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German Pages 366 Year 2014
Constanze Klotz Vom Versuch, Kreativität in der Stadt zu planen
Urban Studies
Constanze Klotz (Dr. phil.), Kulturwissenschaftlerin, arbeitete parallel zu ihrer Promotion von 2007-2013 als Projektmanagerin für das Programm »Kreatives Quartier Elbinsel« bei der IBA Hamburg.
Constanze Klotz
Vom Versuch, Kreativität in der Stadt zu planen Die Internationale Bauausstellung IBA Hamburg
Der Druck der Dissertation erfolgte mit freundlicher Unterstützung der Leuphana Universität Lüneburg. Die Veröffentlichung ist als Dissertation an der Leuphana Universität Lüneburg angenommen worden.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 transcript Verlag, Bielefeld
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Inhalt
Abkürzungsverzeichnis | 8 Vorwort | 9 Einführung | 10 1. Strategische Kreativplanung der Stadt | 17
1.1 Kreativität und Stadt | 18 1.1.1 Zur urbanen Dimension von Kultur- und Kreativwirtschaft | 20 1.1.2 Kreativitätsbasierte Ansätze im urbanen Raum | 27 1.1.3 Zur Transformation des Kreativitätsbegriffes | 40 1.2 Planbarkeit von Kreativität? | 49 1.2.1 Zum Begriff der strategischen Planung | 50 1.2.2 Definition einer strategischen Kreativplanung der Stadt | 57 1.2.3 Governance und urbane Kreativitätspolitik | 63 1.3 Cultural Theory | 69 1.3.1 Der theoretische Bezugsrahmen | 69 1.3.2 Anwendung auf die strategische Kreativplanung | 81 1.4 Beispiele der Planungspraxis: Rein- und Hybridformen | 90 1.4.1 Hierarchische Ansätze | 90 1.4.1.1 Kulturell-kreative Leuchtturmprojekte | 93 1.4.1.2 Kulturelle Festivalisierung der Stadtpolitik | 97 1.4.1.3 Creative City-Narrative | 109 1.4.1.4 Hierarchische Ansätze revisited | 112 1.4.2 Hierarchisch-individualistische Ansätze | 114 1.4.2.1 Das 3-T-Modell | 116 1.4.2.2 Kreative Cluster-Politik | 121 1.4.2.3 Hierarchisch-individualistische Ansätze revisited | 133 1.4.3 Hierarchisch-egalitäre Ansätze | 134 1.4.3.1 Milieuspezifische Kontextsteuerung | 136 1.4.3.2 Hierarchisch-egalitäre Ansätze revisited | 150 1.5 Kritik der Kreativplanung | 152 1.5.1 Kommodifizierung als Image- und Vermarktungsstrategie | 153
1.5.2 Gesellschaftliches Leitmotiv vs. Mystifizierung | 157 1.5.3 Gesamtgesellschaftliche und raumpolitische Konsequenzen | 159 1.5.4 Ausblick: Kulturelle Homogenisierung vs. Differenzierung | 162 2. Die Internationale Bauausstellung IBA Hamburg | 164
2.1 Zur Genese der IBA Hamburg | 165 2.1.1 Der stadtentwicklungspolitische Entstehungskontext | 165 2.1.2 Der kulturpolitische Entstehungskontext | 170 2.1.3 Leitthemen und Projekte der IBA Hamburg | 173 2.1.4 Die IBA Hamburg zwischen Eigenständigkeit und Abhängigkeit | 182 2.2 Strategische Kreativplanung der IBA Hamburg | 184 2.2.1 Vom „IBA Kunst & Kultursommer“ zum „Kreativen Quartier“ | 185 2.2.2 Programmatik und Handlungsansätze des „Kreativen Quartiers“ | 188 2.2.2.1 Räume für die Kunst | 189 2.2.2.2 Kreative Ökonomien – Kunst macht Arbeit | 192 2.2.2.3 Elbinsel Sommer/ Kunstplattform | 195 2.2.2.4 Projekte der kulturellen Vielfalt | 200 3. Das Forschungsdesign | 203
3.1 Leitende Forschungsfragen | 203 3.2 Zur qualitativen Datenerhebung | 205 3.2.1 Der Einzelfall als Untersuchungseinheit | 207 3.2.2 Experteninterviews | 209 3.2.3 Der Interviewleitfaden | 213 3.2.4 Das semantische Differential | 216 3.3 Zum qualitativen Analyseverfahren | 219 3.3.1 Die qualitative Inhaltsanalyse | 220 3.3.2 Der Kodierleitfaden | 222 4. Analyseergebnisse | 224
4.1 Strategische Kreativplanung der Stadt | 225 4.1.1 Der Wirkungszusammenhang von Kreativität und Stadt | 225 4.1.2 Kreativitäts- und Planungsverständnisse | 236 4.1.3 Governanceformen | 240 4.1.4 Bezüge zur Cultural Theory | 249 4.2 Strategische Kreativplanung der IBA Hamburg | 258 4.2.1 Zielsetzungen | 258
4.2.2 Kreativitäts- und Planungsverständnisse | 264 4.2.3 Ansätze der Planungspraxis | 269 4.2.3.1 Programmatik vs. Umsetzung | 270 4.2.3.2 Governanceformen | 290 4.2.3.3 Bezüge zur Cultural Theory | 297 4.2.4 Konsequenzen | 300 4.2.5 Übertragbarkeit und Modellhaftigkeit | 306 5. Strategische Kreativplanung als Urban Governance? | 311 Literatur | 331
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abb. Anm.d.V. bspw. bzw. ca. ebd. et al. f., ff. Herv. i.O. Herv. d.Verf. Hg. i.d.R. IBA insg. Kap. Mio. Mrd. S. sog. Tab. u.a. vgl. z.B. z.T. zit. nach
Abbildung Anmerkung der Verfasserin beispielsweise beziehungsweise circa ebenda et alteri folgende, fortfolgende Hervorhebung im Original Hervorhebung der Verfasserin Herausgeber in der Regel Internationale Bauausstellung insgesamt Kapitel Millionen Milliarden Seite sogenannte Tabelle unter anderem vergleiche zum Beispiel zum Teil zitiert nach
Vorwort
Die vorliegende Studie umfasst meine Dissertation, die meinem großen Interesse rund um das Thema ‚Kreativität‘, insbesondere in seiner komplexen Verflechtung mit dem Topos ‚Stadt‘ entspringt. An erster Stelle möchte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Volker Kirchberg sowie meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Ulf Wuggenig von der Leuphana Universität Lüneburg bedanken, die stets wertvolle Impulse und Denkanstöße in unsere inhaltlichen Diskussionen eingebracht und mich darüber hinaus immer wieder ermutigt haben, weit über den Tellerrand zu schauen. Ich bedanke mich bei meiner Kollegin Gerti Theis für die Ermöglichung meiner Forschungsarbeit im Rahmen der IBA Hamburg sowie meinen Interviewpartnern für Ihre Geduld und Offenheit bei den Gesprächen, aber auch für das Teilen ihrer Gedanken zu diesem spannenden Thema. Mein besonderer Dank gilt Carena Brenner für ihre präzisen, anregenden Kommentare und motivierenden Worte. Zuletzt möchte ich meinem Mann Philipp sowie meiner Familie von ganzem Herzen danken. Sie haben mich in den vergangenen Jahren über alle – kreativen, geduldigen, motivierenden – Maße bei meiner Forschungsarbeit unterstützt und waren mir dadurch eine unschätzbare Stütze. Hamburg im Februar 2014
Einführung „Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan, geh’n tun sie beide nicht.“ BERTOLT BRECHT/ DIE DREIGROSCHENOPER
Städte sind seit jeher Taktgeber für Neuerungsprozesse gesellschaftlicher, kultureller, politischer und wirtschaftlicher Art. Gleichwohl erfährt das Aufeinandertreffen von Menschen und Kulturen, Traditionen und Innovationen, Wissen und Wirtschaft über die Metapher der ‚kreativen Stadt‘ (Scott 2006a; Lloyd 2006; Landry 2000; Hall 2000, 1998) seit etlichen Jahren eine neue, öffentlichkeitswirksame Kontextualisierung: So rühmen Metropolen rund um den Globus die Effekte einer auf ‚Kreativität‘1 basierenden Stadtentwicklungspolitik, die im fortschreitenden Wettbewerb um wirtschaftlich prosperierende, v.a. aber attraktive und lebenswerte Standorte eine zukunftsweisende Rolle einnimmt. Die Debatte, die den Beginn des 21. Jahrhunderts dominiert, blickt auf eine mehr als 20jährige Wirkungsgeschichte zurück, die ihren Ursprung im Wahlkampf der britischen Labour-Politik der 1990er Jahre findet. Mit der Deklaration des Wirtschaftszweiges der ‚Creative Industries‘ als Beschäftigungs- und Wachstumssektor der Zukunft hatte die Labour-Partei eine Diskussion entfacht, die den Grundstein für die seitdem andauernde Auseinandersetzung um ‚kreative‘ Wirtschaftsfelder, die ‚kreativen‘ Lebensstile ihrer Akteure2 sowie ihre Rolle für die Innovationsfähigkeit von Städten bildet. Aufgegriffen von vielfältigen akademischen Diskursen wie der Stadt- und Regionalforschung, den Wirtschaftswissenschaften sowie der Soziologie, und befördert durch populäre, zuweilen gar als ‚Heilsversprechen‘ deklarierte programmatische Ansätze wie das
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Der Begriff der ‚Kreativität‘ wird aufgrund seiner zahlreichen Definitionsmöglichkeiten in der vorliegenden Studie durchgängig in einfachen Anführungszeichen gekennzeichnet. Zur detaillierten Erläuterung s. Kapitel 1.1.3.
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Die Studie verwendet durchgängig die männliche Beschreibungsform, die weibliche gilt als inkludiert.
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Konzept der ‚Creative Class‘ (Florida 2002) ist der Diskurs heute in einem vorrangig wirtschafts- und stadtentwicklungspolitischen Kontext angelangt, der weit über seine politischen Anfänge hinausreicht. Die vorliegende Untersuchung widmet sich dem weitreichenden Spannungsfeld der politisch-strategischen Nutzbarmachung von ‚Kreativität‘ für die ‚Stadt‘.3 So zeichnen die vergangenen Jahre eine Entwicklung, in der ‚Kreativität‘ – entgegen ihres originären, autonomen Selbstverständnisses – immer häufiger als ‚verräumlichte Ressource‘ für stadtpolitische Interessen in Dienst genommen wird. ‚Kreativität‘ avanciert zu einer vermeintlich regulierbaren Größe, zu einem Steuerungsinstrument, mit dem kulturelle und kreative Prozesse ebenso gestaltbar erscheinen wie stadtentwicklungspolitische Zielvorgaben. Es ist dieses neuartige Planungsverständnis von ‚Kreativität‘, das mit dem eigens zu diesem Zweck eingeführten, analytischen Suchbegriff der ‚strategischen Kreativplanung‘4 der Stadt den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie darstellt. Wie schon mit dem Eingangszitat Brechts angeführt, unterliegt jedoch nicht nur das Planen selbst klaren Grenzen: Inwieweit lässt sich der Untersuchungsgegenstand ‚Kreativität‘ überhaupt strategisch fassen? Wie sehen mögliche Planungs- oder Steuerungsversuche von ‚Kreativität‘ im städtischen Kontext aus? Und wo stößt die Plan- oder Steuerbarkeit an ihre Grenzen? Um den paradox anmutenden Forschungsgegenstand der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zu erfassen, wird in der vorliegenden Arbeit die Cultural Theory (Thompson et al. 1990; Douglas 1978) als Analyserahmen herangezogen. Sie stellt insofern eine Besonderheit für das Untersuchungsphänomen dar, dass sie die Annahme verfolgt, jede Gesellschaft weise genau vier Organisationskulturen
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Laut Luger existieren vielfältige disziplinäre Zugänge und Traditionen zum Topos ‚Stadt‘, die u.a. seit dem Erstarken der Urbanismus-Debatte und in diesem Zusammenhang diskutierten, spezifisch ‚urbanen‘ Lebensweisen eine aktuelle Relevanz erfahren (Vgl. Luger 1994: 16). Für die vorliegende Arbeit wird eine Definition von Weichhart geltend gemacht, nach der ‚Stadt‘ nicht nur als Siedlungsstruktur, sondern „als eine spezifische gesellschaftliche Struktur, ein spezifisches Spektrum von Lebensformen, Befindlichkeiten, sozialen Lagen, Karrieremustern, sozialen Entwicklungschancen und Gefährdungspotentialen, als System von ‚behaviour settings‘ und sozialen Interaktionsmöglichkeiten und wohl auch als Potentialstruktur für die Ausdifferenzierung von Persönlichkeitsmustern“ [Herv. i.O.] (Weichhart 1992: 401) verstanden werden kann.
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Der analytische Suchbegriff der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt wird durchgängig in einfachen Anführungszeichen gekennzeichnet, um die kritische Distanz der Verfasserin zur These der Planbarkeit von ‚Kreativität‘ hervorzuheben. Zur detaillierten Erläuterung s. Kap. 1.2.2.
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auf.5 Die Erfassung der Organisationskulturen entlang zweier Parameter sozialer Kontrolle gibt nicht nur Auskunft über spezifische Wertvorstellungen und Handlungspraxen der jeweiligen Organisationskultur. Der Analyserahmen erlaubt es auch, jedwedes Thema aufzurufen und dieses in Bezug auf den Umgang der einzelnen Organisationskulturen miteinander zu vergleichen. Ein Novum für die vorliegende Arbeit stellt die – in Europa noch weitestgehend unbekannte – Weiterentwicklung der Cultural Theory durch Christopher Hood (1998) dar, der eine Hybridität der einzelnen Kulturen postuliert. Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand bedeutet dies, dass mithilfe des Analyserahmens verschiedene Handlungsansätze zum Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt erfasst werden können: Neben Motiven zur Ausbildung stadtpolitischer Planungsansätze von ‚Kreativität‘ (hierarchische Kultur) werden auch parallele Handlungsansätze deutlich, wie sie bspw. von kreativwirtschaftlichen Unternehmern (individualistische Kultur) oder nicht-ökonomisch agierenden Akteuren aus dem künstlerischen und kulturellen Feld (egalitäre Kultur) erfolgen. Denn auch wenn diese ebenfalls im Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt agieren, unterscheiden sie sich doch maßgeblich in Bezug auf die Zielstellung ihres Handelns. Hybride Ansätze, etwa zwischen der Stadtpolitik und kreativwirtschaftlichen Entrepreneuren oder Akteuren aus dem künstlerischen Feld, weisen besonders interessante Ergebnisse für die Forschungsfrage auf, da sie nicht nur Interdependenzen und Konfliktpunkte, sondern auch strategische Allianzen zwischen den einzelnen ‚Kulturen‘ sichtbar machen. Für die vorliegende Studie ist es ebenjene Fähigkeit der Cultural Theory, die Gesamtheit von Handlungsansätzen – hier im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt – zu vereinen, die sie in besonderer Weise als Analyseinstrument qualifiziert. Kapitel 1: Theoretische Einführung
Das einführende Kapitel 1.1 widmet sich dem Spannungsfeld, das der politischstrategischen Nutzbarmachung von ‚Kreativität‘ für die Stadt entspringt und die Grundlage für die Brisanz und Konflikthaftigkeit des Forschungsgegenstandes darstellt. Den Auftakt der Untersuchung bilden jene kreativitätsbasierten Konzepte, die einen expliziten Wirkungszusammenhang mit der Stadt behaupten und damit eine auf den urbanen Raum fokussierte Nutzungsweise von ‚Kreativität‘ transportieren. Hier sind es v.a. die Modelle der ‚Creative Class‘ (Florida 2002) sowie ‚Creative City‘ (Landry 2000), die eine verklärende Populär-Diskussion zum Thema ‚Kreativität‘ und Stadtentwicklung ausgelöst haben und deshalb kritisch in Bezug auf die
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Ausgehend von zwei Parametern sozialer Kontrolle unterscheidet die Cultural Theory vier Organisations-‚Kulturen‘, die in einer Gesellschaft vorherrschen und jeweils mit bestimmten gesellschaftlichen Gruppen gleichgesetzt werden können (Douglas 1995; Thompson et al. 1990). Zur detaillierten Erläuterung s. Kap. 1.3.
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Verflechtung von ‚Kreativität‘ mit dem urbanen Raum beleuchtet werden sollen. Gegenläufige Ansätze werden anhand der Konzepte ‚kreatives urbanes Milieu‘ (Merkel 2009; Hessler/Zimmermann 2008), ‚Neo-Bohemia‘ (Lloyd 2006) sowie ‚Creative Field‘ (Scott 2006a) dargelegt.6 Bei allen Ausführungen gilt es, die Spannungsfelder urbaner Kreativitätsdiskurse und ihrer Lesart – insbesondere hinsichtlich politischer Steuerungsversuche – aufzuzeigen und daraus forschungsrelevante Fragen für die vorliegende Untersuchung abzuleiten. Dazu gehört auch die Metamorphose des ‚Kreativitäts‘-Begriffes, die sich als paradigmatisch für die Indienstnahme desselben für wirtschafts- und stadtentwicklungspolitische Interessen sowie von Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt darstellt. Die Anzahl der in den letzten Jahren entstandenen Kreativitätsdiskurse ist immens und in seiner Gänze nicht Grundlage der vorliegenden Studie. Vielmehr rückt Kapitel 1.2 jene Anwendungen von ‚Kreativität‘ in den Fokus, die in ihrer Wirkungsweise einen urbanen Fokus aufweisen und als sog. ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt in stadtentwicklungs- und kulturpolitischen Kontexten Verwendung finden. Im Rückgriff auf planungstheoretische Grundlagen und ihren Zugang zu einem ‚strategischen Planungsverständnis‘ erfolgt eine definitorische Annäherung an den Untersuchungsgegenstand. Die Rückkopplung erscheint deshalb relevant, weil der Grundgedanke der strategischen Planung, keine vorgegebenen Zielstellungen zu entwerfen, sondern Handlungsoptionen aufzustellen, die zum Erreichen des Planungsziels beitragen (Frey et al. 2008; Ossadnik 2003), mit dem Thema ‚Kreativität‘ auf einen Untersuchungsgegenstand trifft, der sich in seinem Selbstverständnis jeglicher Planung verweigert (Bröckling 2004). In der Praxis erfordert dieses Verständnis nicht nur eine integrative Betrachtungsweise, sondern auch eine besondere Form der Koordinierung und Steuerung der Gesamtheit der in die strategische Planung involvierten Akteure und Aktivitäten. Dieser wird mit der Einführung des politischen Diskurses der Governance entsprochen, der sich mit der Maßgabe ausgebildet hat, geläufige Regierungsformen zugunsten von informellen und nichtinstitutionalisierten Kooperations-, Interaktions- und Steuerungsformen zu durchbrechen (Benz et al. 2007). Ausgehend von der Annahme, dass ‚Kreativität‘ weder planbar noch vorhersagbar ist, soll mit der Anwendung des Analyserahmens der Cultural Theory und ihrer Weiterentwicklung durch Hood (1998) in Kapitel 1.3 die gängige Praxis der Nutzbarmachung von ‚Kreativität‘ als ökonomische und räumliche Ressource durchdrungen werden. Anhand der Gesamtheit der Handlungsansätze im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt wird aufgezeigt, dass es weitaus mehr als ‚geplante‘
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Die Diskursbegriffe ‚Creative Class‘, ‚Creative City‘, ‚kreative urbane Milieus‘ sowie ‚Creative Fields‘ werden in der vorliegenden Studie durchgängig in einfachen Anführungszeichen wiedergegeben.
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Ansätze vonseiten stadtpolitischer Akteure gibt, um das Thema gemäß seiner vielschichtigen Logik zu befördern. Diese Vorgehensweise ermöglicht nicht nur eine Kontrastierung von städtischen Planungsversuchen mit gegenläufigen, d.h. in diesem Zusammenhang ‚ungeplanten‘ Ansätzen, ihren Grundverständnissen und Zielstellungen, sie gibt auch Einblick in mögliche Schnittstellen der involvierten Akteure und Kulturtypen. Kapitel 1.4 lenkt den Fokus zurück auf die städtische (d.h. im Cultural TheoryVerständnis hierarchische) Kultur, welche die zu untersuchende Handlungsperspektive der vorliegenden Studie darstellt. Hier soll aufgezeigt werden, dass städtische Strategien nicht länger nur als reine Top-Down Maßnahmen konstituiert sind, sondern immer häufiger im Rückgriff auf die Handlungslogik anderer Kulturen erfolgen – eine Entwicklung, die im Rahmen der vorliegenden Studie mithilfe des Ansatzes von Hood (1998) Rechnung getragen wird. Neben hierarchischen Ansätzen in Reinform (kulturelle Festivalisierung, kulturell-kreative Leuchtturm-Projekte, ‚Creative City‘-Narrative) sollen hierarchisch-individualistische Hybride (3-TModell, ‚kreative Cluster‘-Förderung) sowie hierarchisch-egalitäre Modelle (‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘) aufgezeigt und anhand internationaler Praxisbeispiele illustriert werden.7 Allen Ansätzen ist gemein, dass sie eine Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ suggerieren, die mit spezifischen Instrumenten erfassbar erscheint. Obwohl oder gerade weil der Begriff der ‚Kreativität‘ in stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen zu seiner Nutzbarmachung teilweise sehr undifferenziert verwendet wird, sind zuletzt vielfältige negative Konsequenzen zu verzeichnen. Diese werden in Kapitel 1.5 im Rückgriff auf stadtsoziologische Theorien der Moderne und Postmoderne abschließend als Kritik der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt dargelegt. Kapitel 2: Die Einzelfallstudie
Die gewonnenen Erkenntnisse zu Ansätzen und Konsequenzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt werden in Kapitel 2 auf das Anwendungsbeispiel der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg übertragen, die sich deutlich in die Nutzung von kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien einreiht. Von der Stadt Hamburg als Instrument zur Umsetzung des stadtentwicklungspolitischen Leitprojektes „Sprung über die Elbe“8 ins Leben gerufen, kam ihr die Aufgabe zu, im Zeitraum von 2007 bis 2013 eine ‚Revitalisierung‘9 des südlichen Hamburger Elbraums zu leisten. Neben einem Fokus auf bauliche Projekte gehörten zur Umsetzung auch
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Spezifische Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt werden zur Kennt-
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Zur detaillierten Erläuterung s. Kap. 2.1.1.
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Zur detaillierten Information s. Kap. 1.1.
lichmachung in der vorliegenden Studie durchgängig kursiv abgebildet.
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Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, die im IBA-Projekt „Kreatives Quartier Elbinsel“ Gestalt annahmen. Die IBA Hamburg stellte sich aus zweierlei Gründen als hochgradig interessantes Untersuchungsobjekt dar: Als Modell der kulturellen Festivalisierung zeichnete sie einerseits einen hierarchisch geprägten Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt – auch wenn ihr durch ihre mehrjährige Dauer differenziertere Zielstellungen und Ansprüche im Vergleich zu kurzweiligen Festivalisierungsformaten zugrunde lagen. Andererseits ließ ihr Selbstverständnis als stadtplanerisches, experimentelles „Entwicklungslabor“ (Durth 2010: 67) auf Aktivierungsansätze von ‚Kreativität‘ hoffen, die sich aufgrund ihres Status v.a. durch Unkonventionalität und losgelöst von geläufigen Festivalisierungsmethoden auszeichnen. In der Hamburger Praxis traf das prozesshafte und ergebnisoffene Selbstverständnis einer IBA auf offenkundige Zwänge, etwa den Realisierungsdruck derselben zur Erfüllung des stadtentwicklungspolitischen Leitprojektes „Sprung über die Elbe“. Für das Forschungsvorhaben wurden die Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg und die dem Format geschuldeten Erwartungen an ein experimentelles Vorgehen deshalb in den Fokus gerückt. Auch wenn die IBA Hamburg ein interessantes Untersuchungsbeispiel darstellt, ist die vorliegende Studie in ihrer Reichweite zugleich deutlich über diese hinaus angelegt. So ist die ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt nicht nur ein Thema von internationalem Interesse, sondern eines, das ebenso von kontinuierlichen Neuerungsprozessen durchdrungen ist. Die vorliegende Studie begreift die IBA Hamburg deshalb als Mikroebene, spannt den Bogen aber auch zur international beobachtbaren Kreativitätspolitik auf Makroebene. Kapitel 3: Das Forschungsdesign
Im Rückgriff auf die Cultural Theory und ausgehend von der Mikroebene IBA Hamburg greift die vorliegende Studie die folgenden Forschungsfragen auf: • Welche Ansätze einer ‚strategischer Kreativplanung‘ der Stadt sind – im Rückgriff auf die Definition auf Basis der Cultural Theory – im Kontext der IBA Hamburg vorherrschend? • Welches Kreativitäts- und Planungsverständnis zeichnet sich in den Maßnahmen der IBA Hamburg ab, welche Ziele sind damit verbunden? • Wie gestaltet sich die Umsetzung im Rahmen der IBA Hamburg? • Was sind Konsequenzen der praktizierten ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt auf der Hamburger Elbinsel? • Und welche Interventionsmöglichkeiten sind – ausgehend vom Beispiel der IBA Hamburg – aus stadtentwicklungspolitischer Sicht für das Steuerungsparadoxon ‚Kreativität‘ zu erkennen?
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Die Analyse der Forschungsfragen erfolgte aus kulturwissenschaftlicher Sicht und begegnete dem vielschichtigen Untersuchungsgegenstand ‚Kreativität‘ aus einer interdisziplinären Forschungsperspektive. Das Forschungsdesign umfasste eine qualitative empirische Datenerhebung über 22 Experteninterviews. Des Weiteren wurde die Methodik der teilnehmenden Beobachtung geltend gemacht, da die Verfasserin von 2007 bis 2013 im Rahmen des Projektes „Kreatives Quartier Elbinsel“ als Mitarbeiterin der IBA Hamburg tätig war, was eine hohe Innensicht in die Arbeitsabläufe der Einrichtung ermöglichte.10 Kapitel 4: Forschungsziele
Im Mittelpunkt von Kapitel 4 stehen mit der Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt verbundene Kreativitäts- sowie Planungsverständnisse, die offengelegt und in Bezug auf ihre Realisierbarkeit durch den Einsatz von GovernanceModellen geprüft werden. Daran anknüpfend werden konkrete Interaktionsmöglichkeiten diskutiert, wie Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ von städtischer Seite unterstützt werden können, ohne dabei die geläufige Praxis der ‚Leerformel‘ (Topitsch 1960) – nach der eine Praxis leer sein muss, um wirken zu können11 – weiter zu bedienen, sondern das Konzept inhaltlich aufzuladen, ohne die Konsequenzen außer Acht zu lassen, die ein solches strategisches Vorgehen vielfach impliziert. Aufgrund der umfassenden Auseinandersetzung mit der Cultural Theory und ihrer Anwendung auf den Untersuchungsgegenstand einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt wird der Anwendungsteil der vorliegenden Studie weniger als hypothesengeleitete empirische Studie, denn als Illustration der theoretischen Erkenntnisse anhand des Fallbeispiels IBA Hamburg verstanden. Dies spiegelt sich zuletzt auch in der Gewichtung der theoretischen Kapitel gegenüber dem Analyseteil wider.
10 Zur detaillierten Erläuterung der teilnehmenden Beobachtung durch die Verfasserin s. Kap. 3.2. 11 Eine detaillierte Erläuterung des Ansatzes der ‚Leerformel‘ erfolgt in Kap. 1.1.3.
1. Strategische Kreativplanung der Stadt „The urban is equated with creativity; the city appears to provide the conditions necessary for the promotion of creative work, inventiveness and innovation.” HESSLER/ZIMMERMANN 2008: 12
Obwohl Städte traditionell betrachtet schon immer Zentren von Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ sind, gilt dieser Gegenstand seit nunmehr zwei Jahrzehnten als politisch-strategische Programmatik. Anstelle der bislang forcierten Quantität von kulturellen Qualitätsmerkmalen sind viele Stadtpolitiken heute von der Maßgabe geleitet, ein einzigartiges städtisches Flair, eine Atmosphäre und damit ein singuläres Lebensgefühl zu konstruieren, die „nach innen und nach außen in einem Bild symbolisch verdichtet werden“ (Göschel 2006: 238). Die kulturbasierte Konstruierung von Stadt als urbanes Produkt mit Markenqualität steht sinnbildhaft für diese neue Form der Standortpolitik, bei der hochqualifizierte, mobile Wissensarbeiter mit dem Versprechen des städtisches Flairs als „Seins-Produkt“ geködert werden sollen (Schulze 2000, zit. nach Göschel 2006: 239). Die in den 1990er Jahren noch unter dem Stichwort des Humankapitals geführte Debatte wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch den Begriff ‚Talente‘ ersetzt und schließlich mit der Vokabel der ‚Kreativität‘ überschrieben – als vermeintlicher Gradmesser für die Lebensqualität vor Ort, aber auch für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Standorten. Die in diesem Zusammenhang vorherrschenden Diskurse um die ‚Creative Class‘ (Florida 2002) oder ‚Creative City‘ (Landry 2000) zeugen eindringlich von der zunehmenden Attribuierung von Städten mit kreativen, d.h. hier humankapitalbezogenen Eigenschaften. Allen Ansätzen ist darüber hinaus gemein, dass sie eine spezifische Verräumlichung von ‚Kreativität‘ postulieren, die sich in vielfältigen stadtentwicklungspolitischen Programmen niederschlägt. Das einleitende Kapitel (1.1) widmet sich dem propagierten Verflechtungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt als grundlegende Voraussetzung für das vorliegende Forschungsthema. Dabei geht es weniger darum, auf den urbanen Raum fokussierte Kreativitätskonzepte detailliert zu erfassen, als diese in Bezug auf
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ihr Nutzungsverständnis von ‚Kreativität‘ kritisch zur Disposition zu stellen. In diesem Zusammenhang soll auch die in den letzten Jahren zu verzeichnende Transformation des Begriffes ‚Kreativität‘ aufgezeigt werden, die sich maßgeblich auf die Ausgestaltung der Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ ausgewirkt hat. Kapitel 1.2 erfasst die vielfältigen Entwicklungsansätze für eine ‚Kreativitätspolitik‘ im urbanen Raum sodann mit dem Neologismus der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt. Dieser wird zunächst als analytischer Suchbegriff verstanden, der es der Verfasserin ermöglicht, die skizzierte Handlungspraxis in ihrer Vielschichtigkeit aufzugreifen, ohne bereits eine detaillierte Definition vorausschicken zu müssen. Nach einer planungstheoretisch basierten, terminologischen Annäherung an den Untersuchungsgegenstand der ‚strategischen Planung‘ gilt es, die Erkenntnisse auf die Praxis einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zu übertragen. Die Annahme einer ‚Planbarkeit‘ von kreativen Prozessen wird dabei immer wieder mit den inhärenten Paradoxien des Untersuchungsgegenstandes kontrastiert. Zugleich wird der Diskurs der Governance als beispielhafter Steuerungsmodus städtischen Handelns ergänzend hinzugezogen. Kapitel 1.3 zeigt im Rückgriff auf die Cultural Theory (Thompson et al. 1990; Douglas 1978) sowie ihrer Erweiterung durch Hood (1998) schließlich konkret zu beobachtende Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt auf. Nach einer Vorstellung von internationalen Praxisbeispielen, die mit dieser Praxis einhergehen, und ihrem Umgang mit dem Spannungsfeld der Unplanbarkeit der Materie in Kapitel 1.4, lenkt Kapitel 1.5 abschließend den Blick auf die Konsequenzen der Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt.
1.1 K REATIVITÄT
UND
S TADT
Die Überführung der Kreativitätsdebatte in den Stadtentwicklungskontext basiert auf einschneidenden städtischen, wirtschaftlichen sowie kulturpolitischen Transformationsprozessen. Die Ausgangssituation findet sich im Wandel der städtischen Ökonomie der westlichen Welt, die sich in den 1990er Jahren trotz zu verzeichnender ‚entgrenzender‘ Entwicklungstendenzen (Döhl et al. 2000) mit einer ‚Rückbettung‘ (Läpple 2003) nach neuen fühlbaren Raumzusammenhängen konfrontiert sah. Neben der Neuentdeckung der räumlichen Bindung der ‚Ressource Wissen‘ stehen seit den 1990er Jahren v.a. Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ im Fokus von Standortund Wirtschaftspolitiken weltweit – als Gradmesser für lokale Lebensqualitäten, aber auch als ökonomischer Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Standorten. Die Ausrichtung städtischer Entwicklungsstrategien an diesen Paradigmenwechsel
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ist als ‚Kulturalisierung der Stadtpolitik‘ (Häußermann et al. 2008)1, aber auch als Politik der ‚unternehmerischen Stadt‘ (Harvey 1989) umfassend diskutiert und kritisiert worden. Heute findet die Einbindung von Kunst und Kultur als Werkzeuge für eine ‚urbane Revitalisierungspolitik‘2, für die Zukin (1998) den Begriff der „Ökonomie der Symbole“3 geprägt hat, wie selbstverständlich Anwendung, etwa im Rahmen der Konversion brachliegender Produktions- und Industriestätten in konsum- und freizeitorientierte Großprojekte oder der erlebnisorientierten Gestaltung von Plätzen oder Institutionen (Vgl. Merkel 2009: 28ff.). Dabei schlagen sich die skizzierten Transformationsprozesse um eine Ökonomisierung und Urbanisierung von Kultur(politik) auch deutlich in der begrifflichen Diskussion nieder. Galt die in den 1990er Jahren mit dem Begriff der ‚Cultural Industries‘ im anglo-amerikanischen Kontext initiierte Debatte noch der Erfassung der Entstehung neuer kultureller Teilmärkte und ihrer Produktionsbedingungen, hat die Debatte seitdem nicht nur zu einer Aufweichung der Kulturindustrie-These der Frankfurter Schule geführt, das neue Kulturökonomie-Verständnis4 wurde durch das politische Label der ‚Creative Industries‘ – in Deutschland ‚Kreativwirtschaft‘ – zusätzlich verstärkt.5 Dabei
1
Waren räumliche Bezüge ursprünglich nur eine Teilfunktion von Kunst und Kultur, gelten sie – u.a. befördert durch die Entwicklung von kulturbasierten urbanen Revitalisierungsstrategien – heute nicht selten als (ökonomische) Maxime. Die ‚Kulturalisierung der Stadtpolitik‘ muss deshalb nicht nur als ‚Ökonomisierung von Kultur‘, sondern auch als ‚Urbanisierung von Kulturpolitik’ diskutiert werden.
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Urbane Revitalisierung gilt als Ansatz einer auf Stadterneuerung zielenden Stadtpolitik. Ziel ist es, ausgewählte Quartiere bezüglich ihrer baulichen, kommerziellen und sozialen Gestalt zu erneuern (Vgl. Holm 2006: 66). Dazu kommen Instrumente der Stadt(teil)entwicklungsplanung, der Standortpolitik sowie der Wohnungs- und Sozialpolitik zum Tragen (Vgl. Dangschat 1992: 136). Obgleich urbane Revitalisierungspolitiken Schnittflächen mit der Gentrifizierungsdebatte aufweisen, sind sie zugleich von dieser abzugrenzen, da „nicht alle baulichen Aufwertungsprozesse und Investitionen in ein Gebiet zugleich Gentrification sind“ (Holm 2006: 66).
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Das Konzept versinnbildlicht die materialistische Aneignung von Kunst und Kultur für den städtischen Raum, deren Produktion sich zu einem großen Teil aus der Produktion kultureller Symbole speist (Vgl. Zukin 1998: 27).
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Cultural Industries propagierten weniger eine Indienstnahme kultureller Produkte als eine Anerkennung bestehender Abhängigkeiten und Interaktionen zwischen dem ökonomischen und kulturellen Feld, wie sie bereits durch Bourdieus Feldtheorie erfasst worden sind (Bourdieu 1993).
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Dabei ist zu hinterfragen, ob die vielfach zitierte volkswirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft faktisch wirklich gegeben ist oder ob sie nicht erst durch die Definitionserweiterung künstlich geschaffen wurde.
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stellt sich der Übergang von kultur- zu kreativitäsbasierten Ansätzen zugleich als Bild für die Transformation von akademischen Diskursen (Kulturindustrie, ökonomie) hin zu politischen Diskussionen und programmatischen Setzungen (Cultural und Creative Industries, Kultur- und Kreativwirtschaft) dar (Vgl. Lange 2007: 75). Die Stilisierung des Faktors ‚Kreativität‘ zu einer global-wirtschaftlichen Handlungsprogrammatik wirkt sich auch heute noch maßgeblich auf die Förderpolitik von künstlerischen und kulturellen Gütern aus.6 Zugleich existiert – trotz zahlreicher internationaler Förderprogramme – keine kohärente Förderpolitik. Deutschland etwa begegnet der Debatte um zugehörige Teilbereiche mit dem Mischkonzept der Kultur- und Kreativwirtschaft, dessen seit 2009 staatlich abgestimmte Definition sie mithilfe des Drei-Sektoren-Modells nach Weckerle/Söndermann (2003) erfasst, das auf starke Interdependenzen zwischen den einzelnen Sektoren rekurriert – wenngleich der idealtypische Charakter des Modells durchaus in Frage zu stellen ist.7 Das definitorische Mischkonzept von Kultur- und Kreativwirtschaft liegt auch der vorliegenden Studie zugrunde. Um zu überprüfen, wie ‚Kreativität‘ angesichts des skizzierten Zusammenhangs zu einem zentralen Instrument einer ökonomischen und urbanen Regenerationspolitik avancieren konnte, sollen im Folgenden nicht nur die urbane Dimension des Untersuchungsgegenstandes geprüft (1.1.1), sondern auch einzelne Anwendungsmodelle (1.1.2) und damit verbundene Nutzungsverständnisse von ‚Kreativität‘ diskutiert werden (1.1.3).
1.1.1 Zur urbanen Dimension von Kultur- und Kreativwirtschaft Die Fokussierung der Stadtentwicklungspolitik auf die ‚Ressource Kreativität‘ ist durch einige einschneidende politische Ereignisse sowie prägnante Ansätze einzelner Theoretiker bestimmt. Während das Thema zunächst wirtschaftpolitisch ausge-
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Während das Thema ein neues öffentliches Bewusstsein für die Heterogenität des Kultursektors schuf, verschärfte es zugleich die Sorge um die Errungenschaften der öffentlichen Kulturförderung und den Verlust des Künstlerisch-Schöpferischen (Vgl. Quenzel/ Lottermann 2009: 12). Spannungsverhältnisse zeichnen sich bspw. zwischen einem normativ ästhetischen Kulturverständnis und einem erweiterten, auch ökonomisch fundierten Kulturbegriff ab (Vgl. Deutscher Bundestag 2007: 333).
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Mittlerweile gilt Kulturwirtschaft als eigenständiger Wirtschaftszweig, aber auch wesentlicher Bestandteil des kulturellen Sektors und somit als Handlungsfeld für die Kulturpolitik. Voraussetzung für die Anerkennung bleibt die Akzeptanz der Koexistenz des öffentlich geförderten und des gemeinnützigen Sektors (Vgl. Söndermann 2006: 59).
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richtet war, gilt es seit etlichen Jahren als wesentlicher Bestandteil von Stadtentwicklungspolitik. Grund ist zum einen, dass räumliche Nähe in der Kultur- und Kreativwirtschaft eine größere Rolle spielt als in anderen Branchen (Vgl. Held/ Kruse 2005: 10), zum anderen den einzelnen Teilmärkten „Abstrahlungseffekte“ (Merkel 2009: 15) in Bezug auf wirtschaftliches Wachstum und revitalisierenden Städtebau attestiert werden. Im Zusammenhang mit der Frage nach der Interdependenz von kultur- und kreativwirtschaftlichen Teilmärkten mit dem urbanen Raum ist weiterhin die Tatsache entscheidend, dass diese in überaus starkem Maße durch die Bildung von Clustern8 geprägt sind, die als wirtschaftliche und gesellschaftliche Restrukturierungsformen der Kulturproduktion zugleich fungieren (Cooke/ Lazerretti 2008; Lange 2007; Bürkner 2004; Krätke 2002; Florida 2002; Helbrecht 1998). So trägt die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur zur Verstärkung von räumlich gebundenen Arbeits- und Lebensformen bei, sondern auch zu einer neuen Form der Rückkopplung ihrer Akteure an die Stadt. Obwohl eine Vielzahl von Kartierungen9 die Konzentration kultur- und kreativwirtschaftlicher Teilmärkte in Städten oder regionalen Ballungsräumen mit einer bestimmten Größe und Zentralität belegt, wirkt sich dieses Vorgehen zugleich erschwerend auf die Kreativitätsdebatte aus. Indem der eigentlich als flexibel geltenden Professionsgruppe ‚der Kreativen‘ eine Wechselwirkung mit dem urbanen Raum attestiert wird, geraten sie nicht selten zu (zumeist ungewollten) Triebkräften eines gezielten ‚Placemaking‘.10 In der Konsequenz führt diese Praxis dazu, dass der vielfältige Wirkungszusammenhang des urbanen Raumes mit der Kultur- und
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Sektorale und räumliche Konzentrationen von Unternehmen oder Institutionen, die in Anlehnung an Porter (1990) als Cluster bezeichnet werden, treten in den verschiedensten Branchen auf und reichen von industriellen Fertigungsprozessen über Dienstleistungen bis hin zu Kulturproduktionen. Dabei spielt insbesondere die „Qualität der Interaktionen der Cluster-Akteure (Unternehmen und Institutionen)“ (Krätke 2002: 12) eine entscheidende Rolle. Zur detaillierten Erl#uterung s. Kap. 1.4.2.2.
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Krätke etwa hatte für das Jahr 2000 eine Verteilung der kultur- und kreativwirtschaftlichen Cluster in Deutschland nach ihrem sektoralen Profil (Sparten Film/TV/Rundfunk, Verlagswesen, Werbung, Theater/Künste) vorgelegt (Vgl. Krätke 2002: 201).
10 Bürkner (2004: 160) versteht ‚Placemaking‘ als eine Formung physischer Orte durch die symbolische Praxis ausgwählter Akteure. Angelehnt an die Praxis der ‚Ökonomie der Symbole‘ (Zukin 1998) ist die Interdependenz von Akteuren und Räumen seit den 1980er Jahren insbesondere für wirtschafts- und stadtentwicklungspolitische Strategien von großem Interesse. Erhöhte Aufmerksamkeit kommt kulturellen und kreativen Akteuren zu, deren symbolische Kodierungen sie zu Raumproduzenten avancieren lassen (Vgl. Kap. 1.2.2).
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Kreativwirtschaft auf eine Dimension verkürzt wird, in der ‚Kreativität‘ zunehmend mit einem verräumlichten Nutzungsverständnis gleichgesetzt wird. Die Frage nach dem faktischen Wirkungszusammenhang lässt sich in Anlehnung an Merkel anhand der vier Merkmale Agglomeration, Zentralität, Urbanität und Lokalität überprüfen. Die Kriterien, die sich aus den Disziplinen der Regionalwissenschaft, der Ethnologie und der Stadtsoziologie speisen, liefern unterschiedliche Gründe für die Ansiedlung und die Entfaltung der Kultur- und Kreativwirtschaft im städtischen Raum (Vgl. Merkel 2009: 52). Dabei gewähren sie u.a. einen Einblick in jene Einfallsmomente, die das Thema ‚Kreativität‘ für die Stadtentwicklung so begehrlich macht. Agglomeration und Urbanität
Das der Regionalökonomie entspringende Argument der Agglomeration leitet die Interdependenz der kultur- und kreativwirtschaftlichen Teilmärkte mit dem urbanen Raum über ihre Eigenschaft zur Cluster-Bildung ab. Als Hauptargument gelten die Produktionsvorteile, die durch die räumliche Konzentration einzelner Teilbranchen entstehen. Während regionalökonomische Ansätze vorwiegend von ökonomischen Notwendigkeiten ausgehen, betonen wissenstheoretische Zugänge die sozialen und kulturellen Vorteile einer räumlichen Ballung in sog. ‚kulturellen Clustern‘. Dazu gehören die Möglichkeit zur Netzwerkbildung über Face-to-Face-Kontakte oder die Teilhabe an sozialen Interaktionsbeziehungen, die langfristig ebenfalls ökonomische Wirksamkeit versprechen. Der städtische Raum agiert als Auffangbecken für das Raum- und Agglomerationsbedürfnis der Akteure sowie als Kommunikationsplattform, von der ausgehend Kreativszenen geformt und soziale Teilhabe an den einzelnen Netzwerken und Szenen verhandelt werden (Vgl. Lange 2007: 15). Damit greifen die ausgewählten Orte sowohl die Alltagsorientierungen der Akteure als auch die ökonomischen Rahmenbedingungen ihrer Professionen auf (Vgl. Bürkner 2004: 165). In Anlehnung an McRobbie kann der Diskurs der Kultur- und Kreativwirtschaft dabei auch als Sinnbild für die Verzahnung von postfordistischen Arbeitsbedingungen der globalen Dienstleistungsökonomien mit der verstärkten Bedeutung von Ort und Raum verstanden werden, die wesentlich für die Konstitution des Städtischen sind (Vgl. McRobbie 2005: 81f.). Das Argument der Urbanität erweitert die Debatte zur räumlichen Konzentrierung der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft um eine soziale und soziokulturelle Dimension. Demnach ist die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur auf räumlich-strukturelle Merkmale von Großstädten fokussiert, sondern außerdem von ausgewiesenen sozio-kulturellen Charakteristiken geleitet, die Standorte als „sticky places in slippery slopes“ (Markusen 1996: 293) hervortreten lassen. Obwohl kulturelle Cluster in einen globalen Verflechtungszusammenhang eingebettet sind, beziehen sie sich auch auf bestimmte – als ‚urban‘ gekennzeichnete – lokale Raumqualitäten, die ausgewählte Orte zu ebenjenen ‚sticky places‘ werden lassen. Die
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Definition von Urbanität ist dabei mit einer weitreichenden Diskussion um den Terminus selbst verbunden, der – entsprechend der jeweiligen Forschungsrichtung – entweder als Individualmerkmal im Sinne eines bestimmten Lebensstils, eines Ethos oder als physisches Charakteristikum in Bezug auf urbane Dichte interpretiert werden kann (Vgl. Merkel 2009: 57). Während Urbanität zu Beginn des 20. Jahrhunderts bspw. noch eng mit räumlich-strukturellen Charakteristiken verknüpft war, die in städtebaulichen Konzepten wie der Europäischen Stadt11 ihre Entsprechung fanden, löste sich die Bezeichnung im Laufe der Debatte zunehmend vom Feld der Architektur und der Stadtentwicklung. Insbesondere die 1960er Jahre, in denen städtischen Verfallprozessen mit der städtebaulichen Leitformel „Urbanität durch Dichte“ begegnet worden war, haben deutlich gemacht, dass bauliche Dichte keineswegs mit der Dichte urbaner Interaktionen gleichgesetzt werden kann (Vgl. Eisinger 2004: 96). Gestützt von der Annahme, dass Urbanität erst durch die Überlagerung von baulicher, funktionaler und sozialer Dichte entsteht12, wurde die Diskussion in der Folge in einen breiteren sozialwissenschaftlichen Diskurs überführt, wo sie sich mittlerweile unter dem Oberbegriff des Urbanismus, der von soziologischen über soziokulturelle bis hin zu städtebaulichen Definitionsansätzen reicht, als eigenständiger Forschungszweig etabliert hat. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung interessiert Urbanität insbesondere in ihrer Funktion als Charakteristikum bestimmter Stadträume und als spezifische Lebensweise. Damit knüpft die Debatte u.a. an die Arbeiten von Simmel (1903) sowie Wirth (1938) an. Letzterer hatte bereits im Jahr 1938 mit seinem Aufsatz „Urbanism as a Way of Life“ die Ausbildung einer spezifisch urbanen Lebensweise analog zur fortschreitenden Verstädterung der Welt konstatiert. Ziel Wirths war es, die von Simmel aufgestellten Charakteristika des Großstadtlebens13 und die vom
11 Die Europäische Stadt gilt seit ihrer Entstehung im Mittelalter als Sinnbild für die urbanisierte und industrialisierte Stadt des 19. Jahrhunderts. Obwohl sie zugleich Ort und Symbol für eine kulturell-gesellschaftliche Lebensform ist, die durch Verhalten, Toleranz und Offenheit gegenüber dem Fremden geprägt ist, wird das Modell heute – v.a. in ihrem Verständnis als geplante Stadt – von Kritikern zunehmend als „rückwärtsgewandte Utopie“ (Siebel 2000: 30) bewertet. 12 Angesichts des komplexen Verständnisses von Urbanität und seinen vielfältigen Gelingensbedingungen geraten geläufige Urbanisierungsansätze, wie die Etablierung von sog. ‚Urban Entertainment Districts’ zunehmend in die Kritik. Im Fokus steht die Konformität, die die Entwicklung urbaner Interaktionsräume – im Sinne von städtischen Reibungen und Vielfalt – eher vermeide als befördere (Vgl. Siebel 2000: 30). 13 Simmels Charakteristika des Großstädters und seiner urbanen Erfahrungsweisen gelten als wegweisend für die Urbanismusdebatte und waren Grundlage für vielfältige interdisziplinäre Abhandlungen (Simmel 1903).
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ihm geprägten Variablen Größe, Dichte und Heterogenität als definitorische Merkmale einer „Lebensform Urbanität“ (Wirth 1938: 10ff.) und damit als Basis für die besondere Produktivität von Städten zu beschreiben.14 Aus der heutigen Forschungsperspektive wird deutlich, dass Wirths Weiterentwicklung des Simmelschen Ansatzes u.a. den Grundstein für die heutige Kreativitätsdebatte legte, bei der die Akteure der ‚Creative Class‘ urbane Lebensstile nachfragen, diese zugleich aber auch produzieren. Im Vergleich zu seinem Vorläufer ist das heutige Verständnis von Urbanität als Lebensweise allerdings weniger an konkrete Stadtkonzepte als an Orte mit spezifischen Eigenschaften gebunden. Im Rahmen der Kultur- und Kreativwirtschaft spielen insbesondere die Variablen Dichte und Heterogenität eine entscheidende Rolle. Während räumliche Nähe zum einen darüber entscheidet, ob soziale Interaktionen zwischen den kulturellen und kreativen Akteuren entstehen kann, ist es zum anderen die Heterogenität von Orten, die den Nährboden für eine gelingende Interaktion bereitstellt (Vgl. Merkel/Oppen 2010: 16f.). Das dem Ansatz zugrundeliegende Urbanitätsverständnis bezieht sich also v.a. auf spezifische Normen wie Offenheit oder Toleranz, die ein Klima schaffen, das durch Innovationsfähigkeit und Wandelbarkeit gekennzeichnet ist und von den Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft als kulturelle, aber auch wirtschaftliche Handlungsressource nachgefragt wird (Lange 2007; Eisinger 2004; Krätke 2002; Siebel 2000). Dabei wird davon ausgegangen, dass sich soziale und kulturelle Vielfalt sowie das Aufeinandertreffen von unterschiedlichsten, alternativen Lebens- und Denkweisen positiv auf die Entstehung von ‚Kreativität‘ auswirken. Indem heterogene und urban dichte Räume die Grundlage für vielfältige soziale und kulturelle Interaktionen bilden, avancieren sie zu einer essenziellen Handlungsressource für kultur- und kreativwirtschaftliche Akteure. Florida hat die nachgefragten Kriterien anhand der sechs Kategorien Diversität, Authentizität, Identität, Lifystyle, soziale Interaktion und dichter Arbeitsmarkt kategorisiert und unter dem Stichwort „quality of place“ (Florida 2002: 231) zusammengefasst. Demnach werden kulturelle und kreative Akteure besonders von solchen Orten angezogen, die sich nicht durch Entweder-Oder-Kriterien, sondern einer Vielzahl an Raumqualitäten für unterschiedliche Zielgruppen in unterschiedlichen Lebenszyklen auszeichnen (Vgl. ebd.: 233). Der Schritt von Urbanität zu ‚Kreativität‘ als Lebensstil er-
14 Wirth benennt drei Dimensionen von Urbanität, die zur Konstituierung desselben als Lebensstil führen: Urbanität als physische Struktur und ökologischer Prozess (1), als eine Form der sozialen Organisation, die zur Auflösung traditioneller familiärer Beziehungen zugunsten von kulturellen, religiösen, politischen Gruppenformationen beiträgt und sich in starken Institutionalisierungen und Abhängigkeiten von der Stadt manifestiert (2) und als Zeichen fortschreitender Entindividualisierung zugunsten der Ausbildung kollektiver Verhaltensformen (3) (Vgl. Wirth 1938: 23).
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scheint vor diesem Hintergrund nicht weit: Mit Konzepten wie Floridas ‚Creative Class‘, Lloyds (2006) Ansatz der ‚Neo-Bohemia‘ oder dem Neologismus ‚Bobo‘ des New York Times-Kolumnisten Brooks (2001) erlangen Charakteristiken wie Lebensqualität, Offenheit, Talent oder interkulturelle Räume nicht nur ein gänzlich neues Gewicht, sondern bilden die Grundlage für die Konstituierung von ‚Kreativität‘ als Sinnbild für die Dominanz zeitgenössischer urbaner Lebensstile. „Urbanität ist ein Wort, das gegenwärtig in bunten Farben schillert: Urbanität begründet Architekturen, legitimiert Planungen, beschreibt aktuelle Lebensweisen und selbst im internationalen Städtewettbewerb wird sie als unentbehrliche Größe betrachtet. Ihre Erwähnung entkräftet Zweifel, bricht Widerstände und setzt Visionen frei.“ (Eisinger 2004: 94)
Zentralität und Lokalität
Im Kontext der Verflechtung von ‚Kreativität‘ mit dem urbanen Raum sind zuletzt die Argumente der Zentralität und Lokalität von entscheidender Bedeutung. Sie verweisen auf die Wirkungskraft des kulturellen Kapitals für die Stärkung innerstädtischer Zentren sowie die Repräsentierbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Standorten über ihre physischen Stadtgrenzen hinaus. Städtische Zentralität bezieht sich v.a. auf die Interdependenz zwischen urbanen Orten und der Handlungslogik der Kultur- und Kreativwirtschaft und damit auf die These der ‚Renaissance der Stadt‘: Insbesondere Kernstädte erfahren eine Bedeutungssteigerung: Indem innerstädtische Bereiche gleichermaßen Wohn- und Arbeitsplätze sowie Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote bereitstellen, schaffen sie jene urbanen Rahmenbedingungen, die von den kulturellen und kreativen Akteuren als Standortpräferenzen explizit nachgefragt werden und als Grundlage für „neue Formen sozialer Vergemeinschaftung im Sinne einer neuen Regulation von Arbeits- und Lebensformen“ (Frey 2006: o.S.) gelten. Die vorrangig innerstädtische Verankerung der Kultur- und Kreativwirtschaft befördert damit nicht nur eine natürliche Stärkung der Kernstädte, sie gewinnt auch als politische Strategie der Reurbanisierung zunehmend an Bedeutung. Neben der faktischen Zentralitätssteigerung über räumlich dichte Arbeitsmärkte, die die Entfaltung der Kultur- und Kreativbranchen befördern, findet städtische Zentralität darüber hinaus in einem kulturellen Bedeutungsüberschuss Ausdruck. Dabei eignen sich Städte das kultuelle Kapital, das durch stadtkulturelle Heterogenitäten sowie durch kultur- und kreativwirtschaftliche Akteure erzeugt wird, an (Vgl. Merkel 2009: 65). Ziel ist es, die Attraktivität des Standortes für weitere Akteure der Kultur- und Kreativbranchen kontinuierlich zu steigern, aber auch eine Position auf der „internationalen Landkarte der globalen Kulturindustrie“ (Merkel 2009: 65) zu sichern. Erhebungen zur räumlichen Konzentration von Akteuren der Kultur- und Kreativbranche zeigen allerdings, dass diese deutlich von einer selektiven Handlungslogik geleitet sind, bei der nicht alle Städte gleichermaßen nachgefragt, sondern aus-
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gewählte Schlüsselorte als ‚sticky places‘ in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Diesen Orten ist gemein, dass sie über ein ausgeprägtes lokal verankertes, kulturelles Kapital verfügen, mit dem die Akteure eine rekursive Beziehung eingehen, um die Authentizität ihrer kulturellen Praktiken und Produkte zu steigern. In der Folge entsteht für die einzelnen Orte ein spezifischer Standortvorteil (Vgl. Dirksmeier 2009: 92). Dieser symbolischen Kapitalbildung von Standorten wird in der Geographieforschung mit einer Übertragung der Feldtheorie Bourdieus auf Städte begegnet (Dirksmeier 2009; Lindner 2003). Grundannahme ist, dass Städte über ein kulturelles Kapital im Sinne einer lokalspezifischen Historie verfügen, das in der Rückkopplung mit ihrer einzigartigen Ortsgebundenheit eine Form des symbolischen Kapitals hervorbringt, das weit über die physischen Stadtgrenzen hinaus wirkt und der Stadt eine bestimmte symbolische Position im sozialen Raum des Städtesystems zuschreibt. Die Verknüpfung mit Bourdieus Feldtheorie besteht dabei in der Gleichsetzung des Erzeugungsprinzips des Habitus des Menschen mit dem Habitus der Stadt (Vgl. Dirksmeier 2009: 92).15 Das kulturelle Kapital einer Stadt wirkt auch dann als Distinktionsmerkmal gegenüber anderen Städten, wenn es strategisch in Szene gesetzt wird. Die in den letzten beiden Jahrzehnten entstandene stadtentwicklungspolitische Praxis, selbst Orte mit geringem kulturellen Kapital über kulturbasierte Revitalisierungsstrategien wie kulturell-kreative Leuchtturmprojekte oder das Format der ‚Kulturhauptstadt Europas‘ taktisch aufzuladen (Vgl. Kap. 1.4.1.2), steht beispielhaft für diese Entwicklung. Das Vorhandensein von kulturellem Kapital gilt hier als Garant für Urbanität und Lebensqualität, für das repräsentative Image einer Stadt sowie als wichtige Dimension bei der Einwerbung von Großveranstaltungen. Vor dem Hintergrund der dargelegten Argumente der Agglomeration, Urbanität, Zentralität und Lokalität kann die Kultur- und Kreativwirtschaft durchaus als urbane Ökonomie begriffen werden (Merkel 2009; Ebert 2008; Lange 2007; Krätke 2002; Florida 2002; Scott 2000) – wenngleich auch deutlich wird, dass die Interdependenz zum urbanen Raum primär von einer intrinsischen Logik geleitet ist. So
15 Während Bourdieus Habitusansatz auf ein durch Sozialisation erworbenes soziales Verhaltensmuster rekurriert, das den spezifischen Lebensstil von Individuen und sozialen Gruppen strukturiert und sich als Erzeugungsmodus sozialer Praxisformen konstituiert, wird auch der Stadthabitus als aktive Praxis verstanden, der durch die Lebensstile der Stadtbewohner hervorgebracht wird (Vgl. Dirksmeier 2009: 92). Das symbolische Kapital eines Ortes, für das verschiedene Bezeichnungen wie das „geographisch-symbolische Kapital“ (Molotch 1998: 129) oder „urbane Geschmackslandschaften“ (Lindner/Musner 2005: 26) geltend gemacht werden, bezeichnet eine Wechselwirkung von urbanen und kulturellen Praktiken, die als spezifische Atmosphären einen strategischen Standortvorteil im internationalen Standortwettbewerb um Talente bereitstellen.
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führt die räumliche Verflechtung zwar dazu, dass kultur- und kreativwirtschaftliche Teilmärkte zu städtischen Teilökonomien avancieren, stellt jedoch per se keinen Garanten für eine Wirkungskraft im stadtentwicklungspolitischen Kontext dar. In den einschlägigen politischen und akademischen Diskursen changiert die Debatte um die Rolle der Kultur- und Kreativwirtschaft – neben ihrer kulturpolitischen Relevanz – deshalb noch immer stark zwischen den Polen der Wirtschafts- und Stadtentwicklung. Die seit den 1990er Jahren von Städten und Regionen flächendeckend umgesetzte Kreativitätspolitik greift beide Bereiche auf, indem sie an die Wechselwirkung von unternehmensorientierten und lebensstilspezifischen Standortentscheidungen anknüpft und produktions- und konsumtionsorientierte Förderstrategien der Stadtpolitik zusammenführt (Vgl. Pohl 2009: 162). Der nachfolgende Abschnitt gibt u.a. am Beispiel von Floridas 3-T-Modell Auskunft über diese Entwicklungen.
1.1.2 Kreativitätsbasierte Ansätze im urbanen Raum Mit seinem viel zitierten und kritisierten Buch „The Rise of the Creative Class“ (2002) hat Richard Florida das Spannungsverhältnis zwischen dem wirtschaftlichen Strukturwandel, Entgrenzungstendenzen und dem internationalen Metropolenwettbewerb maßgeblich geprägt. Grundannahme seines Ansatzes ist ein deterministisches Verhältnis zwischen der ökonomischen Prosperität von Städten und ihren urbanen Lebensqualitäten, die die Voraussetzung für die Standortentscheidungen von hochgebildeten und wissensbasierten Akteuren bilden. Um die als ‚Creative Class‘ bezeichnete Akteursgruppe anzuziehen, deren Innovationen maßgeblich über die wirtschaftliche Entwicklung von Städten und Regionen entscheide, seien Städte angehalten, ein sog. ‚kreatives urbanes‘ Umfeld bereitzustellen, das sich vielfältig, tolerant und offen gegenüber neuen Ideen präsentiert. Im Gegensatz zur Konzeption der Wissensökonomie, die vom wirtschaftlichen Sektor als Organisationszusammenhang ausgeht, konzentriert Florida sich damit auf die Akteursebene und auf die Herausforderung, nicht länger „Wachstum innerhalb der Städte zu verteilen, sondern Wachstum selbst zu erzeugen“ (Häußermann et al. 2008: 246). Die ‚Creative Class‘ steht in diesem Rahmen sinnbildhaft für Akteure aus einer zukunftsorientierten und wachstumsintensiven Branche, deren Produktionsorte unmittelbar mit der Stadt verwoben sind. Damit knüpft Florida an die aufgezeigten Kriterien der Verflechtung der Kultur- und Kreativwirtschaft mit dem urbanen Raum an, denen zufolge die Arbeitsplatz- und Wohnortwahl ihrer Akteure insbesondere auf solche Regionen oder Städte entfällt, die eine optimale Work-Life-Balance ermöglichen. Das Besondere an Floridas Ansatz ist in diesem Zusammenhang seine Umkehrung geläufiger Entwicklungstheorien: Entgegen der Annahme, dass unternehmerische Standortentscheidungen den Auslöser für die Wohnortpräferenzen hochqualifizier-
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ter Arbeitskräfte bilden, seien es Lebensstilpräferenzen in Verbindung mit spezifisch städtischen Atmosphären, die über ihre Standortwahl entscheiden: „jobs follow people“ (Vgl. Florida 2012: 262).16 Die Wechselwirkung der Agglomeration der ‚Creative Class‘ mit räumlich gebundenen Merkmalen lebensstilspezifischer Urbanität bildet die Basis von Floridas urbaner Kreativkapitaltheorie (Vgl. Merkel 2009: 56). Kritik der Theorie der ‚Creative Class’
Obwohl mittels der Humankapitaltheorie bereits seit etlichen Jahren die elementare Funktion von hochqualifizierten Wissensarbeitern für wirtschaftliches Wachstum nachgewiesen wird, hat Floridas ‚Credo der Kreativität‘ – auch gerade aufgrund seiner Differenzierung von der Humakpitaltheorie17 – eine weltweite Euphorie ausgelöst. Gleichwohl ist die Durchschlagkraft seines Ansatzes weniger in der Thematik als in der geschickten Kombination von bereits existierenden theoretischen Ansätzen aus der Betriebswirtschaft, Geographie und Stadtsoziologie begründet (Vgl. Olma 2009: 108).18 So rekurriert Floridas ‚Creative Class‘ nicht auf ein Klassenverständnis im Marxschen Sinne (Vgl. Florida 2002: 68), sondern auf eine von einer ökonomischen Grundlogik geprägte Gruppe, deren Ethos ihre sozialen, kulturellen und lebensstilspezifischen Entscheidungen maßgeblich beeinflusst. Inkludierte Personen sind dabei nicht per se in kulturell-kreativen Branchen tätig, sondern wirken auch in ökonomisch orientierten Berufsfeldern, deren Bewältigung von Florida als
16 Florida hat u.a. einen „Place-finder“ entwickelt, der es ermöglichen soll, mithilfe von 20 [sic!] Kriterien die passende Stadt zu finden. Dabei zielen die Fragen vorrangig auf die Offenheit oder Authentizität der jeweiligen Stadt ab, Fragen zur vorherrschenden Arbeitsmarktsituation finden sich nur vereinzelt und beziehen sich vorrangig auf den Netzwerk-Charakter des städtischen Umfeldes (Vgl. http://www.creativeclass.com/_v3/ whos_your_city/place_finder/ vom 31.01.2014). 17 Florida grenzt sich insofern von der Humankapitaltheorie Edward E. Glaesers ab, dass er die empirische Operationalisierung seines 3-T Modells nicht den Bildungsstand der Akteure, sondern auf ihre Berufszugehörigkeit bezieht. 18 Das Spektrum potenzieller Wegbereiter reicht von Wirths konstatierten Beobachtung der Ausbildung einer spezifisch urbanen Lebensweise (Wirth 1938) über die Untersuchungen Jane Jacobs, die in den 1960ern eine besonders hohe Aufenthaltsqualität für Stadtquartiere mit einer gemischten Nutzung formulierte (Jacobs 1966). Auch die Chicagoer Schule mit ihrer Frage nach dem Einfluss kultureller Praktiken auf die Stadtstruktur oder das Konzept der Growth Machine (Logon/Molotch 1987), das die Bedeutungssteigerung bestimmter Orte über strategische Stadtentwicklungspolitiken erfasst, lassen Parallelen erkennen.
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kreativ bezeichnet wird.19 Vor diesem Hintergrund wird ‚Kreativität‘ weniger als künstlerisch-schöpferische Kraft denn als Fähigkeit konstituiert, vorhandenes Wissen erfolgreich anzuwenden und neues Wissen zu generieren. „I define it [Creative Class, Anm.d.Verf.] as an economic class.“ (ebd.: 68) Floridas (ökonomisches) Kreativitätsverständnis ist insofern entscheidend, dass es sich essenziell auf Förderansätze für die ‚Creative Class‘ auswirkt. Das Argument einer kreativitätsbasierten Stadtentwicklung wird vom Autor über die Verflechtung der ‚Creative Class‘ mit dem urbanen Raum verstärkt. Auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung20 entwickelt Florida eine „new geography of creativity“, in der ausgewählte Orte durch einen überproportional hohen Anteil an kreativen Akteuren als sog. „Creative Centers“ hervortreten (Florida 2002: 235). In Bezugnahme auf seine Forschungsergebnisse entwirft er die These, dass die Akteure der ‚Creative Class‘ explizit ‚Kreativität‘ ausstrahlende Standorte nachfragen, deren Charakteristiken er über das sog. 3-T-Modell, bestehend aus den drei Variablen Technologie, Talent und Toleranz und validiert über acht Einzelindizes21, erfasst. Nur wenn alle drei Kriterien gleichermaßen an einem Standort vorhanden sind, seien die Grundvoraussetzungen für die Entfaltung von ‚Kreativität‘ gegeben. Ausgehend von 49 US-amerikanischen Regionen mit mehr als einer Million Einwohnern entwickelte Florida sogar ein Ranking, das den deterministischen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Prosperierung und einem hohen „Creativity-Index“ belegen sollte (ebd.: 236f.). Dabei stellte sich der Index, der aufgrund seiner Methodik bereits eine Vielzahl an Kritikern auf die Agenda gerufen hatte22,
19 Während das „Super Creative Core“ jene Akteure umfasst, die ökonomische und technische Fortschritte durch die Entwicklung neuer, im engeren Sinne ‚kreativer‘ Produkte, Trends oder Leitideen befördern, kontextualisieren „Creative Professionals“ Wissen durch Interaktion neu (Vgl. Florida 2002: 69). 20 Die Studie umfasste 200 US-amerikanische, metropolitane statistische Gebiete im Zeitraum 1990-2000 (Vgl. Florida 2002: 235). 21 Zu den Indizes gehören der High-Tech Index, Innovation Index, Talent Index, Gay-Index, Bohemian Index, Melting Pot Index, Composite Diversity Index sowie der Creativity Index (Vgl. Florida 2002: 249f.). Die willkürlich anmutende Kombination der ohnehin hochgradig selektiven und heterogenen Einzelindizes – von Peck (2005: 740) als „funky forms of supply-side intervention” bezeichnet – bieten dabei ein nicht geringes Einfallstor für die Verzerrung vorliegender Kausalitäten. 22 Der auf der Kombination der Daten des Innovation, High-Tech und Gay Index sowie der relativen Konzentrierung der ‚Creative Class‘ in bestimmten Städten oder Regionen beruhende Creativity Index hatte, wie schon die Erfassung des Parameters Toleranz, eine Welle der Kritik ausgelöst, die sich insbesondere am behaupteten Zusammenhang zwi-
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auch als Affront gegenüber bis dato für den Markt gesetzten Wettbewerbskriterien dar: Städte, die sich durch einen hohen Kreativitätsindex und ökonomische Prosperität zugleich auszeichneten, firmierten plötzlich weit vor jenen Städten, die auf der Grundlage klassischer Indikatoren wie Beschäftigung oder Unternehmensgründun23 gen bislang den Städtewettbewerb dominiert hatten. Für die vorliegende Untersuchung muss die Argumentationslogik der These ‚jobs follow people‘ deutlich hinterfragt werden. Schließlich ist es nicht die bloße Anwesenheit von kreativen Berufsgruppen, die als Garantie für die Entstehung eines ‚kreativen Ortes‘ geltend gemacht werden kann, sondern erst die komplexe Wechselwirkung von kulturellen und städtischen Prozessen: „Street-level cultural innovation and conspicuous consumption may just as easily be consequences of economic growth, rather than causes of it.“ (Peck 2005: 755) Die Schieflage, die sich aus der Vernachlässigung der komplementären Abhängigkeiten für urbankreative Entwicklungen ergibt, wird besonders deutlich, wenn man bereits etablierte Orte wie das Silicon Valley bezüglich ihrer Genese analysiert: „Florida’s argument hinges on the idea that once a creative class has been brought together in any particular place, its innate entrepreneurial and cultural energies will automatically be activated in the construction of a vibrant local economy.” (Scott 2006a: 11) Trotz der seit Jahren andauernden, hochgradig kritischen Rezeption im akademischen Diskurs hat Floridas Mantra eines toleranten städtischen Klimas als Gelingensbedingung für wirtschaftliche Prosperität ein weltweites Echo ausgelöst, das von Politikern rund um den Globus offensiv aufgegriffen wurde. Die Popularität kann dabei u.a. darauf zurückgeführt werden, dass das 3-T-Modell als „low-cost, market-friendly urban placebo“ (Peck 2005: 760) eine Fortführung der bisherigen Stadtpolitik nur in neuem Gewand ermöglicht. In den letzten Jahren ist so eine Praxis entstanden, die strategische Handlungsanweisungen für die Etablierung von Städten als sog. ‚Creative Centers‘ suggeriert. Dabei ergreifen Städte gezielt Maßnahmen, um bestimmte innerstädtische Quartiere oder aber ganze Städte, mithilfe des 3-T-Modells zu kreativen Hot Spots zu entwickeln. ‚Kreativität‘ wird in diesem Zusammenhang als ein Werkzeug vermarktet, das in nahezu jeder Stadt wie eine Schablone einsetzbar erscheint. Angesichts dieser Tatsache überrascht es nicht, dass die Thesen Floridas auch etliche Jahre nach Erscheinen des Buches aus den unterschiedlichsten Positionen und Disziplinen noch immer kontrovers diskutiert werden (Olma 2009; Raunig/Wuggenig 2007; Mokre/Mayerhofer 2007; Scott 2006a; Peck 2005; Glaeser 2004; Malanga 2004; Markusen/King 2003). Neben der bereits the-
schen der Größe der homosexuellen Bevölkerung und technologieintensivem Wachstum entzündet hatte (Vgl. Olma 2009: 108). 23 So hatten in den USA bis dato Städte wie Las Vegas oder Memphis das Städteranking dominiert (Vgl. Olma 2009: 108).
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matisierten Kritik an der Unschärfe der methodischen Erhebung sowie der Ausblendung der komplexen Rahmenbedingungen für urbanes Wachstum beziehen sich die Vorwürfe außerdem auf die Instrumentalisierung von Kulturproduzenten für ökonomische und stadtentwicklungspolitische Interessen sowie die elitäre Ausrichtung des Konzeptes. Dabei korreliert die Tatsache, dass die ‚Creative Class‘ nur einen Bruchteil der arbeitenden Stadtbevölkerung umfasst, mit der idealtypischen Aufgabe von Stadtpolitik, die sich deutlich von der Befriedigung von Partikularinteressen abheben muss. In diesem Zusammenhang gilt es, insbesondere Negativfolgen wie Polarisierungs- und Exklusionstendenzen zu hinterfragen, die die Ausrufung des 3-T-Modells als politische Praxis ebenfalls nach sich zieht.24 Kritik des Konzeptes der ‚Creative City’
Mit dem Aufkommen des Konzeptes der ‚Creative City‘ (Landry 2000) erfuhr die Ausrichtung des internationalen Städtediskurses auf kreative urbane Entwicklungsstrategien eine zusätzliche Verstärkung. Das im Jahr 2000 von Charles Landry, Stadtforscher, Publizist und kultureller Berater der Labour-Regierung, veröffentlichte Buch „The Creative City. A Toolkit for Urban Innovators“ legte den Grundstein für die heute weltweit geführte Debatte. ‚Kreativität‘ wird hier nicht nur als neue Wertschöpfungsgrundlage für Städte und Regionen konstituiert, sondern auch als strategisches Narrativ, das im Rahmen des Selbstverständnisses als ‚unternehmerische Stadt‘ für ein gezieltes Stadt- und Standortmarketing instrumentalisiert wird. Dabei ist der Diskurs der ‚Creative City‘ nicht grundsätzlich neu, sondern muss als Wiederentdeckung des Topos der Stadt, des Städtischen und Urbanität gelten (Vgl. Hessler 2007: 8). Im Unterschied zum Ansatz Floridas, der ‚Kreativität‘ an bestimmte Berufsgruppen knüpft, konstituiert sein britischer Kollege diese als eine den Städten innewohnende, endogene Handlungsressource. Zwar geht auch Landry davon aus, dass es weniger die Stadt als ihre Bewohner sind, die über das kreative Potenzial eines Standortes verfügen, indem sie in räumlich konzentrierten ‚kreativen Milieus‘ In-
24 Die anhaltende Kritik führte sogar zu einer Aktualisierung der Floridaschen These durch den Autor selbst. In der überarbeiteten Auflage (2004) vermerkt er sowohl die Erweiterung des Gay Index um die Daten heterosexueller weiblicher Paare sowie die Ergänzung des Composite Diversity Index um den Racial Integration Index, der die Distribution unterschiedlicher Ethnien in der Stadt erfasst. Ziel sei es, die Diskrepanz zwischen einer als kulturell vielfältig geltenden Region und einer möglichen Separierung der ethnischen Gruppen innerhalb der Stadt in Form von gated communities zu entkräften (Vgl. Florida 2004: 253). Desweiteren ergänzte er den Inequality Index, der die Unterschiede zwischen den Einkünften der ‚Creative Class‘ und der Working und Service Class numerisch erfassen soll.
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novationen und Neuerungen vorantreiben. Allerdings reiche die Existenz dieser kreativen Keimzellen für die Positionierung einer Stadt als ‚Creative City‘ nicht aus. Während diese nach Florida also ein Ort ist, an dem viele kreative Akteure leben, konstituiert Landry selbige als eine Stadt, die sich über kreative Problemlösungsansätze zur Sicherung oder Entwicklung ihrer kreativen Milieus auszeichnet (Vgl. Merkel 2009: 23): „The Creative City describes a new method of strategic urban planning and examines how people can think, plan and act creatively in the city. [...] The Creative City is a call to action.“ (Landry 2000: xiif) Dabei ist es Landrys erklärtes Ziel, nicht nur ökonomisches Wachstum über die Förderung von kreativen Milieus zu generieren, sondern im Sinne einer ‚Kultur der Kreativität‘ soziale und politische Lösungsvorschläge für urbane Probleme über das zu modifizierende Arbeitsprinzip von Politik und Verwaltung voranzutreiben (Vgl. ebd.). Mit seinem ‚Creative City‘-Konzept verweist er auf den Paradigmenwechsel von Stadt, dessen Bewältigung und Reflexion neuartige Denkmodelle und -theorien erfordere. Zugleich zeitigt sein Ansatz den „kulturellen Wunsch nach einer Urbanität“ (Reckwitz 2009: 22), bei der im Rückgriff auf den Metropolendiskurs der Avantgarden die Stadt als Ort von Lebendigkeit und ästhetischen Reizen konstituiert wird (Vgl. ebd.). Obwohl Landry eine explizit europäische Forschungsperspektive betont, stellt er eine Übertragbarkeit auf nicht-europäische Städte paradoxerweise in Aussicht. Seine ‚Creative City Strategy Method‘ konstituiert sieben Faktorengruppen, die es – analog zum 3-T-Modell von Florida – einer Stadt ermöglichen soll, „to be truly creative [...] and to allow for creative thought“ (Landry 2000: 105). Dabei bemüht er ein sehr breit gefächertes Verständnis von als kreativ geltenden Voraussetzungen, das sowohl soziale, politische, kulturelle als auch ökonomische, technische und milieu-spezifische Komponenten inkludiert. Je mehr Faktoren an einem Standort vorherrschen, desto höher falle das Potenzial für städtische ‚Kreativität‘ aus.25 Da-
25 Die Grundvoraussetzung bildet für Landry eine kritische Masse an hochqualifizierten und kreativen Akteuren am Standort („personal qualities“), die ein aktives Interesse an der Gestaltung ihrer Stadt mitbringen („will and leadership“). Der Mitgestaltungswillen sei insbesondere von Städten inspiriert, die sich durch kulturelle Vielfalt, Toleranz und einen niedrigschwelligen Zugang zur Förderung interdisziplinärer und interkultureller Ideen auszeichnen („human diversity and access to varied talent“) und deren Lebenshaltung sich zugleich in der Transparenz und Offenheit institutioneller Strukturen und organisationeller Mechanismen widerspiegele („organizational culture“). Zuletzt sei die kulturelle Identität und die unternommenen Aktionen zur Sicherung derselben ein essenzielles Kriterium („local identity“), die durch die Bereitstellung öffentlich zugänglicher Räume und erschwinglicher Produktionsorte („urban spaces and facilities“), die Vernetzung ermöglichen („networking dynamics“), geprägt seien (Vgl. Landry 2000: 105ff.).
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bei rücken nicht länger die institutionell-kulturellen Infrastrukturen in den Fokus der Betrachtung, sondern ein personengebundenes Kreativitätsverständnis, bei dem die Träger kultureller Aktivitäten zum Handlungsschwerpunkt der strategischen Planungen avancieren (Vgl. Landry 2005: 48). Die Verzahnung der kulturellen und kreativen Akteursgruppen mit dem urbanen Raum leistet Landry über die Erfassungsgröße des ‚creative milieu‘. Wie Florida rekurriert er mit dem Begriff sowohl auf die spezifisch urbane Qualität ausgewählter Orte, die jene Vielfalt und Heterogenität erzeugen, die eine kritische Masse von als kreativ geltenden Akteuren und Wissensträgern überhaupt erst anzieht, als auch auf die überproportional ausgeprägte Eigenschaft des Kultur- und Kreativsektors zur Clusterbildung: „A creative milieu is a place – either a cluster of buildings, a part of a city, a city as a whole or a region – that contains the necessary preconditions in terms of ‚hard‘ and ‚soft‘ infrastructure to generate flow of ideas and inventions.“ [Herv. i.O.] (Landry 2000: 133) Mit der Unterscheidung in harte und weiche Kriterien verweist er auf die Argumente der Agglomeration und Urbanität, nach denen die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft in ihrer Organisationsweise nicht nur auf physische und institutionelle Raumqualitäten Bezug nehmen, sondern darüber hinaus auch von ausgewiesenen sozio-kulturellen Charakteristiken in ihrer Standortwahl geleitet sind. Mithilfe des ‚Conceptual Toolkits‘ seien Städte nun dazu angehalten, die entsprechenden (Reflexions-)Schritte einzuleiten, um entweder ihre vorhandenen kreativen Milieus zu sichern oder aber jene Schwachstellen aufzutun, die die Entstehung kreativer Milieus verhindern (Vgl. ebd.: 142). Ausgehend von einer strategischen Zielformulierung soll die ‚Creative City Strategy Method‘ dazu beitragen, das Organisationsprinzip der jeweils spezifisch städtischen ‚Kreativität‘ zu hinterfragen, die Ergebnisse anhand einer Serie von Indikatoren zu erfassen und abschließend durch verschiedene Techniken des kreativen Denken und Handelns zu verbessern (Vgl. ebd.: 166). Der von Landry als analytisches Werkzeug eingeführte ‚Zyklus urbaner Kreativität‘ zeichnet sich dabei weniger durch konkrete Steuerungsmethoden, politische Instrumente oder Programme aus, als durch kommunikative Handlungsanleitungen, die kreatives Denken als Voraussetzung für kreatives Handeln konstituieren sollen. Im Rahmen seines Indikatorenkatalogs zur Messung ‚urbaner Kreativität‘ entwirft er konsequenterweise auch kein allgemeingültiges Schemata, sondern eine Vielzahl an Methoden und Indizes, die je nach Untersuchungsinteresse – und hier liegt die Schwierigkeit der Vergleichbarkeit mit anderen Städten – zur Evaluierung herangezogen werden können.26 Der Problematik der Übertragbarkeit zum Trotz verdeutlichen die von Lan-
26 Mit der zehnstufigen ‚Creative City Development Scale’ sollen bspw. die kreativen Handlungsmöglichkeiten einer Stadt im direkten Vergleich mit anderen Städten sichtbar werden. Allerdings erschwert der Indikatorenkatalog, der auf der methodologischen Mi-
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dry angebotenen Erfassungsmethoden einmal mehr, dass es ihm vorrangig darum geht, dass Städte ihre Aktivitäten evaluieren, und weniger, nach welchem Schema sie ihre Evaluation umsetzen (Vgl. Landry 2000: 241). In Anbetracht der skizzierten Bestandteile der ‚Creative City Strategy Method‘, insbesondere der Diskrepanz zwischen ihrem Praxisorientierung versprechenden Conceptual Toolkit und ihrer vorrangig durch offene und weiche Handlungsempfehlungen bestechenden Programmatik, ist es umso bemerkenswerter, dass das Konzept einen solch rasanten Einzug in die politische Praxis gehalten hat. Die Vielzahl der in den letzten Jahren entstandenen politischen Leitbilder und Förderprogramme, die mithilfe des gleichnamigen Begriffs die Potenziale und Ressourcen einzelner Standorte weltweit bewerben, bezeugen dies nur allzu deutlich. Die Popularität des Ansatzes für die Stadtentwicklung liegt dabei – analog zum 3-T-Modell Floridas – v.a. in der Fülle der durchgängig positiv konnotierten Interpretationsmöglichkeiten einer ‚kreativen Stadt‘ sowie ihrer politischen Verwertbarkeit. Gleichwohl wird die Ausrufung der ‚Creative City‘ als urbanes Entwicklungsleitbild seit ihrem Aufkommen von einem ähnlich kritischen Diskurs über Anspruch und Wirklichkeit begleitet, wie er schon der ‚Creative Class‘ zuteil wurde. Das Narrativ ist zum einen ein Zeichen für die zunehmende Konzentration von städtischen Entwicklungs- und Marketingstrategien auf die ‚Ökonomie der Symbole‘ und das Rebranding von Städten als Weltmetropolen mit internationaler Kulturszene. Zum anderen zeugt die Vielzahl der weltweit entstandenen ‚Creative City‘-Programme von einer Instrumentalisierung des kulturellen Überbaus des Modells für neoliberal motivierte Zwecke, verbunden mit dem Ziel, bestehende Ungleichheiten von Städten und Stadtregionen mithilfe möglichst positiv konnotierter Begriffe zu verschleiern (Vgl. Siebel 2008: 281). Die Kritik am Modell der ‚Creative City‘ ist nicht zuletzt ein Zeichen für die tiefgreifende Diskrepanz zwischen der Selbstimagination von Städten und ihrer tatsächlichen Entwicklung. So erfahren die nachweisbaren Zusammenhänge von Wissen, Wirtschaftswachstum und Urbanität im Konzept der ‚Creative City‘ nicht selten eine Überhöhung, die eine harmonische, die Gesamtbevölkerung einschließende Wohlstandsentwicklung suggeriert, die sie gar nicht erfüllen kann (Vgl. Drewes/ Engelmann 2008: 9f.). Indem das ‚Creative City‘-Modell als Wirtschaftsförderkon-
schung von qualitativen und quantitativen Erhebungen sowie Gesprächen mit internen und externen Peer Groups beruht, die Übertragbarkeit auf Studienergebnisse anderer Städte. Weitere Methoden zur Evaluierung ‚urbaner Kreativität‘ umfassen die Messung der sieben Faktorengruppen, die Landry als Grundvoraussetzung für die Konstituierung einer ‚Creative City‘ benannt hat, die sog. ‚Urban Innovation Matrix‘ (Vgl. Landry 2000: 198ff.) oder die Messung des Status quo einer bereits als ‚Creative City‘ geltenden Stadt mithilfe der sog. ‚Urban Vitality and Viability Indicators‘ (Vgl. ebd.: 242f).
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zept in neuem Gewand konstituiert wird (Kömürcü 2010; Göschel 2008), kommt es, folgt man Göschel (2008: 286), zu einer (negativen) Dekontextualisierung des Begriffes und der mit ihm verbundenen politischen Handlungsoptionen. Nach Ansicht einer Vielzahl von Autoren trägt die begriffliche Verkürzung damit letztlich dazu bei, dass sich das originäre Spannungsverhältnis des schöpferischen Aktes zu einer Heilsverkündung auflöst, die nicht nur alle Gegensätze, sondern auch Missstände der Stadtgesellschaft des 21. Jahrhundert euphemisiert (Göschel 2008; Drewes/Engelmann 2008; Siebel 2008). Diese und weitere Widersprüche der ‚Creative City‘ lassen sich nicht ohne weiteres auflösen, wenngleich die angeführte Kritik auch von einer Überfrachtung des Modells zeugt, das natürlich nicht alle angestauten Missstände der postmodernen Stadt- und Gesellschaftsentwicklung lösen kann (Vgl. Franke/Verhagen 2005: 16). Kreative urbane Milieus
Aufbauend auf der These, dass kulturelle und kreativ(wirtschaftlich)e Akteure aufgrund ihrer Netzwerk-affinen Produktionsweise in hohem Maße Orte nachfragen, die eine Verbindung ihrer Arbeits- und Lebensstilanforderungen ermöglichen, ist in den letzten Jahren zunehmend der Begriff des ‚kreativen urbanen Milieus‘ in einer explizit raumgebundenen Definition in den Forschungsfokus gerückt. Dabei verspricht die räumliche Verankerung des Milieukonzeptes nichts Geringeres als die Befriedigung von Standortinteressen sowie der sozioökonomischen und soziokulturellen Anforderungen der künstlerischen und kreativen Akteure zugleich. Für die Stadtentwicklungspolitik avancierte die Propagierung der Förderung von ‚kreativen urbanen Milieus‘ damit in doppelter Funktion zu einer wertvollen Strategie: Während sie einerseits als Orte der Zugehörigkeit und Identitätsbildung für die beteiligten Akteure gelten, lässt ihre kulturelle und symbolische Codierung sie andererseits zu wertvollen Imageträgern und Attraktivitätsfaktoren von Städten werden, die u.a. standortbildende Effekte versprechen (Vgl. Lange 2007: 47). In der aktuellen Debatte werden ‚kreative urbane Milieus‘ deshalb sowohl als Resultat als auch Ursache von städtischer ‚Kreativität‘ angeführt (Vgl. Merkel 2009: 69). Während der Milieubegriff von Seiten der Stadtpolitik nicht selten als Ausdruck für eine besondere städtische Atmosphäre oder als Synonym für besonders aufgeladene Orte der kreativen Wissensproduktion verwendet wird, steht ein ‚kreatives urbanes Milieu‘ zugleich für die Herausbildung spezifischer Lebensformen und lokaler Szenen. Das im Folgenden angeführte heuristische Verständnis eines ‚kreativen urbanen Milieus‘ ist dabei nicht mit dem regionalwissenschaftlichen innovativen (kreativen) Milieu der Forschergruppe GREMI27 zu verwechseln. Ausgehend
27 Das regionalwissenschaftliche Konzept des ‚kreativen (innovativen) Milieus‘ der Forschergruppe GREMI basiert auf der Annahme, dass die Entstehung von Innovationen auf
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von Ansätzen der Netzwerkforschung innerhalb der Wirtschaftssoziologie, die nachgewiesen haben, dass Informationsflüsse und Innovationen nicht nur aus starken räumlich verwobenen Interaktionsbeziehungen, sondern auch aus schwachen sozialen Beziehungen (Granovetter 1973) oder gar aus Konkurrenzbeziehungen (Grabher 2004) erwachsen können (Vgl. Merkel 2009: 74), steht das ‚kreative urbane Milieu‘ vielmehr in einer engen Beziehung zum soziologischen Milieubegriff (Schulze (2000 [1992]; Hradil 1996) mit Überschneidungen zum Ansatz des ‚Creative Field‘ nach Scott (2006a) sowie dem Konzept der ‚Neo-Bohemia‘ nach Llyod (2006). Auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung im Chicagoer Stadtteil Wicker Park hatte Lloyd den Begriff der ‚Neo-Bohemia‘ als Ausbildung eines spezifischen Lebensstils künstlerischer und kultureller Akteure in unmittelbarer Verzahnung mit dem urbanen Raum eingeführt. Die von Lloyd (2006: 246) als „bohemian ethic“ beschriebene Arbeits- und Lebenseinstellung der künstlerischen und kreativen Akteure kann dabei als symptomatische Klammer für aktuelle Arbeitsformen und Beschäftigungsverhältnisse gelten. Die zunehmende Flexibilisierung von Arbeit in Hinblick auf Beschäftigungsverhältnisse, Arbeitszeiten, Qualifikationsanforderungen, den Arbeitsort sowie die Erwerbsbiographie lassen die einst der Bohème28 zugeschriebene Arbeitsnorm um ‚Kreativität‘, Flexibilität und individuelle Autonomie zur Grundlage des kapitalistischen Wertesystems und damit zu einer essenziellen Ressource für die städtische Ökonomie avancieren: „The theory of neo-bohemia [...] invites us to rethink in broad ways the interrelatios of lived space, subjectivity, and instrumental labor in this contemporary period of gobalized capitalism and flexible accumulation.“ (Lloyd 2006: 246) Die Beschreibung der Transformation des Chicagoer Stadtteils Wicker Park zu einem Ort der ‚Neo-Bohemia‘ verweist auf die Entwicklung kreativer Milieus an und aus einem konkreten Standort heraus (Vgl. Lloyd 2006: 235). Dabei definiert Lloyd das kreative Milieu in Anlehnung an Castells ‚milieu of innovation‘29 und
einem dichten, informellen Kontaktnetzwerk von Akteuren und Unternehmen mit einer gemeinsamen Zielvorstellung beruht, die sich in einem konzentrierten regionalen [sic!] Kontext über eine Spezialisierung abzeichnen (Vgl. Camagni 1991: 3). Erfolg wird vorrangig in Bezug auf technologische Innovation und wirtschaftlichen Umsatz definiert. 28 Das Konzept der Bohème gilt als etablierter, wenngleich äußerst romantisierter Ansatz des 19. Jahrhunderts, der sowohl eine ausgewählte Akteursgruppe als auch ihren charakteristischen Lebensstil umfasst (Wilson 2000). Auch heute steht die Bohèmisierung von Akteursgruppen für Risikobiographien, aber auch für selbstbewusste Deklarierungen wie jene der ‚digitalen Bohème‘ (Vgl. Drewes/Engelmann 2008: 12). 29 Castells Konzept des ‚milieu of innovation‘ benennt soziale Netzwerke als Grundlage jeglicher Form von Innovation: „What defines the specifity of a milieu of innovation is its
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Beckers ‚Art Worlds‘30, die beide auf den Tatbestand komplexer sozialer Systeme verweisen, die durch räumlich gebundene, kulturelle Agglomerationen das Organisationssystem Kulturproduktion ermöglichen und Innovation vorantreiben (Vgl. Llyod 2006: 161f.). Indem die Akteure der ‚Neo-Bohemia‘ ihre Handlungen auf bestimmte Orte fokussieren, werden sie nicht nur Teil der urbanen Landschaft, sondern aktiv gestaltende Kräfte in der Ausgestaltung und Konnotierung spezifischer Stadtquartiere: „Neo-bohemia is not a reified natural area but rather a mode of contingent and embedded spatial practices.“ (ebd.: 245) So seien die individualisierten Arbeits- und Lebensstile der ‚Neo-Bohemia‘ nicht selten an bestimmte Milieus und lokale Szenen geknüpft, die Status und Zugehörigkeit generieren. Die Konstituierung der ‚Neo-Bohemia‘ als Praxis, die Orte mit einer bestimmten Geisteshaltung zusammenbringt, verweist Lloyd damit auf eine Entwicklung, in der selbige – als „distinctive style of life conditioned by both spatial and social location“ (ebd.: 67) – zum Bestandteil einer neuen dynamisierten urbanen Landschaft werden. Übertragen auf die vorliegende Untersuchung fungiert ‚Kreativität‘ demnach als akteursbezogene Ressource, die in einem wechselseitigen Verhältnis mit dem urbanen Raum steht. Damit wird deutlich, dass das kreative Milieu in seiner sozialräumlichen Definition von vielfältigen Faktoren geprägt ist, die nicht nur ‚Kreativität‘ stimulierende Umwelten, sondern auch personengebundene Konstituierungen in Bezug auf die Ausbildung von Lebensstilen und Szenen umfassen. Das heuristische Konzept des ‚kreativen urbanen Milieus‘ nach Merkel (2009, 2006) knüpft an das Konzept der Neo-Bohemia an, indem es die räumliche Verortung von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft als kulturelle Milieukonstituierungen begreift, die zum einen über geteilte Bedeutungen und Wahrnehmungshorizonte, zum anderen über eine explizit physische Rückkopplung in Bezug auf Fühlungsvorteile und das Anregungspotenzial spezifisch urbaner Orte zustande kommen. Entsprechend fungiert es als Rückbettungskontext, das durch die Bereitstellung spezifischer sozioökonomischer Res-
capacity to generate synergy, that is, the added value not resulting from the cumulative effect of the elements present in the milieu but from their interaction.“ (Castells 1996: 324) 30 Die dem nordamerikanischen Forschungskontext entstammende kultursoziologische Produktionsperspektive („production of culture“, Peterson/Anand 2004; Crane 1992), zu der auch Beckers „Art Worlds“ (Becker 1982) gehört, rückt die soziale Organisation von künstlerischer und kreativer Produktion in den Mittelpunkt. Die Forschungsrichtung widmet sich dem Zusammenspiel von Akteuren, sozialen Netzwerken, Institutionen und Konventionen im Rahmen des kulturellen Produktionsprozesses und damit den unterschiedlichen Kontextabhängigkeiten der kulturellen und kreativen Akteure (Vgl. Merkel 2009: 75).
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sourcen die Grundlage für die Ausbildung der Handlungs- und Produktionsräume seiner Akteure bildet: „Das kreative urbane Milieu ist ein Vermittlungskontext […], der Kreativität und eine ortsbezogene Wissensgenerierung ermöglicht, eine Basis für soziale Zugehörigkeit bildet, eine Gelegenheitsstruktur darstellt und sich in permanenten Prozessen der raum- bzw. ortsbezogenen Identitätsbildung unter der Verwendung kultureller Codes und Symbole durch die Akteure im Alltag manifestiert.“ (Merkel 2006: 6)
Neben dem bereits erwähnten Rückgriff auf die kultursoziologische Produktionsperspektive und ihrer Hervorhebung der kollektiven und kollaborativen Handlungslogik von Kulturakteuren rekurriert der Ansatz in seiner sozialräumlichen Perspektive damit auch auf das wirtschaftssoziologische Konzept der ‚sozialen Einbettung‘ nach Granovetter (1985).31 Die soziale Umwelt ist für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur Kreativitäts- und Handlungsressource, sondern durch ihr Sozialkapital Grundlage für das Entstehen eines ‚kreativen urbanen Milieus‘ (Vgl. Merkel 2009: 78). Das ‚Creative Field‘
Der Ansatz Merkels weist zuletzt vielfältige Schnittstellen mit dem Konzept des ‚Creative Field‘ des britischen Geographen Scott (2006a) auf, der Städte als Produktionssysteme darstellt, die um sog. ‚Creative Fields‘ organisiert sind, die netzwerkartig arbeiten und von einem flexiblen Arbeitsmarkt bestimmt sind. Mit dem Verständnis des ‚Creative Field‘ als „locationally-differentiated web of production activities and associated social relationships that shapes geographic patterns of entrepreneurship and innovation in the new economy“ (Scott 2006b: 2) verweist Scott nicht nur auf die räumliche Agglomeration der Akteure des Kreativsektors, sondern auch auf die Interaktion zwischen den Akteuren und dem jeweiligen Standort, die aus räumlichen Agglomerationen erst ‚kreative Felder‘ entstehen lassen. So rekurriert das Konzept in besonderem Maße auf die Verflechtung von Ort und Ökonomie, indem es eine Wechselwirkung zwischen der Logik des kulturell-kreativen Produktionssystems und den kulturellen Attributen eines Ortes konstituiert. Dadurch dass die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft im Rückgriff auf den urbanen Raum agieren, bilden sie spezifische lokal-gebundene Beziehungssysteme aus, die wiederum spezifische Entrepreneurstrukturen und Produktionssysteme ent-
31 Das Konzept Granovetters (1985) erfasst die Begünstigung von wirtschaftlichen Handlungsergebnissen durch die Vermischung von privaten und ökonomischen Interaktionsbeziehungen sowie die Rückbettung in einen spezifisch urbanen Kontext zum Eintritt in relevante Netzwerkbeziehungen (Vgl. Merkel 2009: 77).
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stehen lassen: „An intrinsic element of this definition is that both the field on the one side and its effects on entrepreneurship and innovation on the other are reflexively intertwined with one another.“ (ebd.: 6) Das Verständnis des ‚Creative Field‘ als Beziehungs- und Produktionssystem, das soziale Formierungen und ihre ökonomischen Aktivitäten mit einem konkreten Ort verknüpft, rekurriert damit unmittelbar auf den Ansatz Bourdieus, der seiner Analyse von kultureller und künstlerischer Produktion das ‚künstlerische Feld‘ zugrunde legt (Bourdieu 1993). Zu den konkreten Aspekten, die den ‚Creative Field‘-Effekt stimulieren, zählt Scott die Förderung vorhandener Produktionsnetzwerke, eine physisch vorteilhafte Infrastruktur sowie die Stärkung des sozialen und kulturellen Kapitals eines Ortes (Vgl. Scott 2006a: 8). Damit avancieren neben konkreten geografischen Merkmalen auch sozio-kulturelle Charakteristiken zu essenziellen Bestandteilen in der Frage nach der Konstituierung kreativer Felder. Während sich das ortsgebundene kulturelle Kapital maßgeblich auf die Ausbildung bestimmter kultureller, urban geprägter Distinktionsmerkmale oder ganzer Produktionszweige auswirkt32, führen die aus der räumlichen Bezugnahme resultierenden distinktiven kulturellen Praktiken und Produkte zugleich zu einer Bedeutungssteigerung des jeweiligen Ortes. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Gemeinsamkeit der Konzepte des ‚kreativen urbanen Milieus‘ und des ‚Creative Field‘ in der Anerkennung des geographischen Raumes als Handlungsressource beruht, d.h. als aktiver Bestandteil der Unternehmens- und Organisationsform der auf soziale und räumliche Rückbettung angewiesenen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft. Der urbane Raum fungiert als „soziale Stützstruktur“ (Herlyn 1998: 160), der ein schnelles Einbringen in existierende Netzwerke ermöglicht oder die Bildung neuer Netzwerke begünstigt und damit die Produktionskreisläufe der Akteure erleichtert. Die Wechselwirkung mit konkreten physischen Orten wird durch Interaktionen der kulturellen und kreativen Akteure gewährleistet, deren geteilte Erfahrungen und Wahrnehmungen jenes Milieu bzw. Feld konstituiert, das wiederum auf ihre Arbeitswelt zurückwirkt. Zuletzt ist es die Dualität aus Produktionssystem und urbanem kulturellem Umfeld, die beide Ansätze vom regionalwissenschaftlichen Ansatz des ‚kreativen (innovativen) Milieus‘ unterscheiden. Dabei bleibt nach wie vor strittig, ob das ‚kreative urbane Milieu‘ oder das ‚Creative Field‘ als Resultat oder als Ursache von städtischer ‚Kreativität‘ gelten müssen (Vgl. Scott 2006b: 25). Nicht zuletzt wird damit einmal mehr deutlich, dass die Ressource ‚Kreativität‘ kein willkürlich einsetzbares Instrumentarium für den globalen Standortwettbe-
32 Als Beispiel führt Scott Hollywood an, das neben seiner Bezeichnung für einen Stadtteil von Los Angeles zugleich als Marke für eine global erfolgreiche Filmindustrie steht, die großflächige Überschneidungen mit den für die Wertschöpfungskette relevanten Sparten Fernsehen, Musik und Mode aufweise (Vgl. Scott 2006a: 8).
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werb, sondern das Resultat der Interaktionen von kulturellen und kreativen Akteuren ist, die auch – aber nicht per se – mit dem urbanen Raum verbunden sind: „Creativity is not something that can be simply imported into the city […] but must be organically developed through the complete interweaving of relations of production, work, and social life in specific urban contexts.“ (Scott 2006a: 15) Folgt man dieser Argumentationslogik, so müsste es in städtischen Handlungskonzepten zur Förderung ‚kreativer urbaner Milieus‘ verstärkt darum gehen, jene nicht-ökonomischen Rahmenbedingungen und Handlungskontexte zu unterstützen, die die Ausbildung derselben begünstigen. In jüngster Zeit fokussieren vielfältige stadtentwicklungspolitische Studien deshalb Handlungsmaßnahmen, die auf indirektem Wege die räumliche Konzentration kreativer Akteure vorantreiben. Die Umsetzung städtischer Steuerungspraktiken zur Förderung und Etablierung kreativer Milieus sowie die damit verbundenen Schwierigkeiten zwischen Anspruch und Umsetzung werden in Kapitel 1.2 dargelegt. Zuvor soll der Fokus auf die vielfältigen Nutzungsverständnisse von ‚Kreativität‘ gerichtet werden, die über die vorherrschenden Diskurse transportiert werden.
1.1.3 Zur Transformation des Kreativitätsbegriffes „It is hard to avoid the term creativity. It is one of the most used and abused of terms.“ NEGUS/PICKERING 2004: VI
Der Begriff der ‚Kreativität‘ hat einen tiefgreifenden Wandel vollzogen. Die Definitionsungenauigkeit, die insbesondere auf die jeweilige Diskurstradition aber auch die nationalspezifischen Kontexte der Debatte zurückzuführen sind, hat die Durchschlagkraft des Ansatzes allerdings in keiner Weise geschmälert. Vielmehr übertreffen sich seit vielen Jahren die Prognosen zur Wirkungskraft von ‚Kreativität‘, die einmal als Wirtschaftsfaktor und Imageträger, ein anderes Mal als urbaner Faktor für die Revitalisierung benachteiligter Stadtteile gepriesen wird. In den vorherrschenden Debatten spiegelt das Verständnis von ‚kreativen‘ Standortcharakteristiken (‚Creative City‘) über ‚kreative‘ Formierungen (‚kreatives urbanes Milieu‘) bis hin zu ‚kreativen‘ stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen (3-T-Modell) dabei eine Entwicklung wider, in der das ursprünglich als Individualmerkmal geltende Merkmal eine maßgebliche wirtschaftliche und stadtentwicklungspolitische Verkürzung erfährt. Vom personengebundenen Verständnis zum Wirtschaftsfaktor
Galt ‚Kreativität‘ traditionell als personengebundene Bezeichnung für Schöpfer oder Genie, die sich durch ihre Fähigkeit zu außergewöhnlich innovativem Arbeiten
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für diese Bezeichnung qualifizierten (Vgl. Raunig/Wuggenig 2007: 9), findet der Terminus heute selbstverständlich in kunstfremden Branchen wie der Wirtschaft, der Technologie oder der Wissenschaft Verwendung. Spätestens seit dem Hype um die ‚Creative Class‘ wird die enge Verbindung der Kunst mit dem Begriff der ‚Kreativität‘ dabei grundlegend zur Disposition gestellt.33 Während ‚Kreativität‘ ursprünglich „der Abgrenzung der wahrhaft ‚schöpferischen‘ gesellschaftlichen Akteure, die in der Lage sind, Innovationen zu generieren und durchzusetzen“ [Herv. i.O.] (ebd.: 9) diente, hat sich heute eine ökonomische Label-Verwendung durchgesetzt, die sich am Verständnis von künstlerischer und kultureller Produktion ablesen lässt: So wird ‚Kreativität‘ im erweiterten Verständnis der Kultur- und Kreativwirtschaft als zentraler Ausgangspunkt von branchenspezifischen Produkten und Dienstleistungen, d.h. auch technologischer oder wissenschaftlicher ‚Kreativität‘ gefasst, mit der Konsequenz, dass die künstlerische und kulturelle Produktion nicht länger um ihrer selbst willen, sondern als Bestandteil einer marktwirtschaftlich orientierten Kreativwirtschaft konstituiert wird (Vgl. Deutscher Bundestag 2007: 341). Zum Beginn des 21. Jahrhunderts fungiert ‚Kreativität‘ damit nicht mehr als Exklusivmerkmal für künstlerische Produktionen, sondern als Kennzeichen für technische Erfindungen, wissenschaftliche Entdeckungen und soziale Problemlösungsansätze zugleich (Vgl. Lange 2007: 63). Die Vielfalt der Definitionsansätze kann in Anlehnung an Bröckling (2004) in sechs Bereiche zusammengefasst werden, die als Assoziationsfelder kreativen Handelns in einer engen Interaktion miteinander stehen: ‚Kreativität‘ als Inbegriff für künstlerisches, expressives Handeln (1), als Modell der Produktion (2), als Instrument zur Problemlösung (3), als revolutionäre Kraft im Sinne der ‚schöpferischen Zerstörung‘ nach Schumpeter34 (4), als Metapher für Emergenz (5) sowie zuletzt als Spiel (6), bei der das schöpferische Handeln mit dem zweckfreien Handeln gleich-
33 Die Bildenden Künste spielen eine zentrale Rolle in der Bedeutungszuschreibung von ‚Kreativität‘ als ‚schöpferischer‘ Kraft. Während das Attribut in seiner ursprünglich religiösen Bedeutung nur Gott vorbehalten war, fand in der Renaissance erstmals die Gleichsetzung von Kunst mit schöpferischen Kräften Verwendung und schuf damit die Grundlage für „das Pathos des neuzeitlichen Subjekts“ (Reck 2008: o.S.). Die Verbindung wurde erst in den 1920er Jahren durch die Ready-Made-Bewegungs Duchamps aufgeweicht, die mit der schöpferischen Wirkungskraft brach (Vgl. ebd.). 34 Entgegen der Annahme einer kontinuierlichen Wirtschaftsentwicklung entwarf Schumpeter in den 1940er Jahren die Theorie eines dynamischen, destabilisierenden, kapitalistischen Produktionsprozesses. Das destabilisierende Moment bildete für ihn die „schöpferische Zerstörung“ (Schumpeter 1992 [1942]: 136), nach der Produktionsfaktoren immer wieder neu kombiniert und alte Strukturen durch neue ersetzt werden, um neues Wachstum zu generieren.
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gesetzt wird (Vgl. Bröckling 2004: 140). Laut Bröckling ist die Vielzahl der mit ‚Kreativität‘ assoziierten Handlungsfelder letztlich auch der entscheidende Grund für ihre inflationäre Verwendung, finde „im Metaphergestöber“ (ebd.: 141) doch ein jeder die für ihn passende Auslegung. Angesichts der vielfältigen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Interessen an der ‚Ressource Kreativität‘ ist der ehemals personengebundene Begriff dabei in ein hochgradig ambivalentes Spannungsfeld geraten, das sich zwischen den Polen der Steuerung und Nutzbarmachung auf der einen Seite und der Entfesselung von ‚Kreativität‘ in eben nichtsteuerbaren Kontexten auf der anderen Seite bewegt (Vgl. ebd.: 141). Die Aufweichung des exklusiven Individualmerkmals ‚Kreativität‘ hin zu einer kollektiv erfahrbaren Eigenschaft eines jeden Menschen wurde maßgeblich durch die US-amerikanische Psychologie und ihren Forschungszweig der Kreativitätsforschung vorangetrieben.35 Ihrem demokratischen Grundimpuls folgend entfernte sich der Begriff ab den 1950er Jahren von seiner romantischen Verklärung als Genie und seiner exklusiven Zuschreibung an eine elitäre Gruppe zugunsten einer kollektiv erfahrbaren und v.a. für kunstfremde Bereiche anwendbaren Ressource. Dabei wurde seine Entmystifizierung teilweise sogar vom künstlerischen Feld selbst vorangetrieben, wie etwa durch die Pop-Art Bewegung um Andy Warhol (Vgl. Bröckling 2004: 141). Im Rahmen der Entwicklung neuer Medientechnologien wurde der Terminus ab den 1980er Jahren zudem verstärkt von den Wirtschaftswissenschaften als Inbegriff für Innovation aufgegriffen (Vgl. Lange 2007: 63). Das Verständnis von ‚Kreativität‘ als handlungsbasierten Vorgang, „that produces something new through the recombination and transformation of existing cultural practices or forms“ (Liep 2001: 2), bildet seitdem ein eigenständiges Handlungsfeld in der Managementlehre. Im Zuge der zunehmenden Bedeutungssteigerung von neuen Medien mit ihren komplexen Produktionsprozessen erfassen Managementtheorien ‚Kreativität‘ dabei als eine Problemlösungsstrategie, mithilfe derer erlangtes Wissen auf systemische Innovationen angewendet werden soll (Krause 1996). Seit den 1990er Jahren steht ‚Kreativität‘ außerdem im Aufmerksamkeitsfokus der Wirtschaftspolitik, die den Begriff als global wirksame und innovationsorien-
35 Die nordamerikanische Kreativitätsforschung veränderte das europäische Kreativitätsverständnis zutiefst. Nicht nur etablierte sie menschliche ‚Kreativität‘ als essenzielles Aufgabenfeld der Kreativitätsforschung (Vgl. Brodbeck 2006: 246f.), ab den 1970ern konstituierte sie diese auch als eng mit ihrer Umwelt verwobener Vorgang, wodurch nicht länger nur Personen, sondern zahlreiche Anwendungsgebiete erfasst wurden, wie das alltägliche Handeln und Emotionen. Später übertrug sie ‚Kreativität‘ auch auf Denkprozesse. Die Popularisierung des systemischen Verständnisses von ‚Kreativität‘ weit über den wissenschaftlichen Diskurs hinaus wurde u.a. von Csikszentmihalyi (2007) geprägt.
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tierte Ressource für die sich in Erosion befindende, städtische Ökonomie etabliert hat. Die zur Rettung auserkorene Branche der Kultur- und Kreativwirtschaft soll, so war in Kap. 1.1.1 aufgezeigt worden, den wirtschaftlichen Strukturwandel durch neue Arbeitsplatzangebote in den kulturellen und kreativen Industrien kompensieren. Dabei rücken die in diesem Zusammenhang propagierten kreativen Arbeitsund Lebensformen plötzlich jene Akteure in den Fokus, die aufgrund ihrer prekären Beschäftigungssituation normalerweise nicht als Rollenmodell für ökonomischen Erfolg gelten: die Figuren des Künstlers oder der Bohème, die als Inbegriff für die Kulturalisierung von Arbeit und Produktion wahrgenommen werden (Vgl. von Osten 2007: 107). Dies hat zur Folge, dass ursprünglich mit dem Terminus in Verbindung stehende Arbeitsweisen für ein vermeintlich zukunftsträchtiges Rollenmodell modifiziert werden, das durch Flexibilität und Mobilität zu bestechen scheint, obwohl es durch äußerst prekäre Lebens- und Arbeitsbedingungen gekennzeichnet ist. ‚Kreativität‘ unterliegt in diesem Verständnis einer Mystifizierung, die nicht nur die Realbedingungen der kreativen Akteure auf das Stärkste euphemisiert, sondern Negativfolgen weitestgehend ignoriert: „Wer könnte den Unternehmergeist in der Kultur schließlich besser verkörpern als Künstlerinnen, die ihr Atelier zum Projektbüro machen, auf internationaler Ebene souverän ihre Arbeit und Persönlichkeit vermarkten und als Trendsetter in ästhetischen Fragen selbst den Marktführern aus Werbung und Produktdesign immer einen Schritt voraus sind.“ (Verwoert 2003b: 45)
Die in diesem Zusammenhang entstandenen Begriffe wie Creative Economy, Creative Industries oder Kreativwirtschaft sind dabei insofern irreführend, dass sie implizieren, dass es Branchen geben muss, in denen ‚Kreativität‘ nicht vorkommt – eine Aussage, die wiederum dem alltagsgebräuchlichen Verständnis von ‚Kreativität‘ als spezifische Qualität allen menschlichen Handelns widerspricht (Vgl. Haselbach 2008: 177). Im Rahmen der vorliegenden Debatte um das Spannungsfeld von ‚Kreativität‘ und Stadtentwicklung plädiert Wiesand deshalb für eine Loslösung von einem reinen objekt- und alltagsbezogenen Kreativitätsverständnis zugunsten einer erweiterten personengebundenen Definition. Auf diese Weise könne der Zerfaserung des Kreativitätsverständnisses sowie dem Verlust einer nichtökonomischen Betrachtungsweise von ‚Kreativität‘, in der diese nur noch „die Bereitstellung eines funktionalen und erlebnisträchtigen Ambientes [ist], Sinn und Form spielen keine Rolle mehr“ (Wiesand 2008: o.S.) entgegengewirkt werden. Angesichts dieses Szenarios erscheint es essenziell, den Begriff der ‚Kreativität‘ keineswegs auf seine wirtschaftliche Komponente zu verkürzen, sondern weitere elementare Charakteristiken wie seine soziale oder kulturelle Dimension zu schützen. Gleichzeitig gilt es anzuerkennen, dass die Zuschreibung und Konservierung auf das künstlerische Sujet heute ebenfalls als Utopie gelten muss. Angesichts der
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immer wiederkehrenden Kritik der Subsumierung von Kunst und Kultur unter die ökonomisch verkürzte Kreativwirtschaftsdebatte erscheint es jedoch wesentlich, sich der begrifflichen Ursprünge einmal mehr zu erinnern. In der Forschung finden sich in den letzten Jahren deshalb vermehrt Ansätze, die eine klare Trennung zwischen kulturbasierter und nicht-kulturbasierter ‚Kreativität‘ fordern (Vgl. Kap. 5). ‚Kreativität‘ als Stadtentwicklungsinstrument
In der aktuellen Kreativitätsdebatte lässt sich zugleich eine Erweiterung des einst personengebundenen Begriffes auf raum- und standortbezogene Themen konstatieren. Damit knüpft die Debatte an das Kreativitätsverständnis der psychologischen Kreativitätsforschung an, nach der ‚Kreativität‘ nicht länger als individuelle, kognitive Leistung von Menschen, sondern als eng mit seiner Umwelt verwobener Vorgang begriffen wird. Die Attestierung kreativer Attribute für physische Orte ist dabei in entscheidendem Maße von der Wechselwirkung mit personengebundenen Ansätzen geprägt. ‚Kreativität‘ zeigt sich hier als „kulturelle Vitalität“ von Orten oder Regionen, die maßgeblich von der Einbindung individueller Talente abhängen (Vgl. Wiesand 2008: o.S.). Die als kreativ deklarierten Stadtentwicklungsstrategien, die zum einen auf die Stärkung bereits etablierter Räume, zum anderen auf die Aufwertung vernachlässigter Räume abzielen, offenbaren damit ein stark verräumlichtes Nutzungsverständnis von ‚Kreativität‘, in der die Stadt jene Freiheit urbaner Anonymität und Toleranz gewährleistet, die die kulturellen und kreativen Akteure nachfragen. Der Verräumlichung des Kreativitätskonzeptes trägt auch der Spatial Turn Rechnung, der von einer ‚räumlichen Wende‘ in den Kultur- und Sozialwissenschaften ausgeht. Die irreführende Vorstellung von dem Raum erfährt hier eine Aufhebung durch ein Verständnis von Räumlichkeit als Resultat oder Effekt von sozialen und kulturellen Praktiken (Vgl. Günzel 2006: o.S.).36 In der Praxis hat die Verräumlichung des Kreativitätsbegriffes in den letzten Jahren einen Wettbewerb globalen Ausmaßes ausgelöst, bei der die Beförderung ‚kreativer urbaner Milieus‘ nicht selten einer Vermarktungsstrategie gleichkommt: Kulturelle und kreative Akteure werden als eine Art neue Oberschicht konstituiert (Mokre/Mayerhofer 2007), die durch ihre Arbeit und durch die für sie spezifische
36 Der Spatial Turn gilt als direkte Gegenreaktion auf das ‚Verschwinden des Raums‘ in der globalisierten und digitalisierten Weltordnung. Als ‚Wiederkehr des Raumes‘ schlägt sie sich in den Kultur- und Sozialwissenschaften zugleich als Thema, Begriff und Kategorie nieder (Vgl. Schroer 2008: 125). Die grundsätzliche Frage, ob die Hinwendung zum Raum begrüßenswert ist oder nicht, wird dabei kontrovers diskutiert. Mittlerweile hat sich der Spatial Turn, der in den 1980er Jahren die Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften erfasste, zum transdisziplinären Großparadigma ausgebildet. Zur weiterführenden Information s. Döring/Thielmann 2008.
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Art der Vernetzung und des Lebensstils ein Klima schaffen, das nicht nur weitere kreative Akteure anzieht, sondern auch als zentraler Standortfaktor bei der Ansiedlung von Unternehmen fungiert – die Hauptthese von Floridas Ansatz der ‚Creative Class‘. Während schon Simmel (1903) und Wirth (1938) die Produktivität von Kultur und Ökonomie auf die besondere Beschaffenheit der Stadt (Vgl. Kap. 1.2.1) zurückführten, hat sich die Debatte im 21. Jahrhundert zum Faktor der ‚Kreativität‘ verschoben: „Cities have developed from ‚landscapes of production‘ to ‚landscapes of creativity‘.“ [Herv. i.O.] (Van Aalst/Hitters 2005, zit. nach Mokre/Mayerhofer 2007) Die Wiederentdeckung der kulturellen und ökonomischen ‚Kreativität‘ von Städten vollzieht sich dabei hauptsächlich in Form einer narrativ kreativitätsbasierten Stadtentwicklung, bei der auf den urbanen Raum fokussierte Konzepte wie die ‚Creative City‘ als strategische Metaphern im unternehmerischen Selbstverständnis der Stadt aufgebaut und in städtische Entwicklungs- und Marketingstrategien überführt werden, verbunden mit dem Ziel, die internationale Städtekonkurrenz um ‚Kreativität‘, Innovation und Wissen zu durchdringen. Als imagebildendes Label für Standortinteressen sind die Narrative dabei jedoch eher als ‚Ökonomie der Symbole‘ (Zukin 1998) denn als ernstzunehmende neue Entwicklungsmethoden zur Entfaltung städtischer ‚Kreativität‘ zu verstehen. Insbesondere die von Landry avisierten Handlungsanleitungen für einen ‚Kreislauf urbaner Kreativität‘ bleiben vielerorts eine Utopie. Während ‚Kreativität‘ als politisches Machtinstrument konstituiert wird, das einer exogenen, öffentlichkeitswirksamen Außenwahrnehmung untersteht, bleibt ein konstruktiver Umgang mit den Schattenseiten der ‚kreativen Stadt‘ wie Segregationstendenzen oder sozialen Ungleichheiten aus (Vgl. Siebel 2008: 283). ‚Kreativität‘ als gesellschaftlicher Imperativ
Das Verständnis von ‚Kreativität‘ als politischer Leitformel wird zuletzt auch von Seiten der (EU-)Kulturpolitik37 vorangetrieben: „Kreativität wurde zu einem Leitbegriff und hat andere frühere Leitbegriffe wie etwa ‚Demokratisierung der Kultur‘ oder ‚kulturelle Demokratie‘, die in den 1970er Jahren speziell im Kontext des Europarates eine wichtige Rolle gespielt haben, abgelöst.“ (Fuchs 2009: 11) Die Transformation zu einem gesellschaftlichen Leitmotiv wird von vielen Autoren im
37 Als wesentliche Meilensteine in der Zusammenführung von Kulturpolitik und ‚Kreativität‘ gelten der in Großbritannien im Jahr 1998 veröffentlichte Bericht „All our Futures. Creativity, Culture and Education“ des National Advisory Committee on Creative and Cultural Education“ sowie die im gleichen Jahr in Stockholm abgehaltene UNESCOWeltkonferenz zur Kulturpolitik, die den Report „Our Creative Diversity“ in den Mittelpunkt der Debatten rückte (Vgl. Fuchs 2009: 11).
