beginnt harmlos und scheinbar belanglos (17,2b): „Du bist Eva? […] Was machst du im Paradies?“. Der Diabolos207 weckt Interesse und entgegnet der Aussage Evas, sie bewache des Paradieses und esse davon, mit einschmeichelndem Lob: „Gut macht ihr das –“, worauf er sogleich skeptisch anfügt: „aber ihr eßt nicht von jedem Baum?“ Auch hier bietet sich der Diabolos als ‚Freund‘ an, indem er Evas Ausführungen mit vorgespielter Sympathie beantwortet (17,1): „Sowahr Gott lebt, ihr dauert mich, denn ich will nicht, daß ihr unwissend seid.“ Auch hier führt ‚die Schlange‘ das Argument der Missgunst Gottes ins Feld (18,4): Gott habe erkannt, dass Menschen ihm gleich sein könnten und sie deshalb bezüglich Zur Analyse cf. J. DOCHHORN, Op. cit., 293–295. Je nach Lesart erscheint die Schlange Eva wie ein Engel (siehe VitAd 1,1–9,5). Die Stellen sind aber mit ziemlicher Sicherheit Marginalien. Siehe J. DOCHHORN, Op. cit., 296; 320–323. 206 207
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des Baumes belogen. Schließlich wird auch Evas Furcht beschwichtigt („fürchte dich nicht“). Der Diabolos führt Eva zum Baum und gibt ihr von der Frucht, der sie das „Gift ihrer Schlechtigkeit, das ist der Begierde“ beigibt (ἰός τῆς κακίας αὐτοῦ, τοῦτ̓ ἐστὶ τῆς ἐπιθυμίας, 19,3), welches die Begierde nach Sünde (πάσης ἁμαρτίας) bewirkt. Somit wird der Diabolos hier gewissermaßen als Urheber der Sünde verstanden. 3.8.4.3. Kommentar
Ähnlich wie in Gen 3 ist die Erzählung vom ‚Sündenfall‘ auch in der ApcMos zunächst als Ätiologie verschiedener menschlicher Leiden (wie Krankheit und Tod) zu verstehen. Darüber hinaus zeigt die ApcMos weitere Konsequenzen auf, die aus der Gebotsübertretung resultieren. Es scheint, dass zumindest die ersten Menschen in gewisser Weise ihren herausragenden Status verloren haben, da dieser mit der Gottebenbildlichkeit in Verbindung gebracht wird; die Passage vom Kampf zwischen Seth und dem Tier mag diesen Zusammenhang verdeutlichen (ApcMos 10,1–11,2).
„10 1 Es begab sich aber Seth und Eva in die Gegend des Paradieses.208 Und Eva sah ihren Sohn und ein Tier, das ihn bekämpfte. 2 Eva aber weinte und sprach: ‚Weh mir, weh mir, […] 3 Und sie sagte zu dem Tier: ‚Du böses Tier! Fürchtest du nicht das Ebenbild Gottes, es zu bekämpfen? Wie ward dein Mund geöffnet? Wie wurden deine Zähne so stark? Wie erinnertest du dich nicht deiner Unterordnung – daß du vormals untergeordnet wurdest dem Ebenbild Gottes?‘209 11 1 Da rief das Tier und sprach: ‚Eva, nicht gegen uns richte deine Aggression auch nicht dein Klagen, sondern gegen dich, dieweil die Herrschaft der Tiere von dir ihren Ausgang genommen hat. 2 Wie öffnete sich dein Mund zu essen von dem Baum, bei dem Gott dir geboten hatte, nicht von ihm zu essen? Deshalb wurden auch unsere Naturen geändert! Und so wirst du jetzt nicht standhalten können, wenn ich beginne, dich zu überführen.“ Schließlich wird Seth dem Tier Herr, indem er sich auf seine Gottebenbildlichkeit (εἰκὼν τοῦ θεοῦ) beruft. Dennoch wurde Seth durch das Tier verletzt,
Die Abfolge von Wallfahrt, Buße und Errettung legt es nahe, das Paradies in Analogie zum Tempel zu deuten; der Ölbaum kann dann als Symbol für die Menorah interpretiert werden. Cf. J. DOCHHORN, Op. cit., 261–263 und die dort angegebene weiterführende Literatur. Dochhorn vermutet hier die narrative Umsetzung von Gen 3,22: „Für die Bestimmung der exegetischen Hintergründe dieser Konstellation ist entscheidend, daß es sich bei dem Ölbaum, von dem das begehrte Öl stammt, um den Baum des Lebens handelt […]. Daß dieses Öl für Adam nicht erhältlich ist und Adam folglich sterben muß, ist demnach als narrative Umsetzung von Gen 3,22 zu werten, wo die Vertreibung Adams aus dem Paradies damit motiviert wird, daß er nicht vom Lebensbaum essen und auf diese Weise ewiges Leben erlangen soll.“ J. DOCHHORN, Op. cit., 273. 209 In 10,2–3 liegt vermutlich die narrative Umsetzung von Gen 3,15 vor (Feindschaft zwischen der Frau bzw. ihrer Nachkommen, und der Schlange). J. DOCHHORN, Op. cit., 277–281. Kaum zu überzeugen vermag der Versuch Nirs, das Tier mit Satan zu identifizieren; dazu führt er unter anderem Passagen aus den Adamviten an. Cf. R. NIR, The Struggle between the ‚Image of God‘ and Satan in the Greek Life of Adam and Eve. 208
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womit hier ersichtlich wird, dass die ‚Ordnung der Welt‘ durch das Vergehen Adams und Evas grundlegende Veränderung erfahren hat.
In diesem Rahmen wird ein Zusammenhang zwischen der Gebotsübertretung und der Vorrangstellung gegenüber den Tieren vor Augen geführt; mit dem Vergehen der Menschen wurde auch die Natur der Tiere verändert (φύσεις μετηλλάγησαν). Möglicherweise muss hier ApcMos 24,3 im Hintergrund gelesen werden, denn dort findet sich die Ankündigung des Aufstands der Tiere gegen die Menschen: „… Und derer du Herr warst, die Tiere werden sich gegen dich in Unbotmäßigkeit erheben, weil du mein Gebot nicht eingehalten hast.“210 Herrschaft scheint somit in enger Korrelation zur Gottebenbildlichkeit zu stehen. Diese scheint Adam zwar nicht verloren zu haben (e.g. 33,5), dennoch aber ist sein Herrschaftsanspruch offenbar anfechtbar geworden, was dann anscheinend auch die nachfolgenden Generationen betrifft. Zugleich wird die Gottebenbildlichkeit Adams und seine damit verbundene Herrschaft als ausschlaggebendes Element für den Konflikt zwischen diesem und dem Diabolos vorgeführt. Dieser Konflikt kommt hauptsächlich unter dem Aspekt der Feindschaft zur Sprache, welche für das Verstehen der hier geschilderten Ursachen des Bösen von zentraler Bedeutung ist. Die Begründung dieser Feindschaft wird zunächst lediglich angedeutet (e.g. 16,3). Deutlicher kommt sie sodann in der Verheissung der eschatologischen Restitution Adams zur Sprache (39,1–3).
„1 Und Gott wurde sehr traurig über ihn und spricht zu ihm: ‚Adam, warum hast du das getan? Hättest du mein Gebot eingehalten, dann würden sich nicht freuen, die dich heruntergebracht haben zu diesem Ort. 2 Allein ich sage dir, daß ich ihre Freude wieder in Trauer wenden werde und deine Trauer wieder in Freude; und ich werde dich wieder zu deiner ursprünglichen Herrschaft bringen und werde dich auf den Thron deines Verführers (εἰς θρόνον ἀπαντήσαντός σε) setzen. 3 Jener aber wird geworfen werden an diesen Ort, damit er dich über ihm sitzen sieht; dann wird er selbst verurteilt werden und die auf ihn gehört haben, und er wird trauern, da er dich auf seinem Thron sitzen sehen wird.‘“
Hier scheint die Vorstellung im Hintergrund zu stehen, dass Adam von feindlichen Mächten ‚heruntergebracht‘ wurde (der Thron deutet zudem auf die Herrschaftsthematik hin). Welche Mächte neben dem Diabolos mit dem Plural καταγαγόντες bezeichnet werden, ist nicht deutlich, allenfalls wird darauf hingedeutet, dass der Diabolos ‚andere Engel‘ mit sich zog. Es macht den Anschein, als sei der Grund für die Irreführung in der bereits angedeuteten Herrschaftskonkurrenz zu suchen. Die spätere Tradition der Adamviten wird dies ausführlicher erläutern. Die ApcMos fasst demgegenüber zunächst die Restitution Adams auf den Thron seines Irreführers in den Blick, womit die 210 Jan Dochhorn davon aus, dass ApcMos 9–14 von der Endredaktion auf dem Hintergrund von ApcMos 15–30 gestaltet wurde. Cf. J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 126; 134–136; 265.
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(ursprünglichen) Verhältnisse wieder herstellt werden. Zugleich wird deutlich, dass hier kein Gott-Teufel-Dualismus vorliegt, sondern „ […] vielmehr eine Personalisierung widerständiger Lebenserfahrung des Menschen im Sinne dämonologischer Weltdeutung. Auch die Art, wie sich die Feindschaft des Teufels am Menschen verwirklicht, ist in den genannten Texten dieselbe: Sie äußert sich in dem Versuch des Teufels, den Menschen zu einem handeln zu veranlassen, das seinen Lebensinteressen entgegensteht, indem es Gottes Willen zuwiderläuft und in der Konsequenz den Menschen von Gott trennt.“211 Mit der satanologischen Deutung von Gen 3 werden Adam und Eva in ihrer Verantwortung zumindest teilweise entlastet. Während Texte aus der weisheitlichen Tradition dem Menschen die alleinige Verantwortung für das Böse zuschreiben, wird hier die Dimension des Schicksalhaften und Übermächtigen zur Sprache gebracht. Damit kommt eine menschliche Grunderfahrung in den Blick, die hier unter dem Aspekt der Täuschung thematisiert wird. Sowohl die Schlange als auch Adam und Eva werden zum Bösen verführt, indem sie getäuscht werden. Dem Diabolos kommt dabei die Rolle des ‚Tricksters‘ zu. Er wird als äußerst hinterhältiger Meister der Verstellung dargestellt, der sich als ‚falscher Freund‘ tarnt und von den Opfern als Verbündeter wahrgenommen wird. Um sein Ziel zu erreichen, manipuliert er sein Gegenüber geschickt und mit psychologischer Subtilität. Kannte die hebräische Bibel den Satan bzw. den Diabolos (LXX) vor allem als Ankläger und Widersacher, findet sich hier eine neue Interpretation der Teufelsfigur. Damit wird der Aktivität des Bösen schließlich besonderes Augenmerk geschenkt. Böses Handeln wird „[…] vornehmlich in passivischen Kategorien dargestellt. Menschen und Schlange müssen zum Bösen bewegt werden, sie bewegen sich nicht eigenständig in diese Richtung. Die Initiative kommt von außen und gewinnt Macht über die Person, die schließlich das Böse tut. Die Schlange und Eva sind, während sie ihre Gesprächspartner verführen, vom Teufel inspiriert bzw. instrumentalisiert, die Gesprächspartner wiederum werden genau dadurch hinsichtlich der eigentlichen Identität ihres Gesprächspartners getäuscht. Darüber hinaus werden ihnen bei der Verführung falsche Versprechungen gemacht […]. Nicht zuletzt werden sie auch überredet, etwas zu tun, das sie zunächst gar nicht tun wollen […].“212 Weder die Schlange noch Eva oder Adam lehnen sich bewusst gegen Gott auf, sondern äußern im Gegenteil zunächst ihre Angst vor dem Zorn Gottes. Darauf folgt jeweils die Beschwichtigung „fürchte dich nicht“, eine Aussage, die wir sonst aus dem Munde Gottes (oder seiner Boten) kennen (e.g. Gen 15,1 oder Jes 41,10). 211 212
J. DOCHHORN, Op. cit., 291. J. DOCHHORN, Op. cit., 289–290.
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Die Täuschung ist für das Strafmaß aber dann jedoch irrelevant: Die Bedrohung durch den Feind wird von Anfang an vorausgesetzt (2,4) und den Menschen wird geboten, sich vor diesem Feind zu hüten (φυλάσσειν). Das Verb φυλάσσειν ist in diesem Zusammenhang von großer inhaltlicher Bedeutung. Die Irreführung durch den Feind ist ein Ausdruck der Nachlässigkeit Adams und Evas, die sich nicht ausreichend hüteten. Auch die ihnen zugeteilten Bereiche des Paradieses sollten von Eva bzw. Adam bewacht werden; dass der Diabolos überhaupt zur Schlange in den ummauerten Bezirk eindringen konnte gilt ebenso als Nachlässigkeit. Die Trennung des Paradieses in zwei Bereiche (männlich/weiblich) kann auf die grundsätzlich negative Beurteilung der Sexualität in der ApcMos hinweisen. Die Strafen Evas beinhalten dann die Hinwendung zum Mann und die darauf folgenden Geburtsschmerzen. So ist an zunehmen, dass die „Sünde des Fleisches“ (25,3) eine sexuelle Konnotation hat. Woher diese Negativinterpretation kommt, ist nicht deutlich, ist an jener Stelle aber kennzeichnend „[…] für die generelle Beurteilung der Sexualität in Apc Mos 15–30. Auch Apc Mos 15,2–3 (räumliche Trennung von Mann und Frau sowie von männlichen und weiblichen Tieren im Paradies), 20,4–5 (Eva bedeckt ihre Scham vor der Verführung Adams) und die Vermeidung des Gedankens, daß die Menschen ursprünglich nackt waren […], weisen nämlich darauf hin, daß die Sexualität in Apc Mos 15–30 als etwas Negatives gesehen wird.“213
Der Täuschung zu erliegen wird sodann auf ein träges, nicht gewappnetes Herz zurückgeführt (cf. 26,1). Der Auftrag, sich zu hüten, wird an die nachfolgenden Generationen weitergegeben (so e.g. in der Testamentsrede Evas an ihre Nachkommen). Der Bewährung winkt demgegenüber der Lohn der Unsterblichkeit, so 28,4: „Du sollst aber den Krieg haben, den der Feind in dich gelegt hat; aber nach deinem Ausgang aus dem Paradies, wenn du dich hütest (ἐὰν φυλάξῃς ἑαυτὸν) vor allem Schlechten wie einer, der sterben will, werde ich dich bei der Wiederauferstehung auferstehen lassen – und dir wird vom Baume des Lebens gegeben werden, und du wirst unsterblich sein in Ewigkeit.“214 Zudem wird in Ausblick gestellt, dass die Sünde letztlich durch die Macht Gottes überwunden werden wird, indem den Menschen ein neues, verständiges Herz gegeben wird, damit sie nicht mehr sündigen (cf. 13,5 und weiter Ez 36,26–27).
Während vor allem Texte weisheitlicher (und teils apokalyptischer) Prägung starkes Gewicht auf die Verantwortung des Menschen legen und Sünde als Entscheidung wider besseres Wissen interpretieren, kommt in der ApcMos viel eher die Tragik der Sünde in den Blick. Zwar tragen die Erzeltern Verantwortung für ihre Sünde, weil sie sich nicht ausreichend hüteten und sich 213 214
J. DOCHHORN, Op. cit., 397. Weiter M. MEISER, Ätiologie und Paränese, 215-217. Cf. dazu J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 289.
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haben täuschen lassen; doch wird mit der Einführung einer irreführenden, täuschenden Macht illustriert, dass Menschen mit den besten Absichten dennoch ‚tun, was sie nicht wollen‘ (cf. Röm 7,19). Somit erscheint Sünde nicht bloß im Licht von Schuld und Strafe, sondern auch im Lichte der Tragik, die der göttlichen Gnade bedarf.215 3.8.5. Vita Adae et Evae 3.8.5.1. Einführung
Die Schrift Vita Adae et Evae (VitAd) ist eng verwandt mit der Apokalypse Mosis und von dieser abhängig. VitAd ist in drei relativ ähnlichen Textversionen zu finden, nämlich in Latein, Armenisch und Georgisch. Traditionell wird die lateinische Version synoptisch mit ApcMos gelesen, wobei sowohl die armenische als auch die georgische Version näher an ApcMos sind.216 Zum Aufbau sind folgende Bemerkungen zu machen: Vor den Ereignissen, mit denen die ApcMos einsetzt, weist die VitAd eine längere Einleitung auf (VitAd 1,1–21,2), in welcher beschrieben wird, wie Adam und Eva nach ihrer Vertreibung aus dem Paradies Zeit in Trauer verbrachten und sich dann vor Hunger auf die vergebliche Suche nach der gewohnten Nahrung machten. Darauf schlägt Adam für sich und Eva Bußzeiten von 40 bzw. 37 Tagen im Jordan bzw. Tigris vor. Dabei wird Eva vom Satan getäuscht und so vorzeitig von ihrer Buße abgebracht. Neben weiteren Nuancen ist diese ‚zweite Versuchung‘ durch den Satan, die dann wiederum mit der Vorstellung vom protologischen Satanssturz verbunden wird, der markanteste Unterschied zur ApcMos. Da dieser Text in engster Abhängigkeit von ApcMos steht, wird im Folgenden größtenteils auf die inhaltlichen Akzentverschiebungen eingegangen und die Analyse wird sofort kommentiert. 3.8.5.2. Kommentierte Analyse
Adam kommt wie in der ApcMos eine Herrschaftsstellung zu, welche für den Konflikt mit dem Teufel zentral ist. Seine Herrschaftsstellung gründet in der Gottebenbildlichkeit, weshalb selbst die Engel ihn anbeten müssen (siehe VitAd 13,1–14,1). Auch aus der rabbinischen Literatur ist die Vorstellung bekannt, dass Menschen mit herausragender Bedeutung (wie Henoch) über
So wird schließlich die eschatologische Restitution Adams in Aussicht gestellt. Cf. J. DOCHHORN, Op. cit., 4 Zur Textgeschichte der Vita insbesondere cf. die Arbeit von J. P. PETTORELLI, Deux Témoins latins singuliers de la Vie d'Adam et Ève und im Anschluss daran J. TROMP, The Textual History of the Life of Adam and Eve in the Light of a newly discovered Latin Text-Form. 215 216
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Engel gestellt werden.217 Die Stellung Adams gegenüber den Engeln wird in der VitAd breit ausgeführt, in der ApcMos demgegenüber nur andeutungsweise impliziert. Adams Vorrangstellung gilt dann auch gegenüber Eva, da sie ‚von seinem Fleisch‘ ist, ihm somit nachgeordnet und gewissermaßen ein Teil von ihm ist;218 Gott hat sie in Adams Gewalt gegeben, damit er sie nach seinem Willen behandle (26,2). So ist Adam auch verständiger als Eva: Während sie sich ein zweites Mal vom Teufel täuschen lässt und ihn erst auf die Anklage Adams hin erkennt, erkennt Adam jenen sofort. Auch in der VitAd gilt Eva häufig als Schuldige (e.g. 18,1; 35,2; 37,2; 44,2–3), doch wird auch Adam für schuldig befunden, da er Gottes Gebot übertreten hat, indem er auf die Stimme seiner Frau gehört hat (26,2). Schließlich werden Adams Vergehen aber auch ‚positive‘ Konsequenzen zugeordnet, indem ihm durch das Essen vom ‚Holz der Weisheit‘ heilsgeschichtliche Geheimnisse offenbart werden (VitAd 29): Der erste Tempel, die Zerstreuung bzw. das Exil, die Rückkehr, Gottes sichtbares Wohnen unter den Menschen [christliche Interpolation] und schließlich das Jüngste Gericht. Während die Schlange in ApcMos zum Werkzeug des Teufels wird, wird die Episode der Irreführung Evas im Garten in der VitAd nur indirekt erzählt (15,4). Insofern ist die Schlange kaum von Belang und die satanologische Deutung der Paradieserzählung findet sich nicht in der Rezeption von Gen 3, sondern kommt vor allem im Rahmen einer zusätzlichen Episode zur Sprache. Möglicherweise legt sich ein gedanklicher Zusammenhang zwischen Schlange und Teufel aber gleichwohl nahe: Das ‚Tier‘, das Seth angreift und in ApcMos 10,1 nicht weiter bestimmt wird, wird in VitAd 37,1.3 als Schlange bezeichnet (zugleich bleibt aber auch vom ‚Tier‘ die Rede). Die Schlange wird an dieser Stelle zwar nicht mit dem Teufel identifiziert, doch liegt diese Vorstellung vermutlich sehr nahe: 1) In 38,1 wird von der Bosheit und der Wut der Schlange (bzw. des Tieres) berichtet, welche sich gegen die Menschen richtet. 2) Die Beschimpfungen des Tieres durch Seth lassen auf eine satanologische Deutung der Schlange schließen (siehe 39,1: ‚verfluchter Feind der Wahrheit‘ und ‚verderblicher Verwirrer‘). 3) Auch in dieser Auseinandersetzung geht es um einen Herrschaftskampf zwischen einem ‚Geschöpf‘ und dem ‚Ebenbild Gottes‘. Das Tier will dessen Überlegenheit nicht anerkennen, und wird ihm zum Feind. 4) Schließlich könnte sogar die VorCf. J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 20–21. Die Figur des Henoch in 1 Hen verdeutlicht diese Vorstellung ebenfalls. 218 Siehe auch VitAd 3,3. Aufgrund ihrer ‚Hungersnot‘ schlägt Eva vor, Adam könne sie töten und dann ggf. wieder ins Paradies zurückkehren, weil er wegen ihr vertrieben worden ist (3,2). Adam wehrt sich gegen diesen Vorschlag: „Wie kann es geschehen, daß ich meine Hand gegen mein eigenes Fleisch erhebe?“ 217
3. Rezeption im frühen Judentum
229
stellung eines Kollektivs (von verstoßenen Engeln?) im Hintergrund stehen („unsere Bosheit“, „unsere Wut“). Der Teufel wird noch stärker als in ApcMos durch seine Täuschungsfähigkeit charakterisiert, welche in der Episode der von Adam auferlegten Buße verdeutlicht wird. Hier wird geschildert, wie er Eva durch Täuschung vorzeitig von ihrem Bußakt abbringt, indem er ihr als Engel erscheint und ihr Gottes Erbarmen vortäuscht (siehe VitAd 9,1–10,2). „9 1 Und es vergingen 18 Tage, dann erzürnte der Satan und verwandelte sich in die Lichtgestalt der Engel und ging zum Fluß Tigris zu Eva, 2 und er fand sie weinend, und er, der Teufel selbst, als ob er mit Eva Schmerz litte, begann zu weinen und sprach zu ihr: ‚Steige aus dem Wasser heraus, und im übrigen sollst du nicht weinen. Laß schon ab von der Traurigkeit und dem Seufzen. […] 3 Erhört hat Gott der Herr euer Seufzen und eure Reue angenommen […]‘“
In der Folge dieser zweiten Täuschung werden keine direkten Auswirkungen geschildert, es bleibt dann auch unklar, ob die Vorstellung im Hintergrund stand, dass eine vollendete Bußzeit etwas an der Situation Adams und Evas verändert hätte. Vermutlich dient die Episode lediglich der Darstellung des Teufels. Dieser erscheint in der ‚Lichtgestalt der Engel‘ (9,1) gleichsam im Namen Gottes, tröstet Eva und verspricht ihr, ihnen in Gottes Auftrag Nahrung zu verschaffen.219 In seinen Worten kommt Sorge und Mitleid zum Ausdruck; wie in ApcMos wird er als falscher Freund dargestellt, der das Vertrauen seines Gegenübers gewinnt, indem er sich mit ihm sympathisiert: „und er, der Teufel selbst […] begann zu weinen“: „Erzählanalytisch ergibt sich, daß die Verwandlung in eine für den Leser positiv besetzte Figur wie einen Engel die Heimtücke der Verführung, die Verwandlung in eine negativ besetzte Figur die übermenschliche Gefährlichkeit der gottfeindlichen Mächte zum Ausdruck bringen soll.“220 Die ‚Verkleidung‘ als Engel drückt die Hinterhältigkeit aus, durch welche das ‚Böse‘ zunächst als Gutes wahrgenommen wird; ‚des Pudels Kern‘wird erst im Nachhinein ersichtlich. Auch in anderen Texten findet sich die Vorstellung der Tarnung des Teufels: 1) Der Teufel versteckt sich ‚hinter‘ einem Menschen oder Tier;221 2) er ‚legt‘ ein Tier ‚an‘ (3 Bar 9,7); 3) geht in einen Menschen hinein bzw. erscheint als Mensch;222 4) oder er verwandelt sich in einen Engel (2 Kor 11,4; VitAd 9,1).
Interessanterweise begegnet in ApcMos 32 ein echter Engel (der Engel der Menschheit), der Eva aus ihrem Bußgebet freispricht und sie aufrichtet. An anderer Stelle in ApcMos begegnet die Episode der Verwandlung des Teufels in einen Engel zur Täuschung lediglich in späteren Textvarianten. Cf. J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 320–323. 220 O. MERK/M. MEISER, Das Leben Adams und Evas, 775. 221 TestHi 27,1; Irenäus, Dem. 16 und Haer. V 26,2. 222 AscJes 2,1; TestNaph 8,4; TestHi 6,4; 17,1; 23,1; Lk 22,3; Joh 13,27. 219
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Als Handlungsmotiv, welches hier erstmals deutlich ausgeführt wird, kommt der Neid des Teufels zur Sprache. Die Begründung dieses Neids wird dem Teufel, der hier in Dialog mit den Menschen tritt, selbst in den Mund gelegt (12,1): „O Adam, meine ganze Feindschaft und mein Neid und mein Schmerz richtet sich auf dich weil ich deinetwegen vertrieben und meiner Herrlichkeit beraubt worden bin, die ich im Himmel inmitten der Engel hatte, und deinetwegen auf die Erde hinausgeworfen bin.“ Auch hier wird offensichtlich von der Herrschaftskonkurrenz zwischen dem Teufel und Adam ausgegangen: ‚Wegen Adam‘ hat der Teufel seine Position eingebüßt und wurde vertrieben. Eine weiterführende Begründung findet sich etwas später: Der ‚Teufel‘, eigentlich ein Engel, wurde vor dem Menschen geschaffen und sah deshalb keine Veranlassung, Adam anzubeten (14,3): „[…] in der Schöpfung bin ich früher als er. Bevor jener entstand, war ich schon geschaffen. Er muß mich anbeten.“ Das in anderen Zusammenhängen geltende Prinzip der Vorrangstellung durch frühere Schöpfung (Adam-Eva) scheint hier nicht zu greifen: Adam steht über den Engeln, obwohl er nach jenen geschaffen wurde.
In einigen Handschriften folgt der Verweigerung der Anbetung Adams sodann eine Auseinandersetzung zwischen dem ‚Teufel‘ und Gott. Auf die Androhung des Zornes Gottes hin will sich der ‚Teufel‘ zum Mitherrscher erheben (15,3): „[…] Wenn er mir zürnt, werde ich meinen Sitz über die Gestirne des Himmels setzen und dem Höchsten ähnlich sein.“ Diese Passage fehlt in der ApcMos sowie in der armenischen, der georgischen, der slawischen und einem Teil der lateinischen Überlieferung der VitAd.223 Vermutlich ist mit einer späteren Tradition zu rechnen. Der Sitz (Thron) verweist las Machtsymbol deutlich auf die Herrschaftsansprüche des Teufels (siehe auch 2 Hen 29). Sodann wird berichtet, dass der ‚Teufel‘ und die Engel, die die Anbetung Adams verweigerten, vertrieben wurden und ihre Herrlichkeit verloren (VitAd 16,1). Somit erläutert diese Passage den Hergang der Vertreibung des Teufels ‚wegen Adam‘ und verbindet diese mit der Erzählung des protologischen Teufelsfalls. Der Konflikt entbrennt hier an der Stellung Adams als Ebenbild Gottes, wodurch die andauernde Feindschaft zwischen Mensch und Teufel begründet wird.
Es zeigt sich im Folgenden, dass sowohl Adam als auch der Teufel von ihrem ursprünglichen Aufenthaltsort vertrieben wurden und sich in der Welt als Gegner wiederfinden.224 Diese Feindschaft hat Konsequenzen für die nachfolgenden Generationen, indem der Teufel weiterhin Feindschaft zwischen den Menschen und die Gebote Gottes ‚sät‘ (cf. 25,4). Es liegt jedoch in der Ver-
Cf. O. MERK/M. MEISER, Op. cit., 799. Außerdem S. VOLLENWEIDER, Luzifer – Herrlichkeit und Sturz des Lichtengels, 215 mit Verweis auf J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 45–46. 224 Cf. dann aber 17,1–2: „1 Als Adam dies [sc. die Schilderung seines Neides] vom Teufel hörte, rief er unter vielen Tränen aus und sprach: ‚Herr mein Gott, in deinen Händen ist mein Leben. Entferne diesen meinen Feind von mir, der meine Seele zu verderben sucht, und gib mir seine Herrlichkeit, die er selbst verloren hatte. 2 Und sofort erschien ihm der Teufel nicht mehr.‘“ Die Bitte um die Herrlichkeit des Teufels fehlt in der armenischen und georgischen Fassung. Cf. O. MERK/M. MEISER, Das Leben Adams und Evas, 799. 223
3. Rezeption im frühen Judentum
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antwortung der Menschen sich von den Irreführungen des Teufels täuschen zu lassen oder nicht (siehe auch ApcMos). Die Vorstellung des Teufelssturzes nach der Adamvita hat sich dann v.a. im Islam durchgesetzt.225
Siehe beispielsweise Sure 7,11–13.19–21: „Wir haben euch erschaffen und dann gestaltet. Dann sagten wir zu den Engeln: ‚Werft euch vor Adam nieder!‘ Da warfen sie sich nieder, außer Iblis [v. arab. ‚Enttäuschter‘]. Er gehörte nicht zu denen, die sich niederwarfen. Er (Gott) sagte: ‚Was hindert dich, dich niederzuwerfen, wenn ich es dir gebiete?‘ Er sagte: ‚Ich bin besser als er. Mich hast Du aus Feuer erschaffen, ihn aber aus Ton.‘ Er sagte: ‚So geh hinunter, von hier weg! Dir kommt es nicht zu, hier hochmütig zu sein. So geh hinaus! Du gehörst zu den Unterlegenen.‘ […] ‚Adam, bewohne den Garten, du und deine Frau! Esst, von wo ihr wollt, naht euch aber nicht diesem Baum, sonst gehört ihr zu denen, die Unrecht tun!‘ Da flüsterte der Satan ihnen ein, um ihnen aufzudecken, was ihnen von ihrer Scham verborgen war: ‚Euer Herr hat auch diesen Baum nur untersagt, damit ihr nicht zu Engeln werdet oder zu denen gehört, die ewig leben.‘ Und er schwor ihnen: ‚Ich gehöre zu denen, die euch gut raten.‘“226
In der christlichen Tradition war eher der Luzifermythos, der erstmals auf Origenes zurückgeht, prägend.227 3.9. Zusammenfassung und Ausblick 3.9.1. Überblick
Die Untersuchung frühjüdischer Texte zwischen dem 3./2. Jh. v. Chr und dem Ende des ersten Jahrhunderts nach der Zeitenwende hat gezeigt, dass die Rezeption von Gen 3 bzw. der Figur Adams bis zur Mitte des ersten Jahrhunderts sehr spärlich ausfällt. Die folgende Zusammenschau mag dies nochmals verdeutlichen: 1) Kaum ein Text, der zur hebräischen Bibel gehört, scheint die AdamTradition zu kennen oder zu beachten. 2) Demgegenüber zeugt das henochische Schrifttum zwar von seiner Kenntnis der Adam-Tradition, offensichtlich wurde sie aber nicht für maßgebend erachtet, da die Wächter im Vordergrund stehen und deren Tradition auch bei chronologischer Nachordnung sachlich vorgeordnet wird. 3) Eine Nacherzählung im klassischen Sinn findet sich nur im Jubiläenbuch, welches nach der Genesis gestaltet ist und Gen 3 sodann auch nicht modiCf. die Stellenangaben bei J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 17. Übersetzung nach H. ZIRKER, Der Koran, 98–99. 227 Cf. J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 17. Die Luzifererzählung, die in Bezug zu Jesaja 14,12 steht, fokussiert vor allem die Herrschaftskonkurrenz zwischen Gott und dem Teufel bzw. dessen Ansinnen, Gott in seiner Macht ähnlich zu sein. Dieses Motiv begegnet in der Vita durchaus auch, aber im Vordergrund steht die Auseinandersetzung mit Adam bzw. die Herrschaftskonkurrenz Teufel-Mensch. 225 226
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4)
5) 6)
7)
8)
3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
fiziert. Außerdem wird der Erzählung für die folgende Menschheitsgeschichte keine Bedeutung zugemessen. In anderen Texten finden sich verschiedene Anspielungen, jedoch keine weiteren Ausführungen (Sir, Sap). Sowohl Sir als auch Sap kennen – in unterschiedlicher Art und Weise – die Vorstellung, dass die Tat einer einzelnen Figur grundlegende Veränderungen ‚für alle‘ nach sich zieht. Möglicherweise rezipieren gewisse Texte den ersten Menschen positiv als herrlichen Protoplasten (Hodayot, Zwei-Geister-Lehre). Schließlich findet sich erst im ersten Jahrhundert bei Philo eine erste breitere Auseinandersetzung mit Gen 3, wobei allerdings der Weg einer allegorischen Deutung eingeschlagen wird, welche die Verantwortung für das Übel auf der Welt im Menschen selbst sucht. Frühjüdische Apokalypsen wie 4 Esra und 2 Bar betonen die Schuldhaftigkeit Adams, ohne dabei jedoch eine Nacherzählung von Gen 3 zu bieten. Phänomene wie Sünde und Tod werden mit der Gebotsübertretung der ersten Menschen in Verbindung gebracht. Auch hier wird ersichtlich, dass Adam lediglich ‚als erster‘ sündigte, Sünde im Grunde aber jeden Mensch betrifft. Erst die ApcMos bzw. die Adamviten führen die Adamtradition auf je eigene Weise breiter aus und befassen sich genauer mit der Schuldhaftigkeit Adams bzw. der ersten Menschen. Zugleich wird Gen 3 bereits ausführlich satanologisch gedeutet.
Die Bedeutung der Adam-Tradition intensiviert sich erst ab dem ersten Jahrhundert, obwohl jene auch zuvor bekannt war, was sich wiederum an verschiedenen kleineren Bezugnahmen zeigen lässt. Zugleich verliert der Wächtermythos, der bis dahin als maßgebendes Paradigma für Sünde herangezogen wurde, an Bedeutung. Die Adam-Tradition kommt demgegenüber nun neu als Ursache universeller Phänomene wie Sünde und Tod zur Sprache (4 Esra, 2 Bar, ApcMos, VitAd). Im Rahmen der Rezeption von Gen 3 kommt dann auch der Teufelsfigur vermehrt Beachtung zu. Somit lassen sich schließlich zwei Linien der Adam-Tradition näher beschreiben: Zum einen eine mehr anthropologische Deutung, zum andern eine damit verbundene satanologische Deutung der Ereignisse. 3.9.2. Anthropologische Deutung
Eine erste Gruppe von Texten wie Ben Sira, LAB, 2 Bar und 4 Esra betonen die Schuld Adams bzw. der Menschen. Diese Texte stammen mehrheitlich aus einem weisheitlichen Denkkreis, in welchem die menschliche Unterscheidungsfähigkeit zwischen Gut und Böse betont wird. Anders als in Gen 3 gilt das Wissen um Gut und Böse hier als schöpfungsgemäße menschliche Grundvoraussetzung. Infolgedessen wird dem Menschen ein hohes Maß an
3. Rezeption im frühen Judentum
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Selbstverantwortung zugemessen und seine Schuld wird umso stärker betont, da er ‚wider besseres Wissen‘ sündigt (Akrasie-Thematik). Eine satanologische Deutung demgegenüber, die vielmehr die schicksalhafte Dimension menschlicher Schuld betont, hat hier keinen Platz; vielmehr wird davon ausgegangen, dass Adam bzw. der Mensch das Böse wider besseres Wissen selbst wählt (cf. Ben Sira, LAB, 4 Makk, 2 Hen, 2 Bar, 4 Esra). Vor allem in Texten mit paränetischen Absichten wird auf diese Art und Weise argumentiert. Außerdem ist zu bemerken, dass eine anthropologische Deutung des Bösen zugleich den Blick von der Theodizee abwendet. Noch selten und wenig ausgeprägt findet sich die Vorstellung von einer Art bösem Trieb im Menschen (4Q422 und 4 Esra); in der weiterführenden rabbinischen Tradition ist dieser dann aber von großer Bedeutung. Die Vorstellung des bösen Triebs liefert die Erklärung, warum der von Gott geschaffene Mensch überhaupt zur Sünde fähig ist. Eine spezifische Ausprägung in der Interpretation der Schuldhaftigkeit der Menschen ist dann der Fokus auf der Frau (cf. Ben Sira, Philo, LAB, 2 Hen, ApcMos, VitAd). Findet sich ein Bezug auf die erste Frau bzw. Eva, wird deren Schuld (und infolgedessen z.T. die Schuld aller Frauen) zumeist geschlechterspezifisch gedeutet. So wird gelegentlich impliziert, dass die Frau für Verführungen empfänglicher ist als der Mann; das Motiv der Täuschung durch die Schlange bzw. den Teufel wird daher viel enger mit Eva verbunden: „In wenigen Fällen wird es auf beide bezogen, nie auf Adam allein. Dessen Vergehen wird allgemeiner als Übertretung aufgefasst oder in einigen Fällen – wiederum mit frauenfeindlicher Tendenz – als Hören auf den Ratschlag (s)einer Frau.“228 Zwar ist das negative Frauenbild mancher Verfasser nicht von der Hand zu weisen, gleichwohl findet sich nirgends eine monokausale Schuldzuweisung. Schließlich ist sodann auffällig, dass die Schuld der Frau (v.a. in der weiteren Rezeptionsgeschichte) zumeist mit einer sexuellen Deutung einhergeht.
