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German Pages XVI, 375 [386] Year 2020
Magdalena Obermaier
Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten Zum Einfluss von soziopolitischen und performanzbezogenen Erklärgrößen
Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten
Magdalena Obermaier
Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten Zum Einfluss von soziopolitischen und performanzbezogenen Erklärgrößen
Magdalena Obermaier Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland Zgl. Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2019.
ISBN 978-3-658-31153-7 ISBN 978-3-658-31154-4 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31154-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Eggert Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Danksagung
Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im April 2019 an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereicht habe. Im Entstehungsprozess dieser Dissertation haben mich zahlreiche Menschen begleitet und auf vielfache Weise unterstützt, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Allen voran gilt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater Carsten Reinemann. Bei meiner Dissertation sowie anderen (eigenen und gemeinsamen) wissenschaftlichen Projekten stand er mir stets überaus interessiert und fördernd mit fachlichen Ratschlägen zur Seite und gab mir zugleich den nötigen Freiraum. Von seiner wissenschaftlichen Expertise und Unterstützung profitierte ich als Mitarbeiterin und als Hilfskraft während des Studiums enorm. Außerdem danke ich ihm für das offene, angenehme und produktive Arbeitsklima am Lehrbereich. Danken möchte ich auch meinem Zweitgutachter Thomas Hanitzsch, dessen fachlicher Rat für die Bearbeitung der Dissertation überaus wertvoll war. Bernhard Zangl sei für seine Bereitschaft gedankt, die Rolle des Drittgutachters zu übernehmen. Der Münchener Universitätsgesellschaft, Verein der Freunde und Förderer der LMU München e. V., danke ich, dass sie mein Dissertationsprojekt mit einem finanziellen Zuschuss gefördert hat. Besonders danken möchte ich außerdem Nayla Fawzi, die es mir ermöglichte, im Rahmen des Projektes „Vertrauen in Medien“ die Datenerhebung für meine Dissertation durchzuführen und mir fachlich wie persönlich sehr zur Seite stand. Ein herzlicher Dank gilt auch Thomas Koch, der mit mir seit dem Bachelorabschluss an gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten arbeitete, mich dadurch bestärkte, in die Wissenschaft einzusteigen, und mich als Mentor allzeit sehr unterstützte. Sehr dankbar bin ich außerdem all meinen Kolleginnen und Kollegen am IfKW, die für ein so herzliches, kompetentes und freundschaftliches
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Danksagung
Umfeld sorgen. Für ein solches Betriebsklima im Büro (und dafür, dass sie mein Faible für Kaffee, Eis und Farbleitsysteme gewähren ließen) gebührt vor allem meinen Mitbewohnerinnen Ursula Ohliger, Narin Karadas, Desirée Schmuck und Senta Pfaff-Rüdiger mein Dank. Für die Unterstützung und Inspiration, die offenen Bürotüren, gemeinsame Mittagsrunden, Konferenzreisen und (Lehrbereichs-) Ausflüge, das Korrekturlesen, den unerschütterlichen Zentral bereich, und für die wunderbare Zeit in München danke ich euch allen sehr, darunter besonders Angela Nienierza, Corinna Lauerer, Marc Jungblut, Mario Haim, Nina Steindl, Nina Springer, Claudia Riesmeyer, Johanna Schindler, Katharina Neumann, Philip Baugut, Thomas Zerback, Andrea Kloß, Anna Sophie Kümpel, Carolin Köppl, Christina Peter, Julian Unkel, Bernhard Goodwin und Dominik Leiner. Schließlich danke ich meinen langjährigen und besten Freunden sowie besonders meinen Eltern ganz herzlich, die mich immer bestärkten, die alles stets in die rechte Perspektive rückten und die immer für mich da sind. Vielen Dank dafür! München, Deutschland im Frühjahr 2020
Magdalena Obermaier
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Forschungsinteresse und Relevanzbegründung. . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Aufbau der vorliegenden Studie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2 Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.1.1 Verständnis von Vertrauen: Funktionen, Merkmale und Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1.2 Formen von Vertrauen: Soziales und politisches Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1.3 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen. . . . . . . . . . . 27 2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.2.1 Psychologische Erklärungen generalisierten sozialen Vertrauens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.2.2 Erklärungen politischen Vertrauens der politischen Kulturforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2.3 Institutionalistische Erklärungen politischen Vertrauens. . . . 45 2.2.4 Integrative Erklärungen politischen Vertrauens: Lifetime Learning- und Ideological Performance-Modell. . . . . . . . . . 48 2.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde zu generalisiertem sozialen und politischem Vertrauen in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.4 Zwischenfazit: Vertrauen und Erklärungen von dessen Einflüssen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
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3 Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . 63 3.1.1 Forschungshistorie: Medienglaubwürdigkeit. . . . . . . . . . . . . 64 3.1.2 Verständnis von Vertrauen in journalistische Medien: Funktionen, Merkmale und Eingrenzung. . . . . . . . . . . . . . . 67 3.1.3 Formen von Vertrauen in (journalistische) Medien. . . . . . . . 73 3.1.4 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.2 Verständnisse von Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . 85 3.2.1 Vertrauen in Journalismus als System. . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.2.2 Vertrauen in journalistische Medien als Institution. . . . . . . . 89 3.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde zu Vertrauen in (journalistische) Medien in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.4 Zwischenfazit: Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . 99 4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . 103 4.1 Systematisierung von Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4.2 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Bewertungskriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.2.1 Normative Funktionen und Qualität journalistischer Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.2.2 Erfüllung normativer Funktionen und Qualität journalistischer Medien aus Sicht der Rezipienten . . . . . . . . 118 4.3 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Direkte und indirekte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4.3.1 Direkte Quellen: Häufigkeit und Art der Mediennutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4.3.2 Indirekte Quellen: Vertrauen in journalistische Medien in der Sozialisation und Konfrontation mit Medienkritik . . . . . 129 4.4 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Restriktionen journalistischer Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.4.1 Politische Einflüsse auf die journalistische Autonomie. . . . . 135 4.4.2 Ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 4.4.3 Politische und ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie aus Sicht der Rezipienten. . . . . . 142
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4.5 Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale. . . . . . . . 144 4.5.1 Soziale Merkmale: Generalisiertes soziales Vertrauen und relative Deprivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4.5.2 Politische Merkmale: Politische Einstellung und Wertorientierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.5.3 Einflüsse politischer Performanzbewertung und politischen Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4.6 Zwischenfazit: Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5 Zielsetzung der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5.1 Forschungsdefizite und Modell für die empirische Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5.2 Ableitung von Forschungsfragen und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . 167 6 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 6.1 Wahl der Methode und Konzeption der Untersuchung. . . . . . . . . . . 175 6.2 Durchführung der Untersuchung und Beschreibung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 6.3 Aufbau des Fragebogens und Messung zentraler Konstrukte. . . . . . 182 7 Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 7.1 Vertrauen in journalistische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7.1.1 Generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 7.1.2 Zusammenhang von generalisiertem Vertrauen in journalistische Medien in Deutschland mit medienbezogener Skepsis und Zynismus . . . . . . . . . . . . . . . 204 7.2 Bewertung und wahrgenommene Gründe medialer Performanz. . . . 208 7.2.1 Wahrgenommene Erfüllung normativer Funktionen journalistischer Medien und journalistischer Qualität in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 7.2.2 Wahrgenommene Restriktionen journalistischer Autonomie in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 7.3 Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . 224 7.3.1 Direkte Einflüsse auf generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 7.3.2 Indirekte Einflüsse auf generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
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7.4 Vertrauen in Mediengattungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 7.4.1 Vertrauen in Formen von Mediengattungen in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 7.4.2 Antwortmuster und Zusammenhang von Vertrauen in Mediengattungen in Deutschland mit medienbezogener Skepsis und Zynismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 7.5 Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Mediengattungen. . . . . . . 264 7.5.1 (In-)Direkte Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Qualitätsmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 7.5.2 (In-)Direkte Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Boulevardmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 7.6 Zusammenfassung der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 8 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 8.1 Zusammenfassende Diskussion der Befunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 8.2 Limitationen und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1 Abbildung 2.2 Abbildung 2.3 Abbildung 2.4 Abbildung 2.5 Abbildung 2.6 Abbildung 2.7 Abbildung 2.8 Abbildung 3.1 Abbildung 3.2 Abbildung 3.3 Abbildung 3.4 Abbildung 4.1
Abbildung 5.1
Formen sozialen und politischen Vertrauens. . . . . . . . . . . 27 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen (eindimensional, unipolar). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen (zweidimensional, je unipolar). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen (zweidimensional, bipolar). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Vereinfachtes Dynamic Response-Modell des politischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Ideological Performance-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Politisches Vertrauen in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . 56 Vertrauen in repräsentative Institutionen in Deutschland im Zeitverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Formen von Vertrauen in (journalistische) Medien. . . . . . 83 Vertrauen in (Formen von) Mediengattungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien in Deutschland im Zeitverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Vertrauen in Mediengattungen in Deutschland im Zeitverlauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Systematisierung individueller und performanzbezogener Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Modell für die empirische Untersuchung von Einflüssen individueller sozialer und politischer und performanzbezogener Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 XI
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Abbildung 7.1
Abbildungsverzeichnis
Generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien und Journalisten im Vergleich zu politischem Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Abbildung 7.2 1-Faktormodell, 2-Faktormodell und 1-Faktormodell politischen Vertrauens (und generalisierten Vertrauens in journalistische Medien) . . . . . . . . . . . . . . . 203 Abbildung 7.3 Zusammenhang von generalisiertem Vertrauen in journalistische Medien mit medienbezogener Skepsis sowie Zynismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Abbildung 7.4 1-Faktormodell, 4-Faktormodell und 2-Faktormodell wahrgenommener Erfüllung normativer Funktionen journalistischer Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Abbildung 7.5 Wahrgenommener Grad der Einflüsse auf die journalistische Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abbildung 7.6 (In-)direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale (Gründe: Restriktionen journalistischer Autonomie) auf generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien. . . . . 241 Abbildung 7.7 (In-)direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale (Gründe: Meinungsrepräsentanz) auf generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abbildung 7.8 (In-)direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale (Gründe: Restriktionen journalistischer Autonomie) sowie politischer Performanzbewertung und politischen Vertrauens auf generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Abbildung 7.9 (In-)direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale (Gründe: Meinungsrepräsentanz) sowie politischer Performanzbewertung und politischen Vertrauens auf generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien. . . . . 252 Abbildung 7.10 Vertrauen in Formen von Mediengattungen. . . . . . . . . . . 254 Abbildung 7.11 Vertrauen in Formen von Mediengattungen (inklusive Residualkategorie). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Abbildung 7.12 1-Faktormodelle Vertrauen in Qualitätsmedien (mit generalisiertem Vertrauen in journalistische Medien) . . . 259
Abbildungsverzeichnis
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Abbildung 7.13 Zusammenhang von Antwortmustern des Vertrauens in Qualitätsmedien mit medienbezogener Skepsis sowie Zynismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Abbildung 7.14 (In-)direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale (Gründe: Restriktionen journalistischer Autonomie) auf Vertrauen in Qualitätsmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Abbildung 7.15 (In-)direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale (Gründe: Meinungsrepräsentanz) auf Vertrauen in Qualitätsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Abbildung 7.16 (In-)direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale (Gründe: Restriktionen journalistischer Autonomie) auf Vertrauen in Boulevardmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Abbildung 7.17 (In-)direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale (Gründe: Meinungsrepräsentanz) auf Vertrauen in Boulevardmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1 Tabelle 3.1 Tabelle 7.1 Tabelle 7.2 Tabelle 7.3 Tabelle 7.4
Tabelle 7.5 Tabelle 7.6 Tabelle 7.7 Tabelle 7.8 Tabelle 7.9 Tabelle 7.10
Überblick über Erklärungen von Vertrauen in politische Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Überblick über Verständnisse von Vertrauen in mediale Objekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Modellvergleich politischen Vertrauens und generalisierten Vertrauens in journalistische Medien. . . . . . . 202 Medienbezogene Skepsis und Zynismus in Deutschland . . . 205 Wahrgenommene Erfüllung normativer Funktionen journalistischer Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Erklärung der allgemeinen Bewertung der Funktionserfüllung durch die wahrgenommene Erfüllung normativer Funktionen journalistischer Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Modellvergleich wahrgenommener Erfüllung normativer Funktionen journalistischer Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Wahrgenommene politische Einflüsse auf die journalistische Autonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Wahrgenommene ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Wahrgenommene Boulevardisierungstendenzen in der Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Erklärung medialer Performanzbewertung durch vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie. . . . . . . 223 Direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale auf generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
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Tabelle 7.11
Tabelle 7.12 Tabelle 7.13 Tabelle 7.14 Tabelle 7.15 Tabelle 7.16
Tabelle 7.17
Tabelle 7.18 Tabelle 7.19 Tabelle 7.20
Tabelle 7.21
Tabelle 7.22
Tabellenverzeichnis
Direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale auf generalisiertes Vertrauen in Journalisten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Korrelationsmatrix modellrelevanter Merkmale und generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien. . . . . . . . 236 Zusammenhang von Vertrauen in Formen von Mediengattungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Modellvergleich des Vertrauens in Qualitätsmedien sowie generalisierten Vertrauens in journalistische Medien. . . . . . . 258 Antwortmuster des Vertrauens in Formen von Mediengattungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Zusammenhang von Vertrauen in Formen von Mediengattungen und medienbezogener Skepsis sowie Zynismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale auf Vertrauen in Qualitätsmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Korrelationsmatrix modellrelevanter Merkmale und Vertrauen in Qualitäts- sowie Boulevardmedien. . . . . . . 269 Direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale auf Vertrauen in Boulevardmedien . . . 277 Direkte Einflüsse soziopolitischer und performanzbezogener Merkmale auf Antwortmuster des Vertrauens in Qualitätsmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Überblick über den Status von Forschungsfragen und Hypothesen zu Prädiktoren generalisierten Vertrauens in journalistische Medien und Mediengattungen (nach Stärke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Detailübersicht direkter Prädiktoren von generalisiertem Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen sowie in Journalisten (nach Stärke). . . . . . 300
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Einleitung
„The single biggest challenge facing journalism today is the public’s lack of trust in it. This is not a new challenge, but it is persistent, and it has been getting worse“ (Fink, 2018, S. 43).
Das Vertrauen in Journalismus ist als „single biggest challenge“ beständiger Teil der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre. Dabei hält sich die These, dass das Vertrauen in journalistische Medien länderübergreifend stetig sinkt. Die Befundlage stützt dies jedoch nur bedingt: Zwar sinkt das Vertrauen in journalistische Medien in manchen (westlichen) Ländern tatsächlich. Vor allem in den USA, worauf sich Fink (2018) im Eingangszitat und dem zugehörigen Beitrag bezieht, zeichnen repräsentative Längsschnittbefragungen wie die General Social Survey [GSS] (Gronke & Cook, 2007), die World Values Survey [WVS] (Hanitzsch, van Dalen & Steindl, 2018) oder das Gallup Institut (Jones, 2018, 12. Oktober) ein seit den 1970er Jahren kontinuierlich schwindendes Vertrauen in journalistische Medien nach. Gemäß Gallup Institut lag der Anteil derer, die den Medien vertrauen, „fully, accurately and fairly“ zu berichten anfangs bei rund 70 Prozent; im Jahr 2016 war dieser auf ein „all-time low“ von 32 Prozent gesunken, wobei Ende 2018 ein erneuter Aufschwung auf rund 40 Prozent zu verzeichnen ist (Jones, 2018, 12. Oktober). In den Daten der WVS lässt sich ein Rückgang des Vertrauens in journalistische Medien in den USA von über 50 Prozent Anfang der 90er Jahre auf gar rund 20 Prozent in den 2010er Jahren nachzeichnen (Hanitzsch et al., 2018, S. 13). Diese Tendenz zeigt sich dort etwa ähnlich für die Regierung, jedoch weniger rapide (Gronke & Cook, 2007, S. 260). Dagegen sind in anderen (demokratischen) Ländern die Vertrauenswerte seit Jahren (auf vergleichsweise geringem Niveau) stabil (Hanitzsch, 2013, S. 206–207; Reinemann, Fawzi & Obermaier, 2017, S. 80–81) oder steigen sogar, wobei letzteres häufig auf Länder © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Obermaier, Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31154-4_1
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1 Einleitung
mit eingeschränkter Pressefreiheit zutrifft (Edelman Trust Barometer, 2018; Hanitzsch et al., 2018; Müller, 2013; Xu, 2012). In Deutschland wurde im Zuge der Lügenpresse-Debatte in der öffentlichen Diskussion sowie der Berichterstattung eine Vertrauenskrise der journalistischen Medien ausgemacht (Reinemann & Fawzi, 2016, 24. Januar). Ausgangspunkt für erstere war die Kritik an der Berichterstattung über die Ukraine-Krise im Jahr 2014 und über die Flüchtlingskrise im Jahr 2015; verstärkt geführt wurde die Debatte auf sozialen Netzwerkseiten, unter anderem teils von Anhängern der Pegida-Bewegung (Holt & Haller, 2017; Kobilke, 2017; Lilienthal & Neverla, 2017), und Ende 2017 ist sie wieder abgeflacht (Ziegele et al., 2018, S. 150). Im Zuge dessen wurden Journalisten1 zum einen Ziel hasserfüllter Äußerungen und Drohungen bis hin zu gewaltsamen Übergriffen auf Demonstrationen (Reporter ohne Grenzen, 2016; vgl. auch Obermaier, Hofbauer & Reinemann, 2018). Zum anderen ging damit eine Verunsicherung von Rezipienten darüber einher, welchen Medienangeboten man vertrauen kann sowie von Journalisten, wie man das (vermeintlich) verlorene Vertrauen der Bevölkerung zurück gewinnen kann (Ziegele et al., 2018, S. 150). Dagegen gehört Deutschland zu den Ländern, in denen das Vertrauen in journalistische Medien (seit den 1980er Jahren) relativ stabil und eher leicht angestiegen ist (Reinemann et al., 2017, S. 80–81). Eine repräsentative Längsschnittbefragung der Universität Mainz weist seit 2016 allerdings Polarisierungstendenzen des Vertrauens in journalistische Medien nach (Schultz, Jackob, Ziegele, Quiring & Schemer, 2017), wobei die Anteile derer zunahmen, die den Medien in geringem respektive in hohem Maße vertrauen (vgl. auch Hölig & Hasebrink, 2018); dies unterlag in den folgenden Jahren jedoch leichten Schwankungen (Jackob, Schultz et al., 2019; Ziegele et al., 2018). Insgesamt geben gemäß repräsentativen Längsschnittbefragungen rund über 40 Prozent der deutschen Bevölkerung (sehr) großes Vertrauen in journalistische Medien an. Fragt man nach Vertrauen in Formen von Mediengattungen, zeigen sich zudem Differenzen: Während mehr als die Hälfte der Bürger dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertraut, bringen nur rund 20 bis 30 Prozent dem privaten Rundfunk oder sozialen Netzwerkseiten Vertrauen entgegen (Hölig & Hasebrink, 2018; Reinemann et al., 2017; Ziegele et al., 2018). Wie dieses Niveau des allgemeinen Vertrauens in journalistische Medien demokratietheoretisch zu bewerten ist, ist strittig. Aus politologischer Perspektive
1Um
eine flüssige Lesbarkeit zu ermöglichen, wird im Folgenden geschlechtsspezifisch in männlicher Form oder genderneutral formuliert, wobei stets alle Geschlechter gemeint sind.