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Sinne einer „Kritik der Kreativität“ (Raunig/Wuggenig 2007: 9) dabei auf das Schärfste in Frage gestellt (Bröckling 2009; Olma 2009; Becker 2007; Lange 2007; von Osten 2007; Peck 2005). Indem mithilfe der propagierten Kreativitätsvokabel die ursprünglich der Bohème entstammenden künstlerischen Werte und Normen auf die Gesamtgesellschaft übertragen würden, entstünde eine neue Arbeitsnorm um ‚Kreativität‘, Flexibilität und individueller Autonomie, die zu nichts Geringerem als der Legitimation des Rückzugs des Sozialstaats führe: „Die Ausdehnung und Überantwortung ‚künstlerischer‘ Tätigkeiten auf breite Teile der Gesellschaft verband sich aber auch mit dem (diffusen) Ziel, sozial Benachteiligte und fern von regelmäßiger Erwerbsbeschäftigung lebende Menschen ‚künstlerischen Tätigkeiten‘ zuzuführen.” [Herv. i.O.] (Lange 2007: 24f.) Indem die Kreativpolitik als Heilsmittel für bis dahin nur schwer lösbare gesellschaftliche und soziale Probleme verklärt wird, verliert sie immer mehr an Profil und verkommt schließlich zu einer leeren Worthülse. Damit wird deutlich: Der Begriff ‚Kreativität‘ ist in seiner Verwendung – ob für die Wirtschaftspolitik, die Stadtentwicklung oder als gesellschaftlicher Imperativ – nahezu austauschbar. Seine Nutzung als Black Box, als nebulöses, aber dennoch positiv konnotiertes Konstrukt ist zugleich die Grundlage für seine massive Verwendung, insbesondere für politische Akteure. Der von Topitsch geprägte Ansatz der ‚Leerformel‘ (Topitsch 1960) trägt diesem Tatbestand Rechnung, bedeutet er doch nichts anderes, als dass eine Formel leer sein muss, um zu wirken: „Es ist dies die Tatsache, dass bestimmte sprachliche Formeln durch die Jahrhunderte als belangvolle Einsichten oder sogar als fundamentale Prinzipien des Seins, Erkennens und Wertens anerkannt wurden und es heute noch werden – nicht obwohl, sondern gerade weil und insofern sie keinen oder keinen näher angebbaren Sach- oder Normgehalt besitzen.“ (Topitsch 1960: 233f.)
Topitsch spricht auch von einem Zirkelschluss, bei dem man Naturvorgängen soziale Bedeutungen und Normen unterschiebt, um sie dann wieder zu entnehmen (Vgl. Topitsch 1960: 237). Dementsprechend seien durch Leerformeln und intentionale Projektionen vermeintlich gewonnene Erkenntnisse und Argumente weniger vom Willen zur Wahrheit, als von Wünschen geleitet. So auch in der vorliegenden Studie, bei dem sich der Charakter der ‚Leerformel Kreativität‘ in einer Terminivielfalt von (urbanen) Kreativitätsdiskursen mit vielfältigen Zielstellungen offenbart, die von ‚Kreativität‘ als Managementmethode über ‚Kreativität‘ als identitätsstiftenden Faktor bis hin zu ‚Kreativität‘ als Motor für städtische Revitalisierung reichen. ‚Kreativität‘ bleibt dabei eine ‚Leerformel‘, die gerade aus diesem Grund so flächendeckend und zielgerichtet eingesetzt werden kann (Vgl. Kirchberg 2010: 25).
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Abbildung 1: Kreativitätsverständnisse
Quelle: Kunzmann 2005: 5.
Angesichts der in Abbildung 1 beispielhaft skizzierten Quantität überrascht es daher wenig, dass seine Transformation zu einem gesellschaftlich ‚kreativen Imperativ‘ (von Osten 2003, Bröckling 2003) den Kreativitätsdiskurs als hegemonialen Denkund Handelszwang etabliert, dem man sich, selbst wenn man wollte, kaum entziehen kann (Vgl. Olma 2009: 113). Würde man – angelehnt an eine kulturbasierte Definition von ‚Kreativität‘ – die Formel von ‚Kreativität‘ als gesellschaftlichem Imperativ weniger als ökonomisches Motiv denn als tatsächliche gesellschaftliche Leitformel begreifen, so wäre die heutige Debatte, folgt man Göhler (2006), von grundlegend anderen Paradigmen geleitet: So dürfe ein ernst gemeintes Credo zur Leitformel ‚Kreativität‘ nicht in weiteren Kürzungen des Kultur-Etats resultieren, sondern müsste jene Rahmenbedingungen sicherstellen, die die unterschiedlichen Bereiche von künstlerischer, sozialer, technischer und ökonomischer ‚Kreativität‘ über entsprechende Bildungsangebote fördern und letztlich miteinander verbinden können. ‚Kreativität‘ avanciert in diesem Verständnis zu einem „Prozessor in der Entwicklung zu einem gesellschaftlich Größeren und auch ökonomisch Potenteren. Die Ökonomie ist nicht die Antriebskraft, profitiert aber letztlich davon, wenn Menschen kreativ denken, leben und arbeiten.“ (Göhler 2006: 81) Der Ansatz einer Kulturgesellschaft verwirft die Idee des gesellschaftlichen Imperativs der ‚Kreativität‘ nicht, greift die Formel aber an ihrem inhaltlichen Schopfe und versucht, durch das Auflösen eines ökonomischen Grundprinzips, d.h. durch die Loslösung von einem kurzfristigen Effizienzdenken (Vgl. Kirchberg 2010: 28), einen Kreativitätsbegriff zu formulieren, der das Potenzial birgt, die ‚Leerformel‘ wieder zu einer ‚Leitformel‘ werden zu lassen.
48 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN ‚Kreativität’ – zwischen ‚Leerformel‘ und strategischem Entwicklungsansatz
Die kritische Hinterfragung der vorherrschenden Kreativitätsdiskurse hat eine Fülle an Nutzungsverständnissen offengelegt. Die Spannbreite offenbart dabei nicht nur die den Konzepten innewohnende definitorische Unschärfe des Kreativitätsbegriffes, sondern v.a. den politisch strategischen Umgang mit ebendiesem: So stellt sich die ‚Leerformel Kreativität‘ weniger als Nachteil, denn als strategischer Vorteil für die Übertragung des Begriffes auf kreativitätsferne Bereiche dar: „Das Kreativitätsskript kodiert ein faszinierendes ‚ökonomisches Imaginäres‘, in dem kultureller Libertarismus, zeitgenössische Motive der Stadtplanung und neoliberale ökonomische Imperative eine Verbindung eingehen. [...] Doch sind solche blassrosa Inhalte Bestandteil eines Entwicklungsszenarios, das ebenso kompromisslos marktorientiert (Kreativstädte, -kapital und -akteure befinden sich in einem ständigen Wettbewerb) wie individualistisch (Kreative sind hedonistische Unternehmer ihrer selbst) daherkommt.“ [Herv. i.O.] (Peck 2008: 1)
Plakative Leitbegriffe und Narrative wie die ‚Creative City‘ oder die ‚Creative Class‘ zeugen in diesem Kontext von einem Selbstverständnis, nach dem sich Städte zunehmend als ‚kulturelle Entitäten‘ begreifen, die als Träger und Produzent von Zeichen und Symbolen fungieren. In diesem Selbstverständnis werden die symbolische und politische Ökonomie von Kultur nicht nur langfristig miteinander verwoben, sondern avancieren zur bedeutendsten Quelle der Wertschöpfung in der Stadtentwicklung (Bittner 2001; Evans 2001). Die Entwicklung einer kreativitätsbasierten Stadtentwicklung, die sich nicht zuletzt anhand der fortschreitenden Ästhetisierung der Stadt, dem zunehmenden Einsatz von Solitärarchitekturen, dem Ausbau von Städten zu Erlebnis- und Konsumorten sowie über die weltweit angewandte Praxis des Place Branding ablesen lässt, suggeriert dabei zugleich ein Verständnis von ‚Kreativität‘, das auf der grundsätzlichen Planbarkeit derselben beruht. „Städte kulturalisieren sich und können damit zur Zielscheibe eines ‚cultural planning‘ werden, das auf Steigerung des Kulturellen und auf Differenzmarkierung der Städte untereinander setzt.“ [Herv. i.O.] (Reckwitz 2010: o.S.) Obgleich die Gegenüberstellung der einzelnen Ansätze (Vgl. Kapitel 1.1.2) ihre Heterogenität und ihr unterschiedliches Verständnis von ‚Kreativität‘ als kulturbasierte oder ökonomisch orientierte Größe deutlich herausgestellt hat, bleibt festzuhalten, dass die Vielschichtigkeit in der politischen Praxis kaum Entsprechung findet. Trotz der Unterschiedlichkeit zwischen einem kulturbasierten und einem ökonomisch-orientierten Kreativitätsverständnis, die jeweils völlig unterschiedliche Handlungsoptionen implizieren, werden diese in der Praxis nicht selten unter dem Verständnis einer wirtschaftsorientierten ‚Kreativität‘ subsumiert. So fordert auch Göschel eine Unterscheidung zwischen „kreativen Städten“ und „Städten mit kultureller Produktivität“
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(Göschel 2009: 49), die eine jeweils völlig unterschiedliche Bedeutung von Kultur und ‚Kreativität‘ als Produktionsfaktor implizieren würden. Im Rahmen der vorliegenden Debatte plädiert eine Vielzahl an Autoren deshalb für eine Unterscheidung zwischen ‚kultureller Kreativität‘ und ‚nicht-kultureller Kreativität‘ (KEA European Affairs 2009; Pratt 2008, Göschel 2008; Raunig/ Wuggenig 2007; Göhler 2006; Ray/Anderson 2001) bzw. für die Rekonzeptionalisierung kreativitätsbasierter Stadtentwicklungskonzepte über die Rolle der Kultur, was u.a. maßgeblich relevant erscheint, wenn es darum geht, Steuerungsversuche derselben zu entwickeln. Denn schließlich entzünden sich die Widersprüche um die Förderung und Etablierung ‚kreativer Städte‘ insbesondere an den strategischen Maßnahmen, die von Städten weltweit ergriffen werden, um ungeachtet ihres kulturellen Kapitals und ihrer kulturellen Historie den Status einer ‚kreativen Stadt‘ zu erzielen. Dabei sind Ansätze zu ihrer Förderung insbesondere von der Frage geleitet, ob es Steuerungsansätze für dieses ‚unplanbare‘ Handlungsfeld gibt und wenn ja, wie diese aussehen müssten, um eine Übersteuerung zu vermeiden. Die Frage nach der Existenz von Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt sowie ihrer Grenzen steht im Mittelpunkt des nachfolgenden Kapitels.
1.2 P LANBARKEIT
VON
K REATIVITÄT ? „Kreative Akte ereignen sich – oder auch nicht. Man kann sie – durch Beharrlichkeit oder Enthusiasmus oder durch beides zusammen – vielleicht ‚locken‘, aber man kann sie nicht erzwingen.” [HERV. I.O.] BRÖCKLING 2004: 139
Der Terminus der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt wurde bereits in Kapitel 1.1 als analytischer Suchbegriff für die Ermächtigungsversuche der Stadt, ‚Kreativität‘ in Dienst zu nehmen, eingeführt. Heute zählt die Praxis nicht nur zum festen Bestandteil von Metropolen, die aus ihrer Historie heraus seit jeher über ein gewachsenes kulturelles Kapital verfügen, sondern findet auch vermehrt in solchen Städten Verwendung, die durch ihre industrielle Entwicklungsgeschichte vergleichweise geringe kulturelle Ressourcen aufweisen. Seit dem vielfach gepriesenen ‚Bilbao-Effekt‘ greifen Metropolen wie London oder Hamburg, aber auch mittelgroße Städte wie Glasgow, Birmingham oder Herford kultur- und kreativitätsbasierte Strategien als gezielte Standort- und Imagemaßnahmen auf, in der Hoffnung, auf diese Weise die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Städte vorantreiben zu können. Der globalen Distinktionsgenerierung zum Trotz konzentrieren sich Formen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt dabei hauptsächlich auf architektoni-
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sche Leuchtturm-Projekte, kulturelle Festivalisierungsformate oder großformatige Projekte aus dem Bereich Entertainment und Kommerz, während kommunale Strategien zunehmend in den Hintergrund geraten (Vgl. Grodach/Loukaitou-Sideris 2007: 353). Ausgehend von den wirtschaftlichen Folgeeffekten, die dem Sektor der Kultur- und Kreativwirtschaft über ihr kulturelles und symbolisches Kapital attestiert werden, avancieren strategische Maßnahmen zur Förderung desselben dabei nicht selten zu einer zielgerichteten Praxis von Raumproduktion. Angesichts der umfänglichen ‚Kreativitätspolitik‘ einzelner Städte soll im Rahmen des nachfolgenden Kapitels 1.2 die Frage interessieren, welche Charakteristiken eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt kennzeichnen, von welchen Zielen sie geleitet ist und wie sich ihre Realisierung durch den Einsatz spezifischer Planungs- bzw. Steuerungsmodelle gestaltet. Den Auftakt bildet eine terminologische Annäherung an den Untersuchungsgegenstand, der im Rückgriff auf die Planungstheorie – und hier insbesondere der Raum- und Stadtplanung – sowie ihrem Paradigmenwechsel hin zu einem strategischen Planungsverständnis (Kap. 1.2.1) erfolgt. Nach einer Übertragung der planungstheoretischen Kriterien auf den Untersuchungsgegenstand (Kap. 1.2.2) wird der Governancediskurs als Steuerungsmodus städtischen Handelns ergänzend hinzugezogen (Kap. 1.2.3).
1.2.1 Zum Begriff der strategischen Planung Die dem Untersuchungsgegenstand zugrundeliegenden Begrifflichkeiten der Planung und Strategie, die sich aus vielfältigen wissenschaftlichen Disziplinen speisen, liefern entscheidende Erkenntnisse für die Problemstellung eines planenden Umgangs mit der ‚Ressource Kreativität‘. Der Begriff der Planung, der auf das lateinische ‚planum‘ zurückgeht und über den französischen Ausdruck ‚plan‘ im 18. Jahrhundert in den deutschen Sprachgebrauch gelangte, rekurriert als „geistiger, auch organisatorisch und institutionell ausgeformter Vorgang“ zunächst auf die „Abschätzungen, Entwürfe und Entscheidungen”, die es festzulegen gilt, „um ein bestimmtes Ziel“ zu erreichen (Brockhaus 2006: 544). Jedoch ist die Zielerreichung nicht der alleinige Bestandteil von Planung, sondern dieser geht zunächst die Zielfestlegung voraus. Folgt man dieser sehr allgemeinen Definition, lässt nahezu jede menschliche Handlung eine spezifische Form von Planung erkennen und jedes – wenn auch nur begrenzt rationalisierbares – Handeln einen Handlungsentwurf oder zumindest eine Antizipation des Handlungsresultats als Voraussetzung deutlich werden (Vgl. Dyk 1981: 26). Es verwundert deshalb wenig, dass der Planungsbegriff seit seinem Aufkommen in vielfältigen Bereichen Verwendung findet, zu denen u.a. die Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, die Politik sowie die Raum- und
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Stadtplanung zählen.38 Als gemeinsamer Nenner der vielfältigen Verwendungskontexte kann die zukunftsorientierte Zielgerichtetheit von Planung gelten: „All definitions of planning infer some consideration of the future and the achievement of given goals or end states, whether physical and environmental, social or economic […].“ (Evans 2001: 6) Analog zur quantitativen Verwendung des Begriffes hat sich seit der Nachkriegszeit die Planungswissenschaft oder -theorie ausgebildet, die eine theoretisch-methodologische Auseinandersetzung als Disziplin verfolgt. 39 Dabei ist die Planungstheorie nicht durch ein singuläres Paradigma, sondern durch vielfältige Forschungsfelder geprägt, die von Planungssystemen und -prozessen über die Organisation als strukturelle Dimension bis hin zu einzelnen Planungsmethoden reichen (Vgl. Streich 2011: 49). Weitere Forschungsfelder kreisen um die Frage nach der Legitimation von Planung und ihrer Intention „to alter the existing course of events“ (Campbell/Fainstein 2005: 6) sowie die Inkorporierung von Werten und ethischen Dilemmata im Planungsverständnis. Ab den 1970er Jahren erfuhr die Planungstheorie eine einschneidende Wende, die ausgehend von der Frage „Wer plant die Planung?“ (Burckhardt 1974: 71)40 jene Instanzen und Akteure zur Disposition stellte, die die Entscheidung über die Ziele der Planung und ihrer Prioritätensetzung innehaben. Die in den Folgejahren geführte Diskussion anlässlich des machtpolitischen Rahmens, in den Planung und damit verbundene, politische und ideologische Interessensbestimmungen eingebunden sind, kulminierte schließlich nicht nur in der Auseinandersetzung um eine
38 Dyk zufolge stellt sich in der Wirtschaft eine Planungsnotwendigkeit bspw. über das rationale Handlungsschema der Betriebswirtschaft, d.h. den kalkulierbaren Nutzen dar. Im politischen Feld sei ein zielgerichteter Gestaltungs- und Durchsetzungswillen immanent. Planung manifestiere sich hier etwa über das Regelwerk der Gesetzgebung sowie das Verwaltungswesen, deren Ausgliederung aus der Politik eine zielgerichtete Ordnungsplanung wachsender Komplexitäten darstelle (Vgl. Dyk 1981: 27f.). 39 Die relevanten Aktionsfelder einer Planungstheorie finden sich v.a. an der Schnittstelle von politischer Ökonomie und Geschichte sowie an der Schnittstelle des Topos Stadt bzw. Region mit Planung als humaner Interaktionsmöglichkeit, die sich wiederum aus vielfältigen theoretischen Ansätzen wie den Politikwissenschaften, den Rechtswissenschaften oder der Entscheidungstheorie speisen (Vgl. Campbell/Fainstein 2005: 5). 40 Burckhardt konstatierte, dass Planung „nicht isoliert geschieht, sondern dass sie bedingt ist durch die Politik, dass sie aufgehängt ist in einem sozialen System. Wie man plant, mag der Fachmann wissen, obwohl, wie wir sehen werden, auch sein ‚Wie?’ nicht ohne gesellschaftliche Bedingtheit ist; aber was geplant wird und was nicht geplant wird, was man sich selbst zu überlassen plante, das wird durch politische und gesellschaftliche Kräfte bestimmt.“ [Herv. i.O.] (Burckhardt 1974: 71)
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„Demokratisierung von Planung“ (Dyk 1981: 150)41, sondern auch in der Infragestellung von Planung als Gegenentwurf zum freien, sich selbst regulierenden Markt (Vgl. Marx 2008: 90f.). Befördert wurde die Debatte ab den 1980er Jahren durch neue Kooperationsmodelle zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, die den Dualismus derselben als Begründungszusammenhang für Planung zusätzlich in Frage stellten. Der ‚strategic shift‘ in der Planungstheorie
Parallel zur skizzierten Diskussion um den politischen Aspekt von Planung wirkte sich auch der Paradigmenwechsel der Wissenschaft hin zu einem post-positivistischen Weltbild maßgeblich auf die Planungstheorie aus (Frey et al. 2008; Allmendinger 2002). An die Stelle eines technisierten Verständnisses von Planung als nicht-linearer, komplexer und dynamischer Prozess trat ein Verständnis, nach dem Planung maßgeblich von konzeptionell-‚strategischen‘ Überlegungen geleitet sei. Bezogen auf die Planungstheorie resultierte das Aufgreifen des Strategiebe-griffes42 in einem Planungsverständnis, das sich insbesondere in einer stärkeren sozialen und historischen Kontextualisierung, einer Zunahme von normativ definierten Kriterien, einer höheren Akzeptanz von Abweichung, einer ausgeprägten Flexibilisierung sowie der Erkenntnis der Selbstbestimmtheit und -organisation von Individuen niederschlug (Vgl. Frey et al. 2008: 21). Das Aufstellen von Strategien sollte nicht länger vorgefertigte Maßnahmen, sondern potenzielle Handlungs-optionen umfassen, die dadurch zum Erreichen des Planungsziels beitragen, dass sie das Verhalten der handelnden Akteure in Bezug auf die Ausrichtung der angestrebten Entwicklung langfristig determinieren (Vgl. Ossadnik 2003: 279f.). Wenngleich sich die Planungstheorie umfassend mit einem strategischen Planungsverständnis auseinander gesetzt hatte, löste ihre Übertragung in die Praxis der
41 Die politischen Entwicklungen seit den Nachkriegsjahren hatten nicht nur eine neue Betroffenheit von Planung und damit eine Ausweitung des Planungsverständnisses auf soziale, ökonomische und ökologische Fragestellungen hervorgebracht, sondern auch die Forderung nach neuen Partizipationsformen. Zugleich führte die Neuorientierung zu immensen Kontroversen innerhalb der Planungstheorie (Vgl. Dyk 1981: 150f.). 42 Die Übertragung des aus dem Altgriechischen stammenden und ursprünglich „Heerführung“ bedeutenden Begriffes Strategie in die Planungstheorie fußt auf einer langjährigen Auseinandersetzung mit selbigem in der angelsächsischen Organisations- und Managementtheorie. Bereits in den 1940er Jahren hatte der Strategiebegriff über die ökonomische Spieltheorie Eingang in die Managementlehre gefunden. In der Adaption für den marktwirtschaftlichen Sektor bedeutete er nichts Geringeres als die Führung von wirtschaftlichen Organisationen und das Denken in Wettbewerbsvorteilen (Vgl. Kühn 2010: 96).
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öffentlichen Planung und Verwaltung eine weitreichende Debatte aus, die auch für das vorliegende Untersuchungsthema von entscheidendem Interesse ist. Als wesentlicher Kritikpunkt galten die heterogenen Zielstellungen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, die im öffentlichen Sektor weitaus vielschichtiger, aber auch widersprüchlicher verstanden wurden, zudem von der Integration einer weitaus größeren Anzahl an Stakeholdern abhängen würden als im privaten Sektor. Entsprechend wurde die Bewertung erfolgreicher strategischer Planung im öffentlichen Sektor zur Disposition gestellt, die in Abgrenzung zum betriebswirtschaftlichen Sektor nicht ausschließlich nach monetären Kriterien erfolgen könne (Vgl. Wiechmann 2010: 23f.). Zuletzt dominierte die Frage nach der Herleitung von Strategien und der damit verbundenen Zielstellung: Während Vertreter des rationalen, linearen Strategieverständnisses Strategien noch als bewussten Entscheidungsprozess rational handelnder Akteure verstanden hatten, die als Ziel-Mittel-Prozess zur Zielerreichung beitragen, propagierten Ansätze des adaptiven Strategiemodells ab den 1970er Jahren ein multikausales Modell (Vgl. Tabelle 1). Dabei verkehren sich Strategieansätze angesichts einer dynamisierten Umwelt in Mittel-Ziel-Prozesse (Vgl. Wiechmann/Hutter 2008: 103f). Das adaptive Strategiemodell übte damit deutliche Kritik am weitreichenden Steuerungsanspruch des linearen Strategiemodells.43 Heutzutage ist die Planungspraxis weniger von einem singulären Strategiemodell als von prozessualen Entscheidungsmodellen geprägt, die grundlegende Erkenntnisse aus beiden idealtypischen Strategiemodellen zu integrieren versuchen. Zugleich lassen sich über die Verwendungskontexte maßgebliche Rückschlüsse auf das vorherrschende Planungsverständnisse ziehen: Während das lineare Strategiemodell noch immer vorwiegend in der planenden Verwaltung Verwendung findet, orientiert sich die Handlungslogik der Politik verhältnismäßig stärker am adaptiven Strategiemodell. In der Praxis resultiert das Spannungsverhältnis zwischen Planungsrationalität und politischer Realität nicht nur in vielfältigen Hemmnissen u.a. für die Strategiebildung von Städten (Vgl. Kühn 2010: 95f.), sondern führt dazu, dass strategische Prozesse zunehmend als ‚unplanbar‘ gelten (Vgl. Wiechmann/ Hutter 2008: 106).
43 Kritiker des adaptiven Strategieansatzes beanstandeten v.a. die scheinbare Richtungslosigkeit und kurzfristige Nutzenorientierung des Modells, das weniger für konkrete Strategien als einen permanenten Lernprozess, über den ständig neue Strategien generiert werden, eintrat. Indem das adaptive Strategiemodell Emergenz als gängige Strategie-Praxis begriff, lief es damit zugleich Gefahr, irrtümlicherweise auch unintendierte Entscheidungen als Strategien zu deklarieren (Vgl. Wiechmann/Hutter 2008: 106f.; Kühn 2010: 86).
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Tabelle 1: Lineare und adaptive Strategiemodelle im Vergleich.
Zeitperspektive
prognostisch
Adaptives Strategiemodell begrenzt rational und intuitiv Entdeckungen konsistenter Handlungen retrospektiv
Vorgehen Strategieformulierung Steuerungsmodus Interaktion
formale Planung vollständig und explizit zentrale Implementation auf Strategen und Experten beschränkt
kollektives Lernen unvollständig und implizit adaptives, graduelles Justieren partizipativ in kollektiven Prozessen
Ziel-MittelVerhältnis Strategieinhalte
Ziel-Mittel-Prozess
Mittel-Ziel-Prozess
definierte Ziele und erforderliche Mittel Entscheidungshilfe und absichtsvolle Steuerung
Verhaltensmuster und Routinen Entscheidungsheuristik, Mobilisierungseffekt
Akteure Ausgangsbasis
Zweck
Lineares Strategiemodell rational und informiert interne und externe Analyse
Quelle: Wiechmann/Hutter 2008: 103f.
Strategische Maßnahmen in der Raum- und Stadtplanung
Parallel zum bereits aufgezeigten ‚strategic shift‘ innerhalb der Planungstheorie erfuhr auch die räumliche Planung44, und hier insbesondere die Stadtplanung, in den 1970er Jahren in Bezug auf ihr Selbstverständnis und damit verbundene Umsetzungsformen eine entscheidende Weiterentwicklung. Ausgangspunkt war der kontinuierliche, dynamische Transformationsprozess der Postmoderne, auf den Städte mit ihren bis dato vorherrschenden Planungsmethoden Kritikern zufolge nur wenig oder zumindest unzureichend flexibel reagierten. Auch wenn die veränderte Planungswirklichkeit Ansätze wie die Planungsstrategie oder die projektorientierte Planung entstehen ließen, die eine kleinteiligere und schrittweise räumliche Planungspraxis propagierten, konnten diese die Forderungen nach einem integrativen und nachhaltig wirksamen Vorgehen von räumlicher Planung nicht erfüllen. In den
44 Die räumliche Planung bezieht sich auf den Umgang mit dem Topos Raum als bebaute und unbebaute Umwelt und impliziert ein systematisches Vorgehen sowie einen zielorientierten Umgang mit den Themen Siedlungsentwicklung, Infrastruktur, Mobilität, Naturschutz oder Wirtschaft im städtischen Kontext (Vgl. Pahl-Weber 2010: 489). Als wesentliche Teildisziplin gilt die Stadtplanung, die alle Tätigkeiten „zur vorausschauenden Ordnung und Lenkung räumlicher Entwicklung nicht nur für Städte als gesamte Einheit [...], sondern sowohl die Region [...] als auch Teile innerhalb der Stadt von Stadt- und Ortsteilen bis hin zu Quartieren“ (ebd.) umfassen soll.
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1990er Jahren resultierte die Kritik an der statischen Praxis der Stadtplanung deshalb in einer Hinwendung zur strategischen Planung. Während in den USA eine Übertragung strategischer Planungsansätze aus dem privaten in den öffentlichen Sektor bereits seit den 1980er Jahren diskutiert worden war, setzte die Debatte in Europa damit nicht nur zehn Jahre später ein, sie war auch durch ein sehr breites und heterogenes Verständnis derselben gekennzeichnet (Vgl. Kühn 2010: 87), die eine einheitliche Definition bis heute missen lässt (Albrechts et al. 2003; Sinnig 2003; Salet/Faludi 2000; Healey et al. 1997; Albers 1993; Fassbinder 1993). In der deutschen Raumplanungsdebatte manifestierte sich der „turn to strategy“ (Healey 2007: 183) zunächst als normativer Anspruch, der in der Ausbildung von strategischen Leitbildern und Masterplänen seine Entsprechung fand. Damit verbunden war der Versuch, der Stadt- und Raumentwicklung „eine strategische Richtung, ein Ziel zu geben, gleichzeitig steuerbare Projekte in einen übergeordneten Rahmen zu setzen und den Einsatz von Ressourcen dafür im Sinne der Erhöhung von Effizienz zu steuern“ (Frey et al. 2008: 15). Im Gegensatz zu den Master- und Rahmenplänen der 1970er Jahre ist dabei die Maxime vorherrschend, dass strategische Leitbilder und Masterpläne weniger als vorgegebener Endzustand denn als Vision räumlicher Entwicklungen fungieren sollen, die in einem kommunikativen und kooperativen Prozess mit vielfältigen Akteuren schrittweise umzusetzen seien. Im Hinblick auf die wachsenden Komplexitäten räumlicher Strukturen gilt Planung – so zumindest das normative Verständnis – nicht länger als eine Form der staatlichen Steuerung, sondern als sozialer Prozess, der in hohem Maße auf die Einbeziehung der unterschiedlichsten Akteure aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und ziviler Gesellschaft angewiesen ist.45 Während der Plan die Funktion einer übergeordneten Zielvorgabe (Strategie) einnimmt, die allen beteiligten Akteuren der unterschiedlichen Planungsebenen zur Orientierung dienen soll, kommt Leitbildern die Funktion zu, als Spiegel gesellschaftlicher und räumlicher Entwicklungen die jeweiligen Themen diskutier- und verhandelbar zu machen (Vgl. ebd.: 19). Ergänzt durch strategische Projekte und Maßnahmen sei der langfristige Orientierungsrahmen sodann mit der Herausforderung konfrontiert, eine „Einheit von Gegensätzen“ (Kühn 2010: 96) zu ermöglichen, d.h. langfristige Leitbilder und kurzfristige Projekte, öffentliche und private Akteuren sowie hierarchische und netzwerkförmige Steuerungsmodi zusammenzubringen. Ein Blick auf die Begründungszusammenhänge für die Ausbildung strategieorientierter Planungsansätze in der Raum- und Stadtplanung (Vgl. Tab. 2) spiegelt diese Komplexitäten deutlich wider. Demnach zeichnen sich strategische Planungsansätze sowohl durch das Aufgreifen notwendiger lokalspezifischer und raumstruk-
45 Der normative Anspruch erscheint auch insofern zweifelhaft, dass Planung sich in vielen Fällen noch immer als Top-Down Prozess darstellt.
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tureller Veränderungen wie der zunehmenden Segregation oder der Schrumpfung von Städten aus, als auch durch eine strategische Themensetzung, die auf das zunehmende Wettbewerbsverständnis von Städten rekurriert. Während endogene soziale Zielstellungen zunehmend in den Hintergrund geraten, werden erfolgsversprechende Zukunftsthemen wie die Kultur- und Kreativwirtschaft in vielfältigen Begründungszusammenhängen, wie der ökonomischen Umstrukturierung oder der Festivalisierung, als Antriebskraft strategischer Stadtplanung positioniert.
Stadt(entwicklungs-)diskurs Legitimations-Strategien Bottom-Up Prozesse durch soziale Bewegungen und Developer
x x x x x x X x
x
x
x
x
x x
x x
akteursbezogen
Institutionenbezogen
Regulation raumstruktureller Veränderungen Politische Regulation im Rahmen europäischer bzw. nationalstaatlicher Subsidiarität Strategieorientierung durch EU-Stadtpolitik Festivalisierung
x
strukturell
Lokalpolitische Regulationen der globalen Herausforderungen Regulation der ökonomischen Umstrukturierung
endogen
exogen
Tabelle 2: Antriebskräfte strategieorientierter Planungen in der Raum- und Stadtplanung.
x x x x
x x x
Quelle: Frey et al. 2008: 19f.
Auch wenn der Transfer privatwirtschaftlicher Steuerungsmodelle in den öffentlichen Bereich keineswegs mit einer „naive[n] Übertragung von Unternehmensansätzen auf Städte und Regionen“ (Wiechmann 2010: 25) gleichgesetzt werden könne46, präsentieren sich strategieorientierte, räumliche Planungen, wie sie in Tabelle 2 dargestellt sind, nicht zuletzt als Abbild der Dominanz der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber sozialen und gesellschaftlichen Zielen und damit als eine
46 Folgt man Wiechmann (2010: 25) so betrachtet die ökonomische Strategieforschung Strategiebildungsprozesse weitaus differenzierter als vielfach angenommen, etwa müssen Unternehmensziele nicht zwangsläufig zweckrational, wettbewerbsorientiert und organisationsbezogen sein. Zur weiterführenden Information s. De Wit/Meyer 2004.
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Entwicklung, die als ‚Ökonomisierung der Stadtpolitik‘ bereits in Kap. 1.1 erfasst worden ist. Insbesondere die fehlende einheitliche planungswissenschaftliche Definition von strategischer Planung bietet dabei nicht selten ein Einfallstor für die Propagierung ausgewählter Themen und Handlungsfelder, mit der Konsequenz, dass die Umsetzung politischer oder wirtschaftlicher Visionen weniger als formalisierte Pläne denn als Projektionsflächen für künftige Entscheidungen fungieren (Vgl. Frey et al. 2008: 26). Altrock hat diese Entwicklung auch als Übergang vom „Versorgungs-“ zum „Attraktivitätsparadigma“ bezeichnet, wonach strategische Planung nicht als ganzheitlicher Ansatz, sondern als zielgerichtete, selektive MinderheitenMaßnahme auftrete (Vgl. Altrock 2008: 62f.). Das Denken und Handeln der Stadtentwicklung in Wettbewerbsvorteilen zeigt sich seit etlichen Jahren dabei v.a. in der Verengung auf das Thema der ‚Creative City‘. Das politisch geprägte Narrativ hat nicht nur flächendeckend Eingang in städtische Agenden weltweit gefunden, sondern einen Planungsansatz entstehen lassen, der im Rückgriff auf die dargelegten Erkenntnisse aus der Planungstheorie im Folgenden als ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt erfasst werden soll.
1.2.2 Definition einer strategischen Kreativplanung der Stadt Die zu untersuchende Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt ist kein neuartiges Phänomen, sondern reiht sich ein in eine umfassende Entwicklungsgeschichte zum Zusammenwirken von Kunst, Kultur, ‚Kreativität‘ und Stadt. Während in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch die Vorstellung von der Stadt als Gesamtkunstwerk dominierte, wurde diese in der ersten und zweiten Hälfte des Jahrhunderts zunehmend durch Planungen für eine konzentrierte, institutionelle, kulturelle Grundversorgung abgelöst, die ab den 1960er Jahren auch die Etablierung von Stadtteilzentren sowie die Bewahrung des kulturellen Erbes umfasste. Ab den 1970er Jahren gab sich erstmals die Tendenz zur Entwicklung großstädtischer Leuchtturmprojekte zu erkennen, auf die im darauffolgenden Jahrzehnt sukzessive die Praxis der kulturbasierten urbanen Revitalisierungsstrategien folgte. Zum Jahrhundertwechsel setzte schließlich der „creative turn“ (Pratt 2009: 12) – und damit der Übergang von kultur- zu kreativitätsbasierten Entwicklungstrategien ein – die in Form der ‚Creative City‘-Programmatik seitdem keinen geringeren Anspruch als „The Art of City Making“ (Landry 2006: 1) postulieren. Tabelle 3 zeigt die kulturell-kreative Dimension urbaner Planungsstrategien exemplarisch für den anglo-amerikanischen Kontext auf. Für den deutschen Raum liegt keine vergleichbare Übersicht vor, jedoch sind viele Entwicklungstendenzen übertragbar.
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Tabelle 3: Die kulturelle Dimension urbaner Planungsstrategien. Periode
Paradigmen
Befürworter
Orte, Pläne und Beispiele
1900 1910er 1910er 1950er
Die Stadt als Kunstwerk Kulturelle Zonierung
Burnham; Howard Bartholomew; Abercrombie
1960er 1970er
Kulturen von Gemeinschaften
Jacobs; Lee
1970er
LeuchtturmProjekte
Moses; Lane
1980er 1990er
Kultur in der Stadtentwicklung/ Regenerationspolitik Kreative Stadt
Zukin
Stadtmodelle von Paris und Wien, Modell der Gartenstadt städtische Kulturzentren, Nachbarschaftseinrichtungen (Parkanlagen und Spielplätze), Masterpläne der Nachkriegszeit Stadtteilkulturzentren, Bewegungen zur Bewahrung von kulturellem Erbe, Stadtteilentwicklung durch Kunstund Sportzentren Sydney Opera House, Boston Quincy Market, Entwicklung von Kunstzentren Kulturbasierte Regenerationspolitik, Strategien zur Nutzung der Cultural Industries, Festival Marketplaces, Kulturhauptstadt Europas Kulturhauptstadt Europas, Kreative Klasse, kreative Quartiere
1990er 2000er
2001 heute
Nachhaltige Gemeinschaften
Landry; Bianchini; Florida; Scott; Mercer Vertreter des New Urbanism
Kultur und Lebensqualität, kreative Cluster, etc.
Eigene Übersetzung. Quelle: Evans/Foord 2008: 71.
In Deutschland ist die Ausbildung der Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, wie sie seit Ende der 1990er Jahre vorzufinden ist, von zwei grundlegenden Entwicklungen geleitet: Erstens von der Vielzahl an Grundlagenberichten und Branchen-Monitorings, die die Kultur- und Kreativwirtschaft seit Beginn der 1990er Jahre als Schlüsselfaktor für das Beschäftigungs- und Wirtschaftswachstum weltweit identifiziert und damit in ihrer wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung legitimiert haben (United Nations 2008, KEA 2009; BMWI 2009). Zweitens von der explizit räumlichen Verortung der Kultur- und Kreativbranchen, die durch ihre attestierte Wechselwirkung mit dem urbanen Raum in Städte- oder Länderrankings zum vorherrschenden ‚kreativen Potenzial‘ ihre Entsprechung und Verbreitung finden. So präsentierte Florida im Jahr 2007 mit dem „global creativity index“ (Vgl. Abb. 2), basierend auf seinem 3-T-Modell und ihren acht Indizes ein Ranking von
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kreativen Städten, das davon ausgeht, sogar das kreative Potenzial einzelner Länder miteinander vergleichen zu können. Auch wenn die Gegenüberstellung dem Autor zufolge weniger als „predictor of a short-term economic growth“ denn als Indikator „to capture the ability of a country to harness and mobilize creative talent for innovation, entrepreneurship, industry formation and long-run prosperity“ fungiere (Florida 2007: 274), bleibt sie bezüglich ihrer Vorstellung einer Mess- und Planbarkeit von ‚Kreativität‘ doch äußerst zweifelhaft. Abbildung 2: Der globale Kreativitätsindex 2007.
Plätze 1 – 15 von insg. 45. Quelle: Florida 2007: 275.
Im Rückgriff auf die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und der stadträumlichen Konzentration implizieren die in der vorliegenden Studie identifizierten Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt also keine geringere Grundannahme als die strategische Zusammenführung derselben. So lässt sich der Untersuchungsgegenstand in Anlehnung an die analysierte wissenschaftliche Literatur und die angeführten Quellen damit wie folgt definieren: Aufbauend auf dem Verständnis einer Planbarkeit von ‚Kreativität‘ erscheint es erklärtes Ziel der Stadtpolitik und ihrer verwaltenden Einheiten, mit der Praxis einer ‚strategischen Kreativplanung‘ räumliche Entitäten (Gebäude, Milieus, Quartiere, Stadt) in der Verflechtung mit dem Topos Stadt zu ‚kreativen‘ – im Sinne von kulturell vielfältigen, aber auch wachstumsintensiven und kreativwirtschaftlich prosperierenden – Standorten zu entwickeln. Die in einem engen Wechselverhältnis mit dem städtischen Raum stehenden kultur- und kreativwirtschaftlichen Branchen werden dabei als Instrumente konsti-
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tuiert, um kulturelle und soziale Prozesse an ausgewählten Standorten einzuleiten, aber auch Beschäftigungs- und Imageeffekte zu generieren, die wiederum räumliche Folgeprozesse, wie die Stärkung arrivierter oder die Revitalisierung vernachlässigter Standorte bewirken sollen. Die enge Verflechtung mit stadtentwicklungs- und wirtschaftspolitischen Ansätzen und der sie dominierenden, klaren Zielvorgabe zeugt dabei deutlich von dem strategischen Planungsverständnis, das der Praxis zugrunde liegt. Die Annahme der Autorin, dass die Genese der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt eng mit stadtentwicklungspolitischen und ökonomischen Interessen verbunden ist, wird durch die Vergleichsstudie „Creative Spaces“ (Vgl. Abb. 3) vom Cities Institute der London Metropolitan University und der University of Toronto gestützt.47 So zeigt die transnationale Studie, dass die Beweggründe von kreativitätsbasierten urbanen Entwicklungsstrategien in hohem Maße von politischen Interessensbestimmungen der Wirtschafts- und Stadtentwicklung geleitet sind. Während Zielstellungen wie Stadtmarketing, die Revitalisierung von ausgewählten Orten oder die lokale ökonomische Entwicklung und Beschäftigung dominieren, fallen die Bestimmungsgrößen Soziales/Teilhabe oder kulturelles Erbe demgegenüber deutlich geringer aus. Damit wird offenkundig, dass im Rahmen der beschriebenen Praxis wirtschaftlichen Effekten eine weitaus größere Bedeutung beigemessen wird als der Förderung soziokultureller Aspekte oder der Stärkung kultureller Infrastrukturen. Gegenläufige Tendenzen lassen sich der Studie zufolge lediglich in wenigen osteuropäischen Städten erkennen, die seit dem politischen Systemwechsel 1989 einen starken Fokus auf ihr kulturhistorisches Erbe legen (Vgl. Evans 2009a: 1024)48 und damit einen deutlichen Gegenentwurf zur Floridaschen These demonstrieren: Anstelle von exogenen Impulsen treten hier endogenes Wachstum und nationale, kulturelle Entwicklungsprogramme in den Mittelpunkt kreativitätsbasierter urbaner Entwicklungsstrategien (Vgl. Evans 2009b: 42).
47 Die Vergleichsstudie „Creative Spaces“ (2004-2006) untersuchte zunächst 230 europäische und nordamerikanische Städte. Im Anschluss folgten sechs vertiefende Fallstudien in London, Barcelona, Berlin, Toronto, New York und San Francisco/Silicon Valley (Vgl. http://www.citiesinstitute.org/projects/creative-spaces-strategies-for-creative-cities. cfm vom 31.01.2014). 48 Während die tschechische Stadt Prag im Rahmen der Titelvergabe ‚Kulturhauptstadt Europas’ im Jahr 2000 mit der Themen-Triade „The Story of the City, City of Open Gates and City to Live In“ einen deutlichen Fokus auf die Präsentation ihres kulturhistorischen Erbes legte (Vgl. Cogliandro 2001: 28), zeichnete sich eine entsprechende Tendenz auch zehn Jahre später mit der ungarischen Stadt Pécs ab, die neben Istanbul und dem Ruhrgebiet unter dem Motto „Grenzenlose Stadt“ das Kulturhauptstadtjahr 2010 gestaltete (Vgl. de.pecs.hu/pecs2010/ vom 31.01.2014).
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Abbildung 3: Politische und strategische Beweggründe einer kreativitätsbasierten urbanen Entwicklungspolitik (n=230).
Eigene Übersetzung. Quelle: Evans 2009a: 1024.
Zur strategischen Planungsdimension urbaner Kreativitätspolitik
Analog zu den in Kapitel 1.2.1 erfassten Charakteristiken einer strategischen Raumplanung ist auch der Untersuchungsgegenstand von einem strategischkonzeptionellen Überbau gekennzeichnet, der in Masterplänen und spezifisch kreativen Leitbildern seine Entsprechung findet. Wie in der strategischen Raumplanung fungieren Leitbilder im Rahmen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt weniger als statische Zielvorgaben, denn als langfristige Orientierungsrahmen für die Einbeziehung unterschiedlichster Akteure. Aufbauend auf Bestandsaufnahmen und Fallstudien49 sind es vielerorts die Metapher der ‚Creative Class‘ oder das Narrativ der ‚Creative City‘, die als Vision einer strategischen, kreativ-urbanen Entwicklung konstituiert und mit ausgewählten Leitbildprojekten verknüpft werden. In diesem Rahmen ist immer häufiger die Ausgründung von städtischen Entwicklungsagenturen zu verzeichnen, die, wie die britische Cultural Industries Development Agengy
49 Der Großteil des strategischen Planungsmaterials speist sich aus wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern (Westeuropa ca. 40%; Nordamerika ca. 25%), osteuropäische Städte sowie eine kleine Anzahl asiatischer und australischer Städte tragen mit ca. 15% ebenfalls zum Grundlagenmaterial für die Ausbildung kreativ-politischer Strategien bei (Vgl. Evans 2009a: 1010).
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(CIDA) in London50 oder die deutsche Hamburg Kreativ Gesellschaft51 zielgerichtet die Maßnahmen der vorgegebenen Leitbilder umsetzen sollen. In der Regel kommt den Entwicklungsagenturen dabei eine doppelte Funktion zu: Während sie auf der einen Seite als Mittler zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor angesiedelt sind, um möglichst authentisch zwischen den verschiedenen Interessensseiten agieren zu können, werden sie auf der anderen Seite als Instrument für internationales Marketing sowie die Imageproduktion von Städten in Dienst genommen (Vgl. ISL/STADTart 2008: 19ff.).52 Zuletzt stellt sich die ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt immer auch als Verknüpfung eines ‚Kreativität‘ vermittelnden Leitbildes mit ausgewählten strategischen Programmen und (Leit)Projekten dar, um eine zusätzliche öffentlichkeitswirksame Legitimierung zu erzeugen. Die Popularität der Initiierung von kreativen Stadtentwicklungsprogrammen und insbesondere die Kommunikation derselben hat in den letzten Jahren ein solch quantitatives Ausmaß erreicht, dass mittlerweile ein fast gegenteiliger Effekt zu verzeichnen ist: Die vielerorts vorherrschende Konzentration auf kreative Leitbilder fungiert immer weniger als Alleinstellungsmerkmal denn als homogenisierendes Kriterium, das charakteristische Unterschiede zwischen Städten eher einebnet als befördert (Vgl. Stöber/Kalandides 2009: 236). In Anlehnung an Zukins These der ‚Ökonomie der Symbole‘ muss der Untersuchungsgegenstand der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt deshalb auch immer als Zeichen der Verflechtung von Kultur und Macht gelten: „The most productive analyes of cities in recent years are based on interpretations and interpenetrations of culture and power. [...] To ask whose city? suggests more than a politics of occupation; it also asks who has the right to inhabit the dominant image of the city.“ (Zukin 1996: 43)
50 Das Programm der 1999 ins Leben gerufenen Creative Industries Development Agency (CIDA) umfasst u.a. Serviceleistungen wie Beratung, Vermittlung von Netzwerkzugängen oder Cluster Management, Unterstützung von Start-Uppern im Kreativsektor oder die Verzahnung mit stadtentwicklungspolitischen Vorhaben und urbanen Regenerationsbestrebungen. Das CIDA wird durch nationale öffentliche Gelder sowie europäische Fördermittel finanziert (Vgl. http://neoponic.co.uk/newcida/ vom 31.01.2014.) 51 Für detaillierte Erläuterungen s. Kap. 1.4.2.2. 52 Die städtischen Beratungsunternehmen ISL und STADTart hatten 2008 eine Studie zur Gegenüberstellung von Maßnahmen zur Kultur- und Kreativwirtschaft in der integrierten Stadtentwicklung in Berlin, Amsterdam, Manchester und Linz vorgenommen und einen bestimmten Grundmechanismus identifiziert, nach dem Städte ihre kreativen Maßnahmen ausrichten (ILS/STADTart 2008). Zur Transformation strategischer Leitbilder in Place Branding-Strategien s. Kap. 1.4.1.3.
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Wie aber verhält es sich mit dem Grundgedanken der strategischen Planung, keine vorgefertigten Maßnahmen zu entwerfen, sondern Handlungsoptionen aufzustellen, die zum Erreichen des Planungsziels beitragen sollen, wenn mit dem Thema der ‚Kreativität‘ ein Untersuchungsgegenstand vorliegt, der sich jeglicher Planung verweigert? Müsste sich eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt in Anlehnung an das normative, strategieorientierte Planungsverständnis der Raumplanung nicht vorwiegend als nicht-linearer, komplexer und dynamischer Prozess darstellen, der – gemäß des adaptiven Strategieverständnisses (Vgl. Tab. 1) – nur begrenzt rational agiert und seine Ziele eher unvollständig und implizit formuliert, um situatives Justieren zu ermöglichen? Angesichts dieser Fragen wird das Phänomen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt im nachfolgenden Kapitel v.a. hinsichtlich seiner Schnittmenge mit neuartigen Handlungsformen im Zusammenwirken von Politik, Staat und Gesellschaft untersucht, das sich in den vergangenen Jahren als Dreischritt von der Planung über die Steuerung hin zur ‚Governance‘ weiterentwickelt hat (Vgl. Benz et al. 2007: 12).
1.2.3 Governance und urbane Kreativitätspolitik Das der strategischen Planung zugrundeliegende Verständnis einer kooperativen und verhandlungsorientierten Planung, die sich von hierarchischen Strukturen löst und stattdessen auf die Kooperation mit vielfältigen nicht-staatlichen Akteuren setzt, trifft mit der Kultur- und Kreativwirtschaft auf eine Materie, die in besonderem Maße von ressortübergreifenden Interaktionsbeziehungen sowie – zumindest was den öffentlichen und den zivilgesellschaftlichen Sektor betrifft – von einer partiellen Autonomie gegenüber dem Staat geprägt ist. In der Praxis erfordert dieses Verständnis nicht nur eine integrative Betrachtungsweise und ein Behördenübergreifendes Handeln, sondern auch eine besondere Form der Koordinierung und Steuerung der Gesamtheit aller in die strategische Planung involvierten Akteure. Der seit den 1980er Jahren in den Politikwissenschaften vorherrschende Diskurs der ‚Governance‘, der sich in expliziter Abgrenzung zum politischen ‚Government‘53
53 Der Übergang von Government zu Governance ist Benz/Dose zufolge keineswegs mit einer Form von Politik „jenseits des Staates“ (Benz/Dose 2004a: 26) gleichzusetzen, vielmehr werden in der aktuellen Debatte drei Ausprägungen unterschieden: Während ‚Governance by Government‘ auf die hierarchische Festlegung einer Regelung durch ein politisch-administratives System rekurriert, bezieht sich ‚Governance with Government‘ auf die Durchdringung der formellen Politik durch informelle Akteursnetzwerke aus dem öffentlichen und privaten Sektor (s. Public-Private-Partnerships). ‚Governance without
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ausgebildet hat – auch wenn er keineswegs verkürzt als deren Gegenbegriff verstanden werden soll (Vgl. Benz et al. 2007: 13) – ist Ausdruck für diese neue Form des Regierens und Regulierens und damit für eine tiefgreifende Veränderung im Handlungsverständnis von Politik, Staat und Gesellschaft. In Anlehnung an Benz/ Dose (2004a: 17) beschreibt er dabei jedoch kein neues Phänomen, sondern dokumentiert spezifische Veränderungsprozesse der Gesellschaft, die es ermöglichen, neue Realitäten intellektuell zu durchdringen, verstehen und erklären zu können. Der Übergang von Government zu Governance rekurriert damit auch auf die Krise der staatlichen Steuerung durch geläufige Regierungsformen (Mayntz 2007; Benz/Dose 2004). An die Stelle der formellen, durch die Verfassung, das Recht und das Gesetz definierten Dimension von Politik und dem damit verbundenen Machtmonopol des Staates und seiner regierenden Institutionen treten informelle Regelungen und nichtinstitutionalisierte Formen des Regierens, die durch neue Kooperations-, Interaktionsund Steuerungsformen bspw. in Netzwerken oder Public-Private-Partnerships umgesetzt werden sollen (Vgl. Schultze 2003: 203). Die hohe Verbreitung des GovernanceDiskurses in den Sozialwissenschaften aber auch der politischen Praxis hat zugleich dazu geführt, dass kein einheitliches Begriffsverständnis, sondern eine Vielzahl an Definitionen vorliegt (Kühn 2010; Benz/Dose 2004; Kooiman 2003; Pierre 2000; Rhodes 1997).54 Auf der analytischen Ebene lässt sich Governance zusammenfassend als „Oberbegriff für sämtliche vorkommende Muster der Interdependenzbewältigung zwischen Staaten sowie zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren [...] und Hierarchie im Sinne von Government als ein solches Muster neben anderen“ verstehen (Benz et al. 2007: 13). Bereits die Begründungszusammenhänge für die Ausbildung einer strategieorientierten Planung (Vgl. Tab. 2) hatten gezeigt, welche essenzielle Rolle Kooperationen für die Lösung städtischer Probleme spielen, und auch die heterogenen Handlungslogiken der planenden Verwaltung und der Politik in Bezug auf ihre Strategiebildung (Vgl. Tab. 1) hatten dargelegt, dass diese ein ernstzunehmendes Hemmnis für die Strategiebildung von Städten darstellen. Der Governance-Ansatz rekurriert nun darauf, dass politische Entscheidungsfindungen nicht länger eindi-
Government‘ zeigt die Selbstregelung privater Akteursnetzwerke auf, die ohne die Integration von Politik und Verwaltung stattfinden (Vgl. Kühn 2010: 88). 54 In Anlehnung an Benz/Dose lassen sich sieben Definitionen von Governance unterscheiden, zu denen u.a. das normativ-politische Modell der Good Governance im Sinne eines Appells für verbesserungswürdige politische Regierungssysteme zählt oder das Verständnis von Governance als Hilfsmittel zur Steuerung und Koordinierung horizontaler, netzwerkartiger Beziehungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, wie es vonseiten der Regierungs- und Verwaltungslehre konstituiert wird (Vgl. Benz/Dose 2004a: 17ff.).
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mensional im Sinne des hierarchisch organisierten, politisch-administrativen Systems stattfinden, sondern zunehmend – und das betrifft auch die Frage nach einem rationalistischen oder emergenten Vorgehen im Rahmen der Strategiebildung – zwischen Staat, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft ausgehandelt werden. „Prozesse des Steuerns bzw. des Koordinierens sowie Interaktionsmuster, die der Governance-Begriff erfassen will, überschreiten in aller Regel Organisationsgrenzen, insbesondere aber auch die Grenzen von Staat und Gesellschaft, die in der politischen Praxis fließend geworden sind. Politik in diesem Sinne findet normalerweise im Zusammenwirken staatlicher und nicht-staatlicher Akteure (oder von Akteuren innerhalb und außerhalb von Organisationen) statt.“ (Benz/Dose 2004: 26)
Die Ablösung hierarchischer Steuerungsmodi vollzieht sich im – idealtypischen – Verständnis des Governance-Diskurses entlang spezifischer Regulierungsmechanismen, die in Form von institutionellen Prozessen, Strukturen, Regeln, Normen oder Werten auftreten.55 Ziel von Governance-Ansätzen ist es, auftretende Interessenskonflikte zwischen den beteiligten Akteuren zu lösen und die Umsetzung von Steuerungszielen über die Koordination von Handlungen und Ressourcen zu ermöglichen (Vgl. ebd.: 31). Als gemeinsames Kriterium der unterschiedlichen Ausbildungen und Interpretationen, die über verschiedene theoretische Zugänge bis hin zur Anwendung in verschiedenen politischen Feldern oder Institutionen reichen, kann „die Gesamtheit von Prozessen, Strukturen, Regeln, Normen und Werten“ bezeichnet werden, „durch welche kollektive Aktivitäten gesteuert und koordiniert werden sollen“ (Hamedinger 2006: 13). In der Praxis finden Governance-Modelle sowohl auf lokaler, regionaler als auch internationaler Ebene Verbreitung, wie im Rahmen der EU, die u.a. die Ausbildung von Strategien einer Good Governance befördert. Bezogen auf das strategische Handeln von Städten impliziert die GovernancePerspektive, dass Planungziele nicht länger statisch und hierarchisch vorgegeben werden, sondern zunehmend von der dynamischen Interaktion „zwischen Strukturen und Prozessen, zwischen Institutionen und Akteuren, zwischen Regeln und Regelanwendung“ (Benz/Dose 2004: 27) ausgehandelt werden. Die Ausbildung von Governance-Modellen verdeutlicht damit – zumindest in einer idealtypischen Vorstellung – nicht nur den Wandel des Selbstverständnisses der Stadtpolitik, die sich vom Verwalter von Städten, Regionen oder Länderzusammenschlüssen hin zu
55 Es bleibt fraglich, ob – gerade aufgrund der deutlichen Ökonomisierung stadtpolitischer Handlungsansätze – hierarchische Steuerungsmodi tatsächlich aufgebrochen werden können oder ob nur eine Verschiebung bspw. zu hybriden Formen stattfindet, wie sie etwa die Weiterentwicklung der Cultural Theory durch Hood (1998) darlegt (Vgl. Kap. 1.3).
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einem aktiven urbanen Management verschoben habe (Vgl. Pohl 2009: 161f.), sondern lässt den Staat angesichts einer „mixed economy of welfare“ (Evers 2006, zit. nach Ebert/Gnad 2007: 37) zugleich immer weniger als versorgenden Wohlfahrtsstaat denn als aktivierende und Rahmenbedingungen befördernde Instanz auftreten (Vgl. Frey et al. 2008: 29f.). Kritik am Governance-Diskurs entzündet sich v.a. an der Ausblendung asymmetrischer Machtverhältnisse, die bei der Übertragung auf Partizipationsstrukturen die kooperative Wirkungskraft des Staates in Governance-Modellen in Frage stellen. In diesem Zusammenhang werde Partizipation oft als Mittel zum Zweck der Steuerung verkürzt, d.h. der demokratiepolitische Eigenwert erfährt eine Negierung. So handele es sich oftmals weniger um eine „breite Öffnung der politischadministrativen Systeme im Sinne der Herstellung von mehr Öffentlichkeit im politischen und planerischen Entscheidungsprozess“, sondern um Strategien, die die „Durchsetzung der Interessen einer lokalen Wachstumskoalition“ bedienen (Hamedinger 2006: 15). Schließlich bestehe auch die Gefahr des Verlustes des politischideologischen Potenzials, insbesondere dann, wenn Governance auf soziale oder gesellschaftliche Bereiche angewendet wird, die plötzlich effektiver gestaltet werden sollen (Vgl. Diebäcker 2008: 270ff.). Zuletzt lässt die Betrachtung kollektiver Regulierungsformen aus der Governance-Perpektive auch eine Hinterfragung jener Triebkräfte missen, die hinter den Steuerungsbemühungen und den damit verbundenen Zielstellungen stehen. So muss Governance nicht zwangsläufig von einem kollektiven, öffentlichen Interesse geleitet sein (Vgl. Mayntz 2007: 46). Das Steuerungsparadoxon ‚Kreativität‘
Der Untersuchungsgegenstand der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zeigt vielfältige Anknüpfungspunkte mit dem Diskurs der Governance auf. In Anlehnung an die These, dass ‚Kreativität‘ weder planbar noch vorhersagbar ist, stellt sich die Frage, wie Akteure der Politik und der Stadtentwicklung ‚Kreativität‘ im urbanen Kontext befördern können. Schließlich gedeiht „der schöpferische Akt [...] am besten im Ungeplanten, Widersprüchlichen und Subversiven“ (Mundelius 2009: 7). Diese Grundcharakteristik der kreativen Handlungslogik disharmoniert besonders mit jenen Ansätzen einer ‚strategischer Kreativplanung‘, die ‚Kreativität‘ verkürzt als ökonomische oder aber räumliche Ressource definieren und suggerieren, dass diese mit klaren Wirtschafts- oder Stadtentwicklungsförderprogrammen umsetzbar erscheint. Viele strategische Konzepte verweisen neben der skizzierten Wirkungskraft zwar auf ihre gesellschaftliche und soziale Funktion, lassen dabei jedoch das Eigenständige und Unplanbare ihrer Akteure außer Acht: „Um Kreativität als ökonomische Ressource zu fördern, muss klar sein, dass sich diese nicht planen und uneingeschränkt steuern lässt.“ (ebd.) Hier bedarf es eines Umdenkens zugunsten der Akzeptanz der Unplanbarkeit der Materie sowie einer Bewusstwerdung der Handlungslogik der kulturellen und kreativen Akteure. Das ist insbesondere für
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städtische Handlungskonzepte wie das 3-T-Modell oder den Ansatz der ‚Creative City‘ relevant, die ‚Kreativität‘ systematisch an einem Ort befördern wollen, während diese zumeist dort entsteht, wo – ungeachtet von Planungsfantasien – Freiräume einen kreativen Umgang mit dem urbanen Umfeld ermöglichen: „Creativity in cities has not much to do with planning in the traditional form of zoning or urban design. Creativity in city development seems to evolve where urban planning is absent […].“ (Kunzmann 2005: 9f.) Mit dem Handlungsansatz der Governance wird in der Kreativitätsdebatte nun seit einiger Zeit genau diese ‚Leerstelle‘ erfasst: Folgt man dem GovernanceVerständnis, so müsste sich Kreativplanung weniger als linearer Planungsprozess denn als – permanent – flexible Steuerungsform auszeichnen, die auf die spezifische Handlungslogik sowie die besonderen Arbeitsmärkte der kulturellen und kreativen Akteure Bezug nimmt. Grundlage für diese Annahme ist das strategieorientierte Planungsverständnis, das Planung als sozialen und politischen Prozess konstituiert, und in dessen Rahmen Governanceprozesse neue Formen der Partizipation und damit zusammenhängend die Ausbildung neuer Kooperations- und Interaktionsformen ermöglichen können (Vgl. Frey 2008a: 224), wie sie bspw. in Form von Kollektiven oder Netzwerkbildungen erfolgen. Die Anthologie „Governance der Kreativwirtschaft“ (Lange et al. 2009a) unterscheidet in Anlehnung an Kooiman (2003) sogar drei verschiedene Formen von Governance, die – verstanden als Prozess der Interaktion zwischen gesellschaftlichen und politischen Akteuren – umfassende Steuerungsformen für die Kultur- und Kreativwirtschaft offerieren (Vgl. Lange et al. 2009a: 15ff.). Das erste Modell der Self-Governance rekurriert auf die Fähigkeit zur Selbststeuerung bestimmter Branchen56, wie sie im Rahmen der Kultur- und Kreativwirtschaft insbesondere bei den (informellen) Netzwerk- und Szenenbildungen der Akteure vorliegen, die das Experimentieren mit neuen Produkten oder Gütern ermöglichen (Vgl. Lange et al. 2009a: 16). Um an diese Selbststeuerungsmechanismen anzuknüpfen, so argumentieren die Autoren, können Governance-Ansätze nicht von Außen ansetzen, sondern müssen aus der Binnensicht der kultur- und kreativwirtschaftlichen Netzwerke heraus gedacht werden. In der Folge sei eine Steuerung nur insofern möglich und erfolgsversprechend, wenn die Akteure der jeweiligen Netzwerke derselben offen gegenüberstehen und eine Binnensicht überhaupt zulassen. Governance-Mechanismen stellen sich in diesem Rahmen eher als „Interventionen“ denn als „lineare wirtschaftspolitische Richtlinien“ dar (Vgl. Lange et al. 2009b: 328).
56 Als Selbststeuerung von Institutionen oder Organisationen gelten z.B. freiwillige Selbstkontrollen von Verbänden zur Einhaltung von Qualitätsmaßstäßen (Vgl. Mayntz 2007: 41).
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Mit dem zweiten Modell der Co-Governance werden demgegenüber jene Steuerungsformen erfasst, die an den Schnittstellen zwischen sozialen Netzwerken, NonProfit-Organisationen oder öffentlichen Einrichtungen mit dem Markt stattfinden. In Abgrenzung zur situativen und temporären Eingriffspraxis der Self-Governance zielt das Modell der Co-Governance damit v.a. auf systematische Kooperationen zwischen den Sphären Gesellschaft und Markt, wie z.B. in Public-PrivatePartnerships (Vgl. Lange et al. 2009a: 18). Das dritte Modell der Hierarchischen Governance rekurriert schließlich auf die Rolle der Entität Staat, die mit ihrer vorrangig Top-Down ausgerichteten Steuerungsrichtung zwar grundsätzlich entgegen der Handlungslogik der Kultur- und Kreativwirtschaft auftritt, als normative Instanz allerdings in hohem Maße auf den Handlungsspielraum der Steuerungsrichtung einwirkt (Vgl. ebd.). So bewerten die Autoren die statistische Abgrenzung des Feldes der Kultur- und Kreativwirtschaft, wie sie seit etlichen Jahren etwa mit der Vorgabe des abgestimmten Grundmodells des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWI 2009) vorliegt, als deutliches Zeichen einer hierarchischen, staatlichen Governance-Strategie (Vgl. Lange et al 2009a: 19). Die Relevanz für den Untersuchungsgegenstand ergebe sich hier aus den zahlreichen Förderpolitiken und Vergabekriterien, die sich an die offizielle Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft anschließen. Trotz der angeführten Governance-Optionen muss an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass ‚Kreativität‘ weder uneingeschränkt planbar noch durch Steuerungsoptionen klar regulierbar ist, wodurch ihre Nutzbarmachung u.a. für stadtentwicklungspolitische Interessen nicht nur hochproblematisch, sondern auch, u.a. hinsichtlich der sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen sowie historischen Pfadabhängigkeiten von Städten und Stadtregionen, klar begrenzt ist. Eine weitere Schwierigkeit bildet die Bemessung des Erfolgs einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, die in der Praxis nicht selten anhand des Beitrages der Kultur- und Kreativwirtschaft zum Städtewachstum stattfindet, nicht aber über Kriterien, die die Handlungslogik der Akteure selbst erfassen. Zuletzt gilt es auch Tendenzen der Übersteuerung zu vermeiden, die insbesondere dann zu Entwicklungshemmnissen führen, wenn parallele Förderprogramme etwa auf lokaler, regionaler und Bundesebene die Spielräume der relevanten Akteure eher einengen als befördern (Vgl. Evans 2009a: 1011). Hier ist eine stärkere Kopplung und Koordinierung bestehender Fördermöglichkeiten und Governance-Ansätze, aber auch ihre permanente Überprüfung und Flexibilisierung dringend notwendig. In Anbetracht der skizzierten Spannungsfelder lässt sich zusammenfassen, dass der Untersuchungsgegenstand der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt als unauflösbare Paradoxie bestehen bleibt: „Fantasmen vollständiger Steuerbarkeit müssen scheitern, weil Kreativität nicht auf die Seite der Verfügbarkeit zu reduzieren und ohne ein Moment von Freiheit nicht denkbar ist.“ (Bröckling 2004: 140) Die zentrale Frage muss demnach lauten, ob Governance-Ansätze die Nutz-
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barmachung von ‚Kreativität‘ auf der einen Seite und ihre Entfesselung in eben nicht-steuerbaren Kontexten auf der anderen Seite bewerkstelligen können (Vgl. ebd.)? Wie können Ansätze entwickelt werden, die sowohl staatlich gelenkte als auch selbstorganisierte Ansätze befördern und dabei zugleich sozialräumliche Zusammenhänge sowie die Förderung und Stabilisierung der netzwerkförmig organisierten Kultur- und Kreativwirtschaft aufgreifen? Kurz gesagt: Kann eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt mit Governance-Formen befördert werden oder bleiben trotz wechselnder Steuerungsregime „die Anstrengungen, Kreativität in Regie zu nehmen“ (ebd.) folgenlos?
1.3 C ULTURAL T HEORY In den nachfolgenden Ausführungen werden nicht nur verschiedene strategische Ansätze zur Steuerung von ‚Kreativität‘ im städtischen Raum erfasst, sondern auch die jeweils damit verbundenen unterschiedlichen Zielstellungen aufgezeigt. Diese werden unter Zuhilfenahme der Cultural Theory (Thompson et al. 1990; Douglas 1978) zunächst analytisch hergeleitet (Kap. 1.3.1) und dann im Rückgriff auf die Gesamtheit des Untersuchungsgegenstandes dargelegt (Kap. 1.3.2). Dabei interessiert v.a. die Interdependenz verschiedener, in der Stadt vorherrschender strategischer Ansätze, die im Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt wahrzunehmen sind, bevor diese in Kapitel 1.4 anhand von internationalen Beispielen und ihrem Umgang mit dem Spannungsfeld der Unplanbarkeit der Materie veranschaulicht und in Bezug auf ihre Handlungsfähigkeit kritisch hinterfragt werden.
1.3.1 Der theoretische Bezugsrahmen Mit der Cultural Theory wird ein Analyserahmen herangezogen, der unterschiedliche Beweggründe für den Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ mit dem urbanen Raum aufzeigt. Dabei ist es insbesondere die Fähigkeit der Theorie, die Gesamtheit von Handlungsansätzen, d.h. hier im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt zu erfassen, die diese als Analyseinstrument für das vorliegende Untersuchungsbeispiel qualifiziert. So gibt die Cultural Theory zum einen eine Antwort auf die Frage, welche sozialen Kontrollmechanismen zur Ausbildung strategischer Planungsansätze auf stadtpolitischer Seite führen, zum anderen werden Entwicklungsansätze bspw. von privatwirtschaftlichen Unternehmern oder von Akteuren aus dem künstlerischen und kulturellen Feld nachvollziehbar, die im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt auftreten, sich aber maßgeblich in Bezug auf die Zielstellung ihres Agierens vom städtischen Planungsansatz unterschei-
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den. Indem die Cultural Theory nun die Gesamtheit der Ansätze erfasst, ermöglicht sie nicht nur die Kontrastierung des Untersuchungsbeispiels mit gegenläufigen Ansätzen, ihren Grundverständnissen und Zielstellungen, sondern gibt außerdem Einblick in mögliche Schnittstellen der involvierten Akteure. Der Vorläufer: Grid Group analysis
Die Cultural Theory geht auf das im Jahr 1978 entwickelte Analyseschema ‚Grid Group Analysis‘ der Kulturanthropologin Mary Douglas zurück. Die Wissenschaftlerin hatte sich viele Jahre mit afrikanischen Stammeskulturen und dem Zusammenhang von Symbolismus und Ritualismus mit sozialen Verhaltensordnungen auseinandergesetzt, bevor sie ihr Schema Ende der 1970er Jahre auch auf westliche Gesellschaften übertrug. Ausgehend von zwei Dimensionen sozialer Kontrolle – Regeln und Regulierungen, die auf das Handeln von Individuen einwirken (‚Grid‘), und soziale Gruppen, in die Individuen eingebunden und dadurch in ihren Verhaltensmöglichkeiten beschränkt sind (‚Group‘)57 – hatte Douglas mit ihrem Aufsatz „Cultural bias“ im Jahr 1978 einen Analyserahmen vorgelegt, der den Anspruch erhob, jede Form von kultureller Diversität erfassen zu können. Ihr Ansatz war dabei von der Grundannahme geleitet, über die beiden sozialen Kontrolldimensionen jene strukturellen Bedingungen abzubilden, die zeit- und ortsunabhängig in allen Kulturen jeder Gesellschaft vorherrschen: „The approach [...] describes a structured typology, using the grid and group dimensions to trace certain patterns of behaviour through the whole system of social interactions, perceptions, values and justifications.“ (Douglas 1978: 54) Mit der Verortung ihrer Analyseparameter auf zwei dimensionalen Achsen konstruierte sie ein 4-Felder-Schema, deren spezifische Kulturtypen sich sowohl hinsichtlich ihrer Beeinflussung durch soziale Kontrollmechanismen als auch untereinander vergleichen lassen. Die Dimension Group, die das Ausmaß der Integration in und Identifikation des Einzelnen mit einer Gruppe auf der horizontalen Achse erfasst, lässt erkennen, wie stark ein Individuum sozial eingebunden ist, aber auch wie stark es von gruppeninternen Regeln und Zugehörigkeitscodes geprägt ist: „Group itself is defined in terms of the claims it makes over its constituent members, the boundary it draws around them, the right it confers on them to use its name and other protections, and the levies and constraints it applies.“ (ebd.: 7f.) Während am linken Ende der horizontalen Koordinationsachse separierte und größtenteils autonom agierende Individuen verortet sind, die einer Vernetzung in Gruppen nur geringe Bedeutung beimessen, finden sich am rechten Ende der Achse jene Akteure, deren Identität stark von einer gruppenbasierten Zugehörigkeit geprägt ist. Die stärkste Kontrolle zeich-
57 Die Parameter Grid und Group werden in der vorliegenden Studie in englischer Sprache weitergeführt und nicht übersetzt.
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net sich in jenen Gruppen ab, deren gesamtes Leben auf die Gruppenzugehörigkeit ausgerichtet und mit einem besonders hohen, individuellen Einsatz verbunden ist, wie z.B. bei religiösen oder militärischen Lebensformen (Vgl. Douglas 1974: 91). Die auf der vertikalen Achse verortete Dimension Grid, die das Ausmaß vorhandener Regeln und Regulierungen beschreibt, zeigt demgegenüber an, wie stark diese auf Individuen einwirken: „The term grid suggests the cross-hatch of rules to which individuals are subject in the course of their interaction. As a dimension, it shows a progressive change in the mode of control.“ (Douglas 1978: 8) Ein hoher Grid verhindert langfristige Interaktionen und führt zu Isolationen zwischen Individuen, ein schwacher Grid impliziert größere Freiheiten und damit einen höheren Interaktionsgrad. Ausgehend von der Zusammenführung der sozialen Kontrollmechanismen ermöglicht die ‚Grid Group Analysis‘ sodann die Identifikation von vier verschiedenen Kulturen (Vgl. Abb. 4) sowie ihre idealtypische Gegenüberstellung (Vgl. Abb. 5). Abbildung 4: Die kulturelle Landkarte
Abbildung 5: Vier Typen sozialer Formen. Eigene Übersetzung.
grid B
C
A
D
group
Quelle: Douglas 1978: 7.
Quelle: Douglas 2005: o.S.
Die Kombination aus niedrigem Grid/niedriger Group ist Douglas zufolge kennzeichnend für individualistische Kulturen (A), die Verknüpfung von hohem Grid/niedriger Group kennzeichnet isolierte Kulturen (B), ein hoher Grid in Verbindung mit hoher Group steht für hierarchische Kulturen (C), die Verknüpfung aus niedrigem Grid/hoher Group für egalitäre Kulturen (D). In ihrer Gesamtheit veranschaulichen die einzelnen Kulturtypen, dass alle Menschen in ihren Präferenzen, Wahrnehmungen, Meinungen sowie Wert- und Normvorstellungen in starkem Maße von jener sozialen Organisationsform geprägt sind, der sie angehören: „The central hypothesis is that […] social forms and culture sustain each other mutually.“ (Douglas 2005: o.S.) Die Wechselwirkung zwischen Grid und Group ist es auch,
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die dazu führt, dass die einzelnen Handlungen und Entscheidungen, die von Individuen aus ihrer jeweiligen Kultur heraus getroffen werden, von diesen als rational empfunden werden – ein Tatbestand, den Douglas als ‚Cultural bias‘ bezeichnet. Der Ausdruck versteht sich dabei weniger als Voreingenommenheit im Sinne von westlicher oder nicht-westlicher Kultur, denn als Voreingenommenheit in Bezug auf die Wahrnehmung, Beurteilung sowie Handlungsformen, die von einer bestimmten Kultur ausgehen, und ihren Akteuren als moralische Basis zur Rechtfertigung und Legimierung ihrer Handlungen dient.58 Weiterentwicklung zur Cultural Theory
Die kulturvergleichende Perspektive der ‚Grid Group Analysis‘, die als wesentlicher Beitrag für die Sozialwissenschaften gilt, wurde Anfang der 1990er Jahre durch die Politikwissenschaftler Wildavsky und Ellis sowie den Anthropologen Thompson unter dem Begriff der ‚Cultural Theory‘ zu einer umfassenden Theorie weiterentwickelt (Thompson et al. 1990; Wildavsky 1987). Die Fokussierung auf Kultur als Grundlage für die Ausbildung spezifischer Lebensstile und Kulturformationen machte den ursprünglichen Analyseansatz damit zu einer umfassenden Kulturtheorie (Vgl. Mamadouh 1999: 396). In ihrem Ansatz der Cultural Theory legen die Autoren dem Douglasschen Analyseschema drei Annahmen zugrunde: Auf der Ebene der Kulturen attestieren sie, dass die Viabilität59 einer Kultur- oder Lebensform („way of life“) von einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zwischen kultureller Bias und sozialem Kontext geprägt ist („compatability condition“). Für die Ebene der sozialen Organisation konstatieren sie, dass jede Organisationsform – und hier wird der besondere Anspruch der Theorie deutlich – alle vier Kulturen aufweist, da es nur eine bestimmte Anzahl an Kulturen oder Lebensformen gebe, die viable, d.h. gangbare Kombinationen von kultureller Bias und Kulturzugehörigkeit darstellen („impossibility theorem“). Zuletzt erachten sie die Beziehungen
58 Im Rahmen ihres mit Wildavsky verfassten Werks „Risk and Culture“ (Douglas/ Wildavsky 1983) beschreibt Douglas, dass die Risikowahrnehmung von Individuen in hohem Maße vom jeweiligen kollektiven und sozialen Kontext geleitet ist, dem diese angehören. Er ist es auch, der selektive Handlungen – „bias“ – hervorbringt: „We choose the risks in the same package as we choose our social institutions. Since an individual cannot look in all directions at once, social life demands organizations of bias. People order their universe through social bias.“ (Douglas/Wildavsky 1983: 9) 59 Der Begriff der Viabilität wird im Rahmen der Cultural Theory in seiner biologischen Bedeutung als Überlebensfähigkeit verwendet: „The term sociocultural viability theory has the advantage of indicating to the reader [...] that only a limited number of combinations of cultural biases and social relations are sustainable (hence viable).“ (Thompson et al. 1990: 15)
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zwischen den Kulturen bzw. Lebensformen als notwendig konfliktvoll („requisite variety condition“): „Each way of life needs each of its rivals, either to make up for its deficiencies, ot to exploit, or to define itself against. To destroy the other is to murder the self.“ (Thompson et al. 1990: 4) Insbesondere die letzte Bedingung führte dazu, dass das zuvor starre Analyseschema der Grid Group Analysis eine dynamische Ausrichtung erhielt.60 Trotz ihrer Schnittmenge zu den in den Sozialwissenschaften etablierten Konzepten des Individualismus und Kollektivismus verstehen die Autoren die Cultural Theory als neuartigen Ansatz: Denn während erstere in bis dato geläufigen Theorien häufig als zwei Pole einer sozialen Dimension dargestellt werden, konstituiert die Cultural Theory beide Pole, d.h. individuelle Präferenzen und Einstellungen (direkte Kontrolle durch eine Gruppenzugehörigkeit) sowie kollektive Verhaltensmuster (indirekte Kontrolle durch Normen und Werte) als zwei eigenständige Dimensionen: „In recent decades, the social sciences have witnessed a dissociation between studies of values, symbols, and ideologies and studies of social relations, modes of organizing, and institutions. [...] One of the most important contributions of our sociocultural theory is bringing these two aspects of human life together.“ (Thompson et al. 1990: 21)
Folgt man der Cultural Theory, so ist die Anzahl an Kulturformationen, d.h. (Sub)Kulturen oder Lebensformen innerhalb einer Gesellschaft faktisch begrenzt. Sie ergibt sich aus den Dimensionen sozialer Kontrolle, die in ihrer Zusammenführung viable Kombinationen von sozialen Beziehungsmustern und Ausprägungen kultureller Bias hervorbringen. Während Thompson et al. (1990) in ihrem Werk zunächst fünf Lebensformen ausweisen61, was sie in nachfolgenden Arbeiten jedoch z.T. revidieren, soll in der vorliegenden Untersuchung die Cultural Theory in ihrer
60 „The happy convergence of their interests and talents transformed Grid/Group analysis from a modest method to a brand new theory. The scheme had been static and leaky, they clarified it and made it dynamic. The method had offered no normative lessons, now it became relevant to public policy.“ (Douglas 2005: o.S.) 61 Der fünfte Kulturtyp zeichnet sich laut Thompson et al. (1990: 7) dadurch aus, dass er sich jeglicher Kontrolle durch Gruppenzugehörigkeit oder soziale Regulierungen entzieht: „For a few individuals there is a fifth possible way of life, one in which the individual withdraws from coercive or manipulative social involvement altogether. This is the way of life of the hermit, who escapes social control by refusing to control others or to be controlled by others.“ Die Unterscheidung in fünf Typen hat sich im wissenschaftlichen Diskurs nicht durchgesetzt und wird deshalb in der vorliegenden Studie nicht weiter verfolgt.
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ursprünglichen, von Douglas initiierten Form als Schema mit vier Kombinationsmöglichkeiten Verwendung finden: Individualismus, Fatalismus, Hierarchie und Egalitarismus (Vgl. Abb. 6). Abbildung 6: Zwei Dimensionen sozialer Kontrolle, vier Rationalitäten.
Eigene Übersetzung. Quelle: Schwarz/Thompson 1990: 7.
Die Lebensform des Individualismus (niedriger Grid/niedrige Group) stellt sich als wettbewerbliche, marktorientierte Kultur dar und ist eng mit der Praxis des Entrepreneurships verbunden. Akteure dieser Kultur sind in hohem Maße von einem pragmatischen Materialismus sowie konstanten Wettkampfgeist geprägt, der sie ihrer Zielstellung von Macht und Reichtum näher bringen soll: „It is a tough environment, competition is merciless, the weakest will go to the wall.“ (Douglas 2005: o.S.) Entsprechend setzen involvierte Akteure weniger auf Regelbefolgungen (geringer Grid) als auf Ver- und Aushandlungen, die im freien Markt als regierendem Element ihre Entsprechung finden. Die Sicherung individueller Autonomie erfolgt über die Kontrolle anderer Personen (Vgl. Thompson et al. 1990: 8). Demgegenüber stellt sich die Lebensform der Hierarchie (hoher Grid/hohe Group) als kohäsive, stark regelgebundene Kultur dar, die das Gemeinwohl über das individuelle Wohl stellt. Dies beinhaltet eine Kontrolle individuellen Verhaltens durch hohe Regulierungen (hoher Grid) ebenso wie eine Kontrolle, die durch die hohe Gruppenzugehörigkeit ausgeübt wird und sich in Mechanismen der Unterordnung äußert: „The result is an environment in which all has been regulated; with a place for everything, the problem becomes one of keeping everthing in its place.“
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(Thompson et al. 1990: 9) Damit entspricht dieser Kulturtyp v.a. staatlichen und stadtpolitischen Bürokratien. Die Lebensform des Egalitarismus (niedriger Grid/hohe Group) umfasst Gruppierungen, die in hohem Maße durch ihre Fähigkeit zur kritischen Reflexion der Gesamtgesellschaft geprägt sind und sich explizit gegen Ungleichheit, Korruption und Manipulation durch Reichtum und Macht zugunsten von umfassenden Partizipationsstrukturen aussprechen. Damit entspricht dieser Kulturtyp z.B. Protestgruppen oder im extremsten Fall religiösen Sekten, die sich u.a. dadurch auszeichnen, dass sie in einer deutlichen Opposition zur hierarchischen, aber auch zur individualistischen Kultur stehen. Je stärker sich bspw. die hierarchische Kultur artikuliert, desto stärker entwickelt sich die Ablehnung der Egalitären gegenüber dieser Gruppe (Vgl. Douglas 2005: o.S.). Zugleich ist die oftmals als Minderheitsgruppierung auftretende Kultur durch ihren geringen Grad an Regulierungen (geringer Grid), aber auch fehlende Autoritäten (hohe Group) in besonderem Maße vom Auseinanderbrechen bedroht.62 Die Lebensform des Fatalismus (hoher Grid/niedrige Group) findet sich zuletzt separiert von jenen Mechanismen wider, die soziale Gruppen kontrollieren. Die Isolierung vollzieht sich dabei nicht immer bewusst, z.T. sind es den Autoren zufolge schlichtweg fehlende Qualifikationen oder soziale und kulturelle Ausschlussmechanismen, die Individuen die Teilnahme an spezifischen Gruppen erschweren. Damit entspricht dieser Kulturtyp der großen Masse der Isolierten, d.h. jenen, die in keinster Art und Weise involviert sind. Dennoch könne von der Ausbildung einer Kultur gesprochen werden, da die Akteure über eine gemeinsame Lebensanschauung verfügen, die durch die Befolgung sozialer Regulierungen (hoher Grid) geprägt ist. „Coping is what this social context is all about, and in the absence of any association [...] this strategy is inevitably one of personal survival.“ (Thompson et al. 1990: 9) Während die Kulturtypen der Individualisten, Hierarchisten sowie Egalitären als aktive Kulturen auftreten, stellen die Fatalisten eine passive Kultur dar (Vgl. Thompson et al. 1990: 88; Douglas 1996: 48f.). Die gegenseitigen Abgrenzungen zwischen den vier Kulturen, z.B. zwischen der hierarchischen Kultur und der individualistischen Kultur, oder zwischen der egalitären Kultur und den beiden Erstgenannten, zeugen weiterhin von der Tatsache, dass die beiden Dimensionen sozialer
62 „The organizational problems that result from combining positive group with negative grid include: how to rule without authority; how to legitimate internal conflict when all adherents are good; how to retain membership without coercion (à la hierarchy) or selective benefits (viz. Individualism). [...] Their business is criticizing. Fervor, not market clearance or organizational refinement, is what matters to them.“ (Thompson et al. 1990: 9f.)
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Kontrolle, auf denen das Schema der Cultural Theory aufbaut, unvereinbare, zugleich aber miteinander in Wechselbeziehung stehende Formen der Organisation sind. Jede Kulturformation benötigt demnach ihr diagonales Gegenüber im Vier-Felder-Schema, um sich gegenüber den anderen Kulturformen abzugrenzen und ihre eigene Identität zu stärken. Zugleich fungieren diagonale Verbindungen als strategische Bündnisse: „Adherents of each way of life need the rival ways, either to ally with, define themselves in opposition against, or exploit.“ (Thompson et al. 1990: 96) Während die sog. positive Diagonale zwischen der individualistischen und der hierarchischen Kultur nicht selten als ‚Allianz des Establishments‘ in Erscheinung tritt, deren verbindendes, wenn auch inhaltich unterschiedlich definiertes Ziel63 die Steigerung von ökonomischem Wachstum ist, ist die sog. negative Diagonale zwischen der egalitären und der fatalistischen Kultur in Bezug auf gemeinsame Zielvorstellung eher schwach ausgeprägt. In der Folge seien zuweilen nicht-diagonale Allianzen zwischen der ebenfalls nach Macht strebenden egalitären Kultur mit der individualistischen oder hierarchischen Kultur zu verzeichnen (Vgl. Douglas 1996: 43f.), die jedoch, auch wenn sie auf den ersten Blick größere Vorteile für die egalitäre Kultur versprechen als in einer Allianz mit den Fatalisten, immer auch Einschnitte der eigenen Motive und Handlungspraxen implizieren.64 Denn entgegen der Annahme, dass zwei auf einer Koordinatenachse befindliche Kulturen durch die gemeinsame Ausprägung von Group oder Grid gegenseitiges Verständnis füreinander aufbringen müssten, sind Alliierte trotz eingegangener Bündnisse weiterhin von einer starken Konkurrenz zueinander geprägt (Vgl. Thompson et al. 1990: 89). Stabile Kulturen stellen sich ein, wenn die Struktur des jeweiligen Kulturtypus viabel ist. In Bezug auf die vier Lebensformen bedeutet dies, dass ihre Mitglieder auf der einen Seite jene Regeln, Werte und Glaubensanschauungen teilen, auf denen die Kulturformation aufbaut, auf der anderen Seite die Kulturformation ge-
63 Auch wenn die Allianz zwischen der individualistischen und der hierarchischen Kultur vom gemeinsamen Ziel des ökonomischen Wachstums getragen ist, stellt sich dieses innerhalb der einzelnen Kulturtypen sehr unterschiedlich dar. Während die individualistische Kultur nach Wachstum für den einzelnen, unternehmerisch Tätigen strebt, verfolgt die hierarchische Kultur das Ziel, über ökonomisches Wachstum den Grad des Allgemeinwohls der Gruppe zu steigern (Vgl. Thompson et al. 1990: 61). 64 Eine Allianz zwischen den Egalitären und den Hierarchisten verspricht eine schnellere Durchsetzung relevanter Entscheidungen für die egalitäre Kultur, zugleich müssen selbige aber auch von ihren Vorteilen gegenüber ihrem Bündnispartner abrücken: „The Egalitarian hope is to use hierarchical means to achieve redistributive ends [...]. In order to do this, however, egalitarians must moderate their suspicion of authority.“ (Thompson et al. 1990: 89)
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nau jene spezifischen Werte und Normen bereitstellt, die von den Akteuren nachgefragt werden. Folgt man nun der Annahme, dass es sich bei den einzelnen Kulturtypen lediglich um partielle Repräsentationen von Realität handelt, die in einer sich permanent wandelnden Welt bestehen, so bemisst sich die Stabilität der einzelnen Kulturen außerdem an ihrer Fähigkeit, vorherrschende Dynamiken und Wandel aufzugreifen: „Stability requires constant energy, running, as it is said, just to stay in place. Change is thus stability’s permanent accompaniment.“ (Thompson et al. 1990: 66) Während die einzelnen Kulturen bereits durch ihr Selbstverständnis also in einem dynamischen Verhältnis zueinander stehen, tragen unerwartete Ereignisse – hier verstanden als „discrepancy between the expected and the actual“ (ebd.: 3) – zusätzlich dazu bei, dynamische Veränderungen zu generieren. Mit ihrer „theory of surprise“ und „theory of change“ zeigen Thompson et al. dennoch (Vgl. Tab. 4), dass Veränderungen begrenzt bleiben: So würde sich ein Wandel durch Unvorhergesehenes nur dahingehend auswirken, dass Akteure sich zwischen den verschiedenen Kulturen bewegen.65 Die Grenzen des Wandels, die im Falle von Überraschungen eintreten, werden von den Autoren (Thompson et al. 1990: 75) dabei auf zwölf normative Mikroveränderungen („microchanges“) begrenzt, deren Anzahl durch die Kombination aller vier Kulturen mit allen anderen drei Lebensformen entstehe.66 Indem die Richtung des Wandels bewusst nicht nur eindimensional verortet wird, machen die Autoren deutlich, dass bestimmte politische Anstrengungen, wie bspw. das britische Modell des Thatcherismus, das sich mit seinem wirtschaftlichen und politischen Liberalismus für eine gezielte Stärkung der individualistischen Kultur einsetzte (Hierarchie Æ Individualismus), zugleich auch in die Gegenrichtung entwickeln und damit letztlich in einer Gegenkultur des Protestes (Hierarchie Æ Egalitarismus) oder einer Armutskultur (Hierarchie Æ Fatalismus) münden kann (Vgl. Thompson et al. 1990: 79).
65 Am Beispiel der hierarchischen Kultur wird deutlich, dass sich diese im Fall des Zusammenbruchs ihres Systems stärker zur egalitären Kultur orientiert. Im Falle der erfolgreichen Durchsetzung von marktwirtschaftlichen Kräften anstelle eines auf Gerechtigkeit bedachten Wohlfahrtsstaates wendet sie sich dem individualistischen Lebensstil zu. 66 Die zwölf Mikroveränderungen erfassen die Entwicklungsrichtungen fatalistisch Æ individualistisch (1), individualistisch Æ fatalistisch (2), egalitär Æ hierarchisch (3), hierarchisch Æ egalitär (4), fatalistisch Æ hierarchisch (5), hierarchisch Æ fatalistisch (6), individualistisch Æ egalitär (7), egalitär Æ individualistisch (8), individualistisch Æ hierarchisch (9), hierarchisch Æ individualistisch (10), egalitär Æ fatalistisch (11), fatalistisch Æ egalitär (12) (Vgl. Thompson et al. 1990: 76ff.).
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Tabelle 4: Typologie der Überraschungen. Aktuelle Ereignisse Erwartungshaltung gemäß Kulturzugehörigkeit unberechenbar (fatalistischer Mythos) ephemer (egalitärer Mythos) gutartig (individualistischer Mythos) tolerant (hierarchischer Mythos)
unberechenbar (fatalistisch)
Vorsichtigkeit zahlt sich nicht aus Fähigkeiten werden nicht honoriert Unvorhersagbarkeit
ephemer (egalitär)
gutartig (individualistisch)
tolerant (hierarchisch)
erwarteter Gewinn stellt sich nicht ein
unerwartete Glückssträhne
unerwartete Glücks- und Pechsträhne andere prosperieren
andere prosperieren totaler Kollaps totaler Kollaps
partieller Kollaps Wettbewerb
Eigene Übersetzung. Quelle: Thompson et al. 1990: 71.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im pluralistischen Verständnis der Cultural Theory Gesellschaften immer aus verschiedenen Teilkulturen bestehen, wobei Wandel sich als grundlegende Kategorie für die Stabilität der einzelnen Kulturen – und zwar in ihrer Vielzahl – darstellt: „Just as turning the pedals of a bicycle is essentiel to stabilizing the rider, so change is essential to the maintenance of cultural patterns.“ (ebd.: 80) Anwendungsbeispiele und Weiterentwicklungen der Cultural Theory
Bereits zu Beginn wurde dargelegt, dass die Typologie der Cultural Theory durch ihre auf Viabilität beruhende Zusammenführung von individuellen Einstellungen (Group) und kollektiven Verhaltensmustern (Grid) den Anspruch auf Vergleichbarkeit unterschiedlicher Kulturformationen erhebt. Der Glaube an eine universelle Anwendbarkeit ist dabei von dem Verständnis geleitet, dass die von Douglas identifizierten orts- und zeitunabhängigen Dimensionen des Sozialen sowohl auf kleinere, als auch auf größere soziale Einheiten angewendet werden können – und zwar auf der Makro- sowie der Mikroebene, da auch innerhalb einer Gesellschaftsform alle vier verschiedenen Kulturen vorherrschen: „Grid/Group proposes the hypothesis that, in each social context, shared cultural ideas about such things as nature, time and space, morality, human nature, and so on will be structured in such a way that individuals within it can steer their way through the constraints they experience in daily life […]. This structuring of culture is shared by all social units in any single
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grid/group context, irrespective of whether they are African villages or London law firms.” (Rayner 1985: 344)
Seit ihrem Erscheinen ist die Cultural Theory auf eine Vielzahl an Themen übertragen worden, von denen für das vorliegende Untersuchungsbeispiel insbesondere die Arbeit des Politikwissenschaftlers Christopher Hood hervorgehoben werden soll. Der Autor hat mit seinem Buch „The Art of the State“ (Hood 1998) das Thema „Culture, Rhetoric and Public Management“ unter Zuhilfenahme der Cultural Theory in seiner (Organisations)Vielfalt erläutert und dabei einige Spielarten der Cultural Theory entwickelt. Insbesondere seine Ausführungen zum Scheitern einzelner Organisationsformen, die er auf inhärente Schwachstellen der jeweiligen Kulturen zurückführt, sind für das vorliegende Untersuchungsbeispiel von Relevanz und sollen an späterer Stelle (Vgl. Kap. 5) aufgegriffen werden. Zunächst soll Hoods Weiterentwicklung der Cultural Theory interessieren, bei der er nicht nur vier Kulturtypen identifiziert, sondern davon ausgeht, dass auch innerhalb der einzelnen Kulturtypen jeweils die Analyseparameter Grid und Group greifen, wodurch ausgehend von der ursprünglichen Vier-Felder-Typologie nunmehr 16 Sub-Typen entstehen. Mithilfe dieser Herangehensweise macht Hood verschiedene Varianten sowie neue Anwendungen der vier Basistypen kenntlich, die „beyond the one-best-way reflex“ (Hood 1998: 69) gehen. Bezogen auf die einzelnen Kulturtypen bedeutet dies, dass z.B. das hierarchische Modell weniger als singuläres Modell denn als Familie verwandter Ansätze verstanden wird, die allesamt hierarchisch strukturiert sind, sich jedoch in Bezug auf die Intensivierung von Group und Grid unterscheiden. Ihre Gemeinsamkeit besteht in ihrem Glauben an professioneller Expertise, deren Gewinn als kollektives Gut der Gesamtgesellschaft zugute kommen soll (Vgl. ebd.: 97ff.). Darüberhinaus spricht Hood sich für hybride Formationen aus, die sich entweder situativ oder durch die ‚theory of surprise‘ (Vgl. Tab. 4) ergeben und die bisherigen Kulturtypen-Grenzen überschreiten. Die Konzentration auf eine paarweise Kombination der vier Basiskulturen führt ihn zur Identifizierung von sechs hybriden Modellen (Vgl. Abb. 7), die für die vorliegende Arbeit eine entscheidende Rolle spielen.
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Abbildung 7: Sechs Hybridtypen.
Eigene Übersetzung. Quelle: Hood 1998: 235.
Die Vermischung der individualistischen mit der hierarchischen Kultur, bei der nach wie vor ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb existiert, der jedoch durch eine übergeordnete autoritäre Struktur in Bezug auf die Zielstellung sowie die Rahmenbedingungen begrenzt wird, benennt Hood als hybride Kultur der ‚Quasi-Märkte‘ („quasi-markets“). Die Verflechtung von individualistischen mit fatalistischen Ansätzen stellt er als ‚zufälligen Wettbewerb‘ („randomized competition“) dar, der z.B. dann eintrete, wenn die USA in der Vergabe von Green Cards einige wenige Exemplare zur Verlosung bereitstelle. Die Kultur ‚zufällige Aufsicht‘ („randomized oversight“), ein Hybrid aus der fatalistischen mit der hierarchischen Kultur, zeigt sich als Modell, in dem das Zufallsprinzip auf hierarchische Regularien und Steuerungsformen trifft, etwa wenn bürokratische Vertreter durch zufällige Arbeitsanweisungen in Bezug auf die Vorhersehbarkeit der nächsten Arbeitsschritte und damit auf eine Unterwanderung des Systems kontrolliert würden (Vgl. Hood 1998: 235f.). Im Falle einer Fusion der hierarchischen mit der egalitären Kultur entstehe das Hybrid der ‚Referenzgruppenbezogenen Überprüfung’ („peer-group review“). Diese stellt sich als Kultur der Selbstegulierung und -kontrolle z.B. dann ein, wenn im Universitätssystem ausgewählte Referenzgruppen anstelle einer singulären hierarchischen Steuerung Beurteilungen zur Qualität weiterer in das System involvierter Akteure vornehmen. Das Hybrid des ‚Referenzgruppenbezogenen Wettbewerbs‘ („peer-group competition“), erwachsen aus der eglitären und der individualistischen Kultur, geht noch einen Schritt weiter, indem es die rivalisierenden Prinzipien von Wettbewerb und Gleichheit zusammenführt, z.B. mit dem Ausrufen von Wettbewerben für Stadtteilinstitutionen oder der Gruppierung von konkurrierenden Unternehmen in einem Ausschuss, der über die Vergabe ihrer eigenen Budgets entscheiden muss. Mit dem Hybrid der ‚Demarchie‘ („demarchy“) beschreibt Hood zuletzt
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die Kombination der fatalistischen mit der egalitären Kultur, bei der anstelle von umfassenden Auswahlprozessen das Los entscheidet, wie es z.B. der Benennung von Geschworenen in amerikanischen Strafverfahren, um Korruption zu vermeiden (Vgl. Hood 1998: 235f.). Während Kritiker anmerken, dass Hybride nicht stabil und damit nicht viabel seien (Vgl. ebd: 226), sprechen die angeführten Beispiele zugleich für die Dynamik der Cultural Theory.
1.3.2 Anwendung auf die strategische Kreativplanung Die Cultural Theory und ihre Weiterentwicklung durch Hood soll im Folgenden auf den Untersuchungsgegenstand der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt über67 tragen werden. Trotz der von Kritikern angemahnten Schwächen wird diese als solider Analyserahmen erachtet, um die Perspektiven und Beweggründe für die Ausbildung des zu untersuchenden Phänomens nachzuzeichnen. Da die Cultural Theory stets von Teilkulturen ausgeht, die eine Gesamtgesellschaft konstituieren, stellt sich auch der Untersuchungsgegenstand nach Anwendung des Vier-FelderSchemas als nur eine [sic!] Teilkultur im Spannungsfeld von ‚Kreativität‘ und Stadt dar. Dies hat zur Folge, dass eine Loslösung vom Planungsbegriff, d.h. in diesem Fall dem bislang verwendeten, analytischen Suchbegriff der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt notwendig wird, da der Planungsbegriff an sich schon ein hierarchischer Begriff ist, wodurch bei seiner Beibehaltung alle damit verbundenen Ansätze automatisch in der hierarchischen Kultur eingeordnet würden. Zur Umgehung dieser Eindimensionalität soll – sofern alle vier Kulturen erfasst werden – der Planungs- durch den Entwicklungsbegriff ersetzt und stattdessen von ‚Ansätzen einer strategischen Kreativentwicklung und ihrer Kritiker‘ gesprochen werden. Die Anwendung der Cultural Theory auf den erweiterten Untersuchungsgegenstand gibt dabei u.a. eine Antwort auf die Frage, welche sozialen Kontrollmechanismen die Ausbildung von ‚Ansätzen einer strategischen Kreativentwicklung und ihrer Kriti68 ker‘ beeinflussen und inwieweit ihre Herausbildung von den strukturellen Rah-
67 Der Vorwurf des „nursery toys“ verweist darauf, dass sich die Cultural Theory eher als Instrument zum Verständnis spezifischer Sachverhalte denn als Analyseinstrument komplexer Sachverhalte eigne. Der Vorwurf der „soft science“ rekurriert auf ihren Anspruch der universellen Übertragbarkeit. Der Kritikpunkt „wrong tool“ verdeutlicht, dass sie durch ihren geringen Bezug zum jeweiligen Anwendungsthema möglicherweise nur ein interpretatives Analyseinstrument darstellt (Vgl. Hood 1998: 226ff.). 68 „Cultural Theory helps us to understand why there is no generally agreed answer to the question ‚who should manage whom and how‘ in government.“ [Herv. i.O.] (Hood 1998: 223)
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menbedingungen der jeweiligen Kultur geprägt ist. Zuletzt ermöglicht die Cultural Theory damit auch ein Verständnis für die Grenzen der einzelnen Ansätze. Denn während bestimmte Faktoren in einer Kultur als Rahmenbedingungen für erfolgreiches Handeln gelten, sind sie in einer anderen Kultur zum Scheitern verurteilt. In ihrem Verständnis als heuristische Herangehensweise ist die Anwendung dabei in besonderem Maße von der Aufstellung der Indikatoren für die Analyseparameter Grid und Group abhängig: Während Group im vorliegenden Untersuchungsbeispiel die Größe und Dichte von Netzwerken kultureller und kreativer Akteure erfasst, stellt sich Grid als Grad der Regulierung und Normierung dar, auf dem sich die Präferenzen der Akteure aufbauen. Damit ist Grid eng mit der Fähigkeit der Akteure zur ‚Reflexivität‘ nach Giddens verbunden, bei dem die permanente Reproduktion von Handlungen, die in einem wechselseitigen Verhältnis zu sozialen Strukturen 69 stehen, zur Ausbildung von Regeln führt. Die in Kapitel 1.1.2 vorgestellten strategischen Ansätze von ‚Kreativität‘ und Stadt können auf dieser Grundlage wie folgt in die Matrix der Cultural Theory überführt werden (Vgl. Abb. 8):
69 Mithilfe der Strukturationstheorie zeigt Giddens, dass soziale Systeme in und durch Interaktionen produziert und reproduziert werden, d.h. Struktur und Handeln in einem wechselseitigen Bezug zueinander stehen. Die „Dualität der Struktur“ (Giddens 1997 [1984]: 77) impliziert auch die „Reflexivität“ des Akteurs, der Strukturen in Bewusstsein seines Handelns reproduziert, was wiederum auf die Struktur zurückwirkt (Vgl. Vester 2010: 157). Die permanente Reproduktion von strukturierten und strukturierenden Praktiken führt zur Ausbildung von Regeln, deren Verfestigung Giddens als Institutionen bezeichnet (Vgl. Giddens 1997 [1984]: 81).
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Abbildung 8: ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ auf Basis der Cultural Theory und ihrer Hybride.
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Hood 1998: 235.
Der formal organisierte und von Regeln bestimmte Kulturtyp der Hierarchie entspricht im vorliegenden Untersuchungsbeispiel dem Akteur Stadt, d.h. der Stadtpolitik und ihren verwaltenden, bürokratisch organisierten Einheiten. Städtische Handlungspraxen im Kontext zu verzeichnender ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ sind in besonders hohem Maße von feststehenden Regeln geleitet (hoher Grid) und per definitionem gemeinwohlorientierten Zielstellungen (hohe Group) verschrieben, lassen im Kontext postmoderner Entwicklungstendenzen jedoch immer häufiger eine marktwirtschaftliche Zielsetzung erkennen, wie es bereits mit dem Ansatz der ‚Growth Machine‘ beschrieben worden war. Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel stellt sich diese Tendenz als Anpassung und Ausrichtung der städtischen Politik auf den globalen Standortwettbewerb dar, wobei der Sektor der Kultur- und Kreativwirtschaft von Seiten der Stadtpolitik als Ersatz für die schrumpfende postindustrielle, städtische Wirtschaftskraft in Dienst genommen wird. Zur Sichtbarmachung und Kommunikation der zumeist Top-Down angelegten Entwicklungsmodelle kommt städtischen Leitbildern eine entscheidende Rolle zu: Ihre strategischen Vorgaben sollen über maximale Regulierungen und Auflagen sowie mithilfe professioneller Expertise, die
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zugleich größtmögliche Kontrollierbarkeit verspricht, erreicht werden (hoher Grid). Zu den vorzustellenden hierarchisch-organisierten Modellen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt gehören zum einen kulturelle Festivalisierungsstrategien und kulturell-kreative Leuchtturm-Projekte, zum anderen die Leitbildvorgabe ‚Creative City‘-Narrativ, der sich mit gezielten Maßnahmen genähert werden soll. Überraschungen im Sinne der ‚theory of surprise‘ (Vgl. Tab. 4) treten ein, wenn ausgehend von der vorherrschenden Kritik in der Bevölkerung z.B. abweichende Modelle innerhalb der hierarchischen Kultur entstehen, die konkret an die Handlungslogik ihrer Kritiker anknüpfen. Am anderen Ende der diagonalen Achse befindet sich der Kulturtyp des Individualismus. Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel umfasst er vorrangig jene kultur- und kreativwirtschaftlichen Akteure, die im wirtschaftlichen Markt unternehmerische Ansätze verfolgen und damit auf das Schumpeter’sche Verständnis des Entrepreneurs70 rekurrieren. Ziel ist ein ökonomischer Gewinn für das Individuum (geringe Group) sowie Macht innerhalb des Marktes, die anstelle von Regelbefolgungen (geringer Grid) durch Ver- und Aushandlungen mit dem Markt erreicht werden soll. Der ausgeprägteste Entrepreneuransatz bildet sich in der Organisationsform der ‚kreativen Cluster‘ sowie der ‚kreativen Hubs‘71 ab, die von den Entrepreneuren aufgrund von kommunikativen und produktiven Vorteilen eigenständig verfolgt werden und damit einer intrinsischen Handlungslogik unterliegen. Die Erfolgsbemessung unterliegt dem wirtschaftlichen Umsatz sowie der Anzahl z.B. technologischer Innovationen, die in den einzelnen Clustern oder Hubs entstehen. Überraschungen im Sinne der ‚theory of surprise‘ stellen sich ein, wenn entweder keine wirtschaftlichen Erfolge eintreten, Widerstände von Seiten der egalitären Kultur z.B. über aktivistische Proteste zu verzeichnen sind oder aber Eingriffe von Seiten der lokalen Regierung z.B. bezüglicher steuerlicher Regulierungen stattfinden. Der am anderen Ende der Group-Achse lokalisierte Kulturtyp des Egalitarismus ist von einer expliziten Abwendung von individualistischen sowie hierarchischen Strömungen gekennzeichnet und entspricht im vorliegenden Untersuchungsbeispiel
70 Der Schumpeter’sche Entrepreneur zeichnet sich nicht nur durch die Durchsetzung neuer Produkte oder Produktionsmethode am Markt aus, sondern auch durch die Etablierung neuer wirtschaftlicher Strukturen, die weniger innovative Unternehmen aus dem Markt drängen (Vgl. Fueglistaller et al. 2012: 23). Als Innovator treibt der Schumpeter’sche Entrepreneur so den „Zerstörungs- und Erneuerungsprozess“ des Kapitalismus voran (Schumpeter 1992 [1942]: 134). 71 Das englische Wort Hub bezeichnet Knotenpunkte von bestimmten Aktivitäten, die in Abgrenzung zu Clusterbildungen auch durch ein stärkeres Nebeneinander gekennzeichnet sein können.
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jener Gruppe, die in der terminologischen Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes als ‚Kritiker‘ des städtischen Kreativansatzes benannt worden sind. Das hängt auch damit zusammen, dass es jene Akteure sind, die als die orgiginär ‚kreativen‘ Akteure bezeichnet werden können. Der Auffassung folgend, dass städtische Probleme erst durch korporative Strukturen entstehen, sind egalitäre Akteure von der Haltung eines „managing without manager“ (Martin 1983, zit. nach Hood 1998: 120) geprägt, mit der Folge, dass ihre Entwicklungsrichtung ausschließlich BottomUp definiert ist (hohe Group). Entsprechend bemisst die egalitäre Kultur Erfolg nicht an ökonomischem Wachstum, sondern vorrangig an sozialen Zielen wie der Reduzierung von ökonomischen und sozialen Ungleichheiten, der Erhaltung des allgemeinen Lebensstandards oder dem Grad der Partizipation (hoher Grid). Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel stellen sich egalitäre Ansätze damit als eine Kultur dar, deren Akteure sich fernab vom marktwirtschaftlichen oder kulturpolitischen Interessen positionieren, indem sie den urbanen Raum vorrangig als Handlungs- denn als Verwertungsort betrachten, sich mit den Akteuren sowie sozialen Problemstellungen des Stadtraums auseinandersetzen und kulturelle und kreative Entwicklungen eng an die Bedürfnisse lokaler Gruppierungen und künstlerischer Organisationen anlehnen. Egalitäre ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung und ihrer Kritiker‘ zeichnen sich zum einen in Form von ‚kreativen Community Prozessen‘72 ab, deren zugrundeliegendes Kreativitätsverständnis sich entweder eng an der soziokulturellen Perspektive der kulturpolitischen Reformprogrammatik der 1970er Jahre orientiert oder aber freien und damit marktfremden Kriterien unterliegt. Zum anderen implizieren sie die Organisationsform des ‚kreativen urbanen Milieus‘ (Vgl. Kap. 1.1.2), das sich – in Abgrenzung zur ökonomisch geprägten Agglomeration des ‚kreativen Clusters‘ – über die Verbindung von spezifischen Lebensformen und lokalen Szenen mit speziellen räumlichen Praktiken auszeichnet. Gemäß des Verständnisses der Cultural Theory, nach dem die einzelnen Kulturtypen weniger als singuläre Ansätze denn als Familie verwandter Ansätze zu verstehen sind, umfassen egalitäre Ansätze zuletzt auch jene Bewegungen am rechten Rand der horizontalen Achse, die durch einen besonderes hohen Group-Anteil gekennzeichnet sind. Aktivistische Stadtteilinitiativen wie das in Hamburg seit 2009 existierende Netzwerk
72 Unter kreativen Community-Prozessen werden in der vorliegenden Studie u.a. soziokulturelle Aktivitäten verstanden, die als „Praxisfeld außerhalb der etatisierten Kultur im Überschneidungsbereich von Kultur-, Bildungs- und Sozialarbeit“ (Behnke 2003: 61) stattfinden und in ihrem Wirken ebenfalls zahlreiche Schnittstellen mit dem urbanen Raum aufweisen.
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„Recht auf Stadt“73, das sich explizit gegen die stadtentwicklungspolitische Strategie der Hansestadt zur Vermarktung ihres Standortes als ‚kreative Stadt‘ wendet, sind ein prägnantes Beispiel für ebensolche Ansätze, auch wenn ihre Ausbildung eng mit den Aktivitäten der hierarchischen Kultur verbunden ist: Je mehr ‚kreative‘ Maßnahmen hierarchische Akteure umsetzen, umso stärker formiert und festigt sich die egalitäre Gegenbewegung. Das proportionale Wachstum egalitärer Ansätze in Bezug auf umgesetzte städtische Ansätze verdeutlicht damit noch einmal die Interdependenz der einzelnen Kulturtypen im Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt. Überraschungen im Sinne der ‚theory of surprise‘ stellen sich ein, wenn partizipativ ausgerichtete Strukturen aufgrund der Vielzahl an Beteiligungsschritten zu lange andauern oder gar scheitern. Das ist u.a. auch der Zeitpunkt, zu dem Kooperationen z.B. mit der hierarchischen oder der individualistischen Kultur geschlossen werden, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Folgt man dem Ansatz der Cultural Theory, dass immer vier Typen von viablen Kulturen existieren, ist davon auszugehen, dass auch der fatalistische Kulturtyp im vorliegenden Untersuchungsbeispiel existiert. Wie bereits in vorherigen Anwendungsbeispielen der Cultural Theory74 aufgezeigt wurde, ist diese Transferleistung auch im vorliegenden Fall nicht einfach, zumal sich die fatalistische oder isolierte Kultur als einzige passive Kultur darstellt (Vgl. Kap. 1.3.1). Festzuhalten ist, dass der Kulturtyp des Fatalismus jene ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ umfasst, die isoliert von den restlichen Kulturen wirken. Seine Akteure, die durch eine starke Anti-Organisations-Attitude geprägt sind (geringe Group), wenden sich nicht nur gegen städtisch-hierarchische Ansätze und den aus ihrer Ansicht damit verbundenen sog. Beamtenethos, sondern auch gegen das von den Entrepreneuren verfolgte Wettbewerbsprinzip der freien Marktwirtschaft sowie gegen partizipative, alternative Ansätze (Vgl. Hood 1998: 146): „The central principle on which a fatalist society operates is a rejection of co-operation in any form, as something likely to have unpredictable and possibly unpleeasant results.“ (ebd.: 148) Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung stellen sich isolierte
73 In der „Recht auf Stadt“-Bewegung hatten sich 2009 zahlreiche Akteure aus der Hamburger Kunst- und Kulturszene explizit gegen die kultur- und stadtentwicklungspolitisch getragene Strategie Hamburgs zur Vermarktung als „kreative Stadt“ gewendet. Unter dem Titel „Not in our Name, Marke Hamburg“ veröffentlichten die Akteure ein Manifest, das sich explizit gegen die von Begriffen der Kreativwirtschaft dominierte Imagekampagne wandte. Zur weiterführenden Information s. http://www.buback.de/nion. 74 Die Ausführungen von Thompson et al. (1990) zum fatalistischen Kulturtyp fallen im Vergleich zu den anderen drei Kulturtypen äußerst gering aus. Und auch das zitierte Anwendungsbeispiel Hoods schreibt der Anwendung der fatalistischen Kultur etliche Probleme zu (Vgl. Hood 1998: 145f.).
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Ansätze damit v.a. als Coping-Mechanismen (hoher Grid) dar, deren Enthaltung an vorherrschenden kreativitätsbasierten Entwicklungsprozessen u.a. dazu beiträgt, die Machtspiele der anderen drei Kulturen zu stärken. Indem die fatalistische Kultur suggeriert, dass keine der anderen drei Kulturen einen Beitrag zum Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt leisten kann, impliziert sie auch eine Absage an die Planbarkeit des Untersuchungsgegenstandes – ein Ansatz, der in seiner Funktion als kritischer Kommentar durchaus einen relevanten Beitrag für die vorliegende Untersuchung birgt. Überraschungen im Sinne der ‚theory of surprise‘ stellen sich ein, wenn eine der anderen drei Kulturen positive Effekte in ihrem Handeln erzielen kann, z.B. im Rahmen der egalitären Kultur intendierte kreative Vorhaben mit einem möglichst hohen Beteiligungsgrad umgesetzt werden. Zuletzt lassen sich neben den vier Kulturen solche Ansätze identifizieren, die nicht einer einzigen Kultur zuzuordnen sind, sondern als Hybride zwischen einzelnen Kulturen auftreten. Als Hybrid zwischen der hierarchischen und der individualistischen Kultur war in Anlehnung an Hood (1998: 235) bereits das ‚Quasi Markt‘Hybrid vorgestellt worden. Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel lassen sich gleich zwei Hybrid-Ansätze des Untersuchungsgegenstandes festhalten: Die Anwendung des 3-T-Modells nach Florida, das in seiner Ausrichtung explizit auf Lebens- und Arbeitsbedürfnisse kultureller und kreativwirtschaftlicher Entrepreneure Bezug nimmt, seine Antriebskraft aber im internationalen Standortwettbewerb der hierarchischen Kultur findet. Darüber hinaus gibt es einen hybriden Entwicklungsansatz, der anknüpfend an die Clusterbildung der Kreativbranchen als ‚kreative Cluster-Politik‘75 bezeichnet werden soll. Ziel der hierarchischen Kultur ist es, einzelne Branchen oder Sektoren der Kultur- und Kreativwirtschaft in ihrer Wertschöpfungskette zu verlängern und damit wirtschaftliche Folgeeffekte für den Standort auszulösen. Zwar operieren die Entrepreneure in ihrer originären ClusterFormierung selbst Bottom-Up, das Anknüpfen städtischer Ansätze an die ökonomischen Handlungsmechanismen der unternehmerischen Akteure ist allerdings – trotz ihres Ziels der Stärkung der individualistischen Kultur – hierarchisch, also TopDown intendiert. Zusammen rekurrieren beide Hybride auf die ‚Achse des Establishment‘, die strategische Allianzen zwischen der individualistischen und der hierarchischen Kultur markiert, und deren Ziel es ist, wirtschaftliches Wachstum zu generieren, auch wenn dieses gänzlich unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen unterliegt. Mit der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ liegt ein Hybrid vor, das zwischen der städtischen und der egalitären Kultur im Sinne des ‚Peer Group Review‘
75 Die Praxis der ‚kreativen Cluster‘-Politik soll aufgrund ihrer komplexen Organisationsform im Folgenden in einfachen Anführungszeichen hervorgehoben werden. Gleiches gilt für die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘.
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(Vgl. Hood 1998: 235) angesiedelt ist. Im expliziten Rückgriff auf die Formierungslogik kultureller und kreativer Akteure in ‚kreativen urbanen Milieus’ hat sich der Entwicklungsansatz in den letzten Jahren auf städtischer Seite mit dem Ziel ausgebildet, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Entstehung ebenjener Milieus befördern, um städtische aber auch wirtschaftliche Folgeeffekte einzuleiten. Auch hier greift der Ansatz explizit auf die Formierungslogik der egalitären Akteure zurück, bleibt von seiner Intention her jedoch in der hierarchischen Kultur verortet. Wenngleich sich die genannten Hybride zwischen den drei aktiven Kulturen abspielen, haben sie ihren treibenden Motor stets in der hierarchischen Kultur. Das ist auch der Grund, warum die Hybride im Folgenden nicht als gleichwertige Organisationsform zwischen jeweils zwei Kulturen dargestellt werden, sondern als Ansätze der hierarchischen Kultur mit explizitem Übergriff auf die individualistische bzw. die egalitäre Kultur. Zur Interdependenz der vier Kulturen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass alle skizzierten ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ in Abhängigkeit zu der jeweiligen Kultur und ihren sozialen Kontrollmechanismen entstehen, der sie angehören. Die Konflikthaftigkeit zwischen den einzelnen Kulturen stellt sich dabei als deutliches Zeichen für die unterschiedlichen Typen sozialer Organisation und ihrer Kausalzusammenhänge dar. Während z.B. egalitäre Modelle von der hierarchischen Kultur in der Vergangenheit kaum berücksichtigt worden sind – hier ist erst seit kürzerer Zeit eine Kehrtwende in Bezug auf Hybridbildungen zu diagnostizieren –, d.h. strategische Ansätze der Stadt nur im hierarchischen oder als Hybrid im Entrepreneur-Feld platziert wurden, führt dies langfristig dazu, dass die Akteure des egalitären Feldes ihre Anliegen noch deutlicher und vehementer gegenüber der hierarchischen Kultur artikulieren, wie es z.B über die Besetzung von eingeforderten Gebäuden im Hamburger Gängeviertel76 der Fall war. Zugleich zeigt die Anwendung
76 Im August 2009 hatten mehr als 200 Hamburger Künstler das historische innerstädtische Arbeiterquartier des Gängeviertels besetzt. Ziel des Protestes war es, „auf den rücksichtslosen Umgang mit alter Bausubstanz“ des zuvor zum Höchstgebotsverfahren an einen niederländischen Investor verkauften Areals aufmerksam zu machen sowie auf „den Mangel an Ateliers“ in der Hansestadt zu verweisen (Briegleb 2009: 11). Die friedliche Besetzung, die unter dem Namen „Komm in die Gänge“ bundesweit Anhänger gefunden und zu zahlreichen Berichterstattungen geführt hatte, resultierte nach langen Verhandlungen zwischen dem Hamburger Senat und den Besetzern im Dezember 2009 in einem Rückkauf des Areals und der Entwicklung einer neuen Nutzung gemeinsam mit den Künstlern (Vgl. http://das-gaengeviertel.info/gaengeviertel.html vom 31.01.2014). Als Nebeneffekte der Besetzung hatte sich in Hamburg in kürzester Zeit „ein ganzes Wider-
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der Cultural Theory, dass es kein singuläres Best-Practice-Modell von ‚Ansätzen einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ gibt, sondern immer eine Vielfalt an Formen vorherrschen wird, wobei jede Kultur ihre Vor- oder Nachteile hat, es jedoch keine gibt, die für alle Gruppen gleichermaßen akzeptabel ist (Vgl. Hood 1998: 18). Entsprechend verdeutlicht die Konflikthaftigkeit der einzelnen Kulturen nicht nur die Kausalzusammenhänge zwischen den einzelnen Kulturen, sondern auch die Notwendigkeit der Existenz aller vier Formen, die als Zeichen für unterschiedliche Typen sozialer Organisation fungieren: „A well-run community needs some hierarchy in the sphere of government, some enterprise on the part of Individualists, some criticism from Enclaves, and it cannot avoid having some passive members in the sector of Isolates. If the Positional [hierarchical, Anm.d.Verf.] culture dominates, it will make things hard for those in the lowest positions. If the Individualist culture dominates, ruthless competition will make the weak suffer. If the Enclave suffers, the heavy hand of moral censorship will calcify the cultural scene. If the others combine to suppress the Enclave, violence will erupt as the enclavists will not be silenced.“ (Douglas 2005: o.S.)