Gemäß dem Targum Pseudo-Jonathan zu Gen 4,1 zeugte Eva Kain mit Sama’el, nicht mit Adam:229…( ואדם ידע ית חוה איתתיה דהיא מתעברא מן סמאלsiehe auch T.Ps.-J. zu Gen 5,3).230 Die genaueren Umstände werden dabei nicht erläutert, vielmehr wird mit dieser Erzählung die Boshaftigkeit Kains erklärt. Eine ähnliche Vorstellung findet sich dann auch im Tal-
S. KRAUTER, Eva in Röm 7, 13. Sama’el gilt dem Targum als ‚Engel des Todes‘ (3,6). 230 Siehe dazu die Übersetzungsausgabe von M. MAHER, Genesis, 31. Die Targume Onqelos und Neofiti schweigen zu diesem Thema. 228 229
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
mud (bJevamot 103b), allerdings ist es dort die Schlange, die mit Eva geschlafen und ihr dabei die im Traktat problematisierte Lust eingepflanzt habe.231
Das anthropologische Modell nimmt die Verantwortung des Menschen ernst und appelliert an seine Vernunft und sein Verständnis von dem, was ‚gut‘ und ‚böse‘ ist. Kritisch müsste gefragt werden, ob die menschliche Verantwortungsfähigkeit dabei überbelastet wird. 3.9.3. Satanologische Deutung
Eine zweite Gruppe von Texten wie Sap, 2 Hen, ApcMos und VitAd stellt das Scheitern der Menschen und deren Sündigen in einen anderen Horizont, indem der ‚Sündenfall‘ satanologisch gedeutet wird, das heißt eine Teufelsfigur für das Scheitern der (ersten) Menschen (mit-)verantwortlich gemacht wird. Die Menschen kommen dabei als Opfer der übermenschlichen Macht des ‚Teufels‘, in den Blick; dieser setzt alles daran, die Menschen von Gottes Gebot abzubringen. Die Opfer werden getäuscht und betrogen, indem ihnen Schlechtes als Gutes angeboten wird; zugleich werden Zweifel an der Güte Gottes geweckt. Während in gewissen Texten radikal an der Verantwortung und der Schuld des Menschen festgehalten wird, werden diese durch das Motiv der Täuschung zu einem gewissen Grad entlastet. Gleichwohl wird dabei nie von der alleinigen Schuld des Teufels ausgegangen; die Menschen gelten insofern als mitverantwortlich, dass sie der Täuschung erlagen oder sich nicht ausreichend hüteten. Das satanologische Modell ist quasi als ‚Erweiterung‘ der anthropologischen Erklärung der Ursprünge des Bösen zu verstehen. Zwar kann durchaus der Vorwurf erhoben werden, dass Gott der Theodizeefrage durch die Einführung eines ‚bösen‘, aber zugleich ‚göttlichen‘ Wesens enthoben werden; zugleich wird die Situation des Menschen gleichwohl differenzierter betrachtet als in einer rein anthropologischen Deutung. Dass Menschen nämlich tun, was sie eigentlich nicht wollen, oder dass scheinbar Gutes sich als Böses entpuppt, gehört mit zur menschlichen Erfahrungsdimension. Die Täuschung durch den Teufel verleiht dem Erleben des Übermächtigen und der Tragik von Schuld Ausdruck. Wie die Teufelsfigur schließlich theologisch zu kontextualisieren ist, ist eine Frage, die sekundär an die Erzählung zu stellen ist, in ihr allerdings nicht beantwortet wird. In der weiteren frühjüdischen Rezeptionsgeschichte von Gen 3 ist die satanologische Deutung sodann von großer Bedeutung. Einige Beispiele seien hier kurz aufgeführt: Cf. weiter auch M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 48–49, zu Gen Rab. 17,6 G. REEG, The Devil in Rabbinic Literature, 79. 231
3. Rezeption im frühen Judentum
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Griechische Baruch-Apokalypse (3 Baruch): Hier werden die Reisen Baruchs durch fünf himmlische Sphären beschrieben,232 wobei Baruch Heil und Unheil der Endzeit schaut. Die Schrift ist zwar lediglich in christlicher Überlieferung erhalten,233 vermutlich ist aber von jüdischem Ursprung und christlicher Endredaktion auszugehen;234 so ist beispielsweise eine Adam-ChristusTypologie erkennbar.235 Die Datierung ist unsicher, die Abfassung mag wohl ins 2./3. Jh. fallen (evtl. auch später).236 Nach der Gen 3-Rezeption von 3 Bar hat der Engel Sama’el (in der slawischen Fassung ‚Satanail‘) den verbotenen Baum (einen Weinstock) gepflanzt.237 Aus diesem Grund, so der Deuteengel, habe Gott Adam verboten, vom Baum zu essen. Sama’el allerdings habe Adam aus Neid getäuscht (3 Bar 4,8). Später wird deutlich, dass der Teufel dazu die die Schlange als ‚Verkleidung‘ nutzte.238 Wie dann im Folgenden aus 4,10–17 hervorgeht, konnte der Weinstock auch durch die Flut nicht vernichtet werden.239 Noah habe ihn schließlich auf Gottes Geheiß neu gepflanzt, wodurch sich sein Geschmack veränderte: Aus ‚bitterem Gesöff‘ wurde ‚süßes Getränk‘.240 DenZur Einführung siehe W. HAGE, Die griechische Baruch-Apokalypse, 17–20. Es liegen zwei griechische und mindestens zwölf slawischen Handschriften vor, wobei davon ausgegangen wird, dass diese auf eine griechische Urform zurückgehen. 234 Wie diese miteinander im Kontext stehen, ist schwierig zu beantworten. Siehe dazu G. S. OEGEMA, Apokalypsen, 9–12. Siehe im Weiteren auch G. S. OEGEMA, Op. cit., 9–26. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die bei Oegema auf Seite 21 genannten weiteren Anspielungen auf verschiedene andere Texte (Pentateuch, die Königebücher, die großen und kleinen Propheten, Weisheitsschriften des AT, Evangelien, Apostelgeschichte, Protopaulinen sowie weitere Briefe des NT, jüdische Pseudepigraphien, e.g. ApcMos, ApcSedr und die Henochschriften; schließlich christliche Apokryphen wie ApcPls, 5 Esra und TestAd). Direkte Zitate fehlen allerdings. Cf. weiter auch A. KULIK, 3 Baruch, 13–15. 235 G. S. OEGEMA, Apokalypsen, 16. 236 Cf. auch A. KULIK, 3 Baruch, 12. 237 Der ‚Baum der Erkenntnis‘ wird auch in ApcAbr 23,5 und in rabbinischen Traktaten als Weinstock interpretiert. Es ist hingegen singulär, dass die Wirkung des Weines dem diabolischen Ursprung des Weinstockes zugeschrieben wird. Cf. A. KULIK, Op. cit., 198. Nach der slawischen Variante (4,7) hat Satana’el den Weinstock gepflanzt, während die andere Engel Pflanzen wie Oliven, Apfel, Nussbaum und Melone in den Garten setzten. Cf. A. KULIK, Op. cit., 209. 238 Cf. 9,7: „Und bei der Übertretung des ersten Adam war er [sc. der Mond] bei Samael, als er die Schlange als Kleid anzog.“ Übersetzung nach W. HAGE, JSHRZ V.1. Zur Schlange in 3 Baruch cf. A. KULIK, 3 Baruch, 193. Siehe zudem die slawische Ergänzung von zu 4,8: „Herr, zeige mir den Baum, mit dem die Schlange Eva und Adam verführte.“ Siehe W. HAGE, Griechische Baruch-Apokalypse, 37. 239 Nach 4,10 hat Gott mit der Flut ‚viele Giganten‘ zerstört; hier liegt offensichtlich eine Verbindung mit dem Wächtermythos vor. Cf. C. T. PIERCE, Spirits and the Proclamation of Christ, 129. 240 Zur Adam-Christus Typologie in Bezug auf den Weinstock siehe G. S. OEGEMA, Apokalypsen, 16. 232 233
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
noch habe der Weinstock immer noch eine ‚böse‘ Wirkung auf den Menschen, weil aus übermäßigem Weinkonsum negatives Verhalten hervorgeht (e.g. Mord, Ehebruch, Unzucht, Eidbruch, Diebstahl etc., siehe 4,16). 3 Bar berichtet einerseits von den Betrügereien Sama’els, hält aber andererseits fest, dass die Menschen sich im Rahmen der gegebenen Möglichkeit zur Sünde mit ihrem gottwidrigen Verhalten selbst das ‚ewige Feuer‘ bereiteten. Apokalypse des Sedrach: Diese höchstwahrscheinlich in Griechisch abgefasste Apokalypse ist schwer zu datieren und wird reichlich unscharf zwischen 150 und 500 n. Chr. angesiedelt, wobei ein Redaktionsprozess bis in christliche Mittelalter anzunehmen ist. Überliefert ist ApcSedr nur in einem griechischen Manuskript aus dem 15. Jh.241 Trotz christlicher Elemente wird die Schrift in ihrer Entstehung im Judentum angesiedelt.242 Zentrales Thema ist die Frage nach dem Problem des Bösen in der Welt; Sedrach klagt Gott wegen Adams Übertretung an (ApcSedr 5), wobei der Neid des Teufels angeführt wird (ApcSedr 5,1–3). Gott weist Sedrachs Anklage zurück; was er dem Menschen geboten habe, sei machbar (6,1), der Mensch aber habe die ‚Erbschaft‘ (die Gaben Gottes) genommen (wie ein abtrünniger Sohn, der den Vater verlässt) und sei ein ‚Fremder‘, ‚Ehebrecher‘ und ‚Sünder‘ geworden (6,2–6). Hier wird wie in vergleichbaren Texten zum einen das Handeln Satans vorausgesetzt, zum andern aber auch die Verantwortung des Menschen betont. Wie andernorts wird die Verantwortung Gottes auch hier thematisiert, dann aber negativ beantwortet. Rabbinische Traktate: Bei den Rabbinen wird Gen 3 oftmals mit einem protologischen Satanssturz verbunden. So beispielsweise Pirqe de Rabbi Eli’ezer 12 und 14; Ber. Rabbati לך לךzu Gen 14,13. Pirque de Rabbi Eli’ezer berichtet vom Neid der Engel auf den soeben geschaffenen Adam, den sie anbeten sollen. Die Engel zitieren Ps 144,3 („Was ist der Mensch, dass du sich seiner annimmst…“).243 Sama’el, der ‚große Prinz‘, instrumentalisiert daraufhin die Schlange, da diese als klügstes der Tiere für böse Taten am besten geeignet scheint, um die Menschen zu betrügen. Über weite Strecken der jüdischen Auslegung wird sich die Lehre des bösen Triebs etablieren, womit die anthropologische Deutung letztlich stärker betont wird.
Cf. S. AGOURIDES, Apocalypse of Sedrach, 605–606. Cf. S. AGOURIDES, Op. cit., 606–607. 243 J. DOCHHORN, Schriftgelehrte Prophetie, 301. 241 242
4. Frühchristliche Rezeption
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4. Frühchristliche Rezeption
4. Frühchristliche Rezeption
Das frühjüdische Interesse an der Figur Adams im ersten Jahrhundert lässt sich auch in der sich herausbildenden frühchristlichen Theologie beobachten. Die Adam-Tradition, die für die christliche Dogmatik bis in die Gegenwart prägend ist, nimmt in den Ausführungen des Paulus (v.a. im Römerbrief) ihren Anfang. Der paulinischen Adam-Rezeption kommt insofern große Bedeutung und gesonderte Beachtung zu, als Paulus als erster Theologe angeführt werden kann, der die Schuld Adams derart ausgeprägt in einen heilgeschichtlichen Zusammenhang stellt. Ansonsten fällt die Rezeption von Gen 3, zumindest unter den neutestamentlichen Schriften, eher spärlich aus. Bei den Kirchenschriftstellern wird Adam dann in der Rezeption der paulinischen Theologie wiederum äußerst bedeutend. 4.1. Zu den Figuren des Bösen im frühen Christentum
Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass in neutestamentlichen Texten kaum nach den Ursprüngen des Bösen gefragt wird. Systematischere Überlegungen zum Problem des Bösen finden sich dann erst bei den frühen Kirchenschriftstellern, die sich mit verschiedenen theologischen Topoi in systematischer Art und Weise auseinandersetzen. Die Frage nach dem Bösen wird in den neutestamentlichen Schriften zunächst als Frage nach dem gegenwärtigen Bösen im Horizont des Wirkens Jesu Christi betrachtet, durch dessen Heilstat das Böse als überwunden gilt. Die Aktualität des Bösen wird sodann im Wirken von Teufelsgestalten und Dämonen ausgedrückt.
Unter den neutestamentlichen Texten begegnet eine Bandbreite von Namen und Bezeichnungen für Figuren des Bösen:244 Διάβολος,245 Σατάν bzw. Σατανᾶς,246 Βελιάρ,247 ‚der Böse‘ (ὁ πονηρός),248 ‚der Feind‘ (ὁ ἐχθρός),249 der ‚Fürst dieser Welt‘ (ὁ ἄρχων τοῦ E.g. D. R. BROWN, The Devil in the Details, 209–211; H. A. KELLY , Satan, 80–107. Mt 4,1.5.8.11; 12,26; 25,41; Lk 4,2f.6.13; 8,12; Joh 6,70; 8,44; 13,2; Apg 10,38; 13,10; Eph 4,27; 1 Tim 3,6f; 2 Tim 2,26; Hebr 2,14; Jak 4,7; 1 Petr 5,8; 1 Joh 3,8.10; Jud 1,9; Offb 2,10; 12,9.12; 20,2.10. Fehlt ganz bei Markus und Paulus. 246 36x im Neuen Testament: Mt 4,10; 12,26; 16,23; Mk 1,13; 3,23.26; 8,33 (Bezeichnung für Petrus); Lk 10,18; 11,18; 13,16; 22,3.31; Joh 13,27; Apg 5,3; 26,18; Röm 16,20; 1 Kor 5,5; 7,5; 2 Kor 2,11; 11,14; 12,7; 1 Thess 2,18; 2 Thess 2,9; 1 Tim 1,20; 5,15; Offb 2,9.13.24; 3,9; 12,9; 20,2.7. 247 Während Belial/Beliar in den Qumrantexten sehr häufig begegnet (cf. auch TestXII), findet er sich im Neuen Testament bloß an einer Stelle (2 Kor 6,15). Gleichwohl wird man die Belial-Tradition als bekannt voraussetzen dürfen. 248 Mt (6,13?); 13,19; Joh (17,15?); 1 Kor 5,13; Eph (6,16?); 2 Thess (3,3?); 1 Joh 2,13f; 5,18. 249 Mt 13,25.39; Lk 10,19. 244 245
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
κόσμου τούτου)250 und Βεελζεβούλ.251 Zuweilen sind die Bezeichnungen austauschbar, was vor allem auf die Bezeichnungen Διάβολος und Σατανᾶς zutrifft.
Mit verschiedenen Bezeichnungen werden zwar unterschiedliche Aspekte betont, gleichwohl werden innerhalb derselben Schrift auch verschiedene Bezeichnungen für dieselbe Figur verwendet. Das lässt wiederum darauf schließen, dass unter ihnen zumindest etwas Vergleichbares verstanden wurde. Gleichwohl muss von einer allzu einheitlichen Vorstellung abgesehen werden. Die Verwurzelung dieser Figuren im frühen Judentum ist deutlich erkennbar. Im Folgenden werden die Figuren des Bösen und deren Funktionen überblicksartig erläutert und kontextualisiert. a) Im Anschluss an frühjüdische Vorstellungen ist auch die neutestamentliche Teufelsfigur (ähnlich Belial oder Mastema) als Dämonenfürst Anführer einer Horde von Dämonen/bösen Geistern (cf. Jub),252 welche u.a. als Urheber von Krankheiten gelten (e.g. Lk 13,11.16). Zumeist ist der ‚Satan‘ allerdings „in den Kampf gegen Gott verwickelt“:253 Er versucht Jesus (Mk 1,13) und steht Gottes Wirken (Mk 4,15) und der Gemeinde entgegen. In Mk 3,22 par wird Jesus vorgeworfen, er treibe Dämonen mit dem Dämonenfürsten (hier: Beelzebul) aus. b) Im Erzählverlauf der synoptischen Evangelien kommt die Teufelsfigur zunächst als Versucher Jesu in den Blick (Mk 1 par). Dabei wird der ‚Teufel‘254 jeweils mit dem Verb πειράζω in Verbindung gebracht.255 Die Perikope der Versuchung Jesu zeigt einen geschickten Versucher (der sogar die Schrift ins Feld führt); die Gestaltung des Dialoges erinnert in gewisser Weise an VitAd.256 c) Als Gegner und Feind Jesu wird der Teufel v.a. im JohEv portraitiert. Bereits im Prolog des Johannesevangeliums findet sich eine kosmologischdualistische Terminologie von Licht und Finsternis, wobei das Licht jeweils mit Jesus in Verbindung steht (e.g. Joh 1,9; 14,36.46); das Licht abzulehnen heißt daher Jesus abzulehnen (e.g. Joh 3,19–21; 8,12).257 Der Teufel demgeJoh 21,31; 14,30; 16,11; siehe auch Eph 2,2: ὁ ἄρχων τῆς ἐξουσίας τοῦ ἀέρος, τοῦ πνεύματος. 251 7x im Neuen Testament: Mt 10,25; 12,24.27; Mk 3,22; Lk 11,15.18f. 252 In Mt 25,41 und Offb 12,9 sogar als Engel (οἱ ἄγγελοι αὐτοῦ). 253 So J. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, 216. 254 Mk: Σατανᾶς, Mt: Διάβολος, ὁ Πειράζων, Σατανᾶς, Lk: Διάβολος. Vermutlich übersetzten die Verfasser von Mt und Lk den hebräischen Begriff. 255 Das Verb πειράζω wird nicht ausschließlich mit einer Teufelsfigur in Verbindung gebracht, sondern auch mit Pharisäern und Sadduzäern (etwa in Mt 16,1; 22,18). 256 Siehe dazu J. DOCHHORN, The Devil in the Gospel of Mark, 100. 257 Cf. weiter J. LEONHARDT-BALZER, Bilder des Bösen in den Johanneischen Schriften, 229–231. 250
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genüber steht in der Linie der Finsternis,258 der als Feind des Lichts weiter als Feind des Evangeliums bzw. der Verkündigung Jesu und schließlich der Glaubenden (cf. auch 1 Petr 5,8) und des Glaubens überhaupt gilt. Möglicherweise kommt dieser Aspekt sodann in der letzten Bitte des Unser-Vater-Gebets nach Mt zur Sprache (…ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονηροῦ). Πονηρός kann abstrakt oder personal verstanden und übersetzt werden. Da die Teufelsfigur an anderer Stelle mit ὁ πονηρός bezeichnet wird (Mt 13,19) und die Bitte hier in Verbindung mit der Versu259 chung (πειρασμός) steht, legt sich eine personale Übersetzung vermutlich näher.
Auch die synoptischen Evangelien kennen die Bezeichnung ἐχθρός (cf. ApcMos). Diese Funktion kann paradigmatisch am Gleichnis vom Sämann (Mt 13 par Lk 8) und vom Unkraut und vom Weizen (Lk 8) verdeutlicht werden: Hier dient der Feind der Erklärung des Unglaubens. Insofern ist diese Konzeption eine theologische Bewältigungsstrategie, die das Nebeneinander von Gläubigen und Ungläubigen erläutert und zudem darlegt, warum nicht alle Hörer des Wortes zum Glauben kommen. Andere Trägerkreise lösen dieselbe Frage mit einer radikalen Prädestinations-vorstellung. Auch in der frühchristlichen Briefliteratur ist die Glaubensfeindschaft des Teufels eine häufig anzutreffende Vorstellung, wie sie im gesamten frühjüdischen Raum zu finden ist (e.g. 2 Kor 4,4). Das Neidmotiv fehlt hier allerdings. Als Feind des Glaubens kann der Teufel schließlich auch als Urheber der Sünde gelten. Nach 1 Joh 3,8 sündigt der Teufel ‚von Anfang an‘ (ἀπ᾽ ἀρχῆς ὁ διάβολος ἁμαρτάνει). Wer Sünde tut ist daher ‚aus dem Teufel‘ (ἐκ τοῦ διαβόλου) und steht dem Glauben entgegen, indem er Unrecht tut und gegen das Liebesgebot verstößt.260 Weiter: Wahrheit – Lüge; Jesus, die Wahrheit (Joh 14,6) – der Teufel, der Lügner (8,37–45); Leben – Tod etc. 259 Zu Mt 13 siehe J. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, 217. Personale Übersetzungen finden sich beispielsweise bei P. BONNARD, L'Évangile selon Saint Matthieu, 81 („[…] mais arrache nous au Malin.“) oder W. F. ALBRIGHT/C. S. MANN, Matthew, 74 („[…] but save us from the Evil One.“). Ebenfalls C. A. EVANS, Matthew, 142. Aufgrund der Ähnlichkeit zu jüdischen Gebeten (e.g. bBer. 16b; 60b, 11Q Psa XXIV 11–12) rechnen manche Kommentatoren damit, dass hier nicht in erster Linie um eschatologische, sondern um alltägliche Versuchungen gemeint sind. Die Vorstellung, dass mit alltäglichen Versuchungen dämonische und/oder teuflische Mächte verbunden sind, ist aus verschiedenen frühjüdischen Texten bekannt Cf. U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 453 oder C. A. EVANS, Matthew, 148. Anders W. F. ALBRIGHT/C. S. MANN, Matthew, 76–77; oder P. BONNARD, L'Évangile selon Saint Matthieu, 87 (Hervorhebung durch den Vf.): „Dans le contexte eschatologique du Notre Père, il s’agit probablement de la Tentation dernière au sens des souffrances diaboliques qui précéderont la Fin […].“ 260 Gottes Liebe (1 Joh 3,1), die Liebe Christi, der sein Leben ‚für uns‘ gelassen (3,16a) und das Gebot der Liebe gelehrt hat (3,11), sowie die Liebe, die die ‚Brüder‘ untereinander haben (3,16b-18), sollen aufeinander verweisen. Das Tun der Liebe ist notwendig für das Bleiben ‚in Gott‘ (3,14). In diesem Zusammenhang findet sich ein Verweis auf Gen 4 und 258
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
d) Schließlich gilt der Teufel in manchen neutestamentlichen Texten auch als eschatologischer Gegner. Mt 25,41 redet gar vom ‚Diabolos und seinen Engeln‘; der Satan/Diabolos gilt als Anführer eines Engelheers wie der ‚Geist des Frevels‘ in der qumranischen Zwei-Geister-Lehre oder Belial in der Kriegsregel (1QM). Somit steht hier vermutlich die Vorstellung der ‚Endzeitschlacht‘ im Hintergrund. Im Johannesevangelium ist dabei terminologisch bevorzugt vom ‚Herrscher der/dieser Welt‘ die Rede (Joh 12,31; 14,30; 16,11). Dass die gegenwärtige Welt als Herrschaftsbereich einer Teufelsfigur interpretiert wird, ist aus Texten wie 1QS oder 1QM unter dem Begriff ממשלת בליעלbekannt.261 Der ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου gleicht sodann auch eher Belial als dem synoptischen ‚Teufel‘.262 Zwar wird die Teufelsfigur im JohEv auch Diabolos (Joh 6,70; 8,44; 13,2) und Satan (13,27) genannt, doch der „[…] umfassende Gegensatz zu Jesus und zu Gott wird jedoch nicht durch diese beiden Begriffe ausgedrückt, sondern durch den ‚Fürst der Welt‘.“263 Der ἄρχων τοῦ κόσμου τούτου gilt als Herrscher des tödlichen, weltlichen und sündigen Bereiches, der die Menschen am wahren Leben hindert.264 Er steht Christus und den Menschen entgegen.265 Letztlich bedeutet seine Macht die Macht des Unglaubens, welche mit dem Kommen von Licht und Wahrheit in der Gestalt Jesu (cf. Joh 8,12; 14,6) gebrochen ist: Der Fürst der Welt ist gerichtet (κέκριται, cf. Joh 16,11).266 Die theologische Pointe liegt in der Überwindung dieses Herrschers durch das Wirken Jesu (cf. Joh 12,31; [14,30]; 16,11). Jürgen Becker spricht hierbei treffend von einem Herrschaftswechsel:267 Der bisheri-
die Tötung Abels durch Kain: Dieser war ‚aus dem Bösen‘ (ἐκ τοῦ πονηροῦ, 1 Joh 3,12), denn er handelte nicht in Liebe. Sünde, Mord (als radikalste Negation der Bruderliebe) und Teufel stehen hier in sachlichem Zusammenhang. 261 Siehe 1QS I 18.23–24; II 19; 1QM XIV 9; XVIII 2; 4Q390 2 i 4; 4Q177 1–4 8 (?) und 4QMa 8–10 i 6. Hin und wieder finden sich auch Synonyme wie ‚Herrschaft der Finsternis‘ ( )ממשלת חושךe.g. in 1QHa XX 9. 262 Siehe auch den Begriff ‚Gott dieses Äons‘ bei Paulus (2 Kor 4,4). 263 J. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, 222. 264 Cf. J. ZUMSTEIN, L'Évangile selon Saint Jean, 136: „[…] l’humanité reste le destinataire espéré de la révélation christologique, même si sous l'emprise du ‚prince de ce monde‘, elle demeure enfermée dans l’incrédulité.“ 265 Anders Jürgen Becker: „Der Teufel ist […] der die Welt beherrschende Repräsentant im dualistischen Weltbild. So ist er unmittelbarer Gegenspieler Gottes.“ J. BECKER, Das Evangelium nach Johannes, 392. 266 Die Aussage über den gerichteten ‚Herrscher dieser Welt‘ steht im Zusammenhang mit dem Gericht über ‚diese Welt‘, welches im ersten Versteil angekündigt wird (νῦν κρίσις ἐστὶν τοῦ κόσμου τούτου). Cf. im weiteren M. THEOBALD, Das Evangelium nach Johannes, 812. 267 J. BECKER, Das Evangelium nach Johannes, 392–393.
4. Frühchristliche Rezeption
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ge Herrscher wird ‚hinausgeworfen‘, Jesus tritt an seine Stelle.268 Siehe dann auch Joh 12,31 (vgl. 16,11): Der ‚Herrscher dieser Welt‘ wird in der Kreuzesstunde Jesu ‚hinausgeworfen‘, d.h. aus seiner Machtstellung entfernt. Am deutlichsten begegnet der mythologische Hintergrund der Tradition vom eschatologischen Gegner in Offb 12,7–9 (Sturz Satans aus dem himmlischen Bereich); in der Offb allerdings mit der klaren Implikation, dass er nun auf Erden – wenngleich nur für eine begrenzte Zeit – sein Unwesen treibt (Offb 12,18),269 bis er dann endgültig mit seinem ganzen Heer der Vernichtung preisgegeben wird (Offb 20,10). Die eschatologische Überwindung des Bösen, wie sie v.a. in der frühjüdischen Apokalyptik erwartet wird, ist hier mit dem Wirken Jesu bereits angebrochen: Eschatologische Erwartungen werden im Wirken Jesu bereits in der Gegenwart erfüllt (siehe Lk 10,18).270 4.2. Adam und Christus bei Paulus 4.2.1. Einführung
In Abschnit 3.3. konnte das aufkommende Interesse des frühen Judentums an Adam v.a. in Texten des ersten Jahrhunderts beobachtet werden. Diejenigen Texte, die Adams Schuld im Horizont der Heilsgeschichte am prägnantesten betonen, 4 Esra und 2 Bar, sind sodann allerdings mindestens zwei Jahrzehnte nach den paulinischen Briefen anzusetzen. Insofern kann Paulus als wichtigster religionsgeschichtlicher Zeuge für die jüdische Entwicklung der Adams-
Jutta Leonhardt-Balzer interpretiert den Fürsten der Welt aufgrund der Wendung ἐκβάλλειν…ἔξω (Joh 12,31) als dämonischen Geist; somit wäre hier an die exorzistische Tätigkeit Jesu zu denken. Die These wird dann insofern fortgeführt (und hier der Vollständigkeit halber referiert), dass Joh 3; 5; 12,31–32 und 16,8–11 gemeinsam das Bild ergeben würden, „[…] das das zum-Glauben-Kommen als Austreibung eines bösen und Inbesitznahme durch den guten Geist Gottes sieht“. Siehe J. LEONHARDT-BALZER, Bilder des Bösen in den Johanneischen Schriften, 240–241, Zitat 241. Die These vermag allerdings kaum zu überzeugen: Zum einen liegt mit dem Verb ἐκβάλλειν lediglich eine einzige lexikalische Verbindung vor. Zum andern wird der Fürst der Welt im Johannesevangelium (sowie Satan bzw. Diabolos in den synoptischen Evangelien) nie mit den Merkmalen eines bösen Geistes beschrieben, sondern funktional vielmehr mit Attributen einer teuflischen Macht. Selbst der Dämonenfürst Mastema wird im Jubiläenbuch nicht mit einem bösen Geist gleichgesetzt. 269 Zur Interpretation dieser Motivik s. J. H. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes; ebenfalls P. BUSCH, Der gefallene Drache; außerdem FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, 326–429 (386–388); sodann M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau, 238ff. 270 Siehe dazu H. KLEIN, Lukasevangelium, 380. Dass diese Vorstellung an die frühjüdische Apokalyptik anschließt hat Stuckenbruck ausführlich untersucht. Siehe L. T. STUCKENBRUCK, The Myth of Rebellious Angels, 240–256. 268
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thematik gelten. 271 Dabei nimmt Adam bei Paulus eine negative heilgeschichtliche Position ein, der allerdings erst in der Gegenüberstellung zur Heilstat Christi ihre eigentliche Bedeutung zukommt. In den paulinischen Briefen lassen sich im Übrigen verschiedene Auseinandersetzungen mit dem Bösen finden, jedoch keine Spekulationen über dessen Ursprünge.272 Im Folgenden wird die Rezeption von Gen 3 bei Paulus zunächst anhand der Figuren Teufel und Eva erläutert. Sodann folgt eine detailliertere und ausführlichere Auseinandersetzung mit der Adam-Rezeption. 4.2.2. Der Teufel
Dem Teufel kommt im paulinischen Denken zwar eine wichtige Bedeutung zu, jedoch kaum im Rahmen der Rezeption von Gen 3.
Hier sind exemplarisch drei Stellen genannt, in denen Paulus Satan in funktionaler Kontinuität zur frühjüdischen Theologie rezipiert: 1) Im Rahmen seiner Ausführungen über Ehe und Ehelosigkeit gilt Satan als Versucher. Mann und Frau sollen sich einander nicht entziehen, damit der Satan sie nicht versuche (ἵνα μὴ πειράζῃ ὑμᾶς ὁ σατανᾶς διὰ τὴν ἀκρασίαν ὑμῶν, 1 Kor 7,5). 2) In der allerdings nicht einmütig auf Paulus selbst zurückgeführte Stelle 2 Kor 6,15 findet sich der einzige Beleg von Beliar im NT. Dieser steht Christus in einer Reihe von Gegensätzen entgegen (Gerechtigkeit – Missachtung des Gesetztes; Licht – Finsternis; Gläubige – Ungläubige; Tempel Gottes – nichtige Götter).273 Diese Gegensatzpaare erinnern an qumranische Dichotomien. Im Rahmen der inhaltlichen und begrifflichen Nähe zu Qumrantexten führt Leonhardt-Balzer auch 1 Kor 5,5 an; dabei kann im Horizont der Qumrantexte der Ausschluss aus der Gemeinde verstanden werden; Belial gilt in diversen Qumrantexten als „Repräsentant derer, die nicht zu der Gemeinde gehören“.274 3) Schließlich macht Paulus in 2 Kor 12,7 einen ἄγγελος namens Σατᾶν für seinen ‚Stachel im Fleisch‘ verantwortlich. Gleichwohl verortet er diesen in der göttlichen Verfügung, damit er sich nicht überhöhe.
Gerade da, wo die Paradieserzählung am offensichtlichsten im Hintergrund steht (Röm 5 und 7 und 2 Kor 11,3), bietet Paulus keine satanologische Deutung der Ereignisse an. Bemerkenswerterweise wird die Schlange in 2 Kor 11 nicht satanologisch gedeutet.
Allenfalls ist in 2 Kor 11 eine gewisse Nähe zur Tradition, die sich in VitAd findet, zu bemerken: Zunächst werden die Irrlehrer mit der Schlange verglichen; sie gelten als ‚Lügenapostel‘ (ψευδαπόστολοι), die sich als Apostel Christi tarnen (μετασχηματιζόμενοι εἰς ἀποστόλους Χριστου, siehe 2 Kor 11,13–15). Als Vergleichspunkt wird aber nicht die Schlange genannt, sondern der Satan, als dessen Diener (διάκονοι) die Lügenapostel gelSiehe dazu M. E. GÖTTE, Adam und Christus – Christus und Adam. Römer 7 im Licht von Genesis 3. 272 Cf. M. BECKER, Paul and the Evil One, 129. 273 Siehe dazu T. SCHMELLER, Der zweite Brief an die Korinther, 274–275. 274 Cf. J. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, 225–226. Siehe weiter T. SCHMELLER, Der zweite Brief an die Korinther, 274–275. 271
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ten.275 Wie ihr ‚Herr‘, der sich als ‚Engel des Lichts‘ (γὰρ ὁ σατανᾶς μετασχηματίζεται εἰς ἄγγελον φωτός) tarne, tarnen jene sich als ‚Apostel Christi‘.
Schließlich sei auf Röm 16,20a verwiesen: Paulus verheißt der Gemeinde, dass Gott den Satan bald unter ihren Füßen zermalmen wird (ὁ δὲ θεὸς τῆς εἰρήνης συντρίψει τὸν σατανᾶν ὑπὸ τοὺς πόδας ὑμῶν ἐν τάχει). Jan Dochhorn vermutet, dass Röm 16,20a auf die frühjüdische Exegese von Gen 3,15 rekurriert:276 Dabei ist zunächst die targumisch-exegetische Tradition vom Verb ‚( שוףzermalmen‘, ‚glätten‘) von Bedeutung.277 Targum Pseudo-Jonathan zu Gen 3,15 weist dabei ein hebräisch-aramäisches Sprachspiel auf, welches diese Wurzel naheliegend variiert.278 Dass ein solches Sprachspiel in einem griechischen Text noch ‚funktioniert‘, setzt zunächst vom Verfasser, sodann aber vor allem von den Empfängern profunde Kenntnis voraus und profiliert „[…] Paulus und einen Teil der römischen Christen als aktive Teilhaber einer Schriftgelehrsamkeit […], die sich vor allem durch die hermeneutisch fruchtbare Indienstnahme von Polyglottie auszeichnete“.279 Wenn Dochhorn recht behalten sollte, dann wird in Röm 16,20a Gen 3,15 aufgenommen um damit eine endzeitliche, messianische Unterwerfung des Satans in Aussicht zu stellen: „In sehr groben Umrissen erscheint bei Paulus im Römerbrief also ein
1 Tim 5,14–15 kennt eine ähnliche Formulierung: τινες ἐξετράπησαν ὀπίσω τοῦ σατανᾶ. Im dortigen Zusammenhang werden mit dieser Terminologie Gemeindeglieder bezeichnet, wobei nicht unbedingt Ungläubige gemeeint sind, sondern vor allem ‚Häretiker‘. Ähnlich ist schließlich auch 1 Tim 3,7 (und im Folgenden 2 Tim 2,26) zu verstehen. Die ‚Schlingen des Diabolos‘ sind eine „Bezeichnung für ein Verhalten, das nicht mit der Gemeindeethik übereinstimmt“ und erinnert an die ‚Schlingen Belials‘ in den Qumrantexten. Cf. J. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, 228. Cf. sodann auch den Ausdruck ‚Ränke des Diabolos‘ (Eph 6,11). Im Weiteren weisen auch 1 Tim 1,20 und 1 Kor 5,5 in eine vergleichbare Richtung (ein abtrünniges Gemeindeglied wird ‚dem Satan übergeben‘). 276 Gen 3,15 beinhaltet die Ätiologie der Feindschaft zwischen Schlange und Mensch: „Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs: Er wird dir den Kopf zertreten, und du wirst ihm nach der Ferse schnappen.“ Dass sich Gen 3,15 als Referenzpunkt nahelegt, wird u.a. dadurch begründet, dass eine Rezeption von Gen 3 sich bei Paulus grundsätzlich nahelegt und dass Gen 3,15 im Spezifischen bereits im frühen Christentum von großer Bedeutung war. Siehe dazu J. DOCHHORN, Paulus und die polyglotte Schriftgelehrsamkeit seiner Zeit, 194–195. 277 ID., Schriftgelehrte Prophetie, 301–305. Sowie ID., Paulus und die polyglotte Schriftgelehrsamkeit seiner Zeit, 197–205. 278 Folgende Verben werden angeführt: נטרund כוןItpael, das LXX-Korrelat ist τηρεῖν; damit wird die Thematik der Torahobservanz, welche mit dem ‚zertreten‘ oder dem ‚gebissen werden‘ zusammenhängt, in Verbindung gebracht. Sodann wird ( שוףüber eine aramäische Transliteration) zur Bedeutung ‚Frieden‘ variiert. Zusammenfassend J. DOCHHORN, Op. cit., 205. 279 J. DOCHHORN, Op. cit., 211. 275
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Bild vom endzeitlichen Ergehen des Teufels, das zu dem von Apc Joh 12 erstaunliche Ähnlichkeiten aufweist.“280 4.2.3. Eva
Anders als Adam kommt Eva bei Paulus keine heilsgeschichtliche Bedeutung zu, sie wird lediglich im zweiten Korintherbrief, den Paulus vor dem Römerbrief (vermutlich im Herbst 55) in Makedonien verfasste, in exemplarischer Funktion erwähnt. 281 Paulus fürchtet um die korinthische Treue Christus gegenüber und zieht dabei die Verführung Evas durch die Schlange als metaphorischen Vergleichspunkt heran (2 Kor 11,3):282 „Ich fürchte aber, eure Gedanken könnten abgelenkt werden von der ungeteilten Hinwendung zu Christus, so wie es der Schlange gelang, Eva mit ihrer List zu betrügen (ὡς ὁ ὄφις ἐξηπάτησεν Εὕαν ἐν τῇ πανουργίᾳ αὐτοῦ)“.283 Zuvor in V. 2 schilderte Paulus, dass er die Gemeinde als ‚reine Jungfrau‘ (παρθένον ἁγνὴν) ihrem Mann, Christus, zugeführt habe (ἡρμοσάμην γὰρ ὑμᾶς ἑνὶ ἀνδρὶ). Die Braut bzw. die korinthische Gemeinde, wird mit Eva parallelisiert. Da Eva sich Gottes Gebot gegenüber schuldig macht, wird in dieser Metapher sehr wahrscheinlich Gott und nicht Adam als Bräutigam Evas bezeichnet, was sich auch durch den Vergleichspunkt nahelegt. Als Gefährdung der Integrität der Gemeinde bzw. Evas, kommen die sog. Überapostel (11,4f)284 bzw. die täuschende Schlange in den Blick. Eva dient hier somit als paradigmatisches Negativbeispiel: Eva hat sich von der Schlange täuschen lassen, aber die Korinther sollen sich gerade nicht von den Konkurrenzaposteln in die Irre führen lassen. Würden sie sich wie Eva täuschen lassen, kämen sie von Christus ab und betrögen den Verlobten mit einem ἄλλος Ἰησοῦς (11,4). Für Paulus kann die Episode zwischen der Schlange und Eva somit schließlich „[…] das Modell bilden für Versuche, Menschen von Christus abzubringen“, ohne dass dabei ein kausaler Zusammenhang impliziert würde.285 Interessanterweise wird hier also Eva als urzeitliches Paradigma herangezogen, wobei die Metaphorik der Untreue der Braut bzw. einer Jungfrau an Texte wie Ez 16 erinnert. Gleichwohl wird diese Gebotsübertretung gerade nicht heilsgeschichtlich interpretiert. Es ist nicht davon auszugehen, dass Paulus Eva größere Verantwortung für den Fall zukommen lässt, als Adam.286 ID., Schriftgelehrte Prophetie, 305. Cf. U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, 93–94. 282 Zum Bildfeld dieser Metapher C. GERBER, Krieg und Hochzeit in Korinth, 119–123. 283 Cf. Gen 3,13 (LXX): …ὁ ὄφις ἠπάτησέν με. 284 Siehe auch die etwas anderen Ausführungen bei S. KRAUTER, Eva in Röm 7, 6–7. 285 S. KRAUTER, Op. cit., 7. 286 Siehe K. ZAMFIR, Creation and Fall in 1 Timothy, 371–373. 280 281
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4.2.4. Adam
Die explizite Bezugnahme auf Gen 3 bzw. Adam an drei Stellen (Röm 5,12ff und 1 Kor 15,21–22.45), lässt darauf schließen, dass Adam eine bedeutende Stellung in der paulinischen Christologie zukam und dass ihm – und seinen Lesern – Gen 3 bekannt gewesen sein muss. Dabei werden im Korintherbrief die Themen Tod und Leben bzw. Auferstehung, im Römerbrief Sünde und Vergebung thematisiert: „An allen drei Stellen geht es um den Tod und seine Überwindung, um die Schuld des Menschen und ihre Vergebung, um die Realitäten des Lebens und die Hoffnung auf Gott diesseits und jenseits der Geschichte. Die Perspektiven sind allerdings verschoben. 1 Kor 15 stellt Sünden und Sündenvergebung in den Hintergrund (1 Kor 3), den Tod und seine Niederlage in den Vordergrund, während Röm 5 die Überwindung der Schuld durch die Gnade thematisiert und dabei auch die universale Heilsvollendung im Sinn hat.“287 4.2.4.1. Der erste Korintherbrief
Der erste Korintherbrief wurde ca. zwei Jahre vor dem Römerbrief abgefasst, belegt also vermutlich die früheste literarische Adam-Rezeption des Paulus. Ähnlich wie später im Römerbrief wird Adam auch hier in Gegenüberstellung zu Christus gebracht. Paulus setzt sich im Rahmen der Frage nach der Auferstehung in 1 Kor 15 mit ‚Auferstehungsleugnern‘ auseinander, die in einer nicht näher präzisierten Weise behaupten, es gäbe keine Auferweckung der Toten (15,12). Die breite Diskussion um den Hintergrund dieser von Paulus zitierten These kann hier nicht referiert werden, doch scheint das Kernproblem im hellenistischen Gedankengut der korinthischen Adressaten zu liegen.288 Für hellenistisches Denken ist zwar eine Weiterexistenz nach dem Tod im Sinne der Unsterblichkeit der Seele vorstellbar und erstrebenswert, die Hoffnung auf eine leibliche Totenauferstehung hingegen, wie sie für weite Teile des zeitgenössischen Judentums und für Paulus wesentlich ist, erscheint diesem Denken insgesamt wenig attraktiv.289 In seiner Argumentation stellt Paulus die Auferweckung der Toten in einen konditionalen Zusammenhang mit der Auferweckung Christi.290 Die Argumentation verläuft dahingehend, dass Christi T. SÖDING, Der erste und der zweite Adam, 402–403. Siehe dazu W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther, 111–119 und E. J. SCHNABEL, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, 909–912. 289 Im Weiteren T. SÖDING, Der erste und der zweite Adam, 403–404. 290 Siehe vor allem die Verse 15,15–16: „ 15 Wir stehen dann auch als falsche Zeugen Gottes da, weil wir gegen Gott ausgesagt haben, er habe Christus auferweckt, den er gar nicht auferweckt hat, wenn doch Tote nicht auferweckt werden. 16 Wenn Tote nämlich nicht auferweckt werden, dann ist auch Christus nicht auferweckt worden.“ 287 288
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Auferweckung, die die Korinther ja mit dem Christusbekenntnis angenommen haben (15,1f), auch bedingt, dass es eine Auferweckung der Toten gibt. Auf diesem Hintergrund führt Paulus die Gegenüberstellung zwischen Adam und Christus ein: Christus ist der ‚Erstling der Entschlafenen‘ (ἀπαρχὴ τῶν κεκοιμημένων), der auferweckt wurde (15,20) und so wie aus ‚einem Menschen‘ der Tod kam, kam aus ‚einem Menschen‘ die Auferstehung der Toten; im darauffolgenden Vers werden die beiden ‚Menschen‘ als Adam und Christus präzisiert, indem das jeweilige ‚heilsgeschichtliche Ereignis‘ verdeutlicht wird (1 Kor 15,21–22, parallelismus membrorum): „ 21 ἐπειδὴ γὰρ δι’ ἀνθρώπου θάνατος, καὶ δι’ ἀνθρώπου ἀνάστασις νεκρῶν. 22 ὥσπερ γὰρ ἐν τῷ Ἀδὰμ πάντες ἀπο-θνῄσκουσιν, οὕτως καὶ ἐν τῷ Χριστῷ πάντες ζῳοποιηθήσονται.“ Somit stellt Paulus hier das ‚Sterben in Adam‘ dem ‚lebendig gemacht Werden in Christus‘ entgegen. 291
Mit Egon Brandenburger wird das Sein ‚in Adam‘ bzw. ‚in Christus‘ hier als Teilhabe an einem ‚Existenzraum‘ verstanden. „Die Rede vom Sein in Adam und in Christus hat etwas Schillerndes – notwendigerweise. Einerseits wird die Erinnerung an Adam und Christus als geschichtliche Personen mit bestimmtem Verhalten und Ergehen wachgehalten. Andererseits sind sie, wenn sich Menschsein gegenwärtig in ihnen vollzieht, als geschichtliche Personen transzendiert. ‚Adam‘ und ‚Christus‘ stehen dann auch als Kennworte für sich ausschließende, machtvoll ausstrahlende Grundwirklichkeiten des Menschseins.“292
Im Fokus steht zunächst die ‚Sterblichkeit‘ Adams bzw. das ‚in ihm‘ bedingte Sterben des Menschen und nicht seine Sündhaftigkeit. Adam gilt hier als ‚erster Mensch‘ und nicht als ‚erster Sünder‘,293 was freilich in Bezug zur Thematik von Tod und Auferstehung zu stellen ist. Auf die Sündhaftigkeit des Menschen wird in von 1 Kor 15 nicht angespielt. Nach den Ausführungen über die Parusie Christi (V. 23–28) und weiteren Argumenten für die Plausibilität einer Totenauferweckung (V. 29–34) folgt schließlich die Frage nach der Art und Weise der Auferstehung (V. 35ff). In diesem Rahmen wird dann auch die Adam-Christus-Typologie erneut aufgenommen und fortgeführt (1 Kor 15,44b-49).294 Zunächst stellt Paulus die Behauptung auf, dass die Existenz eines σῶμα ψυχικόν als auch diejenige
Siehe zum ‚Sein in‘ E. BRANDENBURGER, Alter und neuer Mensch, 199–200. Zur Analogie von ‚sterben‘ und ‚lebendig gemacht werden‘ und der verbundenen Fragestellungen siehe E. BRANDENBURGER, Op. cit., 201–204. 292 E. BRANDENBURGER, Op. cit., 200. 293 T. SÖDING, Der erste und der zweite Adam, 405. 294 Die Terminologie der Verse 44–45 ist besonderer Gegenstand der Diskussion, indem die Interpretation von ψυχικόν und πνευματικόν zur Debatte steht (44 σπείρεται σῶμα ψυχικόν, ἐγείρεται σῶμα πνευματικόν. Εἰ ἔστιν σῶμα ψυχικόν, ἔστιν καὶ πνευματικόν. 45 οὕτως καὶ γέγραπται· ἐγένετο ὁ πρῶτος ἄνθρωπος Ἀδὰμ εἰς ψυχὴν ζῶσαν, ὁ ἔσχατος Ἀδὰμ εἰς πνεῦμα ζῳοποιοῦν). Dies kann an dieser Stelle nicht besprochen werden, es sei hierzu verwiesen auf M. KISTER, ‚First Adam‘ and ‚Second Adam‘ in 1 Cor 15:45–49 in the Light of Midrashic Exegesis and Hebrew Usage. 291
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eines [σῶμα] πνευματικόν bedingt (V. 44b), was er mit dem Schriftzitat Gen 2,7 stützt (V. 45). Für Paulus ist der ‚Mensch‘ (Gen 2,7) der ‚erste Mensch Adam‘ (ἐγένετο ὁ πρῶτος ἄνθρωπος Ἀδὰμ); diesem stellt er den ἔσχατος Ἀδὰμ entgegen. Die auffällige Terminologie in 15,44f.47f verweist darauf, dass Paulus hier auf eine ihm vorgegebene oder evtl. bei den Korinthern vorausgesetzte Auslegungstradition rekurriert, die er aber in seinem eigenen Sinne im Blick auf die Eschatologie modifiziert. Dabei setzt er wohl den Gedanken von zwei ‚Urmenschen‘ voraus: Eine dualistische Auslegungstradition von Gen 2,7, wie sie in Korinth wohl bekannt war.295 Bereits bei Philo von Alexandrien findet sich auf dem Hintergrund eines (platonischen) ontologischen Dualismus eine dualistische Anthropologie, welche mit Gen 2,7 begründet wird.