1.1 Forschungsinteresse und Relevanzbegründung
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wäre hohes Vertrauen in politische Institutionen aus Sicht der demokratischen Elitenherrschaft oder aus administrativer Sicht erstrebenswert, damit diese effizient im Interesse der Bürger agieren könnten; aus liberaler Sicht könne jedoch nur geringeres politisches Vertrauen einen politischen Machtmissbrauch verhindern (van der Meer, 2017, S. 6; vgl. auch Parry, 1976). Integrierend wird argumentiert, dass pluralistische Demokratien zugleich geringeres und höheres Vertrauen in politische Autoritäten bezüglich unterschiedlicher Themen und seitens verschiedener Interessengruppen benötigten (vgl. auch Gamson, 1968; Sniderman, 1981); gemäß dieser Perspektive wäre also ein mittleres politisches Vertrauenslevel erstrebenswert (Bierhoff, 2002, S. 251; Gabriel & Kunz, 2002, S. 255). Legt man letztere als Interpretationsrahmen an, so wäre der Befund, dass weniger als die Hälfte der Bürger den journalistischen Medien vertraut, per se unproblematisch. Dies könnte vielmehr bedeuten, dass Rezipienten hohe Ansprüche an die Leistungen journalistischer Medien haben, was unter Umständen zu einer konstruktiven öffentlichen Diskussion über die Rolle des Journalismus in der Gesellschaft sowie dessen aktuelle Herausforderungen, wie ökonomische Restriktionen, beitragen könnte. Entsprechend wäre ein mehrheitliches „blindes“ Vertrauen in journalistische Medien sowie in sämtliche journalistische Medienangebote wenig wünschenswert (Reinemann et al., 2017, S. 86–87; vgl. auch Hagen, 2015, S. 161; Hanitzsch et al., 2018, S. 19). Allerdings gibt es Hinweise, dass Rezipienten mit geringem Vertrauen in journalistische Medien auch eher einer medienzynischen Haltung beipflichten (Jackob, Jakobs et al., 2019; Ziegele et al., 2018) oder journalistische Medienangebote in gewissem Maße meiden (Tsfati & Cappella, 2003). Angesichts dessen könnten höhere Bevölkerungsanteile, die journalistischen Medien pauschal nicht vertrauen, bedenklich sein (Reinemann et al., 2017, S. 87). Denn wenngleich eine normativ wünschenswerte absolute Höhe schwerlich festzulegen ist, ist ein gewisses Level an Vertrauen in journalistische Medien nötig für die Erfüllung ihrer demokratietheoretisch verankerten öffentlichen Aufgabe sowie für das Vertrauen in die Demokratie (Tsfati & Cohen, 2005, S. 29).
1.1 Forschungsinteresse und Relevanzbegründung Die Relevanz der Beschäftigung mit Vertrauen in journalistische Medien ergibt sich somit daraus, dass es aus demokratieorientierter Perspektive eine zentrale Rolle spielt für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Journalismus (Tsfati & Cohen, 2005, S. 29). Vertrauen ermöglicht Individuen allgemein, sich von Handlungen der Mitbürger oder Leistungen gesellschaftlicher Institutionen abhängig zu
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1 Einleitung
machen, auf die sie angewiesen sind (wie politische Entscheidungen), obgleich sie nicht vorhersehen können, ob diese ihr Vertrauen rechtfertigen werden (Bierhoff, 2002, S. 241–242). Je nach Forschungsdisziplin wird damit hervorgehoben, dass Vertrauen soziale Integration erleichtern sowie politische Institutionen leistungsfähiger machen kann (Misztal, 1996, S. 3; Putnam, 1993, S. 177–181). Damit wird es pointiert gar gehandelt als „the chicken soup of social life […] reputedly [bringing] us all sorts of good things“ (Uslaner, 2001, September, S. 1). Weil Rezipienten von der Darstellung aktueller Informationen durch journalistische Medien abhängig sind, etwa um sich eine politische Meinung zu bilden oder politische Entscheidungen zu treffen, ist Medienvertrauen essentiell für die Erfüllung dieser Bürgerpflichten. Das liegt daran, weil Rezipienten nicht vorhersehen können, ob journalistische Medien diese Leistungen angemessen erbringen und die Informationen meist nicht anhand direkter Erfahrungen prüfen können (Coleman, 2012, S. 36). So gilt Vertrauen in journalistische Medien als „crucial variable for media effects“ (Kohring & Matthes, 2007, S. 231). Da Bürger aus der Berichterstattung beispielsweise erfahren können, wie kompetent und integer politische Akteure ihren Aufgaben nachkommen, ist ihr Vertrauen in journalistische Medien auch eine Voraussetzung dafür, Vertrauen in andere gesellschaftliche Akteure und Institutionen zu entwickeln (Bentele, 1994b, S. 136). Analog ist Vertrauen in journalistische Medien positiv mit politischem Vertrauen verbunden (Bennett, Rhine, Flickinger & Bennett, 1999; Gronke & Cook, 2007; Hanitzsch et al., 2018) und gilt damit als zentral für „the public’s trust in the functioning of democracy“ (Tsfati & Cohen, 2005, S. 29). Weiter wird befürchtet und partiell demonstriert, dass Rezipienten, die journalistischen Medien wenig vertrauen, die Berichterstattung eher meiden und sich ihre Meinung vermehrt auf Basis alternativer Medienangebote oder in den Kommentarspalten sozialer Netzwerkseiten bilden (Tsfati & Cappella, 2003, S. 514). Gerade die wahrgenommene Authentizität der Kommunikatoren könnte das Vertrauen in letztere dabei begünstigen (Newman & Fletcher, 2017, S. 27–35). Da diese häufig partikulare (politische) Interessen und Meinungen vertreten (Schweiger, 2017, S. 42–43), könnten sich Rezipienten im Zuge dessen eher meinungskonsistenten Inhalten aussetzen, was im Zeitverlauf eine Polarisierung (politischer) Meinungen fördern mag (Prochazka & Schweiger, 2019, S. 26; Stroud, 2011, S. 10; vgl. auch Tsfati, Stroud & Chotiner, 2014). Dazu sind ökonomische Konsequenzen für Medienorganisationen denkbar, zumal geringes Vertrauen die Reichweiten von Medienangeboten senken und Anzeigenkunden abschrecken könnte (Vanacker & Belmas, 2009, S. 111, 123). Zudem wird angeführt, dass niedriges Vertrauen in journalistische Medien „can potentially affect the power balance between media and political institutions,
1.1 Forschungsinteresse und Relevanzbegründung
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putting news organizations on the defensive“ (Bucy, D’Angelo & Bauer, 2014, S. 457). Sprechen Bürger journalistischen Medien aufgrund geringen Vertrauens die Legitimität in der demokratischen Gesellschaft ab und nehmen sie ihre Autonomie als ungerechtfertigt wahr, wären diese nur noch eingeschränkt in der Position, kritisch über gesellschaftliche Institutionen oder kontroverse Themen zu berichten (McLeod, Wise & Perryman, 2017, S. 44). Damit sind journalistische Medien zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen (Blöbaum, 2014, S. 33). Angesichts dessen scheint es umso bedeutsamer, zu eruieren von welchen Faktoren Vertrauen in journalistische Medien abhängt. Das Forschungsinteresse der vorliegenden Studie besteht darin, diese Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien zu untersuchen. Obgleich in der kommunikationswissenschaftlichen Vertrauensliteratur bereits vor einigen Jahren „auf die Notwendigkeit, an der Erfassung der […] Gründe für Vertrauen in Journalismus theoretisch und methodisch weiterzuarbeiten“ (Kohring, 2004, S. 257) hingewiesen wurde, hat die Forschung diese lange Zeit vernachlässigt. So halten Prochazka und Schweiger (2019, S. 1) fest, dass das Wissen darüber, „what drives trust in news on the individual level, and what consequences mistrust and trust might have is still quite limited.“ Dabei wird seit den 1980er Jahren ein Aufschwung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Formen, Ursachen und Auswirkungen von Vertrauen in verschiedenen Disziplinen – wie der Soziologie, Psychologie und Politologie oder den Wirtschaftswissenschaften – diagnostiziert (Frings, 2010, S. 13). Die Kommunikationswissenschaft fokussierte lange die angrenzende Medienglaubwürdigkeit, was sich partiell auf Basis der Forschungsarbeiten von Hovland, Janis und Kelley (1961) entwickelte. Die ersten Arbeiten zu Vertrauen in Journalismus respektive journalistische Medien erarbeiteten daher zunächst theoretische Verständnisse, überwiegend basierend auf Überlegungen der soziologischen Vertrauensforschung (Jakobs, 2018, S. 3; vgl. Bentele, 1994b; Kohring, 2004). Obwohl zeitgleich vereinzelt Studien zu Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien entstanden (Bennett, Rhine & Flickinger, 2001; Jones, 2004; Tsfati & Cappella, 2003), nahmen erst in den letzten Jahren die Forschungsbemühungen dazu zu, was sich in einer steigenden Anzahl empirischer Studien niederschlägt (McLeod et al., 2017, S. 42; vgl. Blöbaum, 2016; Fawzi, 2019; Hanitzsch et al., 2018; Jakobs, 2018; Schielicke, Mothes & Donsbach, 2014; Ziegele et al., 2018). Das erklärt, dass in der Forschung zu Vertrauen in journalistische Medien noch verschiedene Defizite vorliegen. Als allgemeines Defizit der Vertrauensforschung gilt erstens, dass sich die meisten Disziplinen lange Zeit wenig auf die Erkenntnisse anderer Vertrauensdiskussionen bezogen haben. Dies hat einen theoretisch wie methodisch sehr
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1 Einleitung
disziplinär geprägten und damit beinahe unüberblickbar heterogenen Literaturkorpus zur Folge, sodass „trust research is not as advanced as the number and variety of scholars of trust working in so many disciplines might suggest“ (Yamagishi, 2011, S. 8). Erst in den letzten Jahren zeichnen sich vermehrt Versuche der Forschungstraditionen zu Vertrauen ab, hinsichtlich dessen Prädiktoren aufeinander Bezug zu nehmen (Frings, 2010; Müller, 2013; Thielmann & Hilbig, 2015). Im Falle der kommunikationswissenschaftlichen Forschung zu Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien, die im Vergleich zu anderen Forschungstraditionen in den Anfängen steckt, mag dies besonders gewinnbringend sein (Ladd, 2006, S. 40). So existieren theoretische Erklärungen zu Einflüssen auf Vertrauen in Institutionen vor allem in der politologischen Vertrauensforschung (Mishler & Rose, 2001; Rohrschneider, 1999). Eine solche Fundierung als Basis für die Erforschung der Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien fehlt bislang zwar meist; dennoch wurden diese Überlegungen lange Zeit weitgehend vernachlässigt (vgl. aber Hanitzsch et al., 2018; Pjesivac, 2017; Tsfati & Ariely, 2014). Zweitens zeichnet sich der Forschungsstand zu Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien, womöglich auch aufgrund der häufig relativ heterogenen theoretischen Basis, durch recht unterschiedliche Prädiktoren aus (für einen Überblick vgl. z. B. McLeod et al., 2017). Einerseits fokussieren Studien medienbezogene Prädiktoren: So werden oftmals die Häufigkeit und Art der Mediennutzung (Hopmann, Shehata & Strömbäck, 2015; Schultz et al., 2017; Tsfati & Cappella, 2003), aber auch Bewertungen des Medienangebotes einbezogen, wie die Einschätzung medialer Fehlleistungen (Jackob, 2012a; Jakobs, 2018; Livio & Cohen, 2018) oder eine empfundene Abhängigkeit von journalistischen Angeboten (Jackob, 2010). Vereinzelt werden wahrgenommene journalistische Leistungen, wie die Erfüllung demokratischer Funktionen journalistischer Medien (Peifer, 2018) sowie journalistische Qualität, als Korrelate eingesetzt (Schielicke et al., 2014); gleiches gilt für wahrgenommene politische wie ökonomische Einflüsse auf die journalistische Arbeit (Donsbach, Rentsch, Schielicke & Degen, 2009). An individuellen Merkmalen wird in diesen Studien teils Vertrauen in Mitmenschen kontrolliert (Jackob, 2012a; Yamamoto, Lee & Ran, 2016). Andererseits stehen in überwiegend USamerikanischen oder international vergleichenden Studien politische Merkmale im Vordergrund. Darin erklären politische Einstellungen oder politisches Vertrauen das Vertrauen in journalistische Medien (Ariely, 2015; Gronke & Cook, 2007; Hanitzsch et al., 2018; Jones, 2004, 2005; Lee, 2010). Gleiches findet sich für eine wahrgenommene Verzerrung der Berichterstattung entgegen der eigenen Meinung (Bernhard, 2018; Tsfati & Cohen, 2005). Selten beziehen Studien auch
1.1 Forschungsinteresse und Relevanzbegründung
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ertorientierungen der Rezipienten ein, wie Antielitismus im Rahmen einer W rechtspopulistischen Ideologie (Fawzi, 2019; Mitchell et al., 2018). Bereits dieser knappe Überblick verdeutlicht, dass Studien häufig singuläre, entweder auf den medialen Output bezogene oder politische Merkmale der Rezipienten fokussieren (vgl. aber Bennett et al., 2001; Hanitzsch et al., 2018). Studien, die hingegen performanzbezogene sowie individuelle soziale und politische Einflüsse in einer größeren Bandbreite kombinieren, sind (in Deutschland) bislang rar. Zudem werden meist direkte Assoziationen mit Medienvertrauen betrachtet; wie die Prädiktoren untereinander zusammenhängen und damit Vertrauen in journalistische Medien indirekt bedingen, wird größtenteils theoretisch wie empirisch vernachlässigt. Drittens differenzieren wenige Studien Einflüsse auf Vertrauen in verschiedene mediale Objekte; meist liegt der Fokus auf generalisiertem Vertrauen in journalistische Medien. Vertrauen in Mediengattungen wird zwar zunehmend in eingangs genannten repräsentativen Längsschnittbefragungen erhoben (Decker, Kiess & Brähler, 2016; Newman, Fletcher, Kalogeropoulos, Levy & Nielsen, 2018); als zu erklärende Größe wird dieses jedoch bislang wenig berücksichtigt (vgl. aber Hopmann et al., 2015; Ziegele et al., 2018). Allerdings könnten Rezipienten etwa mit unterschiedlichen Aspekten der Leistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privatwirtschaftlicher Medien (un-) zufrieden sein, wie mangelnde Sachgerechtigkeit oder Parteilichkeit, was in unterschiedlich akzentuierte Prädiktoren des Vertrauens in diese resultieren mag (vgl. auch Prochazka & Schweiger, 2016). Dies lässt sich auch beispielsweise für erwähnten medienbezogenen Zynismus festhalten (vgl. aber Jackob, Jakobs et al., 2019; Ziegele et al., 2018), wobei sich hier aufgrund der dünnen Befundlage zunächst die Frage stellt, wie dieser mit Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängt. Auf Basis der aus der Literatur abgeleiteten demokratietheoretischen Relevanz der Beschäftigung mit Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien sowie der überblicksartig dargelegten Forschungsdefizite in diesem Bereich, leiten die vorliegende Studie folgende Fragestellungen. Erstens soll eruiert werden, wie sehr die deutsche Bevölkerung den journalistischen Medien vertraut, um zweitens zu untersuchen, welche relativen Einflüsse ihr Vertrauen in journalistische Medien bedingen. Dabei werden erstens relative Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien solchen gegenübergestellt, die sich auf die mediale Performanz beziehen. Theoretisch wie empirisch wird dabei die Sicht der Rezipienten auf der Mikroebene fokussiert, wobei davon ausgegangen wird, dass diese Wahrnehmungen einstellungs- und handlungsleitend sind (Fawzi, 2014, S. 32; vgl. auch H. Esser, 1999). Dazu
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1 Einleitung
werden integrative Erklärungen der politologischen Vertrauensforschung herangezogen, die eine theoretisch fundierte Ableitung der Einflüsse beider Formen von Prädiktoren auf der Mikroebene ermöglichen (Mishler & Rose, 2001; Rohrschneider, 1999). Von einer funktional-systemorientierten Perspektive, die ebenfalls in der Vertrauensforschung prominent ist, wird damit abgesehen. Zweitens wird darauf abgezielt, auf dieser theoretischen Basis identifizierte Assoziationen zwischen den Prädiktoren und damit indirekte Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien einzubeziehen (Rohrschneider, 1999). Drittens sollen ( in-) direkte relative Einflüsse auf verschiedene mediale Objekte betrachtet werden. Was das methodische Vorgehen angeht, so lassen sich das Vertrauen in (journalistische) Medien sowie dessen relative Einflüsse aus Sicht der Rezipienten mittels Befragungen geeignet erfassen. Somit wurde in der vorliegenden Studie eine für die deutsche Bevölkerung repräsentative Querschnittbefragung (CATI) durchgeführt. Allerdings muss bedacht werden, dass dabei keine empirisch gestützten Kausalaussagen getroffen werden können (Brosius, Haas & Koschel, 2012, S. 199). Die Absicht der Studie ist es an diesem Punkt der Forschung allerdings, zunächst theoretisch abgeleitete, relative Einflüsse des Vertrauens in journalistische Medien in größerer Bandbreite zu prüfen. Dies ist als Baustein zu verstehen, um auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse Längsschnittoder experimentelle Befragungen einzusetzen, um die Kausalität gefundener Zusammenhänge zu eruieren.
