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German Pages 186 [194]
Inhalt §1: 1.
Einleitung
7
Überblick und Problemexposition
7
Abschnitt A: Das leibliche Subjekt. §2: 1.
24
Heideggerschen Umweltanalyse
25
Generelle Probleme der Umweltanalyse
25
Können und Verstehen
25
Holismus und Idealismus
28
Pause, Spielen
34
Lernen, Neugier
40
2.
Perzeption und Handlung
42
3.
Heidegger und Scheler
45
4.
Kritik der Heideggerschen Umweltanalyse
50
§3:
Vorbemerkung
50
Die Störung
52
Der Verlust der Sinnlichkeit
56
Der Verlust der Leiblichkeit
62
Husserls „Ästhetik des Leibes“
67
1.
Können
67
2.
Umwelt und Leib
75
§4:
Praktische Intentionalität
85
1.
Vorbemerkung
85
2.
Praktische Leiblichkeit in Nähe und Ferne
86
3.
Leiblichkeit und Sinnlichkeit (Berührung)
100
4.
Bedeutsamkeit (Affektion und Werthaftigkeit)
108
5.
Umgang, Kultur, Zweck
115
Abschnitt B: Das handelnkönnende Subjekt §5: Selbstbezüglichkeiten §6: Kritik der praktischen Philosophie Husserls 1.
124 125 127
Das praktische Selbstverhältnis bei Husserl
127
5
2.
Hintergrund: Husserls Vernunfttheorie
132
3.
Kritische Anfragen an Husserls Handlungsbegriff
140
§7:
148
1.
Umwillen, praktische und modale Möglichkeit
148
2.
Wünschen und Wollen
156
3.
Handeln und Verantwortung
160
4.
Angst und Handelnkönnen
167
5.
Schuld und Reue
173
§8:
Hermeneutik des praktischen Selbst
177
§9:
Bibliographie
181
6.
6
Das praktische Selbstverhältnis (Heidegger)
Namensregister
197
§1: EINLEITUNG 1. ÜBERBLICK UND PROBLEMEXPOSITION
Einen phänomenologischen Entwurf innerhalb der Ethik anvisieren zu wollen, heißt verschiedene Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen. Zunächst wird er konfrontiert mit der faktisch-historischen Ausbildung von phänomenologischen Ansätzen in der Ethik, die sich innerhalb der Husserl-Tradition vorrangig als materiale Werttheorie verstanden haben (Ehrenfels, Scheler, Hildebrand, Reiner) und innerhalb der Heidegger-Tradition als eine Ontologie und Hermeneutik praktischer Selbstvollzüge ausgebildet wurde (Arendt, Lévinas, Ricœur). 1 Daneben gibt es neuere Ansätze wie die von Waldenfels, die sich davon ablösen, um aus der Struktur der Nachträglichkeit des Bewußtseins eine „responsive Ethik“ zu entwerfen.2 Neben diesen spärlichen, aber doch vorhanden Ansätzen wird man mit der systematischen Schwierigkeit konfrontiert, daß der Grundansatz der Phänomenologie von sich her anstatt zu normativen eher zu ontologischen bzw. anthropologischen Überlegungen führt, weil er sich auf eine intuitive Basis beruft, von der her die Analyse beginnt und zurückführt. Die Phänomenologie fragt, auf welcher Basis, auf welcher Erfahrung und auf welcher menschlichen Grundlage die Moral gegründet ist. Die Ethik führt immer auf denjenigen zurück, der moralisch oder unmoralisch sein kann. Mit anderen
vgl. Schuhmann 1992; Lembeck 1994, 129ff.; Wuchterl 1995, 166-177; 192-208. Zum historischen Hintergrund der Werttheorie, wie sie sich aus dem Neukantianismus und der Theorie Herrmann Lotzes entwickelt hat und von der Phänomenologie vorgefunden wurde vgl. Schnädelbach 1983, 198-234. Bezüglich Hildebrand ist anzumerken, daß selbst die Husserl Forschung nicht beachtet hat, daß Dietrich Hildebrand (in späteren Jahren äußerst konservativ) bei Husserl eine Arbeit über die „Idee der sittlichen Handlung“ geschrieben hat, die im Jahrbuch 1916 veröffentlicht wurde. Die Grundidee Hildebrand ist durchaus interessant. Er spricht nämlich davon, daß neben dem Willen in einem ersten Schritt alle „Träger“ des Ethischen ermittelt werden sollen, wenngleich Hildebrand dies sofort mit einer christlich fundierten materialen Theorie der Werte vermischt und nicht im Sinne einer Ontologie des Subjekts. Vgl. Hildebrand 1916, 127. 2 Vgl. Waldenfels 1998a; Waldenfels 1995a; Waldenfels 1997b. 1
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Worten: sie führt zurück auf „den“ Menschen im allgemeinen Sinne. 3 Diese Verknüpfung ist in modernen Ansätzen, insbesondere in der Sprachphilosophie, eher in den Hintergrund gerückt, aber in einer Theorie wie derjenigen von Hans Jonas ist sie bspw. implizit vorhanden und wird bei Paul Ricœur explizit bearbeitet. Jonas beginnt mit anthropologischen Überlegungen und endet mit ethischen Überlegungen und moralischen Forderungen. So wird in der Arbeit nachgeforscht, welche Form der Subjektivität aus Sicht Husserls und Heideggers für explizite ethische Fragestellungen bereits vorausgesetzt sein muß bzw. wie sich das handelnde Subjekt konkret bestimmen läßt. Es werden daher in dieser Arbeit keine Ausführungen zum grundsätzlichen Verhältnis von Ethik und Ontologie oder Anthropologie gemacht. Das wäre als der nächste Schritt des skizzierten Projektes zu charakterisieren. Bevor ethisch im phänomenologischen Sinne reflektiert werden kann, muß zunächst analysiert werden, in welcher Form von Bewußtheit bzw. Existenz sich ethisches Bewußtsein zeigen kann. 4 Die folgende Arbeit gibt darauf zwei simple, nicht originelle Antworten: es handelt sich [i] einerseits um ein leibliches Subjekt, [ii] andererseits um ein sich als handelnkönnend erfasDarauf verweist nicht nur in besonderem Maße Heideggers Kant-Auslegung des moralischen Selbst, der Achtung und der Verantwortung (GA 24, 194), die er im Umfeld von Sein und Zeit vorführt, sondern auch seine Charakterisierung der Existentialanalytik im Sinne einer „Metaphysik der Sitten“. Nach Heidegger bedeutet „Metaphysik der Sitten [...] Ontologie der menschlichen Existenz“ (GA 24, 195). Damit stellt er sein eigenes Projekt explizit in einen Kantischen Horizont. Das meinen auch C.F. Gethmann und M. Riedel. Vgl. Gethmann 1988, 158f.; Riedel 1990, 234ff.. 4 Es ist immer wieder erkannt worden, daß es eine Verbindung von Heideggers Analysen zur Ethik geben muß. So schreibt etwa Sartre: „Heideggers Beschreibung läßt jedoch allzu deutlich die Bemühung erkennen, ontologisch eine Ethik zu begründen, um die er sich angeblich nicht kümmert“ (Sartre 1993, 174); vgl. auch: „Trotz Heideggers in Sein und Zeit oft wiederholter Beteuerung, daß er sich nicht mit der Ethik beschäftigt, kann man verteidigen, daß dieses Buch dennoch wenigstens eine implizite Fundamentalethik enthält.“ (Peperzak 1988, 376). Vgl. dazu auch die Anmerkungen bei Gelven 1970, 166; vgl. ebenso zur allgemeinen Frage Grondin 1994, insbesondere 355: „If Heidegger did not develop any specific ‚ethics’, it is only because his entire project, founded as it is on the self-preoccupation of Dasein“. Zur ethischen Uminterpretation der zentralen ontolologischen Begriffe in Sein und Zeit vgl. Hatab 1995. Merker behauptet, daß in der Analyse der Eigentlichkeit eine Ethik „versteckt“ sei (Merker 1988, 202). Brandner 1992 behandelt die Frage der Ethik nur vom Spätwerk her. Auch Hodge 1995, die sich eher paraphrasierend auf Heideggers Werk bezieht, geht die Problematik von den Spätwerken an. Bekanntlich zeichnet sich bei Heidegger eine implizite Auseinandersetzung um den Sinn einer Ethik überhaupt mit Beginn des Humanismus-Briefes ab. Hier wird die späte Perspektive ausgeklammert. Es geht uns hier auch nicht um die politische oder „quasi-politische“ Dimension der Analysen von Sein und Zeit. 3
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sendes Subjekt. Diese „Hardware“ wird im folgenden praktische Subjektivität genannt, um damit anzuzeigen, daß der Blick sich auf die primär „handelnde Subjektivität“ (Hua IX, 406) beschränken soll. 5 Die folgende Arbeit besteht aus zwei Teilen: - In einem ersten Teil wird die Umweltanalyse Heideggers aus dem Blickwinkel Husserls kritisch betrachtet. Thematisch steht dabei die Beziehung des handelnden Selbst zu dem, was es nicht ist, im Vordergrund. Es wird herausgearbeitet, dass das Umwelthandeln in erster Linie als eine leibliche Sinnstruktur begriffen werden muss, die von Heidegger nicht thematisiert wird. Ausserdem scheint es mir keine überzeugenden Analysen Heideggers zu geben, die seine Strategie wirklich rechtfertigen, die Dimension der Sinnlichkeit und die Wertdimension fallen zu lassen. Betrachtet man diese Strukturen auf dem Hintergrund einer möglichen Ethik, so wird unmittelbar klar, in welchem Sinne schon auf der Ebene der Ontologie des handelnden Subjektes in Bezug auf die alltägliche Umwelt strategisch wichtige Theorieentscheidungen fallen. Eine Ethik, die nicht schon voraussetzt, daß das handelnde Subjekt in der Leiblichkeit zentriert ist, wird zu anderen Ergebnissen kommen als ein Ethik, die das handelnde Subjekt als eines begreift, das sich ausschließlich als ein wie auch immer geartetetes „mentales“ Selbst begreift. Eine Ethik, die nicht mit in Betracht zieht, daß sich die Wertdimension bereits in der Affektivität zeigt (wie später zu zeigen sein wird), wird andere Schlußfolgerungen ziehen. Daher scheint es von besonderem Interesse, diesen Horizont erst einmal aufzuschließen. Das soll diese Arbeit - handwerklich und solide - leisten. - In einem zweiten Teil wird die Selbstanalyse Husserls aus dem Blickwinkel Heideggers kritisch betrachtet. Thematisch steht dabei die Beziehung des Selbst zu dem, was es selbst ist, im Vordergrund. Es wird herausgearbeitet, daß Husserls HandlungsbeVgl. zu einem über das hier Dargelegte hinausgehenden Versuch, die Handlungstheorie phänomenologisch zu rekonstruieren Waldenfels 1989. Waldenfels hebt heraus, daß es das Ziel sein muß, die „Welt der Handlung“ (Waldenfels 1989, 16) zu beschreiben. Damit aber bewegt er sich eher in Richtung einer Kulturbeschreibung. Hier soll es dementgegen nur um das im engeren Sinne handelnde Subjekt gehen. Dessen Verflochtenheit mit anderen Sinnebenen wird nur kurz angesprochen. Vgl. dazu unten S.102. Darüberhinaus läßt auch Waldenfels konkrete Analysen zum Handlungsprozeß vermissen. Stattdessen löst er sie in ihren „Rahmen“ und die „Ordnungen“, auf deren Hintergrund es sich ereignet, auf. Vgl. dazu Waldenfels 1989, 20f. 5
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griff nicht überzeugen kann. Gleichwohl führt Husserl den Unterschied von modaler und praktischer Möglichkeit sowie denjenigen von Wünschen und Wollen ein. Letzteres wiederum kann zu einem besseren Verständnis der Heideggerschen Ausführungen dienen. Das führt dazu, das handelnde Selbst als eines zu begreifen, das zunächst vor aller Moralität dazu kommen muß, sich als handelnkönnend zu begreifen. Das ist von Husserls Theorie her betrachtet völlig abwegig, weil Husserl das Handeln als etwas strukturell Gegebenes im Sinne eines Aktes versteht. Diese These ist aber letztendlich nicht einleuchtend, weil er die Einsicht unterschlägt, daß wir in einem anspruchsvollen Sinne (also nicht auf der Umweltebene) uns erst als solche explizit zum Handeln erheben müssen. Es ist also eigentlich nicht das Handeln das phänomenologische oder philosophische Problem, sondern die Problematik, wie ich mich als handelnkönnend erfassen kann. Husserl kann daher nicht zu der Einsicht kommen, daß wir uns erst als ethische Wesen, also als verantwortliche Wesen, erfassen müssen. 6 In anderen Worten: wir sind nur frei, wenn wir uns dazu erheben. Heidegger schreibt – im Duktus von Fichte und Kierkegaard: „Mein Freisein ist nicht in mir gegeben, sondern mir aufgegeben. [...] Was da aufgegeben ist, bin ‚ich’ selbst.“ (GA 28, 112f.). Daher wird bei der Heidegger-Interpretation auf dieses Thema konzentriert und eine Lektüre von Sein und Zeit vorgelegt, die den Text als einen Versuch begreift aufzuzeigen, wie sich das Selbst-Verständnis des Handelnden zunächst konstituieren muß, um handeln zu können. In diesem Sinne verstanden ist Heideggers Sein und Zeit der Versuch, von einer simplen Entschluß- und Freiheitsphilosophie abzukommen und stattdessen die komplexen Selbstbeziehungen aufzuzeigen, die impliziert sind, um uns als handelnkönnende Wesen zu verstehen. Um das aber aufzuzeigen, werden alle Thematiken ausgeklammert, die in Heideggers Analyse auch im Spiel sind: der Andere, die Geschichtsproblematik, etc. Es geht ausschließlich darum, auf den zentralen Aspekt des Handelns mehr Licht zu werfen, nicht darum, eine geschlossene Interpretation im Kontext zu liefern. Die Analysen führen schließlich zu einer spezifischen Interpretation des Verantwortungsbegriffes. Das selbstverantwortliche Subjekt ist eines, das sich als beschränkt und situativ erfaßt und versteht, und geVgl. auch Scheler, GW 9, 261: „Wissen wir nicht heute fast gewiß, daß der Mensch als individuelles Einzelwesen sich am allerspätesten selbst gegeben ist“ 6
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rade deshalb diese Horizonte immerzu übersteigen kann. In anderen Worten: der eigentlich „transzendierende“ Akt des selbstverantwortlichen Subjekts besteht in der Bestätigung und Bezeugung seiner Endlichkeit. 7 Es nimmt sie „auf sich“, um sich so überhaupt als der autonomen Handlung fähiges Wesen verstehen zu können. Es entwirft sich also gerade nicht auf eine „absolute Vernunft“ im Sinne Husserls, und mit Ricœur kann man behaupten, dass das eigentliche Problem darin besteht, „Rechenschaft vom menschlichen Handeln als etwas, das wirklich in der Welt geschieht, zu geben“ (Ricœur 1996, 364). Es scheint mir der Fall zu sein, dass die Heideggersche Analyse in Sein und Zeit genau dies beabsichtigt. Innerhalb der Forschung zu Husserl und Heidegger ist eine gewisse Schieflage zu beobachten, die darauf zurückzuführen ist, dass es nur wenige ForscherInnen gibt, die sich das Husserlsche Werk über dessen zu Lebzeiten veröffentlichten Hauptschriften angeeignet haben und daher die Konfrontation beider phänomenologischen Ansätze hauptsächlich auf methodischer Ebene führen, aber nicht in concreto von der jeweils anderen Perspektive Analysen des jeweils anderen Ansatzes durchführen. 8 Die folgende Heidegger Lektüre bestimmt sich eher aus einer husserlschen Perspektive, die mir in vielem weitaus „reicher“ zu sein scheint als das in gängigen Klassifikationen zum Ausdruck kommt. Ich folge einer Leserichtung, wie sie jüngst von verschiedenen Seiten vorgeführt worden ist. 9 Sehr genaue Heidegger-Analysen werden mit Husserlschen Einsichten konfrontiert, ohne daß eine Seite gegen die andere im Sinne eines unfruchtbaren Orthodoxismus ausgespielt wird. Trotzdem nehmen die in dieser Arbeit vorgeführten Argumentationen einen Standpunkt ein, der weder „husserlsch“ noch „heideggerisch“ zu Von hier aus ließen sich die Überlegungen weiterführen zu Ricœur und Arendt. Insbesondere Ricœurs Versuch einer Hermeneutik des handelnden Selbst, das die narrative und die nichtnarrative Dimension umfaßt, setzt hier ein. Vgl. zur Bezeugung Ricœur 1996, 363ff.; vgl. auch die genaueren Analysen bei Arendt 1998, 215ff., die den Ursprung auf die Unberechenbarkeit des Anfangenkönnens im Handeln lokalisiert. 8 Ausnahmen bilden die kritische, bestechende Analyse der Umweltanalyse bei Tugendhat 2000. Historisch arbeitet Dastur 1991, die auf Heideggers Beziehung zu Husserls Logischen Untersuchungen eingeht. Als hilfreich erweist sich auch Rodriguez 1997, der anhand der Empfindungsproblematik trennscharf die konkreten Berührungspunkte herausarbeitet. Argumentationen gegen die nordamerikanische Rezeption und Gegenüberstellung von Husserl und Heidegger, die u.a. durch den Kommentar von Dreyfus hervorgerufen wurde, liefern Føllesdal 2000 und Arp 1996. 9 Vgl. Crowell 2001 und davor Hopkins 1993. 7
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nennen ist. Das findet seinen Grund darin, daß die Thematik, auf die die Fragestellung des systematischen Zusammenhanges von Ethik und Ontologie zuläuft, in dieser Form weder bei Husserl noch bei Heidegger zu finden ist. Eine intensive Arbeit an Husserl muss über Heidegger hinaus zu der Einsicht führen, dass die immer noch vorherrschende Klassifikation und schematische Interpretation Husserls, die normalerweise unter Rückgriff auf Descartes in Kontrast zu Heidegger gesetzt wird, so nicht haltbar ist. 10 Das ist auch deshalb der Fall, weil die Komplexität der Husserlschen Analysen bei weitem über das hinaus geht, was man normalerweise von den zu Lebzeiten veröffentlichten Werken her kennt. Einige Publikationen der letzten Jahre haben das augenfällig gemacht. 11 Die Aneignung Husserls ist schwierig, weil er niemals wie Heidegger ein Werk geschrieben hat, das alle Fragestellungen zusammenführt und auf so beeindruckende Weise geschlossen präsentiert, dass es gleichsam als geheimes Wurzel- und Dachsystem zu allen anderen Schriften benutzt werden kann. Husserl ist trotz seiner beschworenen Strenge imgrunde ein unsystematischer und unklarer Denker, wenn man es auf die Architektonik und die Präsentation zentraler Fragen bezieht. Es liegt am Leser, in seinen Schriften einen Gesamtentwurf aufzudecken. Es lag daher nahe, sich an Heideggers Schema zu orientierten und gegen diese Struktur Fragestellungen Husserls abzusetzen. Der folgende Text orientiert sich von seinem Schema her betrachtet daher an Heideggers Sein und Zeit. In erster Linie wird eine Kritik an Heidegger entwickelt, die sich insbesondere auf dessen Ana-
Vgl. zuletzt zu dieser allzu simplen Schematik Elveton 2001, 210ff. und Gander 2001, 111ff. Man muß dagegen festhalten, „daß die Phänomenologie etwas anderes ist als die Erneuerung von einer Art Cartesianismus“ (Landgrebe 1963, 85). Husserl selbst interpretiert Descartes – wenn er nicht auf dessen Radikalität des Fragens und Anfangens abhebt – als Pschologisten. Vgl. dazu u.a. Hua VI, 193, Hua VII, 73. 11 Vgl. Steinbock 1995, Zahavi 1999. 10
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lyse des Umwelthandelns bezieht, und die von einigen Autoren völlig überbewertet wird.12 Sein und Zeit folgt einem grundsätzlich zweifachen Schema: es versucht einerseits das Verhältnis des Selbst zu dem, was es nicht ist, zu beschreiben – und es behandelt andererseits das Verhältnis des Selbst zu dem, was es selbst ist. Beide Dimensionen werden in dieser Arbeit und in dieser Reihenfolge abgehandelt, und zwar so, daß der Fokus auf den von der Forschung immer wieder herausgehobenen „praktischen“ Charakter des Heideggerschen Ansatzes gelegt wird. In anderen Worten: es geht in der vorliegenden Arbeit um das handelnde Subjekt. Im Grundansatz verfolgt der Text eine Strategie, die man beschreiben könnte als den Versuch, in historischer Weise kritisch zu verfahren. Es kann hier nicht das Ziel sein, die Ergebnisse so umzuwandeln, dass sie in aktuelle Debatten eingeführt werden können. Die Umwelt stellt in der Heideggerschen Theorie denjenigen Ort dar, in dem es auf einer „unteren Ebene“ um das handelnde Subjekt geht. Es wird gezeigt, dass die Umweltanalyse, die Heidegger entwickelt, nicht immer überzeugen kann. Die erste Zierichtung liegt daher darin, in einer erneuten Relektüre der Heideggerschen Ausführungen eine detaillierte Kritik ihrer Gesamtstruktur zu liefern, um dabei auf Themen zu fokussieren, die aus einer Husserlschen Perspektive her betrachtet das Umwelthandeln ausmachen: die Leibanalyse, die Wertdimension und die Rolle der Sinnlichkeit. In diesen Kontext fällt noch ein anderes: Man läuft bei aller Begeisterung um Heideggers Pragmatismus und Aktualität in die Gefahr, andere genetische Herkünfte von Vgl. den eintönigen Tenor bei Okrent 1989, Sandbothe 1998, Dreyfus 1991a, Drefus 1991b, Gethmann 1988. Bernet stellt dagegen ebenso heraus, daß bei Einbezug der Husserlschen Ergebnisse die Heideggerschen Innovationen gerade nicht in der Umweltanalyse zu suchen sind. Vgl. Bernet 1994, 258. Vgl. zum praktischen Leib die ausgezeichneten Ausführungen bei Mickunas 1989, an den ich anschließen werde. Mickunas hebt heraus, daß gerade nur über eine Analyse des praktischen Leibes ein Situations- und Umweltbegriff gefunden werden kann. Riedel hebt heraus, daß die Umweltanalyse nichts mit Pragmatismus zu tun habe, sondern daß es darum gehe, den „spezifisch motivierten Entlebungsprozeß zu verstehen“ (Riedel 1990, 83). Dabei aber übersieht Riedel, daß Sein und Zeit gerade darin uneindeutig bleibt, weil Heidegger letztlich kein wirkliches Kriterium für den Sprung in die Theorie nennen kann. Der Umschlag in die Vorhandenheit ist ja gerade noch keine Theorie im strengen Sinne, sondern selbst noch innerhalb des lebensweltlichen Prozesses lokalisiert. Die „ontologische Genese“ scheint nur dann nachvollziehbar zu sein, wenn man ein Entschlußmoment hinzunimmt. Auf dieser Ebene ließe sich dann wiederum Husserl ins Spiel bringen, für den die Theorie etwas mit einem moralischen Entschluß zu tun hat. Mit dieser Ebene beschäftigt sich Brainard 2001. Vgl. auch Hart 1992, 32ff. 12
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Theorie und den Zusammenhang von theoretischen und praktischen Vollzügen zu übersehen. Dazu gehört bspw. die Erfahrung, daß sich ein Vollzug, den wir als „Neugierde“ ansprechen, den anderen Vollzügen vollkommen gleichrangig zur Seite gestellt werden muß, und das insbesondere dann, wenn man die kindliche Genese betrachtet. In Heideggers Theorie wird die genetische Fragestellung als eine begriffen, die aufzeigt, wie sich komplexe Verhältnisse aus der einen Weltstruktur heraus entwickeln. Heidegger bietet aber keinen Ansatz, die Welt selbst genetisch betrachten zu können. 13 So verbleibt „die Welt“ immerzu als quasi transzendentale Superstruktur im Hintergrund, auf der alle anderen Verhältnisse aufsetzen. Betrachtet man die Phänomene aber genauer, so muss man schließlich zu dem Schluß kommen, daß sich die Umwelt (wie auf höherer Ebene das Leben im Selbst) in einem spezifischen Sinne zentriert. Die Umwelt nämlich kann aus diesem Zentrum heraus überhaupt erst als eine Sinnstruktur erfaßt werden. Dieses Zentrum besteht in unserer Leiblichkeit, und eine Argumentationslinie der Arbeit besteht darin aufzuzeigen, dass Heideggers Analyse an vielen Punkten aufgrund des Nichtbeachtens der Leiblichkeit nicht überzeugend ist. 14 Betrachtet man die andere Seite des Verstehens, nämlich das Selbst im Verhältnis zu dem, was es selbst ist, so muß man zu dem Schluß kommen, dass die Stärke Heideggers eigentlich erst hier zum Tragen kommt, weil er einen anspruchsvollen Handlungsbegriff entwickelt, der nichts mehr mit dem „pragmatischen“ der Umweltanalyse zu tun hat und stattdessen bekanntlich um den der „Entschlossenheit“ kreist. Der zweite Teil von Sein und Zeit läßt sich als Versuch verstehen, eine ReLektüre desjenigen Selbstverständnisses vorzuführen, das sich im handelnden Bewußtsein vollzieht.
Vgl. zu diesem Ansatz Kaiser 1997, 116ff. Er spricht dagegen von einem grundsätzlichen „Instabilitätsmodus der Welt“ 14 Auf den Verlust der Leiblichkeit bei Heidegger ist verschiedentlich hingewiesen worden und durch den „Boom“ der Literatur zu Problemen der Philosophie und Phänomenologie des Leibes verstärkt ins Zentrum gerückt. Soweit ich sehen kann, bleibt es aber bei der bloßen Konstatierung, dass Heidegger den Leib mißachtet. Es wird nicht versucht, aus dessen Mißachtung eine Kritik an seinen Analysen zu entwickeln. Vgl. vor allen Dingen zu Heidegger Levin 1999. Dieser aber sammelt wahllos alle Stellen im Spätwerk, in denen Heidegger sich auf sinnliche Elemente und die Sinnesorgane bezieht. Ob dies allerdings als eine Phänomenologie des Leibes und sich nicht vielmehr als eine „Verwindung“ darstellt, scheint zumindest fraglich zu sein. In anderen Worten: man lernt über den Leib nichts, wenn man aufzeigt, daß Heidegger dem Sehen Alternativen zur Seite stellt. 13
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Sein und Zeit gehört in die Tradition der Subjektphilosophie, wie das schon früh Walter Schulz immer wieder herausgestellt hat, weil es uns eine konkrete Analyse derjenigen Voraussetzungen bietet, die wir implizieren, wenn wir uns als handelnde Wesen verstehen. 15 Auf dieses Selbstverständnis wird alles andere zurückgeführt. Die Ontologie des handelnden Subjekts wird damit Voraussetzung für eine wie auch immer geartete Ethik. Die „Schnittstelle“, die Heideggers Analyse anbietet, um von der Phänomenologie zur Ethik zu gelangen, ist darin zu suchen, dass sie unser eigenes Verständnis als Handelnde sichtbar macht, so dass erst aus diesem Verständnis heraus eine „angemessene“ Ethik entworfen werden kann. Man kann an diesen Punkten sehen, daß Husserls Theorie defizitär bleibt, weil sie kein Instrumentarium anbietet, das Selbstverhältnis in einem anderen Sinne zu verstehen als ein „höherstufiges“ Umweltverhältnis. In anderen Worten: in Bezug auf den „eigentlichen“ Handlungsbegriff bleibt Husserls Theorie zu schwach, weil sie die genuin praktischen Referenzen, die wir zu uns selbst unterhalten, nicht im Auge hat. Anders gesagt: Husserl kann die Heideggersche Frage: wer handelt nicht beantworten, weil er nicht in der Lage ist, auf das faktische Subjekt zurückzugreifen, sondern nur ideale Analysen anbietet.16
Vgl. z.B. Schulz 1979, 34ff. Dabei mit einbezogen ist die Tatsache, dass Husserl – abgesehen von der Konversionsthematik, vgl. später 102ff. – niemals besonderen Gefallen an der menschlichen Freiheit im Sinne der Selbstbestimmung gefunden hat. Abgesehen von ethischen Manuskripten, die noch nicht veröffentlicht sind und daher hier nicht analysiert werden, behandelt Husserl die Freiheit in erster Linie im Rahmen der Reduktionsproblematik sowie an einigen Stellen im Rahmen der Bewegungsanalyse, also der Phänomenologie des Leibes. Es hat sich in der Husserl-Forschung eine Tendenz entwickelt, im ausufernden Maße auf Husserls Nachlaß zurückzugreifen. Dadurch, daß den LeserInnen jegliche Möglichkeit der wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit genommen wird, wurde hier – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht auf unveröffentlichte Manuskripte zurückgegriffen.
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Genau darin besteht auch Heideggers Vorwurf an Husserl in seinem Brief aus dem Jahre 1927. 17 Das „Problem der Subjektivität“ (GA 26, 241) taucht auf zwei Ebenen auf. Einmal kann man die praktische Rolle des Subjekts im Umwelthandeln untersuchen, ein anderes mal auf der Ebene der Selbstreferenz. 18 Obwohl es an Versuchen nicht gemangelt hat, Heidegger außerhalb der Tradition der Subjektphilosophie zu verorten, ist gerade hinsichtlich beider Ebenen Sein und Zeit offensichtlich der Versuch, diese Tradition zu erneuern anstatt sich mit ihr zu überwerfen. Dabei führt Heidegger aber weitere Differenzierungen ein: „Das Seiende qua Mensch ist solches, das sein ‚Da’ mit sich bringt, die Offenbarkeit, innerhalb deren zuerst das Dasein ausdrücklich zu sich selbst verhalten und in den verschiedenen Weisen es selbst sein kann. Selbst und Ich sind nicht das Gleiche.“ (GA 27, 148). Man kann hier sehen, daß HeiVgl. dazu Hua IX, 601f. Vgl. dazu später die Ausführungen im Methodenteil. Husserls „Antwort“ kann aus seinen Kommentaren und Bemerkungen erschlossen werden, die er sich am Rande von Sein und Zeit und Heideggers Kant-Buch notiert. Es ist inzwischen an verschiedenen Stellen herausgehoben worden, daß Husserl erst im Sommer 1929 Heideggers Hauptwerk und andere Schriften wirklich studiert hat, was in einem Brief an Pfänder vom 6. Januar 1931 zum Ausdruck kommt. Vgl. zu Husserls Kantbuch-Kommentaren die eher referierenden Ausführungen bei Palmer 1997. Vgl. zu Husserls Kommentaren und einen Überblick über die persönliche Heidegger-Husserl-Beziehung Breeur 1994. Es ist offensichtlich, dass Husserl im Zuge seiner Lektüre von Scheler, Heidegger und Dilthey um die 30er die Anthropologie in seine Überlegungen mit aufnimmt. Darauf verweist nicht nur die verstärkte Verwendung des Begriffes „Mensch“ in den Cartesianischen Meditationen und in der Krisis, sondern auch die Manuskripte, die im Ergänzungsband zur Krisis ediert wurden. 18 Um die Abstraktion und ein gewisses Vergessen des theoretischen Gegenstandes als eines ursprünglich nicht-theoretischen Gegenstandes zu vermeiden, muß man immer im Auge behalten, daß wir, wenn wir über Subjektivität sprechen, letztlich auf uns selbst verwiesen bleiben. Was als „Subjekt“ abstrakt benannt wird, muß in der geduldigen Auslegung immer an je uns selbst zurückgebunden bleiben. In diesem Sinne ist phänomenologische Analyse immer auch gelebte Analyse wie die Räumlichkeit immer auch gelebte Räumlichkeit ist. Sie verweist zurück auf ihren konkreten Vollzug. „Immer bleibt zu bedenken“, wie dies Elisabeth Ströker fomuliert hat, „daß dieses Subjekt, von dem wir um der Deutlichkeit der Darstellung willen wie von einem Dritten reden, doch in Wahrheit kein anderes ist als je wir selbst.“ (Ströker 1965, 11). Auf dieses zentrale Theorem verweist auch der Versuch, der Vergegenständlichung zu entrinnen. Husserl schreibt: „Bewußtsein, das ist der Grundfehler, der den letzten Grundfehler des Psychologismus ausmacht (dem alle Empiristen nicht bloß, sondern auch Rationalisten unterliegen), ist kein psychisches Erlebnis, kein Geflecht psychischer Erlebnisse, keine Sache, kein Anhang (Zustand, Betätigung) an einem Naturobjekt. Wer errettet uns vor der Realisierung des Bewußtseins? Das wäre der Retter der Philosophie, ja der Schöpfer der Philosophie.“ (Ms. A I 36, 193b (1910), zitiert nach Bernet/Marbach/Kern 1989, 61.) 17
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degger drei Ebenen thematisiert: die Offenheit selbst - das „Da“ - in der sich ein Selbstverhältnis und eine „Zentrierung“ unser Erfahrung ereignen kann, das „Selbst“, das als ein Zu-Sich-Verhalten verstanden wird und zuletzt das Ich, das Heidegger zwar anerkennt 19, ihm aber eine Analyse der konkreten Struktur entgegenhält. Und so wird schließlich gefragt: „Inwiefern gehört das Selbstbewußtsein zum Sein des Ich, und wie muß der Seinscharakter dieses Bewußt-seins gefaßt werden, damit das Ich-Sein in seiner totalen Andersartigkeit gegenüber allem übrigen Seienden heraustritt.“ (GA 28, 122). Heideggers Projekt besteht daher darin aufzuzeigen, „was zur Subjektivität des Subjekts gehöre“ (GA 24, 238), und zwar in dem Sinne, daß die ontologische Analyse „zum Apriori des faktischen Subjekts, das heißt zur Faktizität des Daseins“ (SuZ, 229) führt.20 Es ist nicht nur aufgrund dieser Zitate völlig abwegig, die Entwicklung des frühen Heidegger und insbesondere die Marburger Vorlesungen als ein Projekt zu verstehen, das die Subjektphilosophie verabschiedet. 21 Sein und Zeit ist im Gegenteil ein Versuch, die Subjektivität neu zu zentrieren durch ihre ontologische Uminterpretation. Allenfalls hätten Heideggers Überlegungen zur Zeitlichkeit und zum Selbst keinen Sinn. Heidegger wurde gegenüber Husserl immer als ein Denker aufgenommen, der sich explizit (in seiner Marburger Zeit) gegen eine an Erkennen, Vorstellen und theoretischer Vernunft orientierten Philosophie gewendet hat. Husserls Worte aber, daß ich nicht nur „praktisches Ich“, sondern auch „Ich eines mannigfachen Ich kann“ (Hua IX, 452) bin, findet sich in allen Facetten ausgearbeitet, was angesichts der bisher von der Forschung unterbelichteten Husserlschen Analysen zur Thematik zu einer erneuten Konfrontation zwingt. Von der Seite der „Die Philosophie muß vielleicht vom ‚Subjekt’ ausgehen und mit ihren letzten Fragen in das ‚Subjekt’ zurückgehen und darf gleichwohl nicht einseitig subjektivistisch ihre Fragen stellen“ (GA 24, 220). Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, daß Heidegger in seiner Aristoteles-Interpretation von 1923 von „lebendiger Gegenwart“, also einem zentralen Begriff Husserls, spricht. Vgl. Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles, 237. 20 Es ist anzumerken, dass in der Forschung nicht gesehen wird, dass auch Husserls Ich-Begriff nur in einer Dimension funktional ausgelegt wird, dass aber im Zentrum die konkrete Dimension steht. So schreibt Husserl: „[D]as Ich ist ‘Subjekt’ des Bewußtseins. Subjekt ist dabei nur ein anderes Wort für die Zentrierung, die alles Leben als Ichleben und somit lebend etwas zu erleben, etwas bewußt zu haben, hat“ (Ms. C 3, 26a; 1931) 21 Geläufig ist die Formel des „decenter the subject“ (Levin 1999, 124). Vgl. dagegen die ausgezeichnete Analyse bei Gethmann 1993, 70ff. 19
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Rezeption her gesehen, von der Husserl oft immer noch als „Mentalist“ klassifiziert wird und als ein „Rückfall in einen Subjektivismus“ (Patocka 1991, 268) interpretiert wird, ist es eher überraschend, daß er eine Analyse praktischer Subjektivität entwickelt hat. 22 Husserl behandelt die praktische Subjektivität zwar nicht an zentralen Stellen seiner Schriften, aber er thematisiert sie, insbesondere im Zuge der genetischen Phänomenologie immer mit. Drei Kontexte sind dafür leitend: erstens die Bestimmung des Leibes und seiner Umwelt, zweitens die begehrende und wollende Intentionalität und drittens das – letztlich alle Dimensionen der Subjektivität – verknüpfende „Ich kann“ als phänomenologischer Versuch, die Vermögenslehre der Tradition zu modifizieren. 23 In der Psychologie-Vorlesung bestimmt Husserl den Zusammenhang von Subjekt und Umwelt folgendermaßen: „Den Menschen als Subjekt zum Thema machen, heißt ‚die’ Welt, so wie sie für ihn subjektiv erfahrungsgegebene, sachlich und praktisch orientierte ist, und so, wie sie für ihn bewußt und gegeben ist als zugleich selbe Welt Anderer, für sie so und so erscheinende und praktisch orientierte, beschreiben und so überhaupt unter dem Titel Umwelt ein Subjektives, von seiner Persönlichkeit Untrennbares beschreiben“ (Hua IX, 489; kursiv C.L.). Letzteres kann in gewisser Weise als Ausgangspunkt dieser Arbeit Die basalen Unterscheidungen, die Heidegger macht, tauchen schon in Husserls Ideen II auf. Vgl. auch den Hinweis bei Bernet 1994, 257: „Heidegger only further emphasizes the fundamentally practical character of natural life.“ 23 Wir lassen hier all diejenigen ethischen Reflexionen Husserls außer acht, die er im Rahmen seiner Vernunftlehre im Rahmen der „Krisis“ und im Rahmen der Reduktionstheorie entwickelt hat. Sicherlich ist hier der „ethische Impetus“ (der Hrsg. der LV, 187) sichtbar, und die ethische Problematik beginnt für Husserl damit, wie ein Anfang gemacht werden kann. Wir lassen diese Problematik in dieser Arbeit völlig außer acht. Vgl. aber meine Ausführungen in der Einleitung zu Carr/Lotz 2001 (in Druck). Hier ist zunächst zu fragen, wer – aufgerufen durch die absolute „Selbstverantwortung“ – sich und sein Leben unter ein höchstes Telos im Sinne einer ethischen Erneuerung des eigenen Lebens unterwerfen soll. Vgl. dazu den Überblick über alle Aspekte der ethischen „Konversationstheorie“, die Husserl im Zuge der Reduktionsproblematik ausarbeitet bei Brainard 2001. Die klassische Arbeit in diesem Kontext ist Hart 1992; vgl. insb. ebd., 285-300. Schon Bernet weist in seinem klassischen Aufsatz zur Wahrnehmungstheorie Husserls darauf hin, daß das im Unendlichen liegende Erkenntnisziel des Wahrnehmungsprozesses selbst schon ein ethisches Grundverhältnis im Sinne „einer ethisch zu verantwortenden Lebensgestaltung“ (Bernet 1978, 253) impliziert ist. Husserls Verhältnis dazu ist zweideutig, denn der Begriff der „Bewährung“ des Erfahrungsverlaufes ist zunächst als nichtnormativer Begriff konzipiert, und nur selten reflektiert Husserl darauf, dass die Rede eines Bekanntheitsfortschrittes ein wertendes Ideal zumindest als höherstufiges Aktgeschehen impliziert. Den bisher ausführlichsten Überblick über Husserls ethische Ansätze bietet Spahn 1996. Die Autorin allerdings bleibt beim Referat der Husserlschen Ausführungen. 22
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angesehen werden. Die Forschung hat den praktischen „Einschlag“ der Husserlschen Philosophie nur am Rande beachtet, weil man aus strategischen Gründen einen „Kognitivisten“ sucht, ohne letztendlich wirklich sehen zu wollen, daß Husserl zwar aus (guten) Gründen den objektivierenden Vollzug der Vernunft an zentrale Stelle setzt, daß er aber niemals die praktische, die emotionale und die ästhetische Seite menschlicher Realität übersehen hat. Stellt man beide phänomenologische Ansätze gegenüber, verliert die Heideggersche Analyse, wie sie insbesondere in der Umweltanalyse in Sein und Zeit und in den Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs vorliegt, ihre Durchschlagskraft. Auch Tugendhat ist in einer neueren Arbeit zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. 24 Anhand der Thematik des Könnens läßt sich ein zentraler Differenzpunkt zwischen Husserl und Heidegger in aller Schärfe fassen. Heideggers Konzeption des Daseins ist grundsätzlich holistisch. Alle Erfahrungen, die wir machen können, tauchen innerhalb eines abgeschlossenen Welthorizontes auf, der zunächst in Form meiner Umwelt meinen Bewegungsraum absteckt. Innerhalb dieses Raumes verweist eines auf das andere und schließlich alles auf einen selbst. Er wird gehalten durch eine Ganzheit, von der Heidegger behauptet, daß sie der zentrale apriorische Kern der Erfahrung sei. So kreist in der Welt des Schreiners alles um sich selbst. Demgegenüber zeichnet sich Husserls Konzeption durch eine radikale Offenheit aus, in der zwar immer alles im Modus des Bekannten antizipiert wird, es aber nichtsdestotrotz das Überraschende, das Fremde und Andere, das Neue und Geheimnisvolle geben kann. Nicht nur der Dinghorizont, sondern der gesamte Welthorizont ist durch seine unendliche Struktur ausgezeichnet, in der immer etwas anders werden kann als es ist: „im Wahrnehmen baut sich der Sinn selbst weiter aus und ist so eigentlich in beständigem Wandel und läßt immerfort neuen Wandel offen“ (Hua XI, 20).25 Die Husserlsche Phänomenologie der Subjektivität zeichnet die Welt als eine aus, Vgl. Tugendhat 2000. Husserls Konzept bleibt trotz der Absetzungsstrategien offen gegenüber der Psychologie und der Anthropologie, und die Theorie des Wahrnehmungsprozesses von Gehlen klingt fast wie ein fernes Echo des Husserlschen, wenn er schreibt, daß aufgrund der Bedürftigkeit des Menschen eine „Aneignung der offenen Weltfülle“ geschieht, „welche ja nicht eine zugeschnittene, reizsparsame und instinktiv angenäherte Auswahl-Umwelt ist, wie die des Tieres, sondern einfach ein unendliches Überraschungsfeld, in dem erst einmal Orientierung notwendig ist. Dies geschieht nun keineswegs ‚theoretisch’, sondern praktisch, nämlich in Bewegungen aufschließenden, aneignenden und erledigenden Wertes, welche in erster Linie mit dem Seh- und Tastsinn zusammenwirken.“ (Gehlen 1997, 131). 24 25
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die man sich aktiv aneignen muß, um in ihr leben zu können. In Heideggers Konzeption ist alles schon „irgendwie“ zuvor angeeignet und in die Vertrautheit der Umwelt einbezogen. Selbst die Angst kann uns aus dieser nicht herauswerfen, sondern nur zu dem, was wir eigentlich „schon“ sind, zurückholen. Gegenüber der Heideggerschen Abwehr der Überraschung, der Neugier und des Fortschrittes kann man mit Husserl verständlich machen, daß unser primärer Weltzugang nicht geschlossen, sondern radikal offen ist. Genetisch nämlich zeigt sich uns das Neue und Andere als etwas, das entdeckt werden will und das den Interessen und unserer Neugier unterworfen ist. In unser Entwicklung haben wir allmählich die Freude an der Veränderung verlernt, aber nichtsdestotrotz bleibt die Kindheit bevorzugt derjenige Ort, an dem uns die Welt nur in der Neugier, in „Unruhe und Aufregung“ (SuZ, 172) begegnet. 26 Das Begehren läuft der Vertrautheit zuvor und bestimmt grundsätzlich den Sinn und den Stil der Dinge mit. Selbst ein Stein ist nicht nur ein Heideggerscher Baustein, um Häuser zu bauen, sondern er verliert nie seine Möglichkeit, mir auf den Fuß fallen zu können oder als ein Objekt des Betastens zu fungieren. Am Beginn der Entwicklung war mir mein Kinderbett völlig unbekannt und nicht in eine Bekanntheit eingebunden. Ich mußte es mir erst aneignen und vertraut machen, bevor ich es mit ihm sein Bewenden lassen konnte. Daß es einen Zwecksinn hat und etwas-um-zu ist, mußte ich erst entdecken. Unter einem Heideggerschen Blickwinkel betrachtet, läßt sich dieser Prozeß überhaupt nicht verständlich machen. Die erste „Welt der Normalität als erste wahre Welt“ (Hua XIV, 68) ist diejenige meines Leibes und dessen Abwandlungen, und keinesfalls ein bereits konstituierter Verweisungszusammenhang, der sich aus einem Worumwillen her als eine Ganzheit konstituiert hat. Beide Seiten gehen zusammen. Die Unbeholfenheit, mit der wir das Gehen lernen, um die Welt aus anderen Perspektiven betrachten zu können, bleibt in Heideggers Analyse der Umwelt ein unMan kann dies auch in ein Argument gegen die „pragmatistische“ Lektüre Heideggers wenden. Warum soll es nicht auch einen anderen Zugang zur Theorie geben als denjenigen, die Theorie als eine „Wiederherstellung“ des praktischen Umgangs zu begreifen, wie das bspw. Rorty behauptet. Vgl. dazu Blattner 2000. Es scheint mir eine Alternative zu geben, die ich in dieser Arbeit nur andeuten kann, nämlich Theorie als eine Fortführung des Spielens zu begreifen. Das Spielen würde dann zurückweisen auf eine anthropologisch-faktische Ebene, aber nicht unbedingt auf eine Praxis, als dessen „Störung“ dann die Theorie, die Vorhandenheit oder die Aufmerksamkeit hervorgeht. Das würde auch eine Rehabilitation der Neugier implizieren.
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sichtbares unphänomenales Ereignis. 27 Wie ich die Verwendung von Zeug und das „Bewegen“ in der Bezügen der Bedeutsamkeit erlernen konnte, ist in der Heim- und Handwerkerwelt Heideggers unerklärlich, weil die Probleme der Generativität, mit denen sich Husserl in seiner späten Schaffensphase so scharfsinnig auseinandersetzt, unbeachtet bleiben. In der Umweltanalyse Heideggers kommt eine Verabsolutierung eines bestimmten Modelles unseres In-der-Welt-Seins zum Ausdruck und es ist keineswegs einsichtig, ob es das Zugrundeliegende für alle anderen ist. Das Spielen, die Kreativität im Sinne des Neuschaffens von Gegenständen, kommt darin ebensowenig vor wie das Faulenzen und Schlafen. 28 Man kann die genetische Frage auch in eine andere Problematik verwandeln: Dasein kann nicht altern. Es hat keine Kindheit und wird niemals im Sterben liegen, weil es „immer schon“ stirbt, wenn es geboren ist. 29 Etwas, das „schon“ am Ende ist, wenn es begonnen hat, läßt jede Differenzierung innerhalb der Erfahrung der eigenen Zeitlichkeit nicht mehr zu. Selbst in der augenblicklichen Handlungssituation der Eigentlichkeit haben wir keine Pläne für den „Tag danach“ mehr, weil uns nach Heidegger das „faktische Handeln“ der Verplanbarkeit der eigenen Zeit und des „Verschiebbaren“ enthebt (SuZ, 294). Jeder anders als über den Tod definierte Weitblick, der voraussetzen würde, noch nicht am Ziel zu sein, nicht alles übersehen zu können, versinkt im eigentlichen Handlungsaugenblick, weil der Totalhorizont mit dem Situationshorizont zusammenfällt. Im „Augenblick“ bleibt das Gegenwärtigen in Zukunft und Gegenwart „eingeschlossen“ (SuZ, 328), denn Bei Husserl heißt es dementgegen: „Mit gutem Grunde heißt es, daß wir in früher Kinderzeit das Sehen von Dingen überhaupt erst Lernen mußten, wie auch, daß dergleichen allen anderen Bewußtseinsweisen von Dingen genetisch vorangehen mußte. Das vorgegebene Wahrnehmungsfeld in der frühen Kindheit enthält also nichts, was in bloßem Ansehen als Ding expliziert werden könnte.“ (Hua I, 112) 28 Vgl dazu Meyer-Drawe 1988, 242; Vgl. auch die interessanten Hinweise auf einige frühe Schriften von Scheler bei Zimmerli 1989, 235. Zimmerli weist darauf hin, daß Scheler der Auffassung ist, daß sich die Werte der Kultur eben nicht nur über die Arbeit bestimmen, sondern aus deren Abwesenheit. Es wäre lohneswert, Heideggers Umweltanalyse als eine implizite „Philosophie der Arbeit“ zu rekonstruieren, um diese dann mit Schelers Ergebnissen zu konfrontieren. Dazu paßt dann auch Schelers spöttische Bemerkung, daß Sein und Zeit ein Werk im Geiste des Calvinismus sei. Vgl. GW 9, 260. 29 Vgl. Zum Einbezug des Kindes Hatab 2000, 66f. Er meint, das Kind sei eine „early version of Dasein’s being-in-the world“ (Hatab 2000, 67) Er übersieht aber, daß sich das „earlier“ nur schwer im Kontext von Sein und Zeit denken läßt. Hatab interpretiert selbst Phänomene wie kindliche Traumata und emotionale Entwicklungen „im Geiste“ Heideggers. 27
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über die selbsttransparente Situation hinaus gibt es keine anderen Möglichkeiten mehr. So wird die Zeit zum Gefängnis. Die genetische Frage impliziert einen weiteren Punkt: Das Heideggersche Selbst ist bedürfnislos. Durch seine holistische Struktur verbietet es die Existentialanalytik, Subjektivität trotz einer „ständige[n] Unabgeschlossenheit“ (SuZ, 236) als Mangel zu denken. 30 So wie es keine Kindheit hatte und nicht verletzt werden kann, so hat es keinen Hunger, begehrt nicht und ist nie abhängig vom Anderen gewesen. Das hat schon Hans Jonas in einer Bemerkung zu Heidegger notiert: „Wird je die ‚Sorge’ auf ihn [den Leib, C.L.] zurückgeführt, als Nahrungssorge z.B.,, überhaupt als physische Notdurft? [...] Auch Heidegger also brachte die Aussage ‚ich habe Hunger’ nicht in den Griff der Philosophie. Es war letztlich eine sehr abstrakte Sterblichkeit, die da bedacht werden und zum Ernst der Existenz anhalten sollte.“ (Jonas 1993, 21). 31
Vgl. SuZ, 283, 291f.. Vgl. Caputo 1994, 334f.: „There is an implicit ontology of the body, to be sure, in Heidegger’s hermneneutics of facticity, but it is very much an agent body, not a patient; it does not suffer“. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, aber korrigierend hinzuzufügen: ich kann auch keinen „agent body“ entdecken.
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Abschnitt A: DAS LEIBLICHE SUBJEKT.
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§2: HEIDEGGERSCHEN UMWELTANALYSE 1. GENERELLE PROBLEME DER UMWELTANALYSE Können und Verstehen
Bevor ich zu den eigentlich problematischen Punkten und zur eingehenden Betrachtung des Handelns auf der Umweltebene komme, möchte ich zunächst einige generelle Anmerkungen machen, die ausschließlich die Funktion haben, einige basale Linien zu skizzieren. Diese haben mit Heideggers Tendenz zu tun, die alltägliche Welt einer bestimmten Vorstellung nach zu entwerfen und dadurch unnötigerweise zu reduzieren.32 Heideggers Ideal einer in sich geschlossenen Welt folgt, das ist des öfteren bereits angemerkt worden, einer handwerklich ausgerichteten Sichtweise. Im Zentrum der Umweltanalyse steht das „Werk als das Wozu von Hammer, Hobel, Nadel“ (SuZ, 70) und der Umgang wird in erster Linie als ein Umgang präsentiert, der das Besorgen als eine Form der „Arbeit“ (SuZ, 70) versteht. In diesem Sinne gibt Heidegger seinem Begriff des Verstehens eine allgemeine Komponente, die man als „praktisch“ bezeichnen könnte, weil er das Verstehen mit „Sich-aufetwas-Verstehen“ und „etwas Können“ identifiziert. 33 Es handelt sich um eine „eminently practical world“ (King 2001, 52), wie nicht nur einer, sondern der überwiegende Teil der KommentatorInnen meint feststellen zu können. Man könnte, wenn man Sein und Zeit soziologisch oder ideologiekritisch – und nicht philosophisch – lesen würde, eine implizite handwerkliche und bäuerliche Kultur aus dem Text her-
Es ist interessant zu sehen, daß Heidegger in einer frühen Vorlesung, in der er auf den „Tisch“ und seine Bedeutsamkeit zu sprechen kommt, andere Charaktere nennt: „Diese Seite ist nicht die nach Osten, und diese schmale um soviel cm kürzer als die andere, sondern die, an die sich abends die Frau setzt, wenn sie noch lesen will; an dem Tisch da führten wir damals die und die Diskussion; hier fiel damals jene Entscheidung mit einem Freund, da wurde jemals jene Arbeit geschrieben, jenes Fest gefeiert“ (GA 63, 90) 33 Vgl. zur Kritik des Heideggerschen Begriffes des Verstehens unter Ausschluß der praktischen Komponente Graeser 1993. 32
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auslesen. 34 Die Frage ist nur, ob sie damit dasjenige einlöst, was sie behauptet, nämlich das Dasein in seiner Alltäglichkeit aufzuweisen. Um wessen Alltäglichkeit handelt es sich hier? Die Hervorhebung des Zusammenhanges des Könnens und Verstehens leitet den Leser zugleich zu einer anderen, kritischen Nachfrage. Den methodischen Ausführungen Heideggers zufolge läuft das Verstehen allen anderen Vollzügen zuvor. Grundsätzlich ist in Heideggers Theorie nicht vorgesehen, daß es ein basales Nicht-Verstehen geben kann. Da der Schein als „Privation“ des Phänomens als eine andere Weise des Phänomens selbst verstanden wird, und da Dasein grundsätzlich sich in einer Erschlossenheit seines Seins aufhält (auch die Verschlossenheit der Stimmungen ist nur eine andere Art und Weise, uns selbst erschlossen zu sein), so sind selbst die Verstimmungen und das „Versehen“ im Umgang allenfalls andere Modi des Phänomens selbst, denn „nur weil Dasein verstehend sein Da ist, kann es sich verlaufen und verkennen“ (SuZ, 144). Man muß sich also fragen, in welcher Weise Heidegger das NichtVerstehen, das man aufgrund seines praktischen Charakters auch als „Nichtkönnen“ bezeichnen kann, versteht. In gewisser Weise bleibt dieser Begriff in der Heideggerschen Theorie leer. Selbst, wenn man das Nichtkönnen zunächst auf der Ebene des Umgangs und Besorgens als eine empirische Schwäche interpretiert - etwa einen Hammer nicht heben zu können - so folgt nach Heideggers Ausführungen, daß das Dasein sich in einem solchen Vollzug aufgrund seiner Welthaftigkeit, die nicht verloren geht, noch „versteht“, in folgedessen das NichtHeben-Können als eine Möglichkeit seiner selbst und sich daher trotzdem „zunächst und zumeist aus seiner Welt her versteht“ (SuZ, 146). Aber wie steht es mit Katastrophen im Leben? Wie verhält es sich mit
Vgl. zu dieser Frage Thomä 1990, 328ff. Thomä macht darauf aufmerksam, daß die ländliche Sinnebene durch die Frage der Subjektivität gebrochen wird. Er interpretiert diesen Konflikt grundsätzlich positiv, weil es Heideggers Stärke ausmache, durch die Aufnahme des „Hantierens“ auf die Gespaltenheit des modernen Subjekts selbst aufmerksam zu machen. Heidegger muß sich gewissermaßen mit einem modernen Ideal konfrontiert sehen: „der ‚Schwarzwald’ bleibt ‚Sein und Zeit’ fremd. Er bleibt aber eine Versuchung.“ (Thomä 1990, 329). Thomä weist auch darauf hin, daß schon früh von Löwith angemerkt worden ist, daß Heideggers Zeuganalyse übersieht, daß die soziale Welt in der Moderne durch den Warencharakter impliziert ist.
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Schicksalsschlägen oder dem Tod? 35 Wie steht es mit wirklichen Grenzen unseres Seins? Die Gründe dafür, daß Heidegger dem Begriff des Seinkönnens keine Alternative zur Seite stellt, sind aber nicht nur auf der ontologischen Ebene zu suchen. Auch auf der Ebene des alltäglichen Besorgens und Könnens kann man drei Gründe anführen: Erstens beschreibt Heidegger den Widerstand als sekundär, zweitens wird (konsequenterweise) die Störung der Verweisungsganzheit untergeordnet (vgl. dazu auch später, Seite 52) und drittens wird die Affektivität umgedeutet, so daß der Heideggersche Idealismus auch auf dieser Ebene sich durchsetzen kann. Man kann sich daher fragen, in welchem Sinne sich die Umweltanalyse auf der konkreten Ebene als eine Verlustgeschichte des Nichtkönnens darstellt, da Heidegger die Tendenz hat, das Existieren dem handwerklichen Modell unterzuordnen. Damit ist nicht behauptet, daß es für die Ebene des Seinkönnens eine Alternative gibt. NichtSeinkönnen ist offenbar ein Unding. Auch ist damit nicht behauptet, daß Heideggers Analyse sich als nicht haltbar herausstellt, sondern allenfalls sollen damit Erweiterungen ins Spiel gebracht werden. Ich möchte folgende Punkte skizzieren: die Umweltanalyse impliziert den Verlust des Mißverstehens, den Verlust der Sinnlichkeit (vgl. dazu später, Seite 56), den Verlust des Leibes (vgl. dazu später, Seite 62), den Verlust der Werthaftigkeit (vgl. dazu später, Seite 108), aber auch Vollzüge der Pause und des Spielens, den Verlust der Neugier und den Verlust des Lernens, die allesamt nicht auf der Ebene der sich auf sich selbst beziehenden Subjektivität, sondern schon in den Umwelthandlungen zum Tragen kommen, aber von Heideggers Ausführungen
In einer frühen Vorlesung heißt es: „Nur auf dem Grunde dieser Vertrautheit kann im Zunächst des weltlichen Da so etwas vorkommen wie Fremdes“ (GA 63, 90). Ich werde an dieser Stelle nicht auf Heideggers Todesinterpetation eingehen, weil nur die Umweltanalyse eine Rolle spielen soll, aber auch in Bezug auf jene kann man grundsätzlich festhalten, daß selbst der Tod nicht als „Nichtkönnen“ gedeutet wird, sondern gerade als Möglichkeit des Daseins in dem Sinne verstanden wird, daß es sich aus ihm heraus im Sinne einer möglichen Horizontbildung zukünftiger Ereignisse hin immer schon verstanden haben muß. Das meint auch Walter Schulz. Vgl. Schulz 1979, 35: „Der Tod des Daseins ist kein Ereignis, das den Menschen als Lebewesen trift. Das leibliche Sein wird von Heidegger, weil das Dasein ja nur sich verstehender Selbstbezug ist, grundsätzlich ausgeklammert, und eben als sich verstehende Existenz kann das Dasein überhaupt nicht ‚von außen her’ vom Tod angegangen werden.“ 35
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imgrunde nicht erfaßt werden können. 36 Im Kern mißachtet Heidegger „Verhaltungen“, die eine Weltveränderung implizieren anstatt sie schon im Rücken zu haben. Insbesondere beim letzten Punkt kann man sehen, daß Heideggers These, daß das Nicht-mehr-Verstehen im „reinen Anstarren“ besteht, nicht haltbar ist, sondern daß geradezu das Gegenteil der Fall sein kann, nämlich daß das Nicht-Verstehen als Voraussetzung für die Eröffnung von Horizonten gedeutet werden muß. Obwohl ich – ontologisch betrachtet – niemals mehr bin als meine Möglichkeiten und ich mich infolgedessen auch immer in diesen verstehen muß, so bleibt es nicht nur unverständlich, in welchem Sinne eine offene Zukunft in einem solchen System gedacht werden kann, sondern auch wie Lernprozesse in Gang kommen können, die darauf beruhen, daß jemand kein Verständnis hat, d.h. etwas nicht kann. In anderen Worten: Lernprozesse, insbesondere die frühkindlichen, fallen aus Heideggers „Wesensanalyse“ heraus. Implizit analysiert Heidegger einen erwachsenen Menschen. Das setzt aber schon eine Idee der Entwicklung oder eine genetische Phänomenologie voraus. Natürlich würde Heidegger antworten, daß diese Ergänzungen die ontologische Ebene nicht berühren und es ist ihm darin zuzustimmen. Dennoch muß man darauf bestehen, daß es in Sein und Zeit eben um die alltäglichen, umweltlichen Handlungen geht, in denen Lernprozesse gewöhnlicherweise ausgebaut werden. Es erscheint daher legitim, einige dieser Tätigkeiten hier ins Spiel zu bringen. Holismus und Idealismus
Der gesamte Sinn meiner umweltlichen Situation leitet sich von den ursprünglichen Projekten her, mit denen ich mich situiere. Man muß Sein und Zeit sozusagen „rückwärts“ lesen. Zunächst steht die Möglichkeit im Raume, mit einer entschlossenen Handlung mir meinen Möglichkeitshorizont überhaupt vorzugeben und sozusagen eine MetaSituation bzw. einen Handlungs- und Totalitätshorizont zu schaffen. Aus diesen Großprojekten leitet sich dann der Verweisungszusammenhang auch meiner alltäglichen Handlungsumwelten her. Da der Zeugzusammenhang durch Zweck und Mittel strukturiert ist, leiten sich die Interessant wäre auch herauszuarbeiten, warum Dasein in Heideggers Verknüpfung von Umweltanalyse und Selbstreferenz durch die Zeitanalyse nicht als alterndes bestimmt werden kann. In Heideggers Theorie wird das Altern wie in den traditionellen Theorien der Subjektivität als emprisich bzw. ontisches Phänomen behandelt. Der Geist altert nicht, sondern nur der Leib.
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Zwecke letzlich aus einem – wie Heidegger sagt – „Worumwillen“ her. Das Worumwillen aber erschließt mir nach Heidegger meine gesamte Welt, d.h. meine eigenen Möglichkeiten im Sinne meines Könnens. In anderen Worten: das Worumwillen erschließt mein Sein im Sinne meiner ganzen Existenz. Was meine Welt ist, ist zwar nicht „Material der Pflicht“, aber die Sinnfülle als solche leitet sich aus meinen eigenen Projekten her. Auch die Natur, die ja Heideggers These zufolge erst als solche „entdeckt“ werden muß, wird ihr untergeordnet. Letztlich jedes „Ding“ im Sinne von Zeug ist durch einen Sinnhorizont erschlossen, den ich mir durch meine Lebensprojekte erst eröffnet habe. In diesem Sinne kann es „sinnlose“ Dinge nicht geben, denn selbst die zwecklosen Dinge finden ihren Sinn ex negativo. Das Unzuhandene, wie Heidegger auch sagt, ist nur die „Privation“ des Phänomens der Zuhandenheit. Das nicht zur Hand seiende Ding ist weiterhin als grundsätzlich zuhanden verstanden. Ganz in diesem Sinne heißt es bezüglich der Dinge überhaupt: „Das innerweltlich Seiende überhaupt ist auf Welt hin entworfen, das heißt auf ein Ganzes von Bedeutsamkeit, in deren Verweisungsbezügen das Besorgen als In-der-Welt-sein sich im vorhinein festgemacht hat.“ (SuZ, 151). So ergibt sich das System meiner umweltlichen Bezüge und Möglichkeiten ganz aus den kulturellen und letztlich historischen Möglichkeiten, die ich mir in meinen „eigentlichen“ Handlungen erschließe. Es leitet sich also aller Sinn aus der entschlossenen Handlung und meinem Selbstverhältnis her. Heideggers Denken ist geprägt von einem grundsätzlich holistischen Ansatz. Betrachtet man die grundsätzliche Argumentationsstruktur in Sein und Zeit, kann man sehen, daß Heidegger musterhaft immer darauf hinweist, daß es eine vorausgesetzte Struktur geben muß, um zwei sich entgegengesetzte Begriffe analysieren zu können. 37 Besonders deutlich wird dies in Heidggers Argumentation gegen diejenigen Theorien, die Subjektivität aus einem Gegensatz und damit aus der Negativität heraus begreifen wollen. Da das In-der-Welt-sein aber – wie bei Husserl – Vollzug und Sinn umgreift und daher eine ursprüngliche Einheit bildet, wird jede Negativität der Welt oder dem Anderen gegenüber aus der Analyse ausgeschlossen bzw. durch eine holistische Interpretation ersetzt. Einzig in der Analyse der „Ganzheit“ kommt Heidegger auf die Thematik, daß Dasein etwas nicht bzw. noch nicht ist, zurück. Aber selbst hier kann man sehen, daß die Problematik des Ganzseins des Dasein eine existentielle Möglichkeit ist. Ontologisch Auch Figal meint, daß Heideggers Begriff der Ganzheit unklar sei. Vgl. Figal 1991, 83.