Adam, der erste Mensch, ist bereits ein σῶμα ψυχικόν, der sich von dem nach Gottes Bild (Gen 1,26) geschaffenen Urmenschen unterscheidet. Während jedoch Philo von einer ‚doppelten Schöpfung‘ ausgeht, ist für Paulus demgegenüber klar, dass lediglich ein Mensch geschaffen worden ist, und dass in Gen 1–2 von der Schöpfung dieses einen, leiblichen Menschen berichtet wird. Paulus nimmt diese Tradition also nicht im Blick auf die Schöpfung auf, sondern macht sie sich – im Sinne einer Urzeit-Endzeit-Entsprechung – im Blick auf die Eschatologie zunutze. „Paulus ist kein Platoniker […] In dieser Perspektive erklärt sich die Abfolge ‚erster Mensch‘ – ‚letzter Adam‘ in 1 Kor 15,45 oder ‚erster Mensch‘ – ‚zweiter Mensch‘ ebenso wie die Abfolge Psyche – Pneuma in 1 Kor 15,46f.“296 Gleichwohl zeigt die hier verwendete Terminologie, werden, dass Paulus auch eine Reihe von Aspekten mit Philo bzw. der bei ihm repräsentierten hellenistisch-jüdischen Auslegungstradition teilt, so eben u.a. die Vorstellung von zwei Urmenschen in der Rezeption von Gen 2,7.297
Zwar greift Paulus also die (seinen Adressaten vermutlich bekannte und daher argumentativ brauchbare) ‚zwei Urmenschen‘-Tradition auf, modifiziert sie dann allerdings dahingehend, dass den zwei Urmenschen zwei verschiedene Leiblichkeiten entsprechen. Dabei dreht er in den Versen 46–47 die ‚klassische Reihenfolge‘ der beiden Menschen um, indem er den ‚leiblichen Menschen‘ voranstellt.298 Insofern sucht Paulus in der Auslegung der ‚zwei Urmenschen‘-Thematik letztlich das, was für seine Argumentation wichtig ist, nämlich „daß auch das Pneumatische eine Geschöpflichkeit darstellt“.299 In dem Denken, auf das Paulus hier rekurriert, schließen sich die Kategorien
G. SELLIN, Der Streit um die Auferstehung der Toten, 76. T. SÖDING, Der erste und der zweite Adam, 406; ebenfalls W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther, 303 und H. MERKLEIN/M. GIELEN, Der erste Brief an die Korinther, 366–367. Weiter E. BRANDENBURGER, Alter und neuer Mensch, 206–207. Zum jüdischen Setting siehe: M. KISTER, ‚In Adam‘: 1 Cor 15:21–22; 12:27 in their Jewish Setting. 297 G. SELLIN, Der Streit um die Auferstehung der Toten, 172–175. 298 In einer platonischen Anthropologie ist das σῶμα qualitativ zweitrangig und dem πνεῦμα gegenüber untergeordnet. 299 G. SELLIN, op. cit, 77. 295 296
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
‚Leib‘ und ‚Geist‘ aus – die dort zugrundeliegende Anthropologie wird also in der paulinischen Argumentation kritisch umgeformt, wenn Paulus am Ende von einem ‚geistlichen Leib‘ spricht und somit gemäß seiner Intention die Leiblichkeit der Auferstehung in einer für seine hellenistisch geprägte Adressaten nachvollziehbaren Weise präsentiert: „Die Rede von zwei Urmenschen ist also Ausdruck einer besonderen ontologisch begründeten und soteriologisch gewendeten dualistischen Anthropologie.“300 In 15,47–48 finden sich dann zwei weitere Gegenüberstellungen, durch die der skizzierte Bezug auf die bei Philo belegte Genesis-Auslegung noch einmal erhärtet wird, wenn einem πρῶτος ἄνθρωπος ein δεύτερος ἄνθρωπος (V. 47) und dem χοϊκός das ἐπουράνιος (V. 48) entgegengesetzt wird. Doch wird damit im Sinne des Paulus wieder die Adam-Christus-Typlogie zur Sprache gebracht, denn der ‚himmlische‘ Mensch ist eben nicht ein ‚Urmensch‘ nach Gen 1,26, vor der Schöpfung des ‚irdischen‘ Menschen, sondern Christus. In 15,49 wird schließlich zusammengefasst, dass die Angesprochenen („wir“) an beiden Anteil haben, das eine wie das andere ‚Bild‘ (εἰκών) tragen.301 Mit der Adam-Christus-Typologie schlägt Paulus also einen Bogen zwischen der Urzeit und der Endzeit,302 wobei die eschatologische Ausrichtung ein weiteres Proprium seiner Ausführungen darstellt. Schließlich impliziert Paulus eine ‚Neuschöpfung‘; die Auferstehung Christi ‚ermöglicht‘ dem sterblichen σῶμα ψυχικόν die Auferstehung zu einem σῶμα πνευματικόν.303 In 1 Kor 15 steht mit der Adam-Rezeption in erster Linie die „Wirklichkeit der alten und neuen Leiblichkeit“304 im Vordergrund und nicht, wie später im Römerbrief, die Thematik von Sünde und Gnade.305 Gleichwohl ist davon auszugehen, dass Paulus den Tod auf die Sünde zurückführt und nicht ‚bloß‘ von der kreatürlichen Sterblichkeit ausgeht,306 sondern vom Tod als Folge der G. SELLIN, op. cit., 92. Zum εἰκών siehe G. SELLIN, op. cit, 190–194. 302 Was nicht bedeutet, dass man das Schema hier mit gnostischen Urzeit-EndzeitMythen in Verbindung zu bringen hat. Siehe dazu E. LOHSE, ‚In Adam‘: 1 Cor 15:21–22; 12:27 in their Jewish Setting, 178–179. Siehe im Weiteren die Besprechung der QumranTexte, welche den Gerechten die eschatologische ‚Herrlichkeit Adams‘ verheißen. Das Schema ist ähnlich, die Gegenüberstellung von Adam und Christus ist aber die theologische Leistung des Paulus. Dazu weiter D. ZELLER, Der erste Brief an die Korinther, 487. 303 Siehe dazu W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther, 304–305; siehe auch 307: „Das Pneuma und das Pneumatische gibt es […] erst seit der Auferstehung Christi, und der pneumatische Leib ist nicht bereits unter dem irdischen verborgen präsent, sondern wird erst bei der Auferstehung der Toten gewährt.“ 304 W. SCHRAGE, Der erste Brief an die Korinther, 314 305 Siehe auch N. WALTER, Alttestamentliche Bezüge in christologischen Ausführungen des Paulus, 250–251. 306 Siehe dazu U. WILCKENS, Der Brief an die Römer, 310. 300 301
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Sünde (siehe auch Röm 6,23). Diese Zusammenhänge werden im Römerbrief deutlicher ausgeführt. 4.2.4.2. Der Römerbrief
Im Brief an die Römer (vermutlich Frühjahr 56 in Korinth abgefasst)307 stellt Paulus Adam wiederum in Kontrast zu Christus, hier aber (anders als in 1 Kor) im Rahmen der Unheils- und Heilsgeschichte. Dabei kommen sowohl Adam als auch Christus eindeutiger als ‚geschichtliche Gestalten‘308 in den Blick. Zu Beginn des fünften Kapitels des Römerbriefes greift Paulus (ein weiteres Mal) das Thema Rechtfertigung auf, wobei nun der Begriff der Hoffnung zentral wird. Die Gegenüberstellung der Sünde Adams und der Heilstat Jesu Christi findet sich dann im Anschluss an diese Erläuterungen in 5,12ff als Weiterführung des Versöhnungsgedankens (V. 11). V. 12 schließt daran an (διὰ τοῦτο), wobei mit dem folgenden ὥσπερ die Entsprechung zwischen Adam und Christus bereits eingeführt, wenn auch nicht abgeschlossen wird.309 Zunächst wird der Fokus lediglich auf ‚Adam‘ gelegt: Durch ‚einen Menschen‘ kam die Sünde in die Welt (δι᾽ ἑνὸς ἀνθρώπου ἡ ἁμαρτία εἰς τὸν κόσμον εἰσῆλθεν) und durch diese Sünde kam auch der Tod (καὶ διὰ τῆς ἁμαρτίας ὁ θάνατος). In dieser Gegenüberstellung gilt Adam als typos Christi (cf. 5,14 Ἀδὰμ ὅς ἐστιν τύπος τοῦ μέλλοντος):310 „Anders aber als mit dem Fall verhält es sich mit dem, was die Gnade wirkt: Sind nämlich durch des Einen Fall die Vielen dem Tod anheimgefallen (τῷ τοῦ ἑνὸς παραπτώματι οἱ πολλοὶ ἀπέθανον), dann ist die Gnade Gottes, nämlich die in der Gnade des einen Menschen Jesus Christus beschlossene Gabe, erst recht den Vielen im Überfluss zuteil geworden (5,15).“ Während mit Adam in den Versen 12–19 die Begriffe ‚Sünde‘ (ἁμαρτία), ‚Tod‘ (θάνατος), ‚Übertretung‘ (παράπτωμα) und ‚Verdammnis‘ (κατάκριμα) konnotiert werden, stehen in Christus die Begriffe ‚Gnade‘ (χάρις) und ‚Gabe‘ (δωρεὰ), ‚Freispruch‘ (δικαίωμα), ‚Rechtfertigung‘ (δικαιοσύνη) und ‚Leben‘ (ζωή) entgegen. Anders als im ersten Korintherbrief wird der Tod hier als Folge von Adams Tun interpretiert.311 Das Heilswirken Christi wird mit Adams Vergehen kontrastiert, wodurch dieser zum paradigmatischen ersten Sünder wird. 307 Für Einleitungsfragen siehe die Einführung U. WILCKENS, Op. cit. sowie U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, 127–151. 308 E. BRANDENBURGER, Alter und neuer Mensch, 214. 309 Vers 12 bleibt gewissermaßen unvollständig; statt der Weiterführung des Vergleichs folgt in V. 13f sodann eine Ausführung über das Gesetz. 310 Zur Frage nach der Interpretation dieser Typologie siehe u.a. T. SÖDING, Der erste und der zweite Adam, 415–416. 311 Siehe M. MEISER, Adam – Christus (Röm 5), 369.
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Die Verknüpfung der einander gegenübergestellten Elemente Adam/Sünde und Christus/Heil verläuft über den Begriff des Todes: Die Sünde Adams hat den Tod ‚für alle‘ zur Folge; somit gilt das Sündigen Adams als des Todes „Eingangstor in die Menschenwelt“.312 Der Tod wiederum wird aber durch den Heilstod Christi überwunden und besiegt, so wird die Sünde Adams/des Menschen durch Christus gesühnt. Somit liegen hier zugleich Entsprechung und Überbietung vor: Das Christusgeschehen ist nicht bloß als Wiederherstellung zu denken, sondern überbietet (ἐπερίσσευσεν, V. 15c) Adams Sünde e contrario.313 Ähnlich wie in der (meist) nachpaulinischen frühjüdischen Adamrezeption, verschränken sich hier zwei Vorstellungen: Zum einen die ‚türöffnende‘ Sünde Adams, zum andern die Sündhaftigkeit aller Menschen. Der Einzelne ist nicht in fatalistischer Weise seinem ‚adamischen‘ Schicksal ausgeliefert;314 es besteht „[…] die τύπος-Funktion Adams darin, daß er als Repräsentant aller Sünder erscheint, durch den die Universalität der Sünde (als ‚kollektives‘ Phänomen) in jedem Sündigen der einzelnen hervortritt“.315 Paulus geht dabei somit nicht von einer Art ‚Erbsünde‘ aus, da nämlich „alle gesündigt haben“ (5,12 …ἐφ᾽ ᾧ πάντες ἥμαρτον; siehe auch Röm 3,10–12). Röm 5,12 ist wirkungsgeschichtlich v.a. für die auf Augustin zurückgehende Erbsündenlehre bedeutsam. Indem die Vulgata ἐφ᾽ ᾧ mit „in quo“ übersetzte, wird nahegelegt, dass ‚in Adam‘ alle Menschen sündigten und in überzeitlicher und überindividueller Verbindung mit Adam stehen, also in Adam ‚virtuell‘ gegenwärtig waren; „…propterea sicut per unum hominem in hunc mundum peccatum intravit et per peccatum mors et ita in omnes homines mors pertransiit in quo omnes peccaverunt.“ Demgegenüber ist ‚ἐφ᾽ ᾧ‘ sicherlich mit ‚weil‘ aufzulösen.316
Die Tat Christi steht somit dem urzeitlichen Sündigen Adams und der Sünde aller Menschen entgegen. In diesem Horizont ist nun das ‚Ich‘ in Röm 7 zu thematisieren: In Röm 7,7–25 kommt der Zusammenhang zwischen Sünde, Täuschung und Tod zur Sprache, wobei dieses thematische Gefüge auf dem Hintergrund von Röm 5,12 ff und 1 Kor. 15,21f an Genesis 3 denken lässt. Es liegt daher nahe, das viel diskutierte ‚Ich‘ in Röm 7 ebenfalls mit Adam in Verbindung zu bringen.
Nach der häufig zitierten Meinung Käsemanns passt „alles auf Adam“, womit dieser die heilsgeschichtliche Auslegung der Perikope betonte.317 Während Kümmel sowohl diese als auch die häufig diskutierte biographische Deutung und damit die beiden prominentesten O. MICHEL, Der Brief an die Römer, 186. Siehe E. LOHSE, Der Brief an die Römer, 180; 189–190. 314 Cf. U. WILCKENS, Römer, 316–317. 315 U. WILCKENS, Op. cit., 321. Siehe weiter den Überblick bei M. MEISER, Adam – Christus (Röm 5), 369–370. 316 Siehe beispielsweise E. LOHSE, Der Brief an die Römer, 175. 317 E. KÄSEMANN, An die Römer, 188. 312 313
4. Frühchristliche Rezeption
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Interpretationsmöglichkeiten abgelehnt hat,318 sind ihm die meisten Ausleger zumindest in der Ablehnung der biographischen Deutung gefolgt. In der neueren Forschung wird der Bezug zu Gen 3 demgegenüber kaum mehr in Frage gestellt.319
Die Adam-Thematik wird in Röm 7 völlig anders zu Sprache gebracht als in Röm 5: In Röm 7 findet sich keine Gegenüberstellung von Adam und Christus, sondern ein ‚adamisches Ich‘ (V. 7–25). Diesem kommt heilsgeschichtliche Relevanz für das ‚Ich der Gegenwart‘ zu, indem das ‚Ich Adams‘ in Röm 7,7ff zu ‚meinem Ich‘ bzw. Adams Geschichte zu ‚meiner Geschichte‘ wird; Adams Geschichte wird „je existenziell konkret“.320 Somit ist 7,7–25 als „an Adam orientierte Modellerzählung“321 zu verstehen. Das ‚Ich‘ steht unter der Macht der Sünde, indem es deren Täuschung erlag (ἡ γὰρ ἁμαρτία … ἐξηπάτησέν με, 7,11). Während spätere Texte die Thematik der Täuschung konkreter ausführen, bleibt Paulus hier undeutlich. Betont wird, dass die Sünde nicht durch das Gesetz in die Welt kam, sondern schon vorher existierte (siehe auch Röm 5,13). Die Sünde ‚ergreift die Gelegenheit und täuscht‘ (Röm 7,11, cf. Gen 3,13), wobei die Sünde ‚dämonische‘ Macht über das ‚Ich‘ auszuüben scheint. Jan Dochhorn weist darauf hin, dass es nicht das ‚Ich‘ ist, „[…] das handelt, sondern die Sünde in ihm (7.17.20). Ähnlich wie die Verführten in ApcMos 15–30 handelt es auch gegen seinen Willen: Es tut, was es nicht will (Röm 7.7.15.16.19.20), das heißt es tut, was es hasst (7.15).
In Röm 7,7–27 wird nach Kümmel das Bild des Unerlösten sichtbar, und zwar aus der Perspektive des Erlösten: „Paulus will den Menschen unter dem Gesetz als erlösungsbedürftig schildern, um ihm das strahlende Bild des Erlösten (7,25a, 8,1ff.) entgegensetzen zu können. Und er sieht diesen Unerlösten von seinem christlichen Bewußtsein aus.“ Cf. die Heidelberger Dissertation Kümmels, W. G. KÜMMEL, Römer 7, 134. 319 Allenfalls kann die Frage erhoben werden, ob das ‚Ich‘ nicht eher mit Eva zu identifizieren sei. Siehe dazu S. KRAUTER, Röm 7: Adam oder Eva? und ausführlicher ID., Eva in Röm 7. Folgende Punkte werden geltend gemacht (S. KRAUTER, Op. cit., 3): 1) Röm 7,11 ist ein beinahe wörtliches Zitat von Gen 3,13; 2) Röm 7,8.11 werden mit Gen 3,1 in Verbindung gebracht (indem die Schlange das Gebot Gottes leicht variiert und dieses somit Anstoß für die Übertretung gibt); 3) sowohl Röm 7,7f und Gen 3,6 führen das Stichwort ‚Begehren‘ auf (ἐπιθυμία/ἐπιθυμέω). Diese steht in Gen 3 allerdings in Bezug zu Eva und wird hier auf das ‚Ich‘ bezogen. Aufgrund seiner Untersuchung der frühjüdischen Rezeption von Gen 3 hält S. Krauter zu Recht fest, dass das Motiv der Täuschung eigentlich eher mit ‚Eva‘ assoziiert wird und nicht mit Adam (cf. auch 2 Kor 11,3). So bemerkt auch Jan Dochhorn, dass sich in manchen Punkten e.g. in der ApcMos eine Übertragung von ‚Eva-Material‘ auf Adam feststellen lässt. Cf. dazu J. DOCHHORN, Röm 7,7 und das Zehnte Gebot, 68–69. Zur neueren Forschungsgeschichte siehe auch den Überblick bei J. SPAETH, Das „Ich“ in Röm 7,7–25. 320 U. WILCKENS, Römer, 79. Cf. dann auch 2 Bar 54,19.l. J. Dunn geht in eine ähnliche Richtung und bezeichnet Adam als ‚Archetypen‘ (Adam als ‚jedermann‘), siehe J. D. DUNN, Romans, 94; 99. 321 J. DOCHHORN, Das Böse und Gott im Römerbrief, 131. Dochhorn geht in seinen Ausführungen davon aus, dass das ‚Ich‘ in Röm 7 als das ‚Ich‘ des ‚vorchristlichen Menschen‘ zu verstehen ist. 318
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Das eigentlich Böse ist damit nicht das Ich, sondern diejenige Macht, die das Ich unter seine Kontrolle bringt. Damit eignet dieser Anthropologie […] ein prinzipiell immer noch positives Selbstverhältnis des Menschen.“322 Die hamartiologisch-anthropologische Konzeption des Paulus ist „[…] nicht untypisch für das antik-jüdische Milieu. […] Sie versteht böses Tun in Analogie zur dämonischen Besessenheit, die ebenfalls als Subjektverlust begriffen werden konnte […].“323 Das ‚Ich unter der Macht der Sünde‘ steht in der von Adam ausgehenden Linie: Adam hat dem Tod durch seine Sünde zwar die Tür geöffnet, doch gelten ausnahmslos alle Menschen als Sünder (5,12); diesem Zustand des ‚Ich‘ wird das Wirken Christi gegenübergestellt (cf. Röm 8): Christus bringt dem todverfallenen ‚Ich‘ das Leben. Dabei klingt wiederum die Gegenüberstellung von Röm 5,12ff an. 4.2.4.3. Abschließende Bemerkungen
Vor allem im Römerbrief gilt die Sünde Adams als (protologische) Ausgangslage für das (eschatologische) Heilswirken Jesu Christi. Weiter ist zu bemerken, dass die negative Bedeutung Adams ausschließlich im Rahmen der paulinischen Christologie zur Sprache kommt: Adam dient als Folie vor dem Hintergrund der Schilderung des Wirkens Christi und kommt deshalb zu seiner spezifischen Funktion. Das Vergehen Adams, das ihn für die voranschreitende christliche Theologie zu dem Paradigma des Sünders machen wird, erlangt seine zentrale Stellung in der Heilsgeschichte also erst durch die Gegenüberstellung mit dem Wirken Christi. Von Paulus wird dieser Zusammenhang selbstverständlich heilsgeschichtlich und deshalb chronologisch formuliert: In der geschichtlichen Logik ‚von Adam zu Christus‘. Der theologische Gedankengang ist freilich in umgekehrter Reihenfolge zu denken. Mit seiner Adam-Christus-Typologie will Paulus somit keine ‚anthropologische Theorie‘ vorlegen, sondern seine Argumentation ist vielmehr von der „Alleinverantwortlichkeit Christi für die Rettung her entworfen“.324 In diesem Zusammenhang ist auch die Radikalität der Sünde zu verstehen (‚alle haben gesündigt‘). Nach Texten wie 4 Esra kann es theoretisch Gerechte geben, auch wenn der Verfasser diesbezüglich pessimistisch eingestellt ist.325 Gleichwohl müssen diese Verfasser davon ausgehen, dass Gerechtigkeit in Anlehnung an das Gesetz möglich ist. Für Paulus ist die Situation gerade umgekehrt: Gerechtigkeit ist nur ‚in Christus‘ möglich, somit kann es auch durch das Gesetz alleine keine Gerechten geben. ID., Röm 7,7 und das Zehnte Gebot, 67. J. DOCHHORN, Op. cit., 67. 324 M. MEISER, Adam – Christus (Röm 5), 370. Ebenso E. LOHSE, Der Brief an die Römer, 193–194. 325 Siehe dazu U. WILCKENS, Römer, 312–313. 322 323
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Im Anschluss daran ist nach Herkunft der Adam-Typologie und nach deren Funktion zu fragen, das heißt nach den Gründen, warum sie für die Argumentation des Paulus geeignet war und was Adam zur idealen Vergleichsfigur macht. Der Überblick über das frühe Judentum hat zwar gezeigt, dass das Interesse an Adam zwar erst um die Zeitenwende gestiegen ist, verschiedene Texte aber bereits von der Kenntnis einer Adam-Tradition zeugen. Es ist also durchaus denkbar, dass er eine (mündliche oder schriftliche?) Tradition aufnahm, wie sie auch den Verfassern von 4 Esra und 2 Baruch vorgelegen hat. Gleichwohl sind bei Paulus spezifische Akztente zu beobachten (s.u.). Adam bietet sich als ‚erster Mensch‘ besonders an, um grundlegende menschliche Problematiken zu erläutern oder gar zu begründen. Die eschatologische Perspektive legt die Bezugnahme auf die Protologie zudem nahe. 1 Kor 15,45 beispielsweise weist mit der Formulierung ἄνθρωπος Ἀδάμ darauf hin, dass Paulus nicht nur den Namen ‚Adam‘ im Gedächtnis hat, sondern auch dessen Bedeutung ‚Mensch‘ ()אָ דָ ם. Da nun Sünde und vor allem der Tod den Menschen akut betreffen, legt sich der Bezug zu ‚Adam‘ fast selbstverständlich nahe. Paulus muss „[…] auf Adam zu sprechen kommen, weil er als Apostel die Menschen, wie sie leben, im Blick hat, denen er das Evangelium verkünden muss, um sie zu retten“.326 Somit schillert Adam wiederum zwischen Person und Funktion: Als Person in seinem urzeitlichen Vergehen, das den Tod zur Folge hatte, steht er in Kontrast zu Christus und dessen eschatologisch-salvatorischem Wirken. Andererseits ist ‚Adam‘ auch die Identifikationsfigur schlechthin, denn die Angelegenheit Adams ist die Angelegenheit jedes Menschen im Sinne eines tua res agitur. So kann abschließend dazu mit Otto Michel festgehalten werden, dass Paulus mit Adam die „Schicksalhaftigkeit und Verantwortlichkeit, die in der Menschheit und im einzelnen Menschen liegen“, beschreibt: „Ausgangspunkt für dieses Geschichtsdenken des Paulus ist das Christusereignis; es hat seinen Sinn und seine Auswirkung auf die ganze Menschheit. Darum kann niemand anders als allein Adam, durch den Sünde und Tod in die Welt kamen, mit Jesus Christus verglichen werden. Adam und Christus stehen also in einem Entsprechungsverhältnis zueinander, aber nicht so, daß Christus von Adam her, sondern nur so, daß Adam von Christus her zu verstehen ist.“327 Auf dem Hintergrund der Rezeption von Gen 3 kann Paulus somit als erster Autor bezeichnet werden, der von einer heilsgeschichtlich relevanten Sünde Adams ausgeht und diese in solcher Breite und Präzision erläutert.328 Es ist ein Novum, dass Paulus nicht nur den Tod, sondern auch die Sünde mit T. SÖDING, Der erste und der zweite Adam, 420. O. MICHEL, Der Brief an die Römer, 194. 328 M. GÖTTE, Adam und Christus – Christus und Adam, insb. 63–65 und 79–80. 326 327
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Adam in Verbindung bringt,329 zumal in frühjüdischer Theologie oftmals Dämonen als Ursache für Sünde in den Blick kommen (e.g. Jub, TextXII). Paulus konnte nicht an eine Tradition anknüpfen, die diese Funktion Adams schon kannte und tradierte, sondern er erweist sich als deren erster Zeuge und mit ziemlicher Sicherheit als deren Schöpfer. Dabei zeigt Paulus kein Interesse an einer weiteren Ausführung von Gen 3, sondern sein Augenmerk gilt der Darstellung des Heilswirkens Christi und dessen Alleinwirksamkeit in Bezug auf das Heil des Menschen. 4.3. Der erste Timotheusbrief
Der erste Brief an Timotheus wurde wohl um 100 n. Chr. in Ephesus verfasst.330 Das zweite Kapitel beinhaltet zunächst Anweisungen für das Gebet. In 2,8–14 werden geschlechterspezifische Anweisungen für den Gottesdienst gegeben, wobei besonders das korrekte Verhalten der Frauen behandelt wird (Kleidung/Schmuck, dezentes Verhalten):331 Die Frau soll durch ‚stilles Zuhören‘ und in ‚aller Unterordnung‘ (ἐν πάσῃ ὑποταγῇ) lernen; selbst zu lehren gestattet der Verfasser ihr nicht (οὐκ ἐπιτρέπω).332 Frauen sollen auch nicht über einen Mann herrschen (αὐθεντεῖν ἀνδρός; cf. 2,11–12), wofür im Folgenden zweierlei Begründungen ins Feld geführt werden (2,13–14): 1) Das Schöpfungsprimat Adams vor Eva (Ἀδὰμ γὰρ πρῶτος ἐπλάσθη, εἶτα Εὕα) und 2) die Schuldhaftigkeit der Frau bzw. dass nicht Adam sich hat täuschen lassen, sondern die Frau (καὶ Ἀδὰμ οὐκ ἠπατήθη, ἡ δὲ γυνὴ ἐξαπατηθεῖσα ἐν παραβάσει γέγονεν). Während das Argument der größeren Autorität durch frühere Schöpfung bereits in der griechischen Antike bekannt war und sowohl im frühen Judentum als auch im frühen Christentum vorgetragen wurde, ist die zweite Begründung, die Schuld der Frau wegen ihrer Sünde ein neues Element.333 Ad 1) In dieser Auslegung von Gen 2 wird mit der Schöpfungsreihenfolge eine Wertung verbunden, welche in Gen 2 nicht angesprochen wird; dort wird mit der Abstammung der Frau vom Mann eher die Verwandtschaft der beiden J. A. FITZMYER, Romans, 408. Zu Verfasserschaft und Autorfiktion cf. U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, 369–373 und J. ROLOFF, Der erste Brief an Timotheus, 23–39. Als Gründe gegen die paulinische Verfasserschaft können u.a. die im Brief vorgeschlagene Situation des Paulus, Sprache und Stil sowie die theologische Terminologie genannt werden. 331 Als wahrer Schmuck der Frau werden ‚gute Werke‘ und ‚Gottesfurcht‘ genannt (2,10); Frauen hingegen, die sich auffallend herauszuputzen, scheinen Zweifel an ihrer Tugendhaftigkeit und ihrem Anstand zu wecken (cf. 2,9). Mit αἰδώς (‚schamhaft‘) wird ein Bezug zu sexueller Moral hergestellt. Cf. J. ROLOFF, Op. cit., 132–133. 332 Bei der Lehrthematik fällt die Nähe zu 2 Kor 11,3 auf (s.o.). Siehe dazu K. ZAMFIR, Creation and Fall in 1 Timothy, 372–373. 333 Siehe K. ZAMFIR, Creation and Fall in 1 Timothy, 369. 329 330
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Menschen ausgedrückt (cf. Gen 2,23),334 wenn auch keine so eindeutige Gleichheit und Gleichursprünglichkeit geschildert wird wie in Gen 1.335 In 1 Tim liegt dann wiederum deutlich die in der Antike gebräuchliche Vorstellung zugrunde, dass frühere zeitliche Entstehung mit qualitativem Vorrang einhergeht (cf. Gen 2,7.22–23).336 Schließlich wird aus der zeitlichen Abfolge (der erste Mann vor der ersten Frau) auf eine allgemeingültige Superiorität aller Männer über alle Frauen geschlossen. Diese Schlussfolgerung hat ekklesiologische Konsequenzen: Weil Eva nach Adam geschaffen wurde und ihr auch in anderen Dingen vorsteht, ist es für Frauen nicht legitim, Männern vorzustehen. Sie sollen sich deswegen unterordnen, sich lehren lassen und sich still verhalten. Ad 2) Die Täuschung Evas rekurriert deutlich auf Gen 3, jedoch deutet der Verfasser von 1 Tim die Erzählung anders, indem er nachdrücklich festhält, dass Adam sich nicht habe verführen lassen (1 Tim 2,14). Die Relecture von Gen 3 durch den Verfasser von 1 Tim weist verschiedene Modifikationen des Prätextes auf:337 So wird beispielsweise die Irreführung der Frau durch die Schlange (Gen 3,13b) in der Aussage, dass der Mann nicht betrogen wurde, sondern die Frau (1 Tim 2,14), völlig dekontextualisiert. Zudem wird die in Gen 3 keinerorts in Abrede gestellte schuld des Mannes in 1 Tim bestritten; Gen 3 wird somit geflissentlich einseitig ausgelegt.