In der Folge gilt es nun, die Gesamtheit der vier Kulturen von ‚Ansätzen einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ wieder zurückzustellen und den Fokus ausschließlich auf die hierarchische Kultur zu lenken, da diese den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie bildet. Gleichwohl bleiben Wechselbezüge zwischen der hierarchischen Kultur und den anderen Kulturen natürlich berücksichtigt. Denn obwohl sich städtische Strategien vorrangig im Feld der hierarchischen Kultur verorten lassen, diffundieren sie – wie bereits skizziert wurde – in Form von Hybriden zunehmend auch in andere Kulturen. Neben rein hierarchischen Strategien (Kap. 1.4.1) sollen deshalb die von städtischer Seite forcierten Hybride mit der individualistischen (Kap. 1.4.2) sowie der egalitären Kultur (Kap. 1.4.3) dargestellt werden, die aufgrund ihrer Initiierung in der hierarchischen Kultur ebenfalls den Planungsbegriff zulassen, d.h. als Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt abgebildet werden. Die erweiterten, vom Planungsbegriff losgelösten ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘, d.h. die Ansätze der anderen drei Kulturen in Reinform, werden aufgrund des eingeschränkten Untersuchungsthemas in der vorliegenden Studie nicht detaillierter thematisiert.
standscluster“ (Schreiber/Stickel 2010: o.S.) herausgebildet, in dem Künstler u.a. ein leerstehendes Kaufhaus („Frappant“) für Ateliers und Ausstellungsflächen genutzt hatten.
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1.4 B EISPIELE DER P LANUNGSPRAXIS : R EIN - UND H YBRIDFORMEN Im folgenden Kapitel werden jene ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ aufgezeigt, die sich entweder in Reinform im hierarchischen Quadranten der Cultural Theory verorten lassen oder als Hybridbildung von diesem ausgehen und deshalb als ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt erfasst werden können. Die vorzustellenden Modelle wurden deskriptiv aus dem vorliegenden Datenmaterial in Kapitel 1 sowie existierender Städtebeispiele erfasst und abgeleitet. Beginnend mit hierarchischen Strategien in Reinform, die als klassische Top-Down Ansätze angelegt sind und sich insbesondere über kulturell-kreative Leuchtturm-Projekte, kulturelle Festivalisierungsformate sowie das politischnormative Konstrukt der ‚Creative City‘-Narrative darstellen (Kap. 1.4.1), werden anschließend Hybridformen einer hierarchischen Planungspraxis dargelegt. Diese umfassen zum einen marktbezogene und sektorale Strategien – im vorliegenden Untersuchungsbeispiel als hierarchisch-individualistische Ansätze bezeichnet – wie die ‚kreative Cluster‘-Politik oder das 3-T-Modell (Kap. 1.4.2). Zum anderen implizieren sie hierarchisch-egalitäre Strategien, die wie die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ eine Mischform aus Top-Down und Bottom-Up darstellen, indem sie in enger Anlehnung an die Formierungslogik der Akteure aus der egalitären Kultur Rahmenbedingungen fördern (Kap. 1.4.3). Gemein ist allen Ansätzen, dass sie eine Plan- oder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ suggerieren, die mit spezifischen Methoden umsetzbar erscheint.
1.4.1 Hierarchische Ansätze Es wurde bereits dargelegt, dass hierarchische Ansätze in hohem Maße von sozialen Kontrollmechanismen geprägt sind, die sich zum einen in Form eines festen Regelwerks (hoher Grid), zum anderen über eine bürokratisch strukturierte Gesellschaftsform (hohe Group) äußern und damit Kontrolle und Ordnung über individuelles Verhalten bewirken sollen. Bezogen auf die Verteilungsgerechtigkeit bedeutet dies, dass das Vertrauen in den ökonomischen Markt, wie es bspw. von der individualistischen Kultur gelebt wird, in der hierarchischen Kultur durch „eine auf Ordnung bedachte Bürokratie“ kompensiert wird (Karmasin/Karmasin 2011: 66) – auch wenn sich die städtische Einstellung zum ökonomischen Markt angesichts des globalen Standortwettbewerbs grundlegend gewandelt hat. Charakteristisch für hierarchische Kulturen sind in diesem Zusammenhang das Vertrauen in Autoritäten und Expertisen sowie der Glaube an Großlösungen: „It is a position to commitment to authority exercised through traditional rules; it is a whole system of organization by
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formal distinctions and delegations and divisions of responsibility.“ (Douglas 1996: 175) Kritik an hierarchischen Ansätzen stellt sich ein, wenn die hinzugezogenen Autoritäten und erstellten Expertisen nicht ausreichend hinterfragt werden. Denn während Großprojekte einerseits das Vertrauen von hierarchischen Entscheidungsträgern benötigen, um überhaupt realisiert zu werden, kann das hochvertrauensvolle Beziehungsgeflecht andererseits auch zu einer Haltung führen, die es undurchdringbar für begründete Zweifel und Kritik macht. Im negativsten Fall resultiere diese Haltung in „expensive fiascos produced by ‚groupthink‘, erroneous overconfidence in ‚think big‘ solutions, excessive trust in top-leadership“ (Hood 1998: 35). Des Weiteren erfährt die hierarchische Kultur Kritik für ihre durch die bürokratische Ordnung verursachte Langsamkeit und Umständlichkeit, deren vollzogene Grenzziehungen nicht selten in ‚Erstarrungen‘ resultieren würden (Vgl. Karmasin/Karmasin 2011: 117). Hierarchische ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ wurden in Kapitel 1.3.2 unter dem Begriff der ‚strategischen Kreativplanung‘ von Stadt bereits skizziert. Dabei wurde deutlich, dass strategische Planungsansätze der Stadt(politik) in der Regel von einer Top-Down Entwicklungsrichtung geprägt sind, die mithilfe von umfassenden Leitbildprogrammen umgesetzt werden sollen. In der Praxis kommen nicht nur eine Strategie, sondern vielfältige Ansätze mit differierenden Charakteristiken zum Einsatz, die durch die gemeinsame Zielstellung der Gemeinwohlorienterung, die der hierarchischen Kultur per definitionem zugrunde liegt, miteinander verbunden sind, jedoch in den letzten Jahrzehnten zunehmend von unternehmerischen Prämissen durchdrungen werden. Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel stellt sich diese Entwicklungstendenz als wachsende Ausrichtung der städtischen Politik auf den globalen Standortwettbewerb dar, der durch den Ausbau von Tourismus- und imagefördernden Maßnahmen sowie dem Ziel der langfristigen Bindung von privatem Investment an die Stadt geprägt ist. Zur Entstehung hierarchischer Ansätze
Die Entwicklung einer hierarchisch geprägten ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt steht in einem engen Wirkungszusammenhang mit der Transformation städtischen Handelns hin zur ‚unternehmerischen Stadt‘ sowie der Entwicklungstendenz der ‚Kulturalisierung der Stadtpolitik‘. Die drohende Erosion der ökonomischen und fiskalen Situation hatte in den 1970er Jahren zu einer neuartigen Verflechtung von urbaner Ökonomie und Geographie geführt, die Molotch mit der These der Stadt als ‚Growth Machine‘ nachhaltig geprägt hat. So hatte er in der Weiterentwicklung der Chicagoer Schule am Beispiel von US-amerikanischen Städten aufgezeigt, dass Wachstumsbestrebungen eine allen Städten innewohnende, politische und ökonomische Zielstellung ist (Vgl. Molotch 1976: 310). Analog zur Marxschen ‚Warenförmigkeit‘ konstatierte er, dass urbane Besitzverhältnisse einem Konflikt
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zwischen Nutz- und Tauschwert ausgesetzt sind, die die Bildung interessensgeleiteter – von ihm als Growth Machine bezeichneter – Wachstumskoalitionen befördern würde, die gemeinsam die Stärkung von urbanem Wachstum über die ökonomische Verwertung von urbanen Räumen vorantreibe.77 Die Involvierung der Stadt in die Growth Machine würde darüber gerechtfertigt, dass Wachstum die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit die Erhöhung der steuerlichen Einnahmen begünstige, die dann wieder in soziale Dienstleistungen zurückfließen könnten (Vgl. Logan/Molotch 2007[1987]: 33). Zu den geläufigsten städtischen Instrumenten einer Wachstumspolitik gehören u.a. steuerliche Nachlässe und Begünstigungen, veränderte Bebauungspläne oder infrastrukturelle Maßnahmen für anzuwerbende Unternehmen (Vgl. Boyle 1999: 59). „The pursuit of exchange values so permeates the life of localities that cities become organized as enterprises devoted to the increase of aggregate rent levels through the intensification of land use. The city becomes, in effect, a growth machine.“ (Logan/Molotch 2007[1987]: 13) In Deutschland wird die Debatte um urbane Wachstumsstrategien mit dem Diskurs der ‚unternehmerischen Stadt‘ seit den 1980er Jahren geführt. Die Praxis, die von einer umfassenden Privatisierung gekennzeichnet ist und in zahlreichen PublicPrivate-Partnerships zur Förderung der endogenen (regionalen) Wirtschaftsentwicklung ihre Entsprechung findet, hat u.a. zur Folge, dass Städte nicht länger majoritär handeln, sondern Lösungsansätze gemeinsam mit ihren vorrangig der freien Wirtschaft entstammenden Kooperationspartnern entwickeln müssen, die sich in der Regel an kommerziellen Rentabilitätskriterien orientieren (Vgl. Ronneberger et al. 1999: 31). Während das neue Selbstverständnis zunächst von einer breiten Legitimierung getragen war (Vgl. Heeg 2001: 41f.), ist seine Umsetzung in der Praxis in den letzten Jahren immer wieder in die Kritik geraten.78 Neben politischen Gesichtspunkten bildet besonders der immense finanzielle Mehraufwand für unternehmerische Strategien einen entscheidenden Kritikpunkt: Anstatt lokale Teilökonomien und damit vorhandene Ressourcen zu fördern, werde durch Subventionen
77 Akteurskoalitionen der Growth Machine umfassen demnach Akteure, die ein strategisches Bündnis mit der lokalen Stadtpolitik suchen, um Rahmenbedingungen für lokales Wachstum zu sichern. Dazu gehören u.a. Immobilienspekulanten, lokale Medien, Universitäten oder Instanzen wie die Handelskammer (Vgl. Logan/Molotch 2007[1987]: x). 78 Kritiker fürchten eine Beschneidung der Daseinsvorsorge des Wohlfahrtsstaates, in der makropolitischen ökonomischen Verwertbarkeiten eine größere Rolle zuteil werde als mikropolitischen Zielen zur Verbesserung der lokalen Lebensqualität. Denn nicht selten würden die Handlungen von Wachstumseliten in einer Kommodifizierung des Stadtraums mit einer ungleichen, räumlichen Verteilung des erzielten Wachstums resultieren (Mattissek 2008; Becker 2001; Ronneberger et al. 1999).
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oder Steuernachlässe für anzuwerbende Unternehmen die Schuldenfalle von Städten immer weiter verstärkt (Vgl. Ronneberger et al. 1999: 33). Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts herrschen vielerorts wachstumsorientierte Growth Machines vor: Allerdings konzentrieren sie sich nicht länger nur auf die ökonomische Verwertung von urbanen Besitzverhältnissen, sondern auch auf das Anwerben von hochqualifizierten Arbeitskräften, mithilfe derer urbanes Wachstum entstehen soll. Wie in Kapitel 1.1 aufgezeigt wurde, kommt ‚Kreativität‘ in ihrer Verflechtung mit dem urbanen Raum in diesem Kontext eine entscheidende Rolle als potenzieller Wachstumsfaktor zu: „Developers and City officials believe that signals of creativity […] can generate rents and revenues. The arts […] have become a conscious strategy for growth.“ (Logan/Molotch 2007[1987]: xix) In den nachfolgenden Kapiteln sollen nun konkrete Realisierungsmodelle von hierarchischen Strategien aufgezeigt werden, wie sie beispielhaft durch kulturellkreative Leuchtturm-Projekte (Kap. 1.4.1.1), Ansätze der kulturellen Festivalisierung (Kap. 1.4.1.2) oder durch ‚Creative City‘-Narrative (Kap. 1.4.1.3) umgesetzt werden. Die dargestellten Ansätze verfolgen nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr geht es darum, exemplarische Handlungsmodelle aufzuzeigen, wie sie in Deutschland vorzufinden sind.
1.4.1.1 Kulturell-kreative Leuchtturm-Projekte Bereits Kapitel 1.1.1 hatte dargelegt, dass das unternehmerische Selbstverständnis von Städten seit etlichen Jahren eng mit Maßnahmen der urbanen Repräsentation verbunden ist. Im Rückgriff auf die Erlebnisorientierung der postmodernen Gesellschaft und die zunehmende Ausrichtung der Stadt auf urbane Events (Betz et al. 2011; Bittner 2001) entstehen im Kontext einer hierarchisch gesprägten ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt nicht länger nur an brachgefallenen Orten, sondern auch an innerstädtischen Plätzen immer häufiger Erlebnis- oder Ereignis-Architekturen mit kulturell-kreativer Nutzung. Ihnen kommt einerseits die Funktion zu, in enger Verflechtung mit dem Stadtmarketing eine globale Aufmerksamkeit zu garantieren und andererseits – durch die herausragende Architektur als visuelle Landmarke – die Wachstumsrethorik von Städten beispielhaft zu verkörpern: „Rather than assembly lines, the new prize is to win a stunnig concert hall or a museum.“ (Logan/Molotch 2007[1987]: xix) Obwohl historisch betrachtet schon immer eine Wechselwirkung zwischen der Produktion kultureller Symbole und der Produktion städtischen Raums zu verzeichnen war, innerhalb derer hochkulturelle, repräsentative Einrichtungen eine strategische Rolle u.a. in der Außenwirkung der Stadt einnahmen (Ronneberger 2001b; Evans 2001), unterliegt die Praxis heute einer neuen, da deutlich ökonomisierten Entwicklungsrichtung. Im Rückgriff auf die ‚Ökonomie der Symbole‘ werden kulturell-kreative Leuchtturmprojekte weniger
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aufgrund ihrer inhaltlichen Konzeption denn aufgrund ihrer Fähigkeit zur Imageproduktion und kulturellen Standortpositionierung von Städten aktiviert: „We can identify an albeit subterranean but nontheless vital connection between the rise of urban entrepreneurialism and the postmodern penchant for design of urban fragments rather than comprehensive urban planning, for ephemerality and eclecticism of fashion and style rather than the search for enduring values, for quotation and fiction rather than invention and function, and, finally, for medium over message and image over substance.“ (Harvey 1989: 13)
Heutzutage kann die Praxis der kulturell-kreativen Leuchtturmprojekte nicht nur als gängige, sondern über ihre ursprünglichen Maßstäbe hinaus transformierte Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt verstanden werden. Die Reichweite von Solitärarchitekturen mit kultureller Nutzung, die für gewöhnlich Museen für moderne Kunst, Opernhäuser oder Theater beherbergen (Vgl. Zukin 2010: 52), erstreckt sich von Großstädten mit kultureller Historie wie Sydney mit seinem Opera House, Los Angeles mit seinem Getty Museum, London mit seiner Tate Modern oder Oslo mit seinem 2008 fertiggestellten Opernhaus bis hin zu mittelgroßen Städten, die, wie das spanische Bilbao mit dem Guggenheim Museum, Herford mit dem Frank Gehry-Bau MARTa oder Wolfsburg mit dem von Zara Hadid entworfenen Science Center phaeno, über vergleichsweise geringe kulturelle Ressourcen verfügen. Den genannten Leuchtturmprojekten ist gemein, dass die Beschlussfassungen für die Projekte hierarchisch, d.h. von stadtpolitischer Seite gefällt wurden, verbunden mit dem Ziel, kulturelles Kapital (künstlich) zu erzeugen, überregionale Sichtbarkeit herzustellen und den eigenen Standort auf der ‚kulturellen Landkarte‘ zu platzieren. ‚Kreativität‘ tritt in diesem Kontext als „selling point“ (Pratt 2009: 12) auf, mithilfe derer urbane Räume inszeniert werden sollen. Langfristiges Ziel ist es, ökonomische sowie im Falle von vernachlässigten Standorten revitalisierende Effekte zu erzeugen, die eng mit der Vorstellung eines urbanen Kultur-Tourismus sowie der Anziehung von wirtschaftlichem Investment verbunden sind (Vgl. ebd.: 13) – auch wenn die zumeist sehr kostspielige Realisierung kulturell-kreativer Leuchtturmprojekte nicht selten in einem deutlichen Widerspruch zu den schrumpfenden Etats für die Förderung lokaler künstlerischer und kultureller Szenen steht (Vgl. Evans 2001: 242). Beispiele kulturell-kreativer Leuchtturmprojekte in Deutschland
In Deutschland werden vielerorts kulturell-kreative Leuchtturmprojekte umgesetzt, darunter auch in Hamburg. Mit dem Großprojekt Elbphilharmonie soll eine international konkurrenzfähige, kulturelle Landmarke entstehen, die die Metropolfunktion der Hansestadt beispielhaft verkörpert und medienwirksam zu kommunizieren in der Lage ist. Die Architektur des Hauses, die von den renommierten Schweizer
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Architekten Herzog & de Meuron entworfen wurde, sieht einen exponierten, von Glas geprägten Konzertsaal vor, der mit dem Gerüst eines historischen, durch rote Backsteinarchitektur dominierten Kaispeichers verbunden wird (Vgl. Spahn/ Rauterberg 2005: o.S.). Dabei wird das Bauvorhaben seit seinem Baubeginn im Jahre 2007 von einer Debatte begleitet, die unter der Frage „Leuchtturm oder Grundversorgung?“ (Lüddemann 2009: 16) die immens hohen Kosten für den zukünftigen Prestigebau sowohl in seiner politischen Gesamtbedeutung als auch in seiner kulturellen Funktion für den Standort deutlich in Frage stellt. So ist das Großprojekt, das von Seiten der Stadtpolitik beschlossen und dadurch als hierarchisch zu charakterisieren ist, lange vor seiner Fertigstellung sowohl für seine intransparente und weitestgehend im politischen Alleingang vollzogene Beschlussfassung als auch für seine permanent steigenden Kosten in den vergangenen Jahren zu einem bundesweit wahrgenommenen, öffentlichen Ärgernis avanciert, das sogar gerichtliche Vorgänge nach sich gezogen hat.79 Auch wenn die Elbphilharmonie, zumindest selektiv, identitätsstiftend nach innen wirkt – die immensen Stifter- und Spendenaufkommen aus Hamburg bezeugen dies nur allzu deutlich80 – veranschaulicht die parallel geübte Kritik die Schwierigkeit hierarchischer Ansätze, über eine vorgegebene Zielformulierung (hoher Grid) und eine Top-Down Entwicklungsrichtung (hohe Group) legitimierte und breit akzeptierte Projekte zu entwickeln, die auch von der egalitären Kultur, in diesem Fall den Akteuren aus dem Kultur- und Kreativsektor sowie der breiteren Bevölkerung getragen werden. Vielmehr verdeutlicht die öffentlichkeitswirksame Vermarktung der Elbphilharmonie lange vor ihrer Fertigstellung deren originäre Funktion „als neues Wahrzeichen Hamburgs […] einen Rang als Metropole von Weltgeltung medial zu transportieren“ (Lüddemann 2009: 16). Rückendeckung erhält die hierarchische Kultur – auch wenn dies nicht intendiert ist – von Seiten der fatalistischen Kultur, die durch ihre NichtArtikulation zu einer unbewussten Legitimierung des Projektes beiträgt. „Im Gegensatz zu Kulturzentren in alten Städten, die sich auf geheiligtem Grund befanden und aufgrund ihrer rituellen Praktiken zu Ikonen wurden, werden die heutigen Kulturzentren von Anfang an als säkuläre Ikone konzipiert, um die Stadt zu symbolisieren und Investitionen
79 Laut dem im Januar 2011 vorgelegten Abschlussbericht des eigens für die Kostensteigerung eingesetzten „Untersuchungsausschusses Elbphilharmonie“ belaufen sich die Gesamtkosten derzeit (Januar 2014) auf insg. 531,2 Mio. Euro, davon entfallen 351,3 Mio. Euro auf die öffentliche Hand. Eine erste Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2005 hatte 77 Mio. Euro für die öffentliche Hand benannt (Vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2011a: 17). 80 Das Spendenaufkommen für die Elbphilharmonie ist einsehbar unter http://www.stiftungelbphilharmonie.de.
96 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN in eine Neue Ökonomie zu mobilisieren. Sie sind der Einsatz der Stadt im Kasino der Globalisierung.“ (Zukin 2010: 52)
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die hierarchische Praxis kulturellkreativer Leuchtturmprojekte von einem Verständnis geleitet ist, dass sich weniger am Eigenwert von künstlerischen oder kulturellen Institutionen als an ihrer Wirkung für den Erlebnis-Raum orientiert. Architektonische Leuchtturmprojekte fungieren dabei vorrangig als „Ereignis-Architektur [...], die sich als Bild auf Anhieb einpräg[en] und die auf ein breites Publikum ziel[en], das den Bau vermutlich nur ein einziges Mal besuchen wird.“ (Ursprung 2001: 213) Für viele Städtetouristen erscheint es demnach weitestgehend unerheblich, was in den Häusern ausgestellt wird, was zählt, ist das Ereignis im Erleben der Außenhülle. Nichtsdestotrotz wird der Diskurs keineswegs ausschließlich negativ geführt: Kulturpessimistische Kritiker, die durch kulturell-kreative Leuchtturmprojekte den Verlust der Autonomie der Kunst oder aber eine Sinnentleerung urbaner Orte in sog. „Nicht-Orte“ (Augé 1994: 92)81 befürchten, treffen auch auf bejahende Stimmen, die das architektonischurbane Ereignis als ein untrennbar mit der Kunst verbundenes Moment und die Verflechtung von Ökonomie und Kultur als strategische Allianz begreifen (Vgl. Ursprung 2001: 220). Der beispielhafte Kopiermechanismus des Bilbao-Effekts, der weltweit zu beobachten ist82, jedoch bislang nicht annähernd die gleichen Effekte erzielen konnte oder aber gar scheiterte83, verdeutlicht damit einmal mehr die Kompensationsfunktion, die kulturelle Großprojekte mit Ikonenarchitektur im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt einnehmen (Vgl. Eisinger 2006: 90).
81 „Nicht-Orte“ sind laut Augé eine Konsequenz der fordistischen Modernisierung, die Orte als reine Funktionsräume– ohne Ortsqualitäten – hervortreten lässt (Vgl. Hassenpflug 1998: 47). „So wie ein Ort durch Identität, Relation und Geschichte gekennzeichnet ist, so definiert ein Raum, der keine Identität besitzt und sich weder als relational noch als historisch bezeichnen läßt, einen Nicht-Ort.“ (Augé 1994: 92) 82 Städte, die sich auf die Implementierung von kulturell-kreativen Großprojekten konzentrieren, umfassen zum aktuellen Zeitpunkt z.B. das arabische Abu Dhabi, in dem das weltweit größte Guggenheim Museum nach Plänen von Frank Gehry realisiert werden soll (Vgl. www.guggenheim.org/abu-dhabi vom 31.01.2014). 83 Das 1999 fertig gestellte fünf Mio. britische Pfund teure National Centre for Popular Music in Sheffield musste bereits im Folgejahr aufgrund ausbleibender Besucherzahlen Insolvenz anmelden (Vgl. Plaza 2008: 506).
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1.4.1.2 Kulturelle Festivalisierung der Stadtpolitik Ausgehend von dem veränderten Konsum- und Freizeitverhalten der Postmoderne konzentrieren sich westliche Stadtpolitiken in ihrem unternehmerischen Selbstverständnis seit den 1980er Jahren außerdem auf die Verdichtung von festivalisierten, kulturellen Großereignissen, die als weitere Strategie im Rahmen einer hierarchisch gesprägten ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt auftreten. Die thematisch losgelöste Praxis einer „Planung durch Projekte“ sowie die Organisation der Politik „auf diesen einen Punkt hin“ hatte Häußermann/Siebel bereits 1993 zur Diagnose der fortschreitenden „Festivalisierung der Stadtpolitik“ geführt: „Ein neuer Typus von Politik wird sichtbar: Die Politik der großen Ereignisse. Dabei werden kampagneartig Gelder, Menschen und Medien auf ein möglichst klar umrissenes Ziel hin mobilisiert. Die Kampagne ist zeitlich befristet, das Ereignis räumlich begrenzt und inhaltlich auf ein massenwirksames Thema fokussiert.“ (Häußermann/Siebel 1993: 8)
Obgleich die Praxis keineswegs neu ist – die erste Weltausstellung (EXPO) im Londoner Hyde Park lässt sich bereits auf 1851 zurückdatieren und auch die Olympischen Spiele finden in neuer Auflage regelmäßig seit 1896 statt – unterscheiden sich festivalisierte Großereignisse heute v.a. hinsichtlich ihrer Größendimension, ihrer Quantität, ihrer Umsetzungs- und Wettbewerbsorientierung, ihrer Sonderorganisationsform sowie ihrer Finanzierung deutlich von ihren Vorläufern (Vgl. Häußermann/Siebel 1993: 9f.). Dabei löst sich die Planung von einer schrittweise zu realisierenden, gesamtstädtischen Entwicklung zugunsten eines „zeitlich, räumlich, thematisch, finanziell und medial“ kulminierten Ereignisses (Betz et al. 2011: 11), das trotz seiner kurzweiligen Dauer sowie der zu erwartenden hohen Kosten langfristige Effekte für den Standort bewirken soll. In diesem Verständnis fungieren zeitgenössische Festivalisierungsformate v.a. als „Vehikelstrategien“ (Siebel 2011: 55), mit denen urbane Wachstums- oder Revitalisierungsprozesse angestoßen werden sollen. Langfristiges Ziel ist es, Subventionszuflüsse zu steigern, Touristen und Investoren anzulocken und damit Innovation und Wachstum zu stimulieren: „Sich international bemerkbar zu machen, sich weithin sichtbar als zukunftsträchtigen Standort anzubieten und damit externe Investitionen anlocken zu wollen, ist eine der herausragendsten Strategien.“ (Häußermann/Siebel 1993: 13) Da von festivalisierten Großprojekten immer häufiger das Zurücklassen architektonischer Wahrzeichen als bleibende Zeichen erwartet wird (Vgl. Schäfers 2011: 37), gibt es Autoren, die eine stärkere Differenzierung zwischen einer festivalisierten und einer projektorientierten Planung fordern84, wonach Großprojekte entweder
84 Eine detaillierte Abhandlung findet sich bei Huning/Peters 2003.
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der Auftakt für eine neue Planungsstrategie oder Bestandteil einer bereits bestehenden Planung seien. In der vorliegenden Untersuchung soll eine Definition geltend gemacht werden, die unter der ‚Festivalisierung der Stadtpolitik‘ sowohl Großprojekte als auch -veranstaltungen versteht, die sich als temporäre Ereignis- oder Eventform darstellen, dabei aber nicht nur als Kulminationspunkt, sondern auch als weiterführender Planungsschritt fungieren können. Neben jährlich wiederkehrenden Ereignisformaten sind dies insbesondere mehrmonatige oder ganzjährige, etablierte und bestenfalls international anerkannte Großformate, von denen in der vorliegenden Studie aufgrund des Forschungsthemas insbesondere Internationale Bauausstellungen interessieren sollen. Im Kontext der voranschreitenden Kulturalisierung der Stadtpolitik konzentrieren sich festivalisierte Großereignisse seit den 1980er Jahren verstärkt auf kulturelle Inhalte. Ähnlich wie kulturell-kreative Leuchtturmprojekte – jedoch von temporärer Dauer – werden diese eingesetzt, um die Prosperität sowie die kulturelle Besonderheit und Beschaffenheit des jeweiligen Standortes hervorzuheben und öffentlichkeitswirksam zu transportieren. Neben jährlich stattfindenden Ereignissen, die sich an der vorhandenen kulturellen Infrastruktur orientieren, wie z.B. die vielerorts durchgeführte „Lange Nacht der Museen“, zeugen kulturelle Festivalisierungsformate wie Musik- oder Kunstfestivals von dem Versuch, kulturell-kosmopolitische Attribute zu erzeugen, die eine Stadt im internationalen Standort- und Aufmerksamkeitswettbewerb zusätzlich relevant erscheinen lassen (Vgl. Short 1999: 45). Verortet man dieses Vorgehen in Anlehnung an die Cultural Theory nun als hierarchische Strategie, so wird deutlich, dass der ökonomische Markt, d.h. die individualistische Kultur – entgegen des originären Selbstverständnisses der hierarchischen Kultur – keineswegs als Antipol fungiert, sondern vielmehr einen äußerst relevanten Bezugspunkt für städtisches Handeln darstellt. In der Praxis sind Ansätze der kulturellen Festivalisierung deshalb von vielfältigen Spannungslinien gekennzeichnet: Während Fürsprecher hervorheben, dass kulturell wiederkehrende Festivals zu einer Intensivierung von Kulturprozessen vor Ort beitragen, die Identitätsbildung von Bürgern mit ihren Städten befördern und zumindest temporär und stellenweise über die Schaffung von Interaktionsmöglichkeiten bestehende Barrieren überwinden helfen (Schäfers 2011; Landry et al. 1996), bewerten Kritiker diese als „Strategien des Scheins“ (Häfele 2002: o.S.). Schließlich liege ihr Hauptaugenmerk nicht auf dem kulturellen Großereignis selbst, sondern vorrangig auf dessen Beitrag für die öffentlichkeitswirksame Imagebildung der Stadt – eine Tendenz, die Ronneberger et al. (1999) auch als „Ausverkauf der Stadt“ bezeichnen. Maßnahmen einer kulturellen Festivalisierung fungieren demnach v.a. als temporäre und flüchtige Inszenierungen, die sich vorrangig an der Außenwahrnehmung der Stadt orientieren. Indem sie verstärkt in innerstädtischen und damit repräsentativen Teilräumen stattfinden, würden weniger repräsentative Orte, die sowieso schon um ihre geringen Ressourcen bemüht seien, zusätzlich in den Hintergrund geraten (Vgl. Häußer-
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mann/Siebel 1993: 22). Auch wenn Festivalisierungspolitiken gemeinwohlorientierte Effekte anstreben, führen die hierarchische Entscheidung über die Austragung eines festivalisierten Formates und die damit verbundene Top-Down Struktur, die „outside of the control and scope of individual or even a forum of community representatives (including local businesses)“ (Evans 2001: 239) stattfindet, nur in den seltensten Fällen zu einer weitgreifenden Identifizierung mit dem Format. Hier ist es insbesondere die Organisation „auf einen Punkt hin“, v.a. aber die hierarchisch definierte Zielvorgabe, die Diskussionen oder Mitbestimmung der Bevölkerung zu einem großen Teil verhindern: „Festivalisierung dient dazu, Akzeptanz zu beschaffen für eine von oben, innerhalb einer wirtschaftlichen und politischen Machtelite formulierten Politik.“ (Häusermann/Siebel 1993: 30) Die zu beobachtende Quantität von kulturellen Festivalisierungsereignissen birgt darüber hinaus die Gefahr, entgegen dem originären Distinktionsbestreben in eine Standardisierung zu verfallen, die den Stadtraum zum beliebig austauschbaren ‚Themenpark‘ avancieren lässt. Dabei läuft die Adaption von andernorts erfolgreichen Modellen – ein Vorgang, der auch als „footlose industries“ (Häußermann/ Siebel 1993: 29) bezeichnet wird – sowohl dem Bestreben nach lokaler Identifikation als auch der Spezialisierung von Städten zuwider: „Lokalität schrumpft zur relativ zufälligen Kombination universell verfügbarer Versatzstücke von Stadtkultur.“ (ebd.) Darüber hinaus stehen die hohen Kosten für die Durchführung zur Disposition, bei der kurzfristig zu ermittelnde betriebswirtschaftliche Kosten eines festivalisierten Großereignisses in der Regel weniger relevant erachtet werden als langfristige volkswirtschaftliche Effekte, die über das Goßevent hinaus reichen: „Die Auseinandersetzung über Kosten und Nutzen der großen Ereignisse ähnelt Glaubenskriegen und ist wie diese nicht rational entscheidbar.“ (Siebel 1994: 99) Zuletzt bescheinigt auch die Perspektive der Kunstproduktion den genannten Strategien eine ambivalente Funktion. Während Kulturproduktionen einerseits in hohem Maße einer Indienstnahme für die städtische Imagepolitik ausgesetzt sind, haben künstlerische und kulturelle Akteure in den vergangenen Jahren Festivalisierungsformate auch für eigene Zwecke entdeckt und eine ambitionierte europäische Festivallandschaft entstehen lassen, die ebenfalls zur Imagebildung der Stadt beiträgt, jedoch primär aus den Entwicklungen der künstlerischen Teilbranchen heraus gedacht und umgesetzt wird (Vgl. Ziemer 2010: 166). Dieser Typus von Festival ist nicht länger in der hierarchischen, sondern in der egalitären Kultur (z.B. avantgardistische Festivals der Bildenden und Darstellenden Kunst) sowie in der Entrepreurskultur (z.B. kommerzielle Musikfestivals) verortet. In Abgrenzung zum Massenphänomen Festival transportieren künstlerische und kulturelle Akteure mit einem künstlerischen Festival jedoch weniger ein austauschbares Großevent als vielmehr die „Idee des Außergewöhnlichen“, in der der Moment der Inszenierung dazu beitrage, „selbstreflexiv über aktuelle Entwicklungen in Kultur und Kunst nach[zudenken]“ (ebd.: 168). Entsprechend unterscheide sich auch die Art und
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Weise, wie künstlerische Festivals in das städtische Geschehen eingreifen, essenziell von städtischen Formaten, z.B. indem diese der Flüchtigkeit des Formates mit dem Aufbau von Netzwerken, Kooperationen oder Beteiligungsmöglichkeiten begegnen und dabei häufig sogar Kritik an kommerzialisierten Festivalisierungsformen artikulieren. Nichtsdestotrotz bleibe die Grenze zwischen kommerzialisierten, städtischen Großevents und konzeptionell intendierten, künstlerischen Festivals eine Gratwanderung „zwischen Event und Ereignis“ (ebd.: 169), die in Bezug auf ihre Paradoxien ständig neu verhandelt werden müsse. Internationale Beispiele kultureller Festivalisierungsstrategien
Zu den von Seiten der Stadt angewendeten Festivalisierungsformaten für eine ‚strategische Kreativplanung‘ gehören neben spartenspezifischen temporären Aktionen v.a. ganz- oder mehrjährige kulturelle Ereignisformate wie die ‚Kulturhauptstadt Europas‘ oder die Internationale Bauausstellung (IBA), die im Mittelpunkt der vorliegenden Studie steht. Angefangen von der Größendimension (ein- bis mehrjährige Laufzeit), ihrer Umsetzungs- und Wettbewerbsorientierung (nationale Auswahlverfahren oder über einen Maßnahmenkatalog definierte Qualitätskriterien), ihrer Sonderorganisationsform (Public-Private-Partnerships der Stadt mit lokalen und nationalen Wirtschaftspartnern) sowie ihrer externen Finanzierungsform (Bezuschussung durch die EU oder aus Sonderinvestitionsvolumen) erfüllen beide Formate zunächst einmal alle von Häußermann/Siebel aufgestellten Festivalisierungskriterien. Zugleich unterscheiden sie sich maßgeblich von nicht originär kulturell-kreativ geprägten Formaten wie der EXPO oder den Olympischen Spielen.85 Als festivalisierte Großlösungen werden sie von der hierarchischen Kultur eingesetzt, um die Stadt in ihrer Funktion als Repräsentationsplattform im globalen Standortwettbewerb zu stärken und darüber hinaus eine weiterführende städtische und ökonomische Entwicklung einzuleiten, die immer häufiger mit kulturell-kreativen Zielen überschrieben und in entsprechenden Leitbildern fixiert wird. Dem Verständnis folgend, dass Stadtentwicklung nicht länger nur Kulturkonsumtion, sondern auch Kulturproduktion bedeutet (Vgl. Pfeil/Friedrich 2006: 17), weist die Strategie der kulturellen Festivalisierung in den vergangenen Jahren dabei zunehmend einen Fokus auf strukturwirksame Ansätze auf.
85 Im Falle der ‚Kulturhauptstadt Europas‘ sind es die vergleichweise schlanken Auflagen der Europäischen Union, im Falle der IBA ist es eine nicht-existente Jury, die nicht nur eine flexible inhaltliche Programmgestaltung – noch dazu mit geringeren räumlichen und infrastrukturellen Anforderungen – ermöglicht, sondern auch die Hervorhebung dezentraler, nicht-repräsentativer Orte und dadurch eine Verteilung der Besucherströme (Vgl. Pachaly 2008: 35f.).
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Kulturhauptstadt Europas
Der stark nachgefragte Wettbewerb um den seit 1985 von der Europäischen Union jährlich zu vergebenden Titel ‚Kulturhauptstadt Europas‘ bildet ein zentrales Modell einer hierarchisch geprägten ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt. EUStädte sowie Städte aus Nicht-Mitgliedstaaten, die den Titel für ein Jahr erhalten, verpflichten sich im Gegenzug zu einem kulturellen Gesamtprogramm, das – so schreibt es die Satzung vor – den Reichtum und die kulturelle Vielfalt Europas hervorhebt (Vgl. Europäische Kommission/Generaldirektion Bildung und Kultur 2010: 12). Wurde die Ausrichtung des Kulturhauptstadttitels in den Anfangsjahren noch sehr verhalten rezipiert, ist sie seit den 1990er Jahren zu einem hochgradig nachgefragten Format avanciert, das besonders im Rahmen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt massiv Verwendung findet. So wurden ab den 1990er Jahren verstärkt auch solche Städte um die Titelvergabe ins Rennen geschickt, für die dieser v.a. eine strategisch-kulturelle Aufladung verhieß (Vgl. Prisching 2011: 88), wie Glasgow (1990), Luxemburg (1995), Brügge (2002), Lille (2004), Cork (2005), Liverpool (2008) oder Linz (2009). Heute ist das festivalisierte Modell von einem konsumtionsorientierten Sommerformat für bereits kulturell etablierte Standorte zu einem ganzjährigen und v.a. produktionsorientierten Strukturprogramm avanciert, das zwar nach wie vor als Image- und Marketinginstrument zur kulturellen Standortpositionierung fungiert, darüber hinaus aber v.a. zur Revitalisierung geschwächter urbaner Stadträume in Dienst genommen wird: „Dass sich aus einem Instrument zur Akzeptanzsteigerung der europäischen Integration ein ‚Städtelifting‘- und Imageprogramm herausschälen würde, stand 1985 ebenso wenig zu erwarten wie die Transformation eines beschaulichen Sommerevents mit vorwiegend ‚hochkulturellen‘ Programminhalten zu einem professionell organisierten Ganzjahreszyklus mit einer beträchtlichen Bandbreite von Aktivitäten.“ [Herv. i.O.] (Mittag 2008: 16)
Auslöser für dieses Umdenken war die Vergabe des Titels an die schottische Stadt Glasgow, die diesen im Jahr 1990 erstmalig nicht als Status Quo, sondern als Zielvorgabe interpretierte, indem sie aufzeigte, dass eine vorrangig industriell geprägte Stadt mithilfe des Titels den damit verbundenen Status einer ‚Kulturhauptstadt Europas‘ durchaus strategisch zu konstruieren in der Lage ist.86 Die Ausweitung auf ein ganzjähriges Programm, aber auch die nationale Wettbewerbsgrundlage, der sich Glasgow als erste Stadt in der Historie des Auswahlverfahrens um den Titel
86 „Mit Glasgow 1990 ist die europäische Kulturpolitik als wesentliche Komponente wirtschaftlich-sozialer Regenerationsversuche definiert worden. Glasgow wollte nicht seine Rolle als Kulturhauptstadt zeigen, es wollte mit diesem Jahr zu einer solchen werden [...].“ (Prisching 2011: 89)
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hatte stellen müssen, wirkte fort: In den nachfolgenden Jahren wuchs die jeweils inländische Nachfrage für das Kulturhauptstadtformat in einem solchen Ausmaß, dass mittlerweile nicht nur alle Länder nationale Auswahlverfahren abhalten, die Bewerbungsverfahren selbst haben eine solche Professionalisierung durchlaufen, dass Bewerberstädte, auch wenn sie den nationalen Zuspruch zur Titelaustragung nicht erhalten, schon auf die lokalen Effekte und Prozesse aus der Bewerbung setzen (Vgl. Mittag/Oerters 2009: 77). Die Fokussierung auf stadtentwicklungspolitische und wirtschaftliche Themen führt dabei nicht selten dazu, dass die ursprünglich ausgegebene Zielstellung der Stärkung der europäischen Integration zunehmend in den Hintergrund gerät (Vgl. ebd.) Neben dem Fokus auf stadtentwicklungspolitische und touristische Effekte ist in den vergangenen Jahren außerdem eine Erweiterung des Formates auf das Thema der Kultur- und Kreativwirtschaft zu verzeichnen. Damit entspricht der jüngste Transformationsschritt87 deutlich dem aufgezeigten Entwicklungsprozess von kulturbasierten Revitalisierungsstrategien hin zu einer durch Kultur- und Kreativwirtschaft dominierten urbanen Entwicklungspraxis. RUHR.2010 – das Kulturhauptstadtjahr in Deutschland
Die ‚Kreativisierung‘ des Festivalisierungsformates ‚Kulturhauptstadt Europa‘ und damit ihre Nutzung als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt wird in besonderem Maße an der Ausgestaltung des Titels im Jahr 2010 deutlich, der aufgrund des 25jährigen Jubiläums gleichzeitig an Istanbul (Türkei), Pésc (Ungarn) sowie die deutsche Stadt Essen ging. Der Slogan „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“ der als RUHR.2010 betitelten Interessensgemeinschaft88 verwies in einem Zuge auf die Nutzbarmachung des Festivalisierungsformates für kulturelle, aber auch explizit sekundäre, d.h. hier stadtentwicklungspolitische und wirtschaftliche Interessen. So war es erklärtes Ziel, das Kulturhauptstadtjahr und seine finan-
87 So heißt es in der EU-Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Kulturhauptstadtformates im Jahr 2011: „After 25 years of European Capitals of Culture [...] they offer a unique opportunity for urban regeneration and imageboosting both at a European and an international level. [...] A key challenge for European Capitals of Culture is to ensure that the project is embedded as part of a longterm political commitment and strategy by the city to using culture to develop itself into – and to remain – a creative city.“ (Europäische Union 2011: 10) 88 Die Interessensgemeinschaft RUHR.2010 umfasste insgesamt 53 Städte und Gemeinden des Ruhrgebiets. Zur Umsetzung des Kulturhauptstadtjahres wurde die RUHR.2010 GmbH gegründet, deren Gesellschafter die Stadt Essen, der Regionalverband Ruhr, das Land NRW sowie der Initiativkreis Ruhrgebiet waren (http://www.essen-fuer-dasruhrgebiet.ruhr2010.de/service/faq.html#c2216: vom 31.01.2014).
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ziellen und aufmerksamkeitsökonomischen Mittel als Katalysator für einen langfristigen, kulturellen Strukturwandel im Ruhrgebiet zu nutzen. Die Zielsetzung stellt sich damit deutlich als ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt dar: „Die Kulturhauptstadt Europas 2010 im Ruhrgebiet versteht sich nicht als ein reines Festivalevent, sondern vor allem als regionales Entwicklungsprojekt mit europäischer Dimension. Das Kulturhauptstadtprogramm soll einen Beitrag zur Entwicklung der ‚Metropole Ruhr‘ leisten.” [Herv. i.O.] (RUHR.2010 GmbH 2008: 4) Neben der originären Realisierung der künstlerischen, kulturellen und kreativwirtschaftlichen Projekte bezog sich das Kulturhauptstadtprogramm von Anfang an auf die indirekte Wirkungskraft des Formates, das – im Sinne einer ‚Planung durch Projekte‘ – explizit Folgeeffekte für die lokale Wirtschaft sowie das Image des Ruhrgebietes auslösen sollte (Vgl. RUHR.2010 GmbH 2008: 20). In Abgrenzung zu anderen industriell geprägten Städten mit geringem kulturellem Kapital verstand sich die hierarchische Strategie von RUHR.2010 in ihrem Selbstverständnis jedoch weniger als einmalige, kulturelle Interventionspolitik, denn – mit Verweis auf den „20 Jahre vorauslaufende[n] Kulturschub“ (Ganser 2011: 26) durch die IBA Emscher Park89 und die Ruhr Triennale90 – als kontinuierlicher Entwicklungsschritt auf dem Weg zur angestrebten kulturellen Metropolbildung. Der beschriebenen Doppelfunktion folgend lassen sich im Rahmen der programmatischen Ausrichtung von RUHR.2010 zwei Stränge einer hierarchisch geprägten ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt erfassen: Erstens die originär inhaltliche Ebene des Festivalisierungsformates, die neben temporären künstlerischen und kulturellen Veranstaltungen auch langfristig orientierte, kreativwirtschaftliche Projekte umfasste. Und zweitens die vorrangig unternehmerisch ausgerichtete Ebene, deren Aufgabenstellung es war, „die Marke Metropole Ruhr“ (Zentrum für Kulturforschung/ICG Kulturplan 2011: 20) mithilfe von starken und überregional wirk-
89 Im Rahmen der Überlegungen zur Nachnutzung und Neukodierung der durch die Deindustrialisierung brach gefallenen Industrieflächen im Ruhrgebiet fand von 1989 bis 1999 in der Emscher Region die gleichnamige IBA Emscher-Park statt. Mit dem Thema der Industriekultur – exemplarisch demonstriert an der Umnutzung traditioneller Industriestandorte in kulturell genutzte Gebäude – gelang es der IBA Emscher Park, neue Ansätze im Umgang mit dem Strukturwandel aufzuzeigen. Zur weiterführenden Information s. Sack 2007. 90 Die RUHR Triennale war von der IBA Emscher Park und dem Land NRW im Jahr 2002 als Folgeformat für den künstlerischen Schwerpunkt der IBA initiiert worden und findet seitdem als dezentrales Kunstfest im Ruhrgebiet statt. Zur weiterführenden Information s. http://www.ruhrtriennale.de.
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samen Bildern zu etablieren.91 Die öffentlichkeitswirksame Vermarktung des festivalisierten Großereignisses war in diesem Zusammenhang als eine von vier Säulen des Kulturhauptstadtjahres angelegt (Vgl. Zentrum für Kulturforschung/ICG Kulturplan 2011: 18), was sich in der finanziellen Verteilung u.a. über ca. 20 Prozent des Gesamtbudgets abbildete (Vgl. ebd.: 85). Die Positionierung des Ruhrgebietes als national sowie international konkurrenzfähige Metropole war dabei nicht nur nach außen gerichtet, sie sollte gleichwohl identitätsstiftend nach innen wirken. Eine stark auf Historisierung setzende Kampagnenstrategie, die die Mobilisierung der Bürger „auf das Markenziel hin“ (ebd.: 47) sowie die frühzeitige Vernetzung der 53 Städte zum Ziel hatte, wurde zu diesem Zweck bereits ab 2008 umgesetzt. Die festivalisierte Grundstruktur des Kulturhauptstadtjahres galt in diesem Zusammenhang folglich weniger als reduktives Instrument, denn als Mittel zur Konzentrierung der Aufmerksamkeit (Vgl. Ganser 2011: 28). „Der Anspruch, mit dem RUHR.2010 angetreten war [...] war hoch. [...] Es sollte alles noch größer, weltoffener, kreativer und inspirierender werden. Nicht Gelsenkirchen, Oberhausen oder Duisburg, nicht einmal Düsseldorf oder Köln genügten als Vergleichsmaßstäbe; die neue Liga hieß Berlin, Paris, London, Barcelona oder Istanbul.“ (Sievers 2011: 21)
Darüber hinaus verfolgte das Festivalisierungsformat projektbezogene Strategien und Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt. Mit ihrem Programmfeld „Kreativwirtschaft stärken“, eines von neun innerhalb der übergeordneten Programmatik, sollte die lokale Kreativwirtschaft dynamisiert und zugleich vielfältige soziale und gesellschaftliche Themen aufgegriffen werden: „Die ‚Creative City Ruhr‘ ist mehr als eine Vision und führt deutlich über 2010 hinaus. [...] RUHR.2010 kann als kreativ-ökonomisches Modell für Europa wirken.“ [Herv. i.O.] (RUHR.2010 GmbH 2008: 7) Das Zitat verweist auf die mit dem Feld der Kultur- und Kreativwirtschaft antizipierten Folgeeffekte, die nicht nur die Akteure als solche fördern, sondern parallel zur Lösung übergreifender arbeitsmarktpolitischer und sozialer Problemstellungen beitragen sollten (Vgl. Sievers 2011: 21) – ein heerer Anspruch, bei dem die Förderung von ‚Kreativität‘ zu einer „ressortübergreifenden Gesamtstrategie städtischer Politik“ (Vgl. RUHR.2010 GmbH 2009: 125) innerhalb eines kulturellen Festivalisierungsfor-
91 Vermarktung wurde als eines der Hauptziele der RUHR.2010 Gesellschaft benannt (Vgl. RUHR Gmbh 2008: 1). So erschien es dieser „unverzichtbar, mit RUHR.2010 eine starke Marke zu etablieren, die die Kernbotschaften und das Anliegen transportierte: Das Ruhrgebiet sollte als Metropole neuen Typs präsentiert werden – unkonventionell, unfertig, inspirierend und polyzentrisch.“ (Vgl. Scheytt et al. 2011: 311f.)
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mates stilisiert wird. Gleichwohl lassen sich in der Umsetzung des Programmfeldes „Kreativwirtschaft stärken“ nicht nur rein hierarchische Ansätze identifizieren, sondern auch hybride Entwicklungsmodelle, die – trotz ihrer weiterhin TopDown angelegten Initiationsrichtung – eng an der Entwicklungslogik der Akteure ausgerichtet waren. Dies waren zum einen kreative Netzwerk- oder Clusteransätze, zum anderen kreative Milieuansätze, die als hybride Entwicklungsmodelle einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt verortet werden können. IBA – Das Format der Internationalen Bauausstellung
Das Instrument der Internationalen Bauausstellung (IBA) stellt ein weiteres Modell einer kulturellen Festivalisierung der Stadtpolitik und damit einen hierarchisch geprägten Ansatz einer ‚strategischen Kreativentwicklung‘ der Stadt dar, auch wenn es durch seinen baukulturellen Enstehungskontext durchaus differenzierte Zielstellungen sowie Ansprüche im Vergleich zu kurzweiligen, kulturellen Festivalisierungsformaten aufweist. So gelten Internationale Bauausstellungen seit mehr als hundert Jahren als „besonderes ‚Markenzeichen‘ der Planungskultur in Deutschland“ [Herv. i.O.] (Durth 2010: 67), die in ihrer Funktion als „Ausnahmezustand auf Zeit“ ein experimentelles „Entwicklungslabor“ (ebd: 71) ermöglichen sollen, in dem innovative Projekte und Prozesse zur Weiterentwicklung der Disziplinen der Stadt- und Regionalplanung entstehen können. Im Gegensatz zu Olympischen Spielen, Internationalen Gartenschauen oder der ‚Kulturhauptstadt Europas‘, die neben ihren originären Aufgaben erst im Laufe der letzten 20 Jahre für stadtplanerische Zielsetzungen in Dienst genommen wurden, sind Bauausstellung damit seit jeher ein originär städteplanerisches Instrument. Beginnend mit der Mathildenhöhe in Darmstadt im Jahr 190192, die als erste Bauausstellung Deutschlands gilt, finden IBAs seitdem an ausgewählten Orten Deutschlands jeweils über einen mehrjährigen Zeitraum [sic!] statt. Dabei grenzt sich das Format durch seine originäre, strukturwirksame Aufgabenstellung von anderen Formen kultureller Festivalisierung wie z.B. der ‚Kulturhauptstadt Europas‘ deutlich ab, auch wenn diese mittlerweile ebenfalls mit einem mehrjährigen Vorlauf agiert: Denn IBAs verstehen sich – so zumindest ihr normatives Selbstverständnis – nicht primär als Leistungsschauen, sondern als Forschungslabore, die „modellhafte Lösungen für aktuelle Probleme in baukultureller, ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht“ (ebd.: 69) entwickeln
92 Die durch Großherzog Ernst Ludwig ab 1899 initiierte Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt, die 1901 unter dem Titel „Ein Dokument deutscher Kunst“ eröffnet wurde, gilt offiziell als erste Bauausstellung in Deutschland. Als „innovativ-bauliches Zeugnis der damaligen Lebensreformbewegung“, u.a. hervorgebracht durch ihr interdisziplinäres Wirken bezüglich eines ganzheitlichen Lebensentwurfes, „begleitete [sie] fortan das Baugeschehen des 20. Jahrhunderts“ (M:AI 2007: 7).
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und öffentlichkeitswirksam präsentieren wollen, um sie in die internationale Planungspraxis zu überführen. Entgegen einer ausschließlich finalen Abschlusspräsentation unterstehen IBAs aus diesem Grund auch dem Versuch, ihre Arbeitsprozesse und Fortschritte – wie der Ausstellungsbegriff im Titel suggeriert – schon während ihres Entstehens permanent zu präsentieren. Neben der inhaltlich-strukturellen Ebene müssen IBAs auch in Bezug auf ihre Entstehungsgeschichte deutlich von bislang thematisierten festivalisierten Großformaten unterschieden werden: So werden diese nicht von einer Jury nach festgelegten Kriterien vergeben, sondern können weitestgehend eigenständig von Städten ausgerufen werden, unter der Vorausgabe, dass diese auch eigenständig von diesen finanziert werden – eine Handhabung, die ein unabhängiges Agieren jenseits von Vorschriften ermöglichen soll, aber auch zahlreiche Problemstellungen insbesondere in Bezug auf die sicherzustellende Qualität der jeweiligen Bauausstellung transportiert. So hat diese Praxis u.a. dazu geführt, dass Bauausstellungen neben ihrem Sonderstatus als temporäres Laboratorium zumeist von befristeten Sonderkonditionen sowie „politischer und administrativer Rückendeckung“ (M:AI 2007: 22) profitieren93 – auch wenn in der Realität Planungszwänge nicht selten offenkundig erscheinen. Doch ist es genau dieser postulierte Freiraum, der die Grundlage für die Entwicklung von „modellhaften Lösungen“ (ebd.) bereitstellt, das Herkömmliche der jeweiligen Epoche überwinden und innovative Praxen für die Stadtplanung liefern soll: „Abseits von eingefahrenen Strukturen und tradierten Routinen sollen diese temporären Organisationen eine mehr oder weniger anspruchsvolle soziale Innovation in Gang setzen, die man den etablierten Organisationseinheiten in dieser Form nicht zutraut.“ (Möll/Hitzler 2011: 335) Trotz ihrer deutschen Herkunft sind alle IBAs dabei international ausgerichtet, entweder durch die Kooperation mit internationalen Experten oder durch international relevante Fragestellungen. In diesem Rahmen hat sich auch gezeigt, dass viele der von IBas entwickelten Neuerun-
93 Dazu heisst es im Ausstellungsheft „IBA meets IBA“: „Bauausstellungen waren nie nur Leistungsschau, sondern auch Innovationsprogramm. [...] Dies konnten sie nur sein, weil sie mit dem Privileg befristeter Sonderkonditionen und politischer wie administrativer Rückendeckung für einen Ausnahmezustand ausgerüstet waren. Dieser Ausnahmezustand war die zwingende Voraussetzung für einen ‚Freiraum’ zur Entwicklung modellhafter Lösungen.“ [Herv. i.O.] (M:AI 2007: 22). Zu den politischen und administrativen Unterstützungsmaßnahmen können u.a. ein festes finanzielles Budget, eine Organisationsform als städtische GmbH, eine behördenbergreifende Zusammenarbeit oder aber die Beschleunigungen von Verfahrensprozessen oder Antragstellungen gezählt werden.
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gen über die Jahre durchaus in etablierte Handlungspraxen übergegangen sind, die auch deutsche Grenzen überschreiten.94 Auch wenn die Präsentation der erreichten städebaulichen oder architektonischen Beispielprojekte, zumindest für ein Fachpublikum, schon immer eine bedeutende Rolle im Wirken von IBAs eingenommen hat, ist spätestens seit den 1990er Jahren eine Tendenz zu verzeichnen, nach der diese verstärkt als öffentlichkeitswirksames und festivalisiertes Großinstrument interpretiert werden, das zur Positionierung von Städten oder Regionen im internationalen Standortwettbewerb eingesetzt wird. Die zunehmende Festivalisierung spiegelt sich auch in der Organisationsstruktur von IBAs wider, die zumeist als befristete Sonderorganisationsform installiert werden: So waren zumindest die jüngeren IBAs i.d.R. als städtische GmbHs organisiert, die in ihrer Umsetzung vielfältige Public-Private-Partnerships eingingen. Analog dazu hat sich ihr Aufgabenspektrum in den vergangenen Jahren maßgeblich transformiert: Während frühere Bauausstellungen noch von ganzheitlichen Reformideen geleitet waren und meist in relativ kurzer Zeit umgesetzt wurden (s. IBA Interbau Berlin 1952-1957), avancierten sie im Laufe der Zeit zu regelrechten Strukturprogrammen mit einem breit gefächerten Themenspektrum, einer verstärkt regionalen Ausdehnung sowie verhältnismäßig langen Entwicklungszeiträumen bis zu zehn Jahren (Vgl. Günther/Prossek 2009: 261). Die ursprünglich baulichen Fragestellungen werden in den vergangenen Jahren dabei zunehmend von gesellschaftspolitisch und strukturell relevanten Themen durchdrungen, wie der Nutzung nachindustrieller Flächen (IBA Emscher Park oder IBA See95), der Schrumpfung von ganzen Regionen (IBA Stadtumbau96) oder gar der strukturellen Veränderung von als ‚Problemviertel‘ geltenden Stadttteilen (IBA Hamburg). Insbesondere die jüngeren IBAs sind dabei in hohem Maße dem Festivalisierungszwang der Postmoderne ausgesetzt bzw. werden in der letzten Zeit von dieser als
94 Während die IBA Berlin (1979-1987) bspw. „Auslöser von Förderprogrammen zur Stadterneuerung und von Änderungen der Gesetzespraxis für Sanierung und für den Milieuschutz“ (M:AI 2007: 13) war, platzierte die IBA Emscher Park das Thema der Industriekultur als gängige Praxis für die Transformation nachindustrieller Orte und Regionen. 95 Die IBA See fand als zehnjähriges Programm (2000-2010) in der Niederlausitz statt. Ziel war es, in der durch die Stilllegung des Braunkohletagebaus gezeichneten Landschaft einen zukunftsfähigen Struktur- und Landschaftswandel u.a. über eine touristische Erschließung einzuleiten. Zur weiterführenden Information s. http://www.iba-see2010.de. 96 Die IBA Stadtumbau fand von 2002-2010 in Sachsen-Anhalt. Beteiligt waren 17 Städte, die über das Thema der schrumpfenden Städte und dem Ziel der „Entwicklung modellhafte[r] Projekte der Stadtentwicklung unter den Bedingungen des demografischen Wandels und wirtschaftlicher Transformation“ (M:AI 2007: 18f.) miteinander verbunden waren. Zur weiterführenden Information s. http://www.iba-stadtumbau.de.
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öffentlichkeitswirksames Format entdeckt, was u.a. dazu führt, dass im Zeitraum von 2007 bis 2010 mit der IBA See in der Niederlausitz, der IBA Stadtumbau in Sachsen-Anhalt und der IBA Hamburg erstmalig drei IBAs gleichzeitig stattfanden. Die hohe quantitative Nachfrage nach Bauausstellungen reicht heute von Thüringen über Heidelberg bis nach Basel.97 Kritiker warnen angesichts dieses Entwicklungstrends vor der qualitativen Verzerrung der originären Aufgabe des Traditionsinstrumentes: „Heute wird Bauausstellungen noch mehr abverlangt. Sie sollen für komplexe Problemlagen und Entwicklungsaufgaben quasi ‚die letzte Rettung‘ sein. […] Damit steigt der Zwang zu Events – mit der Gefahr, dass die baukulturelle Innovation überstrahlt wird.“ [Herv. i.O.] (M:AI 2007: 23) Im Rahmen der Transformation von Bauausstellungen zu einem „Instrument zur Herstellung städtischer und regionaler Identität“ (Günther/Prossek 2009: 261) sind in den letzten Jahren dabei auch vermehrt künstlerische und kulturelle sowie kreativwirtschaftliche Projekte in den Fokus geraten, die als strategische Parameter zur Revitalisierung der behandelten urbanen Räume herangezogen werden. Dabei erfährt das ‚Steuerungsparadoxon Kreativität‘ eine zusätzliche Verschärfung, da auch das Format IBA – angesichts seiner zunehmenden Indienstnahme als kulturelles Festivalisierungsmodell, aber auch seiner Überschreibung mit strategischen Zielen – von einem immer stärker werdenden Paradoxon gezeichnet ist: „Die ‚Exterritorialität‘ von Bauausstellungen, die durch befristete Sonderkonditionen finanzieller, politischer und administrativer Art und das Credo eines Experimentierraums auf Zeit konstruiert wird, divergiert mit dem Erfolgsdruck von inhaltlichen und zeitlichen Zielvorgaben.“ [Herv. i.O.] (Günther/Prossek 2009: 261f.) Auch in Hamburg lässt sich dieses Spannungsfeld, noch dazu ergänzt durch das ‚Steuerungsparadoxon Kreativität‘, deutlich ablesen. So wies die IBA Hamburg, die von 2007 bis 2013 als insgesamt achte IBA in Deutschland stattfand, neben ihrem Fokus auf städtebauliche, architektonische und ökologische Fragestellungen eine starke Fokussierung auf die Themen Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft auf, die in dem Projekt „Kreatives Quartier Elbinsel“ ihre Entsprechung fanden. Da die IBA Hamburg und ihre hierarchischen Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ das Untersuchungsbeispiel der vorliegenden Studie bilden, sollen sie allerdings nicht an dieser Stelle, sondern in Kapitel 3 und 5 vertieft vorgestellt und untersucht werden.
97 Zu den Städten bzw. Bundesländern, die derzeit (Stand: Januar 2014) eine IBA ausrichten, gehören Heidelberg (2012-2022) (www.iba.heidelberg.de), Thüringen (2013-2023) (www.iba-thueringen.de/) sowie Basel (2010-2010) als erste trinationale IBA (www.ibabasel.net/de) und das niederländische Parkstadt Limburg (2013-2020) als erste IBA ohne deutsche Beteiligung (www.iba-parkstad.nl).
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1.4.1.3 Creative City-Narrative Hierarchische Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt sind zuletzt in engem Maße mit der Metapher der ‚Creative City‘ verflochten, die seit den 2000er Jahren als Blaupause für strategische Entwicklungs- und Marketingmaßnahmen von Städten weltweit in Stellung gebracht wird.98 Überführt in strategisch-städtische Narrative kommt ihr die Aufgabe zu, die Stadt als Ort symbolischer Repräsentation von urbaner Kultur und ‚Kreativität‘ zu inszenieren und zu verbildlichen: „Wenn Städte heute vor allem als kulturelle Phänomene verhandelt werden – als urbane Atmosphäre, Lebensweise oder Bild –, so zeigt das einen Wandel in unserem Verständnis von Stadt an: Sie erscheint nicht mehr in erster Linie als Raum der Produktion, [...] sondern wird um des Erlebnisses willen aufgesucht.“ (Bittner 2001: 15) Die Popularität des ‚Creative City‘-Narrativs liegt nach Reckwitz (2009) dabei v.a. an der Vielzahl der Akteure, die trotz unterschiedlicher Interessenslagen mit dem – zumeist sehr ungenau definierten, stets jedoch positiv konnotierten – Paradigma zusammengeführt werden. Ob aus Interesse an einer ökonomischen Vermarktung, am Erhalt der ökonomischen und sozialen Substanz der Stadt, an den spezifischen Wohn-, Freizeit- und Lebensqualitätsinteressen der neuen Mittelschichten oder aus Motiven, die sich am Erhalt distinktiver, alternativer Szenen orientieren – die Definitionsungenauigkeit des Begriffes fungiert als Projektionsfläche für eine Vielzahl unterschiedlicher Machtbestrebungen (Vgl. Reckwitz 2009: 31f.). Entgegen Landrys ursprünglicher Konzeption, nach der mit dem Modell der ‚Creative City‘ v.a. ein neuer Umgang von organisationellen Strukturen und habituellen Mustern verbunden sei, der neue Denkmodelle insbesondere in den städtischen Verwaltungsetagen erfasse (Vgl. Landry 2000: 224f.), stellt sich seine Überführung in die Planungspraxis vorrangig als Status Quo-Beschreibung oder aber visionäres Leitbildmotiv, Label oder Versprechen einer zukünftig städtischen Entwicklung dar (Vgl. Kong/O’Connor 2009: 1). Entsprechend merkt Peck an, dass das Modell der ‚kreativen Stadt‘ v.a. deshalb so erfolgreich sei, da sie als „verführerische und visionäre Beschreibung der Stadtentwicklung, ergänzt durch normative Positionen und Politikberatung [...] geschickt auf das heutige neoliberale Terrain von Wirtschaft und Politik zugeschnitten [sei]“ (Peck 2008: 1). Aufbauend auf dem Verständnis von urbaner Kultur und Lebensqualität als essenzielle Kapitalanlagen der Stadt (Vgl.
98 Dazu merkt Peck an: „Die Reaktion von Kommunalpolitikern und städtischen Entscheidungsträgern auf die These von der kreativen Stadt war praktisch weltweit beinahe ekstatisch. [...] bei Bürgermeistern, in regionalen Entwicklungsbehörden und Körperschaften, bei Beratern und Lobbyisten [...], in den USA ebenso wie in Europa, in Australien und Ozeanien ebenso wie in Teilen Asiens, und zwar sowohl in Möchtegern-Metropolen [...] als auch in etablierten Zentren.“ (Peck 2008: 7)
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Ronneberger 2001a: 30) setzen Städte im internationalen Städtewettbewerb alles daran, ihre kulturellen und kreativen Aktivitäten als Zeichen einer urban-ökonomischen Vielfalt sichtbar zu machen – oder, sofern noch nicht vorhanden, als strategisches Ziel zu postulieren. Die Reichweite der ‚Creative City‘-Narrative ist immens, nach Erhebungen Landrys (2005b: 43) waren es im Jahr 2005 allein in Großbritannien 20 Städte sowie mehr als 60 Städte weltweit, die den Terminus ‚Creative City‘ in ihrem Leitbild aufgegriffen oder gar strategische Ansätze zur Erreichung dieses Status aufgelegt hatten. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erscheint hier v.a. der bereits thematisierte Aspekt interessant, dass vermehrt solche Städte kreative Metaphern in Stellung bringen, die über wenig oder nur geringes kulturelles Kapital im Sinne einer historisch gewachsenen Ressource verfügen, und damit die Annahme nähren, der zu erreichende ‚kreative‘ Status könne auch künstlich erzeugt werden: „From Creative Manchester to Bristol to Playmouth to Norwich and of course Creative London. And dito Canada. Toronto with its Culture Plan for the Creative City; Vancouver and the Creative City Task Force; or London, Ontario’s similar task force and Ottawa’s plan to be a creative city. In the States there is Creative Cincinatti, Creative Tampy Bay and the welter of creative regions such as Creative New England. In Australia we find the Brisbane Creative City strategy, there is Creative Auckland. Partners for livable Communities launched a Creative Cities Initiative in 2001 and Osaka set up a Graduate Schol for Creative Cities in 2003 and launched a Japanese Creative Cities Network in 2005.“ (Landry 2005b: 43)
Die Strategie des ‚Creative City‘-Narrativs ist jedoch nicht nur auf die Städteebene begrenzt99, sondern findet durch Initiierung städtischer, kommunaler oder staatlicher Kräfte in den letzten Jahren auch auf überregionaler, nationaler und sogar internationaler Ebene Verwendung. Während es im überregionalen Kontext etwa von ganzen Bundesländern aufgegriffen wird, die, wie im Falle NordrheinWestfalens mit seinem Programm „CREATIVE.NRW“ eine imagebildende Markenstrategie verfolgen, mithilfe derer eine internationale Sichtbarkeit für die kreativwirtschaftlichen Teilmärkte im Bundesland erreicht werden soll (Vgl. Kap. 2.3.2.2), wird die Verwendung auf nationaler Ebene z.B. durch kommunale Platt-
99 In Deutschland findet das ‚Creative City‘-Narrativ derzeit z.B. in der Hauptstadt Berlin mit „Creative City Berlin“ Verwendung (http://www.creative-city-berlin.de). Bis 2010 operierten außerdem das Ruhrgebiet mit seinem Projekt „Kreativ.Quartiere“ (Vgl. http:// www.metropoleruhr.de/wirtschaft/zukunftsprojekte/kreativquartiere.html) sowie die Hansestadt Hamburg mit ihrem Leitbild „Kreatives Hamburg“ mit dem Narrativ (Vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2010: 5).
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formen wie das „Creative City Network of Canada“100 befördert. Auf der europäischen Ebene erfährt das ‚Creative City‘-Narrativ eine starke Verbreitung durch die Europäische Union, die verschiedene gleichnamige Förderprogramme initiiert hat.101 Die internationale Ebene erreicht das Modell zuletzt mit Programmen wie dem „UNESCO Creative Cities Network“, das eine Einbindung ausgewählter Städte in ein weltumspannendes Netzwerk ‚kreativer Städte‘ anstrebt. Grundlegender Impetus der UNESCO ist dabei der Versuch, durch die Förderung des kultur- und kreativwirtschaftlichen Sektors auch das Thema der kulturellen Vielfalt in Industrie- und Entwicklungsländern zu stärken. Aus diesem Grund gilt die Befürwortung des „UNESCO-Übereinkommens zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ als Rahmenbedingung für potenzielle Titelbewerber. Zu den Bewerbungskriterien um eine Aufnahme im Netzwerk zählen u.a. die Anzahl von „creative professionals“, die Anzahl der in den letzten fünf Jahren entstandenen kreativen Jobs, die Anzahl von Bildungsprogrammen in Verbindung mit dem Kreativsektor sowie die internationale Vernetzung und Reputation der Bewerberstadt in einer von sieben Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft.102 Anschließend werden die einzelnen Städte als Exzellenzzentrum in der jeweiligen Teilbranche ausgewiesen. Ziel der Initiative ist die Etablierung einer globalen Plattform von national agierenden Netzwerken, Unternehmen und politisch Verantwortlichen, deren lokale Kultur- und Kreativwirtschaftsmärkte sich austauschen und Spill-Over-Effekte entstehen lassen sollen. Zum aktuellen Zeitpunkt (Januar 2014) zählt das „UNESCO Creative Cities Network“ 41 Städte als Mitglieder (Vgl. http://www.unesco.org/new/en/culture/themes/ creativity/creatives-cities-network/ vom 31.01.2014). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die vorgestellten Beispiele dazu beitragen, das ‚Creative City‘-Narrativ weltweit zu distribuieren, wenngleich auch in seiner Definitionsungenauigkeit zu reproduzieren. So sind im Rahmen der Um-
100 Das 1997 gegründete „Creative City Network of Canada“ versteht sich als Plattform für Akteure aus dem öffentlichen Sektor, die in kanadischen Gemeinden an der Vernetzung sowie am Austausch zur Entwicklung von Instrumenten für eine kreative Stadtentwicklung interessiert sind. Neben Fachkonferenzen hat das Netzwerk in den vergangenen Jahren u.a. ein „Cultural Planning Toolkit“ publiziert (Vgl. http://www.creativecity.ca). 101 Zu den bekanntesten EU-Förderprogrammen gehören „CREATIVE CITIES“ (http:// www.creativecitiesproject.eu), „Creative City Challenge“ (http://www.creative-citychallenge.net/) oder „Creative Metropoles“ (Vgl. Creative Metropoles 2010). Von 2014 bis 2020 findet zudem das Förderprogramm „Kreatives Europa“ statt (http://ec.europa. eu/culture/creative-europe/index_de.htm). 102 Die Branchen umfassen Literatur, Musik, Film, Design, Medienkunst, Handwerk, Volkskunst sowie Gastronomie.
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setzung entsprechend vielfältige Adaptionen von stadtpolitischer Seite zu beobachten, die von normativen Vorstellungen einer kreativ-kulturellen Stadt über die Indienstnahme als strategisches Entwicklungsleitbild, die Überschreibung als Dachbegriff für Strukturförderprogramme bis hin zu phrasenhaften Imagemaßnahmen reichen, in der die ‚Creative City‘ ausschließlich als Label fungiert. Die verschiedenen Anwendungen zeugen damit einmal mehr von der Vielschichtigkeit des Kreativitätsbegriffes, der über seine originär künstlerische Definition hinaus in der Praxis häufig mit anwendungsorientierten Verständnissen von ‚Kreativität‘ kollidiert. Tabelle 5: Konzeptuelle Definitionen der kreativen Stadt auf der Grundlage ihrer Wertorientierungen. Kreative Stadt: Ausrichtungen Wertvorstellungen einer kreativen Stadt
kulturzentriert
marktorientiert
Zentraler Wert = Kunst, Kultur, Wohlergehen der Gemeinschaft, Zugang und Inklusion
Definition einer kreativen Stadt
Ort der vielfältigen und inklusiven Künste und Kulturangebote
Zentraler Wert = urban ökonomische Nachhaltigkeit und Wohlergehen durch kreative Initiativen/ Creative Industries Ort der ökonomischen Innovation, der kreativen Talente und Creative Industries
Eigene Übersetzung. Quelle: Smith/Warfield 2008: 289.
Die unterschiedlichen Wertorientierungen, die diesen beiden Anwendungsrichtungen zugrunde liegen, lassen sich nach Smith/Warfield (2008) gemäß Tabelle 5 als kultur- bzw. ökonomistisch-zentrierte Orientierungen gegenüberstellen. Konsequenterweise müssten sich beide durch gänzlich unterschiedliche Realisierungformen auszeichnen, was in der Realität jedoch nicht annähernd der Fall ist.
1.4.1.4 Hierarchische Ansätze revisited Die Gesamtheit der angeführten Modelle und Beispiele haben kenntlich gemacht, dass die Entwicklungsrichtung hierarchischer Strategien einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt deutlich Top-Down geprägt ist. Im Rückgriff auf die Cultural Theory wurde ersichtlich, dass die hierarchische Organisationskultur in hohem Maße vom Vertrauen in Autoritäten und Expertisen sowie dem Glauben an bauliche oder festivalisierte Großlösungen geprägt ist. Während Entscheidungsträger für die Initiierung von Großprojekten einerseits auf das Vertrauen in externe Expertisen
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angewiesen sind, birgt das hochvertrauensvolle Beziehungsgeflecht zugleich die Gefahr, dass die zwischen den Entscheidungsträgern und Experten entwickelten Konzepte nicht ausreichend genug hinterfragt werden bzw. für vorgetragene Zweifel anderer Organisationskulturen nicht empfänglich sind. Wie im Fall der Hamburger Elbphilharmonie, die als interational sichtbares Leuchtturmprojekt des Narrativs „Kreatives Hamburg“ fungieren soll, ist dieses derzeit v.a. durch seine maßgeblichen Bauverzögerungen, immensen Kostensteigerungen und gerichtlichen Prozesse zwischen den involvierten Partnern der öffentlichen und der privaten Hand gezeichnet, die interessanterweise u.a. auf unzureichende Gutachten, sprich Expertisen zurückzuführen sind (Vgl. Haarmeyer 2012: o.S.). Ist keine oder nur wenig Akzeptanz und Bürgerkonsens vor Ort vorhanden, geraten städtisch intendierte Großprojekte und Visionen dabei nicht selten in Legitimationskrisen, die, wie im Falle des Protests gegen den kostenintensiven Neubau des Stuttgarter Bahnhofs („Stuttgart 21“), ebenfalls die Realisierung städtisch intendierter Projekte beeinflussen können. Der Cultural Theory folgend können gescheiterte Projekte aus Sicht einer anderen Organisationskultur dabei durchaus als positive Zustände bewertet werden: „To some extent, fiascos, like beauty, can be in the eye of the beholder.“ (Hood 1998: 40) Indem im Rahmen von hierarchisch geprägten Ansätzen nicht die kulturellen und kreativen Akteure die Handlungsmacht innehaben, sondern die politischen Akteure die Ziel-, nicht Startpunkte der jeweiligen Entwicklungsstrategie vorgeben (Vgl. Evans 2001: 108), avancieren künstlerische und kreative Akteure weniger zu Handelnden, denn zu Objekten neuer Governance-Strukturen: „Kreativstrategien sind deshalb so verführerisch, weil sie im Grunde zu den vorherrschenden Formen neoliberaler Entwicklungsmodelle komplementär und mit einer diskretionären, selektiven und symbolischen Angebotspolitik kompatibel sind; sie erfüllen ganz einfach die Anforderungen der verschiedenen Entwicklungsinteressen. Kreativstrategien bauen auf dem Terrain neoliberaler Stadtpolitik auf, bearbeiten und verwandeln es langsam, platzieren warenförmige Aktiva wie Kunst oder Straßenkultur im Standortwettbewerb zwischen den Städten, ermöglichen die Entwicklung neuer politischer Kanäle und Interessengruppen vor Ort, die Konstitution neuer Objekte und Subjekte der Urban Governance.“ (Peck 2008: 13)
Damit weisen hierarchische Ansätze große Ähnlichkeiten mit dem Modell der hierarchischen Governance nach Kooiman (2003) auf (Vgl. Kap. 1.2.3), was weitreichende Folgen nach sich zieht. So kommen die skizzierten Strategien in vielen Fällen weniger der Stärkung des lokalen kulturellen Kapitals zugute als der Vermittlung eines attraktiven und konsumentenfreundlichen Stadtklimas. Die Fokussierung auf Formate mit einem hohen Marktpotenzial und einer positiven Imagewirkung, die bereits als ‚unternehmerische Stadtpolitik‘ beschrieben worden ist, führt langfristig dazu, dass hierarchische Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der
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Stadt immer häufiger eine große Ähnlichkeit zu individualistischen Strategien aufweisen. Entsprechend konzentrieren sie sich in ihrer Zielgruppenansprache weniger auf kulturelle und kreative Akteure als auf einkommensstarke Klientel wie Städtetouristen oder potenzielle Investoren (Vgl. Grodach/Loukaitou-Sideris 2007: 353). Nichtsdestotrotz müssen hierarchische Strategien in Bezug auf ihre Risikowahrnehmung und das Mangement derselben als wichtiger Ansatz in der Gesamtheit der ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ anerkannt werden. So neigen sie „weder zu der oft unbedenklichen Risikofreudigkeit der individualistischen Kultur noch zu der Vorsicht und dem Vermeiden jedes Kompromisses der egalitären Kultur“ (Karmasin/Karmasin 2011: 220). Ihrem Selbstverständnis folgend wägt die hierarchische Kultur Risiken rational ab, führt aber auch aktiv Kompromisse zwischen verschiedenen Kulturen herbei, wie sie sich bspw. in Kooperationen manifestieren. Diese zunehmenden Annäherungstendenzen von hierarchischen Ansätzen zu anderen Kulturtypen sollen nachfolgend als Hybridformen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt vorgestellt werden. Wie bereits dargelegt wurde, lassen sich Hybridformen zum einen zwischen der hierarchischen und der individualistischen Kultur, zum anderen zwischen der hierarchischen und der egalitären Kultur verzeichnen (Vgl. Abb. 8) – auch wenn der Impetus für die Hybridbildung nach wie vor in der hierarchischen Kultur verhaftet bleibt. Die hierarchisch-individualistische Hybridform einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt wird entlang des 3-T-Modells sowie der ‚kreativen Cluster’-Politik in Kapitel 1.4.2 erfasst. Im Anschluss folgt eine Abhandlung der ebenfalls hierarchisch intendierten Hybridform mit der egalitären Kultur, die in Kapitel 1.4.3 am Beispiel der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ vorgestellt wird. Erneut beanspruchen die dargestellten Ansätze keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern zeigen exemplarische Handlungsmodelle auf.
1.4.2 Hierarchisch-individualistische Ansätze Bereits in Kapitel 1.3.2 war aufgezeigt worden, dass die Reinform des individualistischen Kulturtyps v.a. jene kulturellen und kreativen Akteure erfasst, die im wirtschaftlichen Markt unternehmerische Ansätze mit dem Ziel der individuellen Gewinnmaximierung verfolgen. Als Entrepreneure gehen die Akteure der „Verwertung unternehmerischer Gelegenheiten“ (Fueglistaller et al. 2012: 2) nach und treiben in ihrem innovativen Tun die fortlaufende Veränderung der Ökonomie voran. Im Kontext der Cultural Theory spiegelt sich das Ziel der individuellen Gewinnmaximierung über einen geringen Group-Anteil wider. Ver- und Aushandlungen mit dem Markt, die anstelle von Regelbefolgungen greifen, zeugen darüber hinaus von einem geringen Grid-Anteil. Mit einer vorrangig auf den ökonomischen Wettbe-
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werb ausgerichteten Handlungspraxis positioniert sich die individualistische Kultur damit in deutlicher Abgrenzung zur hierarchischen Kultur: „A general distrust of collectivism, statism, and centralization leads those of an individualist persuasion to search for market rather than bureaucrative approaches to providing public services.“ (Hood 1998: 100) Kritik an der individualistischen Kultur stellt sich ein, wenn individuelle Intentionen zu Lasten von gemeinwohlorientierten Interessen umgesetzt, Kooperationen aufgrund individueller Machtbestreben abgelehnt werden oder im Extremfall gar Korruptionstendenzen zu verzeichnen sind (Vgl. ebd.: 28). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll der Fokus nun auf die Schnittstelle der individualistischen Kultur mit städtischen, d.h. hierarchischen Ansätzen gerichtet werden. So ist in den letzten Jahren eine Entwicklung zu verzeichnen, bei der, geleitet durch die Politik der ‚unternehmerischen Stadt‘ und die daraus resultierende, zunehmende Ausrichtung städtischer Ansätze auf wettbewerbliche Kriterien, die Grenzen zwischen der hierarchischen und der individualistischen Kultur und ihrer Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘mehr und mehr verschwimmen. In der Folge erachten hierarchische Akteure die Entrepreneurskultur in Bezug auf ihre v.a. wettbewerblich geprägte Wertvorstellung nicht länger nur „als kulturelle Herausforderung“ (Karmasin/Karmasin 2011: 66), sondern konstituieren diese als zu adaptierendes, wenn auch nach wie vor gesteuertes Handlungsmodell. Vor dem Hintergrund, dass Wettbewerb für die hierarchische Kultur nicht länger eine Gefahr im Sinne einer Auflösung der Kultur, sondern eine Integrationsmöglichkeit städtischer Interessen in bestehende städtische Wachstumsstrategien darstellt, lassen sich vermehrt Hybridbildungen verzeichnen. Anknüpfend an Molotchs These der Growth Machine verfolgen hierarchischindividualistische Wachstumstrategien zum einen ein ‚pro Business‘-Klima, deren Maßnahmen vorrangig auf die Entwicklungsbedingungen von marktorientierten, kreativwirtschaftlichen Branchen zielen, die durch städtische Interventionen optimiert und überregional vernetzt werden sollen. Hier gilt es sowohl einen Gewinn für individualistische Akteure zu ermöglichen als auch Standorteffekte für die übergeordnete, d.h. städtische Ebene zu generieren. Zum anderen verfolgt der Schulterschluss der hierarchischen mit der Entrepreneurskultur die Förderung eines gezielten „people-climate“ (Florida 2005: 109), bei dem jene ‚weichen‘ Rahmenbedingungen in den Mittelpunkt rücken, die Städte unabhängig vom Jobangebot für hochqualifizierte Arbeitskräfte interessant machen. In großer Ähnlichkeit zum ‚Creative City‘-Narrativ, jedoch mit einem deutlich entrepreneursbezogeneren Fokus setzen Stadtpolitiken weltweit – trotz anhaltender Kritik – seit etlichen Jahren auf das 3-T-Modell von Florida. Es soll nachfolgendend als erster hierarchischindividualistischer Ansatz vorgestellt werden.
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1.4.2.1 Das 3-T-Modell Grundlage des 3-T-Modells ist es, urbane Lebensqualitäten, die laut Florida in einem deterministisches Verhältnis zum Wachstum von Städten stehen, systematisch zu erfassen, um darauf aufbauend konkrete Handlungsstrategien zur weiteren Anziehung von hochqualifizierten Arbeitskräften zu entwickeln. Im Rahmen des globalen Standortwettbewerbs um Unternehmen, v.a. aber kreativ Tätige hat sich das 3-T-Modell in den vergangenen Jahren als überaus populäres, exogenes Modell einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt etabliert: „The notion of a ‚creative class‘ is one of the most significant forms of direct policy transfer seen in the last few years.“ [Herv. i.O.] (Kong/O’Connor 2009: 3) Weltweit haben in den letzten Jahren etablierte Städte aber auch solche mit Entwicklungsbedarf den Ansatz aufgegriffen, geleitet von dem Ziel, mithilfe des 3-T-Modells eine quantitativempirische Erfassung und Messbarkeit der Erfolgsfaktoren zur Anziehung hochqualifizierter, kreativer Akteure zu leisten und dabei strategische Ansätze zu generieren, die den jeweiligen Ort und seinen T-Engpass optimieren (Vgl. Oakley 2009: 121). Damit unterscheidet sich das 3-T-Modell maßgeblich vom ‚Creative City‘Narrativ, da es sich weniger um eine vorrangig auf Konsumtion zielende Leitbildorientierung denn um die Erfassung der produktionsorientierten (Technologie), humankapitalbezogenen (Talent) sowie die Geisteshaltung betreffende Basis der Bürger der Stadt (Toleranz) handelt, auf die mit gezielten Entwicklungsmethoden reagiert werden soll. Gleichwohl bleibt das Modell ungenau und irreführend sowohl in Bezug auf seine Definition von ‚Kreativität‘, die zugrunde gelegten Erfassungsparameter, als auch seine Umsetzungsstrategien (Vgl. Kap. 1.1.2). In der Übertragung auf die Praxis wird schnell offenkundig, dass nicht alle Variablen gemäß dem Verständnis einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt gleichermaßen plan- oder steuerbar sind. Während die Förderung der wissensbasierten Dienstleistungsökonomien (Technologie) oder des Bildungs- und Ausbildungssektors (Talent) mit spezifischen Ansätzen nachvollziehbar erscheint, stellt sich der von Florida ausgegebene Faktor der Toleranz nicht nur als sehr vague, sondern auch nahezu unsteuerbare Größe dar. Versucht man die Lebensstilpräferenzen der kulturellen und kreativen Akteure im Sinne der Ausbildung eines attraktiven ‚people climate‘ systematisch in Planungs- oder Steuerungsmodelle zu überführen, sind planerische Grenzen schnell erreicht. Als „series of ingredients that spice up the city, making it ‚cool‘“ [Herv. i.O.] (Hansen et al. 2009: 102) ginge es bei der Förderung derselben besonders darum, jene nicht-ökonomischen Rahmenbedingungen und Handlungskontexte aufzugreifen, die die Ausbildung einer als kreativ geltenden Atmosphäre und damit eine räumliche Konzentrierung von kulturellen und kreativen Akteuren begünstigen.
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Anwendung des 3-T-Modells in Deutschland
Die Quantität der Verbreitung des 3-T-Modells äußert sich Steets (2011: 100) zufolge in einer regelrechten „Floridarisierung der Stadtpolitik“. Weltweit haben Städte in den vergangenen Jahren demnach versucht, ihr ‚kreatives Potenzial‘ mithilfe des TTT-Index zu erfassen und daraus spezifische Entwicklungsansätze abzuleiten. Deutlich kanalisiert das 3-T-Modell damit den Wunsch, ‚kreative‘ Attribute und Charakteristiken einer Stadt empirisch zu erheben, um diese zur Anziehung von Akteuren aus der individualistischen Kultur strategisch zu optimieren. So auch in Deutschland, wo sich die Verbreitung des 3-T-Modells als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt in den letzten Jahren v.a. auf Städte- und Bundesländerebene nachzeichnen lässt. Interessanterweise wurde die Erfassung des TTTIndex von deutschen Städten oder Bundesländern in der Vergangenheit häufig nicht von der öffentlichen Hand selbst umgesetzt, sondern vorrangig von Akteuren aus der individualistischen Kultur, wie z.B. Banken und Beratungsgesellschaften in Kooperation mit Stiftungen oder Tageszeitungen, deren Ergebnisse dann jedoch – und das trotz der zweifelhaften Indizes-Grundlage – vielfach als Argumentationsbasis für politische Entwicklungsstrategien innerhalb der hierarchischen Kultur geltend gemacht oder gar als Grundlage für eigene TTT-Erhebungen von Städten herangezogen wurden. Für den bundesweiten Vergleich sei exemplarisch die Erhebung des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung in Kooperation mit der Robert-Bosch-Stiftung angeführt. Diese hatten im Jahr 2007 eine Anwendung des TTT-Index auf Bundesländerebene für die Jahre 2000-2005 vorgelegt (Vgl. Tab. 6), angesichts der mannigfaltigen Kritik am 3-T-Modell jedoch eine Modifizierung der Indizes analog zur deutschen Gesamtsituation vorgenommen.103
103 Der Toleranz-Index umfasste sowohl den Ausländeranteil an der Bevölkerung (Melting Pot Index) als auch den Anteil künstlerisch Tätiger in Bezug auf alle Erwerbstätigen (ausgenommen Freiberufler) (Bohemian Index). Als Indikatoren für Offenheit und Toleranz wurde der Stimmenanteil rechtsextremer Parteien bei der Bundestagswahl 2005 (Index rechtsextreme Wähler) sowie die Zustimmungsrate zu fremdenfeindlichen Aussagen in der bundesweit ermittelten Studie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ geltend gemacht (Index Fremdenfeindlichkeit). Der Talent-Index rekurrierte auf den Anteil von Personen mit Hochschulabschluss (Humankapital-Index) sowie den Anteil der kreativen Klasse (Kreative Klasse-Index) und des hochkreativen Kerns (Index Hochkreative) an allen Erwerbstätigen. Der Technologie-Index erfasst den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am BIP (Index F+E Ausgaben) sowie die Zahl der Patentanmeldungen insg. (Index Patente insg.) und im Bereich Hochtechnologie je 100.000 Einwohner (Index Hochtechnologie-Patente) (Vgl. Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2007: 8f.).
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Berlin Hamburg BadenWürttemberg Bayern Hessen Bremen NordrheinWestfalen Niedersachsen Rheinland-Pfalz SchleswigHolstein Saarland Sachsen Brandenburg Thüringen Sachsen-Anhalt MecklenburgVorpommern
TTTIndexpunkte
Bohemians
Fremdenfeindlichkeit
Rechtsextreme Wähler
Ausländer-anteil
Hochtechno-
Patente insg.
F + E Ausgaben
Hochkreative
Kreative Klasse
Humankapital
Tabelle 6: TTT-Index der deutschen Bundesländer 2005. Darstellung der Einzelindikatoren nach Rangplätzen, beruhend auf den jeweils höchsten Indexwerten.
1 2 5
4 3 8
1 2 3
1 8 2
8 7 1
6 5 1
2 1 4
8 1 9
1 2 6
1 2 7
143 133 131
7 3 4 9
6 1 11 2
5 4 6 8
3 6 5 10
2 3 13 5
2 3 12 8
7 5 3 6
10 7 5 3
10 8 4 5
4 5 3 6
117 109 101 98
13 11 10
9 7 5
10 9 12
4 11 16
6 4 9
4 7 10
10 9 11
4 11 1
9 7 3
13 8 9
94 86 83
16 6 8 12 15 14
10 13 12 15 14 16
11 7 14 13 15 16
15 7 13 9 14 12
12 10 14 11 15 16
14 8 13 11 16 15
8 12 13 15 16 14
6 16 13 15 12 14
11 13 12 15 14 16
14 10 12 15 16 11
73 62 60 56 54 53
Quelle: Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2007: 20.
Die anschließende Übertragung des TTT-Gesamtindex auf Deutschland ließ Berlin als ‚kreativstes‘ Bundesland hervortreten, dicht gefolgt von Hamburg, den dritten Platz nahm Baden-Württemberg ein. Darüber hinaus legte die Studie zwei abweichende Ergebnisse vom Floridaschen Credo dar: Zum einen widerlegte sie die Kohärenz zwischen dem TTT-Index und dem Bruttoinlandsprodukt104, zum anderen
104 Laut der Berliner Studie liegt ein positiver Zusammenhang, jedoch keine Kohärenz zwischen dem TTT-Index und dem BIP vor, was u.a. auf die hohen staatlichen Investi-
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verdeutlichte sie die Fragilität der These ‚jobs follow people‘, die zwar eintreten könne, grundsätzlich jedoch weniger von eindimensionalen als von wechselseitigen Prozessen geprägt sei. Der Faktor Toleranz sei demnach nicht nur Bedingung, sondern auch Resultat aus den Parametern Talent und Technologie (Vgl. Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2007: 28). Die Ergebnisse der Studie fanden zeitnah Eingang in politische Überlegungen und Konzeptionen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, wie z.B. den 2008 vorgelegten zweiten Kulturwirtschaftsbericht der Stadt Berlin (Vgl. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen 2008: 84) oder die Strategie zur Etablierung Hamburgs als ‚Talentstadt‘ (Vgl. von Welck 2008: 308). Ergänzt wird der Bundesländervergleich durch Studien, die sich dem Vergleich einzelner ‚kreativer‘ Städte in der Bundesrepublik auf Basis des TTT-Index widmen. Exemplarisch zu nennen ist zum einen der sehr populistisch aufbereitete „Roland Berger Kreativitätsindex“105, den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants im Jahr 2008 als selektive Untersuchung für zehn deutsche Städte106 in der F.A.S. veröffentlicht hatte. Führende Städte nach dem TTT-Gesamtindex waren hier München, gefolgt von Stuttgart und Hamburg. Als zweites Beispiel kann die Studie „Die Kreative Klasse in Deutschland“ der Beratungsfirma agiplan genannt werden, mit der diese auf Basis des 3-T-Modells im Jahr 2010 nach eigener Ausage einen „Benchmark“ erstellt hatte, der es Städten und Landkreisen ermöglichen sollte, ihre Wettbewerbsfähigkeit sowie ihr Optimierungspotential einzuschätzen (Vgl. Agiplan 2010: 15). Als führende Städte traten hier München, Berlin und Köln hervor. Die Gegenüberstellung der beiden Studien spiegelt deutlich die Schwierigkeit der Messung von städtischer ‚Kreativität‘ sowie die Unschärfe der methodischen Erhebung über das 3-T-Modell wider, da je nach
tionen in den neuen Bundesländern seit der deutschen Wiedervereinigung zurückzuführen sei (Vgl. Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2007: 27). 105 Die Studie betont die notwendige Modifizierung der TTT-Formel für Deutschland, etwa in Bezug auf Hochtechnologie-Zentren (Technologie-Index), die im Vergleich zu den USA weitaus breiter aufgestellt seien, oder auf Humankapital (Talent-Index), das durch die deutsche Hochschulsituation per se auf eine Vielzahl von Städten verteilt sei. Ähnliches gelte für den Toleranz-Index: Er umfasst zusätzlich den Anteil ausländischer Studenten an Universitäten, die Anzahl internationaler und bilingualer Schulen, das Wahlverhalten in Bezug auf den Anteil der rechtskonservativen Parteien bei der Bundestagswahl 2005 sowie ausgewählte Aussagen von Experten zu Sub-Kultur und Toleranz (Vgl. Roland Berger Strategy Constultants 2008: 20; http://rangliste.faz.net/staedte/). 106 Zu den ausgewählten Städten gehörten München, Stuttgart, Mannheim, Nürnberg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt am Main, Leipzig, Hamburg und Berlin.
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Bemessungsgrundlage unterschiedliche Ranking-Ergebnisse zu verzeichnen sind. Erneut erscheint dieser Tatbestand jedoch nicht als Problem, sondern als Möglichkeit, das jeweils passende Städteranking für stadtpolitische Entwicklungsstrategien in Stellung zu bringen. Zuletzt findet sich die Anwendung des 3-T-Modells auf der unmittelbaren Städteebene wider, etwa um mithilfe der genannten Städterankings strategische Maßnahmen zur Optimierung vermeintlicher T-Engpässe zu entwickeln. So hatte der „Roland Berger Kreativitätsindex“ Eingang in die strategischen Planungen Hamburgs gefunden (Vgl. von Welck 2008: 308)107 oder war die agiplan-Studie in die strategischen Überlegungen der Landeshauptstadt München eingeflossen (Vgl. http://www.muenchen.de/Rathaus/raw/newsarchiv/archiv10/ranking_kreativitaet.ht ml vom 31.01.2014). Die Anwendung des 3-T-Modells in der Kritik
Anhand der vorgestellen Beispiele lässt sich konstatieren, dass sich der über das hybride 3-T-Modell postulierte Zugang zur sozio-ökonomischen Einbettung von kulturellen und kreativen Akteuren und den für sie typischen Lebensstilen in der Übertragung in die Praxis als stark imagebezogenes Modell darstellt (Vgl. McGuigan 2009: 294), das trotz seines Entrepreneursfokus v.a. auf Vorteile für die hierarchische Kultur zielt. Folglich tritt der Ansatz weniger als innovative, urbane Entwicklungsstrategie für die Akteure der individualistischen Kultur denn als „feel good“ Ergänzung (Peck 2005: 761) für die Stadtentwicklungspolitik der hierarchischen Kultur auf, die gerade aufgrund ihrer vaguen Handlungsprämissen für letztere so einfach adaptierbar erscheint. In der Folge bleibe das 3-T-Modell häufig kaum mehr als eine Rethorik-Strategie (Vgl. Peck 2005: 4), die es der Stadtpolitik v.a. ermögliche, sich von ihrer sozialen Verantwortung zu befreien: „Im europäischen Wettbewerb um lokale (Standort-)Vorteile auf dem globalen Markt ist das kulturalisierte Vokabular aus der Umstrukturierung der Arbeitsmärkte und der Verschönerung der Stadtteile in den 90er Jahren nicht wegzudenken. [...] Gleichzeitig wurden die Budgetkürzungen in den sozialen und kulturellen Feldern mit dem Paradigma der ‚Selbstverantwortung‘ und der ‚Selbstorganisation’ der Kulturproduzent/innen als Unternehmer/innen legitimiert. Dies ist das Kernkonzept der Creative-Industries-Ideologie im Rahmen der Vorstellung von Ökonomie, die auf ‚Talent‘ und Eigeninitiative gründet.“ [Herv. i.O.] (von Osten 2008: 46)
107 Hamburg hatte 2007 auf die Erkenntnisse des 3-T-Modells mit der Entwicklungsstrategie „Talentstadt Hamburg“ reagiert. Mithilfe der Indizes sollte eine „Strategie zur Gewinnung von Talenten“ für das seinerzeit vorherrschende städtische Leitbild „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ (2002-2008) eruiert werden (Vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2007: 6).
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Die Konsequenzen, die die Anwendung des 3-T-Modells nach sich zieht, sind zuweilen drastisch. So kanalisiert der Ansatz durch seine einseitige Fokussierung auf zumeist etablierte Akteure der ‚Creative Class‘ nicht selten eine Verschärfung städtischer Fragmentierungen, wodurch soziale Fragestellungen wie Aufwertungs- oder Spaltungstendenzen immer stärker in den Hintergrund geraten (Vgl. Peck 2005: 762). Langfristig entsteht damit auch ein „Regime der Differenz“ (Ronneberger et al. 1999: 188), das sich insbesondere zu Lasten der egalitären Kultur auswirkt. Die andauernde Kritik im wissenschaftlichen Feld aber auch der Stadtpolitik hat mittlerweile dazu geführt, dass sich viele Städte von der Adaption des 3-T-Modells distanzieren. Mit Blick auf diese Entwicklungstendenz soll der beim 3-T-Modell zu verzeichende Konsumtionsfokus in den folgenden Ausführungen durch produktionsorientierte Ansätze ergänzt werden, wie sie im Rahmen hybrider Entwicklungsstrategien bspw. über die ‚kreative Cluster‘-Politik Anwendung finden.
1.4.2.2 Kreative Cluster-Politik Im Hinblick auf die Kritik am 3-T-Modell soll das damit einhergehende reduktionistische Verständnis einer Kreativpolitik, die sich der „Schaffung und Legitimierung von Orten mit dem gewissen look and feel“ (Steets 2011: 100) widmet, im Folgenden nicht reproduziert werden. Vielmehr rückt die Handlungs- und Formierungslogik der kulturellen und kreativen Akteure im urbanen Raum als Grundlage für die Ausbildung hierarchisch-individualistischer Planungsansätze in den Fokus, die ebenjene Affinität zur Clusterbildung (Vgl. Kap. 1.1.1) aufgreifen. Diese Form der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, die zwar in der hierarchischen Kultur verortet ist, jedoch explizit an die individualistische Handlungs- und Formierungslogik ihrer Akteure anknüpft, wird im Folgenden als ‚kreative Cluster‘-Politik bezeichnet. Der Terminus rekurriert auf Porters regionalisiertes und sektoralisiertes Cluster-Konzept108, das – trotz vielfältiger Kritik – die entwicklungspolitische Diskussion nachhaltig stimuliert hat.109 So griffen zahlreiche Disziplinen Ende der
108 Porter definiert Cluster als „geographic concentrations of interconnected companies, specialized suppliers, service providers, firms in related industries, and associated institutions (for example, universities, standards agencies, and trade associations), in particular fields that compete but also co-operate“ (Porter 1990: 198). Zur Erfassung der Wettbewerbsfähigkeit prägte Porter das Modell des „Porter’schen Diamanten“, der die Innovationsfähigkeit von Unternehmen von vier miteinander in Wechselbeziehung stehenden Determinanten abhängig macht (Vgl. Martin/Sunley 2003: 6). 109 Kritiker stellen u.a. Porters Gleichsetzung von Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität zur Disposition, da erstere auf Unternehmensebene z.B. stärker ausgeprägt sei und eine
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1990er Jahre Clusterkonzeptionen auf, erweiterten diese jedoch maßgeblich in Bezug auf ihren Erklärungs- und Erkenntnisgehalt. Insbesondere die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wendeten sich von der regionalisierten, branchenbezogenen Definition Porters ab und stießen neue Paradigmen und Forschungsansätze an (Vgl. Thomi/Sternberg 2008: 73). Im Bereich der wissensbasierten Ökonomien werden Cluster-Ansätze heute nicht nur als ökonomische Klammer zur Generierung von Produktionsvorteilen verstanden, sondern als Möglichkeit des informellen Informationsaustauschs, der gegenseitigen Sensibilisierung und der Überführung dieser Rahmenbedingungen in innovative Produkte und Dienstleistungen. Damit leisten Cluster auch einen Rückschluss auf die qualitativen Attribute des jeweiligen Standortes (Krätke 2004; Bürkner 2004). Mit Blick auf die vertieften Erkenntnisse der Clusterforschung erscheint es wenig überraschend, dass das Interesse politischer Entscheidungsträger an einer zielgerichteten Clusterpolitik zur Entwicklung innovationsversprechender Branchen hoch ist. In Anlehnung an Porter, der Cluster nicht nur als analytische Größe, sondern auch als Politik- und Managamentinstrument zur Verbesserung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit versteht (Vgl. Thomi/Sternberg 2008: 73), war die Überführung in die politische Praxis v.a. von der Aussicht geleitet, mithilfe derselben eine Entwicklung anzustoßen, die sowohl lokale als auch regionale Wettbewerbsvorteile ermöglicht: „Regional clustering increasingly seems to act as a ‚mantra‘ for policy makers who want to stimulate regional economic development.“ [Herv. i.O.] (Hospers/Beugelsdijk 2002: 384) Neben einer regionalen und nationalen Clusterpolitik haben sich mittlerweile sogar internationale Programme, u.a. forciert von der Europäischen Kommission, ausgebildet. Ungeachtet des politischen Willens bleibt die Antwort auf die Frage, bis zu welchem Grad Interventionen von politischer Seite greifen, um Clusterbildungen zu befördern oder bestehende Cluster zu stärken, jedoch noch immer „far from clear“ (Bagwell 2007: 35). Clusterbildung in der Kultur- und Kreativwirtschaft
Auch im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft lassen sich hierarchisch intendierte Ansätze einer ‚kreativen Cluster‘-Politik beobachten. Clusterbildung fungiert
größere Komplexität aufweise als auf regionaler oder nationaler Ebene (Vgl. Martin/ Sunley 2003: 18). Auch Porters Anspruch auf universelle Anwendbarkeit gilt Kritik: Dieser würde vorherrschende Clustervariationen sowie damit zusammenhängende unterschiedliche Kontexte nicht nur unzureichend erfassen, auch würden Cluster vorrangig auf marktrelevante, wettbewerbliche Vorteile reduziert, während „net-working and social interaction as success factors for clusters of innovation“ (Moulaert/Sekia 2003: 293) weitestgehend unberücksichtigt blieben. Zur weiterführenden Information s. Thomi/Sternberg 2008; Martin/Sunley 2003.
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dabei nicht nur als wirtschaftliche Restrukturierungsform, sondern auch als räumliche Handlungspraxis, die ein schnelles Einbringen in existierende oder neue Netzwerke ermöglicht und dadurch die Produktions- und Organisationskreisläufe der kulturellen und kreativen Akteure erleichtert (Evans 2009a; Foord 2009; Lange 2007; Krätke 2004). Davies/Ford (1999) haben für diese Organisationsform in Anlehnung an Bourdieu den Begriff des ‚Culturepreneurs‘ geprägt: Indem Culturepreneurs strukturelle Transferleistungen zwischen dem wirtschaftlichen und dem kulturellen Feld sowie der Schnittstelle von räumlicher Praxis und ökonomischer Aktivität übernehmen, entstünde nicht nur eine Verbindung zwischen kulturellen, sozialen und räumlichen Praktiken, durch die Aufweichung von Arbeiten und Leben würden Culturepreneurs auch zur „professionelle[n] Einbettungsarbeit für neue Lebensstile im Städtischen“ beitragen (Lange 2007: 18). In Anlehnung an diese Definition, unterscheiden sich die Agglomerationsformen von Culturepreneurs damit deutlich von klassisch industriellen Clustern: „Creative industries, and thus creative clusters, are considered to have distinct characteristics that differentiate them from other types of businesses and business clusters.“ (Bagwell 2007: 33) Folgt man Mommaas, der sich mit der Genese von geographisch konzentrierten, kulturellen Distrikten und Quartieren hin zu kulturell(industriell)en und schließlich kreativ(wirtschaftlich)en Formationen in Nordwesteuropa beschäftigt hat, so kann keine allgemeingültige Definition von ‚kreativen Clustern‘ in Stellung gebracht werden. Vielmehr herrsche – analog zur Diversität der kultur- und kreativwirtschaftlichen Teilmärkte – eine hohe Vielfalt von räumlichen und konzeptionellen Agglomerationsmodellen künstlerischer und kreativer Branchen vor (Vgl. Mommaas 2009: 46ff.).110 Dabei ist es ebenjene terminologische Ungenauigkeit, die einige Autoren gar für die begriffliche Überschreibung in ‚kulturell-kreative Cluster‘ plädieren lässt, da diese seiner komplexen Entwicklungsgeschichte Rechnung tragen würde (Vgl. ebd.: 46; Kong 2009: 61f.). Bevor im Folgenden städtisch intendierte Ansätze einer ‚kreativen Cluster-Politik‘ aufgezeigt werden, erscheint es deshalb notwendig, die Organisationsform genauer zu erfassen. Vor dem Hintergrund der genannten Kritikpunkte sollen unter ‚kreativen Clustern‘ dabei nicht nur wirtschaftlich-räumliche Agglomerationen, sondern auch eine der Eigenlogik der Kul-
110 Mommaas zeichnet eine Entwicklung von oppositionellen künstlerischen Communities und/oder ‚urbanen Bewegungen‘ (1960er/1970er) über künstlerische, kulturelle und Entertainment-Viertel (1970er/1980er) hin zu kultur(industri)ellen (1990er) und schließlich kreativ(wirtschaftlich)en Clustern (2000er Jahre) (Vgl. Mommaas 2009: 46ff.). Alle der benannten Formierungen waren – unabhängig von ihrer organischen und i.d.R. nicht primär ökonomisch ausgerichteten Entwicklungslogik – zu ihrer Zeit von der Stadtpolitik für Revitalisierungszwecke in Dienst genommen worden.
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tur- und Kreativwirtschaft geschuldete, spezifische Arbeits- und Lebensform ihrer Akteure verstanden werden. Zur Typologisierung ‚kreativer Cluster‘
Um der Komplexität ‚kreativer Cluster‘ im Interaktionsdreieck KreativitätWirtschaft-Raum gerecht zu werden, soll den folgenden Ausführungen eine Cluster-Typologie zugrunde gelegt werden, die nicht nur verschiedene Formen (branchenintern, branchenübergreifend) und Reichweiten (Gebäude, Quartiere, Stadt, Region) unterscheidet, sondern auch differenzierte Entstehungsweisen. Erneut wird hier auf die Forschungsergebnisse von Mommaas zurückgegriffen, der eine Typologie mit sieben Dimensionen entwickelt hat, die im Kern die fundamentale Komplexität des Topos ‚kreatives Cluster‘ wiedergeben.111 Folgt man dem Autor, so lassen sich zunächst die horizontale Ausrichtung eines ‚kreativen Clusters’ (1), das sich entlang eines inhaltlichen Teilmarktes erstrecken oder aber interdisziplinär darstellen kann (Vgl. Mommaas 2004: 514) sowie seine vertikale Ebene erfassen (2), die weniger inhaltliche als funktionale Kooperationen zwischen den Bereichen Konsumtion, Präsentation und Produktion erfasst. Die Spannbreite reicht von monofunktionalen Clustern, die sich auf die gemeinsame Konsumtion und Präsentation ihrer Aktivitäten verständigt haben, bis zu multifunktionalen Clustern, die bewusst die funktionalen Ebenen der beteiligten Teilbranchen miteinander vernetzen, um dadurch höhere Synergieeffekte zu erzielen (Vgl. ebd.). Eine weitere Dimension bildet die Organisations- (3) und Finanzierungsstruktur (4). Während einige ‚kreative Cluster‘ durch eine Vielzahl an eigenständigen Organisationseinheiten gekennzeichnet sind, weisen andere eine zentralisierte Organistionsstruktur auf, die vorrangig Vermietungen, Quersubventionierungen, oder aber eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit umfassen. In Bezug auf die Finanzierungssituation würden sich ‚kreative Cluster‘ nicht nur dahingehend unterscheiden, zu welchem Grad ihre Finanzierung eine Verbindung mit dem öffentlichen oder privaten Sektor aufweist, sondern ebenfalls darin, wer ihre Akteure sind (Vgl. ebd.: 514f). Eine weitere Dimension erfasst die Offenheit eines ‚kreativen Clusters‘ (5), die wiederum eng mit der Genese desselben (6) verbunden ist. Obwohl ‚kreative Cluster‘ per se als Interaktionsplattform für involvierte Akteure gelten, unterscheiden sie sich maßgeblich in Bezug auf ihren Umgang mit dem Spannungsfeld, ein nach außen repräsentativer, identifizierbarer Ort zu sein, zugleich aber auch die perma-
111 Mommaas nutzt den Begriff des ‚kulturellen Clusters‘ als Sammelbegriff für kulturelle, kulturwirtschaftliche und kreativwirtschaftliche Branchen und Teilmärkte wie Multimedia oder Design (Vgl. Mommaas: 2009: 514). In der vorliegenden Untersuchung wird sein Begriff des ‚kulturellen Cluster‘ äquivalent zum ‚kreativen Cluster‘ verwendet.
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nenten Einflüsse ihres inhärenten kulturellen und urbanen Feldes wiederzugeben (Vgl. Mommaas 2004: 515f.). Im Rahmen der Clusterforschung haben sich hier in den letzten Jahren u.a. zyklische Modelle etabliert (Braunerhjelm/Feldman 2007; Tichy 2001). Im Kontext der Genese eines Clusters ist v.a. ihre Grundausrichtung (Bottom-Up/ Top-Down) entscheidend. Während konsumtionsorientierte Cluster i.d.R. öfter durch strategische Entwicklungsansätze geprägt sind, sind produktionsorientierte Cluster – auch aufgrund der bewussten Wahl ihres Standortes über Produktionsvorteile hinaus – in stärkerem Maße vom Eigeninteresse der involvierten Akteure geleitet: „This will come as no surprise given the more critical dependency of production-oriented sites on the willingness of cultural producers to involve themselves with the projects and the critical logic involved in their location choice.“ (Mommaas 2004: 516). Dabei können Bottom-Up Clusterbildungen durchaus als Gegenreaktion auf vorherrschende Establishments auftreten (Vgl. Evans 2009b: 34), wie Hausbesetzungen durch Künstler und politisch Aktive z.B. des Theaterhauses Flora in Hamburg zeigen.112 Interessant ist, dass das Wechselspiel der mit einem hohen symbolischen Kapitalwert versehenen Handlungen der kulturellen und kreativen Akteure mit dem urbanen Raum nicht selten zu einer – wenn auch von den Akteuren geradezu ungewollten – Bedeutungssteigerung des Ortes führt. Vor diesem Hintergrund ist auch die letzte Cluster-Dimension entscheidend, die diese in Bezug auf ihre Positionierung im räumlich-kulturellen Gefüge der Stadt erfasst (7). Während hochkulturelle und städtisch gesteuerte Cluster in vielen Städten in innerstädtischen Bereichen lokalisiert sind, bilden sich alternative ‚kreative Cluster‘ oftmals bewusst an ungewöhnlichen Standorten weitab des Zentrums aus – aus Distinktions-, aber auch finanziellen Motiven. Die Heterogenität der kultur- und kreativwirtschaftlichen Branchen sowie die zyklischen Entwicklungsstadien ihrer Cluster äußern sich in diesem Zusammenhang in unterschiedlichen Raumprofilen, die von zentral gelegenen Innenstadtquartieren mit guter öffentlicher Anbindung bis zu peripheren, ethnisch vielfältig geprägten Standorten mit kleinteiliger Dienstleistungsstruktur reichen (Vgl. Mommaas 2004: 516f.). Vor diesem Hintergrund erscheint für die Stadtpolitik insbesondere die Tatsache interessant, dass kulturelle und kreative Akteure durch ihr wirtschaftliches, aber auch kulturelles Handeln in der Lage sind, bestimmte Orte positiv zu kodieren: „Durch die Programmierung von Orten bzw. deren gezielte Ausformung mit Atmosphären erweisen sich die Ak-
112 Als das historische Konzert- und Kulturhaus „Flora“von einem privaten Investor zu einem kommerziellen Musical-Theater umgebaut werden sollte, wurde es 1989 kurzerhand von der linkspolitischen Szene Hamburgs besetzt. Der Besetzungszustand des in „Rote Flora“ umbenannten Gebäudes dauert bis heute an. Das umliegende Quartier ist mittlerweile hochgradig gentrifziert, während rund um die „Rote Flora“ immer wieder aufgeladene Nutzungskonflikte stattfinden.
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teure der Kreativwirtschaft als Raumproduzenten und soziale Architekten des PostUrbanen.“ (Lange 2007: 15) Hier setzt die hierarchisch-individualistische Strategie der ‚kreativen Cluster‘-Politik an. Strategische Ansätze einer ‚kreativen Cluster‘-Politik
Cluster-Strategien haben sich in den letzten Jahren unverkennbar als städtischinitiiertes Aktionsfeld etabliert. Die im Jahr 2010 erschienene Vergleichsstudie „Creative Metropoles“113, die elf europäische Städte in Bezug auf ihre strategischen Ansätze zur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft im städtischen Kontext untersucht hat, belegt die hohe Verbreitung ‚kreativer Clusterpolitiken‘ (Vgl. Creative Metropoles 2010: 46). Laut Selbstaussage der Städte stehen dabei u.a. die Chance auf eine Beförderung von Innovation und Forschung sowie die Möglichkeit, mithilfe von ‚kreativen Clustern‘ die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt zu stärken, im Mittelpunkt (Vgl. ebd.: 58). In der Praxis ist es ebenjenes Interesse seitens der Stadtentwicklungspolitik, das zu vielfältiger Kritik bezüglich der Übertragung der Clusterförderpolitik auf die Kultur- und Kreativwirtschaft geführt hat. So stehen v.a. die Motivation für die Platzierung von städtischen Clusterstrategien, ihre empirische Unschärfe, ihre vorrangig ökonomisch definierten Evaluationskriterien zur Bemessung von Erfolg sowie die Frage, ob ‚kreative Cluster‘ eine bestimmte organische Entwicklung (Bottom-Up) aufweisen müssen, bevor städtische Förderansätze greifen können oder ob diese von Beginn an durch eine gezielte politische Interventionen implementiert werden können, zur Disposition (Vgl. Pratt 2004b: 50). Damit richtet sich die Kritik u.a. gegen die „Pick-Winners“-Mentalität (Hospers/ Beugelsdijk 2002: 391) von Stadtpolitiken, bei der erfolgreiche Wirtschaftsansätze auf den kreativen Sektor übertragen werden, ohne vorher Rahmenbedingungen und Handlungslogiken zu prüfen, die für eine Cluster-Bildung der lokalen Akteure und Branchen notwendig sind (Vgl. ebd.: 391). Zuletzt beziehen sich skeptische Stimmen auf den Aspekt, dass es einer grundsätzlichen Bereitschaft der Akteure zur Kooperation mit der städtischen (hierarchischen) Kultur bedürfe, bevor Ansätze einer ‚kreativen Cluster‘-Politik wirken könnten (Vgl. Sternberg et al. 2004: 165). Die im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zu beobachtenden Ansätze einer ‚kreativen Cluster‘-Politik werden im Folgenden anhand der ClusterTypologie nach Mommaas (2004) dargelegt.
113 Die Vergleichsstudie „Creative Metropoles“ fand als Netzwerkprojekt zwischen den elf Städten Amsterdam, Barcelona, Berlin, Birmingham, Helsinki, Oslo, Riga, Stockholm, Tallinn, Vilnius und Warschau statt. Den Analyserahmen stellten urbane Politstrategien dar, die entlang ihres Inhalts, ihrer Instrumente sowie ihrer Governance-Dimension untersucht wurden. Zur weiterführenden Information s. www.creativemetropoles.eu.
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Die horizontale Ebene (1) wird im Rahmen von Clusterförderansätzen insbesondere in Bezug auf vorherrschende Produktionsnetzwerke und damit verbundene Wertschöpfungsketten114 aufgegriffen. Die Studie „Creative Metropoles“ (2010: 79) spricht an dieser Stelle auch von einer „entrepreneurial (innovation) policy“, die darauf ausgerichtet sei, die Unternehmenskapazität ‚kreativer Cluster‘ zu erweitern und eine Internationalisierung derselben zu befördern. Während bei monokulturell ausgerichteten Clustern bspw. Clusterpolitiken zu beobachten sind, die auf die Verlängerung der Wertschöpfungskette innerhalb der jeweiligen Teilbranche Bezug nehmen, wie durch die Verbesserung von verwaltungsabhängigen Rahmenbedingungen oder den Einsatz deregulierender Maßnahmen, bietet sich Evans zufolge für pluralistisch organisierte ‚kreative Cluster‘ eher eine horizontale Wertschöpfungskettenverlängerung an, z.B. über die Bereitstellung von interdisziplinären Workspaces, in der Synergien zwischen verschiedenen Teilbranchen entstehen können (Vgl. Evans 2009b: 40). Darüber hinaus existieren auf der horizontalen Ebene Maßnahmen zur Internationalisierung, etwa durch ein übergeordnetes Stadtmarketing, das vorhandene ‚kreative Cluster‘ mit kommuniziert (Vgl. Creative Metropoles 2010: 87). In Bezug auf die Heterogenität und Kleinteiligkeit der verschiedenen Branchen sollten, so sind sich Kritiker einig, Ansätze einer ‚kreative Cluster‘-Politik allerdings so ausgerichtet sein, dass sie vorhandene Wertschöpfungsketten zwar in ihrer Verlängerung unterstützen, gleichwohl aber auch Impulse aussenden, die über einen marktwirtschaftlich orientierten Radius hinausgehen (Lange et al. 2011; Evans 2009a, 2009b; Mommaas 2004; Pratt 2004a). Vor diesem Hintergrund scheint es folgerichtig, die horizontale Ebene ‚kreativer Cluster‘ eng mit ihrer vertikalen Ebene (2) zusammenzudenken, d.h. eine Clusterpolitik zu entwerfen, die funktionale Kooperationen zwischen den Bereichen der Konsumtion, Präsentation und Produktion befördert. Für ‚kreative Cluster‘, die ausschließlich auf (hoch)kulturelle Konsumtion fokussiert sind, erscheinen laut Evans z.B. strategische Ansätze sinnvoll, die das Aufbauen von Schnittstellen zu Produktionsorten (Kunstmarkt-Vertrieb, Museumsshops, Kunstmärkte) oder auch zur gastronomischen Szene ermöglichen. Cluster, die als kulturelle Produktions- und Konsumtionsorte zugleich fungieren, könnten demgegenüber in Bezug auf ihre Konsumtionsmöglichkeiten verlängert werden, z.B. durch die Schaffung von Ausstellungen oder Verkaufsmöglichkeiten (Vgl. Evans 2009b: 40). Dabei spiele auch ein möglichst heterogener Mix aus Produktions- und Konsumtionsangeboten, z.B. über
114 In Anlehnung an von Streit (2011: 21) lassen sich Wertschöpfungsbeziehungen der Kultur- und Kreativwirtschaft auf zwei Analyseebenen unterscheiden, die auch für Governance-Modelle relevant sind: der Ebene des Urhebers/ Originärproduzentens/ ausübenden Künstlers und der Produktion und Distribution der entstandenen Güter/Dienstleistungen.