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betrachtet sind wir „eigentlich“, d.h. in Wahrheit, immer schon eine Ganzheit. Allenfalls durch unsere Selbstobjektivierung und das Verfallen begreifen wir Zukunft und Tod als objektive Ereignisse und daher uns selbst als „mangelhaft“. Im Grunde aber sind wir immer schon zu unserem Ende und daher ontologisch betrachtet niemals mangelhaft. Subjektivität als „Mangel“ denken, bedeutet nach Heidegger, sie der Ontologie der Vorhandenheit zu unterwerfen (SuZ, 274). Daher versucht er in Sein und Zeit das „Noch-nicht-Sein“ umzudeuten. Aber auch in der „vertikalen“ Struktur, also dem Verhältnis des Subjekts zu seiner Umwelt, kann man die holistischen Grundannahmen Heideggers herausarbeiten, was zu einem grundsätzlichen – wie Walter Schulz herausgehoben hat – Paradox einer endlichen Absolutheit des Daseins führt (Schulz 1979, 254f.). Die Weltstruktur geht den einzelnen Vollzügen immer als eine Ganzheit vorweg, so daß der negative Modus des „Nicht“ immer als eine Abwandlung des „ursprünglich“ positiven gedeutet wird. Dieses Vorgehen Heideggers erklärt sich aus der Abwehr dialektischer Modelle. Dasein soll ja gerade nicht aus seinem Gegensatz zur Welt verstanden werden, sondern die Welt soll als eine Weise des Daseins selbst vorgestellt werden. In diesem Sinne ist Dasein – wie Husserls Begrif des Bewußtseins – „absolut“ zu nennen. Es wird nicht „von außen“ affiziert, sondern affiziert sich selbst in seinem schon-seinbei. Dieser implizite Holismus führt nun auf der Ebene der Umweltanalyse zum Ausschluß verschiedener Momente, nämlich erstens zum Ausschluß des Widerstandes oder der Hemmung und zweitens im Zusammenhang damit zum Ausschluß der Sinnlichkeit im klassischen Sinne, obwohl natürlich mit einbezogen werden muß, daß Heidegger die Affektivität uminterpretiert und nicht gänzlich verwirft. 38 Insbesondere in §43 argumentiert Heidegger gegen Dilthey und Scheler, die Realität mit der Widerstandserfahrung identifizieren wollen, mit dem Vgl. auch Scheler, GW 9, 15, der das Leiden in der einfache Re-Flexio der Empfindung lokaliert, also ganz ähnlich wie Husserl in den Manuskripten zur Affektion (vgl. dazu weiter unten 102ff.). Aus diesem Zusammenhang wird auch klar, daß für Heidegger eine Bestimmung wie „Leiden“ oder „Erleiden“ sekundär bleibt. Da es auf der einfachen Ebene kein „Ich“ oder „Selbst“ gibt, das leiden kann, sondern letzteres in seiner Weltstruktur „aufgeht“, bleibt jedes wirkliche Angegangensein ausgeschlossen. Die zentrale Stelle bei Scheler, in der er die Widerstandserfahrung einführt, findet sich in GW 9, 16ff.; vgl. auch die weiteren Ausführungen im selben Band, 210ff. Vgl. zur Widerstandserfahrung im Kontext der Wertethik GW 2, 149. Vgl. zur Vorgeschichte der Widerstandslehre Kaiser 1997, 30ff. und vor allen Dingen 53ff. Kaiser meint, daß Heideggers Angriffe sich auch indirekt gegen Husserl richten. Vgl. ebd., 124. 38
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Argument, daß jedes Streben nicht nur über den „Widerstand“ hinaus auf etwas aus ist, sondern bereits „bei einer Bewandtnisgesamtheit“ (SuZ, 210) sein muß. Diese Gesamtheit ist auf etwas hin erschlossen und läuft als Gesamtheit betrachtet der sinnlichen Erfahrung voraus. In Husserls Worten: in den zeitlichen Horizonten ist mehr bewußt als in der präsentistisch erfaßten Sinnlichkeit. Auf der einen Seite ist Heideggers Darlegung überzeugend, denn in der Tat läßt sich fragen, in welcher Weise nicht nur Wille und Streben schon über das jeweilige Erleiden von etwas hinaus sein müssen. Eine Grenze ist nur denkbar, wenn das Denken schon darüber hinaus ist, wie Fichte und Hegel schon gezeigt haben. Diesen Gedanken verkoppelt Heidegger mit seiner Analyse der Stimmungen. In Stimmungen nämlich, so seine These, sind wir uns zeitlich so erschlossen, daß gewissermaßen in diesem „Pool“ erst Affektionen im Sinne von sinnlichen Ereignissen auftreten können. Heidegger schreibt: „Dergleichen wie Affektion käme beim stärksten Druck und Widerstand nicht zustande, Widerstand bliebe wesenhaft unentdeckt, wenn nicht befindliches In-der-Welt-sein sich schon angewiesen hätte auf eine durch Stimmungen vorgezeichnete Angänglichkeit durch das innerweltlich Seiende“ (SuZ, 137). Nimmt man die Argumentation der Umweltanalyse hinzu, so muß man in Betracht ziehen, daß Heidegger dort die These aufstellt, daß die Welt im Sinne der Verweisungsstruktur dem innerweltlichen Seienden vorweg geht. Dasein wird als ein Seiendes bestimmt, das nicht innerweltlich bestimmt werden kann. Das Innerweltliche soll nach Heideggers eigener Bestimmung vorhandenes Seiende meinen, und als dessen Grenzfall bestimmt er die Natur. 39 Dem fügt er dann das „innerweltliche Zuhandene“ in §22 hinzu. Es bleibt aber unklar, in welcher Weise die Stimmungen einen Horizont „vorzeichnen“ können. Heidegger äußert sich dazu nicht. Der Zusammenhang von Stimmung und Affektion bleibt daher völlig unerklärt. Wenn ich mir mit einem Messer in die Hand schneide und ich den Schmerz spüre, dann bleibt es völlig rätselhaft, warum mein Gestimmtsein in der Situation die Voraussetzung sein soll, daß mich innerweltlich Seiendes „angehen“ kann. Nehmen wir an, ich befinde mich in der Idealsituation der Heideggerschen Welt und bin ganz auf das Werk gerichtet, an dem ich arbeite. Nun nehmen wir weiterhin an, daß mir der Hammer, mit dem ich arbeite, auf den Fuß fällt. Der Hammer geht mich in diesem Sinne etwas „an“, indem er mir „zu nahe“ kommt. Nehmen wir weiterhin an, daß sich mein UmwelterDie meisten KommentatorInnen übernehmen Heideggers Darstellung ohne Nachfrage. Vgl. bspw. King 2001, 57. Vgl. SuZ, 65.
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leben „entweltlicht“ und ich in einer Art Schockraktion den Hammer jetzt als pures „Etwas“ erfasse, das mir – von seinen Zweckbezügen entfremdet – die Schmerzen verursacht hat. Es ist völlig unerklärlich, warum die Stimmung – etwa die Hoffnung auf gutes Gelingen meines Werkes – die Voraussetzung für die Affektivität sein soll, die ich im Moment des Hammerfalles erleiden muß, indem ich den Schmerz verspüre. Es ist nichts gegen die These einzuwenden, daß die Stimmung mir meinen Gesamthorizont der Situation erschließt, aber Heideggers Argument gegen die Sinnlichkeit und die Widerstandserfahrung lautet, daß die Stimmung vorausgesetzt sei und das zweite als abkünftig zu begreifen sei. Bei genauerer Betrachtung muß man aber zu dem Schluß kommen, das beide als gleichrangig zu beschreiben sind. Wir werden später sehen, daß die einzige Verbindung, die hier gedacht werden muß, als eine werthafte Bedeutsamkeit bestimmt werden muß. Ich fühle mich ja nur deshalb aus meinen Umweltbezügen „herausgerissen“ und gestört, weil ich offenbar mein Arbeiten als etwas verstehe, in dem ich nicht gestört sein will und das damit als etwas im weitesten Sinne „positiv“ erlebt wird. Wenn also überhaupt eine Verbindung von Stimmung und Affektion gedacht werden kann, dann nur über die Wertbeziehung, die ich erlebe. Ansonsten stehen sich beide völlig gleichrangig gegenüber. Die Stimmung der Angst und der Furcht erschließen mir, und das soll hier nicht in Frage gestellt werden, meine Möglichkeiten. Sie erschließen mir mein Weltverhalten als Ganzes. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend ist Heideggers Behauptung, daß die Stimmung sinnliche Affektivität erst möglich macht, und dieser Zusammenhang ist nur nachvollziehbar, wenn man die Wertebene mit einbezieht, die zweifellos in Stimmungen erschlossen wird. Meine Stimmung erschließt mir sozusagen eine Welthaltung, die sich auf die gesamte Welt bezieht. In einer Stimmung fühle ich mich so oder so gestimmt und zwar in Bezug auf jeden individuellen Gegenstand oder Vorfall in meiner Existenz. In der Stimmung erschließe ich mir ja nicht nur mein Sein im Sinne des „Daß-Seins“ und der Last, daß ich immer auch mein Gewesen-Sein zu übernehmen habe, sondern projektiv erschließe ich mir mein Sein in einer Haltung, die festlegt, wie ich mich grundsätzlich zur Welt und zukünftigen Ereignissen verhalte. In der Hoffnung ist eine positive Dimension enthalten, die meine konkreten Erwartungen strukturiert. Von dieser Stimmung aber zurückzuschließen auf mein Tasten, auf mein Hören und Riechen ist nur zulässig, wenn man ein Kriterium nennen kann, in Hinsicht auf das beide vergleichbar sind. Dies kann nur etwas Werthaftes sein, d.h. mei32
ne „Aufnahme“ des sinnlichen Ereignisses. Mit anderen Worten: die Stimmung ist nur in soweit entscheidend, wie sie das sinnliche Ereignis in einem positiven oder negativen Rahmen einbindet. Das Kriterium nennt Heidegger aber nicht, weil er jede wirkliche Konfrontation von Affektion bzw. Gefühl und Stimmung ablehnt.
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Pause, Spielen
Vor dem Hintergrund des Holismus betrachtet läßt sich nun auch erklären, warum Heidegger seine Analyse an der Arbeit orientiert. 40 Die Arbeit und das Tätigsein gehört gewissermaßen zur ursprünglichen Weltoffenheit des Daseins und jede Form der Negation dieses Tätigseins wird an den Rand gedrängt. Wir können uns zum Beispiel fragen, in welcher Hinsicht das Pausieren oder das Faulenzen oder vielleicht sogar das Schlafen aus Heideggers Modell herausfallen. 41 Auch in Bezug auf einzelne Tätigkeiten wie Sex oder z.B. Feiern erscheint es mehr als fraglich, ob diese über den Zusammenhang des „Zeugzusammenhanges“ begriffen werden können oder ob in ihnen nicht völlig andere Dingzusammenhänge erscheinen, die aus der starren Gegenüberstellung von Vorhandenheit und Zuhandenheit herausfallen und somit den Umweltbegriff selbst ändern bzw. erweitern müßten. Um es anders zu formulieren: Ist das begehrte Wasserglas, das in meiner Werkstatt steht und mit dem ich mein Bedürfnis stille, wenn ich zu lange gehämmert habe, vorhanden oder zuhanden? 42 Ist eine Katze, die auf meiner Hobelbank sitzt, vorhanden oder zuhanden? Bei genauerer Überlegung scheinen gerade diejenigen alltäglichen Handlungen und Situationen, in denen wir in einem anderen Sinne verweilen als Heidegger es uns präsentiert (nämlich als Privation des Scheler bemerkt spöttisch, daß Sein und Zeit ein Werk im Geiste des Calvinismus sei. Vgl. GW 9, 260. Vgl. auch zur Beschreibung der „Heideggerschen Alltäglichkeit“ Caputo 1994, 334f. Auch Caputo merkt an, daß Heideggers „faktisches Leben“, das Heidegger in den frühen Freiburger Vorlesungen zu entdecken versucht, eingeschränkt bleibt. Heideggers „factical life is not factical or perhaps praxical enough“. Vgl. dazu Caputo 1994, 332. Zur Arbeit vgl. auch die kritischen Bemerkungen bei Thomä 1990, 326ff. Thomä meint aber auch, daß es sich um einen „idealisierten Arbeiter“ handelt, der zumindest isoliert in seiner Werkwelt wohnt. Thomä schlägt vor, das Heideggersche Modell als dasjenige eines Künstlers zu lesen. Dieser Vorschlag scheint mir aufgrund des Textes selbst nicht stichhaltig zu sein, selbst wenn Thomäs Kritik, daß es sich um das Ideal der „Vereinzelung“ handele, zutreffend sein sollte. 41 Das deutet auch Hüni an. Er verweist auf diejenige Pause, die sich nicht als Privation des Arbeits bestimmen läßt, sondern sich auf „das Schöne“ richtet. Vgl. Hüni 1999, 212. 42 Es ist anzumerken, daß Heidegger das beschränkte Schema von Sein und Zeit selbst thematisiert. In seinem Kunstwerkaufsatz fügt er seiner Ontologie das Kunstwerk hinzu und in der Vorlesung von 1930 analysiert er das Tier. Kunstwerk und Tier passen beide nicht in die Aufteilung: Existenz – Vorhandenheit – Zuhandenheit. 40
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Arbeitens), verloren zu gehen. Das sind einmal diejenigen Handlungen, in denen wir Ausruhen oder einfach „Nichtstun“ oder speziell diejenigen, die wir gemeinhin „ästhetisch“ nennen. So ist es geradezu auffällig, daß Heidegger die Ästhetik in Sein und Zeit nicht erwähnt und in seinem Kunstwerkaufsatz die Kunst zu einem Großprojekt neben der Politik hochstilisiert ohne sie an die Analysen von Sein und Zeit rückzubinden. So muß man aber fragen, ob im Faulenzen und insbesondere in der ästhetischen Betrachtung, die ja auch eine naturästhetische Betrachtung sein kann, ein weltlicher Bezug zum Vorschein kommt, der mit Heideggers Verweisungszusammenhang nur schlecht bestimmt werden kann. Auf der einen Seite nämlich befindet sich das Subjekt in der bewundernden Haltung, etwa der Natur gegenüber, aus dem praktischen Verweisungszusammenhang herausgenommen, auf der anderen Seite aber befindet es sich nicht in einer objektivierenden Haltung seinen Gegenständen gegenüber. Heideggers Analyse aber impliziert, daß jede Entweltlichung einen Objektivierungsprozeß nach sich zieht. Das scheint mir falsch zu sein. Wenn ich die Perfektion meines Hobels („Made in Germany“) bewundere, stehe ich ihm dann in einem entweltlichten Verhältnis, wie Heidegger meint, gegenüber? Ich lasse ihn in meiner Bewunderung zwar in einem anderen Sinne „sein“ als während des Hobelns, aber doch suche ich ihn nicht nach seinen Eigenschaften ab. Auch das, was wir gemeinhin „Faulenzen“ nennen, kann in Heideggers Modell nicht vorkommen, weil jedes „Verweilen“ als eine Theoretisierung der ursprünglichen Umweltstruktur und damit als „Entlebnis“ gedeutet wird.43 Nun könnte man behaupten, daß das Pausieren durch seine Privation gekennzeichnet sei, d.h. daß gerade im Anhalten und Ausruhen die ursprüngliche umweltliche Tätigkeit geradezu erst zum Vorschein kommt. Wie man in einem der späteren Paragraphen von Sein und Zeit sehen kann, ist Heidegger genau dieser Meinung: „In der Ruhe verschwindet das Besorgen nicht“ (SuZ, 172). Es würde in diesem Falle ähnliches geschehen wie in demjenigen Falle, wenn etwas fehlt oder beschädigt wird. Der Weltzusammenhang wird in solcherart Störungen Heidegger zufolge erst sichtbar. Das ist aber gerade im Pausieren Vgl. SuZ, 138. Heidegger identifiziert hier die „reine Theorie“ mit dem „ruhigen Verweilen“. Das ist aber fraglich, denn im ausruhenden Verweilen, in dem ich mich befinde, wenn ich pausiere oder faulenze, ist durch seine „Interesselosigkeit“ gekennzeichnet, wohingegen das Erkennen, gerade weil es sich aus seinem praktischen Zusammenhang herleitet, immer einem „Woraufhin“ folgt. Es ist – in Husserls Worten – „auf etwas aus“ und somit immer in Interessenhorizonte eingebunden: „So ist die Erkenntnis als Handlung eine abzielende Tätigkeit“ (EU, 238). 43
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nicht der Fall, weil gegenüber dem bloßen Ablassen von dem Zeugzusammenhang dieser gewissermaßen völlig außer Acht gelassen wird. Er wird neutralisiert und als Ganzer außer Kraft gesetzt. Eine privative Bindung an den Zweckzusammenhang wird nur dadurch erreicht, daß weiterhin die durch das Worumwillen (Streben) erschlossenen Großprojekte in Kraft sind. Nur weil ich noch Hämmern und das Werk vollenden will, kann es geschehen, daß mir dieser Zusammenhang bewußt wird, wenn mein Hammer nicht mehr funktioniert. Im Pausieren und Faulenzen will ich aber gerade dies nicht. Das bedeutet, daß die Zweckbezüge, die durch meine Tätigkeiten hindurch verknüpft sind, sozusagen „losgelassen“ oder „seingelassen“ werden und als solche hingenommen werden. Das Pausieren hat damit seine eigene Qualität und es ist keinesfalls klar, ob die genetische These Heideggers, die hinter seiner Umweltanalyse steckt, eindeutig ist. Diese besagt, daß wir ursprünglich uns in hantierenden Verhältnissen befinden, von denen dann sich alles andere herleitet und wir schließlich von „Entfremdung“ sprechen können. Die Gegenthese aber lautet, daß sich gewissermaßen das Arbeiten aus einem „Nichtstun“ herleitet. Diese genetische These impliziert Lernprozesse, in denen wir unsere Welt durch Bildung aneignen. Ein andere Art des „Umgangs“ mit den Dingen scheint auch im Spiel vorzuliegen. Von einigen Autoren wie z.B. Gadamer ist der Versuch gemacht worden, das Spielen als einen ontologischen Zusammenhang zu begreifen, in dem das Subjekt quasi aufgelöst und in ein anonymes Geschehen integriert wird. Es ist nun interessant zu sehen, daß Heidegger selbst in seiner Einführungsvorlesung von 1928/29 auf das Spielen eingeht und es auf den Weltbegriff bezieht. Offensichtlich leiten sich auch Gadamers Überlegungen in Wahrheit und Methode von Heideggers Überlegungen her. Nichtsdestotrotz kann man an Heideggers Auslegung des Spiels sehen, daß es nicht gelingt, den Begriff von seiner anthropologischen Basis zu lösen. 44 Wie Gadamer versucht auch Heidegger das Spielen aus seiner entgegengesetzen Position zur Ernsthaftigkeit zu befreien und ihm einen höheren, nicht abgeleiteten Status zuzubilligen. Das „In-der-
Die anthropologischen Überlegungen kommen auch ins Spiel, weil Heidegger beginnt, über das Tier nachzudenken. Wiederholung und Spiel im Sinne einer auf sich zurückbezogenen „Weltgeschlossenheit“ sind Kennzeichen des Tieres. Das meint auch Scheler (vgl. GW 9, 22f.) und Gehlen (vgl. Gehlen 1997, 131ff.). Dazu paßt dann Heideggers These, die er in der Vorlesung aus dem Jahre 1930 vertritt, daß das Tier „weltarm“ sei. Auch Husserl meint, daß das Tier sich durch „Weltarmut“ im Sinne eines Geschichtsverlustes auszeichne. Vgl. dazu Hua XV, 180.
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Welt-sein überhaupt“, so seine These, hat „den Charakter des Spiels“ (GA 27, 310). Heidegger zählt folgende Merkmale des Spielens auf: (1) Spielen hat etwas mit der spezifischen Weise des „Vollziehens“ zu tun, (2) es sei als das „Ganze einer Regelung“ (GA 27, 311) zu verstehen, (3) im Spielen sind Spiel und Spielregel zusammengebunden, (4) es geht im Spielen um ein „freies, d.h. regelgebundenes Geschehen“, (5) das Subjekt wird aufgelöst in ein „Sich-dabei-befinden“, (6) und nicht das Verhalten ist primär Ursache oder Grund der Einheit des Spieles, sondern „die Regeln bilden sich erst im Spielen“. In seiner Argumentation behauptet Heidegger zunächst, daß es nicht um die „ontischen Bezirke“ gehe, „in denen wir gemeinhin von Spiel sprechen“ (GA 27, 311). Schon hier kann man sich fragen, ob Heideggers Versuch, das Spielen nicht als eine bestimmte Weise des Daseins zu interpretieren, scheitern muß. Die Charakteristik der sechs Punkte, die das Spiel auszeichnen, sind nämlich durch die Interpretation des konkreten „ontischen“ Spielens gewonnen. Heidegger bezieht sich selbst auf das Kartenspiel und das Spiel der Kinder. Ohne auch nur im geringsten anzudeuten, wie der Schritt von der ontischen Interpretation zu der ontologischen Interpretation zu vollziehen sei, behauptet Heidegger plötzlich, daß Welt und Dasein „selbst“ als Spiel verstanden werden müssen, und daß dieses nichts mehr mit dem konkreten Vollzug zu tun habe. Abgesehen von der sinnlosen Wortakrobatik bleibt es völlig unklar wie Heidegger folgendes behaupten kann: „Das In-derWelt-sein ist dieses ursprüngliche Spielen des Spiels, auf das sich jedes faktische Dasein sich einspielen muß, um sich abspielen zu können, derart, daß ihm faktisch so oder so mitgespielt wird in der Dauer seiner Existenz" (GA 27, 312). Zwar behauptet Heidegger, daß das Spiel nicht das „jeweilige faktische Verhalten, sondern das, was es ermöglicht“ (GA 27, 313) meine, dennoch aber wird die Interpretation des Spielens anhand des „Handeln und Tun“ (GA 27, 312) gewonnen. Es ist daher nicht ersichtlich, wie Heideggers Anspruch, nicht „einen Begriff des Spiels zurecht[zu]legen und dann auf das Dasein an[zu]wenden“, in dem Sinne einzulösen ist, daß das Dasein ein „vergrößertes Spiel wäre“ (GA 27, 316). Verfolgt man den Paragraphen im Detail, sieht man, daß Heidegger exakt diesen Weg beschreitet. Er geht zunächst auf das „ontische“ Spielen ein, gibt dann eine Charakteristik des Spielens, die aus diesen ontischen Spielen gewonnen ist und behauptet abschließend, daß diese Charakteristik nichts mehr zu tun hat mit der empirischen Ebene. Einmal mehr kann man hier sehen, daß 37
Heideggers Tendenz, in ausschließenden Begriffen zu denken, zu systematischen Merkwürdigkeiten führt. Vielmehr wäre es einsichtig gewesen, das In-der-Welt-sein wie es in Sein und Zeit als Verweisungszusammenhang des praktischen Besorgens vorgestellt wird, von eben einer anderen Seite zu betrachten, die nicht in Umgang und Umsicht fundiert ist, sondern vielmehr Alternativen des In-der-Welt-Seins neben dem „Hantieren“ denken läßt. Und dazu kann man dann das Spielen anführen. Gehen wir dazu noch einmal auf Heideggers eigene Charakteristik zurück. Dieser zufolge kann als ein Kennzeichen des Spielens angesehen werden, daß auf eigentümliche Weise im Spielen Spiel und Regeln miteinander verknüpft sind. In anderen Worten: das Spielen kann nicht als Anwendung oder Realisierung externer Regeln verstanden werden, sondern die Spielregeln bestehen nur im Spielen und können auch nur durch das Spiel selbst geändert werden. Übertragen wir dieses Kennzeichen nun auf den Weltbegriff und die praktischen Besorgungen, die Heidegger als eigentliches Charakteristikum des alltäglichen Handelns vorstellt, so kann man sehen, daß eine Anwendung des Spielens dessen Konzeption verändern würde. In Heideggers Konzeption des Umgangs nämlich bleibt es in gewisser Weise unverständlich, wie der Verweisungszusammenhang, in dem ich mich befinde und aus dem heraus ich meine Vollzüge tätige, verändert und modifiziert werden kann. Welt geht meinen Vollzügen im Sinne eines apriori vorweg. Diese primäre Funktion der Welt kann nach Heidegger, da der konkrete Verweisungszusammenhang auf meine Projekte (Worumwillen) und meinen letzten Lebensentwurf zurückgeführt werden kann, nur modifiziert werden in der entschlossenen Handlung, in der nicht nur die vereinzelten Subjekte selbst, sondern die ganze Gemeinschaft sich ein „neues“ Worumwillen gleichsam selbstbestimmt vorgibt, das dann als „Aufgabe“ jeder einzelnen Handlung ihren letzten Horizont vorgibt. Das aber bedeutet, daß auf der Ebene der Umwelthandlung eine Modifizierung des Weltzusammenhanges nicht möglich ist. In der eigenen Umwelt kann immer nur etwas nicht zuhanden sein oder zerstört werden, aber es kann nicht kreativ geändert werden, weil dazu der Verweisungszusammenhang selbst verändert werden müßte. Nehmen wir nun das einfache Beispiel, daß ich einen Hammer in die Hand nehme und gleichsam durch leibliches „Austesten“ variiere, ihm aber nicht eine andere Funktion zuspreche, etwa als Stuhlbein zu fungieren. In diesem Fall würde ich bloß seine Funktion variieren. Der Charakter der Zuhandenheit würde nicht verschwinden, sondern ge38
wissermaßen im Hintergrund verbleiben. Wenn wir aber mit einbeziehen, daß die erste Form des Spielens nicht darin besteht, andere Zwecke von Gegenständen zu finden (das wäre noch als Handwerk zu bestimmen), sondern daß Spielen darin besteht, daß es auf sich selbst zurückverweist und so sich seinen Referenz- und Verweisungsrahmen selbst schafft, so können wir sehen, daß das Spielen gewissermaßen aus dem Verweisungszusammenhang herausfällt ohne ihn zu verlassen. Ich benutze ihn, aber ohne Konsequenz, und kann ihn daher frei abändern. Nehmen wir an, ich arbeite nur „so zum Spaß“ in Heideggers Werkstatt: Es gibt dann keinen äußeren Grund, keine verfolgbare MittelZweck-Kette, warum mein Spiel ausgerechnet dieses und kein anderes Spiel ist. Es verfolgt keinen Zweck, aus dem her sich meine Umwelt in diesem Moment bestimmen und verstehen ließe. Der Zusammenhang kann sich daher auch ändern, wenn dahinter nicht der Großentwurf geändert wird. Das heißt: im „Austesten“ des Hammers kann man ein Moment finden, das bloß darin besteht, die Möglichkeiten dieses Dinges zu variieren und sich diese anzueignen. Diese Aneignung verbleibt – Husserlsch gesprochen – im „Innenhorizont“ des Gegenstandes. Dieses Aneignen geschieht aber eben nicht, indem ich mir ontologisch die Möglichkeiten vorgeben lasse, sondern indem ich die Möglichkeiten nicht nur „schaffe“ und entwerfe, sondern auch aneigne. Diese weltbildende Funktion des Spielens fällt aus Heideggers Umweltanalyse heraus. 45 Weltaneignung wird in Heideggers Analyse als „Hantieren“ gedacht, ohne dabei in Betracht zu ziehen, daß es eine Defiziens des „Hantierens“ gibt, das den Referenzzusammenhang bestimmt und ihn bildet. Daran kann man auch sehen, daß Heidegger aus seiner Weltanalyse alle spezifisch modernen Tätigkeiten ausklammert, die der Arbeit entgegengesetzt sind, aber noch nicht Erkenntnis sind, wie bspw. Unterhaltung, Faulenzen, Pausieren und andere Freizeittätigkeiten. In diesen nämlich ist der Bezug zu einem den Verweisungszusammenhang übersteigenden Worumwillen gleichsam „neutralisiert“. Sich im Spiel befinden bedeutet, sich in einer anderen Welt zu befinden, die nicht durch die Zweck-Mittel-Struktur bestimmt ist. Wenn Heidegger daher behauptet, daß das Erkennen durch seine „Defizienz des besorgenden Zu-tunhabens mit der Welt“ (SuZ, 61) zu bestimmen sei, so übersieht er, daß die Charakteristik des Erkennens im Sinne des „Sichenthalten von alGehlen hat dies auf die „Weltoffenheit“ des Menschen zurückgeführt. Vgl. Gehlen 1997, 210. Von dieser spricht auch Heidegger in seiner Vorlesung von 1930 und ergänzt die Weltbildung. Vgl. Ga 29/30, 284ff., 507ff. 45
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lem Herstellen, Hantieren u.dgl.“ (SuZ, 61) vielmehr auf das Spielen hin betrachtet viel zutreffender erscheint. Es ist daher fraglich ob das Erkennen wirklich den „einzig verbleibenden Modus des In-Seins“ darstellt und ob es nicht noch ganz andere Vollzüge gibt, die der Beschreibung Heideggers viel angemessener erscheinen. 46 Lernen, Neugier
Mit den beiden letzten Punkten hängt eng ein anderes Konzept zusammen, das mit Heideggers Analyse nicht erfaßt werden kann, nämlich dasjenige des Lernens. Das hat zwei Gründe: erstens bleibt der Begriff des Neuen in Heideggers Theorie unbestimmt, zweitens ist Heideggers Dasein entleiblicht, und drittens können Prozesse der Assimilation in Heideggers Analyse nicht auftauchen, weil sie nicht nur voraussetzen, daß der Verweisungszusammenhang geschaffen werden muß, sondern auch, daß es eine Entwicklung innerhalb oder des Daseins gibt. Heideggers Begriff des Daseins ist aber trotz seiner temporalen Deutung gewissermaßen zeitlos konzipiert, weil er über eine Wesensanalyse gewonnen wird. In diesem Sinne schreibt Heidegger in der Leibnizvorlesung, daß Dasein sich durch seine „eigentümliche Neutralität“ (GA 26, 171) und „metaphysische Neutralität“ (GA 26, 176) im Sinne einer Vor-Geschlechtlichkeit auszeichnet. Nun könnte man dagegen einwenden, daß es Heidegger nicht um Babys, die lernen, sondern um Dasein selbst geht. Dieser Einwand ist sicherlich richtig und es soll hier keinesfalls Heideggers Wesensanalyse gegen eine empirische Analyse gestellt werden. Allenfalls soll darauf hingedeutet werden, in welcher Weise die geschlossene Welt der Umweltanalyse überhaupt fähig ist, Entwicklungen verständlich zu machen. Innerhalb der Umwelt, worauf wir in der Leibanalyse zurückkommen werden (vgl. Seite 62), verweist der gesamte Referenzrahmen auf den Leib. Man könnte geradezu sagen, daß meine direkte Umwelt eben nicht in einem letztlich abstrakt zu nennenden „Bedeutungszusammenhang“ von Zeichenverweisungen besteht, sondern konkret durch meine leiblichen Fähigkeiten bestimmt ist. Diese implizieren keinesfalls den
Auffällig ist nämlich, daß Heidegger das Erkennen dem ursprünglichen Besorgen entgegensetzt, und seine Philosophie schon aus diesem Grund eigentlich nicht als pragmatistische Konzeption angesehen werden kann, wenn man in Betracht zieht, daß in pragmatischen Konzeptionen das Erkennen selbst als eine Form des Umgangs gedacht wird. In Heideggers Beschreibung aber wird das Erkennen gerade dadurch abgesetzt, daß es keine Form des Besorgens darstellt und aus der Handlungskette und der Verknüpfung mit dem eigenen Selbst herausfällt.
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„objektiven“ Leib, sondern nur die Erfahrung von Zusammenhängen, in denen ich mich räumlich und zeitlich bewege. Nehmen wir die Entwicklung eines Kleinkindes in der Wiege. 47 Hier kommen vier Dinge zusammen: erstens wird der Referenzrahmen der Welt geschaffen bzw. entdeckt, und zwar zweitens in erster Linie über den Leib, drittens geschieht dies in einer spielerischen Form, in der das eigene Können und der Referenzrahmen entdeckt wird, und viertens schließen diese Entdeckungen Erkenntnisse ein. Heideggers Mißachtung des Entwicklungsbegriffes hängt seiner Interpretation der Neugier zusammen. Heideggers Abwehr der Neugier, die einer einseitigen Auslegung des Phänomens folgt, führt ebenso wie bei den ästhetischen Vollzügen dazu, einen mittleren Vollzugsmodus unseres Weltverhaltens ausschließen zu müssen, in dem es keinesfalls darum geht, die Welt „begaffend“ anzustarren und defizitär zu bestimmen, sondern in dem es in erster Linie darum geht, nicht nur neue Horizonte, sondern neue Verweisungszusammenhänge als Ganze zu entdecken. Beide Vollzüge, das Spielen wie das Lernen, sind gewissermaßen durch ein „Umwillen“ gekennzeichnet, daß sich nicht ausschließlich durch die Zweck-Mittel-Struktur bestimmen läßt. Das lernende Individuum muß sich gewissermaßen aus den umweltlichen Bezügen lösen, um kreativ neue Möglichkeiten zu entdecken oder zu entwerfen. Dazu aber muß es interessiert sein an neuen Möglichkeiten, die in die Umwelt eingebunden sind, und zwar so, daß es neue Beziehungen variieren und entdecken kann. Heideggers Interpretation der Neugier reduziert das Phänomen auf seine pure theoretische Funktion. Er reduziert es auf seine präsentistische Funktion des reinen Sehenlassens. 48 Heidegger schreibt: „Die freigewordene Neugier besorgt aber zu sehen, nicht um das Gesehene zu verstehen, das heißt in ein Sein zu ihm zu kommen, sondern nur um zu sehen“ (SuZ, 172). Diese Beschreibung des Phänomens ist aber schon auf den ersten Blick völlig unverständlich. Das Ähnliches meint auch Husserls selbst: „Das Reich der mundanen Erfahrung war mir, dank der unermüdlichen Erfahrungsarbeit der Kinderjahre, nach ihrer konkreten Typik wohlvertraut“ (LV, 213). Auch Gail Soffer baut ihre Heidegger-Kritik an einem Beispiel mit Kindern auf, indem sie zeigt, daß keinesfalls der Modus der Zuhandenheit als primär gegenüber anderen Vollzügen verstanden werden kann. Vgl. dazu Soffer 1999, 384ff. 48 Vgl. auch GA 60, 225ff. Vgl. zu den Bezügen auf Augustinus Effertz 1996, 239ff. Vgl. zur Neugier im Zusammenhang mit den „Sicherungstendenzen“, die Heidegger seinen philosophischen Gegnern in seinen frühen Vorlesungen vorwirft Rodi 1997, 169. 47
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spielende Kind, das mit den Bauklötzen spielt und seine Möglichkeiten „austestet“, ist keinesfalls daran interessiert, die Bauklötze auf ihr pures vorhandenes Sein zu reduzieren. Im Gegenteil: erst die Neugier ermöglicht es dem Kind, die dem Ding angemessenen Möglichkeiten herauszufinden und so die Verweisungszusammenhänge erst herzustellen oder neue zu erfinden. Es ist daher nur im theoretischen Kontext nachvollziehbar, daß Neugier zum Ziel hat, sein Gegenüber in Präsenz aufzulösen und am „Sehen“ orientiert ist. 49 Nach Heidegger zeichnet sich die Neugier durch ihre Zerstreuung und „Unruhe und Aufregung“ (SuZ, 172) aus. Offenbar verwechselt Heidegger hier den Prozess der theoretischen und praktischen Neugierde mit der „Sensationslust“, die wir zuweilen an den Tag legen. Es wäre daher angemessener gewesen, diese in einem sozialen Sinne zu interpretieren anstatt das Phänomen an die Herleitung des Erkennens anzubinden. Die Neugierde aber, die sich auf den Verweisungszusammenhang selbst bezieht, hat sich schon, um in Heideggers Worten zu reden, in die Zusammenhänge „gelegt“ und an sie verwiesen. Gerade im Herausfinden neuer Möglichkeiten wird ihr Zusammenhang gerade erst „ernst“ genommen. 2. PERZEPTION UND HANDLUNG
In der Heidegger-Literatur ist es äußerst populär geworden, von dessen Pragmatismus zu sprechen. Die „pragmatische Pointe von Heideggers existenzialer Wissenschaftskonzeption“ (Sandbothe 1998, 103f.) sorge dafür, daß traditionelle Konzepte, die das theoretische Erkennen favorisieren, durch ein Modell abgelöst werde, das nicht nur das Erkennen, sondern dessen Erfolgsbedingungen in die Handlungsumstände verschiebt. So heißt es etwa bei Gethmann: „Die Philosophie von Sein und Zeit ist die im deutschsprachigen Bereich früheste Konzeption eines konsequenten Pragmatismus“ (Gethmann 1988, 143). Gethmann versucht zu zeigen, daß Heidegger gegenüber einer Vorangstellung kognitiver Elemente eine Verschränkung mit der praktischen Ebene vornimmt. Gethmann schreibt: „Heideggers weitere Analysen führen aus, daß der Umgang mit den Dingen, die Sphäre des Handelns in Mittel-Zweck Zusammenhängen, das grundlegende und umfassende Fundament darVgl. GA 21, 56: „Die Wurzel dieses Vorranges des Sehens als die fundamentale Erfassungsart von Seiendem überhaupt liegt letztlich in der Neugier“; vgl. auch Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles, 241. Es bleibt unverständlich, warum es nicht so etwas wie eine „praktische Neugier“ geben soll. 49
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stellt“ (Gethmann 1988, 145). Der Clou an dieser Interpretation der Heideggerschen Umweltanalyse ist genau der, daß Heidegger eine Ebene analysieren möchte, die vor der des Handelns liegt. 50 Es ist eine ungenaue Lektüre, in der Umweltanalyse eine Analyse des Handelns und einen „pragmatischen Grundzug“ (Sandbothe 1998, 105) sehen zu wollen. 51 Die eigentliche Kritik an Heideggers Konzeption besteht aber darin, daß Heidegger zwar behauptet, eine ursprüngliche Ganzheit zu beschreiben, daß er aber – bei genauerer Lektüre – dieses Ziel verfehlt. Zwar meint Heidegger, daß „das Betrachten [...] so ursprünglich ein Besorgen [ist], wie das Handeln seine Sicht hat“ (SuZ, 69), aber er kommt eben nicht umhin, in seiner Begrifflichkeit von Umsicht und Umgang die Trennung von Wahrnehmung und Handlung zu übernehmen. Es verhält sich hier wie so oft bei Heidegger: anstatt traditionelle Trennungen klarer zu machen, meint Heidegger durch die Erfindung neuer Begrifflichkeit das Problem lösen zu können. Letztlich aber kommt auch Heidegger nicht darüberhinaus, allenfalls behaupten zu können, daß es eine Verschränkung von perzeptiven und handelnden Momenten im konkreten Vollzug geben muß. Diese These aber findet sich in der Husserlschen Theorie weitaus differenzierter ausgearbeitet. Eigentlich analysiert Heidegger in SuZ die pragmatischen Strukturen überhaupt nicht. Er spricht zwar vom Umgang mit den Dingen, aber worin dieser Umgang besteht und wie er phänomenologisch entschlüsselt werden kann, wird überhaupt nicht thematisiert. Heidegger analysiert keine Handlungen, sondern er analysiert die seines Erachtens dafür vorausgesetzten Strukturen. Das handelnde Subjekt taucht in der Umweltanalyse – genau besehen – nicht auf. Heidegger analysiert zwar im Sinne eines apriorischen Verfahrens die Bedingungen, damit sich das Subjekt überhaupt in seiner Umwelt „bewegen“ kann. Diese Bedingungen aber sind wiederum keine genuin praktischen Charaktere, sondern werden allgemein als Bedeutungscharaktere aufgewiesen. So ist etwa der Charakter der Zuhandenheit ein Phänomen (Sein des Seien„Sorge [...] umfaßt das Sein des Daseins so ursprünglich und ganz, daß sie in der Scheidung von theoretischem und praktischem Verhalten je schon als Ganzes vorausgesetzt werden muß.“ (SuZ, 300) 51 Vgl. dagegen die ausgezeichnete Analyse und die Gegenthese gegen die pragmatische Ausrichtung bei Blattner 1992, 104ff. Blattner zeigt, daß der Gebrauch von Werkzeugen nach Heidegger in der existenzialen Zeitlichkeit zu suchen ist, sich also aus der praktischen Situation heraus ergibt und nicht nach den „gewöhnlichen“ Umständen sich messen lassen kann. Eine Weiterführung seiner Argumentation, der ich folge, gibt der Autor in Blattner 2000. 50
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den), das überhaupt nichts über ein pragmatisches Verhältnis meiner handelnden Seinsweise aussagt, sondern nur das Erscheinen bzw. Sichzeigen der Dinge im Umgang beschreiben soll. Erstaunlicherweise analysiert Heidegger diese Begriffe aber nicht in einer differenzierten Art und Weise, sondern gibt sie als ursprüngliche Phänomene aus. Heidegger beantwortet bspw. überhaupt nicht, was Umgang ist und wie er beschrieben werden kann. Er geht auf die von ihm „angezeigten“ Strukturen überhaupt nicht ein. Bei genauerer Überlegung muß man zu dem Schluß kommen, daß etwa eine Analyse des Phänomens des Umgangs nur zu einem führen kann, nämlich die Einführung des Leibbegriffes. Fragen wir nämlich, was „Umgang“ – genauer betrachtet – bedeutet, so werden wir unweigerlich auf diejenigen Strukturen verwiesen, auf die es uns ankommt. Wir werden sagen: wir nehmen die Dinge in die Hand, wir drehen sie um, wir machen etwas mit ihnen. Diese Elemente aber lassen sich aus einer genuin Husserlschen Perspektive weitaus besser entwickeln, so daß in den folgenden Paragraphen versucht wird, die Heideggersche Umweltanalyse sozusagen zu „unterlaufen“, um sie mithilfe des Husserlschen Instrumentariums auf ihrer wirklich praktischen Ebene zu erfassen. Der eigentliche Ort des handelnden Subjekts, das mit dem Begriff „Umgang“ erfaßt werden kann, ist mit dem des Leibes zu identifizieren. Der Leib ist der eigentliche Ort des (umweltlichen) Handelns. Die Perzeption, die scheinbar nur auf kognitiver Ebene zum Ausdruck kommt, wird in der Husserlschen Analyse radikal unterlaufen durch ein „Ich kann“, das überhaupt erst die Situation der Wahrnehmung festlegt. Die ironische Pointe kann daher darin gesehen werden, daß bei genauer Analyse eigentlich die Husserlschen Analysen dem Ideal einer pragmatisch fundierten Theorie viel näher kommen. 52 Die Schwierigkeiten der pragmatischen Lesart der Heideggerschen Theorie resultieren aus einer grundsätzlich unphänomenologischen Lesart Heideggers. Wenn Gethmann bspw. meint, daß in der Umweltanalyse Heideggers die kognitiven und praktischen Momente unseres Weltzugangs auf einer neuen Ebene miteinander verwoben sind, so ist das sicher richtig. Trotzdem müßte auch Gethmann sehen, daß Heidegger die Bereiche begrifflich voneinander trennen muß. Wenn die Analyse nicht bei einer dogmatischen Behauptung stehenbleiben will, indem sie die Verwobenheit als eine ursprüngliche behauptet, ist in der Das meint auch Øverenget: „Firstly, the presentation of Husserl as a mentalist is fundamentally mistaken. Husserl’s concept of intentionality is a rejection of mentalism“ (Øverenget 1998, 175)
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Trennung der Begrifflichkeit bereits eine eidetische Analyse der Elemente impliziert, die eine idealerweise vorzunehmende Trennung zwischen dem perzeptiv-theoretischen, dem emotionalen und dem praktischen Bereich vornimmt, die jeweils in der jeweiligen Evidenzstruktur zu beschreiben wäre. Jede Aussage, die behauptet, in unserem alltäglichen Handeln gebe es keine Trennung des Perzeptiven und Praktischen, muß nichtsdestotrotz beide Begrifflichkeiten unterscheiden. 53 Es ist also eine ideale Bedeutungseinheit beider Begriffe bereits vorausgesetzt. 54 3. HEIDEGGER UND SCHELER
Ich habe schon in der Einleitung darauf hingewiesen, daß der eigentliche Kern der Heideggerschen Lehre nicht nur in den Ausführungen im zweiten Teil von Sein und Zeit und in seiner Fähigkeit der kompositorischen Behandlungen von Problemen, sondern vor allen Dingen in dem beeindruckenden Unternehmen besteht, die Thematiken auf zentrale Strukturen zu verdichten und aus Ideen seiner Zeit etwas völlig Neues zu schaffen. Trotzdem darf uns das nicht dazu verleiten zu übersehen, daß hinter der Geste des Ursprünglichen und Neuen historische Sachkontexte stehen, deren Aufdeckung dazu beitragen kann, Schwächen der Analyse Heideggers aufzuzeigen. Da es hier um die Konfrontation Heideggers mit Husserl geht, scheint es angebracht, zu Beginn darauf hinzuweisen, daß Heidegger seine Umweltanalyse nicht kongenial neu schafft, sondern sie in der Milieutheorie Schelers und der Umwelttheorie Husserls vorgefunden hat. Allgemein gesehen spielte der Begriff der Umwelt nach der Jahrhundertwende in verschiedenen Kontexten eine zentrale Rolle. Heidegger beschreibt seine eigenen Motivation der §§12-24, daß er die „Ausarbeitung der Idee eines ‚natürlichen Weltbegriffes“ (SuZ, 52) präsentieren wolle. Die Einführung des Begriffes der Umwelt glaubt Heidegger damit begründen zu können, daß es bei der Ausarbeitung eines Weltbegriffes überhaupt zuerst um „die Wenn sich beide Ebenen überhaupt verschränken können, dann nur in dem Element, das Heidegger in seiner Analyse unberührt läßt, nämlich der Leiblichkeit. Ich folge grundsätzlich der Kritik von Prauss, wie er sie in seinem Buch von 1977 entwickelt hat. Auch Prauss meint, dass Heidegger die Differenz von Handlung und Erkenntnis implizit übernimmt und zu unterlaufen versucht, daß er aber nicht umhin kommt, auf beide referieren und affirmieren zu müssen. Vgl. gegen Prauss Muchada 1999. Muchada macht geltend, daß es in der Umweltanalyse nicht um den Unterschied von Erkennen und Handeln gehe, sondern um den von poiesis und praxis. Vgl. dazu Muchada 1999, 71f. 54 Vgl. dazu auch Prauss 1988. 53
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nächste Welt des alltäglichen Daseins“ (SuZ, 66) gehen müsse, deren Hauptcharakter das „Umherum“ sei. Schon in der Vorlesung von 1919 thematisiert Heidegger im Stile von Sein und Zeit das „Umwelterlebnis“ (GA 56/57, 70), bei dessen Beschreibung er es als eine nichttheoretische, praktische Welt des Erlebens einzuführen versucht. Die Idee eines solchen, auf den handelnden Menschen zurückbezogenen Weltausschnittes und natürlichen Weltbegriffes ist in die Phänomenologie durch Avenarius und durch allgemeine Thematisierungen des Begriffes in der damaligen Naturwissenschaft gelangt. 55 Avenarius versucht in seiner Schrift Der menschliche Weltbegriff aus dem Jahre 1891 ein Alternativprogramm gegenüber der „dualistischen Metaphysik“ zu entwickeln, was Husserl dann in einer Vorlesung aus dem Jahre 1910/11 im Begriffe der „Umgebung“ aufgreift und im weiteren auf Leiblichkeit und Intersubjektivität bezieht: „Jeder von uns sagt ‚ich’ und weiss sich so redend als Ich. Als das findet er sich vor, und er findet sich dabei jederzeit als Zentrum einer Umgebung.“ (Hua XIII, 112).56 Da später noch der Umweltbegriff bei Husserl vorgestellt und mit demjenigen Heideggers kontrastiert wird, möchte ich an dieser Stelle der historischen Aufklärung wegen nur auf Scheler eingehen, der von der Sache her auch für die vorliegende Untersuchung als implizite Hintergrundfolie fungiert. Zum Teil läßt sich bis in die Beispiele hinein, wie auch Angelika Sander aufgezeigt hat 57, eine Übernahme Schelerscher Einsichten bei Heidegger festmachen. Diese Zusammenhänge verschwinden aber durch Heideggers Versuche, seine eigenen Ursprünge verbergen, allzuschnell vor dem Blick des Lesers. Wenn man bspw. den Aufbau des §15 betrachtet, so kann man sehen, daß Heidegger den Zeugbegriff mit Bezug auf die Griechen einführt (SuZ, 68). Man könnte also durch Heideggers Rückgriff meinen, daß hier ein direkter Anschluß an die Antike stattfindet und Heidegger sich selbst in einer Traditionslinie mit ihr zu befinden glaubt. Dem ist aber keinesfalls so und entspricht bloß einer derjenigen Selbststilisierungen Heideggers, die er offenbar insbesondere dann vornimmt, wenn er von anderen Quellen seiner Philosophie ablenken will. Blicken wir daher zunächst in diesem Paragraphen auf Scheler, von dem Heidegger selbst meint, daß Scheler „die stärkste philosophischste Kraft im heutigen Deutschland“ (GA 26, 62) sei. In Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik entwickelt Sche55 56 57
Vgl. zu Avenarius und Husserl Sommer 1985, 60ff., 265ff. Vgl. auch Hua III/1, §§27-29.; Hua IV, §11. vgl. Sander 1996, 124ff.
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ler bekanntlich nicht nur eine materiale Wertlehre, sondern im zweiten Teil einen Versuch einer personalen Ontologie bzw. Phänomenologie auf die sich Heidegger zweideutig bezieht 58 - und Umwelttheorie, in der der Leib eine zentrale Rolle spielt. 59 Die Milieutheorie allerdings, die die Vorlage für Heideggers Analyse in Sein und Zeit liefert, findet sich an anderer Stelle ausgeführt, nämlich innerhalb der Diskussion, wie der Prozeß des Tunwollens hin zum Handeln zu beschreiben und aufzufassen ist. Letzteres ist unserer Interpretation nach eines der zentralen Themen von Sein und Zeit im Übergang zum zweiten Teil. Scheler unterscheidet in seiner Analyse zunächst von den theoretischen Gegenständen die sog. „praktischen Gegenstände“ (GW2,138), die er von den „Inhalten“ des Handelns unterscheidet. Ein Inhalt besteht in einem Ziel, das mit der Handlung erreicht werden soll und geht über den praktischen Gegenstand, an und mit dem jemand handelnd sein Ziel (Inhalt) erreichen will, hinaus. Wenn ich bspw. einen Gegenstand nicht hier stehen, sondern woanders plaziert haben will, besteht das intentionale Ziel des Wollens in dem Sach- und Wertverhalt, „daß der Gegenstand dort drüben steht“ bzw. „stehen soll“. Das ist für Scheler ein „Inhalt“. Der Inhalt des Handelns besteht also nicht in dem, was ich konkret an einzelnen Bewegungen oder Handlungen ausführen muß, um den Sachverhalt realisieren zu können. 60 Letzteres fällt nach Scheler nicht in den vorrangigen Gehalt des Inhaltes des Wollens, aber es kann natürlich bei Änderung der Sachlage selbst zum Inhalt werden, etwa wenn ich ohne weitere Ziele meinen Fuß bewegen will ohne damit etwas Darüberhinausgehendes erreichen zu wollen. Es geht also offenbar um die phänomenologische NeuInterpetation der in der Tradition allbekannte Unterscheidung von Mittel und Zweck und ihr Verhältnis zueinander. Es wird später bei der Betrachtung der Husserlschen Analyse derselben intentionalen Sachlage zu diskutieren sein, ob nicht grundsätzlich in jeder Form praktischen Bewußtseins immer eine „Aufspaltung“ der intentionalen HalVgl. SuZ, 47f. In GA 20, 303 weist Heidegger positiv auf Scheler und die Leiblichkeit hin. Er meint, daß durch Schelers anthropologsiche Forschung Fortschrite für die Phänomenologie zu erwarten sind. Auf die Umweltanalyse geht Heidegger dort aber nicht ein. Seine Kritik richtet sich vielmehr auf Schelers Widerstandtheorie, der Heidegger entgegenseetzt, daß für jede Form von Realitätserfahrung die Weltlichkeit, in der etwas erscheinen kann, schon vorausgesetzt sei. Vgl. dazu GA 20, 303ff.; auch SuZ, 209ff.; vgl. Schelers Replik in GW 9, 263. 60 Scheler macht bezüglich des Tunwollens noch andere unterscheidungen, aber diese brauchen uns an dieser Stelle zunächst nicht zu interessieren. vgl. GW2, 141f. 58 59
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tung vorliegt, die sich einerseits auf den zu behandelnden Gegenstand oder Sachverhalt und andererseits auf den temporalen Horizont darüberhinausgehender Zwecke bezieht. Eine zeitliche Interpretation der Unterscheidung liefert Scheler nicht. Das ist durch die Vorbereitung von Husserl eine genuine Leistung Heideggers. Man sieht aber sofort, daß Heidegger selbst die von Scheler angeführte basale Differenzierung vornimmt, indem er zwischen dem der Zweckstruktur von praktischen Gegenständen (Zeug) und einer darüberhinausgehenden Mittel-Zweck-Verweisung eines „Dazu“ unterscheidet. 61 Wichtig ist nun, daß Scheler detailliert beschreibt, daß die Realisierung des Tuns in einer Situation geschieht. Scheler schreibt: „Alles Wollen erfolgt im Hinblick auf eine solche ‚Situation’, eine Welt von (praktischen) ‚Gegenständen’“ (GW2, 148).62 Scheler weist darauf hin, daß die Gegenstände, die im Handeln begegnen, offenbar erstens nicht nur im einfach-intentionalen Sinne verstanden werden dürfen (Zweck ist von Zweckgegenstand zu trennen), sondern auch, daß die Gegenstände, die wir im Handeln vorfinden, nicht mit wissenschaftlichen oder theoretisch aufgefaßten Gegenständen verwechselt werden dürfen (GW2, 153). Dadurch wird der einfache Ding- und Gegenstandsbegriff nicht erst bei Heidegger, sondern schon bei Scheler aufgesprengt. Es „sind die in der ‚natürlichen Weltanschauungsrichtung’ gelegenen und vorfindbaren Dinge“ (GW2, 153) die im eigentlichen Sinne alltäglich begegnenden Dinge. Diese nennt Scheler „Milieudinge“ (GW2, 153), und sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie zu (m)einer „Tradition“ gehören (GW2, 154). 63 Scheler meint weiterhin, daß die Orientierung innerhalb der praktischen Gegenstände durch eine Art von umsichtiger „Berechnung“ zustande kommt. So führt er das Beispiel an, daß der Seemann aus der Veränderung seines Milieus einen Sturm „berechnen“ kann, ohne dabei Eine anschauliche Analyse eines solchen praktischen Vorgangs findet sich bei Carr 1986, 30ff., ohne allerdings auf Heidegger und Husserl explizit einzugehen. 62 Wir kommen später im Kontext der Diskussion mit Husserl darauf zurück, daß auch Scheler meint, daß die einzige Motivation, sich dieser Art von praktischen Gegenständen zuzuwenden, nicht nur in der Wertdimension, sondern auch in einem „Widerstand“ (GW2, 149) und einer „Hemmung“ des Wollens – die darüberhinaus auf Heideggers Störungstheorie verweist – gesucht werden muß. 63 Darunter versteht Scheler aber nun nicht nur die durch ihre Zweckstruktur ausgezeichnete Dinge, sondern die daneben durch ihre Wertstruktur ausgezeichnete Dinge. Man versteht nun, warum Heidegger bemüht ist (ohne die Quelle zu nennen), sich von der Wertdimension abzusetzen. Wir werden später sehen, daß Husserl eine ähnliche Struktur praktischer Dinge in den Manuskripten aus dem Jahre 1925 aufweist. 61
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sich auf eine bestimmte Sache richten zu müssen. Offenbar ist Scheler hier der Meinung, daß es eine Weise des Sich-Richtens auf Gegenstände gibt, die sich vielmehr aus dem Zusammenhang der Dinge heraus ergibt und in Heideggers Worten „umsichtig“ orientiert ist, und es braucht an dieser Stelle der Untersuchung nur darauf hingewiesen werden, daß Heidegger genau diese These innerhalb seiner Umweltanalyse in Sein und Zeit vertritt. Ähnlich heißt es da, um die These zu stützen, daß wir es nicht mit einer auf singuläre Gegenstände gerichteten Wahrnehmungsintentionalität zu tun haben: „Vielmehr entdeckt die Umsicht der Landbestellung in der Weise des Rechnungtragens gerade erst den Südwind in seinem Sein“ (SuZ, 81).64 Scheler konzipiert das praktische Handeln und die praktische Intentionalität als Vorlage für Heidegger mithilfe eines geänderten Gegenstandskonzeptes, das einherläuft mit einem geänderten Weltbegriff. Scheler führt folgende Struktur an: „Der ‚Praktiker’ in diesem Sinne ist gleichsam umringt von dinghaften Einheiten, die sich unabhängig von ihrer Perzeption ihm als ein Reich abgestufter und qualitativ gesonderter Wirksamkeiten darstellen, schon gesondert und gegliedert als die Ansatzpunkte eines möglichen Handelns; und er ‚lernt’ mit diesen Einzelheiten ‚umgehen’“ (GW2, 155). Das Milieu im Sinne der Handlungssituation und der Umwelt wird nach Scheler durch eine grundsätzliche Interessenrichtung des Akteurs organisiert, wodurch sich aktive und passive Aufmerksamkeitsverhältnisse sowie Vordergrund- Hintergrundverhältnisse unterscheiden lassen. Das Milieu ist schon für jede einzelne Aktivität, die in ihm stattfindet, in den Worten Heideggers „bedeutsam“ gegliedert. Trotz aller Einzelstrukturierung durch Aufmerksamkeitsverschiebungen ändert sich jedoch an der grundsätzlichen holistischen Struktur des Milieus, die Scheler heraushebt, niemals etwas. Das Interesse, das der „Praktiker“ hat, vermag also nicht die gesamte Situation „zu lenken“. Handelnde Subjekte haben nie das Milieu als Ganzes vor sich, sondern es findet immer auf dessen Hintergrund statt, was Scheler schließlich zu der Aussage führt: „Das Milieu bildet als ein anschauliches Ganzes nicht nur den Hintergrund für alle Inhalte der Wahrnehmung, sondern auch das Reservoir gleichsam, aus dem diese entnommen sind“ (GW2, 161). Man braucht daher nicht mehr nur zu vermuten, daß Heidegger diese Struktur in den Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs und in Sein und Zeit keinesfalls erfindet, sondern man kann sogar behaupten, daß er sie allenfalls ausbaut. 64
Diese Verbindung verdanke ich den Anmerkungen bei Sander 1996, 125.