Verglichen mit anderen Texten, die Gen 3 rezipieren, findet sich hier eine relativ frühe Schuldzuweisung an Eva bzw. ‚die Frau‘.338 1 Tim 2,14 kann sich grundsätzlich auf beide Paränesen (angemessene Kleidung etc. und Unterordnung) beziehen: Weil Eva sich hat verführen lassen, sollen sich die Frauen angemessen und gottesfürchtig verhalten, was sich auch in ihrer Kleidung niederschlagen soll; außerdem sollen sie sich denn Männern unterord-
334 Außerdem wird in Gen 2,23 die Bezeichnung der beiden Geschlechter, ִאישׁund ִאשָּׁ ה, (volksetymologisch) begründet. 335 Siehe dazu weiter M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 17–32 und, K. ZAMFIR, Creation and Fall in 1 Timothy, 360-362. 336 Cf. J. ROLOFF, Der erste Brief an Timotheus, 138, insb. Anm. 146 und K. ZAMFIR, Creation and Fall in 1 Timothy, 362-364. Cf. auch J. D. QUINN/W. C. WACKER, The First and Second Letters to Timothy, 226: „The nerve of the argument here is that not only did God freely create both but the chose to create them in the order noted. Consequently, the priority of husband over wife as God’s original choice is not to be contravened by his creatures.“ 337 Siehe K. ZAMFIR, Creation and Fall in 1 Timothy, 370–371. 338 So deutet Roloff 1 Tim 2,14 auf dem Hintergrund von Sir 25,24. Siehe dazu J. ROLOFF, Der erste Brief an Timotheus, 139: „Diese Tradition, die wir nicht in ausgeführter Form kennen, sondern aus verschiedenen Andeutungen rekonstruieren müssen, scheint in mythologischer Ausschmückung der Sündenfallgeschichte von einer sexuellen Verführung Evas durch die Schlange gesprochen zu haben.“
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
nen (weil Adam nicht verführt wurde). So scheint die Frau aufgrund ihrer ‚leichten Verführbarkeit‘ nicht zur Lehre geeignet zu sein. Grundsätzlich ist diese gesellschaftliche Stellung der Frau innerhalb des antiken Umfelds keineswegs auffallend, auch nicht die Vorstellung ihrer geringeren Stellung aufgrund der Posteriorität dem Mann gegenüber. Partikular ist demgegenüber die zusätzliche Begründung: Die Betonung der Schuld Evas, welche vermutlich geschlechtlich interpretiert wurde,339 wird dann schließlich nicht zur Erläuterung der Ursprünge von Sünde und/oder Tod herangezogen, sondern um Verhaltensnormen in der Gemeinde zu begründen. Immerhin zeigt sich dabei eine Tendenz, die Ereignisse aus Gen 3 unter dem Aspekt der Schuld Evas auszulegen, um die ‚gegenwärtige‘ Stellung der Frau in der Gemeinde und in Bezug zu ‚ihrem Mann‘ klarzustellen. 4.4. Die Offenbarung des Offenbarung
Die Offenbarung des Johannes (um 100)340 kann als dasjenige neutestamentliche Buch angesehen werden, welches „auf dem Weg zu einer einheitlichen Teufelsvorstellung am deutlichsten fortgeschritten“ ist. 341 In Bezug auf die Rezeption von Gen 3 sind vornehmlich die Stellen 12,9 und 20,2 von Interesse. Beide Stellen weisen dem ‚großen Drachen‘ die Attribute ‚alte Schlange‘, ‚Diabolos‘ und ‚Satan‘ zu: ὁ δράκων ὁ μέγας, ὁ ὄφις ὁ ἀρχαῖος, ὁ καλούμενος Διάβολος καὶ ὁ Σατανᾶς, ὁ πλανῶν τὴν οἰκουμένην ὅλην (12,9). καὶ ἐκράτησεν τὸν δράκοντα, ὁ ὄφις ὁ ἀρχαῖος, ὅς ἐστιν Διάβολος καὶ ὁ Σατανᾶς… (20,2). Zum einen werden somit verschiedene Bezeichnungen für die Teufelsfigur zusammengeführt, zum andern wird ‚der Teufel‘ als endzeitlicher Gegner, wie er in 1QM oder 1QS begegnet, mit der Urzeit (Gen 3) in Verbindung gebracht. Der Verfasser der Offenbarung hat die Schlange in Gen 3 demnach eindeutig satanologisch interpretiert, allerdings ohne die Erzählung vom ‚Sündenfall‘ hier (oder an irgendeiner anderen Stelle im gesamten Werk) aufzunehmen und/oder weiter auszuführen. Schließlich wird Der letzte Vers der Perikope (2,15) spielt dann implizit wiederum auf das Thema Sexualität an und konstatiert die ‚Rettung der Frau durch das Kinderkriegen (τεκνογονία)‘, „wenn sie mit Besonnenheit im Glauben, in der Liebe und in der Heiligung bleibt“. Während das Gebären für Gen 3,16 eine Strafe bezeichnet, ist hier von der Rettung durch das Kinderkriegen die Rede. Für eine genaue Untersuchung dieses Verses sei auf die Ausführungen bei J. ROLOFF, Op. cit., 140–142, M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 39–41; 51 und K. ZAMFIR, Creation and Fall in 1 Timothy, 377–381 verwiesen. 340 Siehe die neuere Auseinandersetzung zur Früh- und Spätdatierung der Offenbarung bei S. WITESCHEK, Ein weit geöffnetes Zeitfenster? Überlegungen zur Datierung der Johannesapokalypse. 341 J. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, 233. Zur Einführung siehe J. FREY, Die Bildersprache der Johannesapokalypse; zur Forschungsgeschichte F. TÓTH, Erträge und Tendenzen in der gegenwärtigen Forschung zur Johannesapokalypse. 339
4. Frühchristliche Rezeption
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mit dieser Deutung quasi ein (un)-heilsgeschichtlicher Bogen von der Urzeit bis zur Endzeit gespannt: Der urzeitliche Gegner ist auch der endzeitliche Gegner und wird schließlich überwunden. Zunächst sind einige Bemerkungen zum hier dargestellten Gegner zu machen. Mit den Bezeichnungen 1) ‚Drache‘, 2) ‚Schlange‘, 3) ‚Diabolos‘ und 4) ‚Satan‘ wird an unterschiedliche Traditions- und Funktionszusammenhänge angeknüpft. Die vier hier nebeneinander gestellten Begriffe können als Indiz für die Systematisierung verschiedener Traditionen gewertet werden.342 Die einzelnen Begriffe werden in ihren Traditionszusammenhängen (wie sich anderswo bereits zeigte) nicht einheitlich gebraucht; insofern wird die Tendenz zur Vereinheitlichung umso deutlicher.343 Ad 1) Der ‚[große] Drache‘ steht hier für das ganze genannte ‚teuflische Konglomerat‘. Er wird als bedrohlicher Verfolger dargestellt und gibt seine Macht an die ‚Tiere‘.344 Zugleich kommt dem Drachen Anbetung zu, wohinter vermutlich die Vorstellung von Kaiserkult und Götzendienst steht (Offb 12,3f.7.9.13.16f; 13,2.4; 16,13; 20,2). Der תַּ נִּ יןbezeichnet sowohl den Drachen, das Seeungeheuer und die Schlange (Chaosmächte) und wird in der LXX fast immer mit δράκων übersetzt.345 Das Bild des Drachen ist allerdings keineswegs einheitlich gezeichnet.346 Auf der Bildebene wird mit dem Drachen, nach 12,3 „groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern“ und mit Diademen auf den Köpfen, die äußerste Bedrohung ausgedrück; der Drache wird als ‚Chaoswesen‘ (e.g. Hi 26,13 LXX) dargestellt, welches Sterne vom Himmel fegt und Leib und Leben akut bedroht. Nachdem der Drache, der die ‚Frau‘ verfolgte (Offb 12,3), von Gott aus dem Himmel geworfen wurde, wird sein Wüten auf der Erde beschrieben; dabei kommt ihm die (be-
342 Heinz Giesen weist allerdings darauf hin, dass „[…] der Seher den Drachen mit allen im AT belegten Namen für den Teufel belegt, außerhalb des AT benutzte Bezeichnungen des Satans (z.B. Mastema, Beliar/Belial) dagegen ausläßt.“ H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, 288. 343 Siehe M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau, 241. 344 In der Offb steht das ‚Tier‘ (θηρίον) für einen politischen Feind; in der atl.-jüd. Tradition werden solche gelegentlich als ‚Drache‘ ( )תַּ ִנּיןbezeichnet. So beispielsweise Nebukadnezar: ‚wie ein Drache‘/( ַכּתַּ ִנּיןJer 51,34), oder der Pharao: ‚der große Drache‘/( הַ תַּ נִּ ים הַ גָּדוֹלEz 29,3). 345 Dazu weiter T. NICKLAS, Schöpfung und Vollendung in der Offenbarung des Johannes, 404. 346 Siehe dazu vor allem M. KOCH, Op. cit., 239–242. Siehe weiter auch Jes 27,1, wo der Drache ebenfalls mit verschiedenen Begriffen bezeichnet wird (‚Leviathan‘, ‚flüchtige Schlange‘ und ‚gewundene Schlange‘). Siehe J. H. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 134–137. In Am 9,3 und Hi 26,13 wird נחשschließlich mit δράκων übersetzt. P. BUSCH, Der gefallene Drache, 116.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
kannte) Funktion des Irreführers (πλανῶν) zu (12,9).347 Schließlich wird er nach 20,2 für tausend Jahre in Ketten gelegt. Ad 2) Es lässt sich beobachten, dass ‚Schlange‘ (ὄφις) häufig als Synonym oder in Verbindung mit ‚Drache‘ (δράκων) verwendet wird.348 Mit der ‚alten Schlange‘ wird ein urzeitlich-endzeitlicher Bogen geschlagen:349 Die Bezeichnung ὄφις ὁ ἀρχαῖος nimmt auf Gen 3 oder eine Rezeption davon Bezug; eine andere Assoziation ist demgegenüber kaum denkbar und wird auch nicht diskutiert. Gleichwohl muss festgehalten werden, dass es sich hier lediglich um eine Anspielung handelt und die weiteren Ereignisse von Gen 3 nicht ausführlicher geschildert werden.350 Ob an eine Tradition, wie sie sich in der ApcMos findet, gedacht werden kann, lässt sich bloß vermuten, ist aber für den vorliegenden Kontext nicht ausschlaggebend. Ad 3) ‚Diabolos‘ wird in den vorhandenen Belegen zumeist mit den Verben πλανάω (‚irren‘) und πειράζω (‚versuchen‘) in Verbindung gebracht (Offb 2,10; 12.12; 20,10; Ausnahmen sind 12,9 und 20,2). Da ‚Diabolos‘ zumeist die LXX-Übersetzung von ‚Satan‘ ist, sind diese beiden Begriffe austauschbar und werden hier wie andernorts alternierend gebraucht. Beide Bezeichnungen sind aus der Tradition weitgehend bekannt und wurden bereits mehrfach erläutert. Ad 4) ‚Satan‘ wird in der Offenbarung fast nur in Genetivverbindungen verwendet (Ausnahmen: 12,9; 20,2.7), und darüber hinaus nicht spezifisch gekennzeichnet. 351 Der in Ketten gelegte Drache (20,2) wird nach 20,7 vor dem Endgericht freigelassen und dort ‚Satan‘ genannt, was vermutlich mit seinem ‚letzten Akt‘ zu tun hat, nämlich die ‚Völker der Erde‘ zu verführen (πλανῆσαι τὰ ἔθνη). Zum Teil große Ähnlichkeit mit der Offb weist die Ascensio Jesaiae auf, eine (stark jüdisch geprägte) frühchristliche Apokalypse (Ende 1./Anfang 2. Jh.).352 In AscJes 1,9 findet sich im äthiopischen Text ‚Beliar‘, während im Griechischen ‚Satan‘ zu lesen ist, zugleich liest der Äthiope in 1,11 ‚Sama’el‘. Weitere Stellen lassen darauf schließen, dass die Bezeichnungen ‚Sama’el‘, ‚Beliar‘ (1,8; 2,4; 3,11), ‚Melkira‘ (1,8) und ‚Satan‘ (2,2.7; 5,16)
Siehe dazu H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, 287–288. Dazu u.a. J. H. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 137. 349 Eine ähnliche Vorstellung findet sich in Prophetenleben Habakuks 14. Siehe dazu A. M. SCHWEMER, Studien zu den frühjüdischen Prophetenlegenden Vitae Prophetarum, 132–136. Es sei sodann auf die mythische Konnotation von ἀρχαῖος, gerade im Vergleich zu παλαιός, hingewiesen. 350 Siehe allerdings die Anspielung auf Gen 3,15 in Offb 12,17 sowie den Konflikt zwischen der Schlange und der Frau in Gen 3,14–15 und der Frau und dem Drachen in Offb 12,1–6. Siehe dazu M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau, 134. 351 Offb 2,9; 3,9: ‚Synagoge des Satans‘, siehe dazu M. LABAHN, The Dangerous Loser, 171–173; 2,13: ‚Thron Satans‘, siehe M. LABAHN, Op. cit., 173–174; 2,24: ‚Tiefen Satans‘, zur Stelle cf. U. B. MÜLLER, ‚Die Tiefen des Satans erkennen...‘, passim und M. LABAHN, The Dangerous Loser, 174–175. 352 Zur Einführung cf. R. G. HALL, Art. Isaiah, Ascension of, 772–773. 347 348
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möglicherweise austauschbar waren.353 In AscJes 4,1–22 wird Beliar als ‚Endtyrann‘ (J. Dochhorn) vorgeführt, der die Welt „in der Gewalt hatte, seitdem sie bestand“: „Seit je liegt also die Welt unter der Herrschaft eines bösen Engels, der endzeitlich als ein weltbeherrschender König manifest wird.“354 Auch Beliar in der AscJes ist, wie ‚das Tier‘ in Offb 13, mit Nero zu identifizieren, das Prädikat „Muttermörder“ in AscJes 4,2 weist untrüglich darauf hin;355 und auch dieser Endzeittyrann tritt mit dem Anspruch auf, angebetet zu werden (siehe insb. AscJes 4,7–8), bezeichnet sich, anders als in Offb, sogar als Gott. Gleichwohl ist Beliar zwar teuflisch, aber, wie das Tier in der Offb, nicht mit Satan identisch.
Im Anschluss an diese vier Beobachtungen kann festgehalten werden, dass in der Gestalt des Drachen ‚alle Fäden zusammenlaufen‘,356 indem verschiedene Figuren des Bösen der alttestamentlichen und der frühjüdischen Tradition in ihm zusammengefasst werden. Außerdem stellt der satanische Drache „die einzige widergöttliche Gewalt der Johannesapokalypse“357 dar und ist durch ihre „hochgradig angereicherte Vielschichtigkeit“ zum einen an die vorgegebene Tradition anschlussfähig, zum andern werden dadurch „unterschiedliche Sinngebungen und Deutungsmöglichkeiten eröffnet“.358 Somit ist hier zwar noch keine systematisierte Lehre des Bösen zu finden, gleichwohl aber liegt mit der Offenbarung der erste uns bekannte Text vor, der diese verschiedenen Traditionen miteinander verbindet und sie zugleich zusammenführt. Das Wirken des Bösen in der Geschichte wird somit als das Wirken einer einzigen Macht des Bösen verstanden. Zur Debatte steht, ob die henochische Tradition und im spezifischen die Engelfalltradition einen Einfluss auf den ‚Teufelsfall‘ der Johannesoffenbarung gehabt haben könnte. Loren
Cf. weiter G. J. RILEY, Art. Devil, 246. J. DOCHHORN, Beliar als Endtyrann in der Ascensio Isaiae, 300. 355 Ibid. 356 M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau, 244. 357 M. KOCH, Op. cit., 245, weiter 246–247. Michael Koch weist auf drei Aspekte dieser Figur hin: Eine kosmische Dimension, worin der Drache alle bekannten Bedrohungen aufnimmt und zugleich überbietet. Hierzu zählt auch die Einzigartigkeit des Drachen. Hinzu kommen eine individuelle Dimension als personifizierter Gestalt und eine kollektive Dimension. 358 M. KOCH, Op. cit., 248 und weiter J. H. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 143, der den Begriff ‚Polyvalenz‘ benutzt. Nicht zuzustimmen ist der These Michael Kochs, dass unter den verschiedenen Traditionssträngen, die hier zusammenfließen, auch die Tradition der ‚gefallenen Engel‘ aus dem Wächterbuch zu nennen ist, worauf er aufgrund des letzten Versteils von Offb 12,9 (καὶ οἱ ἄγγελοι αὐτοῦ μετ’ αὐτοῦ ἐβλήθησαν) schließt. Siehe M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau, 262; 264–266 (ähnlich P. BUSCH, Der gefallene Drache, 136–138 und weiter H. ULLAND, Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit, 204–205). Sowohl inhaltlich als auch funktional liegen derart unterschiedliche Konzeptionen vor, dass eine Rezeption des Wächtermythos in der Johannesoffenbarung kaum vorliegen dürfte. Dass die ‚Engel des Drachen‘ in einen himmlischen Engelkampf involviert sind (e.g. Dan oder 1QM) ist dagegen eher wahrscheinlich. Siehe dazu M. KOCH, Drachenkampf und Sonnenfrau, 258–264. 353 354
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
T. Stuckenbruck vergleicht und analysiert verschiedene Passagen der Johannesoffenbarung und des Corpus 1 Hen.359 Für den vorliegenden Zusammenhang sind vor allem die folgenden Punkte zu nennen: 1) Offb und die Tiersymbolapokalypse kennen die Vorstellung gefallener Sterne (Offb 9,1 und 1 Hen 86,1); beide Texte sind konzeptuell aber völlig unterschiedlich. 2) Dass die Wächterfalltradition aus dem Wächterbuch den Teufelsfall aus Offb 12,9 beeinflusst haben soll, ist unwahrscheinlich. Auch hier liegen allerdings zwei unterschiedliche Zusammenhänge vor (Ausgestoßen werden aus dem Himmel vs. freiwilliges Herabsteigen).360 3) Weiter ist eine Stelle aus den Bilderreden mit der Offenbarung zu vergleichen und zwar die Rede von der Verführung Evas durch den gefallenen Engel Gadre’el in 1 Hen 69,6. Wenn 1 Hen 69 eine Kenntnis von Gen 3 voraussetzt (satanologische Deutung der Schlange), dann wird die Schlange, analog zu Offb 12,9, als einer der gefallenen Engel zu interpretieren sein.361 4) Schließlich ist 1 Hen als auch der Offb die Vorstellung gemeinsam, dass die Engel bzw. Satan und seine Engel keinen legitimen Platz mehr im Himmel haben.362 Abschließend ist festzuhalten, dass die genannten Vergleichspassagen wenig aufschlussreich sind und gerade im Hinblick auf Engelsfall und Teufelssturz keine klaren Schlüsse gezogen werden können (der Teufelssturz lässt sich nicht mit dem Engelsfall in Verbindung bringen). Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass eine Reihe von Bezügen auszumachen sind, die durchaus darauf schließen lassen, dass der Verfasser der Johannesoffenbarung zumindest mit einzelnen Passagen von 1 Hen vertraut gewesen ist und diese herangezogen hat.363
Die theologische Pointe der Darstellung dieses Bösen ist letztlich dessen Entmachtung. Somit steht der Drache bzw. dessen Sturz in Bezug zum Sieg Christi: Nach Offb 12,11 wird der Drache (letztlich) durch das ‚Blut des Lammes‘ besiegt.364 Mit seinem Sturz wird er aus seiner Funktion als ‚Ankläger‘ (κατήγωρ [Hapaxlegomenon], 12,10) entlassen,365 so ist davon auszugehen, dass ihm bis dahin eine Stätte im Himmel zugedacht wurde (12,8f), ganz im Sinne des aus der atl.-jüd. Tradition bekannten himmlischen Gerichtshofes.366 Der von Gott bisher ‚tolerierte‘ Ankläger367 wird aus seinem ‚Amt‘ gestoßen, worauf der Anbruch des Heils verkündet wird (12,10). Zunächst kann sich aber nur die himmlische Welt freuen (διὰ τοῦτο εὐφραίνεσθε, [οἱ] οὐρανοὶ), für die Welt bedeutet der Sturz des Drachen vorderhand Unheil und
Siehe im Ganzen Kap. 14 bei L. T. STUCKENBRUCK, The Myth of Rebellious Angels. L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 300–301. 361 L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 301. 362 Siehe L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 304–304. 363 L. T. STUCKENBRUCK, Op. cit., 321–325. 364 Zwar wird in 12,7–8 berichtet, dass ‚Michael und seine Engel‘ ihn aus dem Himmel geworfen haben, doch ist schließlich auch dieser Akt auf Christus zurückzuführen. 365 Zu Offb 12 und den Parallelen bei Lk 10,18 und Joh 12,31f siehe J. H. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 207–273. Kürzer P. BUSCH, Der gefallene Drache, 132–135. 366 Cf. das Kapitel zum göttlichen Gerichtssaal in der Dissertation von M. Z. KENSKY, Courtroom, 13–61. 367 Ulland weist darauf hin, dass im Rahmen dieser Vorstellung allenfalls auch ein zeitgeschichtlicher Anklang zu finden ist, nämlich insofern Christen mittels Anzeigen angeklagt werden konnten. H. ULLAND, Die Vision als Radikalisierung der Wirklichkeit, 212. 359 360
4. Frühchristliche Rezeption
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‚Wehe‘, da der ‚Diabolos‘ mit ‚großem Zorn‘ zur Erde hinabkommt (οὐαὶ τὴν γῆν καὶ τὴν θάλασσαν, ὅτι κατέβη ὁ διάβολος πρὸς ὑμᾶς ἔχων θυμὸν μέγαν…, 12,12). Für die Welt ist die Gefahr, die vom Bösen ausgeht, somit noch nicht endgültig gebannt, im Gegenteil: Der Diabolos ist zwar aus der himmlischen Sphäre verbannt und somit entmachtet worden; zugleich geht aber eine neue Gefahr von dem Entmachteten aus, indem er die Gemeinde verfolgt. Aus dem himmlischen Ankläger wird somit der Verfolger und Irreführer. Michael Labahn führt hierzu den Begriff ‚dangerous Loser‘ ein.368 Dieser ‚gefährliche Verlierer‘ bestimmt die ‚Gegenwart‘: Es verfolgt die ‚Frau‘ und die Gemeinde (12,13–17) und gibt schließlich den ‚Tieren‘ Macht (Kapitel 13). Diese werden in erster Linie mit Blasphemie (βλασφημία) assoziiert; das erste Tier begeht eine Reihe ‚kultischer Delikte‘,369 das zweite agiert als Propagandist für die religiös-kultische Verehrung des ersten Tieres und wird später als Pseudoprophet identifiziert.370 Nach der Schilderung der Vernichtung dieser beiden Tiere in Kapitel 19 wird in Offb 20 von der Fesselung des Drachen berichtet.371 Die folgenden tausend Jahre, die Herrschaft Christi und der Märtyrer, werden als ‚satansfreie Zeit‘ erwartet. Die Vorstellung, dass der Satan dann noch einmal freigelassen wird, findet sich in der frühjüdischen Apokalyptik nicht.372 Schließlich wird die endgültige Vernichtung des Diabolos angekündigt (20,10).373 Cf. M. LABAHN, The Dangerous Loser, insb. 164–168. Der Vf. betrachtet die Apokalypse als Sinnbildung, „[…] whose narratives, demands, visions, and auditions, including an expectation of final events, seek to help the addressees in organizing and managing their lives in the present time.“ M. LABAHN, Op. cit., 159. Im Rahmen dieser Sinnbildung kommt mit dem Satan eine ‚hermeneutische Strategie‘ zur Sprache (M. LABAHN, Op. cit., 162): In seiner hermeneutischen Funktion repräsentiert Satan die politische Autorität, welche für die christliche Gemeinschaft eine Gefahr darstellt. Zugleich wird die Gemeinde dadurch aber auch ermutigt, Christus umso treuer zu folgen und Gehorsam zu leisten. M. LABAHN, Op. cit., 177–179. 369 F. TÓTH, Das Tier, sein Bild und der falsche Prophet, 42–43. 370 Zu Offb 13 siehe ausführlich F. TÓTH, Op. cit. 371 Die Fesselung und Verwahrung des Drachen erinnert an die Fesselung der Wächter (e.g. 1 Hen 10). Cf. e.g. P. PRIGENT, L'Apocalypse de Saint Jean, 435. 372 Die Vorstellung, dass die messianische Zeit satansfrei ist, findet sich beispielsweise auch in Jub 50,5 oder Mt 25,41 sowie Röm 16,20. Stellen bei S. SCHREIBER, The Great Opponent, 453, Anm. 48. 373 Nach Lichtenberger verbinden sich in Offb 20 gleich zwei Mythen und zwar der Satanssturz und der Engelskrieg im Himmel (1QM). Siehe H. LICHTENBERGER, Die Apokalypse, 181. Lichtenbergers Ausführungen zum Satanssturz bleiben allerdings wenig erhellend. Eine detaillierte Ausführung zu 1QM, insb. XVII 5–8, findet sich bei J. DOCHHORN, Schriftgelehrte Prophetie, 260–272, insb. 265–269. Dochhorn vergleicht die Konstellation der Akteure der jeweiligen Texte und kommt zum Schluss, dass diese weithin deckungsgleich sind: In beiden Texten begegnet die Degradierung der Teufelsgestalt (Drache bzw. Belial) als Heilswende; die Funktion der Figuren entspricht sich ebenfalls weitgehend. Weiter wird durch die Degradierung des Drachen bzw. Belials jeweils eine Figur begüns368
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Abschließend ist festzuhalten, dass die Rezeption von Gen 3 hier lediglich durch die ‚alte Schlange‘ gegeben ist – von Adam oder Eva, dem ‚Sündenfall‘ oder dem dadurch bedingten Tod ist demgegenüber keine Rede. Gleichwohl ist der Bezug zu Gen 3 bemerkenswert, da die Schlange aus der Paradieserzählung mit dem ‚Teufel‘ als endzeitlichem Gegner in eine Linie gebracht wird. Somit muss Gen 3 bzw. den darin geschilderten Ereignissen eine gewisse (heilsgeschichtliche) Bedeutung zugekommen sein; möglicherweise lokalisierte der Verfasser der Offenbarung die Ursprünge des Bösen in der Paradieserzählung. Zumindest wird die Paradiesschlange satanologisch gedeutet; darüber hinaus wird die Schlange im Horizont des Wirkens ‚des Teufels‘ interpretiert. Der Irreführer im Paradies ‚ist‘ die archaische Chaosmacht des Meeres und ‚ist‘ sodann auch der Ankläger der Menschen vor dem göttlichen Thron sowie der ‚Widersacher‘ und ‚Verleumder‘, der in mannigfaltigen Ausprägungen in der frühjüdischen Theologie begegnet. Diese Tendenzen zur Vereinheitlichung verschiedener Figuren des Bösen zum ‚Teufel‘ werden sodann auch im nachfolgenden Überblick über die Rezeption von Gen 3 bei den frühen Kirchenschriftstellern ersichtlich werden. 4.5. Frühe Kirchenschriftsteller
Wiederum wird die Untersuchung der frühchristlichen Rezeption mit einem kurzen, exemplarischen Ausblick auf die frühen Kirchenschriftsteller abgeschlossen. Auch hier sollen die wesentlichsten Tendenzen der Gen 3Rezeption ersichtlich gemacht werden; zudem wird jeweils kurz auf die Wächterrezeption des jeweiligen Autors eingegangen. 4.5.1. Justin der Märtyrer
Justin rezipierte den Wächtermythos in seiner Auseinandersetzung mit dem paganen Umfeld und vor allem in den beiden Apologien. Dabei stellt er das Heidentum und die Christenverfolgung in die Linie von Wächtern bzw. Dämonen. Überhaupt gilt ihm das Heidentum als ‚dämonisch inspiriert‘ (siehe Dial. 30; 98; 91). In diesem inhaltlichen Gefüge ist von Adam keine Rede. In der zweiten Apologie wird die Geschichte der ersten Menschen im Paradies sodann schlicht übersprungen. Justin geht zwar von der grundsätzlichen Handlungsverantwortung
tigt, welche für die Adressaten eintritt (Michael in 1QM, Christus in der Offb). Offb 20 weist somit nicht wenige Ähnlichkeiten mit der Schilderung des endzeitlichen Kampfes in 1QM auf. Im Unterschied zu 1QM allerdings ist die Entmachtung des Satans nicht das Ende seiner Wirkmacht und Weltbeherrschung (so 1QM). Cf. J. DOCHHORN, Op. cit., 270. Anders wiederum als in der Offb, findet sich in 1QM keine Identifikation des Teufels mit der Schlange, noch gibt es sonst einen Hinweis auf Gen 3 oder dessen Rezeption. Zur Eschatologie der Offenbarung siehe sodann vor allem J. FREY, Was erwartet die Johannesapokalypse?, passim.
4. Frühchristliche Rezeption
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von Menschen und Engeln aus, erzählt dann aber nur vom Vergehen der Wächterengel, wobei der Leser keinen Hinweis auf die menschliche Schuld zu finden vermag.374
Wo hingegen die ‚Hartherzigkeit Israels‘ thematisiert wird (e.g. Dial. 18.2), gilt Adam als paradigmatischer Sünder.375 Im Zusammenhang seiner Auseinandersetzung mit dem Judentum rezipiert Justin Gen 3 intensiv: Die Übertretung der ersten Menschen hatte den Tod zur Folge, zugleich ist seit Adam jeder Mensch dem Tod und dem ‚Trug der Schlange‘ verfallen, weil jeder sündigt und aktiv Schuld auf sich lädt, indem er Adam und Eva ähnlich wird (Dial. 124.3–4). Adams Schuld wird auf den freien Willen zurückgeführt (Dial. 88.5–6; 102.3–4).376 In 88.4 wird dieser Zusammenhang zwischen Adam, der sündigen Menschheit und Christus ausgeführt;377 Christus sei um der Menschen willen gekommen, weil diese „seit Adam dem Tod gemäß der Irreführung der Schlange unterworfen waren“ (ἀπὸ τοῦ Ἀδὰμ ὑπὸ θάνατον κατὰ πλάνην τὴν τοῦ ὄφεως ἐπεπτώκει) und jeder selbst Böses tut.378 Justin möchte dem jüdischen Gesprächspartner die Notwendigkeit des Heilswirkens Christi erläutern; diese wird durch das Vergehen Adams bzw. aller Menschen begründet und steht nicht in der Folge des Wächterfalls. Adam bzw. Adam und Eva werden in der Auseinandersetzung mit dem Judentum herangezogen, um die Ursprünge des Verderbens und die Notwendigkeit des Heilswirkens Christi zu erläutern. Damit nimmt Justin mit Adam einen deutlich anderen Bezug auf das Böse als in der Auseinandersetzung mit dem Heidentum „Within his genealogy of error, Jews suffer from their propensity to repeat the disobedience of Adam and Eve, while the experience of pagans is shaped by another moment in primordial history: the enslavement of humankind by the angels who descended […]. Whereas the former willingly disobey God and choose to join Christ’s supernatural enemies, the latter are unwitting victims of […] the demons […].“379
A. Y. REED, Fallen Angels, 166. A. Y. REED, Op. cit., 167. 376 Weiter ist 124.3–4 zu nennen: Zwar geht Justin davon aus, dass einer „der Fürsten, das ist jenes, der den Namen Schlange führt“ die ersten Menschen bzw. Eva verführte (124.3), doch alle Menschen Adam und Eva ähnlich würden und daher für ihr Schicksal selbst verantwortlich seien (124.4). Grundsätzlich fällt im Rahmen der Rezeption von Gen 3 weiter auf, dass die Schlange immer satanologisch gedeutet wird; siehe beispielsweise 1 Apol. XXVIII; dort wird erklärt, dass das Oberhaupt der Dämonen ‚Schlange‘, ‚Satan‘ und ‚Verleumder‘ genannt werde. In Dial. 45.4 heißt es weiter, dass durch Christi Geburt die Schlange und die Engel niedergeschlagen wurden. In Dial. 103.5 bietet Justin dann eine eigenartige Etymologie von ‚Satanas‘, wobei er ‚Sata‘ auf ‚Abtrünniger‘ (wohl von )שָׂ טָ ןund ‚-nas‘ auf Schlange (wohl von )נָחָ שׁzurückführt. 377 Siehe weiter Dial. 103.6. 378 Weiter werden auch die Engel unter dem Aspekt des freien Willens thematisiert. 379 A. Y. REED, Fallen Angels, 169. 374 375
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Die Sünde Adams betrifft allerdings nicht nur die Juden, sondern das ganze ‚Menschheitsgeschlecht‘. Das Heidentum gilt dann gewissermaßen als ‚spezifischeres‘ Problem und wird unter dem Gesichtspunkt dämonischen Wirkens thematisiert. Das Vergehen Adams bzw. der Menschheit demgegenüber wird auf willentliche Entscheidung (freien Willen) zurückgeführt. Abschließend ist festzuhalten, dass Justin die ‚Ursprünge des Bösen’ unterschiedlich lokalisiert, und zwar je nach Zusammenhang, Gegenstand der Auseinandersetzung und Adressaten. 4.5.2. Irenäus von Lyon
Die Wächter gelten bei Irenäus als paradigmatische Sünder, welche für die Verbreitung des Bösen verantwortlich gemacht werden. Die Ursache des Bösen wird hingegen beim Teufel gesucht, welcher die ersten Menschen in die Irre führte. Im Erweis der apostolischen Verkündigung (Demonstratio apostolicae praedicationis) führt Irenäus diese Thematik aus. Am Anfang dieser Glaubenslehre steht die Schilderung der Schöpfung der Welt und ihrer Beschaffenheit. Demnach lebten Adam und Eva im Paradies wie ‚unschuldige Kinder‘ (Dem. 14); diesen habe Gott die Gebote gegeben, damit sie sich nicht überhöhten (Dem. 15). Auch Irenäus deutet die Schlange satanologisch und führt den Neid des ‚Teufels‘ als Begründung für die Versuchung der Menschen an (Dem. 16). „Dieses Gebot [sc. Gen 2,16] hat der Mensch nicht festgehalten, sondern er hat Gott nicht gehorcht, irregeleitet von dem Engel, der wegen der vielen Vorteile, die Gott den Menschen gewährt hatte, ihn beneidend und scheel zuschauend, sowohl sich selbst zugrunde richtete als auch den Menschen sündig machte, indem er ihn überredete, dem Gebote Gottes gegenüber ungehorsam zu sein. Indem also zuerst der Engel in seiner Falschheit Haupt und Führer der Sünde wurde, wurde er selbst geschlagen, nachdem er sich gegen Gott vergangen hatte, und ließ auch den Menschen des Paradieses verlustig gehen. Und weil er, durch seinen Charakter verführt, sich empörte und sich von Gott trennte, wurde er Satan genannt nach der hebräischen Sprache, das ist Widersacher; derselbe wird aber auch Ankläger genannt.“380
Vermutlich steht auch hier die Vorstellung im Hintergrund, dass der ‚Teufel‘ zugunsten des Menschen entmachtet worden ist und somit geht wohl auch Irenäus von einer einer Konkurrenz zwischen Menschen und Teufel aus. Irenäus führt im Folgenden aber nur wenig weitere Details auf, beispielsweise dass die Schlange den Teufel ‚in sich‘ trug (Haer. IV.Vorrede.4 und Haer. V.26.2) und dass der Fluch auf der Schlange auch den Teufel betraf (Dem. 16).381 Der Teufel gilt Irenäus als „Anstifter und Urheber der Sünde“ Übersetzung nach N. BROX, FC 8.1. Siehe auch Sap und Jos. Ant. Bei Josephus findet sich allerdings keine satanologische Deutung der Schlange. 381 Die Schlange wird allerdings nicht immer satanologisch gedeutet, so Haer. III.23.3 und III.23.8. 380
4. Frühchristliche Rezeption
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(siehe auch Dem. 17: Der Teufel macht Kain zum Brudermörder). Schließlich folgt in Kapitel 18 die Einführung der Wächterengel, welche das Böse nach dann lediglich noch weiter verbreiteten. Auch Irenäus lässt Adam- und Wächtertradition nebeneinander stehen, lässt dem Teufel im Hinblick auf das Böse aber die weitaus bedeutsamere Rolle zukommen. Durch die Wächter wurde die Bosheit zwar vermehrt und verbreitet, nicht aber hervorgerufen. Der Satansmythos steht nun deutlich im Vordergrund. 4.5.3. Clemens von Alexandrien
Clemens rezipierte die Wächter vor allem als Negativbeispiele im Hinblick auf sittliches Verhalten (Frauen) und die Weitergabe von Wissen (Astronomie, Mantik etc.). Im Großen und Ganzen kommt dem Wächtermythos aber keine herausragende Bedeutung zu. Gen 3 demgegenüber wird in verschiedensten Zusammenhängen rezipiert. 1) Adam gilt als ‚Vater aller Menschen‘, der unsterbliches Leben gegen den Tod eingetauscht habe, indem er auf seine Frau hörte (Strom. II.98.4). Kontext dieser Aussage ist die Frage nach dem ‚wahren Schönen‘. Adam habe das ‚Hässliche‘, den Tod, gegenüber dem unsterblichen Leben gewählt, da er das Gebot Gottes übertrat. Somit wird Adam hier wiederum in erster Linie mit dem Tod assoziiert. 2) Sodann wird die ‚alte tückische Schlange‘ für die ‚Putzsucht‘ der Frauen verantwortlich gemacht, weil sie den Verstand der Frau ‚mit Eitelkeit zernagte‘ (siehe Paid. III.5.3–4). Thematisiert wird u.a. auch hier die Problematik von wahrer und falscher Schönheit: Die geschminkte und herausgeputzte Frau entspricht nicht dem ‚würdigen Abbild Gottes‘ (III.5.3). Im weitesten Sinne wird also die weibliche Schönheit mit teuflischem Wirken in Verbindung gebracht. 3) Weiter wird sodann mehrmals auf die Versuchung Evas durch die Schlange hingewiesen, v.a. in der Rezeption von 1 Tim 2 (e.g. Strom. XIV.1); in Protrepticus 12.2 heißt es außerdem, die Sünde sei durch Eva in die Welt gekommen. Somit ist im Hinblick auf Gen 3 eine situationsbedingte Rezeption zu beobachten: Der Tod wird mit der selbst gewählten Sünde Adams erläutert; die Sünde und sittlisch-moralisches Fehlverhalten von Frauen demgegenüber mit Eva und der ‚Schlange‘. Abschließend kann festgehalten werden, dass Gen 3 auch hier die weitaus größere Bedeutung zukommt, als dem Wächtermythos; die Ursprünge von Bösem werden mit der Paradieserzählung erläutert und nicht mit dem Wächterfall.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
4.5.4. Tertullian
Wie bereits beobachtet werden konnte, kennt Tertullian den Wächtermythos gut und zieht ihn zur Erläuterung von Götzendienst oder der negativen Rolle der Frauen heran. Dabei kommt den Wächtern allerdings keine Verantwortung für die Ursprünge des Bösen zu. Auch die Paradieserzählung wird im Rahmen verschiedener Abhandlungen herangezogen. Zu nennen ist zunächst eine satanologische Deutung von Gen 3 in Tertullians Ausführungen über die Geduld (de patientia). Während ihm die Geduld als gut und göttlich gilt, macht Tertullian den Teufel für die Ungeduld verantwortlich. Dieser habe die Ebenbildlichkeit des Menschen und dessen ‚Herrschaft über alle Dinge‘ nicht erduldet und sei in Neid entbrannt (Pat. 5,6): „Er hätte nicht gelitten, wenn er [es] ertragen hätte und er hätte den Menschen nicht beneidet, wenn er nicht gelitten hätte; so hat er ihn betrogen, weil er neidisch war, er beneidete ihn, weil er litt; er litt, weil er nicht geduldig ertrug“382 So wird von der Ungeduld des Teufels auf dessen Schmerz und Neid geschlossen; der Neid gilt damit abermals als Handlungsmotiv des Teufels. Zudem scheint auch hier die Vorstellung einer Konkurrenz zwischen Mensch und Teufel im Hintergrund der Ausführungen zu stehen (Ebenbildlichkeit und Macht des Menschen). Nicht nur der Teufel, sondern auch die Menschen sind nach Tertullian von der Ungeduld ‚befallen‘. So hätte Eva nicht gesündigt, wenn sie Ausdauer für das Gebot Gottes gehabt hätte und nicht von dem „durch Ungeduld verpesteten Geist“ des Teufels angeweht worden wäre. Ungeduld ist dann auch die Begründung des Brudermordes: Kain hätte das ausgeschlagene Opfer geduldig ertragen können, statt seinen Bruder zu töten. Zwar gilt Ungeduld als ‚teuflische Eingebung‘, ebenso aber erachtet es Tertullian als Verantwortung des Einzelnen, Geduld zu üben. Gen 3 wird im Weiteren herbeigezogen, um den freien Willen des Menschen und somit seine Verantwortung zu betonen. So beispielsweise in der Ermahnung zur Keuschheit (Exh. cast. II).