1.2 Aufbau der vorliegenden Studie Zur Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellungen ist die vorliegende Studie wie folgt aufgebaut. Im theoretischen Teil wird zuerst ein Vertrauensverständnis für die Studie geschaffen sowie soziales und politisches Vertrauen, die als Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien eingesetzt werden, näher umrissen (vgl. Kapitel 2). Danach werden prominente Überlegungen zur Entstehung von Vertrauen in Mitmenschen der psychologischen Vertrauensforschung dargelegt, auch, da diese teils in der politologischen Vertrauensforschung Anklang finden. Eine Aufarbeitung letzterer folgt im Anschluss, was in einer Beschreibung genannter integrativer Erklärungen, dem Lifetime Learning-Modell (Mishler & Rose, 2001) und dem Ideological Performance-Modell (Rohrschneider, 1999) mündet. Zweitens werden nach einem Exkurs zu Medienglaubwürdigkeit, um die Forschungshistorie aufzuarbeiten, (Formen) von Medienvertrauen für die Studie begrifflich geklärt, Verständnisse der kommunikationswissenschaftlichen Vertrauensforschung gegenübergestellt sowie Befunde zu Vertrauen in journalistische
1.2 Aufbau der vorliegenden Studie
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Medien und dessen Operationalisierungen diskutiert (vgl. Kapitel 3). Den Kern des theoretischen Teils bildet drittens Kapitel 4, wobei integrative Erklärungen politischen Vertrauens sowie Erkenntnisse zu Medienbewertungen für die Untersuchung von Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien nutzbar gemacht werden. Entlang der daraus resultierenden Systematisierung wird der Forschungsstand zu den jeweiligen Prädiktoren aufgearbeitet. Diese umfassende theoretische Auseinandersetzung fließt in ein Modell zu relativen Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien ein, das als Orientierungsraster für die empirische Untersuchung dient und entlang dessen Forschungsfragen und Hypothesen abgeleitet werden (vgl. Kapitel 5). Die Wahl des methodischen Vorgehens, eine Beschreibung von Durchführung und Stichprobe der für Deutschland repräsentativen Befragung (Dezember 2016 bis Januar 2017) sowie die Operationalisierung zentraler Variablen werden danach dargelegt (vgl. Kapitel 6). Dem folgt eine Darstellung der Befunde, die nach fokussierten medialen Vertrauensobjekten gegliedert ist (vgl. Kapitel 7). Ihren Abschluss findet die Studie in einem Fazit, wobei unter Rückbezug auf Forschungsinteresse, Relevanz und theoretische Ausarbeitung die Befunde einer zusammenfassenden Diskussion unterzogen werden. Zuletzt werden zentrale Limitationen der Studie reflektiert sowie ein Ausblick für nachfolgende Forschung geliefert (vgl. Kapitel 8).
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Vertrauen
Erste Überlegungen zu Vertrauen finden sich bereits in der griechischen Antike, beispielsweise bei Aristoteles (2013, S. 216–220) in der Nikomachischen Ethik (vgl. auch Hartmann, 2011, S. 27, 55). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Vertrauen begann etwa Anfang des 20. Jahrhunderts, wobei die soziologische Vertrauensforschung am weitesten zurückreicht: Neben ersten Fragmenten bei Simmel (1900) liefern Barber (1983), Giddens (1995), Luhmann (1989) und Coleman (2010) einige der umfassendsten Arbeiten und gelten disziplinübergreifend als prägend (für einen Überblick vgl. z. B. Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 413–415; Misztal, 1996; Seiffert-Brockmann, 2015, S. 70–136). Während Coleman (2010) Vertrauen aus erwartungsnutzentheoretischer Perspektive sieht, was zu dessen Etablierung in der Rational Choice (RC)-Theorie beitrug (Frings, 2010, S. 75),1 nehmen diese meist eine funktional-systemorientierte2 Sicht ein und setzen sich mit der Funktion von Vertrauen in modernen Gesellschaften
1Genauer
existieren RC-Theorievarianten, die quer zu den Disziplinen liegen (Diekmann & Voss, 2004, S. 13). So geprägte Überlegungen zu Vertrauen finden sich etwa in der Ökonomie (Arrow, 1974; North, 1990; Ripperger, 1998), Psychologie (Deutsch, 1958) und Politologie (Gambetta, 1988; Hardin, 2002). 2Um verschiedene Strömungen einzufassen, wird hierbei Arnolds (2008, S. 496, 491) Begriffen gefolgt. Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/ 978-3-658-31154-4_2. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Obermaier, Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31154-4_2
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2 Vertrauen
auseinander (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 413). Die psychologische Vertrauensforschung fokussiert dagegen die Mikroebene (für einen Überblick vgl. z. B. Petermann, 2013).3 Erste Überlegungen stammen von Erikson (1966) und Deutsch (1958), interdisziplinär sind Ausführungen Rotters (1967) essentiell. In der politologischen Vertrauensforschung liefert die politische Kulturforschung erste Arbeiten (Almond & Verba, 1965), wobei in Reaktion auf den Sozialkapital-Ansatz (Putnam, 1993) Ende der 90er Jahre eine Vielzahl an Studien entstand. Dabei dominiert eine handlungstheoretische Perspektive, wobei Vertrauen auf der Mikroebene und im Aggregat als Merkmal von Nationen interessiert (Frings, 2010, S. 52–60; Misztal, 1996, S. 14). Im Vergleich dazu existiert in der Kommunikationswissenschaft bislang eine geringere Zahl theoretischer Überlegungen zu Vertrauen (Bentele, 1994b; Blöbaum, 2014; Hoffjann, 2011; Kohring, 2004; Tsfati & Cappella, 2003), die oft soziologische Ansätze adaptieren. Trotz der Vielzahl an Arbeiten zu Vertrauen in diversen Disziplinen – oder gerade deswegen – existiert kein disziplin- oder perspektivübergreifendes Verständnis ebenso wenig wie prominente Erklärungen zu dessen Einflüssen (Misztal, 2011, S. 361). Denn, „as can be expected, each field has approached the problem with its own disciplinary lens and filters“ (Lewicki & Bunker, 1995, S. 135). Somit kann es hier nicht zielführend sein, einen Überblick über sämtliche Überlegungen verschiedener Disziplinen zu liefern. Vielmehr werden solche herangezogen, die für das Erkenntnisinteresse der Erklärung von Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten geeignet scheinen; diese Erklärungen zu Vertrauen in (politische) Institutionen finden sich primär in der politologischen Vertrauensforschung (für einen Überblick vgl. z. B. Mishler & Rose, 2001). Nach Begriffsklärungen zu Vertrauen für die vorliegende Studie (vgl. Abschnitt 2.1), werden somit angesprochene Erklärungen beschrieben (vgl. Abschnitt 2.2) und zuletzt Operationalisierungen sowie deskriptive Befunde zu Vertrauen in Mitmenschen und politische Institutionen in Deutschland dargestellt (vgl. Abschnitt 2.3).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen Ehe prominente theoretische Erklärungen und Befunde zu Einflüssen auf Vertrauen referiert werden, sind Begriffsbestimmungen für vorliegende Studie vorzunehmen. So werden zuerst interdisziplinär Funktionen von Vertrauen herausgearbeitet und
3Wie
Bentele & Seidenglanz (2015, S. 413) anmerken, kombinieren manche Abhandlungen beide Herangehensweisen (vgl. z. B. Luhmann, 1989).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
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dieses anhand zentraler Merkmale gefasst sowie abgegrenzt (vgl. Abschnitt 2.1.1). Anschließend werden für die Studie zentrale Formen von Vertrauen differenziert (vgl. Abschnitt 2.1.2) und der Zusammenhang zwischen Vertrauen und Misstrauen diskutiert (vgl. Abschnitt 2.1.3).
2.1.1 Verständnis von Vertrauen: Funktionen, Merkmale und Eingrenzung Vertrauen kann diverse Funktionen respektive erwartete Folgen auf der individuellen sowie auf der Aggregatebene haben, woraus sich die Relevanz für dessen Untersuchung ergibt (Preisendörfer, 1995, S. 269–271). Disziplinund perspektivübergreifend herrscht weitgehend Übereinstimmung, dass es Individuen ermöglicht, mit Unsicherheit und Risiko in sozialem Handeln4 umzugehen (Bierhoff & Petermann, 2017, S. 848; Misztal, 1996, S. 96–99; Nuissl, 2002, S. 100). Dies wird oft mit Luhmann (1989) so beschrieben, dass die Vergabe von Vertrauen „die Komplexität der zukünftigen Welt reduziert“ (S. 20). Vertrauen ist somit nötig, weil „andere Menschen zu jedem beliebigen Zeitpunkt sehr verschiedene Handlungen frei wählen können“ (Luhmann, 1989, S. 23–24; Offe, 2001, S. 250). Im Umgang mit Individuen oder Institutionen befähigt es, sich für eine Handlungsalternative zu entscheiden und das Risiko zu akzeptieren, das sich daraus ergibt, dass man nicht vorhersehen kann, ob ein Gegenüber für einen förderlich handeln oder eine Institution angemessene Leistungen erbringen wird (Bierhoff, 2002, S. 242; Lewis & Weigert, 1985, S. 968–969). So fungiert Vertrauen als „Beruhigungsmittel in sozialen Beziehungen, das es dem Vertrauensgeber ermöglicht, gelassen zu bleiben, trotz der unkontrollierbaren Handlungsfreiheit des Vertrauensnehmers“ (Beckert, 2002, S. 36). Im Aggregat trägt es als „one of the most important synthetic forces within society“ (Simmel, 1950, S. 318) dazu bei, soziale Ordnung und Integration zu generieren und zu erhalten (vgl. auch Misztal, 1996, S. 97). Daraus ergibt sich, dass „trust has consequences in almost every aspect of social life“ (Tsfati & Cappella, 2003, S. 505): Aus ökonomischer Perspektive ist interessant, dass Vertrauen Transaktionskosten reduziert; würde man nicht vertrauen, müsste man beispielsweise
4Gemäß
sozialpsychologischer Handlungstheorien zeichnet sich (soziales) Handeln im Gegensatz zu Verhalten etwa dadurch aus, dass es absichtlich und in einem sozialen Kontext ausgeführt wird (Greve, 2010, S. 303). Ähnlich fasst Max Weber (2002) soziales Handeln als „auf das Handeln anderer Menschen bezogen“ (S. 1). Dem wird hier gefolgt.
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2 Vertrauen
zeitaufwändige Verträge schließen, um sich gegen negative ökonomische Folgen abzusichern, sollte der Vertrauensnehmer nicht kooperieren (Ripperger, 1998, S. 61). Aus psychologischer Sicht erleichtert Vertrauen soziale Beziehungen (etwa zwischen Therapeut und Patient, Bierhoff & Petermann, 2017, S. 847–848; Petermann, 2013, S. 109–120), wobei politologische Überlegungen hervorheben, dass es die Kooperation von Bürgern in politischen Belangen fördert. In der Folge ließen sich Dilemmata kollektiven Handelns5 eher lösen, was politische Regime leistungsfähiger und stabiler machen würde (Putnam, 1993, S. 86–91). Obgleich die theoretischen Zugänge divers sind, lassen sich übergreifende Merkmale prominenter Verständnisse von Vertrauen identifizieren, die perspektivgemäß unterschiedlich hergeleitet oder akzentuiert werden (Hanitzsch et al., 2018, S. 5; Jackob, 2012a, S. 95–102; Levi & Stoker, 2000, S. 476).6 Daraus soll ein Vertrauensverständnis für diese Studie synthetisiert werden. Um die Spezifika hier zentraler Verständnisse nicht zu verkürzen, werden diese bei der Aufarbeitung des Forschungsstandes partiell erneut aufgegriffen. Erstens ist Vertrauen von einem Vertrauenssubjekt an ein Vertrauensobjekt7 gerichtet. Damit ist es relational, da es in sozialen Beziehungen zwischen Individuen oder Individuen und Institutionen auftritt. Die Voraussetzung dafür, dass diese Beziehung längerfristig aufrechterhalten werden kann, ist, dass der Vertrauensnehmer um das entgegengebrachte Vertrauen weiß, was dem Vertrauensgeber wiederum bekannt sein muss (Kohring, 2004, S. 131; Levi & Stoker, 2000, S. 476; Luhmann, 1989, S. 45–46; Wenzel, 2002, S. 72). Vertrauen umfasst dabei meist eine dreistellige Relation, wobei ein Vertrauensgeber dem Vertrauensnehmer in Bezug auf „etwas“ (z. B. Aussage, Handlung, Leistung) vertraut (Hartmann, 2011, S. 82; Levi, 1998, S. 78). Je nach Erkenntnisinteresse wird die Relation entweder aus Sicht des Vertrauensgebers (z. B. Vertrauensgründe), des Vertrauensobjektes (z. B. Versuch, einen vertrauenswürdigen Eindruck zu machen) oder beider Akteure betrachtet
5Ein
prominentes Beispiel ist das „Free Rider-Problem“: Demnach finden Bürger, dass es für die Gemeinschaft am besten ist, wenn alle Steuern zahlen, wobei jeder überlegt, dass man diejenigen mitfinanziert, die sich davor drücken. Vermuten die Bürger also, dass andere keine Steuern zahlen, sind sie auch nicht mehr dazu bereit und sehen das Steuersystem als illegitim (Putnam, 2000, S. 347–349). Folglich „everyone in the group stands to lose, although all know that if they could trust each other they would all be better off“ (Rothstein, 2013, S. 1011–1012). 6Einen Überblick über zentrale Merkmale von Vertrauensdefinitionen geben z. B. Misztal (1996), Neser (2016), Nuissl (2002), Preisendörfer (1995), Strasser & Voswinkel (1997) und Thielmann & Hilbig (2015). 7Üblich sind auch Vertrauensgeber („trustor“) und -nehmer („trustee“, Ripperger, 1998, S. 10).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
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(Frings, 2010, S. 86; Kohring, 2004, S. 132; Luhmann, 1989, S. 4). Da hier Vertrauen in (journalistische) Medien aus Sicht der Rezipienten interessiert, steht ersteres im Fokus. In Abhängigkeit des Vertrauensobjektes lassen sich verschiedene Formen von Vertrauen differenzieren (vgl. Abschnitt 2.1.2). Bezogen auf Individuen spricht man von sozialem (oder interpersonalem, z. B. Rotter, 1967) Vertrauen; Vertrauen kann aber auch auf abstraktere Entitäten wie Organisationen, Institutionen oder Systeme gerichtet sein (Neser, 2016, S. 256), was Merkmal und Erfordernis moderner Gesellschaften ist (Giddens, 1995, S. 107–108; Müller, 2013, S. 53). Ersteres bezieht sich je nach Perspektive darauf, dass Vertrauensnehmer „durch ihr Handeln oder Unterlassen zum Wohlergehen eines einzelnen oder einer Gruppe beitragen, jedenfalls von schädigenden Handlungen absehen“ (Offe, 2001, S. 249). Das kann beinhalten, dass diese aus Sicht des Vertrauensgebers beabsichtigen, angemessenen oder wohlwollend zu handeln (Misztal, 1996, S. 24; Rousseau, Sitkin, Burt & Camerer, 1998, S. 395) oder, dass man sich auf ihre Aussagen verlassen kann (Rotter, 1967, S. 651; Yamagishi, 2011, S. 32). Aus erwartungsnutzentheoretischer Sicht vertraut man darauf, dass ein Gegenüber kooperiert und so eine Vorleistung erwidert, zum Beispiel geliehenes Geld zurückzahlt (Ripperger, 1998, S. 45). Letzteres bezieht sich beispielsweise aus funktional-systemorientierter Perspektive darauf, dass Expertensysteme, wie die Politik, korrekt funktionieren, etwa kollektiv bindende Entscheidungen angemessen im Interesse der Bürger treffen (Giddens, 1995, S. 49). Müller (2013, S. 40) fasst Vertrauen in Institutionen hingegen aus institutionalistischer Sicht als „the belief that the perceived institutional performance conforms to the expectations of the individuals.“ Weil diese Formen assoziiert sind (vgl. auch Mishler & Rose, 1997) und potenzielle Prädiktoren von Medienvertrauen darstellen (vgl. Kapitel 4), werden beide berücksichtigt, obgleich sich Vertrauen in journalistische Medien letzterer Kategorie zurechnen lässt. Zweitens ist Vertrauen auf ein zukünftiges Ereignis gerichtet, von dem sich der Vertrauensgeber abhängig macht, da er dies nur schwerlich (z. B. unter größerem Ressourceneinsatz) selbst herbeiführen kann; das kann eine angemessene zukünftige Handlung eines Individuums oder die korrekte Erbringung einer Leistung durch eine Institution sein. Allerdings kann man bei der Vergabe nicht vorhersehen, wie sehr diesen Erwartungen entsprochen und damit das Vertrauen gerechtfertigt wird und man kann dies durch Verträge nicht vollständig kontrollieren (Hartmann, 2011, S. 56; Misztal, 1996, S. 18–19; Offe, 2001, S. 250; Sztompka, 1999, S. 20–24). Simmel (1983, S. 263) sieht Vertrauen daher als „Hypothese zukünftigen Verhaltens, die sicher genug ist, um praktisches Handeln darauf zu gründen.“ Möllering (2006) interpretiert dies so, dass Vertrauensgeber
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2 Vertrauen