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eine enge räumliche Anbindung an Cafés und Bars, die als Knoten- und Kristallisationspunkte für die Verbindung von nicht-kommerziellen und kommerziellen Branchen fungieren, eine entscheidende Rolle – ein Aspekt, der über eine „demand-side policy“ (Creative Metropoles 2010: 91) wie eine Verlängerung von Öffnungszeiten oder eine Erleichterung bei behördlichen Genehmigungen in Steuerungsmodellen aufgegriffen werden könne. Folgt man der Forschungsliteratur so zeichnen sich Ansätze einer ‚kreativen Cluster-Politik‘ auf der Organsationsebene (3) v.a. über administrative Hilfestellungen entlang der spezifischen Organisationsstruktur der jeweiligen Akteure und ihrer Teilbranchen aus.115 Im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt stellt sich diese Katalysatorenrolle v.a. über den Einsatz intermediärer Instanzen dar, die zwischen der hierarchischen und der individualistischen Kultur vermittelnd eingreifen und Interaktionen zwischen den verschiedenen Bereichen ermöglichen helfen sollen (Vgl. Lange et al. 2009a: 17). Eine inhaltliche sowie räumliche Koordinierung von Clusterbildungsprozessen wird in vielen Ländern Europas deshalb über städtisch initiierte Vermittlungsagenturen forciert. So wurde mit der Hamburg Kreativ Gesellschaft bspw. eine Einrichtung ins Leben gerufen, die seit 2010 als Mittler zwischen der Stadt und den Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft agiert (Vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2009: 5) und dabei u.a. durch eine besondere Rechtsform gegenüber den individualistischen Akteuren legitimiert werden soll.116 Neben institutionalisierten Intermediären setzt die ‚kreative Cluster‘-Politik außerdem auf professionelle Schnittstellenakteure (Vgl. Lange 2011: 52), wie etwa sog. Clustermanager zur Koordination und Unterstützung von ‚kreativen Clustern‘. Als Intermediäre sind sie nicht nur angehalten, detaillierte Branchenkenntnisse sowie Netzwerke und Kontakte in die zu betreuende Szene mitzubringen, als Mittler zwischen der hierarchischen und der individualistischen Kultur müssen sie zugleich von Verwaltungseinrichtungen akzeptiert sein (Vgl. von Streit 2011: 28). Die Clustertätigkeit kann sich dabei auf einzelne Immobilien oder einzelne Teilmärkte beziehen. Neben den skizzierten Service- und Beratungsleistungen richten sich Ansätze einer ‚kreativen Cluster‘-Politik außerdem an die finanzielle Eigenlogik der Orga-
115 So heisst es in einem OECD-Bericht: „Cluster initiatives originate in the trend towards forms of governance based on networks and partnerships. This coincides with a trend in policy making away from direct intervention towards creating mechanisms and incentives to indirectly facilitate the networking process.“ (Roelandt/den Hertog 1999: 13). 116 „Auf Grund der spezifischen Struktur der Zielgruppen kann [...] davon ausgegangen werden, dass die Rechtsform einer GmbH eine höhere Identifikation der Akteure mit der Arbeit der Agentur erzeugt.“ (Vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2009: 5)
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nisationsform (4). Mit der Maßgabe des „business enhancement“ (Creative Metropoles 2010: 77) zielt eine Vielzahl der Instrumente auf die Tatsache ab, dass ‚kreative Cluster‘ in hohem Maße von Klein- und Mikrounternehmen dominiert sind. Finanzielle Förderungen erfolgen neben behördlichen Zuwendungen deshalb auch über staatlich initiierte Finanzierungsfonds, die Wagniskapital für Einzelakteure und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft anbieten (Vgl. Creative Metropoles 2010: 126ff.) oder über Crowdfunding-Plattformen. Weitere Maßnahmen umfassen Mikrokredite oder Modelle zur Existenzgründerförderung. Einige Städte legen in Anlehnung an vorherrschende, priorisierte Cluster sogar ausgewählte Finanzierungsprogramme für einzelne Teilmärkte auf. In Ergänzung dazu plädieren Vertreter des zyklischen Verständnisses, das in den letzten Jahren die Clusterforschung dominiert (6), dafür, ‚kreative Cluster‘ in Bezug auf ihr jeweiliges Entwicklungsstadium zu unterstützen. Das in Tabelle 7 dargelegte Stufenmodell der Vergleichstudie „Creative Spaces“ zeigt spezifische Interventionsmöglichkeiten auf, die auf vier Typen einer ‚kreativen Cluster‘Entwicklung rekurrieren. In Abgrenzung zu konventionellen Cluster-Entwicklungsstufen bezieht das vorliegende Modell dabei v.a. die Rolle des öffentlichen Sektors, d.h. der hierarchischen Kultur, die unterschiedliche Beschaffenheit der einzelnen kreativen Teilmärkte sowie die Firmengrößen als Analysekriterien für die Skalierung mit ein (Vgl. Foord 2009: 99f.).117 Dabei wird zugleich deutlich, dass sich clusterbasierte, kreative Entwicklungsstrategien auch nachteilig in Bezug auf die Cluster-Konsolidierung auswirken können: Am Beispiel der spanischen Stadt Barcelona und ihrem Viertel Poblenou, das eine spezifische, aus dem Viertel heraus erwachsene ‚kreative Cluster‘-Dichte aufweist, die als aufstrebend eingestuft werden kann, zeigt Foord, dass eine städtische Förderung, wie durch das Programm „22@Barcelona“118, das ehemals aufstrebende Cluster plötzlich in ein abhängiges zu transformieren in der Lage ist. Vor dem Hintergrund der identifizierten Bedürfnisse einzelner Cluster-Stadien habe die Stadt damit am eigentlichen Interventionsbedarf des Clusters vorbei agiert: „The city ta-
117 Laut Studie existieren in einem Großteil der untersuchten Städtebeispiele entweder abhängige oder aufstrebende Cluster, die von verschiedenen öffentlichen Interventionen geleitet sind. Auch gewachsene Cluster lassen eine Unterstützung durch die öffentliche Hand erkennen, jedoch eher im infrastrukturellen Bereich. Vollentwickelte Cluster verzeichnen die geringsten öffentlichen Interventionen (Vgl. Foord 2009: 99f ). 118 Seit 2000 verfolgt Barceona eine ‚kreative Cluster‘-Politik, die Poblenou systematisch zu einem digitalen Medien-Standort entwickeln soll. U.a. durch die lange Laufzeit des Programms entwickelte sich das ehemals aufstrebende Cluster dabei zu einem abhängigen. Zur weiterführenden Information s. http://www.22barcelona.com sowie Tironi 2009.
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kes municipal rather than an enabling role, although recent initiatives have recognized the need for arms-length intervention and greater industry-led activity in cluster development.“ (Foord 2009: 103) Tabelle 7: Stufen einer kreativen Cluster-Entwicklung. Entwicklungsstadium 1. abhängig
2. aufstrebend
3. gewachsen
4. reif
Definition Kreative Unternehmen, die sich in direkter Konsequenz aus Interventionen des öffentlichen Sektors wie Unternehmensunterstützungen, kulturellen Infrastrukturmaßnahmen oder Finanzierungshilfen entwickelt haben. Notwendige öffentliche Unterstützung zum Erhalt des Clusters Limitierte und unterentwickelte Märkte Unabhängige kreative Unternehmen und/oder privatisierte Kreativunternehmen, die früher zum öffentlichen Sektor gehörten, die in Bezug auf Maßstab und Größe limitiert sind. Unterentwickelte lokale Märkte und begrenzte Konsumtions-Infrastruktur Hoher Grad von öffentlichen und institutionellen, verstärkenden Werbemaßnahmen Initiiert von einer wachsenden Zahl von kreativen Unternehmen in Kombination mit Infrastrukturförderungen von Seiten des öffentlichen Sektors Entwicklung von lokalen und regionalen Märkten Sichtbare kulturelle Konsumtion, Internationalisierung der Marktbreite Angeführt von etablierten Großunternehmen aus dem Kreativsektor mit bewährten Subunternehmer-Beziehungen und hochentwickelten nationalen und internationalen Märkten Business-to-Business Konsumtion. Unabhängig von öffentlichen Interventionen.
Eigene Übersetzung. Quelle: Foord 2009: 100.
Zuletzt sind es die spezifischen Standortanforderungen der kulturellen und kreativen Akteure an den urbanen Raum (7), die von clusterbezogenen Steuerungsansätzen aufgegriffen werden. Auch wenn aufgrund ihrer Heterogenität keine allgemeinen Standortanforderungen geltend gemacht werden können (Vgl. Ebert/Kunzmann 2007: 66), sprechen sich Befürworter durchaus für einige spartenübergreifende Merkmale aus. In der Praxis einer ‚kreativen Cluster‘-Politik würden sich die nachgefragten Raumqualitäten z.B. über eine günstige Infrastruktur in Bezug auf die Er-
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reichbarkeit des jeweiligen Teilraumes, eine ansprechende Bebauungsstruktur mit einem „hohen Lifestyle-Faktor“ (Hesse 2011: 42), sowie eine gute Raumverfügbarkeit, d.h. günstige Konditionen von Seiten des Immobilienmarktes darstellen (Vgl. Ebert/Kunzmann 2007: 69). Auf der nicht-physischen Ebene seien es v.a. ein offenes Klima, das einzelne Quartiere etwa aufgrund ihrer heterogenen Bevölkerungsstruktur und damit einhergehender diversifizierter Lebensentwürfe aufweisen, sowie ein vielfältiges Kultur- und Bildungsangebot, die zur Agglomerationstendenz ‚kreativer Cluster‘ beitragen würden. Den genannten Merkmalen zum Trotz gilt es, auch hier den branchendeterminierten Standortanforderungen Rechnung zu tragen. Die Studie „Kreative Ökonomie und kreative Räume“ (ILS/STADTart 2008)119 etwa kommt zu dem Schluss, dass Künstler, Start-Ups und Mikrounternehmen eher preisgünstige Räume in der Innenstadt oder an dessen Rand nachfragen, während Großunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft eher adressbildende Standorte favorisieren (Vgl. ILS/STADTart 2008: 27). In der Folge erscheint es zwingend notwendig, sich auf unterschiedliche Raumprofile der Kultur- und Kreativwirtschaft einzulassen, um die hohe Dynamik sowie Heterogenität der Teilbranchen auf eine kleinräumliche Ebene herunterzubrechen (Vgl. Ebert/Kunzmann 2007: 66). Steuerungsansätze einer ‚kreativen Cluster‘-Politik setzen in der Praxis deshalb immer häufiger auf ein ‚Screening‘ vorherrschender Raumtypen, um darauf aufbauend raumbezogene Maßnahmen zu generieren. Ein entsprechendes Entwicklungsmodell haben Ebert/Kunzmann (2007) bspw. für Berlin entworfen.120 Zusammenfassend wird deutlich, dass Ansätze einer ‚kreativen Cluster‘-Politik in enger Verbindung zum Entwicklungsstadium des jeweiligen lokalen ‚kreativen Marktes‘ sowie der Frage nach dem Zugang zum Cluster und seiner Entwicklungschancen aufgestellt sein müssen (Pratt 2004a). In der Folge hat sich in verschiedenen Studien die Meinung durchgesetzt, dass städtische Planungsansätze eher an existierende Cluster-Bewegungen vor Ort anknüpfen sollten als gänzlich neue zu initiieren (von Streit 2011; Hesse 2011) – zumal die Möglichkeit der Steuerbarkeit
119 Die Studie war vom Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes NRW an das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH (ILS NRW) und das Stadtplanungsbüro STADTart mit dem Auftrag vergeben worden, „ein Spektrum von handlungsorientierten ‚Bausteinen‘ für eine kreativitätsorentierte Stadtentwicklungspolitik zu erarbeiten“ [Herv. i.O.] (Vgl. ILS/STADTart 2008: 3). 120 Ausgehend von der Prämisse, dass kreative Räume „sich nicht planen oder gar ‚machen‘ [lassen]“ [Herv. i.O.] (Ebert/Kunzmann 2007: 64), zudem „die Chance, dass sich ein Raum in einer Stadt zu einem kreativen Raum entwickelt, umso grösser [sei], je behutsamer öffentlich interveniert wird“ (ebd.: 71), haben Ebert/Kunzmann auf der Basis von spezifischen Merkmalen sieben Raumtypen identifiziert, anhand derer sie Handlungsanleitungen für eine ‚kreative Cluster‘-Politik ableiten (Ebert/Kunzmann 2007).
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von ‚kreativen Clustern‘ faktisch begrenzt bleibt: „Es zeigt sich, dass die von außen gewollte und organisierte Förderung von Clustern nicht immer mit den Vorstellungen der einzelnen Akteure dieser Cluster übereinstimmen.“ (Kunzmann 2004: 41) Ein stadtpolitisch induzierter Cluster-Ansatz sollte vor diesem Hintergrund eher als Katalysator denn als Stimulator in Erscheinung treten (Vgl. Kong/O’Connor 2009: 2). Beispiele aus der internationalen Planungspraxis
In der Praxis hat der Anwendungsradius einer ‚kreativen Cluster‘-Politik nicht nur die kommunale Ebene erfasst, sondern bildet sich auch überregional und national ab. Kommunale Cluster-Ansätze, die neben teilmarkt- oder quartiersbezogenen Ansätzen auch die Etablierung von Themenimmobilien umfassen, lassen sich beispielhaft in Kopenhagen mit dem Ansatz der kreativen Zonen (Vgl. OECD 2009: 143), in Zürich mit dem Mehrebenenmodell (Vgl. Held/Kruse 2005: 50) oder im asiatischen Raum mit der Factory 789 in Peking verzeichnen (Vgl. Zukin 2010: 58f.). Teilweise lassen sich auch Mischformen mit rein hierarchischen Instrumenten, wie im Fall der RUHR.2010 feststellen.121 Dass strategische Ansätze einer kommunalen ‚kreativen Cluster‘-Politik dabei zuweilen auch diametral zu vorherrschenden individualistischen Bewegungen stattfinden, war mit dem Beispiel Barcelonas bereits deutlich geworden. In Abgrenzung zu kommunal geprägten Ansätzen sind zudem regionale Ansätze zu verzeichnen, wie es etwa das Bundesland Nordrhein-Westfalen mit dem Clusteransatz „CREATIVE.NRW“ verfolgt, der ausgewählte Teilsegmente der Kultur- und Kreativwirtschaft als thematisch spezialisierte Kompetenzfelder unterstützen soll.122 Das Programm, das von einem sog. ‚Cluster-Sekretariat‘ gesteuert wird, wurde im Jahr 2009 mit dem Ziel der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Bundeslandes ins Leben gerufen. Neben ihrer Funktion als zielgerichtetes Instrument für die Standortsicherung fungiert das Cluster-Programm außerdem als MarketingInstrument: „Unter der Marke CREATIVE.NRW will das Clustermanagement die Wirtschaftskraft der Kreativbranchen Nordrhein-Westfalens national und international sichtbar machen und ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig stärken“ (http:// www.creative.nrw.de vom 31.01.2014). Entsprechend zählen zu den Arbeits-
121 Zu den Clusterförderansätzen von RUHR.2010 gehörte bspw. der Zusammenschluss von 20 lokalen Museen zum Netzwerk „RuhrKunstMuseen“, verbunden mit dem Ziel „eine Marke als Kennwert“ zu schaffen, „um sich als Tourismus-, Bildungs- und Kulturangebot langfristig und international zu profilieren“ (Scheytt et al. 2011: 309). 122 Der Cluster-Ansatz CREATIVE.NRW bezeiht sich auf die sechs Teilbranchen Kunstmarkt, Werbewirtschaft, Designwirtschaft, Modedesigns, Musikwirtschaft sowie das Buchverlagswesen.
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schwerpunkten die Entwicklung und Etablierung des Labels „CREATIVE.NRW“, der Aufbau eines Unterstützungsnetzwerkes sowie die gezielte Nachwuchsförderung. Auf der nationalen Ebene sind Clusterinitiativen zuletzt oftmals mit der Ausgründung von Entwicklungsagenturen für die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft verbunden. Als deutsches Beispiel kann hier die „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes“ angeführt werden, die 2007 mit dem Ziel gegründet worden war, die Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft zu stärken, das Arbeitsplatzpotenzial der Branchen weiter auszuschöpfen sowie die Erwerbschancen kleiner Kulturbetriebe und freischaffender Künstlerinnen und Künstler zu verbessern. In insgesamt acht Regionalbüros werden seit 2010 Orientierungsberatungen und Sprechtage angeboten, um die Professionalisierung sowie regionale Vernetzung der Akteure der Kultur- und Kreativszene voranzubringen123.
1.4.2.3 Hierarchisch-individualistische Ansätze revisited Die angeführten Beispiele haben aufgezeigt, dass sich die Entwicklungsrichtung hierarchisch-individualistischer Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt als Mischform aus Top-Down und Bottom-Up darstellt. Im Rückgriff auf die Cultural Theory wurde deutlich, dass sich die Annäherung der hierarchischen an die individualistische Kultur in einer stärkeren Marktorientierung anstelle von Regelbefolgungen darstellt (geringe Group, geringe Grid), motiviert von dem Ziel, mithilfe einer ‚unternehmerischen‘ Stadtpolitik ökonomisches Wachstum zu generieren. Zugleich wurde sichtbar, dass durch diese Prioritätensetzung ein Widerspruch zum originären Selbstverständnis der hierarchischen Kultur entsteht, da gemeinwohlorientierte Interessen zugunsten von ökonomischem Wettbewerb in den Hintergrund geraten. Der Widerspruch manifestiert sich auch in der Umsetzung der beschriebenen Ansätze, die nicht nur zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Akteuren aus der Kultur- und Kreativwirtchaft sowie daraus resultierenden Unternehmensneugründungen führen, sondern zuweilen in einer Indienstnahme derselben für imagepolitische Standortpositionierungen. In der Folge droht die Gefahr, dass die Handlungs- und Formierungslogik kultureller und kreativer Akteure ausschließlich auf ökonomische Kausalitäten reduziert wird, die zu einer Reduzierung der komplexen Interaktionszusammenhänge sowie der notwendigen Offenheit der arbeitsteiligen Prozesse ihrer Teilmärkte und Wertschöpfungsketten führen können. Die spezifische Akteursstruktur ist es auch, die mit der nötigen Sensibilisierung betrachtet werden muss, wenn langfristig tragbare hierarchisch-individua-
123 Zur weiterführenden Information s. https://www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/.
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listische Steuerungsmodelle entwickelt werden sollen, wie sie bereits mit dem Modell der Co-Governance nach Kooiman (2003) aufgezeigt worden sind. So erscheinen die vorgestellten beiden Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt eher für jene Standorte oder inhaltliche Teilbereiche anwendbar, die einen klaren kreativwirtschaftlichen Fokus aufweisen und explizit marktorientiert agieren. Zugleich wird deutlich, dass es diverse Ausformungen hierarchisch-individualistischer Strategien gibt, die nicht per se mit dem Vorwurf der Ökonomisierung und Funktionalisierung für stadtentwicklungspolitische Maßnahmen gleichgesetzt werden können. So lassen einzelne ‚kreative Cluster‘ in ihrer spartenbezogenen Hybridität bspw. auch ein Bewusstsein dafür erkennen, dass die ökonomischen Effekte des Clusters nur durch die Sicherung des immateriellen, symbolischen Wertes der Kultur entstehen können (Vgl. Mommaas 2004: 512). In der Folge muss es darum gehen, Alternativen einer entrepreneursbezogenen Kreativpolitik zu entwerfen, die sorgsam mit dem interdependenten Verhältnis der kulturellen und kreativen Akteure mit dem urbanen Raum sowie dem ökonomischen Feld umgehen und dabei gleichermaßen das Spannungsverhältnis zwischen einer proaktiven Beförderung kultur- und kreativwirtschaftlicher Potenziale und der Sicherung des immateriellen Wertes künstlerischer und kreativer Güter im Auge behalten kann. Die Konvergenz einer ‚kreativen Cluster‘-Politik zu verwandten Konzepten wie der ‚Lernenden Region‘ oder dem kreativen Milieu zeugen bereits von einer entsprechenden Weiterentwicklung (Vgl. Thomi/Sternberg 2008: 74).
1.4.3 Hierarchisch-egalitäre Ansätze Egalitäre Strategien zeichnen sich im vorliegenden Untersuchungsbeispiel insbesondere dadurch aus, dass sie kulturelle und kreative Entwicklungen eng an die Bedürfnisse lokaler Gruppierungen und Organisationen koppeln (hohe Group). Ausgehend von einem basisdemokratischen Verständnis bemisst die egalitäre Kultur Erfolg nicht an ökonomischem Wachstum, sondern vorrangig an sozialen und gesellschaftlichen Zielen und wendet sich – in ihrem Selbstverständnis als Gegenbewegung zu individuell-kapitalistischen sowie verwaltenden Einheiten – explizit von Marktmechanismen sowie bürokratischen Strukturen ab: „Instead, communitarianism and participative organization, in the form of radically decentralized self-governing units rather than conventional large-scale state structures, are believed by egalitarians to be a distinctive alternative.“ (Hood 1998: 120) Um einem Scheitern durch zu starre, hierarchische Strukturen entgegenzuwirken, richten egalitäre Akteure ihren Fokus vielmehr auf partizipative Strukturen und Bottom-Up Entscheidungsprozesse (hoher Grid), um auf diesem Wege Machtspiele einzudämmen, Korruption und Manipulation durch Transparenz zu verhindern und potenzielle Ri-
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siken zu mindern. Die verschiedenen Variationen der Organisationsformen zeugen damit einerseits vom normativen Anspruch dieses Kulturtypes124,andererseits macht die Vielfalt deutlich, dass egalitäre Ansätze keineswegs verkürzt als politisch motivierte Organisationsformen verstanden werden dürfen (Vgl. Hood 1998: 132). Wenngleich sich die egalitäre Kultur von den Handlungsparametern der individualistischen sowie der hierarchischen Kultur abhebt, erfährt auch sie Kritik: für ihre Mittelfristigkeit, etwa wenn sie die Rolle des privaten Sektors, der oft Hand in Hand mit öffentlichen Institutionen arbeitet, in Entwicklungsfragen kategorisch ausblendet (Vgl. Grodach/Loukaitou-Sideris 2007: 355), oder für ihre Organisationsstruktur, die sich durch die vielfältigen partizipativen Abstimmungsprozesse oftmals sehr zeitaufwendig darstellt, wodurch Entscheidungen teilweise sehr spät gefällt werden oder gar Gefahr laufen, in einer gegenseitigen Blockade zu versanden. Entsprechend merkt Douglas an, dass die egalitäre Kultur zwar „good at disrupting“, in Bezug auf die Kleinteiligkeit ihrer Organisationsstruktur jedoch „bad at administration“ sei (Douglas 2005: o.S.). Für Hood erscheint die egalitäre Kultur nicht zuletzt aus diesen Gründen eher für ausgewählte Teilthemen als für komplexe Sachverhalte geeignet (Vgl. Hood 1998: 131). Im Kontext ‚unternehmerischer‘ Stadtentwicklungsstrategien hat sich in den letzten Jahren eine Tendenz herausgebildet, innerhalb derer stadtökonomische Strategien nicht länger einen Gegensatz zu sozial-integrativen Programmen bilden, sondern systematisch mit diesen verbunden werden. Diese hybriden Formationen, die sowohl auf die hierarchische als auch die egalitäre Kultur zurückgreifen, lassen sich in Anlehnung an Heeg/Rosol (2007: 496) als Strategien eines neuen, „weichen Neoliberalismus“ beschreiben: „Dabei werden auch ehemals eher mit Protestbewegungen in Verbindung gebrachte Elemente wie Selbsthilfe, neue Lebensformen, neue soziale Dienste des Dritten Sektors sowie eine kulturelle ‚alternative‘ Szene und allgemein freiwilliges Engagement von unternehmerisch orientierten Stadtverwaltungen aufgegriffen und als ‚endogene Potenziale‘ für das Standortmarketing und das Outsourcing vormals städtisch-staatlicher Aufgaben genutzt.“ [Herv. i.O.] (ebd.)
Der in der vorliegenden Untersuchung als ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ bezeichnete hybride Entwicklungsansatz, der sich in den letzten Jahren auf städtischer
124 „That approach to organization can be linked to a broader vision of good government, which takes ‚groupism‘ rather than ‚bossism‘, ‚choicism‘ of ‚chancism‘ as the point of departure or central organizing principle for co-operative behaviour. The egalitarian aproach to organization involves at least three closely interrelated elements. They are group-self management, control by mutuality, and maximum face-to-face-accountability.“ [Herv. i.O.] (Hood 1998: 122)
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Seite im Rückgriff auf die egalitäre Kultur ausgebildet hat, ist ein deutliches Beispiel für diesen ‚weichen Neoliberalismus‘. Der Begriff der Kontextsteuerung, der durch Willke Ende der 1980er Jahre als Form der Überwindung des „Steuerungspessimismus der Luhmannschen Systemtheorie“ (Lange, S. 2007: 183) zugunsten einer Steuerungsform für komplexe Systeme geprägt wurde125, knüpft an die Selbststeuerungsmechanismen von gesellschaftlichen Teilsystemen sowie die Annahme an, dass „Steuerung [...] nur indirekt durch die Gestaltung von deren Funktionsbedingungen möglich ist“ (Gläser/Lange 2007: 437). Damit postuliert der Ansatz die These, dass mithilfe von spezifischen Stimuli die Handlungen ausgewählter Teilsysteme beeinflusst werden können.126
1.4.3.1 Milieuspezifische Kontextsteuerung Als hybrider Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt rekurriert die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ explizit auf die Handlungs- und Formierungslogik der egalitären Akteure in ‚kreativen urbanen Milieus‘ (Vgl. Kap. 1.1.2). Ausgehend von einem Verständnis, nach dem die milieuspezifische Organisationsform sowohl den Nährboden für die Arbeits- als auch die Lebensstilanforderungen kultureller und kreativer Akteure bereitet, setzt der hierarchisch-egalitäre Ansatz auf die Entwicklung spezifischer Stimuli, die die besondere Verflechtung aus künstlerischer ‚Kreativität‘, alternativen Lebensmodellen, wirtschaftlichem Unternehmertum und einer offenen, urbanen Atmosphäre aufgreifen. Damit einher geht eine Loslösung von ausschließlich ökonomisch motivierten Handlungsmodi zugunsten einer Fokussierung von kulturellen und sozialen kontextuellen Bedingungen, die in der
125 Der Begriff der Kontextsteuerung wurde durch den Soziologen und Rechtwissenschaftler Willke geprägt, der ausgehend von spezialisierten Teilsystemen die Frage aufgeworden hatte, „wie diese in einen synergetischen, produktiven Zusammenhang gebracht werden können – und zwar ohne, dass die Autonomie der Teile dadurch eingeschränkt wird. Die Steuerung komplexer Unternehmen [...] muss sich vom Leitbild hierarchischer Interaktionsbeziehungen verabschieden und sich auf die retikulare, vernetzte Kommunikationsstruktur gleichgeordneter Funktionssysteme neu einstellen.“ (Willke 1989: 89) Zur weiterführenden Information s. Willke 2001. 126 Nach Pöllmann lässt sich unter Kontextsteuerung eine Steuerungsstrategie verstehen, die „als zielgerichtete Bereitstellung von Organisationsformen, Verfahrensweisen und Kompetenzabgrenzungen [...] dazu beitragen soll, die Selbststeuerung der Teilsysteme zu erhöhen und durch Überwindung von Grenzen gesamtgesellschaftliche Problemlösungskapazitäten zu erhöhen“ (Pöllmann 2006: 160).
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Lage sind, die Entstehung von ‚kreativen urbanen Milieus‘ zu befördern oder zu konsolidieren. Folglich hebt sich das Modell der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ deutlich von hierarchisch-individualistischen Hybriden einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt ab. In Abgrenzung zum 3-T-Modell, das nach Berufsgruppen definiert ist und sich vorrangig an externe, hochqualifizierte Akteure richtet, orientiert sich die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ an einem Verständnis, das ‚Kreativität‘ als Individualmerkmal und sozialräumliche Vergemeinschaftungsform begreift und durch ihren Lokalbezug als endogener Ansatz zu verstehen ist. Neben den physischen Rahmenbedingungen eines Ortes rücken dabei v.a. jene sozio-kulturellen Faktoren in den Fokus, die Kommunikation und Interaktion zwischen kulturellen und kreativen Akteuren befördern und damit den Zugang zu den für die Distribution relevanten Netzwerken eröffnen. Zugleich ist das Modell vom Ansatz der ‚kreativen Cluster‘-Politik zu unterscheiden. Denn während letztere den Erfolg der Agglomeration kultureller und kreativer Einzelakteure und Unternehmen vorrangig anhand ihres Innovations-Outputs sowie ihrem wirtschaftlichen Umsatz bemisst, betont die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ die äußerst heterogenen Interessen und Handlungslogiken ihrer Akteure, deren Erfolg nicht immer monetär bestimmt ist. Zwar kann sich auch in ‚kreativen urbanen Milieus‘ der Wissens-Spillover in einer Form der wirtschaftlichen Produktivität niederschlagen, zunächst stehen laut Selbstverständnis der egalitären Kultur jedoch die Stärkung von Netzwerken und lokalen Szenen sowie der informelle Wissensaustausch an vorderster Stelle. Damit ist die Ausbildung des Hybrids der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ auch als Reaktion auf die zunehmende Kritik der egalitären Kultur an hierarchischen oder hierarchisch-individualistischen Ansätzen zu verstehen. Anknüpfend an das Grundprinzip der Cultural Theory, demzufolge die einzelnen Kulturen zwar unvereinbare, zugleich aber miteinander in Wechselbeziehung stehende Formen der Organisation darstellen, war am Beispiel der „Recht auf Stadt“-Debatte illustriert worden, dass ein deutliches Wechselverhältnis zwischen der hierarchischen und der egalitären Kultur vorherrscht: Je mehr ‚kreative‘ Steuerungspolitiken hierarchische Akteure implementieren, umso stärker formiert sich die egalitäre Gegenbewegung. Mit dem hierarchisch-egalitären Hybrid der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ reagiert die hierarchische Kultur ihrerseits auf die Kritik der egalitären Kultur an zu starren, ökonomistisch orientierten Steuerungsmodellen. Auch wenn die Praxis der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen für kulturell und kreativ Tätige generieren möchte, bleibt das langfristige Interesse der hierarchischen Kultur, nämlich stadtentwicklungspolitische sowie wirtschaftliche Folgeeffekte anzustoßen, nach wie vor bestehen. Entsprechend verurteilen Kritiker den hybriden Ansatz v.a. dahingehend, dass die hierarchische Kultur keineswegs uneigennützig reagiere, sondern mit ihrem Handeln gezielte machtpolitische Interessen verfolge, wodurch sie automatisch
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„immer mehr als nur ein Primus inter Pares“ sei (Lange, S. 2007, S.: 186). Diese neue Form des Steuerns, die „die politische Rationalität eines neoliberalen Ethos von Selbst-Verantwortung mit dem neokommunitaristischen Ideal von aktiver Bürgerschaft und Gemeinsinn [kombiniert]“, kann Heeg/Rosol (2007: 297) zufolge, die sich hier auf den britischen Soziologen Nikolas Rose beziehen, als ein „governing through community“ bezeichnet werden. Mithilfe der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ soll die hohe Selbststeuerungsfähigkeit der kulturellen und kreativen Akteure in Branchen oder Szenen aufgegriffen und zugleich die Interessen einer neoliberal orientierten Stadtpolitik erfüllt werden. Die Implementierung ‚kreativer urbaner Milieus‘ in politstrategische Maßnahmenkataloge wirft dabei die Frage auf, ob diese – trotz ihres hybrides Ansatzes – überhaupt strategisch gesteuert werden können oder ob derartige Ansätze diametral zum Erklärungszusammenhang durch die soziale Praxis ihrer Akteure stehen. Zur Typologisierung von ‚kreativen urbanen Milieus‘
Bereits Kapitel 1.1.2 hatte aufgezeigt, dass die Erfassungsgröße ‚kreatives urbanes Milieu‘ eng mit der netzwerkorientierten Handlungslogik der Akteure der Kulturund Kreativwirtschaft sowie ihren lebensstilspezifischen Anforderungen an den urbanen Raum verbunden ist. Als Rückbettungskontext stellt es die physischen und sozioökonomischen Ressourcen seiner Akteure bereit. Folglich bedürfen strategische Förderansätze v.a. einer Blickrichtung, die „ein neues Verständnis von nichtökonomischen Handlungskontexten als integrale Bestandteile ökonomischen Handelns“ (Bürkner 2004: 163) transportiert. Die im Jahr 2010 veröffentlichte Studie „Kreative Milieus und offene Räume in Hamburg“, die in dem Bestreben entstanden war, die wirtschaftlich geprägte Debatte um eine „Politik der kreativen Stadt“ durch eine sozialräumliche Dimension zu erweitern (Vgl. FHH/BSU 2010: 4), legt eine definitorische Erfassung von ‚kreativen Milieus‘ in ihrer Verflechtung mit dem urbanen Raum vor, die weitestgehend mit dem in der vorliegenden Arbeit verwendeten heuristischen Konzept des ‚kreativen urbanen Milieus‘ übereinstimmt.127 Da-
127 Die Hamburger Studie erfasst ‚kreative Milieus‘ über sieben Kriterien: (1) Sie manifestieren sich „an ereignisreichen Orten des Städtischen“, wo sie „vielfältige Öffentlichkeiten und spezifische Atmosphären“ generieren. (2) Sie entstehen in einer engen „Wechselbeziehung zwischen Nutzungsformen, Akteursinteressen und Raumoptionen“, wodurch sie sowohl Produzenten als auch Konsumenten umfassen. (3) Ihre Heterogenität bildet sich in einer Vielfalt „kleinteiliger, hochspezialisierter Nutzungen“ ab. (4) Sie stellen nicht nur „ideelle und monetäre Wertschöpfungssysteme“ dar, sondern sind durch vier unterschiedliche Typen und Phasen geprägt (5). In ihrer Funktion als „Katalysatoren für die Transformation von Räumen“ (6) entstehen sie häufig entlang räumli-
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rüber hinaus bringt sie – im Rückgriff auf das Vier-Felder-Schema „kreativer Umwelten“ nach Saris/Brouwer (2005), das den Anspruch verfolgt, auf nahezu alle Standorte mit kreativ(wirtschaftlich)en Aktivitäten übertragbar zu sein128 – vier Typen von ‚kreativen urbanen Milieus‘ in Stellung, die im Kontext einer Annäherung an die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ ebenfalls für die vorliegende Studie geltend gemacht werden sollen (Vgl. Abb. 9). Abbildung 9: Vier Typen von kreativen Umwelten.
Eigene Übersetzung. Quelle: Saris/Brouwer 2005: 116.
In der Hamburger Studie dient das Vier-Felder-Schema als Basis, um die unterschiedlichen Entwicklungsphasen und damit zusammenhängende Rahmenbedingungen von ‚kreativen Umwelten‘ zu erfassen (FHH/BSU 2010: 25). Dabei behaupten die vier abgeleiteten Formen keine „Deckungsgleichzeit zwischen kreativem Milieu und Raum“ (ebd.: 23), vielmehr lassen sie in ihrer Gesamtheit ausge-
cher und gesellschaftlicher Spannungsfelder, deren Reibungspunkte sie als Stimuli produktiv aufgreifen (7) (Vgl. FHH/BSU 2010: 24f.). 128 Entlang der Achsen geschlossen-offen („introvert-extrovert“) und experimentellmarktkompatibel („experiment-market“) hatten Saris/Brouwer (2005: 116) aufgezeigt, in welchem Maße durch unterstützende Maßnahmen auf ‚kreative Umwelten‘ eingewirkt werden könne. So seien offene Umwelten bspw. in höherem Maß von einem interaktiven urbanen Kontext abhängig als geschlossene, und benötigen experimentelle Umwelten größere Unterstützungsmaßnahmen als bereits kommerzialisierte.
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wiesene räumliche und sozioökonomische Indikatoren hervortreten, die die einzelnen Typen ‚kreativer urbaner Milieus‘ kennzeichnen und die es, im Bestreben spezifische Steuerungsmechanismen zu entwickeln, durch gezielte Maßnahmen zu unterstützen gelte (Vgl. FHH/BSU 2010: 23). So stellt sich das Transaktions- oder Umbruchmilieu als offenes und marktkompatibles Organisationsmodell dar. Folgt man der Hamburger Studie, zeichnet es sich auf der räumlichen Ebene durch die Aneignung solcher Orte aus, die „aufgrund ihrer Lage, Nutzung oder räumlichen Struktur für einen unbestimmten Zeitraum aus dem städtischen Verwertungszyklus ausbrechen“ (ebd.: 43) und damit neue Impulse für das angrenzende Quartier sowie neue öffentliche Wahrnehmungen generieren. Auf der sozioökonomischen Ebene würden besonders solche Orte nachgefragt, die über ein offenes und tolerantes Umfeld bspw. durch eine kulturell vielfältige Bewohnerschaft verfügen. Nicht selten würden Schlüsselpersonen eine essenzielle Rolle spielen, die neue Kommunikationsnetzwerke und interdisziplinäre, multifunktionale Nutzungen schaffen, auch wenn diese häufig im Kontrast zu den originären lokalen Milieus stehen (Vgl. ebd.). In Anlehnung an Saris/Brouwer (2005: 132) ist das Transaktionsmilieu von einer mittelfristigen Stabilität gekennzeichnet, da es sich in einem späteren Stadium durchaus zu einer geschlosseren Organisationsform wie dem Produktionsmilieu entwickeln kann. Das Produktionsmilieu, das ebenfalls marktkompatibel, jedoch in sich geschlossener aufgestellt ist, bezieht sich auf der räumlichen Ebene auf lokale Agglomerationen von Einzelpersonen oder Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, die in ineinandergreifende, effizient arbeitende Wertschöpfungsketten eingebunden sind. Entsprechend bilde sich der Milieutyp vorrangig in zentral gelegenen, häufig renommierten und gut erschlossenen Stadtquartieren ab, die entweder aus Repräsentationsgründen oder aufgrund spezifischer Faktoren, die relevant für die Entwicklung des jeweiligen Unternehmerprofils sind, nachgefragt würden. Während bei größeren Betrieben das Unternehmen den wichtigsten sozialräumlichen Kontext darstelle, seien kleinere Unternehmen in höherem Maße auf „Interaktionskontexte resp. Milieukontexte angewiesen, in denen sie weitere Inspirationen und Wissen erwerben“ könnten (FHH/BSU 2010: 58). In Anlehnung an Saris/Brouwer (2005: 132) stellt es sich als das stabilste der vier Milieutypen dar. Das Szene- und Trendmilieu (Inkubationsmilieu) unterscheidet sich gegenüber dem Produktionsmilieu v.a. durch seine experimentelle, wenn auch ebenfalls geschlossene Ausrichtung. In Anlehnung an die Hamburger Studie sind Szene- oder Trendmilieus auf der räumlichen Ebene vorrangig in historisch gewachsenen, zentralen Quartieren mit attraktiver Bausubstanz lokalisiert (Vgl. FHH/BSU 2010: 51). Geprägt durch eine hohe Dichte von kleinteiligen Unternehmen und Interaktionsräumen wie Cafés und Bars würden ihre Aktivitäten nicht nur eine hohe Frequentierung gewährleisten, sondern auch die Vitalität und Nutzungsdichte des Viertels maßgeblich befördern (Vgl. ebd.). Auf der sozioökonomischen Ebene stehe der Mi-
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lieutyp in besonderem Maße für die Zusammenführung von Arbeit- und Lebensstil, was ihn als Treffpunkt u.a. von Off-Kulturen prädestinieren und in einer vermehrten Ansiedlung von Start-Up-Unternehmern, die den fließenden Übergang von Wohnen und Arbeiten für ihre Zwecke nutzen, resultieren würde. In Bezug auf ihre Entwicklungsgeschichte orientiert sich der Milieutyp vorrangig entlang der vertikalen Achse, d.h. im Falle einer Kommerzialisierung diffundiert er in Richtung etablierter und lokal verankerter Milieus (Vgl. Saris/Brouwer 2005: 132). Das etablierte und lokal verankerte kreative Milieu (‚kreative Arbeitsstätten‘) bildet sich zuletzt vorrangig in innerstädtischen, zentral zugänglichen Quartieren ab. Auch wenn sich der Milieutyp als offen und experimentell darstellt, sei er i.d.R. von einem gesättigten Mietniveau mit einem gewachsenden Standard gekennzeichnet.129 Auf der sozioökonomischen Ebene versammele der Milieutyp v.a. Akteure, deren Werte wie „eine liberale Grundhaltung, Offenheit, Toleranz und kulturelle Vielfalt“ (FHH/BSU 2010: 54) in der Vergangenheit eng mit politischem Engagement verflochten waren. Auf Basis der vier vorgestellten Milieutypen leitet die Hamburger Studie sodann sieben räumlich und sozial relevante Indikatoren für ‚kreative urbane Milieus‘ ab, die – auch wenn sie auf das Fallbeispiel Hamburg rekurrieren – auf ihrer Metaebene durchaus darüber hinaus geltend gemacht werden können (Vgl. Tab. 8). In ihrer Gesamtheit machen die Typologie sowie die daraus abgeleiteten Indikatoren deutlich, dass je nach Standort und den an ihm vorherschenden Umweltfaktoren unterschiedliche ‚kreative urbane Milieus‘ identifiziert werden können, die wiederum ortsspezifische Interventionsmöglichkeiten einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt nach sich ziehen. Obgleich es einige Standortfaktoren gibt, die trotz der Heterogenität der Akteure für Milieukonstituierungen gleichsam interessant sind, falle die Definition einer attraktiven urbanen Umwelt je nach Kreativbranche und Tätigkeit, aber auch der Professionalitätsstufe der Akteure oder Unternehmen sehr unterschiedlich aus (Vgl. Spars 2010: 82). Dies wurde bereits mit den unterschiedlichen Standortanforderungen kreativer Branchen im Rahmen der ‚kreativen Cluster‘-Politik thematisiert. Aufgrund der Flüchtigkeit lokaler Szenen sind ‚kreative urbane Milieus‘ – bis auf das Produktionsmilieu – zudem von einer grundsätzlichen Instabilität geprägt, die die Ausbildung von Förderansätzen zusätzlich erschwert: „Creative urban milieux are places of great social and intellectual turbulence: not comfortable places at all.“ (Hall 2000: 646)
129 Oftmals lasse sich die Genese von etablierten und lokal verankerten Milieus in Deutschland bis in die 1970er oder 1980er Jahre zurückdatieren, in denen vielfältige, heute als Kunst- oder Stadtteilkulturzentren fungierende Häuser besetzt, erschlossen und sukzessive etabliert worden sind (Vgl. FHH/BSU 2010: 54).
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Tabelle 8: Räumliche und soziale Indikatoren für ‚kreative urbane Milieus‘ am Beispiel Hamburgs. Indikator
Räumliche und soziale Relevanz
Lage
− − −
Raumverfügbarkeit
− −
Sichtbarkeit
− − −
Schlüsselakteure
− − −
Punktuelle Konzentration
− − −
Spannungsfelder
− − −
Mobilität der Szene/ Veränderung von Milieus
− −
unterschiedliche Standorte für unterschiedliche Milieus verschiedene Ansprüche an Lagen gute Erreichbarkeit Angebot vs. Nachfrage Raumpotenziale vs. Offenheit für Nutzungen Bekanntmachung über nicht-alltägliche Aktionen Lebendigkeit über verdichtete Angebotsstrukturen Erlebbarkeit zB über architektonisch oder symbolisch relevante Projekte Orteaufspürer Vermittler gegenüber Politik und Verwaltung Aktivierung von Orten sukzessive Verdichtung von Nutzungen Kombination aus Ortsspezifik und programmatischer Verdichtung Schaffung von Synergieeffekten, Stimulation von Netzwerkbildungen heterogene, von Polaritäten geprägte Strukturen Nährboden für Kreativität Möglichkeitsräume für ein breites Nutzerspektrum kreative Milieus als permanent dynamische Systeme Faktoren der Veränderungsprozesse sind nur bedingt steuerbar
Quelle: FHH/BSU 2010: 62ff, Eigene Darstellung.
Strategische Planungsansätze für ‚kreative urbane Milieus‘
Die vorgestellte Typologie hat anschaulich gemacht, dass am Beginn einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ zunächst eine ortsspezifische Erfassung bereits existierender Milieus und ihrer Umwelten sowie potenzieller Entwicklungsperspektiven stehen muss. Ausgehend von der Tatsache, dass ‚kreative urbane Milieus‘ aufgrund ihrer Heterogenität, aber auch Eigenlogik nicht unmittelbar ‚geplant‘ werden können, gilt es sodann Steuerungsmechanismen zu entwerfen, die jene kontextuellen Rahmenbedingungen aufgreifen, die sich förderlich auf die Bildung und Stärkung derselben auswirken: „While public policy may not be able to organise creative milieus directly, there still is the feeling that it can at least create conditions favourable for the coming into being of an open and decentralised infrastructure of working places.“ (Mommaas 2004: 521) Im Folgenden sollen zwei Ansätze einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ vorgestellt werden: Interventionsmöglichkeiten, die
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konkret auf die zuvor identifizierten vier Milieutypen rekurrieren, sowie Maßnahmen, die sich auf der Metaebene der Beförderung derselben widmen. Beiden Ansätzen ist gemein, dass sie eine akteurszentrierte Kontextsteuerung entwerfen, mithilfe derer die Ressourcen von ‚kreativen urbanen Milieus‘ sichtbar und dadurch nutzbar werden sollen (Vgl. Frey 2006: o.S.). Auch wenn die dargelegten vier Milieutypen nach Saris/Brouwer (2005) äußerst heterogene Zielstellungen, Motivationsgründe und Akteursgruppen aufweisen, darüber hinaus weder räumlich klar zu fassen, noch in Bezug auf ihre sich stetig wandelnde Entwicklungsphase konstant zu greifen sind, lassen sich durchaus milieutypenspezifische Interventionsmöglichkeiten skizzieren. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass innerhalb der Milieutypen unterschiedliche Komplexitäten in Bezug auf die Akteurskonstellationen, Raum- und Zielkonflikte sowie Entwicklungsperspektiven vorliegen können, die eine situative Erfassung und Anpassung der aufgezeigten Handlungsansätze immer notwendig werden lassen.130 Während im Rahmen der Förderung des Umbruch- oder Transaktionsmilieus etwa die gezielte Vernetzung von relevanten Stakeholdern, der Einsatz von (in)formellen Vermittlern, die Ermöglichung von Zwischennutzungen oder die Bereitstellung von Räumen geltend gemacht werden (Vgl. FHH/BSU 2010: 44ff.), werden als Instrumente zur Förderung des Szene- oder Trendmilieus auf den Ort zugeschnittene, thematische Branchenförderungen, niedrige Einstiegshemmnisse durch subventionierte Mieten und flexible Mietkonditionen oder auch Umfeldanalysen angeführt, aus denen wiederum weitere ortsspezifische, situative Maßnahmen abgeleitet werden können. Bei letzterem Milieutyp gilt es dabei, u.a. solche strategischen Ansätze zu generieren, die in der Lage sind, die häufig im Verlauf des Entwicklungsprozesses von Szene- und Trendmilieus eintretenden Negativentwicklungen, bei der wirtschaftliche und räumliche Folgeeffekte zu steigenden Mieten oder Verdrängungsprozessen führen, einzudämmen. Vor diesem Hintergrund sollten hierarchischegalitäre Ansätze einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ nicht nur proaktive, sondern auch deeskalierende Maßnahmen, die zur Sicherung des Nutzungsmixes aus nicht-kommerziellen und kommerziellen Angeboten und Unternehmen beitragen, wie etwa die soziale Erhaltungsverordnung131 umfassen (Vgl. FHH/BSU 2010:
130 Beispielhaft werden in der Hamburger Studie drei unterschiedliche Ausprägungen von Hamburger Transaktionsmilieus vorgestellt (Große Bergstraße, Brandshof sowie Hamm-Süd), die allesamt sehr unterschiedliche Akteursgruppen sowie politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen aufweisen und demzufolge – trotz ihrer gleichen Milieuzugehörigkeit – in ihrem Steuerungsansatz keineswegs austauschbar behandelt werden können (Vgl. FHH/BSU 2010: 44ff.). 131 Das Instrument der sozialen Erhaltensverordnung (BauGB, §172) dient der „Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt“
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53). Strategische Anknüpfungspunkte für das Produktionsmilieu werden anhand der Vernetzung von kleineren und großen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft skizziert, da diese i.d.R. dazu beitragen können, Synergien und Kooperationen zu begünstigen. Zugleich gelte es, Produktionsräume für Ausgründungen oder Start-Ups in unmittelbarer räumlicher Nähe bereitzustellen sowie einen engen Schulterschluss mit Wissenschafts- und Ausbildungseinrichtungen zu suchen. Etablierte und lokal verankerte Milieus werden in Bezug auf potenzielle Kontextsteuerungsansätze zuletzt als gesättigt dargestellt (Vgl. ebd.: 54ff.). Neben spezifischen Interventionsmöglichkeiten für einzelne Milieutypen präsentiert die Hamburger Studie einen allgemein formulierten, instrumentellen Maßnahmenkatalog, der als zweiter Strang einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ dargelegt werden soll. Als „Instrumentenbaukasten“, der optionale „Werkzeuge“ für sechs relevante Handlungsfelder postuliert (ebd.: 89), greift der Maßnahmenkatalog jene Parameter auf, die die ökonomisch aber auch sozial motivierte Handlungs- und Formierungslogik von kreativen Szenen im urbanen Raum nachweislich determinieren (Vgl. Tab. 9). Dabei wird anhand der einzelnen Handlungsfelder und damit verbundenen Empfehlungen deutlich, dass ernstgemeinte hierarchischegalitäre Ansätze einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ weit über geläufige Stadtplanungsinstrumente hinausreichen müssen. So rekurriert das erste Handlungsfeld einer „neuen Flächenpolitik“ ausdrücklich auf die Rückbettung von ‚kreativen Milieus‘ im urbanen Raum. Deutlich wird hier auf die Schlüsselrolle der hierarchischen Kultur verwiesen, da diese nicht nur über eigene Immobilien verfüge, sondern auch eine wichtige Rolle gegenüber privaten Immobilienbesitzern innehabe. Vor diesem Hintergrund stellt die Öffnung von städtischen Räumen zu besonderen Konditionen (klare Mietbedingungen und -zeiträume) ein mögliches Interaktionsmoment dar. Ein weiterer raumpolitischer Ansatz wird mit der Bereitstellung eines (finanziellen) Fonds für ‚Brutstätten‘ aufgegriffen, „deren dezentrale, kleinteilige Verteilung [...] die Förderung kreativer Keimzellen und Ansätze integrierter Quartiersentwicklung vereinen und auch in teureren Stadtvierteln kreative Nischen erlauben“ würde (Vgl. ebd.: 93). Vor dem Ziel der Aktivierung von Immobilien im Austausch mit weiteren relevanten Stakeholdern wie Immobilienmaklern, Banken, Architekten oder städtischen Bezirksämtern würde die hierarchische Kultur bei diesem Steuerungsansatz die Rolle eines Inkubators einnehmen (Vgl. Lehtovuori/Havik 2009: 214).
ebenso wie der „Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“. Zur Gewährleistung dieser Auflagen sieht das Instrument vor, dass „der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen“ (Alexejew/ Niere 2007: 353f.).
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Tabelle 9: Instrumentenbaukasten zur Förderung kreativer Milieus am Beispiel Hamburgs. Handlungsfelder für kreative Milieus Neue Flächenpolitik
Nutzerorientierte Infrastrukturen Dynamische Entwicklungsverfahren
Rechtliche Rahmenbedingungen
Finanzierung und Förderung
Kommunikation, Vermittlung und Kooperation
Instrumente -
Flächenpool „Offene Räume“ Brutstättenfonds – Räume für den Einstieg Offene Datenbank – aktivierendes Flächenmanagement temporäre Nutzungen und Nischen Verbindungen schaffen Infrastrukturen anbieten Angebote für internationale Künstler Dynamisierung von Planung Do it yourself – Neue Formen der Beteiligung Aktivieren von Öffentlichkeiten und öffentlichen Räumen Zwischennutzungen ermöglichen Städtebauliche Verträge Erhalt, Sicherung und Ermöglichung kreativer Milieus Besonderes Städtebaurecht Förderspektrum Ressortübergreifende Förderung Mikrofinanzierung Sponsoren und Stifter Kommunikationsstrategie „Hamburg: Offene Stadt“ Kooperationsplattformen Monitoring Kreativagentur
Quelle: FHH/BSU 2010: 90ff, Eigene Darstellung.
Weitere Steuerungsempfehlungen beziehen sich auf das Zulassen temporärer Nutzungen und Nischen, die der Durchlässigkeit einer Stadt, aber auch dem experimentellen Charakter der Kreativszenen Tribut zollen (Vgl. ebd.: 79). Schließlich würden insbesondere Zwischennutzungen die Möglichkeit bergen, jene charakteristischen flüchtigen und ephemeren Dynamiken zuzulassen, die im Rahmen von ‚kreativen urbanen Milieus‘ vielfältige Nutzungen und Kodierungen von urbanen Räumen aufzeigen (Vgl. Lehtovuori/Havik 2009: 213f.) – auch wenn mit dieser Praxis zwangsläufig ein Steuerungsverlust für die Stadtpolitik einhergeht: „Eine Aufgabe der Stadtplanung kann darin bestehen, Räume zu öffnen und zur Nutzung den ‚Kreativen Milieus‘ zu überlassen. Dabei sind Strategien der Mehrfachnutzung und flexible Vereinbarungen über Nutzungsrechte notwendig. Die Stadtentwicklung sollte kreative Labo-
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Das zweite Handlungsfeld „nutzerorientierte Infrastrukturen“ reagiert auf das für kreative Akteure typische Ineinandergreifen von Wohnen, Arbeiten und Leben. Maßnahmen einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ reichen hier von physischen Infrastrukturansätzen wie einer guten öffentlichen Nahverkehrsanbindung, bis hin zu sozio-räumlichen Kontextbedingungen wie der Schaffung von angegliedertem Wohnraum oder Gemeinschaftsräumen an Produktionsstätten, die Interaktionsmöglichkeiten bereitstellen und dadurch als Nährboden für neue Ideen, neue Formen der Ökonomie sowie des Zusammenlebens fungieren können (Vgl. FHH/BSU 2010: 95). In Ergänzung zur Hamburger Studie können an dieser Stelle netzwerkorientierte Ansätze wie Gründungszentren oder die Organisationsform des Co-Working-Space132 angeführt werden. Der durch den räumlichen Kontext zustandekommende informelle Austausch zwischen den Akteuren, ihren individuellen Dienstleistungen und professionellen Kompetenzen, kulminiert dabei nicht selten in der „Chance, unerwartete und neue Beziehungen einzugehen und sodann weitere Markt- und neue Erwerbschancen zu eröffnen“ (Lange 2011: 60), d.h. über die arbeits- und raumbezogene Vergemeinschaftung Formen der Innovation und des Wissens-Spill-Overs auszubilden. Mittlerweile haben sich sowohl Modelle von Co-Working-Spaces herauskristallisiert, die stark gemeinschaftsorientiert agieren sowie Modelle, die vorwiegend durch eine lose Verbindung von Arbeit und sozialer Interaktion gekennzeichnet und dadurch eher funktional als ideologisch geprägt sind (Vgl. Lange/Wellmann 2009: 150). Der dritte Steuerungsansatz „dynamische Entwicklungsverfahren“ rekurriert auf die Inkompatabilität von geläufigen Stadtplanungsinstrumenten mit der Handlungsund Formierungslogik von kulturellen und kreativen Akteuren im urbanen Raum, wie zu starre Zielvorgaben oder Realisierungsverfahren, die es zu dynamisieren und flexibilisieren gelte (Vgl. FHH/BSU 2010: 90). Mithilfe von dynamischen Masterplänen könnten etwa parallele Entwicklungsansätze aufgestellt werden, die auf zeit-
132 Co-Working-Spaces stellen eine postmoderne Version des Gemeinschaftsbüros dar, in dem verschiedene Akteure aus unterschiedlichen Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft zusammenkommen. Gemeinsam teilen sie entweder ganze Immobilien, Büros oder stundenweise zu buchende Arbeitsplätze, die über eine gemeinsame Arbeitsstruktur miteinander verbunden sind (Vgl. Lange/Wellmann 2009: 147). Dabei entstehen Co-Working-Spaces nicht zufällig, sondern sind oft der Tatsache geschuldet, dass sie „kuratorisch inszenierte Orte“ sind, deren Betreiber keineswegs nur „altruistische Motive“ verfolgen (ebd.: 148).
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liche Verschiebungen reagieren, zwischen klassischen und unkonventionellen Planungsparametern unterscheiden und auch neue Planungsinstrumente, wie „Lücken [...] für selbstorganisierte Raumproduktionen“ (ebd.: 97) zulassen. Darüber hinaus könnte eine dynamisierte Planung auch Momente der Testphasen oder einen festgeschriebenen Anteil für kreative Nutzungen bei Bauvorhaben beinhalten. Auch neue Partizipationsmodelle spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, wie es bereits mit Steuerungsmodellen wie der „Self-Governance“ nach Kooiman (2003) oder der „governance through community“ nach Heeg/Rosol (2007) beschrieben worden ist, und die kreative Nutzer „als Partner und nicht als Betroffene im Planungsprozess” (FHH/BSU 2010: 98) wahrnehmen. In diesem Zusammenhang spricht sich die Studie explizit für sog. „Enabling-Strategien“ aus, innerhalb derer die hierarchische Kultur angehalten sei, (‚Möglichkeits‘)Räume bereitzustellen, während die eigentliche Aneignung der Räume durch die kulturellen und kreativen Akteure selbst geschieht. Entsprechend plädieren die Autoren dafür, die mit der Praxis einhergehende Umsteuerung weniger als Kontrollverlust denn als „gleichmäßigere Verteilung von Verantwortlichkeiten in der Stadtentwicklung“ (FHH/BSU 2010: 98) zu begreifen. Im Rahmen einer ‚kreativen Cluster‘-Politik war bereits die Rolle von Intermediären sowie im Zusammenhang der einzelnen Milieutypen die Funktion von Schlüsselakteuren benannt worden, die eine koproduktive Arbeitsweise ermöglichen, zugleich aber auch potenzielle Kontrollängste der hierarchischen Kultur durch ihre implizite Steuerungsfunktion abzumindern in der Lage sind. Das vierte Handlungsfeld widmet sich rechtlichen Rahmenbedingungen, die für ‚kreative urbane Milieus‘ insbesondere hinsichtlich ihres Nutzungsspielraums eine entscheidende Rolle einnehmen. Sie bilden auch deshalb eine charakteristische Schnittstelle für hybride Steuerungsformen, da die hierarchische Kultur wesentliche Hilfestellungen für egalitäre Interessen leisten und somit Milieuprozesse und Milieuweiterentwicklungen substanziell begünstigen kann. Das Spektrum reicht von der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und der Vereinfachung von rechtlichen Abwicklungen, über ein Zulassen von im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft bislang selten genutzten rechtlichen Grundlagen wie dem Gestattungsvertrag, dem Überlassungsvertrag oder dem Bau- und Nutzungsrecht auf Zeit, bis hin zur Duldung von bestimmten kreativen Nutzungen über einen begrenzten Zeitraum (Vgl. ebd.: 100). Schließlich seien, so konstatieren die Autoren, in vielen Fällen „rechtliche Wege und Möglichkeiten, um Zwischennutzungen und kreative Milieus zu ermöglichen [...] vorhanden. Entscheidend [sei] der Wille der Akteure, diesen Weg auch zu gehen.“ (ebd.: 101) An dieser Stelle sowie im fünften Handlungsfeld der Finanzierung und Förderung weisen hierarchisch-egalitäre Ansätze deutliche Schnittstellen mit hierarchisch-individualistischen Maßnahmen auf. Beiden ist zudem gemein, dass es grundsätzlich den Willen und das Bestreben der stadtpolitischen Akteure und ihrer
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Verwaltungen bedarf, unkonventionelle Wege zu gehen, sofern das Ziel besteht ‚kreative urbane Milieus‘ ernst- und gewissenhaft zu fördern. Aus diesem Grund widmet sich das letzte strategische Handlungsfeld den Themen Kommunikation, Vermittlung und Kooperation. Insbesondere der Kommunikation zwischen den Akteuren der hierarchischen und der egalitären Kultur kommt aufgrund ihrer strukturell äußerst diversen Sichtweisen, die auf ihre institutionellen Selbstverständnisse, aber auch ihre sozio-ökonomischen Organisationskontexte zurückzuführen sind, eine besondere Wichtigkeit zu, die Bürkner dazu führt, für regelrechte „Übersetzungshilfen“ zu plädieren (Bürkner 2009: 249) Auf der Handlungsebene verweist der Ansatz auf die Notwendigkeit, dass es für eine erfolgsorientierte ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ einen gemeinsamen Nenner braucht, der sowohl die Stadtpolitik, seine verwaltenden Einheiten, als auch Immobilienentwickler und Eigentümer mit den Akteuren innerhalb der ‚kreativen urbanen Milieus‘ verbindet, da dies die Basis für die Generierung hybrider Entwicklungsansätze darstelle. Schließlich kann eine ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ nur dann wirksam werden, wenn auch die Akteure des Interessensgebietes, in diesem Fall der ‚kreativen urbanen Milieus‘ ein Interesse dafür aufbringen, mit der hierarchischen Kultur zusammenzuarbeiten. Beispiele aus der internationalen Planungspraxis
Die vorgestellten Ansätze einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ lassen sich in verschiedenen Ausformungen in unterschiedlichen Städten weltweit beobachten. Jedoch sind es zumeist singuläre Instrumente des Maßnahmenkatalogs, die zum Tragen kommen, weniger gesamtstädtische Ansätze, wie es Hamburg mit seiner Studie (FHH/BSU 2010) auf umfassende Art und Weise vorgelegt hat. So lässt sich im Rahmen einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ vielerorts der Ansatz einer „neuen Flächenpolitik“ (1) erfassen, der oftmals in Verbindung mit dem Modell der „nutzerorientierten Infrastrukturen“ (2) realisiert wird. Als Beispiel kann hier die österreichische Stadt Linz mit ihrem Programm „Creative Community“ angeführt werden. Aufgabe des regional-österreichischen Netzwerks, das Akteure aus der Wirtschaft, der Architektenkammer, von Hochschulen sowie aus der Privatwirtschaft umfasst, ist es, private Immobilien an Existenzgründer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft zu vermieten.133 Zum Portfolio des Programms gehören zudem die Etablierung von Gründerzentren sowie zeitlich begrenzte Zwischennutzungen. Auch im Rahmen von kulturellen Festivalisierungsformaten finden Ansätze einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ Verwendung, etwa über die Programmatik „Kreativ.Quartiere“ im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres RUHR.2010, in der
133 Zur weiterführenden Information s. http://www.linz.at/wirtschaft/kreativwirtschaft.asp.
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über Intermediäre vor Ort lokale Kreativquartiere aufgebaut und milieuspezifisch gestärkt werden sollten.134 Ebenfalls lässt sich der Ansatz „dynamischer Entwicklungsverfahren“ (3) als etablierte Praxis einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ beobachten, wie z.B. mit der NSDM-Werft in Amsterdam.135 Während das Projekt zunächst durch ein äußerst dynamisches Entwicklungsverfahren geleitet war, bei dem die öffentliche Hand eng und überaus kooperativ mit der künstlerischen und kreativen Szene zusammenarbeitete und das vorerst als temporär angelegte Projekt durch seinen Erfolg sogar in eine Verstetigung überführte, war es zugleich von vielfältigen Spannungen geprägt. So wurde das Gelände im Jahr 2007 aus der Selbstorganisation gelöst und an einen städtischen Projektentwickler zur Koordination übergeben (Vgl. FHH/ BSU 2010: 70). Die städtische Indienstnahme der zuvor hierarchisch-egalitär ausgestalteten Steuerung führte jedoch dazu, dass die Nutzer zunehmend in Konflikt mit der ehemals befördernden Stadtpolitik gerieten, der sie vorwarfen, ihre Arbeit als imagepolitische Standortmaßnahme zu instrumentalisieren. Als Konsequenz versuchen die Nutzer seitdem das Gelände selbst zu erwerben, um sich auch finanziell aus der hierarchisch-egalitären Projektform zu lösen. Damit verdeutlicht das Beispiel der NDSM-Werft das Paradoxon, das entstehen kann, wenn eine zunächst angestrebte Eigendynamik im Rahmen eines Entwicklungsverfahrens plötzlich für die hierarchische Kultur zu dynamisch, d.h. nicht länger mit ihren hierarchischen Zielen vereinbar erscheint: „The dilemma with such initiatives is that cooperation with establishment implies a loss of freedom. Breeding places policies can only become successful when the offer enough flexibility and free interpretation.“ (Lehtovuori/Havik 2009: 220) Neben Einzelmaßnahmen in ausgewählten Städten gibt es einige wenige deutsche Städte, die ein konzentriertes Gesamtkonzept einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ – oftmals in Überschneidung mit dem hierarchisch-egalitären Ansatz
134 Im Rahmen des Programms Kreativ.Quartiere sollten in zehn Städten während des Kulturhauptstadtjahres „urbane Zukunftsräume“ entstehen (RUHR.2010 GmbH/Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH 2010: 2). Die Orte waren vorab unter Einbeziehung von Akteuren der lokalen Kreativwirtschaft sowie den zuständigen Verwaltungsressorts definiert worden. 135 Die Entstehung der NSDM Werft geht auf einen städtischen Wettbewerb im Jahr 1999 zurück, in dem die Stadt Amsterdam das ehemalige Werftgelände als Ort für eine – zunächst temporäre – kulturelle Nutzung ausgerufen hatte. Die in der Besetzerkultur verortete Künstlergruppe Kinetisch Noord (Vgl. Lehtovuori/Havik 2009: 218) erhielt nicht nur den Zuschlag für die Umsetzung des Projektes, sondern in den Folgejahren auch vielfältige finanzielle Unterstützungen von Seiten der Stadt(politik). Zur weiterführenden Information s. http://www.ndsm.nl.
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der ‚kreativen Cluster‘-Politik – umsetzen, innerhalb dessen sich vielfältige der genannten Handlungsempfehlungen wiederfinden. Exemplarisch kann der Netzwerkansatz der Berliner Senatsverwaltung genannt werden, der seit 1997 mithilfe des Programms „Projekt Zukunft“ die Wachstumsbedingungen für die Medien-, Informations- und Kreativbranchen in der Region Berlin fördert. Die bei der Wirtschaftsverwaltung angesiedelte, jedoch behördenübergreifend arbeitende Initiative, deren theoretische Rückgriffe sich laut eigener Aussage im politikwissenschaftlichen Ansatz der Enabling Policy finden lassen (Vgl. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung Berlin 2012: 4), zählt zu ihren Zielsetzungen u.a. „die Entwicklung und laufende Anpassung von Strategien und Umsetzungsmaßnahmen“, „die Bildung von Netzwerken und branchenübergreifenden Kooperationen“, „die Entwicklung und Begleitung neuer Finanzierungsinstrumente“, „die Anpassung und Verbesserung der Rahmenbedingungen und Einwirkung auf die gesetzlichen Regelungen“ sowie zuletzt „eine breit angelegte Kommunikation mit den Akteuren in der Stadt“ (ebd.: 4f.). Ein weiteres Beispiel eines – zumindest theoretisch erfassten – gesamtstädtischen Ansatzes liefert Hamburg. Aufbauend auf der Erfassung bereits existierender ‚kreativer urbaner Milieus‘, bei der die vier vorgestellten Milieutypen, aber auch ortsspezifische Milieukonstituierungen zum Tragen kamen, benennt die Studie „Chancen- und Potenzialräume [...], die sich aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften besonders für kreative Milieus eignen können“ (Vgl. FHH/BSU 2010: 105). Ausgehend von den räumlich erfassten Mileutypen entwirft die Studie sodann Ansätze einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘, die dem Anspruch unterstehen, explizit auf die einzelnen Orte mit ihren spezifisch räumlichen, aber auch sozioökonomischen Dimensionen einzugehen. In Abhängigkeit vom jeweiligen Milieutyp reichen die Handlungsempfehlungen von deregulierenden gesetzlichen Maßnahmen (St.Pauli) über die Verbesserung der öffentlichen Nahverkehrsanbindung (Elbufer und Hafen) bis hin zu einer „Strategie des Nichts tuns“ und dem „Instrument der Duldung“ (Hamm-Süd), um „die Potenzialräume dieses Quartiers einer Eigendynamik zu überlassen“ (FHH/BSU 2010: 115).
1.4.3.2 Hierarchisch-egalitäre Ansätze revisited Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass hierarchisch-egalitäre Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt trotz ihres verhältnismäßig innovativen Vorgehens ebenfalls deutlichen Grenzen unterliegen. Denn so wie die Formierungslogik der Akteure in ‚kreativen urbanen Milieus‘ von vielfältigen Einflüssen determiniert ist, lassen sich auch „persönliche und soziale Beziehungsnetzwerke sowie daraus entstehende Vertrauensbeziehungen“ (Lange 2007: 100) nicht verordnen. Damit sind ‚kreative urbane Milieus‘ aufgrund ihrer differenzierten Erfolgsdefini-
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tion nur bedingt steuerbar. Zwar zielt auch die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ darauf ab, Interaktionsmöglichkeiten zu schaffen, durch die Netzwerke entstehen und letztlich Agglomerationseffekte hervorgebracht werden können, jedoch ist die Zielstellung der Akteure des ‚kreativen urbanen Milieus‘ im Vergleich zu ‚kreativen Clustern‘ an vielfältigen sozialen, gesellschaftlichen sowie politischen Faktoren orientiert, die sich weniger linear planen und damit auch weniger steuern oder messen lassen. So ist bspw. die Entstehung des heute etablierten Hamburger Szeneviertels und kreativen Milieus St. Pauli keineswegs auf eine zielgerichtete Stadtentwicklungsstrategie zurückzuführen, als auf politische und wirtschaftliche Interessen der involvierten Akteure, zudem eng mit den offenen Entwicklungsbedingungen der 1980er und 1990er Jahre verbunden (Vgl. Ebert 2008: 294). In der Folge resultieren die verschiedenen Erwartungshaltungen einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ häufig in Spannungsfeldern: So kollidiert das grundsätzlich weniger profitorientierte Handeln der kulturellen und kreativen Akteure nicht selten mit den „repräsentationslogischen und imageorientierten Interessen staatlicher und stadtpolitischer Akteure an der Formulierung marktkonformer, erfolgsorientierter Stadtpolitiken“ (Bürkner 2009: 256). Sofern die hierarchische Kultur Steuerungsansätze entwickeln will, die sich förderlich auf ‚kreative urbane Milieus‘ auswirken, müssten diese vielmehr weitestgehend passiv gestaltet sein, d.h. jene Rahmenbedingungen hervorheben, die im Sinne einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ die Handlungs- und Formierungslogik der kulturellen und kreativen Akteure unterstützend aufgreifen. In diesem Zusammenhang erscheint es äußerst relevant, sich auf die Konsolidierung bereits existierender ‚kreativer urbaner Milieus‘ zu konzentrieren und diese in ihrer Weiterentwicklung zu fördern, als zu versuchen, neue Milieus strategisch zu konstruieren. Hier war bereits auf den Umgang mit den heterogenen Raumansprüchen und -bedürfnissen der künstlerischen und kreativen Akteure sowie dem Spannungsfeld von gezielten Raumpolitiken und Vermarktungsinteressen einerseits und den Folgen der hohen Nachfrage und Attraktivität andererseits verwiesen worden, die sich in steigenden Mieten und Verdrängungseffekten ebenso äußern wie in der Gefahr der kulturellen Homogenisierung oder dem Verlust von Experimentierräumen. Das Eingeständnis ist dabei unmittelbar mit der Bereitschaft zu einer offenen Planungskultur verbunden, u.a. um auch die innere Abschottung von Milieus gegenüber städtischen Förderansätzen zu verhindern: „Besonders der Antagonismus von kommerzieller Rendite und dem Anspruch auf kulturelle Autonomie erfordert demnach Governance-Prozesse, die offene Aushandlungsprozesse, soziale Experimente und neue Wege der Selbstorganisation ermöglichen.“ (Bürkner 2009: 257) Die Stadtpolitik müsse dabei, folgt man Mommaas (2004: 529), als ‚Enabler‘ mit flexiblen Governance-Ansätzen auftreten, für die in Anlehnung an Kooiman bereits der Begriff der ‚Self-Governance‘ geprägt worden war:
152 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Getreu der Erkenntnis, dass man Kontrolle nur ausüben, wenn man selbst kontrolliert wird, erscheint es ratsam, die Berührungs- und Schnittstellen verschiedener Governance-Arrangements in den Blick zu nehmen. An diesen Sollbruchstellen unterschiedlicher Steuerungsansprüche erwachsen Lösungen einer gelingenden Eingriffs- und Gestaltungspraxis. Diese haben dann aber zunehmend eher den Charakter von Interventionen als von linearen wirtschaftspolitischen Zielrichtlinien.“ (Lange et al. 2011: 13)
Obwohl der hierarchisch-egalitäre Ansatz der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ vielfältige Interventionsmöglichkeiten aufgezeigt hat, um kreative Milieukonstituierungen im urbanen Raum zu befördern, ist auch dieser Ansatz nicht kritikfrei. So merkte bereits Willke an, dass es „zweifelsohne fahrlässig“ sei zu glauben, dass eine „so voraussetzungsvolle Koordinationsform“ wie es es die Kontextsteuerung ist, „sich widerspruchsfrei realisieren lasse“ (Willke 2001: 130). Entsprechend sind auch bei hierarchisch-egalitären Ansätzen Negativfolgen zu verzeichnen, die sich entweder in der „Standardisierung einer pseudo-authentischen Stadtkultur, die weder original noch individuell auffallend ist“ (Zukin 2010: 45) manifestiert oder aber erneut der ‚unternehmerischen‘ Stadtpolitik in die Hände spielt, wie es anhand des ‚weichen Neoliberalismus‘ zu Beginn des Kapitels skizziert worden war.
1.5 K RITIK
DER
K REATIVPLANUNG
Obwohl oder gerade weil der Begriff der ‚Kreativität‘ in stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen teilweise sehr undifferenziert oder gar als ‚Leerformel‘ verwendet wird, sind zuletzt vielfältige negative Konsequenzen zu verzeichnen, die im nachfolgenden Kapitel im Rückgriff auf stadtsoziologische Theorien als Kritik der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt dargelegt werden. So lässt die Praxis in ihrer stadtpolitischen Verwendung nicht nur eine Kommodifizierung von ‚Kreativität‘ als Image- und Vermarktungsstrategie erkennen (Kap 1.5.1), das gesellschaftliche Leitmotiv ‚Kreativität‘ befördert darüber hinaus eine Politik, die in besonderem Maße die Mystifizierung der Produktionsweisen ihrer Akteure vorantreibt (Kap. 1.5.2). Diese verzerrte Verwendung hat nicht nur gesamtgesellschaftliche, sondern auch raumpolitische Konsequenzen, die zum Ende des Kapitels offen gelegt und in Bezug auf Folgeprozesse wie soziale Segregation oder Gentrifizierung (Kap. 1.5.3) sowie die zunehmend kulturelle Homogenisierung von Städten (Kap. 1.5.4) beleuchtet werden sollen.
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1.5.1 Kommodifizierung als Image- und Vermarktungsstrategie Die aufgezeigte Aneignung von ‚Kreativität‘ als stadtplanerischem Instrument zur Erfüllung ‚urbaner Wachstumsfantasien‘ zeugt von einer Entwicklung, in der sich Kultur und Ökonomie immer stärker durchdringen. Vorangetrieben durch die stetig wachsende Nachfrage nach einer kreativitätsbasierten ‚Politik der großen Ereignisse‘ lässt sich eine deutliche Indienstnahme von ‚Kreativität‘ konstatieren, die als Imageinstrument für die „semiotische Aufrüstung“ (Helbrecht 2007: 245) des städtischen Raums in Stellung gebracht wird.136 In der Folge stehen immer weniger die Eigenlogik von ‚Kreativität‘ und die Interessen ihrer Akteure im Vordergrund städtischer Handlungspolitiken, sondern indirekte Ziele wie der Umbau von Städten zu konsumentenfreundlichen Erlebniswelten (Clark 2003) oder die Aneignung des Stadtraums für kommerzielle Vermarktungsinteressen (Hannigan 2005). Von Seiten der hierarchischen Kultur ausgegebene ‚kreative‘ Leitbilder und Entwicklungsstrategien wie das ‚Creative City‘-Narrativ fungieren dabei nicht selten als PlaceBranding-Strategien, die Menschen einladen sollen, „an einer viel versprechenden Gemeinschaft [teilzuhaben], die sich in Slogans, Ikonen, Architekturen und Narrativen [manifestiert]“ (Stöber/Kalandides 2009: 232). Dabei ist es einmal mehr die dargelegte Unschärfe des Kreativitätsbegriffes, die die Grundlage für die strategisch günstige Indienstnahme desselben im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt bereitet: „Die inhaltliche Unklarheit des Begriffes wird von Individuen, Unternehmen, Städten und Wirtschaftsbranchen als Wert geschätzt – jeder versteht darunter, was er will. So werben Politiker und City-Marketingagenturen für ihre Klientel plakativ mit dem kreativitätsfördernden Klima (‚creative climate‘) in einer kreativen Wirtschaft (‚creative industries‘) inmitten von kreativen Städten (‚creative cities‘).“ [Herv. i.O.] (Kirchberg 2010: 20)
In Anlehnung an Boltanksi und Chiapello (2003) kann die Indienstnahme von ‚Kreativität‘ im Rahmen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt als eindringliches Zeichen des von ihnen ausgerufenen „neuen Geist des Kapitalismus“ interpretiert werden – neu insofern, als nunmehr auch künstlerische und kreative Praxen und ihr kritischer Gehalt zum Bestandteil eines hegemonialen Machtdiskurses avancieren.137 Als „Ideologie […], die das Engagement für den Kapitalismus recht-
136 „Der Raum wird zum medialen Vehikel, das Bedeutungen repräsentiert. Städte sind nicht mehr nur Orte, über die Geschichten erzählt werden. Sie sind selbst mehr und mehr große Geschichtenerzähler.“ (Helbrecht 2007: 245) 137 Das Konzept des „Neuen Geist des Kapitalismus“ rekurriert auf Webers „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" (1904/1905). Darin greifen Boltanski/
154 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN
fertigt“ (Boltanski/Chiapello 2003: 43) verdeutlichen die Autoren, dass es die Transformation des Wertesystems selbst ist, die das kapitalistische Herrschaftssystem legitimiert und langfristig sichert. Schließlich beruhe das Fortbestehen des Kapitalismus in besonderem Maße auf seiner Fähigkeit, die gegen ihn gerichtete Kritik zu vereinnahmen und für eigene Interessen in Stellung zu bringen (ebd. 58f). Diese Aneignung tritt auch im vorliegenden Untersuchungsbeispiel klar hervor. So können insbesondere die in Kapitel 1.4.2 und 1.4.3 vorgestellten hybriden Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt deutlich als eine Form des „neuen Geist des Kapitalismus“ interpretiert werden. Kritische Haltungen gegenüber der hierarchischen Kultur, wie sie etwa am Beispiel des Gängeviertels in Hamburg aufgezeigt worden waren (Vgl. Kap. 1.3.2), werden nicht länger kolportiert, sondern über Instrumente wie die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ von der hierarchischen Kultur inkorporiert. Indem die Handlungslogik der egalitären Kultur explizit aufgegriffen und durch städtische Maßnahmen verstärkt wird, verbessern sich im besten Fall die Arbeitsbedingungen ihrer Akteure, zugleich avancieren diese zu einem essenziellen Bestandteil wirtschaft- und stadtentwicklungspolitisch motivierter Interessen, wie es im Manifest „Not in our Name“ (Vgl. Kap. 1.3.2) bereits angemahnt worden war. Die Kommodifizierung von ‚Kreativität‘ als Image- und Vermarktungsstrategie für den urbanen Raum kann durch einen Rückgriff auf die stadtsoziologische Forschung bekräftigt werden, deren Paradigmen maßgebliche Erkenntnisse für die vorliegende Untersuchung liefern. Während Vertreter der modernen Stadttheorie mit Ansätzen wie der Urban Political Economy bereits in den 1970er Jahren die unter dem Ziel der Aufwertung stehende, stadtplanerische und kulturpolitische Dimension der Revitalisierung urbaner Quartiere kritisiert hatten, betonen auch Vertreter der postmodernen Stadttheorie eine Verschärfung der attestierten Zustände hin zu einer ‚Ökonomie der Symbole‘. Im Folgenden sollen einige Forschungsansätze exemplarisch vorgestellt werden, die Aufschluss über die Kommodifizierung von ‚Kreativität‘ im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt geben, wobei der Fokus auf den Paradigmen der amerikanischen Sozialwissenschaft liegt. Zur Indienstnahme von ‚Kreativität‘ in den Stadttheorien der Moderne
Die stadtsoziologische Forschungsrichtung der Chicago School, die in den 1920er Jahren mit dem Impetus entstanden war, „Stadtentwicklung noch als sozialökologischen Prozess erklären“ zu wollen (Kirchberg 2010: 33), war anhand der Ausfüh-
Chiapello in einem Zuge die Transformation des kapitalistischen Systems als auch die an ihr geübte Kritik auf, die – als essenzieller Bestandteil heutiger kapitalistischer Ansätze – gewissermaßen einen „neuen Geist des Kapitalismus“ kennzeichne (Boltanski/ Chiapello 2003).
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rungen Wirths (1938) in Kapitel 1.1.1 bereits aufgegriffen worden. Seine These zur Ausbildung einer spezifisch urbanen Lebensweise wurde nicht nur als Vorläufer für Simmels Charakteristika des Großstadtlebens geltend gemacht (Simmel 1903), sondern auch als Grundlage für die heutige Kreativitätsdebatte, innerhalb derer die Konstruierung von Rahmenbedingungen für urbane Lebensstile eine wichtige Rolle einnehmen. Die heutige Chicago School, zu der u.a. Clark (2003), Glaeser (Glaeser et al. 2003) sowie Lloyd (2006) und sein Ansatz der ‚Neo-Bohemia‘ gezählt werden können, verweisen allesamt auf die Notwendigkeit von urbanen Annehmlichkeiten („urban amenities“) als Rahmenbedingungen für eine kreativ-erfolgreiche Stadt (Vgl. Kirchberg 2010: 37), wie sie auch im Rahmen von hybriden Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zur Anziehung kultureller und kreativer Akeure aufgezeigt worden sind. Die wachsende Nachfrage nach zentrumsnahem Wohnraum sowie die gezielte Anziehung von hochqualifizierten, einkommensstarken Bevölkerungsgruppen hat darüber hinaus in den vergangenen Jahren eine Entwicklung eingeleitet, innerhalb derer ausgewählte Quartiere eine strategische Bedeutungsaufladung erfahren haben. Während bis vor wenigen Jahren die Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse noch mit dem Begriff der Gentrifizierung138 problematisiert wurden, zählt die Aufwertung innerstädtischer Bezirke heutzutage, folgt man Kritikern, gewissermaßen zum festen Bestandteil standortpolitischer Wettbewerbsstrategien (Vgl. Ronneberger 1998: o.S.). Die amerikanische geprägte, stadtsoziologische Schule der Urban Political Economy, die sich in den 1970er und 1980er Jahren in kritischer Abgrenzung zur Chicago School ausgebildet hat, verschreibt sich ebenjener Standortpolitik, indem sie Stadtentwicklung als einen Machtkampf zwischen dem Tauschwert und dem Gebrauchswert von urbanen Flächen begreift. Gewinn- und Nutzungserwartungen innerhalb der Stadtentwicklung werden dabei kontrastiert, der Bodenpreis von Gewerbeflächen weniger als ökonomische, denn im Rückgriff auf Weber als soziologische Größe erfasst (Vgl. Kirchberg 2010: 34). Dabei kommt der städtischen Kultur eine besondere Bedeutung zu, die in ihrer symbolischen Wirkung als strategische Größe, u.a. für den Tauschwert des städtischen Bodens, in Dienst genommen wird. Im Rückgriff auf Molotchs Ansatz der Growth Machine, der ebenfalls zur Urban Political Economy zu zählen ist, war in diesem Kontext (Vgl. Kap. 1.4.1) bereits aufgezeigt worden, dass Wachstumsbestrebungen eine allen Städten innewohnende, politische und ökonomische Zielstellung ist, wodurch jedwedes stadtpolitisches Handeln – u.a. zur Beförderung von ‚Kreativität‘ – in einen machtpolitischen Kontext eingebunden ist. Der daraus resultierende Konflikt zwischen Nutz- und Tauschwert von urbanen Besitzverhältnissen spiegelt sich auch in hierarchischen Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘
138 Zur detaillierten Erläuterung von Gentrifizierung s. Kapitel 1.5.3.
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der Stadt wider, etwa wenn steuerliche, rechtliche oder infrastrukturelle Erleichterungen, wie im Falle der ‚kreativen Cluster‘-Politik oder der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ eingesetzt werden. Zugleich haben Strategien wie das 3-TModell, das der Förderung eines spezifischen ‚kreativen Klimas‘ unterliegt, deutlich gemacht, dass ‚Kreativität‘ auch in Bezug auf den Gebrauchswert des städtischen Bodens in der Stadtplanung Anwendung findet (Vgl. Kirchberg 2010: 38). In der Verflechtung zeigen beide Tendenzen eine Kommodifizierung von ‚Kreativität‘, in der diese entweder über ihre ökonomisch ausgerichtete Produktivität eine Steigerung des Tauschwerts oder über ihre symbolische Dimension eine Steigerung des Gebrauchswert städtischer Räume bewirken soll (Vgl. Richter 2006: 265). Indienstnahme von ‚Kreativität‘ in den Stadttheorien der Postmoderne
Auch die Weiterentwicklung moderner Stadttheorien ab den 1970er Jahren durch die Stadttheorien der Postmoderne, zu deren wichtigsten Strängen die Los Angeles School of Urbanism (Harvey 1989; Soja 2000) sowie ausgewiesene Positionen von urbanen Theoretikern, etwa zur Bedeutung von Tourismus und Konsumtion im urbanen Raum (Zukin 1991, 1995) oder zur Ästhetisierung von Ökonomie (Lash/ Urry 1996) gehören, legt ihren Fokus auf „eine kulturalistische Erklärung gesellschaftlicher Phänomene“ (Kirchberg 2010: 34). Scott zufolge ist es insbesondere der Beitrag selbiger zur Beschreibung des Einflusses der New Economy auf die urbane Entwicklung, ihr Verständnis von urbanen Räumen als soziale Konstrukte und die attestierte wachsende politische Ökonomie von Städten, die diese für die aktuelle Städtedebatte so interessant machen (Vgl. Scott 2006a: 3). So belegen die Vertreter der Los Angeles School anhand der wachsenden Bedeutung von Symbolen sowie des Images einer Stadt, dass Kultur- und Kreativwirtschaft zunehmend zu einem essenziellen, da Symbolhaftigkeit produzierenden Werkzeug eines urbanen Managements arrivieren. Exemplarisch sei hier auf Soja verwiesen, der mit seinem Werk „Postmetropolis“ (Soja 2000) eine kritische urbane Theorie entworfen hatte, die die weitreichenden Veränderungen zusammenfasst, die Metropolen in den letzten dreißig Jahren durchlaufen haben, wobei insbesondere ökonomische sowie soziale Ungleichheiten und Polarisierungen eine entscheidende Rolle einnehmen.139 Anhand von sechs Merkmalen, zu denen u.a. die Entwicklung von Städten zu sog. „Simcities“ gehört, verdeutlicht er, dass diese immer häufiger zu Orten der Imagination werden (Vgl. Soja 2000: 155), für deren Konstituierung zunehmend Kunst
139 Nach Soja unterliegt die postmoderne Epoche einem einschneidenden erkenntnistheoretischen Wandel, in dem Originale so stark von Abbildern dominiert werden, dass die Unterscheidung zwischen Realität und Kopie verschwimme (Vgl. Basten 2005: 5).
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und Kultur, aber auch ‚Kreativität‘ als Werkzeuge eines urbanen Managements in Dienst genommen würden (Vgl. Kirchberg 2010: 38).140 Auch Zukin hat mit ihrer These sich formierender „landscapes of power“ bereits Anfang der 1990er Jahre die fortschreitende Ästhetisierung der Lebenswelt beschrieben, für die sie die Transformation des Konsumverhaltens in einen standortwirksamen Erlebnisvorgang verantwortlich machte. Der Bedeutungszuwachs der symbolischen Zeichenproduktion im Kapitalismus führte ihrer Meinung nach zu einer Bedeutungsverlagerung von Kunst und Kultur, die zugleich eine tiefgreifende Veränderung durchlaufen würden. Die Überführung von Städten in erlebnis- und konsumindustrielle Orte, für die Zukin (1998: 36) den Ausdruck der „Disneyfizierung“ geprägt hat, trifft auch auf die ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt zu, etwa wenn sie mithilfe der kulturellen Festivalisierung oder der Praxis der kulturellkreativen Leuchtturmprojekte versucht, Stadträume systematisch als kreative Hot Spots zu etablieren. Zuletzt zeigt die von Lash/Urry (1996) diagnostizierte Entwicklung postindustrieller Ökonomien hin zu „economies of signs and space“, dass das Image und die Ästhetisierung kultureller und kreativer Dienstleistungen, wie auch im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, immer mehr an Bedeutung für die Konsolidierung von städtischen Machtstrukturen gewinnen: „In the culture industries, both use-value and exchange-value have always been sign-values.” (Lash/Urry 1996: 123) 1.5.2 Gesellschaftliches Leitmotiv vs. Mystifizierung Weitere Konsequenzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt lassen sich entlang der Produktionsweisen kultureller und kreativer Akteure erfassen, deren oftmals prekäre Arbeitsverhältnisse in einem deutlichen Spannungsfeld zur Mystifizierung von ‚Kreativität‘ als gesellschaftlichem Leitmotiv stehen. Denn während Künstler und Kreativschaffende im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zum Rollenmodell einer zukunftsfähigen Gesellschaft, etwa über hierarchisch-individualistische Ansätze wie dem 3-T-Modell oder der ‚kreativen Cluster‘Politik stilisiert werden, sind ihre mit den Attributen der Flexibilisierung und Selbstbestimmtheit beschworenen Produktionsbedingungen zugleich von einem überaus hohen Prekarisierungsgrad gekennzeichnet: „Zynisch ließe sich sagen, dass sich Adornos Melancholie über den Verlust der Autonomie in den Arbeitsbedingungen der Creative Industries auf perverse Weise realisiert: Die Kreativen werden in eine spezifische Sphäre der Freiheit, Unabhängigkeit und der Selbstregulierung
140 Zur weiterführenden Information s. Soja 2000: 154f.
158 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN entlassen. Hier wird die Flexibilität zu einer despotischen Norm, die Prekarisierung der Arbeit zur Regel, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen ebenso wie jene zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit, und die Prekarität dringt von der Arbeit in das gesamte Leben vor.“ (Raunig 2007: 74)
Bereits in Kapitel 1.4.2.2 war für die spezifische Arbeitsweise der kulturellen und kreativen Akteure der Begriff des Culturepreneurs eingeführt worden, der den skizzierten Widerspruch bereits in seiner Terminologie vereint. In Anlehnung an Verwoert (2003a) bezieht das Rollenmodell Entrepreneur seine Wirkungskraft dabei v.a. aus der Vorstellung, „aus der Haltung der Oppositionalität heraustreten und ein gesellschaftlich integriertes, weiterhin aber alternativ begründetes Leben führen zu können“ (Verwoert 2003a: 48). Obgleich der Begriff symbolhaft für den Stellenwert eigenständig definierter Arbeit in der Postmoderne steht, führt seine Lobpreisung als wegweisendes Rollenmodell zugleich auf einen Pfad, der einer Verunglimpfung der prekären Lebensbedingungen von selbständig arbeitenden Künstlern und Kreativen gleichkommt. Schließlich wirke sich ihre Selbständigkeit nicht nur durch den freiwilligen Verzicht auf soziale Sicherheit, sondern weitaus subtiler aus: „Die freiesten Gedanken und Impulse, die tiefsten Regungen der Kreativen wurden plötzlich zum Gegenstand kapitalistischer Lohnarbeit.“ (Medosch 2009: o.S.) Während es vor dem ‚Kreativzeitalter‘ noch die alternativen Szenen waren, die mit ihrem Lebens- und Arbeitsentwurf ein Gegenmodell zum Kapitalismus gebildet hatten, wird genau dieses Anderssein heute vom postmodernen, kapitalistischen System zur Maxime erhoben. Der Begriff des Culturepreneur impliziert deshalb auch einen Wandel des Arbeitsbegriffes, der als kulturelle Tätigkeit neben Arbeit und Intelligenz plötzlich auch Habitus und Lebensstil umfasst (Vgl. Meschnig 2003: 75). Der skizzierte Hintergrund macht deutlich: Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt wie das 3-T-Modell oder das ‚Creative City‘-Narrativ haben nicht nur zur weltweiten Verbreitung dieses Paradoxons beigetragen, sondern auch die damit einhergehende Kapitalisierung kreativer Arbeit und Glorifizierung eigenverantwortlicher Kreativunternehmer maßgeblich vorangetrieben (Vgl. Lange 2007: 30). Denn obwohl kreative Attribute in der heutigen Kapitalwelt als essenzielle Voraussetzungen eines zukunftsorientierten Arbeitsfeldes gelten, weist der Arbeitsmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft noch immer eines der niedrigsten Einkommen auf (Vgl. Abbing 2002: 114). Die Auswirkungen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt auf die Arbeitsbedingungen ihrer Akteure sind deshalb entsprechend eindeutig zu beurteilen: Während kulturelle und kreative Akteure für stadt- und wirtschaftspolitische Ziele in Dienst genommen werden, gewinnen sie in Bezug auf ihre Einkommensgenerierung und ihre soziale Sicherheit kaum etwas dazu, stattdessen findet eine Idealisierung ihrer prekären Arbeitsverhältnisse statt, die zuweilen gar als Züge einer Selbstprekarisierung verunglimpft werden: „Ja.
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Arbeit im kreativen Bereich liegt oft an und unter der Grenze der (Selbst-)Ausbeutung. Nein. KeineR hält das ein ganzes Lebens aus, wenn es dafür keinen erweiterten gesellschaftlichen Kontext gibt.“ [Herv. i.O.] (Göhler 2006: 226). Die These der Selbstprekarisierung knüpft an das Konzept der Prekarisierung an, jedoch mit dem Unterschied, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft zu einer Art Heilserwartung stilisiert wird, innerhalb derer die Akteure die Entscheidung für ihr Arbeitsleben schließlich selbst getroffen hätten (Vgl. Verwoert 2003a: 54). Auch Boltanski/Chiapello (2003) dokumentieren eine Vereinnahmung der Kunst durch die Künstlerkritik, die in der Kunst (bzw. ‚Kreativität‘) selbst angelegt sei. Die Vereinnahmung der Künstlerkritik durch das Unternehmertum der 1990er Jahre habe dabei die Grundlage für ebenjene Formen der Ausbeutung geschaffen, wie sie auch im Ansatz der Selbstprekarisierung mitschwingt: Dadurch dass sich – dem Niedergang der New Economy zum Trotz – „die einstige Gegenkultur und ihre Lebensentwürfe [...] in pervertierter Form plötzlich als Speerspitze wirtschaftlicher Veränderungen“ wiederfinden (Meschnig 2003: 80), sei ein gesellschaftlicher Impetus entstanden, innerhalb dessen die Betrachtung der eigenen Person als ‚Kapital‘ oder ‚Ressource‘ in eindringlicher Weise die ‚Kreativisierung‘ unserer Gesellschaft wiedergebe (Vgl. ebd.: 84). In der langfristigen Konsequenz tragen Ansätze zur Proklamierung dieser neuen Arbeitskultur – ganz im Sinne des „Geist des neuen Kapitalismus“ – zur Hervorbringung gänzlich neuer, ökonomischer Abhängigkeiten mit fatalen Konsequenzen bei: „Gerade aber diese Mythisierungen des mit einer spezifischen Arbeitsrationalität verkoppelten Images des Ausnahmesubjekts artist oder der mit ‚ihm‘ assoziierten Methoden der Selbstverantwortung, Kreativität und Spontaneität transformieren zum Stichwortgeber für den heutigen Arbeitsdiskurs, in dem Erwerbslose zu motivierten Freelancern mutieren sollen.“ [Herv. i.O.] (von Osten 2008: 46)
1.5.3 Gesamtgesellschaftliche und raumpolitische Konsequenzen Die dargelegte verzerrte Verwendung von ‚Kreativität‘ birgt zuletzt auch raumpolitische Konsequenzen. So war in Kapitel 1.1.2 aufgezeigt worden, dass im Rahmen des Bedeutungswandels von Städten eine Entwicklung auszumachen ist, innerhalb derer Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt vermehrt als Instrumente zur ‚Revitalisierung‘ sog. benachteiligter Stadtteile eingesetzt werden. Die Zielvorgabe der Revitalisierung erscheint v.a. deshalb so dienlich, weil sie potenzielle, durch eine urbane Kreativitätspolitik auftretende Negativfolgen zunächst einmal in positiv konnotierte Zielvorgaben überführt. Im Rückgriff auf die hierarchische Ideologie, dass Aufwertungsprozesse weniger eine Gefahr als eine Produk-
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tivkraft für eine kreativ(wirtschaftich)e, urbane Entwicklung darstellen, werden Risiken dabei ausgeklammert: „Aufwertung und damit zwangsläufig Verdrängungseffekte gegenüber einkommensschwächeren Gruppen (also Gentrifizierung) werden nicht mehr als bedauerliche Nebeneffekte, sondern als (Planungs-)Programme diskutiert.“ [Herv. i.O.] (Köhler 2005: o.S.) Während die Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt ihre Legitimierung auch aus ihrem behaupteten Mehrwert für benachteiligte Stadtquartiere bezieht, negiert sie im gleichen Zuge potenzielle Negativfolgen wie eine Verfestigung bereits bestehender sozialräumlicher Spaltungen sowie eine bewusste Steuerung derselben durch politische Aufwertungsmaßnahmen – eine große Schwachstelle auch deshalb, weil „Aneignungsprozesse, Aufwertung und Verdrängung fast zwangsläufig Hand in Hand gehen“ (ebd.). Die mit Ansätzen wie der kulturellen Festivalisierung, der Praxis kulturellkreativer Leuchtturmprojekte oder der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ verbundene Zielsetzung, ausgewählte Quartiere mithilfe von Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ zu revitalisieren, lässt damit die Frage aufkommen, wer von einer solchen Form der urbanen Kreativitätspolitik überhaupt profitiert – oder welche Exklusionsprozesse durch dieses Vorgehen vielmehr zusätzlich verstärkt werden. Das Phänomen der sozialen Segregation steht sinnbildhaft für die Sozial- und Machtstrukturen einer ‚unternehmerischen‘ Stadtpolitik (Läpple 2006, Häußermann/Siebel 2004; Krätke 1995), das durch Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt eine zusätzliche Verstärkung erfährt. So tragen Maßnahmen wie das ‚Creative City‘-Narrativ oder die ‚kreative Cluster‘-Politik mit ihrem Handeln im gleichen Maße dazu bei, „den sozialen Raum nach hierarchischen Mustern neu zu ordnen und marginalisierte Gruppen auszugrenzen“ (Ronneberger 2001b: 96). Indem Städte auf der einen Seite also versuchen, kosmopolitisch-globale Rahmenbedingungen bereitzustellen, die für viele Akteure aus dem Kultur- und Kreativbereich als Produktions-, aber auch Lebensgrundlage dienen sollen, trägt die Praxis im gleichen Moment zu einer Exklusion insbesondere von sozial benachteiligten Gruppen bei, etwa wenn Ausschlussprozesse befördert oder bestehende soziale Ungleichheiten weiter zementiert werden. Die seit vielen Jahren von stadtpolitischer Seite zu verzeichnenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Segregationstenzenden, wie bildungs-, arbeitsmarktpolitische oder wohnungsmarktbezogene Strategien werden durch hierarchisch motivierte Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt etwa dann konterkariert, wenn diese versuchen, vernachlässigte oder bereits segregierte Quartiere systematisch zu ‚kreativen urbanen Milieus‘ zu entwickeln und dabei „die dominanten Ursachen für die Aufwertung von Quartieren von einer nachfragebedingten ‚Renaissance der Innenstädte‘ zur marktorientierten Herstellung eines verkaufbaren urbanen Ambientes” [Herv. i.O.] (Ronneberger et al. 1999: 76) zu verschieben. Auch wenn die ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt keineswegs das explizite Ziel verfolgt, Segregationsprozesse herbeizuführen, bereitet ihre Motivation, künstlerisch-kulturelle sowie soziale Prozesse an ausgewählten
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Standorten einzuleiten, die wiederum räumliche Folgeprozesse, wie die Stärkung arrivierter Standorte oder die Revitalisierung vernachlässigter Standorte bewirken sollen, zugleich einen kritischen Nährboden für eine solche Entwicklung. Der mit dieser Praxis einhergehende Transformationsprozess der Gentrifizierung, bei dem „durch Erneuerungsmaßnahmen und/oder Eigentümerwechsel [eine] Dominanz einkommensstarker Haushalte in attraktiven urbanen Wohnlagen zu Lasten von weniger verdienenden Bevölkerungsgruppen“ (Breckner 2010: 27) und damit ein „Austausch einer statusniedrigeren Bevölkerung durch eine statushöhere Bevölkerung in einem Wohngebiet“ entstehen (Friedrichs 1996: 14), muss deshalb ebenfalls in Verbindung mit der Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt thematisiert werden. Obgleich sich kulturelle und kreative Akteure gegen eine durch ihr Handeln ausgelöste Gentrifizierung aussprechen, was u.a. mit der Tatsache zu tun hat, dass sie häufig selbst Leidtragende dieses Prozesses sind, stellen sie für Städte ein deutliches Einfallsmoment dieser Entwicklung dar, das über Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt systematisch aufgegriffen wird. So avancieren kulturelle und kreative Akteure zur „kritischen Infrastruktur der Gentrifizierung: Sie sind bewusste (und selbstbewusste) Agenten beim Aufbau von Kreisläufen kulturellen Kapitals und vermitteln den Wandel städtischer ‚Szenen‘.“ [Herv. i.O.] (Zukin 1998: 32) Während zwischen einer eintretenden Gentrifizierung aufgrund von städtisch forcierten, kreativitätsbasierten urbanen Entwicklungsstrategien und einer Entwicklung unterschieden werden muss, bei der durch die Eigendynamik von kulturellen und kreativen Akteuren bestimmte räumliche und wirtschaftliche Folgeprozesse einsetzen, bleibt dennoch festzuhalten, dass beide Fälle einer ‚Ökonomie der Symbole‘ anheim fallen. Obwohl es allen voran insbesondere die ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt ist, die an vielen Orten einer kapitalistischen Aufwertungsstrategie gleichkommt (Vgl. Lloyd 2006: 45), nehmen auch künstlerische und kreative Akteure – ob sie wollen oder nicht – eine Rolle in diesem Transformationsprozess ein, der in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zu münden scheint. Den skizzierten Entwicklungsmissständen zum Trotz waren bereits einige Handlungsspielräume aufgezeigt worden, die es der Stadtpolitik einerseits ermöglichen, Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt umzusetzen, andererseits aber auch Gentrifizierungstendenzen frühzeitig entgegen zu wirken: Das Anbieten von Alternativstandorten zur Entlastung überhitzter Stadtteile gehört ebenso dazu wie das Erlassen einer sozialen Erhaltungsverordnung, wie es bereits in Kapitel 1.4.3.1 dargelegt worden war. Nichtsdestrotrotz bleibt das Spannungsfeld zwischen den unternehmerisch geprägten Interessen der hierarchischen Kultur, den akteursbezogenen Interessen der individualistischen Kultur oder den gemeinwohlorientierten Interessen der egalitären Kultur im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt weiterhin bestehen.
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1.5.4 Ausblick: Kulturelle Homogenisierung vs. Differenzierung Die den vorgestellten Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung’ der Stadt zugrundeliegende Tendenz der Adaption bereits erfolgreicher Formate resultiert zuletzt in einer Entwicklung, in der das Ziel des angestrebten städtischen Alleinstellungsmerkmals zuweilen ad absurdum geführt wird. Hierarchisch motivierte Umsetzungsstrategien avancieren dabei nicht selten zu sog. „xerox-policies“ (Pratt 2009: 15). Entgegen der Annahme, dass ausgewiesene Rahmenbedingungen vorhanden sein müssen, damit die einzelnen Rein- oder Hybridformen eine wirtschaftliche oder räumliche Folgeentwicklung im Sinne einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt einleiten können, suggeriert die Praxis, dass die gewünschten Effekte durch eine simple, d.h. hier ortsunspezifische Implementierung an jedem Ort reproduzierbar seien. Damit knüpft der Kritikpunkt an das in Kapitel 1.2.3 dargelegte Verständnis einer Plan- oder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ an. Dabei war deutlich geworden, dass Governance-Ansätze nicht nur dahingehend begrenzt sind, dass ihnen mit ‚Kreativität‘ ein ‚unplanbarer‘ Steuerungsgegenstand zugrunde liegt, sondern auch dadurch, dass die sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen sowie historischen Pfadabhängigkeiten von Städten sie in ihrem Wirken begrenzen. Allen städtischen Bemächtigungsversuchen von ‚Kreativität‘, ob sie über durchdachte Governance-Ansätze oder durch simple Kopiermechanismen stattfinden, bleibt damit gemein, dass sie von einer unauflösbaren Paradoxie durchdrungen sind. Angesichts der Tatsache, dass die vorgestellten Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt dennoch mittlerweile rund um den Globus Verwendung finden, steigt die Gefahr der kulturellen Homogenisierung der Stadt. Eine kontextbezogene Bestimmung vorherrschender strategischer Anknüpfungspunkte, aber auch eine Modifizierung bislang geläufiger stadtplanerischer Instrumente erscheinen vor diesem Hintergrund unerlässlich. Die Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt sollte nicht nur auf die räumliche Dimension begrenzt werden, sondern auch ortsbezogene soziale, kulturelle und institutionelle Aspekte aufgreifen. Dabei sollte es das Ziel sein, „bisheriges mit Hilfe der sensiblen Lektüre der Stadt weiterzuführen, anstatt zu unterbrechen und zu vernichten.“ Denn „sind Schichten der Stadt einmal abgetragen, sind sie unwiederbringlich verloren. Dies gilt sowohl für gebaute Strukturen als auch für den kulturellen Umgang und die Planungsprozesse.“ (Bodammer/Müller 2006: 104) Der wirtschaftlichen Indienstnahme von ‚Kreativität‘ steht somit nicht nur die staatliche Fürsorgepflicht zur (immateriellen) Kunst- und Kulturförderung gegenüber, sondern auch die strukturwirksame Förderung lokaler Ressourcen, die häufig durch kurzfristige, der Konsumption dienenden Ansätzen überlagert wird. Ergänzt werden diese Tendenzen durch die oftmals überdimensionierte Orientierung an touristischen Interessen, die sich vermehrt als kulturelle Homogenisierung abzeichnet
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und damit in Kontrast zur Ausbildung eines künstlerisch-kreativen heterogenen Städteprofils steht. In der Konsequenz sollte es verstärkt darum gehen, sich von der Mentalität der Drop-Culture und der ‚xerox-policies‘ zu lösen und ein Verständnis stark zu machen, das Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ als integrale, aber auch eigenständige Bestandteile von Stadt und Stadtentwicklung versteht. Um diese Haltung umsetzen zu können, ist es jedoch notwendig, dass Akteure der Stadtpolitik die Faktoren der Unsicherheit und Ergebnisoffenheit, wie sie für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt aufgezeigt worden waren, nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch in der Praxis leben.
2. Die Internationale Bauausstellung IBA Hamburg
Das nachfolgende Kapitel stellt mit der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg und ihrem Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt den projektbezogenen Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie vor. Bereits in Kapitel 1 war angeführt worden, dass das Format IBA aufgrund seiner kommunalen Initiierung, seiner Umsetzung durch städtische Realisierungsgesellschaften, seiner zunehmenden Ausgestaltung als (bau)kulturelles Festivalisierungsformat sowie seinem wachsenden Fokus auf kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien als hierarchischer Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt verortet werden kann. Ebenso die IBA Hamburg: Vom Senat Hamburg ins Leben gerufen, kam ihr die Aufgabe zu, im Zeitraum von 2007 bis 2013 eine Revitalisierung des südlichen Elbraums zu leisten, diesen als neue Wachstumsfläche zu erschließen und damit stärker in den Gesamtkontext der Stadt einzugliedern. Neben ihrem originären Fokus auf städtebauliche, architektonische und ökologische Fragestellungen wies die IBA Hamburg dabei eine starke Konzentrierung auf die Themen Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ auf, mithilfe derer – gebündelt im Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ – eine kreative Entwicklung im südlichen Hamburger Elbraum initiiert werden sollte (Vgl. Klotz/Theis 2011a: 62). Angesichts des Einsatzes gezielter, kreativitätsbasierter Entwicklungsstrategien sowie der damit antizipierten kulturellen, räumlichen und wirtschaftlichen Folgeeffekte kann die Praxis der IBA Hamburg deutlich als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt geltend gemacht werden. Das nachfolgende Kapitel 2.1 gibt zunächst einen Überblick über den stadtentwicklungs- sowie kulturpolitischen Entstehungskontext der IBA Hamburg und den daraus resultierenden Zielstellungen des Formates, bevor daran anschließend das IBA-Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ und seine einzelnen Handlungsansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt vorgestellt werden (Kap. 2.2). Inwiefern die einzelnen Steuerungsansätze sich als rein hierarchische Ansätze oder gar Hybride abzeichnen, welches Kreativitätsverständnis (und Planungsverständnis)
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sie beinhalten, aber auch welche Konsequenzen diese Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ im Rahmen der IBA Hamburg mit sich bringt, wird nach einer Darlegung des Forschungsdesigns (Kap. 3) im Analyseteil (Kap. 4) untersucht.
2.1 Z UR G ENESE
DER
IBA H AMBURG
Der Beschluss Hamburgs zur Durchführung einer IBA im südlichen Elbraum ist eng mit den stadtentwicklungspolitischen (Kap. 2.1.1) sowie kulturpolitischen (Kap. 2.1.2) Geschehnissen in der Hansestadt verbunden und für die vorliegende Untersuchung von maßgeblicher Relevanz. Die leitenden Themen der IBA Hamburg (Kap. 2.1.3) zeugen deutlich von ihrer engen Verflechtung mit stadtentwicklungspolitischen Zielstellungen, zugleich spiegelt ihre inhaltliche Schwerpunktsetzung die besonderen Charakteristika ihres Austragungsortes, des Elbraums wider, der sich in besonderer Weise auf die Ausgestaltung der Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt auswirkt. Dass mit dieser Ausgangssituation unweigerlich Spannungsmomente verbunden sind, soll im Folgenden ebenso dargelegt werden, wie die politischen Reibungen, die sich aus der relativen Eigenständigkeit der Organisation IBA und ihrer stadtpolitischen Kontextualisierung ergeben (Kap. 2.1.4).
2.1.1 Der stadtentwicklungspolitische Entstehungskontext Die IBA Hamburg war Ergebnis und zugleich Instrument des struktur- und stadtentwicklungspolitischen Gesamtkonzeptes „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“, das im Jahr 2002 unter dem amtierenden CDU-Senat beschlossen worden war (Vgl. Altrock 2004: 77). Die ausgegebene Wachstumsstrategie der Hansestadt, die eng mit dem Paradigma der ‚unternehmerischen Stadt‘, aber auch mit der Tatsache verwoben ist, dass Hamburg seit dem Jahr 1998 entgegen dem Bundestrend ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum verzeichnet (Vgl. FHH 2002: 5)1, setzte mit ihrer Metropolisierungsstrategie zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ein markantes, wenn auch zugleich provokant anmutendes Zeichen: Denn während die gesamtdeutsche Entwicklungsperspektive bis heute deutlich von den Folgen des de-
1
Seit Ende der 1990er Jahre verzeichnet Hamburg ein konstantes Wachstum bei einer gleichzeitigen geringen Fortzugszahl (Vgl. FHH 2002: 5). Im Jahr 2001 lebten 1,725 Mio. Einwohner in der Hansestadt, im ersten Halbjahr 2013 betrug die Einwohnerzahl von Hamburg zuletzt 1,743 Mio. (Vgl. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig Holstein 2014: 1).
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mographischen Wandels sowie Schrumpfungstendenzen dominiert wird, lassen sich die steigenden Bewohnerzahlen der Hansestadt nicht ausschließlich, jedoch zu einem gewissen Grad auf ebenjene Abwanderungsbewegungen in ost- und einigen westdeutschen Bundesgebieten zurückzuführen (Vgl. Altrock/Schubert 2004: 10). Es überrascht daher wenig, dass die Verabschiedung des politischen Leitbildes zunächst eine bundesweite Debatte ausgelöst hatte, die sich zwischen dem Argument der „Prägnanz dieser Leitidee [...], sich schlicht und ergreifend auf die vermeintliche Notwendigkeit von Wachstum (rück)zubesinnen“ und der Provokation „eine solche Vereinnahmung in der Stadtpolitik vornehmen zu wollen“ (Altrock 2004: 78) bewegte. Auf der inhaltlichen Ebene war das Leitbild „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ besonders von der Zielstellung geprägt, Hamburg im Städtewettbewerb als Metropole von europäischer Reichweite zu positionieren. Als Maßstab wurden die Städte Kopenhagen, Barcelona, Wien sowie Seattle und Toronto herangezogen, denen es gelungen sei, so die Ausführungen im Leitbild, „durch gezielte Wachstumsstrategien die Wohn-, Arbeits- und Lebensqualität sowie ihre internationale Bekanntheit in nachdrücklicher Weise“ zu erhöhen und damit „überdurchschnittliche wirtschaftliche Wachstumsraten und eine Zunahme der Einwohnerzahlen“ zu erreichen (FHH 2002: 4). Daran anknüpfend wurde die Zielstellung ausgegeben, auch die Hansestadt „durch einen Entwicklungsschub wieder zu einer wachsenden und pulsierenden Metropole mit internationaler Ausstrahlung“ zu entwickeln (ebd.). Ausgehend von dem Verständnis einer „qualitativen Wachstumsstrategie“ (FFH 2003: 1), die insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Wohn-, Arbeits- und Lebensqualität inkludierte, sollten quantitative Ergebnisse wie die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie steigende Einwohnerzahlen erzielt werden (Vgl. Walter 2007: 18). Als übergeordnete Vision des Metropolisierungsansatzes wurde die Zielvorstellung formuliert, Hamburg „zu einem internationalen Markenzeichen“ (FHH 2002: 23) auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene zu etablieren. Dabei wurde v.a. dem Hamburger Süden und hier insbesondere dem Raum zwischen Norder- und Süderelbe, der die Stadtteile Veddel und Wilhelmsburg umfasst, eine entscheidende Rolle zugeschrieben. Das Gebiet war zum einen durch die seit den 1970er Jahren fortschreitende Verlagerung des Hafens in den Westen und damit plötzlich zur Verfügung stehenden, an den Süden angrenzenden Konversionsflächen in den Fokus gerückt. Zum anderen hatten die wachsenden Bevölkerungszahlen Hamburgs in Verbindung mit der Tendenz der zunehmenden Reurbanisierung sowie einem sehr dichten Immobilienmarkt dazu geführt, dass die Hansestadt sich jener innerstädtischen Lagen zu erinnern schien, die sie trotz ihrer prädestinierten Lage jahrelang, u.a. abzulesen an Investitionsstillständen und einer vorrangigen Nutzung als Transitraum, vernachlässigt hatte. Mit dem Leitbild „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ wurde nun die Maßgabe ausgegeben, eine „neue städtebauliche Achse von der City über Wilhelmsburg nach Harburg“ etablieren zu wol-
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len, um die sich zwischen den beiden „Brückenköpfen“ befindlichen Stadtteile systematisch als Wachstumsfläche innerhalb der Stadt zu erschließen (FHH 2002: 4). Dabei sollte die erhoffte Entwicklung durch die Zuhilfenahme von internationalen Großprojekten – ein weiteres Zeichen des zugrunde gelegten ‚großen‘ Maßstabs – zusätzlich beschleunigt werden. Die Ausrichtung der Hamburger Wachstums- und Siedlungspolitik auf den südlichen Elbraum war dabei nicht gänzlich neu, sondern findet ihre Anfänge in der Initiierung der HafenCity Hamburg. Das städtebauliche Mammutprojekt, das bereits 1997 politisch beschlossen worden war, hatte eine Öffnung der Stadtmitte zur südlichen Seite Hamburgs markiert und damit eine Entwicklungslinie durchbrochen, die sich bis dato ausschließlich „mit dem Rücken zur Elbe“ (Walter 2007: 24) dargestellt hatte.2 Damit verkörperte das Neubauprojekt den Beginn einer Entwicklungsstrategie, die vorsah, unter der Zielbotschaft „Mehr Stadt in der Stadt“ die Hansestadt „von innen heraus“ weiterzuentwickeln, um damit die im Wachstumsparadigma verwurzelte „notwendige Modernisierung“ einzuleiten (ebd.: 22). Bereits im Jahr 2002 hatte sich Hamburg zu diesem Zweck um die Austragung einer Internationalen Gartenschau für den südlichen Elbraum im Jahr 2013 beworben, deren Zuschlag sie im Folgejahr erhielt.3 Als die im selben Jahr eingereichte Olympiabewerbung für das Areal des Kleinen Grasbrook, eine fast ausschließlich hafenwirtschaftlich genutzte Fläche direkt südlich der HafenCity, für das Jahr 2012 scheiterte, nutzte die Stadt die entstandene Schubkraft zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung, um ihre Metropolisierungspolitik weiter zu forcieren. Die im Rahmen der Umsetzung des Leitbildes aufgelegten fünf Leitprojekte „Metropole des Wissens“, „Welcome to Hamburg“, „Kulturmetropole Hamburg“, „Sportstadt Hamburg“ sowie „Sprung über die Elbe“ knüpften dabei insbesondere mit letzterem an das vorab von Seiten der Stadt identifizierte stadtentwicklungspolitische Wachstumspotenzial des Hamburger Südens an.4 Darüber hinaus ließ die Hansestadt ihrer
2
Bis zur Neukonzeptionierung im Rahmen des Leitbildes „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ wurde Hamburg entlang des sog. „Fächerplans“ aus dem Jahr 1920 entwickelt. Dieser sah eine Fortschreibung der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung entlang der bereits bestehenden Siedlungsachsen sowie in die Region nördlich der Elbe vor, während der Elberaum komplett ausgespart wurde (Vgl. FHH/BSU 2007: 30).
3
Das Format fand unter dem Namen internationale gartenschau hamburg - igs 2013 statt.