„[…] wie geschrieben steht: ‚Siehe, ich habe dir vorgelegt das Gute und das Böse; denn du hast ja gekostet vom Baume der Erkenntnis.‘ Deshalb dürfen wir nicht das, was unserer freien Entscheidung anheimgestellt ist, auf Gottes Willen zurückführen […] Wenn du aber weiter fragst, woher dieser Wille kommt, mit dem wir etwas wollen, was Gottes Willen entgegengesetzt ist, so werde ich sagen: Aus uns selbst, und zwar nicht grundlos. Notwendigerweise entsprichst du ja dem Samen, aus dem du hervorgegangen bist, weil ja auch Adam, der erste Mensch und der erste Sünder, das Vergehen gewollt hat, welches er begangen hat. Denn der Teufel hat ihm nicht den Willen zur Sünde eingegeben, sondern dem
382 „Nec enim doluisset si sustinuisset nec [enim] induisset homini si non doluisset: adeo decepit eum quia inuiderat, inuiderat autem quia doluerat, doluerat quia patienter utique non tulerat.“
4. Frühchristliche Rezeption
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Willen nur den Anlaß zur Sünde zukommen lassen. Im übrigen war der Wille vom Ungehorsam gegenüber Gott gekommen.“383
Tertullian macht hier deutlich, dass der Wille zur Sünde aus dem Menschen selbst kommt, sowohl aus Adam als auch derer, die von ihm abstammen. Außerdem hält er fest, dass das Böse nicht auf Gottes Willen ‚abgeschoben‘ werden kann, sondern auf die freie Entscheidung des Menschen zurückgeht. Der Teufel habe dem menschlichen Willen zur Sünde lediglich die Hand geboten. Somit wird Gen 3 zwar satanologisch gedeutet, allerdings ohne die Schuld beim Teufel zu suchen. Auch dieser, ehemals ein Engel, habe selbst gewählt und sich ‚zum Teufel‘ gemacht, indem er Gott verleumdete und so selbst zum Verleumder wurde. Der ‚Fall‘ Adams und der ‚Fall‘ des Teufels stehen gewissermaßen in derselben Linie; besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Teufel, der als erster ‚gefallen‘ ist.384 Tertullian führt sowohl bei Wächter- und Adamrezeption den freien Willen als Begründung für sündiges Verhalten auf. Die Bürde der Verantwortung für die Sünde obliegt dem Menschen und seinem Willen und Gott wird der Frage nach dem Bösen wiederum enthoben. 4.5.5. Hippolyt von Rom
Im Werk des Hippolyt von Rom (um 170–235)385 findet sich keine Rezeption des Wächtermythos. In der Schrift De Christo et Antichristo386 wird Gen 3 rezipiert, wobei hiermit die erste und einzige patristische Schrift vorliegt, die sich ausschließlich mit dem Antichrist beschäftigt. 387
Die Bezeichnung ‚Antichrist‘ (ἀντίχριστος)388 findet sich zunächst in 1 Joh 2,18.22; 4,3; 2 Joh 7; das Auftreten von einem ἀντίχριστος gilt als Indikator der ‚letzten Stunde‘ Übersetzung nach H.-V. FRIEDRICH, BzA 2. Weiter ist Adv. Iud 2.3–5 zu nennen (bei R. HAUSES, FC 75). Tertullian versucht deutlich zu machen, dass das Gesetz nicht erst am Sinai, sondern bereits im Paradies gegeben wurde und somit nicht bloß für ein spezifisches Volk (die Juden) gelte. Hätten die Menschen Gott geliebt, hätten sie sein Gebot gehalten, der ‚Überredung der Schlange‘ nicht geglaubt („persuasioni serpentis non credidissent“) und sich so nicht zu ‚Komplizen des Teufels‘ gemacht (Pat. 2.4–5). Zwar wird hier nicht vom freien Willen gesprochen, doch ist ebenso deutlich, dass der Mensch für seine Entscheidung die Verantwortung zu tragen hat. Siehe weiter Adv. Marc. 2.2; 2.8 sowie 2.10. 384 Diesbezüglich wird auch eine Verbindung mit Ez 28,11ff und Lk 10,18 hergestellt (cf. Adv. Marc. 2.10). 385 Cf. B. R. SUCHLA, Art. Hippolyt. 386 Während die authentische Verfasserschaft Hippolyts nicht bei allen Schriften, die unter seinem Namen bekannt sind, gesichert ist, kann Antichr. zu den authentischen Schriften gezählt werden. Cf. B. R. SUCHLA, Op. cit., 336–337. 387 G. C. JENKS, The Origins and Early Development of the Antichrist Myth, 31 388 Die nächste Parallele ist der Begriff ‚Antitheos‘, der seit Homer gebraucht wurde, um ‚Gottähnlichkeit‘ oder (später) eine Gegensätzlichkeit zu ‚Gott‘ zu bezeichnen. In der 383
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
(γινώσκομεν ὅτι ἐσχάτη ὥρα ἐστίν, 1 Joh 2,18). In 1 Joh 2,18 wird sowohl von ‚einem‘ als auch von ‚mehreren‘ (ἀντίχριστοι πολλοὶ) Antichrist-Figuren gesprochen, womit offensichtlich Opponenten bezeichnet werden, welche von der Gemeinde abgefallen sind (2,19), wenngleich hinter der Gemeinde-Instruktion ‚dass der Antichrist kommt‘ wohl die Vorstellung von einer endzeitlichen Gegnerfigur steht.389 Die ‚Abgefallenen‘ verleugnen den ‚Vater und den Sohn‘ (οὗτός ἐστιν ὁ ἀντίχριστος, ὁ ἀρνούμενος τὸν πατέρα καὶ τὸν υἱόν, 2,22; siehe auch 4,3 und 2 Joh 7). Breitere Ausführungen finden sich dann erst in der frühchristlichen Theologie, zunächst bei Irenäus und Tertullian, dann bei Hippolyt.390
Die Absicht von Antichr. ist u.a. die Erörterung der Zeit, zu welcher sich der Antichrist offenbaren wird, die Erläuterung seiner Herkunft und seines Namens und schließlich die Folgen seines Kommens (Antichr. 5). Für die Vorstellung des endzeitlichen Wirkens des Antichrist ist zentral, dass dieser als ‚Zerrbild Christi‘ vorgeführt wird und in allem als „Nachäffung Christi“ gilt.391 In Antichr. 6 wird dies in einer Reihe von Vergleichen zwischen Christus und dem Antichrist vor Augen geführt: Da Christus aus dem Stamm Juda hervorgehe und als Löwe verehrt werde, so werde der Antichrist ebenfalls mit einem Löwen verglichen und stamme (gemäß Dtn 33,22) aus dem Stamm Dan (s. auch Antirchr. 14).392 Auch der Antichrist werde (falsche) ‚Apostel‘ aussenden und die ‚Zerstreuten‘ sammeln; er werde den Menschen ein Siegel geben und wie Christus als Mensch erscheinen u.s.w. Die folgenden Kapitel 7–13 thematisieren alttestamentliche Aussagen über den Antichrist. 393
In Kapitel 14 wird die Herkunft des Antichrists aus dem Stamme Dan noch deutlicher ausgeführt. Nach Dtn 33,22 gilt Dan als ‚junger Löwe‘; Hippolyt führt dann Gen 49,17 an („Dan wird zur Schlange auf dem Weg…“). Auf diesem Hintergrund wird die ‚Schlange‘ aus Gen 49 mit der Schlange in Gen 3 verbunden; schließlich wird der Antichrist dann über hebräischen Literatur findet sich demgegenüber keine entsprechende Bezeichnung für einen endzeitlichen Gegner (Israels); Konzepte endzeitlicher Gegner dürfte allerdings bekannt gewesen sein, wenn auch wohl keine durchgehende Tradition anzunehmen ist; so beispielsweise Gog in Ez 38–39 oder der Gegner in Dan 7–8. Siehe B. J. LIETAERT PEERBOLTE, Art. Antichrist, 62–63 (siehe dort für weitere Stellen aus der frühjüdischen Literatur und ähnlichen Konzepten im Neuen Testament). Siehe auch K. BRACHT, Hippolyts Schrift ‚In Danielem‘, 357–359. 389 Siehe dazu J. FREY, Die johanneische Eschatologie III, 68–70. 390 Zur Übersicht siehe G. C. JENKS, The Origins and Early Development of the Antichrist Myth, 27–39. 391 K. BRACHT, Hippolyts Schrift ‚In Danielem‘, 360. Auch im Danielkommentar Hippolyts wird ähnliches geschildert: Der Antichrist strebt die Weltherrschaft an, fordert Verehrung und führt Eroberungskriege; er (selbst ein Jude aus dem Stamm Dan) führt die Zerstreuten Juden wieder zusammen und baut den Tempel auf; die Juden, die den Antichrist nicht erkennen, halten ihn für den Messias und verehren ihn. Andererseits verfolgt er die Kirche und tötet die ‚zwei Zeugen‘ (cf. Offb 11,3). Cf. K. BRACHT, Op. cit., 359–360. 392 Siehe auch Irenäus, Haer. V.30.2. Siehe G. C. JENKS, The Origins and Early Development of the Antichrist Myth, 77. 393 Beispielsweise Jakobs Weissagung in Gen 49.
4. Frühchristliche Rezeption
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‚Dan‘ mit der Schlange assoziiert, womit sein unheilvolles Wirken bereits in der Urgeschichte lokalisiert wird; die Schlange sei der Antichrist, der Verführer, der Eva verführt und Adam überlistet habe.
Schließlich wird der urzeitliche Gegner dann mit dem endzeitlichen Gegner identifiziert (dazu führt Hippolyt u.a. Offb an).394 Während in diesen Ausführungen noch keine (direkte) Verbindung zum Teufel hergestellt wird, nennt Hippolyt den Antichrist später den ‚Sohn des Teufels‘ (Antichr. 15, siehe auch Hipp. Dan. IV.49.3).395 Mit Antichr. 15 wird somit die Frage beantwortet, ob Hippolyt den Antichrist mit dem Teufel gleichsetzt: Der Antichrist ‚ist‘ nicht der Teufel, sondern dessen ‚Sohn‘, das heißt dessen Werkzeug. So ist auch die Schlange in Gen 3 als Werkzeug des Teufels zu verstehen.
Auch für Irenäus ist der Antichrist eine Wirkmacht des Satans (siehe Haer. V.25.1: „Ille enim omnem suscipiens diaboli virtutem veniet…“). Der Antichrist wird aber nicht als ‚Inkarnation‘ des Teufels verstanden;396 wie Hippolyt versteht auch Origenes den Antichrist als ‚Sohn des Teufels‘, der in Opposition zum ‚Sohn Gottes‘ steht (siehe Cels. VI.45).397
Weitere Ausführungen über den Antichrist finden sich dann auch in Hippolyts Auslegung des Danielbuches, die vermutlich nach Antichr. verfasst wurde. In Hipp. Dan. IV werden die Kapitel Dan 7–12 ausgelegt. Dort findet sich der Antichrist in Hippolyts ‚Berechnung‘ der Endzeit.398 Das danielische ‚kleine Horn‘ (siehe Dan 7,8), das aus einem Horn des ‚vierten Tieres‘ (Dan 7,7) hervorgeht, wird hier als der Antichrist gedeutet (Hipp. Dan IV.5.3: τὸ μικρὸν κέρας, ὅπερ ἐστὶν ὁ ἀντίχριστος).399 Inhaltlich sind hier allerdings
394 In den folgenden Ausführungen zum Antichrist kommt u.a. auch Jes 14 zur Sprache (cf. Antichr. 17) und Ez 28 (Antichr. 18). Auch Cyprian von Karthago kennt eine ähnliche Vorstellung, wobei er die ‚große Schlange‘ als Vorläufer des Antichrist bezeichnet. Cf. Epist. 22.1.1 und Unit. eccl. Einleitung.1. 395 Siehe dazu K. BRACHT, Hippolyts Schrift ‚In Danielem‘, 358. 396 Siehe weiter Haer. V.28.2 und V.29.2. Zu Angaben und Ausführungen siehe G. C. JENKS, The Origins and Early Development of the Antichrist Myth, 51. 397 Origenes hält hier fest, dass Celsus sich nur beiläufig über den Antichrist äußere, aber nichts davon wisse, was Daniel (vermutlich Dan 8,23ff; 11,36) oder ‚Paulus‘ (2 Thess 2,3f) über ihn geschrieben hätten oder was in den Evangelien gesagt würde (Mt 24,27; Lk 17,24?). 398 Anhand von Dan 7–12 entwickelt Hippolyt eine Berechnung der Endzeit, und zwar gerade in Ablehnung solcher Berechnungen (K. BRACHT, Der Danielkommentar des Hippolyt, 86): „Hippolyt weist ausdrücklich das Verhalten von Leuten zurück, die den Zeitpunkt der Wiederkehr des Herrn berechnen wollen (IV, 16,Iff.) oder sogar schon ‚vor der Zeit die Endzeit suchen‘ (IV,15,1), d.h. davon ausgehen, dass die Endzeit unmittelbar bevorsteht.“ Schließlich erwartet er die Parusie etwa 300 Jahre in der Zukunft, womit die ‚Gegenwart‘ nicht als Endzeit gelten kann. Dazu ausführlich K. BRACHT, Op. cit., 85–88. 399 Übersetzung nach M. RICHARD/G. N. BONWETSCH, GCS 7.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
keine neuen Erkenntnisse über Hippolyts Verständnis des Antichrists zu finden.400 Abschließend ist zur Rezeption von Gen 3 bei Hippolyt folgendes festzuhalten: Hippolyt macht einige Anspielungen auf Gen 3, führt die Ereignisse aber nirgends weiter aus. Es ist gleichwohl davon auszugehen, dass Gen 3 ihm dazu dient, das Übel, welches in der Endzeit durch Christus überwunden wird, bereits in der Urzeit zu lokalisieren und mit dem Wirken des Antichrists zu verbinden. Gen 3 kommt insofern eine (heilsgeschichtliche) Schlüsselposition zu: Der Anfang des teuflischen Wirkens wird in der Paradiesgeschichte lokalisiert (Urzeit Gen3/Antichrist – Endzeit/Christus). Im Übrigen bleibt festzuhalten, dass Hippolyts Antichrist in der kirchlichen Tradition rege rezipiert wurde: „Er legte die Grundlagen für eine systematische Antichristologie und hat damit die weitere Antichrist-Tradition nachhaltig geprägt.“401 4.5.6. Origenes
Origenes hat den Wächtermythos offensichtlich gekannt, rezipiert ihn aber nur am Rande (z.B. zu etymologischen Ausführungen). Adam demgegenüber kommt deutlich mehr Bedeutung zu; zu nennen sind einige exemplarische Zusammenhänge. Auch Origenes interpretiert Adam als Antipoden Christi (Tod durch Adam, Leben durch Christus: Cels. IV.40 und VI.36; cf. Röm 5,12ff). Zugleich macht Origenes aber deutlich, dass mit Adam jeweils auch der Mensch an sich gemeint ist weil אָ דָ םMensch heißt und mit ἄνθρωπος übersetzt wird: In Cels. IV.40 antwortet Origenes auf Celsus’ Kritik, Gott habe nicht einmal von einem einzigen Menschen die Sünde fernhalten können.
„[…] Denn wie diejenigen, deren Anliegen es ist, die Vorsehung zu verteidigen, nicht wenige und nicht unerhebliche Argumente vorbringen, so werden auch diejenigen Adam und seine Sünde in philosophischer Form betrachten, die erkannt haben, dass ‚Adam‘ in der griechischen Sprache ‚anthropos‘ (Mensch) heißt, und dass Mose dort, wo er über Adam zu sprechen scheint, allgemeine Aussagen über die Natur des Menschen macht. Denn ‚in Adam sterben alle‘ (1 Kor 15,22), wie die Schrift sagt, und ‚in Entsprechung zur Übertretung Adams‘ (Röm 5,14) wurden alle verurteilt; das Wort Gottes trifft diese Feststellungen nicht so sehr über einen einzelnen Menschen als vielmehr über die gesamte Menschheit. Denn obwohl dies von einem einzelnen Menschen gesagt wird, ergibt sich aus Siehe dazu G. C. JENKS, The Origins and Early Development of the Antichrist Myth, 31: „His commentary on Daniel does not add anything to our knowledge of the Antichrist myth as it was known to and used by Hippolytus. However, the commentary does constitute a significant enlargement of our witnesses to Hippolytus’ understanding and use of the Antichrist myth […].“ 401 K. BRACHT, Hippolyts Schrift ‚In Danielem‘, 362 400
4. Frühchristliche Rezeption
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dem Kontext, dass die Verfluchung Adams allen gilt. Und das gegen die Frau Gesagte bezieht sich ausnahmslos auf jede andere Frau.“
Auch für Origenes sind alle Menschen in der ‚Erbfolge‘ Adams und Evas selbst für ihre Sünde verantwortlich (Gott kann dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden). Somit kennt Origenes noch keine Vorstellung von Erbsünde; er erklärt seinen griechischsprachigen Adressaten, dass ‚Adam‘ ‚Mensch‘ heißt und was ‚Adam‘ betrifft somit alle Menschen betrifft. Origenes wehrt sich an anderer Stelle zudem gegen die Behauptung, dass es ohne den Teufel keine Sünde gäbe und betont dagegen die Verantwortung der Menschen für die Sünde (Princ. III.2.1–2, s.u.).
Adam begegnet dann auch in weiteren Ausführungen, beispielsweise in Cels. IV.38 im Disput mit Celsus über die Schöpfung Evas aus der Rippe Adams oder in der Schilderung der Verfluchung der Erde wegen Adam (Cels. VII.28–29).
Großes Interesse kommt auch dem Teufel zu (siehe Princ. III.2.1).402 Bedeutsam ist dann vor allem die Frage nach der Herkunft des Teufels; Origenes findet die die Begründung für den Fall des Teufels in Jes 14, dem Fall des Hêlēl ben Šaḥar (Princ. I.5.5).
Sowohl für den ‚Fall‘ der Wächter, der Menschen als auch des Teufels ist zu notieren, dass nach Origenes alles Geschaffene ursprünglich gut geschaffen wurde: Ontologisch gesehen ist nichts ‚an sich‘ böse. Gleichwohl ist den Geschöpfen ontologische Veränderbarkeit eigen; sie können ‚fallen‘ und ihren Charakter verändern.403 Während Geschöpfe wie Adam bzw. die Menschen, zur Veränderung verführt wurden, kommt den himmlischen Wesen 402 In diesem Kapitel der Principiis zeigt Origenes das Wirken des Teufels in der Geschichte auf, wobei er verschiedenste Figuren mit dem Teufel identifiziert: 1) Die Schlange, die Eva verführte, 2) die Schlange in AscMos, 3) die Stimme in Gen 12,12, die Abraham aufträgt, seinen Sohn zu opfern, 4) der Angreifer Moses in Ex 4,24–26, 5) der zerstörende Engel in Ex 12,23, 6) die im masoretischen Text als ʿAśaʾel bezeichnete Figur in Lev 16,8, 7) der plagende Geist in 1 Sam 18,10, 8) der Geist in 1 Kön 22,19–23, 9) Satan in 1 Chr 21,1, 10) ein böser Engel in den Psalmen (nicht weiter definierbar), 11) der Geist eines bedrängenden Herrschers in Qoh 10,4, 12) Satan in Sach 3,1, 13) der Leviathan, die ‚flüchtige Schlange‘ in Jes 27,1, 14) der Fürst von Tyrus in Ez 28,12ff, 14) der Verantwortliche für das Unglück Hiobs, 15) der Versucher Jesu, 16) böse und unreine Geister, 16) Satan, der in Judas fährt (u.a. Joh 13,27), 17) Satan in Eph 6,13, 18) die Herrscher der Welt in 1 Kor 2,6. 403 A. TZVETKOVA-GLASER, ‚Evil is not a Nature‘, 181, insb. Anm. 5. Weiter: „Origen concurs with the traditional opinion that wicked forces are nothing else than fallen angels. The reason for this assumption is not the interpretation of Gen. 6, but his theory of the fall of rational beings and creation on two levels. His purpose is to deny the existence of something ontologically wicked (against Gnostics and Marcionites) and to explain the existence of forces higher than the human beings, but not comparable with God (against any kind of polytheism and religious syncretism).“ A. TZVETKOVA-GLASER, Op. cit., 188.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
eine höhere Verantwortung zu: „[…] the angels were not tempted by an external force, as there was nothing wicked at the time of their fall. This is the main difference between the sin of the angels and the transgression of human beings, who are tempted by wicked forces.“404 Trotzdem kann sich der Mensch nach Origenes nicht entschulden; im Gegenteil, er soll sich beherrschen und weder dämonischen Versuchungen noch seinen eigenen Trieben nachgeben (Princ. III.2.2). 4.5.7. Cyprian von Karthago
Ähnlich wie Tertullian bringt Cyprian Kleidung und Ausstattung von Frauen mit dem Wirken des Teufels in Verbindung (De habitu virginum).
In Hab. Virg. II.17 kann vermutlich von einer Rezeption von Gen 3 im weitesten Sinne gesprochen werden.405 Auch hier ist von Kosmetik die Rede, durch welche Frauen zu Betrügerinnen werden und infolgedessen der Schlange (dem Teufel) gleichen. Die Argumentation ist dabei ähnlich wie bei Cyprians Rezeption der Wächtertradition: „Fürchtest du dich, ich bitte dich, unter diesen Umständen, nicht, dass wenn der Tag der Auferstehung kommt, dein Schöpfer dich nicht wiedererkennt […] zu dir sagt: ‚Dies ist nicht mein Werk und dies ist nicht unser Ebenbild!‘ [Deine] Haut hast du mit falscher Schminke verschmutzt, dein Haar mit verfälschter Farbe verändert […] [dein] Angesicht ist ein fremdes geworden. Du wirst Gott nicht sehen können, wenn deine Augen nicht diejenigen sind, die Gott geschaffen hat, sondern diejenigen, der Teufel vergiftet hat. Diesem bist du gefolgt, die rötlichen und bemalten Augen der Schlange hast du imitiert, nach dem Vorbild deines Widersachers, mit ihm wirst du brennen.“
Ebenfalls in ähnlicher Art und Weise wie Tertullian in De patientia rezipiert Cyprian Gen 3 in seinen Ausführungen zur Geduld (De bono patientiae). Zunächst führt er u.a. die Vorteile der Geduld vor Augen; darauf führt er demgegenüber Beispiele für Ungeduld auf, wobei sowohl der Teufel als auch Adam, Kain und weitere biblische Figuren zur Sprache kommen. Am Anfang dieser Paradigmenreihe steht der Teufel, der es nur mit Ungeduld ertrug, dass der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurde und ihn deshalb zugrunde richtete. Adam wiederum brach das Gebot Gottes, weil auch er in Bezug auf die Frucht ungeduldig war (siehe Pat. 19). Die Paradieserzählung wird hier selbstverständlich satanologisch gedeutet. Wie andernorts steht vermutlich die Vorstellung des Neids des Teufels im Hintergrund, welcher sich hier auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen bezieht. Die Ungeduld des Teufels steht so am ‚Anfang‘ des menschlichen Verhängnisses Auch in Cyprians Ausführungen über den Wächtermythos gilt der Teufel als Urheber von Sünde; die Wächter stehen lediglich in dessen Folge. Sünde
A. TZVETKOVA-GLASER, Op. cit., 184. Mit der Rede von der Gottebenbildlichkeit steht die Schöpfungsthematik in unmittelbarem Zusammenhang. 404 405
4. Frühchristliche Rezeption
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und Tod werden auf den Teufel zurückgeführt, der seinerseits vermutlich als ‚gefallener Engel‘ zu interpretieren ist. 4.5.8. Lactantius
Lactantius (250-ca. 325)406 präsentiert in seiner Schrift Auszug aus den göttlichen Unterweisungen (Epitome divinarum institutionum, wohl nach 314 entstanden) eine satanologische Deutung der Paradieserzählung als Ätiologie des Todes. In Epit. 22 schildert Lactantius, dass die Schlange, ein ‚Diener Gottes‘, den Menschen um dessen Unsterblichkeit beneidete und ihn mit ihrer List dazu verlockte, Gottes Gebot zu übertreten.
Als Gott die Welt aus dem nichts geschaffen habe und alle Wesen schuf, da gestaltete er auch „den Menschen aus Lehm zum Bild seiner Ähnlichkeit„ („hominem de limo ad imaginem similitudinis suae figuratum“). Er setzte ihn ins Paradies und verbietet ihm beim Tod, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen. Demgegenüber verheißt er ihm, unsterblich zu bleiben („immortalis permaneret“), wenn er sich an das Gebot halte. „Da beneidete die Schlange, die eine der Diener Gottes war, den Menschen, weil er unsterblich war…“ Der Mensch übertritt das Gesetz Gottes und gewinnt dadurch die Erkenntnis von Gut und Böse, verliert aber das ihm von Gott gegebene immerwährende Leben. Die Schlange, die Teufel (Diabolus) oder Verleumder oder Verräter/Ankläger („criminator siue delator“) genannt wird, verfolgt die Nachkommen der Menschen. So verursacht sie den Mord Abels, indem sie Kain Missgunst einhaucht. Schließlich „ruht die Schlange nicht“, die Menschen zu verführen und zu verderben und sie in den Abgrund der Verbrechen zu stürzen.
Zunächst fällt auf, dass Lactantius Gen 3 dahingehend deutet, dass Gott dem Menschen die Wahl zwischen Tod und Unsterblichkeit gelassen habe, er interpretiert den Tod also physisch. Weiter wird auch hier der Neid der Schlange bzw. des Teufels auf die Unsterblichkeit des Menschen thematisiert, womit eine ähnliche Argumentation wie bei Cyprian vorliegt (s.o.); sowohl Cyprian als auch Lacantius gehen davon aus, dass die Menschen durch das Fehlgehen des Teufels zur Sünde geführt wurden und Sünde somit letztlich auf den Teufel zurückzuführen ist. Für Lactantius ist der Teufel auch für den Mord Kains an Abel verantwortlich, da er die ‚Nachkommen der Menschen‘ mit dem ‚Gift der Bosheit‘ verdorben habe. 4.6. Die pseudoclementinischen Homilien
In Ps.-Clem. Hom. begegnet Adam zunächst innerhalb der Lehre von den Syzygien (Ps.-Clem. Hom. II 15–17), welche auf die Ausführungen über den wahren Propheten folgt. Die Lehre von den Syzigien (Gegensatzpaaren), besagt, dass die ganze Realität antagonistisch strukturiert ist (Tag und Nacht, Sonne und Mond etc.). In der Regel gilt, was zuerst geschaffen wurde, das ist 406
Cf. K.-H. SCHWARTE, Art. Laktanz.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
besser als der Part des Gegensatzes, der danach geschaffen wurde. Bei den Menschen jedoch, die (anders als Adam) nicht direkt von Gott abstammen, wird dieses Gesetz umgekehrt (zuerst kommt das Schlechte, dann das Gute, also ist Kain schlecht und Abel gut; siehe Ps.-Clem. Hom. II 15,2; 16,2–3). Der Mensch wurde in dieses System hinein und als einziges Geschöpf mit dem freien Willen geschaffen; es ist demnach in seinem Willen begründet, gerecht oder ungerecht zu sein (μόνον δὲ ἐν τούτοις αὐτεξούσιον τὸν ἄνθρωπον ἐποίησεν ἐπιτηδειότητα ἔχοντα δίκαιον ἢ ἄδικον γενέσθαι, 15,2). Adam nimmt als Erstgeschaffener Mensch, der von Gott abstammt, eine Sonderstellung ein, er gilt als wahrer Prophet in der Linie von Noah, Abraham, Moses und Jesus (Ps.-Clem. Hom. III 21,1–2 und weiter III 20,3; VIII 10,1).407 So kann Petrus in seiner Rede dann auch seine Überzeugung äußern, dass Adam kein Gesetzesübertreter sei (Ps.-Clem. Hom. II 52,2). Darin liegt der entscheidende Unterschied zwischen Adam und seinen Nachkommen. Hom III,17,1, berichtet von der Schöpfung des ersten Menschen (τῷ ὑπὸ χειρῶν αὐτοῦ κυοφορηθέντι ἀνθρώπῳ) im Gegenzug zur Zeugung der menschlichen Spezies durch den Samen (ἐκ μυσαρᾶς σταγόνος). So scheint es, als ob Adam hier als herrlicher Protoplast zu gelten habe: „Adam est exempt de péché en qualité de Prophète, mais ses descendants, issus du commerce sexuel ne le sont pas. L’humain doué dès l’origine du libre arbitre recèle en lui un germe peccamineux qui devient virulent dans les générations anté-déluviennes par l’ingratitude à l’égard de Dieu, dont la justice absolue ne cesse d’être réaffirmée.“408 Adam ist weiter Gegenstand in einem Streitgespräch zwischen Petrus und Simon über die Einheit und die Güte Gottes (Ps.-Clem. Hom. XVI–XVIII). Bedeutsamer sind die Ausführungen in Ps.-Clem. Hom. XIX–XX, wo sich Streit- und Schulgespräche über die Ursprünge des Bösen finden. Im Schülergespräch zwischen Petrus und Sophonias in Ps.-Clem. Hom. XX gilt Adam wiederum als gut; der weitere Kontext ist die Frage nach der Möglichkeit der Entstehung des Bösen (hieran schließt die bereits erwähnte Diskussion über die Vermischung der Elemente, welche zu Bösem führte, an).409 Zugleich wird dann andererseits in Ps.-Clem. Hom. III 17,3 und X 4,1 auf die Sünde Adams angespielt;410 in III 17,3 wird davon berichtet, dass Adam Siehe F. AMSLER, Qui a dit qu’Adam avait péché?, 201. F. AMSLER, Op. cit., 204. 409 Ps.-Clem. Hom. XX 8,3 „Folglich ist (das Böse) weder von Gott gezeugt noch von irgendeinem anderen; es ist auch nicht von ihm hervorgebracht worden, noch ist es von selbst aufgetreten, noch existierte es immer – wie die Substanz vor der Mischung – , sondern es ist nach dem Willen Gottes außerhalb (von ihm) durch diese Mischung entstanden. Und dass sich dies zwangsläufig so verhält, haben wir des öfteren erklärt.“ 410 In Ps.-Clem. Hom. X 4,1 wird Adams Name nicht genannt, doch spielt 3,3 mit der Aufnahme von Gen 1,26-27 deutlich auf ihn an. Siehe F. AMSLER, Qui a dit qu’Adam avait péché?, 205. 407 408
4. Frühchristliche Rezeption
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den göttlichen Geist durch die Sünde verloren habe.411 Die Sünde Adams steht somit in einem Spannungsfeld zu seiner obengenannten Sonderstellung. Die Sünde Adams, die nicht weiter spezifiziert wird, hat dann aber wohl einen anderen Status, als die Sünde seiner Nachkommen, zumindest wird sie nicht mit der Undankbarkeit in Verbindung gebracht, welche das grundsätzliche menschliche Problem darstellt.412 Gen 3 wird also zwar intensiv rezipiert, zum Teil auch in Bezug auf die Frage nach den Ursprüngen des Bösen (die hier ja explizit thematisiert wird), doch gilt die ‚Sünde Adams‘ nie als einzig mögliche Erklärung für das Böse, sie wird außerdem an keiner Stelle erzählt. Vielmehr steht sie in einem weiteren Horizont verschiedener Modelle. Abschließend gilt es auch hier, wie bei der Rezeption des Wächtermythos, festzuhalten, dass nicht so sehr die einzelnen Erklärungsmodelle des Bösen zu unterstreichen sind, sondern dass diese innerhalb der Apologie der Gerechtigkeit Gottes aufgeworfen werden.413 Festzuhalten bleibt ebenfalls, dass das vorfindliche Weltbild dualistisch geprägt ist und das Gute wie auch das Böse in der letztgültigen Macht Gottes verankert werden. 4.7. Zusammenfassung
Abschließend sind die Tendenzen der frühchristlichen Rezeption von Gen 3 zusammenzufassen. Im Anschluss daran soll die Gesamtschau der Rezeption aufgezeigt werden, weshalb hier lediglich ein kurzer Überblick über die Zeitspanne zwischen den 50er Jahren des ersten bis zum Anfang des 4. Jahrhunderts gegeben wird. Adam/Mensch: Die aufkommende Adam-Rezeption im frühen Judentum des ersten Jahrhundert hat sich im Neuen Testament vor allem bei Paulus niedergeschlagen. In der paulinischen Christologie ist Adam von herausragender Bedeutung, indem er als ‚Typos‘ Christi zur Sprache kommt. In dieser Funktion wird er für die christliche Theologie höchst bedeutungsvoll bleiben, da von der Sündhaftigkeit Adams auf die Sünde aller Menschen geschlossen wird. Dieser Schluss ist im Hinblick auf die Heilswirksamkeit Christi von besonderer Bedeutung. Mit der Adam-Rezeption in der Christologie wird somit gleichsam ‚die große Geschichte‘ von Sünde, Tod, Vergebung und Leben erzählt. Bei den frühen Kirchenschriftstellern wird ebenfalls großes Gewicht auf die Schuld und Verantwortung Adams bzw. des Menschen gelegt; im An411 „Doch, so sagt man, der göttliche Geist verließ ihn (sc. Adam), nachdem er gesündigt hatte.“ 412 F. AMSLER, Qui a dit qu’Adam avait péché?, 205. Ps.-Clem. Hom. VIII 10 Verbindung von Adam und der Undankbarkeit der Menschen mit dem Kommen der Wächter. 413 Siehe F. AMSLER, Qui a dit qu’Adam avait péché?, 210.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
schluss an Paulus betrifft diese Sünde alle Menschen, weil ‚Adam‘ ‚Mensch‘ heißt. Alle Menschen gelten als Sünder und Christi Heilstat wird als sine qua non verkündet. Oftmals wird dabei vom freien Willen Adams bzw. des Menschen ausgegangen: Ist der Mensch mit dem freien Willen ausgestattet, kann weder dem Teufel oder Gott die Schuld am menschlichen Verhängnis gegeben werden; die Verantwortung liegt einzig und allein beim Menschen und dessen Wahl. Zum Teil wird Adams Verantwortung durch eine satanologische Deutung dann aber auch wieder ‚relativiert‘. Eva/Frauen: Die Betonung der Schuld Evas bzw. der Frau, welche bereits in der früheren und späteren frühjüdischen Theologie zu beobachten ist (siehe e.g. Ben Sira, Philo, ApcMos), findet sich im NT lediglich in 1 Tim. Der Verfasser von 1 Tim legt Gen 2–3 hinsichtlich der gemeindlichen Ordnung zu Ungunsten der Frau(en) aus. Die frühen Kirchenschriftsteller kritisieren dann vor allem die Eitelkeit der Frauen, wobei diese auf den Teufel zurückgeführt wird. Zumeist steht eine sexuelle Deutung von Gen 3 implizit oder explizit im Hintergrund. Grundlegend ist festzuhalten, dass die Schuld Evas (wie auch die Schuld der Frauen in der Rezeptionsgeschichte des Wächtermythos) jeweils geschlechtsspezifisch gedeutet wird und die Sexualität der Frau problematisiert wird. Der Schuld Evas wird anders als der Schuld Adams keine weitere Bedeutung für das Schicksal der Menschen zugedacht. Satan: Die aufkommende satanologische Deutung der Paradiesgeschichte hat sich zumindest an einer Stelle auch im Neuen Testament niedergeschlagen und zwar in Offb 12,9 und 20,2, wo die ‚alte Schlange‘ in eine Reihe mit dem Satan/dem Diabolos und dem endzeitlichen Gegner gestellt wird. Die Offenbarung ist damit zumindest auf dem Weg zu einer einheitlichen Teufelsvorstellung. Auch bei Cyprian kommen sich die Funktionen von ʿAśaʾel und Satan so nahe, dass die Bezeichnungen womöglich austauschbar geworden sind. Die satanologische Interpretation von Gen 3 gewinnt bei den frühen Kirchenschriftstellern deutlich an Relevanz und wird zumeist implizit oder explizit vorausgesetzt. Der Teufel gilt zumeist als Urheber menschlicher Sünde. Als Motiv für die Irreführung der Menschen kommt wie in frühjüdischen Texten oft sein Neid auf die Menschen und deren Unsterblichkeit oder Gottebenbildlichkeit zur Sprache. Gelegentlich wird auch die Ungeduld oder der freie Wille betont. Der Teufel wird als Kontrahent des Menschen vorgeführt; die Schuld des Menschen wird dann in Zusammenspiel mit teuflischem Wirken betrachtet.
5. Synthese
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In den späteren frühchristlichen Texten steht die Adam-Tradition sachlich zumeist vor dem Wächtermythos. Außerdem lassen sich bereits Tendenzen der Vereinheitlichung von Figuren des Bösen beobachten. Im Rahmen apologetischer Literatur wird die Frage nach dem Bösen z. T. breit und systematisch behandelt, wobei oftmals verschiedene Mythologumena miteinander verbunden werden. Damit sind Tendenzen hin zu einer umfassenden MasterErzählung der Ursprünge des Bösen bereits im 2./3. Jahrhundert ersichtlich.
5. Synthese
5. Synthese
5.1. Übersicht
Im Anschluss an die vorangehende Untersuchung wird die Rezeptionsgeschichte von Gen 3 als Synthese vor Augen geführt. Obwohl die chronologische Einordnung vieler Texte schwierig bleibt oder Unklarheiten über deren ursprüngliche Provenienz bestehen, wird hier der Übersicht halber eine (relativ grobe) chronologische Darstellung vorgelegt. Diese Gesamtschau soll aufzeigen, in welchen Zeithorizont gewisse theologische Aspekte einzuordnen sind. Schließlich wird die Entwicklungslinie der Rezeption der Paradieserzählung nachgezeichnet. Dabei werden nur diejenigen Texte nach, bei denen eine mehr oder weniger deutliche Rezeption von Gen 3 vorliegt. Zeit/Text Gen 3 3. Jh. v. Chr. Wächterbuch 2. Jh. v. Chr. Ben Sira Jubiläenbuch Tiersymbolapokalypse Zwei-Geister-Lehre Hodayot 1. Jh. v. Chr. / Zeitenwende Sapientia Salomonis Bilderreden
Theologische Aspekte und Tendenzen der Rezeption
Die Schlange (Geschöpf Gottes) betrügt die Menschen; Verstoß aus dem Garten (Arbeit, Mühen; Ätiologie der conditio humana) Die ‚alten Vorfahren‘ essen vom Baum der Weisheit; Verstoß; es werden keine weiteren Konsequenzen geschildert; Priorität des Wächtermythos Tod durch die Sünde der Frau; Betonung der freien Wahl Nach Gen 3 gestaltet, die Paradieserzählung steht chronologisch vor dem Wächterfall; die grundsätzliche Schlechtigkeit der Menschen wird betont Nur Nennung der ersten Menschen; Priorität des Wächtermythos Herrlichkeit adams (positive Adam-Rezeption) Herrlichkeit adams (positive Adam-Rezeption) Adam wird durch Weisheit gerettet (positive Wertung); Neid des Teufels (der Tod kommt in die Welt) Ein Wächter führt Eva in die Irre; Priorität des Wächtermythos
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
1./2. Jh. n. Chr. Philo
Paulus Josephus
2 Henoch
4 Esra
2 Baruch
Apokalypse des Abraham
Liber Antiquitatum Biblicarum
Apokalypse des Mose VitAd
1 Timotheus Offenbarung des Johannes
Die Schlange wird symbolisch gedeutet (‚Lust‘), die Frau ist leichter verführbar; sexuelles Begehren als zentrales Problem, die Menschen sollen ihre Leidenschaft zügeln (freier Wille) Adam-Christus Typologie (Tod durch Adam, Leben durch Christus etc.); Adam als Negativfolie für das Heilswirken Christi; zugleich: alle haben gesündigt Neid der Schlange (Glück der Menschen durch Gehorsam), Neid als zentraler Beweggrund übler Taten; Ätiologie der conditio humana; Abkehr von Gottes Willen führt ins Verderben, Einhaltung zur εὐδαιμονία; Eigenverantwortung [Herrschaftskonkurrenz zwischen Gott und Teufel, protologischer Satanssturz]; Irreführung der Menschen [Herrschaftskonkurrenz zwischen Mensch und Teufel, Neid]; der Wächtermythos steht sachlich hinter Adam/Satan Adam bzw. Menschen haben freie Wahl, (cor malignum); zugleich herausgestellte Funktion Adams in der Unheilsgeschichte; Gen 3 ist die zentrale Erzählung für Sünde, Tod und eschatologisches Schicksal Adam brachte den Tod für alle, aber jeder ist auch ‚sein eigener Adam‘ (Verantwortung des Einzelnen für sein Schicksal); Adams Sünde als Gefahr für die Wächterengel (sachliche Vorordnung Adams) Allegorische Deutung (Adam: Trieb, Eva: Begierde, Azaz’ēl: Gottlosigkeit); weil Menschen grundsätzlich das Böse wollen, hat Azaz’ēl Macht über sie; Adam und Eva als Paradigmen Wegen Adams Übertretung wird der Tod über alle verhängt; Betonung der Verantwortung Der Satan täuscht Adam und Eva (Feindschaft zwischen Satan und Mensch); Verstoß, Mühsal und andauernde Feindschaft; Verantwortung der Menschen: φυλάσσειν Protologischen Satanssturzes (Neid; Herrschaftskonkurrenz Mensch/Teufel); der Satan täuscht Adam und Eva; Verstoß der Menschen und andauernde Feindschaft mit dem Teufel; der Teufel pflanzt Feindschaft zwischen den Menschen und den Geboten Gottes; Verantwortung des Menschen, den Irreführungen zu widerstehen Eva hat sich verführen lassen, nicht Adam; soziale und ekklesiologische Konsequenzen (aber kein Bezug zu Ursprung von Sünde und/oder Tod) ‚Teufel‘: Drache, alte Schlange, Diabolos, Satan; eschatologischer Satanssturz; keine weitere Ausführung von Gen 3
5. Synthese 2./3. Jh. n. Chr. (Tendenzen) Justin Irenäus
Clemens
Tertullian
Hippolyt Origenes
Cyprian
Lactantius
3 Baruch ApcSedr Pseudoclementinen
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Adam/Christus; Trug der Schlange und Schuld Adams (Wahl); Heidentum und Götzendienst demgegenüber durch das Wirken der Wächter erläutert Neid eines Engels auf die Menschen, macht sie zu Sündern; Wächter paradigmatische Sünder, verbreiten Sünde; Schuld letztlich beim Teufel (Anstifter und Urheber der Sünde) Adam hat Unsterblichkeit gegen den Tod eingetauscht; die Schlange ist verantwortlich für die Eitelkeit der Frauen (wahre vs. falsche Schönheit); Eva wird für die Sünde verantwortlich gemacht; Wächter als Negativbeispiele (Sittlichkeit; Wissen), Gen 3 bedeutungsvoller Neid und Ungeduld des Teufels; der Teufel schürt Ungeduld im Menschen; Betonung des freien Willens der Menschen (und des Teufels); Verantwortung des Menschen; Wächter in Bezug zu Götzendienst und Frauen Der Betrug durch die Schlange als Wirken des Antichrists; der Antichrist als ‚Sohn des Teufels‘ Satanologische Deutung von Gen 3; Adam bzw. jeder Mensch trägt Verantwortung für sein Tun (trotz Verführung); die Verantwortung des Teufels wird betont (er wurde als einziger nicht verführt); die Wächter sind nur am Rande bedeutungsvoll Ungeduld des Teufels (Neid auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen); der Teufel richtet Menschen zugrunde; [evtl.: der Teufel inspiriert Kosmetik]; Wächter sind lediglich Verbreiter der teuflischen Sünde; der Teufel gilt als Urheber von Sünde und Tod Gen 3 als Ätiologie des Todes; die Schlange bzw. der Teufel verdirbt die Menschen mit dem ‚Gift der Bosheit‘ (Neid); der Teufel steht somit am Anfang der menschlichen Unheilsgeschichte Samael/der Teufel pflanzt den Baum (Weinstock) und bringt Adam aus Neid zur Gebotsübertretung Der Teufel verführt Adam aus Neid; gleichwohl Verantwortung des Menschen Rezeption von Gen 3 neben anderen Begründungen für das Böse; keine Nacherzählung
Im Anschluss an die vorangehende Übersicht können folgende Beobachtungen festgehalten werden: 1) Bis zur Zeitenwende wird Gen 3 nur äußerst spärlich rezipiert. Wo ein Bezug deutlich ist, ist die Schilderung mehrheitlich neutral, v.a. aber scheint dem geschilderten Ereignis keine Relevanz für die Nachfolgezeit zugemessen worden zu sein. Eine ‚heilsgeschichtliche‘ Bedeutung wird Gen 3 nicht zugedacht.