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Der zentrale Unterscheid zwischen Schelers und Heideggers Ansatz, wenn man sich ausschließlich auf die Gesamttendenz beider Analysen richtet, ist darin zu sehen, daß Scheler die Sinnlichkeit, die Leiblichkeit und damit verkoppelte Wertrichtungen unterscheidet, die die Umwelt nicht nur differenzieren, sondern auch orientierbar machen. Wir haben bereits angedeutet und werden es später noch genau ausführen, daß Heideggers Umweltanalyse daran letztlich scheitert. Sie will die Umwelterfahrung in einem Modus fundieren, und muß als Preis die Mehrdimensionalität unseres alltäglichen Erfahrens aus den Augen verlieren. Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf die Schelersche Analyse eingehen, denn diese kurze historische Darstellung sollte allenfalls dazu dienen, ein grundsätzliches Mißtrauen gegen den Gestus des Heideggerischen Denkens zu entwickeln, alles absolut neu und original erfunden zu haben. An den Lösungen, die Heidegger zur Fassung einer nicht theoretisch begriffenen Lebenswelt anbietet, ändern solche historischen Hinweise natürlich zunächst wenig. Es sei hier nur der Vollständigkeit halber noch angeführt, daß sich auch die für Heideggers Theorie zentralen Begriffe „Sichaufdrängen“ (GW2, 158), „Suchen (GW2, 158), „Auffälligkeit“ (GW2, 159) in Schelers Analyse finden. 65 Ich möchte nun in einem nächsten Schritt die im vorherigen Paragraphen angekündigten Schwierigkeiten der Heideggerschen Umweltanalyse genauer untersuchen, und zwar zunächst die Störungstheorie (vgl. Seite 52) und die Sinnlichkeit (vgl. Seite 56), um dann zur Leiblichkeit (vgl. Seite 62) überzugehen. 4. KRITIK DER HEIDEGGERSCHEN UMWELTANALYSE Vorbemerkung
Wie auch Tugendhat bemerkt hat, gelingt es Heidegger erstens nicht, den Bezug der Zweck-Mittelrelation ohne eine Wertsetzung zu denken, zweitens gelingt es ihm nicht, den Vorrang der praktischen Vollzüge vor den Erkenntnisprozessen, d.h. den Vorrang der Zuhandenheit vor der Vorhandenheit klar zu machen. 66 Ich möchte im folgenden Tugendhats Kritik nicht nur aufnehmen, sondern weiterfühAlle Begriffe tauchen in §16 von SuZ auf. Vgl. die beeindruckende Analyse bei Tugendhat 2000. Tugendhat schreibt: „In Wirklichkeit scheint sogar Heideggers eigene Rede vom ‚Um-zu’ gar nicht verständlich, wenn man sie nicht in den Kontext dieser kausalen und wertbezogenen Erklärung stellt“ (Tugendhat 2000, 34)
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ren. Ich werde dabei so vorgehen, daß ich eine kritische Analyse der Umweltanalyse durchführe, um im Anschluß mit Husserl einige Aspekte herauszuarbeiten, die in der Heideggerschen Analyse verloren gehen. (1) Heideggers Theorie „automatisierten Handelns“ ist unhaltbar, woraus folgt, daß die These eines Vorranges der Zuhandenheit nicht aufrecht gehalten werden kann. Damit ist auch impliziert, daß die Theorie der Selbstvergessenheit und die Theorie der Störung unhaltbar ist. (2) Heideggers Versuch, jegliche Analyse von Wertsetzungen in seiner Analyse auszuschließen, muß scheitern. Daraus folgt, daß das praktische Handeln in der Umwelt neben der Zwecksetzung auch Wertsetzung impliziert (3) Heideggers Analyse des alltäglichen Umgangs scheitert, weil er das leibliche Handeln außer acht läßt. Der Bezug zu „Zeug“ ist, so die Gegenthese, nur unter Einbezug der Rolle des Leibes denkbar. Darin ist eine Rücknahme des Heideggerschen Versuches impliziert, die Sinnlichkeit und die Empfindung an der Rand der Analyse zu drängen. Im Ganzen gesehen drückt sich in Heideggers Analyse die Tendenz aus, innerhalb der Umwelthandlungen keine Zentrierung der Erfahrung zuzulassen, da sich in Heideggers Theorie das „Selbst“ im eigentlichen Sinne erst durch „höherstufige“ Handlungen konstituiert. Die Leiblichkeit aber, so die Gegenthese, muß als eine erste Erfahrungszentrierung begriffen werden, ohne dabei dem Verdikt der objektivierenden „Vorhandenheit“ subordiniert werden zu können. Im einzelnen kann man folgende Hypothesen, die Heideggers Konzept aus einer Husserlschen Perspektive heraus betrachtet unterlaufen, aufstellen: 67 (1) Umgang ist in Tätigkeit, Bewegung und Könnensbewußtsein fundiert (2) Umsicht ist im Zusammenspiel der Sinnesfelder und im Interesse fundiert (3) Aufsässigkeit, Aufdringlichkeit und Auffälligkeit sind im Streben, Begehren und in der Werthaftigkeit fundiert (4) Die Räumlichkeit ist in der Leiblichkeit fundiert
Ich folge damit gewisserweise einer Aussage Husserls, der in einem Manuskript gegen Heidegger meint, daß sein Zugang „primitiver“ (nach Kaiser 1997, 126) gewählt worden sei. 67
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Die Störung
Heidegger beginnt die Diskussion des Erfahrungsbruches in Sein und Zeit in §15 und in der Marburger Vorlesung Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffes in §23. Ausgehend von der Kritik an einem als primären Weltverhältnis angesetzten Erkennen führt Heidegger zunächst den Begriff des Zeuges ein und dann den der Verweisung. Seine erste Behauptung besteht darin, daß das „Nächstbegegnende“ (SuZ,68) nicht ein einzelnes Ding, oder ein einzelnes Zeug sei. Wie Heidegger am Beispiel eines Eintritts in ein Wohnzimmer erläutert, besteht das Nächstbegegnende in einer Totalität: „primär sehe ich eine Verweisungsganzheit als geschlossene, aus der heraus das einzelne Möbelstück und das, was im Zimmer da ist“ (GA 20,253) sich zeigt. Diese Ausgangsthese wird im folgenden dahingehend verfeinert, daß Heidegger behauptet, auf einer ersten, ursprünglichen und primären umweltlichen Ebene seien überhaupt keine einzelnen Dinge oder Werkzeuge auszumachen. 68 Wir sind meistens so intensiv mit unseren Tätigkeiten und Vollzügen beschäftigt, daß wir nicht bemerken, mit was wir es gerade zu tun haben. „Im Zunächst des alltäglichen Umganges treten sie“ - die Dinge - „gar nicht erst aus ihr“ - der Verweisungsganzheit - „heraus“ (GA 20,253). Bezogen auf das Beispiel des Hämmerns meint Heidegger: „das Hämmern mit dem Hammer, erfaßt weder dieses Seiende thematisch als vorkommendes Ding, noch weiß etwa gar das Gebrauchen um die Zeugstruktur als solche.“ (SuZ, 69). Fassen wir diese beiden Beobachtungen Heideggers auf einer ersten Ebene zusammen: Befinden wir uns im Vollzug einer Tätigkeit, müssen wir nach Heidegger drei Sachverhalte anerkennen: erstens wissen wir nichts von bestimmten und ausgezeichneten individuellen Dingen, mit denen wir im Vollzug zu tun haben, zweitens erkennen wir im wahrsten Sinne des Wortes nichts, also kein Seiendes, drittens aber befinden wir uns stattdessen im besorgenden Umgehen und Hantieren vertraut in etwas anderem, nämlich in der für die Handlungssituation bestimmenden Verweisungsganzheit. Das Selbst oder Ich geht in ihr auf (GA 20,267).69 Im Heideggerschen Sinne gibt es kein Selbst auf der ersten Ebene des Handelns. Daraus ergibt sich ein „Vorrang der PräVgl. dazu Thurnher 1993, 163. Die These der Selbstverlorenheit findet man in dieser Form nicht bei Husserl. Zwar gibt es bei Husserl eine Subjektivitätsvergessenheit in dem Sinne, daß ich in der nichtphilosophischen Einstellung objektiv eingestellt bin, aber nicht völlig selbstvergessen. Held dagegen spricht bezüglich der natürlichen Einstellung von „Selbstvergessenheit ihres Subjekts“ (Held 1991c, 81)
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senz der Verweisungsganzheit und der Verweisungen vor den in den Verweisungen sich zeigenden Dingen“ (GA 20,254). Heidegger wird nicht müde zu betonen, daß wir nicht(s) erkennen, von nicht(s) wissen und auch nicht(s) anschauen. 70 Daraus folgen zwei sachliche Fragen: erstens fragt man sich, was eigentlich stören soll, wenn überhaupt nichts da ist, das stören oder gebrochen werden kann. Zweitens fragt man sich, wer eigentlich gestört werden soll, wenn überhaupt niemand da ist, der gestört werden kann. Heidegger erläutert dieses nicht-reflexive Verhältnis dadurch, daß er eine „spezifische Präsenz“ (GA 20,254) der Verweisungsganzheit ins Felde führt: „Aber die Welt, an die das Besorgen jeweils verfallen ist, wird nicht thematisch wahrgenommen, nicht gedacht, nicht gewußt, und gerade darin gründet die Möglichkeit einer ursprünglichen Realität,“ (GA 20,263). Es handele sich bei der Verweisungsganzheit um eine „echte Realität“ (GA 20,259) und Welt begegne „unausdrücklich“ (GA 20,281) in den Verweisungen. Heidegger versucht also eine „Realität“ zu denken, die sich durch ihr Nichterscheinen ausweist. Problematisch ist aber, wie dieses Nichterscheinen phänomenologisch aufgewiesen werden kann. Heidegger bietet alle seine sprachliche Kraft auf, um von diesem im wahrsten Sinne des Wortes leeren Zustand des an seine Tätigkeiten verlorenen Daseins abzulenken. Da Heidegger aber selber weiß, daß diese nicht-unterscheidbare Präsenz, in der alle Dinge grau sind, oder, wie es in Sein und Zeit heißt, in der sich die Welt überhaupt nicht meldet (SuZ,75), gewisse methodische Schwierigkeiten in sich birgt, führt er an dieser entscheidenden Stelle den Erfahrungsbruch in Form der Störung ein. Die „eigentümliche Störung“ (GA 20,254) sorgt nämlich erst dafür, daß wir von so etwas wie Welt und der Scheidung von Vorhandenem und Zuhandenem wissen können. Konsequenterweise führt Heidegger an, daß es sich bei diesen Brüchen der Erfahrung nicht um Veränderungen oder Andersbestimmungen der Dinge handele - die sind ja nicht bewußt sondern um eine Störung als „Bruch der vertrauten Verweisungsganzheit.“ (GA 20,255). Daraus folgt, daß das Wissen von der Störung des Verweisungszusammenhanges nur radikal nachträglich erfolgen kann. Die hier zu stellende phänomenologisch-sachliche Frage ist offensichtlich: wie kann etwas im Nachhinein vergegenwärtigt werden, das niemals gegenwärtig, d.h. bewußt war. Auch Ernst Tugendhat ist der Meinung, daß Heideggers Versuch, sich von allen mentalen Begriffen zu verabschieden, letztlich unmöglich ist. Vgl. Tugendhat 1989, 201. 70
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Das Problem läßt sich auch folgendermaßen reformulieren: Im alltäglichen Umgang begegnen einerseits keine Dinge (und kein Selbst). Diese sind, wie Heidegger selbst sagt, „gar nicht da“ (GA 20,259).71 Andererseits ist auch dasjenige, das anstelle der Dinge da sein soll, nämlich die Weltlichkeit und die Verweisungsganzheit, im eigentlichen Sinne auch nicht da. Es bleibt also nur der daraus zu ziehende Schluß, daß in dem Zustand, den Heidegger als den primären, als den uns nächsten und unmittelbarsten aufzuweisen gedenkt, überhaupt nicht aufzuweisen ist. Es zeigt sich nichts, also auch keine Störung. Heidegger operiert mit für x vorausgesetzen Strukturen, die aber für sich nie bewußt werden können. Die Störung wird als Störung bloß im Nachhinein behauptet, kann aber nicht phänomenologisch beschrieben werden. Die Störung selbst bleibt im eigentlichen Sinne immer abwesend. Damit macht Heidegger den Erfahrungsbruch zu einer quasi mythischen Kategorie, die nicht hergeleitet werden kann und sich letztlich als ein irrationales Ereignis darstellt. Vom Resultat des Verobjektivierungsprozesses her gewinnt Heidegger seine Ergebnisse rückwirkend rekonstruktiv, aber er behauptet dann, sie seien in der Ursprungssituation bereits auffindbar. Halten wir fest, daß an der Stelle, an der Heidegger eine Störung aufzuweisen meint, überhaupt keine Störung im eigentlichen Sinne geschieht, denn das handelnde Dasein bekommt davon überhaupt nichts mit. Der epistemische Status der vertrauten Ver-
Man kann Heideggers späte Reflexionen als eine Revision dieser Ansicht interpretieren. In den Zollikoner Seminaren heißt es: „Das Vernehmen und Verstehen von Bedeutsamkeiten ist angewiesen auf das Erscheinen der Dinge“ (ZS, 231). 71
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weisungsganzheit während und im Vollzug der Tätigkeiten bleibt unklar. 72 Heidegger darf, von seiner methodischen Grundmaxime her betrachtet, nichts anderes gelten lassen, als das, was sich „phänomenal“ zeigt. Darum versucht er die Sichtbarkeit dessen, was nachträglich behauptet wird, zu evozieren, indem er behauptet, daß die Weltlichkeit - also die Verweisungsganzheit - „aufleuchtet“ (SuZ, 72, 75, 76). Der Begriff des Aufleuchtens bleibt in Sein und Zeit unverständlich. Was wir uns darunter vorzustellen haben, behält Heidegger für sich. Auch der Begriff „Aufblitzen“, den bspw. Held verwendet, scheint mir ein nicht viel überzeugenderer Versuch, etwas prinzipiell Unsichtiges (und damit Konstruiertes) doch als Sichtbares aufzuweisen. 73 Heideggers Versuche klingen nur so lange plausibel, wie man nachzuvollziehen gedenkt, mit welchen Mitteln er sprachlich von der Intentionalität abzulenken versucht. So spricht er davon, daß sich die „Auffälligkeit“, die „Aufsässigkeit“ und die „Aufdringlichkeit“ phänomenal zeigen würden. Das hat den Anschein, als könne man diese Phänomene von ihrer Beziehung auf etwas loslösen und als Substantivierungen für sich behanVgl. zu Sein und Zeit aber auch Tzavaras 1989, 371. Muchada verfehlt in seiner Analyse den entscheidenden Punkt. Er schreibt: „Solange der Schuster an den Schuhen arbeitet, weiß er davon nichts. Er ist in seine Arbeit vertieft“ (Muchada 1999, 76). Fraglich ist nur, wie ich von etwas wissen kann (nach der Störung), das ich zuvor nie gewußt habe. Es geht hier um eine phänomenologische Frage per se. Natürlich ist Muchada recht zu geben, daß Heidegger das Problem über das vergessen rekonstruiert, aber auch hier ist zu fragen, ob nicht auch das Vergessen im Sinne retentionalen Behaltens eine Art von Wissen bzw. mit Husserl gesprochen, ganz einfach Bewußtsein sein muß. Dann aber referieren wir implizit schon auf ein Wissen, wie auch immer wir dies dann bestimmen mögen. Muchada übersieht auch im weiteren, daß Aufdringlichkeit und Aufsässigkeit andere als die von Heidegger angegebene Strukturen implizieren. Meine aus husserlscher Perspektive hier formulierte Kritik findet man in analoger, aber anthropologischer Weise auch bei Gehlen, allerdings gegenüber Dewey ausgesprochen: „Ich glaube aber nicht“, schreibt Gehlen, „daß die von Dewey vertretene These von dem nur episodischen Charakter des Bewußtseins haltbar ist: es habe nur den Sinn, diskoordinierte Bewegungen durch Umkobination der Hindernisse wieder flüssig zu machen, um in das glatte und kunstlose gewohnte Hantieren wieder zurückzutauchen; eine episodische Rückwendung, um die Verlegenheiten der wesentlichen reflexionslosen Handlung zu beheben. Ich denke dagegen, daß es beim Menschen kein bewußtloses Dasein gibt“ (Gehlen 1997, 144). Zu Deweys Aufmerksamkeitsthese im Kontext der Heideggerschen Theorie vgl. Blattner 2000, 233ff. 73 Vgl. dazu Held 1991d, 109. Held spricht von einer „Phänomenologie des Unscheinbaren“ (ders.: ebd., 107.), was im Zusammenhang der von Held in seinen Ausführungen selbst entwickelten Gedanken überzeugend ist. Ob dieses aber mit Heideggers eigenen Ausführungen konform geht, wage ich zu bezweifeln. Vgl. zum Erscheinen der Welt auch Held 1989, 41ff. 72
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deln. Aber verschleiert das nicht den Sachverhalt, daß etwas unverwendbar ist, etwas aufsässig wird, usw.? Im Gegensatz zu Heidegger behauptet Husserl bekanntlich, daß das doxisch-setzende Bewußtsein die fundamentale Ebene der Weltkonstitution darstellt. Ohne die urdoxische Beziehung auf etwas Seiendes, das in den Ideen I als „noematischer Kern“ angesprochen wird, ist kein Bewußtsein. Sogesehen ergibt sich bereits aus dieser Vorentscheidung heraus, daß Husserl den Erfahrungsbruch und die Störung auf einer anderen Ebene analysiert, nämlich auf der Ebene des Dinges oder der Sache. Im Gegensatz zu Heidegger zeigt Husserl auf, daß ohne ein Sonderbewußtsein, d.h. ein auf in Hinter- und Vordergrund abgehobene seiende Objekte gerichtetes Bewußtsein Welt nicht bestimmbar ist. „Jedes ist etwas, ‚etwas aus‘ der Welt, der uns ständig als Horizont bewußten. Dieser Horizont ist andererseits nur als Horizont für seiende Objekte bewußt und kann ohne sonderbewußte Objekte nicht aktuell sein“ (Hua VI, 146). Thematische Habe von Gegenständen setzt eine attentionale Gerichtetheit auf etwas voraus, die auch für die praktischen Verhaltungen grundlegend bleibt und Erfahrungssituationen überhaupt erst differenziert. Jedes Etwas, also auch jedes Ding, wird innerhalb einer Differenz von Ding und Horizont erfaßt, niemals aber fallen beide ineinander. Auch bei Vollzügen, in denen ich mich selbstverloren bewege – etwa einer Erinnerung – kann nur innerhalb ihres Horizontes erfaßt werden, der den Erinnerungsvollzug zu einem bestimmten Vollzug macht. Der Verlust der Sinnlichkeit
Es ist von verschiedener Seite angemerkt worden, daß Husserl keinesfalls am Senusalismus festhält, sondern daß schon die Logischen Untersuchungen hermeneutische Grundprinzipien vorwegnehmen. Nicht umsonst spricht Husserl in der ersten Auflage der LU noch von „Interpretation“, wo später „Apperzeption“ stehen wird. Insbesondere die Arbeiten Landgrebes haben gezeigt, daß auch Husserls Zugang von der Welt her konstiutiert ist. 74 Die entscheidende Differenz zu Heidegger ist allerdings diejenige, daß Husserl grundsätzlich an den nichtintentionalen Bestandteilen der Apperzeption festhält, also den Empfindungen. Das hat einen einfachen Grund. Empfindungen oder hylētische Momente der Erfahrungen werden funktional definiert als nichtin-
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Vgl. etwa Landgrebe 1963, 41-62.
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tentionale Momente der weltlichen Erfahrung. 75 Das, was ich „an“ meinem Finger spüre, wenn ich über den Tisch fühle, ist nicht selbst dasjenige, auf das sich meine Welterfahrung richtet. Ich erfahre die Welt gewissermaßen durch die Sinnlichkeit hindurch. 76 Das aber bedeutet nicht – wie dann Heidegger behauptet –, daß ich nicht mehr „spüre“. Ein „Empfindungsdatum“, so Husserl, ist „ein sinnlicher Gehalt in Abstraktion von der Auffassung“ (Hua XIV, 448). Betrachtet man nun Heideggers Analysen in Sein und Zeit und insbesondere in seinen Platon- und Aristoteles-Auslegungen, so muß man zunächst zu dem Schluß kommen, daß Heidegger sich exakt auf der selben Ebene befindet. 77 Der systematische Unterschied zwischen Husserl und Heidegger jedoch ist darin zu sehen, daß Husserl von einer analysierbaren Differenz ausgeht. Die sinnlichen Momente der Erfahrungen werden miterfahren, wohingegen Heidegger offenbar vor allen Dingen in Sein und Zeit die Meinung vertritt, daß in der Erfahrung die Sinnlichkeit gänzlich verschwindet und erst im Modellversuch der Wissenschaften und
Vgl. dazu Ströker 1965, 29f. Dieser These ist Husserl immer treu geblieben und mir scheint das auch die einzig überzeugende zu sein. Dem entgegen macht z.B. Waldenfels im Zuge von Merleau-Ponty die Empfindung selbst zu einer intentionalen Struktur. Dieser Zug ist aber letztlich nicht überzeugend, weil unkklar bleibt wie sich der Sinn, auf den Husserl und Heidegger abzielen, „materialisieren“ kann. Vgl. Waldenfels 2000, 63ff. 76 Ich kann hier nicht auf alle Probleme der Husserlschen „hylē“ eingehen, die vor allen Dingen in den letzten Jahren mit der verstärkten Rezeption der Theorien von Merleau-Ponty und Lévinas, die man als „ontologische Rehabilitation der Sinnlichkeit bezeichnen könnte“, immer wieder kommentiert worden ist. Insbesondere in der Analyse des Zeitbewußtseins ergeben ich systematische Probleme, weil Husserl hier explizit davon ausgeht, daß es sich dabei um ein nicht-intentionales Bewußtsein handelt. Dann aber ist die Frage, wie ich ein solches Bewußtsein noch phänomenologisch beschreiben kann. Vgl. dazu Rinofner-Kreidl 2000, 187ff. 77 Vgl. insbesondere die bestechende Analyse in GA 34, 168ff. Vgl. zum Thema allgemein die erhellenden Ausführungen bei Rodriguez 1997. Im Ausgang von Husserls Erlebnisbegriff zeichnet der Autor dessen Empfindungsbegriff nach und stellt heraus, daß die Empfindungen bei Husserl schon in den LU als Moment im Sinne der 3.LU begriffen werden. Rodriguez stellt auch Heideggers implizite Anknüpfung an die Ideen I heraus. Vgl. ebd., 234f. Beachten muss man in diesem Kontext nur, dass Heideggers These schärfer ist. Er behauptet nämlich in Sein und Zeit, dass Empfindungen überhaupt nichts mit Wahrnehmungen zu tun haben, was Rodriguez auch heraushebt. Vgl. ebd., 243. 75
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Physiologie sichtbar gemacht werden kann. 78 Die zentrale Stelle lautet: „‚Zunächst’ hören wir nie und nimmer Geräusche und Lautkomplexe, sondern den knarrenden Wagen, das Motorrad. Man hört die Kolonne auf dem Marsch, den Nordwind, den klopfenden Specht, das knisternde Feuer“ (SuZ, 163). Wie viele von Heideggers Thesen ist auch diese in ihrer Extremheit abzulehnen, und zwar mit folgendem Argument: wenn die Sinnlichkeit oder die Empfindungen völlig in ihrer Auffassungsfunktion aufgingen, so könnten wir überhaupt nicht mehr von ihnen auf der Erfahrungsebene sprechen. Natürlich hat Heidegger recht, wenn er argumentiert, daß wir Empfindungsdaten nicht als Empfindungsdaten bewußt haben. Auch ist ihm zuzugestehen, daß die Organfunktion von Empfindungen nicht explizit im Spiel ist, wenn ich wahrnehme. Daß ich mit den Augen sehe und mit den Ohren höre, kommt meinem Hören von etwas nach. Dennoch: ich höre – um Heideggers Beispiel hier zu benutzen – nicht nur den „Adlerwagen“ und die „Kolonne auf dem Marsch“, sondern ich höre einen lauten oder leisen Adlerwagen, ich sehe einen schwarzen Raben und ich fühle den rauhen Teppich. Vom phänomenologischen Standpunkt aus gesehen ist Heidegger sicherlich darin zuzustimmen, daß wir nicht zuerst ein Gewühl von Empfindungsdaten haben, die wir dann interpretieren, um so irgendwann zum Objekt oder zur Welt zu gelangen. Dieses genetische Argument aber kann noch nicht verständlich machen, warum wir trotzdem die Unterscheidung machen. Der sinnliche Anteil, der natürlich nicht mit einem physiologisch zu verwechselnden sensualistischen Anteil zu verwechseln ist, wird sozusagen mit- und nicht, wie Heidegger meint, überhört. Die Sinnlichkeit ist Moment des Sinns selbst, ist – in Husserls Worten – noematisch und noetisch, aber nicht selbständiger Baustein der Welt. Das kann man sich an Husserls Reflexionen in den Ideen I klarmachen, die man als weitergehende Ar-
Vgl. dazu auch Schmitz 1994, der die Heideggersche Position ins Extrem verschiebt und der gesamten phänomenologischen Tradition „Datensensualismus“ und einen „physiologischen Fehlschluß“ (Schmitz 1994, 3) vorwirft. Das ist völlig absurd, denn wenn ich, wie Schmitz wohl auch im Sinne hat, die Erfahrung verstehen will, werde ich auch ein Element wie die Empfindung mit in Analyse einbeziehen müssen. Schmitz meint stattdessen von „Eindrücken“ (Schmitz 1994, 7ff) sprechen zu müssen, in denen „Situationen“, „Sachverhalte“ und „Atmosphären“ wahrgenommen werden. Auch Sartre ist ein „Gegner“ der Empfindung und verwirft die noetische Analyse. Der Begriff der Empfindung sei „rein erfunden“ (Sartre 1993, 557). Vgl. zur Kritik Husserls auch Christensen 1976, 77ff.
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gumentation gegen die abgebrochene Analyse Heideggers begreifen kann. Schon in den Ideen I hat Husserl zwischen den eigentlichintentionalen Akten und deren Horizonten unterschieden. Es gibt neben der eigentlich gegenständlichen Beziehung des Ich auf wie auch immer bestimmte Gegenstandspole einen nicht-intentionalen und nicht gegenständlichen, temporalen Hintergrund des Bewußtseins.79 Die IchTätigkeit ist dabei gewissermaßen nur das Zentrum des Erlebens. Daher spricht Husserl später auch von „Zentrum Ich“ (Hua XIV, 46). Neben diesem Zentrum, das meine eigentliche Tätigkeit ausmacht, muß ein potentieller, zudem praktischer Horizont mit einbezogen werden, der schon mitfungiert, wenn sich das Ich auf etwas Bestimmtes richtet. 80 Da Aktualität und Inaktualität eine lebendige Gegenwart ausmachen, ist sich das Bewußtsein ständig selbst vorweg und bleibt dabei ständig hinter sich zurück. Es ist, in Husserls Worten, protentional eröffnend und retentional festhaltend in einer Gegenwart. Aktualität ist dabei nur ein Modus des Erfahrens, aber nicht sein ausschließlicher. 81 Um die Rede von sensuellen Daten oder Empfindungsdaten zu vermeiden, spricht Husserl in den Ideen I zwar zunächst noch von Empfindungen, später aber bevorzugt von hylē. Der Begriff „hylē“ bezeichnet ausschließlich das Sinnliche als solches, nämlich das pure „Etwas“ des Erscheinens. Bezüglich der reinen hylē spricht Husserl aufgrund ihrer Unbestimmtheit auch von „intentionaler Funktion“ (Hua III/1, 193; 196f.). Gegenüber einer sensualistischen oder anthropologischen Position zeichnet sich dieser Zugang zur Problematik dadurch aus, daß Husserl das Empfinden nicht mehr als Vermittlungsorgan der Welt begreift. Durch Empfindungen wird uns nichts offenbar, sondern sie sind als ein Moment des Offenbaren bzw. des Erscheinens selbst anzusprechen. Anders ausgedrückt: die Sinnesdaten stehen der Welt nicht gegenüber. Der Empfindung wird nicht nur die Beziehung zur Welt abgesprochen, sondern auch der Status eines sensuellen Datum aberkannt. Stattdessen wird ihr eine immanente Beziehung zum Ich und zur Bewußtheit des Erlebens zugeschrieben. Durch eine unterschiedliche Richtung der Reflexion kann ich mich entweder darauf richten, daß „da“ bloß etwas ist und erscheint. Dann Vgl. z.B. Hua III/1, §35, §113, §115. Den praktischen Horizont analysiert Husserl in den Ideen II unter dem Titel „Ich kann“; vgl. Hua IV, §60. 81 Beide Modi können noetisch und noematisch untersucht werden. Vgl. zu den attentionalen Wandlungen Hua III/1, §92. 79 80
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betrachte ich die hylē als noetisches Moment des sinnerfüllten Erlebnisses selbst, d.h. ohne in Betracht zu ziehen, daß sie sich in einer gegenständlichen Sinnbeziehung befindet. In diesem Sinne ist das Empfinden „sinnlos“ und reelles Moment des Aktes. Ich kann aber in einer geänderten Reflexionsrichtung auch darauf achten, daß die hylē in gegenständlicher Funktion ist. Dann betrachte ich sie als noematisches Moment meines Erlebens. Beachtet man diese unterschiedlichen Richtungen der Reflexion, lassen sich eine Menge Verwirrungen vermeiden, für die Husserl gesorgt hat, als er die hylē neben ihrer noetischen Bestimmung als Moment der Erscheinung auch als Erscheinendes bestimmte. 82 Allerdings ist Husserl in den Ideen I noch nicht so weit gelangt, die Empfindung als etwas zu betrachten, durch das und in dem das Ich leidet und so gewissermaßen lebt, obwohl die vom Ich vollzogenen Akte grundsätzlich durch Aktivität und Rezeptivität ausgezeichnet sind. 83 Gegenüber seinen früheren Schriften läßt Husserl schließlich den Empfindungsbegriff fallen und greift stattdessen auf den Begriff „Affektion“ zurück, was aus seiner Beschäftigung mit der Assoziation (Hua XI) und der genaueren Analyse von Bewußtsein und Sinnlichkeit resultiert. Man könnte sagen, daß Husserl in seinen späteren Schriften Empfinden bevorzugt noetisch analysiert und es in Beziehung auf das „Zentrum Ich“ betrachtet. 84 Das Auszeichnende des Begriffes der Affektion ist, daß dieser gegenüber demjenigen der Empfindung in Bezug auf ein Bewußtsein oder Ich bestimmt werden kann. Eine Affektion muß erlitten werden. Dieses Moment läßt Husserl in seinen Analysen in den Ideen I noch außer Acht. Da Affektionen – wie oben angedeutet – durch die Aufspaltung des Erlebens in Aktualität und Inaktualität imVgl. dazu Hua III/1, 226. Husserl unterscheidet hier die „Empfindungsfarbe“ von der „objektiven“ Farbe. Mit dieser Unterscheidung soll nicht gesagt sein, daß wir zwei Farben haben, sondern nur, daß wir die Farbe einmal außerhalb ihrer Funktion abstrakt betrachten können (dann betrachten wir sie als pure Empfindung) oder innerhalb ihrer Funktion (dann betrachten wir sie als Farbe eines Gegenstandes). Vgl. auch ähnlich Hua XI, 17. Zur „Verwirrung“ vgl. insbesondere die Kritik bei Sartre 1993, 559f. Er spricht dort von einer „Bastardexistenz“ der noetischen Bestimmung der Empfindung. Vgl. dazu auch die überzeugende Einleitung in Aguirre 1970, die Husserls Argumentation verteidigt. 83 Husserl führt in den Ideen I einen gegenüber den Logischen Untersuchungen geänderten Aktbegriff ein. Vgl. Hua III/1, §115. In den Ideen II führt Husserl eine weitere Erweiterung in seine Analyse der Empfindungen ein. Durch das Lokalisieren der Empfindungen am Leib, den sogenannten Empfindnissen (vgl. Hua IV, 146), bekommt die hylē einen qualitativ-bestimmten Charakter über Lokalisierung zugewiesen. 84 Vgl. dazu Zahavi 1998, 205-228. 82
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mer innerhalb eines Horizontes auftauchen, müssen sie in einem Feld von Aktivität (Bezug auf das „Zentrum Ich“) und Passivität (Bezug auf den Horizont) beschrieben werden. Die Aktivität bestimmt Husserl innerhalb der Analyse der Wahrnehmungsakte als „Kinästhesen“, d.h. als eine Analyse der Beziehung von Empfindung und Eigenbewegung. 85 Die Eigenbewegung hat ein besonderes Charakteristikum: Bewegt sich der Leib, so berührt er sich in der Bewegung immer zugleich selbst. Das hat zwei Effekte zur Folge: einerseits objektiviert sich der Leib in dieser Selbstberührung, andererseits entgleitet er sich in dieser Beziehung. Der Grund für letzteres ist darin zu sehen, daß der Leib durch seine Selbstkonstitution nie nur (aber auch) als Körper, d.h. als ein Ding, erlebt werden kann. Wenn ich keinerlei selbstaffektive Empfindung bei meiner Armbewegung habe, dann sehe ich den Arm wie irgendein Objekt in der Welt an und müßte erschließen, das es sich dabei um meinen Arm handelt. Um solche „Schlüsse“ zu vollziehen, muß aber zumindest schon eine rudimentäre Bekanntheit vorausgesetzt sein. Anders formuliert: in der Berührung „wird Leib“ (Hua IV, 145). 86 Damit bricht Husserl aus der Cartesischen Ontologie aus. Der Leib ist nämlich durch seine Eigenbeziehung nicht nur noematisch zu analysierende Gegebenheitsweise und Objekt des Bewußtseins, sondern muß vorrangig als noetisches Moment betrachtet werden. Dadurch aber kann er niemals nur als Objekt noematisch erscheinen, weil er in solchem Erscheinen nur durch seine eigene Tätigkeit hindurch sich konstituieren kann. Dem Leib kommt damit eine zweideutige Funktion zu und Husserl hat insbesondere in Zur Phänomenologie der Intersubjektivität (Hua XIII-XV) immer wieder versucht, diese merkwürdige Selbstbeziehung des Leibes, in der er sich gewissermaßen selbst im Weg steht, zu bestimmen. Der Leib ist der einzige Körper, der nie völlig im Sinne eines innerweltlichen, seienden Raumobjektes objektiviert werden kann, weil jeder Versuch der Objektivierung ihn als Konstituierendes der Raumerfahrung bereits voraussetzt. 87 Diesen Tätigkeitscharakter des Leibes, der eine zentrale Rolle bei der Entwicklung eines Handlungsbegriffes spielen muß, mißachtet Heidegger völig in seiner Analyse. Das haben auch andere Autoren bemerkt: „Welcher Art die Verbindung zwischen dem ‚Um-Willen‘ und demjenigen ist, was aus diesem Um-Willen als unsere konkrete Aufgabe folgt, bleibt also in HeidegVgl. z.B. Hua XI, 14. Vgl. Zahavi 1998, 215; Welton 1998, 181-206, und Merleau-Ponty 1984, 52f. 87 Vgl. zur Problematik der Leibkonstitution und der Kinästhese Seebohm 1994, 69f. 85 86
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gers Schema ungeklärt. Die Verbindung wird, glaube ich, durch die Leiblichkeit des Lebens hergestellt - was ich tun kann, ist durch das gegeben, was mir das Handeln überhaupt ermöglicht, und es ist meine Leiblichkeit, die ich vor allen freien Möglichkeiten annehmen muß. Mein ‚Um-Willen‘ erschließt mir die ursprünglichen leiblichweltlichen, weltbezogenen Möglichkeiten des Handelns, die selbst wiederum die innerweltlichen Dinge erschließen, als Korrelate dieser Möglichkeiten, als das, was man von den Möglichkeiten des Handelns her verstehen kann.“ (Patocka 1990, 235). Der Verlust der Leiblichkeit
Es ist auffällig und von verschiedenen Autoren hervorgehoben worden, daß Heidegger den Leib in Sein und Zeit nicht thematisiert, obwohl insbesondere in der Analyse der Räumlichkeit des Daseins die Leiblichkeit geradezu im Vordergrund steht. 88 Helmuth Plessner ist neben Hans Jonas einer der ersten gewesen, der – wenn auch in einem naturphilosophischen Rahmen – Heideggers Vorgehen in Sein und Zeit kritisiert hat: „nur leibhaftes Wesen kann gestimmt sein und sich ängstigen. Engel haben keine Angst“ (Plessner 1975, XIV). 89 Heidegger geht offenbar davon aus, daß der Leib im besorgenden Umgang in einer gewissen Unauffälligkeit verbleibt. Anders gesagt: der Leib taucht im Alltagsleben überhaupt nicht auf. Da Heidegger aber davon ausgeht, daß die Zuhandenheit und die Vorhandenheit mit der Störung in der Welt auftauchen, so vermißt man eine Analyse des Leibes. Es ist nämlich rätselhaft, warum die Dinge zwar in unserer Umwelt auftauchen sollen, der Leib als Leib aber immer noch – nachdem die Störung geschehen ist – in einer „Unauffälligkeit“ verbleiben sollte. Im Heideggerschen Sinne müßte man eigentlich zu folgendem Ergebnis kommen: Wenn mir der Hammer auf den Fuß gefallen ist, so taucht nicht nur der Hammer als etwas Zuhandenes auf, sondern mit ihm und zugleich der Leib als Leib. Selbst, wenn ich mich vergreife, etwas suche oder sonstwie „gestört“ werde, taucht mein Leib auf. Problematisch ist nun, daß in Heideggers Umweltanalyse die von der phänomenologischen Bewegung schwer erkämpfte Unterscheidung von Leibes und Körper schwer aufrechtzuerhalten ist, weil sie nicht in das Vgl. dagegen Levin 1999, der gar behauptet, daß Heideggers spätere Reflexionen über „Horchen“, „Hören“, Stimme, etc. implizit Reflexionen über die Leibthematik seien. 89 Heidegger selbst hat in den Zollikoner Seminaren davon gesprochen, „daß das Leibliche das Schwierigste ist und daß ich damals eben noch nicht mehr zu sagen wußte.“ (ZS, 292) 88
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Schema von Zuhandenheit und Vorhandenheit paßt. Das scheint mir der eigentliche Grund für die Nichtthematisierung zu sein. Heidegger gibt die Trennung von Leib und Körper in Sein und Zeit implizit preis. Wenn nämlich der Leib durch sein „Aufgehen“ in der Umwelthandlung als Leib gekennzeichnet ist und durch die Störung zu etwas Vorhandenem oder Zuhandenem wird, dann spielt – da der Leib infolgedessen nicht mehr als Leib, sondern immer nur als Körper erfahren werden kann – die Unterscheidung keine Rolle mehr. Es liegt daher von der Analyse her betrachtet genau dasselbe Problem vor wie bei der Sinnlichkeit. Anstatt zu zeigen, wie der Leib in der Umwelt immer mit dabei ist – ohne Ding zu sein –, wählt Heidegger aufgrund seiner inneren Dogmatik den extremen Weg des Ausschlusses. 90 Wir werden sehen, daß der Hammer, der in meiner Hand liegt, als Verlängerung des Leibes zu begreifen ist. In anderen Worten: der Hammer ist nicht nur Hammer, weil ich ihn mir in der Bewegung meiner Hand aneigne und so sein Sein „bewenden“ lasse, sondern der Hammer wird Hammer als Teil meines Leibes. Er ersetzt nicht meine Möglichkeiten, sondern erweitert meine leiblichen Fähigkeiten, d.h. mein leibliches Können. Dieses ist auf einer ersten Ebene simpel als Bewegung zu begreifen „Die Bedingung jeder [...] strengen Sachgerechtigkeit der Bewegungen ist also die, daß die Dinge aus der Umgebung herausgelöst werden, daß man sich in [...] Bewegungsvorgängen auf sie einläßt und daß man damit ein ausgelesenes Können, aber auch Bewegungsund Erfolgserwartungen aufgebaut werden.“ (Gehlen 1997, 145). Anhand dieser einfachen Überlegung kann man sehen, daß sich die gesamte Umwelt letztlich auf den Leib zurückleiten lassen muß. Die Zuhandenheit ist eine leibliche Charakteristik und die Dinge erscheinen als ihre Verlängerung. Heidegger scheint dies nach Sein und Zeit selbst bemerkt zu haben. In seiner Nietzsche-Auslegung setzt Heidegger den Leib mit den Gefühlen und den Stimmungen gleich. Da Heidegger die Stimmungen als primären Ort des Selbstbewußtseins im Sinne ihrer Selbstaffektivität – Dasein trifft auf sich selbst in den Stimmungen – interpretiert, wird in den Nietzsche-Büchern dem Leib die zentrierende Funktion zugesprochen, die in Sein und Zeit noch dem Selbst zukommt. Dieses Ineinanderlaufen von Leiblichkeit und Stimmung, was später insbesondere Medard Boss zur Aufnahme Heideggerscher Ideen geführt hat, führt dann – in anderer, aber grundsätzlich nicht mehr entgegengesetzter Weise Später heißt es dann: „Eine Phänomenologie des Leibes gibt es eigentlich gar nicht, weil der Leib kein Körper ist“ (ZS, 231)
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wie bei Husserl – dazu, daß der Leib das organisierende Moment meines unmittelbaren weltlichen Umgangs bildet. Heidegger schreibt „Weil aber das Gefühl als Sichfühlen gleichwesentlich je das GefühlHaben für das Seiende im Ganzen ist, deshalb schwingt in jeder Leibzuständlichkeit jeweils eine Weise mit, wie wir auf die Dinge um uns und die Menschen mit uns ansprechen oder nicht ansprechen“ (NI, 118). In anderen Worten: in jedem Verstehen von etwas spielt der Leib als Moment des Sinnes und einer Tendenz eine zentrale Rolle. 91 In Heideggers Umweltanalyse aber ist der Verlust des Leibes nicht so einfach auszugleichen, weil seine Einführung dazu zwingen würde, die Konstitution des Bedeutungszusammenhanges zu überdenken. Der Leib spielt innerhalb des Handelns in der nächsten Umgebung eine zentrale Rolle. Es ist bspw. fraglich, ob ich einen Zweck, wenn dieser nicht mentalistisch mißdeutet werden soll, ohne den Sinn was man mit dem Gegenstand machen kann verstehen kann. Wenn ich einen Hammer in meiner vertrauten Umwelt ergreife, ihn – mit Heidegger gesprochen – „entferne“ und ihn als etwas um-zu verstehe, vollziehe ich natürlich nicht einen reflexiven Überlegungsprozeß, in dem mir der Zweck des vor mir liegenden Gegenstandes klar wird, sondern „wie von selbst“ nehme ich den Hammer und gehe dabei im Vollzug meiner Handlung auf. Aber auch, wenn ich keine explizite Zweck-Reflexion vollziehe und mir stattdessen der Zweck aus meiner Umwelt und ihrem Zusammenhang entgegengebracht wird, wie Heidegger behauptet, bewege ich mich doch in einem Spielraum von Möglichkeiten, die ich schon verstanden haben muß, um den Hammer überhaupt benutzen zu können. Dieses aber verweist auf die leiblichen Tätigkeiten. 92 Dazu tritt folgende Überlegung hinzu: Wie Heidegger selbst meint, wird der Sinn eines Gegenstandes nicht nur durch seinen Verweisungszusammenhang bestimmt (ein Stein kann als Hammer in einem anderen Kontext fungieren), sondern sein eigentlicher „Sinn“ (Zuhandenheit) wird verstanden, indem man etwas besorgt und daher mit ihm umgeht. Offenbar muß zum Verständnis der Zuhandenheit ein Tätigsein hinzutreten, über das Heidegger sich aber in Sein und Zeit – abgesehen von einer diffusen Verwendung des Begriffes „Verhalten“ oder „Verhaltung“ – ausschweigt. Das Verstehen eines Zweckes ist also Vgl. Liebsch 1996, 163 Dabei reicht es nicht aus, auf das pure Möglichkeitsbewußtseins zu verweisen, denn die Spielräume sind nicht nur diejenigen des „Sich-bewegen-Könnens“ (Landgrebe 1963, 120), wie Landgrebe meint. Grundsätzlich stimme ich aber mit Landgrebes basalen Ausführungen überein. 91 92
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keine intellektuelle Operation, obwohl sie das in der praktischen Überlegung auch sein kann, sondern eine willentlich-projektive Operation. Zwecke verstehe ich im Hinblick auf dasjenige, was in der jeweiligen Situation meinen Willen zu einem bestimmten Willen qualifiziert, d.h. woran ich Interesse habe und was infolgedessen wichtig für mich ist. 93 Diese Struktur kennen wir seit Aristoteles. 94 Diese willentliche, sorgende oder interessierte Komponente, anhand derer ich mich in meinen Möglichkeiten verstehe, muß aber durch ein basales Können gehalten werden. Der Hammer, um den ich mich kümmere, muß innerhalb meiner Möglichkeiten sich befinden, d.h. er muß innerhalb meines Könnens plaziert sein. Diese Form des Könnens kann aber nicht mit derjenigen identifiziert werden, die Heidegger „Seinkönnen“ nennt. In diesem verstehe ich mich auf mein ganzes Sein innerhalb meiner Großprojekte, also letztlich meines Lebens. 95 Aus dem „letzten“ Entwurf her kann ich meine gegenwärtige Handlungssituation als ganze verstehen. Das sei hier nicht nur zugestanden, sondern bestätigt. Davon müssen wir aber folgendes unterscheiden: Bewege ich mich in meiner Umwelt, die – wie der Name schon andeutet – nicht den gesamten Horizont meines jeweiligen Lebens meint, sondern nur einen Ausschnitt darstellt, muß ein anderer Könnensbegriff ins Spiel kommen, der die jeweilige Umwelt von der Welt abtrennt. Heidegger gibt an keiner Stelle Auskunft darüber wie beides voneinander getrennt und unterschieden werden könnte. Während mein Leben seine Zentrierung durch die temporale Jeweilig- und Jemeinigkeit erhält und im Selbst einen entsprechenden Ausdruck findet, bleibt in Sein und Zeit unklar, wie die Jeweiligkeit des Selbst auch als Zentrierung der Welt begriffen werden kann. Wenn aber der Begriff „Umwelt“ überhaupt einen Sinn haben soll, dann muß das „Umhafte der Welt“ (SuZ, 101) das Umhafte von etwas oder jemandem sein. Andernfalls würde der Umweltbegriff mit dem der Welt ineinander fallen. 96
Die Werthaftigkeit, die in dem „wichtig“ impliziert ist, thematisieren wir später noch. Heidegger läßt auch dies fallen, weil er dazu wiederum eine Tätigkeit (Streben) implizieren müßte. 94 Vgl. dazu Bernasconi 1990, 132f. Harry Frankfurt hat dies etwas moderner ausgedrückt so auf den Punkt gebracht: „What is important to someone depends upon what he cares about“ (Frankfurt 1999, 89). 95 Vgl. dazu Tugendhat 1989, 179ff. 96 Das meint auch Dreyfus. Sein Vorwurf ist, daß Heidegger die öffentliche Räumlichkeit von „Gegenden“ und „Plätzen“ schon als individuelle versteht. Dreyfus meint, daß Nähe und Ferne sich aber nur in Bezug auf mich bestimmen lassen. Vgl. die Zitate aus einem Vortrag bei Malpas 2000, 218. 93
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Ein basales Können kann man in der Leiblichkeit identifizieren. Damit ist nicht gemeint, daß mir meine Möglichkeiten durch einen Körper vorgeschrieben sind, sondern daß meine primären Möglichkeiten darin bestehen, daß ich etwas „zur Hand“ haben kann, daß ich etwas erreichen kann (Bewegung) und daß ich mir die Umwelt auf der Ebene der Räumlichkeit aneignen kann. In diesem primitiven Sinne ist Leiblichkeit der Spielraum meiner Möglichkeiten. Mein Leib ist auf einer primären Ebene nichts anderes als meine konkreten Handlungsmöglichkeiten. Selbst, wenn Imagination, Vorstellungen und abstrakte Denkprozesse „über“ meine jeweiligen Handlungsmöglichkeiten hinausreichen, so sind diejenigen Zwecke, die ich im unmittelbaren Zugriff verwirklichen kann, unweigerlich an meinen Leib gebunden und mit ihm zu identifizieren. In anderen Worten: das was ich bin und kann muß sich – auch in der Entwicklung – als ein Erweiterungsgeschehen vollziehen. Ich entdecke die Welt, weil ich meine Umwelt erweitern kann, indem ich in ihre noch nicht erfüllten Horizonte eindringe und sie erforsche. Die ersten Horizonte aber sind mir durch meinen Spielraum vorgegeben, den ich dadurch besitze, daß ich hier und nicht dort bin. Da Heidegger die Umwelt und die Verweisungsganzheit nicht über die Leiblichkeit bestimmt, verliert sein Umweltbegriff jeglichen Bezug zu einer wie auch immer bestimmten Situiertheit. Meine Umwelt aber bestimmt sich auch daraus, daß ich eben als erste räumliche Struktur erfahre, daß ich nicht überall sein kann. Mit anderen Worten: dadurch, daß ich nicht überall sein kann (obwohl mein Streben meine Situiertheit transzendiert), muß ich mir meine Zusammenhänge erst erschließen und sie erforschen. Meine Umwelt ist daher nicht nur an meine Jewei-
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ligkeit – also meine Individualität – gebunden, sondern an meine Jeleiblichkeit. 97 §3: HUSSERLS „ÄSTHETIK DES LEIBES“ 1. KÖNNEN
Betrachtet man die Entwicklung des Husserlschen Denkens, so fällt auf, daß Husserl sich Zeit seines Lebens mit dem Leib auseinandergeTrotz des methodischen Beiseitelassens der Spätschriften Heideggers scheint es hier angebracht zumindest darauf hinzuweisen, daß Heidegger die Leiblichkeit an verschiedenen Stellen doch ins Spiel bringt – allerdings unbefriedigend. Abgesehen von kleinen Bemerkungen in verschiedenen Vorträgen nach 1945 und in den Nietzsche-Schriften ist Heidegger insbesondere in den mit Medard Boss nach dem Zweiten Weltkrieg abgehaltenen Seminaren auf die Leiblichkeit eingegangen. Im Folgenden soll kurz darauf hingewiesen werden, daß es Heidegger auch dort nicht gelingt die zentrale Rolle des Leibes als Ursprungsort praktischer Subjektivität aufzuzeigen und nicht über die Ergebnisse Husserls (und Merleau-Ponty) hinausgelangt. Heidegger übernimmt dabei die Trennung von Leib und Körper, wie sie von Husserl eingeführt wird und von Sartre und Merleau-Ponty fortgeführt worden ist. „Jeder Leib ist auch Körper, aber nicht jeder Körper ist Leib“ (NI, 115). Heidegger thematisiert in den Seminaren die Leibgrenze, das Hiersein, die Reichweite, die Bewegung und Gebärde sowie die Sprache und Hören. Dabei korrigiert er gewissermaßen die reine Ebene des Verstehens, die noch in Sein und Zeit an erster Stelle steht (vgl. auch den Hinweis bei Schulz 1979, 34): „Solches könnte der Mensch aber gar nicht, wenn er nur aus einem ‚geistigen’ Vernehmen bestünde, wenn er nicht auch leiblicher Natur wäre.“ (ZS, 293). Trotzdem kommt er auch hier in die Schwierigkeiten, daß er das Dasein im Sinne einer sich nicht zentrierenden Einheit vor der Unterscheidung von Leib und Körper einführen muß, und daher implzit doch wieder auf das „reine“ vernehmen zurückkomt. Heidegger schreibt: „Das Dasein ist nicht räumlich, weil es leiblich ist, sondern die Leiblichkeit ist nur möglich, weil das dasein räumlich ist im Sinne von einräumend“ (ZS, 105). In Nietzsche I versucht Heidegger dem Leiblichen über die Diskussion der Gefühle näherzukommen. Hier besteht der Versuch darin, die Stimmungen als die zentrale „leibliche“ Kategorie einzuführen. Wie schon im Kantbuch deutet Heidegger die Stimmungen und Gefühle im Sinne einer praktischen Selbstbewußtseinstheorie. Dabei identifiziert er die selbstaffektive Komponente von Gefühlen und Stimmungen mit dem Leib: „Das Gefühl als das Sichfühlen ist gerade die Weise, wie wir leiblich sind; leiblich sein heißt nicht, daß einer Seele ein Klotz, genannt Leib, angehängt sei, sondern im Sichfühlen ist der Leib von vornherein einbehalten in unser Selbst, und zwar so, daß er in seiner Zuständlichkeit uns selbst durchströmt“ (NI, 118). Aber es bleibt bei den – wohl gerade für Psychotherapeuten wie Boss interessanten – sporadischen Anmerkungen. Heidegger meint: „Weil aber das Gefühl als Sichfühlen gleichwesentlich je das Gefühl-Haben für das Seiende im Ganzen ist, deshalb schwingt in jeder Leibzuständlichkeit jeweils eine Weise mit, wie wir auf die Dinge um uns und die Menschen mit uns ansprechen oder nicht ansprechen“ (NI, 118) und „Jedes Gefühl ist ein so und so gestimmtes Leiben, eine so und so leibende Stimmung“ (NI, 119) 97
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setzt hat. 98 Diese Tatsache ist nur für diejenigen erstaunlich, die nur die zu Lebzeiten veröffentlichten Werke untersuchen. In Bezug auf diese verbleibt es – abgesehen von den Cartesianischen Meditationen - in der Tat bei Andeutungen. Zieht man jedoch die Manuskripte der Ideen II und der Phänomenologie der Intersubjektivität hinzu, so läßt sich ohne weiteres behaupten, daß Husserl derjenige Philosoph des 20.Jahrhunderts ist, der neben Merleau-Ponty am intensivsten über die zentrale Position des Leibes nachgedacht hat. Schon in frühen Manuskripten heißt es: „Jedenfalls ist hier für eine Wissenschaft vom natürlichen Weltbegriff ein Hauptthema bezeichnet, genau zu studieren, wie Subjektivität zu Leiblichkeit steht“ (Hua XIV, 90). Um einen den Objektivationen der Wissenschaften und selbst den setzenden Leistungen des Subjektes zuvorlaufenden Weltbegriff zu enthüllen, muß der Konstitutionsanteil des Leibes miteinbezogen werden. Durch Husserls frühe Aufnahme der kinästhetischen Prozesse wird der Wahrnehmungsbegriff so weit phänomenologisch verändert, dass Perzeption selbst als ein leiblicher Prozess betrachtet werden kann, indem Bewegung und Erscheinung untrennbar miteinander verknüpft werden. Die Untersuchung der Leiblichkeit wird durch die Einführung des „natürlichen“ Weltbegriffes vorbereitet, den Husserl seit 1910/11 auszuarbeiten beginnt, und der in erster Linie auf der Einführung des Horizontes beruht. Ich möchte daher diesen Zusammenhang zunächst kurz rekapitulieren, weil schon an diesem Begriff abzulesen ist, inwieweit sich die lebendige Erfahrungsgegenwart durch das Zusammenspiel von expliziten und impliziten Elementen bestimmt zeigt, so dass Husserl schließlich sagen kann: „Man kann diese Horizonte nachträglich explizieren, aber die konstituierende Horizontintentionalität, durch die die Umwelt des täglichen Lebens überhaupt Erfahrungswelt ist, ist immer früher als die Auslegung des Reflektierenden“ (Hua XVII, 207). Schon anhand der Ideen I kann man sehen wie Husserl einen Horizontbegriff entwickelt, der einem simplen Präsenzbegriff entgegenläuft. Kurz gesagt: dem expliziten intentionalen Vollzug, in dem ich aktuell „lebe“ – etwa wahrnehmen, erinnern oder imaginieren – tritt ein Horizont von Potentialitäten oder Vermögen zur Seite, der der expliziten Intentionalität vorweggeht, aber dennoch ein Moment der Das ist früh erkannt, wenn auch erst in den vergangenen Jahren ins zentrum gerückt worden. Vgl. Claesges 1971, Lingis 1971, Gallaghar 1986 und Ricœur 1967, 45ff. als die zentralen „frühen“ Arbeiten zur Problematik. Alle Autoren überspringen die spezifische Praktikabilität des Leibes, auf die hier die Aufmerksamkeit gelenkt wird. Das gilt auch für die ausgezeichnete Analyse bei Dodd 1997.
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erlebten Gegenwart selbst ausmacht. In gewisser Hinsicht wird schon hier die „Metaphysik der Präsenz“ zumindest antizipierend verabschiedet. 99 Dieser Horizont kann anhand anderer Manuskripte mit der Leiblichkeit in einem nicht-objektivierten und praktischen Sinne identifiziert werden. Da die Leiblichkeit der expliziten Intentionalität zuvorläuft, bildet sie ein System von Möglichkeiten, das mich durch seine Vorwegnahme in meinen aktuellen Möglichkeiten beschränkt, mir aber zugleich die Möglichkeit gibt, meine aktuellen Möglichkeiten zu erweitern. Die Typik der Lebenswelt und die Typik des Leibes, über die in der Literatur so viel geschrieben wurde 100 - ist also nicht nur ein Effekt der Normalität, sondern ebenso ein zeitlich-horizontales Problem. Um die Leiblichkeit an zentraler Stelle in die Umweltsituation einzubauen, muß gezeigt werden, in welcher Weise ich schon leiblich bin, bevor ich mich verobjektivierend aus ihr heraushebe. Ich möchte dies zunächst in einem ersten Schritt darstellen, bevor ich in §5 auf den Handlungsleib eingehe, der meine praktische Umwelt konstituiert und meine primäre Handlungssituation ausmacht. So wie in der „theoretischen“ Philosophie gezeigt werden kann, daß die Horizontbildung der expliziten Intentionalität vorausgeht, so kann man bezüglich der „praktischen Philosophie“ zeigen, daß die Zweckbildung eine leibliche Herleitung hat und der willentlichen Intentionalität zurvorläuft. Praktische Intentionalität zeigt sich schließlich als primäre Art der Weltkonstitution und kann so als der „missing link“ in Heideggers Theorie aufgezeigt und ergänzt werden. In der Husserlschen Theorie hat der Leib zunächst eine raumbildende Funktion, zweitens eine habituelle und typisierende (normalisierende) Funktion und drittens einen intersubjektiven Kontext. In den Ideen I unterscheidet Husserl gleich bei der Einführung des Intentionalitätsbegriffes einen zweifachen Modus, den ein gegenwärtiges Erlebnis haben kann. Er spricht auf der einen Seite von einem „Modus aktueller Zuwendung“ und auf der anderen Seite von einem „Modus der Inaktualität“ (Hua III/1, 72). Wie sich im folgenden herausstellt, meint Husserl, daß der zweite Modus der durchaus Wichtigere sei, denn er erlaubt davon zu sprechen, daß ein Gegenstand schon bewußt sein kann, wenn er noch nicht im expliziten Sinne erfaßt worden ist. Ein Erlebnis kann demnach unterschieden werden in zwei Anteile: in In Husserls Lehre von Intersubjektivität, die letztlich eine Theorie von Präsenz und Absenz ist, wird diese Tendenz schließlich vollendet. 100 Vgl. bspw. Behnke 1996, Steinbock 1995, Schues 1994, Waldenfels 2000, Welton 1999, Welton 1998, Zahavi 1999. 99
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einen Anteil, in dem es vollzogen wird und einem Anteil, in dem es vollzogen wird. Der Vollzugsform ist ein „Zentrum“ – siehe Seite Error! Bookmark not defined.ff. – inhärent, das Husserl in den Ideen I noch „reines Ich“ nennt. Mit diesem will er rein deskriptiv dasjenige Moment bezeichnen, mit der der aktuell vollzogene Akte als ein lebendiger ausgezeichnet werden kann, denn mit den Ideen I ändert Husserl auch seinen Aktbegriff. Der Aktbegriff der Logischen Untersuchungen, aus dem jede Tätigkeit ausgeschlossen werden sollte, erlaubt es nämlich nicht, etwas wie „Tun und Leiden“ zu denken, d.h. Affektivität, Rezeptivität und Aktivität. Wir werden später sehen, daß die Aktivität auf einer ersten Ebene mit dem Leib identifiziert werden muß. Hier ist zunächst von zentraler Bedeutung, daß Husserl die Unterscheidung des Erlebnisbegriffes auf seinen Aktbegriff überträgt. So können „Begehrungen, auch Entschlüsse bereits lebendig [sein], ehe wir in ihnen ‚leben’, ehe wir das eigentliche cogito vollziehen, ehe das Ich urteilend, gefallend, begehrend, wollen ‚sich bestätigt’“ (Hua III/1, 263). Akte, die horizontmäßig „außer Vollzug“ sind, bezeichnet Husserl dort auch als „Aktregungen“ (Hua III/1, 263), was in gewissem Sinne mißverständlich ist, weil es bereits eine gefühlsmäßige Fundierung impliziert. Es ist also mithilfe Husserls Theorie viel genauer bestimmbar als in der Heideggerschen Theorie, was es heißt Auto zu fahren oder Schach zu spielen. Diese Beispiele werden gerne genannt, wenn es darum geht, die Heideggersche Theorie verständlich zu machen. Heidegger reflektiert aber in seiner Umweltanalyse überhaupt nicht auf Habitualisierungen. Bezüglich des Beispieles des Autofahrens muß man festhalten, daß ich nicht den gesamten Bereich meiner Erfahrung und schon gar nicht den reflektierten Anteil in expliziter Weise erlebe. Das Autofahren ist natürlich deshalb möglich, weil mein Erleben eben nicht immer explizit ist. Jedoch muß man mit Husserl festhalten, daß es kein Erleben geben kann, das nur potentiell oder nur aktuell ist. Das bedeutet: Solange ich wach bin und affiziert werde (Vollzugsbegriff) lebe ich immer in einem expliziten und einem impliziten Modus. Selbst, wenn ich Auto fahre und mich so ganz in meiner Tätigkeit habituell verloren habe, so bin ich doch die ganze Zeit über in irgendeinem intentionalen Modus tätig. Das kann durchaus meine Erinnerung an gestern, meine Erwartung an morgen oder meine Imagination eines fernen Landes sein. Es geht nur darum zu behaupten, daß ich überhaupt immer auch in einem intentionalen Modus im expliziten Sinne lebe. Würde ich mich, wie Heideggers Kommentatoren zu behaupten scheinen, völlig in meinen Vollzügen verlieren, so ist überhaupt nicht mehr erklärbar, was 70
mich aus diesen selbstverlorenen Vollzügen herausheben sollte. Werde ich erst wieder auf den Straßenverlauf achten, wenn ich einen Unfall gebaut habe und somit „gestört“ werde? Das ist offensichtlich absurd, aber die Heideggersche Position scheint das nahezulegen. Insbesondere von Dreyfus ist diese These auch systematisch immer wieder behauptet worden. 101 Wenn man aber bedenkt, daß der lebendige Vollzug, gerade weil er er sich in seinen zeitlichen Horizonten transzendiert, immer mehr ist als aktuell vollzogen, so wird die These verständlicher, daß in jeder expliziten Tätigkeit des Geistes schon ein passiver Horizont vorgegeben ist, zu dem oder von dem weg sich die Tätigkeit wenden kann. Ohne diesen schläft das Ich – mein Leben verliert seine Zentrierung – und dann kann ich offenbar auch nicht mehr Auto fahren. Zuwendung impliziert Vorgegebenheit, und zwar bewußte Vorgegebenheit. Nur mit der Aufspaltung des Erlebnisbegriffes kann man diese bewußte Vorgegebenheit als eine implizite der Aktualisierung vorweggehende verständlich machen. Diese Ebene baut Husserl zunächst in den Ideen II aus. Selbst, wenn man die Ideen II auf einer anderen Ebene lokalisieren muß, so ist doch klar, daß Husserl in dieser „Schrift“ (die Manuskripte wurden von Edith Stein zusammengestellt) einen neuen Begriff des Vermögens ausarbeitet, der nicht mehr bloß zeitlich über den Begriff des Horizontes bestimmt wird, sondern nun inhaltlich konkret ausgelegt wird, und zwar auf zwei Ebenen. Einmal bekommt der Horizont eine personale Komponente, worunter Husserl das Ich in seiner Geschichte versteht. Auf der anderen Seite wird der Horizont praktisch-leiblich uminterpretiert: „In Beziehung auf meine zentripetalen Ichakte habe ich das Bewußtsein des Ich kann. Es sind Tätigkeiten, und in ihrem ganzen Ablauf liegt eben nicht bloß dahinlaufendes Geschehen vor, sondern immerfort ist der Ablauf aus dem Ichzentrum hervorgegangen, und solange das der Fall ist, reicht das Bewußtsein des ‚ich tue’, ‚ich handle’. Wird das Ich durch irgend eine Affektion anderweitig ‚fortgerissen’, ‚gefesselt’, so ist das eigentliche ‚ich tue’ durchbrochen, das Ich ist als tätiges gehemmt, es ist unfrei, ‚bewegt, nicht bewegend’. Im Falle der Freiheit besteht für die künftigen im unmittelbaren Horizont liegenden Phasen Vgl. Dreyfus 1991b, 22. Vgl. dagegen Arp 1996. Vgl. bspw. auch. „As long as everything works properly we are not thematically aware of the for-thesake-of-which of our activities but are instead object-oriented. It is only when our projection into possibilities runs into problems and things do not work appropriately that our ontical comportment announces itself as self-comportment. It is then that we first see that we ourselves are the for-the-sake-of-which of the activity“ (Overengt 1998, 124). 101
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des Tuns in Beziehung auf den Horizont unerfüllter praktischer Intentionen das Bewußtsein des freien ‚ich kann’ und nicht das bloße Bewußtsein ‚es wird kommen’, ‚es wird geschehen’“ (Hua IV, 257). Der „theoretische“ Horizont, den man als einen kognitiven Erwartungsund Erinnerungshorizont bezeichnen könnte, wird hier erweitert durch die Idee, daß der „kognitive“ Horizont in einem bestimmten Sinne ein Horizont sein muß, über den ich verfügen oder nicht verfügen kann. 102 Nur so ist überhaupt ein gegenüber dem leeren oder logischen Begriff der Möglichkeit ein tendenziöser oder praktischer Begriff von Möglichkeit zu gewinnen. Dieser aber kann nicht in einer „starren Gesetzlichkeit“ – wie sie für Husserl die Zeitlichkeit darstellt – gefunden werden, sondern muß mit dem tätigen Subjekt in Verbindung gebracht werden. Nur ein Erwartungshorizont, der auf das Subjekt zurückbezogen ist, kann es selbst bestimmen. In anderen Worten: ein Horizont, den ich als etwas begreife, was mir „zustoßen“ kann oder nicht, kommt dem Subjekt nicht selbst zu, sondern bestimmt es auf externe Weise. Ich verstehe dann den Horizont im Sinne von externen Ereignissen, die den lebendigen Horizont transzendieren anstatt ihn zu definieren. Nun soll aber der Horizont nach Husserl zum Erlebnis selbst gehören. Demnach muß es ein Kriterium dafür geben, daß der Horizont der Möglichkeiten ein potentieller Horizont ist, der aktualisiert werden kann. Daher schreibt Husserl an zentraler Stelle: „Im ‚ich kann’ liegt offenbar nicht bloß eine Vorstellung, sondern darüber hinaus eine Thesis, die dabei nicht nur mich selbst betrifft, sondern das ‚Tun’, nicht das wirkliche Tun, sondern eben das Tunkönnen“ (Hua IV, 261). In anderen Worten: ein Horizont, der als aktualisierbarer der erfüllten Präsenz zuvor läuft, kann nicht mehr als pure „Vorstellung“ gedacht werden, sondern muß sich in einem anderen Sinne bestimmen lassen. Daher führt Husserl einen neuen Möglichkeitsbegriff ein. 103 Diese Form der Möglichkeit Das scheint mir in Steinbocks kurzer Beschreibung nicht im Zentrum zu stehen. Es ist nicht für Husserl zentral, daß das Können leiblich ist, sondern der Leib ist das Bewußtsein des Handelns. Steinbock schreibt: „The ‚I can’ is the embodied ability to instigate a flow of appearances“ (Steinbock 1999, 183). Korrigierend muß man hinzufügen: Für Husserl ist das zentrale Moment des Könnens der Sachverhalt, daß ich eine praktische Beziehung zu den Erscheinungen habe. Wenn ich den Kopf drehe, dann verfüge ich über den Ablauf im voraus. 103 Vgl. zu einem Überblick über Husserls Möglichkeitsbegriffe Mohanty 1984. Mohanty spricht sogar von „the primacy of the practical“ (Mohanty 1994, 27), bringt aber die hier nicht zu verhandelnde Frage ins Spiel, in welchem Sinne sich „Ich kann phantasieren“ von „Ich kann mich bewegen“ (leiblich) unterscheidet. Vgl. zur praktischen Möglichkeit mit Hinweisen auf Heidegger Aguirre 1991 102
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nennt er „Tatmöglichkeit“ (Hua IV, 263) und grenzt sie von der „Seinsmöglichkeit“ (Hua IV, 263) ab. Er nimmt damit vorweg, was von analytischer Seite später in exakt derselben Weise ausgearbeitet worden ist.104 Wir können nämlich offenbar von zwei Weisen des Könnens sprechen, die wir nicht nur auf unterschiedliche, sondern auf einen und denselben Satz in unterschiedlicher Bedeutung anwenden können. Wenn wir den Satz nehmen „Ich kann meine Hand bewegen“, so können wir einmal die Möglichkeit der Handbewegung als eine „doxische“ Möglichkeit verstehen. In diesem Fall betrachten wir eine Handlung unter dem Aspekt, ob sie prinzipiell im Sinne einer Eigenschaft „vorkommen“ kann. 105 Wir fragen also nach der Existenz von etwas. Es kann sein bzw. es kann der Fall sein, daß p. Diese propositionale Möglichkeit ist dadurch ausgezeichnet, daß sie logisch gesehen auch nicht sein kann. Der Möglichkeitsbegriff ist hier auf Existenz oder in Husserls Worten, auf möglich Seiendes bezogen. 106 Ich kann aber auch den Sinn des Satzes in einem anderen als dem Eigenschaftssinne verstehen, nämlich im Sinne eines „Vermögens“. In diesem Sinne verstehe ich die Möglichkeit aus einem Zusammenhang heraus, der sich nur motivational verstehen läßt. Die Wahrheit der ersten Formulierung des Satzes ergibt sich aus der Wahrheit des propositionalen Gehaltes. Ich könnte etwa einen Biologen fragen, ob es prinzipiell möglich sei, daß jemand mit meiner körperlichen Ausstattung in der Lage ist, die Hand zu bewegen. Der Biologe wird mir diejenigen Bedingungen nennen, unter denen der (biologisch verstandene) Satz wahr ist oder nicht. So kann ich ihn verstehen. Die Wahrheit der zweiten Formulierung des Satzes ergibt sich aber nur in Bezug auf einen Willen. 107 Offenbar muß ein Vermögen, um sich erfüllen zu können, aktualisieren oder realisieren lassen, wohingegen bei der propositionalen Formulierung dies nicht der Fall sein muß. Ob ich nämlich wirklich in der Lage bin, meine Hand zu bewegen, hängt ganz einfach davon ab, ob ich es tun kann bzw. ob ich es wirklich tue. Mit anderen Worten: praktische Wahrheit ist zumindest auf Handlung und Tätigkeit, in einem höheren Sinne auf Entscheidung und Wahl, bezogen. 108 In Husserls Worten: „Eine Bewegung meiner Hand ist 104 105
SuZ, 143f.
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Vgl. dazu Tugendhat 1989, 216ff. Tugendhat verweist auf Kenny. Heidegger übernimmt in Sein und Zeit exakt diese Differenzierung. Vgl. Vgl. dazu Hua III/1, §103ff. Vgl. Hua IV, 258. Vgl. dazu Tugendhat 1989, 216f.