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Während das Leitprojekt „Metropole des Wissens“ eine Internationalisierungsstrategie für den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Hamburg postulierte, verfolgte „Welcome to Hamburg“ das Ziel, die Hansestadt auch in Bezug auf hochqualifizierte Kräfte aus dem In- und Ausland attraktiv zu gestalten. „Kulturmetropole Hamburg“ sollte mithilfe von architektonischen, städtebaulichen sowie kulturellen und künstlerischen Projekten das
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Programmatik auch finanzielle Tatsachen folgen, indem sie zur Umsetzung ein Sonderinvestitionsprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro für den Zeitraum 2005-2010 erließ (Walter 2007: 22).5 Das Leitprojekt „Sprung über die Elbe“
Das als einzige der fünf Leitprojekte räumlich gefasste Konzept „Sprung über die Elbe“ steht modellhaft für das skizzierte Wachstumsbestreben der Hansestadt Richtung Süden. Das Leitprojekt war im Nachgang an die sog. Internationale Entwurfswerkstatt im Jahr 2003 entstanden.6 Dieser waren bereits verschiedene Diskussionsverfahren vorausgegangen, von denen insbesondere die „Zukunftskonferenz Wilhelmsburg“ hervorzuheben ist, die zwischen Mai 2001 und Januar 2002 in einem in Hamburg ungewöhnlichen Beteiligungsverfahren mehr als 100 Bürger aus Wilhelmsburg mit Vertretern von städtischen Fachbehörden und Verwaltungen sowie ausgewählten Experten zusammengebracht hatte, um Lösungsvorschläge zum Thema „Wilhelmsburg: Insel im Fluss – Brücken in die Zukunft“ zu erarbeiten. Leitender Gedanke war es, ein „integratives Entwicklungskonzept für Wilhelmsburg“ auf die Beine zu stellen, das „insbesondere die stadträumlichen, baulichen, wirtschaftlichen, landschaftlichen und sozialen Probleme und Perspektiven einbezieht“ (Zukunftskonferenz Wilhelmsburg 2002: 1). Das aus dem Format hervorgegangene „Weissbuch“ der beteiligten Bürger präsentierte neben Ergebnissen der einzelnen Arbeitsgruppen auch Forderungen für die stadtentwicklungspolitische, ökologische, bildungspolitische, kulturelle und freizeitorientierte Entwicklung des südlichen Elbraums.7 Als Konsequenz aus den politischen Zielsetzungen des südlichen Entwicklungskonzeptes, aber auch den in den Beteiligungsformaten formulierten Forderungen nach einer gesonderten Entwicklungsgesellschaft8 zur Realisie-
kulturelle Profil stärken, was durch das Leitprojekt „Sportstadt Hamburg“ auf sportlicher Ebene ergänzt werden sollte (Vgl. FHH/ BSU 2007: 18). 5
Zur detaillierten Information s. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2005.
6
Die „Internationale Entwurfswerkstatt“ war von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) in Kooperation mit der Handelskammer Hamburg im Jahr 2003 für den Zeitraum von einer Woche als interdisziplinäre Plattform für die Zusammenarbeit von (inter)nationalen Architekten, Stadt- und Landschaftsplanern sowie Anwohnern der Elbinseln ins Leben gerufen worden (Vgl. FHH/BSU 2003: 18).
7
Zur detaillierten Information s. Zukunftskonferenz Wilhelmsburg 2002.
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So lautete eine Forderung der Zukunftskonferenz, eine „Entwicklungsgesellschaft Elbinseln“ (Zukunftskonferenz Wilhelmsburg 2002: 16) für die Umsetzung der weiteren Schritte auszugründen. Ziel der Gesellschaft sollte „die Beschleunigung von Planungen und deren Umsetzung im Sinne der vorgestellten Entwicklungsperspektiven“ sein, die in ihrer Sonderorganisationsform zugleich ein „tragfähiges Einvernehmen zwischen Bevöl-
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rung, beschloss die Hamburger Bürgerschaft im Dezember 2005 schließlich eine Internationale Bauausstellung, die im Jahr 2013 und damit zeitgleich zur Internationalen Gartenschau igs 2013 stattfinden sollte: „Um die Sprungkraft über die Elbe zu verstärken, beschlossen Senat und Bürgerschaft 2005 einen weiteren Motor der Stadtentwicklung als Qualitätsgaranten einzusetzen, der in der Geschichte des deutschen Städtebaus bereits mehrfach seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat, nämlich eine Internationale Bauausstellung – kurz IBA.“ (Hellweg 2007: 36) Beide Großformate sollten nicht nur den „Sprung über die Elbe“ auf stadtplanerischer, baukultureller sowie landschaftsarchitektonischer Ebene umsetzen, sondern – so die normative Vorstellung – auch die mit der Zukunftskonferenz und der Entwurfswerkstatt begonnene „Verfahrenskultur“ aufgreifen und fortführen (Vgl. ebd.: 58). Zur langfristigen Entwicklungsperspektive des Leitbildes wurde darüber hinaus im Jahr 2007 ein „Räumliches Leitbild“ mit fünf Zielbotschaften festgelegt, dass – als Schnittstelle zwischen dem programmatischen Metropolisierungsansatz und den nachfolgenden Planungsschritten – die städtischen Schlüsselprojekte HafenCity, igs 2013, IBA Hamburg und Harburger Binnenhafen miteinander verknüpfen und in einen räumlichen Planungshorizont bis 2020 stellen sollte. Dabei tritt deutlich der Elbraum als Fokus für das Leitprojekt „Sprung über die Elbe“ und ihre Erfüllung durch die IBA Hamburg hervor (Vgl. FHH/BSU 2007: 36f.). Während das politische Leitbild „Metropole Hamburg–Wachsende Stadt“ (2002-2008) im Rahmen der Regierungsneukonstituierung des CDU/GALgeführten Senat im Jahr 2008 eine Weiterentwicklung zu „Metropole Hamburg – Wachsen mit Weitsicht“ (2008-2011)9 erfuhr, besteht es unter dem jetzigen SPDSenat (berufen seit 2011) nicht weiter fort. Stattdessen wurde das Leitbild „Wir schaffen das moderene Hamburg” initiiert, in der sich weniger konkrete Anknüpfungen an die Wachstumsrethorik der Vorgängerregierungen finden, in diesem Zusammenhang angestoßene Projekte, wie z.B. die Entwicklung des südlichen Elbraums aber sehr wohl weitergeführt werden:
kerung, Wirtschaft und Politik und andererseits ein hohes Maß an Kooperation und Vernetzung zwischen allen Akteuren“ sicherstellen sollte (ebd.: 14f.). 9
Das am 23.02.2010 in der Drucksache 19/5474 verabschiedete Leitbild „Metropole Hamburg – Wachsen mit Weitsicht“ ergänzte das unter der CDU proklamierte Wachstumskonzept um eine Nachhaltigkeitsstrategie: „Die Wirtschafts- und Finanzkrise und die dadurch bedingten Haushaltsbelastungen, der Klimawandel, die Gefahr sozialen Auseinanderdriftens, die Herausforderungen der Wissensgesellschaft – all diese Phänomene mahnen uns, beim Wachsen die Qualität des Fundaments noch stärker zu berücksichtigen: Das ist Wachsen mit Weitsicht.“ (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt 2010: 1)
170 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Wir setzen auf konkrete bildungs- und wohnungspolitische Vorhaben und die spürbare Verbesserung der Lebensqualität, um die Flussinsel wieder so attraktiv zu machen, dass dort Viele wohnen wollen. Das ist Teil des Leitprojektes ‚Sprung über die Elbe‘, das den Stadtteil Wilhelmsburg und den Binnehafen Harburg städtebaulich aufwerten und zugleich Wachstumpotenziele für die Gesamtstadt mobilisieren soll.” [Herv. i.O.] (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2011b: 17).
2.1.2 Der kulturpolitische Entstehungskontext Die Annäherung der Hansestadt an urbane Kreativitätspolitiken kann mit Beginn der CDU-Alleinregierung unter Ole von Beust (2004-2008) verortet werden. Während bereits der erste Bericht zur Hamburger Kultur- und Kreativwirtschaft im Jahr 2006 erste räumliche Verflechtungen aufgezeigt hatte10, griff die Hansestadt das Thema in ihrem Leitbild „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ über den Zusammenhang von hochqualifizierten ‚kreativen‘ Fachkräften mit den Leitprojekten „Kulturmetropole Hamburg“ sowie „Metropole des Wissens“ vertieft auf: „Das Leitbild der wachsenden Stadt reicht somit weit über die klassische Wirtschaftsförderung hinaus und ist eine zentrale und dauerhafte Aufgabe für alle Politikressorts, bei der es darum geht, die Stadt für ihre Einwohner sowie für potenzielle Investoren und kreative Köpfe aus dem In- und Ausland so attraktiv und lebenswert zu gestalten wie nur irgend möglich.“ (FHH 2002: 10)
In Kapitel 1 war diesbezüglich bereits die enge strategische Ausrichtung Hamburgs auf das Florida’sche 3-T-Modell aufgezeigt worden, das die Entwicklung des bereits skizzierten Leitkonzeptes „Talentstadt Hamburg“ nach sich gezogen hatte, um das qualitative Wachstum der Metropole durch eine exogene Strategie zu befördern. Das Konzept der „Talentstadt“ blieb ihre Umsetzung in der anvisierten Form allerdings schuldig, vielmehr wurde es unter dem Dach des CDU/GAL geführten Nachfolgesenat in der Legislaturperiode 2008-2011 und seiner Weiterentwicklung des Leitbildes in „Metropole Hamburg – Wachsen mit Weitsicht“ in das Leitprojekt „Kreatives Hamburg“ überführt. Die Neubenennung lässt auf eine starke Intervention der GAL schließen, die bereits vor ihrem Regierungsantritt das Narrativ der ‚Creative City‘ als Leitbild für ihren parteipolitischen Ansatz formuliert hatte. Da-
10 Bereits im Kulturwirtschaftsbericht Hamburgs 2006 finden sich Empfehlungen, um Hamburgs Profil als „Kulturmetropole“ weiter zu befördern, etwa über die Handlungsfelder Kulturtourismus, Bildung und Ausbildung oder eine zielgerichtete Leuchtturmpolitik (Vgl. FHH 2006: 18f.).
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bei hatte sie sich frühzeitig vom 3-T-Modell und damit von einem rein wettbewerblich orientierten, ökonomischen Kreativitätsverständnis im Rahmen des Städtewettbewerbs abgewendet und stattdessen ein stärker nach innen orientiertes Modell postuliert, das sie in Anlehnung an Landrys ‚Creative City‘ entwickelt hatte: „Als wir [Grüne Alternative Liste/ GAL, Anm. d.Verf.] schon glaubten, mit den Floridaschen drei Ts die Erfolgsformel für moderne Städte geradewegs in der Tasche zu haben [...] hat uns Charles Landry gewarnt: So richtig die Beobachtungen Floridas sind: Stadtentwicklung („City Making“ wie Landry sagt) folgt keiner Formel. Es bleibt eine Kunst. Jede Stadt ist anders: Ohne ihre Besonderheiten zu entwickeln, wird sie nicht kreativ sein können.“ [Herv. i.O.] (Maier 2008: 26)
Einem Verständnis folgend, nach dem eine ‚kreative Stadt‘ v.a. eine gerechte Stadt darstelle, die keine weiteren Ausschlüsse produziere, sondern vielmehr Teilhabe fördere, sah die Talentförderung aus Sicht der GAL v.a. eine endogene, bildungsorientierte Strategie vor (Vgl. ebd.: 27). Darüber hinaus grenzte sie sich deutlich vom wirtschafts- und stadtentwicklungsorientierten Fokus der „Wachsenden Stadt“ zugunsten einer stärkeren Verknüpfung von kultureller ‚Kreativität‘, Kulturwirtschaft und Subkultur als zukunftsweisende Internationalisierungsstrategie der Hansestadt ab: „Hamburgs Stadtentwicklung darf sich nicht allein auf international strahlende Großprojekte fixieren – so sehr auch wir Olympia-Bewerbung, IGA, Internationale Bauausstellung oder Elbphilharmonie schätzen. Sie muss kreative Laboratorien und Freiräume fördern. Sie kann dabei anknüpfen an Hamburgs städtischen Qualitäten und Schönheiten, an der Existenz vielfältiger Kulturen und Subkulturen, die heute schon als Magneten für (junge) Menschen wirken.“ (ebd.: 28)
Der von der GAL vertretene Kurs spiegelt sich deutlich im modifizierten Leitbild wider, das ab 2008 die Kernbotschaft kommunizierte, dass Hamburg „international Maßstäbe setzen [soll] als eine wachsende Metropole der Talente, der Nachhaltigkeit und der Verantwortungsbereitschaft“ (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2010: 2). Wie schon im originären GAL-Ansatz wurde in der Folge auch im Gesamtleitbild der CDU/GAL Koalition eine Loslösung vom 3-T-Modell und der damit einhergehenden Indienstnahme von künstlerischen und kreativen Akteuren für Imagezwecke propagiert und stattdessen das – aus Sicht der Regierungsparteien eine stärkere Ganzheitlichkeit versprechende – ‚Creative City‘-Narrativ in Stellung gebracht: „Die Politik wird sich also nicht auf eine eng begrenzte ‚Kreative Klasse‘ beschränken, sondern in einem ressortübergreifenden Ansatz die Rahmenbedingungen für die Entfaltung aller
172 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN verbessern. Das reicht von Bildungsinhalten in Schule und Wissenschaft über die Förderung kulturell tätiger Menschen und Institutionen und klassische Wirtschaftsfördermaßnahmen bis hin zu einem offeneren Umgang bei der Vergabe von Immobilien und Flächen sowie neuen Nutzungskonzepten des öffentlichen Raums. [...] Parallel dazu wird auch die für Hamburg bereits bedeutende Kreativwirtschaft als Wachstumsfeld erkannt und entsprechend gefördert. Kultur und Kreativwirtschaft sind also weit mehr als ein Imagefaktor.“ [Herv. i.O.] (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2010: 3)
In diesem Zusammenhang bereits unter dem Vorgängersenat angestoßene Projekte wie die Hamburger Elbphilharmonie, die als sichtbarste Projektionsfläche für die strategische Umsetzung des Leitprojektes „Metropole Hamburg“ fungieren sollte, wurden im Laufe der Regierungsperiode vermehrt durch Ansätze der ‚kreativen Cluster‘-Politik, wie der Ausgründung der Hamburg Kreativ Gesellschaft zur Förderung der Kreativwirtschaft (Vgl. Kap. 1.4.2.2) und zuletzt auch der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘, wie sie über die Studie „Kreative Milieus und offene Räume in Hamburg“ und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen erfolgt war, ergänzt (Vgl. Kapitel 1.4.3.1). Mit der Regierungsneubildung im Jahr 2011 endete allerdings auch das Leitprojekt „Metropole Hamburg”. Künstlerisch-kultureller Widerstand in Hamburg
Neben dem wechselhaften parteipolitischen Geschehen und damit verbundener unterschiedlicher kulturpolitischer Schwerpunkte zeichnet sich die Zeit, in die die Initiierung der IBA Hamburg sowie ihre ersten Wirkungsjahre fallen, außerdem durch ein reges kulturaktivistisches Geschehen in der Hansestadt aus, bei der sich betroffene Akteure deutlich gegen die operativen sowie strategischen Maßnahmen der Stadtpolitik zur Wehr setzten. In diesem Zusammenhang waren bereits die künstlerischen Besetzungen des Gängeviertels sowie die Initiative „Recht auf Stadt“ vorgestellt worden, die sich in ihrem Handeln explizit gegen kreativitätsbasierte strategische Entwicklungsansätze der Hansestadt, wie sie etwa mit der „Talentstadt“ aufgelegt worden waren, wendeten. Zum anderen richtete sich der Aktivismus gegen operative Maßnahmen wie die Ausgründung der Kreativ Gesellschaft Hamburg oder die Studie „Kreative Milieus und offene Räume in Hamburg“, die aus Sicht der Kritiker in ihrer Verknüpfung mit dem Stadtmarketing erneut eine Indienstnahme von künstlerischen und kreativen Akteure für die Metropolisierungsstrategie der Hansestadt implizieren, außerdem die einsetzende Gentrifizierung in ausgewiesenen Stadtteilen zusätzlich befördern würden. Obgleich Hamburg versuchte, auf die Forderungen und Kritiken der involvierten Akteure einzugehen, wie über den Rückkauf des Gängeviertels oder die Vermittlung weiterer Räumlichkeiten durch die Hamburg Kreativ Gesellschaft, bleibt die Skepsis der Akteure nach wie vor bestehen. Ganz im Sinne des ‚Neuen Geist des Kapitalismus‘ nach Boltanksi/Chiapello (2003) fürchten sie, dass auch die unter dem neuen Senat angesto-
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ßenen strategischen und operativen Maßnahmen für die künstlerischen und kreativen Szenen noch immer eng an das Vermarktungspotenzial derselben für die Metropolisierungsstrategie gebunden seien, u.a. abzulesen an der von Seiten der Stadt vollzogenen Ausschmückung ihres Engagements für das Gängeviertel, das mittlerweile gar im Kontext von kulturtouristischen Zielen aufgegriffen werde.11 In der Folge häufen sich seit 2008 verschiedene Praxen des politischen aber auch künstlerischen Widerstands, die sich explizit gegen die ‚unternehmerische Stadtpolitik‘, die Indienstnahme von Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ für wirtschaftliche oder stadtentwicklungspolitische Interessen sowie gezielte Aufwertungsbemühungen der Stadt Hamburg u.a. durch Großprojekte oder eine zielgerichtete Mittelvergabe richten (Vgl. Brunow 2011: 38). In diesem Zusammenhang geriet auch die IBA Hamburg, spätestens seit ihrem Auftaktjahr 2007, das sie mit einem umfassenden Kunstund Kulturprogramm begonnen hatte, immer häufiger und heftiger in die Kritik der engagierten Akteure. So hatte die Hamburger Kulturbehörde bereits im Vorfeld u.a. „als Vorbereitung auf die Internationale Bauausstellung Fördermittel gezielt an Kunstprojekte vergeben, die ihre Arbeiten in Wilhelmsburg lokalisiert [hatten] – mit dem Risiko, dass die KünstlerInnen zur kulturellen und ökonomischen Aufwertung des Viertels [...] bei[ge]tragen [haben]“ (ebd.: 39).
2.1.3 Leitthemen und Projekte der IBA Hamburg Zuvor war bereits deutlich geworden, dass die Beschlussfassung für die Umsetzung einer IBA in Hamburg unmittelbar mit der polit-strategischen Zielvorgabe „Sprung über die Elbe“ verbunden war. In dem für eine IBA verhältnismäßig kurzen Realisierungszeitraum von 2007 bis 2013 (Vgl. Kap. 1.4.1.2) kam dem Format seit seiner Konstituierung Ende 2006 entsprechend die komplexe Aufgabe zu, das historisch gewachsene Stigma des südlichen Elbraums aufzubrechen und diesen mit vorrangig baukulturellen Entwicklungsprogrammen in das Gesamtgefüge Hamburgs einzubinden und für neue Bevölkerungsgruppen interessant zu machen.
11 So konstatiert Oehmke: „Die Zeiten haben sich geändert. […] Die Springer-Presse druckt Manifeste aus der linken Subkultur, ein Guru in Toronto [Richard Florida, Anm. d. Verf.] fängt an, Marx zu zitieren, damit er nicht in Verdacht gerät, die Rezepte für Gentrifizierung zu liefern; der Unterhändler der Stadt [Dirk Petrat, damaliger Amtsleiter für Medien, Tourismus und Marketing, Anm. d. Verf.] spricht über die Künstler wie über seine Kinder, während sich die Stadt inoffiziell mit den Besetzern verbündet. Der alte Verbündete, ein Finanzinvestor [zum Kauf des Gängeviertel, Anm. d. Verf.], den die Städte bis vor kurzem niemals verprellt hätten, ist zum Gegner geworden.“ (Oehmke 2010: 99)
174 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Eine Internationale Bauausstellung im Jahr 2013 ist das geeignete Instrument, die Aktivitäten der Stadtentwicklung zu bündeln und auf ein zeitliches Ziel zu konzentrieren, um die Kraftanstrengungen, die mit der langfristig orientierten Stadtentwicklungsstrategie des ‚Sprungs über die Elbe‘ verbunden sind, kraftvoll voranzubringen, sichtbar zu machen und international zur Diskussion zu stellen.” [Herv. i.O.] (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt 2005: 2f)
In der Praxis trafen der Realisierungsdruck der nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich terminierten, entwicklungspolitischen Vorgabe „Sprung über die Elbe“ sowohl auf das prozesshafte, experimentelle und ergebnisoffene Selbstverständnis des Formates IBA (Vgl. Günther/Prossek 2009: 262), als auch auf die komplexe Situation des Stadtteils Wilhelmsburg und Forderungen zur Behebung seiner vielfältigen Missstände durch die Bewohnerschaft. Schließlich umfasste das sog. „Demonstrationsgebiet“ (Hellweg 2007: 42) der IBA Hamburg keine menschenleere Konversionsfläche wie in der HafenCity Hamburg, sondern inkludierte mit den Stadtteilen Veddel, Wilhelmsburg und dem Harburger Binnenhafen ein Gebiet, in dem nicht nur mehr als 50.000 Bewohner aus mehr als 100 Nationen leben12, sondern das darüber hinaus auf eine bewegte Historie zurückblickt. Die Elbinsel: Die Stadtteile Wilhelmsburg und Veddel
Die inkludierten Stadtteile Wilhelmsburg und Veddel, die heute die Form einer Flussinsel aufweisen, sind das Resultat mehrerer Einzeleindeichungen, die Mitte des 19. Jahrhunderts vollzogen wurden und dem geografischen Gebiet seine heutige Form verleihen (Vgl. Abb. 10). Das Gesamtgebiet Wilhelmsburgs stellt mit seiner Fläche von 35 Quadratkilometern flächenmäßig den größten Hamburger Stadtteil dar, der dazu jedoch vergleichsweise dünn besiedelt ist (Vgl. Zukunftskonferenz Wilhelmsburg 2002: 2)13, auch wenn er im Westen von Logistikbetrieben der Hafenwirtschaft und im Südosten von Landwirtschaftsbetrieben in großem Umfang besetzt ist. Der im Norden an Wilhelmsburg angrenzende Stadtteil Veddel umfasst demgegenüber eine Fläche von vier Quadratkilometern. Geografisch betrachtet liegt die Elbinsel mit den beiden Stadtteilen nicht nur zwischen den Armen der Norder-
12 2012 umfasste der Stadtteil Wilhelmsburg insg. 50.731 Einwohner, die Veddel 4.856 Einwohner (Vgl. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2012: 46ff.). Zur internationalen Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur s. http://www.ibahamburg.de/nc/projekte/kosmopolis.html. 13 Die Bevölkerung Wilhelmsburgs lässt sich auf 1.437 Einwohner je Quadratkilometer bemessen, für die Veddel sind es 1.104 Einwohner, während der Hamburger Durchschnitt mit 2.330 Einwohner je Quadratkilometer zu Buche schlägt (Vgl. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2012: 46ff.).
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und Süderelbe, sondern auch in etwa gleicher Entfernung von der Hamburger Innenstadt wie das Szeneviertel Ottensen (Vgl. Markert 2008a: 193). Allerdings fällt die gefühlte Distanz in den Köpfen vieler Hamburger durch die notwendige Elbquerung sowie die jahrzehntelange Vernachlässigung des südlichen Stadtraums weitaus größer aus. Abbildung 10: Die Elbinsel mit ihren Stadtteilen Wilhelmsburg und Veddel.
Quelle: IBA Hamburg 2007a: 32f.
Bis in die 1960er Jahre galten Wilhelmsburg und die Veddel als wirtschaftlich prosperierende Stadtteile. Die florierenden Betriebe im Hamburger Hafen hatten eine große Arbeiterschaft hervorgebracht, die durch die Nähe zu ihrem Arbeitsplatz vorwiegend auf der Elbinsel wohnte. Zugleich waren die Stadtteile von einer ausgeprägten bürgerlichen Mittelschicht geprägt, deren Einfluss sich in vielfältigen Einzelhandelsangeboten, zahlreichen Gaststätten, Ballsälen, Ausflugslokalen sowie Freizeit- und Vergnügungseinrichtungen wie z.B. sechs Kinos widerspiegelte (Vgl. Hahn 2008: 118). Als im Februar 1962 mit der Hamburger Sturmflut zahlreiche Deiche in Wilhelmsburg brachen, kamen nicht nur mehr als 300 Menschen auf der Elbinsel ums Leben, die Auswirkungen machten sich bis weit in die 1970er Jahre bemerkbar. So verließen aufgrund der Zerstörungen zum einen zahlreiche Menschen, davon überwiegend deutschstämmige Wilhelmsburger, die Insel, zum anderen mussten zahlreiche, von den Flutfolgen betroffene Industriebetriebe, Geschäfte und Freizeiteinrichtungen schließen.
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In den Folgejahren führten die einsetzende wirtschaftliche Rezession sowie die zunehmende Automatisierung der Hafenwirtschaft darüber hinaus zu einer Situation, in der durch den Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze von Hafenarbeitern die Arbeitslosenzahlen in Wilhelmsburg und auf der Veddel rasant stiegen (Vgl. Markert 2008b: 55). Während die einstige industrielle Prosperität der Orte erlahmte, wurde sie von städtischer Seite noch weniger aufgefangen. Vielmehr reagierte diese nach der Sturmflut mit einem nahezu fünfzehn Jahre währenden „Investitionsstillstand“ (Walter 2007: 24), der die Zustände auf der Elbinsel maßgeblich verschärfen sollte: „Jahrzehntelange Ungewissheit über die Zukunft Wilhelmsburgs als Wohngebiet veranlasste viele Familien, die Insel zu verlassen. Bis in die späten 1970er Jahre hinein nicht dementierte Senatspläne, Wilhelmsburgs Westen zum ausschließlichen Industriestandort zu machen, begünstigten einen schleichenden Verfall: Wohnungen standen leer, investiert wurde nicht mehr, der Stadtteil und seine Menschen litten an der Vernachlässigung.“ (Markert 2008b: 55)
Das Verharren des Hamburger Senats führte in der Konsequenz dazu, dass sich die Bevölkerung sowohl in Bezug auf ihre kulturelle als auch soziale Zusammensetzung auf der Elbinsel bis zum Beginn der 1970er Jahre nahezu ausgetauscht hatte. Nachdem von Seiten des Senats lange Zeit offen gelassen worden war, ob die von der Flut beschädigten Wohnquartiere zukünftig dem Hafenentwicklungsgebiet zugeschlagen werden sollten, wurden die leerstehenden, da sanierungsbedürftigen Häuser zunehmend „von einkommensschwachen Haushalten, vornehmlich aus dem Ausland angenommen, die keine andere Wahlmöglichkeit hatten“ (Walter 2007: 24). Dies war insbesondere deshalb der Fall, da im Zuge der WirtschaftswunderÄra ab den 1960er Jahren die zweite ‚Gastarbeiterwelle‘14 eingesetzt hatte, die zahlreiche wohnungssuchende Menschen aus Italien, Spanien, Griechenland, Jugoslawien und der Türkei nach Hamburg und auf die Elbinsel gebracht hatte. Zusammen mit der zweiten und dritten Generationen ihrer Familien prägen die ehemaligen Gastarbeiter noch heute das kulturelle Gefüge des Ortes: So umfasst der „Ausländeranteil“15 in Wilhelmsburg heute 32,7 Prozent (Hamburger Durchschnitt: 13,7%),
14 Die erste Gastarbeiterbewegung in Wilhelmsburg lässt sich bereits auf die Wende zum 19. Jahrhundert zurück datieren (Vgl. Dietz 2008: 98). 15 Das Statistische Bundesamt Hamburg und Schleswig Holstein unterscheidet zwischen Personen mit ‚Ausländer‘-Status und Personen mit ‚migrantischem Hintergrund‘. Die ‚Bevölkerung mit Migrationshintergrund‘ umfasst demnach sowohl die ausländische Bevölkerung als auch alle ab 1950 außerhalb von Deutschland Zugewanderten unabhängig von ihrer Nationalität. Konkret umfasst diese Gruppe auch in Deutschland geborene eingebürgerte Menschen sowie in Deutschland geborene Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit, deren Eltern einen Migrationshintergrund aufweisen. Flüchtlinge und Ver-
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Menschen „mit Migrationshintergrund“ wird ein Anteil von 56,8 Prozent attestiert (Hamburger Durchschnitt 29,2 %). Auf der Veddel beträgt der „Ausländeranteil“ 46,8 Prozent, zu Menschen „mit Migrationshintergrund“ werden 70,4 Prozent gezählt (Vgl. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2012: 46ff.). In den Folgejahren wurde der Elbraum v.a. als Transitraum genutzt. Dies manifestierte sich zum einen in der vertikalen Parzellierung des Gebietes durch überregionale und dadurch äußerst markante Verkehrstrassen, welche zwar die Bedeutung Wilhelmsburgs als Verbindungsgelenk zwischen Hamburg und Harburg verdeutlichten, gleichwohl dazu führten, dass die Verkehrswege „zu Stadtbild prägenden Großstrukturen“ wurden (Bornholdt 2008: 36). Das Verständnis von Wilhelmsburg als ‚Durchgangsraum‘ zeigte sich zum anderen in Nutzungskonflikten zwischen den im Westen befindlichen Hafenbetrieben und unmittelbar angrenzenden nachbarschaftlichen Wohnbebauungen, die unter der umweltbelastenden Industrie und ihrer Geruchsemissionen, oder der im Osten befindlichen Mülldeponie Georgswerder zu leiden hatten (Vgl. ebd.: 3). In der Konzentration führten die Rahmenbedingungen dazu, dass Wilhelmsburg keinen geringeren Ruf „als Hinterhof und Stiefkind der Metropole Hamburg“ (Markert 2008a: 129) inne hatte. Auch heute ist der Elbraum noch immer von den Auswirkungen der Ereignisse des 20. Jahrhunderts gezeichnet: Auf der physischen Ebene lässt sich eine regelrechte ‚funktionelle Verinselung‘ konstatieren, die sich in einer parzellierten, von Verkehrsschneiden geformten Fragmentierung aus Hafen und Industrie, Wohngebieten, Landwirtschaft und Brachflächen und nicht zuletzt in einer durch die Insellage bedingten permanenten Hochwassergefahr materialisiert. Darüber hinaus bildet sich auf der gesellschaftlichen Ebene eine ‚soziale Verinselung‘ ab: eine räumliche Separierung verschiedenster sozialer und kultureller Milieus, die sich in Form von ethnischen und sozial segregierten Gebieten niederschlägt. Während die oftmals kinderreichen migrantischen Familien eine Entwicklung eingeläutet haben, nach der Wilhelmsburg und die Veddel einerseits zu den jüngsten Stadtteilen Hamburgs gehören, haben lang anhaltende Arbeitslosigkeit sowie die zunehmende Rolle derselben als Auffangbecken für Migranten und sozial Schwache zeitgleich dazu geführt, dass diese heute auch zu jenen Stadtteilen gehören, die einen überproportional hohen Anteil an Sozialhilfe-Empfängern, Langzeitarbeitslosen, jugendlichen Arbeitslosen sowie Schulabbrechern aufweisen.16 Diese Situation spiegelt sich auch im
triebene in Folge des Zweiten Weltkriegs werden in der Berechnung nicht erfasst (Vgl. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2012: 246). 16 So lag der Anteil der unter 18jährigen im Jahr 2012 in beiden Stadtteilen bei 21,1 bzw. 21,2 Prozent (Hamburger Durchschnitt: 15,6%). In Wilhelmsburg herrschte zum gleichen Zeitpunkt eine Arbeitslosenquote von 10,7 Prozent bei den 15- bis unter 65jährigen vor (Hamburger Durchschnitt: 5,9%), bei den 15- bis unter 25jährigen lag die Quote bei 3,8
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Baubestand wider, der in Wilhelmsburg zu 31 Prozent, auf der Veddel zu 22,8 Prozent aus Sozialwohnungen besteht (Hamburger Durchschnitt: 11%) (Vgl. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2012: 46ff.). Nachdem die Stadtteile auch in den 2000er Jahren v.a. mit Konflikten rund um Kriminalität, desaströse Wohnungszustände, unterdurchschnittliche Schulergebnisse sowie den Tod eines Kindes durch eine Kampfhundattacke auf sich aufmerksam gemacht hatten, die in Presseberichten wie „Hochhaus-Ghetto“ (Hamburger Morgenpost 1999), „Balkan des Nordens“ (DER SPIEGEL 2000) oder „soziales Pulverfass Wilhelmsburg“ (DER SPIEGEL 2000) (Vgl. Müller 2009: 168) medial genährt wurden, schien von Seiten der Stadtpolitik ein erneuter Handlungsbedarf gegeben, der u.a. mit der Installierung der IBA Hamburg begegnet wurde. Politische Beschlussfassung und Organisationsstruktur der IBA
Nach der Beschlussfassung des Hamburger Senates für eine IBA Hamburg hatte sich diese Ende 2006 als städtische Tochter der Freien und Hansestadt Hamburg konstituiert und im Jahr 2007 ihre Arbeit aufgenommen. In ihrer Organisationsform sollte die Durchführungsgesellschaft IBA Hamburg eine GmbH darstellen, darüber hinaus aufgrund der gemeinsamen Finalisierung mit der igs 2013 auch personell mit dieser verwoben sein.17 Sowohl IBA als auch igs wurde ein Aufsichtsrat mit behördlichen und politischen Vertretern vorgeschaltet, gemeinsam wurden sie von einem Beteiligungsgremium, bestehend aus 24 Bürgern und 9 Politikern, begleitet, das – seinem Titel zum Trotz – jedoch keinen unmittelbaren Einfluss ausüben konnte, sondern lediglich eine beratende Funktion inne hatte.18 Zusätzlich war die IBA Hamburg an ein Fachkuratorium mit internationalen Experten19 gekoppelt und wies zuletzt ein Netzwerk von mehr als 140 „IBA-Partnern“ auf, die über die sog. IBA-Konvention mit der Durchführungsgesellschaft IBA Hamburg GmbH verbunden waren.20
Prozent (Hamburger Durchschnitt: 2,6%). Auf der Veddel beliefen sich die Zahlen der Arbeitslosen auf 10,8 Prozent bei den 15- bis unter 65jährigen, die Zahl der 15- bis unter 25jährigen lag bei 2,8 Prozent. Im Juni 2012 bezogen 24,3 Prozent der Wilhelsburger Sozialleistungen, auf der Veddel waren es 27 Prozent (Hamburger Durchschnitt: 10,5%) (Vgl. Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2012: 46ff.). 17 So bildeten beide Geschäftsführer der Durchführungsgesellschaften IBA Hamburg und igs 2013 eine Doppelspitze in ihren Einrichtungen und vertraten sich auch gegenseitig. 18 Zur weiterführenden Information s. http://www.iba-hamburg.de/die-iba-story/akteure/beteiligungsgremium.html. 19 Zur weiterführenden Information s. http://www.iba-hamburg.de/die-iba-story/akteure/ kuratorium.html. 20 Die IBA-Konvention fungierte als „eine Art Stadtvertrag“ (Hellweg 2007: 66), mit der sich die unterzeichnenden Einrichtungen „auf die Ziele der IBA festleg[t]en“, etwa durch
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Zum Leistungsspektrum der IBA Hamburg GmbH zählten in besonderem Maße „Durchführungs- und Koordinierungsaufgaben“, um „die Investitionsvorhaben der IBA zu initiieren, planerisch vorzubereiten, mit den Vorhabensträgern zu entwickeln und zu qualifizieren sowie die finanzielle Beteiligung aus dem Sonderinvestitionsprogramm (SIP) zu steuern“. Darüber hinaus kam der GmbH eine wesentliche Rolle darin zu, „die Projekte der IBA und den Prozess ihrer Entstehung intensiv lokal, bundesweit und international in unterschiedlichster Weise zu kommunizieren“ (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2005: 7). Zuletzt sah das Aufgabenspektrum die Gewinnung von Projektträgern und Investoren vor, mit denen die IBA Hamburg ihre Bauprojekte realisieren sollte: „Eine IBA, die sich allein aus öffentlich finanzierten Projekten zusammensetzt, wäre jenseits der Realität.“ (ebd.: 3)21 Vor diesem Hintergrund wurde die IBA Hamburg vom Senat mit einem Gesamtbudget von zunächst 100 Millionen Euro aus dem Sonderinvestitionsprogramm (Vgl. Kap. 2.1.1) ausgestattet, das im Jahr 2011 auf 90 Millionen gekürzt wurde. Eine Summe, die zunächst immens erscheint, im Vergleich zum Leistungsspektrum der IBA Hamburg sowie anderen IBAs22, oder auch zu einjährigen Formaten wie der RUHR.2010 und ihrem Budget von 80 Millionen Euro, jedoch vergleichsweise überschaubar ausfällt. Damit werden in der Drucksache bereits etliche Spannungsfelder deutlich, die auf die IBA Hamburg schon vor ihrem Amtsantritt einwirkten und innerhalb derer sie sich auch in den folgenden Jahren ihres Wirkens bewegen sollte: die Entwicklung von innovativen, architektonischen und städtebaulichen Lösungen, die zugleich so aufgestellt sein sollten, dass dafür Private-PublicPartnership-Modelle mit externen Investoren zustande kommen und zudem eine permanente Kommunikation ihres Entstehungsprozesses weit über die lokalen Grenzen der Hansestadt hinaus möglich sein sollte. Letztere hatte die Bürgerschaft in Bezug auf ihre Dramaturgie bereits vorgegeben, so sollte die IBA Hamburg in Form eines Dreijahresrhythmus – einem Auftaktjahr (2007), einem Zwischenpräsentationsjahr (2010) und einem Abschlussjahr (2013) – öffentlich ihre Ergebnisse
den Aufbau gemeinsamer Projektstrukturen, PPP-Modelle, eine gemeinsame Kommunikation sowie die Qualitätssicherung der Projekte (Vgl. ebd.). 21 Zur Mittelverwendung des IBA-Budgets s. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2005: 9f. 22 Die IBA Emscher Park (1989-1999) setzte ein Gesamtfinanzvolumen von 4 Milliarden Euro um, davon entstammten zwei Drittel aus öffentlicher Hand (Vgl. http://www.iba. nrw.de/iba/daten.htm vom 31.01.2014). Das Gesamtbudget der IBA Stadtumbau (20022010) betrug 206,9 Mio. Euro. Davon flossen 121,9 Mio. Euro aus Mitteln des „Stadtumbau Ost“, 19,4 Mio. Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Die beteiligten 17 Städte stellten 40,6 Mio. Euro bereit, der Rest kam von privaten Investoren (Vgl. http://www.iba-stadtumbau.de/index.php?finanzierung-7 vom 31.01.2014).
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sowie das Format IBA präsentieren, um auf diese Weise „die Erwartungen an den ‚Sprung über die Elbe’ wach zu halten“, aber auch mithilfe der angestrebten Öffentlichkeitswirksamkeit „kontinuierlich bis 2013 den notwendigen langen Atem, die notwendigen finanziellen Ressourcen und die politische und gesellschaftliche Unterstützung“ sicherzustellen [Herv. i.O.] (Vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2005: 6f). Der vorgefasste Zeitplan sollte u.a. erhebliche Auswirkungen auf den Umgang von Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ im Rahmen der IBA Hamburg haben. Leitthemen der IBA Hamburg
Die von der IBA Hamburg proklamierte Zielstellung „Die Zukunft der Stadt im 21. Jahrhundert gestalten“ (Hellweg 2010: 13) spiegelte auf der einen Seite ihre unmittelbare Verflechtung mit dem politischen Leitprojekt „Sprung über die Elbe“ wider, verfolgte sie – angesichts der Metropolisierungsstrategie Hamburgs – kein geringeres Ziel als zu demonstrieren, „wie Städte und Metropolen den Herausforderungen der globalisierten Welt begegnen können“ (ebd.). Zum anderen ließ sie in der Ausdifferenzierung der Zielstellung in die drei Leitthemen „Kosmopolis: Neue Chancen für die Stadt“, „Metrozonen: Neue Räume für die Stadt“ und „Stadt im Klimawandel: Neue Energien für die Stadt“ ihre Bezugnahme auf die besonderen Charakteristika der Elbinsel erkennen, die bereits anhand ihrer sozialen und kulturellen Ausgangssituation, ihrer physischen Parzellierung sowie ihrer sensiblen ökologischgeografischen Situation aufgezeigt worden waren. In der dreigliedrigen Themenstellung findet sich trotz des Ortsbezuges deutlich die Verbindung zur zentralen Zielstellung der IBA Hamburg wieder: So bringen ihre Macher die Hamburger Elbinsel als paradigmatisches Beispiel für heutige Metropolen in Stellung, die gerade aufgrund ihrer geschilderten Schieflagen als Schablone für ähnlich problematische Metropolentwicklungen und damit als Ort für übertragbare Lösungsansätze verstanden werden müsse: „Jede IBA hat und braucht ihren besonderen Schauplatz. In Hamburg sind es die Elbinseln Wilhelmsburg und Veddel sowie der Harburger Binnenhafen. Kaum ein anderer Ort in Deutschland wäre besser geeignet, die Zukunft unserer Städte zu erforschen. Denn hier hat man alle Probleme und Chancen vor sich liegen.” (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/die-iba-story/das-projektgebiet. html vom 31.01.2014). Im Blick auf ihre drei Leitthemen wird deutlich, dass die IBA Hamburg nicht nur auf städtebauliche und architektonische Projekte setzte, wie es ihre Formatklammer Bauausstellung vermuten lässt, sondern gleichermaßen auf Maßnahmen aus dem Bereich Bildung und Kultur zur Erfüllung ihrer Zielvorgaben zurückgriff. So hieß es für das erste Leitthema Kosmopolis, das an das Charakteristikum der Elbinsel als „Orte der Vielfalt und Internationalität“ anknüpfte, dass dieses aufzeigen sollte, „wie soziale und kulturelle Barrieren in einem ganzheitlichen Planungsansatz mit den Mitteln des Städtebaus und der Architektur, aber auch der Bildung,
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Kultur und Förderung lokaler Ökonomien überwunden werden können“ (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/nc/projekte/kosmopolis.html vom 31.01.2014). In der Umsetzung23 umfasste das Leitthema verschiedene Projekte, die von baulichen Projekten wie einem Seniorenheim für an Demenz erkrankte Muslime („Veringeck“), der Modernisierung bestehender Sozialwohnungen nach den Wünschen ihrer Bewohner („Weltquartier“) oder einer temporären Außenstelle der HafenCity Universität Hamburg („Universität der Nachbarschaften“) Gestalt annahmen. Darüber hinaus rückten in diesem Zusammenhang auch nicht-bauliche Ansätze in den Fokus wie das Thema Bildung („Bildungsoffensive Elbinseln“), das als Schlüsselaufgabe der Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert konstituiert wurde, sowie kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien, bei denen „mithilfe von künstlerischen und kulturellen Projekten sowie auf den Ort zugeschnittenen Angeboten für die Kreativwirtschaft [...] die Elbinseln langfristig in der Hamburger Kulturszene verankert“ werden sollten (Vgl. Klotz/Theis 2011a: 62). In ihrem zweiten Leitthema Metrozonen widmete sich die IBA Hamburg jenen Zwischenräumen und Nutzungsmischungen zwischen Wohnen, Hafen und Industrie, die bereits als paradigmatisch für die Elbinsel diagnostiziert worden waren. So gab die IBA an, dass sie innerhalb dieses Leitthemas „Lösungen“ habe generieren wollen, „die ein Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Interessen und Nutzungen herstellen [konnten] – durch eine Infrastruktur mit Orten des Wirtschaftens sowie Freiräumen und urbaner Dichte“ (Hellweg 2010: 14). In der Umsetzung umfasste das Leitthema z.B. bauliche Projekte wie die Errichtung experimenteller Wohnbauten unweit der die Elbinsel durchteilenden Bahntrasse („Bauausstellung in der Bauausstellung“) oder Wohnprojekte im bislang dünn besiedelten Harburger Binnenhafen („Marina auf der Schlossinsel“), aber auch verkehrs- oder freizeitorientierte Maßnahmen, die die Lebensqualität bislang vernachlässigter Orte erhöhen sollten, wie die Errichtung eines Barkassenanlegers mit angebundenem KanuRundkurs durch die Inselgewässer („Wilhelmsburg zu Wasser“) oder der Versuch, den Zollzaun des Spreehafens zu Fall und damit seine unmittelbaren Bewohner näher an das Wasser zu bringen („Öffnung Spreehafen“). Interessanterweise fanden Konflikte zwischen Hafenwirtschaft und Stadtentwicklung kaum eine Erwähnung. Das letzte Leitthema Stadt im Klimawandel verfolgte die Vision einer „klimaverträglichen Zukunft der Metropole“ (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/nc/ projekte/stadt-im-klimawandel.html vom 31.01.2014). Erreicht werden sollte dieses Ziel mit Projekten, die von der IBA Hamburg über bauliche Maßnahmen wie die Umnutzung der ehemaligen Mülldeponie Georgswerder zu einem Energielieferanten („Energieberg“), die Umwidmung eines ehemaligen Flakbunkers zu einem Ort,
23 Ein Überblick über die realisierten Projekte in allen drei Leitthemen findet sich unter http://www.iba-hamburg.de/nc/projekte/projekte-a-z.html vom 31.01.2014.
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der die komplette Nachbarschaft mit Wärme versorgen soll („Energiebunker“), oder über ein eigenes Energiekonzept für den ganzen Stadtteil („Klimaschutzkonzept Erneuerbares Wilhelmsburg“) umgesetzt wurden. Auch wurden alle Neubauprojekte der IBA Hamburg entweder mit energieeffizienten Architekturen versehen oder bestehende Gebäude energetisch saniert wie im Falle des geplanten „Kunst- und Kreativzentrums Veringhöfe“ (Vgl. Kap. 2.2.2.2). Der Weg zu einem IBA-Projekt war dabei von einem komplexen Verfahren geleitet: Neben den selbst gesetzten Projekten der Durchführungsgesellschaft IBA Hamburg GmbH, von denen einige bereits im Memorandum (FHH/BSU 2005) sowie der Drucksache 18/3023 (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 2005) festgelegt worden waren, wurden weitere Projekte im Entwicklungsprozess ergänzt, die laut Selbstaussage über öffentliche Projektaufrufe generiert oder von Initiativen, Bauherren oder Investoren eingereicht worden waren.24 Nach der Prüfung der Ideen auf Basis der sieben sog. IBA-Exzellenzkriterien25 seien diese in den IBA-Gremien Aufsichtsrat, Beteiligungsgremium und IBA-Kuratorium diskutiert worden, um im Eigenbeschluss oder durch die Hinzuziehung einer Jury anerkannt oder abgelehnt zu werden. In der Projektrealisierungsphase schloss die IBA Hamburg zuletzt „Qualitätsvereinbarungen“ mit ihren Projektträgern, um sicherzustellen, „dass nur modellhafte ‚IBA-würdige‘ Projekte gefördert und Mitnahmeeffekte ausgeschlossen w[u]rden“ [Herv. i.O.] (Hellweg 2007: 68).
2.1.4 Die IBA Hamburg zwischen Eigenständigkeit und Abhängigkeit Die vorangegangen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass das Modell IBA zwar eine große Innovationskraft in Bezug auf seine Entwicklungsgeschichte mitbringt, im Falle der IBA Hamburg durch die an das Format gebundenen, politischen Zielvorstellungen allerdings deutlichen Beschneidungen unterlag, was sich u.a. im Untersuchungsbeispiel des IBA-Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“ widerspiegelt. Während sie in Bezug auf ihre Organisationsstruktur einerseits als eigen-
24 Zur Auswahl von IBA-Projekten s. http://www.iba-hamburg.de/die-iba-story/ibahamburg.html vom 31.01.2014. 25 Die IBA-Exzellenzkriterien umfassten spezifische Qualitätskriterien, die von der Durchführungsgesellschaft gemeinsam mit dem IBA-Kuratorium entwickelt worden waren, wie das öffentliche Interesse, die Originalität, das Nutzungspotenzial, die Strukturwirksamkeit oder die Präsentierbarkeit (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/fileadmin/Die_IBAStory_post2013/IBA-Exzellenzkriterien.pdf vom 31.01.2014). Zur weiterführenden Information s. Hellweg 2007: 70.
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ständige GmbH ihren Status als experimentelles und behördlich unabhängiges Format bestätigt sah, war sie andererseits durch politische Zielvorgaben in Bezug auf ihr zeitliches Wirken, ihre Dramaturgie, ihre Themensetzungen sowie ihre inhaltlichen Aussparungen (Kap. 2.1.3) in ebenjener Freiheit beschnitten. Das Spannungsfeld wurde auch anhand der unterscheidlichen Selbstverständnisse des Formates deutlich, deren Auslegung von stadtpolitischer Seite offensichtlich weitaus rigider und unflexibler ausfiel, als es dem Format in Bezug auf seine Historie selbst nahe lag. In diesem Zusammenhang war bereits der tiefgreifende Paradigmenwechsel von Bauausstellungen thematisiert worden (Vgl. Kap. 2.3.1.2), der sich v.a. darin abbildet, dass sich das Format von einem ursprünglich reinen Ausstellungskonzept zu einem „strategischen Ansatz städtischer und regionaler Entwicklung und Profilbildung“ (Scheuvens/Wachten 2007: 204) entwickelt habe. Bereits im Memorandum der IBA Hamburg aus dem Jahr 2005 heißt es: „Wie alle Großereignisse unterliegt auch eine Bauausstellung heutzutage der Kompression von Zeit und Kraft. Dieser Druck kann nur durch Organisationsformen aufgefangen werden, die unbürokratisch und sogleich im Verbund mit den handelnden Behörden angelegt sind.“ (FHH/BSU 2005: 7) Während sich die stadtpolitisch Verantwortlichen also einerseits durchaus der Sonderorganisationsform und -handlungsform IBA bewusst waren, die maßgeblich für ihr experimentelles Wirken sind, sprachen ihre inhaltlichen und strukturellen Vorgaben zugleich eine Sprache, nach der das Format eher als Mittel zum Zweck verstanden wurde. Die Eigenständigkeit und Experimentierfähigkeit der IBA Hamburg wurde zusätzlich durch die begrenzte Budgetierung und ihre Notwendigkeit zur Kooperation mit Investoren beeinflusst. Während mit dem Beschluss auf der einen Seite der Boden für zukunftsweisende Public-Private-Partnership-Modelle zwischen der öffentlichen Hand und Investoren gelegt werden sollte, blieb zugleich fraglich, wie stark die IBA Hamburg ihren experimentellen Anspruch durch ihre begrenzten Eigenmittel würde wahren können, sollte die Investorengewinnung scheitern. Folgt man Doderer so entstand angesichts der Tatsache, dass „diese IBA die erste IBA [war], die ihre Vorzeigeprojekte explizit mit privatwirtschaftlichen Investoren realisiert[e]“ eine Situation, nach der sich selbige „ganz der Ökonomisierung städtischer Raumproduktion [verschrieb]“ (Doderer 2011: 129) – auch wenn den IBA-Machern zugute gehalten werden müsste, dass sie sowohl Auflagen und Qualitätsansprüche für die Investoren formuliert als auch zukunftsrelevante Themen wie Bildung in ihre Vorhaben integriert hatten (Vgl. ebd.). Gefahren einer ökonomisierten Raumproduktion durch die IBA Hamburg ließen sich auch durch weitere Prozesse ausmachen, etwa wenn IBA-Leitthemen und -Programme durch parallel angeschobene Projekte der Stadt Hamburg konterkariert wurden: Als Beispiel seien die Genehmigung des Kohlekraftwerks in Moorburg trotz des IBA-Leitthemas Stadt im Klimawandel oder der zunehmende Ausbau der Hafenlogistik im Westen der Elbinsel genannt, der IBA-Anstrengungen zur Steigerung der Lebensqualität auf der Elbinsel
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deutlich zuwider liefen. Auch kritische Bürgervertreter26 erkannten die Gradwanderung der IBA Hamburg und forderten vor diesem Hintergrund ihre klare Emanzipation von politischen Auflagen und Restriktionen. Zuletzt erschienen auch der enge Zeitrahmen der IBA Hamburg und die vergleichsweise großen Aufgaben, die diese erfüllen sollte, kritisch, blieb doch offen, ob die IBA strukturwirksam agieren oder als Aufmerksamkeitsinstrument für den Hamburger Süden und das Wachstumskonzept „Sprung über die Elbe“ fungieren sollte. Entsprechend kritisierte auch Petrin den mit dem siebenjährigen Zeitrahmen unnötig aufgebauten Zeitdruck, die kurzfristige und ungenaue Vorbereitungszeit sowie die zeitliche Gleichschaltung von IBA und igs 2013 als Zeichen eines „Aufmerksamkeitsrennen, das die Planung in seine Bahnen zwingt. Dabei ist das Streben nach Aufmerksamkeit allein nicht falsch, im Gegenteil. Es wurde angesichts der Erwartungen an das Festivalisierungsinstrument IBA nur leider übersehen, dass eine Bauausstellung nur bedingt zum Standortmarketing taugt, wenn man sie ernst nimmt.“ (Petrin 2008: 28)
2.2 S TRATEGISCHE K REATIVPLANUNG DER IBA H AMBURG Im Folgenden wird das dem Leitthema Kosmopolis zugehörige IBA-Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ und damit verbundene Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt vorgestellt. Dabei erfolgt zunächst ein Rückblick auf die Entstehung des Programms im IBA-Auftaktjahr 2007 (Kap. 2.2.1), das maßgeblich zu seiner Ausbildung beigetragen hat. Im Anschluss werden die einzelnen Handlungsansätze des Programms und damit verbundene Maßnahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt dargelegt (Kap. 2.2.2).
26 So merkt Humburg, Sprecher der lokalen Bürgeraktivisten an: „Bricht die Politik der IBA das Genick? [...] Wenn die IBA mit ihren eigenen Qualitätskriterien von Originalität und Innovation, von Strukturwirksamkeit und Nachhaltigkeit, von Prozessfähigkeit und Präsentierbarkeit noch ernst genommen werden will, muss sie sich aus dieser Umklammerung [der Politik, Anm. d. Verf. ] befreien. Vielleicht muss sie sich auch von der Fixierung auf das Jahr 2013 befreien und dem Druck, dann unbedingt etwas Großes und Starkes zu präsentieren.“ (Humburg 2009: 257)
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2.2.1 Vom „IBA Kunst & Kultursommer“ zum „Kreativen Quartier“ Die IBA Hamburg verfolgte mit ihrem Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ eine Zielvorgabe, die das Steuerungsparadoxon des Kreativitätsbegriffes bereits im Titel trägt. Im Rückblick auf die Genese des Projektes tritt dabei zunächst ein prozesshaftes Verständnis der IBA Hamburg im Umgang mit dem kulturellen und kreativ(wirtschaftlich)en Feld zutage, ablesbar an der Neukonzeptionierung der Kunst- und Kulturförderaktivitäten zum Ende des ersten IBA-Jahres: Denn während sich die IBA Hamburg in ihrem Auftaktjahr 2007 noch als eventisierte Großveranstaltung mit mehr als 60 künstlerischen und kulturellen Einzelprojekten gezeigt hatte, präsentierte sie im darauffolgenden Jahr eine überarbeitete Konzeption, die nunmehr unter dem Titel „Kreatives Quartier Elbinsel“ mithilfe von vier strategischen Handlungsansätzen einen „‚nachhaltigen‘ Umgang mit Kunst, Kultur und Kreativität“ [Herv. i.O.] (Klotz/Theis 2010: 20) für die Hamburger Elbinsel proklamierte. Der IBA Kunst- und Kultursommer 2007
Die vielfältigen zeitlichen, strukturellen sowie inhaltlichen Vorgaben von Seiten des Hamburger Senats hatten sich maßgeblich auf das Auftaktjahr der IBA ausgewirkt. Obwohl die IBA Hamburg GmbH erst Anfang 2007 ihre Arbeit aufgenommen hatte, war sie, so hatte es der Senat bereits im Memorandum 2005 festgelegt, schon im gleichen Jahr angehalten, eine „Auftaktpräsentation“ zu veranstalten. Diese sollte neben einer Präsentation des Formates IBA und ihrer Fachthemen v.a. „die besonderen Qualitäten der Elbinseln erfahrbar” machen, um „zu einer veränderten Wahrnehmung der Entwicklungschancen der Elbinseln, der Bedeutung des ‚Sprungs über die Elbe‘ und seines Beitrags zur Metropolentwicklung“ [Herv. i.O.] (FHH/BSU 2005: 5) beizutragen. Die „Anschaulichmachung“ der Elbinsel sollte dabei insbesondere „durch künstlerische, licht- wie gartenkünstlerische Inszenierungen“ (ebd.: 29) sowie „Kunstprojekte im öffentlichen Raum“ (ebd.: 31) erfolgen. In der Umsetzung startete die IBA Hamburg im Frühjahr 2007 mit einem öffentlichen Projektaufruf, der lokale und überregionale Künstler, aber auch lokale Initiativen und Vereine dazu aufforderte, unter dem Stichwort „Projekte der kulturellen Vielfalt“ Vorschläge für das Auftaktjahr einzureichen (Vgl. Klotz/Theis 2010: 17). Dabei wurden – folgt man der IBA-Projektausschreibung – v.a. solche Projektideen gesucht, die in der Lage waren, „das Sichtbarmachen und Inszenieren von unbekannten Orten auf der Elbinsel unter Berücksichtigung der IBASchwerpunkte“ zu gewährleisten (http://www.iba-hamburg.de/presse/pressebereich/ pressemitteilung-detailansicht/presseartikel/auftaktjahr-2007-iba-foerdert-projekteder-kulturellen-vielfalt.html vom 31.01.2014). Aus den mehr als 200 Projektideen wurden von einer Fachjury 22 Projekte ausgewählt, die durch gesetzte Projekte wie
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Musikfestivals, kuratierte Kunstprojekte in Kooperation mit der Kulturbehörde Hamburg, ganzjährige räumliche Formate, Erkundungsformate oder bereits vor der IBA etablierte Stadtteilformate geprägt waren. In der Gesamtheit umfasste der „IBA Kunst- und Kultursommer“ 60 Projekte, die im Zeitraum von Mai bis Oktober 2007 auf der Elbinsel stattfanden und stadtweit beworben wurden (Vgl. Abb. 11) (Vgl. Klotz/Theis 2010: 17). Abbildung 11: Werbeplakat der IBA Hamburg zum IBA Kunst- und Kultursommer 2007.
Abbildung 12: Öffentliche Kritik anlässlich des IBA Kunst- und Kultursommers 2007.
Quelle: Hellweg 2007: 69.
Quelle: Klotz/Theis 2010: 21.
Trotz einer durchaus hohen Frequentierung des „kreativen Großaufgebots“, bei dem „selbst professionelle Kulturrezipienten [...] manchmal den Überblick [verloren], aber immerhin – sie fanden den Weg auf die andere Seite des Flusses“ (Mummenhoff 2007: o.S.), wurde schon bald Kritik am großflächigen Auftritt der IBA Hamburg deutlich. Zwar wurde honoriert, dass diese ein vielfältiges Kulturprogramm mit erheblichen finanziellen Mitteln veranstaltete, gleichwohl nährte die festivalisierte, temporäre Umsetzung des Programms, das zu diesem Zeitpunkt noch in kein weiterführendes Format eingebunden war, die Sorge, dass Kunst und Kultur zu Zwecken der Gentrifizierung in Dienst genommen würden (Vgl. Haarmann/Lemke 2010: 106) (Vgl. Abb. 12). Gestützt wurde die Kritik an einer Eventisierung durch die Quantität der Projekte, das ungenaue Profil des Programms, dessen geförderte Projekte sich im Spektrum von bildender Kunst bis hin zu Vereinskultur bewegten (Vgl. Klotz/Theis 2010: 17), sowie durch die Koordination der Kunst- und Kultur-
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projekte durch die Werbeagentur Scholz & Friends, die vielerorts als Zeichen einer Eventisierung gewertet wurde. Zur künstlerisch-kreativen Neuausrichtung der IBA Hamburg
Die Erfahrungen und Reaktionen aus dem Auftaktjahr der IBA Hamburg führten schießlich dazu, dass 2008 eine Neukonzeption der IBA-Verantwortlichen in Bezug auf ihr künstlerisches und kreatives Handeln vorgelegt wurde, die mit der „Lernfähigkeit“ der Organisation begründet wurde (Klotz/Theis 2010: 18): „Das zwischen ‚künstlerischer Anerkennung‘, ‚Festivalisierung‘ und ‚Gentrifizierungs‘Vorwürfen changierende Besucher- und Presseecho des Kunst- und Kulturaufgebotes blieb deshalb nicht folgenlos. Nach einer umfassenden Reflexion justierte die IBA im Folgejahr ihre Strategie, mit dem Ziel, die unter dem Titel ‚Kreatives Quartier Elbinsel‘ bis dato unverorteten Kunst- und Kulturaktivitäten [...] thematisch, konzeptionell und insbesondere strukturwirksam zu bündeln.“ [Herv. i.O.] (ebd.: 18f.)
Der Ausgangspunkt für die Platzierung von Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ als eigenständigem IBA-Projekt lässt sich dabei auf verschiedene Gründe zurückverfolgen. Bereits 2005 war im Memorandum der IBA Hamburg konstatiert worden, dass die vergleichsweise junge sowie interkulturelle Bewohnerschaft der Elbinsel ein Milieu bereiten würde, in dem „durch informelle Dichte, gestalterische und organisatorische Spielräume und Experimentierfreude eine Anziehungskraft besonders für die Kreativwirtschaft und ihr nahe Wirtschaftszweige“ entstehen könne (Vgl. FHH/BSU 2005: 12). Auch im IBA-Leitthema Kosmopolis finden sich Verweise darauf, dass die soziale und kulturelle Zusammensetzung sowie die vorherrschenden räumlichen Rahmenbedingungen auf der Elbinsel eine Fokussierung auf künstlerische und kreative Formate begünstigt habe.27 Darüber hinaus argumentierten die IBA-Verantwortlichen mit der Attraktivität der gründerzeitlichen Bausubstanz im Norden der Insel, die im Verhältnis zur Gesamtstadt noch preiswerte Mieten aufweise, sowie dem anhaltenden Zuzug von Studenten. In Anbetracht der skizzierten Faktoren sowie der räumlich guten Erreichbarkeit hieß es in Bezug auf die Platzierung des neuen Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“:
27 So konstatiert Hellweg: „Die Elbinseln verfügen nicht nur von der soziokulturellen Seite her, sondern auch aufgrund der baulich-räumlichen und (miet-)preislichen Rahmenbedingungen, über besondere Voraussetzungen, um im Spektrum der Hamburger Stadtteile eine besondere multikulturelle Stellung einzunehmen. Die Elbinseln haben ein großes Potenzial kreativer und animierender Räume – wie nicht nur die existierenden Künstlerateliers privater Immobilienbesitzer und Kunstförderer beweisen, sondern auch die spannungsreichen städtebaulichen und landwirtschaftlichen Orte zeigen.“ (Hellweg 2007: 50)
188 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Die Voraussetzungen für ein Kreativlabor auf den Hamburger Elbinseln waren günstig. Mit ihrer interkulturellen Atmosphäre, ihren unentdeckten Freiräumen und ihrer stetig wachsenden Kreativszene bieten die Elbinseln den idealen Ort für die Erprobung neuer, experimenteller Arbeits- und Lebensmodelle. Hier stoßen vielfältige Lebensentwürfe aufeinander, erzeugen Reibung, aber auch kreative Energie. Mithilfe der IBA Hamburg sollte hier ein Quartier entstehen, das inspirierende und experimentelle Freiräume bietet. Dabei sollten Existenz sichernde Arbeits- und Lebensbedingungen geschaffen werden, die für Künstler aber auch Menschen jenseits der üblichen Qualifikationsmuster gleichermaßen interessant sind und weit über 2013 hinaus fortwirken.“ ( Vgl. http://www.iba-hamburg.de/projekte/kreatives-quartierelbinsel/projekt/kreatives-quartier-elbinsel-119.html vom 31.01.2014).
2.2.2 Programmatik und Handlungsansätze des „Kreativen Quartiers“ Das seit 2008 umgesetzte Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ wendete sich nach Aussage der IBA-Projektverantwortlichen nicht nur explizit vom 3-T-Modell sowie dem ‚Creative-City‘-Narrativ ab (Vgl. Klotz/Theis 2010: 19), sondern setzte auf ein Handlungsverständnis, das in besonderem Maße vom Ort und seiner sozialen und kulturellen Situation beeinflusst gewesen sei. In der Folge habe sich eine Handlungspraxis herausgebildet, die auf die endogenen Potenziale der Bewohnerschaft und der Räume der Elbinsel eingehen, aber auch exogenes Wissen im Sinne von externen Künstlern oder Experten mit einbeziehen wollte, die produktiv zusammengeführt werden sollten (Vgl. ebd.). Vor diesem Hintergrund fußte der Ansatz der IBA auf einem „erweiterten Nutzungsverständnis von Kreativität“ (ebd.: 20), das letztere nicht nur als wirtschaftliche Ressource, sondern ebenso als starke künstlerische Kraft begriff. Entsprechend verfolgte der Ansatz keine Gleichsetzung von Kunst und Kultur mit Kreativwirtschaft, sondern eine parallele Förderung beider Bereiche. Zusammenfassend sei das „Kreative Quartier Elbinsel“ deshalb als offenes Format konzipiert gewesen, das weniger von festgelegten Zielen als der „Erprobung unkonventioneller, ergebnisoffener Formate“ geprägt sei, innerhalb derer die IBA als „Katalysator“ eine „Kontextpolitik“ umsetzen wollte, um Projekte „weit über die Dauer der IBA hinaus“ zu initiieren (ebd.: 19f.). Im Rückblick auf vergangene Bauausstellungen wie die Mathildenhöhe Darmstadt oder die IBA Emscher Park wird deutlich, dass die Fokussierung der IBA Hamburg auf Kunst und Kultur keineswegs ein Novum im Rahmen des baukulturellen Formates IBA darstellte, die Erweiterung um das Thema Kultur- und Kreativwirtschaft, die – wie bereits am Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 aufgezeigt worden war – aber beispielhaft für die aktuelle ‚Kreativisierung’ der Stadtpolitik war. In Anlehnung an eine Vergleichsanalyse, die von der Verfasserin gemeinsam
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mit Achim Prossek zum Einsatz von Kunst und Kultur im Kontext der IBA Emscher Park und der IBA Hamburg erstellt wurde, offenbart sich vielmehr ein neuer „Steuerungsbedarf von Städten und Regionen“ (Günther/Prossek 2009: 267): So lasse sich anhand der IBA-Historie ablesen, dass Top-Down Ansätze zum Einsatz von Kunst und Kultur in Stadtentwicklungsprojekten zunehmend durch kreativitätsbasierte Governance-Strategien ersetzt werden28: „Ein praxisorientierter Umgang mit dem Steuerungsparadoxon der Kreativität artikuliert sich in Governance-Strategien, die auf die Mechanismen einer ‚geplanten Ungeplantheit‘ setzen. So lässt sich am Beispiel der lBA Hamburg eine Mischung aus exogenen und endogenen, topdown und bottom-up-Strategien ablesen, die dem globalen Streben nach Kreativitätspolitiken durchaus entsprechen, den Steuerungsanspruch durch ihre standortspezifische, auf die Quartiersebene zugespitzte Ausrichtung aber gleichzeitig zu relativieren versuchen.“ [Herv. i.O.] (ebd.: 267f.)
Das Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ zeichnete sich durch vier, eigens von der IBA aufgelegte, strategische Handlungsansätze aus: Räume für die Kunst, Kreative Ökonomien: Kunst macht Arbeit, Kunstplattform sowie Projekte der kulturellen Vielfalt.29 Dabei entwickelte die IBA Hamburg zunächst die konzeptionellen Programme, bevor sie mit ihrer Umsetzung begann. Beide Bereiche, sowohl die Programmatik als auch die Umsetzung durch konkrete Projekte, sollen im Folgenden aufgezeigt werden.
2.2.2.1 Räume für die Kunst Der Handlungsansatz Räume für die Kunst verstand sich nach Aussage der IBA Hamburg als „nachhaltige Infrastrukturförderung“, die von dem Ziel geleitet gewesen sei, „künstlerische und kreative Strukturen vor Ort [zu festigen] und Voraussetzungen für eine langfristige, lebendige Kulturszene auf den Elbinseln [zu schaffen]“ (Klotz/Theis 2011a: 62). Damit habe das Programm u.a. auf die vorherrschende
28 In Ergänzung dazu heißt es bei Günther/Prossek: „Der Vergleich der in den IBA-Projekten auftretenden Governance-Methoden zeugt nicht nur von einer inhaltlichen Begriffsverschiebung von Kunst und Kultur zu Kreativität, sondern verdeutlicht eine substantielle Erweiterung des Themenfeldes: von der Konsumtions- zur Produktionsebene, von der reinen Bildproduktion zur Beschäftigungspolitik.“ (Günther/Prossek 2009: 267) 29 Zur besseren Kenntlichmachung werden die spezifischen Handlungsansätze der IBA Hamburg im Folgenden kursiv hervorgehoben. Konkrete Projekte werden in Versalien kenntlich gemacht.
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Raumproblematik in der Hansestadt zur Bereitstellung von mietgünstigen Atelier-, Ausstellungs- und Produktionsflächen auf der Elbinsel reagieren wollen. Die Konzeption der IBA findet sich in der Studie „Kreative Milieus und offene Räume“ bestätigt, die dem IBA-Programm den Versuch attestierte, „den Raummangel für Künstler und Kreativschaffende in der inneren Stadt zu kompensieren“, gleichwohl aber auch davor warnte, dass die Annahme und Akzeptanz des Raumangebots maßgeblich vom „nachhaltigen Engagement des Impulsgebers [der IBA Hamburg, Anm. d. Verf.] sowie den kreativen Pionieren und Künstlern“ abhänge (FHH/BSU 2010: 12). Die IBA Hamburg demonstrierte ihr Engagement über ein von ihr als ‚modellhaft’ deklariertes Projekt. Mit den VERINGHÖFEN stellte sie im Jahr 2008 eine 2.000 Quadratmeter große städtische Immobilie zur Verfügung, die bis 2013 exemplarisch zu einer „Wirkungsstätte für Künstler und Kreative” entwickelt werden sollte (Vgl. Abb. 13). Die Modellhaftigkeit sollte das ehemalige Fabrikgebäude dadurch erhalten, dass „die zukünftigen Nutzer nicht nur die Betriebs- und Trägerstruktur selbst entwickelten, sondern auch maßgeblich am energetischen Umbau des Gebäudes mitwirken“ (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/projekte/kreatives-quartierelbinsel/raeume-fuer-die-kunst/projekt/kreatives-quartier-elbinsel-100.html vom 31.01.2014). Vorherrschender Kritik an der gezielten Raumvorgabe und einer damit einhergehenden Produktion städtischer Verwertungsräume (Vgl. Abb. 14) begegneten die IBA-Verantwortlichen mit dem Ansatz, dass ein langfristiger Mietvertrag in Kombination mit einer energetischen Sanierung des Gebäudes ein „langfristig [...] interessantes Mietniveau für Künstler und Kreative“ (Klotz/Theis 2010: 21) schaffen sollte, das Mietsteigerungen und Verdrängungsprozessen frühzeitig eindämmt. Abbildung 13: Das ehemalige Fabrikgebäude Veringhöfe in Wilhelmsburg.
Abbildung 14: Kritik am Gelände der Veringhöfe.
Quelle: Fietz/Klotz 2011: 64.
Quelle: Fietz 2010: 44.
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Zur Generierung des Umsetzungskonzeptes hatte die IBA Hamburg im November 2008 zunächst zu einem offenen Workshop eingeladen, bei dem als mögliche „Endnutzer“ identifizierte Akteure aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft mit Vertretern aus den zuständigen Fachbehörden, dem Stadtteil Wilhelmsburg sowie dem Bereich der Projektentwicklung zusammengebracht wurden, um erste Ideen für „ein ganzheitliches [...] Betreiber- und Nutzungskonzept“ (IBA Hamburg 2009: 2) zu entwickeln. Im Anschluss an den Workshop konnten Beteiligte sowie weitere Interessierte konkrete Projektskizzen für die konzeptuelle Ausgestaltung bei der IBA Hamburg einreichen, die schließlich von einer Jury30 geprüft und ausgewertet wurden. Die Konzepterstellung war dabei nicht gänzlich offen, sondern durch einige inhaltliche Vorgaben von Seiten der IBA Hamburg reglementiert.31 Desweiteren sollten die eingereichten Konzepte Entwürfe für eine Betriebsstruktur, eine Trägerstruktur sowie einen Finanzierungsvorschlag für den Innenausbau des Hauses beinhalten, der von den zukünftigen Nutzer selbst zu erfüllen war, während die IBA im Gegenzug die finanziellen Kosten für die energetische Sanierung der Außenhülle des Gebäudes tragen wollte (Vgl. Klotz/Theis 2013: 284). Auf der Basis von 13 eingereichten Konzepten wurde im Mai 2009 schließlich das Konzept „KünstlerCommunity“ des Kulturmanagementbüros conecco mit dem alternativen Sanierungsträger STATTBAU Hamburg ausgewählt, das eine prozessorientierte Organisationsentwicklung vorgeschlagen hatte (Vgl. Klotz/Theis 2010: 21). Grundlage des Konzeptes war es, „innovative Aneignungs- und Beteiligungsprozesse von Kunst und Kultur in Stadtteilentwicklungsprozessen“ aufzuzeigen und Prozesse anzustoßen, deren Effekte sowohl den beteiligten Künstlern als auch dem Stadtteil zugute kommen sollten (Vgl. Fietz 2010: 42). Von 2009 bis 2012 agierten conecco/STATTBAU als Intermediär zwischen der IBA Hamburg und der anzusprechenden Zielgruppe. In der Umsetzung umfasste ihr Vorgehen zunächst die Bekanntmachung des Projektes sowie die Gewinnung von interessierten Akteuren, mit denen nach einiger Zeit sodann die Trägerstruktur sowie ein inhaltliches und ein betriebswirtschaftliches Konzept für die Immobilie entwickeln werden sollte. In Bezug auf die Trägerstruktur, die eng mit dem betriebswirtschaftlichen Konzept verzahnt war, hatten conecco/STATTBAU anfänglich noch eine eigentumsähnliche
30 Die Jury setzte sich aus Vertretern der Kulturbehörde, der Finanzbehörde, dem Bezirk Mitte sowie der IBA Hamburg zusammen (Vgl. IBA Hamburg 2009: 20). 31 Demnach sollten die Konzepte Kunst und Kreativwirtschaft verbinden, neben der inhaltlichen Profilbildung auch Ideen bezüglich der Verzahnung des Hauses mit dem Stadtteil entwerfen und zuletzt die Themenfelder Textil/Design sowie Musikwirtschaft ausklammern, da diese bereits an anderen Orten der Elbinsel durch andere Akteure oder Institutionen besetzt seien und eine Konkurrenzsituation vermieden werden sollte (Vgl. IBA Hamburg 2009: 2f.).
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Konstruktion (Erbaupacht) favorisiert, u.a. um potenziellen Verwertungskreisläufen frühzeitig entgegenzuwirken. Als diese in den Verhandlungen der IBA mit der Finanzbehörde, in deren Besitz das Grundstück ist, allerdings nicht erwirkt werden konnte (Vgl. Fietz 2010: 42), hatte die IBA Hamburg zuletzt einen Mietvertrag mit 30jähriger Laufzeit verhandeln können. Dazu hatten die Projektentwickler die damalige Nutzergruppe in zwei Vereine überführt, mit der schließlich auch der Mietvertrag geschlossen wurde.32 In der Außenwahrnehmung konnte sich das Projekt aufgrund der andauernden Verhandlungen zwischen der IBA Hamburg und der Finanzbehörde, den Organisationsprozessen innerhalb der Künstlergemeinschaft u.a. zur Finanzierung des Innenausbaus, einer erheblichen Fluktuation aufgrund der langen Projektlaufzeit sowie erheblichen Verzögerungen zum Beginn der Umbaumaßnahmen, die u.a. dadurch hervorgerufen worden waren, dass die IBA Drittmittel zur Realisierung akquirieren musste (Vgl. Klotz/Theis 2013: 284), in der Vergangenheit nur begrenzt darstellen. Dennoch wurden Anwohner und Interessierte über temporäre Ausstellungen und Werkschauen kontinuierlich über den Projektfortschritt informiert. Dabei stellte die Künstlergruppe, die laut Eigendarstellung sowohl Akteure aus dem künstlerischen Feld als auch dem Kunsthandwerk umfasst, u.a. ihr gemeinsam erarbeitetes Profil vor, das perspektivisch einen Nutzungsmix aus Produktion und Konsumtion sowie Gastronomie beinhalten soll (Vgl. Fietz 2010: 38). Der Einzug in das Gebäude fand im Oktober 2013 statt. Zum Zeitpunkt des Einzugs umfasste die Akteursgruppe ca. 40 Einzelpersonen und Künstlerkollektive (Vgl. http://www. iba-hamburg.de/projekte/kreatives-quartier-elbinsel/raeume-fuer-die-kunst/projekt/ kreatives-quartier-elbinsel-100.html vom 31.01.2014).
2.2.2.2 Kreative Ökonomien – Kunst macht Arbeit Nach Befürchtungen erster kritischer Stimmen, dass der Handlungsansatz Kreative Ökonomien die stereotype Ansiedlung bereits etablierter kreativer Akteure am ‚Pioniersstandort Wilhelmsburg‘ bedienen würde, zeichnete sich stattdessen eine Entwicklung ab, bei der die IBA das Thema mit einer endogenen Strategie neu zu jus-
32 Der gemeinnützige Verein zur Förderung von Kunst und Kultur e.V. verfolgt „die Förderung von Kunst und Kultur, von Toleranz und Völkerverständigung sowie von Bildung, Erziehung und Jugendhilfe”. Der nicht-gemeinnützige Verein Veringhöfe e.V. unterliegt dem Zweck, „selbstorganisierten und nachhaltig erschwinglichen Raum für Künstler- und Kreativgemeinschaften zu schaffen” (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/projekte/kreativesquartier-elbinsel/raeume-fuer-die-kunst/projekt/kreatives-quartier-elbinsel-100.html vom 31.01.2014).
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tieren versuchte. Unter dem Motto Kunst macht Arbeit verfolgte sie das Ziel, geläufige kreativwirtschaftliche Ansätze analog zur spezifischen Situation in Wilhelmsburg zu interpretieren. Dabei grenzte sie sich, so die IBA-Verantwortlichen, bewusst von Floridas Ansatz bereits etablierter Akteure der ‚Creative Class’ ab, indem sie versuchte „vorhandene Strukturen und Projektideen im Feld der Kreativität und der lokalen Ökonomien“ (Klotz/Theis 2010: 22) zusammenzubringen. Zur Annäherung an das Thema hatte die IBA Hamburg im Jahr 2008 einen Kongress zum gleichnamigen Thema ausgerichtet, der sich mit der Frage auseinandergesetzt hatte, in welcher Form das Thema Kultur- und Kreativwirtschaft für die Elbinsel gefasst werden könnte.33 Im Nachgang wurde sodann ein WorkshopVerfahren initiiert, bei dem – ähnlich wie bei den VERINGHÖFEN – relevante Akteure aus dem Bereich Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft, der Verwaltung, aber auch Non-Profit-Organisationen sowie Aus- und Weiterbildungsträger, von denen es auf der Elbinsel überproportional viele gibt, zusammengebracht wurden, um in einer Workshop-Reihe das Thema weiter zu konkretisieren. In der Folge wurde die Projektreihe Kunst macht Arbeit aufgelegt, in der die IBA das Ziel verfolgte „durch die Zusammenführung von arbeitsmarktpolitischen und stadtentwicklungspolitischen Ansätzen modellhafte Projekte zwischen Non-Profit-Organisationen, Beschäftigungsträgern, Künstlern und Kreativen anzustoßen, die jene Akteure durch Empowerment und Wertschätzung an der Kreativdebatte teilhaben lassen, die normalerweise von dieser ausgeschlossen werden.“ (Klotz/Theis 2010: 22) In der Praxis wurden etliche Projekte umgesetzt, von denen an dieser Stelle drei vorgestellt werden sollen. KUNST WERK WILHELMSBURG war ein Gemeinschaftsprojekt von verschiedenen Künstlern und Kuratoren, die gemeinsam mit Erwerbslosen sowie sozialen Trägern vor Ort Ende 2008 angetreten waren, „künstlerische Strategien [zu] nutzen, um Erwerbslosigkeit nicht nur zu verwalten, sondern für den Stadtteil konstruktiv umzuwenden und für die Gesellschaft einen neuen Umgang mit dem Arbeitsbegriff auszuprobieren“ (Haarmann 2010: 56). In verschiedenen Werkstätten wurde künstlerisch-kreativen Tätigkeiten nachgegangen, die eng mit der Arbeitspraxis der sozialen Qualifizierungsträger verwoben war, Künstler kamen in den Kursen u.a. als Anleiter zum Einsatz (Vgl. ebd.: 59). Auf Anregung der IBA Hamburg, die bestrebt gewesen sei „aus den künstlerischen Mal- und Kochkursen ein Modellprojekt mit kulturellem Anspruch zu machen“ (ebd.), seien auch konzeptuell arbeitende Künstler mit dem Projekt vernetzt worden, die über die praktischen Tätigkeiten hinaus die stattfindenden Arbeitsprozesse auch theoretisch-künstlerisch zum Thema machen sollten. Trotz der unterschiedlichen Interessen der beteiligten
33 Die Ergebnisse des Kongresses sind in dem Buch „Kreative Ökonomien. Und ihre Übersetzbarkeit auf Stadtteilebene“ (IBA Hamburg GmbH 2008) dokumentiert.
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Akteure beschreibt eine involvierte Künstlerin die Idee des Projektes darin, dass insofern „ein bedeutsames Projekt“ entstehen sollte, dass „exemplarisch neue Tätigkeitsformen im Zeitalter der Arbeitslosigkeit ausprobiert und der Arbeits- und Kunstbegriff zugleich in öffentlichen Veranstaltungsreihen reflektiert werden“ sollte (Haarmann 2010: 61). Während zum einen also konkret produziert und die entstandenen Produkte wie Zeichnungen und Skulpturen auch verkauft werden sollten, sollte zum anderen die Zukunft der Arbeitsgesellschaft und die Rolle von Erwerbslosen künstlerisch reflektiert und damit ein modellhaftes, bedeutsames Projekt geschaffen werden. Nach einer ersten Wanderausstellung der Beteiligten im Sommer 2009 (Vgl. Abb. 15), jedoch fehlender, u.a. finanzieller Unterstützung von Seiten der IBA Hamburg (Vgl. ebd.: 63) sowie divergierenden Interessenskonflikten der Projektbeteiligten, trennten sich die Akteure des KUNST WERK WILHELMSBURG schließlich 2010: „Man hatte die Kunst und die Arbeit zusammenbringen wollen, um die Erwerbslosigkeit nicht nur zu verwalten, sondern für den Stadtteil konstruktiv umzuwenden [...]. Der konzeptuelle Ansatz dabei war nicht, den Begriff der Kreativität anzuwenden und eine instrumentelle Vernetzung schöpferischer Potenziale voranzutreiben, sondern den Begriff der künstlerischen Strategie aufzugreifen und für das Projekt fruchtbar zu machen.“ (ebd.: 63)
Abbildung 15: Plakat zur Wanderausstellung KUNST WERK WILHELMSBURG, 2009.
Abbildung 16: Motiv aus dem Veranstaltungsflyer WILHELMSBURGER KISSEN & FAHNEN, 2011.
Quelle: Haarmann 2010: 61.
Quelle: Veranstaltungsflyer 2011.
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Weitere Projekte umfassten die WILHELMSBURGER KISSEN & FAHNEN (Vgl. Abb. 16), ein von 2011 bis 2013 praktiziertes Kooperationsprojekt zwischen dem Hamburger Künstler Rupprecht Matthies und der Textilwerkstatt NähGut, einem beruflichen Integrationsprojekt für Langzeitarbeitslose, bei dem die in den Beschäftigungsmaßnahmen involvierten Akteure gemeinsam mit dem Künstler Kissen und Fahnen künstlerisch gestalteten. Neben der Präsentation der Ergebnisse in verschiedenen Ausstellungen entwickelten die Akteure die sog. „Wilhelmsburger Edition“, in der seitdem ausgewählte Produkte der beteiligten Akteure, wie z.B. Wortkissen, oder aus den Fahnen gestaltete Hals- und Kopftücher sowie Taschen käuflich zu erwerben sind (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/projekte/kreatives-quartier-elbinsel/kunstmacht-arbeit/projekt/kreatives-quartier-elbinsel-81.html vom 31.01.2014). Mit dem STOFFDECK – CO-WORKING WILHELMSBURG ist zuletzt ein Projekt bezeichnet, dass in Kooperation mit dem Beschäftigungsträger passage gGmbH einen Produktionsort auf der Elbinsel für Mode- und Textildesigner sowie für Hobbykreative bereitstellt. Die Gemeinschaftswerkstatt weist dabei nicht nur flexibel anmietbare Arbeitsplätze in einer Nähwerkstatt und einer Siebdruckerei, Einzelateliers sowie ein umfassendes Kursangebot auf, sondern soll auch „gemeinnützige Projekte umzusetzen, z.B. zwischen Designern und Menschen, die sog. Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen, um zurück auf den Arbeitsmarkt zu finden” (Vgl. ebd.). Das Projekt STOFFDECK wird auch nach Abschluss der IBA Hamburg fortgeführt34 und arbeitet zum aktuellen Zeitpunkt u.a. am Aufbau einer Zwischenmeisterei, in der „Frauen mit Migrationshintergrund und spannenden kulturellen Handwerkstechniken ebenso wie Studentinnen und Studenten, die eine Schneiderlehre haben und neben ihrem Modestudium etwas dazu verdienen wollen, Mütter, hauptberufliche Schneiderinnen oder tüchtige Seniorinnen, die bereits im Ruhestand sind, aber noch immer an der Nähmaschine sitzen und arbeiten möchten” (http://www.stoffdeck.de/zwischenmeistereiplus/ vom 31.01.2014), tätig werden sollen. Ziel sei es, eine Produktionsstätte aufzubauen, die den Mangel an Zwischenmeistereien in Hamburg auffängt, indem es die Fertigung von Kleinstkollektionen für Hamburger Designer „zu sozial fairen Bedingungen” (ebd.) anbietet.
2.2.2.3 Elbinsel Sommer/ Kunstplattform Der strategische Handlungsansatz der Kunstplattform, den die IBA Hamburg als direkte Konsequenz aus ihrem Auftaktjahr im Jahr 2008, damals noch unter dem
34 Zur weiterführenden Information s. http://www.stoffdeck.de.
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Titel Elbinsel Sommer35 lanciert hatte, entstammte, so die IBA-Verantwortlichen, dem Versuch, „die Heterogenität der künstlerischen Projekte aus 2007 quantitativ, aber auch qualitativ zu bündeln“ (Klotz/Theis 2010: 23). Dies sollte mithilfe eines jährlich stattfindenden, kuratierten Formates für bildende Kunst geleistet werden, für das über eine geschlossene Ausschreibung jeweils wechselnde Kuratoren zu einem vorgegebenen Arbeitsthema und einem festen Budget gewonnen werden sollten, die „an der Schnittstelle von Stadtentwicklung, Kunst und Alltagsleben in besonderem Maße die Bevölkerung und ihre Lebensräume vor Ort in die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Stadtentwicklungsprozess IBA“ einbeziehen sollten (Klotz/Theis 2010: 23). Vor dem Hintergrund eines gewünscht kritischen und unkonventionellen Umgangs mit den IBA-Themen durch die Mittel der Kunst sei im Laufe der IBA-Jahre ein Format entstanden, das – so der Rückblick der IBAVerantwortlichen – Kunst als zentralen Bestandteil von Stadtentwicklungsprozessen begreife, Themen setze, die mit den herkömmlichen Instrumenten der IBA nur schwierig zu fassen seien, dialogstiftend wirke, indem es vielfältige Begegnungen zwischen der Bewohnerschaft vor Ort und künstlerischen Projekten leiste und damit zuletzt einen Austausch, der weit über die Elbinseln hinausgehe, habe initiieren können (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/projekte/kreatives-quartier-elbinsel/ kunstplattform/projekt/kreatives-quartier-elbinsel-99.html vom 31.01.2014). Während die Resonanz auf die Neukonzeptionierung der künstlerischen Aktivitäten der IBA Hamburg durch die kuratorische Klammer im Jahr 2008 einerseits äußerst positiv ausgefallen war, da die IBA-Verantwortlichen durch das geschlossene Ausschreibungsverfahren, die Vergabe eines festen Budgets und die thematische Schwerpunktsetzung das Format augenscheinlich hatten „externalisieren, professionalisieren, konzeptionell und thematisch bündeln, aber auch reduzieren“ wollen (Haarmann/Lemke 2010: 106), gab es zugleich Stimmen, die dem Format eine Instrumentalisierung künstlerischer Kritik vorwarfen, da sich trotz der bereitgestellten Ausstellungsplattform an den ökonomischen Zielstellungen der IBA nichts geändert habe.36
35 In den Jahren 2008 und 2009 wurde das kuratierte künstlerische Format der IBA noch unter dem Titel Elbinsel Sommer geführt, was als Anlehnung an das Auftaktprogramm in 2007 gelten muss. Ab Mitte 2010 wurde der Begriff durch den Begriff der Kunstplattform ersetzt. 36 So merken Frahm/Michaelsen an: „Die IBA erscheint als Instrument einer Herrschaftstechnik, die man partizipatorische Unterwerfung nennen kann. Sie dient nicht allein der Produktion von Legitimität durch die Kanalisierung von Kritik, sondern gleichzeitig der Aneignung eines Rohstoffes, den der Aufwertungsprozess ständig benötigt: Kreativität. Die Künstler sind die Avantgarde der partizipatorischen Unterwerfung.“ (Frahm/ Michaelsen 2009: o.S.)
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In der Umsetzung stellte sich das Format als stark transitorisch dar. Nachdem die Kunstplattform im Jahr 2008 zunächst mit einjähriger Dauer zum Arbeitsthema „Stadt im Klimawandel“ gestartet war, das ein zuvor gewonnenes, externes Kuratorenteam unter dem Titel „Kultur | Natur“ gestaltet hatte (Vgl. Abb. 17), änderte die IBA Hamburg nach einem weiteren Durchgang des Ausstellungsformates Ende 2009 seine zeitliche Klammer: Anstelle eines weiteren, einjährigen Turnus mit wechselnden Kuratoren wurde das in 2009 zum Ausschreibungsthema „Lernende Stadt“ gewonnene Kuratorenteam, das unter dem Titel „Akademie einer anderen Stadt“ (Vgl. Abb. 18) tätig geworden war, um ein weiteres Jahr verlängert, was als deutliches Zeichen – so die IBA-Verantwortlichen – für den „lernenden Organismus IBA“ (Klotz/Theis 2010: 24) gelten müsse. Als Gründe wurden die Fortsetzung der geleisteten Vorarbeiten sowie eine Vertiefung der bisherigen, im Rahmen der Kunstplattform entstandenen Kooperationen und Strukturen mit Akteuren aus dem Stadtteil angeführt (Vgl. Vorkoeper 2010: 123). Abbildung 17: Kunstplattform 2008: Kultur | Natur.
Abbildung 18: Kunstplattform 2010: Akademie einer anderen Stadt.
Quelle: Veranstaltungsplakat 2008.
Quelle: Veranstaltungsplakat 2010.
Unter dem Motto „Kultur | Natur“ hatte die Kunstplattform erstmalig stattgefunden. In Anlehnung an ihren Ausstellungstitel und geleitet von dem Verständnis, dass „kulturelle Praktiken tatsächlich nicht schmückendes Beiwerk, sondern kritische Begleiter, wenn nicht sogar experimentelle Beispiele und Handlungsfelder nachhaltiger Planungsprozesse sein können“ (Haarmann/Lemke 2010: 106), hatten sie in
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der inhaltlichen Gegenüberstellung von ‚städtischer Kultur‘ und ‚bedrohter Natur‘ das ihnen von Seiten der IBA vorgegebene Arbeitsthema Stadt im Klimawandel „mit den kritischen Mitteln der Kunst“ reflektieren wollen (Vgl. http://www.kulturnatur.net/ vom 31.01.2014). Das vierwöchige Ausstellungsprogramm, dem eine mehrmonatige Arbeit der Kuratoren vor Ort vorausgegangen war, umfasste vier Formate: Die Ausstellung „Archiv der Künste“ in einer bis dahin ungenutzten Immobilie in der Nähe der VERINGHÖFE ‚recycelte’ verschiedene existierende künstlerische Arbeiten zum Ausstellungsthema Klima, Ökologie, Natur und Nachhaltigkeit. Der Plakat-Parcours „Fahrradstrip“, dem ein öffentlicher Wettbewerb für die Einsendung von Plakaten zur Frage „Wie sieht die Stadt im Klimawandel aus?“ vorausgegangen war, fungierte entlang der nur unzureichend vorhandenen Radwegverbindung von Wilhelmsburg zum Alten Elbtunnel als Plakatgalerie im öffentlichen Raum. Im Rahmen der „künstlerischen Projekte“ waren sechs lokale, aber auch internationale Künstler, Gruppen sowie Initiativen in Form eines Stipendiums eingeladen worden, „in Form von künstlerischen Projekten „den Wandel des urbanen Klimas und den Naturbegriff kollektiv zu befragen“. Zuletzt war mit den „Ausflügen des Denkens“ ein Erkundungsformat entstanden, bei dem internationale Wissenschaftler gemeinsam mit lokalen Experten zu mit dem Ausstellungsthema verbundenen, relevanten Themen über die Elbinsel geführt hatten (Haarmann/ Lemke 2010: 107ff.). In ihrer Gemeinsamkeit sollten alle Formate nach Aussage der Kuratoren spezifische, für das kulturelle Leben der Elbinsel als relevant erachtete Impulse setzen: Während mit dem Ausstellungsraum ein Zeichen für notwendige künstlerische Infrastrukturen auf der Elbinsel platziert werden sollte, hatte der Fahrradparcours öffentlichkeitswirksame Aufmerksamkeit für den schon lange zugesagten Fahrradweg gegenüber der Stadtpolitik stiften, die künstlerischen Projekte das Modell der Künstlerstipendien als Förderinstrument für künstlerische Stadtentwicklung demonstrieren und die Ausflugsformate zuletzt darauf hinweisen wollen, welche Themen aus Sicht der Bewohner von zentralem Interesse für die stadtentwicklungspolitischen Veränderungen der Elbinsel sind (Vgl. ebd.): „Wir konzipierten den ersten Elbinsel Sommer – 2008 mit Kultur | Natur – als eine kontextuelle Ausstellungsplattform, die künstlerische, theoretische und soziale Aktivitäten verknüpfte, um daraus [...] ein kulturelles Ereignis zu machen, das unmittelbare Auswirkungen auf den Ort hat.“ (Haarmann/Lemke 2010: 107)37
37 Dazu heißt es aus Sicht des Kuratorenteams: „Als externe Kuratoren, beauftragt für den neu lancierten Elbinsel Sommer 2008, haben wir unsere Aufgabe darin gesehen, diese etwas andere Rolle von Kunst und Kultur im Kontext der Stadtplanung inhaltlich auszuformulieren und modellhaft auszuprobieren. Den programmatischen Kern des Konzeptes bildete ein interventionistischer, handlungsorientierter, sozialer, kritisch fragender, philosophisch erweiterter Kunst- und Kulturbegriff.“ (Haarmann/Lemke 2010: 106)
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Das zweite Kuratorenteam hatte mit dem Titel und gleichnamigen Ausstellungsprogramm „Akademie einer anderen Stadt“ auf das IBA-Ausschreibungsthema der „Lernenden Stadt“ reagiert. Ausgehend von einem Verständnis als „künstlerisches Projekt und Bildungsidee zugleich“ sah das Konzept vor, sich „für eine freie und doch nachhaltige künstlerische Auseinandersetzung mit der Stadt der Gegenwart“ einzusetzen (Klotz/Theis 2010: 23f.), die in enger Verzahnung mit der Bildungsoffensive Elbinseln realisiert werden sollte. In Anlehnung an ihren Ausstellungstitel und geleitet vom Verständnis eines Lernens auf Augenhöhe sowie einer ästhetischen Erfahrbarmachung städtischer Entwicklungen durch internationale zeitgenössische Kunst waren die Aktionen des Kuratorenteams von den Themen Sprachen der Stadt, interkulturelle Identitäten sowie unscheinbare und verdrängte Kulturen geleitet gewesen (Vgl. http://www.mitwisser.net/system/category/2009 vom 31.01.2014). Ziel war es, folgt man der Selbstaussage der Kuratoren, ausgehend vom kulturellen Wissen der Bewohnerschaft vor Ort „die verborgene, verdrängte wie die zukünftige Stadt für viele verschiedene Menschen erfahrbar und diskutierbar zu machen“ (Vorkoeper/Knobloch 2009: 60). Das fünfwöchige Ausstellungsprogramm im Sommer 2009, dem wie bereits bei „Kultur | Natur “ eine mehrmonatige Arbeit der Kuratorinnen vor Ort u.a. in Form eines „wandernden Akademiebüros“ vorausgegangen war, umfasste die Ausstellung „Zeichen von Respekt“ in den Veringhöfen, die beispielhaft internationale künstlerische Arbeiten zum Thema Migration, ihren sozialen Folgen und Sprachproblemen mit Arbeiten von lokalen Schulen zusammenbringen wollte. Zeitgleich stellten in dem dezentralen Erzählformat „Akademie vor Ort“ Bewohner der Elbinsel „ihr gesammeltes, für andere relevantes Wissen und Können“ vor (Vorkoeper 2010: 122). Das Filmprogramm „Über Glaubenskulturen“ griff in Kooperation mit den ansässigen Kirchen das Thema Religion und Glaubenskonflikte filmisch auf und das Format „Sprung zurück über die Elbe“ nahm das stadtpolitische Leitprojekt beim Namen, indem es Bewohner der Elbinsel in Kultureinrichtungen nördlich der Elbe brachte (Vgl. Vorkoeper 2010: 122). Im Folgejahr war die „Akademie einer anderen Stadt“ durch die Verlängerung seitens der IBA in der Lage, viele der begonnenen Kooperationen, aber auch strukturbildenden Maßnahmen fortzuführen (Vgl. ebd.: 123) und für einen fünfwöchigen Zeitraum im Sommer 2010 einen Kunstparcours mit mehr als 20 Projekten unter dem Titel „Aussicht auf Veränderungen“ entlang der Hamburger S-Bahnlinie 3 zu realisieren. Dieser fand erneut in Kooperation mit Schulen und Bildungseinrichtungen, Kirchen sowie lokalen und internationalen Künstlern zu den bereits im Vorjahr platzierten Themen statt, die sich in der künstlerischen Umsetzung der Projekte entlang der S-Bahnstationen Altona, Landungsbrücken, Veddel, Wilhelmsburg und Harburg zeigten. Darüber hinaus sollte der Ausstellungsparcours die oftmals eindimensional ausgelegte Richtung des „Sprung über die Elbe“ auf sichtbare Art und
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Weise konterkarieren (Vgl. http://www.mitwisser.net/system/kunst-parcours_s3 vom 31.01.2014). Im Jahr 2011 lässt sich sodann eine Zäsur des Formates Kunstplattform feststellen. Die IBA Hamburg entschied sich nach einem zunächst einjährigen und dann zweijährigen Kunstplattform-Turnus nicht wie erwartet für eine erneute Kuratorenausschreibung, sondern für ein Jahr der „Reflexion“, um „über die Fortführung ihrer angestoßenen Kunstaktivitäten über das Jahr 2013 hinaus nachzudenken” (http://www.iba-hamburg.de/projekte/kreatives-quartier-elbinsel/kunstplattform/ projekt/kreatives-quartier-elbinsel-99.html vom 31.01.2014). Zu diesem Zweck hatten die IBA-Verantwortlichen verschiedene Akteure von in Kunst, Kultur und Bildung engagierten Institutionen und Initiativen der Elbinsel, aber auch Kuratoren der Vorjahre zusammengebracht. Laut Selbstaussage der IBA Hamburg „vernetzen sich seitdem Kuratoren mit Projektträgern vergangener Jahre sowie kulturellen Einrichtungen auf den Elbinseln, die gemeinsam das Modell eines wiederkehrenden, den Stadtraum in Bewegung bringenden Kunstformates entwickeln” (ebd.). Motivation sei es, mit dieser Vorgehensweise den Rahmen des strategischen Handlungsansatzes Kunstplattform so weit aufzuspannen, dass „eine umfassende Beteiligung der Menschen vor Ort sowie ein Aufbau nachhaltiger künstlerischer Strukturen“ (Klotz/ Theis 2010: 24) gewährleistet werden könne. Zum aktuellen Zeitpunkt (Stand: Januar 2014), d.h. nach Abschluss der IBA ist noch offen, ob und in welcher Form ein solches Format, für das u.a. eine Triennale diskutiert wurde (Vgl. Klotz/Theis 2011b: 65), tatsächlich zustande kommen wird.
2.2.2.4 Projekte der kulturellen Vielfalt Mit dem strategischen Handlungsansatz Projekte der kulturellen Vielfalt setzte die IBA Hamburg zuletzt „auf temporäre Festivals und Aktionen und damit auf das Spannungsfeld zwischen Festivalisierung und kultureller Inszenierung“ (Klotz/ Theis 2010: 24). Entsprechend heißt es, dass „in Analogie zum Auftaktjahr“ (ebd.) solche Projekte eine Förderung erfuhren, die besondere Orte der Elbinsel aufgriffen, einen inhaltlichen Bezug zu den IBA-Leitthemen generierten, vorzugsweise von Akteuren aus dem Stadtteil kamen oder aber einen nachhaltigen Mehrwert für den Stadtteil herstellen konnten (Vgl. http://www.iba-hamburg.de/projekte/kreativesquartier-elbinsel/projekte-der-kulturellen-vielfalt/projekt/kreatives-quartier-elbinsel101.html vom 31.01.2014).
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In den vergangenen Jahren wurden dabei – folgt man der Nennung der Projekte auf der IBA-Website38 – vielfältige Projekte gefördert, von denen etliche kontinuierlich unterstützt wurden, während andere situativ hinzukamen. Zu den involvierten Projekten gehörten auf der einen Seite externe Formate wie z.B. das Musikfestival DOCKVILLE und das daran angegliederte Kinderfestival LÜTTVILLE.39 Das Musikfestival war 2007 von einer Gruppe Hamburger Akteure initiiert und die Projektidee von der Kulturbehörde an die IBA Hamburg weitergeleitet worden, die aufgrund der öffentlichen Wirksamkeit, die das Format versprach, eine Festivalfläche in Wilhelmsburg vermittelte und das Festival im Rahmen ihres Auftaktjahres mit einer Anschubfinanzierung aufgriff (Vgl. Rehders/Striegler 2010: 135f.). Seitdem hat sich das Festival nicht nur zu einem eigenständigen, tragfähigen Format entwickelt, das durch seine Zusammenführung von Musik und Kunst ein unverkennbares Profil aufweist und bundesweit Besucher anzieht, seit 2009 beziehen die Festivalorganisatoren auch keine Unterstützung mehr durch die IBA Hamburg. Lediglich ihr seit 2008 initiiertes Kinderformat LÜTTVILLE, das eine Woche vor dem Musikfestival als stadtteilbezogenes Format kostenfrei für Wilhelmsburger Kinder stattfindet, wird durch die IBA Hamburg finanziell unterstützt (Vgl. http:// www.iba-hamburg.de/projekte/kreatives-quartier-elbinsel/projekte-der-kulturellenvielfalt/projekt/kreatives-quartier-elbinsel-101.html vom 31.01.2014). Langfristiges Ziel des Formats, das mittlerweile in den Verein Lüttville e.V. überführt worden ist, sei es, insbesondere nachhaltig wirksame kulturelle Bildungsstrukturen, u.a. in der Kooperation mit dem IBA-Projekt Bildungsoffensive Elbinseln zu generieren (Vgl. Rehders/Striegler 2010: 142). Trotz der Weiterentwicklung und formatspezifischen Reaktionen auf vorherrschende Kritiken wird das DOCKVILLE Festival in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer als „IBA-Festival“ etikettiert, was die Veranstalter trotz ihrer Kooperation mit der IBA Hamburg für LÜTTVILLE in der Vergangenheit immer wieder zu Richtigstellungen, aber auch Abgrenzungsversuchen gegenüber derselben veranlasst hat.40
38 Eine Übersicht der geförderten Projekte im Handlungsfeld Projekte der kulturellen Vielfalt findet sich unter http://www.iba-hamburg.de/projekte/kreatives-quartier-elbinsel/ projekte-der-kulturellen-vielfalt/projekt/kreatives-quartier-elbinsel-101.html. 39 Für detaillierte Informationen s. http://www.dockville.de und http://www.luettville.de. 40 So merken die Festivalorganisatoren an: „Eingebettet in den groß angelegten und nicht unumstrittenen Stadtentwicklungsprozess in Hamburg-Wilhelmsburg durch die städtischen Großprojekte IBA Hamburg und igs 2013, erhielt das Festival von Beginn an erhöhte Aufmerksamkeit von beteiligten Akteuren, Medien und Anhängern der Subkultur, die sehr unterschiedliche und vor allem komplexe Ansprüche an das Festival herantrugen. Dieser Prozess hat die Ausgestaltung des Festivals in der Vergangenheit geprägt und wird dies auch […] weiterhin tun.“ (Rehders/Striegler 2010: 134)
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Zum anderen umfassten die Projekte der kulturellen Vielfalt aus dem Stadtteil stammende Veranstaltungsformate, wie das seit 2009 existierende und mittlerweile zweifach Grimme Preis-nominierte TV-Format KONSPIRATIVE KÜCHENKONZERTE41, das von einer Akteursgruppe, die vor einigen Jahren auf die Elbinsel gezogen war, in Wilhelmsburg realisiert wird, sowie temporäre Veranstaltungen wie das SPREEHAFENFESTIVAL42 oder das VHS SOMMERATELIER IM HAFEN43, für das die IBA jeweils einige Teilnehmerplätze für Wilhelmsburger stiftete. Zuletzt inkludierten die Projekte der kulturellen Vielfalt laut IBA-Selbstdarstellung Kooperationsprojekte mit bestehenden Stadtteilkulturzentren vor Ort wie bspw. der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg, dem Bürgerhaus Wilhelmsburg oder dem Zirkus Willibald.
41 Das Format präsentiert sich unter http://konspirativekuechenkonzerte.de. 42 Für detaillierte Informationen s. http://www.spreehafenfestival.de. 43 Für detaillierte Informationen s. http://www.vhs-hamburg.de/sommeratelier.
3. Das Forschungsdesign
Das nachfolgende Kapitel stellt das qualitative Forschungsdesign zur Analyse des Untersuchungsgegenstandes der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg vor. Dazu wird zunächst die Entwicklung der leitenden Forschungsfragen (Kap. 3.1) dargelegt, bevor daran anknüpfend die einzelnen Arbeitsschritte der angewendeten Forschungsmethodik Erläuterung finden (Kap. 3.2). Diese umfassen zum einen die Wahl der Einzelfallstudie als Untersuchungseinheit (Kap. 3.2.1), zum anderen die Datenerhebung über Experteninterviews (Kap. 3.2.2), die leitfadengestützt geführt (Kap. 3.2.3) und durch das semantische Differential (Kap. 3.2.4) ergänzt wurden. Abschließend gilt es das Analyseverfahren zur Auswertung der erhobenen Daten zu explizieren, für das die qualitative Inhaltsanalyse (Kap. 3.3.1) sowie die deduktive Kategorienbildung Verwendung fanden (Kap. 3.3.2).
3.1 L EITENDE F ORSCHUNGSFRAGEN Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie, die einer explizit kulturwissenschaftlichen Forschungsperspektive entstammt, bildet sich über spezifisch theoriegeleitete Forschungsfragen ab. Die Fragen, die zu Beginn des Forschungsvorhabens skizziert und im Laufe des Untersuchungsprozesses konkretisiert wurden, werden im anwendungsbezogenen Teil der Forschungsarbeit anhand einer empirischen Fallstudie illustriert. Zunächst aber dienten als Ausgangsbasis für ihre Entwicklung kultursoziologische und -philosophische Materialien zum Thema des Wirkungszusammenhangs von ‚Kreativität‘ und Stadt. In Anlehnung an das Untersuchungsbeispiel der IBA Hamburg, das an der Schnittstelle von Kultur-, Stadtentwicklungsund Wirtschaftspolitik angesiedelt war, wurden darüber hinaus zahlreiche wissenschaftliche Texte aus der Stadtsoziologie, den Planungswissenschaften sowie den Politikwissenschaften herangezogen. Im Rahmen der theoretischen Annäherung an die leitenden Forschungsfragen war der Untersuchungsfokus, das haben die vorangegangenen Kapitel gezeigt, da-
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bei zunächst auf jene verkürzten Anwendungen von ‚Kreativität‘ gerichtet worden, die eine auf den urbanen Raum fokussierte Nutzungsweise derselben transportieren und sie in den vergangenen Jahren zu einem weltweiten Steuerungsinstrument für zielgerichtete Raumproduktionen haben avancieren lassen. Der damit verbundene, tiefgreifende Paradigmenwechsel von ‚Kreativität‘ lässt deutlich eine Instrumentalisierung für kreativitätsferne Bereiche wie wirtschafts- und standtortpolitische Interessen erkennen, die bis zur Stilisierung derselben als gesellschaftlicher Imperativ reichen. Die hohe Definitionsungenauigkeit hat die Wirkung des Begriffes dabei in keiner Weise geschmälert, sondern in seiner Verwendung nahezu austauschbar – zu einer ‚Leerformel‘ (Topitsch 1960) – werden lassen. Dies trifft auch auf den Forschungsgegenstand zu, bei dem auf den urbanen Raum fokussierte Kreativitätskonzepte als strategische Narrative im ‚unternehmerischen‘ Selbstverständnis der Stadt aufgebaut und in städtische Entwicklungsstrategien überführt werden. Zur Erfassung der inhärenten Problematik eines planerischen oder steuernden Umgangs mit ‚Kreativität‘ war der Neologismus der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt als analytischer Suchbegriff eingeführt worden (Vgl. Kap. 1.2). Dabei stellte das Paradoxon der ‚Planbarkeit‘ von ‚Kreativität‘ ein bewusstes Kriterium für die definitorische Annäherung dar, welches sich als inhärente Kritik an der vorherrschenden Praxis direkt in der Begrifflichkeit widerspiegelt. Der analytische Suchbegriff behauptet also keineswegs eine Planbarkeit des zu untersuchenden Phänomens, vielmehr erinnert die bewusste Setzung in der Terminologie an die Paradoxie der damit bezeichneten städtischen Handlungspraxis, die im Verlauf der Arbeit immer wieder durchbrochen bzw. relativiert wurde. Im Mittelpunkt der definitorischen Erfassung standen die Charakteristiken der Praxis, mit ihr verbundene Zielstellungen sowie ihre Realisierung durch den Einsatz spezifischer Planungsbzw. Steuerungsmodelle über den Diskurs der Governance. Daran anknüpfend war eine Typologisierung derselben auf Grundlage der Cultural Theory entwickelt worden (Thompson et al. 1990; Douglas 1978), die sich insbesondere aufgrund ihrer Fähigkeit, die Gesamtheit und Interdependenzen vorherrschender Handlungsansätze im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt zu durchdringen, als Analyserahmen qualifiziert hatte. Mithilfe der Cultural Theory war zunächst die Gesamtheit der Handlungsansätze erfasst worden (‚Ansätze einer strategischen Kreativplanung der Stadt und ihrer Kritiker‘), bevor der Fokus erneut auf die hierarchischen Ansätze (‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt) gelenkt wurde, die den Analyseschwerpunkt der vorliegenden Studie bilden. Aufgrund der zuvor konstatierten Wechselwirkung mit anderen Kulturen war dabei deutlich geworden, dass neben rein hierarchischen Ansätzen (kulturell-kreative Leuchtturm-Projekte, kulturelle Festivalisierungsformate, ‚Creative City‘-Narrative) vielfältige Hybridbildungen mit der individualistischen Kultur (‚kreative Cluster‘-Politik, 3-T-Modell) sowie der egalitären Kultur (‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘) zu identifizieren sind. Alle hierarchisch geprägten Anwendungsformen waren inhaltlich expliziert, anhand interna-
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tionaler Praxisbeispiele verdeutlicht und zuletzt auf mögliche Konsequenzen hin thematisiert worden. In ihrer Gesamtheit dienten die gewonnenen Erkenntnisse als Grundlage für die Anwendung auf den Untersuchungsgegenstand der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg (Vgl. Kap. 2), die mit ihrem Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ eine über ihre Wirkungsdauer hinausreichende, kreative Entwicklung auf den Hamburger Elbinseln hatte initiieren wollen. Die Zusammenführung der theoretischen Erkenntnisse mit dem zu untersuchenden Phänomen der IBA Hamburg hatten schließlich folgende leitende Forschungsfragen hervorgebracht:
Leitende Forschungsfragen 1. Welche Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt sind – im Rückgriff auf die Definition der Cultural Theory – im Kontext der IBA Hamburg vorherrschend? 2. Welches Kreativitäts- und Planungsverständnis zeichnet sich in den Maßnahmen der IBA Hamburg ab, welche Ziele sind damit verbunden? 3. Wie gestaltet sich die Umsetzung im Rahmen der IBA Hamburg? 4. Was sind Konsequenzen der praktizierten ‚strategischen Kreativplanung’ der Stadt auf der Hamburger Elbinsel? 5. Welche Interventionsmöglichkeiten sind – ausgehend vom Beispiel der IBA Hamburg – aus stadtentwicklungspolitischer Sicht für das Steuerungsparadoxon ‚Kreativität‘ erkennbar? Die leitenden Forschungsfragen gelten als untersuchungsrelevant, da bislang keine systematische Erfassung der Praxis eines planenden oder steuernden Umgangs von ‚Kreativität‘ in der kulturwissenschaftlichen Forschung, insbesondere in der Zusammenführung mit der Cultural Theory existiert. Entsprechend ist es das Ziel der leitenden Forschungsfragen, die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes ebenso zu erfassen wie seine spezifische Kontextualisierung.
3.2 Z UR
QUALITATIVEN
D ATENERHEBUNG
Die vorliegende Studie ist im Forschungsfeld der qualitativ-interpretativen Sozialforschung verortet. Geleitet vom zentralen Erkenntnisprinzip des „Verstehens“ des untersuchten Phänomens (Vgl. Wrona 2005: 6) basiert die qualitative Sozialforschung auf einer engen Verflechtung von Datenerhebung und anschließender Analyse. Dabei zeichnet sich das Forschungsdesign in Anlehnung an Mayring (2000: 25ff.) über spezifische Merkmale wie seine Einzelfallbezogenheit, seine theoreti-
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sche und methodische Offenheit oder seine Verallgemeinerung auf argumentativer Basis aus, die grundsätzlich für qualitatives Denken geltend gemacht werden können und bis auf die Tatsache der induktiven Vorgehensweise auch für die vorliegende Untersuchung Gültigkeit haben.1 Ausgehend von der Annahme, dass Vorwissen erkenntnislogisch nicht zu vermeiden ist, gilt dieses in der qualitativen Forschung – und das betrifft auch das vorliegende Untersuchungsbeispiel – vielmehr als analytisch wertvoll. Grundsätzlich verfolgt die Wahl eines qualitativen Forschungsansatzes weniger das Ziel, allgemein verbindliche Regeln oder repräsentative Ergebnisse zu generieren, als Strukturen und Zusammenhänge für einen zuvor subjektiv ausgewählten Einzelfall zu eruieren und über interpretative Verfahren zu analysieren, bevor diese auf einer argumentativen Basis zu verallgemeinernden Erkenntnissen verdichtet werden. Ergebnisse der qualitativen Forschung lassen sich demnach nicht in messbaren Kategorien ausdrücken, sondern manifestieren sich über anwendungsorientierte Handlungsempfehlungen, neue Kategorienbildungen oder die Entwicklung von Hypothesen bzw. gegenstandsbezogenen Theorien (Vgl. Wrona 2005: 7). Aufgrund der Tatsache, dass das untersuchte Phänomen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt in der hier dargelegten Zusammenführung mit der Cultural Theory und ihrer Weiterentwicklung durch Hood (1998) weitestgehend neu, zudem in Bezug auf seine Komplexität nur schwer messbar ist, wurde kein quantitatives, sondern ein qualitatives Verfahren als Methodik bestimmt. Beide Verfahren werden seit vielen Jahren gleichermaßen in der empirischen Methodenlehre diskutiert, auch wenn es in der Debatte weniger darum geht, ein Verfahren gegen das andere geltend zu machen, als vielmehr die Vor- und Nachteile beider Forschungsansätze zu verdeutlichen (Vgl. Mayring 2000: 19).2 So erhebt auch die hier vorgelegte qualitative Forschung keinen Anspruch auf Repräsentativität, gleichwohl sind Erkenntnisse dieses methodischen Ansatzes auch über die jeweilige Fallstudie hinaus gültig. Im Rahmen der vorliegenden qualitativen Forschung tritt das etwa ein, wenn anhand des untersuchten Phänomens der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt am Beispiel der IBA Hamburg z.B. auf ähnliche Fälle geschlossen werden kann, die sich in die Kontextabhängigkeit der qualitativen Aussagen einfügen. Das qualitative Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit unterlag den folgenden, zirkulär miteinander verbundenen Arbeitsschritten: Das grundlegende Er-
1
In Anlehnung an Wrona kann konstatiert werden, dass mittlerweile auch zunehmend deduktive Elemente in qualitativen Forschungsdesigns Anwendung finden und dadurch ebenfalls für den Begründungszusammenhang einer qualitativen Studie von Bedeutung sein können (Vgl. Wrona 2005: 5).
2
Zur Gegenüberstellung von quantitativen und qualitativen Forschungsdesigns s. z.B. Mayring 2008.
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kenntnisinteresse, das im Rahmen der leitenden Forschungsfragen mit der Frage nach der Plan- oder Unplanbarkeit von ‚Kreativität‘ im städtischen Kontext erfasst worden war, erforderte zunächst die Wahl eines für das Forschungsinteresse relevanten Einzelfallbeispiels (Kap. 3.2.1). Aus dieser Konkretisierung ging in einem zweiten Schritt die qualitative empirische Datenerhebung über Experteninterviews hervor (Kap. 3.2.2), die entlang eines themenspezifischen Leitfadens geführt (Kap. 3.2.3) und durch die Methodik des semantischen Differentials nach Osgood et al. (1975[1957]) (Kap. 3.2.4) ergänzt wurde. Die Auswertung der erhobenen empirischen Daten erfolgte über die qualitative Inhaltsanalyse (Kap. 3.3.1), bei der die Erfassung der Datenmaterials über theoriegeleitete Kategorienbildungen zum Tragen kam (Kap. 3.3.2).
3.2.1 Der Einzelfall als Untersuchungseinheit Anknüpfend an die leitenden Forschungsfragen wurde die IBA Hamburg als zu analysierender Einzelfall ausgewählt. Die Einzelfall- oder Fallstudie3, die als „Königsweg“ (Bude 2003: 61) der interpretativen Sozialforschung gilt, bildet die Grundlage für das Verständnis einer ‚verstehenden‘ Wissenschaft, auch wenn sie stets heterogen und damit in ihrer Funktion als qualitatives Verfahren zur Datenerhebung sehr divers ausfällt. Die wesentliche Funktion der Methodik besteht darin, anhand der ausgewählten Untersuchungseinheit noch vor der Datenerhebung theoriegeleitete Forschungsfragen generieren zu können. Dabei tritt das theoretische Vorwissen seitens des Forschers keineswegs als Beeinträchtigung, sondern vielmehr als Mehrwert auf, da es ein Vorgehen ermöglicht, innerhalb dessen bestimmte soziale Phänomene erst sichtbar und dadurch thematisierbar werden (Vgl. Wrona 2005: 20). Ragin/Becker (1992: 9f.) haben verschiedene Möglichkeiten für die Auswahl eines Falls benannt und somit deutlich gemacht, dass es verschiedene Herangehensweisen zur Identifizierung desselben gibt.4 Gemein ist allen angeführten Fallbeispielen, dass sie in der Lage sind, „das Typische einer Lebenslage in den Blick zu nehmen“ (Merkens 2005: 294). Mit der Wahl der vorliegenden Einzelfallstudie geht eine Forschungsperspektive einher, nach der keine repräsentativen Ergebnisse,
3
Die Fallstudie wird auch als Fall, case oder case study bezeichnet.
4
So kann ein Fall im Forschungsprozess entweder entdeckt werden („cases are found“), aufgrund von Literaturstudien als empirische Einheit, die für allgemeine Konzeptionen als relevant erachtet wird, hervortreten („cases are objects“), theoretisch konstruiert sein („cases are made“) oder theoretischen Konventionen innerhalb eines Forschungsfeldes unterliegen („cases are conventions“) (Vgl. Ragin/Becker (1992: 9f.).
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sondern vielmehr explorative Erkenntnisse über den Untersuchungsgegenstand generiert werden sollten.5 Anhand des ausgewählten Falls sollte nicht nur seine spezifische Komplexität abgebildet, sondern auch seine konstituierenden Prinzipien analysiert und allgemeine Erkenntnisse für das Forschungsfeld gewonnen werden. Dies war nur möglich, da davon ausgegangen worden war, „dass dem Einzelfall als soziale Einheit spezifische und allgemeine Sinnstrukturen inhärent sind“ (FabelLamla/Tiefel 2003: o.S.). Die Auswahl der IBA Hamburg als Einzelfallbeispiel rekurriert zum einen auf die herausgehobene Stellung, die dem stadtplanerischen Format im Rahmen einer strategischen Nutzbarmachung von ‚Kreativität‘ im deutschen Kontext zukommt. Zum anderen war eine besondere Form der „Zugänglichkeit” zu dem Fall vorhanden, wie sie auch Merkens (2005: 288) als relevantes Kriterium eines qualitativen Forschungsdesigns hervorhebt: So ermöglichte die berufliche Verbindung der Verfasserin mit der Einrichtung IBA Hamburg, wo diese von 2007 bis 2013 im Rahmen des Projektes „Kreatives Quartier Elbinsel“ als Mitarbeiterin tätig war, eine hohe Innensicht in die Arbeitsabläufe, die sich als besonders vorteilhaft für die Untersuchung herausstellten. Die Methode der „teilnehmenden Beobachtung“, deren Spektrum von der totalen Partizipation bis hin zum ausschließlichen Beobachter reicht und die Babbie (2004) mithilfe zweier Typen von Ethik erfasst hat6, wurde dabei permanent von der Verfasserin reflektiert. Obgleich immer eine Beeinflussung der beobachtbaren Prozesse durch die teilnehmende Wissenschaft vorliegt, unabhängig vom Grad der Involviertheit des Beobachters (Vgl. Lofland/Lofland 1995: 37ff.), wurde die Möglichkeit der teilnehmenden Beobachtung in der vorliegenden Studie weniger als Nachteil, denn als – reflektierte – Form der Innensicht in den Untersuchungsgegenstand verstanden.7 Da der Fokus des Untersuchungsgegenstandes der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt allerdings aus Sicht der Planer erfolgen sollte, hatte sich eine Datenerhebung über Experteninterviews als notwendig herausgestellt. Gleichwohl sind Ergebnisse der teilnehmenden Beobachtung in diesen Prozess eingeflossen.