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
2) Wo auf die Passage angespielt wird, stehen die Themen Sünde und/oder Tod zunächst nicht zur Debatte. Die Erzählung von der Verstoßung der ersten Menschen aus dem Paradies bleibt ein zumeist nicht weiter kommentiertes urzeitliches Ereignis. 3) Auffallend ist sodann eine vermutlich positive Adam-Rezeption im zweiten vorchristlichen Jahrhundert unter Qumran-Texten. Außerdem kennen auch Texte der weisheitlichen Tradition eine positive Bewertung Adams. Es ist somit durchaus möglich, dass in gewissen Kreisen eine positive Adam-Tradition geläufig war. 4) Eine zunehmend negative Betrachtung der Erzählung von Gen 3 findet sich erst ab der Zeitenwende bzw. im ersten Jahrhundert. Erst im Rahmen dieser vermehrten Bezugnahme kommt die Erzählung dann erstmals als Erklärung für die Ursprünge von Sünde und Tod in Betracht und zwar sowohl in jüdischen als auch ‚christlichen‘ Texten. 5) Äußerst bedeutungsvoll ist sodann, dass es Paulus von Tarsus ist, der die Schuld Adams als Erster in einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang stellt. Erstmals wird die Übertretung Adams in ausführlicher Deutlichkeit mit Sünde und Tod in Verbindung gebracht. Diese heilsgeschichtliche Bedeutung kommt Adam allerdings lediglich im Rahmen der paulinischen Christologie zu.414 6) Texte wie 4 Esra und 2 Bar betonen die Schuld Adams und sehen in ihm den Initiator der Sünde; gleichwohl gehen auch sie, wie Paulus, davon aus, dass jeder Mensch sündigt. Anders als Paulus jedoch können diese Verfasserkreise davon ausgehen, dass es theoretisch Gerechte geben könnte, wenn sich die Menschen an Gottes Gebote hielten. 7) Im späteren ersten und dann vor allem im zweiten Jahrhundert begegnet eine vermehrt satanologische Deutung der Paradieserzählung. Höchstwahrscheinlich ist vor der Zeitenwende nicht mit einer solchen Deutung zu rechnen; das Motiv des Neids der Schlange bzw. des Teufels, welches später von großer Bedeutung ist, lässt sich aber bereits beobachten. Die Täuschung durch den Teufel gilt gleichwohl nie als Entschuldigung für die Sünde; immer wird die Eigenverantwortung betont (‚sich hüten‘, freier Wille etc.). 8) Erst einige spätere Kirchenschriftsteller betrachten in erster Linie den Teufel als Verantwortlichen für Sünde und Tod und stellen dabei sowohl die Sünde Adams als auch die Sünde der Wächter in dessen Handlungsfolge. 9) Vermutlich bereits am Ende des ersten Jahrhunderts verbindet sich die satanologische Deutung von Gen 3 mit der Vorstellung von einem protologischen Satanssturz. Auch diese Vorstellung findet sich dann sowohl in jüdischen als auch frühen christlichen Texten. Mit dem Satanssturz wird 414
Siehe hierzu M. GÖTTE, Adam und Christus – Christus und Adam.
5. Synthese
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die satanologische Deutung gewissermaßen präzisiert, indem der Satan als ‚gefallener Engel‘ interpretiert wird. Als sein Motiv wird wiederum der Neid auf den Menschen angeführt. Allenfalls und v.a. in späterer Zeit wird dann auch eine Herrschaftskonkurrenz zu Gott mitgedacht (‚Hybris‘ und Sturz des Satans). 10) Die Vorstellung der Schuld Evas bzw. der Frau findet sich ansatzweise bereits im zweiten vorchristlichen Jahrhundert (Ben Sira). In bedeutenderer Häufigkeit begegnet aber auch dieser Aspekt erst nach der Zeitenwende im Zuge der vermehrten Rezeption der Paradieserzählung. Vor allem im frühen Christentum kommt dieser Perspektive erhöhte Beachtung und sodann auch ekklesiologische Tragweite zu. Allerdings wird Eva auch bei den Kirchenvätern nicht umfassend für Sünde und Tod verantwortlich gemacht, sondern vor allem unter dem Aspekt (sexueller) Sittlichkeit betrachtet. Das spätere (rabbinische) Judentum kennt dann die Vorstellung, dass der Teufel Eva sexuell verführte und dass aus dieser Verbindung (der boshafte) Kain hervorging. 5.2. Wesentliche Aspekte
Dass die Erzählung der ersten Menschen im Garten Eden, wie sie sich in Gen 3 findet, bereits früh im Bewusstsein war, wie die henochische Tradition oder das Jubiläenbuch zeigen, der Episode für den weiteren Verlauf der Menschheit zunächst aber keine besondere Bedeutung zugemessen wurde, konnte bereits mehrfach festgehalten werden. Die Paradieserzählung steht zunächst meist lose neben der bedeutungsvollen Erzählung vom ‚Fall der Wächter‘. Auf dem Hintergrund des fast vollständigen Fehlens der Adamtradition in den im AT vorfindlichen Schriften und der sachlichen Nachordnung hinter den Wächtermythos in der henochischen Tradition stellt sich sodann die Frage, weshalb es ab der Zeitenwende überhaupt zu einem Interesse an der Adam-Tradition kam, obwohl diese zuvor nicht als Erklärung des Ursprunges von Bösem (oder Sünde und Tod) in den Blick kam. Bemerkenswert ist zugleich, dass die Wächtererzählung in der jüdischen Theologie gegen die Zeitenwende hin merklich an Bedeutung verloren hat. 5.2.1. Das aufkommende Interesse an der Adam-Tradition
Sowohl frühe weisheitliche Traditionen als auch die alttestamentlichprophetische Tradition gingen bereits ‚vor Adam‘ von der menschlichen Verantwortung für Übel aus, beispielsweise im Rahmen eines Tun-ErgehenZusammenhangs. Beide Traditionen kennen aber keinen Mythos von den Ursprüngen des Bösen. Umso interessanter ist somit die Frage nach den Gründen, welche Adams ‚Entwicklung‘ vom ersten Menschen zum paradig-
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
matischen Sünder bis hin zum Schicksalsträger aller zukünftigen Generationen begünstigten. Die Gründe für das aufkommende Interesse an Gen 3 werden kaum monokausal mit historischen Ereignissen zu verbinden sein. Zwar lässt sich argumentieren, dass zumindest Texte wie 4 Esra und 2 Bar die Katastrophe von 70 reflektieren, indem sie die Schuld Adams bzw. des Menschen betonen, doch findet sich bereits im Römer- und im ersten Korintherbrief eine ausführliche Schilderung der Schuldhaftigkeit Adams und des damit in Verbindung stehenden Verhängnisses. Paulus rezipiert Adam dann auch nicht aufgrund historisch-politischer Ereignisse, sondern im Rahmen seiner Christologie. Die Antwort wird eher im Rahmen einer sich verschiebenden anthropologischen Vorstellung zu suchen sein. Insofern ist die Verschiebung in der Bewertung der Figur Adams an dieser Stelle noch einmal zu erläutern. Auf eine eindeutige Begründung muss verzichtet werden, allerdings kann deutlich gemacht werden, warum sich die Adam-Erzählung eignete, um die Zusammenhänge von Sünde, Tod und dem Bösen zu erläutern. In frühen Rezeptionsstufen von Gen 3 lässt sich keine Vorstellung anthropologischer (oder anderweitiger) Konsequenzen auf Adams Vergehen hin beobachten. In weisheitlich geprägten Texten, welche die Verantwortung des Menschen betonen, kommt Adam z.T. als paradigmatisches Negativbeispiel zur Sprache. Dabei wird jedoch noch keine schicksalhafte Verbindung zwischen Adam und den Adressaten konstatiert (keine Vorstellung von ‚Erbsünde‘). Die Kontinuität zu Adam besteht vielmehr in der Analogie der Handlung (Imitation). Somit kommt Adam in diesen anfänglichen Ausführungen noch keine heilsgeschichtliche Bedeutung zu, eine solche begegnet dann zum ersten Mal bei Paulus: Paulus nimmt dabei vermutlich keine bereits vorliegende AdamTradition auf, sondern schafft eine Adam-Christus-Typologie: ‚In‘ Adam bzw. Christus werden Unheil und Heil aller Menschen begründet. Die einmalige Bedeutung Adams bei Paulus kann nur im Rahmen seiner Christologie verstanden werden. Diese Gegenüberstellung ist es sodann, die Adam für die weitere christliche Theologie bedeutsam macht. Adam wird zur programmatischen Figur innerhalb der paulinischen Christologie und in diesem Horizont dann auch für dessen Anthropologie. Gerade in Röm 5 ist ersichtlich, warum sich ‚Adam‘ [für Paulus] besonders gut als Paradigma für die Verantwortung aller Menschen zu eignen scheint. Zunächst ist vermutlich der Name bzw. die Bezeichnung ausschlaggebend: Sowohl אָ דָ םals auch die Transkription Ἀδάμ schillern zwischen Person und Gattungsbegriff; mit letzterem kann gleichsam die ganze Menschheit in den Blick genommen werden. ‚Adam‘ ist ‚der Mensch‘ bzw. ‚jeder Mensch ist Adam‘. Einen solchen Zusammenhang erklärt dann auch Origenes seinen griechischsprachigen Lesern (Cels. IV.40, s. o.). Da dieses Ereignis in einer mythischen Vorzeit bzw. Urzeit angesetzt ist, eignet sich die
5. Synthese
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Erzählung vom ‚Fall‘ des Menschen besonders gut, um zu illustrieren, dass ‚der Mensch‘ sich ‚von Anfang an‘ nicht an die Gebote Gottes hielt. Für einen Verfasser wie Paulus ist dies theologisch im Hinblick auf die Rechtfertigung durch Christus besonders bedeutsam. Das Interesse an Adam, welches sich in Texten wie 4 Esra und 2 Bar zeigt, steht demgegenüber einseitiger mit der Verantwortung aller Menschen (als solche, die Adam imitieren) in Zusammenhang. Unklar ist das Interesse von Texten wie der Apokalypse Mosis oder den Adamviten. Während Adam aufgrund der Adam-Christus-Typologie des Paulus zum heilsgeschichtlich relevanten Sündenparadigma des Christentums geworden ist, bleibt die Bedeutung im Judentum im Großen und Ganzen eher marginal. Aussagen, wie wir sie in 4 Esra und 2 Bar finden bleiben weitgehend singulär. Es kann hierzu festgehalten werden, dass die nachalttestamentliche Rezeption von Schöpfung und Paradies „[…] vorwiegend ins christliche Denken einfließen, während für das normative Judentum die talmudisch-midraschischen Meinungen zur denkerischen Richtschnur werden.“415 Zwar wird an der Sünde der ersten Menschen festgehalten, doch wird das Böse in erster Linie auf der dem Menschen seit der Schöpfung inhärenten bösen Trieb zurückgeführt.416 5.2.2. Ekklesiologische Implikationen als Kollateralschaden der Rezeption von Gen 3
Die Eva-Rezeption findet sich zumeist erst im Zuge der vermehrten Aufnahme des Gen 3-Stoffes. Anders als Adam kommt Eva dabei aber kaum heilsgeschichtliche Bedeutung zu, sondern sie dient vielmehr der Ausführung ethischer (v.a. die Sexualität betreffende) Paränesen. Schließlich ist es, obwohl die Thematik auch im frühen Judentum begegnet, vor allem das frühe Christentum, das Eva als Paradigma für die Schuldhaftigkeit aller Frauen heranzieht, diese ausführlich betont und sodann auch ekklesiologische Schlussfolgerungen daraus zieht. Dafür wird zumeist mit der (zeitlichen) Irreführung der Frau vor dem Mann argumentiert; dabei spielt teilweise auch die Auffassung der leichteren Verführbarkeit der Frau eine bedeutende Rolle (e.g. Philo oder 1 Tim 2,14).417 Die Kirchenschriftsteller werden dann eine zunehmend frauenfeindliche Haltung zeigen. Beispielsweise führt Clemens die Verschönerungspraktiken von Frauen und infolgedessen ihr Sexualverhalten auf den G. OBERHÄNSLI-WIDMER, Bilder vom Bösen im Judentum, 24. Siehe weiter G. OBERHÄNSLI-WIDMER, Op. cit., 25–30. 417 Die dem biblischen Duktus entsprechende Reihenfolge der Irreführung wird in den Apokalypsen des ersten Jahrhunderts aufgenommen und ausgeführt. So sind in ApcMos, VitAd und 2 Hen die Begegnungen der Schlange/des Teufels mit der Frau breit ausgestaltet, während von der Irreführung Adams lediglich am Rande berichtet wird. 415 416
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3. Kapitel: Adam und weiterführende Traditionen
Teufel (‚die alte Schlange‘, ‚die kupplerische Schlange‘) zurück. So wird die offenbar als problematisch erachtete (weibliche) Sexualität je länger je mehr auf das Wirken des Teufels zurückgeführt. Infolgedessen zeichnet sich eine Konnotierung von weiblicher Sexualität mit teuflischem Wirken ab. Diese Interpretation hat, teilweise bis heute, ekklesiologische Konsequenzen.418 5.2.3. Entlastung des Menschen durch die satanologische Deutung von Gen 3
Mit der vermehrten Aufnahme der Paradieserzählung erfolgt im ersten Jahrhundert auch eine zunehmende satanologische Deutung der Ereignisse, wobei das bereits bekannte, wenn auch keineswegs einheitliche, Paradigma einer Teufelsgestalt auf Gen 3 appliziert wird. Satanologische Deutungen verschiedener biblischer Erzählungen sind bereits aus biblischer Tradition hinlänglich bekannt (e.g. 2 Sam 24,1/1 Chr 21,1) und begegnet auch in frühjüdischen Texten (e.g. Ex 4,24/Jub 48,2 oder Gen 22/Jub 17,15–18).419 Dabei wird das eigentlich Gott zugeordnete (problematische) Handeln in einer zweiten Deutung dem Teufel zugeschrieben, was der ‚Entlastung‘ Gottes dient bzw. diesen der Verantwortung für das ‚Böse‘ oder Unerklärliche gleichsam befreit.420
Betrachtet man die satanologische Deutung von Gen 3 nun auf dem Hintergrund der vorangehenden weisheitlichen Betonung der Verantwortung des Menschen, kann hier nun geradezu von einer ‚Entlastung‘ des Menschen gesprochen werden und zwar insofern, als diesem nicht die alleinige Verantwortung für das Böse zugedacht wird. So zeigt sich hier eine andere anthropologische Vorstellung: Die Funktion Satans liegt in der Erläuterung von Phänomenen wie Sünde und Tod, welche ehemals in der alleinigen Verantwortung des Menschen gesucht wurden. Im Hintergrund dieser Entwicklung sieht Jan Dochhorn im Anschluss an Klaus Koch einen Wandel in der Anthropologie der Religion Israels: „An die Stelle der prophetischen Monanthropologie (Ursache für alles moralisch relevante Handeln ist der Mensch bzw. seine absolut urteilsfähige Vernunft [ )]לבsei ein durch Angelologie und Dämonologie geprägtes Weltbild getreten.“421 418 Cf. dazu die Ausführungen bei J. ROLOFF, Timotheus, 143. Grundlegend lässt sich anhand dieser Ausführungen erkennen, welche Problematik entsteht, wenn Begriffe wie Sünde oder Begehren zu schnell sexuell gedeutet werden; die Dimension der Sünde beispielsweise wird massiv verkürzt 419 Siehe dazu weiter J. DOCHHORN, Der Sturz des Teufels in der Urzeit, 7: „Ein Blick auf die Satanologie der Testamente der zwölf Patriarchen, des Testaments Hiobs, der Narratio Joseph oder etwa auch der Nathanvita der Vitae Prophetarum könnte ähnliche Beobachtungen ermöglichen: Generell lässt sich in diesen Schriften eine Tendenz zu einer satanologischen Interpretation widerständiger Lebenserfahrung und – verbunden damit – eine Hermeneutik dingfest machen, die biblische Erzählungen satanologisch interpretiert.“ 420 Cf. ID., Die Apokalypse des Mose, 290. 421 J. DOCHHORN, Op. cit., 290 Anm. 2; siehe K. KOCH, ‚Adam, was hast Du getan?‘, 194–198.
5. Synthese
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Klaus Koch beobachtet eine Verschiebung bereits zwischen den Propheten und dem Henochbuch bzw. der mit ihm beginnenden Apokalyptik: „Henoch nimmt Abschied von dem, was ich bei den Propheten Monanthropologie zu nennen vorschlage. Unter Monanthropologie begreife ich die Überzeugung, daß die Menschen durch ihr positiv und negativ qualifiziertes sittliches Tun letzte Ursache für alles sind, was Wesentliches auf Erden geschieht, ausgenommen allein das, was Gott unmittelbar gewirkt hat.“422
Eine solche dämonologische bzw. satanologische Hermeneutik entlastet den Menschen zumindest teilweise von seiner Verantwortung. Was als bedrohend und von Gott entfremdend beurteilt und erlebt wird, wird als Versuchung bzw. Irreführung und Täuschung einer übermenschlichen Macht interpretiert.423 Damit werden Erfahrungen wie Täuschung, Handlungsunfreiheit und Kontrollverlust zur Sprache gebracht und gedeutet. An den Auswirkungen des Vergehens wird dadurch freilich nichts geändert,424 gleichwohl kann hier von einer anders akzentuierten Anthropologie gesprochen werden, welche den Implikationen des Wächtermythos wiederum näher kommt. Zum einen wehrt diese Deutung der Gefahr, den Menschen mit Verantwortung zu überlasten. Zum anderen birgt eine satanologische Deutung von Bösem aber die Gefahr, einen eigenständigen ‚Gegner Gottes‘ zu ‚produzieren‘, dessen Wirken nicht mehr im Wirken Gottes kontextualisiert wird.
K. KOCH, Op. cit., 195. Siehe dazu J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose, 291–292 und dort die Hinweise auf folgende Stellen ApcMos 16,5; 21,3,sodann 3. Bar 9,7; Lk 22,3; Joh 13,27; Apg 5,3. 424 Die Umstände der Sünde spielen in ihrer Bewertung jeweils keine Rolle, das zeigen auch andere Beispiele wie von Judas (Lk 22,22) oder Hananias und Saphira (Apg 5,1–11). 422 423
Kapitel 4
Zusammenfassung und Perspektiven 1. Unde malum? Ein historischer Abriss
2. Unde malum? Ein historischer Abriss Die Themenfelder des Bösen lassen sich unter verschiedenen Leitkategorien betrachten, zwischen monistischen oder dualistischen Modellen, anthropologischen oder angelologischen, dämonologischen oder satanologischen Deutungen sowie zwischen Verhängnis und Verantwortung. a) Festzuhalten ist zunächst, dass die Hebräische Bibel hinsichtlich der Erklärung des Bösen ganz zurückhaltend ist und insbesondere noch keine dualistischen Erklärungsmodelle entwickelt. Die Urgeschichte der Genesis bietet letztlich keine Erklärung, sondern nur ein Befund der Phänomene der Verführung und des sich auf Erden ausbreitenden Bösen: In der Paradiesgeschichte (Gen 2–3) ist die Schlange als Geschöpf einfach da (Gen 3,1), und eine weitere Erklärung der Herkunft dieses den Menschen verführenden Wesens unterbleibt.1 Auch die knappe Episode von den ‚Göttersöhnen‘ und ‚Menschentöchtern‘ (Gen 6,1–4) bietet selbst noch keinen Mythos vom Ursprung des Bösen, wie er dann in der vielgestaltigen Interpretationsgeschichte dieser Passage entwickelt wird. Die – in altorientalischer Mythologie verwurzelte – Notiz vom Sturz des ‚Morgensterns‘ (Jes 14,12f) bietet ebenfalls noch keinen Hinweis auf die Thematik, für die sie später in Anspruch genommen werden wird: Den Sturz Satans und seiner Engel (2 Hen 29,4–5; VitAd 15). Schließlich ist auch in der Rahmenerzählung des Hiobbuches der ‚Satan‘ noch eine Gestalt innerhalb des himmlischen Thronrats und noch nicht die Verkörperung des Bösen, und „[…] weder in den Dialogen […] noch in der Rahmenhandlung von Prolog und Epilog wird die Verantwortung Gottes für das, was Hiob zustößt, ausdrücklich verneint.“2 Erst ‚am Rande‘ der hebräischen Bibel, in der Spätzeit, finden sich derartige Entwicklungen, wie etwa in Sach 3, wo der Satan als Ankläger dem Hohepriester Josua gegenüber steht oder dann in 1 Chr 21,1, wo der Satan als eigenständige Gestalt auftritt, die ihrerseits Gott von seiner Verantwortung für das Böse (hier: der Idee der VolkszähSo etwa C. WESTERMANN, Genesis, 325: „Es bleibt bei der schroffen Aporie, daß Gott das Wesen geschaffen hat, das den Menschen zum Ungehorsam verführt; das Böse bleibt in seiner Herkunft absolut rätselhaft.“ 2 P. D. MILLER, Art. Böse, das, 1705. 1
2. Unde malum? Ein historischer Abriss
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lung) ‚entlastet‘.3 Aber die Herkunft Satans wird auch hier (noch) nicht thematisiert. Mit Ausnahme einiger weniger, eher marginaler Andeutungen, bietet die Hebräische Bibel also im Ganzen keinen Raum für dualistische Erklärungen des Bösen. Ein radikal undualistischer Spitzensatz findet sich in Jes 45,7, wonach JHWH selbst Schöpfer von Gutem wie Bösem ist und Heil und letztlich Unheil der Menschen bestimmt. b) In der frühjüdischen Literatur ändert sich das Bild signifikant. Hier zeigt sich – erkennbar beispielsweise im Qumran-Schrifttum – eine Tendenz zu dualistischen Denkformen, z.T. verbunden mit einem breit ausgebauten Engel- und Dämonenglauben. Dabei werden in der Rezeption biblischer Vorgaben (oder auch in der Aufnahme eigenständiger mythologischer Überlieferungen)4 nun unterschiedliche ‚Erklärungen‘ für den Zustand der Welt vorgeführt; manche Erklärungsmodelle stehen später oft nebeneinander. Im Übrigen ist erkennbar, dass zunächst unterschiedliche Figuren miteinander identifiziert werden (e.g. Satan und Belial) oder Traditionen kombiniert werden, so etwa die Tradition vom Engelfall und von einem ‚Obersten‘ der Dämonen im Jubiläenbuch, von Satansfall, Engelfall und Adamsfall im 2. Henochbuch (2 Hen 18,3) oder auch die Rede vom Satan und von der Schlange der Paradiesgeschichte (vgl. Offb 12,7f). Es ist insbesondere die Tradition und Denkform der Apokalyptik,5 die an der Frage nach dem Bösen, seiner Überwindung (in Gericht und Erlösung) wie auch seiner Genese und Erklärung Interesse zeigt.6 Apokalyptik ist dabei im Gegensatz zu einer früheren, eher negativen Bewertung in der Forschung weit mehr als bloße Spekulation über Zeit und Ende, sie ist v.a. in Anbetracht ihrer ältesten Belege als ein komplexes Symbolsystem zu verstehen, das ‚Orientierungswissen‘ bieten will, insofern die ‚im Ausnahmezustand‘7 wahrgenommene Welt im Kontext des bestehenden Gottesglaubens erklärt werden soll. Temporale Kategorien (wie Geschichtsüberblicke oder End- und Gerichtserwartung) stehen dabei von Anfang an neben spatialen (e.g. im MediJ. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, 205. Insbesondere für die vielfältigen Überlieferungen von den Wächtern in der Henochtradition ist nicht einfach mit einer bloß interpretierenden Aufnahme von Gen 6,1–4 zu rechnen, sondern mit der Rezeption eigenständiger, evtl. sogar älterer Mythologumena. 5 Zur Unterscheidung der Rede von Apokalypse (als Gattung), Apokalyptik (als Bewegung) und ‚apokalyptischen Motiven‘ s. J. FREY, Die Bedeutung der Qumrantexte, 11–62 (insb. 21f) und 15–21 allgemeiner zur neueren Apokalyptikforschung. 6 Zum Symbolsystem der frühen Apokalyptik s. Worldview and Religious Thought bei G. W. NICKELSBURG, 1 Enoch 1 (Commentary), 37–56. Hier zeigt sich eine deutliche Neuorientierung im Verständnis der frühjüdischen Apokalyptik, das von älterem ‚Handbuchwissen‘ signifikant abweicht. 7 So der instruktive Begriff im Titel der Arbeit von Veronika Bachmann zur Interpretation des Wächterbuchs. V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand. 3 4
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Kapitel 4: Zusammenfassung und Perspektiven
um von visionären Himmels- und Unterweltreisen). Diese Darstellungsformen sind in ihrer narrativen und ‚mythologischen‘ Struktur und insbesondere ihrer Bildhaftigkeit zu würdigen. Sachlich geht es jedoch „[…] in den ältesten apokalyptischen Texten um das Problem, warum die Welt so ist, wie sie ist, d.h. um die Frage nach dem Ursprung des Bösen und seiner Überwindung, nach der Gerechtigkeit Gottes und der Gültigkeit seiner Ordnungen – und darin nicht zuletzt um das Problem der Theodizee. Zu diesem Zweck werden im Rahmen des ‚symbolischen Universums‘ dieser Texte mythologische Traditionen über einen urzeitlichen Fall der Engel vorgetragen, daneben astronomische, kosmographische und meteorologische Erklärungen.“8 Die breite Rezeption dieser apokalyptischen Traditionen (insbesondere der Henochtradition) und ihre vielfältig-kreative Weiterbildung lassen vermuten, dass diese Formen der Wirklichkeitsdeutung in weiten Kreisen als orientierungsstiftend und tragfähig erfahren wurden. Historisch am Anfang – wie auch am Anfang der Herausbildung der frühjüdischen Apokalyptik – steht die frühe Henoch-Apokalyptik, die durch die Funde aramäischer Fragmente des ersten Henochbuches in den Höhlen von Qumran nunmehr als älteste Gestalt der frühjüdischen Apokalyptik zu gelten hat und spätestens im 3. Jh. v. Chr. anzusetzen ist. Im (nach dem astronomischen Buch) zweitältesten Teil des ersten Henochbuchs, dem Wächterbuch, findet sich an zentraler Stelle der Mythos von einem vorzeitlichen ‚Engelfall‘ in seiner frühesten erhaltenen Form. Der Mythos vom Fall der Wächter wird später in weiteren Texten der Henochüberlieferung und zahlreichen anderen Texten der frühjüdischen Literatur rezipiert und z.T. modifiziert. Auch in einer Reihe von Texten aus Qumran ist der Topos präsent. Im Motiv des Engelfalls findet sich zum einen eine Ätiologie der Wirksamkeit böser (verführender, Krankheit bringender…) Geister bzw. Dämonen; zum andern wird das Böse in der Welt grundsätzlich erläutert. Das ‚Böse‘ wird interessanterweise kulturgeschichtlich gedeutet, indem das von den Engeln vermittelte ‚Böse‘ bestimmte Kulturpraktiken (Schmuck und Kosmetik, Waffen, magische und mantische Praktiken) umfasst.9 Wesentlich ist dabei, dass die Menschheit, zumindest in der ersten Ausführung des Mythos, zunächst als Opfer einer über sie hereinbrechenden Gewalt verstanden wird. Dieselbe Thematik findet sich dann auch im Jubiläenbuch; dort wird allerdings erklärt, dass die ‚Göttersöhne‘ nicht aus eigenem Ungehorsam, sondern im Auftrag Gottes herabgekommen seien, um die Menschen zu belehren (Jub 4,15). Damit wird erneut die Frage aufgeworfen, wo die Verantwortung für das Böse in der Welt zu suchen ist: Entweder bei Gott, der seine Engel
8 9
J. FREY, Die Bedeutung der Qumrantexte, 57. S. dazu die Monographie V. BACHMANN, Die Welt im Ausnahmezustand, 66– 75.
2. Unde malum? Ein historischer Abriss
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entsandte, oder dann doch beim Menschen und dessen Übertretung der jeweiligen Gebote.10 Ein zweites Element ist in der Rezeptionsform des Mythos im Jubiläenbuch von Bedeutung: Hier treten die bösen Geister, die aus den getöteten, von den ‚Göttersöhnen‘ und ‚Menschentöchtern‘ abstammenden Giganten hervorgingen, unter der Führung des Fürsten ‚Mastema‘ auf, (Jub 10,8). So findet sich – bereits im Anklang des Namens – eine Verschmelzung der Motive von Engelfall und Dämonen mit dem Motiv eines obersten Anführers, zu dem der ‚Satan‘ oder auch ‚Belial‘ im Laufe der frühjüdischen Überlieferungsgeschichte wird. Eine prädestinatianische Erklärung des Bösen ist dann besonders deutlich ausgeprägt in der weisheitlichen Zweigeisterlehre 1QS III 13–IV 26, welche das klarste Beispiel einer dualistischen Erklärung der Welt bzw. des Bösen in ihr bietet, wobei der hier vorliegende, weisheitlich geprägte Dualismus – wie im Rahmen des Judentums nicht anders denkbar – nicht absolut, sondern schöpfungstheologisch relativiert zu denken:11 Gott hat am Anfang zwei Geister geschaffen, zwei oberste Engelwesen, denen bis zu einer festgesetzten Frist die Herrschaft über Menschen bzw. jeweils über einen bestimmten Teil der Menschheit gegeben ist. Interessanterweise begegnet die Zurückführung des Bösen auf den Fall Adams in der frühjüdischen Literatur erst sehr viel später als etwa die Zurückführung auf einen urzeitlichen Wächterfall. Der ‚Sündenfall‘ und sein Verständnis als ‚Verhängnis‘ über der ganzen Menschheit und ihrer Geschichte ist eindeutig erst im 4. Esrabuch belegt, einer Schrift vom Ende des 1. Jh. n. Chr. (cf. 4 Esra 7,118).12 Gleichwohl hat auch noch der Autor dieses Buches (wie die meisten frühjüdischen Autoren vor ihm) kein eigenständiges Interesse an der Art und Weise der Übertretung Adams.13 Dass die Rückführung der Sünde der Menschheit und des Todesgeschicks auf Adam allerdings schon älter (evtl. ‚vorchristlich‘) ist, wird durch die neutestamentliche Rezeption bei Paulus deutlich, der Röm 5,12 formuliert, dass „durch einen Menschen die Sünde in die Welt kam und durch die Sünde der Tod.“ Das im Vergleich mit 4 Esra noch etwas spätere 2. Baruchbuch geht sodann noch weiter, wenn es feststellt, dass Adam mit seiner Übertretung nicht nur den physischen Tod über sich und seine Nachkommenschaft brachte, sondern eine Sphäre des Ungehorsams eröffnet und somit das gegenwärtige böse Zeitalter C. LOSEKAM, Die Sünde der Engel, 92. Hier liegt der signifikante Unterschied zur iranischen Lehre vom Gegensatz von Ahriman und Ahura Mazda. Zur Frage möglicher Einflüsse s. J. FREY, Different Patterns of Dualistic Thought, 332. 12 Cf. die Parallele 2 Bar 48,42: auch 4 Esra 3,7.21f; 2 Bar 13,4; 17,3; 48,32; 51,15.19. Siehe auch die (weisheitlichen) Vorstufen der Bezugnahme auf Adam in Sir 14,17; 25,24 und Sap 2,23f. 13 Siehe dazu J. R. LEVISON, Portraits of Adam in Early Judaism, 155–156. 10 11
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eingeleitet hat (cf. 2 Bar 17,1–18,2; 48,42f.; 54,15). Dabei kommt zugleich ein Ineinandergreifen von Verhängnis und Verantwortung zur Sprache. Die am stärksten ausgebaute Version der Adamserzählung begegnet in dem textlich äußerst komplizierten Überlieferungsbestand der Vitae Adae et Evae bzw. der Apokalypse des Mose. Hier verbindet sich die Erzählung von Adams ‚Fall‘ bzw. der Verführung Evas durch die Schlange mit der Mythologie von Satan (ApcMos 15–30) bzw. – in der jüngeren Version der Vitae Adae et Evae – von seinem Fall (VitAd 12–17), außerdem wird die Rolle Evas verstärkt negativ gezeichnet (VitAd 9–11). Außerdem wird das „Schema von Hybris und Sturz des Satans in die Urgeschichte eingetragen, um die Erfahrung des Bösen in der Welt zu begründen“.14 Damit rückt ein weiteres hier zu berücksichtigendes Motiv ins Blickfeld: Die Mythologie vom Sturz Satans – quasi ein ‚Spezialfall‘ der EngelfallMythologie, die an die Tradition von Jes 14 anknüpft, aber dann in Verbindung mit der Gestalt des ‚Satan‘ in eigenständiger Weise entwickelt wird. So berichtet das Slawische Henochbuch im Zusammenhang der Erschaffung der Engel am zweiten Schöpfungstag von der Hybris und dem Sturz Satans (2 Hen 29,4). Der von Hybris geleitete Erzengel wird hier von Gott selbst in die Tiefe gestürzt, wendet sich als Folge seines Sturzes gegen Adam und wird zum Verführer der Menschheit (2 Hen 31,3–6). In der Linie dieser Mythenkombination steht dann auch die Erzählung vom Satanssturz in der Überlieferung der VitAd. Der Gedanke des Falls Adams bzw. der Verführung der Eva durch ‚die Schlange‘ wird nun (aufgrund der Identifikation der Schlange mit dem Satan) hergeleitet aus einem vorgängigen Sturz des Erzengels, der in seiner Hybris ‚Gott gleich sein‘ wollte. c) In neutestamentlichen und frühchristlichen Texten werden in vielfältiger Weise zeitgenössisch-jüdische Mythologumena zur Erklärung des Bösen vorausgesetzt, ohne dass diese eigenständig thematisiert würden.15 Im Übrigen ist die Benennung der Gestalten ‚eschatologischer Gegenspieler‘ auch im Urchristentum noch variabel und lädt zu Kumulationen ein, so am deutlichsten in Offb 12,9 („…der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt“). Im Hintergrund der in den synoptischen Evangelien berichteten Exorzismen Jesu steht natürlich der im palästinischen Judentum verbreitete Dämonenglaube, wobei Dämonen als Verursacher von Krankheiten gelten und von ‚Beelzebul‘ als Obersten der Dämonen die Rede ist. Jesu Exorzismen werden als Zeichen der Ankunft der Gottesherrschaft verstanden (Mt 12,28 par Lk 11,20), insofern steht die ‚Beschäftigung‘ mit den Dämonen im Horizont J. H. KALMS, Der Sturz des Gottesfeindes, 154. S. den knappen Überblick bei J. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, 211ff. 14 15
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der anbrechenden Heilszeit. Eine Reflexion über ihren Ursprung erfolgt in diesem Zusammenhang nicht. Der Mythos vom Fall der Wächterengel wird nur in anderen Kontexten in einigen neutestamentlichen Briefen aufgenommen: Zunächst in der Tradition von der Predigt Christi in der Unterwelt 1 Petr 3,19–20, dann in Jud 6 als Exempel für das den Frevlern bevorstehende, ja über ihnen ‚festgeschriebene‘ Gericht (mit wörtlichen Anspielungen an den Topos der Fesselung der Wächterengel in der Unterwelt auf den Tag des großen Gerichts hin (1 Hen 10,4–6; 14,5 etc.),16 sowie in der verkürzten Wiederaufnahme der Stelle aus dem Judasbrief in 2 Petr 2,4. Die Passagen legen allerdings kein Eigengewicht auf die Frage nach dem Ursprung des Bösen, doch dokumentieren sie die Verbreitung der Henochtradition, auch derjenigen über den Wächterfall, zumindest in Teilen des frühen Christentums. In den synoptischen Evangelien verbindet sich die Rede von den Dämonen und ihrem Obersten mit der Rede vom ‚Satan‘. Auch die frühchristliche Konzeption des Satan bzw. Diabolos, erklärt sich zumeist auf dem Hintergrund der frühjüdischen Satanologie. Sodann findet sich diese Figur auch in den neutestamentlichen Schriften in verschiedenen Funktionen (beispielsweise als Widersacher oder Versucher), freilich noch nicht im Rahmen einer elaborierten Satanologie. Am wirkungsvollsten für die frühchristliche Theologie ist freilich die Rezeption der Adam-Motivik, die bei Paulus in einer typologischen Gegenüberstellung von Adam und Christus (Röm 5,12ff; 1 Kor 15,21f.) gleichfalls im Horizont der Erlösung angenommen wird. Mit der Adam-Christos-Typologie des Paulus wird die Herkunft des Bösen nun deutlich anthropologisch verordnet. In den Pastoralbriefen wird die Motivik dann modifiziert weitergeführt: In 1 Tim 2,14 wird – in Entsprechung zu jüdischen Auslegungstraditionen17 – die Überlieferung vom ‚Fall‘ Adams in einer Weise rezipiert, die dem zeitgenössischen ‚amtstheologischen‘ Interesse entspricht und die Schuld der Frau mit Nachdruck betont, Adam hingegen entlastet. Die insgesamt noch sehr zurückhaltende Rezeption der jüdischen Mythologumena vom Ursprung des Bösen im Neuen Testament erfährt eine deutliche Verstärkung in der Literatur der frühen Kirchenschriftsteller und der frühchristlichen Apokryphen (einschließlich der frühchristlichen Rezeption frühjüdischer Pseudepigraphen). Dabei lässt sich beobachten, dass vermehrt der ‚Teufel‘ als Initiator des Übels auf der Welt und der menschlichen Sünde in den Blick kommt, womit die Verantwortung des Menschen gleichsam entschärft, wenn auch nicht aufgehoben wird. Obwohl der Teufel zumeist als S. dazu J. FREY, Der Judasbrief zwischen Judentum und Hellenismus, 194–198; zu 2 Petr 2,4 s. ID., Disparagement as Argument: The Polemical Use of Moral Language in Second Peter. 17 S. dazu M. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 17–53; cf. ApcMos 19. 16
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‚gefallener Engel‘ eingeführt wird, scheint dieser konzeptionell immer weiter von Gott abzurücken und gleichsam ein ‚Eigenleben‘ zu entwickeln. d) Die rabbinisch-jüdische Tradition schließlich legt die Verantwortung für Sünde und Tod demgegenüber ganz in die Hand des Menschen und zwar in der Lehre vom ‚Bösen Trieb‘. Konsequenterweise wird dieser Trieb in der Schöpfung Gottes verankert: Gott gilt zwar als Schöpfer des Menschen und seiner Triebe; weil dem Menschen aber die Wahl zwischen beiden Trieben gelassen wird, wird Gott für das menschliche Versagen nicht verantwortlich gemacht.