„bracket out irreducible social vulnerability and uncertainty as if they were favourably resolved“ (S. 115) und Luhmann (1989) hält fest: „Wer Vertrauen erweist […] handelt so, als ob er der Zukunft sicher wäre“ (S. 8). Zu vertrauen birgt somit stets ein (doppeltes) Risiko (sich zu irren und geschädigt zu werden), welches der Vertrauensgeber zumindest einmal wahrnehmen und billigen muss. So kann das Gegenüber dem Vertrauensgeber durch sein Handeln schaden, wie geliehenes Geld nicht zurückzahlen, oder eine Institution unzureichende Leistungen erbringen, wie politische Entscheidungen treffen, die nicht den Bedürfnissen der Bürger entsprechen (Giddens, 1995, S. 48; Offe, 2001, S. 249; Patterson, 1999, S. 153). Deutsch (1958, S. 266) geht so weit, dass der Schaden enttäuschten Vertrauens schwerer wiege als die positiven Folgen, wenn sich das Gegenüber vertrauenswürdig verhalte. Das Risiko geht der Vertrauensgeber jedoch erst ein, wenn er vertrauensvoll handelt (Sztompka, 1999, S. 30; Thielmann & Hilbig, 2015, S. 251). Dabei hängt es von Situation und Vertrauensgeber ab, was als „akzeptables Risiko“ (Giddens, 1995, S. 51) empfunden wird. In dieses Abhängigkeitsverhältnis begibt sich der Vertrauensgeber freiwillig; zentral ist, dass (aus dessen Sicht) Entscheidungsoptionen zur Wahl stehen (auch, nicht zu vertrauen), um von Vertrauen auszugehen (Hartmann, 2011, S. 85–99). Weil ein Vertrauensgeber ein Risiko billigt, ist Vertrauen drittens meist nicht unbegründet oder bedingungslos (Levi & Stoker, 2000, S. 476). So fußt Vertrauen gemäß einiger Verständnisse auf der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit des Bezugsobjektes, die generalisierte Erfahrungen erwiderten Vertrauens oder korrekter Erfüllung von Leistungen wiedergibt (Grosser, Hase & Wintterlin, 2019, S. 501; Levi, 1998, S. 78–79; Rose, Mishler & Haerpfer, 1998, S. 153). Dies sei nach Luhmann (1989, S. 26) induktiv, da man auch aus solchen Erfahrungen nicht sicher folgern könne, ob das Vertrauen gerechtfertigt werde (vgl. auch Kohring, 2004, S. 129–130). Überdies gibt es unterschiedliche Sichtweisen dazu, wie bewusst und kalkuliert die Vertrauensvergabe geschieht. Während aus RC-Perspektive Akteure Vertrauen „rational“ in „Übereinstimmung mit Annahmen (Axiomen) einer Entscheidungstheorie“ (Diekmann & Voss, 2004, S. 13) vergeben, wird dies in anderen Disziplinen relativiert und auch von gewohnheitsmäßiger Vergabe ausgegangen.8 Etwa differenziert
8Eine
Gewohnheit lässt sich fassen als kognitive Struktur in Form eines Skriptes (mentales „Drehbuch“, in dem Wissen über Bedingungen, Ablauf und Folgen von Ereignissen gesichert ist, Abelson, 1981, S. 717), die „aufgrund ihrer hohen Verfügbarkeit in regelmäßig auftretenden, alltäglichen Situationen automatisch ausgelöst werden kann [Herv. i. Org.]“ (Schnauber, 2017, S. 62; Koch, 2010, S. 33–45; LaRose, 2010, S. 198).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
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Endreß (2010, S. 94–108) habitualisiertes Vertrauen als Gewohnheitsmodus, das auf wiederholter sozialer Interaktion basiert und damit von „pragmatischer Reflexivität“ (S. 100) ist. Bei thematisch-reflexivem Vertrauen als erwartungsbezogener Modus werde bewusst wahrgenommen, dass man Vertrauen vergibt, wobei Individuen zwischen den Modi wechseln könnten. So ist denkbar, dass die Gründe für Vertrauen in längeren Vertrauensbeziehungen nicht vor jeder Vergabe bewusst wahrgenommen oder artikuliert werden. Vielmehr könnten Individuen die Erfüllung von Erwartungen in Zukunft einfach weiter annehmen, was nicht ausschließt, dass die Gründe als weiterhin vorhanden vorausgesetzt werden (Hartmann, 2011, S. 258; Jakobs, 2018, S. 16). Für diese Studie ist dies jedoch zweitrangig, da nicht die situationale Vergabe interessiert, sondern situationsübergreifende Vertrauensurteile. Zuletzt wird Vertrauen je nach Zugang als kognitiv oder behavioral gefasst (Kohring, 2004, S. 138). Kognitive Verständnisse sehen Vertrauen erstens als Erwartung („expectation“), die umfasst, dass das Gegenüber vertrauenswürdig handeln, also kooperieren oder zu dessen Wohlergehen beitragen wird (Fukuyama, 1995, S. 26; Offe, 2001, S. 249), oder politische Institutionen die Interessen der Bürger erfüllen werden (Easton, 1975, S. 447; Grosskopf, 2008, S. 5). Erwartungsnutzentheoretische Definitionen spezifizieren dabei oft, dass die Vertrauenserwartung aus einer Abwägung von Kosten und Nutzen hervorgeht (Coleman, 2010, S. 125–126; Hardin, 1999, S. 26). Gemäß Gambetta (1988) wird Vertrauen vergeben, wenn „the probability that he will perform an action that is beneficial or at least not detrimental to us is high enough for us to consider engaging in some form of cooperation with him“ (S. 217).9 Zweitens begreifen Autoren Vertrauen umfassender, etwa als Haltung („belief“)10 oder (Form einer) E instellung11
9Wobei
angemerkt wird, dass ein Restrisiko bliebe, um auf Basis dessen zu handeln, was nur Vertrauen kompensieren könne; damit entspräche Vertrauen keiner Kalkulation (Kohring, 2004, S. 119). Zudem werde die Fähigkeit von Individuen zur Kalkulation der Folgen von Handlungsalternativen über- und der Einfluss sozialer Normen und individueller Merkmale unterschätzt (Endreß, 2002, S. 39; Preisendörfer, 1995, S. 269). 10Belief (dt. „Überzeugung“, „Haltung“) meint häufig „cognitive evaluative responses“ (Eagly & Chaiken, 1993, S. 11) oder „hypotheses about the world“ (Perloff, 2010, S. 47) und wird teils als (kognitive) Komponente von Einstellungen gesehen (Perloff, 2010, S. 46–47; Stiff & Mongeau, 2003, S. 12–13). 11Eine Einstellung lässt sich im kleinsten gemeinsamen Nenner als „evaluative tendency“ gegenüber Objekten sehen „that lasts for at least a short time“ (Eagly & Chaiken, 1993, S. 2). Diese können erlernt werden durch (in-)direkte Erfahrungen mit sozialen Objekten (Eagly & Chaiken, 1998, S. 270). Während Autoren teils für ein „tripartite model“
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2 Vertrauen
(Gamson, 1968, S. 49–55; Hartmann, 2011, S. 56; Schweer & Thies, 2003, S. 3; vgl. auch Braun, 2013, S. 40), die sich ebenso auf vertrauenswürdiges Handeln eines Gegenübers (Warren, 1999, S. 311) oder auf erwartungsgemäße Leistungserfüllung einer Institution bezieht (Müller, 2013, S. 40). Gabriel, Kunz, Roßteuscher und van Deth (2002, S. 52) fassen so Vertrauen als „eine auf bestimmte Standards und Erwartungen gestützte positive Orientierung auf Objekte.“ Hartmann (2011, S. 56) versteht Vertrauen umfassend als „relationale, praktisch-rationale Einstellung, die uns in kooperativer Orientierung und bei gleichzeitiger Akzeptanz der durch Vertrauen entstehenden Verletzbarkeiten davon ausgehen lässt, dass ein für uns wichtiges Ereignis oder eine für uns wichtige Handlung in Übereinstimmung mit unseren Wünschen und Absichten eintritt, ohne dass wir das Eintreten oder Ausführen dieses Ereignisses oder dieser Handlung mit Gewissheit vorhersagen oder intentional herbeiführen können und auf eine Weise, dass sich das durch Vertrauen ermöglichte Handeln unter eine Beschreibung bringen lässt, die wesentlich einen Bezug auf das Vorliegen verschiedener Handlungsoptionen enthält [Herv. i. Org.].“
Auf einzelne Einstellungsdimensionen, wie Haltungen oder Emotionen, ließe sich Vertrauen weder reduzieren, noch würde es nur als umfassende Einstellungsdisposition auftreten. So könne eine Überzeugung zwar Basis von Vertrauen sein, allerdings müsse „die Bereitschaft vorhanden sein, diese Gründe handlungsleitend zu machen“ (Hartmann, 2011, S. 169). Diese Gründe könnten implizit bleiben, allerdings wäre es prinzipiell möglich sie zu reflektieren (Hartmann, 2011, S. 86, 168–171). Auch wird Vertrauen in diesem Lager über die Bereitschaft definiert, sich von einem Vertrauensnehmer abhängig oder verletzlich („vulnerable“) zu machen (Misztal, 2011, S. 363).12 Dabei wird häufig einbezogen, dass diese auf Erwartungen gründet, etwa darauf, dass eine Institution Leistungen korrekt erbringt (Hanitzsch et al., 2018, S. 5; Levi & Stoker, 2000, S. 476). Eine prominente Definition liefern dazu Mayer, Davis und Schoorman (1995), die Vertrauen fassen als:
(Rosenberg & Hovland, 1960) plädieren, wobei Einstellungen kognitive, affektive und behaviorale Dimensionen haben, präferieren andere eine zweidimensionale Lösung (Zajonc & Markus, 1982), um Einstellung und Handeln zu differenzieren (Chaiken & Stangor, 1987, S. 577–578). 12Diese Verletzlichkeit ergibt sich nach Misztal (2011) aus der „human condition of dependence on others, in the unpredictability of action and in the irreversibility of human experiences“ (S. 364–365).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
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„the willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other will perform a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or control that other party [Herv. i. Org.]“ (S. 712).
Behaviorale Verständnisse sehen Vertrauen hingegen als (empirisch zu beobachtende) Entscheidung zu einer kooperativen Handlung in dem Sinne, dass Vorleistung erbracht oder die Verantwortung über eine Handlung abgegeben wird (Ripperger, 1998, S. 44–45; Thielmann & Hilbig, 2015, S. 251). Da hier die Wahrnehmung von Rezipienten interessiert, wird kognitiven Verständnissen gefolgt. Zusammenfassend kann Vertrauen erstens als relational und damit als soziale Beziehung betrachtet werden. Zweitens ist es auf die Erfüllung einer Erwartung in der Zukunft gerichtet, wie das Vertrauen rechtfertigende Äußerungen und Handlungen oder die angemessene Erfüllung von (normativen) Leistungen durch Institutionen, wobei ein Vertrauensgeber auf diese angewiesen ist, da er sie nicht oder nur mit erheblichem Einsatz von Ressourcen selbst erbringen kann und sich diesbezüglich freiwillig abhängig von einem Vertrauensnehmer macht. Weil ersterer weder vorhersehen, noch vollständig kontrollieren kann, wie sehr diese Erwartung erfüllt wird, birgt (Handeln auf Basis von) Vertrauen ein Risiko, das der Vertrauensgeber akzeptiert. Drittens kann Vertrauen auf diversen Gründen basieren, sich etwa auf situationsübergreifende vergangene Erfahrungen bezüglich der Erfüllung der Erwartungen (spezifisch für einen oder generalisiert über viele Vertrauensnehmer) stützen (Mishler & Rose, 2001). Überdies wird kognitiven Verständnissen gefolgt, die Vertrauen als praktisch-rationale Einstellung oder Haltung verbunden mit einer Bereitschaft, sich abhängig zu machen sehen; auch da vermutet wird, dass affektive Gründe in Bezug auf Vertrauen in Institutionen zweitrangig sind (Hartmann, 2002, S. 84). Somit wird in dieser Studie Vertrauen wie folgt verstanden (vgl. auch Braun, 2013, S. 40–41; Hanitzsch et al., 2018, S. 5; Hartmann, 2011, S. 56; Jakobs, 2018, S. 10; Kohring, 2004, S. 129–130; Mayer et al., 1995, S. 712): Vertrauen stellt eine relationale Haltung dar, die in einer sozialen Beziehung zwischen einem Vertrauensgeber (Akteur) und einem Vertrauensnehmer (Akteur(e) oder Institution(en)) auftritt. Dabei ist ersterer auf den Vertrauensnehmer angewiesen bezüglich einer für ihn bedeutsamen Äußerung, Handlung oder Leistung, die er nicht ohne weiteres selbst erbringen kann. Der Vertrauensgeber ist freiwillig dazu bereit, sich diesbezüglich vom Vertrauensnehmer abhängig zu machen, basierend auf der (normativen) Erwartung, dass dieser die Äußerung, Handlung oder Leistung angemessen erfüllen wird. Der Vertrauensgeber kann dies weder kontrollieren,
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2 Vertrauen
noch vorhersehen und billigt dennoch das Risiko, dass seinen (normativen) Erwartungen nicht angemessen entsprochen wird. Da sowohl im alltäglichen Sprachgebrauch als auch in der Literatur diverse Begriffe häufig synonym zu Vertrauen verwendet werden, sollen diese zuletzt umrissen werden (vgl. auch Ripperger, 1998, S. 40). Zuversicht („confidence“) teilt ein Individuum, wenn es in einer Situation der Unsicherheit keine Handlungsalternativen wahrnimmt und das Risiko einer Handlung oder Entscheidung damit nicht aktiv sowie freiwillig billigt (Luhmann, 1989, S. 148; Ripperger, 1998, S. 37; Sztompka, 1999, S. 24–25).13 Dies ist allerdings für diese Studie unerheblich, da nicht die situationale Vergabe interessiert. Zutrauen lässt sich fassen als Erwartung bezüglich der Fähigkeiten eines Gegenübers, Leistungen zu erzielen. So könne man in gute Absichten eines Piloten vertrauen, aber nur Zutrauen haben in seine Kompetenz (Ripperger, 1998, S. 39–40).14 Hoffnung geht mit der Wahrnehmung eines Risikos einher, das äußeren Umständen zugeschrieben wird (Ripperger, 1998, S. 38; Wenzel, 2002, S. 71). Analog wird diese in der Emotionspsychologie mit Appraisaltheorien als „bona fide“ Emotion gefasst (Lazarus, 1999, S. 665). Emotionen sind demnach Reaktionen auf kognitive Bewertungen situationaler Stimuli nach diversen Kriterien, die zu Handlungen motivieren (Roseman, 1991, S. 162–166). Hoffnung gilt als positive Emotion ohne starke behaviorale Motivation, die in Reaktion auf eine als unsicher wahrgenommene Situation auftritt (Smith & Ellsworth, 1985, S. 832). Vertrauenswürdigkeit meint ein zugeschriebenes Merkmal potenzieller
13Teilweise
wird argumentiert, dass man in Institutionen oder Systeme nur Zuversicht haben kann, etwa da Vertrauensgeber aus RC-Perspektive kaum kalkulieren könnten, wie sehr es im Interesse von Repräsentanten ist, ihr Vertrauen zu rechtfertigen (Hardin, 1999, S. 24–28) oder trotz wahrgenommener Unsicherheit über die korrekte Funktionserfüllung keine Handlungsalternative existiere oder erwogen werde (Levi, 1998, S. 78; Luhmann, 2001, S. 147–153). Diese Position wird jedoch vielfach kritisch gesehen und daher auch hier nicht vertreten. Argumentiert wird, dass Vertrauensgeber ausreichend über die Prinzipien von Institutionen wissen, um zu vertrauen (Lahno, 2002, S. 357; Müller, 2013, S. 49–51) und sich soziale Entitäten immer verändern, womit stets Handlungsalternativen bestehen (Kohring, 2004, S. 106). Auch nimmt Seligman (1997, S. 19–39) an, dass Vertrauen nötig ist, sofern Rolleninhaber Spielraum in der Erfüllung von Rollenerwartungen haben oder diese konfligieren, was in modernen Gesellschaften üblich ist (vgl. auch Kohring, 2004, S. 108; Offe, 2001, S. 275–279). 14Zum Teil wird in der englischsprachigen Forschung auch dies als „confidence“ bezeichnet (Norris, 2017, S. 19); andere sprechen dabei als Form von Vertrauen (Barber, 1983, S. 9).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
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ertrauensobjekte und umfasst sämtliche „Informationen, die zu einem V bestimmten Grad an Vertrauensbereitschaft führen“ (Kohring, 2001, S. 6).15 Damit ist diese der Vergabe von Vertrauen vorgeordnet und kann etwa umfassen, wie sehr ein Vertrauensnehmer ehrlich ist (Bierhoff & Petermann, 2017, S. 851; Grosser et al., 2019, S. 501–502; Seiffert-Brockmann, 2015, S. 155–156). Wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit kann also ein Grund sein, zu vertrauen (Kohring, 2001, S. 6; Levi & Stoker, 2000, S. 476), muss aber nicht zwingend zu einer Vertrauensbeziehung führen (Jakobs, 2018, S. 12). Nachdem das Vertrauensverständnis umrissen und eingegrenzt wurde, sollen nun für die Studie zentrale Formen von Vertrauen differenziert werden.
2.1.2 Formen von Vertrauen: Soziales und politisches Vertrauen Zentrale Formen des Vertrauens lassen sich anhand von Merkmalen der Vertrauensobjekte identifizieren. So kann sich Vertrauen erstens auf Individuen16 oder Organisationen, Institutionen und Systeme beziehen (Bierhoff & Petermann, 2017, S. 850). Mit ersterem sozialen Vertrauen17 ist solches in horizontalen sozialen Beziehungen zu Mitmenschen gemeint; letzteres entspricht vertikalen sozialen Beziehungen (Schnaudt, 2013, S. 299) und kann sich auf gesellschaftliche Institutionen und deren Repräsentanten beziehen (Bierhoff, 2002, S. 247). Zweitens lässt sich jeweils spezifisches (oder partikulares, personalisiertes, Newton, 2007, S. 344–345; Zmerli, 2013, S. 134) und generalisiertes (oder generelles, Neser, 2016, S. 256) Vertrauen differenzieren. So werden hier sowohl die Ebene der Vertrauensbeziehung (horizontal vs. vertikal) als auch der Grad der Generalisierung über verschiedene Objekte als Dimensionen unterschieden
15In
der Persuasionsforschung wird Vertrauenswürdigkeit als Dimension oder Ursache von Glaubwürdigkeit gesehen (Wirth, 1999, S. 59). Dies ist jedoch kein Widerspruch, da gemäß vorliegendem Verständnis wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit nicht mit Vertrauen gleichzusetzen, sondern diesem vorgeordnet ist (vgl. auch Seiffert-Brockmann, 2015, S. 154–162). 16Dazu wird teils Selbstvertrauen gezählt (Luhmann, 1989, S. 91; Petermann, 2013, S. 106). 17In der politologischen und soziologischen Vertrauensforschung wird dies primär als „soziales Vertrauen“ bezeichnet (Welch et al., 2005; Zmerli, 2013), während in der psychologischen Vertrauensforschung „interpersonales Vertrauen“ dominiert (Rotter, 1967). Beides wird oftmals synonym behandelt (Cappella, 2002; Frings, 2010), so auch hier.