5
So geht es Bude zufolge v.a. darum, „ob die typische Struktur eines sozialen Sachverhalts getroffen ist, und nicht danach, ob sie die Darstellung einer repräsentativen Verteilung in einer Grundgesamtheit erlaubt“ (Bude 2003: 61).
6
Babbie (2004: 286) unterscheidet zwei Ethiken des teilnehmenden Beobachtens: Den zurückhaltenden Beobachter („The Martian“), der den Untersuchungsobjekten nicht das Gefühl gibt, dass sie beobachtet werden, und den so stark involvierten Beobachter, dass ein Verlust der wissenschaftlichen Unabhängigkeit eintrete („The Convert“).
7
Da die teilnehmende Beobachtung in der vorliegenden Arbeit nur eine untergeordnete Rolle gegenüber der Datenerhebung mithilfe von Experteninterviews gespielt hat, soll sie an dieser Stelle nicht weiter expliziert werden.
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3.2.2 Experteninterviews Die Analyse eines Fallbeispiels kann über verschiedene Methodiken erfolgen (Vgl. Bude 2003: 61), im Rahmen des vorliegenden Untersuchungsbeispiels fand die Datenerhebung über Experteninterviews statt, die eine mögliche Variante einer qualitativen Interviewform darstellen.8 Unter Experten9 wurden in diesem Zusammenhang Personen mit einem Spezialwissen oder einer fachlichen Position verstanden, die aufgrund ihrer Professionalisierung wesentliche Erkenntnisse zum Forschungsgegenstand beitragen, zum anderen stellvertretend – wenngleich ohne Anspruch auf allgemeine Gültigkeit – für eine Vielzahl von Akteuren geltend gemacht werden können: „Wer (der gesuchte) Experte ist, definiert sich in der Forschungspraxis immer über das spezifische Forschungsinteresse und die soziale Repräsentativität des Experten zugleich.“ (Bogner/Menz 2005b: 41) Dabei wird deutlich, dass der Expertenstatus und seine qualitative Repräsentativität „ein relativer Status in Bezug auf das Forschungsinteresse“ sind (Burger 2011: 131). So gilt das Experteninterview hinsichtlich seiner Aussagen keineswegs als universalisierbar, sondern bildet eine Vergleichbarkeit von Meinungen und Wissen der jeweils befragten Experten ab. Entsprechend fällt auch die erkenntnisleitende Funktion von Experteninterviews je nach Expertenstatus unterschiedlich aus – eine Tatsache, für die Bogner/Menz die Differenzierung in das explorative, das systematisierende und das theoriegenerierende Experteninterview geprägt haben (Vgl. Bogner/Menz 2005a: 37).10 In der vorliegenden Studie wurden die Experten mithilfe der theoriegeleiteten Stichprobenziehung11 erfasst, eine Methodik, die von zwei grundsätzlichen Ent-
8
Das Spektrum der qualitativen Interviewformen ist durch vielfältige Definitionsansätze geprägt. So kann eine Interviewform bspw. nach ihrem Standardisierungsgrad, der Anzahl der Befragten (Vgl. Wrona 2005: 24) oder der Art des Interviews unterschieden werden, zu deren geläufigsten das narrative, das ethnografische, das leitfadenbasierte, das fokussierte, das problemzentrierte sowie das Experteninterview zählen (Vgl. Helfferich 2005: 24ff.).
9
Zur Problematisierung des Expertenbegriffes s. Bogner/Menz 2005a: 39ff. sowie Bogner/Menz 2005b: 10ff. Eine kritische Betrachtung zur Methodik von Experteninterviews leisten z.B. Kassner/Wassermann 2005.
10 Bogner/Menz (2005a: 38) sprechen sich für eine methodische Pluralität von Experteninterviews aus. 11 Die theoriegeleitete Stichprobenziehung („Theoretical Sampling“) wurde im Rahmen der Grounded Theory nach Glaser/Strauss (1967) entwickelt. Es bezeichnet ein Verfahren zur Stichprobenauswahl, das nicht nach Kriterien statistischer Repräsentativität, sondern über die Maßgabe erfolgt, ob die Untersuchungseinheiten für die entstehende Theorie geeignet
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scheidungsprinzipien geleitet ist: Entweder werden besonders heterogene oder besonders homogene Stichproben, in diesem Fall Experten, ausgewählt, die entsprechend abweichende oder ähnliche Daten zum untersuchten Phänomen erwarten lassen. Während eine „Inklusion auf der Basis maximaler struktureller Variation“ (Froschauer/Lueger 2003: 29) die Grenzziehung der Generalisierungstendenz des zu untersuchenden Bereiches etwa durch konträre Positionen der Befragten aufdeckt, fokussiert eine „Inklusion auf der Basis der Unterschiedsminimierung“ (ebd.: 30) sich auf Experten aus ähnlichen Bereichen, deren Aussagen dann interessant werden, wenn mögliche Unschärfen auftreten, die aufgrund der Homogenität des Untersuchungsfeldes eigentlich nicht zu erwarten gewesen sind (Vgl. Wrona 2005: 23). Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden die zu befragenden Akteure nach dem Kriterium der maximalen strukturellen Variation ausgewählt, wonach möglichst heterogene Positionen zum vorliegenden Untersuchungsgegenstand erfasst werden sollten, um aussagekräftige Antworten auf die komplexe Fragestellung zu erzielen. Froschauer/Lueger (2003: 37f.) differenzieren hier zwischen drei Typen von Expertise: die systeminterne Handlungsexpertise, die feldinterne Reflexionsexpertise sowie die externe Expertise, die alle einen unterschiedlich weiten Bezugsrahmen für die Datenerhebung und das damit verbundene Wissen markieren.12 Im Untersuchungsbeispiel waren verschiedene Expertisen angesprochen worden, die sich wie folgt in der Auswahl der Experten niederschlagen: So sollten die Befragten erstens mit dem Diskurs zu ‚Kreativität‘ und Stadt vertraut sein, zweitens die kultur- und stadtentwicklungspolitische Situation in Hamburg sowie die IBA Hamburg kennen, drittens weitestgehend mit den kulturellen und kreativ(wirtschaftlich)en Projekten der IBA Hamburg vertraut sein, viertens eine berufliche Verbindung mit Projekten auf der Hamburger Elbinsel aufweisen oder fünftens als kulturinteressierte Bewohner die Aktivitäten der IBA Hamburg auf der Elbinsel verfolgen.
sind oder nicht. Die Auswahl erfolgt systematisch und im Sinne des Forschungsinteresses (Vgl. Strauss 2004: 446f.). 12 Die systeminterne Handlungsexpertise rekurriert auf eine Form des Erfahrungswissens, das die jeweiligen Experten durch ihre Involvierung in den Untersuchungsgegenstand (das System) innehaben, es handelt sich weniger um Alltags-, denn um spezifisches Sonderwissen. Die feldinterne Reflektionsexpertise erfasst demgegenüber jene Personen, die als Schnittstellenakteure z.B. zwischen der Untersuchungseinheit und dem dafür relevanten Umfeld agieren, wodurch sich ihr Wissen relationaler, reflexiver und abstrakter darstellt als das der systeminternen Handlungsexpertise. Die externe Expertise umfasst schließlich das Wissen jener Personen, die nicht Teil des Untersuchungsgegenstandes sind, jedoch in dafür relevanten Feldern zu dem Thema agieren und entsprechendes Wissen angehäuft haben (Vgl. Froschauer/Lueger 2003: 37ff.).
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Analog zu den aufgeführten Kriterien ergaben sich folgende Themenbereiche für die Expertenrekrutierung: Stadtplanung, Wissenschaft, Kulturmanagement, Verwaltung, Kulturproduktion im Rahmen der IBA-Programme sowie Ortsbezogenheit. In der Konsequenz zielte die Auswahl der Experten auf ein Spektrum, das sowohl Wissen aus der systeminternen Handlungsexpertise nachfragte, als auch zur Erweiterung die feldinterne Reflexionsexpertise sowie die externe Expertise geltend machte. Dabei unterlagen die Auswahlkriterien für die Experten keinen statistischen Messinstrumenten, sondern orientierten sich „ausschließlich an inhaltlichen Relevanzkriterien [...], die sich aus den Analysen des sozialen Feldes ergaben“ (Froschauer/Lueger 2003: 55). Die auf Basis der genannten Auswahlkriterien erfassten Gesprächspartner13 beliefen sich im Ergebnis auf eine Größenordnung von n=22. Auch wenn durch die geringe Fallzahl somit keine Repräsentativität beansprucht werden kann, unterstützte die Methodik das Ziel der vorliegenden Studie, eine Exploration mit illustrativer Absicht zu leisten. Die Spannbreite reichte von Akteuren aus der Stadtplanung, zu der u.a. die IBA Hamburg gehörte (3 Experten), zu Akteuren aus der Wissenschaft (Kulturwissenschaft, Stadtsoziologie, Geografie) (3 Experten), dem Kulturmanagement (2 Experten) sowie der Verwaltungsebene Hamburgs (4 Experten). Des Weiteren wurden involvierte Kulturproduzenten innerhalb der IBA-Programme zur ‚strategischen Kreativplanung‘ (7 Experten) und zuletzt lokale, kulturaffine Akteure aus dem Stadtteil (3 Experten) erfasst. Dabei traten die Kulturproduzenten, die im Rahmen der einzelnen kreativitätsbasierten Entwicklungsprogramme der IBA tätig waren, als größte Gruppe auf, was mit dem Untersuchungsfokus der vorliegenden Studie begründet ist. In Verknüpfung mit der Cultural Theory stellte sich die Expertenauswahl so dar, dass sich die ausgewählten Interviewpartner vorrangig in der hierarchischen sowie der egalitären Kultur verorten ließen. Die individualistische Kultur war mit n=3 vertreten, die fatalistische Kultur fehlte vollständig. Dieser Tatbestand lässt sich darauf zurückzuführen, dass Experten gewonnen werden sollten, die sowohl mit dem Gesamtdiskurs als auch der IBA Hamburg vertraut waren. So hätten Experten bspw. aus städtischen Wirtschaftsunternehmen (individualistische Kultur) oder Wilhelmsburger, die nicht zugleich im Kunstfeld aktiv sind (fatalistische Kultur) nicht jenes Vorwissen erfüllt, das unbedingt notwendig war, um die Fragen des Leitfadeninterviews beantworten zu können. Dennoch gewährleistet die vorliegende Expertenzusammenstellung durch das Kriterium der maximalen strukturellen Variation eine durchaus heterogene Stichprobenauswahl (Vgl. Tab. 9).
13 Die einzelnen Interviewpartner werden im Folgenden mit IP abgekürzt.
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Tabelle 9: Zusammensetzung der Experten für die qualitative Datenerhebung Handlungsfeld
Experte
Stadtplanung
IP 1
Kulturzugehörigkeit gemäß Cultural Theory Hierarch. Kultur
IP 2
Hierarch. Kultur
IP 3
Individualist. Kultur
IP 4
Hierarch. Kultur
IP 5
Hierarch. Kultur
IP 6
Hierarch. Kultur
IP 7
Individualist. Kultur
IP 8
Hierarch. Kultur
IP 9
Hierarch. Kultur
IP 10
Hierarch. Kultur
IP 11
Hierarch. Kultur
IP 12
Hierarch. Kultur
IP 13
Individualist. Kultur
IP 14
Egalitäre Kultur
IP 15
Egalitäre Kultur
IP 16
Egalitäre Kultur
IP 17
Egalitäre Kultur
IP 18
Egalitäre Kultur
IP 19
Egalitäre Kultur
IP 20
Egalitäre Kultur
IP 21
Egalitäre Kultur
IP 22
Egalitäre Kultur
Wissenschaft
Kulturmanagement
Verwaltung, Institution I
Verwaltung, Institution II
Kulturakteure IBA-Programme
Lokale Akteure Wilhelmsburg
Quelle: Eigene Darstellung.
Zuordnung Semantisches Differential Planung/ Verwaltung Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Planung/ Verwaltung Planung/ Verwaltung Planung/ Verwaltung Planung/ Verwaltung Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung Nicht-Planung/ Verwaltung
Interview Dauer/ Datum 01:33:00 30.11.2011 01:20:00 30.01.2012 01:14:00 09.12.2011 01:30:00 07.12.2011 00:57:30 20.10.2011 01:56:00 08.12.2011 01:30:00 07.09.2011 01:24:00 19.09.2011 01:02:00 02.11.2011 01:19:00 28.09.2011 01:18:00 26.09.2011 01:12:00 15.09.2011 01:51:00 19.09.2011 01:20:00 14.09.2011 01:47:00 26.09.2011 01:36:00 18.11.2011 01:58:00 22.09.2011 01:37:00 20.09.2011 01:06:00 19.10.2011 02:05:00 25.10.2011 01:17:00 21.09.2011 01:10:00 27.09.2011
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Die über die qualitative Interviewpraxis des Experteninterviews erfassten Gespräche wurden entlang eines themenzentrierten Interviewleitfadens (Vgl. Kap. 3.2.3) sowie des semantischen Differentials (Vgl. 3.2.4) zwischen September 2011 und Januar 2012 mit einer Länge von 60 bis 120 Minuten von der Verfasserin durchgeführt. Die digital aufgezeichneten Gespräche wurden verschriftlicht14 und für die vorliegende Untersuchung anonymisiert.
3.2.3 Der Interviewleitfaden Leitfadenorientierte Experteninterviews stellen eine besondere Form der Interviewführung dar. Ausschlaggebend ist hierbei der Grad der Steuerung, der den Gesprächen zugrunde liegt. Dies geschieht etwa in Form eines Interviewleitfadens, mit dem der Interviewer durch vorformulierte Fragen gezielt auf themenspezifische Aspekte im Gespräch hinwirken kann (Vgl. Froschauer/Lueger 2003: 34).15 Entsprechend kommt dem Interviewer eine aktive Funktion im Experteninterview zu, ist er es doch, der im Vorfeld die notwendigen Informationen für die Erstellung des Interviewleitfadens zusammenträgt, um die Gesprächssituation aktiv im Sinne des Leitfadens zu gestalten, aber auch die Interaktionssituation kontinuierlich zu reflektieren (Vgl. Bogner/Menz 2005b: 19). Das Experteninterview weist – trotz vorhandener Elemente des offenen Interviews – in seiner Vorstrukturierung durch einen Leitfaden dann zwar keinen vollständig explorativen Charakter mehr auf, dafür ermöglichen die themenspezifischen Fragen eine klare und transparente Analyse der befragten Personen sowie eine bessere Vergleichbarkeit ihrer Aussagen, da die theoriegeleiteten Fragepunkte auch im Datenanalyseprozess wieder von Relevanz sind: „Eine leitfadenorientierte Gesprächsführung wird beidem gerecht, dem thematisch begrenzten Interesse des Forschers an dem Experten wie auch dem Expertenstatus des Gegenübers.“ (Meuser/Nagel 2005: 77) Der in der vorliegenden Untersuchung verwendete Interviewleitfaden wurde in Anlehnung an die leitenden Forschungsfragen themenzentriert formuliert, um sich dem Gesprächsfluss der Befragten anpassen zu können. Er umfasst die folgenden vier Themenkomplexe, die aus der theoretischen Annäherung an den Untersuchungsgegenstand deduktiv abgeleitet und auf den Untersuchungsgegenstand IBA
14 Die auf einem digitalen Tonträger aufgezeichneten Interviews wurden wortgetreu schriftlich fixiert, wobei Pausen sowie themenlosgelöste Exkurse der Interviewpartner, die für den interpretativen Vorgang des Untersuchungsbeispiels keine Bedeutung innehatten, in der Transkription nicht vermerkt wurden. 15 Eine Typologie zu den verschiedenen Interaktionsformen, die sich zwischen Experten und Interviewern einstellen können, zeigen bspw. Bogner/Menz 200a: 62.
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Hamburg zugespitzt wurden: Erstens allgemeine Fragen zur Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, zweitens spezifische Fragen zur ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg, drittens Fragen zu den Konsequenzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ am Beispiel der IBA Hamburg und viertens allgemeine Fragen zu den Interviewpartnern. Dabei wurde darauf geachtet, ein möglichst großes Mischverhältnis zwischen kognitiven Fragen, Bewertungsfragen sowie Prognosen herzustellen. Zur Sicherstellung eines vergleichbaren Kenntnisstandes über den Untersuchungsgegenstand IBA Hamburg wurden im zweiten Frageblock die Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ durch die IBA Hamburg über kurze Originalzitate aus IBA-Texten (Klotz/Theis 20011a, 2011b; Fietz/Klotz 2011) an die Interviewpartner übermittelt. 1. Allg. Fragen zur Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt 1.1 Würden Sie sagen, dass ‚Kreativität‘ etwas mit ‚Stadt‘ oder bestimmten städtischen Eigenschaften zu tun haben kann? Wenn ja, mit welchen? Wenn nein, warum nicht? 1.2 Was verstehen Sie unter den beiden Begriffen ‚kreative Stadt‘ und ‚kreatives urbanes Milieu‘? Würden Sie sagen, dass sich das Verständnis von ‚Kreativität‘ in den beiden Konzepten unterscheidet? Wenn ja, wodurch? Wenn nein, warum nicht? 1.3 Würden Sie sagen, dass eine ‚kreative Stadt‘ planbar ist? (Oder gibt es konkrete Aspekte im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt, die planbar sind und welche, die es eher nicht sind?) Wenn es planbare Ansätze gibt, sind diese in jeder Stadt durchführbar? Oder braucht es bestimmte Voraussetzungen in der Stadt? 1.4 Welche Folgeeffekte sind Ihrer Meinung nach mit der Planung von ‚Kreativität‘ von städtischer Seite intendiert? (Inwieweit glauben Sie, dass mithilfe von Kreativplanungen auch räumliche Veränderungen oder wirtschaftliche Folgeeffekte ausgelöst werden können?) 1.5 Inwieweit wirken sich Ihrer Meinung nach ‚ungeplante‘ (= natürlich gewachsene) Ansätze von ‚Kreativität‘ auf geplante (= städtisch initiierte) Ansätze von ‚Kreativität‘ aus? Kann die eine Art von ‚Kreativität‘ Auswirkungen auf die andere haben? Inwieweit gibt es Überschneidungen? 2. Fragen zur ‚Strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg 2.1 Ist Ihnen die Internationale Bauausstellung IBA Hamburg und ihr Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ bekannt? Wenn ja: Worin sehen Sie die Zielsetzungen des „Kreativen Quartiers Elbinsel“? Wenn nein, erläutere ich es ihnen gern (Zitat Klotz/Theis 2011a: 62). 2.2 Wie bewerten Sie die programmatische Ausrichtung von Räume für die
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2.13
3.
Kunst (Zitat Klotz/Theis 2011a: 62) als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt? (Vorlage semantisches Differential) Wie bewerten Sie die programmatische Ausrichtung von Kunst macht Arbeit (Zitat Klotz/Theis 2011a: 62f.) als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt) (Vorlage semantisches Differential) Wie bewerten Sie die programmatische Ausrichtung der Kunstplattform (Zitat Klotz/Theis 2011a: 63) als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt? (Vorlage semantisches Differential) Wie bewerten Sie die programmatische Ausrichtung der Projekte der kulturellen Vielfalt (Zitat Klotz/Theis 2011a: 63) als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt? (Vorlage semantisches Differential) Wie bewerten Sie die bisherige Umsetzung [sic!] des Programms Räume für die Kunst als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt? Wie bewerten Sie die bisherige Umsetzung [sic!] des Programms Kunst macht Arbeit als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt? Wie bewerten Sie die bisherige Umsetzung [sic!] des Programms Kunstplattform der IBA als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt? Wie bewerten Sie die bisherige Umsetzung [sic!] des Programms Projekte der kulturellen Vielfalt als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt? Wenn Sie die vier Programme einer ‚strategischen Kreativplanung‘ im Rahmen der IBA noch einmal zusammendenken: Welches Verständnis von ‚Kreativität‘ zeichnet sich Ihrer Meinung nach im Ansatz der IBA Hamburg ab? Wie bewerten Sie dieses Verständnis von ‚Kreativität‘? Können Ihrer Meinung nach überhaupt authentische Kultur- und Kreativformate entstehen, wenn diese von Seiten der IBA Hamburg strategisch vorgegeben sind? Wie wichtig ist es für das Fortbestehen von geplanten Projekten (wie etwa Räume für die Kunst oder der Kunstplattform), dass diese von ‚ungeplanten‘ Ansätzen akzeptiert werden?
Auswirkungen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ am Beispiel der IBA Hamburg 3.1 Wodurch machen sich aus Ihrer Sicht bereits jetzt die Effekte der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg in Wilhelmsburg bemerkbar? Welche ungewollten Effekte sind möglicherweise eingetreten? (Sehen Sie in den Programmen der IBA Hamburg Gentrifzierung z.B. eher als Gefahr oder als gewünschten Effekt?)
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3.2 Glauben Sie, dass eine Übertragbarkeit der Programme des „Kreativen Quartier Elbinsel“ auf ganz Hamburg, d.h. auf die gesamtstädtische Ebene oder auf andere Hamburger Stadtteile möglich ist? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Wäre eine Übertragung überhaupt wünschenswert? 3.3 Könnte die Herangehensweise der IBA Hamburg, die sich per definitionem als ‚Labor auf Zeit‘ versteht, ein Vorbild für eine ‚Kultur der kreativen Planung‘ sein? Wenn ja, worüber? Wenn nein, warum nicht? Welche Verbesserungsvorschläge haben Sie? 4. 4.1 4.2 4.3 4.4
Allgemeine Fragen Name des/der Befragten/ Geschlecht/ Geburtsjahr/ Ausbildung Name der Institution/ Einrichtung/ Unternehmen/ Hochschule etc. Berufsposition Bezug zur IBA Hamburg
3.2.4 Das semantische Differential Die Methodik des semantischen Differentials, auch bekannt als Polaritäten- oder Polaritätsprofils, geht zurück auf den Psychologen Osgood, der damit in den 1950er Jahren ein Skalierungsverfahren zur Messung der konnotativen Bedeutung von Begriffen bzw. der emotionalen Bedeutungsdimension komplexer Meinungsgegenstände entwickelt hatte. Osgood zufolge versteht sich das semantische Differential weniger als spezifisches Testverfahren, denn als „general way of getting at a certain kind of information, a highly generalizable technique of measurement which must be adapted to the requirement of each research problem to which it is applied.“ [Herv. i.O.] (Osgood et al. 1975 [1957]: 76) In seiner Methodik beruht es auf einer Verfahrensweise, nach der Probanden auf den Untersuchungsgegenstand zugespitzte, biopolare Adjektivpaare mit der Aufforderung vorgelegt werden, diese auf einer siebenstufigen Rating-Skala (-3 bis +3) gemäß ihrer individuellen Gefühlsmäßigkeit, nicht ihres sachlichen Kenntnisstandes einzuordnen. Die Skalierung gibt – so der Ansatz Osgoods – den konnotativen Gehalt des jeweiligen Meinungsgegenstandes wider, der in Bezug auf einen übergeordneten Untersuchungsgegenstand mithilfe der Adjektive zuvor bezeichnet worden war. Über die Berechnung des Mittelwertes der einzelnen skalierten Bewertungen der Probanden lässt sich ein sog. Polaritätsprofil erstellen, das insofern Auskunft über den Untersuchungsgegenstand gibt, als dass es Ähnlichkeiten oder Abweichungen über die Korrelationen von Profilen, z.B. in der Unterteilung nach Geschlechtern oder in der vorliegenden Arbeit nach Akteuren aus unterschiedlichen Kulturen im Sinne der Cultural Theory, deutlich
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werden lässt. Durch den Einsatz einer Faktorenanalyse können zuletzt Zusammenhänge zwischen den einzelnen Adjektivskalen eruiert werden, die Osgood in kulturund sprachübergreifenden Studien mit den drei semantischen Dimensionen Bewertung („evaluation“), Stärke („potency“) sowie Aktivierung („activity“) identifiziert hatte (Vgl. Osgood et al 1975 [1957]: 79ff.). Mit Christmann (2004, 2002) soll an die heute vorherrschende Forschungspraxis angeknüpft werden, die sich bewusst von den universellen semantischen Variablen Osgoods löst, da sich diese in der empirischen Forschung teilweise als zu standardisiert, unpassend oder gar nachteilig erwiesen hatten.16 Um spezifischere Reaktionen in Bezug auf den konnotativen Gehalt des jeweiligen Untersuchungsgegenstand zu generieren, hat sich in den vergangenen Jahren stattdessen ein Vorgehen durchgesetzt, nach der konzeptspezifische Merkmale innerhalb der Bewertungsskala geltend gemacht werden. Diese werden über eine „explorative Analyse der assoziativen Bedeutungsaspekte“ (Christmann 2004: 39) des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes erstellt und dabei besonders eng am Vokabular der zu befragenden Zielgruppe ausgerichtet: „Für die Zusammenstellung solcher konzeptspezifischen Merkmale wird gefordert, dass sie für den Beurteilungsgegenstand charakteristisch und repräsentativ sowie auf den Sprachgebrauch der Zielgruppe zugeschnitten sind, bzw. dass die Adjektive eine repräsentative Stichprobe von Beurteilungsmerkmalen darstellen sollen, die die Befragten selbst zur Beschreibung verwenden.“ (Christmann 2002: 80). Die damit verbundenen, vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des semantischen Differentials haben dazu geführt, dass dieses heutzutage für die unterschiedlichsten Sachverhalte eingesetzt wird, die weit über die Psychologie hinaus reichen. In der vorliegenden Untersuchung wurde das semantische Differenzial nicht isoliert, sondern in Ergänzung zum leitfadengestützten Experteninterview verwendet, um die Komplexität der zu untersuchenden Ansätze der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg spezifischer abzufragen, sowie die Bewertungen der Experten aus den verschiedenen Cultural Theory-basierten Organisationskulturen vergleichender gestalten zu können. Entsprechend wurde das semantische Differential auch nur bezüglich der Programmatik der vier Handlungsfelder Räume für die Kunst, Kreative Ökonomien – Kunst macht Arbeit, Kunstplattform und Projekt der
16 Dies trat etwa dann ein, wenn Probanden im Rahmen der Zuordnung von Adjektivpaaren wie „warm-kalt“ dazu geneigt hatten, eine neutrale Bewertung (Skalenwert 0) abzugeben. Mithilfe von konzeptspezifischen Adjektivpaaren, so Christmann, könne der Gefahr entgegengewirkt werden, dass durch die Verwendung von universellen Variablen „methodische Artefakte produziert werden. Es kann nämlich durchaus sein, dass nur deshalb drei Dimensionen gefunden werden, weil immer mit den gleichen Adjektivskalen gearbeitet wurde.“ (Christmann 2004: 37)
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kulturellen Vielfalt angewendet, die es als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zu bewerten galt. In einem nächsten Schritt wurden die Befragten noch einmal losgelöst von den Variablen des semantischen Differentials dazu aufgefordert, die Realisierung der Handlungsfelder zu bewerten. Die Differenzierung hatte sich insofern als hilfreich herausgestellt, da oftmals divergierende Meinungen zur Programmatik und zur Umsetzung der IBA-Handlungsfelder anzutreffen waren. Tabelle 10: Semantisches Differential für die vorliegende Untersuchung.
Quelle: Eigene Darstellung.
Die verwendeten konzeptspezifischen Adjektive (Vgl. Tab. 10) waren dem vorherrschenden Vokabular des Untersuchungsgegenstandes der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt entlehnt worden, etwa indem gleichermaßen Begriffe aus dem Stadtplanungskontext (z.B. Bottom-Up – Top-Down; konventionell – unkonventionell) sowie der Diskursdebatte zu kreativitätsbasierten Governanceformen (z.B. starr – flexibel; organisch17 – künstlich) aufgegriffen worden waren, die sich im Sprachgebrauch der Experten wiederfinden. Die Auswertung des semantischen Differentials erfolgte aufgrund des leitenden Erkenntnisinteresses nicht über die Faktorenanalyse, sondern über vergleichende Polaritätsprofile, da insbesondere in der Schnittmenge der Teilprogramme vielfältige Verflechtungen des zu untersuchenden Phänomens hervortraten. Dabei wurden die Handlungsansätze der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg auf
17 ‚Organisch‘ bezieht sich in diesem Zusammenhang auf natürlich gewachsene Strukturen, die in Abgrenzung zu jenen Ansätzen zu verstehen sind, die strategisch, d.h. ‚künstlich‘ implementiert worden sind.
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zwei Ebenen untersucht: Auf Basis der Datenwerte wurde pro Kreativprogramm eine Visualisierung erstellt, die das Polaritätsprofil der Experten aus der Planung/Verwaltung mit dem Polaritätsprofil der Experten aus dem Bereich der NichtPlanung/Nicht-Verwaltung einander gegenüberstellt. Auf der Grundlage der ausgewählten Experten ergab sich dabei eine Zuteilung von n=7 für Akteure aus dem planerischen und verwaltenden Bereich. Die restlichen Akteure wurden mit n=15 unter Nicht-Planung/Nicht-Verwaltung zusammengefasst, da sie entweder der individualistischen oder egalitären Kultur entstammen oder wie im Falle der Experten aus der Wissenschaft zwar zur hierarchischen Kultur gehören, sich jedoch in Bezug auf ihren Ansatz von ‚Kreativität’ durch ein Nicht-Planungsverständnis auszeichnen. Durch die ungleichmäßige Gewichtung der beiden Akteursgruppen wird kein Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit erhoben. Zuletzt wurden auf der Basis der Datenwerte aller befragten Experten (n=22) alle vier Kreativprogramme miteinander verglichen.
3.3 Z UM
QUALITATIVEN
ANALYSEVERFAHREN
Auf der Grundlage der Datenerhebung wurde der Analyseprozess eingeleitet, der in der vorliegenden Studie ebenfalls qualitativ bestimmt ist. Unter den vielfältigen Methoden der qualitativen Datenauswertung wurde für die vorliegende Untersuchung das Auswertungsverfahren der qualitativen Inhaltsanalyse (Kap. 3.3.1) eingesetzt. Im Rückgriff auf das sog. „interpretative Paradigma“ (Wilson 1973)18 strebte die Analyse der Experteninterviews eine Überprüfung der leitenden Fragestellungen über eine deduktive Kategorienbildung (Kap. 3.3.2) an, für die zusätzlich die Ergebnisse der semantischen Differentialerhebungen zu den einzelnen Programmatiken der Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg sowie Sekundärdaten19 herangezogen wurden.
18 Das „interpretative Paradigma“ wurde von Wilson (1973) in Abgrenzung zum „normativen Paradigma“ als Dachbegriff für eine Vielzahl interpretativer Theorieansätze in den 1970er Jahren geprägt. Es davon aus, dass jegliche soziale Ordnung auf interpretativen Leistungen und Deutungen der Akteure und Handelnden beruht, während das normative Paradigma alles menschliche Handeln auf festgeschriebene Rollen und Normvorstellung zurückführt (Vgl. Meuser 2003: 93f.). Zu den soziologischen Theorien, die unter das interpretative Paradigma subsumiert werden, gehören u.a. die Grounded Theory oder der symbolische Interaktionismus. Zur weiterführenden Information s. Wilson 1973. 19 Zu dem zusätzlich für den Analyseprozess herangezogenen Sekundärmaterial gehörten neben den Transkriptionen außerdem Fachmaterialien, wie von der IBA Hamburg herausgegebene Publikationen, stadtpolitische Studien von Hamburger Verwaltungseinrich-
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3.3.1 Die qualitative Inhaltsanalyse Ausgehend von der im qualitativen Forschungsdesign vorherrschenden Prämisse, dass Analyse „gleichbedeutend mit der Interpretation von Daten“ (Strauss 2004: 432) ist, wurde in der vorliegenden Arbeit die qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode für die Transkriptionen der leitfadengestützten Experteninterviews geltend gemacht.20 Dabei ist die qualitative Inhaltsanalyse trotz ihrer Ausrichtung an Einzelfällen – wie dem vorliegenden Untersuchungsbeispiel – keineswegs an der Singularität desselben interessiert, sondern daran, das untersuchte Phänomen zu begreifen: „Ihr Ziel ist die Freilegung eines Falls, nicht die Erinnerung an ein Individuum oder ein Ereignis.“ (Bude 2005: 577) Im Gegensatz zu ihrem quantitativen Pendant leistet die qualitative Inhaltsanalyse keine Aufdeckung von numerischen Zusammenhängen, auch tritt sie nicht repräsentativ für eine Grundgesamtheit auf, sondern ist als hermeneutisches Verfahren21 vielmehr von der Zielstellung geleitet, kommunikative Sinnstrukturen, Inhalte und Deutungen aufzudecken. Im Hinblick auf die inhaltsanalytische Auswertung stehen demnach weniger die Aussagen der einzelnen Befragten als die Vergleichbarkeit ihrer Aussagen im Forschungsfokus, die Auskunft über „Überindividuell-Gemeinsame[s]“ wie repräsentative Wissensbestände, Relevanzstrukturen, Interpretationen oder Deutungsmuster, aber auch über Abweichungen geben (Vgl. Meuser/Nagel 2005: 80). Die Interpretation der vorliegenden empirischen Daten, die in kontinuierlicher Rückkopplung an die theoretischen Vorannahmen, d.h. die leitenden Forschungsfragen, sowie den ebenfalls theoriegeleiteten Interviewleitfaden erfolgte, war von folgenden Analyseschritten22 geleitet, die neben der Ergebnisgenerierung zugleich der Qualitätssicherung dienten:
tungen, oder politische Drucksachen der Hamburger Bürgerschaft zum Untersuchungsthema. Darüber hinaus wurde auf Pressematerial aus überregionalen Tages- und Wochenzeitungen sowie aus Fachzeitschriften zurückgegriffen. 20 Einen Überblick über Auswertungstechniken für qualitative Interviews gibt z.B. Mayring 2008: 76ff. 21 „Hermeneutische Interpretation bemüht sich [...] um die methodische Praxis zur verstehenden Erschließung des Sinnens von Objektivationen menschlicher Aktivitäten wie dies eben auch Gesprächsmaterialien sind. [...] Hermeneutische Auslegungen sind Konstruktionen aus Forschungsperspektive von Konstruktionen der Menschen im Untersuchungsbereich.“ (Froschauer/Lueger 2003: 82) 22 Die Datenauswertung erfolgte in Anlehnung an Mayring 2008: 76ff; Meuser/Nagel 2005: 80ff, Schmidt 2005: 448ff.
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Das Analyseverfahren • Transkription der empirischen Daten • Deduktive Kategorienentwicklung, Erstellung eines Kodierleitfadens • Schrittweise Bearbeitung der Texte unter Zuhilfenahme des Kodierleitfadens • Vergleich der kategoriebasierten Textstellen • Analyse in Bezug auf die eingangs formulierten leitenden Forschungsfragen • Schlussfolgerungen über die Einordnung in den übergeordneten theoretischen Kontext Ausgehend von den manuell transkribierten Dokumenten der Experteninterviews sah das Analyseverfahren in einem zweiten Schritt die Bildung von spezifischen Analyseeinheiten (Kategorien) vor, deren Systematik von der Zielstellung geleitet war, solche Kategorien zu identifizieren, die in der Lage sein sollten, die für die leitenden Forschungsfragen relevanten Sinnstrukturen aus der Fülle des Datenmaterials zu erfassen, d.h. Übereinstimmungen oder Abweichungen innerhalb der Expertenaussagen zu bestimmten Themen sichtbar zu machen, die als empirisches Wissen und nicht „als theoretische Erklärung und Generalisierung der empirischen ‚Tatsachen‘“ [Herv. i.O.] (Meuser/Nagel 2005: 83) geltend gemacht werden konnten. Da aufgrund der Vorstrukturierung der Interviews durch die theoriegeleiteten Forschungsfragen sowie den auf dieser Basis konzipierten Leitfaden bereits spezifische Themensetzungen existierten, kam eine deduktive, manuelle Kategorienbildung zum Einsatz, die die zuvor genannten Schwerpunktsetzungen als Auswertungskategorien in den Prozess der Textanalyse überführte. Die Kategorien, die verschiedene Ausprägungen aufweisen, wurden in Form von spezifischen Codes an das empirische Material herangetragen: „Kodieren bedeutet hier [...] entsprechende Textpassagen eines Interviews einer Kategorie zuzuordnen, und zwar der am besten zu diesen Textpassagen passenden Ausprägung.“ (Schmidt 2005: 451) Um Informationsverlusten entgegen zu wirken, wurden die Codes möglichst differenziert formuliert (Vgl. Kap. 3.3.2). Nachfolgend wurde jedes einzelne Interview anhand des Kodierleitfadens manuell untersucht und passende Stellen den einzelnen Kategorien zugeordnet, d.h. „die Auswertungskategorien, die im vorangegangenen Auswertungsschritt aus dem Material heraus gebildet worden [waren], [...] jetzt auf das Material angewendet” [Herv. i.O.] (Schmidt 2005: 452f.). Zusätzlich auftretende Codes, die sich induktiv aus der Analyse ergaben, wurden im Kodierleitfaden ergänzt. Die identifizierten kategoriebasierten Textstellen wurden in einem vierten Schritt nicht nur miteinander verglichen, sondern auch in Bezug auf die eingangs formulierten leitenden Forschungsfragen analysiert. Abschließend wurden die interpretativen Ergebnisse in Bezug auf verallgemeinernde Schlussfolgerungen in den übergeordneten theoretischen Diskurs eingeordnet. Um einer subjektiven Einfärbung des Interpretationsprozesses entgegenzuwirken, verpflichtet sich die qualitative Inhaltsanalyse zu einer umfassenden Qualitäts-
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sicherung, die über die sog. „argumentative Interpretationsabsicherung“ (Mayring 2002: 145) erfolgt. Diese beruht darauf, dass konstatierte Sinnstrukturen nicht willkürlich gesetzt, sondern durchgängig in ihrer argumentativen Begründung aufgezeigt werden. Über die Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit soll u.a. Kritik von Seiten der quantitativen Forschungsvertreter entgegen gewirkt werden. Aufbauend auf einer strengen methodischen Kontrolle erfolgte auf diese Weise eine schrittweise, regelgeleitete Analyse des vorliegenden Materials, wie sie im nachfolgenden Abschnitt dargestellt ist.
3.3.2 Der Kodierleitfaden Der Kodierleitfaden wurde auf Grundlage der Cultural Theory-basierten, leitenden Forschungsfragen sowie des theoriegeleiteten Interviewleitfaden manuell und in einer deduktiven Herleitung erstellt. Im Rahmen der Textanalyse der Experteninterviews wurden die Analysecodes zusätzlich durch induktive Kriterien ergänzt, die im Laufe des Analyseprozesses hervorgetreten waren. Zusammenfassend stellte sich der Kodierleitfaden über folgende Auswertungskategorien und Subcodes dar: Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt • Begriffsunschärfe ‚Kreativität‘ • ‚Kreativität‘ als urbanes Attribut • ‚Kreativität‘ als personengebundene Fähigkeit • ‚Kreativität‘ als Wirtschaftsfaktor • ‚Kreativität‘ als Stadtentwicklungsfaktor • ‚Kreativität‘ als Werkzeug des Stadtmarketings • ‚Kreativität‘ als politische Setzung ‚Strategische Kreativplanung‘ der Stadt • Kreativitätsverständnis; Planungsverständnis; Zielstellung • Governance-Ansätze • Bezüge zur Cultural Theory ‚Strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg • Kreativitätsverständnis; Planungsverständnis; Zielstellung • Bewertung Programmatik vs. Umsetzung: • Governance-Ansätze • Bezüge zur Cultural Theory • Konsequenzen • Übertragbarkeit & Modellhaftigkeit
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Im nachfolgenden Kapitel 4 werden die Ergebnisse der empirischen Studie dargelegt. Die leitenden Forschungsfragen werden am Beispiel der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg und anhand exemplarischer Zitate aus den Experteninterviews analysiert und durch Ergebnisse aus dem semantischen Differential ergänzt.
4. Analyseergebnisse
Das nachfolgende Kapitel bringt den Untersuchungsgegenstand der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt mit dem Anwendungsbeispiel der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg zusammen. In Anlehnung an die leitenden Forschungsfragen thematisiert der erste Teil (Kap. 4.1) zunächst den postulierten Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt (Kap. 4.1.1), da davon ausgegangen wird, dass dieser bereits Auskunft über den Zugang der Experten zum Untersuchungsgegenstand gibt. Darauf aufbauend wird die Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt aufgerufen: Welches Kreativitäts- und Planungsverständnis liegt dem Untersuchungsgegenstand – allgemein betrachtet – nach Auffassung der Experten zugrunde und welche Zielstellungen scheinen damit verbunden (Kap. 4.1.2)? Welche Governanceformen lassen sich im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt beobachten (Kap. 4.2.2) und in welchem Zusammenhang stehen diese zu Ansätzen anderer Kulturen im Gesamtkontext des Untersuchungsfeldes (Kap. 4.2.3)? Kapitel 4.2 widmet sich sodann den von der IBA Hamburg praktizierten Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘: Zum einen gilt es aufzuzeigen, von welchen Zielen die ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg geleitet ist, d.h. welche Themen als planbar vorgegeben werden (Kap. 4.2.1), eng verbunden mit der Frage, welches Kreativitäts- sowie Planungsverständnis den Handlungsansätzen der IBA Hamburg zugrunde liegt (Kap. 4.2.2). Zum anderen interessiert die konkrete Ausgestaltung der Planungspraxis (Kap. 4.2.3): Welche Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg finden Anwendung und wie gestaltet sich die konkrete Umsetzung (Kap. 4.2.3.1)? Welche Governanceformen bilden sich dazu in der Planungspraxis ab (Kap. 4.2.3.2)? Und wie stellt sich der Bezug zu anderen Kulturen – im Rückgriff auf die Cultual Theory – im Handlungsfeld ‚Kreativität‘ und ‚Stadt‘ dar (Kap. 4.2.3.3)? Zuletzt wird der Untersuchungsfokus auf die Konsequenzen gerichtet, die mit der Umsetzung der praktizierten ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA verbunden sind (Kap. 4.2.4) und die Möglichkeit der Übertragbarkeit oder Modellhaftigkeit des Ansatzes geprüft (Kap. 4.2.5). Die ermittelten Ergebnisse werden anhand von exemplarischen Zitaten aus den Experteninterviews aufgezeigt und durch die Resultate aus der Abfrage über das semantische Differential ergänzt.
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4.1 S TRATEGISCHE K REATIVPLANUNG DER S TADT Zur Annäherung an die im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehende Frage, inwieweit kreative Entwicklungen von städtischer Seite plan- oder steuerbar sind, wurde im Rahmen des theoriebasierten Interviewteils zunächst der grundlegende Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität’ und Stadt aufgerufen. Erst im Anschluss wurden das Kreativitäts- und Planungsverständnis der postulierten Praxis einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, damit verbundene Governanceformen sowie identifizierbare Interdependenzen mit anderen Kulturen auf Basis der Cultural Theory analysiert. Die Ergebnisse werden nachfolgend anhand exemplarischer Expertenzitate illustriert. Bei der Auswahl der Zitate wurde darauf geachtet, eine möglichst heterogene Mischung von Expertenzitaten analog zur heterogenen Expertenauswahl abzubilden, um der Komplexität des Untersuchungsthemas Rechnung zu tragen. Die Zuordnung der Experten in ihre spezifischen Organisationskulturen auf Basis der Cultural Theory, d.h. ihre Zugehörigkeit zur hierarchischen, individualistischen oder egalitären Kultur (Vgl. Tab. 9) wird dann aufgerufen, wenn sie für die Interpretationen eine Rolle spielen.
4.1.1 Der Wirkungszusammenhang von Kreativität und Stadt Das erste Kapitel hatte deutlich aufgezeigt, dass die inflationäre Verwendung des Kreativitätsbegriffes von einer hohen Definitionsungenauigkeit gekennzeichnet ist, die weit über das originär künstlerische Verständnis von ‚Kreativität‘ hinausreicht. Vor diesem Hintergrund sollte der Kreativitätsbegriff im Rahmen der qualitativen Expertenbefragung nur am Rande interessieren, nämlich indem seine Definitionsvielfalt vorausgeschickt wurde. Dennoch bildete er für viele Experten – sowohl aus der hierarchischen, als auch der egalitären und individualistischen Kultur – einen Anlass, auf die anfangs aufgerufene Frage nach der Verflechtung von ‚Kreativität‘ und Stadt zu antworten. Ursprünglich war mit der Einstiegsfrage das Ziel verbunden gewesen, den Zugang der Experten zum Untersuchungsgegenstand zu erfassen, da dieser als maßgebliche Grundlage für daraus ableitbare Handlungsstrategien einer ‚strategischen Kreativplanung‘ gilt. „Ich denke mir, [...] dass Kreativität erstmal ein positiver Begriff ist und dass da alle möglichen Menschen, Gruppen und Vereine aufspringen und versuchen, das zu benutzen. Das ist ja jetzt nichts Singuläres, was nur eine Stadt betrifft.“ (IP5) „Vor dem Hintergrund der Frage, wie nachhaltig die Karriere dieses Begriffes ist, denke ich, dass er wahrscheinlicher länger anhalten wird, weil er auch ein hohes Maß an Ungenauigkeit
226 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN hat [...]. Im Grunde genommen ist er dadurch gestaltbar, transformierbar, er ist nie finalisierbar im Sinne von einheitlich zu definieren [...].“ (IP6) „Die starke Verbreiterung und die positive Besetzung des Kreativitätsbegriffes [hängt] in hohem Maße mit seiner Unschärfe zusammen [...]. Außer dass eben inzwischen, durch die Kritik an Florida, aber auch der Instrumentalisierung durch die Städte sich Künstler wehren, wie z.B. die Initiative ‚Not in our name‘.“ (IP4) „Gerade innerhalb von künstlerischen, kulturellen Kreisen ist das Misstrauen gegenüber einem Begriff wie Kreativwirtschaft sehr ausgeprägt, weil dieser sehr wirtschaftlich konnotiert, aber auch mit dieser Künstlichkeit behaftet ist, mit dieser Herstellbarkeit.“ (IP7) „Die Kreativvokabel ist mittlerweile ziemlich verbrannt, es traut sich ja kaum noch jemand die Vokabel in den Mund zu nehmen, weil sie auch missbraucht wurde.“ (IP11)
Die angeführten Zitate, die alle von Vertretern aus dem städtischen Kontext sowie der Wissenschaft stammen, machen deutlich, dass die Experten dem Kreativitätsbegriff zwar eine positive Konnotation bescheinigen, diese allerdings durch seine hohe Definitionsungenauigkeit sowie die Tatsache, dass es „in der gesamten Debatte um Kreativität keinen Qualitätsbegriff“ (IP8) gebe, maßgeblich zerfasert sehen. Entsprechend ist den Zitatbeispielen eine tiefgehende Skepsis gegenüber dem Begriff zu entnehmen, der mit einer Kritik an seiner Funktionalisierung als ökonomische Ressource oder als ‚Leerformel‘ verbunden ist. Schließlich würde die suggerierte „Herstellbarkeit“ von ‚Kreativität‘ (IP7) bei einem Großteil der mit dem Begriff in Beziehung gebrachten Akteursgruppen eine deutliche Ablehnungshaltung hervorbringen, wie IP4 mit der Initiative „Not in our name“ anführt. Diese Definitionsungenauigkeit stellt nach Meinung zahlreicher Experten, zu denen auch Vertreter aus der Kultur- und Kreativszene gehören, das grundlegende Problem für den stadtpolitischen Umgang mit ‚Kreativität‘ dar. IP15 bringt dies einleitend dazu, eine begriffliche Unterscheidung „zwischen einer ‚freien‘ und einer ‚angewandten‘ Kreativität“ einzufordern, um auf dieser Basis passgenauere Handlungsansätze zur Beförderung der beiden Bereiche ableiten zu können: „Und deswegen finde es total zentral, dass diese beiden Begriffe auseinandergehalten werden. Die sind auch absolut zentral, wenn es darum geht, sich zu fragen, was man mit diesem Begriff tun kann bzw. mit dem, was sich dahinter versteckt. [...] Und weil der Kreativitätsbegriff oft so unpräzise benutzt wird und so eine aufgeregte Diskussion einerseits um Vereinnahmung und Aneignung kreativer Potenziale aus ökonomischer Perspektive im Raum steht und andererseits eine teilweise genauso unreflektierte Kritik aus der freien Kreativitätsszene [...] vorherrscht, scheint mir eine Unterscheidung extrem notwendig zu sein.“ (IP 15)
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Neben dem Verweis auf die Definitionsungenauigkeit des Kreativitätsbegriffes als Ursache für seine undifferenzierte Verwendung, v.a. aber als Grundlage für darauf aufbauende, z.T. fehlgeleitete, stadtpolitische Handlungskonzepte, benennen die Experten vielfältige weitere Aspekte, die ihrer Meinung nach einen Wirkungszusammenhang zwischen ‚Kreativität‘ und Stadt markieren. Diese lassen sich anhand der in Kapitel 3.3.2 deduktiv abgeleiteten und induktiv ergänzten Codes – ‚Kreativität‘ als urbanes Attribut (1), als personengebundene Fähigkeit (2), als Wirtschaftsfaktor (3), als Stadtentwicklungsfaktor (4), als Werkzeug des Stadtmarketings (5) sowie als politische Setzung (6) – zusammenfassen. ‚Kreativität’ und Urbanität
Im Rahmen der Verknüpfung von ‚Kreativität‘ mit urbanen Attributen wird deutlich, dass eine Vielzahl der Experten, und zwar aus allen vorliegenden Organisationskulturen, den städtischen Kontext als essenzielle Entstehungsbedingung von kreativen Prozessen und Interaktionen konstituiert. Die nachfolgenden Zitate geben – auch in ihrer quantitativen Spannbreite, die bis auf die fatalistische alle drei Organisationskulturen umfasst – einen Einblick in dieses Verständnis: „Ich glaube, es gibt keine anderen Kreativitätspole als Städte, die durch Brüche, die ständige Konfrontation mit Neuartigem, mit Fremdem [entsteht] [...].“ (IP1) „Ich würde sagen, dass Urbanität und Kreativität und Stadt [...] ein untrennbares Paar sind.“ (IP2) „[...] in Städten gibt es eine Kreativität, die nicht allein im Kopf des Akteurs entsteht, sondern durch Anregung, durch Kommunikation entsteht und das wäre ja das, was Städte mehr bieten als z.B. das Land. [...] Da gibt es eine bestimmte Dichte, da gibt es permanenten Austausch, da gibt es permanente Anregung, da gibt es eine bestimmte höhere Grundgeschwindigkeit der Dinge [...].“ (IP8) „Ich denke, dass sich in Städten durch die Dichte und das Aufeinandertreffen von Vielfalt, die Zuwanderung von Menschen, mit anderen Hintergründen, anderen Erfahrungen diese Chance auf Kreativität einfach erhöht.“ (IP10) „Ich glaube schon, dass das Urbane der Stadt der Nährboden für Kreativität ist – je nachdem, wie man Kreativität definiert. Also auch die urbane Heterogenität, das ist ja Stadt im besten Sinne, die auch nicht bedeutet, dass alle immer das Gleiche wollen müssen [...].“ (IP22) „Ich würde sagen, dass Kreativität und Stadt insofern zusammenhängen, dass Städte oftmals Ballungszentren von Kreativität sind. [...] weil eine Stadt als Ballung von Gesellschaft und Heterogenität ein ziemlich guter Humus ist für Kreativität.“ (IP18)
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Die Interdependenz von ‚Kreativität‘ und dem urbanen Raum kann nach IP15 für alle vorherrschenden Verständnisformen von ‚Kreativität‘ geltend gemacht werden, d.h. sowohl für originär künstlerische als auch angewandte kreativwirtschaftliche Formen, „allein schon deswegen, weil wir uns in einem komplett urbanisierten, globalisierten Raum befinden und alles das, was ökonomisch, politisch, gesellschaftlich relevant ist, findet in urbanen Räumen statt“ (IP15). Im expliziten Rückgriff auf die von Simmel (1903) geprägten Variablen Dichte und Heterogenität sowie die von Wirth (1938) konstatierte Auffassung von Urbanismus als Lebensstil, wird darüber hinaus deutlich, dass die Experten Urbanität sowohl als Charakteristikum bestimmter Stadträume als auch als spezifische Lebensweise begreifen. Dabei lässt sich teilweise eine Überschreibung von Urbanität durch den Begriff der ‚Kreativität‘ verzeichnen: „[...] Kreativität [ist] für mich rückblickend in den letzten 5 bis 10 Jahren ein Synonym geworden für Aspekte und Wirkungskräfte, die eigentlich schon bei Simmel oder anderen in Stellung gebracht wurden. [...] Ich habe den Eindruck, dass sich über Grundmotive des Metropolitanen so eine verkürzte Black Box mit dem positiven Konstrukt Kreativität draufgesetzt hat. Und das ist natürlich wirkmächtiger als die anderen älteren Begriffe [...].“ (IP6)
Erneut wird offenkundig, dass es insbesondere die Ungenauigkeit des Kreativitätsbegriffes ist, die zu seiner Wirkmächtigkeit geführt und diesen u.a. im Rahmen des städtischen Kontextes so dominant hat werden lassen. Dabei macht IP7 aus seiner Kulturmanagement-Perspektive v.a. die „Transversalität des Begriffes“ als entscheidendes Moment aus, welches dazu geführt habe, „dass jeder sich herausliest, was er möchte. Eine Stadt kann kulturell wenig kreativ sein und dennoch, weil sie wirtschaftlich so strukturiert ist, sich vergleichweise kreativ anfühlen“ (IP7). Andere Experten beziehen den Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt auf eine bestimmte Haltung und Denkkultur in Städten, die sie mit einer urbanen Kontextualisierung assoziieren: „Ich glaube aber schon, dass es Städte gibt, die ich ganz schnell und assoziativ ‚kreativer‘ einstufen würde als andere. Das hat natürlich mit einer Stadtpolitik und Stadtgeschichte und mit der Frage zu tun: Wie viel lässt man zu, wie viel pflastert man zu?“ (IP5) In diesem Zusammenhang, folgt man IP17 aus der egalitären Kultur, sei auch deutlich nachvollziehbar, warum Hamburg sich erst so spät dem Thema zugewendet habe, da sein Ruf als Stadt in der Vergangenheit v.a. kaufmännisch und weniger kulturell konnotiert gewesen sei.1
1
Dazu vermerkt IP17: „Interessanterweise waren es auch bestimmte Orte, die mit diesem Attribut in Verbindung gebracht wurden, wie z.B. Paris, während Hamburg ja eher als kaufmännisch galt. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass das Thema erst ab den 1980er Jahren in Hamburg entdeckt wurde.“
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‚Kreativität‘ und ihre Akteure
In Anlehnung an die Simmelschen Variablen der Dichte und Heterogenität bringen zahlreiche Experten den untersuchten Wirkungszusammenhang zwischen ‚Kreativität‘ und Stadt weniger mit physisch fassbaren Merkmalen in Verbindung, wie sie dem urbanen Grundgedanken etwa über die Überlagerung von verschiedenen Nutzungen und Funktionen zugrunde liegen, als mit Menschen, da diese es seien, die eine Stadt konstituieren. Die Loslösung von einer physisch konnotierten Betrachtung von Stadt zugunsten einer akteurs- und interaktionsbasierten Perspektive bildet die Grundlage für die nachfolgenden Expertenaussagen, die erneut ein Spektrum aus der hierarchischen (Vgl. IP8) sowie der egalitären und individualistischen Kultur (Vgl. IP13, IP14, IP19) abbilden: „Ich würde zunächst einmal bezweifeln, dass es kreative Städte gibt. Also Städte an sich sind ja nicht kreativ, also wenn es kreativ ist, dann sind es die Menschen, die darin leben.“ (IP8) „Also Kreativität ist für mich immer an Menschen gekoppelt, deswegen finde ich es schwierig. Köln oder Berlin sind ja jetzt nicht kreativer als Hamburg, sondern die Menschen sind es ja, die kreativ sind.“ (IP19) „Die Stadt ist ja nicht einfach nur die Summe der Menschen, sondern die Summe der Strukturen und der Interaktion dieser Menschen.“ (IP13) „Stadt ist ja nur ein Konstrukt. [...] nein es kommt schon auf die Menschen an und zu den Rahmenbedingungen für eine kreative Stadt gehört einfach, dass es eine Offenheit für Menschen gibt und zwar unterschiedlichster Art und unterschiedlichster Interessen.“ (IP14)
Dabei wird offenkundig, dass eine akteursbasierte Perspektive nicht nur bedeutet, diese als grundlegend im Rahmen der Entwicklung von kreativitätsbasierten Stadtentwicklungsstrategien anzuerkennen und stadtpolitische Instrumente auf diese auszurichten, sondern bei den stadtpolitischen Entscheidungsträgern selbst beginnen muss, wie IP21 aus kultureller Akteurssicht anmerkt: „Ich denke, eine kreative Stadt fängt bei den Akteuren selbst an und das erfordert Mut.“ (IP21) Gleichwohl ist eine Dichotomie zwischen Experten aus dem planenden und dem nicht-planenden Bereich in Bezug auf die eingeforderte Akteursperspektive nicht aufrechtzuerhalten, da auch Experten aus dem Verwaltungssektor in ihren Ausführungen über den Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und ‚Stadt‘ explizit den Milieubegriff in Stellung bringen. So findet, folgt man IP12, die Kontextualisierung des Handelns kultureller und kreativer Akteure explizit über den urbanen Raum statt, der als Rückbettungskontext erst die Ausbildung von Milieustrukturen und damit das Wirken der Akteure im beruflichen, aber auch privaten Bereich ermögliche:
230 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Ich würde es ganz klar beantworten mit kreativen Milieus, weil sie natürlich einen ganz anderen informellen Rahmen bieten für den Austausch mit Akteuren, die sich primär zunächst mit Fragen beschäftigen, die in keinem Verwertungsinteresse stehen, sondern die ihre Lebens- und Arbeitsform miteinander aushandeln, sich an bestimmten Stilen orientieren, an bestimmten Nischen. Und das geht natürlich in einer Stadt anders als in einem Umfeld, das weniger dicht besiedelt ist und das weniger Notwendigkeit beinhaltet, sich zu entscheiden.“ (IP12)
‚Kreativität‘ als Wirtschafts- und Stadtentwicklungsfaktor
Die von IP15 geforderte Unterscheidung zwischen ‚freier‘ und ‚angewandter‘ Kreativität spiegelt sich auch in weiteren Aussagen zur Verflechtung derselben mit dem städtischen Kontext wider. Insbesondere Experten aus der hierarchischen Kultur führen wie selbstverständlich den angewandten, d.h. in diesem Fall wirtschaftlichen Bereich von ‚Kreativität‘ als Argument für eine Fokussierung der Stadtpolitik auf diese an: „Um es ganz simpel zu sagen: Es geht für die Städte, besonders in den Industrienationen darum, wo unsere zukünftigen Arbeitsplatzpotenziale liegen.“ (IP9). Angesichts des Wandels von der Dienstleistungs- zur Wissensgesellschaft müssten besonders „kreative Berufe und kreative Arbeitsplätze“ gefördert werden, „wenn man ökonomisch mithalten und stark bleiben will“ (ebd.). Demgegenüber machen Experten aus dem wissenschaftlichen Feld wie IP4 den Paradigmenwechsel hin zu einer ‚Kulturalisierung der Ökonomie‘ dafür verantwortlich, dass kulturelle und kreative Branchen zunehmend einer Vermarktbarkeit der Stadt und ihrer Positionierung im internationalen Marktgeschehen anheim fallen: „Eines ist auch deutlich, dass mit der Renaissance der Stadt eben auch wieder eine Sensibilität entstanden ist, dass Städte schon immer Ort kultureller, künstlerischer, technologischer und ökonomischer Innovationen war. Und diese Eigenschaft wird dann in der Regel mit Kreativität umschrieben. Das hängt auch zusammen mit dem Paradigmenwechsel in der Ökonomie. [...] Der zweite, noch entscheidendere Punkt ist der, was mit dem Konzept der Kulturalisierung der Ökonomie gekennzeichnet wird. Dass heute die ökonomischen Produkte – good design sells – zählen, dass es eben nicht mehr nur darum geht, irgendein Artefakt zu verkaufen, sondern man verkauft einen Lebensstil.“ (IP4)
In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich Kritik gegenüber der Neoliberalisierung städtischen Handelns offenkundig. Dabei verorten insbesondere Experten aus der Kultur- und Kreativszene wie IP20 das ökonomische Grundprinzip städtischen Handelns in der Debatte um die ‚unternehmerische Stadt‘, in dessen Rahmen über die Indienstnahme von ‚Kreativität‘ eine Förderung der lokalen Wirtschaftsentwicklung sowie eine Positionierung im wettbewerblichen Marktgeschehen erfolgen soll:
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„Wenn man das auf Hamburg bezieht, treten die Begriffe [kreative Stadt, kreatives urbanes Milieu, Anm. d. Verf.] auf in einer Phase, die in den 1980er Jahren begonnen hat, also seit Dohnanyi Bürgermeister war und den Begriff ‚Unternehmen Hamburg‘ geprägt hat. Damit gemeint ist diese Fokussierung, dass Stadtentwicklung Wettbewerbsfähigkeit und Konkurrenzkampf der Städte, der Metropolen heißt und da muss Hamburg vorn aufgestellt sein.“ (IP20)
Letztlich geht damit, so v.a. die Beobachtung wissenschaftlicher Experten wie IP5, eine Aufweichung des Individualmerkmals ‚Kreativität‘ hin zu einer kollektiv erfahrbaren Eigenschaft einher, die nunmehr als zu entwickelnde Ressource postuliert wird. In Kapitel 1 war dargelegt worden, dass in diesem Verwendungszusammenhang v.a. jene künstlerischen und kreativen Arbeits- und Lebensmodelle in den Fokus rücken, deren Akteure normalerweise aufgrund ihrer prekären Beschäftigungssituation als klassische Ausnahmesubjekte im wirtschaftlichen Gefüge gelten: „Mittlerweile ist Kreativität ja ein key word für alles Mögliche geworden, im ganzen Arbeitsdiskurs ist das ja so eine Art Kernkompetenz geworden, die jeder Mensch braucht, da man ohne ‚kreative‘ Kompetenzen heute nirgendwo mehr hinkommt. Das hat dann auch was mit einer neoliberalen Ideologie zu tun und einer Verlagerung der ganzen Fragen von Leitung, Effizienz, die sich ins Individuum verlagern usw.“ (IP5)
Expertenaussagen aus der egalitären und individualistischen Kultur machen zuletzt deutlich, dass die Kontextualisierung von ‚Kreativität‘ im städtischen Gefüge nicht nur von ökonomischen Zielen geleitet ist, sondern auch eine starke Schnittfläche mit stadtentwicklungspolitischen Motiven aufweist. Auch wenn IP16 zufolge „Kreativität und das – auch unerwartete – Gestalten von Räumen immer mit Stadtentwicklung zusammenfällt“, da „jeder Pfad, der sich durch die Welt schlingt, [...] ein gefundener, aber auch entwickelter, gespurter, ein gestalteter [ist]“ (IP16), und auch laut IP17 der Zusammenhang zwischen ‚Kreativität‘ und Stadt v.a. darin bestehe, „wie die Möglichkeiten eines Raumes mit den eigenen Möglichkeiten in Verbindung gebracht werden können“ (IP17), ist bei vielen Experten zugleich eine kritische Haltung zum Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadtentwicklung zu verzeichnen. Dabei stellen sie den Zusammenhang insbesondere darüber her, dass ‚Kreativität‘ für eine ‚Ökonomisierung von Orten‘ in Dienst genommen würde. Nicht selten äußere sich die Verzahnung von ‚Kreativität‘ und Stadtentwicklung und die damit verbundene Wertsteigerung von Immobilien oder Räumen laut den Experten auch in Form einer gezielten Imagepolitik, bei der ‚Kreativität‘ zu Zwecken des Stadtmarketings aufgebaut würde: „Mit der Wiederentdeckung der Stadt ist dann auch der Kreativitätsbegriff stärker in den Vordergrund gerückt. [...] Und in diesem Zusammenhang ist auch deutlich, dass das, was als
232 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN Kreativökonomie gelabelt wird, eine wichtige Rolle spielt für diese Renaissance der Stadt. Viele reden dann vom neuen Paradigma der Stadtentwicklung der kreativen Stadt.“ (IP4) „Letztlich sind Stadtentwicklungsprozesse so angelegt, dass dort eine Wertsteigerung hervorgerufen werden soll. Mittlerweile präsentiert sich die Stadt ja auch schon als Unternehmen und insofern hat sie auch ganz klar ein Interesse daran, Gebäude in ihrem Besitz einer Wertsteigerung zuzuführen.“ (IP13)
Die Praxis wird nach Aussage der Experten also nicht nur von Zusprüchen begleitet, auch wenn „keiner sagt, es gibt zu wenig Kreativität. Also dass man vielleicht zu wenig reklamiert im Sinne von dass es zu wenig Variantenreichtum [...] gibt. Aber dass man sich erklärtermaßen gegen Kreativität wendet, das ist im Grunde genommen kaum zu behaupten.“ (IP6) Vielmehr würden sich die Stimmen häufen, die sich gegen die gezielte Indienstnahme von ‚Kreativität‘ etwa als Stadtmarketing- oder Branding-Strategien wenden, wie sie in Hamburg mit dem Manifest „Not in our Name“ vorgetragen worden war: „Man wehrt sich ja auch in Hamburg nicht gegen Kreativität als solches, sondern gegen die Instrumentalisierung der als kreativ Bezeichneten für irgendetwas wie Stadtmarketing oder Branding-Strategien.“ (ebd.) Zentral in dieser Debatte ist nach Meinung der wissenschaftlichen Experten besonders die von Florida und Landry angestoßene Diskussion um eine Verwertbarkeit von ‚Kreativität‘ im stadtentwicklungspolitischen, wettbewerblichen Sinne: „Es gibt Leute, die sagen, Florida hätte den Kreativitätsbegriff vergiftet und ihm gewissermaßen seine Offenheit, seine Unbefangenheit, die er auch von der Kultur her hat, seine Nicht-Finalisierbarkeit genommen und hat die Kreativität in eine instrumentelle Standortpolitik gestellt.“ (IP4) Die wiederholten Verweise auf Florida und Landry wurden als Anlass genutzt, die Experten explizit nach ihrem Verständnis zum Konzept der ‚kreativen Stadt‘ zu befragen. Aufgrund des Rückgriffs der vorliegenden Arbeit auf die Cultural Theory wurde die Befragung um das Konzept des ‚kreativen urbanen Milieus‘ erweitert, um auf diesem Wege weitere vorherrschende Diskurse, aber auch ihre Bewertung zu erfassen. Politische Setzungen: ‚Kreative Stadt‘ vs. ‚kreatives urbanes Milieu‘
Im Mittelpunkt der begrifflichen Hinterfragung vorherrschender kreativitätsbasierter Termini stand die Frage, ob die Konzepte ‚kreative Stadt‘ und ‚kreatives urbanes Milieu‘, die seit vielen Jahren das stadtpolitische Sprachvokabular dominieren, abweichende Begriffsverständnisse oder grundlegende Missinterpretationen produzieren, die sich fundamental auf Ableitungen für stadtentwicklungspolitisches Handeln auswirken. In der Befragung der Experten wurde deutlich, wie differenziert v.a. der Begriff der ‚kreativen Stadt‘, unabhängig von der jeweiligen Organisationskultur, interpretiert wird. Erklärungsansätze reichen von der „lebenswerten Stadt, also eine Stadt, die sich in gewisser Weise immer wieder neu erfindet“ (IP2), über die „Idee
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von einer anderen Art der Stadtentwicklung, die die Herausforderungen, die wir in Zukunft haben werden, aufgreift“ (IP3), zu negativen Assoziationen wie einem „Etikett“ (IP4), einer „Schablone“ (IP20), einem „pauschale[n] Schlagwortbegriff“ (IP10) oder „unsympathische[n] Begriff“ (IP5) bis hin zu einem künstlichen, da „bisschen gewollten“ (IP18) Begriff mit „Marketingcharakter“, der „postuliert wird von oben“ (IP12). Auch wird die ‚kreative Stadt‘ „als Ideal und Lösungsformel“ (IP16), als „eine Art Wunschtraum“ (ebd.) angeführt, mit der man glaube, „die Gaps und Brüche einer Stadt in den Griff“ (ebd.) zu bekommen. Einige Experten, insbesondere aus dem wissenschaftlichen Bereich, äußern sich in diesem Zusammenhang sehr kritisch in Bezug auf die Durchdringung der Debatte durch den Ansatz Floridas, den sie deutlich als Auslöser für vorherrschende Missverständnisse rund um den Begriff der ‚kreativen Stadt‘ identifizieren: „Ich glaube, es gibt ein großes Missverständnis mit der Kreativen Stadt, was mit dem Missverständnis des Konzeptes der Kreativen Klasse nach Richard Florida zusammenhängt.“ (IP4) Denn würde man den Florida’schen Ansatz konsequent weiterdenken, wäre nach Meinung von IP4 nicht die Stadt kreativ, „sondern es wäre die ‚Stadt der Kreativen‘ – mit ihren spezifischen Arbeitsbedingungen, bestimmten Konsumbedingungen, Lebensstilen usw.“ Andere Experten wie IP17 aus der egalitären Kultur merken an, dass er ebenfalls nicht „an das Bestellen von Lösungsansätzen und ihr verordnetes Herleiten glaube“ (IP17), dennoch aber froh sei, „dass mit Richard Florida zumindest neue Prozesse und Vokabeln auf der Bildfläche erschienen sind, die diese Prozesse einer kreativen Entwicklung sichtbar, quantifizierbar und kommunizierbar gemacht haben“ (ebd.). In Abgrenzung zu der stadt- und wirtschaftspolitisch aufgeladenen Herstellbarkeit von ‚Kreativität‘ im Begriffskontext der ‚kreativen Stadt‘ wird das ‚kreative urbane Milieu‘ aus Sicht vieler Experten als „Zusammenspiel aus Menschen und Orten“ (IP4), als „gesellschaftliche Prozesse“, die „ihren Niederschlag in bestimmten Räumen [finden]“ (IP10), als etwas, „was sich aus sich selbst heraus entwickelt“ (IP14), „etwas [...], was von selbst entsteht“ (IP5), was „man auch nicht steuern kann“, da man nicht weiß, „was dabei herauskommt“ (ebd.) beschrieben. Die Beispielzitate, die im Verständnis der Cultural Theory Experten aus allen der drei erfassten Organisationskulturen umfassen, machen deutlich, dass die Experten ‚kreative urbane Milieus‘ als nur bedingt fassbare und zugleich sehr heterogene Gebilde begreifen. Demnach konstituieren sie sich ausschließlich über Menschen, d.h. erst durch die Interaktion von kulturellen und kreativen Akteuren sowie in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Infrastrukturen und Institutionen entstünde die besondere „Emergenz“ (IP4), die dann „diese Form einer Erneuerung ermögliche“, die mehr sei, als ein Einzelner umzusetzen vermöge. Folglich verweist IP4 aus dem wissenschaftlichen Feld auf ein Begriffsverständnis, das von der „Pluralität von kreativen Milieus“ ausgeht. Der urbane Raum fungiere dabei als bevorzugter Handlungsrahmen, in dem sich „soziale Netzwerke oder bestimmte Verknüpfungen von
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Menschen oder Unternehmungen oder Unternehmen von Menschen und Künstlern und Gewerbetreibenden [...] konzentrieren“ (IP10). Auch IP5 unterstreicht aus einer wissenschaftlichen Perspektive die Heterogenität des Untersuchungsgegenstandes, indem er ausführt, dass v.a. eine Zugehörigkeit zum Milieu notwendig sei, um jene Innensicht einnehmen zu können, die zum Verständnis der Handlungsstrukturen desselben führe: „Ich sehe ein Milieu, ich nehme es wahr, aber was in dem Milieu passiert, kann ich eigentlich nur wissen, wenn ich selber in dem Milieu bin, und das bin ich in der Regel nicht.“ (IP5) Analog zu den stark divergierenden Verständnissen der ‚kreativen Stadt‘ und des ‚kreativen urbanen Milieus‘, machen die Experten in der Unterscheidung derselben verschiedene Aspekte geltend, wobei tiefgreifende Unterschiede zwischen den einzelnen disziplinären Zugängen offenkundig werden. Während Akteure aus der egalitären Kultur die ‚kreative Stadt‘ bspw. eher als weiten Oberbegriff für viele verschiedene Arten von ‚Kreativität‘ erfassen und das ‚kreative urbane Milieu‘ eher mit kulturell-kreativen Akteuren assoziieren (Vgl. IP18), führen Akteure aus der hierarchischen Kultur wie IP9 die Differenzierung der beiden Termini auf physische Strukturen zurück: „[...] im Kern ist der Begriff der kreativen Stadt erstmal ein Begriff, der sich auf das gesamte Stadtgefüge bezieht, während kreative urbane Milieus stärker die städtebauliche Dimension innerhalb des Stadtgefüges ansprechen.“ (IP9) Interviewpartner aus dem wissenschaftlichen Kontext machen wiederum die Gegenüberstellung beider Ansätze stark: Demnach adressiere die ‚kreative Stadt‘ „ganz klar die Stadt im Sinne einer morphologischen Form, einer Zustandsform“, während das ‚kreative urbane Milieu‘ diese „eher auf der Ebene von einer sozialstrukturellen Interaktionslage, also eher das Interagieren, verschiedene Werte und Kommunikationsstile“ (IP6) erfasse. In der Folge lassen sich divergierende Verständnisse von Seiten der Experten bezüglich der Entstehungsbedingungen und damit verbundenen Zielstellungen von beiden Konzepten feststellen. Während Akteure aus der kulturell-kreativen Szene die ‚kreative Stadt‘ v.a. als politischen Slogan, als „Programmatik [...] aus Wahlkämpfen“ (IP21) begreifen, mithilfe dessen städtische Machtinteressen bedient werden sollen, bewerten Akteure aus der Wissenschaft die damit verbundene Gegenüberstellung von künstlerischer und nicht-künstlerischer ‚Kreativität‘ als sehr eng und übertrieben aufgeregt: „Ich finde auch diese Gegenüberstellung von künstlerischer und wirtschaftlicher Kreativität sehr mitteleuropäisch, da gibt es die Kreativen, die scheinen so genuin kreativ zu sein, und dann gibt es die Ökonomen oder Politiker oder Stadtplaner – das ist ja völliger Quatsch. Das ist hier in Deutschland wirklich sehr polar gedacht, das ist in anderen Städten oder Ländern nicht so.“ (IP5)
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Auch die Entwicklungsrichtung beider Konzepte und der Grad der Steuerung werden als unterschiedlich benannt. So beschreiben egalitäre Akteure die ‚kreative Stadt‘ als hierarchisch gesetzte Entwicklungsidee mit einer Top-Down Planungsrichtung, während sie das ‚kreative urbane Milieu‘ als natürlich gewachsenes Konstrukt mit einer Bottom-Up Entwicklungsrichtung darstellen, das sich v.a. durch eine nicht-strategische Erfassbarkeit auszeichne. In diesem Kontext attestieren sie der ‚kreativen Stadt‘ eine weitestgehende Unplanbarkeit, wohingegen sie das Konzept des ‚kreativen urbanen Milieus‘ – bis auf vereinzelte Experten, die auch diesen Ansatz aufgrund des verwässerten Milieubegriffs als instrumentellen Zugriff der Stadt begreifen2 – als möglichen, wenn auch passiven Handlungsansatz, etwa über die Bereitstellung von vorteilhaften Rahmenbedingungen für die mit dem Milieu erfassten Akteure, wahrnehmen: „Kreative Stadt impliziert für mich immer, dass Kreativität als solche steuerbar ist. Und kreative urbane Milieus implizieren für mich eher diese Rahmenbedingungen, die an ganz vielen Stellen in der Stadt von sich aus gegeben sind, die gar nicht erst gemacht werden müssen, sondern die einfach genutzt werden, also eben weil es oft auch Räume sind, die gefüllt werden können.“ (IP14) „Kreative Stadt, die für mich einen totalen Slogan-, Leitbildcharakter hat, mit dem nur versucht wird Politik zu machen, und auf der anderen Seite kreative ‚Räume‘ vielleicht eher als ‚Milieus‘ gedacht, dann versucht ja der Raum- oder Milieubegriff etwas zu artikulieren, worum es tatsächlich gehen könnte. D.h. dass man bestimmte Aspekte des Urbanen dorthingehend gestaltet oder unterstützt – finanzieller oder strategischer Natur – dass bestimmte kulturelle Praktiken einerseits nicht untergehen und andererseits ganz gute Rahmenbedingungen haben, um arbeiten zu können.“ (IP15)
Interessanterweise bescheinigen auch die befragten Experten aus dem behördlichen und planenden Bereich dem Konzept der ‚kreativen Stadt‘ eine hierarchisch verordnete Entwicklungsrichtung, während sie mit dem ‚kreativen urbanen Milieu‘ eine entgegengesetzte Entwicklungsrichtung assoziieren. Nichtsdestotrotz sprechen sie sich für deutlichere Steuerungsmöglichkeiten als die Akteure aus der kulturellkreativen Szene aus:
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So ist IP16 zufolge auch das Konzept des ‚kreativen urbanen Milieus‘ als Versuch der Nutzbarmachung von ‚Kreativität‘ für stadtpolitische Interessen zu verstehen: „Das kreative urbane Milieu, das sich als Begriff eigentlich auch fies anhört, weil Milieu klingt immer so zusammenfassend und das Tolle am kreativen urbanen Milieu ist ja eigentlich, dass es unglaublich heterogen und ungemein vielfältig ist. [...] So wird das Heterogene dann plötzlich zu einer Einheit.“
236 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Kreative Stadt [ist] für mich eher ein Top-Down Ansatz [...], während der Begriff des kreativen Milieus mehr auf die Perspektive Bottom-Up setzt, d.h. wir gehen von den Akteuren aus, die bestimmte Räume für sich entdecken und erobern und so Stadt verändern [...].“ (IP10) „Ich denke, dass es in jedem Fall bestimmte Bereiche gibt, die man planen kann, wenn die Bereitschaft vorhanden ist in einer Stadt, sich dem Thema Kreativität und den sogenannten ‚Kreativen‘ zu öffnen und zu widmen, dann ist es erstmal eine politische Idee, und deshalb bauen wir die Programme um, die wir haben oder erweitern sie oder ändern eine Haltung in den Verwaltungen, dann kann man es tatsächlich planen. Und dann ist es auch absolut notwendig, dass man es plant, weil bekanntermaßen Veränderungsprozesse sehr sehr lange dauern. Also gerade im öffentlichen Sektor.“ (IP12) „Ich würde sagen, dass man auch durch räumlich-physische Strukturen – und das ist das Kerngeschäft, mit dem wir uns in der Stadtplanung auseinandersetzen – solche Dinge begünstigen kann. Ob sie nachher wirklich eintreten, hängt von vielen weiteren Faktoren ab, die nicht unmittelbar mit Planung beeinflusst werden können.“ (IP9)
4.1.2 Kreativitäts- und Planungsverständnisse Nach der Erfassung der unterschiedlichen Verständnisse vom Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt galt es, die Plan- bzw. Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ sowie ihre Zielstellungen zur Disposition zu stellen, wie sie etwa im Konzept der ‚kreativen Stadt‘ transportiert werden, um sich auf diese Weise dem Forschungsgegenstand zu nähern. In den Interviews wurde dabei schnell deutlich, dass viele der Befragten dem Konzept der ‚kreativen Stadt‘ in Bezug auf ihre Planbarkeit eine klare Absage erteilen, sich gleichwohl nicht für eine vollständige Abkehr von einer Plan- oder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ aussprechen. Stattdessen und in enger Anlehnung an die Begriffsvorstellung des ‚kreativen urbanen Milieus‘ knüpfte eine Vielzahl der Experten die Frage, ob und wie ‚Kreativität‘ befördert werden kann, zum einen an das jeweils vorherrschende Kreativitätsverständnis und zum anderen an die Hinterfragung des klassischen Planungsbegriffs. So merkt etwa IP1 an, dass die Entwicklung von plan- oder steuerbaren Ansätzen von ‚Kreativität‘ weniger von derselben als Ausgangsmotiv geleitet sein müsste, als vielmehr von einem grundsätzlichen Diversitätsverständnis in städtischem Denken, um damit zunächst die notwendige Sensibilität für die Ausbildung einer etwaigen Handlungspraxis sicherzustellen. Diese Haltung vertritt auch IP6, wenn er betont, dass ohne ein gesellschaftlich-kulturalistisches Handlungsverständnis eine Annäherung an ein Planungs- oder Steuerungsverständnis von ‚Kreativität‘ gar nicht erst möglich sei:
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„Ich glaube [...], dass die Grundvoraussetzung erstmal nicht die ist, ein Verständnis für Künstlerinnen und Künstler zu schaffen, sondern ein Verständnis für Andersartigkeit, für Diversität zu schaffen. [...] Dass man überhaupt begreift, dass eine Stadt ein Schmelztiegel ist und dass es keine städtische Kultur gibt, sondern nur städtische Kulturen. [...] Und wenn es dieses Verständnis von Diversität gibt, dann gibt es auch ein Verständnis und eine Kultur von Kreativität, davon bin ich fest überzeugt.“ (IP1) „Und das ist das, was dann ungeschickt gemacht wird, dass man eine zu ökonomistische Sicht auf die Stadt hat, dass sie zu wenig gesellschaftlich-kulturalistisch verstanden wird und dass in diesem Sinn natürlich bestimmte vorhandene Potenziale erst viel später ins Spiel kommen.“ (IP6)
Ausgehend von dieser Grundannahme stellt nach Ansicht einiger Experten das spezifische Kreativitätsverständnis von städtischen Bemächtigungsstrategien, das sich in Form eines künstlerischen oder angewandten Begriffsverständnisses abzeichnet, eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung städtischer Handlungsansätze dar: „Und der Widerstreit ist die Frage, ist es eher das Soziale, aus dem Kreativität erwächst oder ist es das individuelle Geniehafte. Das ist ja der riesige Stressfaktor für Stadtverwaltungen und Städte, weil es nicht definierbar, aber euphorisch ist. Also das ist wirklich purer Stress und manche können eben eine positive Ableitung aus diesem ungenauen Moment entwickeln und manche können es nicht oder es fällt ihnen schwer und setzt sie unter Druck, sich zu positionieren.“ (IP6) „Gerade weil man die Begriffsdifferenzierung nicht gemacht hat, ist dann auch aus handlungsstrategischer Perspektive komplett unklar, was man auch aus ökonomischen Gesichtspunkten unter Kreativität oder Kreativitätsförderung verstehen will. Das schwankt dann dazwischen, dass die einen denken, jetzt müssen wir was für die Künstler tun, und die anderen denken, jede Form von fantasievollem Handeln am Arbeitsplatz ist schon das, worum es geht.“ (IP15)
Darüber hinaus benennen alle Experten weitere Kriterien, die sich ihrer Meinung nach förderlich auf die Plan- bzw. Steuerbarkeit der Praxis auswirken. An erster Stelle findet sich die Forderung nach einem Umdenken von geläufigen Planzielen, was im konkreten Fall des Untersuchungsbeispiels v.a. eine Bereitschaft zur Anerkennung der Ungenauigkeit und Unvorhersagbarkeit von kreativen Prozessen impliziere. IP5 merkt an, dass „die Frage der Planbarkeit von Kreativität etwas viel Tiefergehendes als Planung [ist], weil ich glaube, es ist eine Haltung, die man einer Welt oder einem Leben gegenüber aufbringt oder auch ein Wert, den man hochhalten muss“. Folglich gelte es, sich vom klassischen Planungsbegriff zu lösen und
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stattdessen ein Verständnis von „Planen [...] im Sinne von Leerstelle oder Gelassenheit“ zuzulassen, da damit „ein ganz tiefes Verständnis von kulturellen Prozessen [verbunden ist], die nun mal andere [sind] als komplett rationalisierbare, ökonomische Prozesse“ (IP5). Die Forderung wird dabei nicht nur von Experten aus dem Bereich der Wissenschaft vertreten, auch Experten aus der Stadtplanung sprechen sich für eine grundsätzliche Offenheit als Voraussetzung für abzuleitende, kreativitätsbasierte Handlungsansätze aus: „Das hängt auch mit den beiden Polen des Themas zusammen: Auf der einen Seite das Ungeplante, Informelle, Organische, nicht Kontrollierbare und auf der anderen Seite die Planung, Kontrolle, Festschreibung, auf die der Städtebau bisher fixiert war. Und mittlerweile spüre ich, dass in vielen Städten und Gemeinden ein Umdenken eingesetzt hat und man merkt, wir müssen zu einer Form kommen, in der wir beides miteinander kombinieren können.“ (IP3)
Die Offenheit auf Seiten der hierarchischen Akteure scheint – besonders in Bezug auf die mit kreativitätsbasierten Handlungsansätzen verbundene Zielsetzung – jedoch deutlichen Grenzen zu unterliegen. So merkt IP1 an, dass es in der Planung „keine vollständige strategische Ergebnisoffenheit“ geben könne, da dies einem „Widerspruch zur Planung“ im Sinne „eines planlosen Zustandes“ gleichkäme. Stattdessen gelte es, „den Planungsprozess so [zu] organisieren, dass er für Veränderungen offen ist“ (IP1). Auch IP2 fügt an, dass zwar ein Verständnis für eine bestimmte Grenze von Planbarkeit existiere – „[...] bei der Kreativität wie auch bei der Stadtplanung als solcher weiß man einfach, dass bestimmte Prozesse nicht planbar sind“ (IP2). Dennoch sei ein strategisches Ziel durchaus notwendig, da dieses dazu führe, „dass man überhaupt in einen Diskurs darüber kommt. [...] Ich glaube, man muss ganz klar eine These formulieren, in unserem Job nennt man das Planung, und dann kann man auch Antithesen bilden und einen dialektischen Prozess organisieren.“ (IP1) In Abgrenzung zu dieser Position betonen Experten aus der egalitären Kultur, dass eine Beförderung von ‚Kreativität‘ im städtischen Raum v.a. ein Planungsverständnis erfordere, welches auf die Rahmenbedingungen der kulturellen und kreativen Akteure eingehe: „Ich glaube, dass es nicht in dem Sinne planbar ist, dass man vorher genau weiß, was hinterher hinten raus kommt, aber ich glaube, dass man ganz bewusst gewisse Gegebenheiten steuern kann, die dazu führen, dass sich Kreativität leichter und besser entfaltet.“ (IP18) „In dem Maße, in dem man den Sachverhalt ernst nimmt, dass Kreativität vielleicht doch nicht planbar ist – hier muss man auch über den Planungsbegriff noch einmal nachdenken –, sondern dass es bestimmte Strukturen, Räume, Rahmenbedingungen braucht, um diesen Möglichkeitsraum zu etablieren, der wiederum so gestaltet ist, auch mit einem entsprechend
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gestalteten Planungsprozess, dass man in diesem Netzwerk und dem darüber Nachdenken, wie man so etwas schafft, im Grunde so etwas wie eine demokratische Planungs- und Grundverständnisstruktur eingetragen hat.“ (IP15)
Dabei sei es äußerst wichtig, Schutzmechanismen aufzurufen, die bereits bestehende kreative Orte, Räume oder Nischen schützen helfen sowie Aushandlungsprozesse zwischen den planenden und den kulturellen und kreativen Akteuren zuzulassen. Damit rückt die Einbeziehung der zu fördernden Akteure in den Mittelpunkt des zu untersuchenden Ansatzes einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt, wobei aus Sicht der wissenschaftlichen Experten v.a. der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Integration der Akteure von essenzieller Bedeutung sei: „Die Frage der Reihenfolge ist dabei sehr wichtig und dabei auch so einfach zu lösen. [...] Es ist also eine arbeitsorganisatorische Frage, keine künstlerisch-ästhetische, sondern eine rein verwalterische.“ (IP5) Anstelle der mit dem Topos der ‚kreativen Stadt‘ verbundenen Vorstellung, dass man eine Stadt „so Brasilia-mäßig [...] im Sinne eines Planungsprozesses im Griff haben kann“ (IP15), was einer Vereinnahmungsgeste und Umwidmung des Kreativitätsbegriffes für stadtentwicklungspolitische Interessen gleichkomme, gehe es vielmehr darum, so IP15 aus der egalitären Kultur, sich vom klassischen Planungsverständnis zu lösen. Folglich gewinnen Zielstellungen, die den jeweiligen Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zugrunde liegen, an enormer Wichtigkeit, da diese auf die Ausgestaltung derselben rückwirken: „Also will man damit eine bestimmte Form zeitgenössischer Wirtschaftsförderung oder will man auch/oder eine bestimmte Form kultureller Praxen fördern? [...] Man kann das für beides denken, es hat nur unterschiedliche Konsequenzen.“ (IP15). Zu den Zielstellungen, die von stadtpolitischer Seite mit der Praxis einhergehen, lassen sich den Befragten zufolge primär wirtschaftliche Absichten zählen3, dicht gefolgt von dem Versuch, hochqualifizierte Arbeitskräfte etwa über ein entsprechend ‚kreatives‘ städtisches Image anzuziehen.4
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So heißt es bei IP2 und IP5, die dem öffentlichen Verwaltungskontext bzw. dem wissenschaftlichen Feld entstammen: „[…] ein Teil der Kreativbranche [ist] mittlerweile ja auch ein wichtiger Wirtschaftszweig“ (IP2). „Die wichtigsten, aber bestimmt auch langweiligsten Effekte sind Tourismus und Imageförderung. Nichtsdestotrotz muss eine Stadt natürlich auch ökonomisch funktionieren.“ (IP5) Und auch Akteure aus dem Kultur- und Kreativsektor ergänzen in diesem Zusammenhang: „Ich denke, dass vor allem wirtschaftliche Effekte ausgelöst werden sollen, weil eine pulsierende Stadt, so ein kreatives urbanes Milieu für ganz viele Menschen attraktiv ist“ (IP14), denn das, so merkt auch IP19 an, „macht [...] eine Stadt wirtschaftlich gesünder“ (IP19).
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Die Annahme, dass eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt v.a. auf die Anwerbung hochqualifizierter Arbeitskräfte zählt, wird in den nachfolgenden Aussagen der Experten
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Zuletzt bescheinigen egalitäre und individualistische Experten der Praxis einer ‚strategischen Kreativplanung‘ die Intention, räumliche und stadtentwicklungspolitische Effekte erreichen zu wollen5, die als Motive der Aufmerksamkeitspolitik im Rahmen des Städtewettbewerbs erscheinen: „Da würde ich denken, dass das der Konkurrenz der Städte untereinander geschuldet ist.“ (IP22), oder aber sie attestieren der Handlungspraxis eine Ziellosigkeit, da „in Wirklichkeit [...] wohl die wenigsten [wissen], was sie wirklich mit diesen Maßnahmen wollen“ (IP7).
4.1.3 Governanceformen Im Rahmen der Diskussion um eine Plan- oder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ im städtischen Raum spielte die Frage eine Rolle, welche konkreten Aspekte die Experten an einer Stadt für so gestaltbar halten, dass eine Plan- oder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ möglich erscheint. Daran anknüpfend wurde zur Disposition gestellt, ob potenzielle Förderstrategien auf andere Städte übertragbar sind oder vielmehr bestimmte Voraussetzungen in einer Stadt existieren müssen, um Aspekte von ‚Kreativität‘ zu befördern. Ziel der Frage war es, die Grenzen der Plan- bzw. Steuerbarkeit der untersuchten Handlungspraxis auszuloten. Das vorherige Kapitel hatte aufgezeigt, dass sich ein Großteil der Experten kulturübergreifend für eine Loslösung vom klassischen Planungsbegriff zugunsten einer Vorgehensweise ausgesprochen hatte, in der die Planungsdimension einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt nicht als starres Korsett, sondern als Regulierung und Steuerung begriffen wird. Vor diesem Hintergrund reagiert IP4 aus dem wissenschaftlichen Bereich kritisch auf den im Rahmen der vorliegenden Arbeit eingeführten Neologismus der ‚strategischen Kreativplanung‘, den er insofern als schwierig bewertet, da es aus seiner Sicht in kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien weniger um Planung als um eine ‚kreative Stimulierung‘ gehe: „Es ist mehr
aus dem wissenschaftlichen und Verwaltungskontext deutlich: „Dreh- und Angelpunkt sind neben den Schulen auch die Universitäten und Akademien. Die Gegenposition, die wir hier in Hamburg haben, war zu sagen, das ist alles zu langwierig und zu mühsam, zu teuer, wir versuchen kreative Köpfe anzuziehen: also das Talent-Projekt der Stadt Hamburg.“ (IP4) „Wettbewerb um den besten Standort und dann natürlich immer wieder die Suche nach den Leuten, die eine Stadt auch wirtschaftlich voranbringen können und die sich angezogen fühlen von einem bestimmten kulturellen, aber auch lebensqualitativen Angebot.“ (IP12) 5
So konstatiert IP14: „Ich gehe schon davon aus, dass sie damit tatsächlich steuern wollen, nämlich genau in die Stadtteile reinsteuern, wo sie die Leute haben wollen, und das kann letztendlich dazu führen, dass sich dieser Wildwuchs weniger entwickelt.“
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als Homöopathie, es ist Stimulierung, es ist Hilfe geben, unterstützen und vieles hat auch zu tun mit befristetem Hilfegeben. Das andere ist verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, mittlere Zeithorizonte – all das wird im Planungsbegriff nicht abgebildet.“ (IP4) Diese Auffassung bestätigt auch IP6, indem er anführt, dass man im Kontext des Wirkungszusammenhanges von ‚Kreativität‘ und Stadt begonnen habe, weniger von Planung als von Governance zu sprechen, um auf diese Weise „verschiedene neue Konstellationen von Akteursgeschehen abzubilden“. Dabei fügt er an, dass ein solches Verständnis zur Folge habe, dass „die professionelle Praxis der Planer, ihre Kommunikationsweisen, ihre Instrumente [...] durchlässiger [werden] und sie [...] anders agieren und sich anders positionieren [müssen].“ (IP6) Vor dem Hintergrund der Entwicklung von Governance-Ansätzen für das Phänomen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt erscheint nach Aussagen der Befragten zum einen eine Orientierung am Begriff des ‚kreativen urbanen Milieus‘ relevant, der weniger belastet sei als der Terminus der ‚kreativen Stadt‘, zudem den Untersuchungsgegenstand zielführender in Bezug auf seine Komplexität erfasse und damit differenziertere Ableitungen für die stadtpolitischen Akteure und ihren Wunsch der Bemächtigung von kreativen Prozessen impliziere.6 Zum anderen gehe damit ein ressortübergreifender Ansatz einher, der deutlich macht, dass es eine Vielzahl an stadtpolitischen Akteuren benötige, wenn „ein Wohlergehen möglichst vieler“ (IP11) erreicht werden soll. Die konkreten Aspekte, die die Experten im Rahmen der Befragung als plan- bzw. steuerbare Kriterien von ‚Kreativität‘ benennen, sollen im Folgenden anhand der deduktiv abgeleiteten und induktiv ergänzten Governance-Ansätze (Vgl. Kap. 3.3.2) Infrastruktur (1), Kontextsteuerung (2), Intermediäre (3), Schutzmechanismen (4) sowie einer spezifischen Denkkultur (5) präzisiert werden. Infrastruktur
Im Rahmen der Nachfrage nach plan- oder steuerbaren Ansätzen von ‚Kreativität‘ im städtischen Raum beziehen sich nahezu alle Experten – bis auf IP16, der anmerkt, dass die Planung von ‚Kreativität‘ „eine contradictio in adiecto“ darstelle –
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In diesem Zusammenhang hält IP6 fest: „Diese Dimension von Milieu und Szene, die weisen ja auf eine Komponente dieses ganzen Marktgeschehens hin, das sich eben nicht so leicht greifen lässt. Und die, die es verstehen und ihr Grundverständnis daran anlegen, machen glaube ich auch die geschickteren Ableitungen für die Stadt und die Stadtpolitik, wenn es darum geht Steuerungsprozesse anzusetzen oder eine Ansprache zu entwickeln. [...] Die Begriffe [kreative Stadt, kreatives urbanes Milieu, Anm. d. Verf.] sind ein Orientierungsmaß und in dem Maß, in dem das falsch abgeleitet wird, verändern sich auch die Steuerungsformen.“
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auf die Wichtigkeit einer Infrastrukturförderung, da diese den Grundstein für das Agieren von kulturellen und kreativen Akteuren markiere: „Man braucht Räume, man braucht Begegnung. Auch im Mittelalter war das schon so, da hatte man den Marktplatz und wir brauchen auch heute Marktplätze.“ (IP21) „Ich glaube in der Tat, dass bestimmte räumliche Strukturen hilfreich sind, wenn man einen Raum schaffen will, wo es Spaß macht und auch möglich ist, kulturellen Praktiken nachzugehen. [...] So gesehen hätte eine auf kulturelle Praktiken und Freiräume ausgerichtete Stadtplanungspolitik durchaus räumliche Effekte.“ (IP15) „Informationsplattformen, Networking Plattformen schaffen, immer wieder Genreübergreifend, z.B. Immobilien, Co-Working-Spaces sind meiner Meinung nach wichtig.“ (IP11)
Nach Ansicht der Experten – und zwar kulturübergreifend – ist es allerdings nicht ausreichend, sich nur auf eine Infrastrukturförderung zu konzentrieren. Gerade vor dem Hintergrund der andauernden Kritik an einer Indienstnahme von kulturellen und kreativen Akteuren für Aufwertungsmaßnahmen sei eine entsprechend preisgünstige, aber auch langfristige Mietpolitik zielführend (Vgl. IP1, IP15, IP22). IP18 merkt an, dass das Handlungsmodell nicht automatisch mit der Bereitstellung von preisgünstigen Immobilien abgeschlossen sei, sondern sowohl aufgrund der Eigendynamik der Akteure und ihrem intrinsischen Wunsch nach einer eigenständigen Aneignung von Räumen als auch durch das urbane Umfeld, in dem sich die jeweilige Immobilie oder das Quartier befinde, begrenzt sei: „Also man kann nicht sagen [...], wir haben hier eins, zwei, drei Immobilien, die leer stehen, da machen wir jetzt mal günstige Mieten, holen hier Künstler rein und dann machen die was Feines [...]. Ich glaube Künstler funktionieren nicht so, da geht es nicht nur um die Miete, sondern um so einen Ballungsraum, der noch ganz andere Komponenten benötigt, als einen günstigen Mietpreis [...].“ (IP18)
Ergänzend konstatiert IP14 aus seiner kulturellen Akteurssicht, dass zur Verfügung gestellte Räumlichkeiten mit einer langfristigen Mietsicherheit der Gratwanderung ausgesetzt seien, weiterhin offen zu bleiben und nicht zu etablierten, geschlossenen Räumen zu avancieren, die keine neuen Nutzungen oder auch wechselnde Akteure zulassen: „Auch das Gängeviertel wird irgendwann Künstlerestablishment, also es muss immer wieder neue Orte geben, um das in Bewegung zu halten und die Räume müssen offen bleiben und das gelingt bei vielen dieser Projekte nicht.“ Insbesondere im Übergang zu einer institutionellen Förderung von künstlerisch-kreativen Produktionsorten sei dabei z.T. eine Erwartungshaltung von Seiten der kulturellen
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und kreativen Akteure zu verzeichnen, die, so IP11 aus der hierarchischen Kultur, dazu führe, dass die fördernden Instanzen sich einer Debatte ausgesetzt sehen, in der die Konsolidierung bestehender Häuser mit der Förderung neu hinzukommender, fluktuierender Einrichtungen konfligiere: „Es gibt aber genügend Einrichtungen, ich sage jetzt keine Namen, die haben vor 20, 30 Jahren genau diesen Kampf geführt, haben eine gute Arbeit gemacht, haben es geschafft, in eine institutionelle Förderung zu kommen und dann sind sie irgendwann in die soziale Hängematte verfallen [...]. Sie bekommen aber die strukturelle Förderung und fordern immer noch mehr. Und das sind genau die Einrichtungen, die jetzt den jungen, dynamischen Leuten, die es gibt, die letzten freien Mittel nehmen. Die man eigentlich steuerungspolitisch betrachtet jetzt den dynamischen, aktiven 25-Jährigen geben müsste.“ (IP11)
Kontextsteuerung
Als durchgängiges Motiv für plan- oder steuerbare Ansätze von ‚Kreativität‘ führen viele der Experten kulturübergreifend eine Praxis an, die weniger auf aktive, hierarchische Eingriffe als auf indirekte Interventionen und Unterstützungen setzt und damit förderlich auf die Rahmenbedingungen der kulturellen und kreativen Akteure einwirkt. Diese stelle sich etwa über eine Form der akteursbasierten „Kontextplanung“ dar, „bei der Stimuli gesetzt werden“ (IP4) oder aber solche „Rahmenbedingungen [...], die dazu einladen, dass sich die schöpferische Kraft von Menschen entfalten kann.“ Der Unplanbarkeit von ‚Kreativität‘ würde damit eine Strategie entgegengesetzt, die in der Lage ist, „Rahmenbedingungen zu schaffen“ (IP13). Dazu gehören laut Aussage der Experten zum einen „diversitätsoffene Räume und das Zurverfügungstellen von oder auch das Offenhalten von solchen Räumen“ (IP14). Zum anderen seien Maßnahmen gefragt, die dazu beitragen, „dass Kreative [...] sich wohlfühlen bzw. dass sich etwas entwickeln kann“ (IP18). Auch wenn IP15 anmerkt, dass eine Kontextsteuerung nicht ausreichend sei, um kreative Prozesse und die damit verbundenen, äußerst heterogenen Akteure in ihrer vollen Komplexität und Reichweite zu unterstützen, sei es doch ein Ansatz, der in gewisser Weise der Gestaltung des öffentlichen Raums gleiche: „Nur eine Bank hinstellen reicht nicht. Aber trotzdem ist das schon mal ein Schritt, um überhaupt so etwas wie eine Aufenthaltqualität zu schaffen“, d.h. es müsse das Ziel sein, „Möglichkeitsbedingungen“ zu generieren, „innerhalb derer so etwas wie kulturelles Arbeiten eher möglich ist“ (IP15). Während es auf der einen Seite darum gehe, kulturelle und kreative Akteure in ihrer Selbstorganisation zu unterstützen, wie es mit dem Modell der Self-Governance nach Kooiman (2003) angeführt worden war (Vgl. Kap. 1.3.2), impliziert das Vorgehen auf der anderen Seite tiefgreifende Veränderungen für planende und behördliche Akteure. Informelle und selbstorganisierte Kontexte, die für die Akteure der egalitären Kultur als essenzielle Handlungsparameter erscheinen,
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stellen nach Meinung wissenschaftlicher Experten wie IP6 für die hierarchische Kultur häufig „intangible assets“ dar, d.h. „viel schwieriger zu initiierende Sachen, die ganz andere Wertekategorien mit sich bringen. Da geht es nicht nur um monetäre Strukturen [...], sondern es geht um kommunikative Werte, [...], Werte der symbolischen Honorierung, wo man eben eine ganz andere professionelle Praxis von Seiten derer erwartet, die es vermitteln, d.h. der planerischen Seite.“ (IP6)
Weitere kontextsteuernde Maßnahmen seien die Flexibilisierung von behördlichen Reglementierungen, wie „Ausschreibungen für die Vergabe von Grundstücken, die frei werden, Locken mit Befreiungen für die Baupläne [...], also eine sachte Steuerung über Befreiungen, nicht Verbote und Gebote“ (IP17) sowie finanzielle Modelle wie eine „Basisfinanzierung“ (IP11), die eine strukturelle Unterstützung ermöglichen. Im Rahmen dieses Schaffens von „Möglichkeitsbedingungen“ sei es äußerst bedeutsam, folgt man Vertretern der egalitären Kultur, dass Planungsansätze „die Komplexität, die Dichte und das Unvorhersehbare solcher urbanen Kontexte nicht nur als Gefahr im Blick [haben], sondern auch als Potenzial oder als schlichten Sachverhalt in den Planungsprozess [integrieren]“ (IP15). Konkret impliziere dies eine netzwerkorientierte und kleinteilige Planungspraxis, die die „Ermöglichungsbedingungen von Planungsszenarien“ zu generieren in der Lage ist, etwa indem sie „Strukturen des Zusammenkommens oder des Nachdenkens über Zukunftsszenarien oder des Bastelns über Räume [schafft], innerhalb derer dann tatsächlich so etwas wie kooperative Planungsszenarien möglich sind“ (ebd.). IP5 geht im Zusammenhang des Los- und Offenlassens sogar so weit, aus seiner wissenschaftlichen Perspektive heraus eine „Strategie der Vernachlässigung“ zu postulieren, um damit genau die Prozesse befördern und indirekt unterstützen zu können, die durch eine konkrete Planung sonst zerstört würden. Intermediäre
Weitere steuerbare Ansätze von ‚Kreativität‘ werden in Form von intermediären Organisationen oder Einzelpersonen benannt, die vermittelnd und katalysatorisch zwischen den verschiedenen Stadtakteuren eingreifen und auf diese Weise Interaktionen zwischen den verschiedenen Bereichen ermöglichen helfen. Namentlich angeführt wird von den Befragten, insbesondere aus der hierarchischen Kultur, die Hamburg Kreativ Gesellschaft, die über ihre Organisationsform als städtische GmbH „Glaubwürdigkeit bei den Leuten, bei den Kreativen“ erzielen und damit „eine gewisse Distanz zur Stadt“ (IP12) schaffen soll. Die Steuerbarkeit von kreativen Entwicklungen und Prozessen hänge auch, folgt man den Experten IP5, IP6 und IP11, immer wieder von „starken Persönlichkeiten“ ab, „die so etwas mit hohem Risiko umsetzen“ (IP6). In der Folge sollten städtische Akteure mit einer Strategie reagieren, in der sie „Schlüsselpersonen identifizieren“, um dann zu schauen „wie
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können wir denen helfen“ (IP11). Dabei sei es unbedingt notwendig, in dieser Form der kooperativen Planungspraxis eine Reihenfolge zu beachten, bei der Schlüsselpersonen und Akteure nicht erst zum finalen Planungsstand hinzugezogen, sondern von Anfang an auf Augenhöhe integriert werden. Um der Flexibilität und Flüchtigkeit von kreativen Prozessen gerecht zu werden, sollte in Anlehnung an IP5 über eine „temporäre und mobile Stadt- oder Kreativitätsplanung“ nachgedacht werden, bei der städtische Akteure prüfen, „wo läuft was und dann versuchen, das dort für einen Moment zu schützen“ (IP5). Schutzmechanismen
Weitere Mechanismen, die von Seiten der Befragten als steuerbare Kreativitätsmomente in Stellung gebracht werden, konzentrieren sich weniger auf eine aktive Beförderung als auf eine Verhinderung von negativen Szenarien. Insbesondere in Situationen, in denen potenzielle Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse zu befürchten seien, könnten Instrumente wie die „Milieuschutzsatzung“ (IP1), darin sind sich Vertreter der Verwaltung, der Wissenschaft sowie des Kultur- und Kreativsektors einig, von städtischer Seite erlassen werden, um Mietentwicklungen zu steuern und Negativentwicklungen entgegen zu wirken. Auch die Maßnahme der „sozialen Erhaltensverordnung“ wird benannt, die ein „Steuerungsinstrument“ darstelle, „was eher versucht, bestehende Verhältnisse zu sichern“ (IP20). Darüber hinaus könnte ein potenzieller Ansatz von Seiten der städtischen Kultur zur Steuerung von ‚Kreativität‘ darin liegen, „Entlastungsorte zu schaffen, also in einem gewissen Sinn auch geschützte Räume zu erstellen” (IP9). Erweiterung der Denkkultur
Nahezu allen bislang angeführten Steuerungsansätzen ist gemein, dass sie eine grundsätzliche Geisteshaltung und Bereitschaft von Seiten der städtischen Akteure fordern, sich ergebnisoffen auf kreativitätsbasierte Prozesse einzulassen. Der Ansatz wird – und das ist das Interessante – sowohl von Seiten der Akteure aus der egalitären als auch der hierarchischen Kultur selbst artikuliert. So fordern Akteure aus dem Planungskontext wie IP1, IP2, IP3, IP10 in gleichem Maße ein Umdenken der über die Planung entscheidenden, stadtpolitischen Akteure wie IP7 und IP8 aus dem Kulturmanagementbereich, etwa indem sie der Vermittlung der Relevanz des Themas innerhalb der Behörden sowie unter den planenden Akteure eine maßgebliche Rolle einräumen. Diese Auffassung wird auch von IP15 und IP21 aus der egalitären Kultur geteilt, die – wenn auch vehementer als die anderen Akteure – eine Dialogkultur auf Augenhöhe einfordern: „Erstmal muss es diese Basis des Denkens und Selbstverständnisses einer Stadt geben [...]. Es liegt also ganz stark am städtischen Wollen, am Wollen der Politik und ihrem Selbstbewusstsein [...].“ (IP1)
246 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Es setzt auch eine Bereitschaft voraus, eine Offenheit, um Möglichkeitsräume zu schaffen oder Dinge auch einfach ungeplant zu lassen. [...] Das hat sicher auch was mit einer Geisteshaltung, vielleicht sogar mit einer politischen Haltung zu tun [...].“ (IP2) „Ich denke, darin liegt die Zukunft der Stadtentwicklung, dass man das Ungeplante viel stärker zulässt und einfach bestimmten Entwicklungen damit Raum läst, darüber dann aber auch ein Programm generiert.“ (IP3) „Also da kann Stadt schon viel tun: [...] intelligente, mutige, flexible Programme, also Inhalte zulassen und befördern.“ (IP8) „Letztendlich erfordert es ganz viel Dialogbereitschaft, dass es ankommt in den Köpfen der Politik, der Verwaltung, dass es auch ein wichtiges Thema in der Stadt ist, und zwar Dialogbereitschaft zwischen den kreativen Akteuren, zwischen Grundeigentümern, zwischen Immobilieninvestoren und der Stadt.“ (IP10) „Die Demokratie braucht ja grundsätzlich die Ethik, dass wir uns nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen, sondern eigentlich am Guten der Sache interessiert sind. Und so ähnlich braucht es das auch für einen Planungsprozess: Umso mehr man sich kennt, umso wahrscheinlicher sind solche kleinen, experimentellen Planungsszenarien, die dann Modellcharakter auch für andere Planungsprozesse bekommen können.“ (IP15)
Bedingungen der Realisierung
Im Rückgriff auf die anfänglich aufgeworfene Frage zum Grad der Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ im städtischen Raum wurde der Gesprächsfokus anschließend darauf gerichtet, ob die skizzierten, potenziellen Förderstrategien von ‚Kreativität‘ auch auf andere Städte übertragbar seien oder ob bestimmte Voraussetzungen in der Stadt existieren müssen, bevor man Aspekte von ‚Kreativität‘ befördern kann. In den Aussagen der Experten wurden dabei die Grenzen der Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ sichtbar: Zum einen seien kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien substanziell von lokalen Standortvoraussetzungen abhängig, denn schließlich könne man, so IP18, einen „kreativen Schmelztiegel [...] nicht wirklich planen oder heranzüchten [...]“. Die von IP18 als notwendig erachtete Grundvoraussetzung einer Stadt wird von einer Vielzahl von Experten bestätigt, indem sie aus ihrer Sicht unverzichtbare Faktoren für eine auf ‚Kreativität‘ fußende urbane Entwicklungsstrategie anführen. Dazu gehören zum einen eine kritische Masse an kulturellen und kreativen Akteuren, durch die Interaktionen erst ermöglicht und Sichtbarkeiten entstehen können, ein gewisser Grad an urbaner Dichte, wie sie etwa über sich überlagernde funktionelle oder räumliche Nutzungen im städtischen Raum, aber auch über kulturelle Diversität oder eine bestimmte kulturell gewachsene Historie gegeben ist. Des Weiteren zählen die Experten – und zwar erneut über die einzelnen
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Kulturen hinweg – ein Aufgreifen vorherrschender und in diesem Sinne ‚organisch‘ gewachsener kreativ(wirtschaftlich)er Szenen oder Teilmärkte sowie eine spezifisch städtische Denkkultur, die ein offenes Verständnis für ihre Governance-‚Objekte‘ mitbringe, zu den Gelingensbedingungen für kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien: „Es braucht Voraussetzungen wie eine kritische Masse, ein bestimmtes Potenzial an Menschen, an Raumpionieren vielleicht, einfach Leute, die ein hohes eigenes Engagement haben, die einen innovativen Impetus mitbringen.“ (IP2) „[...] in dem Metier ist man immer auf der viel sichereren Seite, wenn man etwas aufgreifen und verstärken kann, was eigentlich schon da ist oder sich in Ansätzen entwickelt.” (IP9) „Es braucht also etwas Spezifisches, also etwas Spezielles und Authentisches, es muss also gewachsen sein.“ (IP11) „Grundsätzlich ist das erstmal in jeder Stadt möglich. Andererseits ist es natürlich so, dass der Katalysator Diversität gar nicht in vielen Städten vorhanden ist.“ (IP14) „Und so glaube ich nicht, dass man das alles steuern kann, sondern aus dem Potenzial des Ortes und der Menschen heraus entwickeln.“ (IP17) „[...] da müssen schon Ressourcen und eine Historie sein. Aber natürlich nicht nur Geschichte, sondern auch eine Infrastruktur muss vorhanden sein. Und dann denke ich auch, dass spezielle Stadtakteure vorhanden sein müssen, die einen Sinn für diese Dinge haben und es muss auch ein Nutzen erkennbar sein für die Akteure, die mitmachen. Eine Stadt wird heute ja nicht kreativ und schöpferisch aus lauter Lebensfreude.“ (IP21)
Die angeführten Zitate machen deutlich, dass sich die Experten – wenn auch in unterschiedlichen Gewichtungen – deutlich gegen universell übertragbare Entwicklungsansätze aussprechen, wie sie etwa in Landrys ‚Toolkit‘ oder Floridas 3-TModell transportiert werden. Stattdessen machen sie sich größtenteils für eine Handlungspraxis stark, die auf einer endogenen Strategie, im Sinne eines Aufgreifens individueller Stärken des jeweiligen Standortes und seiner kulturellen und kreativen Akteure, beruht, die es durch kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien zu fördern gelte.7 Obgleich die Experten deutliche Grenzen einer Übertragbarkeit
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Dazu lässt sich mit IP12 anführen: „Ich glaube dass jede Stadt ihren ganz individuellen Ansatz braucht, und dass es auf keinen Fall übertragbar wäre. Und dass man sich auch tunlichst davor hüten sollte, dass man einer Stadt etwas aufdrückt, was ihr nicht ent-
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der Plan- oder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ veranschlagen, geht keiner von ihnen so weit, im Extremfall eine Loslösung von kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien zu fordern, d.h. Städte, die über keine der genannten Voraussetzungen verfügen, zu einer Aufgabe von kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien aufzufordern, da diese – folgt man der von ihnen zugrunde gelegten Definition – bei einem Festhalten zum Scheitern verurteilt wären. Weitere Grenzen eines steuernden Ansatzes von ‚Kreativität‘ zeichnen sich den Befragten zufolge in Form von begrenzten Finanzierungsmitteln ab, etwa wenn durch „sinkende Gesamtausgaben [...] kein Geld mehr für das Neue“ (IP8) vorhanden ist. Oder wenn im umgekehrten Fall städtische Strategien aufgelegt werden, die so stark die künstlerisch-kreativen Voraussetzungen des jeweiligen Standortes verfehlen, dass sie „einen künstlichen Markt“ befördern, der anstelle der Generierung von „ökonomisch unterfütterte[n] Arbeitsanlässe[n]“ (IP7) an den Kompetenzen der existierenden Szenen und Teilmärkte vorbeigehe. Auch die Förderung von räumlichen Infrastrukturen, die zu Beginn von einer Vielzahl der Experten als essenzielle Handlungsmaxime benannt worden waren, unterliegt Einschränkungen, etwa wenn konkrete Orte vorgegeben oder die jeweiligen Räume mit einer als Auflage formulierten Nutzung versehen werden. Nicht selten wäre in stadtentwicklungspolitischen Kontexten eine Politik zu beobachten, bei der insbesondere in Stadtteilen mit Entwicklungsbedarf Räumlichkeiten für Künstler und Kreativschaffende von städtischer Seite bereitgestellt würden, was einer artifiziellen „Ansiedlungspolitik“ (IP8) gleichkomme, die vor dem Hintergrund ihrer offenkundigen Indienstnahme der Akteure für stadtentwicklungspolitische Interessen laut IP8 nur scheitern könne. In der Folge würden egalitäre Akteure hierarchische Ansätze weniger als wohlwollende Unterstützung ihrer Produktionsbedingungen denn als Indienstnahme und Funktionalisierung begreifen, was nicht selten in einer rigorosen Ablehnung der Praxis der städtischen Kultur resultiere – ein Aspekt, der sowohl von Experten aus der hierarchischen als auch aus der egalitären Kultur geteilt wird: „Man kann gerade in diesen Milieus nur nachfragen, seid ihr interessiert und wollt ihr euch einlassen. Denn es gibt da eben auch Teilmilieus, die gerade allein deshalb, weil die öffentliche Hand tätig wird, abehnend ist. Kunst und auch Kreativität leben ja auch aus Abgrenzung, aus Widerspruch.“ (IP9)
spricht. Weil es dann erstens nicht glaubwürdig wäre, weder nach innen noch nach außen, und weil es einfach schlichtweg nicht funktionieren würde und dann als leere Worthülse verbleiben würde. Da muss jede Stadt ihr eigenes Profil finden und das, was für sie kreativ bedeutet, auch ausdifferenzieren.“
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„Kreativität ist meist das, was sich durch bestimmte Notwendigkeit ergibt oder erzwingt. Also Kreativität folgt auch etwas oder erfolgt oder eröffnet sich irgendwo hin, wo man sie gar nicht erwartet hat. Und sie lässt sich sehr schlecht verordnen.“ (IP16) „Ich glaube, man kann die kreative Stadt auf jeden Fall durch Planung verhindern. Man kann sie insofern planen, dass es Freiräume gibt, günstige Mieten, weniger rigide Auflagen für die Nutzung im öffentlichen Raum. Zwar weiß man noch nicht, was dabei am Ende herauskommt, aber wenn dieses Regelwerk nicht vorhanden ist, dann werden bestimmte Entwicklungen verhindert. Planbar sind also die Voraussetzungen, unter denen agiert wird.“ (IP22)
4.1.4 Bezüge zur Cultural Theory Die Verflechtung der unterschiedlichen Planungs- bzw. Gestaltungsansätze, die von den einzelnen, im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehenden Kulturen ausgehen, bilden die Grundlage für das nachfolgende Kapitel. In Anlehnung an die Cultural Theory sollte – gesetzt den Fall, dass eine von städtischer Seite intendierte und umgesetzte Planung von ‚Kreativität‘ existiert – im theoriebasierten Teil der Expertenbefragung zuletzt die Frage interessieren, in welchem Verhältnis diese zu nicht geplanten oder gesteuerten Ansätzen von ‚Kreativität‘ steht. Ausgehend von der durch die Cultural Theory geleiteten theoretischen Annahme, dass eine Gesamtgesellschaft durch vier Teilkulturen konstituiert wird, wurde das zu untersuchende Phänomen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt als nur eine von vier Kulturen im Spannungsfeld von ‚Kreativität‘ und Stadt aufgerufen. Dazu wurde von der Verfasserin die verkürzte Bezeichnung ‚geplante‘ Ansätze eingeführt. Die anderen Teilkulturen, die in Kapitel 1.3 unter dem erweiterten Begriff der ‚Ansätze einer strategischen Kreativplanung der Stadt und ihrer Kritiker‘ thematisiert worden waren, wurden im Interview zur Vereinfachung mit der Bezeichnung ‚ungeplante‘ Ansätze zusammengefasst. Die Experten wurden befragt, ob sie einen Wirkungszusammenhang zwischen ‚geplanten‘ und ‚ungeplanten‘ Ansätzen von ‚Kreativität‘ erkennen. Ziel war es herauszufinden, ob von Seiten der Interviewten Unterschiede zwischen hierarchisch geprägten Entwicklungsstrategien von ‚Kreativität‘ und egalitären und individualistischen Ansätzen gemacht werden. Darüber hinaus galt es zu eruieren, wie die Experten die Auswirkungen der einzelnen Teilkulturen aufeinander bewerten. Mit dieser Vorgehensweise sollte sowohl die Reaktionsbereitschaft stadtpolitischer Akteure in Bezug auf Ansätze der kulturellen und kreativen Szenen sowie der Grad der Wechselwirkung von städtischen Ansätzen mit nicht-städtischen erfasst werden.