2. Von den Wächtern zu Adam
3. Hermeneutische Auswertung Mit der vorangehenden Untersuchung wurden die mythologischen Konzepte von den Ursprüngen des Bösen und deren Rezeptionsgeschichte aufgefächert und in ihrer Breite betrachtet. Der Fokus lag auf den Paradigmen von Wächter- und Sündenfall, da diese beiden Mythen (anders als beispielsweise die Zwei-Geister-Lehre) eine ausgeprägte Wirkungsgeschichte aufweisen und für verschiedenste Verfasserkreise von Interesse waren. Die Analyse der beiden Paradigmen hat zeitliche und inhaltliche Verschiebungen ersichtlich gemacht: Der Wächtermythos begegnet ungefähr ab dem 3. vorchristlichen Jahrhundert bis zur Zeitenwende als Erläuterung für die Ursachen von Bösem. Ab der Zeitenwende wird mit der Adam-Tradition ein anthropologischer Mythos aufgegriffen, welcher die Ursache von Bösem mit zunehmender Deutlichkeit in der menschlichen Sünde lokalisiert. Aus diesen Verschiebungen ergeben sich verschiedene Implikationen, welche sich mittels verschiedener formaler und inhaltlicher Kategorien beschreiben lassen: Zunächst wird sowohl in der Erzählung über die Wächter als auch in der Paradiesgeschichte ein ‚Zwischenfall‘ in der Urzeit geschildert; allerdings gehören die Verursacher im einen Fall zur himmlischen Welt, im anderen in die Sphäre des Menschen bzw. der Schöpfung. Die spätere satanologische Deutung von Gen 3 geht dann wiederum von einem Verursacher aus der ‚göttlichen Sphäre‘ aus.
Beiden Modellen ist gemeinsam, dass hier ein ‚unplanmäßiger‘ Zwischenfall vorliegt. Die Zwei-Geister-Lehre und andere weisheitlich-dualistische Texte verankern die ‚Entstehung des Bösen‘ demgegenüber in der ewigen Schöpfungsordnung Gottes bzw. seinem ‚Plan‘ ()מחשבה, womit völlig andere theologische Implikationen verbunden sind: Gehört das Böse in den (Schöpfungs-)Plan Gottes, wird es gleichsam auf Gottes ‚Willen‘ zurückgeführt. Gott ist hier nicht unbeteiligt oder ‚unschuldig‘, sondern die Möglichkeit von Bösem wird direkt und unmittelbar im göttlichen Wirken verankert. In Ages of Creation wird vermutlich auch die Erzählung vom Fall der Wächter in den göttlichen Plan eingeordnet.
3. Hermeneutische Auswertung
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Das Hereinbrechen der Wächter führt durch die Entstehung von Giganten zunächst zu Gewaltausbrüchen und – durch die Lehren der Wächter – zu (moralischem) Niedergang durch Krieg, Unzucht etc. Somit wird grundsätzlich erläutert, warum Menschen überhaupt Kulturtechniken wie Kriegskunst oder Kosmetik beherrschen, also Fähigkeiten besitzen, die zu Unheil führen bzw. die in den Augen der Trägerkreise als Unheil gelten. Vermutlich wird hier auf hellenistische Kulturtechniken angespielt, welche für schädlich erachtet und ‚dämonisiert‘ werden. In der Rezeption der Wächtererzählung werden dann vor allem ‚gegenwärtige‘ Störungen (wie die Sünde Gerechter, Götzendienst, Verfolgung oder das Heidentum) auf dämonisches Wirken und somit auf den Wächterfall zurückgeführt. Andererseits wird dabei auch die menschliche Hilflosigkeit gegenüber dämonischen Mächten ausgedrückt. Die Paradieserzählung ist demgegenüber zunächst eine Ätiologie für die menschlichen Lebensumstände. Sodann wird mit dem Ereignis allerdings je länger je mehr die Ursache von Tod (physisch und psychisch/eschatologisch) und Sünde verbunden, wobei die Sünde schließlich als Ursache des Todes betrachtet wird. Aus diesen grundlegend verschiedenen Konzeptionen (angelologisch bzw. dämonologisch und anthropologisch) lassen sich unterschiedliche anthropologische Implikationen ableiten, wobei ersichtlich wird, in welchem Maße sich die ‚Anthropologie Israels‘ verändert hat. Im Wächtermythos werden die Menschen zunächst als Opfer über sie hereinbrechender Gewalt(en) dargestellt, die erst in einem weiteren Schritt als Täter gelten, indem sie die Lehren der Wächter weiterführen. Die ‚Entscheidung‘ zum Bösen liegt dann aber nicht primär in der menschlichen Verantwortung. Auch für das Hereinbrechen der Wächter werden die Menschen nicht verantwortlich gemacht (erst in späteren Auslegungen kommen dafür z.T. die Frauen in den Blick). Vor allem die spätere Adam-Rezeption benennt demgegenüber den Menschen als Grund seines eigenen mühseligen (später: sündigen) Zustandes. Erst durch die satanologische Deutung der Erzählung wird die menschliche Verantwortung zu einem gewissen Grad entschärft, indem mit dem Teufel eine ihn verführende und täuschende Instanz eingeführt wird (dem im Gegensatz zur Schlange zumeist ein klares Motiv zugedacht wird). Vorsichtig formuliert findet sich also eine Verschiebung von einem ‚menschlichen Verhängnis ‘ (1) hin zur radikal gedachten Eigenverantwortung und (z.T.) zur Tragik maliziöser Täuschung und Versuchung (2). Zwischen Verhängnis und Verantwortung finden sich dann allerlei Schattierungen. Ad 1) Wird das Übel auf der Welt als menschliches Verhängnis interpretiert, wird auch die (zumindest partielle) Unfreiwilligkeit des Menschen im Hinblick auf das Böse betont. Dabei kommt die menschliche ‚Verstrickung‘ in das Wirken des Teufels oder von Engeln, Giganten, oder Dämonen zur Sprache; jene sind nun ihrerseits mit spezifischen Erfahrungen in Verbindun-
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Kapitel 4: Zusammenfassung und Perspektiven
gen zu bringen. Zumeist wird dabei aber auch die Verantwortung des Menschen betont: Es wird immer davon ausgegangen, dass der Mensch Anteil an der Sünde hat, zumindest an deren Fortführung (wenn sie auch nicht in jedem Fall primär von ihm ausgeht). Somit legt sich die Vorstellung nahe, dass dem menschlichen Scheitern und dem Bösen auf der Welt zumeist auch (aber nicht nur) etwas Tragisches und Unwillentliches zugedacht wird. Zentral an diesen Vorstellungen ist somit, dass der Mensch nicht die alleinige Verantwortung für das Übel trägt, sondern dass sich Böses auch unabhängig von menschlicher ‚Initiative‘ oder dessen Willen ereignet. Ad 2) Wo hingegen die Verantwortung der Menschen betont wird, wird zumeist der freie Wille als Begründung herangezogen; es wird davon ausgegangen, dass Menschen (und Engel) Böses wider besseres Wissen wählen oder tun. Die ‚Wahl des Bösen‘ kann somit als willentliches Vergehen gegen Gottes Gebot(e) gewertet werden, womit die Schuld ganz auf den Menschen abgewälzt wird. Gott wiederum wird damit noch weiter von der Verantwortung abgerückt.
Eine Mischform ist diesbezüglich das Modell vom bösen Trieb. Zwar wird davon ausgegangen, dass Gott den bösen Trieb schafft, wodurch dieser direkt mit der Ursache des Bösen in Verbindung gebracht wird. Zugleich wird die Verantwortung vollständig auf den Menschen befrachtet; damit wird das Herz des Menschen gleichsam zum ‚Testfeld‘. Kritisch muss gefragt werden, ob Böses tatsächlich nur der willentlichen Entscheidung des Menschen unterstellt werden kann und ob dabei nicht die Tragik, welche Schuld und Sünde anhaften kann, unbeachtet und somit ungewürdigt bleibt.
Aus dem Gesagten sind folgende theologische Implikationen abzuleiten: Sowohl der Wächtermythos als auch der anthropologische Mythos klammern Gottes Verantwortung mehrheitlich aus. In beiden Erzählungen durchbrechen Wächter bzw. Menschen, die Schlange oder schließlich ‚der Teufel‘ die göttliche Ordnung. Zwar sind es Geschöpfe Gottes, die für das Übel zumindest mitverantwortlich gemacht werden, doch werden diese von Gottes Willen deutlich abgesetzt. Ihr Tun ‚missfällt‘ Gott, zugleich steht nicht oder kaum zur Debatte, wie ihr Verhalten in Gottes Wirken zu kontextualisieren ist. Gott wird demgegenüber vielmehr als Kläger und/oder Richter vorgestellt, der die Vergehen ahndet. Ab und an wird das Vergehen der Sünder auch durch den (gottgegebenen) freien Willen erläutert. Damit findet zwar eine gewisse ‚Einbettung‘ in den ‚Wirkkreis Gottes‘ statt, gleichwohl wird das Böse weit von Gott abgerückt und von seinem Willen abgesetzt. Vielmehr gilt der freie Wille, ähnlich dem bösen Trieb, als Testfeld der menschlichen Entscheidung.
Im Gegensatz dazu stehen Modelle wie die Zwei-Geister-Lehre oder weitere weisheitlichdualistische Konzeptionen sowie der theologische Spitzensatz Jes 45,5–7. Dort schafft Gott Unheil (oder etwa den ‚Fürsten der Finsternis‘) und ‚Böses‘ ist in Gottes Plan angelegt. Zwar ist zumindest die Zwei-Geister-Lehre eindeutig in der Aussage, dass Gott das Böse hasst und letztlich vernichtet, doch wird es auf Gottes eigenes Wirken zurückgeführt und nicht ‚bloß‘ auf einen von ihm unabhängigen urzeitlichen Zwischenfall. In Verbindung mit
3. Hermeneutische Auswertung
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diesen Konzeptionen steht ein Geschichtsdenken, das von der Planmäßigkeit allen Geschehens ausgeht; in einer prädestinierten Weltordnung kann nichts geschehen, ohne dass es in der ‚ewigen Vorsehung‘ Gottes festgesetzt wäre. Die Verantwortung der Menschen kommt in diesen Texten wenig in den Blick, was allerdings auch auf die Textgattung zurückzuführen ist.
Mit Engeln, Menschen oder dem Teufel wird demgegenüber jeweils gleichsam eine Instanz ‚zwischen‘ Gott und das Übel geschoben, wodurch diese Modelle auf den ersten Blick weniger ‚problematisch‘ erscheinen, weil das Unliebsame und Unfassbare nicht direkt mit dem Wirken Gottes in Verbindung gebracht wird, sondern sich gewissermaßen von ihm unabhängig ereignet: ‚Böses‘ steht dem Willen Gottes in diesen Entwürfen entgegen. Schließlich wird die Problematik von Gott und dem Bösen damit aber lediglich auf eine andere Ebene verschoben.
Zusammenfassend kann schließlich festgehalten werden, dass die Verschiebung von den Wächtern zu Adam eine tendenzielle Verschiebung von Verhängnis zu Verantwortung und Sünde impliziert. Die Verantwortung Gottes ist in beiden Modellen nicht von Belang, allerdings wird sie in anthropologischen Konzeptionen noch weiter abgerückt als in angelologischen oder satanologischen Konzeptionen, in denen die Ursachen des Bösen immerhin in der göttlichen Sphäre lokalisiert werden. Die Grundvoraussetzung des ‚sündigen Menschen‘ ist sodann vor allem für die christliche Lehre von der Vergebung der Sünden durch Tod und Auferstehung Jesu Christi entscheidend. Gleichwohl wird aber auch in der christlichen Theologie von dämonischem und satanischem Wirken ausgegangen. Trotz der offensichtlichen Präferenz der einen oder anderen Konzeption zu verschiedenen Zeiten wird aber zu keiner Zeit die Erklärung für die Ursprünge des Bösen vorgestellt. Es hat sich gezeigt, dass verschiedene Herleitungen des Bösen nebeneinanderstehen, ineinandergreifen und sich ablösen. Der Pluralität dieser Modelle und dass sich zunächst weder im frühen Judentum noch im frühen Christentum eine ‚dogmatische Master-Erzählung‘ von den Ursprüngen des Bösen findet, gilt ein besonderes Leitinteresse dieser Arbeit. Sowohl in der Darstellung der Rezeptionsgeschichte von Wächter- und Adam-Tradition als auch in der Beobachtung der tendenziellen Verschiebung ist deutlich geworden, dass keine fixen Referenzpunkte in der Frage nach dem Bösen vorgestellt werden.18 Ebenso vielfältig sind sodann die Bilder und Paradigmen des Bösen, wie sie vor allem im frühen Judentum begegnen. So wird das Böse beispielsweise in Form von archaischen Chaosmächten (Leviathan und Behemot) repräsentiert, oder im Paradigma der Wächter, von Kain oder Sodom, sowie in numinosen Mächten wie Belial, Satan und Dämonen. Siehe dazu die folgenden Aufsätze: G. OBERHÄNSLI-WIDMER, Bilder vom Bösen im Judentum und J. LEONHARDT-BALZER, Gestalten des Bösen im frühen Christentum, sowie EAD., Bilder des Bösen in den Johanneischen Schriften. 18
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Kapitel 4: Zusammenfassung und Perspektiven
3. Pluralität als hermeneutische Herausforderung Was bedeutet das Fehlen einer umfassenden ‚Haupt-Erzählung des Bösen‘ und wie ist es zu verstehen, dass das Rätsel des Bösen in der ‚biblischen‘ bzw. jüdisch-christlichen Tradition mit unterschiedlichen Erklärungen behandelt wird? Wie kann die Uneindeutigkeit des Bösen, die sich nicht nur in den Modellen von dessen Ursprüngen, sondern auch in einer Pluralität von Bildern zeigt, verstanden werden? Und wie steht es Angesichts dieser Pluralität sodann um den Wahrheitsanspruch der einzelnen Mythen? Und wie sind insofern apokalyptisch-narrative Traditionen zu ‚werten‘? In der vorangegangenen Untersuchung der mythischen Konzepte des ‚Wächterfalls‘ und des ‚Sündenfalls‘ zeigte sich ein großes ‚Kaleidoskop des Bösen‘19. In der Pluralität von Erklärungsmodellen und -versuchen spiegelt sich die Vielfalt und Lebendigkeit der jüdischen Theologie wieder. Diese zeugt von denkerischer Kreativität und Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf verschiedene historische und/oder theologische Herausforderungen und auf unterschiedliche kommunikative Anliegen. Anschaulich wird dies an verschiedenen Gattungen.
Individuelle Gebete beispielsweise betonen oftmals das eigene Sündenbewusstsein, wobei der Sünde dabei eine gewisse Tragik anhaftet.20 Weisheitstexte legen demgegenüber ein Gewicht auf die menschliche Eigenverantwortung, welche vor allem im Rahmen paränetischer Unterweisungen zur Sprache gebracht wird.21
Die Einordnung und Kontextualisierung von Bösem geschieht somit situations- und absichtsbedingt unterschiedlich. Die Deutung des Bösen ist mitunter maßgeblich vom jeweiligen Kontext und seinen Interpretatoren abhängig. Diese Deutung, sei es im Horizont von Schicksal oder Sünde, ist damit zunächst einmal eine lebensweltliche Deutung. Was aus welchem Grund als ‚böse‘ gilt, wer dafür verantwortlich gemacht wird und wie die Struktur und
I. U. DALFERTH, Leiden und Böses, 17 Siehe dazu Miryam Brand: „It is not surprising that the authors and redactors of covenantal texts focus on human free will rather than on the idea that all human actions have been predetermined by God. The covenantal text aims to place the responsibility for keeping the community's rules firmly on the shoulders of the member, whether there is an innate human desire to sin or whether sin is the result of demonic influence. While prayer can emphasize the need for divine help, covenantal texts must assume that humans have the ability to choose the right path on their own.“ M. T. BRAND, Evil Within and Without, 277 und zum Ganzen M. T. BRAND, Op. cit., insb. 275–278. 21 „The emphasis on human agency and freedom of choice found in both Ben Sira and Philo is connected to the aim of many wisdom and philosophical texts: the encouragement of ethical behavior on the part of the audience. At the same time, the flexibility that these thinkers allowed themselves provided their audiences with different approaches that suited different situations and viewpoints of reality.“ M. T. BRAND, Op. cit., 278. 19 20
3. Hermeneutische Auswertung
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die Herkunft dieses Bösen zu beschreiben ist, setzt ein konkretes Wertsystem und spezifische Prämissen voraus.
Die Bewertung von etwas oder jemandem als ‚böse‘ steht in enger Korrelation zu festgesetzten Prämissen und sagt zunächst vor allem etwas über die Wertorientierung derer aus, welche die Wertung vornehmen: In „[…] jedem Verständnis von Bösem spiegelt sich eine faktische und damit kontingente Entscheidung für ein bestimmtes Verständnis dessen, was für menschliches Leben gut ist oder nicht, weil es so und nicht anders verstanden werden sollte, obwohl es auch anders verstanden werden könnte und von anderen oft auch anders verstanden wird.“22 Schließlich ergibt sich aus den Prämissen bzw. dem implizierten ‚Sollen‘ und der Wahrnehmung bzw. dem Erleben der Welt eine in diesem Kontext entscheidende ‚Sein-Sollen-Dichotomie‘.23
Gewissermaßen ist das Prädikat ‚böse‘ somit aber auch ‚willkürlich‘ und das sogar innerhalb desselben Wertsystems. Zugleich zeugt aber gerade diese Deutungsvielfalt von lebensweltlicher Anschlussfähigkeit. Schließlich kann sich nur eine lebensweltlich anschlussfähige Theologie als überlebensfähig erweisen, was sich gerade am Beispiel der jüdischen Theologie auf eindrückliche Art und Weise zeigt.24 Dass weder ‚das Böse‘ noch dessen Ursprünge eindeutig ‚sind‘, sondern kontextgebunden gedeutet werden (‚was‘ für ‚wen‘ und ‚warum‘), lässt darauf schließen, dass die Frage nach dem Bösen nicht zwingend eindeutig beantwortet werden musste bzw. dass, zumindest bis zu einer gewissen Zeit, kein Bedarf bestand, diese Fragen abschließend (‚dogmatisch‘) zu beantworten. Vermutlich ist überdies davon auszugehen, dass die Frage des Bösen nicht ‚an sich‘ diskutiert wurde, sondern lediglich im Hinblick auf spezifische Ereignisse oder kontextgegebene Fragestellungen. ‚Böses‘ kann im vorliegenden Zusammenhang somit sinnvollerweise nur als Orientierungsbegriff verstanden werden.25 Dabei ist zu bedenken, dass gerade die erzählte Welt in narrativen Texten (nicht nur, aber auch) dem Bösen gegenüber eine Offenheit aufweist, welche dogmatisch schwer zu fassen ist.
Um das Phänomen der Uneindeutigkeit zu erläutern, legt sich eine Formulierung aus der Ökumenismus-Debatte des zweiten vatikanischen Konzils nahe, und zwar der Begriff der ‚Hierarchie der Wahrheiten‘ (hierarchia verita-
I. U. DALFERTH, Leiden und Böses, 194. Zur Frage nach dem Bösen in anderen religiösen Konzepten siehe P. KOSLOWSKI, Ursprung und Überwindung des Bösen und des Leidens in den Weltreligionen und J. LAUBE, Das Böse in den Weltreligionen. 23 I. U. DALFERTH, Leiden und Böses, 44. 24 Eindrücklich sind sodann die jüdischen Versuche einer Theodizee nach Auschwitz. Siehe hierzu N. E. FREI, Gott und das Leiden. 25 I. U. DALFERTH, Leiden und Böses, 20. 22
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Kapitel 4: Zusammenfassung und Perspektiven
tum).26 Mit diesem Begriff wird dort festgehalten, dass es unter den Wahrheiten des christlichen Glaubens eine ‚Rangordnung‘ bzw. eine Hierarchie gibt. So stehen beispielsweise christologische Wahrheiten höher als mariologische und die in der Hierarchie ‚höheren‘ Wahrheiten bilden die Diskussionsgrundlage des ökumenischen Dialogs. Hilfreich für die vorliegende Untersuchung ist der Gedanke, dass die Vielfalt [dort: der Kirchen] durch die ‚oberste Gewissheit‘ bzw. die höchste Wahrheit gleichsam ‚zusammengehalten‘ wird und dass die Pluralität [der Kirchen] durch die oberste Bindung nicht zur Zersplittung führt.27 Nun lässt sich der Gedankengang freilich nicht eins zu eins übertragen, doch scheint mir die Idee einer ‚Hierarchie theologischer Wahrheiten‘ hilfreich: Es konnte beobachtet werden, dass die Frage nach dem Bösen eine Vielzahl von Antworten und Deutungen zulässt und gerade keine HauptErzählung von dessen Ursprüngen zu finden ist. So kann die Vorstellung der ‚Hierarchie der Wahrheiten‘ auf die vorliegende Diskussion im Sinne einer ‚Hierarchie der Eindeutigkeiten‘ adaptiert werden. Die Frage nach dem Bösen wird weniger eindeutig beantwortet als beispielsweise die Frage nach der Einhaltung der Gebote oder der Einzigkeit Gottes. Die Uneindeutigkeit der Antworten auf die Frage nach den Ursprüngen des Bösen kann der Vorstellung der Einzigkeit und Allmacht des Gottes Israels sodann gleichsam nachgeordnet werden. Verstehen lässt sich die Pluralität von Erklärungen des Bösen schließlich im Kontext einer kontinuierlichen theologischen Deutung der Lebenswirklichkeit und dies immer unter der Prämisse der Einzigkeit und nicht verhandelbaren Bestimmtheit des Gottes Israels. Eine Eindeutigkeit in der Frage nach den Ursprüngen des Bösen lässt sich somit nicht bestimmen. Gemeinsam ist allen Konzeptionen und Erläuterungen lediglich, dass keine ‚Macht des Bösen‘ in einem streng dualistischen Sinn vorgestellt wird (etwa ein ‚Gegengott‘ oder wie in der gnostischen Lehre ein Demiurg). Unter dieser monotheistischen ‚Grundausrichtung‘ ist allerdings beinahe jede Form göttlicher, menschlicher oder dämonologischer bzw. satanologischer Beteiligung und Verantwortung denkbar. 26 Siehe (11.): „Beim Vergleich der Lehren miteinander soll man nicht vergessen, daß es eine Rangordnung oder ‚Hierarchie‘ der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens.“ Zweites Vatikanisches Konzil. Dekret Unitatis Redintegratio. 27 „Aber dies [sc. eine akzeptierte Diversität, MG] darf nur unter der unerläßlichen Bedingung geschehen, daß ein gemeinsamer Komplex von Grundwahrheiten – im Bilde der Hierarchie: eine gemeinsame Spitze – von allen in der zu erstrebenden Gemeinschaft zusammengeschlossenen Kirchen angenommen wird. Ohne die Bindung an diese Bedingung würde der Pluralismus der Aussagen zur Zersplitterung führen.“ O. CULLMANN, Einheit durch Vielfalt, 42, Hervorhebung durch den Vf. Siehe weiter O. CULLMANN, Op. cit., 34–36.
3. Hermeneutische Auswertung
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Die Frage nach dem (Wahrheits-)Anspruch der einzelnen mythologischen Erzählungen und Modelle ist nun insofern zu beantworten, als diesen in ihrem (historischen und theologischen) Kontexten normativer Charakter zukommen konnte, wobei aber nicht auszuschließen ist, dass in einem anderen Zusammenhang eine alternative Erklärung für das Böse gegeben wurde. Der Anspruch dieser Erzählungen besteht sodann nicht in ‚Historiographie‘, sondern in der Erschließung der Gegenwart durch ein Ereignis der Vergangenheit: Die (mythische) Erzählung orientiert über die Gegenwart und kann darüber hinaus Handlungsanweisungen beinhalten (wobei die ‚Akteure‘ der Vergangenheit zumeist als Negativparadigmen aufgeführt werden). Die apokalyptisch-narrative Tradition scheint dabei die bevorzugte Gattung zu sein, mittels derer mythische Erzählungen transportiert werden (1 Hen, 2 Hen, ApcMos, 4 Esra, 2 Bar…).28 Auch der Anspruch der apokalyptisch-narrativen Tradition besteht zunächst in ihrer Orientierungsfunktion und in den z.T. daraus abgeleiteten Paränesen. Zur ‚Wertung‘ apokalyptisch-narrativer Traditionen lässt sich im Hinblick auf die Frage nach den Ursprüngen des Bösen dann festhalten, dass sie nicht maßgeblich anders zu werten sind als mythische Erzählungen. Sie beinhalten in ihrer Schilderung von (mythischer) Vergangenheit, (problematisierter) Gegenwart und der erwarteten Endzeit deutliche Wertungen ethischer und theologischer Natur. Insofern besteht der Anspruch vor allem in der offenbarten, sprich durch Gottes Wort oder ein himmlisches Wesen kundgetanen und somit theologischen Deutung der Geschichte und ihrer Wertung und nicht in erster Linie in der Darstellung von Historie. Schließlich scheint in Bezug auf die Ursprünge des Bösen somit kein ‚dogmatischer Wahrheitsanspruch‘ in dem Sinne zu bestehen, dass ein gewisses Erklärungsmodell als ‚verbindlich‘ erachtet worden wäre. Sodann lässt sich allerdings bereits im zweiten Jahrhundert eine Tendenz hin zur monokausalen Erklärung des Bösen beobachten. Im sich formierenden Christentum ist diese in der Erzählung vom ‚Sündenfall‘ gegeben, welche je länger je mehr ausschließlich satanologisch gedeutet wird. Dabei spielt die paulinische Adam-Christus-Typologie eine entscheidende Rolle. Das rabbinische Judentum demgegenüber wird die Lehre vom bösen Trieb ( )יצר הרעweiterführen. In beiden Traditionen wird sich somit eine anthropologische Erklärung des Bösen etablieren. Zwar legen beide Modelle je eigene Schwerpunkte, doch gehen beide letztlich von der Verantwortung des Menschen aus. Der Wille zum Bösen wird in der Lehre vom bösen Trieb im Inneren des Menschen verortet (und zwar schöpfungsgemäß), in der Adam-Erzählung wird andererseits eher die Verführung des Menschen zum Bösen betont, wobei der Mensch durch seinen ‚Versucher‘ nicht von seiner Verantwortung entlastet Auf gewisse Berührungspunkte von Mythos und Offenbarung wurde bereits in der Einleitung hingewiesen. 28
300
Kapitel 4: Zusammenfassung und Perspektiven
wird. Für die christliche Theologie wird der Adam-Mythos unter christologischer und eschatologischer Perspektive zu dem Paradigma der Ursprünge des Bösen.29
Anders noch Jud/2Petr und andere frühchristliche Schriften, welche Sündenparadigmen der Ur- und Väterzeit aufführen, ohne die Paradieserzählung zu erwähnen. 29
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1. Quellen und Übersetzungen
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Stellenregister in Auswahl Altes Testament
Altes Testament Genesis 1–11 48 1–4 47 1–3 18, 26, 167, 175, 181, 184, 185, 190 1–2 178, 188, 247 1,26 247–248 1,26–27 274 1,27 18, 186, 188 2–4 82, 191 2–3 276, 286 2 32, 34, 194, 218, 254 2,7 34, 186, 188, 247, 255 2,8 167 2,17 169, 177 2,22–23 255 2,23 255 3–11 49 3 25–28, 37, 79, 107, 125, 150, 166, 167–171, 172, 174–178, 182, 184, 187, 188, 190–192, 194, 195, 200, 210, 212, 215–217, 219, 220, 223, 225, 228, 230, 232, 234, 237, 242, 245, 250, 251, 253, 255, 256, 258, 260, 261, 265–268, 270, 272, 273, 275, 276, 279–284, 292 3,1 27, 167, 251, 286 3,2–3 168 3,4–5 168, 169
3,6 3,6a 3,7 3,8 3,13 3,13b 3,14–15 3,15 3,16 3,19 3,22 4 4,25 4,26 5 5,1 5,24 6–9 6,1–2.4 6 6,1–4
6,1–2 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5–13 6,5–9 6,5 8,21
219, 251 168 167, 169 220 251 255 258 216, 223, 243, 258 256 171 170, 223 79, 82, 145, 173, 174, 187, 220, 221, 239 171 18 96 171 41, 55 47 47 68, 123, 135 15, 37, 47, 48, 49, 119, 121, 123, 124, 129, 140, 148, 159, 173, 286, 287 123, 160 42, 49, 191 42, 54, 129, 151, 158 48 57, 119, 120 47 140 33, 34, 47–49, 177, 183 33, 34
328
Stellenregister
10 12,12 15,1 18–19 19 19,1 22 49 49,17
95 271 225 108 140 138 98, 284 268 268
Exodus 4,24 4,24–26 12,23 12,29 20,4 49,2
284 271 271 98 149 98
Leviticus 16 16,8 26,3–4
56, 214 271 72
Numeri 22,22.32
200
Deuteronomium 1,39 5,8 11,13–14 13,14 22,25 28,12 30,15 30,19 33,22
170 149 72 202 194 72 190 182 268
Richter 19,22 20,13
202 202
1 Samuel 2,12 5,12 10,27 18,10 29,4
202 52 202 271 200
2 Samuel 14,17 19,23 19,36 20,1 24,1
170 200 170 202 201, 284
1 Könige 3,9 5,8 11,14.23.25 20,10.13 22,19–23
170 200 200 202 271
1 Chronik 1,1 21,1 29,18
171 200, 201, 271, 284, 286 33
Hiob 1,6–9.12 1,7 2,1–4.6–7 2,2 24,7.10 26,6 26,13LXX
200 200 200 200 167 167 257
Psalmen 17,5 30,10 38,21 44,26 71,13 90,3 103,14 104,29 109,4.20f 109,6.20.29f 144,3
202 171 200 171 200 171 171 171 200 200 236
Sprüche 6,12 12,16.23 13,16 14,8 16,27 19,28
202 167 167 167 202 202
329
Stellenregister 22,3 27,12
167 167
Qohelet 3,20 5,14 10,4 12,7
171 167 271 171
Jesaja 6 14 14,12–13 14,12 14,13–14 20,2–4 27,1 28,11ff 40,12–31 41,10 44,22.24 45,1–8 45,2 45,4–7 45,7 45,12.18 51,13.16 60,21 66,22
53, 55 29, 30, 269, 271, 290 286 32, 230 196 167 257, 271 267 13 225 13 11 13 11–15, 36, 37, 205 287 13 13 82 13
Jerermia 5,24–25 32 43,3.6
72 125 125
45,1–2 51,34
125 257
Ezechiel 1–3 8–11 15 23,20 23,26–27 28 28,12ff 29,3 32 34,26 38–39 40–48
55 55 244 81 226 26, 29, 30, 269 271 257 26 72 268 55
Daniel 4,13.17.23 7–12 7–8 7,7 7,8 8,23ff 11,36
55 269 268 269 269 269 269
Amos 4,7 9,3
72 257
Sacharja 3 3,1 3,1f
286 271 200
330
Stellenregister
Septuaginta Ben Sira 14,17 15 15,11–17,20 15,11ff 15,14 16,7–10 17,1–3 17,1–26 17,7 23,1–5 25,24 27,6 33 36,7–14 49,16
289 119 181 182 33, 182 119, 138 184 184 182 184 183, 184, 186, 255, 289 183 26 184 181
2 Makkabäer 6,18–7,42
194
3 Makkabäer 2,2 2,4–7 2,4 2,5 2,6–7
120 138 120 120 120
Sapientia Salomonis 1,14–16 187 1,16 187 2,17 187 2,22 186 2,23–24 187 2,23 186, 289 2,24 186, 187 7,1 186 10 185 10,1–2 186
Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit
nd Pseudepigrapha des Alten Testaments Apokalypse des Abraham 1–8 213 9–32 213 13,6–12 214 13,6b–8 214 13,11–12 126 13,12 214 20 215 20,4 215 22 215 22,6 215 23,1 214 23,5 213, 235 23,8 213 23,30 214 29 213 Apokalypse des Mose 1,1 216 2,4 226 7,1 219 8 220
8,1 8,2 9–14 9,2 10,1–11,2 10,1 10,2–3 10,3 12,1–2 13 13,5 14,2 15–30 15,3 16,1–2 16,1 16,3 16,5 17–19 17,1 17,2b 17,3
220 220 224 218 223 221, 228 223 219 219 216 226 219 224, 290 221 222 221 30, 221, 222, 224 285 30 217, 221 222 217
331
Stellenregister 18,4 19 19,3 21,3 21,6 22,3–4 23,1 24,4 25,3 26,1 26,2b–33 27 28 28,4 29,9 32 32,2 33,5 35,2 37,2 37,4 37,5 39,1–3 39,4 42,5–7
222 291 223 285 219 220 220 224 226 226 222 218 218 226 219 229 219 219, 224 219 219 219 219 224 219 218
Apokalypse des Sedrach 5 236 5,1–3 236 6,1 236 6,2–6 236 Ascensio Jesaiae 1,8 1,9 1,11 2,1 2,2.7 2,4 3,11 4,1–22 4,2 4,7–8 5,16
258 258 258 229 258 258 258 259 259 259 258
2 Baruch 4,4 13,4 17,1–18,2
212 289 290
17,3 48,1–25 48,26–41 48,32 48,40 48,42–43 48,42 51,15.19 54,15 54,19 56,5–6 56,5 56,7–9 56,9 56,10–16 56,10 57,1 58,1 59,1 60,1 62,1 63,1 64,1 66,1 67,1 68,3–4 70,2 70,6–10 72,2–6 73,1
212, 289 211 211 289 211 211, 290 289 289 211, 290 211 212 126 212 126 126 212 126 126 126 126 126 126 126 126 126 126 126 126 126 126
3 Baruch 4 4,7 4,8 4,10–17 4,10 9,7
31 235 235 235 235 229, 285
4 Esra 3,7 3,20–22 3,21–22 4,23b 4,28–30 4,30 6,56 6,58 7
206, 289 207 289 207 207 209 207 207 206–207
332 7,11–12 7,47 7,48 7,116–126 7,118–119 7,118 7,127–129 8,60 1 Henoch 1–36 1–5 1,1–5,9 1,1–2 1,9 2–5 2,1–2 2,1 5,1b–2 5,4 5,5 5,6 6–19 6–16 6,1–12,2 6–11 6–8 6,1 6,2 6,3–4 6,3 6,4–5 6,6 6,7–8 7,1 7,2 7,3 7,4–5 7,4 7,5 7,6 7,16 8–10 8,1–3 8,1 8,1.3
Stellenregister 207 209 209 208 208 210, 289 208 209 15–19, 40–78 42, 56, 68, 71 52 41 61, 68, 136, 137 71, 72 71 69, 72 71 61–63, 68, 69 68 61, 68 44 37, 45, 53, 67, 68, 91, 97, 140, 150, 172 52 45, 47, 55 55 42, 65 43, 53, 55, 62 55 52, 75 55 96 88 43–45, 53, 55, 56, 62, 67 57, 80 53 62 54, 62 43, 61 52, 61, 67 45 87, 214 45, 88, 145 174 67
8,2 8,3 8,4 9,1 9,2–3 9,2 9,3 9,4 9,6 9,6.8 9,8 9,9 9,10 10,1–4 10,1 10,2 10,4–8 10,4–6 10,4–5 10,4 10,5 10,7–8 10,8 10,9–10 10,9 10,7 10,8 10,9–10 10,9 10,11 10,14 10,15 10,16 10,20 10,22 12–16 12,1 12,2–3 12,2 12,3–6 12,3 12,4 13,1–2 13,2 13,3 13,3–16,4 13,4–7 14
61, 67, 68, 76 45, 88 54, 67 59 54 52 59 59 80 45 44, 56, 61, 63, 145 57, 63, 66 54, 61 45 59 54 80 291 80 87 87 45 62, 80, 87 47 66, 110 68 68 81 63 66 54, 68, 138 54, 57, 62–63, 66, 67 61, 63 61, 66 63, 66 45 44 55 55 52 59 61–63, 68, 137 52 61 60 52 105 52
333
Stellenregister 14,1–2 14,21 14,23 14,24 15,2 15,3–4 15,3–7 15,3 15,4–6 15,4 15,5 15,6–7 15,7 15,8–16,1 15,8 15,9 15,10–11 15,11–16,1 15,11 15,12 16,1 16,3 17–19 18,11–19,1 18,14–16 18,15 19,1 19,2 21–25 21,6 21,10 22 22,3–13 22,7 22,11 26–36 32,3 32,6 37 37–71 38–44 39,1b 40,7 45–57 46 53–57 53,3 54 54,3–4