22
2 Vertrauen
(spezifisch vs. generalisiert); dass sämtliche Formen des Vertrauens auf situationsübergreifend generalisierten Erfahrungen gründen können, wird unabhängig davon impliziert. Da im weiteren Verlauf soziales sowie politisches Vertrauen essentiell sind, werden diese Formen besprochen (vgl. Abbildung 2.1). Erstens ist bezüglich sozialen Vertrauens eine Differenzierung in spezifische und generalisierte Formen disziplinübergreifend größtenteils anerkannt und teils empirisch unterfüttert (Freitag & Traunmüller, 2009). Auf der Aggregatebene kann letzteres zur Erklärung politischer Leistung(-sfähigkeit) beitragen, während es auf individueller Ebene kooperatives (politisches) Handeln fördern mag (für einen Überblick vgl. z. B. Nannestad, 2008; Welch et al., 2005). Putnam (2000, S. 136–137) sieht diese als „thick“ und „thin trust“ als Enden eines Generalisierungskontinuums sozialen Vertrauens (vgl. auch Offe & Fuchs, 2002, S. 191). Spezifisches soziales Vertrauen bezieht sich entsprechend auf ein konkretes Individuum, mit dem der Vertrauensgeber meist in einer längerfristigen sozialen Beziehung steht. Es ist damit vor allem auf Vertrauensobjekte aus dem sozialen Umfeld beschränkt (geringe soziale Reichweite), die man persönlich kennt (z. B. Familie, Freunde, Mitglieder kleinerer sozialer Gruppen) oder über die man zumindest spezifische Informationen hat. Es baut daher auf überwiegend direkten vertrauensrelevanten Erfahrungen mit diesen auf (Botzen, 2015, S. 315– 316; Uslaner, 2008, S. 104; Zmerli, 2013, S. 133–134). Auch kann sich Vertrauen in unbekannte Gegenüber darauf gründen, dass diese einer sozialen Kategorie zugeordnet werden, deren Mitglieder man als vertrauenswürdig einschätzt (Stolle, 2002, S. 401–402).18 Das Verständnis generalisierten sozialen Vertrauens wurde maßgeblich von den Ausführungen Rotters (1967) geprägt (Neser, 2016, S. 256). Damit ist Vertrauen gegenüber Mitmenschen jenseits des persönlichen Umfelds gemeint (hohe soziale Reichweite), das größtenteils unabhängig von individuellen oder situationalen Merkmalen ist (Matthes, 2013, S. 26–27). So wird generalisiertes soziales Vertrauen auch als „standing decision“ (Rahn & Transue, 1998, S. 545) oder „abstract attitude“ (Freitag & Bauer, 2013, S. 26) gegenüber Mitmenschen bezeichnet, mit denen man (noch) keine (in-)direkten Erfahrungen hat
18Auch
finden sich in der Literatur feinere Abstufungen, die sich aus Kriterien ergeben, auf die sich Individuen bei der Vergabe stützen. So basiere spezifisches soziales Vertrauen zu Beginn einer sozialen Beziehung eher auf der Einschätzung der Interessen des Gegenübers („calculus-based trust“), was von vertrauensspezifischen Erfahrungen abgelöst werde („relational trust“, für einen Überblick vgl. z. B. Rousseau, Sitkin, Burt & Camerer, 1998).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
23
(z. B. Mitbürger einer Stadt, nationale Gemeinschaft). Es basiert je nach Perspektive auf verallgemeinerten Erfahrungen mit diversen Vertrauensnehmern oder Informationen diesbezüglich (Newton, 2007, S. 344–345).19 Wie spezifisches soziales Vertrauen mit generalisiertem sozialen Vertrauen zusammenhängt, ist nicht abschließend geklärt (Zmerli, 2013, S. 134). Einerseits werden diese als unabhängig oder gar in einem Spannungsverhältnis gesehen, sodass Personen mit hohem spezifischen geringes generalisiertes soziales Vertrauen haben (Stolle, 2002, S. 404–407). Andererseits lässt sich bereits empirisch belegen, dass aus spezifischen Vertrauensbeziehungen generalisiertes soziales Vertrauen hervorgehen kann (Freitag & Traunmüller, 2009; Glanville & Paxton, 2007), allerdings nicht notwendigerweise muss (Zmerli, 2013, S. 134). Zweitens befasst sich mit politischem Vertrauen überwiegend die politologische Vertrauensforschung (vgl. aber Bendig & Bierhoff, 2003), der gemäß des Forschungsvorhabens gefolgt wird.20 In Demokratien ist es essentiell, da es dazu beiträgt, die politische Ordnung stabil zu halten sowie politische Legitimität fördern kann (Schaal, 2007, S. 245–246). Politisches Vertrauen lässt sich dadurch charakterisieren, dass es sich auf politische Objekte bezieht (van der Meer & Zmerli, 2017, S. 4). Zumeist umfasst dies Vertrauen in staatliche Institutionen und gegebenenfalls politische Akteure21 (Citrin & Luks, 2001; Hetherington, 2005; Newton, 2008; Norris, 2017; Walter-Rogg, 2005; vgl. auch Braun, 2013, S. 45). Politische Institutionen liegen analytisch zwischen dem politischem Regime und politischen Akteuren und „link overarching democratic principles to everyday actors and policies“ (van der Meer & Zmerli, 2017, S. 4). Als sozialwissenschaftlicher Schlüsselbegriff sind Institutionen je nach Disziplin und
19Uslaner
(2013, S. 631) differenziert weiter „moralistic trust“ als Basis generalisierten sozialen Vertrauens (Uslaner, 2002, S. 27). Dieses fasst er als „belief that others share your fundamental moral values and therefore should be treated as you would wish to be treated by them“ (Uslaner, 2008, S. 103); so meint es die normative Haltung, andere so zu behandeln, als wären sie vertrauenswürdig (Uslaner, 2008, S. 103). 20Überlegungen zu Vertrauen in soziale Systeme (Giddens, 1995; Luhmann, 1989) werden nur insofern angeschnitten, wie sie in Verständnissen zu Vertrauen in Journalismus verankert sind (vgl. Abschnitt 3.2). 21Analog wird rollenbasiertes Vertrauen differenziert, das darauf fußt, dass Rollenerwartungen angemessen erfüllt werden (Kramer, 1999, S. 578). Vertrauen in nichtstaatliche Institutionen umfasst Vertrauen in Unternehmen oder journalistische Medien (Mishler & Rose, 1997, S. 448; Rothstein & Stolle, 2008a, S. 285; vgl. auch Braun, 2013, S. 45).
24
2 Vertrauen
Perspektive divers definiert (Donges, 2013, S. 88). Prominent sind Überlegungen des Neo-Institutionalismus (DiMaggio & Powell, 1991; March & Olsen, 1984; Zucker, 1987) oder die (institutionenökonomische) Arbeit von North (1990) (Donges, 2006, S. 563).22 Dazu existieren Arbeiten, die ansatzübergreifend Kernmerkmale herausarbeiten (Peters, 2007; Scott, 2014). (Politische) Institutionen zeichnet nach Peters (2007, S. 18) aus, dass sie „a structural feature of the society and/or policy“ sind und so „involve groups of individuals in some sort of patterned interactions that are predictable.“ Als solche sind politische Institutionen relativ stabil, beeinflussen Repräsentanten in ihrem Handeln und können formell (z. B. korporativ wie die Regierung,23 regulativ wie ein rechtlicher Rahmen) oder informell sein (z. B. soziales Netzwerk, normativ wie soziale Normen), wobei in der politologischen Forschung der Fokus auf ersteren liegt (Hug, 2007, S. 121; Peters, 2007, S. 18–19; Scott, 2014, S. 56–57). Formelle, korporative politische Institutionen lassen sich demnach fassen als „Regelsysteme der Herstellung und Durchführung allgemeinverbindlicher Entscheidungen oder zumindest Entscheidungsgrundlagen [Herv. i. Org.]“ (Göhler, 1988, S. 17); diese erfüllen also primär die Funktion, Interessen der Bürger in kollektiv bindende Entscheidungen umzuwandeln. Politische Akteure treffen Entscheidungen in diesem Rahmen (Göhler, 1990, S. 12); deswegen sind sie „in ihrer Funktion zwar überpersönlich, realiter aber zumeist Organisationen; sie sind durch das Verhalten angebbarer Personen bestimmt“ (Göhler, 1988, S. 17). Um diese als Objekte politischer Unterstützung zu sehen, ist nach Easton (1975, S. 439) von Bedeutung, dass Bürger „associate satisfaction and dissatisfaction with the perceived behavior of these authorities“, also diesen politische Leistungen zurechnen. Prominent werden Institutionen differenziert, die repräsentativ politische Entscheidungen fällen (z. B. Regierung) und solche, die diese implementieren (z. B. Gerichte) (Braun, 2013, S. 49; Rothstein & Stolle, 2008a, S. 284–286; Walter-Rogg, 2005, S. 139). Aufgrund dieser
22Daneben existieren weitere Stränge wie der diskursive Neo-Institutionalismus, der Veränderungen institutioneller Strukturen durch Deliberation in Diskursen über Ideen (z. B. Normen) zu erklären versucht. Vertreter gehen davon aus, dass Institutionen äußere sowie verinnerlichte Strukturen darstellen, die Handeln einschränken, wobei Individuen kritisch über institutionelle Regeln diskutieren und diese so verändern können (Schmidt, 2008, S. 313–321). 23Bei North (1990, S. 5) sind diese Organisationen, die nach institutionellen Regeln agieren.
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
25
verbundenen Leistungen wird vielfach angenommen, dass das Vertrauen in diese positiv zusammenhängt, was sich länderübergreifend zeigt (Fuchs, Gabriel & Völkl, 2002; Walter-Rogg, 2005); daher wird dieser Differenzierung hier gefolgt. Allerdings ist strittig, ob beiden Formen eine latente Dimension unterliegt (Marien, 2017; Zmerli & Newton, 2011) oder jeweils distinkte Faktoren (Rothstein & Stolle, 2008b). Da es hier Ziel ist, Erklärungen zu Einflüssen auf politisches Vertrauen für die Analyse von Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien nutzbar zu machen, soll dieses breite Begriffsverständnis politischer Institutionen genügen. Zur Definition politischen Vertrauens wird häufig auf Überlegungen Eastons (1975) zu politischer Unterstützung zurückgegriffen (van der Meer & Zmerli, 2017, S. 4).24 Gemäß Easton (1975, S. 447) vertrauen Bürger darauf, dass „their own interests would be attended to even if the authorities were exposed to little supervision or scrutiny“ (vgl. auch Gamson, 1968, S. 54). Miller und Listhaug (1990, S. 358) halten allgemeiner fest, dass politisches Vertrauen „reflects evaluations of whether or not political authorities and institutions are performing in accordance with the normative expectations held by the public“ (vgl. auch Norris, 2017, S. 24). Weil das Vertrauensverständnis dieser Studie bereits diskutiert wurde, soll somit der Verweis genügen, dass sich politisches Vertrauen im Kern auf die Erwartung bezieht, dass Interessen der Bürger in kollektiv bindende Entscheidungen umgesetzt werden (Bierhoff, 2002, S. 242). So ist politisches Vertrauen von wahrgenommenen, vergangenen Leistungen politischer Institutionen abhängig (Schaal, 2007, S. 246). Dafür hat sich der Begriff der politischen Performanz (engl. „performance“) etabliert. Dieser hat eine deskriptive und eine evaluative Komponente „und steht für das Handeln politischer Akteure sowie die Evaluation dieses Handelns und seiner Ergebnisse“ (Roller, 2007, S. 227). Um den Grad der politischen Performanz zu eruieren sind normative Kriterien nötig, anhand derer die tatsächlichen Leistungen politischer Objekte mit normativ erwarteten Leistungen oder Funktionen verglichen wird (z. B. innere Sicherheit, Fähigkeit zu effektivem Umgang mit Ressourcen seitens politischer Akteure, Roller, 2007, S. 227–229). Empirisch wird politische Performanz zum einen im Aggregat anhand objektiver Kriterien (z. B.
24Dabei
ist politische Unterstützung nicht äquivalent zu politischem Vertrauen. So können Bürger einem politischen Akteur vertrauen, ihn aber nicht wählen, da dessen Positionen den eigenen widersprechen (Norris, 2017, S. 20).
26
2 Vertrauen
orruptionsindex), zum anderen aus Sicht der Bürger nach „NutzengesichtsK punkten“ (Gabriel, 1994, S. 33) ermittelt (z. B. wahrgenommene Korruption, Campbell, 2004; Putnam, Leonardi, Nanetti & Pavoncello, 1983). Überdies steht mehrheitlich generalisiertes politisches Vertrauen im Fokus (Braun, 2013, S. 42; Grosskopf, 2008, S. 4–5; Mishler & Rose, 1997, S. 430).25 Auch wird vereinzelt Vertrauen in spezifische politische Akteure (z. B. lokaler Bürgermeister) und generalisiertes Vertrauen in die Klasse der politischen Akteure sowie in politische Institutionen differenziert (Bierhoff, 2002, S. 245; Walter-Rogg, 2005, S. 136–137).26 Analog basiert generalisiertes politisches Vertrauen vor allem auf indirekten Erfahrungen mit deren Leistungen, vermittelt durch Medien oder andere Individuen (Bierhoff, 2002, S. 246; Braun, 2013, S. 45; Newton, 1999, S. 179). Dabei zeigt sich auch, dass generalisiertes Vertrauen in die Politiker auf die Bewertung von und Vertrauen in aktuelle politische Amtsträger ausstrahlt und umgekehrt; gleiches gilt für generalisiertes Vertrauen in politische Akteure und generalisiertes politisches Institutionenvertrauen (Walter, 2000; Walter-Rogg, 2005).27 Da hier allgemeine Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien interessieren und in der Literatur überdies dessen Zusammenhang mit generalisiertem politischen Vertrauen überwiegend behandelt wird (Ariely, 2015; Lee, 2010), wird diese Form hier fokussiert. Gleiches gilt für generalisiertes soziales Vertrauen, das als Korrelat generalisierten politischen Vertrauens im Zentrum steht (Putnam, 1993). Nachdem für die Studie zentrale Formen von Vertrauen geklärt sind, wird der Zusammenhang zwischen Vertrauen und Misstrauen sowie skeptischen und zynischen Haltungen gegenüber politischen Objekten eruiert.
25An
anderer Stelle wird argumentiert, dass sich Vertrauen in abstrakte Entitäten auf die Erwartungen richtet, die die (korrekte) Funktionserfüllung betrifft und damit stets spezifisch sei (Kohring, 2004, S. 120; vgl. auch Barber, 1983, S. 16–17). Hier wird einzig für die Unterscheidung spezifischen und generalisierten Vertrauens anderen Kriterien gefolgt. 26Zwar hängt generalisiertes Vertrauen in politische Institutionen und Akteure positiv zusammen (Walter-Rogg, 2005, S. 175); jedoch lässt sich vermuten, dass Bürger dies differenzieren, da das Vertrauen, dass „ihre Bestimmungen für die Regelung von Konflikten tatsächlich angemessen und erfolgversprechend sind“ (Göhler, 2002, S. 227) Voraussetzung dafür ist, auf deren korrekte Umsetzung durch Politiker zu vertrauen (Braun, 2013, S. 49). 27Stellenweise wird auch spezifisches Vertrauen in Organisationen (z. B. Krankenhäuser) angeführt, was primär auf direkten Erfahrungen basiert (Grünberg, 2014, S. 225–226, 255; Haselhoff, 2010, S. 81). In Anlehnung daran könnte sich spezifisches politisches Vertrauen auch auf spezifische Institutionen beziehen, mit denen Individuen im direkten Kontakt stehen (z. B. lokale Behörde; vgl. auch Freitag & Traunmüller, 2009, S. 789–791).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
27
Vertrauen Institutionen
Soziale Gruppen Individuen
Soziales Vertrauen
Spezifisches soziales Vertrauen
Repräsentanten
Politisches Vertrauen Generalisiertes soziales Vertrauen
Spezifisches politisches Vertrauen
Generalisiertes politisches Vertrauen
z.B. in soziale Gruppen geringer Reichweite
z.B. in „die Mitbürger“, soziale Gruppen hoher Reichweite
z.B. in lokale Behörde
z.B. in repräsentative Institutionen
z.B. in Eltern, Freundin
z.B. in fremde Person
z.B. in Bürgermeister der eigenen Stadt
z.B. in „die Politiker“
Abbildung 2.1 Formen sozialen und politischen Vertrauens. (Anmerkungen. Eigene Darstellung, grau hinterlegt = in dieser Studie nicht berücksichtigt, ↔ = (potenzieller) Zusammenhang, ↑ = Ebene der Bezugsobjekte)
2.1.3 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen Misstrauen lässt sich lediglich gekoppelt an das Verständnis von Vertrauen fassen, wobei der Zusammenhang kontrovers diskutiert wird (Schoorman, Mayer & Davis, 2007, S. 349). Misstrauen kann sich wie Vertrauen auf spezifische Objekte beziehen oder über verschiedene generalisiert sein, wobei beide Formen nicht assoziiert sein müssen (Lenard, 2012, S. 56–57). So könnte man der Regierung misstrauen, jedoch großes Vertrauen in einen spezifischen Politiker haben. Einerseits wird besonders in den Anfängen der Vertrauensforschung argumentiert (Neser, 2016, S. 258), dass die Angabe von Individuen, kein Vertrauen in ein Objekt zu haben, mit Misstrauen gleichzusetzen ist (Gambetta, 1988, S. 217– 218; Rotter, 1971, S. 445; Schoorman et al., 2007, S. 350) und beide so auf einer Dimension liegen (vgl. Abbildung 2.2). Demnach erhöhen Erfahrungen, die Vertrauen senken, das Misstrauen und umgekehrt.