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nicht nur eine Seinsmöglichkeit“ (Hua IV, 262). Eine Tatmöglichkeit ist (unabhängig von der Freiheitsproblematik) zunächst darin gegründet, daß sie einen personalen und leiblichen Hintergrund hat. Mit Sätzen der Art „Ich bin in der Lage“ (Ich kann) referiere ich auf die Einheit meiner Person und meiner Geschichte. Ich gebe zum Ausdruck, daß ich grundsätzlich die Ausstattung habe, die Möglichkeit durch eine Handlung zu erfüllen. Ich gebe damit zu erkennen, daß ich eine Möglichkeit nicht als reines Vorkommnis verstehe, sondern als eine Möglichkeit, die innerhalb meines eigenen personalen Rahmens erfüllbar ist. Ich verstehe sie demnach als erfüllbar, weil ich sie als motiviert erfahre. Überlegungen sind nur auf der Hintergrundfolie solcher Motivationen denkbar. Innerhalb der Auseinandersetzung um Kognition und Handlung nun nimmt die praktische Möglichkeit eine besondere Stellung ein, weil die praktische Möglichkeit in Bezug auf die Leiblichkeit in gewisser Weise immer schon erfüllt sein muß. In anderen Worten: die personale Geschichte meiner Entscheidungen ist komplexer als die Geschichte meiner Bewegungen. Wenn ich nämlich Kenntnis von der Handbewegung nur durch ihre potentielle, aber nicht doxische Erfüllung haben kann, so kann ich das Bewußtsein des Handbewegenkönnens nur dadurch gewonnen haben, daß ich meine Hand schon einmal bewegt habe. Leibliches Können ist immer zugleich in seinem Hauptbestandteil Wiederholung. Selbst wenn ich mich auf Tätigkeiten beziehe, die ich noch niemals vollzogen habe, beziehe ich mich dabei auf etwas, das ich schon kann. Wenn ich als 17jähriger (in Deutschland) sage: „Ich kann Autofahren“, so weiß ich zwar nicht konkret, was es bedeutet, ein Auto einzuparken, aber ich stelle mir doch vor, daß das „Lenkrad bewegen“ oder die Schaltung anzufassen nicht so schwierig sein kann, weil sie alle auf „Basishandlungen“ beruhen und reduzierbar sind, so daß ich der Meinung sein kann, ich sei in der Lage, sie auszuführen. Wären mir keine der Handlungsbläufe auch nur im weitesten bekannt, so würde ich nicht einmal auf den Gedanken kommen, daß ich in der Lage wäre sie zu vollziehen. Es muß ein Kriterium (das natürlich auch falsch bzw. unerfüllbar sein kann) für meinen Glauben geben, daß ich es könnte. Leibliches Können speist sich daher immer schon aus etwas Vertrautem und Bekanntem, die einer Erweiterung der Spielräume fähig ist. Jedes Können – ob leiblich oder personal – ist motiviert. Während Vorstellungsmöglichkeiten auf Geschehnissen beruhen, die die lebendige Gegenwart transzendieren, beziehen sich praktische Möglichkeiten auf Hand-
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lungen, die nicht als transzendierend beschrieben werden können. 109 Bezogen auf den Leib spricht Husserl daher auch von „kinästhetischer Motivation“ (Hua XI, 13): „Also in der Tat in besonderer Weise ist das System der Leibesbewegungen bewußtseinsmäßig charakterisiert als ein subjektiv-freies System. Ich durchlaufe es im Bewußtsein des freien ‚Ich kann’“ (Hua XI, 14). Dieses Könnensbewußtsein ist aber seinerseits gehalten von den Möglichkeiten, die sich mir schon erfüllt haben und so meine Habitualität ausmachen. 110 Nur so ist die Rede von einem „System“ verständlich zu machen. Die einzelnen Phasen der Abläufe sind in einem praktischen Sinne untereinander impliziert. „Ich bin hinsichtlich der Erscheinungen nicht frei. Wenn ich eine Linie im freien System des ‚Ich bewege mich’ realisiere, so sind im voraus die kommenden Erscheinungen vorgezeichnet. Die Erscheinungen bilden abhängige Systeme“ (Hua XI, 14). „‚Ich kann’ meinem Leib und die und die Stellung geben“ (Hua XIV, 81). Dieses System der Erscheinungen, das sich aus der zeitlichen Entwicklung meiner Handlungen, Überzeugungen und Wertungen ergibt, kann immer nur erweitert, eingeschränkt oder verändert werden. Die durchgehende Motivation erlaubt keine „Sprünge“ innerhalb der habituellen Dynamik. So läßt sich abschließend in Bezug auf das grundsätzliche Könnensbewußtsein festhalten: „Das kinästhetische Bewußtsein, das leiblich-subjektive ‚Ichkann’ und der Verweisungszusammenhang der Horizontintentionalität gehören [...] untrennbar zusammen“ (Lembeck 1988, 126). 2. UMWELT UND LEIB
Wir hatten oben schon angemerkt, daß Heideggers Unterscheidung von Welt und Umwelt merkwürdig stumpf bleibt und die Hypothese dieser Arbeit lautet, daß der Grund dafür darin zu sehen ist, dass HeiDieser Gedanke ist zentral für Heideggers Uminterpretation der Vergangenheit zum Gewesensein. Wenn er gleich zu Beginn von Sein und Zeit schreibt, daß man sich den Bezug der Vergangenheit zum Dasein nicht so vorstellen können, „daß sich ihm seine Vergangenheit gleichsam ‚hinter’ ihm herschiebt und es Vergangenes als noch vorhandene Eigenschaft besitzt“ (SuZ, 20) greift Heidegger schon die Diskussion der verschiedenen Möglichkeitsbegriffe auf. Wir werden später sehen, daß dies dazu führt, den gesamten Selbstbezug des Subjekts in einen praktischen umzuwandeln, wohingegegen bei Husserl eine Tendenz zur primären Bevorzugung der „Vorstellungen“ zu beobachten ist. Es ist daher nur um so erstaunlicher, warum Heidegger nicht auch die Diskussion der Leiblichkeit in seine Umweltanalyse in der gleichen Weise wie in seiner Selbst-Analyse aufnimmt. 110 Husserl spricht auch von „Bewegungsempfindung“: „es ist das Bewußtsein einer aktuellen oder potentiellen Handlung im Sinne des ‚ich bewege mich’“ (Claesges in Hua XVI, XXV) 109
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degger die Leiblichkeit in seiner Analyse aus dem Spiel läßt. 111 Husserl zufolge lassen sich für die Einführung des Begriffes „Umwelt“ zwei Gründe anführen. (1) Das eine Kriterium ist die unmittelbare Leiblichkeit und ihr „Hier und Jetzt“ (Hua V, 109). Die Umwelt muß hier verstanden werden als dasjenige, was mein Könnensbewußtsein unmittelbar ausmacht und sich laufend erfüllt. Dieses sind diejenigen Handlungen, die ich gegenwärtig vollziehe und die mich an die durch Zeit und Raum (und mein Leben) bestimmte Situation binden. Die ersten Handlungen sind in einem bestimmten Sinne praktisch, weil meine leiblichen Bewegungen sich nicht ohne ein implizites telos, ein „Hinauswollen“, verstehen lassen. In diesem Sinne ist die Umwelt immer „praktische Umwelt“ (Hua V, 113)). „Die motivierende Gegenwart für alles, was an sich ist, ist ja gerade mein Leib und eine jederzeit von ihm untrennbare unmittelbare Umwelt.“ (Hua XIV, 453). (2) Das zweite Kriterium ist die Individualität. Umwelt in diesem Sinne bezieht sich auf die Einmaligkeit meiner Person, die wiederum in der Einmaligkeit meiner Lebensgeschichte gegründet ist. Es geht um meine Umwelt im Sinne derjenigen Welt, die nicht die der Anderen ist. Mit anderen Worten: in Husserls Theorie wird die Umwelt an die Theorie der Intersubjektivität gekoppelt, was bei Heidegger grundsätzlich nicht denkbar ist, weil die Anderen
Es hilft auch nichts, daß Riedel und Gander auf Heideggers frühe Umweltanalyse verweisen und in diesem Zuge den Begriff der Situation ins Spiel bringen (das geschieht auch bei Heidegger selbst in seiner Aristoteles-Arbeit von 1923). Sie übersehen, daß nach Sein und Zeit eine Situation nur eine durch die Entschlossenheit erzeugte referentielle Welt sein kann, daß aber eine Umwelt, in der ich mich bereits befinde, keine eigentliche Situation für Heidegger ausmacht. Daher bleibt auch in der frühen Umweltanalyse aus dem Kriegsnotsemester unklar, in welchem Sinne Heidegger hier auf so etwas wie eine „Umwelt“ referiert. Vgl. Gander 2001, 256ff. Bernet setzt in seinen Ausführungen den Husserlschen Horizont mit der Heideggerschen „Umwelt“ gleich. Das scheint mir nicht völlig überzeugend zu sein. Vgl. Bernet 1994, 258. Es ist nur einer nicht erfolgten Lektüre Husserls zuzuschreiben, wenn z.B. Hogemann behauptet, daß Heidegger völlig richtig gegen Husserl herausstelle, daß Umwelt nicht mit Dingwelt gleichzusetzen sei. Schon in den Psychologievorlesungen und in den Ideen II stellt Husserl klar heraus, daß Umwelt eben nicht als Dingwelt zu begreifen sei. Vgl. Hogemann 1987, 60. Dementgegen hat Mickunas gegen Helds Zeitanalyse darauf hingewiesen, daß Husserl durch den Einbezug von Zeitlichkeit und Räumlichkeit einen Situationsbegriff impliziert. Vgl. dazu Mickunas 1989, 39.
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als Andere auf der Ebene des alltäglichen Handelns überhaupt nicht auftauchen. 112 Die zweite Ebene braucht uns an dieser Stelle zunächst nicht zu interessieren. Man muß zunächst sehen, daß dem Leib eine eigentümliche Verdecktheit zukommt, und zwar in dem Sinne, daß ich ihn nicht in dem Sinne verobjektivieren kann wie ich es immer schon mit Dingen tue, die in meiner Welt auftauchen. Obwohl ich meinen eigenen Leib im Sinne eines Objektes interpretieren kann, gelingt es mir letztlich nie, ihn vollständig in einen Gegenstand aufzulösen der nur für mich ist. Ich „habe“ einen Leib, „der so mein ist, wie nichts anderes mein sein kann“ (Hua XIV, 59). In anderen Worten: zu meinem Leib habe ich kein Besitzverhältnis. Der Grund ist darin zu suchen, daß derjenige, der etwas für sich hat, selbst auf einer ersten Ebene als Leib identifiziert werden muß. „Alle Dinge haben zu mir die Beziehung der Erfahrbarkeit und damit der Möglichkeit, für mich als Ich in Frage zu kommen für welche mögliche Praxis auch immer. [...] Aber mein Leib ist [...] Bedingung für die Erfahrbarkeit von allem Weltlichen, auch seiner selbst“ (Hua XIV, 456). Diese Selbstbezüglichkeit ist nicht erst von Merleau-Ponty entdeckt worden, sondern wird von Husserl schon früh thematisiert. Der Grund ist darin zu sehen, daß wir, um den Leib als Leib erfahren zu können, wir schon den Leib gebrauchen, um ihn erfahren zu können. „Der Leib“, schreibt Husserl, „ist in Beziehung auf sich selbst Wahrnehmungsleib und praktischer Leib“ (Hua XIV, 452). Mit anderen Worten: ich muß schon gewisse Bewegungen vollziehen, um meinen eigenen Leib entdecken zu können. Dabei reicht es nicht aus, wie bspw. Zahavi behauptet, daß sich der Leib in der Selbstberührung sozusagen affektiv verobjektiviert. 113 Dadurch, daß jede Empfindung nur innerhalb einer Bewegung und diese wiederum nur innerhalb eines teleologischen (willentlichen oder begehrenden) Rahmens auftauchen kann, ist die Affektivität nur innerhalb eines Welthorizontes denkbar, der praktisch erschlossen ist. Diese Erschlossenheit ist auf einer ersten Stufe selbst leiblich zu interpretieren. Mein eigenes Können, meine eigenen Möglichkeiten, d.h. mein praktisches Bewußtsein ist zunächst leiblich. Dieses Können ist zunächst charakterisiert durch Normalität und Anormalität. Es ist uns normalerweise nicht bewußt, daß wir Häuser für eine durchschnittliche Leiblichkeit bauen. Es wäre durchaus möglich, Häuser zu bauen, deren Eingänge wir nur durch „Erklimmen“ erreichen könnten. „Es gilt nicht“, so Heidegger, „den monadologischen Ansatz zu ergänzen und durch Einfühlung zu verbessern, sondern zu radikalisieren“ (GA 27, 145). 113 Vgl. Zahavi 1999, 103ff. 112
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Wir tun dies aber nicht, weil sich unsere Architektur, unsere Städte und unser ganzes Wegesystem an einer durchschnittliche Leiblichkeit orientieren. Anormalitäten haben wir durch technische Eingriffe zu „reparieren“ und in neue Normalitäten zu verwandeln. Natürlich ist das Faktum, daß wir zwei Beine haben, bloß ein empirisches Faktum. Aber es sorgt doch dafür, daß es unsere Mode und damit unsere Habitualitäten und unser Leben in einem durchschnittlichen Sinne strukturiert, bevor wir es überhaupt empirisch erfassen können. 114 Die Werkstatt Heideggers sähe anders aus, wenn wir drei Beine und fünfzehn Hände besäßen. Dieser Hinweis scheint zunächst banal, aber er weist darauf hin, daß die Räumlichkeit durch unsere Leiblichkeit und die technischen Veränderungen bestimmt wird – und zwar in einer Unauffälligkeit, die uns normalerweise nicht zu Gesicht kommt, weil sie unsere Lebenswelt ausmacht. Der Prozess der räumlichen Erfahrung ist dabei grundsätzlich durch die Erweiterung bestimmt, mit der wir die unmittelbaren Horizonte abwandeln oder abändern. Nun kann man sich aber immer noch fragen, in welchem Sinne ausgerechnet die Umwelt in diesem System auftauchen kann. Die Räumlichkeit per se, die durch die Leiblichkeit konstituiert wird, kann kein Kriterium für die Umwelt sein, denn sie konstituiert zunächst nur dasjenige, was alle Subjekte erfahren können. Einen Gegenstand erreichen können oder Bewegungen ausführen können konstituiert zunächst nur so etwas wie eine gemeinsame Welt, in der ich mir sicher sein kann, daß auch der Fremde überhaupt irgendetwas erkennen kann. Dieses Gemeinsame aber kann nicht erklärlich machen, was mich und den Fremden in den uns jeweiligen Umwelten voneinander trennt. Die Natur als solche (nicht als kultürliche) kann es nicht sein. Wieso spreche ich aber von meiner Welt? Husserls These – bezogen auf den Leib – ist zunächst, daß dasjenige, was zu mir gehört, zu meiner spezifischen praktischen Leiblichkeit gehört. „Das Ich als Ich der leiblichen ‚Vermögen’, leiblichen Tüchtigkeiten, als was ich durch meinen Leib kann; mein Leib in der Besonderheit leiblicher Vermögenseigenschaften. Hier in Richtung auf umweltliche Zwecktätigkeit“ (Hua XIV, 330; kursiv C.L.). Nicht erst die Dinge im Sinne von Werkzeugen machen meine Zwecktätigkeit aus, sondern schon die kleinste Bewegung, die ich im Bewußtsein des Könnens vollziehe, unterliegt einer um-zu-Struktur, die durch die Bewegungsintentionalität selbst gegeben ist. Natürlich können wir von Man muss hier noch hinzufügen, dass Heidegger niemals eine Phänomenologie des Phänomens der Durchschnittlichkeit selbst gibt, sondern es immerzu voraussetzt.
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willkürlichen, instinktiven, nichtbewußten Bewegungen sprechen, aber diese werden nicht im Sinne des Könnens vollzogen. Für das Bewußtsein praktischer Möglichkeiten muß ein Bewußtsein des Auch-andersKönnens vorliegen, andernfalls müssen wir von Trieben sprechen. 115 Dennoch können wir selbst Triebe, wenn sie uns zu Bewußtsein kommen, nicht anders als von uns bzw. unsere konzipieren. Ein Trieb oder Instinkt oder willkürliche Bewegung erscheint mir trotz seiner Passivität nicht als etwas, das völlig von mir abgekoppelt ist. Wir erfahren selbst willkürliche Bewegungen als unsere Bewegungen und nicht als Bewegungen eines Gegenstandes. Damit sind sie schon auf einen Willen bezogen. Selbst Störungen oder Totalausfälle des Körperschemas bzw. Krankheiten im Sinne Husserlscher „Anormalitäten“ erfahren wir als etwas, das uns zustößt und uns bestimmt, also somit nicht mehr absolut fremd ist. Dies verweist auf die grundsätzliche NichtObjektivierbarkeit des Leibes. Der Leib ist niemals nur kausalphysisches Ding: „Jedenfalls, so sehr der Leib ‚für sich selbst’ Objekt wird und so etwas wie res extensa ist, ist er es doch nicht im vollen Sinn der Natur – er ist die Voraussetzung jedes An-sich-seins und nicht selbst ein Ansich in der originalen Erfahrungssphäre“ (Hua XIV, 454). „Er ist Subjekt-Objekt“ (Hua XIV, 457) und das „Subjekt, das für sich selbst nie Objekt werden kann“ (Hua XIV, 86). Der Leib enthüllt sich zunächst nicht als physisches Objekt, sondern wird in seinem lebendigen Fungieren erfaßt. 116 Während wir zwar verschiedene Teile des Körpers objektivieren können und im Sinne von „Organen“ – also Leibwerkzeugen – ansprechen können, so bleibt doch der Hintergrund des ganzen Leibes immer in Funktion. 117 Wir können Organe nicht als losgelöste autonome Systeme begreifen, sondern müssen sie rückbeziehen auf den Leib, der als solches eine pure Ansammlung von Organen transzendiert. Der Leib ist mehr als das Gesamt seiner Organe. Dieses „mehr“ macht sich in seiner grundsätzlichen Nichtgreifbarkeit als Ganzes fest. Aber nicht nur die Werkzeuge entpuppen sich als eine Verlängerung des Leibes, als eine erste Einverleibung, sondern der Leib selbst kann, wenn ich ihn zusammen mit einem Objekt apperzipiere, selbst als ein
Husserl ist hier durchaus nicht eindeutig, denn es ist nicht klar, in welchem Sinne wir triebhafte Äußerungen und kinästhetisch-begehrende Prozesse auseinanderhalten können. 116 Vgl. Hua XIV, 61; vgl. dazu auch Lembeck 1988, 99ff. 117 Das hat Sartre aufgenommen. Vgl. z.B. Sartre 1993, 610. 115
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Werkzeug apperzipiert werden. 118 Halte ich den Hammer in der Hand und verfolge, wie ich ihn halten muß, um mit ihm Hämmern zu können, so apperzipiere ich in dieser Beobachtung meinen Arm als eine Verlängerung meines Oberkörpers und so als Werkzeug. Daraus nun könnte man den Schluß ziehen, daß doch eine grundsätzlich instrumentelle Beziehung zu meinem Leib vorliegt. Es erscheint aber zweifelhaft, ob der ganze Leib als ein Werkzeug betrachtet werden kann. Husserl scheint dies an einigen Stellen anzunehmen, aber das scheint mir nach dem Bisherigen nicht plausibel zu sein. Da der Leib niemals aus seiner Nullstellung herausrücken kann, er sich sozusagen andauernd selbst zu Leibe rückt, kann ich ihn nie im ganzen als Werkzeug apperzipieren, weil ich mich in diesem Moment als etwas Handelndes fassen muß, das mit einem Objekt (hier des Leibes) handelt. Handeln, wie Husserl in der Phänomenologie der praktischen Umwelt aufzeigt, ist aber nur leiblich möglich, woraus folgt, dass man in einen Zirkel zu geraten droht. Selbst wenn ich mich vor eine Tür werfe, um sie gewaltsam zu öffnen, wird es mir nicht gelingen, mich als Ganzes, das heißt als Ding, zu apperzipieren. Ich falle vor die Tür und nicht nur mein Fuß. Um meinen Leib objektivieren zu können, müßte ich selbst vor mir oder neben mir stehen können bzw. ein Anderer sein. Der Leib kann nie nur Ding werden. Aber es konstituiert sich ein Zusammenhang, in dem immer ein Leibteil als das Werkzeug des anderen betrachtet werden kann. In diesem Sinne muß man sagen, daß der Leib „als Urfeld seines Waltens, als das unmittelbar praktische Objekt“, fungiert, „wodurch sich alle praktische Beziehung zu anderen Dingen vermittelt“ (Hua XIV, 90). Durch die Beziehung auf uns oder eine ichliche Zentrierung erfahren wir die Leiblichkeit als grundsätzlich gerichtetes System von Bewegungen. Durch diese Gerichtetheit kommt ein praktischer Charakter ins Spiel. Damit eine Bewegung zielhaft bestimmt sein kann, muß sie einem wie auch immer implizit oder explizit konzipierten Zweck- und Wertsystem unterliegen. 119 Nicht erst die Gegenstände und ihr Bedeutungsnetz sind zweckhaft bestimmt, sondern die sie konstituierenden leiblichen Bewegungsysteme sind in sich zweckhaft bestimmt. Der praktische Leib ist der kinästhetische Leib mitsamt der Sinnesschicht, daß die Kinästhesen als eine rudimentäre Form des „HinauswolZur Nah-Fern-Gliederung des Aktionsraumes bezüglich der Werkzeuge vgl. Ströker 1965, 67f. 119 Vgl. zur Wertebene auch Seite 102ff. Vgl. zur konkreten Analyse unter Einbezug des Zwecksystems Carr 1986, 30ff. 118
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lens“ apperzipiert werden. Mit diesen erst konstituiert sich eine Umwelt, in der gewissen Dinge herausgehoben sind und andere nur im Hintergrund „herum“liegen. Die Umwelt „ist die Welt der Dinge, die teils mit in meinen Funktionen schon zugeeignete sind, den Stempel meiner fungierenden Subjektivität haben, die Bedeutungsniederschläge aus solchen Funktionen, und die also zurückweisen auf mein Fungieren nicht nur, sondern auf meine bezüglichen Leibesbetätigungen; anderenteils sind es Dinge, die mich nur flüchtig berührt und nicht beschäftigt haben, oder Dinge des offenen Horizontes, völlig unbekannt, in meine Zwecktätigkeit nicht hineinbezogen; und doch, es sind unbekannte Dinge, unbekannte Nützlichkeiten, Schädlichkeiten etc., also Beziehung auf möglichen Funktionshorizont“ (Hua XIV, 59). Der erste Interessenhorizont im Sinne von Gegenständen, die um mich herum sind, ist von dem ihn bestimmenden praktischen Leib zunächst abhängig. „Die Welt hat von mir her ihr Gesicht und teils ein flüchtiges, teils wie der Leib einen bleibenden Erfahrungssinn – von mir her“ (Hua XIV, 456). Der erste Horizont ist der Leib. „Die Umwelt des Ich hat ihre notwendige Beziehung zum Leib in doppelter Hinsicht [...]: als affektive Vorgegebenheit für das Ich, wobei der Leib passiv als Träger lokalisierter Empfindungen fungiert, sowie als praktisches Feld für ichliche Aktivitäten, wobei der Leib als Willensorgan kinästhetischer Spontaneität ausübt“ (Lembeck 1988, 100). 120 Interessenakte aber transzendieren den unmittelbaren Horizont von Vergangenheit und Zukunft. Etwas ist wichtiger als etwas anderes, es gibt ein Thema oder einen Zweck, der alle anderen Tätigkeiten unter einer Tendenz versammelt. Diese Tendenz darf zunächst nicht mit einer expliziten willentlichen Tätigkeit verwechselt werden. Sie ist ein „tendenziöser Zug“ (EU, 232). Die Bewegungssysteme sind als ein motivierter Ablauf leiblicher Tendenzen zu bestimmen, die durch einen Interessenhorizont bestimmt sind. Auf einer ersten Ebene ist aber der Bewegungshorizont mit dem kinästhetischen identisch. Die Aneignung des Leibes beim Kleinkind durch die Selbstreferenz, von der wir oben sprachen, ist die Konstitution der Umwelt. 121 Zunächst ist, wie Elisa-
Vgl. zum Träger der Sinnlichkeit auch Seite 102ff. In diesem Sinne schreibt Husserl: Der „Urleib [ist] Zentrum [...] einer orientierten Umwelt“ (Hua XIV, 9). „Und weiter, es ist konstituiert als beständig ‚eins’ mit seinem Leib, als beständig ihn nicht nur gegenwärtig habend, sondern durch ihn als Organ alle sonstigen äusseren Funktionen übend, und dem gegenüber steht die teils bekannte, teils offene Umwelt.“ (Hua XIV, 59).
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beth Ströker es formuliert hat, das „Ziel seiner Handlung, im Woraufhin der Bewegung“ (Ströker 1965, 71) erfaßt. Der Begriff des Interesses aber impliziert neben der Leiblichkeit, die im Spiel sein muß, einen personalen Horizont. „Die Begriffe Ich und Umwelt sind untrennbar aufeinander bezogen“ (Hua IV, 185). Unter „Person“ versteht Husserl zunächst all diejenigen Bedeutungsschichten, die über die Schicht der bloßen Dinge hinausgeht. Die „Umwelt enthält nicht bloße Dinge, sondern Gebrauchsobjekte (Kleider, Hausgeräte, Waffen, Werkzeuge), Kunstwerke, literarische Produkte, Mittel religiöser, rechtlicher Handlungen (Siegel, Amtsketten, Krönungsinsignien, kirchliche Symbole usw.)“ (Hua IV, 182). Als Personen sind wir auf die „uns umgebenden Dinge eben als unsere Umgebung und nicht wie in der Naturwissenschaft als ‚objektive’ Natur“ (Hua IV, 183) gerichtet. 122 Wenn wir einen Einstellungswechsel vollziehen, so können wir „Bewußtsein“ nicht nur als etwas Statisches betrachten im Sinne von „etwas“, das mit gewissen Eigenschaften ausgestattet ist (etwa Imagination, Erinnerung und Erwartung), sondern wir können es auch im Sinne einer Geschichte verstehen, in der der einzelne Akt nur im Zusammenhang seiner Vollzugseinheit und seiner motivationalen Zusammenhänge Sinn hat. Innerhalb dieser Zusammenhänge tauchen auch die zweckvollen, in begehrenden, wertenden und willentlichen Vollzügen konstituierten Gegenstände auf. In diesem Sinne bin „ich als Person, die sich auf die Welt bezieht, nämlich als irgendwie beschäftigtes, praktisches, sich praktisch interessierendes und handelndes Ich“ (Hua XIV, 457). Das, was die Umwelt im Sinne derjenigen „Welt, in die wir faktisch hineinleben“ (Hua IX, 508), von der Welt abtrennt, ist demnach, daß sie nicht nur auf die Leiblichkeit bezogen ist, sondern zu einer subjektiven Tradition gehört, in der sich bestimmte für mich oder für uns interessierende Zusammenhänge herausgebildet haben. „Die Umwelt konstituiert nicht nur als physische Natur, als Einheit von Erscheinungen, sondern als zweckvoll von mir gestaltete Umwelt (und von Anderen)“ (Hua XIV, 330). Husserl nimmt gegenüber Heidegger nicht an, das die Natur innerhalb der Umwelt entdeckt wird. Während Heidegger in Sein und Zeit davon ausgeht, daß „Natur“ entweder ein abstraktives Produkt ist oder infolge des Werkprozesses „mitentdeckt“ ist (SuZ, 70), geht Husserl von einem Naturbegriff aus, der wie bei Heidegger nichtwissenschaftlich ist, aber doch diejenige Schicht der Husserl macht schon in den Ideen II den Naturwissenschaften den Vorwurf, durch „die Selbstvergessenheit des personalen Ich“ die Natur „unrechtmäßig“ zu verabsolutieren (Hua IV, 184).
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Erfahrung meint, die uns überhaupt davon sprechen läßt, daß wir etwas gemeinsam als „objektiv“ erleben. Wenn ich jemandem den Hammer in meiner Werkstatt reiche, so gehe ich zweifellos davon aus, daß der Hammer, den ich reiche, auch von dem Anderen gesehen wird. In anderen Worten: die „Objektivität“ des überhaupt für uns Seins von Gegenständen erfordert, daß ich die Umweltgegenstände als überhaupt nicht nur für mich konstituiere wie ich es etwa mit Erscheinungen vollziehe, die ich habe, wenn ich Fieber habe. 123 Diese Schicht „objektiven“ Seins wird mitapperzipiert. Trotz aller Umweltlichkeit gehe ich davon aus, daß ein völlig meiner Kultur und Umwelt fremder Mensch dennoch überhaupt etwas vor sich hat, wenn er meine Welt betritt. Selbst bei Neugeborenen gehe ich davon aus, wenn ich die Rassel hin- und herschwinge, daß das Neugeborene „irgendetwas“ vor sich hat und wahrnimmt. Diese Gegenstände sind in erster Linie durch primitive Zeitund Raumbezüge konstituiert und explizit „sinnliche“ Gegenstände. Es macht keinen Sinn, einem Neugeborenen ein „Werkzeug“ in die Hand zu drücken. Ganz intuitiv gehen wir selbstverständlich davon aus, daß nicht die relative Umwelt von Zweckgegenständen die „erste“ Ebene ausmacht, sondern eine Schicht, die primär durch die Sinnlichkeit vermittelt ist. Auch solche Prozesse hat Heidegger überhaupt mißachtet in seiner Konstruktion. Das Beispiel des „Bantunegers“, dass Heidegger in einer seiner frühen Vorlesungen verwendet, um zu zeigen, dass auch der Fremde zunächst die Umwelt als „etwas um-zu“ apperzipiert, zeigt, dass seine genetischen Annahmen nicht immer aufgehen. Wenn man aber einmal einsieht, dass wir überhaupt keine Gegenstände apperzipieren können als mit der Trennung von „subjektive Erscheinung“ (wie Fiebererscheinungen, zweifelhafte Erscheinungen, Unsicherheiten) und intersubjektiv Seiendes, so müssen wir Umwelten als etwas betrachten, das durch die subjektive Lebensgeschichte (Motivationsgeschichte) hindurch ihre Sedimentierung in der ganzen Fülle der Aktcharaktere gewonnen hat. 124 In anderen Worten: Umwelt ist charakterisiert durch „Das liegt an der näheren Art, wie die Einfühlung ihren Sinngehalt gewinnt in Realation zu meinem Leib und meinen Innenansichten von dem ‚ich bewege mich dahin und dorthin’, zu einer beliebigen Raumstelle, versetze mich geistig an einen beliebigen Ort, un dzu jedem gehört eine eigene Weltansicht, ein eigener Weltaspekt“ (Hua XIV, 9) 124 „Ich, der ich bin, das Universum meiner Erlebnisse (ein Erlebnisstrom, das Reich der Immanenz in seiner zeitmodalen Gegebenheit und in beständigem Wechsel derselben), meinen Leib und meine anschauliche Umwelt, die mir auch originär gegeben ist und als die meine auch den Stempel der Subjektivität hat“ (Hua XIV, 233) 123
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die Fülle von Interesse, Leib und Handlung. Umwelt konstituiert sich durch Wertstrukturen, gemeinsame Räumlichkeit und Zwecke, sie ist durch ihre „dinglichen, axiologischen und praktische Auffassungen [...] konstituiert“ (Hua IV, 194). Die Umwelt ist geschichtet in a) das Umfeld leiblicher Möglichkeiten (konstitituiert durch kinästhetische Motivation). 125 b) Charaktere der Wichtigkeit (konstituiert durch Interessenmotivation) c) Charaktere der Zweckhaftigkeit (konstituiert durch Willensmotivation 126) Zu der Sedimentierung durch geschichtliche Prozesse tritt eine durch alle Schichten hindurchgehende Typik von Normalität und Anormalität hinzu. Von verschiedenen Seiten ist diese lebensweltiche Typik untersucht worden. Ich kann mir daher eine eingehende Diskussion ersparen. Da aber die Leiblichkeit die erste Erfahrungsebene ausmacht werden die grundsätzlichen Typen von Gegenständen überhaupt durch die leiblichen Prozesse gesteuert. „Bewusstseinsmässig konstituiert sich eine Welt der Normalität als erste wahre Welt und ihr gegenüber anomale Erscheinungen der wahren Welt, bezogen auf Abwandlungen der erfahrenen Leiblichkeit“ (Hua XIV, 68). 127 Eine erste Erweiterung und Einschränkung meiner Umwelt vollzieht sich anhand meiner Ausbildung der kinästhetischen Systeme und deren Abwandlungen und Störungen (Hua XIV, 69). Die „‚normale’ Leiblichkeit“ (Hua XIV, 121), d.h. ihre Typik, kann durchbrochen werden. Betrachtet man die Entwicklung der kindlichen Systeme, so muß man nicht nur eidetisch, sondern auch empirisch feststellen, daß die Leiblichkeit sich notwendigerweise durch solche entschränkende Beschränkung konstituiert. Die Umwelt ist konstitutiv beschränkt und unendlich erweiterbar (Typik). 128 Wachsen ist eine solche Abwandlung, in der laufend
„Ursprünglich gehört zu jedem System konstituierender Erscheinungen der einen und anderen ‘Welt’ ein motivierendes System von kinästhetischen Abläufen ...” (Ms. D 13 I, p. 25a). 126 Vgl. Hua XIV, 294: „die Gesetzmässigkeiten des Eingreifens, die des leiblichen Tuns und des absichtlichen, willkürlichen ‚ich handele’“. 127 Vgl auch Hua XIV, 69: „Die Subjektivität hat eine Normalität darin, dass sie, bezogen auf eine gewisse Normalität des körperlichen Leibes, normale Systeme von Erfahrungserlebnissen hat. Ebenso hat sie z.B. Normalität in Lustund Schmerzgefühlen, in Instinkten, Trieben, in ihrem sonstigen Verhalten, und auch da zeigen sich die Beziehungen zur Normalität des körperlichen Leibes“. Vgl. dazu Steinbock 1995, 132ff., vgl. Gander 2001, 142; vgl. Held 1991b. 128 Vgl. Hua XIV, 339. 125
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zwar die Typik durchgehalten wird, sie aber laufend in Abwandlung ist. Diese Prozesse spiegeln sich im Wachsen „meiner Welt“. §4: PRAKTISCHE INTENTIONALITÄT 1. VORBEMERKUNG
Nachdem in einem ersten Schritt des zweiten Abschnittes Heideggers Umweltanalyse und ihre Probleme (Pragmatismus, Störungstheorie, Sinnlichkeit, Leiblichkeit) dargelegt wurden (25ff.), wurde Husserls natürlicher Weltbegriff im Sinne der praktischen Umwelt eingeführt (67ff.) und deren zentraler Kern, nämlich der „praktische Leib“ (Hua IX, 391; Hua XIV, 451), bestimmt. In den folgenden Paragraphen werden die von Heidegger neu entworfenen Begrifflichkeiten aus einer Husserlschen Perspektive einer Relektüre unterzogen und auf das praktische Handeln im Sinne der leiblichen Intentionalität zurückgeführt. Dabei kommen Nähe und Ferne (86ff.), Sinnlichkeit und Berührung (100ff.), Berührung (Affektion) und Werthaftigkeit, Suchen, Vermissen, Aufdringlichkeit und Aufsässigkeit (108ff.) sowie der praktische Verweisungszusammenhang und die Zweckgebilde (115ff.) erneut aus husserlscher Perspektive zur Sprache. Insgesamt gesehen enthüllt sich praktische Subjektivität auf einer ersten Stufe als leiblich-praktisch situierte Form der Intentionalität. „Den Menschen als Subjekt zum Thema machen“, meint Husserl, „heißt ‚die’ Welt, so wie sie für ihn subjektiv erfahrungsgegebene, sachlich und praktisch orientierte ist, und so, wie sie für ihn bewußt und gegeben ist als zugleich selbe Welt Anderer, für sie so und so erscheinende und praktisch orientierte, beschreiben und so überhaupt unter dem Titel Umwelt ein Subjektives, von seiner Persönlichkeit Untrennbares beschreiben“ (Hua IX, 489; kursiv C.L.). Als Mensch bin ich derjenige, „der unter dem Titel Ich alles Ichliche der Vermöglichkeit, des Lebens in Aktivität und Affektivität einigt, aber auch verleiblicht [...]. Alles sonstige Körperliche, die ‚Aussenwelt’ ist als Einheit kinästhetisch-vermöglicher Mannigfaltigkeit beständig auf mich als Ich, also so wie ich konkret konstituiert bin, auf mich als Menschen ‚bezogen’, auf meinen fungierenden Leib, auf meine fungierenden Organe“ (Hua XV, 325). Husserls Aufweis der Umwelt im Sinne des natürlichen Weltbegriffes ist, wie gezeigt, an zwei zentralen Momenten orientiert: an dem, was „ich kann“ und an der Differenz von 85
praktischem Leib und objektivem Leibkörper. Es kann folgende zentrale Aussage festgehalten werden: „Nennt man jede Aktivität praktisch, jedes aktive Ergebnis ein praktisches Gebilde, so ist Erfahrung eine Praxis“ (Hua XV, 317). Das wirft nicht nur ein neues Licht auf die von Heidegger mit innovativen Pathos eingeführten Strukturen der Umwelterfahrung, sondern auch auf das schiefe Bild der husserlschen Phänomenologie als einer kognitivistischen. 129 2. PRAKTISCHE LEIBLICHKEIT IN NÄHE UND FERNE
Es werden folgende Strukturen aufgedeckt: Erstens ist Nähe und Ferne nur über die Leiblichkeit und die Bewegung fassbar. Umweltdinge müssen erreichbar sein. Die Erreichbarkeit verweist auf den Vorrang der Nähe im Sinne des Berührens. Das kann man auf die Zeuge zurückprojizieren und festhalten, dass ein Zeug sich über seine leiberweiternde Funktion fassen lässt. Dinge werden durch Einverleibung zu „Zeugen“. Die Differenz von Nähe und Ferne konstituiert sich durch eine ursprüngliche Negationserfahrung innerhalb des Berührungsfeldes. Damit wird eine Auseinandersetzung mit der Problematik der Sinnlichkeit vorbereitet, die Heidegger, wie oben festgestellt, in seiner Analyse an den Rand drängt. 130 Es wird sich hier zunächst der Differenz von Nähe und Ferne zugewandt, weil sie die offene und fließende Grenze der Umwelt markiert. Um von einer Umwelt sprechen zu können, muss man voraussetzen, dass sie gegen das, was nicht Umwelt ist, abgegrenzt wird. Nähe und Ferne ist in der Literatur ein früh aufgenommenes Thema. 131 Steinbock hat ihr eine beeindruckende Studie bezüglich der Konstitution des Eigenen und Fremden innerhalb von Heim- und Fremdwelt gewidmet. 132 Daran soll zwar angeschlossen, aber der Schwerpunkt auf die leibliche Konstitution von Nähe und Ferne gelegt werden, weil letztlich auch Heim- und Fremdwelt in einem transzendentalästhetischen Sinne an
Vgl. zur Abwehr dieses Mißverständnisses im Zusammenhang leiblicher Subjektivität Mohanty 1978, 332ff.. 130 Ich schließe mich damit den Ausführungen bei Mickunas 1989, 43 an. Dieser meint: „The objects must not only have a place with a slack, but they must also be accessible, must be handy, cannot be too far, out of reach, or too close, too imposing, obstrusive, and hence a hindrance to activity.“ 131 Vgl. insbesondere die anthropologische Phänomenologie bei Ströker 1965, 33-35, 65-70 und Bollnow 81-95; speziell zum Thema dieses Paragraphen vgl. Waldenfels 1998a, 234ff.; Waldenfels 1994, 199ff. 132 Vgl. insb. Steinbock 1995, 173-186; auch Held 1991 129
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ihr orientiert bleiben. 133 Die fremde Kultur, das fremde Land, die fremden „Genossen“, die weiten Fernen des Weltraumes sind nur für mich im Sinne einer Möglichkeit des Hinkommens und Hingelangens. Sie implizieren einen primitiven Begriff der Erreichbarkeit. Sicherlich können wir uns in der Moderne viele Formen der zeitlichen und räumlichen Möglichkeiten vorstellen, mit der Ferne umzugehen. Kutsche, Automobil und Flugzeug, aber auch Fernsehen, Telefon und Computer sind nur einige Möglichkeiten, die ursprünglich leiblichen Könnenshorizonte in die Technik hinein zu verlängern. Ursprünglich fungiert bei allen der Leib als intentionales Sinnesmoment mit, weil nur über ihn bzw. die Bewegung Räumlichkeit erfahren wird. Erstere ist in allen Kulturtechniken der Nähe und Ferne intentional als Sinnesmoment mitimpliziert. Steinbock hat diesem zentralen Kern nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und sich in seiner Studie mehr auf den generativen Aspekt der Konstitution von Heim- und Fremdwelt beschränkt. Dem soll hier eine um die leibliche Perspektive erweiterte Sichtweise zur Seite gestellt werden, um damit bezüglich der Heideggerschen Ausführungen eine Erweiterung vorzunehmen. Heidegger mißachtet in seiner Analyse der „Ent-fernung“, dass er die oben genannte Grenze zwischen Nähe und Ferne bereits voraussetzen muss. Wenn man nämlich danach fragt, warum nicht alles in der Nähe ist oder warum nicht alles in der Ferne ist, muss man, so soll hier dargelegt werden, auf den Leib zurückgreifen. Wenn das plausibel sein sollte, kann Heideggers eher verwirrende als aufhellende Aussage, Dasein sei in sich „entfernend“, konkretisiert werden. Selbst wenn „Entfernung“ im Sinne Heideggers als Existential in die menschliche Existenz eingeschrieben sein sollte, so ist damit noch nicht geklärt, wie die Differenz zwischen „weiter“ entfernt und „näher“ entfernt zu verstehen ist. Die Hypothese lautet, dass sich Nähe und Ferne im Zusammenspiel des Könnens und Nichtkönnens konstituieren. Ferne ist nur möglich, wenn ich nicht überall hin kann, wenn ich nicht alles greifen kann und wenn ich nicht alles direkt anschaulich gegeben habe. Diese Möglichkeiten diskutiert Husserl unter dem Titel „Erfahrungsbruch“ und Negation (Enttäuschung). Wenn man fragt, wie sich die Differenz von Nähe und Ferne genetisch ursprünglich konstituiert, muss man dahin kommen, dass unsere Spielräume von vornherein begrenzt und von einem negativen Moment durchdrungen sind. Jede Erweiterung, die wir innerhalb unserer Horizonte vollzieSteinbock behandelt den Leib kurz im Kontext der husserlschen Überlegungen zum Status der „Erde“. Vgl. Steinbock 1995, 113ff.
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hen, ist an eine Typik gebunden. Kenntnisnahme und Kenntnisverlust vollzieht sich mit einem „beschränkten, dabei lebendig fortschreitenden Erweiterungsstil“ (Hua XV, 198; kursiv C.L.).134 Heidegger diskutiert die Nähe und Ferne in seiner Umweltanalyse an zentraler Stelle unter dem Titel „Ent-Fernung“. Seine Analyse hat zum Ziel aufzuzeigen, dass alles Verstehen sein Verstandenes zuvor in die Nähe gebracht hat. Fremde Erfahrungen oder fremde Dinge werden so in die Bedeutsamkeitshorizonte eingegliedert, dass sie immer als ein Moment des gesamten Welthorizontes zumindest mitverstanden werden können. Durch die Orientierung auf mein vertrautes System der Bedeutungen und durch die „Ausrichtung“ dieser in ersterem erhalten alle Dinge ihren „Platz“ innerhalb einer durch die alltäglichen Hantierungen schon erschlossenen Umwelt zugewiesen. Durch dieses Raster kann nichts hindurchfallen, weil die Ganzheit der alltäglichen Verweisungen einen Gesamthorizont bildet, in dem jedes Ding sich „verorten“ muss. 135 „Nah und fern ist etwas, sofern es einen gegendhaften, d.h. auf das Dasein orientierten, und zwar seinen mit ihm vorhandenen Platz oder seinen im Besorgen als zuhandenen zugewiesenen Platz hat“ (GA 20, 310). Dieser Versuch eines Aufweises ist ohne den Einbezug des fungierenden Leibes nicht einsichtig. Einerseits nämlich meint Heidegger, dass sich Platz und Gegend aus ihrem Verweisungszusammenhang heraus erschließen. Ob sich also der Computerbildschirm auf der linken Seite des Schreibtisches oder auf der rechten Seite befindet, hängt davon ab, in welchem Zusammenhang er zu den anderen Utensilien steht. Heidegger will in seiner Weltanalyse klarmachen, dass das Zeug nur aus der Welt heraus und im Rückbezug auf diese verstanden werden kann. Ausschließlich bezogen auf diesen Verweisungs- und Welthorizont verlieren aber, so die hier vertretene These, die Begriffe „Nähe“ und „Ferne“ ihren Sinn. 136 Der Computer steht nicht deshalb „auf dem Tisch“, weil die Anziehungskraft zwischen den Atomen den Tisch nicht zusammenbrechen lassen, sondern weil er offensichtlich im Sinne Heideggers „etwas zum Schreiben“ ist. Das aber bringt ihn ebenso wenig Vgl. zu den Brüchen der Einstimmigkeit in der Erfahrung der Heimwelt Steinbock 1995, 240f. 135 vgl. dazu GA 20, 310. 136 Vgl. SuZ, 107: „In der Nähe besagt: in dem Umkreis des umsichtig zunächst Zuhandenen. Die Näherung ist nicht orientiert auf das körperbehaftete Ichding, sondern auf das besorgende In-der-Welt-sein, das heißt das, was in diesem je zunächst begegnet.“. Heidegger versucht, jeden Bezug auf den auch als Körper erfahrenen Leib zu tilgen. 134
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in meine Nähe wie wenn er stattdessen im Keller seinen Platz fände, weil niemand ihn bedienen kann, und er somit nichts „zum Schreiben“ ist. Bezogen auf seine Funktion ist es unplausibel, von Nähe und Ferne zu sprechen, weil Nähe und Ferne trotz aller Umcodierungsversuche räumliche Begriffe bleiben. Es macht stattdessen nur Sinn, wenn man beide Begriffe auf ein Hier im Sinne Husserl als „Nullpunkt“ der Orientierung bezieht, d.h. auch auf das sich bewegende Subjekt, also den kinästhetischen Leib. Wir können uns eidetisch variiert ein bewegungsloses Subjekt phantasieren. Man sieht sofort, dass ein solches Subjekt, wenn es nicht einmal mehr Teilkinästhesen (etwa im Sinne der Augenbewegungen) und den damit zusammenhängenden okulomotorischen Raum besäße, überhaupt keine Wahrnehmungsfähigkeit mehr hätte. Die Rede von Nähe und Ferne hätte daher keinen Sinn mehr. Nähe und Ferne sind per se leibliche Momente. Die Meinung Heideggers, dass Entfernen in erster Line in der „umsichtigen Näherung“ (SuZ, 105) als „in die Nähe bringen als beschaffen, bereitstellen, zur Hand haben“ (SuZ, 105) zu suchen sei, wäre widersinnig, wenn darin nicht das Moment mitgesetzt würde, dass alles, was in die Nähe gebracht wird, auf mich bezogen ist. 137 Dann aber muss man fragen, in welchem Sinne nicht nur der Bezug zu meinem Ich-, sondern auch zu meinem Hiersein hergestellt und verstanden ist. 138 Als absoluter Nullpunkt der Weltorientierung habe ich keinen objektiven Bezug zu dem, was mathematisch oder naturwissenschaftlich „Abstand“ genannt wird. 139 Sehe ich von weitem eine Quelle, wird – je nachdem, ob ich durstig oder nicht durstig bin – die Quelle in verschiedenen Graden der Entfernung erfahren. Dass die Quelle überhaupt innerhalb meines Erfahrungshorizontes auftauchen kann, kann man mit Heidegger abstrakt „Ent-Fernung“ nennen. Ich verstehe das Ding, das ich als zu Benutzendes apperzipiere, aus meinem umsichtigen Besorgen heraus. 140 Heidegger meint nun, dass die Modi der Entfernung geregelt werden von der in der Handlungssituation stehenden Person und seiner Bezüge auf die Handlungszusammenhänge. „Das ‚Nächste’ Das meint Heidegger sogar selbst. Die „jeweilige Nähe [...] zu mir“ (GA 20, 309) sei gemeint. 138 Vgl. dazu Casey 1993, 52ff.. 139 Vgl. auch Ströker 1965, 34: „Beider Unterschied ist kein bloß gradueller; Nähe und Ferne sind qualitativ verschieden. Ein Abstand läßt sich aus kleineren zusammensetzen; Nähe besteht aber nicht aus mehreren Nähen, Ferne nicht aus mehreren Fernen“. 140 Vgl. SuZ, 107. 137
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liegt in dem, was in einer durchschnittlichen Reich-, Greif- und Blickweite entfernt ist“ (SuZ, 106f.).141 Einmal abgesehen von der hier mitspielenden Leiblichkeit im Sinne des Reichens und Greifens, muss man fragen, ob eine solche Situation in ihrer Komplexität durch die von Heidegger zur Verfügung gestellten Mittel und die Welt der Werkstatt überhaupt erfasst werden kann. Für das Beispiel der Quelle wird das Zusammenspiel von Nähe und Ferne nicht nur durch das zu Besorgende geregelt, sondern durch das Begehren, den Durst zu löschen (strebendes Bewußtsein) und das Bewusstsein des Hinkommenkönnens (räumliches Bewußtsein). 142 In diesem muss notwendiger Weise das Bewusstsein intentional impliziert sein, nicht nur die begegnenden Dinge in die dezentrierende, „optimale“ oder in Heideggers Worten, in die „durchschnittliche“ Entfernung zu bringen, sondern sie möglicherweise an mich bringen, d.h. berühren zu können. Alle Erfahrung ist auf mich zentriert. Das nennt Husserl „vollkommene“ oder „absolute Nähe“. Ursprünglich heißt Nähe – und das übersieht Heidegger – dass man jedes Umweltding als ein Teil von sich selbst apperzipiert. Alle Dinge, die in der Erfahrungsumwelt auftauchen, erscheinen einverleibt oder – in Husserl Worten – mit meinem Leib geeinigt: „Dazu gehört natürlich die Einigkeit der Kleider mit ‚mir’, solange ich sie angezogen trage, auch natürlich die Einigkeit mit meinem Schreibtisch, solange ich an ihm sitzend, auf ihn ständig gestützt schreibe usw.“ (Hua XV, 276). Durch meine Leiblichkeit hindurch habe ich laufend meine Erfahrungshorizonte in „Ent-Fernung“, d.h. die Welt als „ein Reich durchgängiger Zugänglichkeit“ (Hua IX, 490) erfahren. „Zeug“ haben wir also nur deshalb in unserer Umwelt vorfindlich, weil wir – mit Husserl gesprochen – „die alltäglichen Gebrauchsobjekte in die Hand nehmen, heben, tragen können“ (Hua XV, 281). Wir apperzipieren sie also nicht nur als zweckhafte Objekte, sondern auch als sinnlich Erfahrbare. Zeug kann daher nicht nur über die Verweisungsstruktur im Sinne der „um-zu“-Struktur erfasst werden. „‚Zeuge’ im ursprünglichen Sinn“, schreibt Husserl, „sind physische Gegenstände, durch die das ursprünglichste, unmittelbare leibliche Tun und das nächst mittelbare des leiblich auf Äusseres WirDas nennt Husserl auch den „Nahraum“ (Hua XIV, 540). Das Begehren und Streben findet sich in Heideggers Umweltanalyse nur noch versteckt in dem Terminus „Suchen“. Es wird später darauf noch eingegangen werden, auch um zu zeigen, daß das umweltliche „Suchen“ ohne die von Heidegger ebenfalls übergangene Werthaftigkeit des Strebensprozesses undenkbar ist.
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kens die neue Form erhält, unter Mithinzunahme eines den Leib erweiternden Dinges zu wirken, und wirksamer, zweckvoller.“ (Hua XV, 276). Damit wird folgende Konsequenz deutlich: „Jedes [sic!] Leib ist unmittelbar Wirkungsorgan in die Umwelt, auch als das subjektive Zentrum – praktisches Zentrum für alle praktisch-äußerlichen Möglichkeiten.“ (Hua IX, 489). Bezogen auf die Diskussion der Rechts-Links-Unterscheidung führt Heidegger aus, dass beispielsweise Handschuhe, weil sie auf den Leib geschnitten sind, nicht als Werkzeuge im eigentlichen Sinne verstanden werden können. Durch ihre Anpassung an die typische Orientiertheit gehen Sie im „ich bewege“ auf. Dem entgegen meint Heidegger, dass das bei einem Hammer anders sei. „Deshalb sind solche Dinge wie Handschuhe selbst in sich auf rechts und links orientiert, nicht aber z.B. ein Ding wie der Hammer, den ich in der Hand halte, der aber nicht mein Sichbewegen im eigentlichen Sinne mitmacht, sondern der von mir so bewegt wird, dass er sich bewegt. Daher gibt es keine rechten und linken Hämmer“ (GA 20, 320).143 Diese Ausführungen sind nicht nur vor dem Husserlschen Hintergrund unplausibel. 144 Wenn ich nämlich einen Hammer statt in die rechte in die linke Hand nehme, und ich „Rechtshänder“ bin, so bemerke ich unmittelbar, dass der Hammer dort „nicht passt“. Die Apperzeption bezieht sich aber nicht nur auf den Hammer, sondern auf Arm und Hammer. Sie faßt den Hammer in eins mit dem ihn fassenden Arm auf. Er wird unmittelbar einverleibt und nur dadurch kann ich bemerken, dass ich offenbar „Rechtshänder“ bin. Letzteres ist, mit Merleau-Ponty gesagt, „[e]in Wissen, das in den Händen liegt“ (Merleau-Ponty 1974, 174). Der Hammer wird also nicht, wie Heidegger meint, von mir bewegt, sondern er bewegt sich mit mir mit: „Das ergreifende Glied erweitert sich körperlich, und in dieser Erweiterung gehört ihm die Kinästhese zu; und so hantiert es nun selbst als erweitertes Organ. Darin liegt, der erweiternde Körper
Vgl. ähnlich SuZ, 108f. Vgl. die Ausführungen zum praktischen Leib bei Mickunas 1989, 42f. Er spricht von einer durch den Leib orientierten Bewegung von vorne und hinten, links und recht. Dabei ist aber hinzuzufügen, daß die bloße Bewegungsrichtung nicht ausschließlich durch die anthropologische Bestimmung erklärt werden kann. Dazu muß eine Wertebene hinzutreten, die die Ausrichtung und den Strebenscharakter der Bewegung erklärt, was dann im Begriff „Interesse“ zum Ausdruck kommt. „Vorne“ und „Hinten“ sind ja lebensweltlich noch nicht als idealisierte theoretische Beschreibungen erfaßbar, sondern müssen aus der Perspektive des handelnden Subjekts als ein durch Wert und Zwecke sich ergebende Tendenz beschrieben werden. 143 144
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gewinnt Teil an dem Sinn ‚Organ’“ (Hua XV, 299). 145 Das aber bedeutet, dass es entgegen der Meinung Heideggers auch linke und rechte Hämmer gibt. Nur, wenn man die Zeuge ohne Bezug zur Leiblichkeit konzipiert, kann man wie Heidegger auf deren Neutralität gegenüber dem Körper hinweisen. Bei genauerer Betrachtung der Sachlage ist diese Position unplausibel. Der Hammer im Sinne von Zeug ist nicht nur ein Womit, als den ihn die Theorie Heideggers anspricht, sondern im Gebrauch ein Leibteil. Der praktische Leib kann, wie oben angesprochen, nicht als Ganzes als ein Werkzeug aufgefasst und apperzipiert werden. Er ist in der Wahrnehmung ständig fungierend und bildet das Gesamtsystem meiner praktischen Möglichkeiten, das den umweltlichen Wahrnehmungsprozess steuert, möglich macht und zu einer Situationsräumlichkeit (Merleau-Ponty 1974, 125) ausbildet. Meine Orientiertheit in der praktischen Umwelt wechselt nicht nur aufgrund der Änderung des Bedeutsamkeitszusammenhanges, sondern auch durch meine Möglichkeit, mich von einem zum anderen Platz bewegen zu können. Durch die primäre Apperzeption jedes Dinges, das in meiner Umwelt als potentielles Nahding auftaucht, kommt auch dem in die Umwelt eingreifenden Leib eine neue Stellung zu, weil alle Dinge grundsätzlich als Erreichbare konstituiert sind. Ein in der Nähe erscheinendes Ding oder ein Dingzusammenhang „hat in seiner sinngebenden Erfahrung höherer Stufe den Sinn einer intentionalen Einheit, die durch Ins-Spiel-setzen der entfernenden Kinästhese in die intentionale Einheit Nahding als optisch so charakterisierte, aber auch als haptisch unmittelbar greifbare und als praktisch unmittelbar zu behandelnde .“ (Hua XV, 308; kursiv C.L.). Seine Beschreibung von Nähe und Ferne führt Heidegger am Rande auch anhand der Sinnesfelder aus. Nach Heidegger ist das Tasten nicht Dieser Prozeß ist illustrierbar auch an der Ineinanderschachtelung verschiedener Sinnesfelder in einem praktischen Raum. Gegenüber dem traditionellen Schreiben mit dem Füllfederhalter ist das moderne Schreiben am Computer beispielweise ein weitaus differenzierter Prozeß als man gemeinhin glaubt. Wenn ich mit meiner rechten Hand zur Maus greife, erweitert sich nicht nur die Hand, sondern sie wird in Synthese mit dem visuellen Feld zum Mauszeiger auf dem Bildschirm, der die Verlängerung meines Fingers symbolisiert. Die Sinnesfelder und die damit assoziierten kinästhetischen Systeme sind fähig, neue „synästhetische“ Räume zu schaffen. Keinesfalls nämlich dient die Maus als „Handverlängerung“ dazu, die unter ihr liegende Unterlage abzutasten, sondern das Tastfeld wird durch das visuelle Feld in eine andere Richtung geführt und durch Assoziation umgelenkt. Obwohl also meine Hand außerhalb meines Gesichtskreises sich befindet, wird sie nichtsdestotrotz mit dem „visuellen“ Zeiger auf dem Bildschirm synthetisiert und meine Hand „tastet“ dort den Bildschirm ab. Vgl. zum Unterschied von Greif- und Zeigeraum auch Merleau-Ponty 1974, 129.