59 53, 59 55 59 56 62, 63 84 137 74 65, 134 65 134 65 57 63, 68 57, 68 59 144 51, 61, 63, 68 62 59, 68, 110 54, 56, 63, 76 44 134 72 63, 69 62, 63, 66 54, 63, 69 44 69, 72 134 138 135 68 68 44 173 172 86 86–88 86 86 87 87 129 129 87 87 87
54,6 58–69 60,11–22 60–63 64 64–65 69 69,2 69,3–12 69,4 69,5 69,6 69,8 69,9 70–71 72–82 72–74 80 80,2–8 82,4a 83–91 85–90 85,3–4 86,1 86,2 86,3–87,1 86,4 88,1 88,2 88,3 90,9 90,21 91,11–17 91,15 92–105 92,1–5 93,1–10 93,2.5.10 93,3 93,4 93,11–94,5 94,6–100,6 96,5.8 98,4–6 99,6–7 100,4 100,1–4 100,6c 100,7–102,3
87 87 144 129 134 88 88, 260 88 88 88 88 88, 174 88 88, 260 86 71 71 71 72 73 69 79–81 79, 173 79, 260 80 80 81 80, 81 81 81 79 81 81–83 82 85–86 85 81–83 82 83 82 85 85 85 85 149 86 86 85 85
334
Stellenregister
102–103 102,4–104,8 103,11–12 104,9–105,2 106–107 106,11 106,14 107,1
138 85 85 85 83–84, 105 84 84 84
2 Henoch 7 7,3 18 18,1 18,2 18,3 18,4 18,5 29 29,4–5 29,4 29,9–10 29,16 29,17 30,8–18 30,11–12 30,15 31,3–6 31,4–5 31,6 44,2 52,2
91, 134, 195, 199 91 91, 134, 195, 199 91 91 91, 92, 197, 287 91 91 198, 199, 230 30, 195, 196, 286 290 195 197 197 199 197 197 196, 197, 199, 290 197 196, 198 198 198
Jubiläen 1 1,5 1,29 2,2 3,15 4,12 4,15 4,22 5 5,1 5,6–7 5,6 7,20–25 7,20–23 7,20–21
95 96, 175 94 144 18 18 96, 150, 288 96 97 96 101 97 174 97 96
7,20 7,21 7,22 7,27 8,3 10,1–9 10,1–2 10,3 10,5 10,6 10,8 10,11 10,18 11,2–6 11,4c–5 11,11 12,20 17,15–18 23,29 33,2–9 40,9 46,2 48 48,1–4.9–10.12 48,2 50,5
100 134, 174 80 97 97, 100 134 98 98, 111 98 111 98, 99, 102 99 289 99 99 98 111 99, 284 99 115 99 99 99 98 284 99
Liber Antiquitatum Biblicarum 1,41 31 2,8 123 3,1–3 123 13,8 191 13,9–10 191 26,2 192 28,9 192 4 Makkabäer 1,1 2,21–23 18,7 18,8
194 195 194 194
Vitae Prophetarum ProphHab 14
258
Testament des Asser 1,3–9 113
335
Stellenregister 1,8 3,2 7,1
117 117 114, 138
Testament des Benjamin 3,3 117 Testament des Dan 1,7 117 6,3–4 221 Testament des Hiob 6,4 229 17,1 229 23,1 229 27,1 229 47,10 221 Testament des Issachar 2,3 115 6,1 117 7 117 Testament des Joseph 7,4 117 Testament des Juda 12,3 116 13,6 116 14,1.2.6 116 Testament des Naphtali 3–7 117 3,2 113 3,3–4 113 3,3 113 3,5 84, 113, 138 4,1 113 8,4 229 9 117 11–12 117 Testament des Ruben 1,6 114 2,4.5.6.7.8–9 115
2,9 3,1 3,3.4.5.6 3,10 3,14 4,6 4,7 5,1.4.6–7 5,3 5,4
115 115 114 115 116 117 117 116 162 162
Testament des Simeon 5,3 117 Vita Adae et Evae 1,1–21,2 1,1–9,5 3 3,2 3,3 9–11 9,1–10,2 9,1 12–17 12–16 12–15 12,1 13,1–14,1 13 14 14,3 15 15,3 15,4 16,1 17,1–2 18,1 25,4 26,2 35,2 37,1.3 37,2 38,1 41,1–42,2 44,2–3
227 222 219 228 228 290 229 229 290 181 222 30, 230 227 219 219 230 286 230 228 230 230 228 230 228 228 228 228 228 216 228
336
Stellenregister
Hellenistisch-jüdische Autoren
Hellenistisch-jüdische Autoren Josephus Antiquitates I–XI I.Vorwort.2 I.Vorwort.3 I.Vorwort.4 I.1.4 I.3.1 I.1.4 VI.4.3 XII–XX XII.11.2 XX.11.3
124 124 124, 192 124, 192 124 124 31, 192f 193 124 193 124
Philo Quod Deus sit immutabilis 3–4 122 45–50 190 De gigantibus 6–18 6 7 12–15 16 17 18 58.60–61
121 121 121 121 121 122 122 122
189 189 189
De opificio mundi 134–150 134–135 151–156 151 152 156 157ff 165 167–169
189 188 189 189 121, 189 190 189 190 190
Quaestiones 1,31 1,33 1,37f
189 189, 190 190
Somniis I.138
121
De Plantatione 14
121
Qumran
Qumran Ages of Creation 4Q180 I1 I 2–3 I7 I 7–8
Legum allegoriae 1,31–42 2,4 3,16
108 108 108 108
4Q181 I2 I5 II 2 II 4–5
109 109 109 109
Apocryphal Psalms (11Q11) V6 110, 111
337
Stellenregister Aramaic Levi
Gigantenbuch
4Q213a 1 12b–18
4QEnGiants a ar ii 7 52 7a 6 7b i 3–4 8 85
Berakhot (4QBera) 7a ii b–d 2 98 Catena A (4Q177) 1–4 8 240 Damaskusdokument CD I 11 I 14–15 II 2–3 II 16–18 II 17–III 12 II 18 II 19 III 13 III 19–20 III 29 X8
107 107 23 107 138 56 107 179 179 179 176
4Q266 11 20–21
106
Gemeinderegel (1QS) I 18.23–24 240 II 19 240 III 13–IV 26 20–25, 289 IV 20–23 180 Genesis-Apokryphon (1QapGen) 0 105 I1 105 I2 105 I9 105 II–V 105 II 1–26 84 III 3–5 106 V 12–13 105 VI 106 VI 11–22 106 VI 19–21 106
89 89 89 89 89
4QEnGiants b ar 1–12 ii 16–20 7
60 89
4QEnGiants c ar 19 3–4
89
Henoch 4QEna ar III 15 III 19 III 21 IV 1–5
67 62 62 67
4QEnb ar II 21
62
4QEnc ar 5 ii 18
84
4QEng ar 1 iii 24–25 12 Hodayot (1QHa) III 27 III 29 IV 24 IV 26 IV 26–27 XX 9 Horoscope (4Q186)
82 89 178 178 179 179 178 240 24–25
Incantation (4Q444) 1–4 i+5 3 111 1–4 i+5 8 110, 111
338
Stellenregister
Instruction
Pseudo-Moses
4Q417 I i 1–8 I i 14–18 I i 16 I I 17
4Q390 (4QpsMosese) 2i4 240
22 18 22 22
Kriegsrolle 1QM XIII 4 XIV 9 XVIII 2
98 240 240
4QMa 8–10 i 6
240
Non-canonical Psalms B (4Q381) I 3–11 181 Paraphrase von Gen und Ex (4Q422) I18 177 I 1 8–12 176 I 1 9–10 177 I 1 11 177 I 1 12 177 Pesher zu Hosea 4QpHosb 7–8 1
176
Pesher zum Jubiläenbuch 4QpsJuba 2 ii 13f
98
Psalmenrolle 11QPsa XIX 13–16 XIX 15–16a XXIV 11–12
34 110 239
Songs of the Maskil 4Q510 11 1 4–5 1 6–7 1 8a
110 110 110 111
4Q511 2 ii 3 28–29 3 35 7 48–49+51 ii 2–3 48–49+51 ii 1 182 1
110 111 110 110 111 110
Vision Amrams 4QVisAmb 1 –2 iii 9 19 1 10.11 2 12 2 13–16 22 1
104 104 19 104 19 104
VisAme 1 ii 8
20
Words of the Luminaries 4Q504 (4QDibHama) I 8 4–7 179 4Q265 7 11
176
339
Stellenregister Rabbinische Literatur bBer 16b 239 60b 239 BerRab 26,5
129
GenRab 73,10
118
mBer 9,5
34
Neues Testament Matthäus 1,20 130 12,28 290 13 239 13,19 239 13,39 221 16,1 238 16,23 204 22,18 238 25 129 25,4 130 25,41 238, 240 Markus 1,13 3,22 4,15 8,33 13 par 14,63 par Lukas 1,35 8 10,1 10,18
Rabbinische Literatur 61a
34
mSan X,3
138
Pirque de Rabbi Eli’ezer 12 236 14 236 Targum Ps.-Joh. zu Gen 4,1 zu Gen 5,3
233 233
Neues Testament
238 238 238 204 129 129 130 239 30 31, 32, 241, 260, 267
10,19 11,20 13,11.16 17,24 22,3 22,22 22,23 24,37.39
221 130, 290 238 32 285 285 229 135
Johannes 1,9 3 3,19–21 5 6,70 8,12 8,37–45 8,44 12,31 12,31–32 13,2 13,27 14,6 14,30 14,36.46 16,8–11 16,11
238 241 238 241 240 238, 240 239 240 30, 240, 241 241, 260 240 229, 240, 271, 285 239, 240 240 238 241 240, 241
340
Stellenregister
Apostelgeschichte 5,1–11 285 5,3 285 Römer 1 3,10–12 5 5,11 5,12–19 5,12 5,12ff 5,13 5,14 5,15 6,23 7 7,7–25 7,7ff 7,7.15.16.19.20 7,8.11 7,11 7,15 7,17.20 7,19 7,25a 8 8,1ff 16,20a 1 Korinther 2,6 3 5,5 6,3 7,5 10 11 11,5 11,7–9 11,10 11,13 15 15,1f 15,12
113 250 242, 251, 282 249 249 27, 183, 187, 249, 250, 252, 289 245, 250, 252, 270, 291 251 249, 270 249, 250 249 242, 250, 251 250, 251 251 251 251 251 251 251 36, 227 251 252 251 243
271 245 87, 242, 243 132 242 157 130–133, 150 130, 131, 133 131 130, 133 131, 133 245, 246, 248 246 245
15,15–16 15,20 15,21–22 15,21–22,45 15,22 15,23–28 15,29–34 15,44–45 15,44b–49 15,44b 15,45 15,46–47 15,47–49 15,47–48 15,47 15,48 15,49 2 Korinther 4,4 6,15 11 11,2 11,3 11,4–5 11,4 11,13–15 12,7 Epheser 6,13 2 Thessalonicher 2,3–4 1 Timotheus 1,4 1,20 2 2,8–14 2,9 2,10 2,11–12 2,13–14 2,14 2,14 2,15 3,7 4,7 5,14–15
245 246 246, 250, 291 245 270 246 246 246f 246 247 247, 253 247 247 248 248 248 248 239, 240 242 242 242, 244, 251, 254 244 229, 244 242 87, 242 271 269 7 243 265 254 254 254 254 254 255, 283 291 256 243 7 243
341
Stellenregister 4,3
267, 268
243
1 Titus 1,14
2 Johannes 7
267, 268
7
Hebräer 12,23
135
1 Petrus 1,3 3,17–18 3,18–22 3,19–20 3,21–22 3,22 4,6 5,8
133 133 134 133, 291 134 135 135 239
Judas 4 5 6–7 6 6b 7 9 14–15
136, 137 137 113 33, 135, 140, 291 138 138 33 137
2 Petrus 1,16 2,1–3,3 2,1–3 2,4–5 2,4 2,5 2,6–7 2,6 2,9
7 139 139 135, 140 140, 291 140 140 140 140
1 Johannes 2,18 2,18.27 2,19 2,22 3,1 3,8 3,11 3,14 3,16a 3,16b–18
268 267 268 268 239 238 239 239 239 239
2 Timotheus 2,26
Offenbarung 1,20 2,7 2,9 3,9 9,1 11,3 12 12,3 12,3–4 12,7–9 12,7–8 12,8–9 12,9 12,9.10 12,10 12,11 12,13 12,16–17 12,17 12,18 20 20,2 20,10
131 257 258 258 260 268 260 257 257 31, 241 287 260 168, 238, 256, 257, 260, 276, 290 30 260 260 257 257 258 241 261 256, 276 24
342
Stellenregister
Frühchristliche Schriften und Kirchenschriftsteller
Kirchenväter, neutetsamentliche Apokryphen und Verwandtes Athenagoras Hieronymus Legatio pro Christianis 24 144 25 144 Clemens Alesandrinus Eclogae propheticae 53,4 147 Paedagogus III.2.14,1–2 III.2.14,2 III.5.3–4
147 147 265
Protrepticus 12.2
265
Stromata II.98.4 III.5.40,1–2 III.7.59,2 V.1.10,1–3 V.1.10,2 XIV.1
265 144 144 147 147 265
Commodian Instructiones III 152 Cyprian De habitu virginum II.17 272 XIV 152 XV 152 De patientia Pat. 19
272
De viribus illustribus 4 158 Hippolyt De Antichristo 5 6 7–13 14 15 18
268 268 168 268 269 169
In Danielem IV IV.5.3 IV.49.3
269 269 269
Irenäus Adversus Haereses I.10.1 III.23,8 IV IV.Vorrede.4 IV.16 IV.36 V.25.1 V.26,2 V.30.2
145 264 146 264 146 146 269 229, 264 268
Demonstratio 14 15 16 17 18
264 264 145, 229, 264 265 145, 265
Justin Apologia I V
132, 141
343
Stellenregister XXVIII
263
Apologia II V VI
141 142
Dialogus cum Tryphone 18.2 263 45.4 263 88.5–6 263 102.3–4 263 103.5 263 103.6 263 124.3–4 263 Lactantius Epitome 22 273 Origenes Contra Celsum IV.40 V.52 V.55 VI.36 VI.45 VII.28–29
270, 282 150 151 270 269 271
In ev. secundum Johannem comm. VI.25 150, 151 De Principiis I,5.5 III.2.1–2 III.2.1 III.2.2
32, 271 271 271 272
Tertullian Adversus Iudaeos 2.3–5
267
Adversus Marcionem 2.2 267 2.8 267 2.10 267
Apologeticum 22 35
148 148
De cultu feminarum I.1 149 I.2 149 I.3 149, 157 De exhortatione castitatis II 266 De idolatria 4 9
148 149
De oratione 22
150
De patientia 2.4–5 5,6
267 266
De virginibus velandis 7 132, 150, 151 Tatian Oratio ad Graecos VII.3 VII.4–6 VIII VIII.4 VIII.7 XVII.5–6 XIX.11 XX
143 143 143 143 143 143 143 143
1 Clemensbrief 3,4 4,1–6,4
187 187
Protevevangelium des Jakobus 14,1–2 130 Pseudoclementinische Homilien Ps.-Clem. Hom. II 15–17
273
344 II 15,2 II 16,2–3 II 52,2 III 17,1 III 17,3 III 20,3 III 21,1–2 VIII–IX VIII 8,4 VIII 9,2 VIII 10 VIII 10,1 VIII 12,1 VIII 13,1 VIII 14,3
Stellenregister 274 274 274 274 274 274 274 154 154 154 275 154, 274 154 155 155
VIII 15,1 VIII 16,1 VIII 18,1–2 VIII 19,1–3 X 3,3 X 4,1 XVI–XVIII XIX–XX XX XX 2–3
155 156 155 155 274 274 274 274 154 156
Ps.-Clem. Recogn. 4 15
Griechische und römische Antike
Griechische und römische Antike Pseudo-Plutarch
Sallustius
De placitis philosophorum 5,12 118
De diis et mundo 4,9
Koran Sure 7,11–13.9–21 231
Weiteres
7
Autorenregister Adamtziloglou, E. 132 Agourides, S. 236 Albani, M. 14f, 29, 71f, 104 Albertz, R. 11 Albright, W. F. 239 Amsler, F. 274f Anderson, F. I. 198 Anderson, G. A. 216 Anderson, H. 193 Arnold, B. T. 48 Assefa, D. 79 Bachmann, V. 41f, 44, 59, 72, 76-78, 287f Bailey, J. A. 168 Baltzer, K. 15 Barr, J. 171 Barthold, C. 151 Bauckham, R. 137, 140 Beentjes, P. 1843 Becker, J. 112-114, 240 Becker, M. 46, 242 Beer, G. 45 Berger, K. 94, 96 Berner, C. 108 Black, M. 16, 41f, 44, 47, 63, 94, 99 Boccaccini, G. 104, 174, 209 Böcher, O. 129, 205 Böhm, M. 132 Böttrich, C. 90f, 132, 196-198 Bolle, K. W. 7f Bonnard, P. 239 Bonwetsch, N. 269 Bourquin, Y. 38 Bousset, W. 16 Bracht, K. 268-270 Brand, M. T. 19, 110, 119, 183f, 190, 208-210, 296 Brandenburger, E., 210, 246f, 249
Bremmer, J. M. 51, 153 Brown, D. R. 237 Brox, N. 145, 264 Bruns, P. 142, 147 Bühler, P. 8 Bunta, S. 30 Busch, P. 257 Butterweck, C. 148 Charles, R. H. 46 Charlesworth, J. H. 168 Chesnutt, R. D. 185 Clementz, H. 192 Coblentz-Bautch, K. 54, 174 Coggins, R. J. 183f Cohn, J. 189 Cohn, L. 121 Collins, J. J. 18, 22, 26, 44, 46f, 73, 75f, 182, 184, 206 Cook, J. 34, 182, 184 Cross, F. M. 206, 209 Cullmann, O. 298 Dalferth, I. U. 1, 5, 296f Davids, P. H. 134 Davidson, M. J. 106, 108 Day, P. L. 201 de Bruin, T. 112f, 117, de Jonge, M. 115, 117 Delcor, M. 17 Denis, A.-M. 41, 99 Diels, H. 118 Dietzfelbinger, Ch. 123, 191 Dimant, D., 47 Di Tommaso, L. 210 v. Dobbeler, S. 120 Dochhorn, J. 28, 30f, 33, 99, 141, 187, 196f, 203, 216, 218-231, 236, 238, 243, 251f, 259, 261f, 284f
346
Autorenregister
Döpp, S. 152 Donelson, L. R. 135f, 138-140 Drawnell, H. 19, 51 Drijvers, H. J. 147 Du Toit, D. S. 132f Dunkel, D. 11 Dunn, J. D. G. 251 Ego, B. 52 Eisen, U. E. 39 Elgvin, T. 176-178 Elliott, M. 73 Ellis, T. A. 183 Endres, J. C. 94 Engel, H. 185 Evans, C. A. 239 Fabry, H.-J. 200, 202, 204 Feldman, L. H. 124, 176 Feldmeier, R. 134 Fiedler, P. 64f Fiedrovicz, M. 151 Finnern, S. 39 Fitzmyer, J. A. 254 Fletcher-Louis, C. H. 178, 181 Frei, N. E. 297 Frey, J. 2, 9f, 18-25, 46, 95f, 104, 112, 136-140, 157f, 241, 256, 262, 268, 287-289, 291 Frey-Anthes, H. 129, 200, 202f Friedrich, H.-V. 267 Fröhlich, I. 74 Fry, E. M. 48 Fusillo, M. 153 García Martínez, F. 62 Gaß, E. 12-15 Gaylord, H. E. 197 Gerber, C. 244 Gielen, M. 247 Giesen, H. 256, 258 Giulea, D. A. 144 Glickler Chazon, E. 179 Görgemanns, H. 32 Götte, M. E. 242, 253, 280 Goff, M. J. 18f, 22, 119, 186, 188 Goldman, L. 176 Golitzin, A. 178 Grabbe, L. L. 56, 211
Gressmann, H. 16 Gurtner, D. M. 212 Hage, W. 235 Hall, R. G. 258 Hamm, U. 145 Hanson, P. D. 45, 50, 74 Harder, R. E. 49 Harlow, D. C. 125 Harnisch, W. 210 Harrington, D. 18 Hartenstein, F. 13f Heger, P. 25 Hempel, Ch. 21, 106 Hendel, R. S. 49 Hengel, M. 16 Henze, M. 125f Hernández, A. 204 Hoffmann, A. 151 Hofmann, J. 153 Hogan, K. M. 206f, 210 Hollander, H. W. 115, 117 Hübner, H., 186f Hübner, K. 7, 65 Hurtado, L. W. 11 Hygen, J. B. 3, 17 Janowski, B. 45, 214 Jantsch, T. 130, 132 Jaschke, H.-J. 145 Jenks, G. C. 267-270 Johnson, S. R. 120 Joosten, J. 119 Käsemann, E., 250 Karrer, M. 186 Kalms, J. U. 29, 198, 241, 257-260, 290 Karpp, H. 32 Kelly, H. A. 32, 35, 187, 237 Kensky, M. Z. 201, 260 Kister, M. 246 Klein, H. 241 Klijn, A. F. J. 126 Klauck, H.-J. 194 Klavans, J. 184 Klumbies, P.-G. 135 Knibb, M. A. 86 Koch, K. 73, 76, 213, 284f Koch, M. 7f, 241, 257-259
Autorenregister Kollmann, B. 129 Konradt, M. 112 Kranz, W. 118 Kraus, W. 186 Krauter, S. 189, 198, 214, 233, 244, 251 Küchler, M. 54, 75, 80, 84, 118, 130, 132, 184, 189, 234, 255f, 291 Kümmel, W. G. 251 Kugel, J. L. 105 Kugler, R. A. 111 Kuklik, A. 235 Kvanvig, H. 47f, 51 Labahn, M. 258, 261 Lange, A. 18, 20-24, 42, 107f Leisegang, H. 121 Leonhardt-Balzer, J. 20f, 23f, 238-243, 256, 287, 290, 295 Leuenberger, M. 13f Levison, J. R. 181, 184-193, 208f, 211213, 289 Lichtenberger, H. 261 Lietaert Peerbolte, B. J. 138, 268 Lindemann, A. 130 Loader, W. 115, 118, 162, 194 Lohse, E. 248, 250, 252 Losekam, C. 17, 37, 41, 56-58, 80f, 90, 92, 101, 114, 123f, 126-129, 165, 289 Luz, U. 239 Lynch, M. J. 11 MacDonald N. 11 Machiela, D. A. 105 McCrown, J. 3 McKeon, J. 168 Magliano Tromp, J. 197, 227 Maher, M. 233 Mann, S. 239 Marguerat, D., 38 Marquard, O. 4 Mason, S. 124 Mayer, G. 124 Meiser, M. 216f, 220, 226, 229f, 249f, 252 Méhat, A. 146 Mehlhausen, J. 11 Merk, O. 216f, 229f Merklein, H. 247
347
Metso, S. 20 Mettinger, T. N. 167 Metzger, P. 206-208 Michel, O., 250, 253 Milik, J. T. 16, 42, 44, 47, 94 Miller, P. D. 286 Mittmann-Richert, U. 42 Mohn, J. 7f Moo, J. A. 208 Moore, N. J. 137, 139, 157 Müller, U. B. 258 Murphy, F. J. 123 Mussies, G. 51, 57 Newington, S. 51 Newsom, C. A. 45 Nickelsburg, G. W. E. 41f, 44-47, 49f, 52-55, 58-60, 63, 67, 71f, 75, 79f, 83, 85-88, 104, 108, 126, 142, 150152, 172, 174, 287 Nicklas, T. 257 Niebuhr, K.-W. 113 Niese, B. 124 Nir, R. 223 Oberhänsli-Widmer, G. 2, 34-36, 283, 295 Oegema, G. S. 213f, 235 Oláh, Z. 12f Olyan, S. M. 11 Orlov, A. A. 90, 124, 196, 214 Otto, M. 8f Pagels, E. H. 31 Parry, D. W. 176, 179f Paulsen, H. 135 Pesthy, M. 155 Petersen, W. L. 142 Pettorelli, J.-P. 216, 227 Pfann, S. J. 42 Philonenko, M. 213f Philonenko-Sayar, B. 213f Pierce, C. T., 80f, 98-100, 134f, 200202, 205, 235 Pilhofer, P. 144 Plummer, A. 133 Popovic, M. 24f Prigent, P. 261
348
Autorenregister
Quinn, J. D. 255 Ramelli, I. 147f Reed, A. Y. 17, 50, 76, 82, 89, 99-103, 107, 127f, 142, 146, 158, 263 Reeg, G. 203, 234 Reiterer, F. W., 119, 182f Reno, R. R. 3, 168 Rey, J.-S. 119 Reyburn, W. D. 48 Richard, M. 269 Ricoeur, P. 8f Riley, G. J. 205, 259 Robertson, A. 133 Röcker, F. W. 201f Roloff, J. 254-256, 284 Rosen-Zvi, I. 34-36, 116-118, 163 Rubinkiewicz, R. 213 Rüpke, J. 8 Runia, D. T. 189 Ruppert, L. 48, 168 Safranski, R. 1 Salvatore, A. 152 Sauer, G. 119, 183 Saur, M. 30 Schäfer, P. 53, 211 Schmeller, T., 242 Schmid, H. H. 72 Schmid, K. 29, 32, 170, 209 Schnabel, E. J. 245 Schnelle, U. 133, 136, 244, 249, 254 Scholem, G. 53 Schrage, W. 130, 245, 248 Schreiber, S. 98, 205, 261 Schreiner, J. 206 Schüngel-Straumann, H. 168, 184 Schuller, E. M. 178 Schulz-Flügel, E. 148 Schwarte, K.-H. 273 Schwemer, A. M. 258 Segal, M. 94f Segal, R. A. 7 Sellin, G. 247f Skarsaune, O. 141 Smyth, H. P. 49 Söding, T. 191, 245-247, 249, 253 Spaeth, J. 251 Sperling, S. D. 167, 202
Stählin, G. 6f Stegemann, H. 20, 106, 178 Sterling, G. E. 121 Steudel, A. 201f Stokes, R.E. 2 Stone, M. 206, 209, 216 Strugnell, J. 18 Stuckenbruck, L. T. 2, 17, 41f, 55, 58, 61, 78, 82, 84-86, 89, 100, 103, 106, 111, 130, 132, 241f, 260 Suchla, B. R. 267 Suter, D. 74 Theobald, M. 240 Thiselton, A. C. 132 Thomas, S. 106, 108 Tigchelaar, E. J. C. 18, 22, 62, 74f, 77, 154f Tilly, M. 112 Tóth, F. 123, 256, 261 Tov, E. 42, 176, 179f Troxel, R. L. 12 Tzkevkova-Glaser, A. 271f Uhlig, S. 41f, 57, 59, 62 Ulland, H. 259f van der Horst, P. W. 10, 34, 123 VanderKam, J. C. 41, 63, 71-73, 83f, 86-88, 94f, 104, 108, 126, 141, 150, 174 van Henten, J. W. 59, 98f van Keulen, P. S. 29 van Minnen, P. 41 van Ruiten, J. A. 94, 98, 101, 167 Vermeylen, J. 12 Vetten, C.-P. 141 Vögtle, A. 138 Vogt, H. J. 150 Vollenweider, S. 31f, 196, 230 Wacker, M. T. 74, 76, 78 Wacker, W. C. 255 Walter, N. 248 Weber, R. 193f Wehnert, J. 153f Wendland, P. 121 Westermann, C. 167, 169f, 286 Wilckens, U. 248-252
Autorenregister Wildberger, H. 29 Witetschek, S. 256 Wright, A. T. 17, 44, 58, 102, 119, 122f Wright, B. G. 119 Wyrwa, D. 146
Zamfir, K. 244, 254f Zeller, D. 130, 248 Zirker, H. 231 Zumstein, J. 240 Zurawki, J. 187f
349
Sachregister Abel – Tötung A.s 79 Adam – ( אָ דָ םPerson / Funktion) 171, 178f, 253, 270, 276, 282f – allegorische Deutung 188ff, 213f – A.-Rezeption 26f – A.-Tradition im ersten Henochbuch 82, 85 – Erste Gebotsübertretung 191f – Fall Adams (typologisch) 25ff, 271 – Herrlichkeit A.s 27, 178ff, 274, 280 – Imitation A.s 211, 263, 271 – paradigmatischer Sünder 208, 249 – Prophet 274 – Schuld A.s 206ff, 275 – Schuld A.s und Auseinandersetzung mit dem Judentum 142 – Typos 250, 252f, 275 – Weisheit 186 – Verbindung mit dem Wächtermythos 201ff – zunehmende Bedeutsamkeit d. Tradition 40, 90, 92, 161, 231f, 237, 281ff, Adam-Christus-Typologie 246ff, 249ff, 252, 270, 282f, 291 Adamviten Akrasie 233 Amram – Vision A.s 19f Anbetung – A. Adams 227f, 230, 236 – A. von Götzen 149 Ankläger 31 Antagonistische Struktur s. Syzygien Anthropologie 34ff, 120ff, 210, 232f, 246f, 282, 284, 293
– anthropologische Grundvoraussetzungen des M. 181ff, 207 – dualistische A. Antichrist 267–270 – ‚Sohn des Teufels‘ 269 Äonen – zwei Ä. 206 Apologie – paganes Umfeld 262 Apokalyptik 7, 288 ʿAśaʾel – ʿA.-Strang im hen. Schrifttum 93 – Lehren (Tiersymbolapokalypse) 80, (Wächterbuch) 54 Astrologie 147, 149 Ätiologie 7, 26, 77, 142, 167, 170f, 193, 232, 243, 273, 288 Auferstehung 136, 245–248 – A. Christi 246 – A. der Toten 245f – am jüngsten Tag 272 Auferweckung s. Auferstehung Auflehnung 195, 198 Azāz ͗ēl 213ff – für ʿAśaʾel 45 – in der Wächterrezeption 108 Babylon – babylonische Marduktheologie 13f Baum der Erkenntnis Belial ( )בליעל5, 201f Beliar 203 – Endzeittyrann 259 – Gott und B. 113 Bilha Blasphemie 261 Böses – als Orientierungsbegriff 297 – böser Wille 214
Sachregister – – – – – – –
das B. 4–6 Figuren des B.n 5, 203f, 237ff, 277 Hermeneutik des B.n 5f, 296f im frühen Judentum 287–290 im Neuen Testament 290ff in der Hebräischen Bibel 286f in der rabbinisch-jüdischen Tradition 292 – Phänomenologie des B.n 4ff – philosophische Reflexion 188 – Pluralität der Erklärungsmodelle des B.n 2f, 295, 296–300 – Realität des B.n 1 – Terminologie des B. 5 – Typologie des B. 10–37, 292–295 – Überwindung des B. 136, 237 – Ursprung des B.n 1ff, 273ff, 286– 292 Braut 244 Buße 227, 229 Chaos – Chaosmächte/-wesen 257 – gegenwärtiger Zustand der Welt (Wächterbuch) 75 Christenverfolgung – dämonisches Wirken 141, 262 Christologie 129, 245–252, 275, 280, 282 Christus – Höllenfahrt Christi 133ff – Überwinder chaotischer Mächte 135 Conditio humana 26, 167ff, – Ätiologie der C. h. 170f, 193 Dämonen – Irreführung Gerechter 97f – Ursprung 58f – Heidentum 99f, 141f, 143, 156, 262, 264 Dämonenaustreibung 238 Dämonenfürst 238 Dämonologie 102 Dämonologische Hermeneutik 77 Dämonologisches Weltbild 129f, 225, 284 Diabolos (διάβολος) 203 – als Schlange 219 – Zorn des D. 261
351
Dichotomie s. Dualismus Drache 204, 256ff Dualismus – dualistische Denkform 19–25 – ethisch 23f, 121f – kosmologisch 23, 275 – persisch-zoroastrisch 13, 204f – psychologisch 24f – weisheitlich 21ff Eitelkeit 265 Ekklesiologie 256, 283f Endzeitberechnung 269 Engel – Bestrafung von E. 138, 140 – Fürbitte der E. für Adam – im Gottesdienst 132f Engelfall – E. und Teufelsfall 259f – vorzeitliche 18f Engelinstruktion (positiv) 99 Enthaltsamkeit (s. auch Keuschheit) 146 Erbsünde 208f Erzengel 195ff Eudaimonia 193 Eva – Adam unter- oder nachgeordnet 218f, 228 – allegorische Deutung 213f – exemplarisch 244, 255f – Schuld 219, 233f, 276 – Sünde durch E. 265 – verführt 174f, 214, 255f, 265, 281 Feind (ἐχθρός) – Charakterisierung 222f – F. des Glaubens 239 – F. Jesu 238f – Teufel als Feind des Menschen 31, 218, 230 Feindschaft – F. zw. Menschen und Geboten 230f Fesselung 261 Finsternis – Söhne der Finsternis Flut Frau(en) 156, 276 – im Gottesdienst 130f, 254
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Sachregister
– Schuld der Frau(en) 91, 116f, 128, 149f, 183f, 233f – Sünde 189, 265 – Unterordnung 254f – Verführbarkeit der F. 189f, 283 – Verhüllung 130ff, 150 Fürst – F. der Welt 240 Gebotsübertretung 69 Geduld/Ungeduld 266, 272f, 276 Gegensatzpaare s. Syzygien Gegenwart – problematisiert G. 77f Gegner – eschatologischer G. 240f, 256, 268, 290 Geist – Leib und G. 248 Geister – Bedrohung in der ‚Gegenwart‘ 110f – böse Geister 58 – ‚der Bastarde‘ 110f – der Giganten 58f – G. Beliars 114ff – im Gefängnis 133ff – zwei Geister 23ff Gerechtigkeit – G. Gottes s. Theodizee – Ordnung als G. (Wächterbuch) 71f – soteriologisch 252 Gericht 240 – Aufbewahrung bis zum G. 138, 140, 151 – Theophanie im G. 220 Geschichtstheologie 14f Gesetz (s. auch Torah) 252 Giganten – als Geister 57 – Gewalt 67f, 70 – Hebräische Bibel 56 – LXX 56 – Qumran 88f – Widernatürlichkeit 57f Glück 192f Gnade 209, 248 Gnosis 27–38 Gott – Allmacht und Einzigkeit G.s 298
– Entzogenheit G. 52f Gottebenbildlichkeit 191, 218ff, 272, 273, 276 – Herrschaft und G. 224f, 227f, 266 – Verlust der G. 223f, 275 Gotteslästerung – Menschen 68 Gottesreich – Exorzismen Jesu und G. 129f, 290 Götzen – Giganten als G. 153 Götzendienst – Anleitung zum G. 145, 148 – Christen 149 – Heiden – Menschen allg. 69 – ‚das Tier‘ 261 Gut und Böse – Erkenntnis von G. u. B. 168, 170, 177, 273 – Fähigkeit zur Unterscheidung von G. u. B. 181f – Wahl zwischen G. u. B. 143, 148, 208 Hamartiologie 5, 27 Hartherzigkeit – als Ordnungsverletzung 56 Heilsgeschichte 241f, 249ff, 275 Heilswirksamkeit Christi 249, 275 Heimsuchung 23f Hellenismus – Auseinandersetzung mit dem H. 143, 153, 245 – griechische Kultur und dämonisches Wirken 141f, 142f Henochbuch (äth.) – Autorität des H.s 149 – Bedeutung im Rahmen frühjüdischer Apokalyptik 16f – Datierung 16f, 46f – Rezeption im frühen Christentum 157f Hermeneutik 2ff – dämonologische/satanologische H. 285 Herrschaftskonkurrenz – Abraham/ Azāz ͗ēl 214
Sachregister – Adam/Teufelsfigur 224f, 227f, 230, 264, 266, 281 – Gott/Teufel 199 – Mensch/Schlange (Teufel?) 228 – Mensch/Teufel 199 Herrschaftswechsel 240 Herz – böses H. 207ff Himmel – als Raum 52f – Gefängnis im H. 90f, 199 – Himmel und Erde 53 – himmlischer Hofstaat 201 Himmelsreise 42f, 90, 235 ‚Hüten‘ (φυλάσσειν) 226, 230f Hybris 195f, 230, 281 Irreführung – durch den Teufel 197, 257f – durch die Schlange 263 – I. Evas 199, 222f Irrlehrer – Polemik gegen I. 136ff, 139ff Israel 207, 210 – Heils-/Unheilsgeschichte I.s 212 – I. im frühen Christentum 263f JHWH – als Urgrund der Welt 11f Kain – Boshaftigkeit K.s 233f, 273 – Teufel/Brudermord 265 Kampf 208f Keuschheit 266f Kulturtechniken (Wächterbuch) 76f Kosmetik 145, 149, 151, 265, 272 – als Teufelswerk 151f Krankheiten – ‚Sündenfall‘ als Ätiologie von K. 223 – Dämonen 154 Krieg – endzeitlicher K. 202 – Kriegserfahrungen/Giganten (s. auch Gewalt) 75 Kyros-Orakel 12–15 Leiblichkeit 248
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Licht 29, 32 – L. und Finsternis 12, 14, 19ff, 23ff, 122, 238f Los ( )גורל23 Lucifer-Tradition 29f, 32f ‚Lügenapostel‘ 242f Mächte – kosmische M. 135f Magie 147 Malkireša 19 Mantik 147 Mastemah 5 ()משטמה – als Dämonenfürst 98f, 101 Menschen – Opfer 53f – Sünde 54, 64f, 96, 101f, 121f – Undankbarkeit ggb. Gott 154 Monanthropologie 284f Monotheismus – exklusiver Monotheismus 11–15 Morgenröte – ‚Sohn der M.‘ ( )הֵ ילֵל בֶּ ן־שָׁ ַחר29f, 271 Mythos – Funktion des M. 8 – mythologische Erzählung 6–10, – Mythen üb. das Böse 8–10 Narratologie 38f Neid – allgemeine Problematik 192, 266 – der Schlange 192f, 273, 280 – des Teufels 30ff, 186ff, 199, 230, 236, 264, 266, 273, 276, 280 – und Tod 186 Nero 259 Noah – als Nachkomme von Engeln 83f, 105 Ordnung – Bruch der O. 70, 73ff – kosmische O. 71ff, 144 – präexistente Schöpfungsordnung 107ff – Verkehrung der O. 113 Paradies 217, 264 – Unterteilung des P.s 226
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Sachregister
Paradigmenreihe 108f, 113f, 119f, 120, 136ff, 139ff Philosophie – Auseinandersetzung mit griechischer Ph. im frühen Christentum 144, 147 – platonische Ph. 189f, 247 – stoische Ph. 190, 193 Prädestination – Erklärung des Bösen 289 – prädesinierte Schöpfungsordnung 22 – doppelte P. 25 Prometheusmythos 49f Qumran – Rezeption der henochischen Tradition 103ff Rechtfertigung 249 Restitution – endzeitliche R. 180f, 186 – R. Adams 224f Rewritten Bible 94 Rivalität – Mensch/Satan 30ff, 198 Ruben 114ff Sama’el 233, 235f Satan 200ff – satanologische Deutung 188, 225, 234ff, 276, 284 – Satanologisierung 166, 199, 284 – satansfreie Zeit 261 Satanail 91f, 197 Satansfall 28ff, 290 – eschatologisch 241, 256ff – im Koran 231 – protologisch 227, 236, 271f, 280 – protologisch/eschatologisch 30f Schicksal – eschatologisches S. 209, 211 Schlange 167f, 242f – allegorisch 189f, 213f – ‚alte Schlange‘ 258 – Antichrist 269 – Instrumentalisierung der Sch. 236 – Neid der Sch. 192f – satanologische Deutung 228, 256f, 264 – Strafe 222
– Unterwerfung Satans 243 – Verführung der Sch. 225 – Verführung durch die Sch. (sexuell) 194, 234 – Wut der Sch. 228 Schmuck 149, 151 Schönheit 145, 147, 149, 265 Schönheitspraktiken – als Beleidigung Gottes 152, 272 Schöpfer – JHWH als S. 13f, Schöpfung 145f – des Menschen 197, 274 – Terminologie (עשה, ברא, )יצר14f Schöpfungstheologie – Nachordnung der Frau 133, 254f Schwurformeln 110f Sedrach 236 Šemiḥazah Seth 221 – Š.-Strang im hen. Schrifttum 93 Sexualität – S. der Frau problematisch (s. auch Eitelkeit, Kosmetik, Schmuck) 276, 284 – Einfallstor Beliars 117 – S. als Gefährdung der Seele 117, 189ff – illegitime S. 65f, 114ff, 128 – negativ 217, 226 – Paradieserzählung 213f Simon Magus 274 ‚Söhne Gottes‘ ()בְּ נֵי־הָ אֱ הִ ים – in der rabbinischen Tradition 48 – Satan 201 Sodom [und Gomorrha] 108f, 113f, 120, 140 Sterblichkeit 171, 184, 246ff Sterne – Wächter als gefallene S. 79f Sünde – Anfang der S. 103f – anthropologisch 148 – Macht der S. 251f – Terminologie 64f – Tod und S. 183f, 210, 250, 253, 284 – Universalität der S. 250 Syzygien 273f
Sachregister Täuschung 225f, 228f, 244, 250f, 255f, 285 Tempel 53 – Zerstörung des T.s 206, 212 Teufel 242 – als Engel 229 – erster Sünder 267 – Funktion 203ff – Motivation 27 – Urherber der Sünde 264, 272f, 276, 284 Teufelsfigur(en) 200ff – fremdländische Aggressoren als T. 205 – Konglomeration 215, 256–262, 276 Theodizee 78, 236, 288 – Apologie der Gerechtigkeit Gottes 141, 182f, 233, 266f, 275, 294f – mythologische Th. 205 Theogonie (Hesiod) 50 Thronsaal 53 Tier(e) 223f, 228 Titanenmythos 51 Tod – Endgültigkeit des T.s für die Sünder 187 – Folge der Sünde 183f, 248, 249ff – Teufel 186f, 273, 284 – Verbindung mit Adam 147, 263, 265, 273 Torah – Bedeutung der T. im hen. Schrifttum 73 Tragik 234, 294 Trickster 225 Trieb ( )יצר213 – böser Trieb 33ff, 177f, 233, 283 – Charakter/Beschaffenheit des Menschen 33, 183 Tugend 190 ‚Überapostel‘ 244 Unglauben 240 Unreinheit 175, 180 Unsterblichkeit 226, 265, 273, 276 – spirituell 186, 245 Unzucht s. Sexualität Urmensch(en) 247f Urzeit 7, 213
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– Urzeit/Endzeit 247f, 257, 270 Verantwortung – des Menschen 182f, 189, 192f, 207ff, 211f, 230f, 234, 266, 272, 276 – Tun-Ergehen 154 – von Engeln (und dem Teufel) 272 – V. und Verhängnis 293f – Weisheit 181 Verdammnis 249 Verhängnis 293f Verkündigung vor den Toten (‚Höllenfahrt Christi‘) 133f Vermischung (s. auch Sexualität, illegitime) – Elemente 274 – Wächter 65f, 80f Vernunft 194 – Herrschen über Leidenschaften 195 Verschiebung – Wächter/Adam 2f, 27, 36f, 126f, 292–295 Verstand (s. Vernunft) Versucher 238, 258 Wächter – allegorische Deutung 120ff – als Sündenparadigmen 88, 107, 108f, 113f, 119f, 127, 136ff, 139ff, 145f, 156, 264f – im Gefängnis 87, 90ff, 133ff, 151, 138 – Lehren (negativ) 64, 66f, 76f, 80, 145, 147, 152f, 155, 174 – Lehren (‚positiv‘) 97, 99, 100, 154 – Rebellion 74f – Sendungsauftrag 96f, 100f, 152f – Verbindung mit Adam 90ff, 125ff – Verbindung mit Eva 88 – Verbindung mit griechischer Mythologie 124f – Verbindung mit Satan 87 – Verbreitung von Bösem und/oder von Sünde 77, 145f, 162, 264, 272 – Vergehen 56, 69f – Zeugen von Nachkommen 65f Wächterbuch – äthiopisch 41 – Datierung 46f
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Sachregister
– Einführung 40ff – Inhalt 42ff – Ordnungsdenken 70ff – Literargeschichte 44ff – Qumranfunde 41f – Raumkategorien 52 – Religionsgeschichte 49ff – Traditionsgeschichte 47ff Wächterfall – Einführung typologisch 15–18 – Zurücktreten hinter die Adamtradition 218, 281 Wahrheit – ‚Hierarchie der Wahrheiten‘ 297f Weinstock 235f Weisheit
– in der Geschichte 185 – Rettung durch W. 186 – weisheitliche Weltordnung 21ff, 106f Weltordnung s. Ordnung – Urzustand 53 Widersacher – menschliche W. 200 Wille, freier – des Teufels 267, 276 – von Adam 197, 267, 276 – von Engeln 144, 156f – von Menschen 147f, 156f, 182, 190, 264, 266, 276 Zwei-Geister-Lehre 20ff