kein Vertrauen
sehr großes Vertrauen
0 sehr großes Misstrauen
1 kein Misstrauen
Abbildung 2.2 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen (eindimensional, unipolar). (Anmerkungen. Eigene Darstellung (vgl. auch Grünberg, 2014, S. 50–51; Romano, 2003, S. 32))
28
2 Vertrauen
Andererseits wird Misstrauen als funktionales Äquivalent zu Vertrauen verstanden (Barber, 1983, S. 21–23; Kohring, 2008, S. 613; Lewicki, Tomlinson & Gillespie, 2006, S. 1002–1005; Luhmann, 1989, S. 78), da beide Mechanismen seien, „mit dem Problem eines wahrgenommenen Risikos umzugehen“ (Kohring, 2008, S. 613); Miss- und Vertrauen stellen somit zwei Dimensionen dar. Demnach basiert Misstrauen auf einer aktiv negativen Erwartungshaltung etwa für den Vertrauensgeber schädlicher Handlungen oder Leistungen durch andere oder Institutionen, was wiederum auf entsprechenden Erfahrungen fußen kann (Deutsch, 1958, S. 267; Giddens, 1995, S. 126–127; Hardin, 2002, S. 89).28 Einem Gegenüber oder einer Institution nicht zu vertrauen heißt somit nicht automatisch, dass man diesem oder dieser misstraut und vice versa (Hartmann, 2011, S. 57). Das bedeutet, dass Misstrauen seinerseits Komplexität reduziert, weil man auf Basis der negativen Erwartungshaltung handeln kann (Lewis & Weigert, 1985, S. 969). Allerdings fördert es Versuche, das Handeln des Gegenübers zu kontrollieren, sich abzusichern oder eine Vertrauensbeziehung zu vermeiden (Kohring, 2008, S. 616), was einen höheren Einsatz von Ressourcen (z. B. Zeit) verlangt (Jakobs, 2018, S. 12). Dazu wird spezifiziert, dass man in einer Vertrauensbeziehung einem Vertrauensobjekt zugleich misstrauen und vertrauen könne, zum Beispiel bezogen auf verschiedene Bereiche (Lewicki, McAllister & Bies, 1998, S. 439; Lewicki et al., 2006, S. 1002–1005; Zand, 2016, S. 70; vgl. Abbildung 2.3). So könnte man einem Journalisten vertrauen, kritisch über politische Akteure zu berichten, diesem jedoch misstrauen bezüglich zu wohlwollender Berichte über Anzeigenkunden. Zum Teil wird Misstrauen und Vertrauen auch pro Vertrauensobjekt (oder Bereich) als bipolares Kontinuum gesehen (Levi & Stoker, 2000, S. 476; Romano, 2003, S. 25–32; vgl. Abbildung 2.4). Was der Nullpunkt bedeutet, ist allerdings strittig: Nach Romano (2003, S. 37) ist dies eine ambivalente Haltung, nach Hartmann (2011, S. 58) wäre dies Gleichgültigkeit, da man nicht vertraut, wenn man einen Vertrauensnehmer meidet oder wenn man nicht verletzbar ist, obgleich man sich abhängig macht.
28Dafür
spricht auch, dass bei Vertrauen und Misstrauen unterschiedliche Gehirnareale aktiv sind: Bei der Vergabe von Vertrauen sind dies Bereiche, die mit Unsicherheit und Belohnung zusammenhängen, bei Misstrauen solche, die mit der Emotion Angst verbunden sind (Dimoka, 2010; Krueger et al., 2007).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
29
kein Vertrauen
sehr großes Vertrauen
0
1
1
0
sehr großes Misstrauen
kein Misstrauen
Abbildung 2.3 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen (zweidimensional, je unipolar)
sehr großes Misstrauen
0
-1
sehr großes Vertrauen 1
kein Vertrauen
Abbildung 2.4 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen (zweidimensional, bipolar). (Anmerkungen. Eigene Darstellungen (vgl. auch Grünberg, 2014, S. 50–51; Romano, 2003, S. 32))
Ungeachtet der Spezifizierungen haben letztere Verständnisse für das methodische Vorgehen zur Folge, dass Misstrauen gesondert oder mittels bipolarer Skalen zu erheben ist. Zudem ist zu klären, ob positive Einflüsse auf Vertrauen negativ mit Misstrauen assoziiert sind oder andere Kriterien herangezogen werden (Neser, 2016, S. 258; Schweer & Thies, 1999, S. 14). Bezüglich politischer Vertrauensobjekte finden sich in der Literatur beide Verständnisse.29 So wird in einigen Studien (implizit) kein Vertrauen mit Misstrauen gleichgesetzt (Newton, 2001; Schyns & Koop, 2010), während andere explizit von zwei Dimensionen ausgehen (Levi & Stoker, 2000; Mishler & Rose, 1997;
29Für
generalisiertes soziales Vertrauen dominiert empirisch eine Bipolarität, da die prominente Skala von Rosenberg (1957) explizit Misstrauen gegenüber „den meisten anderen“ erfasst.
30
2 Vertrauen
van der Meer & Zmerli, 2017).30 Als Gründe für politisches Misstrauen wird etwa eine als unangemessen bewertete politische Performanz angeführt, zum Beispiel indiziert durch hohe Korruption (Hart, 1978, S. xi; vgl. auch Barber, 1983, S. 72–74). Empirisch wird es meist mit unipolaren Skalen politischen Vertrauens erhoben (Lühiste, 2006; Schyns & Koop, 2010; Theiss-Morse, Barton & Wagner, 2015). Bipolare Skalen finden selten Einsatz (Cook & Gronke, 2005; Mishler & Rose, 1997), was teils als undifferenziert kritisiert wird (van der Meer, 2017, S. 7). Cook und Gronke (2005, S. 789) zeigen dazu, dass die unipolare Messung von politischem Vertrauen zwar mit einer bipolaren Messung moderat korreliert. Allerdings geben auf der unipolaren Skala sowohl Personen niedrige Vertrauenswerte an, die sich auf letzterer Skala als misstrauisch sehen, als auch solche, die sich bei fehlendem Vertrauen einordnen. Somit scheint es sinnvoll, empirisch fehlendes Vertrauen nicht per se mit Misstrauen gleichzusetzen. In dieser Studie wird damit der Vorstellung einer funktionalen Äquivalenz von Misstrauen und Vertrauen gefolgt; Misstrauen soll allerdings nicht erhoben werden. Im Zuge dessen sollen zuletzt die Begriffe der politischen Skepsis („skepticism“) und des Zynismus („cynicism“) abgegrenzt werden, bezüglich derer in der Literatur ebenfalls Uneinigkeit besteht. So wird argumentiert, dass fehlendes politisches Vertrauen mit politischer Skepsis assoziiert sein kann oder diese reflektiert (Cook & Gronke, 2005, S. 785; van der Meer & Zmerli, 2017, S. 5). Definiert wird letztere häufig als „attitude to suspend judgment awaiting additional information“ (van der Meer, 2017, S. 6; Cappella, 2002, S. 232; Mishler & Rose, 1997, S. 424; Norris, 2011, S. 19) und damit als „unwillingness to presume that political authorities should be given the benefit of the doubt“ (Cook & Gronke, 2005, S. 785). So teilen politikbezogen skeptische Individuen eine kritische wie abwägende, aber ergebnisoffene Haltung zu politischen Objekten (Pinkleton, Austin, Yushu, Willoughby & Reiser, 2012, S. 26; van der
30Darüber
hinaus stößt man in der englischsprachigen Literatur auf (political) distrust und mistrust (dt. „Misstrauen“). Beide werden sowohl in der Konnotation des Misstrauens, als auch des fehlenden Vertrauens in politische Objekte (synonym) verwendet (Hetherington & Husser, 2012; Lee, 2010). Versuche, diese inhaltlich zu trennen stimmen weitgehend überein, dass „distrust“ (sehr großes) Misstrauen meint (Lenard, 2012, S. 56–59). „Mistrust“ wird etwa als Indiz für fehlendes Vertrauen verstanden (van der Meer & Zmerli, 2017, S. 5) oder, darauf basierend, als unentschlossene (Cook & Gronke, 2005, S. 800) sowie skeptische Haltung (van der Meer, 2017, S. 6).
2.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen
31
Meer & Zmerli, 2017, S. 5). Folglich neigten sie eher dazu, vertrauensrelevante politische Informationen kritisch zu hinterfragen oder politisch zu partizipieren (Cappella & Jamieson, 1997, S. 25–26), was als förderlich für die Demokratie bewertet wird (Norris, 2011, S. 19). Was man unter politischem Zynismus versteht, ist hingegen kontroverser. Teilweise wird dieser zum einen mit „a lack of confidence in and a feeling of distrust“ (Pinkleton et al., 2012, S. 25; Erber & Lau, 1990, S. 236) in politische Objekte gleichgesetzt. Zum anderen wird angenommen, dass politischer Zynismus mit generalisiertem politischen Misstrauen assoziiert ist, jedoch diesem nicht entspricht (de Vreese, 2005, S. 286; van der Meer & Zmerli, 2017, S. 5; Warren, 2017, S. 35). So wird politischer Zynismus definiert als „an individual’s attitude, consisting of a conviction of the incompetence and immorality of politicians, political institutions and / or the political system as a whole“ (Schyns & Nuus, 2007, S. 97). Ähnlich fassen van der Meer und Zmerli (2017, S. 5) diesen als pauschale Überzeugung (ungeachtet der Hinweise dafür oder dagegen), die „reflects a negative evaluation of the nature of the political process and its actors, who are considered to be inherently incompetent and to lack an intrinsic care for the public good“ (vgl. auch Citrin & Stoker, 2018, S. 50). Analog wird politischer Zynismus auch in einigen Studien operationalisiert (Agger, Goldstein & Pearl, 1961; Craig, Niemi & Silver, 1990; Pinkleton & Austin, 2001, 2002, 2004) und erweist sich als distinkt zu politischem Vertrauen (Pattyn, van Hiel, Dhont & Onraet, 2012). Als Einfluss auf politischen Zynismus wurde lange negative, zynische politische Berichterstattung fokussiert (vgl. auch Abschnitt 4.5.3; vgl. aber Pattyn et al., 2012; Van Assche, Dhont, van Hiel & Roets, 2018), was partiell als vereinfachend kritisiert wird (Pinkleton & Austin, 2001, S. 321). Daneben wird politischer Zynismus als potenziell schädlich für die Demokratie gesehen, da politisch zynische Bürger pauschal davon ausgingen, dass politische Objekte schädliche Leistungen erbringen und so Erfahrungen mit politischer Performanz eher im Sinne ihrer Haltung deuten und sich von politischen Belangen zurückziehen könnten (Cappella & Jamieson, 1997, S. 19–26, 141; Lenard, 2012, S. 59; Pinkleton et al., 2012, S. 26). So kann fehlendes politisches Vertrauen mit politischer Skepsis assoziiert sein, was einer kritisch-abwägenden, aber ergebnisoffenen Haltung gegenüber (den Leistungen von) politischen Objekten entspricht. Politischer Zynismus kann mit politischem Misstrauen verbunden sein und gibt die Haltung wieder, dass der politische Prozess und damit auch politische Performanz pauschal als schädlich denn förderlich für das Gemeinwohl zu bewerten ist, politische Akteure inkompetent sind sowie nur eigene Interessen vertreten. Nachdem für die Studie zentrale Begriffe bestimmt wurden, werden Erklärungen zu Einflüssen auf Vertrauen referiert.
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2 Vertrauen
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen Da für diese Studie Einflüsse auf Vertrauen in Institutionen im Zentrum stehen und generalisiertes soziales Vertrauen unter anderem als dessen Determinante gilt, sind beide Formen von Interesse. Dabei wird der Auffassung gefolgt, dass „empirically, social and political trust may or may not be correlated, but theoretically, they must be kept distinct“ (Putnam, 2000, S. 137). Erstens wird expliziert, wie sich Einflüsse auf generalisiertes soziales Vertrauen aus psychologischer Sicht explizieren lassen (vgl. Abschnitt 2.2.1), da gerade (lerntheoretische) (sozial-)psychologische Erklärungen (Rotter, 1967) auch in der soziologischen und politologischen Vertrauensforschung Anklang finden (Mishler & Rose, 1997, S. 433; vgl. auch Hardin, 2002; Luhmann, 1989). Zweitens interessieren Erklärungen zu (wahrgenommenen) Einflüssen auf Vertrauen in Institutionen, die besonders in der politologischen Vertrauensforschung betrachtet werden (Campbell, 2004, S. 402; Mishler & Rose, 1997, S. 433–437) und vereinzelt bereits für die Untersuchung von Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien genutzt wurden (Hanitzsch et al., 2018; Tsfati & Ariely, 2014). Aus kulturalistischer Perspektive lernen Individuen in der Sozialisation, wie sehr man anderen vertrauen kann und projizieren dies auf politische Institutionen (vgl. Abschnitt 2.2.2). Je eher Individuen schätzen, dass Institutionen performanzbezogene Erwartungen erfüllen werden, desto mehr vertrauen sie diesen aus institutionalistischer Sicht (vgl. Abschnitt 2.2.3). Auch existieren integrative Erklärungen, die beide Perspektiven verbinden (vgl. Abschnitt 2.2.4).
2.2.1 Psychologische Erklärungen generalisierten sozialen Vertrauens In der psychologischen Vertrauensforschung lassen sich verschiedene Forschungsstränge identifizieren, die die Entstehung von sozialem Vertrauen erklären. Ein früher Strang fokussiert die situationale Vergabe von spezifischem sozialen Vertrauen aus behavioraler Perspektive (Deutsch, 1958). Ein weiterer stellt die Entwicklung von generalisiertem sozialen Vertrauen (im Sinne einer Disposition) in der Sozialisation aus lerntheoretischer Perspektive ins Zentrum (Erikson, 1966; Rotter, 1967). Seit Ende der 1980er Jahre sind überdies zahlreiche Studien zu Einflüssen auf die (situationale) Vergabe von spezifischem
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
33
sozialen Vertrauen (Mayer et al., 1995; Schweer, 1997b)31 sowie zum Aufbau und Bruch von Vertrauensbeziehungen entstanden (Kramer & Lewicki, 2010; Osterloh & Weibel, 2006), die meist den Einfluss generalisierten sozialen Vertrauens berücksichtigen (für einen Überblick vgl. z. B. Thielmann & Hilbig, 2015). Da hier situationsübergreifendes, generalisiertes soziales Vertrauen interessiert, wird der zweite Strang fokussiert. Zuvor sollen dessen neurobiologische Grundlagen erwähnt werden, die seit kurzem erhöhte Aufmerksamkeit erfahren (für einen Überblick vgl. z. B. Petermann, 2013, S. 57–68). Erstens weisen Zwillingsstudien auf eine genetische Komponente des generalisierten sozialen Vertrauens hin, was bedeutet, dass dieses zu einem gewissen Teil vererbbar wäre (Oskarsson, Dawes, Johannesson & Magnusson, 2012; Sturgis et al., 2010). Auch finden etwa Oskarsson et al. (2012), dass unter anderem soziale Intelligenz positiv mit generalisiertem sozialen Vertrauen assoziiert ist (vgl. auch Yamagishi, 2011, S. 135–137), was ein gemeinsamer genetischer Faktor zu prägen scheint. Die neurobiologische Forschung findet zweitens, dass spezifisches soziales Vertrauen hormonell beeinflussbar ist. In einer Pionierstudie waren Individuen, die intranasal das Peptidhormon Oxytocin erhielten, eher bereit, mit anderen zu kooperieren (Kosfeld, Heinrichs, Zak, Fischbacher & Fehr, 2005). Dies lässt sich damit begründen, dass Oxytocin auf Gehirnregionen einwirkt, die für die Verarbeitung von Angst und die Anpassung an Feedback zuständig sind, was die soziale Risikobereitschaft fördert (Baumgartner, Heinrichs, Vonlanthen, Fischbacher & Fehr, 2008; Klackl, Pfundmair, Agroskin & Jonas, 2013). Testosteron erweist sich hingegen als hemmend diesbezüglich, scheint also soziale Vigilanz zu erhöhen (Bos, Terburg & van Honk, 2010). Einschränkend gelten diese Zusammenhänge metaanalytisch noch als wenig robust (Nave, Camerer & McCullough, 2015). So existieren zumindest Hinweise, dass generalisiertes soziales Vertrauen partiell eine genetische Grundlage hat und die situationale Vergabe auch hormonell bedingt ist. Für diese Studie ist das insofern von Interesse, als dass generalisiertes soziales Vertrauen wohl nicht gänzlich durch frühkindliche sowie lebenslange Sozialisation geprägt ist.
31Ein
prominentestes Modell liefern Mayer et al. (1995), das bereits auf Vertrauen in Organisationen durch Mitglieder (Oswald, 2010) und in Journalismus (Blöbaum, 2016) übertragen wurde.
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2 Vertrauen
Erkenntnisse zur Entstehung von sozialem Vertrauen im Kindes- und Jugendalter liefert zum Beispiel die Entwicklungspsychologie. Einen der ersten Beiträge stellt die psychoanalytische Konzeptualisierung des Urvertrauens („basic trust“) durch Erikson (1966) dar. Urvertrauen sieht er als erste Stufe psychosozialer Entwicklung als „Einstellung zu sich selbst und zur Welt“ als „ein Gefühl des Sich-Verlassen-Dürfens […], und zwar in bezug auf die Glaubwürdigkeit anderer und die Zuverlässigkeit seiner selbst“ (Erikson, 1966, S. 15). Säuglinge gewinnen demgemäß innerhalb des ersten Lebensjahres Urvertrauen, wenn sie erleben, dass ihre Bezugsperson (z. B. Mutter, Erzieher) ihre Grundbedürfnisse (z. B. Nahrung, Schutz) verlässlich erfüllt (Erikson, 1966, S. 15–20). Dessen kognitive Verarbeitung kann wiederum Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Persönlichkeit haben (Datler & Wininger, 2014, S. 371). Trotz diverser Kritikpunkte, wie mangelnde empirische Unterfütterung (Greve & Thomsen, 2019, S. 49; Stack, 1978, S. 562), waren die Ausführungen Eriksons (1966) prägend für entwicklungspsychologische Modelle der Bindungsforschung (für einen Überblick vgl. z. B. Rotenberg, 2001). Gemäß prominenter Überlegungen von Bowlby (2005, S. 124– 141) bauen Kleinkinder so eine sichere Bindung zu Bezugspersonen im familiären Umfeld etwa in Abhängigkeit davon auf, wie verlässlich, wohlwollend und aufmerksam deren Fürsorgeverhalten ist. Da Kleinkinder die Qualität der Bindung als Arbeitsmodell für soziale Beziehungen nehmen, kann diese prägen, wie sehr sie andere generell für vertrauenswürdig halten (vgl. auch Rotenberg, 1995). Befunde der Bindungsforschung besagen weiterhin, dass sich Kriterien für die Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers im Zuge der Sozialisation verändern (Rotenberg, 2001, S. 7867). Während Kleinkinder diese primär an wohlwollendem Handeln festmachen, erkennen Kinder im Vorschulalter, dass andere sie darin täuschen können und legen daher die Einhaltung von Versprechen zu Grunde (Kanngiesser, Köymen & Tomasello, 2017; Rotenberg, 1980). Zudem weitet sich der Radius der Vertrauensobjekte im Laufe der Sozialisation aus: Kinder im Grundschulalter machen eher vertrauensbezogene Erfahrungen mit Gleichaltrigen (Betts & Rotenberg, 2008; Rotenberg et al., 2004), wobei Jugendliche vermehrt in soziale Netzwerke mit höherer sozialer Reichweite eingebunden sind (etwa Vereine, Gesellschaft als Ganzes). Auf Basis (in-)direkter Erfahrungen mit der Vergabe von Vertrauen bilden sie generalisiertes soziales Vertrauen aus, das sich bei älteren Jugendlichen stabilisiert (Abdelzadeh & Lundberg, 2017; Dinesen, 2012). So mag der Grad generalisierten sozialen Vertrauens von frühkindlichen Bindungen geprägt sein und entwickelt sich, sobald Kinder und Jugendliche in sozialen Netzwerken mit höherer Reichweite eingebunden sind; vollends ausgebildet und relativ robust ist es allerdings erst bei älteren Jugendlichen (Rotenberg, 2001, S. 7867).