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für die Konstitution von Nähe und Ferne zuständig. „im Gehen auf der Straße berührt und betastet man mit jedem Schritt den Boden, lebt aber gerade nicht in dem Getasteten und dem in einem solchen Tasten Genäherten. Der Boden, auf dem ich gehe, ist gar nicht das ‚Nächste’, sondern ein Bekannter, der vielleicht zwanzig Schritte entfernt auf mich zukommt.“ (GA 20, 318). Grundsätzlich hat Heidegger natürlich recht: meine Aufmerksamkeit ist im Spaziergang nicht gerichtet auf meine Füße, die den Boden berühren, aber man darf nicht übersehen, dass hier aus strategischen Gründen die Sinnlichkeit als eine Karikatur ihrer selbst beschrieben wird. Denn auch in der Aufmerksamkeit auf meinen Bekannten, auf den ich gerichtet bin, apperzipiere ich ihn notwendig als erreichbaren Gegenstand mit. Wenn er mir von weitem zuwinkt, weckt er damit das mir eigenen System der Bewegungsmöglichkeiten, d.h. hier die potentielle Handbewegung meinerseits. Ich könnte sein Winken, seine Kopfbewegung oder auch sein Gehen nicht als solches verstehen, wenn nicht in diesem Verstehen mitimpliziert wäre, dass ich ihm möglicherweise die Hand geben könnte. Abstrakter formuliert: Könnte er nicht potentiell neben mir stehen bzw. ich neben ihm, könnte ich ihn also potentiell nicht berühren, könnte ich ihn nicht apperzipieren als jemand, der „so weit weg ist“, dass ich ihn „kaum sehen“ kann. Die Ferne, aus der heraus er mir begegnet, ist also überhaupt unverständlich, wenn ich nicht seine mögliche Berührbarkeit im Sinne des Tastens als sinnhaftes Moment mitverstünde. Im intentionalen Horizont dieser Situation ist das mögliche Tasten mitverstanden, weil horizonthaft bewusst. Es ist daher völlig ungerechtfertigt, wenn Heidegger das Tasten auf den direkten physischen Leibkontakt reduziert, ohne ein Bemühen sichtbar werden zu lassen, das Tasten leiblichsinnlich zu interpretieren. Das soll mit Husserls Analyse im nächsten Paragraphen nachgeholt werden, indem dort gezeigt wird, dass das Tastfeld für jede Umwelterfahrung die „Urkernschicht“ ausmacht, denn das „Nahding“ ist dadurch charakterisiert, „dass es die unmittelbare Berührbarkeit und Tastbarkeit appräsentiert“ (Hua XIV, 307). Die primäre Apperzeption jedes Erfahrungsgegenstandes als berührbarer und erreichbarer führt zu einem Dabeisein des Leibes in jeder Erfahrung: „Ich, mein Leib, ist bei immer neuen Dingen unmittelbar dabei“ (Hua XV, 311). Weiterhin muss geklärt werden, warum es überhaupt einen Unterschied in der anschaulichen Sphäre zwischen Nähe und Ferne gibt, d.h. wie sich deren Unterschied genetisch fassen lässt. Heidegger gibt, soweit ich sehe, auf diese Frage keine Antwort. Beachtet man in diesem 93
Zusammenhang sein mit kulturkritischen Tönen durchsetztes Beispiel des Rundfunks, muss man zu dem Schluss kommen, dass er in seinen Ausführungen die Konstitution von Nähe und Ferne durch die Erreichbarkeit und die Negation der Nahwelt bereits voraussetzt. 146 Um nämlich behaupten zu können, dass sich in der Moderne „eine eigentümlich erweiternde Näherung der Welt“ (GA 20, 312) vollzieht, muss man die Entfernung bereits als etwas verstanden haben, das außerhalb des durch Leib und darauf aufbauend durch technische Hilfsmittel wie Auto oder Flugzeug direkt Erreichbaren liegt. Dresden ist deshalb in der Nähe, weil wir hinkommen können, aber die Phillipinen sind in der Ferne, weil sie uns unerreichbar erscheinen. Für einen Weltreisenden kann sich das natürlich ändern. Er apperzipiert alle Orte als erreichbare, bis schließlich alles in seiner Nähe liegt. 147 Aber auch hier bleibt die Frage ungeklärt, wie sich die Differenz von Nähe und Ferne konstituiert, wenn wir sie nicht als eine „angeborene“ Trennung einfach hinnehmen wollen. Husserl bietet eine plausible ErVgl. zum Rundfunk GA 20, 312; SuZ, 105. Im Kontext von Nähe und Ferne ließe sich auch die Differenz von Erde und Himmel thematisieren, auf die Husserl in einigen Manuskripten eingeht. Bekanntlich spielen beide Begriffe auch bei Heidegger in den 30er Jahren eine gewisse Rolle. Beide dienen Husserl dazu, einen konkreten Ausdruck der für die Erfahrung von Nähe und Ferne zu gewinnen. Steinbock der bisher Einzige, der die komplizierten Bemerkungen Husserls in seinen Notizen zur Raumkonstitution interpretiert hat (vgl. Steinbock 1995, xx). Die generative Herleitung, die Steinbock anbietet, scheint mir die Sache aber zu einseitig zu betrachten. Der Zusammenhang von Wahrnehmungsleib und praktischem Leib, wie er oben dargelegt wurde, findet seine Grenze in sich selbst. Es ist mir weder möglich, mich selbst „aus dem Weg zu räumen“ noch um mich herumzugehen. Die praktischen Möglichkeiten, die ich habe, mich selbst als ein Naturobjekt nicht nur zu betrachten, sondern auch zu behandeln, sind begrenzt. Sie sind in sich begrenzt. Die Möglichkeiten, in die Natur hineinzuweirken durch Stoßen, Schieben, Werfen, Treten etc. sind mir unmöglich, wenn es um mich als ganzer Leib geht und nicht um Körperteile oder Organe. Aus eigener Kraft kann ich mich nicht zur Seite schieben, mich aus dem Nullpunkt herauskatapultieren. Ich bleibe immer „praktisches Nullobjekt“ der auf mich bezogenen Umwelt. Die Überlegung zum Bodenkörper „Erde“ dient daher nicht nur der generativen Perspektive, daß wir alle auf einen gemeinsamen „Körper“ zurückbezogen sind, sondern er dient auch dazu nachzuweisen, daß es ein Objekt geben muß, daß nicht Leib ist, aber mit ihm geeint, und zweitens dazu nachzuweisen, daß es ein Objekt geben muß, daß nicht Leib ist, aber an dem ich mich als Körper im Sinne anderer Naturobjekte erfahren kann. „Auf der Erde, oder an der Erde, von ihr weg, auf sie hin findet Bewegung statt. Erde selbst in der ursprünglichen Vorstellungsgestalt bewegt sich nicht und ruht nicht, in bezug auf sie haben Ruhe und Bewegung erst Sinn“ (Natur, 309) „Heimwelt – unheimische Welt: irdische Welt und Welt des Himmels, der unzugänglichen, für immer unheimischen Ferne, die doch den Sinn von Ferne hat, die idealiter näher gebracht, in Nähe verwandelt werden könnte“ (Hua XV, 226) 146 147
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klärung an, die es erlaubt, die Phänomenologie der Leiblichkeit mit seiner Theorie des Erfahrungsbruches zu verbinden. Auf letztere wird später noch eingegangen. Husserl meint, dass sich die Ferne durch die Negationserfahrung des Nicht-Erreichenkönnens konstituiert. Dem kinästhetischen System im Sinne eines praktischen Systems, mich bewegen und handeln zu können, wird ein Moment des Nichtkönnens entgegengesetzt, das grundsätzlich in jeder Erfahrung mitspielen muss, wenn die Ansicht richtig ist, dass alle personale Erfahrung zunächst Umwelterfahrung sein soll. 148 Husserl führt nämlich am Beispiel des Kindes aus, dass das Greifen nach den Dingen, die es als nah apperzipiert hat, enttäuscht werden kann. 149 Das Kind in der Wiege greift nach den Sternen, weil es im frühen Stadium weder die Systeme des Gehens noch die kognitive Abstraktion von Entfernungsangaben ausgebildet hat. 150 Husserl schreibt: „Das Kind, das schon die Konstitution der greifbaren Nähe aufgebaut hat, greift nach dem Ferneren, das sich erscheinungsmässig eventuell aus der greifbaren Nähe heraus entfernt hat und dabei Erscheinungsabwandlungen zeigt, die kontinuierlich und ähnlich denjenigen sind, die innerhalb jener engsten Nähe vorkommen. Aber danach greifend, wird es enttäuscht. Doch es ‚lernt’ auch im Gang der Erfahrung (als konstitutivem Aufbau), dass durch eine gewisse perspektivische Vergrösserung im Hinlaufen oder Hingetragenwerden die Greifbarkeit sich wiederherstellt.“ (Hua XV, 307). Den Unterschied Man kann sich fragen, so soll hier nur vorwegnehmend konstatiert werden, wie die alle Erfahrung regelnde Differenz von Fülle und Leere, von selbstgebender Anschauung und Leerintention, überhaupt zustande kommen kann. Auch hier kann man die Hypothese aufstellen, daß die Erfahrung ursprünglich von einer Negationserfahrung durchsetzt ist, die überhaupt erst die Differenz von Intention und Erfüllung konstituiert, und zwar in dem Sinne, daß diese Trennung offenbar voraussetzt, daß nicht alles erfüllt ist. 149 Für diese phänomenologische Diskussion, das soll hier nur vermerkt werden, gibt es eine Parallele in der frühen Psychoanalyse. Freud und im Anschluß daran Ferenczi haben dargelegt, daß die erste Entwicklungsstufe des Kleinkindes durch eine Begrenzung seiner Allmacht begriffen werden kann. Das Kind beginnt seinen ersten Lebensabschnitt außerhalb des Mutterbauches in einer Art magischen Welt. Seine Bedürfnisse erfüllen sich durch die sorgenden Bezugspersonen mithilfe „magischer Gesten“ und Gebärdensprache, also Handlungen, die man vollzieht, ohne sie zu verstehen. Aber dann erfolgt unweigerlich die Situation der Nichterfüllung, der Negation der Allmachtssituation des Säuglings. Diese Situation erzeugt einen „schmerzlichen Zwiespalt innerhalb seiner Erlebnisse“ (Ferenczi 1984, 73), so daß es sich nach Ferenczi in die perfekt-allmächtige Situation des Mutterbauches zurücksehnt (Ferenczi 1984, 68), weil sein Einssein mit der Welt nicht mehr erfüllt wird. Das zeitliche Aufreißen zwischen Bedürfnis und mißglückter oder zumindest verzögerter Befriedigung erzeugt demnach die erste wirkliche Wunschsituation. 150 Vgl. dazu Hua XV, 307. 148
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zwischen der Wand, die es aus seiner Wiege heraus sieht und den Gitterstäben, durch die es sie sieht, erfährt es dadurch, dass es nicht alles greifen kann, was es sieht, und dass es nicht alles anfassen und berühren kann, was es hört, etc.151 Folge ist, dass die „praktische Behandelbarkeit zur Durchstreichung kommt“ (Hua XV, 307). 152 Es muss demnach eine genetische Entdifferenzierung der Sinnesfelder geschehen, die nicht nur aus der ursprünglichen Berührungs- und Tastwelt die anderen sinnlichen Aspekte hervorgehen lässt, sondern das Tastfeld als primäre „Schicht“ in jeder Apperzeption mitappräsentieren lässt. In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn Husserl im Gegensatz zu Heidegger nicht von einer Ent-Fernung spricht, die der Ferne ihre Ferne nimmt. Heidegger meint: „Entfernen besagt ein Verschwindenmachen der Ferne, das heißt der Entferntheit von etwas, Näherung. Dasein ist wesenhaft ent-fernend, es lässt als das Seiende, das es ist, je Seiendes in die Nähe begegnen“ (SuZ, 105). Für Husserl ist aber aufgrund des dargestellten Vorranges der Sinnesschicht des Tastfeldes „alles Entfernen Entfernen von der Nähe, eine Entnahung [...]. Und so verweist zwar das Nahding auf Möglichkeiten und Vermöglichkeiten der Entfernung, aber verweist damit in eins immer auf sich selbst zurück als den Urstand, als den Urmodus, der sich intentional modifiziert.“ (Hua XV, 308). Nur deshalb auch kann sich überhaupt so etwas wie ein Werkzeug oder ein Zeugding genetisch zeigen. Der Grund dafür ist nicht darin zu suchen, dass es sich schon innerhalb eines Verweisungszusammenhanges befindet, sondern weil es mit dem Sinn der Nähe nur verstanden werden kann, weil es auf die „praktische Schicht“ (Hua XV, 308) des Leibes zurückbezogen bleibt, der durch die Bewegungssysteme und das kinästhetische Ineinanderspielen aller Letztlich muß diese Enttäuschung der Grund dafür sein, daß die Ferne sich immer sich selbst „transzendiert“: „Entfernungen können zurückgelegt werden; Ferne aber kann nie erreicht werden“ (Ströker 1965, 35). 152 Auf den Begriff der Durchstreichung wird später noch eingegangen werden. Husserl versteht darunter in den Analysen zur passiven Synthesis und in Erfahrung und Urteil das Außer-geltung-setzen einer als wirklich gesetzten Erfahrung durch Enttäuschung (Negation). Dies geschieht aber so, daß das Durchstrichene durch seine retentionale Abwandlung immer in der Gewißheit bleibt, ehemals keine Täuschung gewesen zu sein. Wenn ich in einer Wüste auf eine Quelle zulaufe und im Gewißheitsglauben bin, daß ich sie gleich anfassen werde, dann aber „enttäuscht“ werde, weil ich bemerke, daß es sie nicht gibt, so bleibt trotz der Negation des Wirklichkeitsbewußtseins weiterhin bewußt, daß ich damals glaubte, sie sei wirklich da. Husserl wählt den Terminus bewußt so, weil in einer Durchstreichung das Durchstrichene weiterhin sichtbar bleibt. Heidegger wird diese Struktur wieder aufnehmen, wenn er das Wort „Sein“ nach dem zweiten Weltkrieg durchstreicht. Vgl. Seinsfrage, 5, 31f, 34f.. 151
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Leibaspekte auf das „Eingreifen in die Umwelt“ (Hua XV, 308) verweist. „Jedes [...] Fernding hat nun die ‚Bedeutung’ so und so orientiertes Ding, zugehörig zu einer fernkinästhese [sic!] (Orientierungskinästhese), d.h. einer durch die faktische kinästhetische Situation in eins mit dem Fernding indizierten kinästhetischen Bewegung, durch welche das Ding zum Nahding wird“ (Hua XIV, 534). Da ich meinen Leib, wie schon erwähnt, nie so wahrnehmen kann wie ein anderes Ding, bleibe ich immer an ihn gebunden. Paradox gesagt: Ich kann nicht vor mir selbst fliehen, weil ich an meinen Leib gebunden bleibe, „ich kann ihn nie ‚herankommen’ und ‚weglaufen’ sehen und erst, wenn ich mich und meinen Leib selbst mit den Augen eines Anderen oder von ‚dort aus’ sehe, sind meine lokomotiven Bewegungen vorstellbar als herankommend und fortlaufend etc.“ (Hua XIV, 77). Daraus folgt, dass der Leib im Sinne des die Orientiertheit erst schaffenden Zentrums selbst außerhalb der Differenz von Nähe und Ferne Stehendes begriffen werden muss, denn „Nähe ist nichts ohne Ferne, wie Ferne nichts ohne Nähe“ (Hua XV, 309). Da aber der Leib sich, wie dargelegt, als Nullpunkt der Orientierung außerhalb dieser Trennung konstituiert, weil alles auf ihn zurückgebunden bleibt, kann er sich nicht erst durch Entnahung, durch Enttäuschung oder die kinästhetische Erfahrung konstituieren. „Mein Leib ist immer im ‚Da’, er bedarf keiner erscheinungsmäßigen Zurückleitung auf das Da“ (Hua XV, 312). Es gibt einen „Kernleib, der immerfort im Nullpunkt ist. Dieser Kernleib aber kann nicht als Körper wahrgenommen werden, der gegen den Nullpunkt der Orientierung sich bewegt.“ (Hua XVI, 368). Der Leib, der als willentlich-kinästhetischer im Sinne „kinästhetischer Strebensprozesse“ (Hua XV, 316) praktisch ist, kann nie nur als Körper erfahren werden. Zum Abschluß soll nun noch auf die Funktion des Gehens innerhalb der Konstitution von Nähe und Ferne eingegangen werden. 153 Es wurde oben gesagt, dass unter „Gehen“ nicht die objektive Bewegung meines Leibes von Ort A zu Ort B zu verstehen ist, sondern die Erfahrung, daß die Kinästhesen nicht auf Einzelerfahrungen beschränkt sind, sondern sich immer zu einem Gesamtsystem zusammenschließen. Erfahrungsverläufe sind mitbestimmt „durch die Kinästhese des Gehens als Lokomotion des ganzen Leibes“ (Hua XIV, 77). In der Wahrnehmungswelt lassen sich nach Husserl verschiedene Teilsysteme unterscheiden: Die Grundorientiertheit und ihr Wechsel 153
Vgl. dazu auch Claesges 1965, 83f., 93f., 103f..; Lembeck 1988, 113ff.
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konstituiert sich durch „Lagenveränderungen“. Darunter versteht Husserl den auf den eigenen Standort, die Eigenbewegung und die Umgebungsdinge bezogenen Erscheinungswechsel eines Dinges. „Alle Körper sind als gegen das Hier, den Nullpunkt, orientiert gegeben und sind gegeben als entweder dauernd (in betrachteter Dauer), als in der Orientierung (in der ‚relativen Lage’ gegen das immerfort bewusste ‚Hier’) unverändert, oder als in veränderlicher ‚Lage’. Das gibt eine phänomenale ‚Bewegung’, eine phänomenale ‚Lagenveränderung’ eben als Lagenveränderung der Orientierung, als erscheinende Näherung und Veränderung und ebenso als erscheinende Drehung und Wendung“ (Hua XVI, 368). Die Erscheinungsweisen der Dinge sind dabei immer bezogen auf die sie umgebenden Dinge. Die „Lagen“ von Dingen sind nur in einer Umgebung möglich. Ihre „Nähe“ untereinander bzw. ihre Nähe als Gesamtheit ergibt sich demnach durch ihre relative Aufeinanderbezogenheit, die auf mein „Ich bewege mich“ zurückverweist. Bewege ich etwa meinen Kopf, wechseln die Lagen untereinander. Das nennt Husserl auch „Orientierungsruhe und Orientierungsbewegung“ (Notizen, 25). Der Wechsel von Nähe und Ferne aber als solcher geschieht durch die Totalkinästhese des Gehens als einer rudimentären Form praktischer Intentionalität. 154 Husserls Beschreibungen der Funktion des „Gehens“ sind nicht eindeutig. In seinen Vorlesungen Ding und Raum geht er davon aus, dass der Nahraum, der sich durch bloße Gliederbewegungen konstituiert, in einem zweiten Schritt als solches durch die Totalkinästhese des Gehens „verschoben“ wird: „Im Gehen ‚verschiebe’ ich diesen Raum und kann jedes Fernobjekt nah bringen und so dem Nullpunkt annähern“ (Hua XVI, 365). Diese Lösung ist unplausibel, weil sie die Konstitution von Nähe und Ferne schon voraussetzt. Wenn ich durch das Gehen oder Bewegtwerden Ferne in Nähe umwandeln kann, muss ein Fernding schon als solches apperzipiert sein und kann sich nicht erst durch das „Gehen“ konstituieren. Es ist daher unplausibel, eine genetische Stufenfolge anzunehmen, die sich von der Konstitution eines „zweidimensionalen“ okulomotorischen Raumes hin zum Einen Spezialfall macht gegenüber dem „Ich bewege mich“ das Bewegtwerden aus. Wie oben bereits ausgeführt, ist Husserl der Ansicht, daß über letztere Differenz die Unterscheidung von Leib und Körper erfahren wird. Ich kann nur bewegt werden, indem ich mich zur bewegten „Sache“ mache und im Gegensatz zur Einverleibung quasi durch die sich bewegende Sache, etwa das Auto oder der Zug einverleibt werde: Ich erfahre „[d]as Realsein meines Leibes als Körpers der Naturkausalität durch Bewegtwerden“ (Hua XV, 248) (vgl. die oben dargelegte Problematik auf Seite).
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dreidimensionalen Bewegungsraumes des Leibes entwickelt. Jedes kinästhetische Teilsystem, z.B. das okulomotorische, ist als solches sinnlich und bewegt. Es muss als ursprünglich zusammenhängendes System konstituiert sein. 155 Deshalb ist es auch möglich, bei Abwandlungen der typischen Leiblichkeit immer noch von einem Leib zu sprechen. Nehmen wir an, alle Körperfunktionen bis auf das visuelle Feld sind ausgefallen. Wir müssten wie die Beckettsche Winnie in Glückliche Tage im Sand leben und nur der Kopf würde herausschauen. Wenn dazu keine über das Tasten-Getastetes konstituierte Leiblichkeit vorläge, wenn also bis auf die Augenbewegungen nichts vom Leib „gespürt“ werden könnte, so ließe sich subjektiv dennoch von einem Leib sprechen. Dieser Leib bestünde zwar nur noch aus den Augen, aber nichtsdestotrotz wird er (eingeschränkt und untypisch) immer noch als ein „Ich bewege mich“ erfahren. Es gibt also immer eine Totalkinästhese des Gehens. Wäre ich nur Auge, dann wäre die Bewegung des Auges zugleich die Kinästhese des Gesamtsystems und müsste daher „Gehen“ genannt werden. Daher kann das Gehen nicht der ausschlaggebende Faktor für die Konstitution der Differenz von Nähe und Ferne angesehen werden. Es kann ausschließlich als Moment angesprochen werden, Erscheinungsabläufe als Wechsel von Nähe und Ferne zu erfahren, weil die Lagen untereinander sich in neue Lagesysteme verwandeln können. Die durch die Negationserfahrung des nicht-alles-Erreichenkönnens konstituierte Differenz von Nähe und Ferne ist – wie oben festgestellt – konstitutiv beschränkt. Durch das Gehen versuchen wir, diese Beschränkung zu überwinden. 156 Wie die Motivation zur Überwindung der Beschränktheit durch Nähe und Ferne zu fassen ist, wird sich erst bei der Diskussion des Vermissens und Suchens ergeben (vgl. Seite 108). Wir können demnach als Ergebnis dieses Paragraphen festhalten: Erstens ist Nähe und Ferne nur über die Leiblichkeit und die Bewegung fassbar. Umweltdinge müssen erreichbar sein. Die Erreichbarkeit verweist auf den Vorrang der Nähe im Sinne des Berührens. Das kann man auf die Zeuge zurückprojizieren und festhalten, dass ein Zeug sich über seine leiberweiternde Funktion fassen lässt. Die Differenz von Nähe und Ferne konstituiert sich durch eine ursprüngliche Negationserfahrung innerhalb des Berührungsfeldes. Damit kann im Folgenden auf die Problematik der Sinnlichkeit eingegangen werden, die HeidegEs kann hier nicht auf die Problematik des Zusammenspiels von Zeitlichkeit und Räumlichkeit eingegangen werden. Vgl. dazu insb. Seebohm 1994, 69f. 156 vgl. Hua XV, 310. 155
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ger, wie oben festgestellt, in seiner Analyse an den Rand drängt. Die prinzipielle Berührbarkeit aller Gegenstände verweist im Sinne der Doppelempfindung nicht nur auf den tastbaren Gegenstand, sondern auf mich als berührende Subjektivität. Ich bin bei allen Gegenständen dabei. Der Vorrang des Tastfeldes kann (in den folgenden Paragraphen) in einer weiteren Bestimmung als Affektion gefasst werden. Damit wäre die Affektion im Sinne eines genetischen Begriffes von Sinnlichkeit in jeder Apperzeption aufgewiesen. Nur erstere kann erklären, warum ich in der Apperzeption eines Gegenstandes von diesem angegangen werden kann. Im übernächsten Paragraphen wird die Affektivität in Beziehung zur Werthaftigkeit gesetzt, das nicht nur ein anderes Licht auf Heideggers Begriff der „Bedeutsamkeit“, sondern auch auf „Aufsässigkeit“, „Aufdringlichkeit“ und „Suchen“ werfen kann. Letzteres ist ohne den Einbezug eines praktisch-begehrenden und strebenden Egos, d.h. ohne das „entsprechende zwecktätige Streben“ (Hua IX, 113) undenkbar. 3. LEIBLICHKEIT UND SINNLICHKEIT (BERÜHRUNG)
Wir hatten gesehen, daß sich Heidegger aus gewissen Gründen nicht nur gegen das Empfindung/Auffassung-Modell von Husserl wendet, sondern darüber hinaus eine stärkere These in seiner Analyse vertritt, nämlich die Behauptung eines absoluten Vorranges des Verstehens und des Vernehmens ohne das Moment der Sinnlichkeit (vgl. 56ff.). In diesem Paragraphen soll gezeigt werden, daß Husserl nur in seiner Frühzeit ein sozusagen statisches Modell der Sinnlichkeit vertreten hat, in dem die Empfindung oder später die hylē als funktionaler Stoff der Sinngebung verstanden wird. Bei sorgsamer Lektüre der Problematik des Leibes innerhalb der genetischen Phänomenologie kann man sehen, daß die Sinnlichkeit auf andere Weise als bei Heidegger, genetisch aufgewiesen und entdeckt wird als intentionales Implikat der Apperzeption. Es ist nicht nachvollziehbar, daß die sinnliche Struktur der Erfahrung erst in einem abstraktiven oder gar wissenschaftlichen Sinne gewonnen wird, wie es die Heideggersche Theorie nahelegt. Ganz im Gegenteil: Husserls Analyse kommt – grob gesagt – zu dem Ergebnis, daß die Sinnlichkeit in folgenden Sinnmomenten der Umweltwahrnehmung impliziert ist. Erstens impliziert jeder Erfahrungsgegenstand seine Erreichbarkeit. Zweitens führt diese Erreichbarkeit zum Vorrang des Tastfeldes im Sinne der Berührung und zum Dabeisein des Leibes in der Erfahrung. In diesem Sinne ist jede basale 100
Erfahrung „fleischlich“. Die Erreichbarkeit impliziert ein bestimmtes Sinnesfeld, über das letztlich auch die anderen Sinnesfelder bestimmt werden. Auch ein Geruch, den ich „in der Nase habe“, wird als berührbar apperzipiert, weil er als räumlich, d.h. als beweglich erfahren wird. Räumlichkeit wird primär über das Tastfeld und die Kinästhesen, d.h. Bewegung konstituiert. Die prinzipielle Berührbarkeit aller Gegenstände verweist im Sinne der Doppelempfindung nicht nur auf den tastbaren Gegenstand, sondern auf mich als berührende Subjektivität. 157 Ich bin bei allen Gegenständen dabei, weil ich mich in der Berührung (Sinnlichkeit als solche) selbst berühre. In diesem Sinne kann dem Heideggerschen Begriff des Sein-bei eine andere Sinnrichtung verliehen werden. Der Vorrang des Tastfeldes kann grundsätzlich auch als Affektion gefaßt werden. Damit wäre die Affektion im Sinne eines genetischen Begriffes von Sinnlichkeit in jeder Apperzeption aufgewiesen. Nur diese kann erklären, warum ich in der Apperzeption eines Gegenstandes von diesem angegangen werden kann. Darauf aufbauend kann dann im nächsten Paragraphen analysiert werden, wie die Affektion an die Werthaftigkeit gebunden ist und damit ein alternativen Begriff von Bedeutsamkeit aufgezeigt werden kann. Mein leiblicher Umgang zeichnet sich dadurch aus, daß ich ihn nie nur als Objekt oder Gegenstand erfahren kann. Insbesondere in der praktischen Tätigkeit kommt dies zum Ausdruck. Das nennt Husserl mißverständlicherweise auch „Innenansicht“ „Insbesondere subjektiv leiblich hineinwirken in die Natur hat eine doppelte Bedeutung, die einer Naturkausalität und eines nur von der Innenansicht der Leiblichkeit her verständlichen Prozesses“ (Hua XIV, 450). Das liegt an der – in Husserl Worten – noetisch-noematischen Doppeldeutigkeit des Leibes, an seiner Ganzheitsstruktur und der „Unteilbarkeit meines Leibes, obschon er als Naturding zerstückbar ist“ (Hua IX, 392). Das drückt Husserl nicht nur in seinen Reflexionen über das „Gehen“ 158, sondern auch im Begriff des „Waltens“ aus. 159 Mit „Walten“ bezeichnet Husserl das Phänomen, daß ich je als Ganzes in meinem Leib nicht nur bewegt 157
1999, 45ff.
Zu dieser Struktur vgl. die verständlichen Ausführungen bei Welton
„Zum ganzen Leib und speziell zur Leibesoberfläche gehört ein Tastfeld; wo immer er berüphrt wird, dem entspricht eine Berührungsempfindung, und jede Stelle des leibes kann darum die Bedeutung für das Wahrnehmen haben, weil jede Stelle zu einem Leibesorgan, das ist eben zu einem beweglichen System gehört, und schließlich ist der ganze Leib in eins beweglich im Gehen“ (Hua XIV, 449). 159 Vgl. auch Hua IX, 392f. 158
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bin, sondern überhaupt vor seiner „self-objectivation“ (Zahavi 1999, 105) 160 erfahren wird. 161 Die Welt ist über die Horizontintentionalität erfahren. Diese ist, wie oben ausgeführt, innerhalb der umweltlichen Tätigkeiten praktisch definiert. Meine Leiblichkeit bildet den ersten Horizont all derjenigen Tätigkeiten, die ich umweltlich vollziehen kann. Der „Umgang“ in meiner Heimwelt ist aber nicht nur durch explizite und implizite Anteile meiner Erlebnisse strukturiert, sondern ebenso durch deren Übergänge. Wir hatten oben festgehalten, daß Husserl einen neuen Begriff von Möglichkeit einführt, der die Horizontintentionalität spezifischer zu erfassen vermag. Die praktischen Möglichkeiten leiten die impliziten Anteile meines Erlebens. Wenn ich in meiner Werkstatt stehe und dem Werk in einem intentionalen Sinne zugewendet bin, so sind all diejenigen Tätigkeiten, die ich vollziehe, in einem potentiellen Sinne impliziert und aktualisiert. Die explizite Intentionalität kann man auch unter den Begriffen von „Konzentration“ und „Aufmerksamkeit“ fassen. Offenbar kennen wir verschiedene Grade, in denen wir etwas zugewendet sein können und wir kennen auch diejenigen Fälle, in denen wir die Themata und die intentionalen Gerichtetheiten wechseln können. Heidegger Hinweis auf die Störung meiner umweltlichen Tätigkeiten soll ja im Grunde nichts anderes ausdrücken. Innerhalb einer Störung wechsele ich meine „Aufmerksamkeit“. In anderen Worten: meine Zuwendung und somit meine Interessen wechseln. Da ich nie nur auf einen Gegenstand gerichtet bin, wechselt in solchen Fällen sozusagen das gesamte Wahrnehmungsrelief mit. Wende ich meinen Kopf, weil ich etwas suche, so wird die Umwelt in einem spezifischen Interesse erfaßt und strukturiert. Wenn ich mit meiner Suche beginne, indem ich bspw. umherblicke, so ist dieser Moment durch einen grundsätzlichen Wechsel der Hintergrund- und Vordergrundstruktur ausgezeichnet.
Die Selbst-Objektivierung ist begründet in folgendem Faktum: „Die gesamte Oberfläche hat das Tastempfindungsfeld auf sich“ (Hua XIV, 449). Erfahre ich Teile meines Körpers ohne Tastempfindungen, wie es bspw. bei Krankheiten der Fall sein kann, muß ich deren Sinn durch andere Sinne „ersetzen“. Ein Leib ohne jegliche Selbst-Empfindung ist allerdings nicht denkbar. 161 „[M]einen Leib erfahre ich in seiner ursprünglichen Doppelseitigkeit, aber mich selbst nicht etwa in der Körperlichkeit des Leibes ‚lokalisiert’, sondern als mich im Leibe waltend; lokalisiert ist nur das spezifisch Somatologische.“ (Hua XIV, 462). In anderen Worten: die Zentrierung meiner Erfahrung im Sinne des zeitlichen verstandenen „Ichs“ wird nicht im Sinne einer Empfindungslokalisierung erfahren. Ich erfahre zwar immer „mich“ in einer selbstaffektiven Empfindung, aber nie das „mich“ selbst als lokalisiert. 160
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Solche Wechsel unserer Erfahrungswelten beschreibt Husserl mit dem Begriff „Zuwendung“. Wir hatten oben bereits auf ihn hingewiesen (52ff.). Nehmen wir folgendes Beispiel: Ich gehe durch einen Wald, um zu entspannen. Meine Arbeitswelt verlassend, versuche ich in einem selbstgenügsamen Sinne meine Welt in einem ästhetischen Sinne zu erleben. Es handelt sich also um eine genetische Fragestellung. Ich versuche nicht im idealen Sinne Wesensstrukturen zu beschreiben, die die Momente meiner Erfahrung ausmachen, sondern ich versuche zu erfassen, wann diese Momente zur Entdeckung kommen und sich so als Momente der Erfahrung in der Erfahrung ausweisen. Nehmen wir also an, daß ich in irgendeinem Sinne bei meinem Waldspaziergang, bei dem ich mich in meiner Erinnerung verloren habe, „gestört“ werde. Das wird nicht dadurch geschehen, daß etwas eintritt, daß sich erwartungsmäßig erfüllt, sondern es ist durch ein Moment ausgezeichnet, das man „Hintergrundaffektion“ nennen kann. Plötzlich fällt mir etwas auf, daß zwar innerhalb meines Erfahrungshorizontes auftaucht und damit als etwas apperzipiert ist, aber nichtsdestotrotz nicht im unmittelbaren Sinne als „Adlerwagen“ o.ä. erfahren wird. Es gibt demnach Fälle, in denen sich die Struktur von Sinnlichkeit und Interpretation sozusagen umkehrt. Die gegenständlich-hermeneutische Erfahrung wechselt in den Hintergrund der Erfahrung und die Sinnlichkeit im Sinne dessen, was als nicht sinnhaft erfahren wird wechselt in den Vordergrund. Dieses Charakteristische des „nicht sinnhaft“ nennt Husserl auch „ein Datum absoluter Unbekanntheit“ (EU, 34). Diesem kann ich mich zuwenden im Sinne einer Thematisierung. Ich kann zum Beispiel herausfinden wollen, was „das“ ist, das ich im ersten Moment als uninterpretierbar erfahren habe. Man muß daher zunächst festhalten, daß für die Zuwendung des Ich auf eine im Hintergrund erfolgende affektive Tendenz Kinästhesen mitzudenken sind. Wenn ich im Wald spazierengehe, bin ich nicht auf mich gerichtet im Sinne eines Körpers. Das leibliche Moment, das am Übergang von der thematischen Konzentration von einem Objekt auf ein anderes beteiligt ist, gehört zu dem, was Husserl „praktische Möglichkeiten“ (EU, 89) nennt (vgl. dazu 67ff.). 162 Diese leiblichen Möglichkeiten bilden den primären Horizont meiner Möglichkeiten, die meine Situation definieren, um den Verlauf der Wahrnehmung zur Er-
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Vgl. dazu die Ausführungen bei Aguirre 1991.
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füllung zu bringen. 163 Husserl unterscheidet zwei Modi des leiblichen Tuns. Einmal kann während eines thematischen Vollzuges ein Objekt im Hintergrund auftauchen, das mich zwar affiziert und tendenziös weckt, dem ich aber nicht so nachgebe, daß daraufhin ein thematischer Wechsel des Gegenstandsbewußtseins stattfindet. In diesem Falle würde ich zwar z.B. von einer Zweigbewegung affiziert werden, mich ihr aber nicht zuwenden. Diesen Modus nennt Husserl „ein Tun, das kein ‚Ich-tun‘ ist, ein Tun vor der Zuwendung“ (EU, 91). Ein anderes Mal kann es geschehen, daß mich ein Objekt so affiziert, daß meine Interessentendenzen sich erfüllen und eine zwar nicht willentliche, aber nichtsdestotrotz motivierte Zuwendung zum affizierenden Objekt geschieht. Erleidet das Bewußtsein eine Affektion, der es nicht im Modus der ichlichen Tätigkeit folgt, handelt es sich um eine reine passive Kinästhese, die das sinnlich-assoziative Hintergrundfeld der thematischen Aufmerksamkeit ändert. So kann ich durch den Wald laufen, während die Vögel singen. Diese Geräusche können passiv wechseln, ohne daß sich mein thematisches Interesse ändert. Es können etwa plötzlich innerhalb der Hintergrundkulisse andere Vogelstimmen, oder stattdessen mein Schrittgeräusch auftauchen. Diese Fälle sind Fälle der Konstitution von Sinnesfeldern, die des Bezuges auf eine „ichliche“ Tätigkeit entbehren. Sie sind zwar nicht ohne mich, aber eben auch nicht durch mich. Der kinästhetische Leib läuft dabei der ichlichen Hinwendung zuvor. Er ist sozusagen schon dort, wo das Ich hinstrebt und begrenzt so die Möglichkeiten im Sinne eines ursprünglichen Spielraumes, in dem sich das cogito „bewegen“ kann. Selbst eine Handbewegung gibt mir diejenigen „normalen“ „Wege“ vor, denen ich dann visuell oder akustisch „folgen“ kann. So enthüllt sich intentional bspw. das, was wir eine bestimmte „Stelle“ an einem Gegenstand nennen, als eine Möglichkeit, einen kinästhetischen Weg zur Erscheinung zu bringen. 164 Der leibliche Spielraum im Sinne eines „konstitutiven Doppelspiel[s]“
Vgl. auch Hua XI, 14: „Also in der Tat in besonderer Weise ist das System der Leibesbewegungen bewußtseinsmäßig charakterisiert als ein subjektivfreies System. Ich durchlaufe es im Bewußtsein des freien ‚Ich kann’“. Bei Gehlen heißt das treffend „Könnensbewußtsein der Tätigkeit“ (Gehlen 1997, 145). 164 Vgl. Hua XIV, 541. Vgl. zur Normalität in diesem Zusammenhang Claesges 1964, 47, 63; zum Können und den kinästhetischen „Wegen“ Claesges 1964, 75f.; zum Spielraum des Leibes Claesges 1964, 130f. 163
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(Hua XI, 15) ist begrenzend (Nichtkönnen) und eröffnend (Können) zugleich. 165 Voraussetzung ist, wie Husserl schreibt, folgende: „Jede visuelle Empfindung bzw. visuelle Erscheinung, die im Sehfeld auftritt, jede taktuelle, die im Tastfeld, auftritt, hat eine bewußtseinsmäßige Zuordnung zu momentanen Bewußtseinslage der Leibesglieder und schafft einen Horizont weiterer, zusammengeordneter Möglichkeiten, möglicher Erscheinungsreihen, zugehörig zu den frei möglichen Bewegungsreihen“ (Hua XI, 15). Tritt also in mein Wahrnehmungsfeld etwas Neues ein, fällt es - sozusagen - in den Leibhorizont hinein. Der Körper, auf den ich im Wald treffe, assoziiert sich also nicht nur mit einer aktuellen kinästhetischen Möglichkeit meiner selbst, sondern weckt das gesamte Erscheinungs- und Bewegungssystem, das ich besitze, mit. Dieses leibliche Erscheinungssystem als der Möglichkeitsspielraum, mir meine Kern-, Nah- und Fernwelt zur Erfüllung zu bringen, wird als „Bewegungsraum“ vollständig geweckt: „Jede gesehene Bewegung eines äusseren Dinges hat ihr Gegenstück in einer möglichen subjektiven Bewegung, in der ich subjektiv denselben Bewegungsraum ‚durchlaufe’“ (Hua XIV, 516). 166 Rollt ein Stein auf mich zu, kann ich nur deshalb zur Seite springen und ihm ausweichen, weil ich „sein“ Bewegungssystem in mir aktualisiere. Ansonsten bliebe unverständlich, warum ich zur Seite springe, obwohl mich der Stein noch nicht getroffen hat. Durch die Weckung des gesamten Systems und aller „Könnenshorizonte“ (Hua XV, 244) sind unmittelbar anderer Körper und der eigene Leib assoziiert und verbunden. Husserl nennt das „Deckung in Differenz“ (Hua XV, 642). Psychologisch kann man sich das klarmachen an der angestrengten Konzentration, die man aufwendet, wenn man einen Stein langsam auf sich zurollen sieht. Das, was Heidegger „Umsicht“ nennt, enthüllt sich letztlich als ein kinästhetisches System, zwei Bewegungen miteinander in Deckung zu bringen. In der psychologischen Überlegungen, ob er wohl an mir vorbeirollt oder mich treffen wird, findet ein gedankliches „Ablaufen“ der kinästhetischen praktischen Möglichkeiten statt. „Indem aller Seinssinn von Aussendingen zurückDas Zusammenspiel von Können und Nichtkönnen läßt sich auch sozialtypologisch untersuchen. So stellt Iris Young bezüglich der geschlechtsspezifischen Typik eine sozial vermittelte „inhibited intentionality“ und ein „I cannot“ bei der Frau fest. Vgl. dazu Young 1998, 265. Husserl analysiert aber das Zusammenspiel von Nichtkönnen und Können auf einer konstitutiven Ebene. 166 vgl. ähnlich Hua XIV, 545; Hua I, 146f., 154f. 165
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bezogen ist hinsichtlich aller ontischen Gegebenheitsweisen, der orientierten auf die Nahsphäre der Berührbarkeit und Greifbarkeit, der praktischen, unmittelbaren Vermöglichkeit des Schiebens, Stossens etc., sind alle Aussendinge – immer in der Primordialität, im Rahmen meiner eigenen originalen Erfahrung – eo ipso zurückbezogen auf meinen berührenden Leib“ (Hua XV, 309). Durch diese praktisch-leibliche „Näherung“ (Hua XV, 308) bleibt im vorhinein alles, was mir begegnen kann, auf die konkrete Subjektivität verwiesen. Normalerweise denkt man an einen Prozeß im Sinne einer Fernüberschiebung, also in erster Linie als einen visuellen Prozeß. Dieser Distanzcharakter ist aber in der leiblichen Appräsentation zunächst nicht gegeben. Durch das Indizieren meines eigenen Erscheinungssystems durch den anderen Körper wird primär meine „erstvertraute Nahsphäre“, meine „Kernwelt“ (Hua XV, 262), mitgeweckt und angezeigt. 167 Erstens ist der Raum im Sinne meines Erfahrungsraumes als prinzipell für mich erreichbar konstituiert. Selbst die Fixsterne und der „Rand des Universums“ ist durch die „Näherung“ als leiblich erreichbar gedacht. „Mein Leib kann überall hinkommen“, schreibt Husserl (Hua XV, 311): „die Wahrnehmung von Fernrealität in Ruhe und Bewegung setzt das Bewußtsein des Hinkommenkönnens etc. voraus“ (Hua XIV, 551). Diese Nähe der Berührung bedeutet – bezogen auf die Sinnesfelder – einen Vorrang des Tastfeldes als „Urkernschichte“ (Hua XIV, 484). Jedes Ding, sei es noch so weit weg, wird als möglicherweise Berührbares und Betastbares aufgefaßt. Ich könnte es erreichen und anfassen. „Mit jedem unmittelbar haptisch wahrgenommenen Objekt ist eo ipso von der Berührung her appräsentiert der berührende Leib, also auch mittelbar von seiten einer optischen Erscheinungsweise, die z.B. als Fernerscheinung auf Naherscheinungen und von da durch die Appräsentation auf mögliche Berührung ‚durch den Leib’ verweist.“ (Hua XV, 306). Es gibt nicht ontologisch voneinander getrennte Sinnesfelder (obwohl sie phänomenologisch-eidetisch bestimmt werden können) 168, sondern das visuelle Feld taucht immer synthetisiert mit dem taktilen Feld auf, was bedeutet, „dass ich jede Ferne verwirklichen kann als Nähe, als wobei ich berührend bin“ (Hua XV, 312). Die Berührbarkeit und ErreichbarVgl. dazu auch Waldenfels 1998, 234ff. Bezogen auf den historischgenerativen Prozeß der Kernwelt als „Heimwelt“ Held 1991; Steinbock 1995, section 4. 168 Vgl. dazu Hua XIV, 115: „Wir können unsere volle Erfahrung (die Wahrnehmung, die originäre Erfahrungsapperzeption) in gewisser Weise systematisch abbauen.“ 167
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keit ist also in der Körperkonstitution grundsätzlich impliziert. Dieser Vorrang der Berührbarkeit und Erreichbarkeit führt nicht nur entwicklungspsychologisch, sondern auch phänomenologisch dazu, den unmittelbaren Leibkontakt im Sinne der „Berührung“ als primäre Erfahrungsebene der Intersubjektivität anzuerkennen. Selbst wenn im Wald jemand auftaucht, der sich noch viele hundert Meter entfernt befindet, so ist er doch zunächst als ein Objekt meiner praktischen Kernwelt konstituiert, bevor ich ihn faktisch als nicht erreichbar auffasse. 169 In diesem Sinne ist jede Affektion – auch die visuelle - eine „Berührung“ und – bezogen auf die Sinnesfelder – eine Tastberührung. 170 Die Selbstaffektion im Tasten kann man also auch auf Nähe und Ferne beziehen, also auf den „taktuellen Nahbereich“ (Hua XIV, 239). So nahe wie im Tasten kann ich mir mit nichts anderem kommen, weil ich im Tasten schon bei mir bin. Man braucht daher die Stimmungen nicht gegenüber der „normalen“ Sinnlichkeit auszuspielen, wie es Heidegger andeutet. Beide erfüllen dieselbe Funktion eines sinnlichen Selbstbewußtseins. „Die Region der unmittelbaren Nähe bestimmt der Tastsinn als das (ohne Lokomotion) unmittelbare Tastbare. Der Leib liegt immer in dieser Sphäre.“ (Hua XIV, 239). 171 Man kann daran sehen, daß keine Apperzeption, keine Auslegung und kein Verstehen möglich ist, ohne eine rudimentäre Form von Sinnlichkeit mitzudenken. Daher muß die Heideggersche Polemik, die er - wie oben dargelegt – gegen das Auffassungsmodell ausführt, korrigiert werden. Jedes Objekt, das innerhalb meiner Horizonte auftauchen kann setzt potentielle „Naherscheinungen“ voraus, die „auf sie also intentional zurückbezogen sind.“ (Hua XIV, 239). Der „Nahbereich“ (Hua XIV, 239) wird auch durch die Leiblichkeit und Sinnlichkeit mitbestimmt. Sie ist in den praktischen Tätigkeiten, die wir in unserer Diese Schichtung ist ein weiteres Indiz für das „Merkwürdige der Doppelempfindung in der Selbstberührung“ (Hua XV, 302) (selbstaffizierenden Berührung), die die Phänomenologie nach Husserl nicht mehr losgelassen hat. Berühre ich mit meinem Finger einen Gegenstand, so berühre ich nicht nur den Tisch, sondern ich werde im Berühren sogleich berührt. Betaste ich mich selbst, ist immer eine selbstreflexive Struktur im Sinne eines Berührend-Berührten vorhanden, in der sich jeweils die eine oder die andere Seite entgleitet. Vgl. zur Doppelempfindung bspw. Hua XIV, 75f.; Hua XV, 297; Zahavi 1998, 218f.; Welton 1999, 46; Merleau-Ponty 1984, 52f.. Vgl. zur Selbstaffektion und zur Leiblichkeit Zahavi 1999, 91-109. 170 Vgl. dazu auch die Weiterführungen dieser Grundthese bei Lévinas in Lévinas 1998, 275-281. 171 Husserl merkt an: „Tastnähe, das unmittelbar im Tasten Zugängliche“ (Hua XIV, 239). Vgl. auch zur Bewegung, zum Betasten und Tasten der Dinge Hua XIV, 75. 169
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durch Zwecke und Werte ausgezeichneten Umwelt vollziehen, immer mit im Spiel. 172 4. BEDEUTSAMKEIT (AFFEKTION UND WERTHAFTIGKEIT)
Ich möchte nun, über den Einbezug der Leiblichkeit hinaus, die Struktur von Zuwendung und Affektion betrachten, um darauf aufmerksam zu machen, daß das Phänomen der Affektivität erst dann vollständig verständlich gemacht werden kann, wenn man den doxischen Momenten werttheoretische Momente zur Seite stellt. Diese neuen Momente lassen sich enthüllen, wenn man der Einsicht folgt, daß wir Affektionen und Gegenstände fühlend werten (Hua XV, 508). Nur so werden sie zu etwas für das sich diesen zuwendende Ich. Das „affektive Gesamtrelief“ (Hua XI, 164), das Husserl in der passiven Sphäre von „Tun und Erleiden“ (Hua XIV, 51) aufweist, kann letztlich nur unter Einbezug eines „wertaffektiven Reliefs“ verständlich werden kann. An dieser Stelle soll es nicht um die Beziehung von Affektion und Wert gehen, sondern nur auf die Ebene der Umwelt verwiesen werden.173 Das wertaffektive Relief taucht auf, weil ich in meiner Umwelt verschiedene Gegenstände gewichten und herausgreifen kann. Um etwas aus meiner Umwelt erfassen und ergreifen zu können, muß man voraussetzen, dass eine Interessengewichtung stattgefunden hat, von der her ich mich dem einen Gegenstand zuwenden und den anderen „achtlos“ herumliegen lassen kann. Gegenstände sind auch dadurch bedeutsam, dass sie sich mir im Sinne von etwas präsentieren, das mich angeht und „mir etwas bedeuten“. Dabei ergibt sich ihre Verweisungsstruktur nicht nur über die Zweckcharaktere und ihr „um zu“, wie Heidegger meint, sondern vor allen Dingen daraus, dass sie es mir Wert sind, benutzt zu werden. Nützlichkeit, oder, in Heideggers Worten, „Dienlichkeit“ ist nicht bestimmbar ohne die Erfahrung des „etwas ist
„Das praktische Walten: Der Leib objektiv erscheinend als im dinglichen Zusammenhang, aber unmittelbar mit einem Ding nur dann, wenn er subjektiv berührender ist. In diesem subjektiven Verhältnis gibt es nun noch Besonderheiten. Das Stossen, Schieben, das Ergreifen, das mit einem Ergriffenen und dadurch mit dem Leib Verbundenen ein anderes Objekt Stossen und Schlagen“ (Hua XIV, 449f.) 173 Ich habe dies an anderer Stelle detailliert aufgezeigt anhand von Husserls Manuskripten. Vgl. Lotz 2002a. Zum affektiven Relief vgl. auch Steinbock 1995, 153ff. 172
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gut, um zu“. 174 Die Dienlichkeit von etwas ergibt sich auch daraus, dass ich es etwas als nützlich, also als gut für etwas erfahre. Selbst bei einfachen Tätigkeiten wie diejenige des Hinsetzens ist zwar nicht eine explizite Wahl oder Überlegung impliziert, aber doch eine tendenziöse Ausrichtung meiner Interessen, nach denen ich etwas als gut oder schlecht erfahre. Dieses konstituiert die Differenz, nach der ich etwas als geeignet und „Zum Hinsetzen“ dienlich erfahren kann. Eine Speerspitze werde ich demnach, auch wenn es vielleicht der Situation angemessen sein mag, nicht als Sitzunterlage als „geeignet“ erfahren. In anderen Worten: diese Tendenz und Gerichtetheit meiner Umwelt läßt sich nicht nur aus der praktischen Verwendbarkeit der Dinge herleiten, sondern muß auch in den Sinne verstanden werden, dass mir Dinge wichtig sind. Die Beziehung der Objekte „auf die jeweiligen Werte bestimmt dann ihre Bedeutsamkeit“ (Hua XXXII, 86), wie Husserl in Anlehnung an Windelband schreibt. Selbst, wenn wir zugestehen, daß in der geschlossenen Werkwelt dieser Referenzrahmen kaum auffällt, so müssen wir sehen, daß diese Welt nicht die einzige Welt ist, in der wir leben. Wir hatten schon mehrmals angedeutet, dass dies ein Konstrukt Heideggers ist. Wir finden in unserer Welt ebenso Gegenstände wie Geschenke, gekaufte Produkte, Bilder, Vasen, Möbel und andere Dinge, die wir nicht nur implizit, sondern explizit als „Wertgegenstände“ erfassen können, ohne dabei gleich einen Güterbegriff voraussetzen zu müssen. Den Käse, den ich zum Frühstück esse, ist ja nicht nur ein Produkt, das ich gekauft habe, sondern dass darüberhinaus (hoffentlich) gut schmeckt. Das „Schmackhafte“ am Käse ist aber ein Wertcharakter. Nur unter Einbezug dieser Ebene kann ich den Käse als etwas Begehrliches apperzipieren. Wäre der Käse nur ein Ding, das sich über seine Verwendung – das zum Essen – konstituiert, so bliebe letztlich unerklärlich, was den Käse von Brot unterscheidet. Die Differenz beider Gegenstände ist nicht durch ihre Zweckdienlichkeit erklärbar. In anderen Worten: Heidegger bietet keine überzeugende Erklärungen, woher die Differenziertheit meiner Welt herrührt. Man kann hier unmittelbar sehen, daß Heideggers Analyse überhaupt nicht überzeugend ist, wenn man sich andere Situationen als die „Werkwelt“ als Beispiel nimmt. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Den Ring, den man morgens nach dem Aufstehen anlegt, ist nicht nur bestimmtbar über den leiblichen Effekt des Vermissens von etwas „am Leib“, sondern ebenso über das Ich folge hier der Tugendhatschen Analyse, der heraushebt, „dass der Gegenstand für eine Person einen [...] Wert hat, heißt, dass sie ihn für sich für [...] gut hält“ (Tugendhat 2000, 35).
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Gefühl, dass es angenehm ist, ihn zu tragen. Annehmlichkeit setzt aber bereits eine Wertimplikation voraus. So sind daher auch Gegenstände in meiner praktischen Umwelt als werthaft apperzipiert und strukturieren meine Umwelt mit. Ich umgebe mich nicht nur mit Dingen, mit denen ich umgehen kann. Das würde auf einen reinen Funktionalismus hinauslaufen. Sie sind darüberhinaus annehmlich, sie „passen“ oder „stören“. Diese „Paßlichkeit“ ist bereits ein Wertgefühl und es wird in erster Linie über leibliche Stimmungen erfaßt. Ich fühle mich gut oder schlecht, wenn ich morgens aufwache. Ich erfahre mich selbst als etwas, das mich belastet oder befreit. Eine „Last“ aber, die Heidegger zufolge auf die Gewesenheit zu beziehen ist und in der Stimmung erschlossen ist, ist bereits ein Wertcharakter. Belasten kann nur etwas, das in irgendeinem Sinne als „negativ“ erfaßt ist. Ansonsten macht die Einführung des Begriffes keinen Sinn. Auch Heideggers expressionistische Charakterisierung der Last als „Schwere“ (SuZ, 284) hilft, um die Sache zu verstehen, nicht weiter. Man kann an dieser Argumentation sehen, daß Heidegger überhaupt die Dimension der Komplexität unserer Welt in seiner Analyse verfehlt. Letztlich bleibt in seiner Analyse unklar, wie der Referenzrahmen, in dem ich mich bewege, überhaupt Erfahrungen von Unterschieden erklären kann. Wie wir sehen konnten setzt die konkrete Affizierbarkeit schon ein tätiges, leibliches Subjekt im Sinne des Strebens voraus. Der „Einsatz der Zuwendung“, wie Husserl auch sagt, setzt ein „tendenziöses Verhalten, ein strebendes, ins Spiel“ (EU, 86). Die Zuwendung ist nicht nur ein Effekt der umweltlich zuhandenen Gegenstände, sondern auf einer höheren Ebene betrachtet ebenso ein Effekt der Endlichkeit. Nur Wesen, die nicht alles zugleich thematisieren können und Wesen, die nicht über alle Gegenstände im gleichen Sinne verfügen können, müssen sich spezifischen Dingen zuwenden und über Interessenzusammenhänge Sinnhorizonte erschließen. „Inter est – in der Tat, wenn wir im weitesten Sinne von Interessiertsein, von Interesse gesprochen wird, so drückt sich damit unter einiger Erweiterung des normalen Wortsinns das Grundwesen aller Akte aus“ (Hua IX, 412). Wir können nur an etwas interessiert sein, weil wir zugleich an anderem nicht interessiert sind. In anderen Worten: wir bewegen uns immer in einerm Spielraum von Möglichkeiten. 175 In diesem Sinne ist auch die Leiblichkeit bereits in Interessenhorizonte eingebunden und ist durch „tätige subjektive Verläufe“ (EU, 89) charakterisiert. „Die Zuwendung ist selbst Die Frage ist dann, in welchem Sinne sich dieser Spielraum ändert, wenn wir ihn selbst „setzen“ bzw. bestimmen in der entschlossenen Wahl.
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charakterisiert als ein ‚ich tue’“ (EU, 90). Es ist daher vom Vollzug her gesehen eine Illusion, von „reinen Wahrnehmungsgegenständen“ zu sprechen. Die leiblichen Tätigkeiten, die wir in der Umwelt vollziehen, sind noch nicht als willentliche Tätigkeiten zu verstehen. Sie sind gewissermaßen „passive“ oder habituelle Interessen, die sich in der Konfrontation mit der Umwelt und ihrer Konstitution herausgebildet haben. Es steht nun in Frage, wodurch die Prozesse der Interessentätigkeiten in Gang kommen können und in welcher Weise die Motivation zu verstehen ist, die zu Zuwendungswechsel führt. Husserl bietet dafür eine einfache Lösung an. Die praktische Tätigkeit im Sinne des passiven Verhaltens und des aktiven Handelns innerhalb der Umwelt ist durch Werthaftigkeiten motiviert. Nicht nur zeichnet sich meine Gerichtetheit auf etwas durch meine selbstaffektive Komponente aus, wie wir bisher festgestellt hatten, sondern die Motivation kann gewissermaßen auch vom Gegenstand selbst her erfolgen. „Daß wir dabei von Interesse sprechen, hat seinen Grund darin, daß mit diesem Streben Hand in Hand ein Gefühl geht, und zwar ein positives gefühl, das aber nicht zu verwechseln ist mit einem Wohlgefühl am Gegenstande. Es kann zwar auch sein, daß der Gegenstand selbst unser Gefühl berührt, daß er uns wert ist, und daß wir uns darum ihm zuwenden und bei ihm verweilen. Aber ebensogut kann es sein, daß er ein Unwert ist und gerade durch seine Abscheulichkeit unser Interesse erweckt.“ (EU, 92). Wir können hier sehen, daß Husserl eine deutliche Beziehung zwischen Fühlen, Wert und Gegenstand herstellt. Betrachtet man nun die Analyse der Stimmungen in Sein und Zeit, so sieht man, daß Heidegger die Wertkomponente fallen laßt, sie aber implizit doch behandelt. Das positive oder negative Gefühl, daß sich auf unser eigenes Tätigsein und die Objekte bezieht, läßt sich nicht nur im Heideggerschen, sondern auch im Husserlschen Sinne als Stimmung verstehen. In der Stimmung erschließe ich nicht nur mein eigenes Sein, sondern die Gegenstände als bedrohlich oder als furchtbar. Die Furcht, wie Heidegger ausführt, erschließt „das innerweltliche Seiende in seiner Bedrohlichkeit und das In-Sein hinsichtlich seiner Bedrohtheit“ (SuZ, 141). Eine Stimmung erschließt also beide Dimensionen praktischer Subjektivität, nämlich die Beziehung des Selbst zu dem, was es nicht ist (Umwelt) und die Beziehung des Selbst zu sich selbst (Existenz). Bezogen auf die Furcht meint Heidegger nun folgendes: „Nicht wird etwa zunächst ein zukünftiges Übel (malum futurum) festgestellt und dann gefürchtet. Aber auch das Fürchten konstatiert nicht erst das Herannahende, sondern entdeckt es zuvor in seiner Furchtbarkeit“ 111
(SuZ, 141). Heidegger ist natürlich völlig recht zu geben in seinem Hinweis, daß wir die Stimmungen und Gefühle nicht in dem Sinne kognitivistisch überinterpretieren dürfen, daß sie uns zunächst einen Sachverhalt vor Augen stellen und wir dann eine „Reaktion“ zeigen. Die Innovation der Heideggerschen Ausführungen liegt ja gerade darin, dass sie gezeigt hat, dass die Stimmungen zu unserem ursprünglichen Weltbezug in der Weise dazugehören, daß wir uns und die Welt in ihnen auf bestimmte Weise verstehen. Grundsätzlich ähnlich wie in Schelers Projekt geht es darum, das emotionale Leben aus der „Zustandstheorie“ zu befreien. 176 Es bleibt aber dennoch unerklärlich, warum Heidegger die Wertebene auszuschalten versucht. Begriffe wie „Bedrohlichkeit“ oder „Last“ drücken eine Konfrontationsbeziehung aus, in der wir etwas erfahren, daß nicht so sein soll, wie es uns sich zeigt. Natürlich müssen wir vermeiden, in die Gefühle und Stimmungen einen „urteilsmäßigen“ Anteil hineinzuschmuggeln, aber dennoch erschließen gerade die emotionalen Komponenten unseres Lebens uns diejenigen Wertschattierungen, die uns unser theoretisches Vermögen nicht vermitteln kann. In dem Charakter der Bedrohlichkeit, den ich in der Furcht erfahre, erfahre ich zugleich auch dessen Negativität. Etwas zeigt sich mir als „nicht erwünscht“ und somit als etwas Negatives. Dieser Charakter des Positiven oder Negativen bleibt aber in Heideggers Analyse völlig unerwähnt. Diese Krititk läßt sich auch auf die Analyse der umweltlichen Dinge selbst erweitern. Wir hatten oben festgestellt, daß aus der bloßen Abwesenheit von etwas sich keinesfalls herleiten läßt, daß ein Ding vermißt wird. Dazu muß, so die Hypothese, Werthaftigkeit hinzutreten. Es ist nun interessant zu sehen, daß das Vermissen von etwas auch von Heidegger in seiner Umweltanalyse angeführt wird, um die Entdeckung des Zuhandenen im negativen Sinne und die Entdeckung des Vorhandenseins im positiven Sinne verständlich zu machen. Wenn ein Ding unzuhanden ist, so seine Argumentation, tritt einerseits der Charakter der Zuhandenheit nur um so deutlicher hervor. Andererseits tritt, wenn wir Heidegger folgen, im „ratlosen Davorstehen“ (SuZ, 73) die Welt in einem gewissen „Nur noch da sein“ in den Vordergrund. Es handelt sich in gewisser Weise um eine umweltliche Dialektik. Mit dem Heraustreten der umweltlichen Bewandtnisganzheit zeigen sich beide on-
Vgl. Scheler 1984, 269.
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tologischen Grundarten der Dinge in einem Geschehen, wobei sich beide gegenseitig bedingen und ausschließen. Heideggers Analyse impliziert zwei Dinge. Erstens: Der Wechsel des Hantierens zum ratlosen Davorstehen impliziert einen Zuwendungswechsel der Aufmerksamkeit oder – bezogen auf die Objektseite – des Vordergrund- Hintergrundreliefs (Wichtigkeit, Interesse). Zweitens: Heideggers Verwendung des Begriffes des Vermissens, so unlieb ihm das sein mag, impliziert eine Wertebene, die nicht mehr nur aus dem Verweisungszusammenhang bzw. aus dem leiblichen „Nichtmehr-zur-Hand-haben“ verstehbar ist. Die Erfahrung, daß das Ding eigentlich zu Hand sein soll, ist in der Erfahrung des Vermissens impliziert. Sicherlich handelt es sich nicht um eine kognitive „Feststellung“, daß das Ding fehlt und ich infolgedessen mit dem Gefühl des Vermissens antworte. Aber das Vermissen bleibt nichtsdestotrotz an die emotionale Ebene zurückgebunden. Bleibt ein Ding aus, dann bin ich „enttäuscht“. Dieses „Enttäuschtsein“ ist aber nicht nur durch die Abwesenheit von etwas verstehbar, denn gerade das „Vermissen“ deutet auf eine Ebene hin, in der ich die Abwesenheit des Gegenstandes in einem nicht-kognitiven Sinne entdecke. Das Vermissen bezieht sich aber nicht nur auf einen vermißten Gegenstand, sondern in erster Linie auf die Unerfülltheit des Vollzuges und das heißt auf die selbstaffektive Komponente des Vollzuges. Wenn diese, wie Husserl und Scheler anmahnen, an eine „normative“ Ebene gebunden ist, so erleben wir in der Erfahrung des Vermissens in erster Linie eine Nichterfülltheit von etwas Positivem. Wenn ich den Hammer aus dem Blick verliere und ihn so „vermisse“, dann deutet das darauf hin, daß „sein“ Platz und die dazugehörige Gegend als „so sein sollend“ erfahren werden. Meine Umwelt ist ja auch deshalb meine Heimwelt und meine alltägliche Welt, weil sie über Zufriedenheit, Vertrautheit, etc konstituiert wird. Vertrautheit ist aber etwas, daß konstitutiv nicht ohne „gut“ oder „schlecht“ erfahren wird. Man kann also zusammenfassend feststellen: Trotz aller Versuche gelingt es Heidegger nicht, die Strebenscharaktere des tätigen Umgangs zu tilgen. Das kann man vor allen Dingen daran sehen, daß der Zusammenbruch der Bewandtnisganzheit und das reflexive Heraustreten aus dieser als ein Prozess des Suchens beschrieben wird. Die Dinge sollen sozusagen wieder in ihre ursprüngliche Bedeutungsfunktion zurückversetzt werden. Wenn dies nicht gelingt oder unter anderen Vorzeichen steht, entwickelt sich die Neugierde. Im Prozess des Suchens nun nennt Heidegger drei Charaktere als „ursprüngliche“ Phänomene, 113
in denen sich das Vorhandene „meldet“, nämlich die Aufdringlichkeit, die Aufsässigkeit und die Auffälligkeit. Da Heidegger infolge der Nichtthematisierung der leiblichen Handlung in Form einer leiblichen Zuwendung und leiblichen Bewegung keine Affektion mehr denken kann, die die Zuwendung motiviert, geschieht die Störung in der Heideggerschen Theorie als irrationales, hereinbrechendes Ereignis in der Form eines Automatismus (Vgl. 52ff). Bedenkt man die Situation, die Heidegger beschreibt, und folgt seiner Anweisung, sich in sie zu versetzen (SuZ, 67), so läßt sich nicht erst auf den zweiten Blick erkennen, daß nicht nur die Umsicht und der Umgang, sondern auch die in der Störung sich zeigenden Charaktere der Auffälligkeit, Aufdringlichkeit und Aufsässigkeit (SuZ, 74) durch die oben genannte Substantivierung merkwürdig inhaltslos bleiben und nur den Anschein erwecken, als seien sie nicht weiter analysierbar und damit ursprüngliche Phänomene. Heidegger meint, daß in Folge einer gestörten Verweisungsganzheit durch das Fehlen eines Zuhandenen gerade die Zuhandenheit des restlichen noch zuhandenen Zeugs um so deutlicher zeigt. Je mehr man auf der Suche nach dem fehlenden Werkzeug sei, enthülle sich das Zuhandene im Modus der Aufdringlichkeit (SuZ,73). Es ist fraglich, ob die Aufdringlichkeit von etwas, die Heidegger erwähnt, ohne eine affektive Tendenz auf ein Ich bzw. auf das Dasein, also einer rudimentären Urform von Interesse an der Sache - denkbar ist. 177 Etwas Unzuhandenes zu suchen, also eine gehemmte Tätigkeit, wäre anders überhaupt nicht möglich. Die Aufdringlichkeit muß sich an etwas richten, das in seinem Vollzug und Interesse gehemmt ist. Wenn mich ein im Weg liegender Gegenstand immer wieder von meiner Zuwendung mit anderen Objekten abhält, so liegt die Aufdringlichkeit des Gegenstandes nicht nur an seiner geänderten Objektqualität, sondern auch an meinem eigenen Interesse bzw. Nicht-Interesse, mich mit ihm beschäftigen zu müssen, d.h. hier ihn zur Seite zu schieben. Aufdringlich ist also nicht in erster Linie der Gegenstand (noematisch), sondern auch meine Tendenz (noetisch), mich mit ihm abgeben zu müssen, obwohl mein Streben eigentlich auf ein anderes Objekt gerichtet ist. Nur in dieser horizonthaften Differenz von ichlicher Interessentendenz auf das thematische Objekt eins und der Tendenz, sich Objekt zwei, hinzuwenden, ist ein Phänomen wie die Störung beobachtbar. Ohne eine solche Konstitution verliert der Begriff jeglichen Sinn. Mit Husserl gesagt: „das sich Aufdrän„Aber so ist die Welt eine affektive Einheit, dass sich je einzeln Weltliches ‚aufdrängt’, das in der Verwirklichung durch Erfahrung vorgezeichnet ist“ (Hua XIV, 462).