250 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN Reaktionsvermögen und Rückkopplung
Bezugnehmend auf die Frage, in welchem Verhältnis ‚geplante‘ Ansätze von ‚Kreativität‘ zu nicht geplanten oder gesteuerten Ansätzen im urbanen Raum stehen, konstatierte ein Großteil der Experten eine offensichtliche Wechselwirkung der beiden Handlungskonzepte. Dabei verorteten die Befragten – und zwar erneut kulturenübergreifend – das Interaktionsverhältnis vorrangig als eine Form der notwendigen Ausrichtung von städtischen Handlungsansätzen an nicht-städtischen, d.h. im vorliegenden Untersuchungsbeispiel egalitären und individualistischen Handlungskontexten: Während Akteure aus dem wissenschaftlichen Feld die Beobachtung ‚ungeplanter‘ Ansätze durch die hierarchische Kultur und darauf aufbauende städtische Handlungsparameter schlichtweg als folgerichtig erachten – „Wenn man so was planen muss, schaut man immer auf das, was entstanden ist. Es wäre unlogisch, wenn man das nicht machen würde.“ (IP4) –, bestätigen auch Experten aus der Stadtverwaltung, dass aufgrund der Komplexität der Kultur- und Kreativwirtschaft städtische Ansätze in hohem Maße von einer Ausrichtung an und Reaktionsfähigkeit auf organisch gewachsene und damit ‚ungeplante‘ Strukturen geleitet sein sollten: „Also in dem Bereich machen wir noch viel mehr als in anderen Bereichen die Beobachtung, dass man sehr flexibel und reaktionsfähig in Bezug auf solche Veränderungen sein muss, wenn man da überhaupt erfolgreich sein will.“ (IP9) „Man sollte die Augen offen halten und gucken, was sich entwickelt, weil es vielleicht eine große Chance ist in vielen Fällen. [...] Es ist ja nicht ganz einfach, solche geplanten Ansätze zu initiieren, von daher bieten ungeplante Ansätze auch eine große Chance, wenn es denn eine vernünftige Organisation innerhalb der jeweiligen Gruppe gibt und wenn der Ansprechpartner für die Stadt da auch funktioniert.“ (IP10)
Der Rückgriff auf bereits existierende Prozesse und Entwicklungen von Akteuren aus der egalitären und individualistischen Kultur hängt IP6 zufolge in hohem Maße von der Beobachtungsgabe, aber auch von dem Willen der hierarchischen Kultur ab, die Handlungspraxis ihrer Governance-‚Objekte‘ zu durchdringen, die es weniger über eine Top-Down Steuerung als vielmehr in ihrer Selbststeuerungsfähigkeit zu unterstützen gelte. Sofern hierarchische Akteure dieses Einfühlungsvermögen nicht leisten können, wäre es laut IP6 ratsam, Mittler einzusetzen, die ihnen die Gelegenheit zur Innensicht in die Handlungsprozesse der egalitären und hierarchischen Kultur bieten. Durch dieses Vorgehen könnten zugleich ‚Leerstellen‘ aufseiten der kulturellen und kreativen Akteure erfasst werden, die die städtische Kultur durch das Einschalten von Organisationsberatern, Projektentwicklern oder Kuratoren im Sinne einer Unterstützung aufgreifen und damit erneut eine Ableitung für ihre eigene Handlungspraxis generieren könnte (Vgl. IP10). Vor diesem Hintergrund ant-
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wortet IP6 auf die Frage, dass ‚ungeplante‘ Ansätze dann Auswirkungen auf ‚geplante‘ Ansätze haben, „wenn ‚geplante‘ Ansätze geschickt sind und eine Beobachtungsgabe haben zu sehen, was funktioniert durch welchen Mitteleinsatz: selbstorganisiert oder in welchen Konstellationen auch abseits der formalisierten, geplanten städtischen Strukturen. Und dass sie dann beginnen ihr Handeln daraufhin zu modifizieren. Das Entscheidende ist, welche Beobachtungsgabe und -fähigkeit sie haben. Und das ist natürlich etwas, was man sich z.B. über systemische Organisationsberater einkaufen kann, die einem dazu verhelfen und dann kann es gelingen, dass sie ein klein wenig erstaunt sind über positive Effekte von selbstorganisierten, unintendierten Prozessen.“ (IP6)
Als Beleg für die Wichtigkeit einer verstärkten Orientierung städtischer Akteure an der Handlungsweise der egalitären und individualistischen Kultur merkt IP2 an, dass diese aus städtischer Sicht auch deshalb signifikant sei, da Prozesse wie das Gängeviertel in Hamburg gezeigt hätten, was für eine Macht ‚ungeplante‘ Ansätze entfalten können. So hatte die Besetzung dazu geführt, dass die Hansestadt einem Rückkauf des Gängviertelgeländes – und damit den Forderungen der Akteure – zu erheblichen finanziellen Kosten zugestimmt hatte. Eine Rückkopplung der städtischen Kultur gegenüber ‚ungeplanten‘ Ansätzen, dies konstatiert IP18 aus seiner künstlerischen Innensicht, sollte allerdings nicht darin bestehen, jeder Forderung von Seiten der egalitären oder individualistischen Kultur direkt nachzukommen, sondern vielmehr Bedürfnisse in einem dialogischen, offenen Verfahren auf Augenhöhe zu erfragen und zu diskutieren: „Also keine Sachen vorzugeben, auch nicht alle Wünsche von den Lippen abzulesen oder jeden Wunsch zu befürworten, sondern eher in einer öffentlichen Diskussion auf die Wünsche und Bedürfnisse der Künstler einzugehen.“ (IP18) Die Notwendigkeit, einen Dialogprozess zwischen den Kulturen zu aktivieren, um Impulse bestmöglich aufgreifen zu können, bestätigt auch IP12 aus der hierarchischen Kultur, verweist in diesem Zusammenhang aber zugleich darauf, dass ein Verständnis für die Handlungspraxis der kulturellen und kreativen Akteure nicht ausreiche, sondern v.a. auch mit einer Anpassung der städtischen Instrumente einhergehen müsse: „Gerade wenn es um das Thema Kreativität oder Kreativwirtschaft oder kulturelle Produktion geht, wird man immer auf einen Dialogprozess angewiesen sein, weil sich gerade für diese Zielgruppe Dinge nicht steuern lassen. Das stellt ja in sich schon ein Paradoxon dar. Da ist die öffentliche Hand, die da vielleicht noch mit einem alten Planungsverständnis hineingeht, absolut in der Pflicht ihre Instrumente anzupassen und diese Instrumente mit einer größtmöglichen Offenheit und Flexibilität auszustatten und Modelle zu entwickeln, die einen Dialog auf Augenhöhe möglich machen und die prozessorientiert sind und weniger andere vor vollendete Tatsachen stellen.“ (IP12)
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Aus Sicht der egalitären und individualistischen Experten kommt erschwerend hinzu, dass die Reichweite einer Modifizierung der städtischen Handlungspraxis insofern begrenzt sei, dass kulturelle und kreative Akteure hierarchische Ziele selten als übereinstimmend mit ihren eigenen Zielen erachten und deshalb ein Zugehen auf ihre eigenen Handlungsmotive nicht immer als zukunftsweisende Praxis, sondern als Indienstnahme oder Funktionalisierung ihrer Arbeit bewerten: „Mein Eindruck ist, dass die Stadt versucht, diese ‚ungeplanten‘ Ansätze einzufangen, um sie planbar zu machen, beherrschbar sozusagen. Wie mit der Kreativ Gesellschaft.“ (IP14) Eine Instrumentalisierung befürchtet auch IP17, der konstatiert, dass ‚ungeplante‘ Ansätze erst zu einem Zeitpunkt von stadtpolitischen Akteuren aufgegriffen werden, wenn diese bereits als etabliert gelten: „Erst wenn das Produkt erforscht und auf den Markt gebracht ist und funktioniert, erwirbt man es.“ (IP17) IP14 geht sogar so weit zu sagen, dass städtische Handlungspraxen ‚ungeplanten‘ Ansätzen deshalb nur nachgeschaltet sein können: „Die Straße ist immer schneller als die Stadt.“ Aneignungsformen können insofern als Kommodifizierungskritik verstanden werden, dass der kritische Gehalt des Handelns der kulturellen und kreativen Akteure zum Bestandteil eines hegemonialen Machtdiskurses avanciert. Auch weitere Experten stimmen der Wichtigkeit einer auf Rückkopplung basierenden Handlungspraxis der städtischen Kultur zu, benennen aber auch deutliche Grenzen. Dazu gehöre auf der einen Seite die überproportional ausgeprägte Selbstreferentialität städtischer Akteure, die noch stärker aufgebrochen und auf die Bewohner der Stadt ausgerichtet werden müsse (Vgl. IP13).8 Denn solange kein Verständnis für die Handlungslogik der kulturellen und kreativen Akteure von Seiten der stadtpolitischen Verantwortlichen spürbar sei, würde nicht nur das Selbstverständnis, sondern auch der Wirkungsradius von städtischem Handeln massiv leiden: „Das andere ist der Blick auf die Funktionsweise von ungeplanten Ansätzen und damit die Beobachtungsfähigkeit und in dem Sinne auch die Selbstbeschreibung, was staatliches Handeln heute überhaupt leisten kann oder leisten soll. Zurückgebrochen auf das Individuum braucht es dazu auch ein gewisses Maß an Selbsterkenntnis und da ist die Schwierigkeit, inwiefern das Institutionen oder Organisationen überhaupt leisten können. Wie können diese eine Selbstbeschreibungsfähigkeit entwickeln, damit sie die Grenzen ihres Handelns auch beobachten können.“ (IP6)
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„Letztlich ist der Stadt schon klar bzw. den Politikern, dass sie sich an ihren Bewohnern oder ‚Kunden‘ orientieren müssen, jedes Unternehmen macht das par excellence. Aber Stadt hat eine eher auf sich selbst gerichtete Sichtweise und macht Dinge so, wie Politiker oder Verwaltungsbeamte sich das denken.” (IP13)
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Auf der anderen Seite sei ein Aufbrechen derselben insofern begrenzt, dass zwar eine erhöhte Lernbereitschaft im Sinne einer Rückkopplung an egalitäre und individualistische Prozesse gefordert werden könne, eine völlige Zurücknahme von Steuerung jedoch nicht möglich sei, da dies das Selbstverständnis der planenden Akteure in Frage stellen würde. Ein zu starkes Eingehen auf nicht-geplante Ansätze hätte ansonsten essenzielle Konsequenzen für die Planung selbst: „Lernen bedeutet ja auch, dass man begreifen muss, Steuerung zurück zu nehmen. Und Steuerung zurücknehmen bedeutet im Kern, sich selbst ein Stück weit überflüssig zu machen. Und das ist etwas, was diese quasi in Jahrhunderten gewachsenen Verwaltungsstrukturen nicht können, also sich selbst als unnötig zu denken. [...] Das können sie nicht, das dürfen sie aber auch nicht. Eine Organisation, die sich selbst als unnötig denkt, geht nicht, sondern alle Organisationen setzen sehr viel Energie da hinein, sich selbst unverzichtbar zu machen.“ (IP8)
Im Extremfall, so berichten Experten aus dem verwaltenden Bereich, habe die Bereitschaft der städtischen Kultur, auf ‚ungeplante‘ Ansätze von ‚Kreativität‘ zuzugehen, dazu geführt, dass Akteure aus der egalitären Kultur den Willen der Stadt zur Rückkopplung überproportional ausreizen würden, etwa indem sie angebotene Räumlichkeiten ablehnen, die in weniger populären Quartieren zu finden sind. Dies würde in der Konsequenz wiederum dazu führen, dass die hierarchische Kultur ihre Zugeständnisse wieder deutlich reduzieren würde: „So ist auch die Initiative ‚Not in our name‘ ein bisschen weit gegangen [...]. Wenn wir denen billige Flächen irgendwo anbieten, die in Langenhorn sind oder Wilhelmsburg, dann werden sie nicht angenommen. Da ist ja auch ein gewisser Öko-Snobismus dabei.“ (IP11) Das Zitat macht damit deutlich, dass das Verständnis der gegenseitigen Bezugnahme von ‚geplanten‘ und ‚ungeplanten‘ Ansätzen und der Formulierung von Angeboten, wie etwa über Räumlichkeiten, von vielschichtigen Komplexitäten überlagert wird: Während städtische Akteure von der Auffassung geleitet scheinen, dass durchaus Ortsvorgaben mit der Bereitstellung von Räumen verbunden werden können, werten kulturelle und kreative Akteure dies nicht selten als eine Art der Funktionalisierung für stadtentwicklungspolitische Interessen. An diesem Beispiel lassen sich große Diskrepanzen zwischen dem Willen der städtischen Kultur, Akteuren aus ‚ungeplanten‘ Kontexten Angebote zu unterbreiten und ihrer Bereitschaft, darüber hinaus eine Offenheit in Bezug auf seine Rezeption durch die Nutzer aufzubringen, festhalten. Ein dialektisches Verhältnis
Im Rahmen der Betrachtung der vorliegenden Untersuchung durch die Perspektive der Cultural Theory wurde deutlich, dass Rückkopplungen nicht nur eindimensional erfolgen, d.h. von Seiten der hierarchischen Kultur in Bezug auf die egalitäre und
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individualistische Kultur, sondern dass auch die Akteure der letzteren beiden Kulturen laut Auffassung der Experten in einem dialektischen Verhältnis zur hierarchischen Kultur verortet werden: „Ich glaube, das bedingt sich irgendwie, zumindest dann, wenn es einen Zusammenhang gibt. Und die meisten Ansätze brauchen ja doch die Stadt, also vielleicht nicht in der ersten Initiative, aber später schon.“ (IP2) Auch IP11 merkt an, „es bedingt alles immer alles“, dies sei jedoch nicht immer nur förderlich, sondern mache es teilweise nur „noch schwieriger steuerbar“ (IP11). IP8 ergänzt, dass die Debatte um eine Wechselwirkung von Akteuren aus der kulturellen und kreativen Szene mit stadtpolitischen Vertretern vielerorts sehr negativ konnotiert sei, etwa wenn aufgrund von bestehenden Vorurteilen bestimmte Kooperationsformen gar nicht erst gesucht, geschweige denn erprobt werden. Anstatt bestehende Wechselwirkungen produktiv zu nutzen, würden gegenseitige Abgrenzungen verstärkt: „Es gibt in Hamburg so eine dogmatische Debatte, die ganz fatal ist, die dann einzelnen Akteuren schon verbietet, mit der Obrigkeit ins Gespräch zu kommen. Aber in so einer Stadt geht es gar nicht anders, als dass man mit der Politik oder Verwaltung irgendwann mal ins Gespräch kommt.“ (IP8) Als Beispiel für eine Abhängigkeit zwischen Akteuren aus unintendierten Kreativitätskontexten und Vertretern der Stadtpolitik führt eine Vielzahl von Experten die Notwendigkeit guter Produktionsbedingungen für Künstler und Kreative über günstig verfügbare und zentral gelegene Räumlichkeiten sowie bereitgestellte Fördermöglichkeiten an. Letztere würden dabei nicht nur Forderungen an die Stadt stellen, sondern im Gegenzug auch einen korrektiven Einfluss auf die Stadt ausüben, indem sie, wie IP17 anführt, die hierarchische Kultur auf aus ihrer Sicht mangelhafte stadtpolitische Gewichtungen oder fehlgeleitete Handlungsansätze verweist, wie es über die Kritik der Initiative „Not in our name“ geschehen sei: „Ähnlich wie bei Richard Florida, wo man zumindest sagen kann, danke für die Vokabeln, wir haben aber spezifischere Probleme hier, kann man bei den ‚Recht auf Stadt‘-Akteuren sagen, danke für das Wachrütteln.“ (IP17) Die aus dieser Kombination resultierende Bezugnahme zwischen städtischen und nicht-städtischen Akteuren verdeutlicht einmal mehr die Interdependenz zwischen den einzelnen Kulturen, wie sie dem Verständnis der Cultural Theory zugrunde liegt: „Stadtpolitik ist ja auch Gruppenarbeit.“ (IP21) Dialogbereitschaft und Ergebnisoffenheit
Um dies umzusetzen, macht ein Großteil der Experten aus der egalitären und individualistischen Kultur darauf aufmerksam, dass mögliche Ansätze eines planenden bzw. steuernden Umgangs von ‚Kreativität‘ maßgeblich von einem respektvollen, wechselseitigen Umgang mit den beteiligten Akteuren geleitet sein müsse, d.h. dass die verschiedenen Kulturen zum einen in einen verstärkten dialogischen Umgang
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miteinander treten müssten9, zum anderen eine grundsätzliche Ergebnisoffenheit von städtischer Seite unabdingbar sei. Dabei reiche es nicht aus, eine offene Haltung zu postulieren, wie über das Hamburger Gutachten (FHH/BSU 2010) geschehen, diese müsse auch konstant praktiziert werden: „Es reicht natürlich nicht zu sagen, ich bin offen, das ist schon eine Entwicklungsanstrengung.“ (IP13) Gleichwohl bezieht sich die Forderung nach Ergebnisoffenheit auf das Grundverständnis der Planung, konkrete und oftmals zu starre Ziele aufzustellen, die im Rahmen des vorliegenden Kontextes von einem Großteil der Experten als äußerst hinderlich bewertet werden. Folgt man ihrer Meinung, müsse eine Orientierung an ‚ungeplanten‘ Ansätzen damit verbunden sein, sich von konkreten Zielvorgaben zu lösen, u.a. um auf diesem Wege Kurskorrekturen einziehen und Rückfallpositionen entwickeln zu können: „Und was ich als ganz zentralen Punkt finde, ist, dass Stadtentwicklung immer noch an Zielvorgaben gekoppelt ist. [...] Und diese Zielvorgaben sind natürlich tödlich für all das, was da passieren könnte, weil Menschen, die über so was in eine kreative Haltung gebracht werden, von vornherein nur in einer Spur denken können.“ (IP16) „Wie kann man eine kritische Schwelle dieser Interaktion in Gang setzen? Man kann sie stimulieren, Incentives setzen, aber der Erfolg ist nicht garantiert. Man muss also eine Rückfallposition haben. Dann wird es eben bescheidener, dann wird es eben kein Kreativquartier, sondern Kunsthandwerker-Quartier, ist auch wunderbar.“ (IP4)
Im Gegensatz zur Sorge von Experten aus der hierarchischen Kultur, die es als große Herausforderung bewerten, auf die regulierenden Fähigkeiten eines ergebnisoffenen Prozesses zu vertrauen, da das ‚Unplanbare‘ noch immer, wie IP8 anführt, eine massive Hürde für Planer darstelle10, fordern Befragte aus der egalitären Kultur
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Dazu konstatiert IP1: „Ich denke in jedem Fall müsste es aber Dialoge geben zwischen den beiden Ansätzen. [...] Genauso wie es Dialoge geben muss zwischen den Bewohnern bestimmter Orte, wo Veränderungen stattfinden, muss es natürlich zwischen der Politik und der Verwaltung einerseits und den spontanen kreativen Szenen oder auch den organisierten kreativen Szenen andererseits einen Dialog darüber geben, was gebraucht wird, wo sie vielleicht Probleme haben, oder wo es vielleicht Verdrängungsprozesse gibt, wo man dann rechtzeitig dagegen agieren müsste.“
10 Angesichts einer Akzeptanz der ‚Unplanbarkeit‘ merkt IP8 an: „Ich glaube schon, dass ungeplante oder organische Ansätze einen Einfluss haben, der allerdings bedeuten würde, dass diejenigen, die von städtischer Seite agieren, sagen, wir lernen davon. Also dieses Lernen würde ja ein paar Dinge voraussetzen, nämlich erstens, dass man akzeptiert, dass da etwas ist, von dem man lernen kann.”
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weniger Skepsis von Seiten der Planer zugunsten eines Vertrauens in ihre Fähigkeiten. Ergebnisoffenheit sei nicht automatisch mit Chaos gleichzusetzen, sondern produziere essenzielle Verantwortlichkeiten, wenn die städtischen Akteure nur bereit seien, „los[zu]lassen und [zu] schauen, was kommt oder was da passiert“ (IP19). „Ich glaube, da ist einerseits tatsächlich eine große Angst davor, das Uneinschätzbare, Unplanbare im Planungsprozess geschehen zu lassen, in dem guten Gewissen und Wissen, dass wenn Leute involviert werden, eine Sache ganz bestimmt nicht stattfindet, nämlich Verantwortungslosigkeit. Das Gegenteil ist der Fall, denn es werden Verantwortungen geschaffen. Aber diese Erfahrung muss scheinbar erst einmal gemacht werden. Es ist fast schon beängstigend, wie wenig Fantasie da zu sein scheint, dass ‚etwas geschehen lassen‘ nicht bedeutet, dass es im Chaos endet.“ (IP15)
Konflikthaftigkeit
Als letztes Indiz für eine gegenseitige Einflussnahme von städtischen (‚geplanten‘) und nicht-städtischen (‚ungeplanten‘) Ansätzen kann im Rückgriff auf die Expertenaussagen die Konflikthaftigkeit zwischen den verschiedenen Akteursgruppen geltend gemacht werden, wie sie bereits in Kapitel 1.3 als wesentlicher Bestandteil der Cultural Theory aufgezeigt worden war. Indem die Befragten auf der einen Seite konstatieren, dass städtische Ansätze heute vielfältige Handlungsparameter aufweisen, die in enger Ausrichtung an die kulturellen und kreativen Akteursszenen entwickelt worden sind, tun sie dies nicht, ohne auf damit verbundene, unüberwindbare Konflikte hinzuweisen. Dabei lässt sich eine interessante Polarisierung in den Aussagen der Experten ausmachen: Während Akteure aus der egalitären Kultur durch die skizzierte Praxis v.a. eine Funktionalisierung ihrer Arbeitsweisen fürchten, zeigen sich Vertreter aus der hierarchischen Kultur darüber in Sorge, dass mit einer zu exponierten Förderung von ‚Kreativität‘ im urbanen Raum vorwiegend Partikularinteressen einer Minderheit bedient würden. So fürchten egalitäre Akteure eine Unterstützung durch die hierarchische Kultur auch dann, wenn sie ihnen eigentlich zunutze ist. Dies sei dann der Fall, wenn im Fall des Gängeviertels zu beobachten sei, „wie sich dort jetzt eine Art von Planung draufsetzt“ (IP22) oder wenn Bürgermeister aus anderen Städten anfragen, „ob die Akteure nicht auch zu ihnen kommen könnten, sie hätten ebenfalls alte Fabrikgebäude, die besetzt werden könnten“ (IP17). IP19 geht sogar so weit, dass er städtische Ansätze, die sich einer Förderung von ‚Kreativität‘ verschrieben haben, als hinderlich bzw. widersprüchlich für die eigene Handlungspraxis bewertet, da das eigene Selbstverständnis in hohem Maße von einer Abgrenzung von städtischen Handlungsparametern geprägt sei: „Es zerstört einfach den ganzen Zauber, wenn das angeguckt wird. Es zerstört die Kraft dieser kreativen Zellen. Ich glaube es liegt gerade daran, dass das keiner
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anguckt. Das müsste man schon sehr gut machen, dass man das schützt und trotzdem daraus lernt.“ (IP19) Demgegenüber identifizieren hierarchische Experten dann Konfliktpunkte, wenn kulturelle und kreative Akteure solch hohe Forderungen artikulieren, dass das Selbstverständnis und die Aufgaben von Stadtpolitik in Frage gestellt würden. Dazu gehört zum einen die Kontroverse zwischen der Förderung von teilweise als Partikularinteressen verorteten Forderungen der kulturellen und kreativen Szenen mit gemeinwohlorientierten Interessen der Stadtpolitik.11 Zum anderen speist sich die Konflikthaftigkeit für stadtpolitische Vertreter aus der Sorge, dass der Einfluss der kulturellen und kreativen Akteure auf ihre Handlungspraxis eine unverhältnismäßig starke Gewichtung erhalten könnte. So merkt IP11 an, dass die Causa Gängeviertel „ein Trauma für viele städtische Mitarbeiter [ist]. Die sagen ganz klar, dass die Stadt zu viele Zugeständnisse gemacht hat. [...] Denn wenn die Akteure sagen ‚kleiner Finger, ganze Hand’, wenn die Stadt jetzt politisch gezwungen ist, dann macht sie gar keine Zwischennutzungen mehr.“ (IP11) Auch IP4 aus dem wissenschaftlichen Feld führt die immens hohen Kosten an, die für das Gängeviertel geflossen sind, da nur relativ wenig Akteure von dieser Subventionierung profitieren würden: „Da kann ja jeder sagen, ich möchte auch mal umsonst wohnen.“ (IP4) Aus dieser Perspektive betrachtet reagiert auch IP7 aus der Kreativszene auf die Frage, ob ‚ungeplante‘ Ansätze seiner Meinung nach mehr Einfluss auf ‚geplante‘ Ansätze von ‚Kreativität‘ haben sollten, mit der Aussage, dass dies viel zu risikoreich sei, da eine solche Praxis u.a. unverhältnismäßige Haltungen in der Gesamtstadt produzieren würde, die schließlich mehr Akteure umfasse als die der kulturellen und kreativen Szene: „Nein, das ist sogar gefährlich. So passiert es jetzt grad in Hamburg, dass einige Leute beginnen, keine Grundsteuer mehr zu bezahlen, weil das die Leute im Gängeviertel auch nicht tun. Sobald etwas von der Stadt akzeptiert wird und dadurch nachvollziehbar wird, besteht die Gefahr, dass andere es nachmachen.” (IP17)
11 So stellt IP2 fest: „[...] häufig ist es ja auch so, dass bestimmte Gruppierungen nicht unbedingt im Sinne des Gemeinwohls agieren, sondern durchaus individuelle Interessen verfolgen. Für die Stadtplanung gilt es da einfach die Balance zu halten, also auf der einen Seite offen zu sein und Dinge zu ermöglichen, vielleicht auch unkonventionelle, aber es kann natürlich auch nicht so sein, dass es dazu verkommt, Partikularinteressen zu bedienen. [...] Und eine Stadtplanung, die das Gemeinwohl aller Interessensgruppen im Auge haben muss, steht vor dem Spagat auf der einen Seite Möglichkeiten für Räume zu finden und auf der anderen Seite das Ganze aber nicht zu einer Schräglage führen zu lassen, dass Künstler und Kreative so hochsubventionierte Mieten erhalten wie kein anderer Berufszweig oder auch Private es haben.“
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Die Konflikthaftigkeit zwischen den verschiedenen Ansätzen verdeutlicht damit nicht nur die Kausalzusammenhänge zwischen den einzelnen Organisationsformen im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt, sondern auch die Notwendigkeit ihrer Existenz als Zeichen für unterschiedliche Typen sozialer Organisation.
4.2 S TRATEGISCHE K REATIVPLANUNG DER IBA H AMBURG Nach der Annäherung an grundsätzliche Überlegungen zur Plan- oder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ wurden im zweiten Teil der Experteninterviews die konkreten Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg aufgerufen, welche als Sonderformat der Stadtentwicklung eine besondere Rolle im Kontext von kreativitätsbasierten Entwicklungsvorhaben einnimmt. Im Mittelpunkt stand zunächst die Frage nach den Zielstellungen der von der IBA umgesetzten ‚strategischen Kreativplanung‘, wie sie aus Sicht der Experten wahrgenommen werden (Kap. 4.2.1), sowie dem Kreativitäts- und Planungsverständnis, das den Ansätzen zugrunde liegt und das Handeln der IBA Hamburg leitet (Kap. 4.2.2). In Anlehnung an die Cultural Theory sollte analysiert werden, ob im IBA-Kontext hierarchische, hierarchischindividualistische oder hierarchisch-egalitäre Steuerungsformen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt Anwendung finden. Dazu wurden allerdings nicht die Begrifflichkeiten der Cultural Theory angeführt, sondern die einzelnen Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg – Räume für die Kunst, Kreative Ökonomien - Kunst macht Arbeit, Kunstplattform und Projekte der kulturellen Vielfalt – in Bezug auf ihre Konzeptionierung sowie ihre praktische Realisierung (Kap. 4.2.3.1). Zusätzlich wurde – anders als im theorieorientierten Teil der Experteninterviews – das semantische Differential als Hilfsmittel für die Bewertung der einzelnen Steuerungsansätze der IBA Hamburg herangezogen. Daran anschließend wurden Governanceformen, die sich aus Sicht der Experten aus der Planungspraxis der IBA Hamburg ableiten lassen, zur Disposition gestellt (Kap. 4.2.3.2) und das Verhältnis der IBA-Strategien zu ‚ungeplanten‘ Ansätzen von ‚Kreativität‘ hinterfragt (Kap. 4.2.3.3). Abschließend wurde der Untersuchungsfokus auf mögliche Konsequenzen gelenkt, die mit der praktizierten ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg aus Sicht der Experten verbunden scheinen (Kap. 4.2.4), sowie auf die Frage der Übertragbarkeit und Modellhaftigkeit des Ansatzes über das Stadtentwicklungsgebiet Wilhelmsburg hinaus (Kap. 4.3.5).
4.2.1 Zielsetzungen Nach der grundsätzlichen Auseinandersetzung der Experten mit der Frage der Planoder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ im urbanen Raum wurde in der Überleitung
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zum Untersuchungsgegenstand der IBA Hamburg dezidiert der Neologismus der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt eingeführt. Zum Zweck der gleichen Verständnisvoraussetzung wurde der Begriff zunächst expliziert und eine Definition geltend gemacht, die in Anlehnung an die theoretische Erfassung des Untersuchungsgegenstandes in Kapitel 1.3.2 erfolgt war. Die Definition sollte als Grundlage für die Analyse der Handlungspraxis der IBA Hamburg dienen. Vor dem Hintergrund des skizzierten Verständnisses einer kreativitätsbasierten strategischen Planung wurden die Experten einleitend befragt, worin sie die hauptsächlichen Zielsetzungen des Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“ sehen. Ziel der Einstiegsfrage war es, die Bekanntheit des IBA-Programms, besonders aber die mit seiner strategischen Ausrichtung verbundene Intention zu erfassen. Bis auf IP8 und IP19 kamen alle Experten der Aufforderung nach, interessanterweise war letzterem – trotz seiner Wohnhaftigkeit auf der Elbinsel – die Bezeichnung „Kreatives Quartier Elbinsel“ nicht geläufig.12 In den Aussagen der restlichen Interviewpartner stellten sich die mit dem Programm assoziierten Zielstellungen äußerst mannigfaltig dar, mit Zuschreibungen, die von gesellschaftspolitischen (1) über kulturell-kreative (2) bis hin zu wirtschafts- oder stadtentwicklungspolitischen Zielen (3) reichen. Einige wenige Experten bewerteten die Zielstellung des Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“ als unklar oder widersprüchlich. Gesellschaftspolitische Ziele
Interessanterweise sind es besonders Vertreter der planerischen Szene sowie vereinzelte Akteure aus der Wissenschaft und Anwohner, die den Ansätzen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg an vorderster Stelle eine integrative Zielstellung attestieren. Anknüpfend an die internationale Bewohnerschaft Wilhelmsburgs würde es in den kreativitätsbasierten Programmen primär darum gehen, das kulturelle Potenzial der Bewohnerschaft anzusprechen, aufzugreifen und nutzbar zu machen. Damit sprechen v.a. IP2, aber auch IP21 dem Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ eine strukturfördernde Intention zu, die den konstatierten sozialen und kulturellen Missständen in Wilhelmsburg entgegenwirken und – analog zum Bildungsansatz der IBA Hamburg – die Zugänge der Bewohnerschaft zu Kunst, Kultur und ‚Kreativität‘ verbessern soll: „Die IBA als solche versteht sich ja als baukulturelles Format. Sie ist ein interdisziplinäres Format, [...] und in diesem Kontext hat Kunst und Kultur auch einen großen Stellenwert. [...] Und die vier Handlungsfelder des Kreativen Quartiers folgen im Grundzug der Idee, in einem Stadtteil, in dem viele unterschiedliche Kulturen leben, der bislang eher von Nachteilen und
12 In diesem Zusammenhang konstatiert IP19: „Also diesen Begriff ‚Kreatives Quartier Elbinsel‘ hab ich jetzt noch nicht gehört, also grad in Verbindung mit Elbinsel noch nicht.“
260 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN Problemen gekennzeichnet war, mithilfe der Kreativität neue Akzente zu setzen, Menschen und Projekte auf unkonventionelle Weise zusammenzubringen, Sinnstiftung zu schaffen und auf diese Weise einfach diesem Quartier Empowerment für Esprit und Strukturwirksamkeit geben.“ (IP2) „Also ich denke, dass Kreativität als Mittel für Integration eingesetzt wird.“ (IP21)
Die enge begriffliche Zusammenführung von ‚Kreativität‘ und Diversität findet sich auch in den Aussagen von IP4 wieder, der ausgehend von der Zielstellung „die Diversität auf den Elbinseln zu erhöhen“, die Schaffung einer urbanen Atmosphäre postuliert, die er als „Umkehrung“ beschreibt, d.h. „dass hier diese kreativen Aktivitäten eben auch einen ergänzenden nachholenden Urbanisierungsprozess ermöglichen“ sollen. Seinen Ansatz fasst er mit dem Vergleich zusammen: „Früher sagte man Innovation in nicht-innovativen Milieus und bei der IBA geht es um Kreativität in nicht-kreativen Milieus.“ (IP4) ‚Kreativität‘ tritt hier als personengebundene und vorrangig soziokulturell definierte Ressource auf, der die Möglichkeit zugeschrieben wird, endogene Potenziale zu aktivieren und über die Befähigung der Akteure langfristig zur Lösung von gesellschaftlichen und sozialen Problemen beizutragen. Diese Indienstnahme von ‚Kreativität‘ als Instrument der soziokulturellen Stimulation konsolidiert IP4 zuletzt mit der Aussage, dass es nach seinem Ermessen „um den Stadtteil und nicht um die Kreativförderung [geht]. Kreativförderung ist ein Mittel, um dort [auf der Elbinsel, Anm. d. Verf.] eine höhere Diversität und eine höhere Lebensqualität zu erreichen.“ (ebd.) Folgt man diesen Aussagen, so stehen weniger die Akteure der kulturellen und kreativen Szenen als die lokale Bewohnerschaft im Mittelpunkt des Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“, die gewissermaßen ‚kreativisiert‘ werden soll. Während ‚Kreativität‘ in den zitierten Expertenaussagen stark gesellschaftspolitisch und eng mit Diversität sowie Urbanität zusammengedacht wird, findet eine engere künstlerisch-kulturelle Kontextualisierung der Zielsetzung – mit Ausnahme von IP1 – nicht statt. Diesem zufolge impliziert die Zusammenführung von Diversität und ‚Kreativität‘ nicht nur eine Aktivierung der Bewohnerschaft vor Ort, vielmehr würde es darum gehen, mithilfe der kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien kulturelle und kreative Akteure für Wilhelmsburg zu interessieren: „Es geht gewissermaßen darum, den Diversitätsgedanken komplex zu interpretieren. Und für mich gehört das ‚Kreative Quartier Elbinsel‘, also die Förderung von Künstlerinnen und Künstlern, genauso zu einer Strukturentwicklung für Wilhelmsburg wie bspw. die Bildungsoffensive. [...] gewissermaßen eine Gegenstrategie [...] zur sozialen und kulturellen Verarmung, die in den letzten Jahren in Wilhelmsburg stattgefunden hat.“ (IP1)
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Kulturell-kreative Ziele
In Abgrenzung zu einem primär gesellschaftlich geleiteten Impetus sehen eine Vielzahl weiterer Experten die Zielstellung des „Kreativen Quartiers Elbinsel“ und damit den Ansatz der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg, wie schon bei IP1 angeklungen, eng mit der Adressierung kultureller und kreativer Akteure sowie damit einhergehender Standorteffekte verwoben. Nach Aussage einiger Befragten wird damit eine Zielstellung sichtbar, nach der die kreativitätsbasierten Maßnahmen der IBA Hamburg v.a. dazu aufgelegt seien, Wilhelmsburg als Ort für künstlerisch-kreative Entwicklungen zu verankern. Dabei habe der Ansatz der IBA Hamburg „einen weniger strategisch nutzbaren Wert zur Steigerung von Kreativität“ (IP7), als die Funktion, durch die Quantität der Ansätze, besonders aber die temporäre Dauer des Formates IBA eine „Aufwärmphase für wirkliche Kreativitätsentwicklungen“ (IP7) zu generieren. Interessanterweise werden laut IP7 die Maßnahmen der IBA eher als Vorstufe denn als bereits praktizierte Kreativentwicklungen verstanden. IP13, der der individualistischen Kultur zuzuordnen ist, bescheinigt der Zielstellung der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg in diesem Zusammenhang gar eine prozessuale Qualität, was u.a. auf eine Aufweichung des strategischen Planungsbegriffes derselben schließen lässt. Während die Zielsetzung zu Beginn der IBA-Laufzeit noch deutlich von kreativwirtschaftlichen Zielen geleitet gewesen sei, innerhalb derer man versucht hätte, durch entsprechende Maßnahmen „die prosperierenden Kräfte auf den Elbinseln [zu] befördern“, habe sich mittlerweile ein Wandel vollzogen, bei dem es darum gehe, gute „Rahmenbedingungen für Künstler und Kreative auf den Elbinseln zu schaffen“ (IP13). Die Bewertung der Zielstellung der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg als Strukturförderansatz wird auch von IP18 geteilt und mit der Vorstellung zusammengefasst, dass es erklärtes Ziel sei, mithilfe von spezifischen Maßnahmen „ein kreatives Milieu auf der Elbinsel [zu] zeigen und auf[zu]bauen“, d.h. „auf der Elbinsel Kreative anzusiedeln bzw. Gegebenheiten oder Orte zu schaffen, an denen Kreativität möglich ist oder stattfindet“ (IP18). Auch Akteure aus der hierarchischen Kultur wie IP9 oder IP11 verstehen unter der Zielstellung des IBA-Programms eine Maßnahme, die davon gleitet sei, den „bezogen auf gesamt Hamburg sicher unterdurchschnittlich entwickelten Anteil von im kreativen Milieu tätigen Menschen [...] zu erhöhen und Milieus zu schaffen, auch räumlich-physisch oder aber institutionell, die das begünstigen“ (IP9). Oder wie IP11 es formuliert: „Das kreative Potenzial, das vor Ort ist, zu mobilisieren, möglichst breit gefächert und mit möglichst vielen unterschiedlichen Akteuren, die durch die Sondermittel, die die IBA hat, eine Plattform bekommen, um sich zu treffen, auszutauschen, neue Projekte zu kreieren.“ (IP11) Die Ermöglichung von langfristigen Entwicklungen, u.a. durch das finanzielle Kapital der IBA, werden dabei mit der Anmerkung relativiert, dass die Zielstellung deutlich von den späteren Er-
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gebnissen unterschieden werden müsse, da die tatsächliche Realisierung von vielen weiteren Faktoren abhänge. Die kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien der IBA Hamburg verfolgen in diesem von den Experten skizzierten Zusammenhang zum einen das endogene Ziel der Bereitstellung von Rahmenbedingungen, von denen sich kulturelle und kreativ(wirtschaftlich)e Akteure in Wilhelmsburg angesprochen fühlen. Gleichwohl sei der Ansatz der IBA von der exogenen Vorstellung geleitet, mit den gebotenen Konditionen Akteure aus dem externen kulturell-kreativen Feld anzuziehen, um damit u.a. Folgeeffekte wie eine Neukonnotation des Ortes herbeizuführen. Wirtschafts- und stadtentwicklungspolitische Ziele
Darüber hinaus gibt es einige Experten, die die ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg v.a. von ökonomischen und stadtentwicklungspolitischen Zielen geleitet sehen. IP10 antwortet auf die Frage nach der Zielstellung des Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“, dass es für ihn deutlich um „die kreative Aufladung der Elbinsel“ gehe. Die Förderung schöpferischer Potenziale, aber auch die Profilierung des Standortesimages durch ‚Kreativität‘ würde dabei mit der Zielstellung einhergehen, „neue Arbeitschancen für Menschen auf der Elbinsel“ (IP10) zu generieren. Auch IP16 bestätigt ein Vorgehen, nach der die Kreativprogramme der IBA Hamburg v.a. darauf abzielten, „dass Menschen, die nicht unbedingt ein Leben unter dem Vorzeichen der Kreativität geführt haben, in kreative Prozesse eingebunden werden und darüber lernen, ihr Leben selbst kreativ in die Hand zu nehmen“. Die endogene Kreativitätsförderung sei immer auch mit einer exogenen Perspektive verbunden, schließlich gehe es für die IBA darum, neue Akteure in Wilhelmsburg anzusiedeln, „in der Hoffnung, dass sich darüber irgendwelche ökonomischen Effekte ergeben und die Leute darüber überleben können“ (ebd.). Die ökonomische Ausrichtung der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg bekräftigt auch IP15, sieht die Parameter allerdings deutlich kritischer. Das Handeln der IBA Hamburg sei seiner Auffassung nach weniger davon geleitet, ernstgemeinte Befähigungsprozesse umzusetzen, als „unter dem Deckmantel Partizipation und ‚Kreatives Quartier‘ [...] doch klassische Wirtschaftsförderung zu betreiben“ (IP15). Die Implementierung kreativitätsbasierter Entwicklungsstrategien im Planungsformat IBA führt dazu, dass viele der Befragten eine deutliche Vermischung der Zielstellung des „Kreativen Quartiers Elbinsel“ mit stadtentwicklungspolitischen Zielen konstatieren. Die Verflechtungen werden insbesondere durch die Nennung des stadtentwicklungspolitischen Leitbildes „Sprung über die Elbe“ deutlich, das IP20 zufolge der Auslöser dafür gewesen sei, kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien überhaupt erst mit Wilhelmsburg zusammenzudenken. Der Begriff ‚Kreativität‘ habe „bis zu dem Zeitpunkt, als dann der ‚Sprung über die Elbe‘ formuliert wurde, eigentlich überhaupt keine Rolle für Wilhelmsburg gespielt. [...] es ging immer um soziale Probleme, es ging um Bildung etc.“ (IP20) Die Verknüpfung von
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stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen und kreativitätsbasierten Programmen tritt IP7 aus der individualistischen Kultur zufolge so deutlich hervor, dass man im Rahmen der IBA von der Intention sprechen könne, „mittels Kultur und Kreativität Stadtentwicklung zu betreiben“ (IP7). Dabei bewertet IP7 das Handeln der IBA Hamburg weniger als Instrumentalisierung, denn als katalysatorische Kraft, „bestimmte innovative oder kreative Effekte“, die in Wilhelmsburg nicht gegeben seien, zu befähigen (IP7). Die Indienstnahme von ‚Kreativität‘ für stadtentwicklungspolitische Interessen leiten Experten wie IP20 dabei nicht nur aus dem aktuellen Kreativitätsdiskurs ab, der eng mit stadtplanerischen Motiven verzahnt sei13, IP2 sieht diese vielmehr unmittelbar mit dem Selbstverständnis der IBA Hamburg und ihrer politischen Initiierung verwoben. Es gehe – in Anlehnung an das stadtentwicklungspolitische Leitbild „Sprung über die Elbe“ – darum, „die Strahlkraft des Quartiers [...] zu erhöhen“ (IP2). Entsprechend seien auch die Kreativansätze der IBA Hamburg davon geleitet, „in einem Quartier, was bisher wenig von Kreativen heimgesucht wird, Impulse zu setzen, damit man auch weiter Kreative, aber auch neue Zielgruppen ansprechen kann“ (ebd.). Damit kommt diese Zielstellung v.a. einer Imagepolitik gleich, wie sie in Kapitel 2.3.1.3 mit dem auf die Außenwirkung setzenden Ansatz des ‚Creative City‘-Narrativs dargelegt worden war. Die skizzierte Imagepolitik wird auch von IP21 als Zielstellung der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA bekräftigt, gleichwohl in Bezug auf sekundäre, ganzheitliche Effekte ausgeweitet, bei der durch neue Zielgruppen auch positive Effekte für die Bevölkerungszusammensetzung und die damit verbundene wirtschaftliche Situation vor Ort entstünden. Die Intention der Kreativprogrammatik der IBA sei darauf ausgerichtet, „dass eine Stabilität durch die kreativen Menschen entsteht und damit auch Menschen anzieht. Dass sich in Wilhelmsburg die Kaufkraft erhöht und auch eine Bevölkerungsdurchmischung stattfindet. Und dass es Effekte für das Gemeinwesen gibt, wenn man Richtung Bildung und Integration schaut.“ (IP21) Zuletzt konstatieren IP22 und IP6, dass die ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg nicht nur künstlerisch-kreative, sondern auch „räumliche, wirtschaftliche und stadtentwicklungspolitische Folgeerscheinungen“ (IP22) intendiere. In diesem Zusammenhang zeichne sich die Handlungspraxis der IBA u.a. dadurch aus, mithilfe von kreativitätsbasierten Entwicklungsprogrammen einen „Perspektivwechsel“ (IP6) einzuleiten, auch wenn der „intendierte Weg im Sinne einer Umprogrammierung dieses Raumes“ (ebd.) nach wie vor offen bleibe. In diesem Zusammenhang gibt IP3 zu bedenken, dass für die vielfältigen Ziele der IBA Hamburg der
13 Diesbezüglich erklärt IP20: „Kreativität ist ein wichtiger Faktor in der Stadtentwicklung und da die IBA ja ein Modell darstellen soll, wie sich Stadt im 21. Jahrhundert entwickelt und da anhand einiger Themen, die sie für wichtig erachtet, versucht Beispiele zu entwickeln, muss natürlich dieses Thema Kreativität hier auch verhandelt werden.“
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gewählte Titel „Kreatives Quartier Elbinsel“ hinderlich sei, da dieser nicht nur den Anschein des „Aufspringen[s] auf einen fahrenden Zug“ im Sinne der inflationären Verwendung der Kreativitätsdiskurse markiere, sondern in Bezug auf die Hamburger Elbinsel einen „Widerspruch“ darstelle, da „nicht alles auf dieser Elbinsel [...] kreativ [sei]“ (IP3). Der letzte Kommentar hebt noch einmal die Gefahr der Künstlichkeit hervor, der Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt durch ihre Überführung in Labels oder Entwicklungsprogramme ausgesetzt sind.
4.2.2 Kreativitäts- und Planungsverständnisse Die dargelegten Expertenaussagen zur Zielsetzung der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg haben anklingen lassen, dass ihre Handlungspraxis von spezifischen Kreativitäts- sowie Planungsverständnissen durchdrungen scheint, die nicht nur in unmittelbarer Verbindung miteinander stehen, sondern auch Auskunft über das Grundverständnis der IBA Hamburg zur Plan- bzw. Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ geben. Aufbauend auf den vier Handlungsfeldern des „Kreativen Quartiers Elbinsel” waren die Experten im Rahmen der Befragung deshalb mit der Frage konfrontiert worden, welches Verständnis von ‚Kreativität‘ sich im Ansatz der IBA Hamburg abzeichnet und wie sie dieses, auch in Bezug auf das damit verbundene Planungsverständnis, bewerten. Ziel der Frage war es, das aus Sicht der Experten zu identifizierende Nutzungsverständnis von ‚Kreativität‘ im Ansatz der IBA Hamburg zu durchdringen und seine Auswirkung auf die Handlungspraxis einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA zu erfassen. Kreativitätsverständnisse im Handlungsansatz der IBA Hamburg
In den Gesprächen mit den Experten wurde schnell deutlich, dass keine einheitliche Meinung zum Kreativitätsverständnis der IBA Hamburg vorherrscht, sondern ihre Praxis vielmehr durch multiple Definitionen gekennzeichnet scheint: „Ich erkenne dort nicht nur einen, sondern verschiedene Kreativitätsverständnisse.“ (IP16) Während einige Experten weniger ein kreativwirtschaftliches Verständnis in der Handlungspraxis der IBA Hamburg verortet sehen, als eine Erfassung von ‚Kreativität‘ als „soziale oder künstlerische Zielrichtungen“ (IP2), als „verhältnismäßig konventionell“, da man „oft Künstler anspricht“ (IP3), als Format, in dem „ganz schön viel Kunst drin[steckt]“ (IP6), wodurch dieses „sehr wenig elitär daherkommt“, sondern vielmehr „interdisziplinär“, da es „von Musikfestivals bis zur Bildenden Kunst [reicht], und Kreativität [...] nicht nur auf Räume begrenzt [ist] [...], sondern auch auf soziale Aktivitäten“ (IP5), attestieren andere Experten der Kreativpolitik der IBA Hamburg eine deutliche Loslösung von einer künstlerisch-schöpferischen Definition zugunsten einer Erfassung von ‚Kreativität‘ als sozio-kulturelle Ressource:
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„Ich finde, es steckt ein ziemlich soziokultureller Ansatz dahinter. [...] Es ist nicht mutig genug, um wirklich spektakulär zu sein. Vielleicht darf es das auch nicht sein. Und das ist so bisschen mein soziokultureller Ansatz, dass man sagt, das [der Kreativitätsbegriff des Kreativen Quartiers Elbinsel, Anm. d. Verf.] ist auch ein Stück selbstgenügsam. Immer mit einer bestimmten Beschränkung, es ringt nicht wirklich um das ganz Große, sondern es bleibt so behaftet. Vielleicht geht das nicht anders und muss dann in so Programmen so sein. Das Positive wäre ja zu sagen, es ist verwurzelt und hat Bodenhaftung, das Negative ist zu sagen, es fliegt nicht und es will auch nicht fliegen.“ (IP8)
Während IP8 der aus seiner Sicht sozio-kulturellen Definition von ‚Kreativität‘ im Rahmen der IBA Hamburg eine Auseinandersetzung mit lokalen Voraussetzungen bescheinigt, kritisiert er zugleich das fehlende experimentelle oder revolutionäre Potenzial, das ‚Kreativität‘ im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt innehaben sollte und das an das Assoziationsfeld um ‚Kreativität‘ im Sinne der schöpferischen Zerstörung nach Schumpeter erinnert. Stattdessen sei die vorrangig personengebundene Kreativitätsdefinition der IBA Hamburg laut IP12 weniger mit den kulturellen und kreativen Akteuren selbst verwoben, als mit der Vorstellung, dass ein jeder kreativ sein könne: „Hier würde ich das Kreativitätsverständnis immer als eines sehen, dass sich mit der Kreativität aller auseinandersetzt, also wo nichts vorgesetzt wird, wo angeregt wird, dass jeder sich selber einbringt oder dass das, was er mitbringt, eingebracht werden kann – ohne jetzt in eine bestimmte Form gepresst zu werden. Und das Ganze besitzt die Offenheit, sich an Personengruppen zu wenden, die nicht unter den Begriff kreativ fallen würden, was ich als sehr positiv sehe.“ (IP12)
Die mit dieser Interpretation einhergehende Aufweichung des Individualmerkmals ‚Kreativität‘ hin zu einer kollektiv erfahrbaren Eigenschaft eines jeden Menschen ist paradigmatisch für die Kreativitätsdebatte, wie sie in Kapitel 1.5 im Rahmen der US-amerikanischen Psychologie und ihrem Forschungszweig der Kreativitätsforschung dargelegt sowie anhand der Unterscheidung in „Cultural Creatives“ (Ray/Anderson 2001) und einer kulturbasierten ‚Kreativität‘ (Göhler 2006) oder der von Experten wie IP15 geforderten Unterscheidung in eine ‚freie‘ und eine ‚angewandte‘ Kreativität (Vgl. Kap. 4.1.1) aufgezeigt worden war. Letzterer ist es auch, der darauf aufmerksam macht, dass man zwischen dem Kreativitätsverständnis, das der Programmatik der IBA Hamburg zugrunde liegt und jenem, das in der Praxis erfahrbar wird, unterscheiden müsse. Während auf der programmatischen Seite durchaus „ein Begriff von Kreativität und kultureller Praxis“ wahrzunehmen sei, „der diesen Aspekt der ‚freien‘ Kreativität stark macht, auch als Potenzial für die Stadt, nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten“, sei die kreativitätsbasierte Handlungspraxis der IBA Hamburg maßgeblich davon beeinflusst, „dass ein hoch-
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gradig ökonomisch ausgerichteter, angewandter Kreativitätsbegriff zum Tragen kommt. Und da kracht es halt ständig, weil beides passt nicht zusammen.“ (IP15) Das Spannungsfeld zwischen einer akteursorientierten Erfassung von ‚Kreativität‘ und einer Indienstnahme derselben für ökonomische Verwertungszusammenhänge findet durch IP10 Bekräftigung, der festhält, dass die Kreativitätsmaßnahmen der IBA Hamburg in besonderem Maße durch eine nach außen gerichtete Imageorientierung gekennzeichnet seien: „Der Aspekt nach außen zu wirken ist hier schon stark [...].“ (IP10) Im Gegenzug gibt es Stimmen, wie IP22, der weniger Kritik an der ökonomischen Funktionalisierung des Kreativitätsbegriffes als an seiner Verbindung mit stadtentwicklungspolitischen Zielen übt. Insbesondere letzterer sei im Falle der IBA Hamburg nicht zu entkommen, da die stadtentwicklungspolitische Klammer die Grundvoraussetzung für die Entwicklung des Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“ darstelle: „Ich glaube nicht, dass es ein funktioneller Kreativitätsbegriff ist, wie er beim ‚Kreativen Quartier‘ angewendet wird, das Problem ist eher die Verbindung mit der Stadtentwicklung, der im Fall der IBA als Stadtentwicklungsprojekt ja aber der Ausgangspunkt ist. Also der Begriff Kreativität ist so verbrannt, im Grunde genommen kann man schon fast wieder damit arbeiten, weil klar ist, er umfasst eine ganze Menge. Aber schwieriger finde ich diese strategische Stadtentwicklung [...].“ (IP22)
Obwohl vielfältige Verwässerungseffekte durch die Transformation des Kreativitätsbegriffes konstatiert wurden, ist nach Auffassung von IP22 dem ‚strategischen Planungsverständnis‘ der IBA Hamburg eine wesentliche Einflussnahme bei der Ausgestaltung ihrer kreativitätsbasierten Entwicklungsprogramme zuzuschreiben. In Kapitel 1.2 war illustriert worden, dass die Ausformung der ‚strategischen Planung‘ maßgeblich darüber entscheidet, in welcher Form und Reichweite der Untersuchungsgegenstand proaktiv befördert oder aber für sekundäre Machtinteressen in Stellung gebracht wird. Welche Gewichtung auch immer geltend gemacht wird, so lässt sich mit IP14 übergreifend feststellen, dass der Ansatz der IBA Hamburg von der Vorstellung gekennzeichnet erscheint, dass „Kreativität [...] steuerbar [ist]“. Diese Grundannahme berührt in ihrer Konsequenz intensiv die Frage, wie Strategien im Rahmen der IBA gebildet werden und welche Zielstellung damit verbunden ist: Dominiert ein rationales, lineares Strategieverständnis, bei der die postulierte Zielstellung des „Kreativen Quartiers Elbinsel“ als Ziel-Mittel-Prozess fungiert oder liegt ein adaptives Strategiemodell vor, das aufgrund dynamisierter Umweltfaktoren einen Mittel-Ziel-Prozess abbildet (Vgl. Tab. 1)? Wesentlich an dieser in Kapitel 1.2.1 aufgezeigten Differenzierung war der daraus resultierende Steuerungsanspruch, der zwischen den Polen eines linearen und eines flexiblen Verständnisses variiert.
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Planungsverständnisse im Ansatz der IBA Hamburg
In Bezug auf das strategische Planungsverständnis, das den kreativitätsbasierten Ansätzen der IBA Hamburg zugrunde liegt, lässt sich keine eindeutige Meinung von Seiten der Experten ausmachen, vielmehr tritt eine Vielzahl an differenzierten Standpunkten hervor. Trotz des konstatierten ‚strategic shift‘ im Planungsverständnis (Vgl. Kap. 1.2.1) werden damit zusammenhängende Modifizierungen wie eine höhere Akzeptanz von Abweichungen, flexiblere Handlungspraxen oder die Anerkennung der Selbstorganisation von Individuen in der Rückkopplung mit den Aussagen der Experten im konkreten Planungsansatz der IBA Hamburg nur wenig sichtbar. IP6 etwa merkt an, dass er die im Rahmen der IBA Hamburg zu verzeichnende ‚strategische Kreativplanung‘ weniger als klassischen Planungsansatz, denn als Impulsgebung versteht, in deren Kreativitätsverständnis er insbesondere die Komponenten „Heterogenität und Experimentierreichtum“ von einer starken Kontrolle geleitet sieht, da nicht deutlich werde, wie entstandene Dynamiken aufgegriffen und in ihrem Entwicklungsfluss weiter befördert würden: „Inwiefern initiiert man Prozesse und lässt sie dann in eine Richtung laufen, die quer zur einmal gedachten Programmatik einer IBA-Heuristik und eines Kreativitätsverständnisses laufen. Wo gibt es da Grenzen? [...] Impulsgeben ist für mich gut, das leite ich aus dem Verständnis einer kreativitätsorientierten strategischen Planung ab, aber wo ist dann der Korridor, wo man festlegt oder wünscht oder auch nur meint, dass es sich dort zu bewegen hat. Wo ploppt was raus, geht etwas in eine Richtung, die man nicht intendiert hat und honoriert es dann trotzdem noch? Wo sind die Grenzen, wo sind aber auch die Gremien, die darüber entscheiden? [...] Wann wird das Experiment in die Tonne gekloppt, denn man will es gar nicht als gescheitertes Experiment verkaufen?“ (IP6)
Die Charakterisierung des Planungsverständnisses der IBA Hamburg als teiloffenen Prozess wird von IP3 und IP14 aus der individualistischen bzw. egalitären Kultur bestätigt, die den Ansatz ebenfalls als Mischform zwischen Bottom-Up und TopDown Prozessen anerkennen, allerdings kritisieren, dass von Seiten der IBA Hamburg nur wenig Ergebnisoffenheit und Reaktionsvermögen zu erkennen sei, die sie unabdingbar für einen steuernden Umgang mit ‚Kreativität‘ begreifen: „Ein Problem dahinter ist, dass bei der IBA einerseits viele Bottom-Up Projekte zu erkennen sind, also gemäß der Tendenz, das informelle mit der formellen Planung zu verzahnen und dieser ein stärkeres Gewicht zu geben, also Stadt mehr von unten mit den Akteuren zu entwickeln. Auf der anderen Seite hat das Ganze dann aber immer noch so einen Top-Down Beigeschmack, weil von außen ein Ufo mit gut ausgebildeten Akademikern in so einem Nicht-Ort landet und man eigentlich versucht von der anderen Seite der Elbinsel einen anderen Schwung reinzukriegen.“ (IP3)
268 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Wenn du das Ganze mal systemtheoretisch denkst, funktioniert ja das System am besten, oder überhaupt nur, wenn es in ständiger Interaktion mit seiner Umwelt ist, mit umliegenden Systemen und auch in der Lage ist, sich veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Und die Anpassungsfähigkeit sehe ich bei der IBA nicht.“ (IP14)
Die Beschreibung des Planungsansatzes der IBA Hamburg als Hybrid, das zwar nicht von vorgefertigten strategischen Intentionen und daran gekoppelten Maßnahmen, wohl aber von einem relativ engen Handlungsgerüst ausgeht, in dem bestimmte Teilziele erreicht werden sollen, konfligiert deutlich mit dem Verständnis von IP1, demzufolge der Planungsansatz der IBA Hamburg in hohem Maße von „offenen Konzepten“ geleitet sei, die sich v.a. dadurch auszeichnen, dass „im Kunst- und Kulturbereich ja keine messbaren Ziele gesetzt“ worden seien (IP1). Das Spannungsverhältnis, das zwangsläufig im Kontext eines planenden oder steuernden Zugriffs auf ‚Kreativität‘ sichtbar wird, wird auch vom Geschäftsführer der IBA Hamburg bekräftigt, demzufolge es nicht darum gehe „künstlerische und kulturelle Entwicklungen vor[zu]geben oder strategisch [zu] planen“, sondern „Möglichkeitsräume zu schaffen, die genügend Offenheit besitzen, sich selbst zu entwickeln und dadurch weiter fortbestehen können“ (Hellweg 2011: 66). Um eine Entstehung im Sinne einer Initialzündung zu begünstigen oder eine Weiterentwicklung nach der Impulsgebung durch die IBA Hamburg sicherzustellen, würden viele der Projekte gerade in ihrer Anfangsphase eine Form der „Unterstützung“ benötigen, die mithilfe der IBA Hamburg erfolge (Vgl. ebd.). Vor diesem Hintergrund bewertet Hellweg die von Seiten der kulturellen und kreativen Szenen, aber auch der Wissenschaft artikulierten Forderungen nach der grundsätzlichen Ergebnisoffenheit einer ‚strategischen Kreativplanung‘ als nur teilweise erfüllbar. Entgegen der These, dass mit der Handlungspraxis der egalitären und individualistischen Szenen eine Unvorhersehbarkeit verbunden sei, konstatiert er ein paradoxes und damit unauflösbares Verhältnis derselben zur Stadtplanung: „Erst Planung schafft die Voraussetzungen für das Unvorhersehbare, erst die geplante Stadtentwicklung ermöglicht eine Vielfalt von Optionen, die sich zum Teil erheblich von den ursprünglichen Zielen und Zwecken unterscheiden oder ‚emanzipieren‘. Demgegenüber lassen sich die Ergebnisse von Nichtplanung deutlich einfacher und zuverlässiger prognostizieren. Abwesenheit von verantwortlicher Planung, so könnte man vereinfacht festhalten, führt zur Vernichtung von ökologischen und ökonomischen Ressourcen, zum Verlust von Öffentlichkeit – und damit auch Privatheit –, und zu tribalistischen gesellschaftlichen Strukturen.“ (Hellweg 2011: 112)
Zuletzt lässt sich im Rahmen der kreativitätsbasierten Maßnahmen der IBA Hamburg ein Planungsverständnis ablesen, das nach Meinung von IP7 und IP10 aus der individualistischen bzw. hierarchischen Kultur v.a. dadurch gekennzeichnet sei,
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dass es nicht als ‚Planung‘ bezeichnet werden könne, da diese Konnotierung nur nachteilige Konsequenzen nach sich ziehe. „Jeder, der bei Sinnen ist, würde nicht von ‚kreativer Planung‘, sondern von Kulturpolitik reden. Also kreative Planung ist ein Unsinn oder wirft einen zurück auf sämtliche Begriffsunschärfen.“ (IP7) Auch IP10 merkt in der Konfrontation mit dem Neologismus der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt an, dass er – obwohl er aus dem planenden Bereich stammt – eine grundsätzliche Schwierigkeit mit einer Zusammenführung der Begrifflichkeiten von ‚Kreativität‘ und Planung habe: „[...] ich würde die Ansätze der IBA im ‚Kreativen Quartier Elbinsel‘ jetzt nicht als Planung wahrnehmen. Für mich ist Planung immer diese klassische Vorgehensweise, also das Ziel vor Augen, den Blick dorthin und was kann man dann noch zack, zack... .“ (IP10) Vielmehr sei das Planungsverständnis der IBA Hamburg – analog zum stadtplanerischen Ausnahmeformat IBA – von einer Vorgehensweise geleitet, „die Experimentierräume öffnen will [...] – gerade beim Thema kreative Potenziale zu ermöglichen oder kreativen Akteuren Raum zu geben“ (ebd.). Dennoch stellt sich IP10 die Frage, „ob dieser Aspekt nicht noch viel stärker und radikaler sein könnte, also ganz stark auf das setzt, was Ermöglichen bedeutet und weniger auf das Hinstellen und selber Programme machen“. Angesichts der angeführten Expertenaussagen stellt sich das strategische Planungsverständnis, das den kreativitätsbasierten Maßnahmen der IBA Hamburg zugrunde liegt, zusammenfassend zwar nicht als rein lineares Strategiemodell dar, da es durchaus Lernprozesse und graduelle Justierungsmomente aufweist, zu denen etwa die Entwicklung des Gesamtprojektes „Kreatives Quartier Elbinsel“ als Konsequenz aus dem IBA Auftaktjahr sowie eine Abkehr von zentralistischen Steuerungsansätzen gezählt werden können. Gleichwohl werden die im Rahmen der IBA Hamburg entwickelten partizipativen Strukturen und ihre Lernbereitschaft von den Experten teilweise als so fehlerhaft bewertet, dass auch kein adaptives Strategiemodell identifiziert werden kann. Vielmehr muss das Planungsverständnis der IBA Hamburg als prozessuales Entscheidungsmodell gelten, in das Erkenntnisse aus beiden Strategiemodellen zugleich eingehen, wobei die attestierte Planungsrationalität durchaus auf eine Dominanz des linearen Planungsverständnisses schließen lässt. Der aus dieser Ausgangssituation resultierende Ansatz der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg ist mit zahlreichen Konsequenzen verbunden, die im Folgenden anhand ihrer konkreten Planungspraxis illustriert werden sollen.
4.2.3 Ansätze der Planungspraxis In Anlehnung an die Cultural Theory war im Rahmen des Anwendungsbeispiels die Frage von Bedeutung, ob sich die ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg
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durch hierarchische, hierarchisch-individualistische oder hierarchisch-egalitäre Steuerungsformen auszeichnet. Zu diesem Zweck wurden zunächst die vier programmatischen Handlungsansätze des „Kreativen Quartiers Elbinsel”– Räume für die Kunst, Kreative Ökonomien - Kunst macht Arbeit, Kunstplattform und Projekte der kulturellen Vielfalt – aufgerufen. Zur Sicherstellung eines vergleichbaren Kenntnisstandes über den Untersuchungsgegenstand wurden die spezifischen Handlungsansätze den Experten zuerst über kurze Originalzitate aus IBA-Texten (Klotz/Theis 20011a, 2011b; Fietz/Klotz 2011) vorgestellt, bevor sie mit der Frage konfrontiert wurden, wie sie die programmatische Ausrichtung des jeweiligen Handlungsfeldes mithilfe des semantischen Differentials bewerten (Vgl. Kap. 4.2.4). In einem zweiten Schritt wurden alle Experten bezüglich ihrer Einschätzung zur Realisierung der einzelnen Ansätze der kreativitätsbasierten Strategien befragt. Die Ergebnisse zur Bewertung werden im Folgenden anhand der Zweiteilung Programmatik und Realisierung der ‚strategischen Kreativplanung‘ (Kap. 4.2.3.1), daraus ableitbarer Governanceformen (Kap. 4.2.3.2) sowie ihren Bezügen zu anderen Organisationskulturen gemäß der Cultural Theory (Kap. 4.2.3.3) vorgestellt.
4.2.3.1 Programmatik vs. Umsetzung Bevor die Experten zu den einzelnen kreativitätsbasierten Handlungsansätzen der IBA Hamburg Bezug nahmen, kommentierten viele von ihnen – und zwar disziplinund institutionenübergreifend – das grundsätzliche Missverhältnis zwischen der Programmatik der IBA Hamburg und ihrer Umsetzung über konkrete Projekte. Sowohl Akteure aus dem planenden und verwaltenden Bereich merkten eine Diskrepanz an, wie etwa IP1 – „Im Wollen und in den strategischen Ansätzen ‚Kreatives Quartier’ sind sich da alle relativ schnell einig, aber in der praktischen Implementation gibt es große Brüche und nicht eingeübte Strukturen.“ – oder IP12: „Ich glaube, der Ansatz ist im Theoretischen komplett durchdacht und gut, ich glaube aber, dass es in der Praxis hapert, die Leute einzubinden, die wirklich aus einem anderen Feld kommen oder wirklich vor Ort ihre eigenen Realitäten leben [...].“ Gleichwohl konstatierten Akteure aus dem Kulturmanagementbereich wie IP5 – „Was an der IBA immer kritisiert wird, ist dass sie eigentlich gute Konzepte haben, aber die Umsetzung manchmal scheitert.“ – sowie Experten aus der kulturellen und kreativen Szene das Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg. Und auch IP15 merkte an, dass die IBA schlichtweg „unterfinanziert [ist], um das zu tun, was sie mit den Programmatiken hätte tun wollen“. Zur detaillierten Analyse werden im Folgenden die einzelnen Handlungsansätze der IBA Hamburg jeweils in Bezug auf ihre Programmatik sowie ihre Realisierung untersucht. Die Visualisierung der Bewertungsskalen (Polaritätsprofile), die mithilfe des semantischen Differentials erfasst wurden (Vgl. Kap.
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4.2.4), ist dabei von der Logik der Cultural Theory geleitet: In den nachfolgend präsentierten Abbildungen wird vereinfacht zwischen jenen Expertenaussagen unterschieden, die der Planung oder Verwaltung und damit der hierarchischen Kultur angehören (n=7), und jenen, die nicht der Planung oder Verwaltung zuzuschreiben sind (n=15), da sie entweder der individualistischen oder egalitären Kultur entstammen oder wie im Falle der Experten aus der Wissenschaft zwar zur hierarchischen Kultur gehören, sich jedoch in Bezug auf ihren Ansatz von ‚Kreativität‘ durch ein Nicht-Planungsverständnis auszeichnen. Die quantitative Verteilung der Experten sowie das Fehlen der fatalistischen Kultur war bereits in Kap. 3.2.2 mit der Stichprobenauswahl der Experten erläutert worden. Da es sich um keine quantitative, repräsentative Stichprobe handelt, wird in den folgenden Ausführungen auf die Darlegung der statistischen Werte verzichtet, ihre Ergebnisse sind allerdings in Diagrammform abgebildet. Ziel der Kontrastierung dieser Dichotomie aus PlanerExperten vs. Akteurs-Experten war es, abweichende Grundauffassungen zu prüfen, wie sie auch der Cultural Theory zugrunde liegen. Räume für die Kunst
Nach der Vorstellung des Handlungsansatzes Räume für die Kunst14 wurde selbiger als erster Bewertungsgegenstand für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg aufgerufen, wobei zunächst seine Programmatik interessieren sollte. Die Gegenüberstellung der Polaritätsprofile der Experten aus der Planung/Verwaltung (n=7) mit Experten aus dem nicht-planerischen Kontext (n=15) lässt in Abbildung 19 zunächst einige Gemeinsamkeiten deutlich werden. So wird die Programmatik
14 Beginnend mit dem Programm Räume für die Kunst wurde folgende Passage aus Klotz/ Theis (2011a: 62) zitiert: „Die Infrastrukturförderung ‚Räume für die Kunst‘ unterstützt kreative und künstlerische Strukturen und schafft Voraussetzungen für eine langfristige, lebendige Kulturszene auf den Elbinseln. Mit den Veringhöfen wird seit zwei Jahren ein Projekt modellhaft entwickelt. Es zeichnet sich durch eine frühzeitige Einbeziehung der zukünftigen Nutzer in den gesamten Entstehungsprozess sowie eine enge Rückkopplung an Belangen und Interessen im Stadtteil aus. Mit einem energetisch hochwertigen Sanierungskonzept sowie einem 30jährigen Mietvertrag soll ein langfristig interessantes Mietniveau für die zukünftigen Nutzer garantiert werden.“ Mit Klotz/Fietz (2011: 64) wurde ergänzt: „Die Künstlerinitiative, die das Projekt heute umsetzt, entwickelte sich im Prozess. Mithilfe der auf Beteiligungs- und Organisationsentwicklungsprozesse spezialisierten Projektentwickler conecco UG und STATTBAU HAMBURG wurde sie darin unterstützt, eine eigene Betreibergesellschaft zu gründen und nachhaltig angelegte Kooperations- und Kommunikationsstrukturen zu entwickeln. Das Konzept des Kunst- und Kreativzentrums Veringhöfe verbindet heute authentisch Kunst und Kreativwirtschaft, schafft Synergien und ist auf positive Entwicklungsimpulse für den Stadtteil ausgerichtet.“
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Räume für die Kunst aus Sicht der Befragten gleichermaßen als deutlich (klar – unklar), gegenwartsnah (überholt – zeitgemäß) und zumindest von der Tendenz her überzeugend (schwach – stark) wahrgenommen. Der Steuerungsgehalt des Ansatzes präsentiert sich für beide Akteursgruppen zudem mit einer leichten Neigung zur Öffnung (offen – geschlossen). Abbildung 19: Bewertung der Programmatik Räume für die Kunst (Planung/Verwaltung n=7 und Nicht-Planung/-Verwaltung n=15).
Quelle: Eigene Darstellung.
Betrachtet man die Polaritätsprofile in der Gegenüberstellung wird allerdings erkennbar, dass in entscheidenden Punkten durchaus differenzierte Meinungen zwischen den Vertretern der verschiedenen Planungsverständnisse vorherrschen. Während Angehörige der Akteurs-Experten die Ausrichtung der Programmatik Räume für die Kunst gewöhnlicher (konventionell – unkonventionell), aber auch artifizieller (organisch – künstlich) und weniger dynamisch (aktiv – passiv) bewerten als die Planer-Experten, schreiben sie der Programmatik außerdem einen höheren TopDown Steuerungsimpetus (Bottom-Up – Top-Down) sowie eine geringere Anpassungsfähigkeit zu (starr – flexibel). Am deutlichsten tritt die unterschiedliche Einschätzung in Bezug auf die abschließende Bewertung des Handlungsansatzes hervor, der sich für Vertreter der hierarchischen Kultur als durchaus erfolgreich dar-
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stellt, während Akteure aus der Kultur- und Kreativszene sowie der Wissenschaft diesen als weitestgehend fehlgeschlagen betrachten (gelungen – misslungen). Die Diskrepanzen lassen sich mit den Aussagen der Experten zur Realisierung des Handlungsfeldes Räume für die Kunst durch das Projekt VERINGHÖFE untermauern (Vgl. 2.2.2.1), das im Anschluss an die Bewertung der Programmatik als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ zur Disposition gestellt wurde. Während Experten der hierarchischen Kultur das IBA-Programm Räume für die Kunst noch als relativ konventionell bewerten, die Realisierung desselben über eine eingeschaltete Projektentwicklung jedoch als überaus innovativ einstufen, da gerade sie für die nötige Flexibilisierung und Bottom-Up Erdung, etwa durch die Hinführung der Nutzer zu einer Selbstorganisation sorge15, ist bei Vertretern aus der NichtPlanungskultur eine gänzlich gegensätzliche Bewertung abzulesen: Sie betrachten die Programmatik zwar als überaus essenziellen Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung’ der Stadt, machen allerdings deutlich, dass dieser durch das Gelenk der Projektentwicklung eine deutliche Erodierung erfahre, da sich in diesem ein offensichtlicher Steuerungsanspruch der IBA manifestiere: „Es [VERINGHÖFE, Anm. d. Verf.] ist etwas weniger experimentell als die Programmatik [Räume für die Kunst, Anm. d. Verf.], aber die VERINGHÖFE haben ein klareres Profil. [...] Ich finde es sinnvoll, aber erkauft mit dem Problem, dass es doch zunächst sehr Top-Down ist.“ (IP4) „Mein Eindruck ist schon, dass es ein Top-Down Verfahren ist, das die Künstler an das Ende nicht an den Anfang stellt.“ (IP5) „Das ist für mich ein klassischer Top-Down Prozess, der völlig beliebig irgendwo stattfinden kann. Das muss nicht hier sein, man kann überall sagen ‚Wir nehmen diese alte Fabrik, wir machen die energetisch hübsch und laden Künstler ein, das zu füllen’ und die kriegen da langfristige Verträge und ist gut. Meine persönliche These ist, dass das Projekt nie eine besondere Strahlkraft entwickeln wird.“ (IP14)
Die angeführten Zitate verdeutlichen, dass die ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg aus Sicht der zitierten Experten von einem Steuerungsanspruch geleitet ist,
15 So konstatiert IP3: „[...] der Ansatz ist auch innovativ [...]: Man stellt langfristig Räume zur Verfügung, die sind energetisch auch korrekt und ich brauche einen kleinen Katalysator, der die Leute zusammenbringt, die das dann aber in Selbstorganisation überführen.“ Und auch IP10 merkt an, dass es „grundsätzlich eine konventionelle Idee [ist], dass man einen Ort zur Verfügung stellt [...]. Ich fand allerdings die Art der Umsetzung, nämlich eine Projektentwicklung hinzu zu holen, sehr gut, über die sich die Künstlergruppe gefunden hat.“
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bei dem sowohl der Ort durch die Immobilie VERINGHÖFE als auch das Entwicklungsverfahren – die Einschaltung einer Projektentwicklung zur Findung von potenziellen Nutzern – vorgegeben ist. Anstatt eine sukzessive Entwicklung der VERINGHÖFE voranzutreiben, artikuliere die IBA auf diese Weise eine „Definitionsmacht“ (IP13), die sich äußerst nachteilig, u.a. durch konkreten „Widerstand“ (ebd.) von kulturellen und kreativen Akteure in Hamburg auswirke. IP15 gibt an, dass er zwar „den Raumaspekt sowohl für den ‚freien‘ als auch den ‚angewandten‘ Kreativitätsbegriff extrem zentral“ finde, die Ausführung mit den VERINGHÖFEN „aber genau den Versuch eines kreativen Clusterparks [darstelle]. Es gibt einen Projektentwickler, es wird nicht von den Kulturschaffenden selbst organisiert.“ In der Folge attestieren viele Experten den VERINGHÖFEN einen Verlust des ‚Organischen‘ sowie die Bereitschaft, sich ergebnisoffen und Bottom-Up auf ein Projekt einzulassen: „Ich finde, es ist ein total konventioneller Ansatz, aber ein schon bedeutender und wichtiger. [...] aber wenn ich jetzt auf die VERINGHÖFE gucke, dann habe ich das Gefühl, das ist total tot [...]. Obwohl dieser Ansatz also sagt, es ist eine Bottom-Up Geschichte, war es ja dann doch nicht so, wenn erst mal entschieden wird, was an diesem Ort verändert wird, bevor es richtig los geht.“ (IP19) „Die Programmatik von Räume für die Kunst ist in jedem Fall klar und deutlich und auch IBA-würdig. [...] Die VERINGHÖFE haben jetzt eine gute, klare Programmatik, sind mit dem jetzigen Konzept sicher auch gut zu vermitteln, zu kontrollieren und zu evaluieren, aber das Organische geht verloren.“ (IP17) „Im Prinzip finde ich es von der Ausrichtung her klar, die Zielvorgabe ist eindeutig. Ich finde trotzdem – zumindest in Bezug auf die VERINGHÖFE ist es so –, dass es schon eine gezielte Ansiedlung von Kreativen ist, was glaube ich nur bedingt funktioniert. Nichtsdestotrotz muss man der IBA natürlich zugute halten, dass die IBA versucht etwas auf den Weg zu bringen und zu moderieren bzw. durch die Projektentwicklerin moderieren lässt, die den Künstlern dabei hilft etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.“ (IP18)
Zusammenfassend stellt sich das Projekt für einige Experten als „zu überplant“ dar (IP22), schließlich hätte es nach Ansicht von IP22 ausgereicht, wenn ein Vorgehen gewählt worden wäre, bei dem die Verantwortlichen gesagt hätten, „es gibt dort eine günstige Miete, und die, die gerade auf der Suche nach einem günstigen Atelier sind, können dort einziehen“. Auch die IBA-Verantwortlichen selbst kommen zu der Schlussfolgerung, dass das Projekt aufgrund seiner Komplexität, aber auch der Vielzahl an Beteiligten, „für so ein selbstorganisiertes Format eine Überforderung [darstelle] – auch trotz der Projektentwicklung“ (IP2). Selbst wenn die Projektentwicklung „eine gute Idee“ gewesen sei, „weil die Alternative […] gewesen [wäre], dass die IBA selbst diese Rolle übernommen hätte, was aber sicher schwie-
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riger geworden wäre, u.a. aus Akzeptanzgründen“ (ebd.), habe das Instrument des eingeschalteten Intermediärs letztlich dazu geführt, dass die Künstlergruppe „ein Stück weit überbetreut“ gewesen und die eigentlich zu aktivierende Eigeninitiative minimiert worden sei. Gleichwohl merken Experten wie IP6 an, dass die Umsetzung der VERINGHÖFE ohne die IBA undenkbar gewesen wäre16, auch wenn das Projekt heute v.a. einen „Biotopschutz-Charakter“ (IP6) inne habe. Sei es auf der einen Seite nachvollziehbar, dass die IBA nicht sukzessive vorgehe, sondern verstärkt bauliche Dimensionen aufrufe – „Also ich kann es aus Sicht der IBA verstehen, das so zu machen, auch in solchen baulichen Dimensionen zu denken, denn es ist ja eine internationale Bauausstellung und keine internationale Kulturausstellung.” (ebd.) – tritt auf der anderen Seite ein Spannungsfeld zutage, nach dem Infrastrukturförderungen wie Räume für die Kunst deutlichen Grenzen unterliegen: Denn auch wenn die Offenheit vorhanden ist, Nutzer frühzeitig in Stadtentwicklungsprozesse einzubeziehen, bleibt der Moment des Zulassens ihrer Einbringung noch immer auf Seiten der Stadt verhaftet, die – wie über die Projektentwicklung der VERINGHÖFE – grundsätzliche Entscheidungen allein fällt. In der Konsequenz führe dies nicht nur zu erheblichen Zeitverzögerungen im Projektablauf, sondern wirke sich zu Lasten des Innovationsgehaltes des Projektes aus. Auch der von Seiten der Experten als gutgemeint verstandene Ansatz, neben einer frühzeitigen Einbeziehung der späteren Nutzer und einem ausgehandelten Mietvertrag mit mehrjähriger Laufzeit das Gebäude zusätzlich mit einer energetischen Sanierung langfristig zu sichern, erweist sich den Experten zufolge als zu überladen. Vielmehr sei der gegenteilige Effekt der Fall, da sich die gewünschte ‚organische‘ Entwicklung auf diese Weise plötzlich in ihr Gegenteil verkehre: „Der Innovationsgehalt machte sich ja einmal an dem Konzept, Nutzer und Betreiber gleich von Anfang an einzubinden, fest und an der energetischen Sanierung und das Ganze auf einem sehr komplexen Areal, sowohl was die Eigentumsverhältnisse als auch die bauliche Situation betrifft. Das hat inzwischen dazu geführt, dass das alles viel viel zu lange dauert für eine Gruppe von Künstlern und Kreativen.“ (IP2) „Ich finde das Aufgleisen und Hinführen zu so einer Immobilie schon zeitgemäß, anders geht das nicht. Die Länge des Mietvertrages und die hochwertige energetische Sanierung finde ich eigentlich ein bisschen viel. [...] Ich denke, solche Räume sollten ordentliche Standards haben, aber müssen die nach diesem Standard erfolgen und diese Mietsicherheit haben?“ (IP6)
16 „Im Falle der VERINGHÖFE kann man diese jetzt nicht ohne die IBA denken. Also die Programmatik ist das eine, aber sie muss mit der IBA gedacht werden, die sich auch entsprechend zeigen und in einem bestimmten politischen Feld positionieren muss.“ (IP6)
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Nach der Vorstellung des IBA-Handlungsansatzes Kreative Ökonomien – Kunst macht Arbeit17 wurden die Experten gebeten, diesen ebenfalls als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt zu bewerten, wobei zunächst die Programmatik in den Fokus gerückt wurde. Die Gegenüberstellung der Polaritätsprofile der Experten aus der Planung/ Verwaltung (n=7) mit den Experten aus der Nicht-Planung/-Verwaltung (n=15) lässt in Abbildung 20 erneut einige Gemeinsamkeiten deutlich werden. Abbildung 20: Bewertung der Programmatik Kunst macht Arbeit (Planung/ Verwaltung n=7 und Nicht-Planung/-Verwaltung n=15).
Quelle: Eigene Darstellung.
17 Die Programmatik Kunst macht Arbeit wurde anhand folgender Textpassage erläutert: „In der Projektreihe ‚Kunst macht Arbeit‘ greift die IBA Hamburg vorhandene Strukturen und Projektideen im Feld der Kreativität und der lokalen Ökonomien auf, um sie im gemeinsamen Diskurs für Wilhelmsburg weiterzuentwickeln. Ziel ist es, arbeitsmarktpolitische und stadtentwicklungspolitische Ansätze zusammenzubringen und modellhafte Projekte zwischen Non-Profit-Organisationen, sozialen Trägern, Künstlern und Kreativen anzustoßen. Dabei sollen insbesondere jene Akteure durch Empowerment und Wertschätzung an der Kreativdebatte teilhaben, die normalerweise von dieser ausgeschlossen werden.” [Herv. i.O.] (Klotz/Theis 2011a: 62)
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So wird die Programmatik aus Sicht der Befragten gleichermaßen verständlich wahrgenommen (klar – unklar), als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt gleichermaßen als normabweichend (konventionell – unkonventionell) und experimentell (gewöhnlich – experimentell) sowie gegenwartsnah (überholt – zeitgemäß) bewertet. Auch bezüglich des Steuerungsgehaltes sind sich die Experten einig, hier attestieren beide Expertengruppen dem Programm einen hohen Grad an Offensivität (aktiv – passiv) sowie Flexibilität (starr – flexibel). Die vergleichende Analyse der Polaritätsprofile der Experten macht deutlich, dass Vertreter aus dem nicht-planerischen Kontext die Ausrichtung der Programmatik als artifizieller (organisch – künstlich) und hermetischer einstufen (offen – geschlossen), dieser außerdem einen höheren hierarchischen Steuerungsimpetus (Bottom-Up – Top-Down) attestieren als Experten aus dem planenden oder verwaltenden Bereich. Obwohl letztere an der Erfolgsbilanz und Realisierungsfähigkeit des Steuerungsansatzes zu zweifeln scheinen, bewerten sie diesen zugleich als weitaus relevanter (bedeutend – belanglos) und erfolgversprechender (gelungen – misslungen) als die städtischen Vertreter. Die Beweggründe für die vorangegangenen Bewertungen lassen sich auch in den Aussagen der Experten zur Umsetzung des Programms Kunst macht Arbeit wiederfinden. Vertreter der hierarchischen Kultur bewerten die im Rahmen des IBA-Handlungsansatzes realisierten Projekte insbesondere aufgrund ihrer unkonventionellen Ausrichtung, d.h. ihrer Loslösung von geläufigen Kreativitätsdiskursen und ihrer Verbindung mit Produktionsprozessen, als zukunftsorientiert und strukturwirksam, weil sie „ein Potenzial von Nachhaltigkeit haben“ (IP1), „weil man damit sehr gut aufzeigen kann, wie man es schafft, Menschen in schwierigen Lebenslagen durch künstlerisch-kreative Tätigkeiten in Arbeit zu bringen oder sie zu befähigen sich selbständig zu machen“ (IP2). Oder wie IP9 anmerkt, weil die Projekte die Frage thematisieren, „was [...] jetzt langfristig eigentlich strategisch wichtig [ist] für die Städte oder auch für die Sicherung von Arbeitsplätzen oder Einkommen in der Zukunft“. Schließlich würden die Projekte, folgt man IP12, „eine Art Hilfe zur Selbsthilfe“ geben, d.h. „dass tatsächlich Leute in die Position gebracht werden, selber unternehmerisch oder künstlerisch aktiv zu werden“, wodurch es sich „strukturell viel besser entfaltet als ein Raum für die Kunst“. Auch Akteure aus dem wissenschaftlichen Feld teilen die positive Bewertung des strategischen Planungsansatzes, da aus ihrer Sicht zum einen das Thema ‚Arbeit‘ eine entscheidende Rolle im Rahmen von kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien erfahre18,
18 „Erstmal finde ich das Thema Arbeit super, denn es ist ein extrem gesellschaftsrelevantes, sehr in Transformation befindliches Thema. [...] Die Idee als solche, also Kreativität und Arbeit zu koppeln, das kommt den unkonventionellen Allianzen eigentlich am nächs-
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zum anderen der Lokalbezug eine Stärkung erhalte, wodurch sich dieser deutlich vom strategischen Planungsansatz Räume für die Kunst abhebe: „Bin ich ein großer Fan von [...]. Ich bewerte es weitaus besser als Räume für die Kunst, weil ich den Impuls gut finde, dass man noch mehr Rücksicht auf lokale Gegebenheiten nimmt, dass man auch dort ein Angebot schafft, das niedrigschwellig ist und tatsächlich Kreativität und lokale Ökonomien und Selfmade und Empowerment zusammenbringt.“ (IP18) „Das gefällt mir auf eine Art besser, weil es klarer ist. [...] Es ist für mich klar in seiner pädagogischen oder sozialen Ausrichtung und trotzdem glaube ich, dass in diesem Programm unkonventionelle Methoden möglich sind. Finde ich eigentlich ganz gut. Ich habe das Gefühl, dass die angewendeten Programme wie Kunst macht Arbeit und Projekte der kulturellen Vielfalt, die an den vorhandenen Sachen anknüpfen, die funktionieren ganz gut.“ (IP22)
Gleichwohl merken nahezu alle Experten eklatante Schwachstellen des Planungsansatzes an, die bereits im Vergleich der Polaritätsprofile anhand der abweichenden Bewertungen der unterschiedlichen Expertengruppen offenkundig geworden waren. IP21 konstatiert, dass der Ansatz inhaltlich betrachtet zwar zukunftsorientiert aufgestellt, jedoch von einem „große[n] Wunschdenken“ gekennzeichnet sei, dessen normativer Gehalt sich in der Umsetzung insofern niederschlage, dass „man vielleicht 100.000 Samen säen muss, von denen dann vielleicht fünf aufgehen“ (IP21). Demzufolge treffe der bereits im semantischen Differential als künstlich und TopDown diagnostizierte Handlungsansatz in der Praxis auf vorherrschende Markt- und Feldmechanismen, die seine Realisierungsfähigkeit, sollte die IBA Hamburg einmal nicht mehr als Katalysator agieren, maßgeblich in Frage stellen. Vor diesem Hintergrund äußert IP7 auch wenig Verwunderung, dass einige der von der IBA initiierten Projekte in diesem Handlungsfeld schon jetzt nicht mehr existieren würden (Vgl. Kap. 2.2.2.2), schließlich sei das Programm „in hohem Maße künstlich, weil sich sicherlich wenige der Projekte auf einem normalen Wege ergeben haben, aus den Bedingungen einer Chance oder einer Opportunity oder aus vorhandenen Ressourcen heraus“ (IP7). Eine Vielzahl der Befragten führt die Diskrepanz zwischen der Programmatik und der Umsetzung des strategischen Planungsansatzes darüber hinaus auf die Zusammenführung des Themas Kultur- und Kreativwirtschaft mit dem Bereich der Soziokultur zurück, der im vorliegenden Untersuchungsbeispiel durch die Kooperation von Künstlern und Akteuren aus dem Kreativsektor mit Teilnehmenden in Beschäftigungsprogrammen gegeben sei. Dabei treffe der „hochgradig normative Ausgangspunkt“ (IP4) von Kunst macht Arbeit, der „schön ge-
ten und das finde ich von daher super. Auch andere Arbeitsfelder als Arbeitsfelder dadurch überhaupt erst sichtbar zu machen.“ (IP5)
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dacht, aber ein bisschen schwierig sei“ (IP6) auf den Anspruch, „dass Kunst nicht nur Arbeit macht, sondern auch Arbeit produziert, dass da wirklich Beschäftigungsformen entstehen können“ (ebd.). Folgt man IP7, so sei diese Form der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt „faktisch ganz nah dran an Sozialpädagogik. Das hat jetzt mit Arbeit im Sinne von notwendiger Arbeit oder kreativer Arbeit, die sich dem Markt stellt, relativ wenig zu tun.“ In der Konsequenz, so stellt IP14 zur Disposition, müsse hinterfragt werden, ob Menschen in Beschäftigungsprogrammen durch ein Format wie Kunst macht Arbeit „tatsächlich befähigt werden, sich in dem Bereich zu professionalisieren, ob es nicht nur eine vorübergehende schöne Maßnahme ist, die Spaß macht und bestimmt auch für die Einzelnen bereichernd ist“ (IP14) und auch IP20 gibt zu bedenken, dass trotz der modellhaften Ausrichtung des strategischen Handlungsansatzes geprüft werden müsse, „ob die Leute dann in der Folge mit ihren eigenen Handarbeitsprodukten Geld verdienen können“. Es überrascht daher wenig, dass der aus dieser Kontextualisierung hervorgehende Planungsansatz in der Folge vielfältige Spannungslinien birgt. So treffen der innovative, konzeptionelle Gedanke des Programms Kunst macht Arbeit, der IP15 insofern gegeben sei, da er versuche, „auch den klassischen Arbeitsbegriff zu überwinden in Richtung eines gesellschaftlich kulturell Tätigseins“, was „sowohl den Kunstarbeitsbegriff als auch den traditionellen Arbeitsbegriff [transformiere]“, auf eine Marktrealität, die ohne den treibenden und schützenden Faktor IBA nur schwer zu bewältigen scheint. In diesem Zusammenhang wirft IP15 der IBA Hamburg maßgebliche Fehler vor, die er damit begründet, dass diese – paradigmatisch für die städtisch-hierarchische Kultur – in ihrem Handeln v.a. mangelnde Experimentierbereitschaft und Ergebnisoffenheit demonstriert hätte: „Im Grunde ein noch besserer Gedanke als Räume für die Kunst. [...] Und das Ganze in kleinteiligen, experimentellen Foren auszuprobieren ist hochinteressant. Ist natürlich sowas von ungewöhnlich, das klar ist, dass so was sehr viel Raum, Zeit und finanzielle Ressourcen braucht, weil alle Akteure darin nicht geübt sind. Und genau daran hat es letztlich gemangelt. [...] Also das macht einen wütend, das ist eine totale Vergeudung von total interessanten Ressourcen. [...] Also da fehlt es total an der Bereitschaft, das als Innovation zu begreifen.“ (IP15)
IP13 hebt hervor, dass Kunst macht Arbeit zwar eine unkonventionelle und durchaus experimentelle inhaltliche Verknüpfung leiste, von Seiten der IBA Hamburg jedoch – trotz ihres Status als ‚Ausnahmezustand‘ – nicht mit genug Schubkraft
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verfolgt worden sei.19 Abschließend merken in diesem Zusammenhang selbst Vertreter der planerischen und verwaltenden Kultur an, dass in diesem Handlungsfeld realisierte Projekte u.a. durch ungeübte Verhaltensweisen zwischen den involvierten Akteuren als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg geschmälert worden seien: „Das Projekt Kunst macht Arbeit als solches finde ich hochgradig innovativ und auch erfolgversprechend, es hat sich aber auch gezeigt, wie mühsam es in der Umsetzung ist. Das Zusammenführen der Gruppen, die die IBA da im Auge hat, also Menschen ohne Arbeit und Beschäftigungsträger mit Künstlern und Kreativen, hat gezeigt, dass dies viel Arbeit und Betreuung braucht.“ (IP2)
Kunstplattform der IBA Hamburg
Die Kunstplattform20 wurde als dritter Bewertungsgegenstand für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg aufgerufen. Auch hier sollte zunächst die Programmatik des Ansatzes von den Experten mithilfe des semantischen Differentials beurteilt werden, deren Ergebnisse in Abbildung 21 in Form vergleichender Polaritätsprofile dargestellt sind.
19 So berichtet IP13: „Erstmal fand ich das supergenial. [...] Ich sehe aber, dass die IBA dort viel zu wenig Ressource drin hat in Bezug auf Manpower, die diese Organisationsentwicklung in Richtung Verwaltung, Politik umsetzt.“ 20 Zur Vorstellung der Programmatik wurde folgende Passage zitiert: „Seit 2008 richtet die IBA Hamburg eine Kunstplattform mit wechselnden Kuratoren aus, die sich mit der Schnittstelle von Stadtentwicklung, Kunst und Alltagsleben auseinandersetzt. Ziel ist es, die Bevölkerung und ihre Lebensräume vor Ort zum Mittelpunkt künstlerischer Projekte zu machen und Kunst als wichtigen Bestandteil von nachhaltigen Stadtentwicklungsprozessen hervorzuheben. 2008 fand die Kunstplattform erstmals unter dem Motto ‚Kultur | Natur‘ statt. 2009 und 2010 gestaltete ein neues Kuratorenteam die Kunstplattform unter dem Motto ‚Akademie einer anderen Stadt‘. Ausgehend von den Bewohnern der Elbinseln, ihrem kulturellen Wissen und kulturellen Praktiken verknüpften diese zeitgenössische künstlerische Praxis und interkulturelle Arbeit.“ [Herv. i.O.] (Klotz/Theis 2011a: 62f.). In Ergänzung wurde folgender aktueller Stand übermittelt: „Um Fortsetzungen des Engagements für und von Kunst vor Ort zu ermöglichen, hat sich auf Initiative der IBA eine Arbeitsgruppe aus Vertreter/inne/n verschiedener kultureller Bildungsinstitutionen, Schulen und freier Projekte gebildet, die die Idee einer Stadt-Kunst-Triennale entwickelt hat, mit dem Ziel, in weitem Umfang Kunstprojekte auf den Hamburger Elbinseln (und darüber hinaus) zu initiieren. [...] Zentraler Gedanke ist eine sinnvolle Verknüpfung von kontinuierlicher künstlerischer Bildungs- wie Forschungsarbeit und künstlerischer Projektarbeit mit dauerhaften Kunstformen.“ (Klotz/Theis 2011b: 65)
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Abbildung 21: Bewertung der Programmatik Kunstplattform (Planung/ Verwaltung n=7 und Nicht-Planung/-Verwaltung n=15).
Quelle: Eigene Darstellung.
Ähnliche Bewertungen erhält das Programm von beiden Expertengruppen in Bezug auf seine Außergewöhnlichkeit (konventionell – unkonventionell), seine Aktualität (überholt – zeitgemäß), seinen experimentellen Gehalt (gewöhnlich – experimentell) sowie seinen Aktivierungsgrad (aktiv – passiv). Auch die Überzeugungskraft (schwach – stark) sowie die Flexibilität (starr – flexibel) der Kunstplattform wird von beiden Expertengruppen als relativ ähnlich bewertet. Die vergleichende Analyse der Polaritätsprofile lässt aber auch Abweichungen hervortreten: So stellt sich die Programmatik Kunstplattform für Vertreter aus der Kreativszene durchaus offener als für Vertreter der städtischen Kultur dar (offen – geschlossen), zudem begreifen erstere diese hinsichtlich ihrer Genese weitaus natürlicher als städtische Vertreter (organisch – künstlich). Die größten Abweichungen lassen sich jedoch anhand der Frage der Bedeutung sowie der Bilanz des Programms als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt ausmachen: Während Vertreter aus dem nichtplanerischen Kontext der Kunstplattform weitaus mehr Potenzial zuschreiben als die städtischen Angehörigen, erachten sie das Programm zugleich als weniger bedeutungsvoll (bedeutend – belanglos) und erfolgreich (gelungen – misslungen). Im Rahmen der Expertenaussagen zur Umsetzung der Kunstplattform als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ wird deutlich, dass ein Großteil das Pro-
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gramm und seine Verwirklichung durch die kuratierten Formate KULTUR | NATUR und AKADEMIE EINER ANDEREN STADT zunächst als interessante Realisierungsformen für eine kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategie bewertet. Die Experten begründen ihre Bewertung zum einen mit der hohen Qualität der kuratierten Formate (Vgl. IP21), zum anderen mit der großen inhaltlichen Offenheit des Programms Kunstplattform, die IP16 mit dem Begriff der „Unberechenbarkeit“ beschreibt. In den Expertenaussagen wird gleichwohl deutlich, dass sich die Kunstplattform in ihrer Realisierung aber auch unverkennbaren Zwängen ausgesetzt sah: „Das finde ich sehr bedeutsam, weil [...] viele Menschen haben einen ganz bestimmten Kunst- und Kulturbegriff im Geist und man kann nicht über Diskussionen deutlich machen, dass Kunst in den Stadtraum gehört oder dass wir uns auch in einer neuen Zeit bewegen. Das muss man zeigen und erlebbar machen. Diesen Ansatz verfolgt ja die Kunstplattform und es wurde ein sehr hohes Niveau angeboten. Aber ich denke auch, das ist ein ganz zartes Pflänzchen, wo man ganz hart um Aufmerksamkeit kämpfen muss, was auch nicht so ohne weiteres verstanden wird.“ (IP21) „Die Kunstplattform ist ja deshalb so interessant, weil sie so unberechenbar war. Und dass diese Unberechenbarkeit stattfinden konnte, ist schon mal großartig. [...] Aber auf der anderen Seite [...] wäre es schöner gewesen, wenn man der Kunstplattform auch viel mehr Luft und Raum gegeben hätte.“ (IP16)
In Abgrenzung dazu gibt es einige Experten, die die Ausrichtung des Formates auf bildende Kunst im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt deutlich zur Disposition stellen. Während die inhaltliche Fokussierung für einige Befragte wie IP2 als logisches Betätigungsfeld im Rahmen von Stadtplanung auftritt, da sie „einfach mehr als die darstellende Kunst mit konkreten Planungsprojekten zu tun [hat], weil sie eben auch bildet, also nicht im Sinne von erziehen, sondern im Sinne von gestalten, und sich im öffentlichen Raum zu bewegen [...] und dadurch einfach eine größere Nähe zum Format einer Bauausstellung als eine theatrale Form [hat]“, kritisieren Experten wie IP18 oder IP8, dass bildende Kunst im Rahmen einer kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategie gar nicht, oder zumindest nicht in dieser Form, angebracht sei.21
21 So konstatiert IP18: „Finde ich ungewöhnlich und auch hier ist mir die übergeordnete Zielsetzung nicht ganz klar.“ IP8 fügt hinzu, dass die Kunstplattform für eine ‚strategische Kreativplanung‘ „nicht besonders gut [tauge]. Ich hätte hier das sehr deutliche Gefühl, dass das sehr stark temporär ist, die nachhaltige Wirkung an den Ort: da würde ich ein großes Fragezeichen machen. [...] Ich würde es tatsächlich eher als eine Intervention begreifen.“
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Die in den Zitaten hervortretenden Kritikpunkte spiegeln sich auch in der Frage wider, wer die Zielgruppe des Programms darstellt, da sich dieser Aspekt nach Auffassung der Experten maßgeblich auf die Ausgestaltung des strategischen Planungsansatzes auswirke. Soll mithilfe der Kunstplattform die Bewohnerschaft vor Ort erreicht werden, was einem integrativen, endogenen Zielverständnis nahe käme, wie es in Kapitel 4.2.1 anhand der verschiedenen Zielvorstellungen der Experten in Bezug auf das „Kreative Quartier Elbinsel” dargelegt worden war? Oder geht es vielmehr darum, mithilfe der Programmatik, aber auch der Strahlkraft der Kunstplattform exogene Zielgruppen anzuziehen und den Ort für kulturelle und kreative Akteure attraktiv zu machen?22 Darüber hinaus ist der Aspekt Bestandteil jenes Spannungsfeldes, das Experten aus der egalitären und individualistischen Kultur zwischen der Offenheit des Formates und seinen Zielvorgaben konstatieren. Die IBA Hamburg habe mit der Konstituierung des Ansatzes Kunstplattform nach ihrem Auftaktjahr zwar deutlich gemacht, dass sie mit ihren Strategien auf vorherrschende Kritiken zu reagieren in der Lage ist: „Hier war ja am Anfang durchaus das Gefühl da, dass die IBA ein lernfähiges System ist, insofern dass sie aus dem ersten Ansatz Kultursommer 2007 – groß angetreten, hohe Vielfalt, trotzdem aber zum Teil den Bach herunter gegangen – gelernt hat.“ (IP15) Und auch die Kuratoren der ersten Kunstplattform im Jahr 2008 hatten sich deshalb als umsetzende Akteure für das Programm überzeugt gezeigt, da sie glaubten, dass ein Format wie die Kunstplattform in der Lage sei, „Reflexionsmöglichkeiten und Handlungsräume, die der herkömmliche Stadtbau nicht kennt, zu erproben. Kunst in einer Bauausstellung markiert die Chance, ein reflektierendes und gestalterisches Potenzial zu nutzen, um die komplexen Dynamiken und Top-Down Prozesse einer politischen Stadtentwicklung im Sinne eines kollektiv erweiterten Stadtplanungsbegriffs ‚von unten‘ zu lenken und umzubauen.“ (Haarmann/Lemke 2008: 228)
Jedoch seien die Vorstellungen, die mit dem Programm Kunstplattform verbunden gewesen waren, wie IP15 anmerkt, nicht erfüllt worden, da man „im Grunde [...] mit der Kultur keine Kultur, sondern Werbeeffekte“ intendiert habe. Und IP19 ergänzt, dass die Kunstplattform „am ehesten so eine strategische Idee von Kreativität [transportiere], auch so den Blick zu lenken auf irgendwas“. Obgleich die IBA nach ihrem Auftaktjahr ihre kreativitätsbasierten Ansätze umgestellt und u.a. über das
22 In diesem Zusammenhang merkt IP12 an: „Bei dem Ansatz stellt sich mir die Frage, für wen das gemacht wird. Wenn das Ziel ist, den Ort, also die Elbinseln wirklich dahin zu entwickeln, dass sie sich zu einem kreativen Ort entwickeln, ist es bei diesem Projekt so, dass ich ganz stark das Problem sehe, auch wenn der Anspruch vorhanden ist, dass viele Leute vor Ort damit vielleicht gar nichts anfangen können.“
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Einschalten eines Kuratorenteams Definitionsmacht abgegeben habe, habe diese Modifizierung keineswegs zu einer Steigerung der Akzeptanz des Formates geführt, insofern dieses von Kritikern immer noch als Aufmerksamkeitsinstrument wahrgenommen würde. Nichtsdestotrotz habe die Umstellung aus Sicht der hierarchischen Kultur, folgt man IP1, nicht den gewünschten Effekt erzielt. Schließlich sei mit der Durchführung des Programms eine Situation entstanden, in der sich die Akteure der Kunstplattform so stark von der IBA im Rahmen ihres autonomen Handelns emanzipiert hätten, dass Forderungen entstünden seien, die von Seiten der IBA nicht erfüllbar gewesen seien: „Ich bin mir gar nicht mehr so sicher, ob es richtig war, dass wir 2008 die kuratorische Kompetenz der IBA aufgegeben haben, denn am Ende des Tages hat es uns auch nur Kritik eingebracht und zu Forderungen geführt, die wir nicht erfüllen können.“ (IP1)
IP19 vertritt demgegenüber die Meinung, dass gerade die Einschaltung von Kuratoren dazu geführt habe, dass der im Auftaktjahr so interessante ‚Wildwuchs‘ der Programme nun unterbunden und in eine strategische Form überführt worden sei: „Dann wurde es aber in diese neuen Formen gegossen und dann fand ich die Umsetzung nicht mehr interessant und jetzt verfolge ich das auch gar nicht mehr. [...] Ich fand es gerade super, dass es 2007 keinen roten Faden hatte. [...] Jetzt ist es halt sehr durchdacht, so wie man sowas halt machen sollte.“ (IP19)
Die Platzierung eines Formates für bildende Kunst als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ führt sowohl IP11 aus der hierarchischen Kultur als auch IP22 aus der egalitären Kultur zu der Bewertung, dass das Format entweder als Infrastrukturförderung23 oder durch die Etablierung „ein[es] Ausstellungsprojekt[es] oder eine[r] Institution im Bereich Bildende Kunst“ besser hätte wirken können, so dass „die Förderung von Seiten der IBA unter dem Topf ‚Wir tun etwas für die kreative Stadtentwicklung‘“ (IP22) hätte verbucht werden können. Denn obwohl das Format gut sei, sei es, so IP22, ein „Fehler“, dass diese „unter der Klammer ‚Kreatives Quartier‘ firmiert.“ Schließlich wurde durch diese Kontextualisierung v.a. eine Vorstellung bedient, nach der bildende Kunst an bestimmte Prozesse gekoppelt sei, bei denen „am Ende irgendetwas dabei herauskommen soll. Auch Heller fügt im Rahmen eines Rückblicks auf die Kunstplattform an, dass die mit dem Format verbundenen Zielstellungen, die insbesondere durch die IBA-Kontextualisierung vorherr-
23 So schlägt IP11 vor: „Wenn man dieses Geld, was in dieses Programm fließt, mehr in irgendeine nachhaltige Struktur stecken würde, wo z.B. vor Ort Räume geschaffen werden, [...] das wäre viel authentischer.“
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schen, weitaus ergebnisoffener hätten formuliert werden sollen, wenn man Instrumentalisierungsvorwürfen hätte vorgreifen wollen. Schließlich könne „das Potenzial von Kultur und Kunst [...] nur dann mit Erfolg in urbane Aufgabenstellung eingebracht werden, wenn ihm dezidiert Sorge getragen wird. Was unter anderem mit sich bringt, im richtigen Moment auch dort auf Zweckfreiheit zu insistieren, wo Ergebnisorientierung verlangt wird.“ (Heller 2010: 130f.) Projekte der kulturellen Vielfalt
Als letzter Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg wurde das Handlungsfeld Projekte der kulturellen Vielfalt24 aufgerufen. Die Gegenüberstellung des Polaritätsprofils der Experten aus der hierarchischen Kultur (n=7) mit dem der Experten aus der egalitären und individualistischen Kultur (n=15) zeigt deutlich (Vgl. Abb. 22), dass das Programm in besonderem Maße von Abweichungen geprägt ist. Übereinstimmende Bewertungen beider Expertengruppen lassen sich lediglich in Bezug auf den flexiblen Gehalt (starr - flexibel), die Bedeutung als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt (schwach – stark) sowie die Natürlichkeit (organisch – künstlich) attestieren. Die größten Abweichungen finden sich bei den Zuschreibungen zur Ungewöhnlichkeit des Programms (konventionell – unkonventionell) sowie seiner Innovationsfähigkeit (überholt – experimentell), die von städtischen Akteuren jeweils höher eingeschätzt werden als von Vertretern der egalitären und individualistischen Kultur. Aber auch die Parameter der Durchlässigkeit (offen – geschlossen) und des Aktivierungsgrades (aktiv – passiv) werden von den Akteuren aus dem planerischen und verwaltenden Bereich jeweils höher bewertet als im nicht-planerischen Kontext. Erstere sind es auch, die dem Ansatz eine weitaus höhere Bottom UpEntwicklungsrichtung (Bottom-Up – Top-Down) zuschreiben, als dies die ausführenden Akteure tun. Dies erklärt auch die Abschlussbewertung, die von Seiten der hierarchischen Experten höher ausfällt als von den egalitären und individualistischen Akteuren (gelungen – misslungen).
24 Zur Vorstellung wurde folgende Textpassage zitiert: „Mit den ‚Projekten der kulturellen Vielfalt’ setzt die IBA Hamburg auf temporäre Festivals und Aktionen und damit auf das Spannungsfeld zwischen Festivalisierung und kultureller Inszenierung. Unterstützt werden Veranstaltungen, die entweder besondere Orte der Elbinsel hervorheben, einen kulturellen Bezug zu den IBA-Themen oder aber im Sinne eines nachhaltigen Veranstaltungskonzepts einen Mehrwert für den Stadtteil herstellen. Vor dem Hintergrund einer langfristig orientierten Veranstaltungskultur fördert die IBA Hamburg bestehende Veranstaltungen, aber auch neue Ideen, die aus dem Stadtteil kommen.“ (Klotz/Theis 2011a: 63).
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Abbildung 22: Bewertung der Programmatik Projekte der kulturellen Vielfalt (Planung/ Verwaltung n=7 und Nicht-Planung/-Verwaltung n=15).
Quelle: Eigene Darstellung.
Bei den positiven Bewertungen der Experten zur Umsetzung des Programms Projekte der kulturellen Vielfalt als Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt wird deutlich, dass die Gründe dafür zum einen in seiner lokalen Ausrichtung, seinem Stadtteilbezug und der damit verbundenen Wertschätzung des endogenen Potenzials liegen: „Stadtteilbezogen zu agieren, erscheint mir absolut plausibel [...]. Im Vergleich zur Kunstplattform braucht man hier sicher weniger Übersetzungen, um Leute anzusprechen, das ist greifbarer.“ (IP6)
„Also das finde ich ganz wichtig, weil in dem Format dann eben auch deutlich wird ‚Wir sehen, was hier ist‘ und da sind ja mindestens genauso viele interessante Ansätze dabei, wie das, was IBA-Künstler, also Künstler im Auftrag der IBA, in den ganzen Jahren hier so inszeniert haben. Und eben auch ganz klar sich auf die Leute bezieht, die hier leben. [...] Also wenn man wirklich Leute berühren will mit Kunst, oder mit diesem Gedanken, Kreativität ist etwas Tolles, was man als Mensch wie Lebensmittel braucht, dann ist das wichtig, dass mit solchen Veranstaltungen auch signalisiert wird, das was hier ist, was die Leute leben, das wird wertgeschätzt und wahrgenommen und gefördert.“ (IP20)
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Nach Auffassung der Experten geht mit dem Ansatz nicht nur eine positive Entwicklungsrichtung einher, weil er an bereits vorhandene Projekte und Akteure anknüpft, sondern auch weil er eine schrittweise Entwicklung zulasse, wie es in TopDown generierten Projekten nur selten der Fall sei. Für IP17 kommt dieser strategische Planungsansatz einer Praxis gleich, die er als „kulturelle Sukzession“ beschreibt, die es ermögliche „für kurze Zeit eine möglichst große Öffentlichkeit [zu] schaffen und im Idealfall die Öffentlichkeit und die Projekte auf einer Mikroebene [zu] verbinden“. Die Rolle der IBA Hamburg stellt sich für einen Großteil der Befragten dabei als „Katalysator“ dar, was viele der Experten nicht nur als langfristige Praxis im Sinne von Kontinuität bereits vorhandener Strukturen begreifen, sondern auch als Investment in „sich selbst organisierende Strukturen“ (IP12). Dies sei insofern erfolgsversprechender, als die Projekte vom „Engagement und Motivation Einzelner oder bestimmter Gruppierungen getragen [werden] und nicht durch eine Trägerinstitution, die sich jetzt vorgenommen hat, das Ganze von oben strategisch zu machen.“ (ebd.) – eine Zuschreibung, die der in Kapitel 1.2.3 dargelegten Steuerungspraxis der Self-Governance nach Kooiman (2003) entspricht: „Es ist interessant, dass man hier etwas unterstützt, was schon lange da ist und aus sich selbst gebildet hat, was man dann verstärkt. Das sind für mich die wirklichen, von unten her gedachten Aktionen. [...] Mehr als andere Dinge ist es ein Dünger. Und das macht es organischer als andere Teile in diesem Programm [Kreatives Quartier Elbinsel, Anm.d.Verf.].“ (IP7)
„Sie haben geguckt, wo sind gute Leute, die eine gute Arbeit machen und die unterstützen sie als Katalysator [...]. Absolut langfristig.“ (IP11)
„Wenn man das Bild eines Reifens verwendet, den man anschiebt, dann läuft dieser von allein hier, da muss man nicht mehr viel steuern und anschieben. Da reicht dann irgendwann die schiere Aufmerksamkeit durch Kommunikation etc. Da geht es dann irgendwann nicht mehr um Geld, sondern um Vernetzung, mediale Kanäle etc.“ (IP12)
In Abgrenzung zur positiven Beurteilung des Programms Projekte der kulturellen Vielfalt gibt es einige Experten, die diesen als kulturbasiertes Förderprogramm zwar interessant, als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt jedoch als verfehlt erachten. IP15 merkt an, dass das Programm „ganz nett“ sei, jedoch „weder was mit IBA noch mit Stadtentwicklung zu tun“ habe, sondern als konventionelle Kulturförderung etwas sei, „was die Kulturbehörde machen sollte“. Auch IP22 erkennt diese Parallelität an, gibt jedoch zu bedenken, dass der Ansatz trotz der Konventionalität – auch im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt – funktioniere, was v.a. damit zu tun habe, dass Hamburg „eh schlecht bestückt [sei], was Kulturförderung angeht“. Ergänzt wird diese Einschätzung von IP5, der den
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Ansatz als alleiniges Konzept als konventionell verortet, „im Zusammenhang mit den anderen“, d.h. in diesem Fall den weiteren Ansätzen des „Kreativen Quartiers Elbinsel“ würde es sich allerdings als positiv darstellen. Für IP18 stellt lediglich die Frage nach der Entwicklungsperspektive ein Problem dar. Über ein Programm wie Projekte der kulturellen Vielfalt könnten zwar essenzielle Produktionsbedingungen geschaffen werden, ohne eine Perspektive nach der Impulssetzung würde dieses jedoch in sich zusammenfallen – ein Aspekt, der sich durch die temporäre Dauer der IBA Hamburg einmal mehr offenbare: „Auch gut und gerade wichtig, was so Impulse betrifft, allerdings auch hier wäre meine größte Sorge und Frage, wie geht es weiter, wenn eine IBA nicht mehr da ist. Denn das Volumen an Projekten, die gefördert werden, ist ja nicht gerade klein, wodurch auch relativ viel angestoßen wird. [...] Insofern finde ich das auch nur so lange gut, wie das a) den Wilhelmsburger zugute kommt, was ja auch Ziel ist und b) dass eine Langfristigkeit oder Nachhaltigkeit gegeben ist.“ (IP18)
Die vier Ansätze im Vergleich
In der Gegenüberstellung der Polaritätsprofile aller vier Handlungsansätze und aller Expertenaussagen (n=22) treten abschließend folgende Ergebnisse hervor: Folgt man Abbildung 23, so werden alle Ansätze als gleichermaßen stark, offen und aktiv erachtet, und auch in Bezug auf ihre Bedeutung als Maßnahmen für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt liegen die Programme gleichauf. Jedoch sind besonders in Bezug auf die Unkonventionalität, die Aktualität sowie die Experimentalität der Programme deutliche Abweichungen zu erkennen – allesamt Faktoren, die in besonderem Maße auf den ‚unplanbaren‘ und ‚unvorhersehbaren‘ Charakter von ‚Kreativität‘ rekurrieren. Die niedrigste Bewertung als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt erhält das Programm Räume für die Kunst, gefolgt von den Projekten der kulturellen Vielfalt und der Kunstplattform. Als innovativster, außergewöhnlichster und aktuellster Planungsansatz wird die Maßnahme Kunst macht Arbeit erachtet – auch wenn sie nach Meinung der Experten vielfältige Schwachstellen in Bezug auf ihre Realisierungsfähigkeit aufweist. Auffällig gestaltet sich außerdem der hohe Wert, der den Projekten der kulturellen Vielfalt in Bezug auf ihren ‚organischen‘ Charakter, d.h. anknüpfend an bestehende Prozesse, im Vergleich zu den anderen Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt attestiert wird, sowie der hohe Top-Down Steuerungsanteil, der den Programmen Räume für die Kunst und Kunstplattform bescheinigt wird. Letztere waren, wie die vorherigen Analysen gezeigt hatten, hinsichtlich ihrer Programmatik von den Experten als zukunftsweisend und notwendig erachtet worden, jedoch waren sie in ihrer Umsetzung zum einen
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durch das intermediäre Gelenk der Projektentwicklung25, zum anderen in Bezug auf ihre thematische Künstlichkeit und ihre diffuse Zielstellung als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt stark kritisiert worden. Abbildung 23: Vergleich aller 4 Programme einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg, n= 22.
Quelle: Eigene Darstellung.