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
35
Wie generalisiertes soziales Vertrauen genauer entsteht, wird häufig mit Rotter (1967) expliziert. Er fasst (spezifisches) soziales Vertrauen als „expectancy held by an individual or a group that the word, promise, verbal or written statement of another individual or group can be relied upon“ (S. 651). Dessen Generalisierungsprozess wird lerntheoretisch erklärt: Demnach zeigen Individuen in einer Situation eher ein bestimmtes Verhalten, wenn sie Konsequenzen (z. B. soziale Sanktionen) erwarten, die sie bevorzugen. Diese Erwartungen sind entweder spezifisch für eine Situation oder ein Gegenüber (z. B. Freunde, Chorprobe) oder generalisiert; letztere bilden sich durch Abstraktion sowie Verallgemeinerung von Erfahrungen, die sie als miteinander in Beziehung stehend empfinden (Rotter, 1954, S. 105–114, 1971, S. 445). Für soziales Vertrauen heißt das: Weil Individuen ihre Erfahrungen bezüglich der Verlässlichkeit anderer von konkreten Gegenübern abstrahieren und generalisieren, unterscheiden sie sich in einer „generalized expectancy [Herv. i. Org.]“ (Rotter, 1967, S. 653), die weitgehend bereichs- und situationsunabhängig ist und wiederum ihre Erwartungen diesbezüglich prägt (Schweer & Thies, 2003, S. 5–6). Der generalisierte Erfahrungsschatz kann auf Primärerfahrungen basieren, wie eigene Beobachtungen, ob Bezugspersonen im sozialen Umfeld Versprechen einhalten (vgl. auch Mahrer, 1956; Mischel, 1961) oder Sekundärerfahrungen, wie Aussagen von Bezugspersonen oder journalistischer Berichterstattung dazu, wie sehr man anderen vertrauen kann (Rotter, 1967, S. 653, 1980, S. 1–2). Allerdings kann sich durch generalisierte Erfahrungen erlerntes und relativ beständiges Verhalten in Abhängigkeit neuer Erfahrungen von bestimmter Quantität und Qualität verändern (Rotter, 1954, S. 86), was auch für generalisiertes soziales Vertrauen gilt. Auch basierend auf den Arbeiten von Rotter (1967) entstanden einige Studien dazu, in welchen Merkmalen sich Individuen mit hohem und geringem generalisierten sozialem Vertrauen unterscheiden. Neben ambivalenten Befunden zu geschlechtsspezifischen Unterschieden zeigt sich, dass Personen mit geringem generalisierten sozialen Vertrauen negative Informationen über die Vertrauenswürdigkeit eines Gegenübers eher wahrnehmen als positive (Gurtman & Lion, 1982; Sawyer, Pasewark, Davis & Fitzgerald, 1973; für einen Überblick vgl. auch Stack, 1978, S. 570–572). Die Befunde sind allerdings aufgrund der begrenzten Aussagekraft der Interpersonal Trust-Skala von Rotter (1967) mit Vorsicht zu interpretieren (Petermann, 1985, S. 59).32 Die lerntheoretischen Überlegungen
32So
ist deren Eindimensionalität strittig, wobei sich faktoranalytisch etwa generalisiertes Vertrauen in Institutionen sowie generalisiertes soziales Vertrauen extrahieren lassen (Chun & Campbell, 1974).
36
2 Vertrauen
zu generalisiertem sozialen Vertrauen sind jedoch disziplinübergreifend prägend (Coleman, 2010; Mayer et al., 1995). So verweisen auch Giddens (1995, S. 120– 124) und Luhmann (1989, S. 30) darauf, dass Kinder soziales Vertrauen im familiären Umfeld erlernen und es sich abhängig von Erfahrungen mit Vertrauen in diverse Gegenüber und Situationen bildet (vgl. auch Seiffert-Brockmann, 2015, S. 74). Die Basis generalisierten sozialen Vertrauens sind folglich (in-)direkte situationale Erfahrungen mit dessen Vergabe. Da Überlegungen zu letzterer teils für institutionalistische Erklärungen der politischen Vertrauensforschung prägend sind, wird der erwartungsnutzentheoretische Forschungsstrang dazu zuletzt knapp angerissen. In der psychologischen Vertrauensforschung ist diesbezüglich Deutsch (1958, S. 266) einschlägig, der soziales Vertrauen als Erwartung sieht, dass ein Gegenüber vertrauensvolles Handeln erwidert. Je wahrscheinlicher diese scheint und je stärker positive Konsequenzen überwiegen, desto eher würde man eine Vorleistung erbringen. Aus spieltheoretischen Experimenten33 geht hervor, dass Individuen eher Vertrauen vergeben, wenn sie hohes generalisiertes soziales Vertrauen haben (Balliet & Van Lange, 2013b; Thielmann & Hilbig, 2015), auf Länderebene soziale Normen der Reziprozität vorherrschen oder Gegenüber diese in situ befolgen (Balliet & Van Lange, 2013a; Pruitt & Kimmel, 1977). Nach Coleman (2010, S. 22, 39) erwarten Individuen basierend auf unvollständigen Informationen über Präferenzen des anderen, wie wahrscheinlich vertrauensvolles Handeln abgegolten wird (vgl. auch Hardin, 2002).34 Vertrauen vergeben sie, wenn eine Gegenleistung (p) wahrscheinlicher scheint als p das Verhältnis potenziellen Verlustes (L) zu Nutzen (G), 1−p > GL . Dies gilt in der
33Obgleich
Vertrauen mit kooperativem Handeln gleichzusetzen teils als eingeschränkt extern valide kritisiert wird (Frings, 2010, S. 106), gelten Vertrauensspiele als etabliert (Thielmann & Hilbig, 2015, S. 250). Die meisten dieser Spiele (Gefangenendilemma, Deutsch, 1958; trust game, Berg, Dickhaut & McCabe, 1995) sind Formen eines sozialen Dilemmas, wobei nichtkooperatives Handeln individuell größeren Nutzen bringt als Kooperation; unkooperatives Handeln aller führt jedoch zu individuell geringstem Nutzen (Frank & Frey, 2010, S. 123). 34Gemäß Hardin (1993) vertraut man, wenn man ausreichend Gründe („street-level knowledge“) hat zu erwarten, dass das Gegenüber ein Interesse daran hat, vertrauenswürdig zu handeln als „reasons that are grounded in my interest [Herv. i. Org.]“ (Hardin, 1999, S. 26). Zu vertrauen basiert auf der subjektiven Wahrscheinlichkeit, dass sich das Gegenüber vertrauenswürdig verhält und generalisierten Erfahrungen diesbezüglich. Erwiderung oder Missbrauch des Vertrauens addiert sich zu letzteren und kann es langfristig verändern (Hardin, 1993, S. 506–525).
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
37
RC-Vertrauensforschung35 partiell als vereinfachte Subjective Expected UtilityTheorie (Savage, 1954; vgl. auch Eisenführ & Weber, 1994, S. 204–211; Frings, 2010, S. 71–82).36 Generalisiertes soziales Vertrauen entsteht demnach durch Erfahrungen mit der Einhaltung sozialer Normen der Reziprozität; diese fördere die Vergabe von Vertrauen in situ als „Standardeinschätzung der Wahrscheinlichkeit ihrer Vertrauenswürdigkeit“ (Coleman, 2010, S. 132, 129–147), was auch Befunde dieser Sparte der RC-Vertrauensforschung nahelegen (Bamberg, Gumbl & Schmidt, 2000; Frings, 2010). Somit zeigt sich, dass die situationale Vergabe von Vertrauen von generalisiertem sozialen Vertrauen geprägt wird (und vice versa). Abschließend sei festgehalten, dass generalisiertes soziales Vertrauen auf abstrahierten singulären Erfahrungen fußen kann und relativ stabil ist; allerdings kann es sich lebenslang verändern, etwa abhängig von Erfahrungen mit der Vergabe von Vertrauen und den Kriterien, nach denen Vertrauenswürdigkeit bemessen wird (Rotenberg, 2001, S. 7867). Nachdem psychologische Grundlagen zur Entwicklung generalisierten sozialen Vertrauens präsentiert wurden, sollen solche zu Vertrauen in politische Institutionen dargelegt werden. Speziell in der politischen Kulturforschung wird die Entwicklung generalisierten sozialen Vertrauens ähnlich erklärt, was im Folgenden Beachtung finden soll.
2.2.2 Erklärungen politischen Vertrauens der politischen Kulturforschung Die politische Kulturforschung gilt als einer der prominentesten Forschungsstränge der Politologie (Gabriel, 1994, S. 23) und untersucht, welche Faktoren Stabilität („Persistenz“) und Performanz demokratischer Regime beeinflussen. Der Fokus liegt dabei erstens ansatzübergreifend auf den variablen
35Kernannahmen
der RC-Theorie sind, dass sich Akteure unter situationalen Restriktionen von Ressourcen (z. B. soziale Normen) für Handlungsalternativen entscheiden müssen, wobei sie die Alternative präferieren, mit der sie ihre Ziele bestmöglich erreichen können ((im-)materieller Nutzen, Voss & Abraham, 2009, S. 54–56). Ziel ist es oft, kollektives Handeln durch individuelles Handeln in sozialen Kontexten zu erklären (Coleman, 1986, S. 1322; vgl. auch Frings, 2010, S. 66–87). 36Die S EU-Theorie verwendet weniger das Akteursmodell des „homo oeconomicus“, sondern das RREEMM-Modell (Frings, 2010, S. 88–89), wobei Akteure aus Erfahrungen der Vertrauenswürdigkeit anderer lernen und die subjektive Wahrscheinlichkeit diesbezüglich modifizieren (Lindenberg, 1985, S. 100).
38
2 Vertrauen
Orientierungen37 der Bürger zu politischen Objekten, etwa zu politischem Input oder Output, in Form von politischer Unterstützung oder Performanzbewertung (für einen Überblick vgl. z. B. Braun, 2013, S. 86–88; Frings, 2010, S. 55–60; Fuchs, 2007; Gabriel, 1994, 2009). Dabei betonen sie, dass politische Orientierungen die Wahrnehmung und Bewertung von objektiven Gegebenheiten prägen und diese damit erst (politische) Handlungen der Bürger bedingen („postulate of oriented action“, Eckstein, 1988, S. 790; Gabriel, 1994, S. 25). Die politische Kultur als „the particular distribution of patterns of orientation toward political objects among members of the nation“ (Almond & Verba, 1965, S. 13) wird dazu häufig im Aggregat betrachtet (Gabriel, 1994, S. 24–38). Zweitens teilen bereits Almond und Verba (1965) sowie nachfolgende Ansätze die Sozialisationsannahme („postulate of cultural socialization“, Eckstein, 1988, S. 790–792; Braun, 2013, S. 86). Demnach erlernen Bürger Orientierungen zu politischen Objekten in der (politischen) Sozialisation in Kindheit und Jugend sowie, darauf aufbauend, lebenslang; dies geschieht durch direkte und indirekte (z. B. medial vermittelte) (politikbezogene) Erfahrungen (Almond & Verba, 1965, S. 13; Inglehart, 1997, S. 34; Pye, 1972, S. 290).38 Drittens wird politisches Vertrauen durch Wertorientierungen oder generalisiertes soziales Vertrauen der Bürger erklärt, die in der Sozialisation erlernt und auf politische Institutionen projiziert werden (Mishler & Rose, 2001, S. 31). So verinnerlichten Bürger, die in Demokratien aufwachsen, demokratische Grundwerte; in der Folge vertrauten sie demokratischen Institutionen eher als solche, die nicht-demokratische Werte internalisiert hätten (Mishler & Rose, 1997, S. 420; vgl. auch Braun, 2013; Mishler & Rose, 2001; Rohrschneider & Schmitt-Beck, 2002). Wie zentrale Ansätze der politischen Kulturforschung die Entwicklung generalisierten sozialen Vertrauens und der Wertorientierungen erklären und wie diese mit politischem Vertrauen assoziiert sind, wird nun dargestellt. Annahmen dazu sind bereits in der international vergleichenden Civic Culture-Studie (Almond & Verba, 1965) verankert, die den Grad politischer Persistenz durch Unterschiede in der politischen Kultur erklärt. Die politische Kultur eines Regimes kann sich durch positive, indifferente oder negative politische Orientierungen auszeichnen, wobei das Regime gemäß dem Kongruenzpostulat
37Diese
lassen sich sozialpsychologisch als Einstellungen sehen (Frings, 2010, S. 30; Gabriel, 1994, S. 25, 2008, S. 182; vgl. aber Eckstein, 1988, S. 790) und umfassen teils Wertorientierungen (Pickel & Pickel, 2006, S. 51). 38Für generalisiertes soziales Vertrauen zeigt sich analog in Befragungen von Menschen mit Migrationshintergrund, dass es in der Sozialisation im Ausgangs- und Zielland geprägt werden kann (Dinesen, 2013; Dinesen & Hooghe, 2010).
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
39
als umso stabiler gilt, je mehr dessen Gestaltung mit politischen Werten und Einstellungen der Bürger übereinstimmt („congruence postulate“, Rohrschneider, 1999, S. 202). Als stabilste Form der Demokratie sehen die Autoren die Staatsbürgerkultur (Almond & Verba, 1965, S. 12–33, 63–84; vgl. auch Gabriel, 1994, S. 30). Diese umfasst neben positiven politischen Einstellungen, die Individuen auf Basis von Erfahrungen (wie fairer Behandlung ihrer Belange) erlernen, generalisiertes soziales Vertrauen. Letztere „belief that one’s fellow men are cooperative, trustworthy, and unselfish“ (Almond & Verba, 1965, S. 227; vgl. auch Rosenberg, 1957) entstünde dadurch, dass Individuen in der Sozialisation Erfahrungen mit der Vertrauenswürdigkeit anderer machten und diese zu einer personen- und situationsunabhängigen Haltung verallgemeinerten. Bürger, die hohes generalisiertes soziales Vertrauen hätten, kooperierten wiederum eher bei der Äußerung politischer Interessen in der Vermutung, dass diese Forderungen auch bearbeitet würden; diese könnten so effizienter an das politische Regime übermittelt werden, was letzteres stabilisiere (Almond & Verba, 1965, S. 212–231, 360–369; vgl. auch Frings, 2010, S. 40; Gabriel, 2009, S. 21–25; Pickel & Pickel, 2006, S. 59–76). Aus ihren Befunden schließen sie so, dass „general social trust is translated into politically relevant trust“ (Almond & Verba, 1965, S. 228). Theoretisch wie methodisch wird diese Pionierstudie allerdings vielfach kritisiert (vgl. auch Fuchs, 2007; Reisinger, 1995); unter anderem wird angemerkt, dass dieser implizierte Kausalzusammenhang nicht eindeutig erklärt sei (Gabriel, 2009, S. 27–30) sowie indirekte Pfade des Kongruenzpostulates nicht geprüft wurden (Rohrschneider, 1999, S. 203). Als – zunächst nicht explizite – Weiterentwicklungen der politischen Kulturforschung gelten die Wertewandel- und Sozialkapitalforschung (Gabriel, 2009, S. 30). Deren zentrale Überlegungen und Befunde werden nun knapp umrissen. Im Wertewandel-Ansatz sehen Inglehart (1971, 1997, 1999) sowie Inglehart und Welzel (2005) hingegen politische Wertorientierungen39 als Prädiktoren
39Werte
stellen „desirable end states or behaviors that trascend specific situations, guide selection or evaluation of behavior and events, and are ordered by relative importance“ (Schwartz & Bilsky, 1987, S. 551) oder „dauerhaft verinnerlichte Zielmaßstäbe menschlichen Handelns“ (Welzel, 2009, S. 109) dar; damit sind sie globaler und abstrakter als Einstellungen und können diesen zu Grunde liegen (Perloff, 2010, S. 46). Wertorientierungen meinen hingegen diejenigen Werte, die Individuen verinnerlicht haben, während (soziale) Normen sozial sanktionierbare Werte darstellen, die nicht zwingend internalisiert sind (Welzel, 2009, S. 109). Politische Wertorientierungen lassen sich so fassen als „die von den Mitgliedern einer politischen Gemeinschaft als gemeinsam anerkannten Vorstellungen von den anzustrebenden Zielen des politischen Zusammenlebens und den zur Erreichung dieser Ziele angemessenen Mitteln“ (Gabriel, 2009, S. 31). Damit sind sie „a powerful motivational regulator of human behavior“ (Inglehart & Welzel, 2005, S. 23).