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gende kommt dem Ich [...] näher oder bleibt ferner: es drängt sich mir auf. Wir unterscheiden also das, was sich aufdrängt, und das Ich, dem es sich aufdrängt.“ (EU,80f.). 5. UMGANG, KULTUR, ZWECK
Es wurde hervorgehoben, daß Heidegger den Übergang vom weltlichen, selbstverlorenen Hantieren zum auffallenden Ding, also den soeben angesprochenen Prozeß der Thematisierung von etwas, nicht im Modus einer Zuwendung des umgehenden Daseins denken kann. Um diesen Begriff im Sinne einer Bewegung nach dort untersuchen zu können, bräuchte er die Idee eines tätigen, leiblichen Ich. Da Heidegger (auf der Ebene des Umwelthandelns) eine strikte non-egologische Theorie des Bewußtseins vertritt, gibt es folglich keine Möglichkeit für ihn, eine in Ich, cogito oder auch Dasein zentrierte Tätigkeit zu denken. Denn für die Einführung eines in Tätigkeiten sich aufhaltenden „Daseins“ muß man unweigerlich auf die wichtige Funktion eines sich bewegenden Leibes in Form von Kinästhesen zurückgreifen. Nur diese können im Sinne „unauffälligen“ Bewegens verstanden werden. Es ist daher nicht erstaunlich, daß Heidegger bei der Charakterisierung des Daseins als eines tätigen und handelnden auf den Begriff „Handlung“ und „Tätigkeit“ verzichtet, obwohl offensichtlich ist, daß er solches im Auge hat. Anders wäre, worauf wir schon mehrmals hingewiesen haben, der Begriff „Umgang“ nicht zu verstehen. 178 Für Husserl bekommt die Frage nach dem tätigen Subjekt und der praktischen Intentionalität in den 20er Jahren einen hohen Stellenwert. 179 Insbesondere in den Manuskripten zur Psychologievorlesung von 1925 behandelt Husserl in Heidegger nicht unähnlicher Weise die Umwelterfahrung im Sinne einer praktischen Handlungserfahrung. Zentraler Begriff dort ist der Begriff der „Kultur-Erfahrung“ (Hua IX, 399) im Sinne „praktischer Umwelt“. Die grundsätzliche These kehrt hier wieder. Wenn ein anspruchsvoller Begriff von Umwelt gefunden werden soll, dann muß es ein Kriterium geben, das den der Welt von ihm abgrenzt. Ganz im Sinne Heideggers, aber weitaus einsichtiger, Um das Problem zu verdecken, spricht Heidegger davon, daß sich Dasein stattdessen in den Verweisungen „aufhalte“. Nur an einigen Stellen kommt er dann doch nicht darum herum zu sagen, daß es sich in seinen Verweisungen „bewege“. Gethmann übersieht dieses Problem völlig und identifiziert den „Umgang“ mit „Handlung“, ohne auf die phänomenologischen Konsequenzen eines solchen Schrittes einzugehen. Vgl. Gethmann 1988, 143f.. 179 Vgl. zur praktischen Intentionalität im allgemeinen Lee 2001. 178
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analysiert Husserl diejenige Welt, die sich gegenüber der Natur (die für alle im Sinne des räumlichen Etwas und der res materialis dieselbe ist) als eine beschränkte Welt konstituiert. „Die reine Naturbetrachtung entgeistigt also die Welt, ihr Interesse ist gleichsam blind für alles, was an der Welt vom Menschen, von irgendeiner Subjektivität her Bedeutung hat“ (Hua IX, 383). Obwohl noch nicht den Gedanken der „Heimwelt“ und der generativen Verknüpfung von Traditionen verfolgend, sucht Husserl hier auf anderem Wege, eine der Subjektivität angemessene Form von „natürlicher Welt“ zu finden. 180 Kultur wird als das bestimmt, was über die dingliche, die sachliche oder naturhafte Schicht der Erfahrung hinausgeht, die eigentlichen Bedeutungscharaktere ausmacht und über Intersubjektivität und Tradition vermittelt ist. Die innerhalb dieser Kontexte erfahrenen Gegenstände zeichnen sich im besonderen Sinne durch ihre „Bedeutsamkeit“ (Hua XIV, 230) aus, die durch Zwecktätigkeiten konstituiert wird. 181 Die idealtypisch zu gewinnende Schicht der Naturerfahrung ist in diesem Sinne nicht bedeutsam, weil sie unter Abstraktion von Werten und Zwecken betrachtet wird. Das bedeutet aber nicht, daß in jedem Fall eine Abstraktion erfolgen muß. Bekanntlich lautet einer der Vorwürfe gegen Husserls Lebenswelttheorie, daß sie die Welt auf universale Anschaulichkeit und eine Naturbasis reduziert und die verschiedenen Welten nicht begreifen kann. Insbesondere Waldenfels hat dies herausgearbeitet und das Argument wird in neuerer Zeit variiert. 182 Das ist so aber nicht ganz korrekt. Nehmen wir an, daß sich zwei Menschen mit total verschiedenen Wert- und Praxishorizonten begegnen. Unabhängig von jeder Kommunikation wird zunächst ein gemeinsamer (leiblich konstituierter) Weltzusammenhang konstituiert, in dem beide als Innerweltliches überhaupt auftauchen. Ohne diese minimale Basis von gemeinsamen Gegenständen, die wir in einem nichtwissenschaftlichen Sinne als Natur ansprechen können, wäre überhaupt kein Kontakt möglich. Natürlich kann die Natur zunächst im praktischen Sinne als Vgl. dazu Steinbock 1995, 170ff.. Die Umwelt „ist die Welt der Dinge, die teils mit in meinen Funktionen schon zugeeignete sind, den Stempel meiner fungierenden Subjektivität haben, die Bedeutungsniederschläge aus solchen Funktionen, und die also zurückweisen auf mein Fungieren nicht nur, sondern auf meine bezüglichen Leibesbetätigungen; anderenteils sind es Dinge, die mich nur flüchtig berührt und nicht beschäftigt haben, oder Dinge des offenen Horizontes, völlig unbekannt, in meine Zwecktätigkeit nicht hineinbezogen; und doch, es sind unbekannte Dinge, unbekannte Nützlichkeiten, Schädlichkeiten etc., also Beziehung auf möglichen Funktionshorizont“ (Hua XIV, 59) 182 Vgl. Waldenfels 1979, 134 und Gander 2001, 146ff. 180 181
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„rauschender Bach“ oder als „Campingplatz“ erfahren werden, aber das setzt schon eine Erfaßbarkeit von etwas, das für uns ist, voraus. Alles Zweckhafte weist zurück auf menschliche Tätigkeit und praktisches „Eingreifen“ und praktische Konstitution. „Kultur“, so Husserl, muß „als ein Reich zwecktätiger Erzeugungen und Erzeugnisse“ (Hua XIV, 230) aufgefaßt werden. Diese ist in der Gegenwart und das heißt in der Leiblichkeit zentriert. Alle Bedeutsamkeit innerhalb der umweltlichen Gegenständlichkeit weist auf diese zurück 183: „Und dazu eine praktische Gegenwart in weiterem Sinn und eine praktische Umwelt, die einen Umkreis, einen Gegenwartshorizont praktischer Möglichkeiten absteckt: das All dessen, was ich in der umweltlichen Gegenwart beeinflussen, in das ich zwecktätig eingreifen, worin ich Ziele haben kann“ (Hua XIV, 215). Die Apperzeption der Natur im Sinne dessen, worauf wir uns als bewußte Wesen als solche beziehen müssen, um überhaupt anderweitige Identifikationsakte vollziehen zu können, ist ein intersubjektives Geschehen, in dem ausschließlich die Bewegungsräumlichkeit des Leibes im Spiel ist. Zwecktätigkeit aber ändert deren Charakter von Grund auf. „Die Welt als ‚praktische Welt’, als in welche die Subjekte wirkend eingreifen können, die sie von sich aus verwandeln können“ (Hua IX, 390) im Sinne des „in die Umwelt hineinwirken[s]“ und „in der Weise des Umgestaltens, Zwecken des Ich gemäß“ (Hua IX, 391). Husserl beginnt seine Analysen, indem er das Subjekt und sein „Leben in der Natürlichkeit“ (Hua IX, 428) betrachtet. In dieser grundsätzlich allen Handlungen und speziellen Vollzügen zugrundeliegenden Weise leben die „Ichsubjekte“ (Hua IX, 428) als Handelnde und Tätige in die Welt hinein. Das „menschliche Leben“ vollzieht sich Husserl zufolge auf weltliche Zwecke hin, auf die hin die Beziehungen zwischen den Dingen bzw. die Beziehungen, die über einen einzelnen Gegenstand hinausgehen, strukturiert sind. Dieses „Hinausgehen“ im Sinne der Dingtranszendenz führt Husserl zu einer grundsätzlich neuen Bestimmung der Intentionalität im Sinne derjenigen Akttätigkeit, sie sich nicht am puren Ding „bricht“, sondern dessen Grenzen immerzu überschreitet. Innerhalb dieses Kontextes unterscheidet Husserl zwischen einer Intentionalität, die auf einen Gegenstand im Sinne eines Mittels gerichtet ist und einer Intentionalität, die auf denselben Gegenstand im Sinne eines Zweckes gerichtet ist. Ein Gegenstand wird zu einem Mittel, weil die subjektive Zweckbildung ihn in die projektiven Entwürfe Natürlich gibt es auch andere, „höhere“ Formen personaler Umwelt wie Sitten, Gebräuche, Ideen, Staat etc. die nicht unmittelbar auf den Leib verweisen.
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einspannt. Dieser Prozess wird abstraktiv und sekundär ausgeklammert, wenn man die Natur rein als solche thematisieren möchte. Erstaunlicherweise verdeutlicht Husserl die umweltliche Mittel-ZweckBeziehung anhand eines „Wegweiser[s]“ (Hua IX, 428), also eines Beispieles, dessen sich auch Heidegger in Sein und Zeit bedient. Ein Wegweiser läßt sich zweifach betrachten. Eine „erste“ Intentionalität richtet sich auf das Zeichen als vor mir stehendes, „in ihr fundiert eine zweite, die bedeutende, die hindeutende Intentionalität“ (Hua XI, 428). Letztere ist durch einen Strebenscharakter ausgezeichnet, und sie richtet sich auf das transzendierende Sinnmoment. Unter der Sicht dieser praktischen Intentionalität wird nun alles bloß theoretische subordiniert: „Die Mittel in der Praxis sind im prägnanten Sinn nicht Willensziele, nicht das, worauf man – letztlich – hinauswill. Doch sind sie im weiteren Sinn doch gewollt und in der Handlung verwirklicht, aber der Wille auf sie hat den Charakter des Durchgangswillens und trägt in dieser Weise zugleich in sich das vermeinte Ende als vermeintes“ (Hua IX, 429). Bezogen auf meine Projekte werden also alle Zeichen, die ich im materialen Sinne vor mir habe, zu Mitteln und erhalten von daher ihre ursprüngliche Bedeutung. Im Grunde verfolgt Husserl damit ein ähnliches Projekt wie Heidegger. Die theoretische Bedeutungsschicht unserer Erfahrung wird der praktischen subordiniert. Man kann diese Zweiteilung innerhalb der gegenwärtigen Umwelt bemerkenswerter Weise wiederfinden, und zwar in Husserls Aufteilung des Erlebens in zwei Formen der Intentionalität. Die eine Form nennt Husserl Interesse in dem Sinne, daß das Ich in irgendeinem Sinne immer mit etwas beschäftigt ist. Dieser Begriff von Interesse, und das hebt Husserl hervor (Hua IX, 412), referiert also primär nicht auf eine Habitualität. Daher unterscheidet er einen weiteren Begriff von Interesse, der sich habitualisiert hat und die Gegenwart transzendiert. Dieser Begriff des Interesses ist auf die personale Geschichte bezogen und wir verwenden ihn, wenn wir etwa sagen, da jemand „Interesse für etwas hat“ (als Person). Das Interesse im engeren Sinne ist ausschließlich auf das aktuelle Thema gerichtet, das Husserl „Aktthema“ oder „momentanes Thema“
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(Hua IX, 413) nennt.184 Er splittet also die thematischen Bezüge auf. Ein Thema finden wir innerhalb der lebendigen Gegenwart vor, das andere transzendiert deren Horizont. Akte des Interesses sind Akte, in denen das Ich in bestimmter Art und Weise am Akt beteiligt zu sein scheint. Es gibt keine neutralisierte Beschreibung von Interessenakten. Wenn ich einen Stuhl baue, dann sind während des Stuhlbauens meine leiblichen Handlungen und der Hintergrund bewußt, aber ich bin doch im speziellen Sinne auf etwas gerichtet und daran gebunden. Nur dieser Fokus darf Interesse genannt werden. Das nennt Husserl auffälligerweise auch „Bei-dem-intentionalen-Gegenstand-sein“ oder „Dabeisein“ (Hua IX, 412). Davon nun unterscheidet Husserl den weiteren Begriff von Interesse und Thema, und zwar dasjenige des „bleibenden Ich“ (Hua IX, 413). Dieses habituelle Thema greift über das aktuelle hinaus, und daher nennt Husserl es auch „Thema überhaupt“ (Hua IX, 413), und es sorgt als weiterer Pol der Intentionalität für die Einstimmigkeit aller Themata, denen ich mich innerhalb einer Erlebnisphase zuwenden kann. Alle „Sonderthemen“ (Hua IX, 412) werden demnach unter einem allgemeinen Thema und Ziel einstimmig geeint. Die personale Thematik kommt ins Spiel, weil wir in der Lage sind, durch alle Sonderthemen hindurch uns durch ein Projekt zu verstehen, das sich auf unser ganzes Leben bezieht. 185 Dieses Projekt unterscheidet unsere Identität in ausgezeichneter Weise von einer bloßen „idem“Identität, wie Ricoeur das in Das Selbst und ein Anderer ausgedrückt hat, und konstituiert uns als „ipse“-Identität. 186 Diese Identität ist eminent praktisch, weil sie auf unsere Zweckentwürfe aufbaut und die Einheit des eigenen Lebens im Sinne derjenigen Wahlen und Projekte, die ich vollziehe und vollzogen habe, konstituiert. Aus dieser Einheit werden schließlich auch alle umweltlichen Bezüge verstanden. Jeder Zweck, den wir Gegenständen geben können, ergibt sich letztlich aus denjenigen Thematiken, die über die konkreten Gegenstandsbeziehungen hin-
„Ein actus ist nicht nur ein Dahinströmenes im Lebensstrom, sich in ihm nur äußerlich Abhebendes, sondern er ist ein Prozeß, der in sich intentionale Einheit hat, in sich gerichtet ist, sofern durch ihn hindurchgeht Einheit eines Zieles. Das Ich als Aktsubjekt ist durch seinen actus hindurch kontinuierlich auf dieses Ziel hin gerichtet als ihm geltend, auf es meinend hinzielend. Dieses Ziel nennen wir allgemein das Aktthema“ (Hua IX, 411) 185 „Personale Betrachtung in rein personalem Interesse ist historische Betrachtung, sie führt notwendig von der personalen Gegenwart in die Genesis dieser Gegenwart, vom personalen Ich, als was es ist, zu dem, was es gewesen ist.“ (Hua IX, 490) 186 Vgl. Ricoeur 1996, 11. 184
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ausgehen und transzendieren. Mit diesem Gedanken bricht Husserl seine eigenen theoretizistischen Tendenzen. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Ich kann das Interesse haben, Musik zu hören. Meine Handlungen, meine Wertungen und meine Wahrnehmungen sind dadurch organisiert, daß ich daran interessiert bin, alle meine Einzelhandlungen auf ein Ziel hin auszurichten. Nun kann ich innerhalb dieses Prozesses zum Beispiel vor dem CD-Spieler stehen und irgendeinem Klavierkonzert von Mozart lauschen. Wir müssen hier also auftrennen zwischen einem Ziel, das darauf ausgeht, meine allgemeine Präferenz für Musik und das singuläre Thema, nämlich Mozart, miteinander zu vermitteln. Wir können folgende Schlußfolgerungen ziehen: die eigentlich praktische Intentionalität (Musik hören wollen) sorgt dafür, daß ich niemals völlig im Thema aufgehen kann und mich verlieren kann. Jede noch so singuläre aufmerksame Zuwendung zu einem Aktthema vollzieht sich immer innerhalb einer über sie hinausgreifenden Intentionalität, die teleologische Struktur hat. Eine über meine singulären Zuwendungen hinausgreifende Habitualität sorgt auch auf der wertenden Ebene für Einstimmigkeit. Als Musikliebhaber bin ich zunächst „der“ Musik oder vielleicht auch nur besonderer Unterarten als solcher positiv gegenüber eingestellt. Höre ich Mozart, so genieße ich nicht nur die Schönheit des aktuellen Stückes, sondern zugleich mein allgemeines Thema, nämlich Musik oder Mozart. So müssen wir nach Husserl „unterscheiden zwischen dem, worauf das Ich in seinem intentionalen Streben sozusagen eigentlich hinauswill, und andererseits dem, was es strebend doch erzielen will und muß, nämlich als bloß dienendes Mittel“ (Hua IX, 413). Eine weitere Spiegelung der Zweiteilung der Intentionalität findet sich in Husserls Überlegungen zur Zwecktätigkeit. Wenn ich mich handelnd mit Dingen beschäftige so verbleibt ihr naturhaftes, sinnliches Sein unauffällig im Hintergrund. Der praktische Umgang erzeugt neue Charaktere am Gegenstand. Ich kann mich nun reflexiv auf die theoretische Bedeutungsschicht richten. Das nennt Husserl auch „sachliche Betrachtung“ (Hua IX, 407). In dieser erscheint mir ein räumlicher Gegenstand bloß als Veränderung seiner „Objektgestalt“. Die sachliche Betrachtung ist also eine Vorform dessen, was dann theoretisch innerhalb einer nochmaligen spezifischen Reflexion oder Theorie idealisiert werden kann. Nun meint Husserl aber weiterhin, daß wir etwa das Schnitzen eines Pfeiles nicht verstehen, wenn wir es bloß in sachlicher Betrachtung auffassen. Dem entgegen müssen wir es verstehen als 120
„Verwirklichung einer Zweckidee“ (Hua IX, 407), die Husserl auch das „Dazu“, das „dazu Bestimmt- und Geeignetsein“ (Hua IX, 407) nennt. Ein Stück Holz etwa verstehe ich als „dienlich und dienend zum Heizen, als dazu geeignet und dazu bestimmt“ (Hua IV, 187). Diese Zweckidee erfassen wir nicht durch eine theoretische Reflexion oder eine Theorie, sondern nur, weil wir bereits an denjenigen kulturellen Prozessen teilnehmen, durch die die Zweckgebilde historisch sich konstituiert haben. 187 Der Prozeß der Herstellung des Zweckobjektes ist aufgeteilt in zwei Intentionalitäten. Einmal kann dem Objekt im aktuellen Vollzug ein Zweckcharakter zukommen. Darüberhinaus aber gibt es noch eine zweite Ebene, die den aktuellen Zweckcharakter mit einem zeitlich darüber Hinausweisenden einigt und der dafür sorgt, daß ich auch morgen noch die Schere als Schere auffassen kann. Wir können diese Zweckgebilde nur durch „Hineinversetzen“ verstehen. Entweder erinnere ich mich einer Handlung, die ich in meinem Leben schon vollzogen habe oder ich fühle mich in jemanden Anderen imaginierend ein. Das Pfeilschnitzen ist daher nicht über die Theorie verständlich, sondern die Theorie ist ein sekundäres Produkt des Tätigseins selbst. „Dieses Sinnhafte kann ich jederzeit mir explizit klären in dem MichHinein-Versetzen einerseits in die aktuelle Bestätigung des Schießens, andererseits in die Formung des Pfeils für diesen Zweck“ (Hua IX, 407). Husserl ist also der Meinung, daß es zwei Möglichkeiten gibt, einen Zweckgegenstand zu verstehen: entweder habe ich ihn hergestellt und mit einem allgemeinen oder individuellen Sinn ausgestattet, oder ich muß mit ihm tätig sein, um so seinen Zwecksinn verstehen zu können. Was „Hämmern“ ist verstehe ich nur, wenn ich hämmere, aber wenn ich noch nie einen Hammer gesehen habe oder noch nie einen in der Hand gehabt habe, wird es mir schwerfallen, seinen Sinn zu verstehen. Husserl gewinnt hier also konkret denjenigen Horizont, der Husserl Heidegger zufolge niemals gewonnen hat. Wir können durchaus den Dingen individuelle Sinncharaktere zusprechen, etwa indem wir einen Hammer versuchsweise in der Küche als Mixinstrument, oder indem wir ein Messer als Schraubenzieher benutzen. Aber dieser Effekt, den Einzelsinn zu transformieren, setzt bereits einen allgemeinen Zwecksinn voraus, der es mir erlaubt, die Gegenstände auch weiterhin als mit speziellen Zwecken ausgestattet zu verstehen. Es wird mir nicht gelingen - trotz aller subjektiven Zwecktätigkeit - den Schraubenzieher plötzlich morgen anders als einen 187
Vgl. Hua IX, 410.
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Schraubenzieher zu betrachten. Habe ich einmal verstanden, was ein Schraubenzieher ist, so bleibt mir dieser Sinn „normalerweise“ oder „durchschnittlich“ erhalten. Natürlich kann ich ihm eine andere Funktion zusprechen, aber seine „Sinn-Geschichte“ bleibt zumindest im Hintergrund erhalten. Erstaunlicherweise, aber das kann ich hier nicht diskutieren, verschwinden diese Normalitäten, wenn ich entweder schwere Körperschädigungen erleide oder wenn ich die Erinnerung verliere. Mit anderen Worten: Zwecksinne oder praktische Gegenstände kann ich nur haben, wenn ich nicht nur einen Lernprozeß voraussetze, sondern damit einhergehend eine Tradition und Geschichte. Daher ist der Vorwurf von Waldenfels und anderen, Husserl konzipiere die Lebenswelt im Sinne einer puren Anschaulichkeit, nicht völlig überzeugend. 188 Im Gegenteil: Husserl konzipiert die anschauliche Welt als Grundlage aller anderen, weil nur so es eine objektive Welt für alle anderen geben kann. Das heißt aber nicht, daß die Lebenswelt nur anschaulich-sinnliche Welt wäre. Husserl bezieht Abwesenheiten, Traditionen sowie praktische und wertende Charaktere mit ein. Durch die Verabschiedung der theoretischen Bestimmung der Akte wird Husserls schließlich selbst über seine eigene Theorie hinausgetrieben: „Das Interessiert-sein ist also praktisch ein strebend und eventuell handelnd auf tatsächliche Verwirklichung des Geglaubten Gerichtet-sein, in fortschreitender Erfahrung, die demnach zielstrebig ist“ (Hua IX, 189). Dieses Interesse, das nicht mehr nur einzelne Akte umgreift, sondern als wesentlicher Zug verstanden wird, muß damit in allen Akten aufgefunden werden. „Ich als Subjekt beständiger Strebungen, ein besonderer Strebenszug; jeder actus des Ich ist intentionales Gerichtetsein des Ich auf etwas; auf ein dem Akte immanentes Ziel“ (Hua IX, 411). Mit dieser Definition läßt Husserl den logischen Aktbegriff der Logischen Untersuchungen hinter sich, weil es nicht mehr erlaubt ist, auch nur einen Vollzug im idealen Sinn nicht als praktisch zu begreifen. Wenn Akte selbst durch Ziele oder Zwecke charakterisiert sind, und Zwecke auf der noematischen Seite auf willentliche Vollzüge zurückverweisen, dann wird der Erkenntnisprozeß praktischen Inte-
Vgl. dazu Waldenfels 1979. Mittelstraß und seine Schüler bekämpfen vor allen Dingen den Anspruch Husserls, die Lebenswelt selbst noch einmal transzendental analysieren zu können. Dabei übersehen sie, daß Husserl die transzendentale Analyse als eine Sinnanalyse konzipiert und nicht als Rückleitung auf ein transzendentales Subjekt. Implizit also muß auch Mittelstraß zumindest behaupten, daß die Lebenswelt analysierbar sei, sonst könnte er nicht darüber sprechen. Vgl. zum einflußreichen Apriorivorwurf Mittelstraß 1991. 188
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ressen unterworfen. So ist damit auch eine andere Motivation gefunden, warum sich Husserl der Geschichte immer mehr zuwendet. Den systematischen Knotenpunkt bildet auch hier die „Leiblichkeit als Organ der die Dinge und den Leib selbst verändernden Praxis“ (Hua XIV, 470), weil diese immer innerhalb der bzw. als Gegenwart bestimmt werden muß. 189 Die praktischen Möglichkeiten, die das Feld meiner leiblichen Tätigkeiten ausmachen, sind – wie wir oben gesagt hatten – immer schon aktualisiert. 190 Das Zentrum der Zwecktätigkeit liegt damit, was die gegenwärtige Zweckbildung angeht, im leiblichen Handeln, deren Horizonte aber werden von der Lebensgeschichte und den allgemeinen Lebensprojekten transzendiert. Es gibt einen „Zwecksinn ihrem Ende nach als das, worauf das Ich hinauswollte, als eine ihm nützliche Andersgestaltung des äusseren naturalen Seins, und die Zwischenstadien als Mittel und Methoden willentlicher Erzeugung“ (Hua XIV, 450). Ich erfahre mich als praktisch in meine Umwelt hineinhandelnd. Ich betätige mich und es konstituieren sich die basalen „Zweckgestalten“ (Hua XIV, 78) meines Lebens durch „Hantierungen“ (Hua XIV, 78).
„Dilthey hat im Auge und betont die innere ‚Teleologie’, das Zweckehaben und immerfort wirkende geistig leistende Leben. – Wir würden sagen: in die Welt hineinwirken,-leben und von ihr ‚leiden’“ (Hua IX, 355) 190 „Alle Räumlichkeit konstituiert sich, kommt zur Gegebenheit, in der Bewegung, in der Bewegung des Objektes selbst und in der Bewegung des ‚Ich’, mit dem dadurch gegebenen Wechsel der Orientierung“ (Hua XVI, 154) 189
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Abschnitt B: DAS HANDELNKÖNNENDE SUBJEKT
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§5: SELBSTBEZÜGLICHKEITEN
Am Ende des letzten Abschnittes hatten wir gesehen, daß das umweltlich orientierte Subjekt sich in seiner Gegenwart sozusagen aufspaltet in eine horizontale Intentionalität, in der es in seine gegenwärtige Umwelt gerichtet ist, und eine vertikale Intentionalität, in der es auf die vergangenen und zukünftigen Zweckgestalten gerichtet ist, aus denen sich die gegenwärtigen Bezüge herleiten. Die umweltlichgegenwärtigen praktischen Bezüge sind nur für das Subjekt verstehbar aus seinen bereits passiv konstituierten Zweck- und Wertwelten, aus denen heraus es sich in seiner Gegenwart zurechtfinden kann. In dieser Hinsicht vertreten Heidegger und Husserl exakt dieselbe Position, denn es ist offensichtlich, daß Heidegger in Sein und Zeit der Ansicht ist, daß sich das in der Umwelt orientierte Verstehen und Können aus denjenigen Projekten herleitet, die im „Worumwillen“ schließlich auf das eigene Leben und die damit verbundenen Entwürfe und „Geworfenheiten“ verweisen. Der entscheidende Punkt ist aber nun darin zu sehen, in welchem Sinne das „vertikale“ Selbstverhältnis gedacht werden muß, das über das gegenwärtige Selbstverhältnis hinausgreift. In anderen Worten: wie können wir unser eigenes Verhalten zu unseren die Zweckumwelt transzendierenden Entwürfen und Geworfenheiten beschreiben und wie konstituiert sich dabei die eigene Vergangenheit und Zukunft. Normalerweise beschreiben wir das Selbstverhältnis des Subjekts, der klassischen Linie der Selbstbewußtseinstheorie folgend, als ein punktuelles Verhältnis und folgen einem abstraktiven Modell, daß auf die Gegenwart bezogen bleibt. Erst mit der Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins, die Selbstbewußtsein als ein temporale Struktur begreift, wird dieses Modell dynamisiert. 191 Aber auch hier ist noch nicht deutlich, was es bedeutet, sich zu sich zu verhalten. Bekanntlich lautet die Ausgangsthese Heideggers, daß wir uns zu uns im Sinne unseres Seins (Existierens) verhalten. Wir verhalten uns zu unseren eigenen Möglichkeiten. Bei Heidegger kann man lernen, daß selbst „emotionale“ Gefühle wie Schuld ein solches Verhalten implizieren. Im Gefühl der Schuld erfahren wir uns ja nicht als ein präsentisches, punktuelles Gebilde, sondern Schuld ist in sich als zeitliches Verhältnis zu denken, das uns uns selbst in unserer Vergan191
Vgl. Zahavi 1999, 63ff..
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genheits- und Zukunftsdimension erfahren läßt. Nur ein Wesen, das schuldig sein kann (und Heidegger zufolge will, vgl. dazu später), kann sich als immerzu mit einer Vergangenheit „ausgestattet“ begreifen. Wenn wir aber nun dieses „Verhältnis“ in ein praktisches Verhältnis umsetzen wollen, so müssen wir uns fragen, in welchem Sinne wir ein Verhältnis zu demjenigen unterhalten, das die Gegenwart übersteigt und uns selbst in Bezug zu unseren vergangenen und zukünftigen Zweck- und Wertentwürfen konstituiert. Anders: wie ist das Verhalten zum eigenen Leben zu fassen? Das Selbst in diesem Sinne ist nicht nur personal zu fassen, sondern kann auch im Sinne eines Weges oder einer „Lebensgeschichte“ beschrieben werden.192 Es ist dabei aber äußerst schwierig zu verstehen, in welchem Sinne genau dieses praktische Verhalten zu denken ist. Wir werden sehen, daß Husserl letztlich das vertikale Verhältnis, also das eigentliche Selbstverhältnis, im Sinne desjenigen Verhaltens denkt, das das Subjekt zu dem unterhält, was es nicht ist, also zur Umwelt. In Husserls Theorie verhält sich das Subjekt zu seinem eigenen Leben letztlich im Sinne einer Umwelt und unterliegt damit dem Heideggerschen Vorwurf, daß das eigene Sein im Sinne einer Vorhandenheit gedacht wird. Es ist aber zunächst darzulegen, in welchem Sinne sich Husserl der Frage des praktischen Selbstverhältnisses zuwendet. Es ist nämlich durchweg in der Rezeption nicht beachtet worden, daß Husserl das praktische Verhältnis grundsätzlich thematisiert und keinesfalls ignoriert. Auch die „Unsicherheiten des Lebens“ (Wert, 208) – Hoffnung, Furcht, Angst – werden in ihren konstitutiven Funktionen betrachtet. Unserer These zufolge scheitert Husserl aber an seinem eigenen Modell, das nicht nur in einer Theorie der „Vernunftschichten“ gegründet ist, sondern das er von der Umweltkonstitution auf den Selbstbezug zur eigenen Vergangenheit und zur eigenen Zukunft überträgt. Wohl kann man sehen, dass Husserl im Begriff „Erneuerung“ eine Handlungssituation zu denken versucht, die der Heideggerschen „Entschlossenheit“ und der Schelerschen „Reue“ äußerst nahe kommt, dass er aber darüberhinaus die praktischen Beziehungen des „Wollens“ und des „Wünschens“ nicht als eine Dimension des Selbst zu sich, sondern nur als eine Dimension des Selbst zu seiner Umwelt zu begreifen vermag. Wir folgen daher in diesem Abschnitt wiederum der Heideggerschen Perspektive, aber im umgekehrten Sinne. Während im ersten Abschnitt Heideggers Umweltanalyse aus dem Blickwinkel Husserls kritisch beVgl. zur personalen Frage Rinofner-Kreidl 2001 und zur Frage der Lebensgeschichte bei Husserl Tengelyi 1999.
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trachtet wurde und wir gesehen haben, daß Heidegger das Verhältnis des Selbst zu seiner Umwelt nicht zureichend bestimmt, kann man nun sehen, daß dieser Vorwurf auf der Ebene des praktischen Selbstverhältnisses an Husserl zurückzugeben ist. Das Selbstverhältnis wird mit Heidegger über die Begriffe „Wünschen“ und „Wollen“ rekonstruiert. Die beiden grundlegenden praktischen Bezüge, die wir zur Vergangenheit und Zukunft unterhalten, sind Wünschen (Uneigentlichkeit) und Wollen (Eigentlichkeit). Im ganzen gesehen legt Heidegger damit den Grundstein zu einer Ontologie der Selbstverantwortlichkeit. Man kann daran sehen, daß die Phänomenologie des praktischen Selbstverhältnisses als Vorstufe einer Ethik begriffen werden kann. Beide laufen ineinander und sind nur als Verkreuzungen zu begreifen. §6: KRITIK DER PRAKTISCHEN PHILOSOPHIE HUSSERLS 1. DAS PRAKTISCHE SELBSTVERHÄLTNIS BEI HUSSERL
Man kann sich fragen, ob Husserl an einer praktischen Bestimmung des eigenen Lebenszusammenhanges, wie er sich bei Heidegger oder Kierkegaard findet, desinteressiert war, oder ob er nicht auf seine Weise Ansätze macht, die theoretisch verstandene Unverfügbarkeit der eigenen Lebensgeschichte neu zu überdenken. Es scheint mir, als versuche Husserl in den ethischen Vorlesungen und in den Kaizo-Artikeln der 20er Jahre beide Perspektiven zu verklammern. Die Voraussetzung eines praktischen Selbstverhältnisses ist, daß ich in irgendeinem Sinne
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auf mein ganzes Leben Zugriff habe und nicht nur das Zukünftige im Sinne des Noch-Nicht als einen Handlungszusammenhang verstehe. 193 Bekanntlich bestimmt Husserl das Ich in den Cartesianischen Meditationen als ein Ego, daß „sich für sich selbst sozusagen in der Einheit einer Geschichte“ (Hua I, 109) konstituiert. Dieser personale, durch Identifizierungen und Wiederholungen sich konstituierende Bewußtseinszusammenhang muß nun, da das Subjekt sich immer in der Einheit von wertenden, wollenden und vorstellenden Vollzügen bewegt, Inhalt eines „Umgangs“ mit sich selbst werden, den Husserl „freie Selbstgestaltung“ (Hua XXVII, 26) und „Selbstwollung“ (Hua XXVII, 23) nennt und die schließlich zu dem führt, was wir einen Willens- oder Handlungsstil, aber auch einen Wert- oder Haltungsstil nennen dürfen. Handlung und Haltung müssen die auf das Theoretische und Kognitive abgeblendete Subjektivität aktiv (Bezugnahmen auf die Vergangenheit) wie passiv (Habitualisierungen) ergänzen. In den Kaizo-Artikeln bestimmt Husserl die Möglichkeit, in irgendeinem Sinne nicht nur ein vorstellendes, sondern auch ein wertendes und wollendes Wesen mit einer auf alle drei Modi bezogenen Geschichte zu sein, grundsätzlich zweifach: erstens können wir ein nicht selbstbestimmtes, selbstvergessenes Leben führen, das sich selbst nicht für sich als eine Möglichkeit der Willensgestaltung versteht. Husserl meint sogar, ein solches Leben sei eines in „Sünde“ (Hua XXVII, 44). Wir leben unser Leben in diesem Fall im Sinne einer blinden Wiederholung einfach dahin. Zweitens aber kann es prinzipiell auch die Möglichkeit der Selbstbestimmung geben, die nicht nur auf eine bestimmte Handlung, sondern auf den gesamten Lebenszusammenhang bezogen Ich gehe an dieser Stelle nicht auf die Verbindung der Kaizo-Artikel mit den Ausführungen am Anfang der Krisis ein. Auch lasse ich jeglichen Bezug zur Reduktionsproblematik außer Acht. Die Reduktion wird von Husserl auch als eine Art „Erneuerung“ verstanden und als individuelle Entscheidung hat sie etwas mit der praktischen Seite des Lebens und seiner Selbstverantwortung zu tun, auf die Husserl am Anfang der Ersten Philosophie eingeht. Diese Zusammenhänge werden übersichtlich herausgearbeitet bei Brainard 2001. Mich interessiert hier eher, in welchem Sinne das praktische Moment eingeführt wird, ohne auf die methodischen Probleme einzugehen. Zu den Kaizo-Artikeln vgl. auch Orth 1993. Orth spricht von Husserls „kulturethischer Motivation“ (Ort 1993, 341) und Spahn 1996, 178ff.. Spahn arbeitet den vollen Kontext der Kaizo-Artikel heraus. Mir geht es hier nur um einen bestimmten Aspekt, nämlich nur um den Gedanken, daß sich in der Erneuerung eine andere Art von praktischem Selbstbezug ankündigt. Ich lasse die Gedanken Husserls zur „ethischen Persönlichkeit“ und zum wertvollen Leben und einer humanen Kultur, zu der die Erneuerung führen soll, hier außer Betracht. Husserl knüpft mit diesen Überlegungen an Fichtes Religionsphilosophie an. Vgl. dazu Hart 1995. 193
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ist. Eine solche Selbstbestimmung im Sinne einer andauernden Bestimmung des eigenen Lebens durch willentliche Leitung nennt Husserl mit deutlichen Anspielungen an Paulus Erneuerung. 194 Er versteht diese Umwendung des Lebens im Sinne einer höchsten Lebensform, die er als eine Verlängerung aller anderen Lebensformen (z.B. Berufe) begreift. Man muß dabei im Auge haben, daß Husserl einen sehr weiten Begriff von Ethik hat: An einer Stelle heißt es: „Ethik, die notwendigerweise gefaßt werden muß als die Wissenschaft von dem gesamten handelnden Leben einer vernünftigen Subjektvität.“ (Hua XXVII, 21) Letztere sollen sich alle unter einer ethischen Norm, einer „religiösen Idee“ (Hua XXVII, 96) neu zusammenfinden. Die Erneuerung soll aber nicht nur auf einen Ausschnitt der Lebensgeschichte bezogen sein, sondern „jede Handlung“ (Hua XXVII, 29) und „jeden Puls des Lebens“ (Hua XXVII, 97) regeln. Dazu aber muß Husserl die Möglichkeit voraussetzen, daß ich nicht nur ab einem objektiv bestimmten Zeitpunkt mein Leben ändere, z.B. in Atlanta, Marburg oder Seattle, und ein neuer Mensch werde, sondern er muß davon ausgehen, daß sich die gesamte Spannbreite der Erfahrung, also mein Leben als solches modifiziert. Und in der Tat zieht Husserl letzteres in Betracht. Er schreibt: in der Erneuerung „ist [...] der ganze Lebenszusammenhang, die konkrete Lebenszeit“ (Hua XXVII, 97) betroffen. Die Idee, die dahinter steckt, ist die Idee einer nach vorwärts gerichteten, aber den ganzen Zusammenhang einholenden Verfügbarkeit des eigenen Lebens. 195 Wenn ich nämlich in der Lage wäre, mein Leben als Ganzes durch einen – wie Fichte sagen würde – ursprünglichen Entschluß oder – wie Heidegger sagen würde – ursprüngliche Entschlossenheit im Sinne einer Selbstbestimmung umzuwenden, dann würde der intentionale Zusammenhang aller meiner Handlungen und meiner Haltungen innerhalb meiner lebendigen Gegenwart sich wie ein selbstorganisierendes Muster vor meinem Auge Vgl. die Ausführungen im Kolosserbrief 3,9f. (alter und neuer Mensch), im 2.Korintherbrief 3,18 (innerer Mensch erneuert sich täglich), im 2.Korintherbrief 5,17 („siehe, alles ist neu geworden“). Paulus versteht die Erneuerung des Christen als Wiederholung des Ursprungs, also der Erschaffung des Menschen. Die Wurzeln des christlichen Erneuerungsbegriffes sind in der Antike zu suchen. Bei Platon gibt es in der Pädagogik ein „geistiges Herumschwingen zum Guten“ (Jaeger) und Ovid spricht von „reformare“ als einer Verwandlung zum Besseren. 195 Sicherlich folgt sie dem Modell einer religiösen Bekehrung und Umkehr, vielleicht sogar der Taufe. Die religiöse Rhetorik in den Kaizo-Artikeln ist unüberhörbar und bestimmt alle Abhandlungen. 194
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reorganisieren. Der durch die Erneuerung ins Leben gerufene „Zwecksinn“ würde der Vergangenheit und Zukunft eine neue Ordnung und Ausrichtung – einen neuen Sinn – zukommen lassen. Jedes Ereignis der Vergangenheit bekäme einen anderen Stellenwert. Dieses Ergebnis ist in einem gewissen Sinne erstaunlich, und das aus einem einfachen Grund: Husserl folgt damit einer Idee, die nicht nur Scheler verfolgte, sondern auch bei Heidegger und Kierkegaard zu finden ist, nämlich der Idee, daß es uns gelingen kann, den Zwecksinn und das willentliche Telos, das unser Leben durch „blinde“ Habitualisierung beherrscht, in ein bewußtes Ereignis und eine gewollte Habitualisierung, d.h. ständige Erneuerung und Wiederholung zu verwandeln. Durch die Wiederholung wird die eigene Lebensvergangenheit verfügbar. Kurz und gut: Wir können daran sehen, daß auch bei Husserl ein starker Begriff von ethischer Wieder-holung durch „freie Urstiftung“ (Hua XXVII, 43) zu finden ist. Ich bin in der Lage, so Husserl wörtlich, meinen alten Menschen zu „verwerfen“ und zu einem „neuen und echten Menschen“ (Hua XXVII, 43) zu werden. Damit man mir nicht irgendwann meine „sündige“ Vergangenheit vor Augen halten kann, ich folglich moralisch quasi „zerfallen“ würde, muß diese – unter Voraussetzung, daß wir der Grundaxiomatik folgen – in die Erneuerung mit einbezogen sein. Abwägend muß man zunächst sagen, daß trotz des christlichen Hintergrundes Husserls Idee auch in Bezug auf ein nichtreligiös verstandenes Leben nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Denn warum soll es nicht wie auch im theoretischen Gebiete Erfahrungen geben, die bei Negation „durchgestrichen“ würden und folglich den ganzen Zusammenhang des Lebens modifizieren. Wir befinden uns immerzu in einer Modifikation unserer praktischen Habitualitäten in Willenszweifeln, Schuldvorwürfen, moralische Unsicherheiten, Entscheidungen, d.h. in Handlungsstile und Änderungen unserer Haltungen eingebunden. Da die Wiedererinnerung wie auch der Wille gegenüber der Phantasie und dem Wunsch nach Husserl setzende Akte sind, modifizieren sich – wie bereits angesprochen – bei der Modalisierung auch nur einer bestimmten Wiedererinnerung alle an dieser Vergegenwärtigung implizierten intentionalen Zusammenhänge. Wenn die erneuernde Selbstbestimmung im analogen Sinne wie eine Modifikation gedacht würde, müßte sich konsequenterweise der praktische Zusammenhang ebenfalls modifizieren. Der „Neuvollzug der inzwischen geltungslos gewordenen Urstiftung“ (Hua XXVII, 43) würde neu in Szene gesetzt und mein Leben, 130
wie wir so schön im Alltag sagen, „neu beginnen“. Diese Änderung führt dann zu neuen Habitualitäten. Aber wir stoßen hier auf ein Problem. Während ein Streit oder einer Verdeckung in der Wiedererinnerungssphäre passiv und meist als Negation passiv gelöst und niemals willentlich hervorgebracht wird, wird die Erneuerung als eine aktive vom Ich zu vollziehende Selbstbestimmung gedacht. Das fordert zu der Frage heraus, ob es einen Konflikt zwischen der absolut aus dem Willen zu „entlassenen“ Erneuerung und der dadurch zu erfolgenden passiven Modifikation des lebensgeschichtlichen Zusammenhanges gibt. Es ist nämlich fraglich, ob es gelingen kann, die Erneuerung so „perfekt“ zu vollziehen, daß der Zusammenhang nicht nur durchgestrichen, sondern völlig verdeckt bzw. verändert werden kann. Das käme einer als Verfügungsgewalt zu bezeichnenden Fähigkeit des Subjekts gleich. Anders gefragt: Muß man nicht Änderungen der Art wie sie Husserl im Auge hat, in Form von passiven Erfahrungen denken, in der das umgewertete und selbstgewollte Leben sich zwar modifiziert, aber nicht beherrscht werden kann. Das impliziert natürlich auch den Wegfall der christlichen Metaphysik, die Husserl unkritisch affirmiert. Ich möchte mit einem kritischen Seitenblick diese Untersuchung abschließen, zu deren Vollständigkeit die nähere Ausarbeitung einer Alternative gehören würde. Husserl folgt einer Erlösungs- und Echtheitsrhethorik, der mit historischer Neutralität oder mit äußerster Skepsis zu begegnen ist. Das ethisch-religiöse Leben ist nach Husserl „seinem Wesen nach Kampf“, es habe im Sinne einer „ethischen Selbstzucht“ (Hua XXVII, 39) und in „Kampfesgesinnung“ (Hua XXVII, 4) gegen einen „schwächlichen Pessimismus“ (Hua XXVII, 4) zu erfolgen (Hua XXVII, 43) und der Gedanke, das Leben als „Werk, dessen Werkmeister“ (Hua XXVII, 37) wir sind, unter der Herrschaft eines ethischen „ideale[n] Maximum[s]“ (Hua XXVII, 37) zu begreifen, läßt angesichts der Dialektik der Aufklärung ein zweideutiges Gefühl zurück. Die Unterwerfung des Lebens unter eine höchste Norm, wenn auch im Sinne einer absoluten Verantwortlichkeit, hat nicht nur etwas Utopisches, sondern zugleich etwas Erschreckendes an sich. Mir scheint die Vorstellung einer neuen „Menschwerdung“ in der Tat nur durch die Umstände der historischen Situation nach dem ersten Weltkrieg verstehbar zu sein. Dennoch muß man festhalten, dass Husserl offenbar mit „Erneuerung“ eine nichturteilsmäßige Beziehung des Selbst zu seinem Leben
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einzuführen versucht, in der es sich gleichsam auf seine Ganzheit hin transparent wird. 196 2. HINTERGRUND: HUSSERLS VERNUNFTTHEORIE
Husserl hat sich in zwei Phasen seines Lebens mit ethischen Thematiken auseinandergesetzt. In seiner Göttinger Zeit behandelt Husserl vorrangig die Wertlehre, die er, historisch betrachtet, durch Philosophen wie Lotze und Ehrenfels vorfand. In seiner Freiburger Zeit ändert sich das Bild. Durch den Einfluß der Religionsphilosophie wendet sich Husserl von der formalen Wertlehre ab und konstitutiven, im klassischen Sinne „ethischen“ Fragestellungen zu. 197 Husserl hat sich in der Freiburger Zeit in vielen Punkten von seiner frühen Lehre entfernt. Man kann sehen, daß insbesondere die ethischen Überlegungen ihren Charakter völlig ändern. In den Vorlesungen zur Ethik und Wertlehre, die er bis 1914 hält, ist Husserl an einer Wissenschaft des Ethischen interessiert, in der späteren Lehre wendet er sich den ethischen Phänomenen selbst zu. Trotzdem muß man festhalten, dass die Lehre von den Akten und ihrem Aufbau immer beibehalten wurde, d.h. daß Husserls Vernunfttheorie sich nicht wandelt. Diese basiert nach wie vor – wie man an den späteren Vorlesungen zur Logik und Wissenschaftstheorie erkennen kann – auf einer Theorie, die die praktischen und die wertenden Akte den logischen Akten zumindest der Tendenz nach subordiniert. Husserls Lehre ist im eigentlichen Sinne gegründet in der Einführung von drei Aktklassen, nämlich die theoretische (objektivierende Akte), die wollende (zweckentwerfende Akte) und die fühlende (wertende Akte). Diese Akte beziehen sich auf „Dasein, Wert und Gut“ (Hua XXVIII, 184), d.h. die Unterscheidung der Korrelate der AktarAuf die methodische Parallele, nämlich Husserls völlig unangemessene Selbstinterpretation der Epoché im Sinne einer Umwendung des Lebens, kann ich hier nicht weiter eingehen. Vgl. dazu Luft 2001. Um es erneut hervorzuheben: Es ging uns hier nur um den praktischen Modus des Selbstverhältnis: Husserl kennt daneben auch die wertende Bezugnahme: „Mit Beziehung auf seine Freiheit wertet er sich selbst, er macht sich Vorwürfe, empfindet Reue oder erkennt seine Entscheidung nachträglich an und ist mit sich zufrieden. Indem er sich als Subjekt eines einheitlichen Lebens betrachtet (in bezug auf die seinem Leben ‚gegenüberstehende’ Welt) und ebenso andere betrachtet, erfaßt er das Typische seiner individuellen Persönlichkeit, seine Persönlichkeit als Willenspersönlichkeit, seinen Charakter auf dem Untergrund seiner passiven Anlagen sowie seiner erworbenen Gewohnheiten.“ (Wert, 211). 197 Für einen Überblick über die Gottesfrage vgl. Lo 2001, vgl. zur Freiburger Ethik Sepp 1997, 151ff. 196
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ten verläuft der Dreiteilung entsprechend entlang der Scheidelinie des Seienden, der Werte und der Zwecke. Dieser psychologischen Grundunterteilung ist er immer treu geblieben. Dennoch drängen sich zwei Fragen auf: einmal fragt man sich im historischen Sinne, warum die Psychologie in diese Klassen eingeteilt ist und man fragt sich im systematischen Sinne, warum es ausgerechnet diese drei sein müssen.198 Letzteres geschieht vor allen Dingen dann, wenn man historisch festgestellt hat, daß die Unterteilungen durchaus variabel sind. 199 Die erste Frage kann man beantworten durch den Wechsel, der im 19.Jahrhundert stattgefunden hat, und zwar vor allen Dingen durch Herbarts Lehrbuch, der der erste war, der die kantische Trennung unterlaufen hat und die klassische Einteilung der „Vernunftarten“ verschoben hat. Interessanterweise führt dies zu einem Zusammenlaufen von Ästhetik und Moralphilosophie, weil durch die Einführung des Wertbegriffes Moralfragen und ästhetische Fragen in einer Disziplin abgehandelt werden können. 200 Obwohl Husserl diese Trennung beibehält, entfächert er das Bild doch in gewissen Maßen, da der Wille sich nicht auf Werte, sondern auf Zwecke bezieht, so daß sich die Fragen der Teleologie und diejenigen des Handelns nicht auf Emotionen zurückgeführt werden können. 201 Durchaus ist es zunächst plausibel, darauf hinzuweisen, daß diese Aufteilungen nur intuitiv zu begründen sind. Nach Brentano, an den Vgl. dazu auch Ryle 1949, 62, der vom „cognitive“, „emotional“ und „conative mode“ spricht. 199 Auch Heidegger antizipiert diese psychologischen Unterscheidungen bzw. Vernunftarten noch in der Trennung von Umsicht und Umgang. 200 Vgl. die Einleitung von Henckmann in Herbart 1993, XXXVIff. Historisch muß man anfügen, dass Henckmann nicht sieht, daß Herbart die seine Idee von Fichte übernimmt, und zwar durch dessen Bemerkungen zum „Beifall“ und Mißfallen in der Wissenschaftslehre 1794/95, das das Ich bei seinen eigenen Vollzügen begleitet. Dieses Mißfallen ist ein emotionales Begleiten von Vollzügen und es ist daher nicht mehr weit zur Idee der (wertgeleiteten) „Stimmung“. Man könnte auch sagen: In jeder Bewußtseinsweise „freuen“ oder „leiden“ wir an uns selbst. Wir haben diese Beziehung oben bereits thematisiert in der Behandlung von Husserls Affektionslehre und sie taucht, das sei am Rande bemerkt, auch im Begriff des „Vorziehens“ wieder auf, der nicht nur für Brentano, sondern auch für Scheler zentral ist. Vgl. Brentano 1969, 26ff.; vgl. Scheler GW2, xx. Vgl. zu den allgemeinen Ausführungen Herbarts §81ff. des Lehrbuches. Der zentrale Satz ist der folgende: „Die sittlichen Elemente sind gefallende und mißfallende Willensverhältnisse“ (Herbart 1993, 143). 201 Vgl. anschaulich Husserls Überlegungen zu den Regionen des Seienden im Rahmen seiner Vernunfttheorie in Hua XXVIII, 367ff. Melle hat herausgestellt, daß Husserl sich mit seiner Abtrennung des Wollens gegen die reduktionistischen Willenstheorien von James und Ehrenfels richtet, die Willensprozesse auf Vorstellungsprozesse zurückführen. Vgl. Melle 1992, 287ff. 198
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Husserl zugleich anschließt und sich absetzt, sind die Akte in diejenigen der Vorstellungen, der Urteile und diejenigen des Liebens und Hassens einzuteilen. Das Auffällige ist nun, daß Brentano Gefühle und Willen in eine Klasse fallen läßt. 202 Daraus folgen dann wichtige, nachfolgende Theorieentscheidungen. Beide nämlich beziehen sich auf dasselbe Korrelat und beide unterliegen einem Strebenscharakter. Damit wird bei Brentano das Wollen als ein kontinuierliches Übergangsphänomen begriffen. 203 Wollen ist nur ein „quantitativ“ bestimmbares Phänomen, das mit Wählen und Entschließen zunächst nichts zu tun hat. Damit kann dann auch das Wollen mit psychologischen Zusammenhängen des Fühlens „erklärt“ werden. Wenn man jedoch eine stärkere Position annimmt (wie dann letztendlich Heidegger und zuvor Fichte), dann fällt das Wollen völlig aus dem Fühlen heraus und kann nicht als ein „Produkt“ des allgemeinen Strebens angesehen werden. Wir werden darauf zurückkommen bei der Diskussion von Wünschen und Wollen. Indem Husserl Wollen und Fühlen voneinander abkoppelt, gibt er zugleich dem Wollen eine stärkere Position. 204 Die zweite Frage läßt sich beantworten durch den Hinweis, daß Husserl im eigentlichen Sinne keine klare Antwort gibt. Seine Antwort ist zwar daran orientiert, auf die Rolle der Intuition zu verweisen, aber implizit ist er doch an der gängigen Wissenschaftseinteilung orientiert. 205 Da die Wissenschaften auf einer Ontologie beruhen, d.h. auf ideale Objekt- und Gegenstandseigenschaften rekurrieren, orientiert sich die Einteilung der Aktklassen letztlich an diesen. Kurz gesagt: die Ontologie dient als „Leitfaden“ in die Transzendentalphilosophie. Wir finden in unserer natürlichen Welt verschiedene Objekte. Diese führen zurück auf Akte und diese wiederum auf Vernunftzusammenhänge. 206 Husserl meint daher: „Offenbar wird es auf die urwesentlichen Regionen von Gegenständlichkeiten ankommen bzw. auf eine solche Einteilung der GeVgl. Brentano 1971, II, 83ff. Vgl. Brentano 1971, I, 84f. 204 Husserl selbst ist aber, wie noch auszuführen ist, zweideutig geblieben, weil er das Wollen andeutungsweise aus den leiblichen Handlungen und den Instinkten in einem Zug hervorgehen läßt. Auf die komplexen weiteren historischen Rahmenbedingungen, die zur Erfindung des Wertbegriffes geführt haben, brauche ich hier nicht einzugehen. 205 Husserl selbst allerdings behauptet einen umgekehrten Weg: „In der Vernunft konstituiert sich Gegenständlichkeitr, und auf Gegenständlichkeit bezieht sich Wissenschaft“ (Hua XXVIII, 371) 206 Die Schwierigkeit, ein „Objekt“ des Fühlens zu finden, kann man sehr schön nachvollziehen in Brentanos Diskussion der Hamiltschon Theorie. Vgl. dazu Brentano 1971, I, 125ff. 202 203
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samtsphäre der Gegenstände überhaupt, daß jede Hauptklasse sich von jeder anderen radikal unterscheidet in der Art ihrer phänomenologischen Konstitution“ (Hua XXVIII, 367). Vernunft überhaupt bezieht sich für Husserl auf die Idee der Gegenständlichkeit überhaupt, die sich dann aufsplittet in ihre verschiedenen Regionen bzw. moderner ausgedrückt, in ihre verschiedenen Welten. Grundsätzlich aber vertritt Husserl keinen Monismus, sondern etabliert eine Theorie gleichbedeutend voneinander ideal abzugrenzenden Welten, in denen wir uns bewegen können. Trotzdem ist es von daher nicht nur bereits einsichtig, daß Husserl klären muß, wie sich der „Aufbau“ der Akte untereinander verständlich machen läßt, sondern auch, daß sich die Untersuchungen zur Wertsphäre und der Willensphäre grundsätzlich an der Idee der Gegenständlichkeit orientieren müssen. Da die Idee der Gegenständlichkeit überhaupt (Sachverhalt überhaupt, Urteilen überhaupt, etc) in der Logik und Bedeutungstheorie abgehandelt wird, ist infolgedessen bereits zu sehen, daß sich alle anderen Aktklassen an den logischen Zusammenhängen orientieren müssen. Da Husserl aber sieht, daß er die Differenz der Aktklassen auf irgendeine Art und Weise verständlich machen muß, greift er auf die Idee der Analogie zurück. Die wertenden und wollenden Akte folgen denselben formalen Gesetzen (weil sie über die Gegenständlichkeit überhaupt begriffen werden müssen, und wertende und wollende Akte sich auch auf „etwas überhaupt“ beziehen), aber sie unterscheiden sich in ihren „Inhalten“, daß heißt ihrer phänomenologischen Objektkonstitution. Die Ontologie verfolgt das phänomenologische Projekt von ihren Anfängen an. Wie man sehen kann, führt dies dazu, von den „urwesentlichen Regionen“ zu sprechen. 207 Man kann also durchaus behaupten, daß das gesamte Projekt einer wissenschaftlichen Ethik nur daran festgemacht ist, in welcher Weise man die Akte und deren Fundierung untereinander versteht. In der Freiburger Zeit entfernt Husserl sich nicht nur von einer rigoristischen Vernunfttheorie, die alles Seiende der „Fackel der logischen Vernunft“ (Hua XXVIII, 69) unterwirft, sondern vor allen Dingen scheint erwähnenswert, daß Husserl entgegen der in den frühen Vorlesungen zur Wertlehre ausgeführten Gedanken später dem Fühlen, dem
Heidegger übernimmt im übrigen dieses Schema zu Beginn in Sein und Zeit bei der Einführung der unterschiedliche Regionen des Seienden und den Grundlagenkrisen der Wissenschaften.
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Streben, Begehren und natürlich der Affektion einen zentraleren Status zubilligt. Logik wird der praktischen Philosophie zur Seite gestellt. 208 Um Husserls Schwierigkeiten in seinen frühen Vorlesungen richtig einschätzen zu können, muß man drei Kontexte mitbeachten: im Gefolge der Logischen Untersuchungen meint Husserl erstens immer noch, sich vom Psychologismus und der Wertlehre des Neukantianismus absetzen zu müssen (Hua XXVIII, 62ff., 245), zweitens war er nicht nur interessiert an einer formalen und regionalen Ontologie der Gegenstandsarten und einer darauf aufbauenden formalen Wissenschaftstheorie (Hua XXVIII, 367ff.), sondern vor allen Dingen an einer umfassenden Theorie der Vernunft 209, und drittens war diese Vernunfttheorie noch von einem Wissenschaftsideal geleitet, in dem alle Vernunftgebiete sich unter die „Allherrschaft der logischen Vernunft“ (Hua XXVIII, 59) letztlich unterzuordnen haben. „Wissenschaft, echte und strenge Wissenschaft, entspringt aber theoretischem Interesse“ (Hua XXVIII, 346), schreibt Husserl im Hinblick auf eine ethische bzw. natürliche Begründung theoretischen Denkens. Dieser Ansatz ist völlig inkompatibel mit seinem eigenen, später eingeführten genetischen Begriff des Interesses, denn letzterer setzt schon voraus, daß wir eine Sache gegenüber einer anderen vorgezogen oder abgelehnt haben. Ein theoretischer Akt kann daher überhaupt nicht als ein „interessierter“ beschrieben werden, ohne in zumindest rudimentärer Ebene auf Werthaftes zu verweisen. Selbst ein „uninteressierter“ Akt wäre in diesem Sinne noch im negativen Sinne davon abhängig. Uninteressiert kann ich nur an etwas sein, das ich schon von etwas anderem differenziert habe. Wir haben oben gezeigt, wie sich dieses Verhältnis im „Mikrobereich“ der Affektionen verhält. Alles andere würde ich überhaupt nicht bemerken. Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf diese Kontexte eingehen, weil hier nur Husserls aporetische Haltung gegenüber dem Status des Wertes angezeigt werden soll. Sie bringen Husserl schließlich nach Vgl. dazu Sepp 1997, 128ff. Vgl. auch den berühmten Satz in Hua VIII, 201: „Erkenntnisvernunft ist Funktion der praktischen Vernunft, der Intellekt ist Diener des Willens. Aber der Diener vollzieht in sich selbst Willensfunktionen, gerichtet auf Erkenntnisgebilde selbst, die eben notwendige Mittel sind, den Willen überall zu leiten, ihm rechte Ziele und Wege zu zeigen.“ Vgl. dazu auch Funke 1980, 40ff. Sich am Fühlen zu orientieren erscheint dem Göttinger Husserl noch als die Gefahr, einem „Emotionalismus“ (Hua XXVIII, 62) zu verfallen, der alle Wissenschaftlichkeit unter sich zu begraben droht. Wir haben aber bereits oben gesehen, daß Husserl der Affektion im Sinne des Fühlens später einen zentralen Status zubilligt. 209 Vgl. zu diesen sachlichen Kontexten auch Sepp 1997, 125ff. 208
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eigenem Bekunden in die „allerschwierigsten Probleme“ (Hua XXVIII, 253), bei deren Lösung er „Eingang in den dunkelsten Weltteil der Erkenntnis“ sucht (Hua XXVIII, 255). In erster Linie geht es Husserl in der Göttinger Periode um eine Theorie richtigen Wertens und noch nicht um eine konkrete Phänomenologie des Wollens, Begehrens, Strebens oder Fühlens (Wertens), wenn auch in der Vorlesung von 1914 bereits eine „Phänomenologie des Willens“ nach Analogie der positionalen Akte vorgelegt wird. Leitziel der Überlegungen bleibt die Erarbeitung einer wissenschaftlich-formalen Ethik, die auch die wertenden und wollenden Akte idealen Gesetzen unterwirft, so wie es die Logik nach Husserl mit idealen Bedeutungen und deren Zusammenhängen und nicht mit psychologischen Gesetzen zu tun hat. 210 Husserls Überlegungen enden schließlich in einer Aporie, die im folgenden kurz angerissen wird, und die ihren Grund in der Mißachtung der konkreten praktischen Subjektivität hat, so daß zumindest für diese Periode des Husserlschen Denkens Heideggers Urteil treffend ist, daß Husserl die Intentionalität „weniger ausdrücklich als unausdrücklich immer als spezifisch theoretisches Sichverhalten gefaßt“ habe (GA 17, 270). Husserl arbeitet sich in den angeführten Vorlesungen und auch noch in den Ideen an folgenden drei Problemkomplexen bezüglich des Wertes und des Wertens ab: (1) Fraglich ist, ob alle nicht-objektivierenden Akte objektivierende zur Grundlage haben, ob also das theoretische Bewußtsein einen Vorrang vor allen anderen Gebieten besitzt (2) Fraglich ist, wie das Gefühl oder das Werten Bezug auf eine Gegenständlichkeit bekommen kann, wenn es nicht selbst in sich objektivierend ist (3) Fraglich ist, welchen ontologischen Status ein Wert besitzt, d.h. ob es immer nur werte Sachen, oder auch einen genuinen Wertgegenstand geben kann. 211 Ad (1) Ausgehend von Brentano differenziert Husserl das Vernunftgebiet und folglicherweise das Gegenstandsgebiet in drei Oberklassen, nämlich theoretisches Bewußtsein (Sachen), axiologisches Bewußtsein (Werten) und praktisches Bewußtsein (Wollen). Er vertritt damit eine „pluralistische Vernunfttheorie“ (Melle 1990, 35). Die nichttheoretischen Aktgebiete sind auf die theoretischen, die Husserl auch „objektiVgl. dazu anschaulich Hua XXVIII, 351ff. Es geht also um die Frage, ob man einen Wertfunktionalismus oder einen Wertsubstantialismus vertreten möchte. Vgl. zu dieser Unterscheidung Zimmerli 1989, 238f. 210 211
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vierende Akte“ nennt, angewiesen. Erstens dienen sie als Grundlage für die praktischen und wertenden Akte und zweitens werden sie erst durch die objektivierenden Akte „verständlich“ (Melle 1990, 36). Anders formuliert: wir werten nicht nur immer etwas, sondern wir urteilen auch über die Gebiete des Wertens und Wollens (Handelns). Damit aber handelt sich Husserl folgendes Problem ein, auf das er in seinen Vorlesungen zur Ethik und Wertlehre immer wieder gestoßen wird: Wenn die Annahme richtig sein sollte, daß die theoretische Konstitution der „puren Sachen“ allen anderen Erlebnisklassen voraus- bzw. zugrundeliegt, fallen gewissermaßen die Gegenstände der wertenden und wollenden Akte weg, da sie sich ebenfalls auf die pure Gegenständlichkeit richten. In diesem Falle gibt es keine genuin axiologischen und praktischen Gegenständlichkeiten. Intuitiv ist diese Voraussetzung aber nicht plausibel, weil man nicht mehr phänomenologisch aufweisen kann, in welcher Weise „das Gewollte“ und „das Gewertete“ an der Sache erscheinen soll. Entweder muß „zunächst“ eine grundlegende gegenständliche Schicht konstiuiert sein (die pure Sache), auf die sich alle anderen Aktklassen richten müssen. Auf diese grundlegend gegenständlichen Schicht kann sich dann eine Wissenschaft, hier die Naturwissenschaft, durch methodische Abstraktion von all den anderen Schichten und durch Interessenverengung richten. 212 Die Konstitution einer grundlegend gegenständlichen „Sachschicht“ bedeutet keineswegs, daß uns der Gegenstand in der Alltagswelt nur als solcher gegenüber steht. Wir finden hier auch „Gebrauchsobjekte“ und „Kunstobjekte“ (Hua III/1, 266f.), die uns nicht durch das theoretische Bewußtsein erschlossen sein können, sondern nur über das Mitfungieren von Wollen und Fühlen. Nichtdestotrotz: Um werten zu können, muß eine Gegenständlichkeit „da“ sein (Hua XXVIII, 72), die die axiologischen Akte quasi „benutzen“, um sie zu einer „werten Sache“ zu machen. Anders gesagt: es muß erst etwas Seiendes konstituiert sein, es muß etwas sein, bevor sich irgendeine andere Form von Intentionalität darauf richten kann: „Gegenstände müssen erst ihr Sein haben und ihr Sein durch Prädikate auseinanderlegen lassen, ehe sie auch wert sein können.“ (Hua XXVIII, 268). Das hätte zur Konsequenz, daß alle nichtobjektivierenden Aktklassen an die Gesetzlichkeiten der theoretischen Akte gebunden sind. Da sich die Logik (jedenfalls in der noch nicht transzendentalen Logik) von dem formalen Etwas herleitet, sind die Vgl. dazu vor allen Dingen Hua IV, §11.