Im Rahmen der Gegenüberstellung der Handlungsansätze der IBA Hamburg merken einige Experten, wie IP20 aus der egalitären Kultur an, dass sich der Ansatz der IBA Hamburg nicht über ihre einzelnen Maßnahmen, sondern durch ihre Gesamtheit im Programm „Kreatives Quartier Elbinsel“ auszeichne, welches eine konzeptionelle Vielgliedrigkeit transportiere, die als Ansatz für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt betrachtet werden müsse: „Also ich finde gut, dass es mehrere Bausteine sind. Man könnte ja auch sagen, dass wir auf die Räume setzen. Und
25 IP18 merkt zu den VERINGHÖFEN an: „Also der Versuch, ein kreatives Milieu im Sinne von Bildende Künstlern und Atelierplätzen aufzubauen – das sehe ich am kritischsten, weil es in dem Moment, wo es versucht wird, eben gerade nicht authentisch ist. Das ist eigentlich zum Scheitern verurteile. Also vielleicht funktioniert es Jahre nach der IBA auch aus sich heraus, ich glaube, es bleibt aber ein Prozess, den man nicht planen kann.“
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dann kommen die Künstler. Und dann krempeln die den Stadtteil um. Wenn man das wollte. Also das signalisiert, dass man sich den Ort genauer angeschaut hat.“ 4.2.3.2 Governanceformen Im Rahmen der Diskussion um eine Plan- oder Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ wurde das Untersuchungsinteresse auf die Gesamtheit der strategischen Planungsansätze der IBA Hamburg gelenkt und die Experten mit der Frage konfrontiert, ob authentische – im Sinne von eigenständig und intrinsisch getragene – Kultur- und Kreativformate entstehen können, wenn diese von Seiten der IBA strategisch vorgegeben werden. Damit verbunden war zum einen die Intention, den Grad der Steuerung, den die Experten dem Topos ‚Kreativität‘ zuschreiben, zu eruieren sowie die verschiedenen Governanceformen, die im Kontext der Handlungspraxis der IBA Hamburg hervortreten, zu erfassen und auf ihre Wirksamkeit sowie ihre Grenzen hin zu untersuchen. Kapitel 4.2.2 hatte aufgezeigt, dass das strategische Planungsverständnis, welches den kreativitätsbasierten Maßnahmen der IBA Hamburg zugrunde liegt, auf ein prozessuales Entscheidungsmodell verweist, das Lernprozesse und graduelle Justierungsmomente beinhaltet, jedoch von einer deutlichen Planungsrationalität durchdrungen ist, die sich – trotz seiner Ausrichtung auf kollektive Partizipationsprozesse – in festen Zielvorgaben und einer verhältnismäßig linearen Vorgehensweise niederschlägt. Auch die befragten Experten erkennen den Versuch der IBA Hamburg an, sich der Materie ‚Kreativität‘ mit unkonventionellen Steuerungsansätzen anzunähern. So konstatiert IP5, dass der Begriff ‚Kreativität‘ mittlerweile so „in die Städte implementiert [ist], dass es ganz schwierig [ist] sich vorzustellen, eine Stadt würde das gar nicht mehr tun“ (IP5), was in der Konsequenz dazu führe, dass v.a. die Frage ihrer Umsetzung interessieren müsse. Im Falle der IBA sei die Thematik jedoch u.a. deshalb so interessant, „weil sie sich genau in diesem Paradox bewegt, also weiß, dass sich Kreativität nicht strategisch planen lässt, man aber doch in der Praxis gezwungen ist, wenn man solche Jobs hat, das in irgendeiner Form zu gestalten.“ (ebd.) Folglich sei auch eine grundsätzliche strategische Ausrichtung, wie sie im Rahmen der IBA Hamburg über verschiedene GovernanceAnsätze Verwendung findet, nicht grundsätzlich zum Scheitern verurteilt, sondern, folgt man IP5, zum einen davon abhängig, was die Akteure aus der egalitären oder individualistischen Kultur daraus ableiten26, zum anderen von der Art und Weise, so IP6, wie die involvierten Akteure den „Übersetzungsprozess“ gestalten:
26 In diesem Zusammenhang weist IP5 darauf hin: „Ich glaube, das steht und fällt mit den Leuten, die Anschubfinanzierungen oder den Katalysator IBA in Anspruch nehmen und
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„Mir wird zunehmend klarer, wie vielschichtig und verkettungsreich die Wege und damit die Zwischenschritte zwischen dem kreativen Steuerungsverständnisses auf der einen Seite und einem Alltag und solch einer Programmatik wie der von der IBA auf der anderen Seite sind. Auch wie der Übersetzungsprozess ist, damit das ineinandergreifen kann, aber auch wie das personell-institutionell gelöst ist. Wer managt diese Zwischenschritte und welche Verluste erleidet man zwischen großen Themen, die eine Programmatik darstellen und einer ‚Doing‘Ebene?“ (IP6)
Im Folgenden sollen die verschiedenen kreativitätsbasierten Steuerungsmodelle der IBA Hamburg, die sich aus den Bewertungen der Experten deduktiv ableiten lassen, vorgestellt werden. In Anlehnung an den Kodierleitfaden (Vgl. Kap. 3.3.2) waren dabei die Governance-Ansätze Top-Down (1), Infrastruktur (2), Intermediäre (3), Clusterpolitik (4) und Kontextsteuerung (5) hervorgetreten. Top-Down Ansätze
Im Rahmen der Einschätzung der kreativitätsbasierten Planungspraxis der IBA Hamburg vermerken insbesondere Experten aus der Wissenschaft aber auch der egalitären Kultur, dass sich diese teilweise als stark hierarchisch, d.h. Top-Down darstelle, wobei einige Experten eine Ausnahme bezüglich des Basisförderansatzes Projekte der kulturellen Vielfalt machen. Die Gründe für diese Steuerungsform sehen die Befragten zum einen im fehlenden Kenntnisstand der hierarchischen Akteure hinsichtlich der Handlungslogik kultureller und kreativer Akteure und darauf zugeschnittener Governanceformen, zum anderen in der Vorstellung, bestimmte kreativitätsbasierte Programme dezidiert initiieren zu können, anstatt auf bereits vorherrschende Strömungen und Entwicklungsprozesse, im Sinne eines Co- oder Self-Governance-Ansatzes, einzugehen: „Die – vereinfachte – Kritik an der IBA ist ja die, dass alles sehr Top-Down sei und sie gar nicht richtig beteiligen möchte. Es geht also um Handlungskonzepte und was das ist. [...] Das scheitert dann oft deshalb, weil man dann doch nicht genau ist oder die Leute sind nicht richtig ausgebildet. Da sind weder Planer noch du und ich richtig ausgebildet.“ (IP5) „Und da finde ich, dass die ganzen Programme des ‚Kreativen Quartiers‘ nicht Bottom-Up entstanden sind, wie das sonst vielleicht bei organischen Entwicklungen ist, sondern sie sind massiv von oben initiiert worden, bis vielleicht auf die Projekte der kulturellen Vielfalt.“ (IP3)
daraus was entwickeln. Es ist durch den strategischen Anschub also nicht per se zum Scheitern verurteilt, teilweise geht es auch nicht anders.“
292 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „In den Programmen hab ich einfach das Gefühl, dass die Umsetzung viel zu viel Top-Down und eben nicht Bottom-Up ist und dass doch alles sehr gesteuert ist und man nicht offen genug ist für Richtungen, die solche Entwicklungen auch aufnehmen könnten.“ (IP19)
Die durch diese Praxis hervortretenden Vereinnahmungsgesten der IBA Hamburg seien in der Folge nicht nur in ihrem faktischen Wirken begrenzt, sie würden sich auch äußerst kontraproduktiv auf Akteure aus der Kultur- und Kreativszene auswirken, denen – wolle man diese Tendenz nicht noch weiter verstärken – mit individuellen, situativen Strategien begegnet werden müsse: „Das ist auch mein Kernproblem häufig mit der IBA, dass sie überall ihren Stempel draufsetzen möchte und das ist grad im Kreativbereich gefährlich und extrem schwierig. Das funktioniert nicht. Selbst wenn eine IBA dazu verpflichtet ist, eine gewisse Berichterstattung oder Öffentlichkeit zu erzeugen, da sie jedes Mal legitimieren muss, was sie da macht, also dass die Leute sehen, aha da landet das Geld.” (IP18)
Infrastruktur
Im Rückgriff auf die von zahlreichen Experten im ersten Interviewteil geäußerte Wichtigkeit einer Infrastrukturförderung (Vgl. Kap. 4.1.3), wird diese auch im Rahmen der kreativitätsbasierten Planungspraxis der IBA Hamburg als essenzieller Governance-Ansatz anerkannt. Dabei wird das IBA-Programm Räume für die Kunst von den Experten mit einer Vorgehensweise beschrieben, nach der die IBA Hamburg nicht eine wahllose Raumpolitik betrieben, sondern v.a. Rahmenbedingungen an ihr Programm geknüpft habe, die in Hamburg aufgrund der hochpreisigen Mietsituation nachgefragt würden: „Das macht die IBA ja auch nicht aus dem hohlen Raum. Die IBA unternimmt natürlich Analysen und weiß, dass es genügend Künstler gibt, die günstige Räume brauchen und diese günstigen Räume werden langsam knapp in der Stadt und wissen daher auch, dass eine Nachfrage besteht. Daher ist es für mich nicht komplett Top-Down. Die IBA hätte ja niemals diese Programmatik versucht umzusetzen, wenn sie nicht gewusst hätte, es gibt eine Chance Künstler zu finden, die a) hier arbeiten wollen und b) die sich auch noch engagieren wollen und mit dem Ort identifizieren.“ (IP21)
In Anlehnung an die ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ und ihren GovernanceAnsatz der „neuen Flächenpolitik“ (Vgl. Kap. 1.4.3.1) verweist die Bereitstellung der VERINGHÖFE auf eine Praxis, bei der die hierarchische Kultur – als Schlüsselakteur – städtische Immobilien zur Verfügung stellt, die für etwaige kreative Nutzungen normalerweise nicht zugänglich sind. Dies merkt auch IP2 an, wenn er hervorhebt, dass eine reine Anhandgabe des Gebäudes ohne die IBA nicht realisierbar gewesen wäre, da „die Stadt das Gelände dann wahrscheinlich nicht hergegeben
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hätte“. Gleichwohl herrscht eine Vielzahl von Stimmen vor, die entgegen der konkreten Raumvorgabe einen Handlungsansatz fordert, der sich weniger spezifischen Orten als einer bestimmten Mietpolitik verschreibt, die als Stimulus das Thema der Infrastrukturförderung bewegen könnte. Schließlich gebe es in Wilhelmsburg, so IP15, „ohne Ende Räume, zentral ist, dass eine IBA sich z.B. als Instrument verstehen könnte, eine Mietpolitik als Ermöglichkeitsbedingung zu begreifen und diese zu unterstützen, die es leicht macht, mit diesen Räumen zu arbeiten“. Auch wenn die Experten eine Infrastrukturförderung oder eine Mietpolitik als Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt befürworten, herrscht eine tiefgehende Skepsis bei nahezu allen Kulturen zum Governance-Ansatz des Intermediärs vor, der als Bestandteil der raumbezogenen Infrastrukturförderpolitik im Rahmen von Räume für die Kunst über die eingeschaltete Projektentwicklung Anwendung findet. Intermediäre
Im Kontext der zu beobachtenden Steuerungspraxis von intermediären Organisationen oder Einzelpersonen lassen sich äußerst heterogene Bewertungen von Seiten der Experten konstatieren. So sind es besonders Akteure aus der hierarchischen Kultur, die das eingeschaltete Gelenk der Projektentwicklung zur Umsetzung der Programmatik Räume für die Kunst als positiv, fortschrittlich und offen bewerten, da sich die Praxis der Projektentwicklung „nicht nur auf die klassischen Felder [beschränkt], sondern man kann genauso im Bereich des kreativen Quartiers Projektentwicklung betreiben [...]. Die Orte müssen stimmen, die Konzeption muss stimmen, also es ist nicht jedes Mal zum Erfolg verurteilt, aber wenn man die richtigen strategischen Planungsansätze hat, kann man solche Quartiere entwickeln.“ (IP1)
Die Funktion der Schnittstelle Projektentwicklung führt IP1 v.a. auf die Tatsache zurück, dass jedes Projekt – unabhängig davon, ob es „das handelnde Subjekt der Künstlerinnen und Künstler, die sich entweder selbst gefunden oder besetzt haben“ sei oder jene Akteure, „die gefunden wurden im Rahmen einer Projektentwicklung” – einmal an den Punkt komme, wo „Strukturen geschaffen werden müssen zwischen einer dauerhaften Kooperation mit offiziellen Stellen, da stehen die vor den gleichen Problemen“. Und auch IP9 betont, dass mit dem Intermediär v.a. eine „Vermittlungsinstanz“ entstehen sollte, die relevante Fragen für diesbezügliche Projekte abzugleichen in der Lage ist: „Wo haben wir überhaupt verfügbare Flächen, an die wir herankommen, werden die gegebenenfalls von dem Milieu, das wir versorgen wollen, auch angenommen oder sind die überhaupt daran interessiert?“ Darüber hinaus gibt es vereinzelte Stellungnahmen von Vertretern aus der egalitären und individualistischen Kultur, die die intermediäre Steuerungsform befürworten. Folgt man IP13, hätten einige der potenziellen Nutzer das Angebot der VERINGHÖFE eher als Chance, denn als strategischen Handgriff der IBA Hamburg wahr-
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genommen.27 Und IP18 fügt an, dass der Erfolg einer Projektentwicklung immer auch davon abhänge, wie stark selbige sowohl in die hierarchische als auch die Kultur- und Kreativszene vernetzt sei: „Ich glaube, dass das mit solchen Agenturen oder Einrichtungen, die im kulturellen oder soziokulturellen Bereich stark vernetzt sind, gut funktioniert, weil es da ein Stück weit auch um Authentizität geht, die auch Akteure vermitteln können.“ Diesbezüglich etablierte Steuerungspraxen waren bereits im Kontext der ‚kreativen Cluster‘-Politik am Beispiel der Hamburg Kreativ Gesellschaft illustriert worden (Vgl. Kap. 1.4.2.2) sowie anhand von Schlüsselakteuren im Modell der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ (Vgl. Kap. 1.4.2.3), die nicht nur eine ko-produktive Arbeitsweise zwischen den verschiedenen Akteuren ermöglichen, sondern auch potenziellen Kontrollängsten der hierarchischen Kultur durch ihre implizite Steuerungsfunktion entgegenwirken sollen. In Abgrenzung zu diesen Einschätzungen dominiert dennoch die Zahl der Experten aus der individualistischen und egalitären Kultur, die den GovernanceAnsatz des Intermediärs als zu dirigistisch und hierarchisch erachten, als dass daraus eine ko-produktive Handlungspraxis erwachsen könne. Experten aus dem Bereich der Wissenschaft und dem Kulturmanagement merken an, dass am Beispiel der VERINGHÖFE deutlich werde, dass die „Reihenfolge falsch [ist] und deshalb nicht funktionier[t]“, schließlich könne man nicht sagen „wir haben hier einen Raum, jetzt suche ich mir die Leute“ (IP5). Obgleich der Prozess in irgendeiner Weise gesteuert sein müsse, vermisst IP5 bei der Umsetzung des Projektes VERINGHÖFE eingebettete flexible Momente: „Also es ist nicht nur der Ort, der strategisch vorgegeben wird, das ist schon in Ordnung, dass die IBA den Ort vorgegeben hat, sondern es liegt an der Vorgehensweise [...].“ Und IP13 ergänzt, dass eine besonders wichtige Frage sei, „wo genau man das Projektmanagement ansetzt, also macht man ein übergeordnetes Projektmanagement oder teilt man das auf verschiedene Köpfe auf“. Zuletzt konstatiert IP8, dass das hauptsächliche Missverhältnis des Projektes darin begründet liege, zu sagen, „wir schaffen so eine Infrastruktur und suchen uns danach Nutzer“. In der Folge gehe die Handlungspraxis mit einschneidenden Konsequenzen einher, die laut IP22 und IP14 zum einen darin resultiere, dass das Projekt nur für bestimmte Akteure interessant sei28, zum anderen eine
27 In diesem Zusammenhang stellt IP13 fest: „Für die Nutzer war es keine Frage der political correctness, ob sie jetzt nach Wilhelmsburg oder sonst wohin gehen. Manche haben gesagt, ich gehe bewusst nach Wilhelmsburg, weil ich war in der Schanze und möchte in Wilhelmsburg einen zweiten Versuch unternehmen, der nicht mit ähnlichen Prozessen der Aufwertung konfrontiert ist wie in der Schanze, und gegen die ich in Wilhelmsburg auch frühzeitig zur Wehr setzen würde.” 28 Dazu merkt IP22 an: „Die freie Szene ist ja nicht doof. Du merkst ja relativ schnell, ob ein Angebot ein attraktives Angebot ist oder nicht. Und in dem Moment, in dem es heißt,
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„Überplanung“ stattfinde (IP22), die perspektivisch genau das verhindere, was eigentlich mit dem Projekt intendiert gewesen sei, „nämlich dass aus dem Potenzial vor Ort und mit dem Mut, das Ungeplante auszuprobieren und diesem angstfrei zu begegnen, ein solcher [kreativer, Anm. d. Verf.] Prozess stattfinden kann“ (IP15). Auch der Governance-Ansatz im Rahmen der Kunstplattform eine intermediäre Instanz in Form der Kuratoren einzuschalten, wird von den Experten differenziert bewertet. Während die damit verbundene Steuerungsaufgabe von Seiten der egalitären und individualistischen Vertretern zum einen als „sehr mutig“ (IP13) hervorgehoben wird, üben sie zugleich insofern Kritik, dass die Auskopplung der kuratorischen Kompetenz der IBA Hamburg zum „Konflikt Kuratoren versus IBA“ (IP16) geführt habe. Dabei sei „der gewonnene Freiheitsraum“ u.a. deshalb verloren gegangen, weil man durch die Ausgliederung aus dem Organismus IBA „keine Rückendeckung“ gehabt habe (ebd.). In Abgrenzung dazu macht IP2 als städtischer Vertreter darauf aufmerksam, dass die von der IBA Hamburg bereitgestellten Finanzierungsmittel für die Kunstplattform eine Konstellation hervorgebracht hätten, in der kein „Zwang, sich aus sich heraus zu tragen oder zu etablieren“ existiert hätte, wodurch die Situation entstanden sei, in der nun die „Eigenkräfte zu schwach sind oder nicht genug aufgebaut“, um das Format auch über den strategischen Impuls der IBA Hamburg fortzuführen. Clusterpolitik vs. ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘
Weitere Governance-Ansätze werden von den Experten mit dem Ansatz der ‚kreativen Cluster‘-Politik identifiziert, wie sie beispielhaft im IBA-Progamm Kunst macht Arbeit und ihrem Schwerpunkt auf die Themen Textil- und Modedesign zu erkennen sind, die im Projekt STOFFDECK zugleich eine räumliche Konzentrierung erfahren. So merkt IP1 an, dass Kunst macht Arbeit „ein ganz starkes Projekt [ist] und wenn das Textilcluster klappen würde, wäre das großartig“. Gleichwohl weist er darauf hin, dass es in diesem Ansatz „wie für Räume für die Kunst, [...] keine gelernten Umgangs- und Kooperationsformen“ gebe, die Umsetzung jedoch maßgeblich von den weiteren involvierten Akteuren abhänge. Darüber hinaus verweisen mehrere Experten auf eine beobachtbare Governance-Praxis, die als ‚milieuspezifische Kontextsteuerung‘ eingestuft werden kann. Zu den Parametern, die die Befragten für eine solche Praxis anführen, gehören zum
ihr könnt einfach nur in die VERINGHÖFE, die Miete ist günstig und bleibt auch für die nächsten dreißig Jahre günstig, ist das ein attraktives Angebot. Wenn es aber heißt, da gibt es ein bestimmtes Programm und eine Projektentwicklung, dann ist es kein besonders attraktives Angebot, wenn man einfach nur arbeiten will.“ (IP22). Und IP14 ergänzt: „Aber allein schon, dass man einen geregelten Prozess dafür hat, das reglementiert ja schon ganz viel und das zieht eine Menschengruppe an, die eine solche Prägung wollen.“
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einen Vernetzungspolitiken, aber auch die grundsätzliche Rolle der IBA Hamburg als Katalysator, wie sie in den Programmen Räume für die Kunst, Kunst macht Arbeit oder den Projekten der kulturellen Vielfalt gegeben sei, wo sie sich über die Förderung nutzerorientierter Infrastrukturen, dynamischer Entwicklungsverfahren sowie finanzielle oder kommunikative Unterstützungen manifestiere. Diese Form der Befähigung fasst IP15 mit der Bezeichnung einer „formalen strategischen Klammer“ zusammen, mithilfe derer die IBA „Möglichkeitsbedingungen“ schaffe, die für die Akteure der kulturellen und kreativen Szenen von enormer Bedeutung seien: „Wenn die strategische Klammer die Möglichkeitsbedingungen schaffen will, dann ist sie kein Problem. Also wenn die IBA sich zum Ziel setzt, das zu schaffen, was der einzelne Kulturschaffende nicht kann, z.B. [...] die Mietbedingungen zu setzen, die ein experimentelles Arbeiten ermöglichen, dann ist das eine formale strategische Klammer und keine inhaltliche strategische Klammer. Und eine formale strategische Klammer im Sinne von Möglichkeitsbedingungen ist geradezu notwendig.“ (IP15)
Daran anknüpfend verweist IP19 auf die in allen Governance-Ansätzen mitschwingende Frage nach dem Steuerungsgrad durch städtische Akteure, der maßgeblich darüber entscheide, ob kreativitätsbasierte Planungsansätze von Seiten der involvierten Akteure als Förderoption oder als Instrumentalisierung verstanden würden: „Es kommt auf die Parameter des Vorgebens an. Und ich glaube, dass die bei den VERINGHÖFEN so sind, das kaum noch etwas Kreatives entstehen kann. Aber dort, wo man nur Projekte fördert, die schon da sind, scheint es ja zu funktionieren.“ (IP19)
In dem Augenblick, in dem katalysatorische Eingriffe als „wertend“ begriffen werden, was u.a., so IP17, durch die Grundstruktur der IBA als städtische Einrichtung erheblich erschwert werde, würden Governance-Ansätze kippen: „Die IBA begreift sich als Katalysator, wird aber nicht immer als ‚intelligent agent‘ begriffen.“ (IP17) Folgt man diesem Einwand, würden Governance-Ansätze v.a. durch Schnittstellenakteure, die zwischen beiden Kulturtypen vermittelnd agieren, oder durch die direkte Übertragung der Verantwortung auf die Akteure, in ihrer Wirksamkeit befördert: „Die wirkliche Verantwortungsabgabe kann auch nur durch eine neutrale Person entstehen, nicht durch eine 100 Prozent städtische GmbH. Es wird immer ein Reiben und Boxen der neutralen Kräfte geben.“ (IP17)
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4.2.3.3 Bezüge zur Cultural Theory Im Rückgriff auf den Analyserahmen der Cultural Theory wurden die Experten anschließend befragt, wie stark das Fortbestehen der im Rahmen der IBA Hamburg entwickelten Projekte von der Akzeptanz von ‚ungeplanten‘ Ansätzen abhängt. Ziel war es, das Verhältnis der IBA-Strategien zu nicht geplanten Ansätzen von ‚Kreativität‘ zu erfassen und zu prüfen, inwiefern sich eine potenzielle Bezugnahme auswirkt. In Kapitel 4.1.4 war aufgezeigt worden, dass sich ein Großteil der Experten – und zwar disziplinübergreifend – für eine Wechselwirkung zwischen den einzelnen Organisationsformen im Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt ausspricht. Wenngleich die Experten in diesem Zusammenhang Rückkopplungen von Seiten der individualistischen und egalitären Akteursgruppen gegenüber der städtischen Kultur identifiziert hatten, hatten sie darauf hingewiesen, dass das Verhältnis der Organisationskulturen zueinander noch stärker von einer gegenseitigen Bezugnahme geprägt sein sollte, wobei sie insbesondere die hierarchische Kultur in der Pflicht sahen. Während Experten aus der egalitären und individualistischen Kultur als Begründung v.a. das Selbstverständnis der Kultur- und Kreativwirtschaft anführten, das durch ein Aufgreifen ihrer intrinsischen Handlungslogik befördert werden könne, erschien für hierarchische Vertreter auch die Macht ‚ungeplanter‘ Ansätze, wie sie am Beispiel des Hamburger Gängeviertels sichtbar geworden war, ein signifikanter Faktor für eine verstärkte Orientierung hierarchischer Ansätze an der Handlungsweise der egalitären oder individualistischen Kultur. Die von den Experten konstatierten Bezugspunkte sollen nachfolgend zur Diskussion gestellt werden. Rückkopplung und Adaption lokaler Ressourcen
Kapitel 4.1.3 hatte dargelegt, dass nach Meinung der Experten Förderstrategien von ‚Kreativität‘ in überaus hohem Maße von den lokalen Standortvoraussetzungen einer Stadt abhängen. Auch im Untersuchungsbeispiel IBA Hamburg erscheinen – kulturübergreifend – Handlungsansätze v.a. dann als wirksam, wenn sie lokale Ressourcen und gewachsene Strukturen aufgreifen. So hebt IP1 aus der hierarchischen Kultur hervor, dass diese Handlungsweise besonders beim Programm Projekte der kulturellen Vielfalt vorherrschend sei: „Wenn es dann noch gelingt, die – wie bei DOCKVILLE – auf eigene Beine zu stellen, also dass sie ohne IBA funktionieren, obwohl es ja auch einige gibt, die schon vorher da waren [...], würde ich es als Ansatz für eine strategische Kreativplanung schon als sinnvoll bewerten.“ Auch IP8 legt dar, dass der IBA-Handlungsansatz in noch höherem Maße von der Reaktionsfähigkeit auf ‚organisch‘ gewachsene und damit ‚ungeplante‘ Strukturen geleitet sein sollte, wobei das Kriterium Lokalität immer in Verbindung mit Professionalisierung gedacht werden sollte:
298 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Der Ansatz zu sagen, wir docken an dem an, was es bereits gibt und arbeiten mit den Strukturen, die vorhanden sind, finde ich immer einen sehr richtigen Ansatz, der natürlich auch darauf achten muss, dass damit natürlich auch eine Professionalisierung, eine Qualifizierung verbunden ist. [...] Wenn das Kriterium ‚vor Ort sein‘ das einzige Kriterium ist, dann ist es eher ein System, das den örtlichen Initiativen Aufmerksamkeit gibt, also sie mit einer bestimmten Achtung zu wertschätzen.“ (IP8)
Gleichwohl merkt IP22 an, dass eine Interaktion deutlichen Grenzen unterliegt, die besonders dann auftreten, wenn hybride Entwicklungsstrategien auf egalitäre Handlungspraxen treffen. Schließlich sei die Motivation der ‚strategischen Kreativplanung‘, auch wenn sie sich wie im Falle der IBA Hamburg der Praxis anderer Kulturen annähere, in der hierarchischen Kultur verortet, was erhebliche Spannungsfelder insbesondere in Bezug auf das Steuerungsverständnis produziere: „Immer dort, wo die Programme sich mit der freien Szene überschneiden, wird es schwierig, weil es ein Spagat ist zwischen Lenken und einem nur vordergründigen Loslassen.“ (IP22) In diesem Zusammenhang stellt IP10 – und damit interessanterweise ein Vertreter der hierarchischen Kultur – zur Disposition, dass die radikalste Form der Rückkopplung und des Aufgreifens vorhandener Strukturen durch städtische Player wie die IBA Hamburg darin bestehen würde, „dass man sich dort weitestgehend zurückzieht“. Dass die IBA Hamburg sich ihrer ambivalenten Rolle bewusst ist, zeigt ein 2008 von ihr herausgegebenes Buch, das unter dem Titel „Kunst und Stadtentwicklung. Das Betreiben eines vegetarischen Restaurants mit einer Horde Kannibalen“29 die Paradoxie der Steuerungsproblematik aufgreift. Ergebnisoffenheit und Lernfähigkeit
Auch andere Experten stimmen der Wichtigkeit einer auf Rückkopplung basierenden Handlungspraxis der IBA Hamburg zu, machen aber deutlich, dass v.a. ihre Selbstreferentialität, die sich anhand der vielfältigen Top-Down Zuschreibungen gezeigt hatte, aufgebrochen und ihre Beobachtungsgabe weiter gestärkt werden müsse, wenn es darum gehe, den dialogischen Umgang mit anderen Kulturen zu intensivieren. Als Grundvoraussetzung dafür benennen sie eine Form der Ergebnisoffenheit, die sich maßgeblich auf zu entwickelnde Handlungsansätze auswirken würde, schließlich bedeute „die Tatsache, dass ein Samen in die Erde gelegt wird, [...] noch nicht, dass am Ende eine 100jährige Eiche dabei rumkommt“ (IP21). „Was bei der Kunstplattform interessant war, ist, dass diese Eigenständigkeit in der Luft lag: Anders als bei den anderen Handlungsfeldern der IBA gab man ihr Experimentierraum [...].“ (IP16)
29 Zur weiterführenden Information s. IBA Hamburg 2007b.
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„Für die Kunstplattform würde ich sagen: Ja der Prozess ist Top-Down angestoßen und auch die ersten Jahre so gelaufen, kriegt jetzt aber die Chance sich sozusagen von unten nach oben zu entwickeln. [...] Und es ist die Frage, wie ergebnisoffen die IBA das tatsächlich machen kann oder machen möchte.“ (IP14)
Dass der Ergebnisoffenheit der IBA auch Grenzen gesetzt sind, war anhand der Expertenaussagen zu ihrem Planungsverständnis in Kapitel 4.2.2 deutlich geworden. IP15 macht noch einen anderen Grund für die Begrenztheit der Ergebnisoffenheit des Untersuchungsgegenstandes verantwortlich, den er darin erkennt, dass die IBA erst Offenheit und Flexibilität demonstriert habe, wie sie an der Weiterentwicklung des IBA Kunst- und Kultursommers zum „Kreativen Quartier Elbinsel“ zu erkennen gewesen sei, ihre Lernbereitschaft dann aber dadurch habe zerstören lassen, dass sie sich vorrangig an öffentlichkeitswirksamen Bildern, denn an ernstgemeinten Prozessen interessiert gezeigt habe: „Und dann [in 2008; Anm. d. Verf.] zu sagen, das ist schief gegangen, wir machen das ab 2008 mal anders, ist vom Ansatz her richtig. Nur muss man dann leider halt auch sagen, wie bei den anderen Programmen wie Räume für die Kunst und Kunst macht Arbeit, eine gute Idee, aber nicht wirklich gewollt und auch nicht richtig zu Ende gedacht. [...] Die IBA hat also zunächst erst gelernt, hat dann aber herausgefunden, dass sie es nicht will. Sie will große Bilder, sie will mit Kunst und Kultur Werbung machen.“ (IP15)
Interdependenzen
Vor dem Hintergrund des als ambivalenten Sachverhalt wahrgenommenen Themas der kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien sprechen sich einige Experten, vornehmlich aus der hierarchischen Kultur, dennoch deutlich dafür aus, dass eine Steuerung von Seiten der Stadt, wie sie im Rahmen der IBA Hamburg Anwendung findet, aufgrund ihrer Entwicklungsrichtung nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sein müsse. Dies sei u.a. deshalb der Fall, da Akteure aus der Kreativszene in bestimmten Punkten deutlich von städtischen Akteuren abhängig seien – ein klares Indiz einer Verflechtung im Sinne der Cultural Theory. In diesem Kontext sollten die Ansätze der Stadt vielmehr als Chance für egalitäre und individualistische Akteure in Hamburg anerkannt werden, da letztere „angesichts des Immobilienmarktes, der Preisentwicklungen, der Schwierigkeiten für so eine Klientel selbstbestimmt zu organisieren und für eine Durchlässigkeit zu sorgen“ (IP6) auch ungeahnte Öffnungen generieren könne. IP6 ist es auch, der in diesem Zusammenhang feststellt, dass viele der im Rahmen der Kreativitätsdebatte vorherrschenden Zuschreibungen nicht zwangsläufig gelten müssten: „Wenn gute Kunst und Veranstaltungen dort drin sind, ist es gut und wichtig, da muss man nicht immer in solch sensiblen, flexiblen, transparenten, fluiden und urbanistischen Konzepten denken, das muss es gar nicht – also all die Kriterien, die sonst für experimentell stehen.“ IP7
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unterstreicht die These, dass es nicht immer nur um „Naturwüchsigkeit“ gehen müsse, sondern „man [...] sehr wohl Dinge befördern [kann]“, wie mit dem Ansatz der VERINGHÖFE, der eine Voraussetzung für „eine andere Durchmischung, eine soziale Durchmischung, andere Lebensentwürfe auf der begrenzten Fläche dieses Quartiers“ schaffen würde. Letztlich, zu dieser Schlussfolgerung kommt IP10, sei auch die Kritik an städtischen Planungsversuchen von ‚Kreativität‘ „eine Reaktion und kann vielleicht auch wieder zu einer Verankerung führen“. In expliziter Abgrenzung zur Vorstellung einer „Planbarkeit des Unplanbaren“ (IP6) spricht sich IP6 für eine Handlungspraxis aus, die die Beobachtungskompetenz der planenden Akteure kontinuierlich fördert, um auf diese Weise die Sequentialität und Vielschichtigkeit von unintendierten, gewachsenen Kreativitätsansätzen zu erforschen und schließlich in Ausrichtung daran zu handeln. Auch „das Unplanbare, Unintendierte“ passiere niemals unintentional, allerdings sei der Grad der vorausgeschickten Planung durch seine Akteure ein gänzlich anderer als im klassischen Planungsverständnis.30 Nichtsdestotrotz werde, so IP3, die Ambivalenz der Rolle der städtischen Kultur für das Thema ‚Kreativität‘ immer bestehen bleiben – eine Tatsache, die auch für die IBA Hamburg zutreffe, die er als „hybride Schlange“ beschreibt, und die damit auf jenes unauflösbare Grundmotiv des vorliegenden Untersuchungsbeispiels verweist, das als Steuerungsparadoxon von ‚Kreativität‘ diagnostiziert worden war: „Also auf der einen Seite macht die IBA konkrete Bauprojekte und treibt Aufwertungsprozesse voran und der andere Kopf sagt, wir geben uns ganz innovativ und machen künstlerische Reflektionen. Ich glaube, dieser Verdacht, dass die Kunst im Rahmen der IBA vielleicht dazu dient Aufwertungsprozesse in Gang zu setzen, den wird die IBA nicht los. Und da sehe ich in der Grundkonstellation der IBA schon ein Problem, denn die IBA ist, wie am Bild der Schlange gezeigt, beides.“ (IP3)
4.2.4 Konsequenzen Als Kritik einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt war in Kapitel 1.5 deutlich geworden, dass der Untersuchungsgegenstand vielfältige Konsequenzen mit sich bringt. Ob und in welcher Form die kreativitätsbasierte Praxis der IBA Hamburg auch mit negativen Folgeerscheinungen verbunden ist, steht im Analysefokus des nachfolgenden Kapitels. Im Rahmen der qualitativen Studie waren die Experten mit
30 „Aber diese Idee, dass irgendwas ungeplant sein kann, wenn man diesen Wirkungsbereich von unternehmensorientierten, bedeutungsproduzierenden Kontexten anschaut, dann ist es doch immer irgendwo intentional und reflektiert.“ (IP6)
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der Frage konfrontiert worden, wodurch sich aus ihrer Sicht die Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg in Wilhelmsburg bemerkbar macht, und ob möglicherweise ungewollte Effekte eingetreten sind. Die Bewertungen und Einschätzungen der Experten sollen im Folgenden anhand der in der Analyse hervorgetretenen Spannungsfelder endogen – exogen (1), kausal – nicht kausal (2) sowie vernetzend – konfligierend (3) dargelegt werden. Endogen – exogen
Im Rahmen der Frage, ob sich die Ansätze der urbanen Kreativitätspolitik der IBA Hamburg bemerkbar machen, ist zunächst eine deutlich exogen orientierte Bewertung von Seiten der Experten auszumachen. Die Zuschreibungen reichen von Veränderungen in Bezug auf die Außenwahrnehmung der Elbinsel, die durch die kreativitätsbasierten Aktivitäten der IBA Hamburg „mittlerweile bei vielen Leuten auf dem Kunst- und Kultur-Bildschirm“ angekommen seien (IP1), über die Erwähnung herausgehobener festivalisierter Formate, mithilfe derer neue Zielgruppen für die Elbinsel generiert werden konnten31, bis hin zu der Einschätzung, dass die Ansätze eine regelrechte Neukodierung des Images Wilhelmsburgs als „Kreativstandort“ (IP9) habe leisten können. Damit wird deutlich, dass ‚Kreativität‘ im Rahmen der Handlungspolitik der IBA Hamburg eine Rolle als Image- und Vermarktungsstrategie zugeschrieben wird, mithilfe derer jene ‚semiotische Aufrüstung‘ der Elbinsel zu gelingen scheint, die in Kapitel 1.5 als Kritik der Kreativplanung beschrieben worden war. Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ fungieren in diesem Zusammenhang auch als Place-Branding-Strategien, um die angestrebte Revitalisierung eines Ortes über seine imagebezogene Aufladung voranzutreiben. Gleichwohl gehen die Maßnahmen der IBA Hamburg über die konstatierte Imagepolitik hinaus, was sich den Experten zufolge zum einen an der gesteigerten Quantität kultureller Angebote auf der Elbinsel ablesen lasse, die durch originäre Projekte der IBA Hamburg wie die Kunstplattform, die Räume für die Kunst sowie durch geförderte Projekte im Rahmen der Projekte der kulturellen Vielfalt verstärkt worden sei (Vgl. IP9). Zum anderen haben die Anstrengungen der IBA laut IP19 positive, nach innen gerichtete Abstrahlungseffekte hervorgebracht, etwa indem sie bereits existierende kulturelle Formate stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt hätten: „Es gab auch schon vor der IBA hier eine vielfältige kulturelle Szene, und die war einfach nicht so im Fokus, die lag nicht so unter der Lupe. Und die IBA hat bewirkt, dass das, was schon da ist, unter der Lupe liegt.“ Auch IP2 bestätigt einen endogenen Effekt der kreativitätsbasierten Ansätze der IBA Hamburg, den er
31 „Ich denke, dass das DOCKVILLE [Projekte der kulturellen Vielfalt; Anm. d. Verf.] oder auch andere Formate wie die Kunstplattform sicher schon einmal vielfältige Leute auf die Elbinseln haben bringen können.“ (IP13)
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daran festmacht, dass die Bewohnerschaft – unabhängig davon, wie sie die kreativitätsbasierten Formate bewerte – zumindest angesprochen und aktiviert worden sei (Vgl. IP2). In Abgrenzung dazu gibt es auch Experten, die die Auswirkungen des IBA-Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“ für die lokale Bevölkerung entweder als kaum wahrnehmbar erachten32 oder diesem eine völlige Unsichtbarkeit zuschreiben, die so weit gehe, dass das Programm noch nicht einmal mehr Kritik auslösen würde.33 Kausal – nicht kausal
Weitere Konsequenzen zeichnen sich anhand des Spannungsfeldes kausal – nicht kausal ab, auch wenn die Experten gänzlich unterschiedliche Parameter benennen. Während IP20 betont, dass durch die Ansätze der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg v.a. mit ökonomischen Folgeeffekten für die Elbinsel zu rechnen sei – „Also für den Einzelhandel wird das schon Schwung hier reinbringen.” –, weist er darauf hin, dass mit der Praxis auch eine Verklärung der Produktionsbedingungen von kulturellen und kreativen Akteuren einhergehe: „[...] aber wie sich die Künstler damit wirklich so etablieren, da hab ich tausend Fragezeichen. Diese ganze Debatte über die Kreativen ist ja auch geprägt von dieser Prekariatsdiskussion und auch wenn die Theoretiker meinen, das ist die Zukunft der Städte, also die Praxis, die ich kenne, ist immer prekär.“ Die in Kapitel 1.5 diagnostizierte Mystifizierung der Produktionsweisen künstlerischer und kreativer Akteure hatte verdeutlicht, dass die Debatte um eine Nutzbarmachung von ‚Kreativität‘ für den urbanen Raum z.T. mit einschneidenden Konsequenzen verbunden ist, insbesondere wenn die Akteure ungeachtet ihrer prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen als Rollenmodell einer zukunftsfähigen Stadtgesellschaft beschworen werden: „Ich finde auch diese armutsromantisierende Auffassung in Verbindung mit Kreativität extrem schwierig.“ (IP14) Nicht zuletzt führt das Spannungsfeld zwischen der Konstituierung von ‚Kreativität‘ als gesellschaftlichem Leitmotiv und der Prekarisierung ihrer Akteure auch auf Seiten der Experten zu einer Haltung, die die Kreativpolitik der
32 So teilt IP14 die Einschätzung, „dass das große Ganze, was hinter den vier Ansätzen steckt, zwar schon so bisschen wahrgenommen wird im Untergrund, aber noch nicht richtig erlebbar ist oder fühlbar ist für die Menschen, die hier leben“. 33 IP19 berichtet von seinem Eindruck, dass die Kreativplanungen der IBA sich „nicht wirklich bemerkbar machen. Also wenn ich jetzt gucke, wie sich Wilhelmsburg in meiner fünfjährigen Zeit, die ich hier lebe, verändert hat, sehe ich das nicht. [...] Aber es ist eher so, dass es am Anfang stark präsent war und sich auch alle dafür interessiert haben für diese ganzen Projekte, dass das dann aber an Relevanz verloren hat. Am Anfang hat man sich wenigstens noch geärgert oder aufgeregt und mittlerweile ist es so, dass das noch nicht mal blöd gefunden wird, weil man es gar nicht mehr so wahrnimmt.“
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IBA Hamburg hinsichtlich ihrer Motivation deutlich in Frage stellt: „Ich denke auch, also ich beziehe mich hierbei auf den öffentlichen Diskurs zu einer kreativen Stadt, dass es auch wenig Verständnis gibt [...].Was ist denn kreativ, warum soll ich kreativ sein? Ich denke, das löst auch ein wenig Verwirrung und Unverständnis aus.“ (IP21) In diesem Zusammenhang merken IP1 und IP2 an, dass zu den ungewollten Auswirkungen der Ansätze der IBA auch eine „Frustration“ (IP1) auf Seiten der beteiligten Akteure sowie die Ausbildung einer regelrechten „Anti-IBA-Bewegung“ (IP2) zu zählen seien, die sich u.a. als direkte Effekte auf ihre kreativitätsbasierten Handlungsmaßnahmen ausgebildet hätten. Das letzte Zitat verweist auf eine Facette der Debatte, nach der die Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ immer wieder in einen kausalen Zusammenhang mit gefürchteten Aufwertungstendenzen der Elbinsel gebracht wird. Insbesondere Akteure aus der nicht-planerischen Kultur bewerten die Handlungsansätze der IBA als Versuch einer politischen und ökonomischen Konstruktion von Raum, wie sie in Kapitel 1.5.1 anhand der Kommodifizierung des Stadtraums demonstriert worden war. Demnach zeitige die Praxis der IBA eine Entwicklung, in der kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien nicht länger um ihrer selbst willen wahrgenommen werden, sondern als Werkzeuge eines urbanen Managements, die letztlich dazu führten, dass „das Potenzial für Befürchtung [...] ganz viel Futter bekommen [hat]“ (IP21). In Abgrenzung dazu zeigt sich ein Großteil der Experten darin einig, dass etwaige Folgen keineswegs nur auf die kreativitätsbasierten Maßnahmen der IBA zurückzuführen seien, sondern vielmehr einer höheren Komplexität geschuldet sind: „Ich glaube, dass sich die Gentrifizierungsdebatte aus verschiedenen Aktionsfeldern der IBA speist. Einmal daraus, dass eine Zeitlang natürlich ganz intensiv Investoren angeworben wurden, die hier bauen. [...] Und der zweite Aspekt, warum die IBA mit Gentrifizierung in Verbindung gebracht wird, sind durchaus auch die kulturellen Aktivitäten, die ganz klassisch als Wegbereiter der Stadtentwicklung gebrandmarkt werden.“ (IP2) „[...] in Wilhelmsburg könnten solche Prozesse natürlich dem IBA-Prozess geschuldet sein, dass Privateigentümer jetzt morgen wittern, dass sie ihre Mieten erhöhen können und das ausreizen, aber jetzt nicht unbedingt diesen Kreativformaten.“ (IP10) „Die [Gentrifizierung, Anm. d. Verf.] gab es immer und die wird es auch immer geben und du wirst dich nie mit Gewalt dagegen stemmen können. [...] Und natürlich hat das eine Auswirkung, aber daran ist ja nicht per se nur die Stadt als steuerungstechnisches Instrument schuld, die hechelt ja vielmehr den Entwicklungen hinterher.“ (IP11)
Die Zitate machen deutlich, dass Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg den Experten zufolge durchaus Gentrifizierungsbewegungen ver-
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stärken und sich damit nachteilig auf das gesamtstädtische Gefüge auswirken können. Jedoch sehen die Befragten dies im vorliegenden Untersuchungsbeispiel nur geringfügig gegeben, da sich die Aufwertungstendenzen bislang nur am Rande als Verdrängungsmaßnahmen abzeichnen würden. Auch wenn einige Experten vor dem Prozess der Gentrifizierung warnen, konstituiert doch keiner der hier zitierten einen direkten und v.a. gewollten Zusammenhang zwischen den kreativitätsbasierten Entwicklungsstrategien der IBA und einer daraus resultierenden Aufwertung des Stadtteils. Stattdessen sei auf Akteure wie IP16 verwiesen, die eine Gentrifizierung der Elbinsel durch die ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg als völlig haltlos bewerten, schließlich würden die wenigsten Formate externe Interessen und Kodierungen im Sinne einer ‚Ökonomie der Symbole‘ (Zukin 1998) hervorbringen: „Ich sehe keine Gefahr durch Gentrifzierung auf den Elbinseln. Das ist derartig lächerlich. Also nein, denn um zu gentrifizieren, ist das hier alles nicht wirklich tauglich: also z.B. Kunst macht Arbeit oder Räume für die Kunst oder die ephemeren Projekte der Kunstplattform. Das einzige, wo man diesbezüglich etwas kritisieren könnte, ist die Unterstützung für DOCKVILLE, aber selbst das gentrifiziert ja nicht.” (IP16)
Vernetzend – konfligierend
Weitere von den Experten benannte Konsequenzen bewegen sich zwischen den beiden Polen Vernetzung und Konflikthaftigkeit, die kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien zu leisten in der Lage sind und die angesichts der Cultural Theory für das vorliegende Untersuchungsbeispiel von besonderem Interesse sind. So wird der IBA-Handlungspraxis von Seiten einzelner Experten vorgehalten, dass Sie einen ‚freien‘ Kreativitätsbegriff proklamiere, aber einen ‚angewandten‘ Kreativitätsbegriff umsetze, wodurch äußerst negative Effekte entstanden seien, wie bereits an der Kritik zwischen der Programmatik und der Realisierung der einzelnen Kreativprogramme aufgezeigt worden war.34 Darüber hinaus wird ihr eine unmittelbare Einflussnahme auf die kritische Kreativitätsdebatte in Hamburg zugeschrieben: „Also dass diese Diskussion ‚kreative Stadt‘ in Hamburg intensiver geführt wird, hat auch viel mit dem ‚Sprung über die Elbe‘ zu tun.“ (IP20) Zum anderen gibt es Experten, die anerkennen, dass die IBA trotz aller Kritik an der Motivation ihres Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“ in der Lage ge-
34 IP15 erinnert daran: „Das Problem ist ja auch, was die Schere zwischen Slogans betrifft, die in die Richtung eines ‚freien‘ Kreativitätsbegriffes gehen, und einer Praxis, die eine instrumentelle Vernutzung darstellt, dass man nicht nur den Effekt hat, dass es nicht funktioniert, sondern – und das ist das eigentliche Problem – dass es negative Effekte hat.“
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wesen sei, vernetzende Momente und Plattformen für künstlerische und kreative Akteure einzurichten – eine Leistung, die interessanterweise insbesondere von Akteuren aus der egalitären und individualistischen Kultur honoriert wird: „Bei diesem Quartier geht es ja weiter, da wurde ein Experiment gestartet, dass Künstler auch motiviert sind sich für ihre Umgebung zu engagieren und das ist neu. Das muss man erst einmal hinbekommen.“ (IP21) „Am Anfang hat die IBA dazu beigetragen, dass die Stimmung sich verschlechtert hat, dann hat sie auch eine Zeit lang dazu beigetragen, dass eine Kommunikation überhaupt stattfindet, z.B. indem sie zu Treffen etc. eingeladen hat, das war dann sehr positiv. Und jetzt in der derzeitigen Situation muss man mal sehen.“ (IP22) „Ich finde die Kritik an der IBA häufig auch viel zu pauschal, viel zu plump, ich finde ganz viele Projekte der IBA z.B. ziemlich gut, hier v.a. die Bildungsprojekte [...]. Ich halte es für extrem wichtig, dass so eine Netzwerkarbeit vorangetrieben wird und wenn sich halt keiner dafür zuständig fühlt, dann macht es halt auch keiner und es bleibt ganz viel auf der Strecke. Insofern kann man der IBA auch ganz vieles zugute halten.“ (IP18)
Während die IBA Hamburg Möglichkeiten zur Interaktion schafft, wirkt sie laut IP18 und IP17 mit dieser Handlungspraxis zugleich auch in die entgegengesetzte Richtung. Demnach resultiert besonders ihr Versuch, auch Kritik innerhalb ihrer Praxis zuzulassen, in einer Entwicklung, die – in Anlehnung an den Vorwurf der Vereinnahmung der künstlerischen Kritik im Sinne des „neuen Geist des Kapitalismus“ nach Boltanski/Chiapello (2003) – zu einem Abgrenzungsverhalten der egalitären und individualistischen Akteure führt.35 Interessanterweise wird dieses durch die Experten nicht nur als negativ, sondern im Sinne eine Reaktion zumindest als Auseinandersetzung bewertet: „Sicherlich kann man hier schon beobachten, dass sich gewisse Prozesse abspielen, die sich abseits der IBA ihren Weg bahnen. Vielleicht sogar als eigene Strategie gegen den stadtplanerischen Handgriff, der da stattfindet. Dann wäre selbst das ein nicht gewollter Effekt, aber dennoch als positiv zu äußern. Wenn sich also eigene kleine Initiativen organisieren und meinetwegen auf die Fahnen schreiben, wir machen das ohne IBA, wir sind das Gegen-IBAProgramm.“ (IP18)
35 In diesem Zusammenhang merkt auch Pfeiffer an: „Während die IBA diese Kritik als organisches Moment des IBA-Prozesses zu deuten und damit zu inkorporieren gewillt ist, wenden sich viele Künstler, Theoretiker und lokale Aktivisten von der Bauausstellung ab und verweigern die Kooperation mit deren Projekten.“ (Pfeiffer 2009: 177)
306 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Sie quaken, weil sie quaken müssen. Die Stadtplanung wird durch die Maßnahmen der IBA überhaupt erstmal sichtbar. Diese neuen Instrumente und Tools bearbeiten etwas und plötzlich sieht man etwas Neues entstehen und dagegen kann ich meckern.“ (IP17)
Damit ist es ebenjene Fähigkeit zur zwingenden Reaktion, unabhängig davon, ob diese positiv oder negativ ausfällt, die – entsprechend der Logik der Cultural Theory – die ‚strategische Kreativplanung‘ der IBA Hamburg in einem deutlichen Wechselverhältnis zum Handeln der Akteure aus der egalitären oder individualistischen Kultur verortet. Gemäß der Definition des Untersuchungsgegenstandes wird deutlich, dass die Praxis von einer Motivation geleitet scheint, nach der nicht nur soziale und kulturelle Prozesse an ausgewählten Standorten eingeleitet werden sollen, sondern auch Beschäftigungs- und Imageeffekte, die wiederum räumliche Folgeprozesse, wie die Stärkung arrivierter Standorte oder die Revitalisierung vernachlässigter Standorte, bewirken sollen – eine Zielstellung, die das strategische Planungsverständnis der IBA Hamburg hervorhebt.
4.2.5 Übertragbarkeit und Modellhaftigkeit Im Rückgriff auf das Sonderformat IBA wurde im Rahmen der Experteninterviews abschließend zur Disposition gestellt, ob die Herangehensweise der IBA Hamburg, die sich per definitionem als „Labor auf Zeit“ versteht, ein Vorbild für eine ‚Kultur der kreativen Planung‘ sein könnte oder nicht. Ziel war es, ebenjenes Selbstverständnis von Bauausstellungen als „Laboratorien auf Zeit“ zu hinterfragen und zu erörtern, ob dem Hamburger Format der „Spagat zwischen einer eventisierten Aufmerksamkeitspolitik einerseits und einer Infrastruktur-, Kontext- und Vernetzungspolitik andererseits [...], die für sich beansprucht, Kunst, Kultur und Kreativität als Ressourcen und Katalysatoren ‚nachhaltiger‘ und produktiver als früher einzusetzen“ [Herv. i.O.] (Günther/Prossek 2009: 268), gelingt. Experten, die sich für eine solche Modelhaftigkeit aussprechen, nennen als Gründe zum einen den ganzheitlichen, integrativen Planungsansatz, den sie der IBA Hamburg zuschreiben, zum anderen ihre intermediäre Organisationsform, die dazu führe, dass selbige von etlichen bürokratischen Zwängen befreit sei, die sich nicht nur auf ihr Selbstverständnis, sondern auch ihre Handlungspraxis einer ‚strategischen Kreativplanung‘ auswirke: „Eine IBA zeichnet sich ja durch einen umfassenden ganzheitlichen Planungsansatz aus, das ist ja die Stärke einer IBA. [...] Und da gehören diese Handlungsfelder [Kreatives Quartier Elbinsel, Anm. d. Verf.] auch dazu. Und dieser kohärente ganzheitliche Ansatz ist es auch, was die ausländischen Besucher interessiert. Die interessiert weniger das Kunstprojekt [...] als
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der methodische Ansatz. Und wie funktioniert das auch im Verhältnis zur Verwaltung und zur Politik [...].“ (IP1)
Darüber hinaus bewerten die Fürsprecher unter den Experten weniger die einzelnen Programme des „Kreativen Quartiers Elbinsel“ als vielmehr ihre Kombination als modellhaft (Vgl. IP14)36, was darauf zurückzuführen sei, dass die IBA in ihrem Selbstverständnis als stadtplanerischer „Ausnahmezustand“ die Möglichkeit habe, „auf vielen verschiedenen Ebenen ganz viel zu bewegen. Und ich finde, dass die IBA Hamburg es gut verstanden hat, auch zeitgenössische Themen der Stadtentwicklung aufzugreifen.“ (IP3) Der IBA sei es u.a. gelungen, experimentelle Formate wie Kunst macht Arbeit zu entwickeln, die „einer IBA angemessen“ (IP10) seien, und zugleich von ihrer Macht zeugen, bestimmte Debatten „umzudefinieren“ (IP5). Unabhängig von der Weiterentwicklung der einzelnen Formate ist es der Mut zum Experiment, den Experten wie IP11 als essenziell modellhaftes Moment erachten, schließlich stelle diese Möglichkeit des Experimentierens bereits einen Wert an sich dar, auch wenn nicht sicher sei, wieviele der exemplarisch erprobten Formate durch die IBA Hamburg weiterentwickelt oder Eingang in die internationale Planungspraxis finden würden: „Ich finde es klasse, wenn im Rahmen der IBA solche Programme getestet und gemacht werden. [...] Ob diese Instrumente jetzt die allein selig machenden für Stadtentwicklung in den nächsten 50 oder 500 Jahren sind, mag ich nicht beurteilen. Entscheidend ist, dass es weiterhin Formate gibt, wo Dinge ausprobiert werden können und man für diese Formate und Freiräume auch als Staat oder Stadt, weil sonst wird es keiner leisten können, auch immer wieder Mittel zur Verfügung stellt.“ (IP11)
Schließlich erachten einige Experten auch die Methodik der kreativitätsbasierten Ansätze der IBA als modellhaft, die ihrer Meinung nach nicht nur eine Vorgehensweise impliziere, die „gar nicht radikaler sein [kann]“ (IP17), sondern auch ein Verständnis offenbare, das ortsbezogen und dialogisch entwickelt und damit in der Lage sei, vorhandene Strukturen aufzugreifen oder aber passgenaue Strukturen zu ergänzen: „Ich glaube, dass dieser Ansatz der Offenheit und des Prozesscharakters schon eine Kultur sein kann, egal mit was man umgeht, z.B. wie man mit Stadtentwicklung umgeht auf Behör-
36 „Mit den Projekten der IBA wurde ja nicht das Rad neu erfunden, dass was es ausmacht, ist die Kombination der einzelnen Bausteine. Und ich denke schon, dass das übertragbar ist, immer mit der Einschränkung: Es muss auf bestimmte Rahmenbedingungen treffen.“ (IP14)
308 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN denebene etc. Das wäre ein Ansatz, den ich für zeitgemäß und verfolgenswert halte mit Blick auf eine kreative Stadt oder kreative Milieus.“ (IP12)
Daran anknüpfend werden auch die Kooperationsoffenheit und -fähigkeit der IBA Hamburg als Gründe für ihre Modellhaftigkeit angeführt, die sich in ihrem Handlungsansatz insofern widerspiegeln würden, dass diese eine Planung darstellen, „die Experten rechtzeitig dazu holt und jedenfalls Zeitfenster für sie vorsieht“ (IP17: 160), zudem das Steuerungsparadoxon von ‚Kreativität‘ nicht negiere, sondern offensiv thematisiere. Experten, die der Handlungspraxis der IBA Hamburg eine beschränkte Modellhaftigkeit attestieren, konzentrieren sich in ihrer Argumentation auf den Aspekt, dass diese nur dann einlösbar sei, wenn ähnliche Standortvoraussetzungen vorherrschen (Vgl. IP2)37, und damit eher als „Intervention und Interventionsansätze“ gelten müssten, die „ein Reservoir dar[stellen], aus dem man sich strategische Ansätze herausziehen und anwenden und erproben und einbauen kann“ (IP6). Des Weiteren macht IP5 deutlich, dass ein Versprechen auf Modellhaftigkeit maßgeblich von den involvierten Personen abhänge: „Also das Feinstoffliche ist ausschlaggebend [...]. Und solche Formen der Partizipation lassen sich auch nicht exportieren [...]. Das ist wie Theater, mal funktioniert es, mal funktioniert es nicht.“ Ein Aspekt, den auch IP7 mit den Worten beschreibt, dass die Modellhaftigkeit zwar insofern gegeben sei, dass die IBA Hamburg kreativitätsbasierte Ansätze als integrierte Bestandteile eines ganzheitlichen Planungsansatzes verorte, ihre Umsetzung jedoch vom Willen und der Bereitschaft anderer Städte und ihrer steuernden Akteure abhänge.38 Zuletzt hebt IP15 hervor, dass die Modellhaftigkeit des Sonderformates IBA, die es sich auf die Fahnen geschrieben habe, außerhalb von geläufigen Strukturen zu agieren, im Hamburger Fall v.a. dadurch nicht gegeben sei, dass „die Hamburger IBA [...] keine IBA [ist], weil sie genau das alles nicht hat: nicht die finanziellen Ressourcen, nicht die politischen Freiräume, auch noch in der Kombination mit der Größe von Wilhelmsburg [...].“ Aus diesen Gründen könne auch der Anspruch einer ‚Kultur der
37 IP2 merkt an: „Für Gebiete, die ähnlich strukturiert sind, kann es auf jeden Fall einen Modellcharakter haben. Ich glaube, man kann mit diesen vier Handlungsfeldern nicht gesamtstädtisch allein agieren, da muss auch die Hochkultur natürlich ihren Platz haben.“ 38 „Die wirkliche Leistung der IBA besteht vielmehr darin, dass sie versucht, konsequent und in verschiedenen Aspektierungen Kultur als Teil eines Clusters von Maßnahmen für Stadtentwicklung zu situieren und zu sagen, das hat nicht nur damit zu tun, dass wir hier eine Wanderbühne durchs Quartier ziehen lassen, sondern es gibt eine Vielzahl von strategischen Ansätzen. [...] Und da liefert die IBA in der Tat Bausteine, die allerdings in einer anderen Stadt auch nur angewendet werden können, wenn sie die Bereitschaft mitbringt, das anzunehmen.“ (IP7)
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kreativen Planung‘ nicht erfüllt werden, auch wenn die IBA Hamburg in Bezug auf die Metaebene die richtigen Themen und Schwerpunktsetzungen für eine Annäherung an eine kreativitätsbasierte Planung geleistet habe: „Aber eine ‚Kultur der kreativen Planung‘? Ich glaube, der Kreativitätsbegriff ist hier schädlich, da würde ich nach etwas Neuem suchen. Aber vom Ansatz her: ja. Weil es vom Ansatz her – nicht in der Ausführung wohlgemerkt – genau die Aspekte hat, um die es geht: Kooperativ oder partizipativ ausgerichtet, kleinteilig, mit dem Mut zum Experiment, an den richtigen Themen, um die es geht [...].” (IP15)
Dieses Paradoxon wird letztlich auch von jenen Experten konstatiert, die sich abschließend für eine völlige Absage an die Modellhaftigkeit der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg aussprechen. Beginnend mit einer Kritik an der parallelen Aufstellung der Ansätze der kreativitätsbasierten Planung, die weniger integrativ als nebeneinander umgesetzt worden seien, sowie einer für eine IBA immer noch zu populären Themensetzung (Vgl. IP3), reichen die Kritikpunkte über das zu enge Zeitkorsett der Hamburger IBA, die zum einen keinen wirklichen Ausnahmezustand ermögliche (Vgl. IP4), zum anderen keine Nachsteuerungen zugelassen habe (Vgl. IP14), bis hin zum Vorwurf, dass der Standort Wilhelmsburg aufgrund seiner Komplexität keine gute Schablone für modellhafte Ansätze darstelle (Vgl. IP8): „Generell vermisse ich so bisschen den Ansatz für eine integrierte Stadtentwicklung. Ich habe eher den Eindruck, dass das hier so ein Strohfeuer-Festival ist. [...] Während bei der IBA eher die horizontale Sicht eingenommen wird, man hat hier ein tolles Feld von Kreativität und Kreativwirtschaft aufgespannt, es ist sicherlich auch ein erweiterter Begriff vorhanden, d.h. da haben die IBA-Macher schon gesehen, dass es etwas mit Arbeit, Inklusion etc. zu tun hat. Nichtsdestotrotz ist der Ansatz eher horizontal breit und ein bisschen mainstream-mäßig aufbereitet, damit möglichst viele den Ansatz auch fressen. Aber ich glaube die Innovation läge eher in der vertikalen Verknüpfung.“ (IP3) „Es wird halt immer deutlicher, dass der Ausnahmezustand auf Zeit zu kurz ist. [...] Man kann nicht so ein Projekt anschieben, mit diesen Ideen und diesen Energien und Mobilisierungen und dann sagen, der Bezirk Mitte übernimmt das Ganze. Das ist doch heller Wahnsinn.“ (IP4) „Nein, auf keinen Fall weil der IBA Zeitraum so kurz ist, dass in dem Prozess gar nicht mehr nachgesteuert werden kann, nur noch ganz marginal. Jetzt ein Jahr auszusetzen bei der Kunstplattform ist schon ein sensationelles Ereignis, aber es gibt in diesem kurzen Prozess keine echten Steuerungsmöglichkeiten mehr, man kann sich nicht mehr umentscheiden, und deswegen finde ich Experimentierraum auch falsch.“ (IP14)
310 | VOM V ERSUCH, KREATIVITÄT IN DER STADT ZU PLANEN „Wenn ich die Aufgabe hätte, Instrumente zu entwickeln, die Städte kreativ aufladen und wir haben schon darüber gesprochen, wie schwierig das ist oder am Ende gar unmöglich ist, dann würde ich mir nicht Wilhelmsburg aussuchen.“ (IP8)
Zuletzt erscheint der Anspruch der IBA Hamburg, Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ zu entwickeln, die über den Standort Wilhelmsburg hinaus von inhaltlicher, methodischer und struktureller Relevanz sind, IP19 zufolge auch deshalb nicht möglich, da ihre jetzige Praxis weder „zeitgemäß genug“, noch flexibel genug sei, sondern sich – zumindest in der Gesamtschau – noch immer als „sehr städtisch und bürokratisch“ darstelle. Zusammenfassend lässt sich festhalten, das haben die vorgestellten Aussagen aus den Experteninterviews verdeutlicht, dass nicht nur äußerst differenzierte Bewertungen zu vorherrschenden Ansätzen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt vorherrschen. Vielmehr wurde offensichtlich, dass letztere im Verständnis der Cultural Theory – und zwar trotz der Konflikthaftigkeit zu anderen Kulturen – alle gleichermaßen ihre Berechtigung haben. Inwiefern sich diese Erkenntnisse nun auf den Untersuchungsgegenstand der IBA Hamburg sowie die Makroebene einer urbanen Kreativitätspolitik darstellen, soll im abschließenden Kapitel 5 beantwortet werden. Dabei gilt es, die Modellhaftigkeit der IBA Hamburg als experimentelles Sonderformat der Stadtplanung mit jenen Erkenntnissen zusammenzuführen, die in der Analyse zur Frage der Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ gewonnen werden konnten.
5. Strategische Kreativplanung als Urban Governance? „As we know from history: It is difficult to create a new city from scratch, and almost impossible to create urban culture. This is especially true of such stylized and reduced concepts as the scientific creative city proves to be.“ HESSLER 2008: 332
Die vorliegende Arbeit hat aufgezeigt, dass das seit den 1980er Jahren vorherrschende ‚unternehmerische‘ Selbstverständnis von Städten tiefgreifende Transformationsprozesse hervorgebracht hat, die nicht nur neue Wachstumskoalitionen zwischen Staat und Markt begünstigt, sondern auch die Wettbewerbsmentalität von Städten maßgeblich forciert haben. Während zu diesem Zweck zum einen bestehende politische Instrumente neu ausgerichtet wurden, wie anhand der Diskurse der strategischen Planung sowie der Governance illustriert worden war, erfuhren zum anderen ausgewählte inhaltliche Themen, wie die ‚Ressource Kreativität‘ und die mit ihr verbundenen Teilmärkte, eine überproportionale Fokussierung. Ausgehend von einer „durch Kreativität bestimmten Arbeits- und Lebenswelt“ (Lange et al. 2009a: 20) haben Städte weltweit in den vergangenen Jahren Steuerungsformen entwickelt, um ‚Kreativität‘ zugunsten ihrer kulturellen, besonders aber ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit zu befördern. Angesichts der in diesem Zusammenhang zu verzeichnenden hohen Quantität an strategischen Bemächtigungsansätzen, deren Unreflektiertheit nicht selten in der Konstituierung von ‚Kreativität‘ als ‚Leerformel‘ resultiert, zeichnet die Realität dabei immer häufiger das Bild eines „creative overkills“ (Günther/Prossek 2009: 264). In der vorliegenden Studie war die ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt als analytischer Suchbegriff für die beobachtbare Auffassung eingeführt worden, den Zusammenhang zwischen ‚Kreativität‘ und Stadt über gezielte Governance-Ansätze systematisch regulieren zu können. So wie die strategische Planung eine Umsetzbarkeit über Governance-Ansätze postuliert, ist auch die urbane Kreativplanung von einem Verständnis geleitet, nach dem ‚Kreativität‘ mithilfe von „organisatori-
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sche[n], betriebswirtschaftliche[n], und unternehmerische[n] Steuerungspraktiken“ (Lange 2007: 52) greifbar erscheint. Mit einer Kritik am Governance-Diskurs konnte aufgezeigt werden, dass Steuerungsansätze, die sich zunächst diametral zum Selbstverständnis der postulierten Unplanbarkeit von ‚Kreativität‘ verhalten, immer auch deutlichen Grenzen unterliegen. Dies wurde insbesondere mit dem Analyserahmen der Cultural Theory (Thompson et al. 1990; Douglas 1978) und ihrer Weiterentwicklung durch Hood (1998) deutlich, mithilfe derer dargelegt werden konnte, dass der Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt von einer Vielzahl von Akteursgruppen und Interessen geprägt ist, die weit über städtische Interessenpolitiken hinausreichen. So war zunächst die Gesamtheit der vorherrschenden Interaktionsformen als ‚Ansätze einer strategischen Kreativplanung der Stadt und ihrer Kritiker‘ konstituiert worden, um mit der Reduzierung auf stadtpolitische Ansätze einen [sic!] der vier Organisationsformen der Cultural Theory detaillierter zu untersuchen. Auf diese Weise konnte illustriert werden, dass städtische Handlungsansätze einer Logik unterliegen, die sich vorwiegend in traditionellen Top-Down basierten Lenkungsinstrumenten und weniger in netzwerkorientierten, kontextfördernden Ansätzen widerspiegelt, wie sie den spezifischen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Akteure des kulturellen und kreativen Sektors in der individualistischen und egalitären Kultur zugrunde liegen. Gleichwohl konnte nachgezeichnet werden, dass in letzter Zeit verstärkt Annäherungen von Seiten der hierarchischen Kultur gegenüber der individualistischen und egalitären Kultur zu erkennen sind, die im Rückgriff auf Hood (1998) als Hybridstrategien erfasst wurden. Dabei liegt das Augenmerk weniger auf großformatigen Leuchtturm- oder Imagepolitiken als auf wirtschaftlichen Strategien für die Unterstützung einzelner kreativer Branchen und Standorte sowie auf Ansätzen zur Beförderung und Unterstützung szenespezifischer Agglomerationen. Als Einzelfallbeispiel für die vorliegende Studie war die IBA Hamburg ausgewählt worden, die durch ihren Status als experimentelles Sonderformat der Stadtplanung auf einen unkonventionellen Umgang einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt hoffen ließ. Schließlich bot die IBA Hamburg die Chance, „sich zwischen alle vorhandenen Stühle zu setzen und neue Wege einer Planung ‚von unten‘ aufzuzeigen“ [...] (Doderer 2011: 133f.). Bei einem Blick auf die Praxis war allerdings deutlich geworden, dass die IBA Hamburg sich in einem immanenten Spannungsfeld zwischen Innovationsanspruch und Legitimierungsdruck bewegte, um ihr Handeln und ihre Daseinsberechtigung gegenüber der Politik zu rechtfertigen, was auch weitreichende Konsequenzen für die Umsetzung ihrer ‚strategischen Kreativplanung‘ nach sich zog. Die für die vorliegende Arbeit entwickelten leitenden Fragestellungen, inwieweit sich der Untersuchungsgegenstand ‚Kreativität‘ überhaupt strategisch planen lässt, wie mögliche Planungs- oder Steuerungsversuche von ‚Kreativität‘ im urbanen Kontext aussehen und wo selbige an ihre Grenzen stoßen, sollten explizit auf die IBA Hamburg Bezug nehmen, zugleich aber über diese hin-
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ausreichen. Bei der Beantwortung der leitenden Forschungsfragen werden deshalb zum einen spezifische Ergebnisse aus der empirischen Studie der 22 Experteninterviews für das Untersuchungsbeispiel IBA Hamburg aufgezeigt, zum anderen übertragbare Erkenntnisse für die Metaebene skizziert. Ableitungen aus der Cultural Theory
Anknüpfend an die erste Forschungsfrage, welche Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt – im Rückgriff auf die Cultural Theory – im Rahmen der IBA Hamburg identifizierbar sind, war eine Analyse der Gesamtheit vorherrschender Ansätze im Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt erfolgt. Bereits in der theoretischen Annäherung konnte dabei aufgezeigt werden, dass vielfältige Verflechtungen zwischen den einzelnen Organisationskulturen vorherrschen, die je nach Kulturtyp sehr unterschiedlich ausfallen. In der vorliegenden Untersuchung waren explizit jene Ansätze aufgerufen worden, die von der hierarchischen, d.h. der städtischen Kultur ausgehen, wobei eine zunehmende Ausrichtung derselben an der Handlungslogik der individualistischen sowie der egalitären Kultur offensichtlich geworden war. Bedingt durch die Tatsache, dass der Impetus dieser Hybridbildungen weiterhin in der hierarchischen Kultur liegt, wurde evident, dass die originäre Zielstellung weiterhin der Logik ebenjener Kultur verhaftet bleibt. Aufgrund der zunehmenden Orientierung städtischer Ansätze an ökonomischen und stadtentwicklungspolitischen Zielen fallen individualistische oder egalitär motivierte kreative Formierungen im urbanen Raum auf diese Weise nicht selten neoliberalen Inwertsetzungen anheim, z.B. indem sie in Gestalt von hybriden Entwicklungsansätzen als wettbewerbliche Strategie im globalen Standortwettbewerb eingesetzt werden. Andererseits sind auch vielfältige Vorteile für individualistische oder egalitäre Akteure zu erkennen, die durch dergestaltige Hybride maßgebliche Unterstützung in Bezug auf Raum- und Mietfragen bis hin zu rechtlichen und finanziellen Aspekten erfahren. Das aufgezeigte Spannungsfeld macht deutlich, dass unabhängig davon, wie differenziert Ansätze zum Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt ausfallen, diese im Verständnis der Cultural Theory – und zwar trotz der Konflikthaftigkeit zu anderen Kulturen – gleichermaßen ihre Berechtigung haben, da es immer eine bestimmte Gruppe von Akteuren gibt, für die diese Organisationsform als einzig rationale erscheint. In Bezug auf die Frage, ob im Rahmen der IBA Hamburg hierarchische, hierarchisch-individualistische oder hierarchisch-egalitäre Hybride vorliegen, können folgende Ableitungen geltend gemacht werden: Das Programm Räume für die Kunst, das von der Schaffung bestmöglicher Rahmenbedingungen für Akteure aus dem Kultur- und Kreativsektor, u.a. über dynamisierte Entwicklungsverfahren geleitet ist, stellt sich als hierarchisch-egalitäres Hybrid einer ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ dar. Gleichzeitig bleibt im Hin-
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blick auf das intermediäre Gelenk der Projektentwicklung eine hohe hierarchische Entwicklungsvorgabe evident. Das Programm Kunst macht Arbeit lässt durch seine Zielsetzung der Zusammenführung der Themen Kultur- und Kreativwirtschaft mit lokalen Produktionsprozessen, insbesondere im Bereich der Beschäftigungsmaßnahmen, zwar einen Bottom Up-Anspruch erkennen, ist durch seine Top Down-Implementierung jedoch deutlich als hierarchischer Ansatz einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt zu kennzeichnen, der v.a. durch eine starke Leitbildorientierung dominiert wird. Über das Programm umgesetzte Projekte wie das STOFFDECK lassen sowohl Suchbewegungen zur individualistischen Kultur in Form einer ‚kreativen Cluster‘-Politik erkennen, als auch zur fatalistischen Kultur, die durch die Kooperation mit Langzeitarbeitslosen und Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen, d.h. jenen Personen, die sonst nur wenig mit den beschriebenen kreativen Prozessen zu tun haben, zustande kommt. Der Ansatz Kunst macht Arbeit findet sich aus diesen Gründen in einer Ausrichtung wieder, die im Rahmen der Cultural Theory in großer Nähe zur Achse der individualistischen sowie der fatalistischen Kultur verläuft. Bezüglich des Programms Kunstplattform lässt sich mit der Cultural Theory festhalten, dass dieses ebenfalls vielfältige Annäherungsversuche zur egalitären Kultur aufweist, jedoch, was seine Partizipationsstrukturen betrifft, auch Suchbewegungen zur fatalistischen Kultur impliziert. So zeitigt das Format auf der einen Seite deutliche Wesenszüge der hierarchischen Strategie der kulturellen Festivalisierung auf, da es trotz der mehrmonatigen Arbeit vor Ort v.a. in einem vierwöchigen Präsentationszeitraum für die Öffentlichkeit sichtbar wird, worüber die IBA Hamburg u.a. Image- und Werbemaßnahmen ableitet. Zum anderen adressiert die Kunstplattform durch ihre Fokussierung auf die „Schnittstelle von Stadtentwicklung, Kunst und Alltagsleben“ (Klotz/Theis 2011a: 67) in einem Zuge Künstler aus der egalitären Kultur, für die sie – ganz im Sinne der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ – eine finanzielle Arbeitsgrundlage bereitstellt, als auch die lokale Bewohnerschaft, d.h. in diesem Fall die egalitäre Kultur. Durch die freie Themenumsetzung und das weitestgehend autarke Agieren der Kuratoren weist der Ansatz einen geringeren Steuerungsanspruch als Räume für die Kunst auf. Das Programm Projekte der kulturellen Vielfalt tritt abschließend als Ansatz hervor, der durch seinen endogenen Fokus und seinen Versuch der Aktivierung von Strukturen der Self-Governance deutlich als hierarchisch-egalitäres Hybrid der ‚milieuspezifischen Kontextsteuerung‘ bezeichnet werden kann, auch wenn sich einige Projekte an der Grenze zur individualistischen Kultur befinden. Dieser Fakt, aber auch die Tatsache, dass der Entstehungszeitpunkt der einzelnen Projekte i.d.R. vor die Unterstützung durch den hierarchischen Steuerungsansatz der IBA fällt, wodurch sich dieser maßgeblich von den Programmen Räume für die Kunst und Kunstplattform unterscheidet, führt zu einer Verortung desselben in der egalitären und der individualistischen Kultur.
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Folgt man dem Ansatz der Cultural Theory, dass immer vier Typen von viablen Kulturen existieren, ist davon auszugehen, dass auch der fatalistische Kulturtyp im vorliegenden Einzelfallbeispiel vorliegt. Wie bereits bei der theoretischen Annäherung aufgezeigt worden war, ist diese Transferleistung im vorliegenden Untersuchungsbeispiel nur ansatzweise leistbar. So tritt die fatalistische Kultur im Kontext der IBA Hamburg erneut als isolierte Kultur hervor, ohne Interesse an Kooperationen gegenüber den anderen Kulturen. Bedingt durch ihre Passivität bildet sie keine eigenen ‚Ansätze einer strategischen Kreativentwicklung der Stadt und ihrer Kritiker‘ aus, die die städtische Kultur im Sinne eines hybriden Entwicklungsmodells aufgreifen könnte, sondern zeichnet sich v.a. durch ihre Enthaltung aus, wodurch andere kreativitätsbasierte Ansätze eine Verstärkung erfahren. Auch wenn das Feld der fatalistischen Kultur erneut leer bleibt, konnten einige Annäherungsversuche der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg verzeichnet werden, wie es mit der Kunstplattform und Kunst macht Arbeit dargelegt worden war. Die einzelnen Ansätze der IBA Hamburg auf Basis der Cultural Theory sind in Abbildung 24 in ihrer Gesamtheit dargestellt. Abbildung 24: Ansätze der ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg im Kontext hierarchischer Cultural Theory-basierter Maßnahmen.
Quelle: Eigene Darstellung.
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Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die dargelegten Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg – trotz ihrer aufgezeigten Schwachstellen – eine deutliche Weiterentwicklung städtischen Handelns markieren, die auch über die Einzelfallstudie hinaus geltend gemacht werden kann. So zeichnet die Kontextualisierung der Ansätze auf Basis der Cultural Theory in Abbildung 22 ein Bild, nach dem städtische Bemächtigungsstrategien nicht länger nur auf großformatige Festivalisierungsmaßnahmen vertrauen, sondern die Handlungslogik der kulturellen und kreativen Akteure sowie ihrer Interaktion mit dem urbanen Raum als durchgehende Handlungsparameter aufgreifen. Dennoch ist in der Realität weniger eine eindeutige Fokussierung als eine Durchmischung zu verzeichnen, bei der Städte je nach Zielstellung, aber auch dem Grad ihrer Offenheit und Experimentierfreudigkeit sowohl hierarchische als auch hierarchisch-individualistische und hierarchisch-egalitäre Ansätze durchführen. Im Rückgriff auf das Plädoyer der Cultural Theory für Vielfalt und Heterogenität wird einmal mehr offensichtlich, dass es immer vielgestaltige organisationelle Formen und Systeme anstelle einer verallgemeinerbaren urbanen Kreativitätspolitik geben wird – und geben muss. Schließlich artikuliert sich die Identität der einzelnen Kulturen auch immer über die Abgrenzung zu andersartigen Organisationsformen, etwa wenn im Rahmen der IBA Hamburg der Versuch der Zulassung kritischer Stimmen als Indienstnahme im Sinne des 1 ‚neuen Geist des Kapitalismus‘ (Boltanski/Chiapello 2003) bewertet wird. Folglich gilt es, bestehende Konflikthaftigkeiten weniger als aufzubrechende Momente denn als feste Bestandteile von politischen Steuerungsansätzen zu akzeptieren: „Urban policy can be the creator, reinforcer and shaper of countless urban ills [...]. Yet we notice always the possibility held out by urban policy. [...] None of this is easy, and certainly none of it comes without a fight.“ (Porter 2009: 251) Eine Annäherung über die Cultural Theory offeriert in diesem Zusammenhang hilfreiche analytische Kriterien, um die Handlungslogiken anderer Kulturen zu verstehen, wie etwa Rhetoriken und Metaphern, die in den einzelnen Organisationskulturen verwendet werden, oder organisationsspezifische Schwachstellen (Vgl. Tab. 11), die mit Blick auf die Gesamtheit der einzelnen Kulturen sichtbar werden, und die es in der Umsetzung einer ‚strategischen Kreativplanung‘ zu beachten gilt:
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Doderer merkt an: „[...] Stadtverwaltungen und Vertreter des Stadtmarketing haben längst erkannt, dass wie die IBA es nennt, ‚Inseln kreativer Freiheit‘ ein Milieu schaffen, das als ‚Rückbettungskontext‘ für Unternehmen hochwillkommen ist. So integriert auch die IBA Hamburg Kunst- und Kulturproduktion unter dem Vorzeichen der ‚kreativen Ökonomien‘ in ihr Programm, initiiert unter dem Label ‚Kreativität trifft Stadt‘ das ‚Kreative Quartier Elbinsel‘ und fördert eine ganze Reihe an Projekten wie z.B. das Programm ‚Kunst macht Arbeit‘, das auf das ‚integrative und identitätsstiftende Potenzial der Kreativwirtschaft‘ setzt.“ [Herv. i.O.] (Doderer 2011: 132).
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Tabelle 11: Inhärente Schwachstellen der einzelnen organisationellen Typen. Organisationstyp
Achillessehne
verletzbar in Bezug auf
Hierarchisch
Deplatziertes Vertrauen in Autoritäten und Expertisen in Verbindung mit hoher Mobilisationskapazität Widerwille gegenüber der Akzeptanz von höheren Autoritäten zur Durchbrechung von Systemblockaden Tendenz zur Bevorzugung des individuellen vor dem kollektiven Wohlbefinden Widerwille gegenüber langfristigen Planungen oder der Ergreifung drastischer Maßnahmen in Extremsituationen
Dramatischer Kollaps von ambitionierten ‚Großlösungen‘/ Projekten
Egalitär
Individualistisch
Fatalistisch
Scheitern durch ungelöste Konflikte oder Kollegialität, die in Ko-Existenzen resultiert Scheitern durch fehlende Kooperationen oder individuelle Korruption Scheitern durch exzessive Massenträgheit oder Passivität
Eigene Übersetzung. Quelle: Hood 1998: 28.
Kreativitäts- und Planungsverständnisse
Als weitere leitende Forschungsfrage galt es, mit der vorliegenden Arbeit das Kreativitäts- und Planungsverständnis zu untersuchen, das sich in den Maßnahmen der IBA Hamburg abzeichnet. Beide Aspekte stellten insofern relevante Analysepunkte dar, als davon auszugehen war, dass sie maßgeblich Auskunft über das Grundverständnis zur Plan- bzw. Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ sowie ihrer Zielstellung im Rahmen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ geben. In Bezug auf die IBA Hamburg war deutlich geworden, dass kein einheitliches Kreativitätsverständnis, sondern multiple Definitionen identifiziert werden können, die von künstlerischkreativen Zuschreibungen bis hin zu personengebundenen, sozio-kulturell definierten Assoziationen von ‚Kreativität‘ reichen, in der die kollektive Aufweichung des einstigen Individualmerkmals mit dem experimentellen und revolutionären Potenzial von ‚Kreativität’ konfligiert. Diese Vermischung von ‚freier‘ und ‚angewandter Kreativität‘ ist, wie im Rückgriff auf die Expertenaussagen aufgezeigt werden konnte, nicht selten der Auslöser für vorherrschende Konflikte. Darüber hinaus zeitigt der Ansatz der IBA Hamburg die Vorstellung einer Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘, die sich sowohl in ihrer Strategiebildung als auch ihrer Zielvorstellung widerspiegelt. Mithilfe der qualitativen Studie war illustriert geworden, dass das strategische Planungsverständnis, welches den kreativitätsbasierten Maßnahmen der IBA Hamburg zugrunde liegt, als prozessuales Entschei-
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dungsmodell verstanden werden muss, da es durchaus Lernprozesse und graduelle Justierungsmomente beinhaltet, zugleich jedoch von einer deutlichen Planungsrationalität durchdrungen ist, die sich – trotz der Ausrichtung auf kollektive Partizipationsprozesse – in festen Zielvorgaben und einer verhältnismäßig linearen Vorgehensweise niederschlägt. Damit entscheidet die Ausformung der ‚strategischen Planung‘ maßgeblich darüber, in welcher Form und Reichweite ‚Kreativität‘ proaktiv befördert oder aber für sekundäre Machtinteressen in Stellung gebracht wird. Im Rahmen der Erfassung der mit der strategischen Ausrichtung verbundenen Intention des IBA-Programms „Kreatives Quartier Elbinsel“ traten – in Analogie zur Vielschichtigkeit des Kreativitäts- und Planungsverständnisses – entsprechend heterogene Zielsetzungen hervor. Diese reichen von integrativen, strukturellen Zielstellungen mit endogener Ausrichtung über imagebezogene Zielsetzungen zur Neukonnotation des Ortes bis hin zu wirtschaftlichen und stadtentwicklungspolitischen Zielen, die sich in der engen Verzahnung mit dem Hamburgischen Leitprojekt „Sprung über die Elbe“ manifestieren. Die vielfältigen strategischen Zielvorgaben machen dabei deutlich, dass die IBA Hamburg diese unbedingt abbauen muss, wenn sie das Thema ‚Kreativität‘ in seiner Offenheit glaubhaft befördern will: „Wenn man also zukünftig an der Idee der Kreativitätsplanung festhalten möchte, dann nur, wenn die Kulturverwaltung und die (staatlichen) Instanzen der Kulturförderung freiwillige Kooperationen in selbst definierten und geschaffenen urbanen Kreativszenen fördern, ohne von vornherein strategische Ziele und Mittel der Zielerreichung festzulegen.“ (Kirchberg 2010: 30)
In der Übertragung auf den Gesamtdiskurs um den Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt wird deutlich, dass insbesondere die Definitionsungenauigkeit des Kreativitätsbegriffes als Ursache für seine undifferenzierte Verwendung, v.a. aber als Grundlage für darauf aufbauende und damit oftmals fehlgeleitete, stadtpolitische Handlungskonzepte gelten muss – eine Form der ‚Vernutzung‘, der mit dem Begriff der ‚Leerformel‘ nach Topitsch (1960) bereits ausführlich Rechnung getragen worden ist. Während kreativitätsbasierte Konzepte wie die ‚Creative City‘ eine Verwertbarkeit von ‚Kreativität‘ im stadtentwicklungspolitischen, wettbewerblichen Sinn transportieren, vermitteln milieubasierte Ansätze ein unplanbares, ergebnisoffenes Handeln. Damit machen die stark divergierenden Verständnisse kenntlich, dass vorherrschende Diskurse ein zentraler Anknüpfungspunkt sind, wenn es darum geht, kreativitätsbasierte Entwicklungsstrategien aufzustellen. Ergänzend kann festgehalten werden, dass ein grundsätzliches Diversitätsverständnis sowie eine Offenheit für kreativitätsbasierte Handlungsansätze unabdingbar erscheinen, um sich einem Planungs- oder Steuerungsverständnis von ‚Kreativität‘ anzunähern. Im gleichen Zuge erfährt die Ergebnisoffenheit durch Experten aus dem planenden Bereich eine Einschränkung, da es, so das Selbstverständnis der
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Kultur, nicht darum gehen könne, einen planlosen Zustand zu postulieren – ein Konflikt, der sich als roter Faden durch das vorliegende Untersuchungsbeispiel zieht. Governance-Ansätze und ihre Konsequenzen
In Anlehnung an die zuvor skizzierten Kontroversen sollten im Rahmen der dritten leitenden Forschungsfrage konkrete Umsetzungsformen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der IBA Hamburg interessieren. Bereits im Kontext der Diskussion von Governance-Ansätzen war für das Phänomen der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt deutlich geworden, dass eine Orientierung am Begriff des ‚kreativen urbanen Milieus‘ insofern handlungsleitend erscheint, als sich dieser zum einen weniger belastet gegenüber dem Untersuchungsgegenstand und seiner Komplexität präsentiert als die ‚Creative City‘, zum anderen differenziertere Ableitungen für stadtpolitische Akteure und ihren Wunsch der Bemächtigung von kreativen Prozessen zulässt. Im Verlauf der Analyse war außerdem aufgezeigt worden, dass sich grundsätzliche Abhängigkeitsvariablen für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt formulieren lassen, bevor diese in die jeweils situative Umsetzung gelangt. Im Rückgriff auf die Ergebnisse der qualitativen Studie lassen sich diese entlang einer personellen, strukturellen sowie arbeitsorganisatorischen Dimension zusammenfassen. Während die personelle Dimension auf eine kritische Masse an kulturellen und kreativen Akteuren sowie ‚organisch‘ gewachsene, kreativ(wirtschaftlich)e Szene oder Teilmärkte als Grundvoraussetzung verweist, rekurriert die strukturelle Dimension auf spezifische Standortvoraussetzungen, die mit der Interdependenz von ‚Kreativität‘ mit dem urbanen Raum erfasst worden waren und sich in einem gewissen Grad an urbaner Dichte, wie sie etwa über überlagernde funktionelle oder räumliche Nutzungen im städtischen Raum, aber auch über kulturelle Diversität oder eine bestimmte kulturelle Historie Gestalt annehmen. Die arbeitsorganisatorische Ebene verweist zuletzt darauf, dass eine spezifisch städtische Denkkultur unumgänglich ist, wenn es darum geht, das Thema ‚Kreativität‘ im urbanen Raum zu befördern. Ausgehend von dieser Annahme konnten grundlegende Governance-Ansätze für eine ‚strategische Kreativplanung‘ der Stadt identifiziert werden, die sich entlang der Aspekte Infrastruktur/Mietpolitik, Kontextsteuerung, Intermediäre, Schutzmechanismen und Ergebnisoffenheit konkretisieren ließen. So stellt sich eine Raum- und Mietpolitik nicht als alleiniger, doch aber vorteilhafter Ansatz dar, um über die Schaffung von räumlichen Bedingungen Interaktionen von kulturellen und kreativen Akteuren zu befördern. Auch das Handlungsmoment der Kontextsteuerung hatte dargelegt, dass weniger aktive, hierarchische Eingriffe als indirekte Interventionen und Unterstützungen förderlich auf die Rahmenbedingungen der individualistischen und egalitären Akteure einwirken. Mit dem Interaktionsmoment der Intermediäre konnte zudem aufgezeigt werden, dass es nicht nur darum geht,
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Schlüsselakteure in ihrer Funktion für das Untersuchungsthema zu stärken, sondern eine entsprechende Reihenfolge ihrer Involvierung einzuhalten, da sich eine Governance von ‚Kreativität‘ v.a. als arbeitsorganisatorische und verwalterische, denn als künstlerisch-ästhetische Frage darstellt. Das Erlassen von Schutzmechanismen zur Sicherung bereits existierender Milieus oder Orte wurde zuletzt als ebenso essenziell bestätigt wie die Forderung nach einer grundsätzlichen Denkkultur, Geisteshaltung und Bereitschaft von Seiten der städtischen Akteure, sich ergebnisoffen auf kreativitätsbasierte Prozesse einzulassen. Darüber hinaus erscheint es in besonderem Maße zielführend, flexible und unkonventionelle Ansätze zu entwickeln, welche die Dynamik von ‚kreativen urbanen Milieus‘ sowie die Mobilität ihrer Akteure nicht hemmen, sondern durch ergebnisoffene Verfahren in ihrem Handeln zu befördern in der Lage sind. Die Rolle der hierarchischen Kultur ist also eher als Ermöglicher, denn als planende Instanz zu verstehen, von der eine passive Haltung bis hin zur „Strategie der Vernachlässigung“ gefordert wird (Vgl. Kap. 4.1.3). Zugleich war deutlich geworden, dass Governance-Ansätze von ‚Kreativität‘ nicht endlos sind, sondern klaren Grenzen unterliegen, die als Kritik der Governance skizziert worden waren. Trotz der angeführten Optionen bleibt evident, dass ‚Kreativität‘ weder uneingeschränkt planbar noch durch Steuerungsoptionen klar regulierbar ist. Im Rahmen der Analyse der konkreten Handlungsansätze konnte aufgezeigt werden, dass die IBA Hamburg auf der konzeptionellen Ebene durchaus gewillt scheint, sich der Materie ‚Kreativität‘ mit unkonventionellen Steuerungsansätzen anzunähern, was u.a. daran abzulesen ist, dass das Steuerungsparadoxon ‚Kreativität‘ nicht ausgeblendet, sondern in der Programmatik der IBA bewusst thematisiert wird. Gleichwohl hatte die Umsetzung der einzelnen IBA-Ansätze gezeigt, dass neben geläufigen Governance-Modellen im Bereich Raumpolitik, Intermediäre, Clusterpolitik und Kontextsteuerungen Züge von klassischen Top Down-Mechanismen zu verzeichnen sind. Die hohe Diskrepanz zwischen den programmatischen Ansätzen der IBA und ihren umsetzenden Strategien spiegelt damit das Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt wider. Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel muss sie außerdem als Zeichen einer enttäuschten Erwartungshaltung der involvierten Akteure bewertet werden. Dies ließ sich auch in der Analyse des semantischen Differentials ablesen, das – auch wenn es keine Repräsentativität beansprucht – für nahezu jeden Handlungsansatz der IBA abweichende Einschätzungen von Seiten der Experten aus der planenden gegenüber der egalitären oder individualistischen Kultur sichtbar gemacht hatte. Dabei bezogen sich sich die Differenzierungen insbesondere auf die Unkonventionalität, Aktualität sowie Experimentalität der Programme – allesamt Faktoren, die in besonderem Maße auf den ‚unplanbaren‘ und ‚unvorhersehbaren‘ Charakter von ‚Kreativität‘ rekurrieren. Im Rahmen der Diskussion zur Realisierung der einzelnen Kreativprogramme war außerdem deutlich geworden, dass die angewendeten Governance-Ansätze der
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IBA Hamburg unterschiedliche Bewertungen erfahren, je nachdem aus welcher Kultur sie beurteilt werden. Während hierarchische Vertreter die eingeschaltete Projektentwicklung im Ansatz Räume für die Kunst als überaus innovativ eingestuft hatten, da sie jene nötige Flexibilisierung und Bottom-Up Erdung aufweise, die zur Hinführung der Nutzer zu einer Selbstorganisation notwendig sei, hatten Vertreter der egalitären und individualistischen Kultur diese als stark reduktionistisch bewertet, da sich im Gelenk der Projektentwicklung ein deutlicher Steuerungsanspruch der IBA manifestiere. In Anlehnung an Kooiman (2003) kann die Praxis dieser intermediären Steuerungsform als Co-Governance bezeichnet werden. Die Umsetzung des Programms Kunst macht Arbeit hatte sich aufgrund seiner Loslösung von geläufigen Kreativitätsdiskursen und seiner Verbindung mit Produktionsprozessen zwar als zukunftsorientiertes Handlungsmodell dargestellt, jedoch eklatante Schwachstellen deutlich werden lassen. So hatte sich der Top Down-Handlungsansatz in der Praxis u.a. durch die starke Katalysatoren-Rolle der IBA Hamburg als hinderlich gezeigt – eine Steuerungsform, die in Anlehnung an Kooiman (2003) als hierarchische Governance bewertet werden kann, auch wenn mit dem Ansatz SelfGovernance-Kräfte mobilisiert werden sollten. Die Kunstplattform hatte eine große inhaltliche Offenheit bis hin zur „Unberechenbarkeit“ (IP16: 148) transportiert, gleichwohl unverkennbare Zwänge sowie Vereinnahmungen in der Umsetzung offenbart. Trotz seiner Ausrichtung auf Akteure aus der egalitären Kultur stellt sich das Format damit als hierarchisches Governancemodell dar, was insbesondere auf seine Top-Down-Steuerungsrichtung sowie den damit verbundenen Handlungsspielraum zurückzuführen ist. Das Programm Projekte der Vielfalt entspricht durch seine lokale Ausrichtung, seinen Stadtteilbezug und die damit verbundene Wertschätzung des endogenen Potenzials am ehesten der Steuerungspraxis der SelfGovernance nach Kooiman (2003). Dass eine praktizierte ‚strategische Kreativplanung‘ mit unmittelbaren Konsequenzen verbunden ist, war im Rahmen der vierten leitenden Forschungsfrage analysiert worden. Im Rahmen der IBA Hamburg konnten dabei v.a. eine Kommodifizierung von ‚Kreativität‘ als Image- und Vermarktungsstrategie, eine Mystifizierung der Produktionsweisen ihrer Akteure sowie raumpolitische Konsequenzen attestiert werden, die entlang der Spannungsfelder endogen – exogen, kausal – nicht kausal sowie vernetzend – konfligierend dargelegt worden waren. Während die urbane Kreativpolitik der IBA Hamburg zum einen positive Veränderungseffekte in Bezug auf die Außenwahrnehmung des Ortes und in diesem Rahmen auch Abstrahlungseffekte für bereits existierende Kulturformate hervorgebracht hatte, ist dieselbe Entwicklung zugleich das Zeichen einer neoliberalen Image- und Vermarktungsstrategie. Dabei sind nicht nur ökonomische Folgeeffekte für den Standort zu attestieren, sondern auch eine Verklärung der Produktionsbedingungen von kulturellen und kreativen Akteuren auszumachen. Die Kommodifizierung des Stadtraums muss außerdem in enger Verbindung mit Anti-IBA-Bewegungen und diesbezüglichen
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Gentrifizierungsbefürchtungen gelesen werden, wobei deutlich geworden ist, dass weniger die konkrete Kreativplanung der IBA Hamburg, als ihre indirekte Wirkungskraft dazu beiträgt, entsprechende Befürchtungen zu nähren, auch wenn diese in hohem Maße von einer inhaltlichen Vermischung von Aufwertung und Verdrängung getragen ist. Zuletzt konnte damit ein Spannungsfeld identifiziert werden, nach dem die kreativitätsbasierten Entwicklungsansätze der IBA die kritische Kreativitätsdebatte in Hamburg auf der einen Seite maßgeblich befördern, diese auf der anderen Seite durch die Schaffung von Möglichkeiten zur Vernetzung, Interaktion und Austausch aufbrechen. In der Übertragung auf den Gesamtdiskurs lässt sich festhalten, dass praktizierte Kreativplanungen mit einer Vielzahl an Folgeerscheinungen verbunden sind, die eine breite Spanne an potenziellen Szenarien inkludieren, die maßgeblich vom jeweiligen Standort, seinen Themen, aber auch seinen Akteuren abhängen und deshalb nicht per se verallgemeinert werden können. Grundsätzlich sind sich Erscheinungs- aber auch Kommunikationsformen hierarchischer Formen einer ‚strategischen Kreativplanung‘ in einzelnen Städten so ähnlich, dass die ursprünglich verfolgte kreative Standortpositionierung nicht selten ad absurdum geführt wird. Das betrifft sowohl das kreative Naming von Städten als auch die damit verbundene Spezialisierung auf eine kreative Teilbranche: „It is in general not advisable to attempt to become a Silicon Valley when Silicon Valley exists elsewhere“ (Scott 2000: 27). Dabei führt die Adaption immergleicher Strategien mit immergleichen Zielsetzungen, wie sie im Rahmen der Kritik der „xerox-policy“ (Pratt 2009) aufgezeigt worden war, zu einer Entwicklung, in der die fehlende Rückkopplung kreativitätsbasierter Ansätze an lokale Standortkriterien u.a. in einem direkten Konflikt zu den entwickelten Abhängigkeitsvariablen für eine ‚strategische Kreativplanung‘ mündet: „Whilst the policy convergence and transference are evident, and localised models of policy formulation and intervention appear similar, – including built forms and brand themes (‚science city‘, ‚creative city‘, ‚culture city‘) – local conditions and variations such as the
histor-
ical, social and cultural identities, governance, geographies/scales, should be equally considered in order to avoid falling into a reductive trap of universality at the cost of understanding the particular.“ [Herv. i.O.] (Evans 2009b: 1006)
Vielerorts zeichnet die vorherrschende Planungspraxis weniger das Bild einer lokalbezogenen, situativen, auf Selbststeuerung setzenden Kreativitätspolitik, die neue Formen der Partizipation, Kooperations- und Interaktionen ermöglicht und damit das Eigenständige und Unplanbare von ‚Kreativität‘ zulässt, als eine Form der „kulturellen Gouvernementalität der Stadt“ (Reckwitz 2009: 8f.), wodurch einmal mehr der machtpolitische Rahmen, in den Planung und damit verbundene, politische und ideologische Interessensbestimmungen eingebunden sind, sichtbar wird. Vor die-
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sem Hintergrund erscheint die in den 1970er Jahren von Burckhardt aufgeworfene Frage „Wer plant die Planung?“ (Burckhardt 1974: 71) auch für das vorliegende Untersuchungsbeispiel aktuell. ‚Kreativität‘ und Urban Governance
Mit der fünften Forschungsfrage sollte abschließend die Frage interessieren, welche Interventionsmöglichkeiten – ausgehend vom Beispiel der IBA Hamburg – aus stadtentwicklungspolitischer Sicht für das Steuerungsparadoxon ‚Kreativität‘ abgeleitet werden können. Die Zusammenführung der Modellhaftigkeit der IBA Hamburg als experimentelles Sonderformat der Stadtplanung mit jenen Erkenntnissen, die in der Analyse zur Frage der Steuerbarkeit von ‚Kreativität‘ gewonnen werden konnten, soll mit dem Diskurs der Urban Governance gebündelt werden – ein Ansatz, mit dem „das Governance-Konzept explizit auf Fragen der Stadtentwicklung und Stadtpolitik übertragen wird“ (Einig et al. 2005: I). Ausgehend von einem flexiblen, informellen und formellen Verständnis von Partizipation postuliert Urban Governance ein Planungsverständnis, das nicht länger linearen, starren Zielen folgt, sondern eine neue Steuerungsform im Sinne einer „regulierten Selbststeuerung und Selbstorganisation“ zulässt (Vgl. Frey 2008b: 226). In der Übertragung auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand soll allerdings nicht die von Frey (2007) postulierte „Planung der Nicht-Planung“ verstärkt werden, die die Disziplin der Stadtplanung radikal zur Disposition stellt, sondern eine Strategie entworfen werden, die im Rückgriff auf die Cultural Theory, nach der jede Organisationskultur ihre Berechtigung hat, „unterschiedliche subjektive Sichtweisen, unterschiedliche Erfahrungen und divergierende Interessen durch Partizipationsprozesse“ (Frey 2008a: 33) vereint. Neben dem normativen Anspruch des Ansatzes gilt es, seine Paradoxie nicht außer Acht zu lassen, die in der Zusammenführung von ermöglichenden Bedingungen einerseits und eingrenzenden Regulierungen andererseits begründet liegt (Vgl. Einig et al. 2005: III)2, und die durch den Gegenstand der ‚Kreativität‘ einmal mehr in seiner Ambivalenz verdichtet wird. Bereits im Rahmen der Transformation städtischen Handelns hin zur ‚unternehmerischen Stadt’ war deutlich geworden, dass Ansätze einer Urban Governance und damit verbundene Allianzen (Growth Machines) nicht nur als Reaktion auf das Wachstumsbestreben der postmodernen Gesellschaft, sondern zugleich als ihr treibender Faktor verstanden werden müssen,
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So machen Einig et al. deutlich, dass „die allen Vorstößen in Richtung einer Urban Governance zugrunde liegende Paradoxie“ darin begründet liegt, „dass kooperative Verhandlungen einen demokratisch legitimierten und zur hierarchischen Intervention fähigen Staat zur Voraussetzung haben. Tatsächlich verdanken sie ihre Existenz aber wohl vor allem den Steuerungs- und Legitimationsdefiziten dieses hoheitlichen Staates.“ (Einig et al. 2005: VIII)
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wie es Harvey (1989) bereits Ende der 1980er Jahre konstatiert hatte3 und auch Peck anhand städtischer Steuerungsansätze von ‚Kreativität‘ ergänzt hat.4 Die Praxis der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt verlangt nach neuen Steuerungsformen, die nicht nur die Handlungslogik der kulturellen und kreativen Akteure in besonderem Maße aufgreifen, sondern auf das Steuerungsparadoxon von ‚Kreativität‘ behutsam Bezug nehmen. Dabei erscheint es essenziell, geläufige Planungsinstrumente durch ein erweitertes Steuerungsverständnis – wie mit dem Konzept der Urban Governance – zu ersetzen, das die Stadt in ihrer strategischen Schnittstellenfunktion betont, aber auch in Kauf nimmt, dass Politik nicht immer steuern kann: „Bewusste Phasen der Nichtbeachtung und des Wegschauens gehören genauso zu einer kreativen Stadtpolitik wie Phasen der intensiven Unterstützung und Förderung.“ (Versch/Utz 2010: o.S.) Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand ergeben sich damit folgende Ableitungen: An erster Stelle gilt es, den Begriff der Planung zugunsten einer Kontextsteuerung von ‚Kreativität‘ aufzugeben – „Kreativitätsförderung ist Kontextsteuerung; sie schafft nichts, sie ermöglicht.“ (Bröckling 2004: 143) –, innerhalb derer städtische Strategien nicht länger über direkte Interventionen, sondern indirekte Stimulationen verhandelt werden. Diese Handlungspraxis erscheint u.a. deshalb folgerichtig, da durch die neuartigen Organisationsformen der Kultur- und Kreativwirtschaft in Milieus, Netzwerken oder Clustern kein einheitliches Steuerungsobjekt zu erkennen ist (Vgl. Lange 2011: 58). Dieser Heterogenität war bereits mit den verschiedenen Governance-Modellen nach Kooiman (2003) Rechnung getragen und auch anhand des eingeführten analytischen Suchbegriffs der ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt sichtbar geworden, der, obwohl er das Steuerungsparadoxon von ‚Kreativität‘ als inhärente Kritik bewusst in die Begrifflichkeit aufgenommen hatte, im Rahmen der Expertenbefragung deutlich auf Widerstand gestoßen war. Auch wenn der Begriff keineswegs eine Planbarkeit behaupten, sondern durch die bewusste Setzung in seiner Terminologie an die Paradoxie der damit bezeichneten städtischen Handlungspraxis erinnern wollte, war er für viele Experten
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Harvey hatte aufgezeigt, dass Urban Governance immer in Verbindung mit der Ausbildung einer städtisch forcierten, neoliberalen Entrepreneurskultur betrachtet werden muss: „Urban Governance has thus become much more oriented to the provision of a ‚good business climate‘ and to the construction of all sorts of lures to bring capital into town.“ [Herv. i.O.] (Harvey 1989: 11)
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„Kreativstrategien bauen auf dem Terrain neoliberaler Stadtpolitik auf, bearbeiten und verwandeln es langsam, platzieren warenförmige Aktiva wie Kunst oder Straßenkultur im Standortwettbewerb zwischen den Städten, ermöglichen die Entwicklung neuer politischer Kanäle und Interessengruppen vor Ort, die Konstitution neuer Objekte und Subjekte der Urban Governance.“ (Peck 2008: 13)
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Anstoß genug gewesen, darauf hinzuweisen, dass Annäherungsversuche an eine Bemächtigung von ‚Kreativität‘ eher als Stimulation, denn als Planung zu begreifen seien. Die Handlungspraxis impliziert darüber hinaus ein Ablassen von konkreten Zielvorgaben. Obwohl die strategische Planung, so war mit einem politikwissenschaftlichen Zugang aufgezeigt worden, auf der Prämisse beruht, den Prozess der Planung, nicht das Ziel in den Vordergrund zu stellen, d.h. kollektive Lernprozesse und Konsensbildungen zuzulassen, ist die Praxis häufig von einer anderen Umsetzung geprägt. Das mit der strategischen Planung transportierte Verständnis einer ergebnisoffenen Steuerung zeigt die Grenzen der klassischen Planung auf, die insbesondere bei einem solch heterogenen Thema wie der Beförderung von ‚Kreativität‘ im urbanen Kontext zutreffen. Während Strategieentwicklung nicht umsonst zur größten Herausforderung im Rahmen der Governance der Stadtplanung gezählt wird, wird deutlich, dass auch im Bereich der kreativitätsbasierten Planung Strategieentwicklung nicht länger nur der planenden Verwaltung oder der Politik obliegen kann, sondern vielfältige, d.h. viele nicht-öffentliche Akteure einbeziehen muss, die explizit oder intuitiv am Prozess der Strategiebildung mitwirken (Vgl. Wiechmann 2010: 17f.). Nicht zuletzt ist die Kontextsteuerung deshalb maßgeblich von der Anerkennung der Unplanbarkeit als Voraussetzung für städtische Strategien abhängig. Bezogen auf die städtisch-hierarchische Kultur bedeutet dies ein Selbstverständnis, das weniger von einer aktiven Gestaltung, denn einer indirekten, flexiblen Beförderungspolitik geprägt ist, die Möglichkeitsräume für ungeplante Prozesse und autonome Praxen von kulturellen und kreativen Akteuren in dynamischer Form zulässt: „Kontextsteuerung [...] gleicht – cum grano salis – eher dem Bild eines Feng-Shui-Gärtners, der einen Garten so anlegt und arrangiert, dass die Energieströme ungehindert fließen können – und ansonsten sich selbst überlässt. Kontextspezifische Steuerungsperspektiven zielen auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen dieser Biotope, in denen sich kollektive Möglichkeiten entwickeln können.“ (Friebe/Lange 2011: 23) Dazu gehört u.a. eine Erinnerung an die originären Aufgaben der städtischen Kultur, mithilfe derer die künstlerischen und kulturellen Szenen im Sinne der Cultural Theory dort befördert werden können, wo sie aus ihrer eigenen Kultur heraus Schwachstellen (Vgl. Tab. 11) aufweisen. Etwaige Ansätze, die bereits anhand der hybriden hierarchisch-egalitären oder hierarchisch-individualistischen Entwicklungsstrategien aufgezeigt worden waren, können durch weitere Einfallsmomente, wie sie Kunzmann (2009) für die Kultur- und Kreativwirtschaft im Rahmen einer strategischen Stadtentwicklungsplanung formuliert hat, ergänzt werden.5
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Laut Kunzmann (2009: 40ff.) lassen sich folgende Anknüpfungspunkte für die Stadtplanung benennen, mithilfe derer die Kultur- und Kreativwirtschaft in ihrem Wirken beför-
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Desweiteren gilt es, eine endogene, ortsbezogene und individuelle Steuerungspolitik stark zu machen, wie sie im Rahmen der IBA Hamburg für den Stadtteil Wilhelmsburg entwickelt worden war. Interessant waren hier weniger die einzelnen Kreativstrategien als die Methodik der IBA Hamburg, die aus dem Ort und seinem lokalen Kapital heraus spezifische Handlungsstrategien entwickelt und kombiniert hatte, ohne die Copy and paste-Mentalität des ‚Creative City‘-Narrativs zu reproduzieren, wie sie vielerorts vorzufinden ist. Schließlich ist und bleibt der urbane Ort nicht austauschbar, wodurch Steuerungspraktiken einmal mehr selbigen sowie seine vorhandenen Stärken aufgreifen müssen. So fordert etwa Frey, quantitative und qualitative „Sozialraumanalysen“ für einzelne Städte durchzuführen, die in enger Rückkopplung mit den politischen Entscheidungsträger, aber auch in enger Zusammenarbeit mit der ansässigen Bevölkerung die Möglichkeit bereitstellen würden, ortsspezifische Maßnahmen einer ‚kreativen‘ Entwicklungsstrategie zu entwerfen (Vgl. Frey 2008: 32). Zugleich bedeutet dieses Vorgehen, dass bestimmte Städte gänzlich von einer kreativitätsbasierten Entwicklungsperspektive abrücken müssen, da – nimmt man die vorgebrachten Gründe ernst – bestimmte Voraussetzungen existieren müssen, bevor eine entsprechend kreative Stimulationspolitik greifen kann: „If the objective is to facilitate creative places, then more attention needs to be paid to the particularities of locality. Creativity may be found everywhere, but perhaps not all localities can become ‚creative places‘ with the competitive advantage that this implies.“ [Herv. i.O.] (Foord 2009: 111). In einem weiteren Schritt ist es notwendig, auch das konnte anhand des Untersuchungsbeispiels der IBA Hamburg kenntlich gemacht werden, verstärkt auf kleinteilige Steuerungsschritte zu setzen, die sich bewusst von etablierten Strategien in Reinform, wie sie anhand der Modelle der kulturellen Festivalisierung oder der kulturell-kreativen Leuchtturme aufgezeigt worden war, lossagen: „Die Lösung der Probleme wird eher in homöopathischen Strategien mit kleinen konzentrierten Eingriffen, die ganzheitliche Wirkungen erzielen, zu finden sein, als in kostenintensiven Großprojekten.“ (Pfeil/ Friedrich 2006: 22) Dabei tritt Kreativitätspolitik nicht nur als Qualitätsaufgabe, sondern auch als Querschnittspolitik auf, die maß-
dert werden kann: Informationsgrundlagen schaffen und kulturwirtschaftliche Potenziale erkunden (1); Kulturwirtschaftliche Raumbeobachtungen etablieren und Wettbewerber beobachten (2); Botschaften aussenden und Netzwerke bilden (3); Erfolgsgeschichten verbreiten (4); Katalytische Projekte initiieren (5); Kreative Räume für Experimente und Innovationen offen halten (6); Öffentliche Räume sichern (7); Kulturwirtschaftliche Dimensionen in strategische Leitbilder der Stadtentwicklung integrieren (8); Aus- und Fortbildungsgelegenheiten nutzen und ausbauen (9); Auf Verbesserung der Rahmenbedingungen insistieren (10).
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geblich – auch dies war anhand der Modellhaftigkeit der IBA Hamburg deutlich geworden – vom Mut zum Experiment abhängt: „Die Gestaltung einer kreativen Stadt braucht den Mut, eingetretene Pfade und Routinen zu verlassen. Da die ‚kreative Stadt‘ eine Verbindung zwischen unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen und den jeweiligen städtischen Orten hervorbringt, ist die Steuerung dieser Zusammenhänge keine sektorale Aufgabe mehr. Ziel sollte es sein, über Ressortgrenzen hinweg Partnerschaften und Kooperationen zu suchen.“ [Herv. i.O.] (Frey 2008b: 32)
Die Forderung nach einer ressortübergreifenden und multidimensionalen Kreativitätspolitik wird auch von Wiechmann unterstützt, der für eine Zusammenführung der einzelnen, in das Thema involvierten Akteure plädiert, um gemeinsam einen Urban Governance-Ansatz zu entwickeln, innerhalb dessen die Strategiebildung als interdisziplinäres Aufgabenfeld hervortritt. Denn wollen Städte ‚Kreativität‘ langfristig entwickeln und die damit verbundenen Potenziale nutzen, werde dies nur erfolgreich sein, wenn die Stadtpolitik mittelfristig integrierte Ansätze verfolgt, die alle relevanten Akteure aus dem Bereich der Stadtentwicklungsplanung, der Wirtschaftsförderung sowie der Kulturförderung gleichermaßen einbezieht (Vgl. Wiechmann 2010: 31). In der Weiterentwicklung würde eine solche integrative Kreativitätspolitik auch budgetäre Konsequenzen nach sich ziehen, in der das interdisziplinäre Handeln einer Stadt dadurch sichtbar wird, dass Umschichtungen in Bezug auf übergreifende Disziplinen und Finanzierungsmittel ermöglicht werden. Auch wenn ressortübergreifende Kooperationen heute durchaus, etwa im Rahmen der „integrierten Stadtentwicklung“6 (Becker et al. 2003: 12) umgesetzt werden, ist die Praxis noch längst nicht etabliert. In einer weiteren Konsequenz, so kann mit Versch/Uetz (2010) angeführt werden, bedeutet dies, dass bürokratische Denk- und Handlungsstrukturen massiv aufgebrochen werden müssen. Als letztes Kriterium für eine Urban Governance von ‚Kreativität‘ soll deshalb die Forderung nach Flexibilität und Ergebnisoffenheit auf Planungs- und Verwaltungsebene aufgeführt werden. Nicht selten gelten bürokratische Zielvorgaben als „Ursache für die Spannungen zwischen der kommunalen Verwaltung, die strategische Kulturplanung forciert, und den Produzenten von
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Der Ansatz der integrierten Stadtentwicklung ist fester Bestandteil des Bund-LänderProgramms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“, das seit 1999 umgesetzt wird. Mit dem „integrierten Handlungskonzept“ wurde ein Steuerungsund Koordinierungsinstrument geschaffen, dass darauf abzielt, „im Dialog zwischen den entsprechenden Verwaltungsressorts, der Quartiersbevölkerung und den lokalen Akteuren alle notwendigen Politik- und Handlungsfelder in die Entwicklung der Konzepte, ihre Fortschreibung und Umsetzung einzubeziehen“ (Becker et al. 2003: 13).
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Kultur und Kreativität vor Ort, die davon betroffen sind“ (Kirchberg 2010: 29). Für die vorliegende Untersuchung und ihren analytischen Suchbegriff bedeutet das auch, dass die mit dem Adjektiv ‚strategisch‘ verbundenen Handlungsparameter zugunsten eines Verständnisses aufgegeben werden müssen, das im englischen Sprachgebrauch als ‚serendipity‘ bekannt ist: „Planung ist vielmehr die Förderung von ‚serendipity‘, der englische Ausdruck für eine nur im Ansatz mögliche Gestaltung von Umwelten, die die Wahrscheinlichkeit eines positiven (hier: Kreativität schaffenden) Resultats eventuell über die Zufallswahrscheinlichkeit hinaus erhöht. […] Serendipity-Planung ist also das Gegenteil zur strategischen Planung.“ [Herv. iO.] (Kirchberg 2010: 29)
Dabei ist Ergebnisoffenheit keineswegs mit einer Absage an Steuerung gleichzusetzen, sondern vielmehr damit verbunden, dass städtische Akteure stärker in die Fähigkeiten von egalitären und individualistischen Akteuren vertrauen sollten. Daran anknüpfend sollte ‚Kreativität’ vom Willen geleitet sein, unkonventionelle Handlungsansätze und Lösungen zuzulassen, was ein „verändertes Arbeitsprinzip von Politik und Verwaltung“ (Liebmann/Robischon 2003: 10) nach sich ziehen würde, mit Menschen, die nicht nur kreative Themen bewegen, sondern auch die Denkkultur entsprechend verstehen und umsetzen können: „Creative planning needs creative people, creative planners, opinion leaders, moderators and communicators who know enough about the past to envision the future, and a planning culture that gets out of grid-locked bureaucratic statutory planning, and political bargaining.“ (Kunzmann 2005: 10) Mithilfe der Cultural Theory war aufgezeigt worden, dass eine kreative Stimulationspolitik von Seiten der Stadt nicht bedeutet, dass sich die städtische Kultur vollständig der egalitären oder individualistischen Kultur anpassen muss, sondern dass die einzelnen Entwicklungsvarianten im Zusammenwirken von ‚Kreativität‘ und Stadt in ihrer Vielfalt unbedingt erhaltenswert sind, insbesondere dann, wenn man Ansätze einer Teilkultur stabilisieren möchte: „Unless the built-in weaknesses of each of the polar forms or organization suddenly disappear, the obstacles to any one of them becoming entrenched against all the others will remain.“ (Hood 1998: 224) Neben konkreten Ansätzen zur Beförderung von ‚Kreativität‘ in einer kontextsteuernden, ortsbezogenen, ergebnisoffenen und integrativen Stimulationspolitik hat die vorliegende Studie deutlich gemacht, dass das Forschungsthema in besonders hohem Maße von einem gegenseitigen Verständnis der unterschiedlichen Kulturen, die sich im Wirkungszusammenhang von ‚Kreativität‘ und Stadt bewegen, geleitet ist. Während die städtische Kultur einerseits strategische Planungsmacht abgeben und mehr Selbststeuerung im Sinne eines Vertrauensvorschusses an die individualistische und egalitäre Kultur zulassen muss, geht es zugleich darum, von Seiten der nicht-planerischen Kulturen vorherrschende Befürchtungshaltungen in Teilen abzu-
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bauen und die Handlungsversuche der Stadt als ernstgemeinte Hilfestellungen anzuerkennen und zu prüfen, bevor diese pauschal als Instrumentalisierungsversuche abgelehnt werden. Es gilt also einmal mehr, bestehende Vorurteile und Dogmatismen zu überwinden und Wechselwirkungen in dialogischer Weise produktiv zu nutzen – gerade weil ‚Kreativität‘ bis zu einem gewissen Grad immer ‚unsteuerbar‘ bleiben wird. Forschungsausblick
Der dargelegte Untersuchungsgegenstand bietet zuletzt vielfältige Anküpfungspunkte für nachfolgende Forschungen. Während die vorliegende Studie den Fokus explizit auf hierarchische Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ der Stadt gerichtet hatte, könnten aufbauende Untersuchungen selbigen aus der Perspektive jener anderen drei Kulturen beleuchten, die sich in der Loslösung vom Planungsbegriff ergeben (individualistische, egalitäre und fatalistische Kultur). Dies kann in Bezug auf die urbane Kreativitätspolitik der IBA Hamburg, aber auch auf der Makroebene erfolgen. Da die Cultural Theory von einem konflikhaften, interdependenten Verhältnis aller vier Kulturen ausgeht, dürften die Perspektivwechsel u.a. interessante Erkenntnisse für die hierarchische Kultur hervorbringen. Zuletzt wurde mit der Cultural Theory ein theoretisch fundiertes Analyseinstrument vorgestellt, das in einem folgenden Schritt auf andere Städte und Regionen und ihre Ansätze einer ‚strategischen Kreativplanung‘ angewendet werden könnte.
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Sabin Bieri Vom Häuserkampf zu neuen urbanen Lebensformen Städtische Bewegungen der 1980er Jahre aus einer raumtheoretischen Perspektive 2012, 502 Seiten, kart., 36,80 €, ISBN 978-3-8376-1704-7
Simone Egger »München wird moderner« Stadt und Atmosphäre in den langen 1960er Jahren 2013, 482 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2282-9
Sandra Maria Geschke Doing Urban Space Ganzheitliches Wohnen zwischen Raumbildung und Menschwerdung 2013, 360 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-2448-9
Jörg Heiler Gelebter Raum Stadtlandschaft Taktiken für Interventionen an suburbanen Orten 2013, 352 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2198-3
Antje Matern Mehrwert Metropolregion Stadt-Land-Partnerschaften und Praktiken der Raumkonstruktion in der Metropolregion Hamburg 2013, 394 Seiten, kart., zahlr. Abb., 36,99 €, ISBN 978-3-8376-2499-1
Montag Stiftung Urbane Räume (Hg.) Neue Partner für die Quartiersentwicklung Die KALKschmiede* in Köln. Methoden – Erkenntnisse – Interviews 2013, 200 Seiten, kart., 16,99 €, ISBN 978-3-8376-2664-3
Daniel Nitsch Regieren in der Sozialen Stadt Lokale Sozial- und Arbeitspolitik zwischen Aktivierung und Disziplinierung 2013, 300 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2350-5
Eva Reblin Die Straße, die Dinge und die Zeichen Zur Semiotik des materiellen Stadtraums 2012, 464 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 39,80 €, ISBN 978-3-8376-1979-9
Eberhard Rothfuß Exklusion im Zentrum Die brasilianische Favela zwischen Stigmatisierung und Widerständigkeit 2012, 290 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-2016-0
Miriam Stock Der Geschmack der Gentrifizierung Arabische Imbisse in Berlin 2013, 354 Seiten, kart., zahlr. Abb., 35,99 €, ISBN 978-3-8376-2521-9
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