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nicht-theoretischen Akte auch von den logischen Gesetzten abhängig. Husserl versucht so, alle Vernunftgebiete über die panlogische Funktion nach dem Muster der idealen Bedeutungstheorie der Logischen Untersuchungen zu analogisieren. Beispiele solcher idealer Gesetzlichkeiten sind bspw.: „Ist W ein Wert, so ist unter der Voraussetzung, daß nur eines von W und A sein kann, A ein Unwert“ (Hua XXVIII, 78). Oder: „Ist B ein Wert, so ist in Erwägung der Sachlage, wenn A wäre, so wäre B, auch A ein Wert“ (Hua XXVIII, 76). Husserl fragt: „Was bedeutet also das ‚Logische’ als Theoretisches, das oben sich dem Axiologischen gegenübersetzte? Die axiologischen Objektitäten sind in ‚logischen’ (theoretischen) fundiert.“ (Hua XXVIII, 360). Das führt ihn schließlich aber dazu anzunehmen, daß uns die Werte und Zwecke auf einer sachlichen Ebene verborgen bleiben, weil die theoretische Vernunft sie allererst verobjektivieren muß, damit sie an das Tageslicht kommen: „Die theoretische Wissenschaft bleibt, was sie ist: In sich führt sie nie auf Werte. Die Wertprädikate kommen ihm zwar in Wahrheit zu, sie ihm abzuleugnen wäre verkehrt- Aber sie gehören sozusagen in eine andere Dimension.“ (Hua XXVIII, 262). Damit bestreitet Husserl die Selbstdurchsichtigkeit der praktischen Subjektivität, ein Sachverhalt also, aus dem sich die Gegenposition Heideggers verständlich machen lassen könnte. Husserl aber meint: „Die axiologische Vernunft mit ihren Beständen ist sozusagen sich selbst verborgen.“ (Hua XXVIII, 63). Ad (2) Aus (1) bleibt aber immer noch das Problem, daß Husserl nicht leugnen kann, daß das Gemüt oder der Wille gerichtet ist, daß sie also des intentionalen Bezuges nicht entbehren. Wenn das aber richtig sein sollte, müßten sie nach der phänomenologischen Grundlehre eigene Gegenständlichkeiten ausbilden können. Dann aber müßte es – wie es Scheler konsequenterweise annimmt – eine eigene Gegenstandsklasse geben, die wir „Werte“ nennen und die eine materiale Ontologie möglich machen würde. Ad (3) (2) führt dann jedoch wieder zurück zu der Frage und in gewisser Weise in die Aporie, daß eine Gegenständlichkeit namens „Wert“ nicht geleugnet werden kann: „In gewisser Weise, muß man doch sicherlich sagen, erscheint auch in den Wertakten etwas, es erscheinen darin eben Wertobjekte, und zwar nicht bloß die Objekte, die Wert haben, sondern die Werte als solche“ (Hua XXVIII, 323). Wenn ich vor einem schönen Gemälde stehe, so erfahre ich natürlich in der Alltagswelt eine „schöne Sache“, aber trotzdem ist das Prädikat „schön“ als Wertprädikat von seinem Träger, dem reinen Wahrnehmungsgegenstand idealerweise ablösbar. Andererseits erscheint es schwierig, von 139
einer erscheineden Gegenständlichkeit zu sprechen, wenn wir die zugrundeliegende Sache wegdenken. Husserl schwankt zwischen beiden Lösungen hin- und her: „Natürlich, in der fundierenden Unterlage des wertenden Aktes vollzieht sich auch ein Erscheinen oder Meinen, aber eben in ihr, und das Werten selbst tut nichts Neues dazu.“ (Hua XXVIII, 339). Folgerichtig meint Husserl: „Wert ist nichts Seiendes“ (Hua XXVIII, 340). Husserl bleibt auch in den Ideen I und in den Ideen II doppeldeutig, obwohl er dahin tendiert, eine materiale Werttheorie zu verwerfen und die wertende und praktische Konstitution der Gegenständlichkeit an dieser festzumachen. Die Frage der Gegebenheit der Werte kann er aber auch dort nicht vermeiden und so bleibt die Sachlage bestehen, daß Husserl „die Frage nach der die Gemüts- und Willensthesen begründenden Anschauung nicht umgehen“ (Melle 1990, 46) kann, sie aber zu umgehen versucht. 213 Man kann die späte Ethik, die Husserl in seiner Freiburger Zeit entwickelt, als teilweise Revidierung dieses Modells ansehen (vgl. Melle 1991, 131ff.). Die Abkehr von der Suche nach Wertgesetzen, die sich nach der Analogie der formalen Logik im Sinne von objektiven Vorzugs- und Wahlgesetzen ausdrückt, deutet darauf hin, daß sich auch die Formation der Vernunftgebiete auf eine andere Perspektive hin verschoben hat: „Die Seinserkenntnis ist kein Letztes, sie bedarf der ‚Wert’-Erkenntnis“ (Hua VIII, 233). Man konnte an den vorherigen Abschnitten sehen, daß Husserl frühe Philosophie gleichsam von einer nach Unterteilungen und Abgrenzungen suchenden Vernunfttheorie durchherrscht ist. Husserl kann keine befriedigende Lösung für den Zusammenhalt praktischer und theoretischer Subjektivität anbieten. Durch die Analogie der praktischen und theoretischen Subjektivität verfehlt Husserls Theorie in den frühen Ethikvorlesungen das genuin praktische Moment. 3. KRITISCHE ANFRAGEN AN HUSSERLS HANDLUNGSBEGRIFF
Aus Husserls Überlegungen zur Vernunftlehre ragen seine konkreten Ausführungen und Untersuchungen zu den wollenden Akten her-
Husserls Aussagen sind widersprüchlich. In der Ersten Philosophie spricht er von einer genuinen „Wertnehmung“, die er dem Wahrnehmen zur Seite stellt, in den Vorlesungen zur Wertlehre aber heißt es dementgegen: „Das Werten ist nicht ein Schauen, ein Anschauen im Sinne des Wahrnehmens. Ist es ein Analogon des Schauens [...]?“ (Hua XXVIII, 366). Husserl hat das Problem nie gelöst.
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aus. 214 Wir werden sehen, daß uns die Unterscheidung von Wünschen und Wollen, die Husserl entwickelt, weiterhelfen wird, die Heideggersche Theorie besser zu verstehen. Husserl nämlich entwickelt eine Unterscheidung von Wünschen und Wollen, die Heidegger in seiner Unterscheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit implizit wiederholt, allerdings appliziert er sie auf das Selbstverhältnis im Sinne eines „Zu-sich-selbst-sein“ (GA 26, 244), wohingegen Husserl sie als „nach außen“ gerichtete Akte versteht, die sich auf die Umwelt richten. Heidegger vermeidet damit Probleme, in die Husserl gerät und zeigt, daß praktische Verhältnisse immer Selbstbezüglichkeiten einschließen. Heidegger ist gegenüber Husserl in der Lage, einen überzeugenderen Handlungsbegriff – wenn man es nicht als Umwelthandeln versteht – anzubieten. 215 Husserls Phänomenologie des Wollens ist – wie angedeutet – auf seiner Akt- und Vernunftlehre aufgebaut. Nach dieser handelt es sich bei Akten jeweils um zwei Komponenten, von denen die eine Seite als eine Glaubenskomponente und ihrer Abwandlungen und die andere Seite als eine noematische Wandlung (Modalitäten) beschrieben werden kann. Nach der Grundregel der Analogie können sich auch die fühlenden, wertenden und wollenden Akte modalisieren. So spricht Husserl auch von „Willensgewißheit“ bzw. „Willenszweifel“, in der ein Willensziel als gewiß-seiend oder möglich-seiend bewußt sein kann. Husserl diskutiert zunächst, ob der Unterschied von Wünschen und Wollen als ein Unterschied der Modalitäten begriffen werden kann. So könnte man etwa die These vertreten, daß das Wünschen eine Abwandlung der Willensgewißheit in ein zweifelndes Bewußtsein ist, das seine Gegenstände im Bewußtsein „möglich-seiend“ bewußt hat. Dies ist aber nicht der Fall. Husserl meint: „Das bloße Wünschen enthält nichts vom Wollen, es enthält nichts von praktischen Modalitäten und ist nicht selbst ein praktischer Akt, ein Willensakt im weitesten Sinne“ (Hua XXVIII, 103). Das Argument, das Husserl anführt, besteht in Vgl. als Überblick die Publikationen von Melle, den wir zuvor schon zitiert hatten. Mit den wollenden Akten beschäftigt sich auch Spahn. Vgl. dazu Spahn 1996, 86ff. Sie spricht davon, daß das Wollen darin besteht, ein Erstrebtes „wirklich“ zu machen. Hier soll es um eine kritische Beleuchtung dieser These Husserls gehen. Spahn geht auch nicht auf die Probleme der merkwürdigen Unterscheidung Husserls ein, die dieser zwischen Handlungswille und Entschlußwille macht. 215 Die problematisierende Lesart Husserls ließe sich mit Ryles (nicht historisch durchgeführte) Analyse in „The Concept of Mind“ vergleichen, vgl. dazu Ryle 1949, 63ff. 214
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erster Linie darin zu zeigen, daß sich das Wünschen auf absolut Irreales richten kann. Es findet dort statt, „wo das Gewünschte nicht im mindesten als praktisch Realisierbares bewußt ist, wo es weder in Gewißheit noch in ganz problematischer Weise als das bewußt ist, also nicht einmal im Modus des vielleicht Realisierbaren“ (Hua XXVIII, 104). Daher ist das Begehren mit dem Wünschen verwoben, das Wollen aber nicht. Wünschen besteht in einer Art „Neutralisierung“ des Glaubens, der im Wollen impliziert ist. Ich kann mir zum Beispiel durchaus wünschen, daß eine mathematische Wahrheit nicht existiert. Auch kann ich mich interessanterweise im Wünschen auf etwas beziehen, daß in meiner Vergangenheit liegt. Ich kann mir zum Beispiel wünschen, gestern nicht hier gewesen zu sein. Da ich dies aber nicht wollen kann, zeigt sich unmittelbar ein zukünftiger Bezug des Wollens: „Geht der Wille auf Künftiges, so tut er das in einer eigenen, von allen anderen Künftiges betreffenden Akten unterschiedenen Weise.“ (Hua XXVIII, 106). Das Wünschen kann sich aber auch in die Zukunft richten, also muß es offenbar noch ein anderes Unterscheidungskriterium geben. Dieses identifiziert Husserl in einer geschlossenen Kette, eines Weges, der zwischen dem „Einsatz“ des Wunsches oder des Wollens und der Realisierung liegt. 216 Husserl meint, daß sich das Wollen vom Wünschen dadurch unterscheidet, daß bei dem letzteren kein Weg der Realisierung erstrebt wird, wohingegen das Wollen sich auf den Übergang von seinem „Einsatz“ zu seiner endgültigen Realisierung bezieht. Diese These ist problematisch, weil Husserl das Wollen damit in verschiedene Typen aufteilen muß. Er bleibt mit dieser These cartesianisch, weil er davon ausgeht, daß es einen „inneren“ Einsatz des Wollens gibt, der sich dann „außen“ irgendwie realisiert. Er konzipiert darüberhinaus keinen der beiden Vollzüge als Handeln. Handeln wird bestimmt als der „sich auswirkende“ Wille, der zwischen Ursprung und Ziel wie auch immer sich realisiert. Damit muß er eine neue Unterscheidung einführen, nämlich einen Willen A, der im eigentlichen Entschluß zur Handlung besteht und einen Willen B, der die Realisierung „vollzieht“. Diese Konzeption ist problematisch, weil sie nicht erklären kann, auf welche Weise wir von verschiedenen Entschlüssen oder verschiedenen Willen „in uns“ sprechen können. Handlung wird nämlich dieser KonVgl.: „Ein Kaufmann strebt nach Reichtümern. Man kann nicht sagen, er will sie im engsten Wortsinn. Wollen kann er nur, was als praktisches Ende eines Willensweges dahin in Gewißheit oder Wahrscheinlichkeit bewußt ist“ (Hua XXVIII, 104)
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zeption entsprechend als „äußere“ Auswirkung eines „inneren“ Strebens verstanden. 217 Das ist aber inkonsequent, denn nach Vollzug der Epoche fällt dieser Unterschied zunächst weg (er taucht erst auf der Ebene der unterschiedlichen Einstellungen wieder auf). Wenn dem aber so ist, muß man sehen, daß das Bewußtsein des Zieles, an dem der Unterschied von Wünschen und Wollen festgemacht ist, nicht darin besteht, ob sich mein Leib oder ich selbst in irgendeiner Weise mich bewege oder ob ich etwas „außer mir“ realisiere. 218 Wenn ich mir vornehme, nach Paris zu reisen (ein Beispiel von Husserl), dann realisiere ich nicht einen „anschaulichen Inhalt“, den ich zunächst imaginiere und dann verwirkliche. Der imaginierte oder erwartete Inhalt bleibt immer imaginerter oder erwarteter Inhalt. Er kann sich nicht „realisieren“. 219 Wenn ich mich auf der Reise nach Paris befinde, dann muß ich auch nicht laufend eine anschauliche „Vorstellung“ von meinem Ziel haben. Es macht daher keinen Sinn, wenn Husserl schreibt, daß „ausführender Wille, wirklich machender“ (Hua XXVIII, 107) sei. Was soll ein nicht Hoche spricht vom „Sündenfall der Willensaktlehre“ (Hoche 1973, 265), ohne allerdings auf Husserl direkt einzugehen. 218 Anders gesagt: im Sinngehalt meines Handlungsbewußtseins ist das „außer mir“ nicht aufzuweisen. So ist insbesondere in der amerikanischen Literatur eine noch größere Konfusion zu beobachten. Da der Übersetzer der Ideen I, Fred Kersten, das Wort „Erlebnis“ mit „mental process“ übersetzt hat, ist von vornhinein eine psychologische Interpretation Husserls Vorschub geleistet, obwohl jedem klar sein müßte, das von der Sache der Intentionalität her betrachtet diese Interpretation auszuschließen ist. Beim Handlungsbegriff zeigt sich infolge dann die unphänomenologische Lesart Husserls augenfällig. So meint Nenon etwa, daß das Handlungsbewußtsein sich nur über „perceptions of external events“ (Nenon 1990, 306) bzw. „through perceptions“ (ebd., 308) erschließe. Das ist aber völlig an der Sache vorbei gegriffen. Ich muß nicht erst äußere Veränderungen beobachten, um darauf zu kommen, daß ich ein Handlungsbewußtsein habe. Das würde bedeuten, die Eigenrealität des praktischen Bewußtseins in Vorstellungen, d.h. psychologisch aufzulösen. Das behauptet Husserl auch nicht. 219 Hier versteckt sich ein anderes Problem Husserls, nämlich wie sich – ideal betrachtet – verschiedene Akte durch andere Akte erfüllen lassen. So könnte man bspw. meinen, daß eine Erwartung sich durch eine Wahrnehmung erfüllt. Aber stimmt das? Kann sich nicht ein intentionaler Erwartungsakt nur durch einen Erwartungsakt erfüllen, denn wenn sich der Erwartungsakt erfüllen lassen könnte, würde er zu einer Wahrnehmung werden. Dann aber ist er kein Erwartungsakt mehr. In anderen Worten. Man kann das Problem nur lösen, wenn man die Erwartung als einen gegenwärtiges Moment der Erfahrung beschreibt bzw. als Teil oder Moment an einer Wahrnehmung. Noch klarer wird es bei der Erinnerung: eine Wiedererinnerung ist nur erfüllbar durch eine Wiedererinnerung und nicht durch eine Wahrnehmung (denn die ist ja per definitionem vorbei). Die Richtigkeit oder Falschheit eines Erinnerungsaktes, der sich auf etwas bezieht, das gerade nicht mehr aktuell ist, kann niemals durch etwas erfüllt werden, das aktuell ist (obwohl wir in der natürlichen Einstellung oft den Fehler machen und das behaupten). 217
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wirklich machender Wille sein, wenn nicht der Wunsch? Daraus folgt, daß es ausreicht, die Differenzierung von Wünschen und Wollen einzuführen, daß es aber problematisch ist, das Wollen selbst noch einmal zu differenzieren. 220 Entscheidend ist nun, dass Husserl schreibt: „Der auf Künftiges gerichtete Wille impliziert in gewisser Weise auch den Glauben an das Künftige, aber er setzt nicht diesen Glauben voraus, impliziert ihn nicht als Unterlage“ (Hua XXVIII, 106). Man kann hier sehen, dass Husserl sein eigenes Schema durchbricht, ohne es offenbar selbst zu bemerken. Das Wollen kann dieser These nach nämlich nicht mehr als ein fundiertes Verhältnis beschrieben werden, in dem sich ein emotionaler oder wertender Akt auf einen bereits „zuvor“ konstitutierten Glaubensakt bezieht. Husserl sieht, daß sich im Wollen selbst Glaube und Wollenskorrelat auf eigenartige Weise durchdringen. Wer etwas will, so Husserl, glaubt damit eo ipso, daß es geschehe. Mit anderen Worten: Ich muß nicht erst glauben oder wissen, daß etwas Realität wird, um ein darauf bezogenes Wollen „motivieren“ zu können. Husserl gibt als Beispiel eine Parisreise. Wer nach Paris reisen will, der muß nicht erst seinen Aufenthalt in Paris als „gewiß-seiend“ glaubend setzen, „sondern im Gegenteil: Wäre es schon im voraus gewißseiend, dann könnte es gar nicht gewollt werden. Es ist, statt im voraus gewiß seiend, allererst vermöge der Willensgewißheit gewiß. Der Wille als Willensgewißheit setzt das Künftige in einer Weise, die ihm für das Bewußtsein Gewißheit des Seins erst erteilt. Das Bewußtsein sagt gewissermaßen nicht: ‚Es wird sein, und demgemäß will ich es’; sondern: ‚Weil ich es will, wird es sein.’“ (Hua XXVIII, 107). Die idealistische Grundidee, die hinter diesem Gedanken steckt, nämlich daß das Wollen der einzige Vollzug ist, in dem man sich nicht auf Realität (bzw. auf Geglaubtes) bezieht, sondern sie nicht nur sich vorgibt, sondern sie sich vorgibt, hat Husserl in den erwähnten Abhandlungen nicht gesehen. Dennoch ist das Akt-Schema durchbrochen: Der Glaube an Künftiges geht aus dem Wollen hervor und nicht umgekehrt. Daher ist es faszinierend, daß Husserl eine Idee einführt, die imgrunde seine schematische Auffassung der Vernunft unterläuft und auch nicht mehr von Heideggers Kritik getroffen werden kann, nämlich daß „jedes [Wollen], [...] auf ein Vorstellen fundiert ist, das überhaupt Man kann diesen Zug Husserls als ein Anknüpfen an die philosophische Tradition verstehen, die immer wieder, insbesondere bei Kant und Fichte, die „innere“ Handlung von den bloß empirischen abzugrenzen versucht hat. Vgl. dazu Waldenfels 1989, 13f.
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das Wollbare [...] vorgibt“ (GA 17, 272). Das Wollen zeichnet sich dadurch aus, daß es aus dem Schema der objektivierenden und nichtobjektivierenden Akte bei genauerer Überlegung völlig herausfällt, weil es so scheint, daß das Wollen ein Vollzug ist, in dem wir uns das Seiende erst vorgeben, oder, in Heideggers Worten, entwerfen. Da nun ein Wollensakt, wenn er sich nicht auf etwas Gegenständliches bezieht, doch zumindest nicht ohne Korrelat gedacht werden kann, so verbleibt nur ein kleiner Schritt zu der Idee, daß das Wollen sich damit auf das eigene Leben bezieht, was treffend von Heidegger als „Umwillen“ bezeichnet wird. Wollen ist in sich ein Selbstverhältnis – und ein zukünftiges dazu. Husserl selbst hat diesen Schritt – zumindest in seiner Analyse des Wollens – nicht vollzogen. Dadurch, daß Husserl die Vorgabestruktur nicht konsequent durchdenkt (weil er sonst das Schema der objektivierenden und nichtobjektivierenden Akte überdacht haben müßte), kann er nicht sehen, daß wir im Wollen (gerade weil es nicht auf einem objektivierenden Akt sozusagen „aufsetzt“) uns überhaupt nicht auf etwas beziehen, daß´wir nicht sind, sondern zunächst auf etwas beziehen, das wir selbst sind. 221 Wir beziehen uns in wollenden Akten auf unser Sein. Desweiteren sieht Husserl nicht, daß aus dem Zusammenfall der Glaubenskomponente mit derjenigen des Wollens eine wichtige Konsequenz folgen müßte, nämlich ein Zusammenschluß von Wollen und Handeln. In anderen Worten: wer will, der handelt. Husserl aber denkt das Wollen letztlich noch psychologisch und daher führt er eine Differenzierung ein. Er bestimmt nämlich den Willensbegriff zweifach: den einen nennt er „Handlungswille“, den anderen „Entschlußwille“. Diese Aufteilung ist die Konsequenz aus dem vorher Skizzierten, daher sei sie hier kurz erläutert. Der Vorgabecharakter des Wollens, sich sein Korrelat im Vollzug zu „schaffen“, was Husserl (im Anschluß an James) das „fiat“ nennt, ist nach Husserl etwas „Ureigenes“ (Hua XXVIII, 107).222 Nun geht Husserl davon aus, daß sich das Wollen, wenn es den „Modus des Jetzt-Realseins“ (Hua XXVIII, 107) hat, sozusagen kontinuierlich vollzieht. Demnach spaltet er, wie oben angedeutet, den Willen in zwei Formen auf, was auf Probleme innerhalb der Zeitproblematik zurückzuführen ist. Ein Wille bezieht sich auf die Realisierung des Zieles, ein „anderer“ Wille richtet sich auf das Ziel selbst. Das bedeutet, daß sich Man kann sehen, daß Heidegger genau dieses Verhältnis in seiner Kant-Interpretation immer wieder angeht. 222 Vgl. dazu Hart 1992, 86f. Hart nennt auch Bradley als einen anderen Vorläufer. 221
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der Wille sozusagen auf zwei Zeitdimensionen richten muß, nämlich auf die Gegenwart und die Zukunft. Problematisch an der Einführung des Handlungswillens ist, daß seine Definition widersprüchlich zu derjenigen des Wollens im allgemeinen ist. Während sich der Wille, so wird behauptet, auf etwas Zukünftiges bezieht, muß sich bei der Annahme eines „laufenden“ Handlungswillens dieser zugleich auf etwas Gegenwärtiges beziehen. In diesem Falle muß man sich jedoch erneut fragen, wie wir oben festgestellt haben, ob es überhaupt noch Sinn macht, zwischen Wollen und Handlung zu unterscheiden. Nur das Wünschen, gerade weil es sich auf etwas bezieht, das nicht mit der Setzung der Realisierung sich vollzieht, steht außerhalb der Handlung. Man kann das auch stärker formulieren. Wünschen ist geradezu das Gegenteil von Handeln. Es steht ihm entgegen und das ist der Grund, warum Heidegger in Sein und Zeit auf beide rekurriert, wenn er von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit spricht. Ein anderer Punkt in Husserls Rekonstruktion des Wollens ist die Interpretation der Wahl. Diese hat bei Husserl zwei Aspekte: einen Wertaspekt und denjenigen des „Entschlußwillens“. Letzteren versteht Husserl wiederum zweifach. Einmal denjenigen Entschlußwillen, der sich auf die aktuelle Handlung richtet und denjenigen, der sich auf zukünftige Handlungen richtet. Auch die letztere Unterscheidung ist nicht einsichtig, denn es bleibt – wenn man die Husserlschen Voraussetzungen mit einbezieht – unklar, wie ein Wille, genannt Entschluß, sozusagen virtuell ohne Konsequenz bleiben kann um dann erneut nach einer gewissen Zeitspanne einzusetzen. Dieses würde einen erneuten Entschluß erfordern, der dann zum wirklich aktuellen Zeitpunkt „einsetzt“. Dann aber bräuchte man nicht zwei, sondern nur eine Form des Entschlußwillens, eben den Entschluß selbst. Die Lösung dieses Problems kann aber auch hier nur darin bestehen, daß man dasjenige Verhältnis, in dem man sich etwas Zukünftiges vornimmt, als ein Wünschen auslegt. Eben weil ich nicht handele, wenn ich mir etwas Zukünftiges vornehme (ich nehme es mir eben nur vor), verhalte ich mich zu meinem Ziel allenfalls in einem wünschenden Sinne. Selbst, wenn das Rauchen aufhören will (es aber nicht tue), so kann man allenfalls sagen, daß ich mir wünsche, mit dem Rauchen aufzuhören. In diesem Falle ist keine Realisierung mitgesetzt. Es ist eben nur ein „Vorsatz“ (Hua XXVIII, 109, 111) im Sinne einer Hypothese und kein Wollen. Es ist daher überhaupt nicht nachvoll-
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ziehbar, warum Husserl die These vertritt, daß ich etwas wollen kann, das sich nicht „unmittelbar auswirkt“. 223 Von seiner Grundunterscheidung her gesehen, die er zwischen Wünschen und Wollen einführt, ist seine Lösung nicht nachvollziehbar. Wir werden sehen, daß Heideggers Lösung einsichtiger ist. Man muß festhalten, daß Heideggers Handlungsmodell weitaus anspruchsvoller ist, weil er zeigen kann, daß die rationale „Entscheidung“ im Sinne des „fiat“ nur die rationale Nachrekonstruktion der ursprünglichen Handlungssituation ist, in der ich mich entschieden habe. In diesem Sinne impliziert die Handlungstheorie Heideggers ein nachträgliches Moment, weil ich mich immer schon entschieden habe, wenn ich eine Wahl treffe. Diese These verlangt eine genauere Interpretation dessen, was Heidegger „Nachholen“ einer Wahl nennt. Heidegger übernimmt in der Unterscheidung von Uneigentlichkeit und Eigentlichkeit Husserls Unterscheidung von Wünschen und Wollen, führt aber einen scharfen Gegensatz ein. Die „Wahl“ zwischen beiden, also die eigentliche Handlung, liegt zwischen dem Selbstverständnis meiner eigenen Person bzw. meines eigenen Seins als eines wünschenden und eines wollenden. Der „Entschlußwille“ geht also überhaupt nicht auf eine Realisierung o.ä., sondern wir haben uns immer schon für das eine oder das andere entschieden, und daher gibt es keinen eigentlichen „Entschlußwillen“. Daher schreibt Heidegger, bezugnehmend auf das Selbstverhältnis und die Entschlossenheit: „Der Mensch nimmt an seinem Wesen an sich ein Interesse, ob so oder so. Und woran liegt das? Allgemein gesprochen daran, daß der Mensch nur so ist, daß es ihm dabei – nämlich bei seinem so oder so Sein – immer um etwas geht; er hat sich immer zu etwas entschlossen.“ (GA 28, 12) Wenden wir uns daher nun den Heideggerschen Ausführungen zu.
Diese „Einfrierungsthese“ behält Husserl auch in späten Manuskripten bei. Vgl. z.B. Hua XXIX, 373: „sondern immer haben wir von früher Willensrichtungen, die noch nicht zur Realisierung gekommen sind, weil es nicht ‚an der Zeit’ war“. In welchem Sinne hier überhaupt noch von „Wille“ gesprochen werden kann, bleibt unklar.
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§7: DAS PRAKTISCHE SELBSTVERHÄLTNIS (HEIDEGGER) 1. UMWILLEN, PRAKTISCHE UND MODALE MÖGLICHKEIT
Heidegger zeigt in seiner Umweltanalyse, daß der Bewandtniszusammenhang von seinen Zwecken her betrachtet auf das Verstehen und damit auf unsere Entwürfe zurückzuführen ist. Da es sich bei der Umwelt immer um einen Zusammenhang handelt, führen alle singulären Zwecke schließlich auf einen „Urzweck“ zurück, der sich wiederum aus einem Entwurf herleitet, den man auch als ein „Lebensprojekt“ beschreiben könnte. Heidegger gibt das Beispiel des Hammers, der auf das Hämmern zurückführt, was zum Hausbau führt, was wiederum in einer Möglichkeit des Daseins selbst „gründet“, nämlich einen basalen Schutz zu suchen. 224 Letztlich führen also alle „in den Objekten“ zu entdeckenden Bewandtniszusammenhänge oder Zwecke auf Möglichkeiten der Subjektivität zurück, d.h. die Umwelt strukturiert sich „um einer Möglichkeit seines [des Daseins, C.L.] Seins willen.“ (SuZ, 84). Das führt schließlich zu der Einsicht: „Das primäre ‚Wozu’ ist ein Worum-willen. Das ‚Umwillen’ betrifft aber immer das Sein des Daseins, dem es in seinem Sein wesenhaft um dieses Sein selbst geht.“ (SuZ, 84). Aus der Welt führt damit immer eine implizite Verweisungslinie auf diejenigen Möglichkeiten zurück, aus denen sich die Projekte selbst her verstehen lassen. Diesen Schritt hat Husserl in seiner Einführung der vertikalen und horizontalen Intentionalität und der Zwecke zwar angedeutet, aber nirgends ausgeführt. Er konzipiert das „Zu-sich-selbstsein“ (GA 26, 244) nicht im Sinne eines Verhaltens zum eigenen Leben. Husserl sieht nicht klar genug, daß diejenigen Zwecke, aus denen sich die praktischen Gegenstände herleiten, von grundsätzlich anderem Typ sind, nämlich daß sie aus meinen eigenen Lebensprojekten herstammen, die wiederum auf Handlungssituationen zurückführen. 225 Die Struktur unserer praktischen Bezüge kann sich nicht aus diesen selbst bestimmen lassen, sondern sie haben ihr Sein nur durch uns selbst. Woraufhin innerweltliches Seiendes entworfen wurde, kann nicht „als Seiendes dieser entdeckten Seinsart begriffen werden“ (SuZ, 85). In anderen Worten: der Sinn der weltlichen Zusammenhänge kommt durch uns selbst ins Spiel und verweist auf unsere Entwürfe. Vgl. dazu SuZ, 84. „Der Entwurf betrifft immer die volle Erschlossenheit des In-der-Weltseins“ (SuZ, 146) 224 225
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Daher prägt Heidegger die Formel, daß es dem Dasein „als In-derWelt-sein um es selbst geht“ (SuZ, 143; kursiv C.L.).226 Der primäre Entwurf, den Heidegger durch die Bestimmung des Worumwillen zu fassen versucht, gibt der Welt die „Form der Ganzheit“ (GA 26, 238): „Welt als das, woraufhin Dasein transzendiert, ist primär bestimmt durch das Umwillen“ (GA 26, 238). Dabei bezieht Heidegger deutlicher als in Sein und Zeit selbst 1928 das Worumwillen auf den Entwurf und auf den Willen und diesen auf die Freiheit zurück: „Nur, wo Freiheit, da ein Umwillen, und nur da Welt“ (GA 26, 238). Der Zusammenhalt der Verweisungsganzheiten wird durch einen „Endzweck“ (GA 26, 238) gewährleistet, der sich nur aus dem eigenen Leben her erschließt. Das praktische Selbstverhalten nun kann sich nach Heidegger in zwei Modi vollziehen. Das Subjekt kann sich völlig aus den weltlichen Möglichkeiten her verstehen und sozusagen vergessen, daß es selbst dabei immer durch seine Entwürfe im Spiel ist. Diesen Modus nennt Heidegger bekanntlich „Uneigentlichkeit“. 227 Nichtsdestotrotz geht es dem Dasein auch in der Uneigentlichkeit weiterhin um sich selbst. Das bedeutet: die Uneigentlichkeit ist der Eigentlichkeit nicht im strikten Sinne entgegengesetzt, sondern beide bedeuten bloß Abwandlungen ihrer selbst. 228 In beiden Modi geht es dem Dasein um seine eigene Zukunft oder Vergangenheit. Gerade das führt dazu, daß die Sorgestruktur nicht der Eigentlichkeit oder der Uneigentlichkeit zugerechnet werden kann, sondern beide als eine Modifikation des jeweils anderen, also letztlich ihrer selbst verstanden werden müssen.
Vgl. auch: „Der Entwurfcharakter des Verstehens konstituiert das Inder-Welt-sein hinsichtlich der Erschlossenheit seines Da als Da eines Seinkönnens“ (SuZ, 145) und „Es entwirft das Sein des Daseins auf sein Worumwillen ebenso ursprünglich wie auf die Bedeutsamkeit als die Weltlichkeit seiner jeweiligen Welt.“ (SuZ, 145) und „Diese eigentliche Erschlossenheit modifiziert aber dann gleichursprünglich die in ihr fundierte Entdecktheit der ‚Welt’“ (SuZ, 297) 227 Den „neutralen“ Modus lassen wir hier der Übersicht halber aus dem Spiel. Heidegger spricht von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit auch von den „Grundmöglichkeiten“ (SuZ, 191) des Daseins. Wie die Angst wird Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit benutzt, um gewisse Strukturen besser sichtbar machen zu können. Im selben Jahr heißt es: „Weil Selbstheit Grundcharakter der Existenz ist, Existieren aber je ein Seinkönnen bedeutet, muß eine seiner Möglichkeiten zur konkreten Herausarbeitung der ontologischen Selbstheit dienen, und daher ist der Weg einer extremen Konstruktion gewählt worden“ (GA 26, 243). 228 Das meint auch Figal 1991, 192. Die Eigentlichkeit sei kein „alternatives Verhalten“ (Figal 1991, 192) und es gehe nicht um eine „Ethik der Eigentlichkeit“ (Figal 1991, 256) 226
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Diese Struktur können wir noch schärfer beleuchten, wenn wir sie im Zusammenhang mit den methodischen Ausführungen Heideggers betrachten, die er in §7 von Sein und Zeit gibt. Normalerweise wird dieser Paragraph nicht im Kontext der eigentlich inhaltlichen Ausführungen des Werkes analysiert, als ob es sich hier um „bloß“ methodische Ausführungen handele - gegenüber konkreten Analysen im hinteren Teil. Das übergeht aber völlig Heideggers eigentliche Position und Diskussion dessen, wie sich eine gute Methode darzustellen hat. In diesem Sinne müßte sich nämlich der methodische Sinn aus der Sache selbst her ergeben, daß heißt, daß die Struktur und der Sinn des methodischen Vorgehens aus dem Dasein selbst gewonnen werden muß. Das aber bedeutet, daß man eine Spiegelung der methodischen Ausführungen in der konkreten Analyse sehen muß. Und in der Tat, wenn man genauer hinsieht, muß man behaupten, daß Heideggers Anmerkungen zu dem, was ein Phänomen darstellt, sich nicht nur in der Diskussion von Wahrheit und Unwahrheit, aber auch von Angst und Schuld und von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit finden lassen. Ich möchte daher zunächst hierzu ein paar Anmerkungen machen, bevor ich dann den Unterschied von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit als einen Unterschied der Möglichkeitsauffassung darstelle. Diese nämlich führt uns dann auf ein anderes Verständnis von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit, nämlich Wünschen und Wollen. In diesem Sinne möchte ich einen konstruktiven Vorschlag machen, wie man die Unterscheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit, die in der Forschung für so viel Verwirrung gesorgt hat, besser verstehen kann. Heidegger macht nämlich in §7 eine Unterscheidung, anhand der man die Analyse jedes konkreten Phänomens verfolgen kann. In seinen ersten Hinweisen auf den antiken Wahrheitsbegriff weist Heidegger darauf hin, daß „Falschsein“ „soviel wie Täuschung im Sinne von verdecken [meint, C.L.]: etwas vor etwas stellen (in der Weise des Sehenlassens) und es damit ausgeben als etwas, was es nicht ist.“ (SuZ, 33). Was Heidegger hier im Auge hat, ist die konstitutive Verbindung der Wahrheit und der Unwahrheit. Offenbar nämlich setzt die Formel „etwas ausgeben als etwas, das es nicht ist“ ein Drittes voraus, das als es selbst oder nicht als es selbst „ausgegeben“ werden kann. Genau dieses bezeichnet Heidegger dann im folgenden als „Phänomen“. Phänomen in diesem Sinne ist dasjenige, das sich uns zeigt – so oder so – in einem der beiden Modi, also als Falschsein oder als Wahrsein. Aber in beiden Modi muß sich das Phänomen, um das es geht, zeigen. In anderen Worten: es selbst ist „eigentlich“ immer schon „sichtbar“, denn um es als 150
wahr oder falsch ausgeben zu können, muß es schon als ein SichZeigendes überhaupt angesprochen werden können. Das bedeutet: auch, wenn sich etwas als etwas zeigt, das es nicht ist, so zeigt es sich doch, aber eben nur in einem anderen Modus. Heidegger hat offenbar im Hinterkopf, daß Wahrheit und Unwahrheit nicht als sich ausschließende Phänomene bzw. Seinsweisen begriffen werden können (und in der Tat wird später in der Diskussion diese Schlußfolgerung gezogen). Da aber diese Struktur für Heidegger dem Phänomen generell, also jedem Phänomen, zukommt, muß man zu dem Schluß kommen, daß in jedem Modus auch der andere Modus bereits impliziert ist. Zeigt es sich als „Schein“, so kann man dennoch sagen, daß es „eigentlich“ etwas anderes ist, eben das, was sich überhaupt als etwas zeigt. 229 Es ist daher unverständlich, warum Heidegger inkonsequenterweise davon spricht, daß es bloß die „Regel“ sei (SuZ, 36), daß das Phänomen im Modus „Schein“ sich zeige. Den Ausführungen zufolge, die er die Abschnitte zuvor dem Leser vorstellt, muß die Verbindung von Sichselbst-zeigen und Sich-nicht-als-es-selbst-Zeigen aber als notwendige verstanden werden, weil nur dasjenige außerhalb von „Schein und Sein“ steht, daß ohne die als Struktur erfaßt wird, also im reinen „Vernehmen“ selbst. Nach allem, was Heidegger aber über Hermeneutik und das hermeneutische „als“ vorführt, bleibt unklar, wie es ein solches reines Vernehmen geben soll. Es bliebe gewissermaßen nicht nur unverstanden, sondern würde überhaupt nicht thematisiert werden können. So muß man den Schluß ziehen, daß dem Schein sogar eine gewisse Vorrangstellung vorkommt, denn nur durch ihn hindurch kann es uns gelingen, das Phänomen als es selbst an ihm selbst sichtbar zu machen. Und genau dies ist dann auch der Grund dafür, daß Heidegger in Bezug auf die Eigentlichkeit immer in einem nachträglichen Modus spricht. Das Dasein muß sich zurückholen und die Wahl, die es vollzieht, ist eine „Wiederholung“ der Wahl. Auch die Struktur der „Abkehr“ kann so besser begriffen werden. So meint Heidegger etwa, daß auch in der Flucht dasjenige, wovor das Dasein flüchtet, sich nur um so mehr zeigt. Das bedeutet: im Modus des Scheins, den das Phänomen als Fliehen annimmt, zeigt sich „eigentlich“ schon, was es selbst ist. Und in der Tat: wir müssen nicht erst das eine analysieren und dann in Das ist dann auch der Grund, warum Heidegger nur von Verdecken, Vergessen, Verstellung, Verschüttung etc spricht und nicht wirklich von einem grundsätzlichen Gegensatz von Wahrheit und Unwahrheit. In anderen Worten: ein wirklicher Verlust bzw. ein völliges Unverständnis ist nicht möglich. Vgl. dazu auch Taminiaux 1994, 271.
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einem zweiten Schritt auf ein anderes Phänomen verweisen, sondern wir analysieren ein Phänomen (z.B. eine Stimmung), und bestimmen dieses dann einmal als Furcht, und ein anderes Mal als Angst. So handelt es sich bei Angst und Furcht grundsätzlich um dasselbe Phänomen, aber eben nur so, daß die Angst die „eigentliche“ Furcht und die Furcht die „uneigentiche“ Angst ist, so daß wir sogar alltäglich formulieren können, daß die Furcht „eigentlich“, nämlich in Wahrheit, Angst ist. In beiden Weisen geht es dem Dasein um sich selbst. 230 Wir können diese Struktur nun auf die Unterscheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit übertragen. Die Eigentlichkeit ist der Uneigentlichkeit nicht entgegengesetzt, sondern immer schon in ihr „sichtbar“. So kann nie das eine ohne das andere vorkommen. 231 Beide gehören für Heidegger untrennbar zusammen. So muß sich natürlich auch das, was „uneigentlich“ genannt wird, zeigen und somit zum Phänomen selbst konstitutiv gehören. 232 Man findet die vorgestellte Struktur unmittelbar bei der Einführung der Uneigentlichkeit und Eigentlichkeit wieder. Heidegger schreibt: „Und weil Dasein wesenhaft je seine Möglichkeit ist, kann dieses Seiende in seinem Sein sich selbst ‚wählen’, gewinnen, es kann sich verlieren, bzw. nie und nur ‚scheinbar’ gewinnen. Verloren haben kann es sich nur und noch nicht sich gewonnen haben kann es nur, sofern es seinem Wesen nach mögliches eigentliches, das heißt sich zueigen ist.“ (SuZ, 42). Mit anderen Worten: die Eigentlichkeit erfordert schon von sich aus, daß Dasein nicht oder nicht immer im Modus der Eigentlichkeit existiert. Die Beziehung zwischen beiden Modifikationen aber kann nicht als ein totaler Unterschied gedacht werden. Es sind immer dieselben Phänomene, um die es geht. Wenn Dasein im uneigentlichen Modus sich vollzieht, ist es der praktischen Möglichkeit nach immer schon „eigentlich“. Es wäre auch völlig absurd zu behaupten, daß sich das Leben substantiell ändere, wenn ich mich entschlossen aus meiner jeweiligen Situation heraus verstehe. Die Eigentlichkeit ist nur die Abwandlung desselben. Ich bin weiterhin dieselbe Person. Ich wechsle nur gleichsam den Blick auf die Welt, weil ich alle Möglichkeiten, die ich Vgl. dazu SuZ, 193. Heidegger bezieht sich zwar auf die Möglichkeit eines „reinen Sehenlassen“, aber meint doch, daß jede als Struktur schon die Möglichkeit des Falschseins impliziert hat. 232 Reto Fetz hat diese Struktur mit genetischen Ansätzen bei James und Mead konfrontiert. Auch er kommt zu dem Schluß, daß „Identität als Aufgabe des Menschen immer mit der Möglichkeit der Nichtidentität zusammen“ hängt (Fetz 1992, 4) 230 231
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schon bin, auf einmal in einem anderen Modus betrachte. Ich finde auch keine neuen Handlungsmöglichkeiten, sondern ich konstituiere bzw. erschließe nur diejenigen, die schon „da“ sind, in einem anderen Modus. Ich konstituiere die Situation meiner Möglichkeiten als eine, die in meinen praktischen Horizont hineinsteht, und die ich sein kann. In anderen Worten: Ich erschließe die Möglichkeiten, die mir zuvor nur äußerlich waren, als Möglichkeiten, die mein Können ausmachen. Ich weiß schon, daß ich nach Paris reisen kann, aber ich habe die Möglichkeit der Parisreise noch nicht als eine erfaßt, die ich kann. Das bedeutet: ich könnte auch nicht nach Paris reisen. Husserl hat nicht gesehen, daß dieses Verhältnis zu meinem Können das Entscheidende ist, und daß die bloße Konstatierung des Verhältnisses noch nicht hinreichend ist, obwohl in Husserls Überlegungen zum leiblichen Können Heideggers Idee schon in nuce vorzufinden ist.. Da Heidegger das Selbstverhältnis im Sinne des Möglichseins bestimmt und behauptet, daß dem Dasein seine Möglichkeiten nicht „zukommen“ wie Eigenschaften den Dingen, muß er das Verhältnis von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit als ein Verhältnis verschiedener Möglichkeitsbegriffe bestimmen. Und, wie wir oben schon angedeutet haben, er übernimmt dabei grundsätzlich die Husserlsche Unterscheidung von „modaler“ und „praktischer“ Möglichkeit. Der „Wechsel“ der beiden Modi ist daher nur eine andere Aneignung desselben. In der Uneigentlichkeit verhalte ich mich zu mir selbst und meinen Zweckentwürfen im Sinne von praktischen Möglichkeiten. In anderen Worten: ich verstehe meine eigenen Möglichkeiten überhaupt nicht im eigentlichen Sinne als meine eigenen, d.h. als Möglichkeiten, die mir selbst zukommen, sondern als Möglichkeiten, die mir aus der Welt her begegnen und die ich mir nur im Sinne von Eigenschaften zuschreibe. Ich möchte diese Unterscheidung kurz erläutern, bevor ich sie dann auf den Unterschied von Wünschen und Wollen zurückführe. Heideggers Emphase, daß das Wesen des Daseins in seiner Existenz, also in seinem Vollzug liegt und seine Hinweise darauf, daß das Dasein seine Möglichkeiten nicht „hat“, sondern „ist“, führt er in §31 näher aus: „Dasein ist nicht ein Vorhandenes, das als Zugabe noch besitzt, etwas zu können, sondern es ist primär Möglichsein. Dasein ist je das, was es sein kann und wie es seine Möglichkeit ist.“ (SuZ, 143). Offenbar übernimmt Heidegger hier die Unterscheidung des Horizontbegriffes der Möglichkeit und des Begriffes von Möglichkeit, der Gegenständen im Sinne von Eigenschaften zukommen kann. Wenn ich mich als jemand begreife, der auch eine eckige anstatt eine blaue Brille tragen 153
könnte, so fasse ich die Möglichkeit einer anderen Brille im Sinne einer Eigenschaft, die ich haben oder nicht haben kann. Im Sinne der praktischen Möglichkeit muß ich dieses Verhältnis in einem anderen Sinne erfassen, nämlich als eines, daß mir nicht „wie von außen“ zukommen oder nicht zukommen kann. Das muß aber zu dem Schluß führen, dass nur, wenn ich mich zum Brille-Tragen entschlossen habe, diesem Brille-Tragen nicht mehr der kontingente Eigenschaftscharakter zukommt. Mit anderen Worten: wenn ich mein Brille-Tragen aus meinen eigenen Entwürfen heraus verstehe, indem ich mich in einer bestimmten Weise zu mir selbst verhalte und ich erkenne, daß ich mich schon dazu entschlossen habe, verhalte ich mich automatisch im Sinne des praktischen, eigentlichen Verhaltens. Daher auch braucht es keinen „empirischen“ Entschluß in der Heideggerschen Theorie, weil der Überschritt zur Eigentlichkeit im Sinne der Entschlossenheit nur die Abwandlung dieses Möglichkeitsmodus bedeutet. Mit der Abwandlung erkenne ich, daß alle Möglichkeiten, die ich zuvor im Sinne äußerer verstanden habe (der Welt, den Gegenständen oder Anderen zukommenden Möglichkeiten), plötzlich in meinen eigenen Horizont hineinfallen und damit einen grundsätzlichen Bezug zu meinem Leben aufweisen. Ich werde auf die augenblickliche, gegenwärtige Situation zurückgezwungen, da ich durch den Wechsel alle meine Möglichkeiten bin. Genau dieses scheint mir die generelle Idee Heidegger hinter seiner Unterscheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit zu sein. Es handelt sich ja bei der „Wahl“ nicht um einen rationalen Prozess, bei dem ich überlege, ob ich eigentlich oder uneigentlich sein will. Ganz im Gegenteil: gerade weil die Eigentlichkeit als ein praktisches Verhalten (im Sinne der praktischen Möglichkeit) eingeführt wird, kann sie nur im Vollzug liegen und daher bleibt jede rationale Überlegung imgrunde nur Nachrekonstruktion eines bereits sich vollzogenen Verständnisses. Derjenige, der überlegt, wie er sich entscheiden soll, behandelt seine eigenen Möglichkeiten immer noch als Möglichkeiten, die einem im Sinne modaler Möglichkeiten zufallen können. Ändert sich aber dieser Modus, ändert sich per definitionem auch mein Selbstverhältnis und damit wird die rationale Überlegung in gewisser Weise überflüssig. 233 So paßt auch Heideggers folgende Aussage in das hier entworfene Bild: „Das Möglichsein, das je das Dasein existenzial ist, unterscheiVgl. dagegen die Kritik Tugendhat 1989, xx und bei Makreel 2000, 74f. Makreels Feststellung, daß man Heideggers „distrust of judgement“ (Makreel 2000, 74) schön früh feststellen könne, trifft nicht die systematische Sachlage. Es hat ja durchaus seinen Grund, daß Heidegger nicht darüber reflektiert.
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det sich ebensosehr von der leeren, logischen Möglichkeit wie von der Kontingenz eines Vorhandenen, sofern mit diesem das und jenes ‚passieren’ kann. Als modale Kategorie der Vorhandenheit bedeutet Möglichkeit das noch nicht Wirkliche und das nicht jemals Notwendige“ (SuZ, 143).234 Dieses Verhältnis nun ist nach dem oben bei Husserl Ausgeführten exakt dasjenige, was dieser als Unterschied von Wünschen und Wollen bestimmt, und es ist in der Tat nicht nur historisch interessant, sondern hilft dem Verständnis weiter, wenn man in Betracht zieht, daß Heidegger an zentraler Stelle von Sein und Zeit auf Wünschen und Wollen zurückkommt. Man kann die allgemeine These aufstellen, daß Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit eigentlich nicht anders implizieren als diesen Unterschied. Es geht um die Frage, ob ich wünschend oder wollend mich zu mir verhalte. Wie dem auch sei: die Frage des Worumwillen, die Heidegger von Aristoteles übernimmt, führt zurück auf denjenigen Vollzug, der hinter ihm steckt, und das ist offensichtlich das Wollen, was wiederum auf die Frage der Selbstbestimmung oder „eigentlichen“ Handlung zurückführt. 235 Rekapitulieren wir hier noch einmal: In der Eigentlichkeit entscheidet sich das Subjekt also nicht im konkreten Sinne, sondern die Eigentlichkeit ist die Bedingung der autonomen Handlung im Sinne einer Haltung oder grundsätzlichen Bestimmtheit meines gesamten Verhaltens. Sie eröffnet sich zunächst für eine konkrete Möglichkeit. Seine eigensten Möglichkeiten ergreifend, wie Heidegger auch sagt, führe ich alle Zusammenhänge auf mein Sein selbst zurück, d.h. ich verstehe alle Möglichkeiten meines Lebens nicht mehr als Möglichkeiten, die mir einfach so „zufallen“ können oder die ich in den Dingen finde, sondern ich verstehe sie als meine eigenen Möglichkeiten. Die Entschlossenheit eröffnet dem Subjekt diejenigen Handlungen, die sich aus dem eigenen Leben her bestimmen, wohingegen in der Uneigentlichkeit, im „Drang und Hang“ (SuZ, 194), es „von der Welt ‚gelebt’“ (SuZ, 196) wird. In einem solchen Selbstverständnis werden alle Möglichkeiten als etwas
Vgl. zur Diskussion dieser Stelle auch die zweifelsohne klarsten Ausführungen bei Tugendhat 1989, 214ff. 235 Dazu meint Held: „Mit diesem Gedanken treibt Heidegger die Herrschaft des Willensprinzipes und das voluntaristische Weltverhältnis der Neuzeit zunächst ins Extrem und überbietet noch Husserls bewußtseinsimmanentistische Theorie der Weltkonstitution.“ (Held 1988, 124). 234
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verstanden, das „passieren“ kann. Im andern Falle können wir mit David Carr von „Self-Authorship“ (Carr 1986, 80) sprechen. 236 2. WÜNSCHEN UND WOLLEN
Heideggers Theorie ist kohärent und der Gedankengang imgrunde einfach und intuitiv. Das Vorgehen ist rein analytisch, was die Analyse des Phänomens der „Entschlossenheit“ angeht, das sich bekanntlich als die zentrale Charakterisierung der Eigentlichkeit herausstellt. Heidegger beschreibt ausschließlich den eigentümlichen Sinn derjenigen Haltung, die wir „entschlossen“ nennen. Schaltet man nämlich die Möglichkeit aus, die wir oben bei Husserl kritisiert hatten, daß man sozusagen „virtuell“ entschlossen sein kann, dann wechselt in einer entschlossenen Haltung nicht der „Inhalt“ meiner Welt, sondern nur mein Verhältnis zu ihr. Aber weil es sich um keine bestimmten „Inhalte“ handelt, zu denen ich mich verhalte, muß man korrekterweise formulieren, daß das Verhältnis zu mir sich ändert. Dadurch, daß „Entschlossenheit“ eben nur ein Verhalten meint, in dem sich meine zeitlichen Horizonte konstituieren, und der Begriff nicht einen konkreten Vollzug im Sinne von „entschlossen zu etwa Bestimmten“ meint, wechselt nur der situative Charakter und die eigene Zuschreibung meiner Handlungsmöglichkeiten, nicht aber letztere selbst. „Zur Entschlossenheit gehört notwendig die Unbestimmtheit“ (SuZ, 298). Es ist daher völlig überzeugend, wenn Heidegger von einer „Entschlossenheit zu sich selbst“ (SuZ, 298) spricht. Ich verstehe im Modus der Eigentlichkeit bzw. der Entschlossenheit, daß Handlungen Vollzüge sind, die ich mir nicht mehr nur äußerlich zuschreiben kann, weil sie im strengen Sinne mein Sein und nicht meine Eigenschaften ausmachen. Husserl hat nicht beachtet, daß diese Ebene im Sinne eines Verhalten zu meinem Können als ein Können beschrieben werden kann. Handlungen sind „eigentlich“ immer meine Handlungen (obwohl ich sie uneigentlich als etwas Kontingentes verstehen kann) und daher ist es einsichtig, wenn Heidegger darauf hinweist, daß das Selbst im eigentlichen Sinne erst mit der Konstitution der Entschlossenheit, also der Handlungssituation, auftaucht. In diesem Sinne folgt Heidegger einer fichteschen Traditionslinie, die das Primat des Praktischen mit der Theorie des Selbst oder des Selbstbe-
Vgl. Fetz 1992, 6; auch Gethmann zieht diesen Schluß. Vgl. Gethmann 1988, 165f.
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wußtseins zu verknüpfen sucht. 237 Ein eigentliches Selbst-Bewußtsein ist diesen Ansätzen zufolge nur durch die „Tat“ zu gewinnen. Das bedeutet: es ist ein Verhältnis, das nicht mehr als ein rein passives Verhältnis beschrieben werden kann, wie es dasjenige Bewußtsein darstellt, das wir gewöhnlicherweise „Selbstbewußtsein“ im Sinne einer basalen Selbstreferentialität nennen. Kommen wir auf die Unterscheidung der beiden Möglichkeitsbegriffe und die Unterscheidung von Wünschen und Wollen zurück. Es ist interessant festzustellen, daß Heidegger die Unterscheidung von Wünschen und Wollen nicht nur an zentraler Stelle anspricht, sondern mithilfe ihrer auch die Unterscheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit, von fremdbestimmten und selbstbestimmten Selbst, klarer gemacht werden kann. Man könnte zunächst meinen, daß Wünschen und Wollen nicht entscheidend sind, weil Heidegger meint, daß die Sorge beiden Vollzügen voraus geht. Damit aber liefert er für uns selbst das richtige Argument. Er schreibt: „Sorge kann nicht ein besonderes Verhalten zum Selbst meinen“ (SuZ, 193). Die Sorgestruktur ist, wie der Name schon sagt, eine Struktur, die das Dasein als Ganzheit kennzeichnet. Bei ihrer Einführung definiert Heidegger die Sorge ausschließlich als das Verhältnis des „Sich-vorweg-schon-sein-in-(der-Welt) als Sein-bei (innerweltlich begegnendem Seienden).“ (SuZ, 192). Diese Struktur umgreift jeden Vollzug und kann daher auch nicht mehr differenziert werden. Das aber bedeutet, daß sich Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit als besondere Selbstverhältnisse interpretieren lassen müssen, woraus konsequenterweise folgt, daß sie sich über andere Kriterien bestimmen. Die Sorge spielt für die Differenzen keine Rolle, d.h. sie ist bloß eine ontologische Voraussetzung für andere Vollzüge, aber es kann nicht weiterhelfen, den Unterschied von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit aufzuklären. Wir können uns eine Diskussion der Sorge daher hier ersparen. Ein Kriterium, das dafür der geeigneteste Kandidat darstellt, ist der Wille. Heidegger schreibt nämlich: „Das Seinkönnen ist es, worumwillen das Dasein je ist, wie es faktisch ist. Sofern nun aber dieses Sein zum Seinkönnen selbst durch die Freiheit bestimmt wird, kann sich das Dasein zu seinen Möglichkeiten auch unwillentlich verhalten, es kann uneigentlich sein und ist faktisch zunächst und zumeist in dieser Weise. Das eigentliche Worumwillen bleibt unergriffen“ (SuZ, 193). Aus In seiner Fichte-Vorlesung von 1928/29 interpretiert Heidegger zentrale Stellen dann auch konsequenterweise im Lichte seiner eigenen Ausführungen. Vgl. insbesondere GA 28, §11
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diesem Zitat muß man den Schluß ziehen, daß die Eigentlichkeit untrennbar mit dem Wollen und die Uneigentlichkeit mit dem Nichtwollen verknüpft ist. Da aber das Nichtwollen nicht auch als ein Wollen bestimmt werden kann, weil man sonst in einen Bestimmungszirkel hineingeraten würde, muß man nach einem anderen Verständnis Ausschau halten, das als Oponent des Wollens in Frage kommt. Und in der Tat: Heidegger setzt dem Phänomen des Wollens, in dem „die zugrundeliegende Ganzheit der Sorge“ (SuZ, 194) durchscheint, das Phänomen des Wünschens entgegen. Er schreibt: „Im Wunsch entwirft das Dasein sein Sein auf Möglichkeiten, die im Besorgen nicht einmal bedacht und erwartet wird. Im Gegenteil: die Vorherrschaft des Sichvorweg-seins im Modus des bloßen Wünschens bringt ein Unverständnis der faktischen Möglichkeiten mit sich“ (SuZ, 195). Dadurch daß das Wünschen als ein Verständnis charakterisiert ist, das – in Husserls Worten – die Setzung der Realisierung vermissen läßt, bezieht es sich nur auf Nicht-Gegenwärtiges, das als „Unergriffenes“ jeglichen Bezug zum Seinkönnen verliert. In anderen Worten: das Wünschen ist das zentrale Phänomen, an dem man sehen kann, in welchem Sinne man sich zu seinen eigenen Möglichkeiten im Sinne von modalen Möglichkeiten verhalten kann. Das Wünschen charakterisiert demnach exakt denjenigen Modus, der dadurch ausgezeichnet ist, daß es sich durch ein Nichthandelnkönnen bzw. Nichthandeln auszeichnet. Es ist daher der zentrale Vollzug auch des „Man-Selbst“, wenn man mitbedenkt, daß Heidegger Wünschen und Wollen als SelbstVerhältnisse interpretiert. Das „Man“ hat dem Dasein seine eigenen Möglichkeiten „abgenommen“, d.h. es selbst hat sie sich abgenommen, weil das „Man“ eine Modifikation des Selbstbezuges darstellt. In diesem Sinne ist das Man-Selbst als ein Nicht-Handelndes ausgezeichnet. Das hat wiederum den Effekt, daß das Wünschen wie das alltägliche Verhalten eine „Abblendung des Möglichen als solchen“ (SuZ, 195) impliziert, weil es jede Möglichkeit als eine Möglichkeit erfaßt, die dadurch charakterisiert ist, daß sie sich als das „nicht jemals Notwendige“ und das „noch nicht Wirkliche“ (SuZ, 143) darstellt. Durch den Verlust jeglichen Bezuges auf das Gegenwärtige und „Wirkliche“, den das Wünschen im temporalen Sinne „überspringt“, verliert es den Charakter der praktischen Möglichkeit oder des Seinkönnens. Verhalte ich mich zu meinen zeitlichen Horizonten im Sinne des Wünschens, dann verstehe ich mein eigenes Sein als eines, das kontingent ist. Um es an einem Beispiel zu illustrieren: Wenn ich die Möglichkeit, das Rauchen aufzuhören, im Modus des Wünschens setze, verhalte ich mich zu mei158
ner Zukunft und meinem eigenen zukünftigen Sein erstens im Sinne des Überspringens der „Wirklichkeit“ (ich rauche nämlich noch, wenn ich wünsche, und lasse das sozusagen außer acht), und zweitens verhalte ich mich im Sinne Heideggers „möglichkeitsblind“, weil ich die Möglichkeit, mit dem Rauchen aufzuhören, überhaupt nicht als meine (aktuelle) Möglichkeit erfasse. Ich erfasse sie bloß schlechthin im formalen Sinne als eine Möglichkeit, die mit keinem praktischen Bezug zu meiner Gegenwart ausgestattet ist. Das Wünschen stellt sich also als ein Phänomen dar, das als „Schein“ zu definieren ist. Heidegger meint selbst, daß das Wünschen bloß den „Schein“ entstehen lasse, „es geschehe etwas“ (SuZ, 195). Mit anderen Worten: offenbar „geschieht etwas“, wenn ich mich zu mir selbst nicht mehr im Modus des Wünschens verhalte. 238 Mit Geschehen ist demnach das Handeln selbst gemeint. So heißt es in der Kantvorlesung aus dem Jahre 1931: „Wirklich wollen ist immer hier und jetzt, das ist nicht wünschen zu wollen, oder sich denken, man wolle. Wirklich wollen, das ist auch nicht so im allgemeinen sich vornehmen, energisch zu sein, sondern wirklich wollen ist: jederzeit, hier und jetzt wollen“ (GA 31, 288) Letzteres bestimmt Heidegger in seinen Ausführungen als ein „Vorlaufen“, wohingegen das Wünschen als ein „Nachhängen“ (SuZ, 195) charakterisiert wird. Heidegger hat mit dieser Beschreibung im Auge, daß das Wünschen, gerade weil es seine Realisierbarkeit nicht mitsetzt, im Grunde die modalen Möglichkeiten, zu denen es sich verhält, als den eigenen temporalen Horizont überschreitende Möglichkeiten setzt. Ich laufe den Möglichkeiten im Wünschen gleichermaßen hinterher anstatt sie als diejenigen zu entwerfen, in denen ich mich schon verstehe. Im Wünschen setzte ich das Erwünschte als etwas außerhalb meiner Erreichbarkeit und Gegenwart, wohingegen ich im Wollen das Gewollte in meinen eigenen Horizont hineinhole und es so zu einer praktischen Möglichkeit mache. In anderen Worten: will ich mit dem Rauchen aufhöre, begreife ich die Möglichkeit des Rauchens als eine Möglichkeit meines Seins und meiner Existenz, und das bedeutet, daß ich es als wirkliche Möglichkeit setze. Heidegger drückt das in seinen Worten in der Weise aus, daß das Wollen ein „auf seine Möglichkeit entworfenes Seiendes [...] als [...] in sein Sein zu bringendes ergriffen“ (SuZ, 194) wird. Daher spricht Heidegger auch davon, daß im Wollen Figal spricht folgerichtig von der „Wunschwelt des Geredes“ (Figal 1991, 265). Figal deutet auch an, daß es einen Weg gibt, dem Wünschen im uneigentlichen Sinne einen eigentlichen Vollzug zur Seite zu stellen. Er bezieht es aber nicht auf das Handeln. Vgl. dazu Figal 1991, 219f. 238
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erst ein Bezug zum Eigenen im Sinne zu eigenen Möglichkeiten hergestellt wird. Im Wollen „bindet sich das Dasein an ein Seinkönnen zu sich selbst“ (GA 26, 247) und so ist es sich selbst aufgegeben. Es macht sich zur Aufgabe: „Alles Entscheidende ist uns selbst aufgegeben und unserer Freiheit anheimgestellt“ (GA 28, 6). 239 3. HANDELN UND VERANTWORTUNG
Bekanntlich gelangt Heidegger über die Analyse der Angst und den Tod (der „eigentlich“ auch eine praktische und nicht eine modale Möglichkeit darstellt) zur Gewissensanalyse, die sich dem bisher Gesagten gemäß als eine Analyse der Handlungssituation verstehen läßt. Dadurch, daß das Handeln analytisch aus dem Wollen folgt, folgt unmittelbar, daß nur das Handeln ein Vollzug ist, den ich nicht im Sinne einer modalen Möglichkeit verstehen kann. Das Handeln ist Ausdruck meines praktischen Seinkönnens. Man könnte auch sagen: nur als Handelnder bin ich bei mir selbst. Daher auch muß die Handlungssituation mich vereinzeln (im Sinne eines anderen Bezuges zu den Anderen), denn in der Entschlossenheit rücken alle Möglichkeiten aus ihrer kontingenten, modalen „Position“ heraus und in den eigenen Verfügungsbereich hinein. In der Entschlossenheit mache ich alle Möglichkeiten zu genuin meinen Möglichkeiten. In diesem Sinne gipfelt Heideggers Analyse in der Feststellung, daß in der Entschlossenheit das Dasein seine völlige „Durchsichtigkeit“ (SuZ, 299) erreicht, denn durch das „Vorlaufen“ fallen alle äußeren Handlungsmöglichkeiten weg. 240 Das eigene Sein kann demnach nicht mehr im Modus des Wünschens erfasst werden. In diesem Sinne ist das Subjekt in der Handlungssituation autonom und in diesem Sinne „praktisch solipsistisch“. Die Entschlossenheit, so Heidegger, „entzieht sich nicht der ‚Wirklichkeit’, sondern entdeckt erst das faktische Mögliche, so zwar, daß es dergestalt, wie es als eigenstes Seinkönnen im Man möglich ist, ergreift“ (SuZ, 299). In anderen Worten: es will sein eigenes Sein. In diesem Kontext muß man beachten, daß Heidegger eine Handlungssituation völlig konsequent als ein Konstitutionsprodukt der Erschlossenheit ansieht. 241 Eine Situation ist mir durch den Wechsel der Möglichkeitsmodi nicht vorgegeben, denn das würde wiederum darauf Vgl. auch GA 29/30, 407: „daß wir nach dem Seienden fragen, das zu sein uns selbst aufgegeben ist.“ 240 In GA 20, 441, spricht Heidegger vom „Verstehen der vollen Durchsichtigkeit des Daseins“ 241 Das stellt auch Gelven heraus. Vgl. dazu Gelven 1970, 171. 239
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verweisen, daß mir meine Möglichkeiten nur äußerlich gegeben wären, sondern erst mit dem Wechsel der modalen Möglichkeiten in praktische schaffe ich einen situationalen Kontext. 242 Dasein „bringt sich in“ (SuZ, 307) die Situation. Mit anderen Worten: Ich bestimme die Situation: „Weit entfernt von einem vorhandenen Gemisch der begegnenden Umstände und Zufälle, ist die Situation nur durch und in der Entschlossenheit“ (SuZ, 299). Bis zu diesem Punkt der Rekonstruktion der Heideggerschen Handlungstheorie haben wir aber noch nicht geklärt, wie es überhaupt zur Entschlossenheit kommt. Muß ich mich nicht zur Entschlossenheit entschließen. Also muß ich nicht schon entschlossen sein, um entschlossen sein zu können? Führt dies nicht in einen Zirkel, den auch Husserl – wie oben gesehen – durch die Einführung verschiedener Willen und Entschlußarten nicht vermeiden kann? Um es paradox zu sagen: muß ich nicht schon eigentlich sein, um eigentlich sein zu können? Um es vorweg zu nehmen: die einzige Lösung, die Heidegger anbietet, ist die Affirmation des Paradoxes. Für die Schwierigkeit des Status der „Wahl der Eigentlichkeit“ kann es imgrunde nur eine Lösung geben, nämlich die Annahme eines nachträglichen Status der Entscheidung bzw. des faktischen Entschlusses. Heidegger schreibt nämlich: „Die Entschlossenheit stellt sich nicht erst, kenntnisnehmend, eine Situation vor, sondern hat sich schon in sie gestellt. Als entschlossenes handelt das Dasein schon“ (SuZ, 300). Mit anderen Worten: es gibt nicht einen objektiv feststellbaren Zeitpunkt, an dem wir uns zu etwas entschließen, eine Art „fiat“, ein „innerer Entschluß“, wie es Husserl annimmt, sondern wir können nur aus der Handlung heraus nachträglich feststellen, daß wir uns entschieden haben. 243 Mit dem Verständnis meiner selbst als eines handelnden bin ich schon handelnd. Nur eine solche Antwort kann erklären, warum Heidegger niemals die „rationale Über-
In diesem Sinne heißt es auch in Bezug auf die Freiheit: „Freiheit bzw. mein Freisein ist ja keine in mir vorhandene Eigenschaft, sondern mein Freisein ist je nur in meinem Mich-selbst-Befreien“ (GA 28, 112). 243 Das meint auch Hoche 1973, 263. Hoch zitiert Sartre: „Ich kann wohl sagen, ich liebe den und den Freund genügend, um ihm die und die Summe des Geldes zu opfern; aber ich kann es nur sagen, wenn ich es tatsächlich getan habe. Ich kann sagen: ich liebe meine Mutter genügend, um bei ihr zu bleiben – wenn ich bei ihr geblieben bin.“ Aus dieser Problematik entsteht dann auch das Problem des Versprechens, worauf ich weiter unten noch eingehen werde. Ähnliches, wenn auch äußerst textimmanent, meint Giesenberg 1996, 158. 242
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legung“ in seine Ausführungen mit einbezieht. 244 Tugendhat hat argumentiert, daß man einen Entschluß und eine Wahl nicht ohne eine zumindest potentielle rationale Überlegung (die auch nachträglich erfolgen kann) als einen Modus der Selbstbestimmung denken kann. Ohne die potentielle Begründung einer Wahl, gibt es – so Tugendhat – keine Möglichkeit, die Wahl als genuin meine Wahl zu charakterisieren. 245 Einmal abgesehen davon, ob die Kritik Tugendhats einsichtig ist, muß man zunächst festhalten, daß Heidegger nicht ohne Grund eine Entschlossenheit zu denken versucht, die ohne Überlegung auskommt, und zwar weil ich mich in der Entschlossenheit nur generell im Sinne einer Haltung zu meinem eigenen Sein oder Leben verhalte – und nicht eine konkrete Wahl treffe. Das Argument für die Nachträglichkeit der Wahl lautet auf einer ersten Ebene und auf der Basis des bisher Entwickelten: wenn es möglich wäre, sich einen Entschluß „vorzunehmen“, kann dies nach dem vorhergehenden nur ein Wünschen sein, denn das Wollen wird ja gerade eingeführt als etwas, das schon aktuell und „wirklich“ ist und nicht nur eine „Vornahme“ bedeutet. Man kann sich zwar selbst als handelnd, entschlußfähig und aktives Wesen imaginieren und in diesem Sinne sich wünschend auf die eigene Zukunft und das eigene zukünftige Sein beziehen. Da dieses aber per definitionem dem Handeln und Wollen entgegengesetzt ist, kann das Wünschen niemals zum Entschluß führen. Das Wünschen und der nicht-handelnde Bezug zur Zukunft „übersieht“ das Entschließen. Das aber bedeutet, daß es keine Möglichkeit gibt, eine „Motivation“ oder einen Antrieb vor dem Entschluß zu denken, denn dieser müßte ja schon als ein „kleiner“ Entschluß bestimmt werden. Das ist aber gerade unmöglich, denn der aktuelle Status ist als Unentschlossenheit bestimmt. Man muß also zu dem Schluß kommen, daß es keinen Grund gibt für den Wechsel zur Entschlossenheit, auch nicht ein wie auch immer gearteter Entschluß oder eine Wahl. Das Handelnkönnen ist „grundlos“ – „gewissenlos“ (SuZ, 288), wie Heidegger auch sagt - und entgleitet In diesem Sinne interpretiert Heidegger auch Kant. Er schreibt in Bezug auf den kategorischen Imperativ: „Dieses angebliche leere Gesetz ist gerade dadurch Grundgesetz, daß, wenn es das Handeln wirklich bestimmt, dieses auch schonb je im Augenblick und für diesen weiß, was es, d.h. primär immer, wie es handeln soll. Die Sittlichkeit des Handelns besteht nicht darin, daß ich einen sogennanten Wert verwirkliche, sondern daß ich wirklich will, d.h. mich entscheide, in der Entscheidenheit will, d.h. die Verantwortung auf mich nehme und in dieser Übernahme existent werde“ (GA 31, 280). 245 Vgl. dazu Tugendhat 1989,236ff. 244
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unserem Vermögen. Der Entschluß im Sinne der Wahl steht außerhalb unserer Macht, obwohl wir – wenn wir uns entschlossen haben – diese Grundlosigkeit übernehmen und bestätigen. 246 Ohne weiteres können wir hier sehen, daß Heidegger genau dieses im Auge hat bei seiner Einführung des Schuldbegriffes und der Rede von einem „Grund-sein einer Nichtigkeit“ (SuZ, 285). Wir können niemals sagen, daß wir uns um acht Uhr morgens am 23.Oktober zu etwas entschlossen haben, sondern erst, wenn wir entschlossen sind, können wir sagen, daß wir uns (offenbar) entschlossen haben. 247 Die Wahl im Sinne einer expliziten Handlung oder im Sinne eines „fiat“ entgleitet unserem Vermögen – und genau dieses ist die Bestimmung der Schuld, die Heidegger im Gewissensparagraphen verständlich zu machen versucht. Daher fallen Wahl und Entschlossenheit schließlich zusammen und es ist nur Heideggers eigener Undeutlichkeit zuzuschreiben, daß er beides noch begrifflich noch voneinander trennt. Dabei schreibt er selbst an einer Stelle, daß es um das „Wählen der Wahl eines Selbstseins [geht], das wir, seiner existenzialen Struktur entsprechend, die Entschlossenheit nennen“ (SuZ, 270). Beides wird in diesem Zitat miteinander identifiziert. Die Entschlossenheit ist demnach ein radikal nachträgliches Phänomen. Wir können immer nur entschlossen sein, aber uns nicht zu unserem Entschlossen-Sein entschließen, weil das in einen Zirkel führt, in dem das Entschlossen-Sein zum Entschlossen-Sein führt, was offenbar Unsinn ist. Das aber muß uns zu der systematischen Konsequenz führen, daß es keine Entscheidung zur Entschlossenheit gibt. Der „Entschluß“ und das „fiat“ bzw. dasjenige, das Husserl den „Entschlußwillen“ genannt hat, ist eine nachträgliche Konstruktion, aber kein eigentliches Phänomen, weil wir es überhaupt nicht aufweisen können. Es ist daher zunächst unverständlich, wenn Heidegger davon spricht, daß es ein „Sichentscheiden für ein Seinkönnen aus dem eigensten Selbst“ (SuZ, 268) gebe, denn diese Bestimmung widerspricht sich ja geradezu
Vgl. zum „Sich-als-Gesetztsein-setzend“ Gethmann 1988, 157f. und im Zusammenhang mit Fichte Getmann 1993, 99ff., insbesondere 110. 247 Hier liegt auch der Ursprung der „Narrativität“ verborgen, und zwar in dem Sinne, daß wir erst rückwirkend uns die Sache in eine Geschichte verwandeln. 246
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mit derjenigen, daß das Wählen nichts anderes sei als die Entschlossenheit. 248 Wir können das Problem nur auflösen, wenn wir annehmen, daß wir nur daher von einem „Nachholen der Wahl“ sprechen dürfen, weil wir schon entschlossen sind, wenn wir uns jeweils entscheiden. Wir sind ja, und das ist der Kern der problematik, immer schon „eigentlich“ zu etwas entschlossen. Entscheidung ist – temporal betrachtet – nicht einem objektiven Zeitpunkt in der objektiven Zeitlinie zuzuschreiben, sondern als Wahl ist die Wahl ein schon-gewählt-Haben. Sie ist eine Wiederholung der Wahl, eine Verdoppelung. 249 Auf genau dasselbe Problem stößt man in Heideggers Gewissensauslegung. Bekanntlich meint Heidegger, daß das Gewissen nicht als ein psychologisches Erlebnis begriffen werden kann, also ein Ruf, den ich irgendwie in mir höre und der „von außen“ an mich herangetragen wird, sondern der Rufer und derjenige, der den Ruf hört, sind identisch. Es ist das Selbst. Dann aber muß man auch hier so konsequent sein und den Schluß ziehen, daß das Gewissen selbst als ein Seinkönnen im Sinne eines praktischen Möglichkeitsverhältnisses bestimmt werden muß. Daraus aber läßt sich folgern, daß das „Hören“ des Rufes identisch mit der Wahl ist. Hören des Rufes meint nichts anderes als sich selbst in die Entschlossenheit bringen. Das Dasein „hat sich selbst gewählt“ (SuZ, 287). Imgrunde also wählt das Dasein überhaupt nicht, denn eine Wahl ist normalerweise dadurch charakterisiert, daß ich etwas wähle,
Das Problem wie es möglich ist, sich zur Entschlossenheit zu entschließen, wenn man nicht schon voraussetzt, daß man entschlossen ist, wird von allen gängigen Kommentaren überhaupt nicht gesehen. Insbesondere die englische Kommentarliteratur verfährt in den Textauslegungen eher wiederholend als problematisierend. Vgl. Kaelin 1988, 167 und die kurzen Ausführungen über „resoluteness“ in Gelven 1970. 249 Auch Figal meint, daß Heideggers Hinweise auf das Wählen eher verwirrend sind. Vgl. Figal 1991, 251f. Figal weist als Hintergrund der Heideggerschen Überlegungen Kierkegaards Überlegungen in Entweder/Oder auf. Aber auch dieser kommt nach Figal in die Schwierigkeiten, sein Konzept der Wahl später aufgeben zu müssen. „Wenn Heidegger sagt, das ‚Seinkönnen’ sei gewählt, so ist das in jedem Fall unhaltbar“ (Figal 1991, 257). Ich stimme Figal zu. Wir hatten oben gesagt, daß Uneigentlichkeit und Eigentlichkeit nicht als sich ausschließende Vollzüge begriffen werden können. Daraus folgt schon, daß ich das, was ich eigentlich bin, nicht im strengen Sinne einer Wahl (also desjenigen, was ich nicht habe) vollzogen werden kann. Auch bei Riedel wird das Wählen nicht im Sinne einer Wahl von etwas, das ich nicht habe, verstanden. Er identifiziert Vorlaufen und Wählen miteinander. Ob damit aber das Problem schon gelöst ist, ist zweifelhaft. Vgl. Riedel 1990, 151. 248
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daß ich nicht habe. 250 In Heideggers Theorie des ontologischen Verständnisses aber wähle ich etwas, das ich schon „habe“ im Sinne von, was ich schon bin. Eigentlich handelt es sich also um keine echte Wahl, sondern um eine Bestätigung. Ich mache mich nicht autonom, ich bringe mein eigentliches Sein nicht zur Welt, sondern ich verstehe, daß ich schon autonom bin. 251 Das „Grund-Sein einer Nichtigkeit“, das wir oben als Versuch Heideggers eingeführt haben, die Nachträglichkeit der Entschlossenheit besser verständlich zu machen, führt zurück auf die Freiheit, denn die Freiheit im ontologischen (und nicht normativen) Sinne besteht gerade darin, daß ich mich als entschließend-könnendes Wesen verstehe, also als ein Wesen das „eigentlich“ immer schon entschlossen ist und daher sich nur „zurückholen“ (SuZ, 287) kann. Das Dasein „soll nur das ‚schuldig’ – als welches es ist – eigentlich sein“ (SuZ, 287). In diesem Sinne kann also die Wahl überhaupt nicht als eine Wahl zu etwas oder von etwas Bestimmten verstanden werden, das vorher nicht da war. Ganz im Gegenteil: ich wähle ja nur, was ich schon bin. Diese Tatsache aber „erkenne“ ich erst, wenn ich entschlossen bin. Dieses paradoxe Verhältnis ist das, was man im Heideggerschen Sinne „Freiheit“ nennen kann und daher bestimmt Heidegger auch diese paradox. Er spricht von einem „Freisein für die Freiheit des Sichselbst-wählens und –ergreifens“ (SuZ, 188). Mit anderen Worten: ich muß schon frei sein, um von Freiheit sprechen zu können. Ich muß schon entschlossen sein, um von Entschluß sprechen zu können. 252 Das meint auch Dreyfus in seinem Kommentar: „It is [...] misleading to call the change choosing to choose. Dasein does not choose at all. Rather, Dasein as a disclosing way of being accepts the call to acknowlegde its essential empty openness“ (Dreyfus 1991, 318), ähnlich auch Philipse der von „acknowledgment“ spricht. Vgl. Philipse 2000, 454. 251 Genau dasselbe Argument muss man zum Verständnis der Verantwortung heranziehen, wenn man Verantwortung als ein ontologisches und nicht kontingentes Faktum begreifen möchte. Dreyfus drückt das folgendermaßen aus, daß Dasein sich in der Handlung findet: „finding itself pushed into doing it“ (Dreyfus 1991, 320). Vgl. ähnlich auch Fink-Eitel 1992, 39. 252 Das führt Heidegger schließlich in der Vorlesung von 1928 zu einer genaueren Konzeption von Freiheit als in Sein und Zeit: „Ein Umwillen ist aber wesensmäßig nur da möglich, wo es einen Willen gibt. Sofern nun die Transzendenz, das In-der-Welt-sein die Grundverfassung des Daseins ausmacht, muß das In-der-Welt-sein auch mit der Grundbestimmung der Existenz des Daseins ursprünglich verwachsen bzw. dieser entwachsen sein: nämlich der Freiheit. Nur wo Freiheit, da ein Umwillen, und nur da Welt.“ (GA 26, 238). „In der Freiheit ist immer schon ein solches Umwillen entsprungen. Im Wesen der Freiheit liegt dieses Sichvorhalten des Umwillen“ (GA 26, 246f.) und: „in eins mit Freiheit ist Umwillen“ (GA 26, 247). 250
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„Heidegger“, so können wir ein Zitat von Dreyfus Kommentar zu Sein und Zeit abschließend anführen, „does not hold that action normally requires choice, so he can avoid traditional difficulties“ (Dreyfus 1991, 319). 253 Die vorhergehenden Ergebnisse können uns nun zu einer genaueren Bestimmung des ontologischen Begriffes der Verantwortung führen. Heidegger selbst spricht davon, daß die gesamte Analyse darin gipfelt zu zeigen wie Dasein verantwortlich sein könne. 254 Die Voraussetzung nämlich der Verantwortung liegt auf einer ersten Ebene in dem Erfassen meiner Möglichkeit als praktischer. Oder mit anderen Worten: ich kann nicht selbstverantwortlich sein, wenn ich mich nicht als eigentlich erfassen kann, was wiederum nichts anderes meint, als mein eigenes Sein grundsätzlich aus Möglichkeiten zu verstehen, die innerhalb meiner Entwürfe liegen und dadurch praktische Möglichkeiten, aber nicht modale Möglichkeiten sind. Ich verstehe sie als vollziehbar und verhalte mich dadurch grundsätzlich anders zu mir selbst. Ich habe, wie Carr treffend bezüglich Heideggers Begriff der Eigentlichkeit festgestellt hat, „responsibility for my own life“ (Carr 1986, 82), oder – wie Figal meint – verantwortlich im Sinne „einer Antwort auf das bevorstehende Sein“ (Figal 1991, 263). 255 Hinzufügen müßte man, daß die Verantwortlichkeit mein bevorstehendes Sein erst eröffnet. Das kann man illustrieren an der Überlegung einer Verantwortlichkeit für künftige Generationen, wie es etwa von Jonas vertreten wird. 256 Im Heideggerschen Kontext würde man folgendermaßen argumentieren: Nur, wenn ich die nachfolgenden Generationen als praktische Möglichkeit verstehe, also als etwas, das bereits auf mein Leben referiert und so in es „hineinragt“ – anstatt als etwas, das sein oder auch nicht sein kann, kann ich es als etwas innerhalb meiner Verantwortung verstehen. In diesem Sinne kann man sogar Tugendhats Erklärung hinzuziehen, der meint daß der Unterschied der logischen und der praktischen Möglichkeit darin besteht, daß sich Sätze, die das Können im zweiten Sinne ausdrücken, nicht in einen Satz wie „es kann sein, daß p“ transformieren lassen. In anderen Worten: wenn ich mich als selbstverantwortliches Wesen verstehe, dann kann ich nicht mehr sagen: „es Es bleibt aber hinzuzufügen, daß Dreyfus selbst keine Ausführungen dazu macht, in welchem Sinne Heidegger alte Probleme vermeidet. 254 Vgl. SuZ, 288. 255 In der Vorlesung von 1931 interpretiert Heidegger die praktische Philosophie Kants. Er führt dort im Zusammenhang explizit die „Selbstverantwortlichkeit“ (GA 31, 292) ein. 256 Vgl. Jonas 1984, 84ff. 253
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kann sein, daß die zukünftige Generation ethisch relevant ist“. Im praktischen Sinne ist sie es bereits. Dann aber habe ich mich in meiner Selbstverantwortlichkeit erfaßt. Ich kann handeln. 257 Ich muß dem Zukünftigen zuerst seine Kontingenz nehmen, bevor ich in irgendeinem Sinne Forderungen oder moralische Schlußfolgerungen ziehen kann. Ich übernehme die zukünftige Generation nicht als etwas, das völlig außerhalb meines eigenen Horizontes zu lokalisieren ist oder das mich in einer Weise transzendiert, in der ich jeden Bezug zu mir selbst abwehren kann, sondern ich behandele die zukünftige Generation als etwas, das bereits ist, weil ich sie will. Damit ist sicherlich noch nicht geklärt, ob ich dies auch soll, sondern ausschließlich ist damit mein Selbstverständnis und mein Verhalten zu einer zukünftigen Möglichkeit geklärt, das für die moralische Überlegung im engeren Sinne bereits vorausgesetzt sein muß. In diesem Kontext muß man nun erstens in Betracht ziehen, dass die Analyse der Handlungssituation in Sein und Zeit eher an ein Kantisches oder Kierkegaardsches als an ein Aristotelisches Modell erinnert, weil es auf der Selbstbestimmung aufgebaut ist. 258 In diesen Kontext paßt auch Heideggers Analyse des Kantischen Begriffes der Achtung. An ihm kann man sehen, daß auch der Begriff der Angst, wie ihn Heidegger als „Grundstimmung“ in Sein und Zeit entfaltet, im Rahmen der Verantwortung und im Rahmen der bisherigen Analysen verstanden werden kann. Darum sei hierauf kurz verwiesen. Die These lautet: Angst ist diejenige Selbstdurchsichtigkeit (Erschlossenheit), in der mir mein Handelnmüssen als Handelnkönnen erschlossen ist. 4. ANGST UND HANDELNKÖNNEN
In der Marburger Vorlesung von 1923 Einführung in die phänomenologische Forschung kritisiert Heidegger an der Bestimmung der Es scheint mir daher nicht einsichtig zu sein, die Selbstverantwortung von vornhinein als ein „responsives“ Verhältnis zu verstehen, wie Waldenfels anführt. Bevor wir uns vor jemandem verantworten können (Waldenfels 1995a, 325), müssen wir uns erst als Verantworten-können verstanden haben. 258 Dagegen hat insbesondere Gadamer Einspruch erhoben. Vgl. z.B Gadamer 1999/3, 200. Vgl. allgemein auch Volpi 1989, Caputo 1994, 329 und Ricœur 1996, xx. Auch Bernasconi verteidigt die Aristoteles-Linie der Rezeption und meint, daß die Umsicht als phronesis gelesen werden muß, er bemerkt aber, daß Heidegger’s Eigentlichkeitsanalyse nicht Aristotelisch sei. Vgl. dazu Bernasconi 1990, 131. Sheehan dagegen aristotelisiert Sein und Zeit vollständig. Er geht in seiner Interpretation von Heideggers physis-Interpretation aus und überträgt diese auf die Eigentlichkeitsstruktur. Vgl. dazu Sheehan 1983, 157ff. 257
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Husserlschen Intentionalität, „daß diese weniger ausdrücklich als unausdrücklich immer als spezifisch theoretisches Sichverhalten gefaßt wird. [...] Es ist ein methodisches Mißverständnis, die Untersuchung der emotionalen Erlebnisse einfach mit dem Erkennen zu analogisieren“ (GA 17, 271f.). Heidegger legt die Intentionalität, wie wir gesehen haben, im Laufe der Jahre als ein praktisches Prinzip aus. 259 Für das hier verhandelte Thema ist vor allem Heideggers Versuch wichtig, den Gefühlsbegriff durch den der Stimmung (Affekt/Pathos) 260 zu ersetzen. Dem Erlebnis „Gefühl-Gefühltes“ wird seine relationale Basis genommen: Heidegger versteht „Gefühle“ weder psychologisch als seelische oder mentale Zustände, die „im“ Bewußtsein vorkommen können, noch als gegenständlich-erkennende Ausrichtungen, die sich auf Erkenntnisgegenstände beziehen, wie es - zumindest aus Heideggers Perspektive - der Husserlsche Begriff der Intentionalität nahelegen könnte. Mit dieser Verschiebung der Perspektive wiederholt Heidegger nur, was Husserl für die Erkenntnisakte immer wieder in den Mittelpunkt gerückt und zu zeigen versucht hat, nämlich daß eine Identifizierung aller Bewußtseinsmodi als Zeichen- bzw. Vorstellungsbewußtsein unmöglich ist. Die Interpretation der Gefühle als Zeichenbewußtsein, d.h. als repräsentierende, wird von Heidegger kritisiert. Gefühle können nicht etwa analogisch als der praktische Ersatz für Vorstellungen verstanden werden, sondern müssen sich grundlegend anders bestimmen lassen. Gefühle sind keine Anzeichen von oder Zeichen für etwas anderes, was durch sie vergegenwärtigt werden könnte, sondern sind in sich selbst intentional. 261 Durch den Ausschluß der psychologischen und erkennendgegenständlichen Auslegungen des Gefühles wird versucht, eine neue Grundlage zu schaffen. Gefühl und Affekt wird durch den Terminus „Befindlichkeit“ bzw. „Gestimmtheit“ ersetzt. In ihnen legen wir uns im Modus praktischen Selbstverständnisses (Sein- oder Existierenkönnen) aus. Vereinfachend können wir hier sagen: In ihnen kommt mein unmittelbares Selbstverständnis auch dann zum Ausdruck, wenn ich
Er führt stattdessen den Begriff „Verhaltung“ ein. Vgl. z.B. GA 20, §5, §6, besonders 48 und 65. Vgl. auch GA 24, §9, besonders 81. 260 Vgl. dazu SuZ, 138. 261 Mit einer solchen Annahme wird für den hier verhandelten Kontext ersichtlich, warum Heidegger Achtung nicht als ein „Gefühl“ verstanden wissen will, welches Zeichen für den kategorischen Imperativ oder eines darin repräsentierten Sollens sein könnte. Vgl. dazu GA 20, §5 und GA 24, §9. 259
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(noch) keine explizite Selbsterkenntnis gewonnen habe. 262 Da Heidegger durch den Begriff „Erschlossenheit“ den traditionellen Begriff des Selbstbewußtseins erweitert, kann man festhalten, daß Stimmungen als eine Form der Erschlossenheit ein Moment des Selbstbewußtseins bilden. 263 Heidegger bestimmt die Befindlichkeit als konstitutives Moment des Existierens, in dem wir uns selbst nicht in einer inneren Wahrnehmung oder einem inneren Sinn zugänglich werden, sondern uns selber als möglich affizieren. Ein Charakteristikum der Befindlichkeit ist nach Heidegger das „Fliehen“ (SuZ, 135). Offenbar will Heidegger darauf aufmerksam machen, daß der Befindlichkeit, den konkreten Stimmungen, eine doppeldeutige Struktur zukommt, nämlich die einer antipathetischen Sympathie. Indem wir uns von etwas abwenden, kommt dasjenige, von dem wir uns abwenden, erst zum Vorschein. 264 In Stimmungen, meint Heidegger, sind wir uns „selbst vor allem Erkennen und Wollen und über deren Erschließungstragweite hinaus erschlossen“ (SuZ, 136), also welthaft bewußt. Dies versucht er zunächst an der Furcht und dann an deren „eigentlichen“, das heißt wahren Modus der Angst, zu zeigen. Heidegger sagt ausdrücklich, daß auch andere konkrete „Stimmungen“ für die Analyse in Betracht kämen. 265 Man kann folgendes Zwischenergebnis in bezug auf die anfängliche Fragestellung festhalten: Wenn wir grundsätzlich fragen, wie uns die praktische Existenz zugänglich wird und dies nicht durch ErkenntnisVgl. auch GA 20, 65: „Wir werden sehen, daß durchgängig unsere Verhaltungen, Erlebnisse im weitesten Sinne gesprochen, ausgedrückte Erlebnisse sind, wenn auch nicht in Worten ausgesprochen, so doch in bestimmter Artikulation durch ein Verständnis, das ich von ihnen habe, indem ich schlicht in ihnen lebe, ohne daß ich sie thematisch betrachte.“ 263 Erschlossenheit ersetzt die klassische Definition des Selbstbewußtseins: „Durch sie ist dieses Seiende (das Dasein) in eins mit dem Da-sein von Welt für es selbst ‚da‘“ (SuZ, 132). Befindlichkeit (und Verstehen) werden eingeführt als „konstitutive Weisen, das Da zu sein“ (SuZ, 133), folglich als notwendige Vollzüge, selbstbewußt zu sein. Vgl. dazu auch die Ausführungen bei Tugendhat 1989, 172: „Daß die Einführung des Terminus ‚Dasein‘ irgendeinen positiven Sinn haben soll, kann ich nicht sehen. Es ist nur ein Manierismus mit schädlichen Folgen“. Hinrich Fink-Eitel 1992, 27f., übersetzt „Erschlossenheit“ mit „implizites Bewußtsein“; an anderer Stelle als „gleichursprüngliche Kopräsenz präreflexiven Selbst-und Weltverständnisses“ (vgl. Fink-Eitel 1993, 81. 264 Diese Struktur, die auch Søren Kierkegaard explizit gemacht hat, bezieht Heidegger in seiner Vorlesung von 1927 auch auf die Achtung. Vgl. Kierkegaard 1991, 40. Heidegger will die Struktur des hinstrebenden Wegstrebens bereits im antiken praxis-Begriff impliziert sehen. Vgl. dazu GA 24, 193. 265 Vgl. SuZ, 185, wo Angst „methodisch als erschließende Befindlichkeit fungiert“ (kursiv, C.L.); auch SuZ, 345, wo Heidegger Hoffnung, Freude, Begeisterung, Heiterkeit, Überdruß, Traurigkeit, Schwermut, Verzweiflung, Gleichgültigkeit und Gleichmut nennt. 262
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akte geschehen kann (keine innere Wahrnehmung, keine Reflexion, kein innerer Sinn, aber auch keine unmittelbare Selbstidentifizierung), muß es eine andere Möglichkeit geben, und dieses „eigentliche“ Selbstbewußtsein als Selbstverstehen, in dem wir uns selbst affizieren, versucht Heidegger dem Selbsterkennen gegenüberzustellen. 266 Jeder Akt muß nach Heidegger von einer Stimmung „begleitet“ werden, in der sich der Akt sich selbst entgegenhält. Das nennt Heidegger das „Sichselbstangehen des Selbst“ (GA 21, 339). Präreflexives, praktisches Selbstbewußtsein ist nicht einfach ein theoretisch bestimmter Akt der Identifizierung und ein Akt des Wissens, sondern die Selbstdurchsichtigkeit unserer Vollzüge im Vollziehen: „vielmehr gehört zur Intentionalität die Miterschlossenheit des Selbst“ (GA 24, 225).267 In Bezug auf Kant und daher in anderer Terminologie: „das Gefühl ist ein Gefühlhaben für... und als dieses zugleich ein Sich-fühlen des Fühlenden“ (GA 3, 157). Diese Bestimmung des praktischen Selbstbewußtseins wird konkret in der Bestimmung des Gewissens ausgelegt. Auch das Gewissen wird als eine Existenzweise verstanden, in der sich das Handelnkönnen Möglichkeiten entgegenhält, und in der ich nicht eine materiale oder formale Anweisung erhalte, wie ich handeln soll. 268 Es ist daher völlig unmöglich, den Gewissensruf als eine Aufforderung zu denken.269 Wenn das Gewissen 270 uns in irgendeiner Weise etwas mitteilen oder etwas (be)urteilen würde, wie wir metaphorisch meinen, dann wäre es ein erkennender Akt. Das Gewissen wird von einer Möglichkeit eröffenenden Stimmung (Affekt) „begleitet“, und Heidegger bestimmt diese Stimmung bekanntlich als Angst. Die Angst unterscheidet sich nur dadurch von der Furcht, daß sie nicht nur durch das Fehlen eines konkreten Gegenstandes, sondern auch – und das ist der oft übersehene, zentrale Tugendhat bestreitet die Möglichkeit eines Verzichtes auf intentionalgegenständliche Begrifflichkeiten. Vgl. zur Bestimmung von Befindlichkeit und Stimmung Tugendhat1989, 201. Vgl. auch für die Aktualisierung der hier behandelten Problematik Tugendhat 1997, 115ff. und die 15.Vorlesung. 267 Diese Uminterpretation (und nicht Aufhebung) der klassischen Selbstbewußtseinstheorie scheint mir Manfred Frank zu verfehlen, wenn er Heidegger außerhalb dieser Tradition einreiht. Vgl. Frank 1995, 516f.. Dem entgegen schließe ich mich, was Heidegger angeht, der Interpretation Düsings an. Vgl. dazu Düsing 1992; und Düsing 1997, 68 und 145ff.. 268 Vgl. dazu SuZ, 294. 269 Das würde eine Mangelstruktur implizieren, zu der Heidegger meint: „In diesem Sinne kann an der Existenz wesenhaft nichts mangeln, nicht, weil sie vollkommen wäre, sondern weil ihr Seinscharakter von aller Vorhandenheit unterschieden bleibt.“ (SuZ, 283). 270 Vgl. zur Konzeption des Gewissens die Analyse bei Luckner 1998. 266
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Punkt - als sich selbst durchsichtig bestimmt ist.271 In der Furcht vergessen wir uns und verlieren uns im Objekt, z.B. in der Panik. Die Umsicht, also das selbstbewußte Verhalten der Furcht während des Fürchtens, gewärtigt die Handlungsmöglichkeiten, indem sie sich – wie das alltägliche Hantieren und Umgehen – in ihren Möglichkeiten vergißt. Wenn ich mich in einer konkreten Situation fürchte und davonlaufe, erschließe ich mir meine Handlungsmöglichkeiten heteronom, sie werden mir vorgegeben und ich kann selbstvergessen nur noch auswählen. Die Angst (als eigentliche Furcht) erschließt mir demgegenüber nach Heidegger nicht irgendwelche vorhandenen Möglichkeiten, die mir heteronom von außen zufallen, sondern sie erschließt die Handlungsmöglichkeiten als meine, und d.h. als praktische Möglichkeiten. Nichts anderes meint Heidegger, wenn er davon spricht, daß Angst vereizele und mich zu einem „solus ipse“ macht (vgl. SuZ, 187f.). Angst als „wahre“ Furcht erschließt keine bestimmte Möglichkeit, z.B. Weglaufen oder Stehenbleiben, sondern erschließt und ist mein Existieren als Seinkönnen (Möglichsein und Autonomie). In dem, was Heidegger „Angst“ nennt, finde ich mich nicht in „der verlorenen Gegenwart“ (SuZ, 345) vor, sondern bin mir aufgegeben. 272 Dieses Ergebnis kann man nun mit Heideggers Kantinterpretation in Verbindung bringen. Hat die Kantische „Achtung“ etwas mit „Stimmung“ zu tun? Könnte Achtung eine Befindlichkeit sein, in der sich das moralische Subjekt als Handelndes gegenwärtigt? Nähmen wir an, daß Achtung eine Existenzweise ist, die mir mein Handelnkönnen offenbar macht, dann wäre das letztlich nichts anderes als der Modus, wie ich autonom sein kann, nämlich derart, daß alle Handlungsmöglichkeiten als meine Möglichkeiten und nicht als diejenigen Anderer oder gar externer Naturprodukte verstanden werden. Der kategorische Imperativ wäre aus einer solchen Perspektive nichts anderes als eine prädikative „Übersetzung“ der Achtung. Unbedingt gefordert sein heißt zunächst nach Heidegger nur: ich kann handeln. 273 Damit fällt aber auch die Fokussierung auf das Moment des Sollens auf der existenzialen Seite heraus. In der Achtung als Befindlichkeit kann nach Heidegger kein „Ich Vgl. zur Furcht als eine unbestimmte, formale Möglichkeiten erschließende, in der mir meine Handlungsmöglichkeiten aber nicht als solche erschlossen sind, SuZ, 342. Vgl. auch SuZ, 189: „Furcht ist an die ‚Welt‘ verfallene, uneigentliche und ihr selbst als solche verborgene Angst.“ 272 Vgl. GA 28, 112f.: „Mein Freisein ist nicht in mir gegeben, sondern mir aufgegeben. [...] Was da aufgegeben ist, bin >ich< selbst.“ 273 vgl. dazu ähnlich und auch mit Bezügen zu Kant die Ausführungen bei Gethmann1988, insbesondere 154-169. 271
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soll“ „erlebt“ werden, weil mir zuvor erst meine Handlungsoption erschlossen sein muß. Das Sollen könnte aus der Sicht Heideggers nur abstraktiv gewonnen werden, wenn ich von der vorprädikativen auf die Urteilsebene wechsle. Im Kontext der verschiedenen Selbstbewußtseinsweisen, die Heidegger in seiner Kantinterpretation expliziert, geht Heidegger innerhalb der Beschreibung der „personalitas moralis“ als „eigentliche Persönlichkeit“ (GA 24, 186) auf den Achtungsbegriff ein und stellt heraus, daß das praktische Selbstbewußtsein bei Kant eine gesonderte Art des „Wissens um sich“ darstellen muß. Da es mit dem theoretischen und dem empirisch-psychologischen Selbstbewußtsein nicht zusammenfallen kann, kann es nicht durch sinnliche Erfahrung vermittelt sein (GA 24, 187). Zunächst legt Heidegger Gefühle phänomenologisch aus und bestimmt deren Kennzeichen im Sinne des oben Gesagten nach folgenden Punkten: Erstens zeigt sich im Fühlen der Fühlende: „Im Gefühlhaben für etwas liegt immer zugleich ein Sichfühlen, und im Sichfühlen ein Modus des sich selbst Offenbarwerdens.“ (GA 24, 187)274 Daraus folgt zweitens, daß ein Gefühl keine reflexive Strukur haben kann. Drittens, da es kein bloß unklarer und damit abgestufter Erkenntnisakt ist, kann ein Gefühl nach Heidegger keine Anschauung sein, sondern muß „im Sinne eines direkten Sich-selbst-Habens“ (GA 24, 187) verstanden werden. Da es sich bei der praktischen Weise des Selbstbewußtseins nicht um eine empirisch-zufällige Weise handeln kann, muß es viertens Weisen geben, die keine sinnliche Basis haben, darum aber immer noch, weil sie phänomenologisch mit derselben Struktur explizierbar sind, „Gefühle“ zu nennen sind. Darunter fällt singulär die Achtung. 275 Es ist klar, warum Heidegger gerade dieses Phänomen bei Kant so interessiert hat, nämlich – wie bereits mehrfach angedeutet – weil Kant es mit denselben Merkmalen ausstattet, die Heidegger unter dem Titel „Stimmung“ entwickelt. Achtung „ist die Art und Weise, in der mir das Gesetz als Gesetz allererst zugänglich wird.“ (GA 24, 191). Das Gesetz ist urteilsmäßig-objektivierter Ausdruck davon, wie ich in der Achtung existiere, also bei Kant: Achtung Vgl. folgende Erläuterung: „Die Lust im weitesten Sinne ist nicht nur Lust nach etwas und an etwas, sondern immer zugleich, wie wir sagen könnten, Belustigung, d.h. eine Weise, in der der Mensch in der Lust nach etwas sich selbst als belustigt erfährt, d.h. aber lustig ist.“ (GA 24, 187) 275 Das meint auch Düsing 1992, 115: „Solche Erschlossenheit zeigt sich am ehesten in der Befindlichkeit des Daseins, in der es sich unmittelbar thematisch vor sich selbst bringt, was sich ontisch in bestimmten Gefühlen und Stimmungen manifestiert, in denen das Dasein sich unmittelbar fühlt.“ 274
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vor dem Gesetz ist Achtung der Person(heit). In Heideggers Formulierung ist die Achtung vor dem Gesetz nichts anderes als die Achtung meiner selbst als Handelnder. In der Achtung unterwerfe ich mich meiner eigenen Forderung (d.h. aus Perspektive Heideggers meinen Möglichkeiten) und erhebe mich über Sinnlichkeit und Verstand, die mir beide nur Forderungen „von außen vermitteln“ können. Die „gegenstrebige Doppelrichtung“ (GA 24, 192) braucht Heidegger nun nur noch mit Kants eigenen Worten zu verbinden, daß nämlich die Achtung mit Furcht etwas Analogisches hat, zum zu dem Ergebnis zu kommen, „daß in der Achtung ich selbst bin, d.h. handele“ (GA 24, 194). Nimmt man die obigen Ausführungen zur Angst hinzu, wird klar, daß Heidegger implizit behauptet, Kant müsse mit Achtung dasselbe meinen, was er selbst in Sein und Zeit über die Angst ausführt. Achtung als Angst enthüllt „das Selbst als je meines, das Ich als das jeweils einzelne faktische Ich“ (GA 24, 194).276 Man kann daraus sehen, daß Heidegger in der Fortfolge Kant in seinem Stimmungsbegriff ein Phänomen wie moralische Affizierbarkeit ontologisch umzuinterpretieren versucht. Es geht hier nicht mehr um die gefühlsmäßige Annahme oder Aufnahme einer Forderung oder Verbindlichkeit, sondern um die ermöglichende Eröffnung einer solchen Möglichkeit. Wir haben im ersten Teil dieser Arbeit bereits vermerkt, dass es systematisch schwierig ist, ohne eine normative Wertdimension Stimmungen zu bestimmen. So ist es zumindest fraglich, ob mir in der Angst nicht über das vor-mich-selbst-Bringen hinaus auch eine Wertdimension der Zukunft erschlossen wird. Diese Analyse aber muß einem anderen Ort vorbehalten bleiben. 5.
SCHULD UND REUE
Wenn Heidegger schreibt, daß ich als „geworfener Grund“ (SuZ, 284) nur existieren, d.h. mein Sein vollziehen kann, wenn ich Durch das hier Dargelegte zeigt sich die Offenheit und die Beschränktheit der Ausführungen Heideggers. Heidegger meint, daß ich mich in der (Selbst)Achtung nur zu mir selbst hebe (transzendiere), übersieht aber die genuin moralische Möglichkeit, die das Erbe Kants für das phänomenologische Denken bedeutet, nämlich diejenige, daß ich mich in der Achtung nicht nur hin zu mir, sondern über mich hinaus und hinweg erhebe. Das genuin moralische Forderungsbewußtsein des über-mich-Hinausgewiesenseins wird von einer dafür unempfänglichen Heideggerschen Sichtweise übergangen. Nur das aber kann den genuin moralischen Sinn ausmachen, wie es etwa Lévinas formuliert hat: „Der moralische Blick [...] führt [...] uns anderswohin als jede Erfahrung und jeder Blick.“ (Lévinas 1992, 20). 276
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mich auf diejenigen Möglichkeiten hin entwerfe, in die ich schon geworfen bin, dann heißt das zunächst nur, daß ich in einer „Übernahme“ mein mögliches Schuldigsein, also das Verstehen meiner selbst als nicht nur logischerweise, sondern praktisch möglich, annehme. Bezogen auf mein Sein bedeutet das: um handeln zu können, muß ich schuldig sein wollen, andernfalls würde ich es mir nur wünschen (und mich so niemals der Fehlbarkeit aussetzen). Wie wir oben festgestellt haben kann dieses Wollen nur im Sinne einer Nachträglichkeit verstanden werden und nicht als ein Ereignis, das noch im Sinne einer Kontingenz aussteht. So schreibt Heidegger in den Prolegomena in dem hier vertretenen Sinne genauer: „Mit der Wahl des Gewissenhabenwollens habe ich zugleich das Schuldiggewordensein gewählt“ (GA 20, 441).277 Schuldigseinkönnen und Schuldigseinwollen bedeutet, einfach und alltäglich gesagt, nichts anderes als die Anerkenntnis, daß man auch anders hätte wählen können und immer schon auch anders gewählt hat. 278 Diese Anerkenntnis und Bestätigung des eigenen Schuldigseins hat Heidegger im Auge, wenn er vom „Grundsein einer Nichtigkeit“ spricht. Es ist die Voraussetzung der „Verantwortlichkeit“ (SuZ, 127). Diese Überlegungen sind auch psychologisch und intuitiv nachvollziehbar. Derjenige, der sich nicht möglichen Fehlern stellt, wird sich vor der Entscheidung fürchten und ihr im Modus des „Man“ ausweichen, oder, wie Heideggers es ausdrückt, „davonschleichen“ (SuZ, 127). Heidegger konzipiert das Verständnis der Verantwortlichkeit trotz der basalen Nachträglichkeit als eine Selbstmächtigkeit. In der Übernahme meiner Ohnmacht macht sich das Dasein selbstmächtig, d.h. es kann „sich selbst verantwortlich in einem absoluten Sinne machen“ (GA 20, 440f.). Da Heidegger alle Entlastung dieser Verantwortlichkeit im Sinne der „Einebnung der Seinsmöglichkeiten“ (SuZ, 127) aber dem „Man“ zuschreibt, muß er, da die Eigentlichkeit gerade als „Zurückholen“ aus dem heteronomen Zustand gedeutet wird, jeglicher Idee, die dem Schuldigsein entgegensteht, skeptisch gegenüber stehen. Man kann einwenden, ob es nicht weitaus konsequenter wäre, die eindimensionale Zweiwertigkeit, die Heidegger im Auge hat, zu erweitern und sich zu fragen, ob es nicht eine eigentliche Möglichkeit der In Sein und Zeit heißt es: „Das Schuldigsein ist keine nur bleibende Eigenschaft eines ständig Vorhandenen, sondern die existenzielle Möglichkeit, eigentlich oder uneigentlich schuldig zu sein. [...] Das Schuldigsein muß daher, weil zum Sein des Daseins gehörend, als Schuldigseinkönnen begriffen werden“ (SuZ, 306) 278 Luckner spricht von „Schuldübernahmebereitschaft“ (Luckner 1997, 120) 277
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Entlastung geben kann, die ganz in dem Sinne Heideggers „funktioniert“, nämlich nicht die Gewesenheit zu vergessen oder in die soziale Heteronomie zurückzufallen, sondern sich geradezu ihrer zu stellen. In diesen Vollzügen zeigt sich eine grundlegende Entlastung menschlichen Seins, von dem Heidegger gezeigt hat, daß es in einer wesentlichen Dimension darin besteht, daß es als „Lastcharakter“ (SuZ, 134) zum Vorschein kommt. Diese Dimension der Vergangenheit (Gewesenheit) hat aber eine – wenn hier eine Anspielung auf eine Heideggersche Begrifflichkeit erlaubt sein sollte – Rückläufigkeit zur Folge, in der wir uns in der Möglichkeit verstehen, daß diese Last genommen werden kann. Diese Entnahme findet ihren zentralen Ausdruck im Verständnis des Verzeihen- und Bereuenkönnens. 279 Heidegger aber zufolge nämlich kann es keine Entlastung geben, weil dies nur auf das „Man“ verweisen würde: „Das Man entlastet [...] das jeweilige Dasein in seiner Alltäglichkeit“ (SuZ, 127). Er interpretiert jegliche Idee der Entlastung als eine „Tendenz zum Leichtnehmen und Leichtmachen“ (SuZ, 128). Mir scheint, daß Heidegger übersieht, daß zu klären bleibt, in welchem Sinne ein positives Verständnis zum Schuldigsein vorliegen muss, um sich in die Handlung und damit in die Verantwortung zu bringen. Eine solche ausgezeichnete positive Möglichkeit, mit dem „Lastcharakter“ des eigenen gewesenen Seins umzugehen, scheint mir in der Idee der Reue im Sinne eines Reuezeigenkönnens zu liegen, d.h. dem Verständnis, dass es eine Möglichkeit gibt, sich vor die eigene Gewesenheit in einer anderen „Stimmung“ zu bringen, die nicht mehr dadurch gekennzeichnet ist, dem eigenen Daß- und So-sein auszuweichen. 280 So wie Heidegger implizit eine Trennung vollzieht zwischen der eigentlichen und uneigentlichen Form des Schuldigseins (Annahme und Fliehen vor der endlichen Fehlbarkeit), so könnte man dies auch über die Reue behaupten. Nur derjenige, der sich in der Möglichkeit verstanden hat, nicht nur Fehler machen zu können, sondern auch zu dürfen, kann sich als ein verantwortlich Handelnder entwerfen. Den Heideggerschen eher „negativen“ Analysen wäre damit etwas zur Seite gestellt, denn das Verstehen der eigentlichen Reue ist eine, wie Scheler meint, „positive, befreiende, aufbauende“ (GW 9, 29) Möglichkeit. Die Eine andere Möglichkeit kann man z.B. auch im Danken identifizieren. Henrich meint: „Den Grund zum Dank anerkennen heißt dagegen immer auch, in seinem Verhalten die eigene Abhängigkeit zu bestätigen“ (Henrich 2000, 156). 280 In diesem Sinne kann man Schelers Entwurf – wenn man die religiöse Rethorik beiseite läßt – in einem sachlichen Sinne als einen Erweiterungsvorschlag lesen und es ist in der Tat erstaunlich, dass Scheler in seinen Notizen zu Sein und Zeit neben die entsprechenden Paragraphen selbst darauf hingewiesen hat. 279
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Reue setzt die Anerkennung des eigenen Schuldigseins voraus und folgt damit exakt dem Verständnis, dem Heidegger dem Akt der Annahme des Schuldigseins zuspricht. Reue wäre damit sozusagen die verborgene Rückseite der Wahl, die oben diskutiert wurde. In der vollen und durchsichtigen Annahme meines möglichen gewesenen Seins verstehe ich mich in eben derselben Weise wie im Verständnis des Schuldigseinkönnens als „Grundsein einer Nichtigkeit“. Das Verstehen des Fehlbarseindürfens (was wiederum eine von Heidegger abgewehrte Wertebene im Sinne einer Anerkenntnis eines Falschseins impliziert) ist sozusagen die nicht beachtete Rückseite dessen, was Heidegger mit der Entfaltung des Schuldigseins im Auge hat. Das Reueverständnis in diesem Sinne hat nichts mit billiger Buße und billigem Loswerden von moralischer Schuld zu tun, sondern mit deren vollen Bestätigung und Bezeugung folgt, wie Scheler erkennt, eine „Selbstpreisgabe vor sich selbst“ (GW 9, 38) im Sinne eines Sichtbarmachen des handelnden Selbst. Im Verstehen meiner selbst als möglicherweise bereuend anerkenne ich, daß Handlungen auch in der Zukunft immer meine Handlung bleiben. Ich bestätige also meine Selbstautorschaft und Selbstbestimmung, die für Heideggers Theorie im Zentrum steht. Im Reuezeigenkönnen bleibt es mir verwehrt zu sagen, daß die Anderen mir meine Möglichkeiten abgenommen haben oder ich nicht verantwortlich sein kann. Ganz im Gegenteil: ich bestätige mich als freies Wesen und konstituiere so erst ein Selbst im Heideggerschen Sinne. Die Reue ist kein Phänomen, das gegen das Schuldigsein gerichtet ist, sondern dessen Bestätigung. Die Freiheit wird im Reueakt erst verwirklicht. 281 Dieser kurze Hinweis auf das Verstehen des Reuezeigenkönnens impliziert auch eine Korrektur an Heideggers eindimensionaler Bestimmung des heroischen Aktes der Annahme der Fehlbarkeit. Es geht ja nicht nur darum, daß ich verstehe, daß ich mit der Übernahme meiner Endlichkeit „irren“ kann, wie das der späte Heidegger ausdrückt, sondern daß ich Falsches tun kann. Nur mit der Anerkenntnis, daß es möglicherweise überhaupt etwas zu bereuen gibt, anerkenne ich mögliche Werte meiner Handlungen. Damit kommt eine Wertdimension ins Spiel, die die gesamte Daseinsanalytik aus dem Spiel läßt. Da es uns hier aber nur darum ging, mögliche Erweiterungen des bisher Dargelegten zu skizzieren, kann ich mit hier eine weitere Diskussion ersparen. Das kann man auch im psychologischen Sinne auslegen. Scheler schreibt: „Nicht die bereute Schuld, sondern nur die unbereute hat auf die Zukunft des Lebens jene determinierende und bindende Gewalt“ (GW 9, 36) 281
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§8: HERMENEUTIK DES PRAKTISCHEN SELBST
Im diesem letzten Paragraphen kann es allenfalls noch um Ausblicke gehen. Es werden daher in eher unsystematischer Weise einige Erweiterungen und Ergänzungen der bisher ausgeführten Problematiken dargelegt, die als erste Vorstufen einer Hermeneutik des Selbst verstanden werden können, die schließlich der Idee einer Ethik der Verletzlichkeit Ausdruck geben. 282 Damit knüpfe ich an den in der Einleitung erwähnten Zusammenhang der Analyse praktischer Subjektivität und Ethik an. Wir wir im zweiten Abschnitt gesehen haben, spielt die Leiblichkeit zwar nicht die, aber doch eine zentrale Rolle, denn „das ‚Ich kann’“, um es in den Worten von Ricœur zu sagen, „leitet sich eben nicht vom ‚ich will’ her, sondern gibt diesem seine Wurzel“ (Ricœur 1996, 390). Wie wir gesehen haben, läßt sich dieses Verhältnis aber auch von der anderen Seite betrachten, denn das Worumwillen leitet ebenso zurück auf die umweltlichen Zusammenhänge wie diese vorweisen auf das Wollen. Es läßt sich als eine denkerische Konsequenz eine ethische Perspektive andeuten, die sich aus den Ausführungen zur handelnden Subjektivität im Sinne des Könnens und im Sinne des Nichtkönnens ergibt. Praktische Subjektivität ist erstens fundiert in der Leiblichkeit, die uns einen situativen Rahmen des Könnens vorgibt. 283 Dieser Rahmen ist konstitutiv beschränkt und dadurch endlich. Durch diese nicht objektivistisch verstandene leibliche Endlichkeit ergibt sich ein Begriff der Verletzlichkeit, der auf einer höheren Ebene der Selbstreferenz betrachtet zum Gedanken der Annahme dieser Verletzlichkeit führt. Diese Idee kann man – wie ausgeführt – schon in Heideggers Ausführungen, sein eigenes Schuldigsein im Sinne des „Grundseins einer Nichtigkeit“ anzuerkennen, präfiguriert sehen. Die grundlegende Fehlbarkeit des Handelns liegt nicht einfach als ein Sachbestand vor, sondern der eigentlich ethische Anfang liegt in der „bewußten“ Bestätigung der konstitutiven Schwachheit menschlichen Könnens. Dies kann man als das eigentlich ethische Selbst-Verhältnis auslegen. Es kann im eigentlichen Sinne als eine Wahl verstanden werden, wenn – wie ausgeführt – eine praktische Selbst-Wahl nur Anerkennung sein kann. Diese ethische Vgl. zur Idee einer Hermeneutik des Selbst vor allen Dingen Ricœur 1996, 26ff. 283 Sicherlich könnte man hier auch alle modernen „Leibtechnologien“ miteinbeziehen, die den „Könnensspielraum“ in andere Dimensionen erweitern, aber implizit an die Leiblichkeit zurückgebunden sind. 282
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Urhandlung konstituiert das Verständnis der Möglichkeit des Handelnkönnens, wie wir oben ausgeführt hatten, und damit ein Subjekt, das nicht nur verantwortlich, sondern auch fehlen kann. Verantwortung entspringt Verletzlichkeit. 284 Die moralische Ebene und die Handlungsebene wird demnach von einem Scharnier gehalten, dass man – bei aller Vorsicht – als eine Art von Selbstwahl im Sinne einer Annahme verstehen kann. Ich muss mich als verantwortlich verstehen, andernfalls werde ich es nie sein. Das aber zwingt dazu, dieses Verstehen nicht als eine Kreation, einen absoluten Akt der Selbstsetzung oder als Selbsterfindung zu beschreiben, sondern als eine Bestätigung zu denken, mit der ich mein Sein übernehme. Diese Bestätigung oder Bezeugung der moralischen Möglichkeit ist die eigentlich zu vollziehende bzw. vorausgesetzte ethische Urhandlung im Sinne eines konstitutiven Verstehens. Diese Überlegung ist natürlich nicht neu. Imgrunde wird sie schon bei Kierkegaard mit der Frage der Wahl zwischen dem Ästhetischen und dem Ethischen zumindest antizipiert und dann bei Heidegger ausgebaut und uminterpretiert. Verschoben wird aber der Blickwinkel in zweierlei Hinsicht: erstens handelt es sich bei dem Akt der Annahme oder Bestätigung, wie er hier vorgestellt wurde, um einen Akt der Fülle. Das bedeutet: es verbietet sich imgrunde, von einem Akt zu sprechen. Vielmehr bildet und formiert sich unser Verständnis, das uns als moralische Wesen auszeichnet, durch eine Vielfalt von Vollzügen und Möglichkeiten. Die „Urhandlung“ als eine „Superhandlung“ oder einen Selbstsetzungsakt im Sinne Fichtes oder der „Urwahl“ Sartres zu charakterisieren, trifft nicht die vielfältigen Möglichkeiten, in denen wir uns existierend bewegen. Stattdessen bietet es sich vielmehr an, den Begriff der Auslegung zu benuzten. In Akten der Auslegung erfassen wir uns als der Handlung fähig und damit als verantwortliche Wesen. Dieses Verständnis kann – im Sinne der phänomenologischen Grundmaxime - erfüllt sein oder auch leer sich vollziehen. In anderen Worten: In welcher Weise sich Individuen als moralisch oder verantwortlich fassen, ist völlig offen und das Verständnis kann sich nicht nur verschieben und verändern, sondern auch besser oder schlechter werden. Unser fundamentales Selbstverständnis ist unsicher und muss daher einer ständigen Selbstrevision unterzogen werden. Dabei ist aber eine Struktur vorausgesetzt, wie die Analysen des Vorherigen gezeigt haben. Diese besteht darin, dass ein verantwortliDaher gibt es auch „etwas zu befürchten“ (Jonas 1984, 391), wie das Jonas ausgedrückt hat.
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ches Wesen sich nur als solches annehmen und verantwortlich auslegen kann, wenn es sich in seinem Können als beschränkt erfährt. Diese Beschränkung ist nichts Abstraktes, sondern verweist auf einen konkreten Begriff, den wir andeutend nur Verletzlichkeit nennen konnten. Der Begriff der Verletzlichkeit kann auf drei Stufen erfasst werden: erstens auf einer leiblichen Ebene, zweitens auf einer psychischen Ebene, sowie drittens auf einer „geistigen“ oder personalen Ebene. Verletztlichkeit oder auch fehlende Integrität besteht darin, dass wir uns als etwas begreifen müssen, das – wie Levinas das ausgedrückt hat – „offen wie eine Stadt“ ist. Jeder Akt, den wir vollziehen, ob leiblich, psychisch oder personal, greift ein, und zwar in einem anderen Sinne als eine kausale Einwirkung je „eingreifen“ kann. Damit kommt eine intersubjektive Ebene ins Spiel. Aber selbst in derjenigen Verletzlichkeit, in der wir uns gegenseitig als Verletzliche anerkennen oder zurückweisen, bleiben wir an die generelle Struktur einer Bestätigung der Verletztlichkeit zurückgebunden. Zweifellos aber kann die Nahtstelle von Ontologie und Ethik, die als Ziel anvisiert worden war, nicht ohne den Anderen verstanden werden. In diesem Zug muss auch die Frage von Levinas geprüft werden, nämlich ob die „Offenheit“, die sich in der Verletzlichkeit ausdrückt, zugleich als Andersheit im ontologischen Sinne verstanden werden muss. Wenn aber Verletzlichkeit nicht im Levinasschen Sinne in unser Sein eingeschrieben ist, oder ihm gar vorausgeht, sondern stattdessen – wie hier vertreten – Verstehen und damit Intentionalität impliziert, dann ist die intersubjektive Ebene zweifellos fundamental, aber nicht absolut. Paul Ricœur hat daruf hingewiesen, dass die Bezeugung im Sinne des Gewissens den Übergang von der Semantik zur Ontologie ausmacht. Die Sprachanalyse kommt nicht dazu, das Handeln als „tatsächliches Tun“ (Ricœur 1996, 364) aufweisen zu können. Sie spricht immer nur über die Handlung, aber selten über denjenigen, der handelt und über die konkrete Analyse der Handlung als etwas, das geschieht. In diesem Sinne kann die Bezeugung und Annahme als Versuch gelten, sich ϋber etwas klar zu werden, nämlich ϋber „die Sicherheit – das Trauen und das Vertrauen -, in der Weise der Selbstheit zu existieren“ (Ricœur 1996, 365). Es ist nämlich keinesfalls klar oder offenkundig, dass wir moralische Wesen sind. Wir müssen uns dessen versichern, andernfalls haben die Überlegungen zum „grundlosen Grund“ keinen Sinn. Eben deshalb müssen wir uns darϋber immer wieder auch im Alltag klar werden und uns mit gegenseitigen Ansprϋchen dazu aufforden, uns als verantwortlich auszulegen. 179
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196
§10:
NAMENSREGISTER
Adorno, 188 Aguirre, 60, 73, 106, 188 Apel, 188 Arendt, 6, 10, 188 Arifuku, 188 Aristoteles, 16, 41, 57, 65, 76, 159, 172, 187, 192 Arp, 10, 71, 188 Aubenque, 188 Avenarius, 45 Barbaras, 188 Behnke, 69, 188, 198 Belussi, 188 Bernasconi, 65, 172, 188 Bernet, 12, 15, 17, 76, 188, 189 Biemel, 186, 187, 189 Blattner, 19, 42, 55, 189 Blust, 187, 189 Brainard, 12, 17, 131, 189 Brandner, 7, 189 Brandom, 189 Breda, 189 Breeur, 15, 186, 189 Brentano, 136, 137, 138, 141, 189, 190, 194, 196 Brough, 190 Bruzina, 190 Campbell, 190 Caputo, 21, 33, 172, 190 Carr, 17, 47, 81, 160, 171, 190 Casey, 90, 190 Chisholm, 190 Christensen, 58, 190 Claesges, 68, 75, 99, 107, 186, 188, 190, 193, 194 Cole, 190, 192 Cramer, 190, 197 Crowell, 190 Dahlstrom, 190 Damast, 190 Dastur, 10, 190 Derrida, 189, 190, 191 Dilthey, 15, 30, 126, 187, 191, 193, 194 Dodd, 68, 191 Dostal, 191 Dreyfus, 10, 12, 66, 71, 169, 170, 189, 191, 196, 198 Drummond, 191 Düsing, 175, 177, 191
Effertz, 41, 191 Ehrenfels, 6, 135, 137 Elveton, 11, 191 Embree, 188, 190, 191, 196, 197, 200 Fahrenbach, 191 Fichte, 9, 30, 132, 136, 137, 147, 161, 167, 187, 190, 191, 192, 193, 195, 199 Figal, 28, 153, 163, 169, 171, 191 Fink, 169, 174, 190, 191 Føllesdal, 10, 191 Frank, 175, 192 Funke, 139, 192, 193, 194 Gadamer, 35, 36, 172, 190, 192 Gallaghar, 68, 192 Gander, 11, 76, 85, 119, 187, 192 Gehlen, 19, 36, 39, 55, 63, 106, 192 Gethmann, 7, 12, 16, 42, 44, 118, 160, 167, 192, 193, 196, 197 Giesenberg, 166, 192 Gondek, 192 Görland, 187, 192 Gorner, 192 Graeser, 24, 192, 196 Greisch, 192 Grondin, 7, 192 Großmann, 192 Gurwitsch, 192 Habermas, 192 Harries, 192 Hart, 12, 17, 131, 149, 192, 196, 197 Hatab, 7, 21, 192 Held, 52, 55, 85, 87, 108, 159, 187, 188, 190, 193, 194 Henrich, 180, 193 Henry, 193 Herbart, 136 Herrmann, 6, 187, 193 Hildebrand, 6, 193 Hintikka, 191, 193, 196 Hodge, 7, 193 Hogemann, 76, 193 Hölderlin, 193 Holenstein, 186, 194
Holmes, 194 Holzapfel, 194 Holzhey, 194 Hopkins, 11, 194 Hoyos, 194 Hüni, 33, 194 Jamme, 189, 194, 196, 197, 198, 200 Jaspers, 194 Joas, 194 Jonas, 7, 21, 62, 171, 183, 194 Kaiser, 13, 30, 51, 194 Kant, 7, 15, 147, 149, 166, 175, 176, 177, 178, 187, 188, 189, 191, 192, 195, 197, 198, 199 Kersting, 194 Kierkegaard, 9, 130, 133, 174, 194 King, 24, 31, 194 Kisiel, 194 Kodalle, 194 Köhler, 195 Kühn, 189, 195 Kuster, 194 Landgrebe, 11, 56, 65, 187, 190, 193, 194, 195 Larrabee, 195 Lee, 118, 195 Lembeck, 6, 76, 80, 82, 99, 195 Levin, 13, 16, 62, 195 Lévinas, 6, 57, 109, 178, 191, 195 Liankang, 195 Liebsch, 64, 195 Lingis, 68, 195 Lohmar, 195 Löwith, 25, 195 Luckner, 175, 179, 195 Luhmann, 195 Maccann, 195 Makkreel, 195 Maloney, 195 Malpas, 66, 189, 191, 196 Marbach, 15, 186, 189, 196 Marcel, 190, 192, 196 McCarthy, 196 Melle, 137, 141, 144, 186, 196 Merker, 7, 196
197
Merleau-Ponty, 57, 61, 67, 68, 78, 93, 109, 195, 196 Meyer-Drawe, 20, 196 Mickunas, 12, 76, 87, 92, 196 Mittelstraß, 125, 196 Möckel, 196 Mohanty, 73, 87, 196 Muchada, 44, 55, 196 Müller, 196 Murray, 196 Natorp, 196 Nenon, 147, 186, 188, 197 Okrent, 12, 197 Ott, 192, 197 Oudemans, 197 Øverenget, 44, 197 Pachoud, 188, 197 Palmer, 15, 197 Patocka, 17, 62, 197 Peucker, 197 Pfänder, 15, 197, 198 Philipse, 169, 197 Plessner, 62, 197 Pöggeler, 188, 190, 192, 193, 195, 196, 197, 198, 200 Pothast, 197 Prauss, 44, 197 Raffoul, 197 Rang, 186, 197 Reinach, 197 Reiner, 6 Rickert, 197 Ricœur, 6, 10, 68, 172, 182, 197, 198 Riedel, 7, 12, 76, 169, 198 Rigobello, 198
198
Rinofner-Kreidl, 57, 129, 198 Rodríguez, 198 Rorty, 19, 198 Rotenstreich, 198 Rovatti, 198 Ryle, 136, 145, 196, 198 Sakakibara, 198 Sander, 46, 49, 198 Sartre, 7, 58, 60, 67, 80, 166, 192, 198 Scheler, 6, 9, 15, 20, 30, 33, 36, 45, 46, 47, 48, 49, 114, 116, 133, 136, 143, 181, 182, 189, 196, 198 Schmitz, 58, 198 Schnädelbach, 6, 198 Schues, 69, 198 Schuhmann, 6, 186, 187, 198 Schulz, 14, 26, 29, 67, 198, 199 Schütz, 199, 200 Seebohm, 62, 101, 199 Sepp, 135, 139, 186, 199 Sheehan, 172, 199 Sherover, 199 Siemek, 199 Soffer, 40, 199 Sommer, 15, 45, 199 Sonderegger, 199 Spaemann, 199 Spahn, 17, 131, 144, 199 Stapleton, 199 Steinbock, 11, 69, 72, 85, 87, 88, 89, 96, 108, 110, 118, 199 Stolzenberg, 199
Strasser, 186, 199 Straus, 199 Streeter, 199 Ströker, 15, 57, 80, 82, 87, 90, 98, 192, 199, 200 Strube, 187, 199 Taminiaux, 155, 199 Tengelyi, 129, 199, 200 Thiel, 200 Thomä, 25, 33, 200 Thurnher, 52, 200 Tugendhat, 10, 18, 50, 53, 65, 73, 74, 111, 159, 166, 174, 175, 200 Turnher, 200 Volonté, 200 Volpi, 172, 200 Waldenfels, 6, 8, 57, 69, 87, 108, 119, 125, 147, 171, 189, 190, 194, 195, 197, 200, 201 Watanabe, 201 Weiss, 201 Welton, 61, 69, 103, 109, 192, 195, 199, 201 Wilke, 201 Wittgenstein, 201 Wuchterl, 6, 201 Zahavi, 11, 60, 61, 69, 78, 104, 109, 128, 195, 201 Zimmerli, 20, 141, 201 Zovko, 201