40
2 Vertrauen
politischen Vertrauens (vgl. auch Dalton, 2017, S. 387; Gabriel, 2009, S. 30–34). Sie argumentieren, dass die sozioökonomische gesellschaftliche Entwicklung zu länderübergreifend ähnlich ablaufenden „functionally related changes in mass values and belief systems“ (Inglehart, 1999, S. 237) führen kann (Inglehart & Welzel, 2005, S. 15–37). Wertorientierungen reflektieren so Erfahrungen der Bürger mit den sozioökonomischen Bedingungen während ihrer Sozialisation, wobei als knapp wahrgenommene (im-)materielle Güter als wertvollste gelten („scarcity hypothesis“, Inglehart, 1997, S. 33). Im Zuge der Modernisierung verloren demnach religiöse Autoritäten an Bedeutung zu Gunsten staatlicher Autoritäten und materialistischer Werte, wie physische Sicherheit und materielles Wohlergehen („secular-rational values“). In postmodernen Gesellschaften – so in westlichen Demokratien seit den 1970er Jahren – begünstigt mitunter eine höhere ökonomische Sicherheit und ein höheres Bildungsniveau die Etablierung postmaterialistischer Werte, wie politische Teilhabe und ausgewogene soziale Beziehungen („self-expression values“, vgl. auch Gabriel, 2009, S. 32; Maurer, 2008, S. 76). In Folge teilten Bürger zum einen höhere demokratische Ansprüche, beispielsweise in Bezug auf Pluralismus, und hätten höheres politisches Interesse (Inglehart & Welzel, 2005, S. 49–51; Welzel, 2007). Damit bewerteten sie gemäß dem Kongruenzpostulat jedoch politische Performanz strenger, was ihre Partizipation stärken, aber auch ein geringeres politisches Vertrauen erklären möge (Inglehart, 1999, S. 236; Inglehart & Welzel, 2005, S. 174, 186–187). Zum anderen geht mit diesem Wertewandel „a broad de-emphasis on all forms of authority“ (Inglehart, 1999, S. 242) einher, was daran liegt, dass sich Bürger existentiell weniger abhängig von diesen sehen und zugleich auch ein größeres Bedürfnis nach individueller Autonomie haben. Daraus folgt letztlich geringeres Vertrauen (insbesondere in hierarchische) politische Institutionen und Akteure (Inglehart, 1999, S. 242; vgl. auch Braun, 2013, S. 95; Denters, Gabriel & Torcal, 2007, S. 72–73; Gabriel, 2009, S. 32–34).40 Ein Anstieg postmaterialistischer Wertorientierungen lässt sich in Westeuropa und Nordamerika seit Mitte des 20. Jahrhunderts nachzeichnen (Inglehart, 1999). Wie diese mit politischem Vertrauen assoziiert sind, ist jedoch bislang nur
40Wird
der gesellschaftliche (Werte-)Wandel jedoch als zu schnell empfunden, merkt Inglehart (1999, S. 242) an, dass es zu einem Gefühl der Verunsicherung und zuletzt zu einem „autoritären Reflex“ kommen könne; dies würde umfassen, dass Bürger zum Schutz vor (empfundenen) sozialen Bedrohungen starker politischer Führung einen höheren Wert beimessen (vgl. auch Ignazi, 1992, S. 25).
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
41
eingeschränkt nachgewiesen (Braun, 2013, S. 96; Denters et al., 2007, S. 75–78); so zeigt sich ein negativer Zusammenhang nur vereinzelt, etwa in etablierten Demokratien (Catterberg & Moreno, 2005; Rohrschneider & Schmitt-Beck, 2002). Der Wertewandel-Ansatz wurde überdies vielfach kritisiert (Gabriel, 2009, S. 33; Welzel, 2009), so beispielsweise in der Vermutung, dass dominierende Wertorientierungen einander ablösen müssten; vielmehr finden sich Evidenzen für gesellschaftlichen Wertepluralismus (Gabriel, 2009, S. 33). Auch wurde die Trennschärfe (der Operationalisierung) des Konzeptes postmaterialistischer Werte kritisiert (Flanagan & Lee, 2003; Tranter & Western, 2009): Zum Beispiel bemängeln und demonstrieren Flanagan (Inglehart & Flanagan, 1987) sowie Flanagan und Lee (2003), dass dieses postökonomische und postautoritäre Werte vermische; so wendeten sich Individuen in modernen Gesellschaften weniger von ökonomischen Orientierungen, wie einem materiellem Lebensstandard, sondern vielmehr von autoritären Orientierungen ab (vgl. auch Welzel, 2009, S. 124).41 Insgesamt lässt sich dennoch festhalten, dass (post-)autoritäre Wertorientierungen Vertrauen in (politische) Institutionen bedingen könnten. Der Sozialkapital-Ansatz42 fokussiert wiederum soziales Kapital als Erklärgröße politischer Performanz (vgl. auch Gabriel & Kunz, 2002; Newton, 1997), wobei die Arbeiten Putnams (1993, 2000) zu einer Wiederbelebung der politischen Kulturforschung beitrugen (Sullivan & Transue, 1999, S. 638). Putnam (1993) fasst soziales Kapital als „features of social organization, such as trust, norms, and networks, that can improve the efficiency of society by facilitating coordinated actions“ (S. 167). Dabei gilt es als „aggregate concept that has its basis in individual behavior, attitudes, and predispositions“ (Brehm & Rahn, 1997, S. 1000). Die Grundüberlegung ist: Sind Individuen Mitglieder zivilgesellschaftlicher Netzwerke (z. B. Bürgerrechtsbewegungen, Vereine), begünstigt dies, dass sie prosoziale Normen sowie generalisiertes soziales Vertrauen ausbilden. Dieses fördert Kooperation in Problemen kollektiven Handelns, was politische Regime leistungsfähiger und stabiler macht (Putnam, 1993, S. 86–91, 170–174; Putnam, 1995; Putnam, 2000, S. 287–295).
41Die
entsprechenden Skalen wurden zudem dafür kritisiert, Einstellungen, generalisiertes soziales Vertrauen und politisches Handeln zu vermengen (Müller, 2013, S. 140). 42Der Begriff des sozialen Kapitals wurde zwar bereits von Bourdieu (1986) und Coleman (1988) geprägt; jedoch „it was clearly he who showed how it could be used in important (and very ingeniously designed) empirical research“ (Rothstein, 2013, S. 1009; vgl. auch Schyns & Koop, 2010, S. 151). Für einen Überblick über Konzeptualisierungen sozialen Kapitals vgl. z. B. die Meta-Analyse von Fulkerson und Thompson (2008).
42
2 Vertrauen
Im Detail entwickeln Bürger Normen der Reziprozität im Rahmen sozialer Interaktion in zivilgesellschaftlichen Netzwerken; sie lernen also, dass sie nach Unterstützung anderer in deren Belangen eine (implizite) Gutschrift darüber erhalten, dass Gegenüber sich später revanchieren werden, was soziales Vertrauen fördert und umgekehrt (Putnam, 2000, S. 19–23, 137–144; vgl. auch Zmerli, 2013, S. 135–136).43 Machen Individuen so die Erfahrung, dass man anderen vertrauen kann, abstrahieren und generalisieren sie dies (Putnam, 1993, S. 171– 174). Des Weiteren entsteht in zivilgesellschaftlichen Netzwerken, in denen Mitglieder bezüglich ihrer Merkmale relativ homogen sind (z. B. Bruderschaften), eher bindendes („bonding“) Sozialkapital. Brückenbildendes („bridging“) soziales Kapital geht aus sozialen Netzwerken hervor, die in diesen Merkmalen relativ heterogen sind (z. B. Vereine). Da bindendes Sozialkapital eine Loyalität zu Mitgliedern, jedoch die Abgrenzung von anderen fördern könne, sei brückenbildendes Sozialkapital zur Lösung von Problemen kollektiven Handelns wünschenswerter (Putnam, 2000, S. 22–24, 362–363). Was Einflüsse auf politisches Vertrauen angeht, erklärt Putnam (1993, S. 86–120, 171–185) die politische Performanz sowie Einstellungen zu politischen Institutionen primär durch die Komponenten sozialen Kapitals, wie generalisiertes soziales Vertrauen und Normen der Reziprozität (vgl. auch Braun, 2013, S. 89; Gabriel & Kunz, 2002, S. 264; Newton & Norris, 2000, S. 60). So neigen Bürger mit hohem sozialen Kapital eher zu kooperativem Handeln in politischen Belangen, was den politischen Inputprozess begünstigt, und befolgen eher kollektiv bindende Entscheidungen, was deren Umsetzung erleichtert (Putnam, 2000, S. 336–349). In einer quasi-experimentellen Studie lässt sich mit diesem die politische Performanz italienischer Regierungen erklären (Putnam, 1993, S. 96–99); umgekehrt wird die Abnahme sozialen Kapitals in den USA durch ökonomische Merkmale (z. B. wirtschaftliche Lage) und die Fernsehnutzung prognostiziert.44 Im Sinne der Kultivierungsforschung würden Personen mit hohem Fernsehkonsum eher vermuten, dass Mitmenschen ihnen negativ
43Ähnlich argumentiert bereits Coleman (2010, S. 394–402), dass soziales Kapital Individuen mit Ressourcen ausstattet, die sie nutzen können, um ihre Interessen umzusetzen. So würde man darauf vertrauen, dass das Gegenüber in Zukunft eine Gegenleistung erbringen wird, wobei Gutschriften umso wertvollere Ressourcen sind, je vertrauenswürdiger das soziale Umfeld ist, in dem diese entstanden ist. 44Cappella (2002) kritisiert dabei, dass auch dritte Merkmale des sozialen Wandels (z. B. Ganztagsbeschäftigung) soziales Kapital senken und den erhöhten Fernsehkonsum erklären könnten (S. 234–235).
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
43
gesonnen seien und hegten so geringeres generalisiertes soziales Vertrauen (Putnam, 2000, S. 216–246, 338–349; vgl. aber Moy, Scheufele & Holbert, 1999). Auch der Sozialkapital-Ansatz wurde kritisch rezipiert (vgl. auch Gabriel, 2009, S. 35–36), etwa dahingehend, dass die Assoziationen sozialen Kapitals mit politischer Performanz wenig detailliert ausgeführt seien und nicht indirekt überprüft wurden (Boix & Posner, 1998; Foley & Edwards, 1997). Entsprechend existieren mittlerweile Spezifizierungen zu sozialem Kapital (Esser, 2008) und zu dessen Korrelaten (Zmerli, 2010) sowie eine Vielzahl an Studien, die die Assoziation generalisierten sozialen Vertrauens als Proxy für soziales Kapital und politisches Vertrauen fokussieren. Analog zu den vielfältigen Erklärungen sind die Befunde zum Zusammenhang von generalisiertem sozialen Vertrauen, Wertorientierungen und politischem Vertrauen aus der Perspektive politischer Kulturforschung relativ divers und teils widersprüchlich, was nicht zuletzt den recht unterschiedlichen Operationalisierungen geschuldet sein mag (Gabriel, 2009, S. 35; Zmerli, 2013, S. 134). So kann nur eine Skizze zentraler Erkenntnisse gegeben werden, wobei solche auf der Mikroebene sowie in demokratischen Regimen fokussiert werden. Dabei sei vorweggenommen, dass meist repräsentative Querschnittdaten (sekundär) analysiert werden (z. B. GSS, WVS), seltener Längsschnittdaten (Brehm & Rahn, 1997; Sønderskov & Dinesen, 2014). Damit basiert die Richtung der Zusammenhänge oftmals einzig auf theoretischen Annahmen (vgl. auch Johnson, 2003, S. 101).45 Zum einen versuchen Studien, generalisiertes soziales Vertrauen zu erklären. Zivilgesellschaftliches Engagement fördert dieses teils (Sønderskov, 2011; Stolle, 1998; Zmerli, 2013) und vice versa (Bühlmann & Freitag, 2004; Glaeser, 2016). Ambivalente Befunde zeigen sich bezüglich der Zustimmung zu sozialen Normen, wobei Solidarität und Partizipation positiv mit generalisiertem sozialen Vertrauen assoziiert sind, während Normen sozialer Ordnung, etwa Gesetze zu befolgen, negativ mit diesem zusammenhängen (Zmerli, 2010; vgl. aber Letki, 2006). Eine große ethnische Heterogenität des sozialen Umfelds weist teilweise langfristig auf generalisiertes soziales Vertrauen hin, wobei sich für hohen
45Ähnliches
zeigt sich auf Aggregatebene im Ländervergleich: Einkommensungleichheit, Korruption, und Mediennutzung sind negativ mit generalisiertem sozialen Vertrauen assoziiert (Delhey & Newton, 2003; Freitag, 2003; Rothstein & Uslaner, 2005), während die politische Performanzbewertung und politisches Vertrauen positiv korrelieren (Chanley, Rudolph & Rahn, 2000; Knack, 2002; Zmerli & Newton, 2008).
44
2 Vertrauen
(unvermeidbaren) Kontakt teils das Gegenteil zeigt (Dinesen & Sønderskov, 2012; Kokkonen, Esaiasson & Gilljam, 2014). In US-repräsentativen Daten findet sich weiterhin, dass die Nutzung des Fernsehens, oder speziell von Fernsehnachrichten, negativ mit generalisiertem sozialen Vertrauen zusammenhängt, wobei sich die Zeitungsnutzung (im Jahr nach 9/11) als förderlich erweist (Gross, Aday & Brewer, 2004; Moy & Scheufele, 2000; Patulny, 2011; Shah, 1998). Zum anderen gilt ein positiver Zusammenhang zwischen generalisiertem sozialen Vertrauen und Vertrauen in politische Institutionen als relativ robust (Brehm & Rahn, 1997; Campbell, 2004; MacDonald & Stokes, 2006). Auch wird evident, dass generalisiertes soziales Vertrauen positiv mit politischer Performanzbewertung korreliert (Zmerli, 2013). Allerdings ist laut Brehm und Rahn (1997) in Längsschnittdaten der GSS der Einfluss von politischem Vertrauen auf generalisiertes soziales Vertrauen stärker als umgekehrt (vgl. auch Sønderskov & Dinesen, 2016). Das spricht gemäß den Autoren dafür, dass Individuen mit hohem politischem Vertrauen vermuten, politische Institutionen würden nicht vertrauenswürdiges Handeln der Mitbürger sanktionieren, und damit auch höheres generalisiertes soziales Vertrauen aufweisen. Auch zeigt sich, wie bereits erwähnt, dass Bürger mit demokratischen (im Gegensatz zu autoritären) Wertorientierungen eher demokratischen politischen Institutionen vertrauen; für postmaterialistische Wertorientierungen findet sich tendenziell ein negativer Zusammenhang, primär aber in etablierten Demokratien (Braun, 2013; Catterberg & Moreno, 2005; Gabriel, 1995; Rohrschneider & Schmitt-Beck, 2002; vgl. auch Braun, 2013, S. 96). Zusammenfassend treffen Ansätze der politischen Kulturforschung ähnliche Annahmen zu Einflüssen auf generalisiertes soziales Vertrauen sowie Wertorientierungen und deren Assoziation zu politischem Vertrauen (Frings, 2010, S. 37). Dabei ist zentral, dass diese Orientierungen etwa das politische Handeln der Bürger prägen (Eckstein, 1988, S. 790; Gabriel, 2008, S. 182). Gemäß Frings (2010, S. 59) kommt dies einer Adaption handlungstheoretischer Überlegungen des homo sociologicus-Paradigmas gleich. Darin wird angenommen, dass das Handeln von Individuen durch soziale Werte und Normen geprägt ist, die diese in Einstellungen internalisiert haben, die sich in Rollenerwartungen niederschlagen und deren (Nicht-)Erfüllung sozial sanktioniert werden kann (vgl. auch Dahrendorf, 2006, S. 57–63; Lindenberg, 1985, S. 101–102). Während insgesamt zahlreiche (zunehmend international vergleichende) Forschungsarbeiten auf Basis der Ansätze politischer Kulturforschung hervorgegangen sind, stehen letztere an verschiedenen Stellen in der Kritik (Mishler & Rose, 2001, S. 35; vgl. auch Johnson, 2003). So wird zum Beispiel bemängelt, dass politisch-kulturelle Erklärungen wenig Weiterentwicklung erführen und diese daher bisweilen eher
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
45
Annahmen mittlerer Reichweite gleichkämen. Allerdings sind diese zugleich größtenteils kompatibel und gelten als teils empirisch bewährt (Gabriel, 2008, S. 209, 2009, S. 44). Besonders bedeutsam für vorliegendes Erkenntnisinteresse ist der Kritikpunkt, dass (wahrgenommene) Merkmale von Institutionen ebenfalls Einstellungen zu diesen beeinflussen könnten (Rohrschneider, 1999, S. 13–14), was in Erklärungen politischer Kulturforschung jedoch außer Acht gelassen wird.
2.2.3 Institutionalistische Erklärungen politischen Vertrauens Als Gegenstück zur politischen Kulturforschung ist charakteristisch für eine institutionalistische Sichtweise, dass sich Merkmale politischer Institutionen auf deren Performanz auswirken, wobei die Bewertung der Performanz mit politischem Vertrauen und (sequentiell mit) generalisiertem sozialen Vertrauen assoziiert ist (Mishler & Rose, 2001, S. 31; Stolle, 2003, S. 30–34). Beiträge, die institutionalistisch argumentieren sind überdies zum Teil (unterschiedlich stark) von erwartungsnutzentheoretischen Annahmen geprägt (Coleman, 2010; Lindenberg, 1985).46 Demnach gründet politisches Vertrauen als Erwartung zukünftig angemessener politischer Outputs darauf, wie groß der eigene Nutzen oder die Vertretung eigener Interessen im Rahmen der Leistungen politischer Institutionen in der Vergangenheit ausfiel (Braun, 2013, S. 97; Campbell, 2004, S. 402; Grosskopf, 2008, S. 5; Hetherington & Husser, 2012, S. 313; Miller & Listhaug, 1990, S. 358). Während Beiträge, die die Makroebene betrachten, objektive Kriterien politischer Performanz einsetzen, stellen solche, die wie diese Studie die Mikroebene fokussieren, die wahrgenommene politische Performanz als zentral heraus, die erfahrungsbasiert variieren kann (Hanitzsch & Berganza, 2012; Mishler & Rose, 2001). Allerdings „stellt der institutionelle Ansatz kein geschlossenes Erklärungsmodell dar“ (Gabriel, 2008, S. 210). Vielmehr wird in einer Vielzahl an (überwiegend empirischen) Studien die Erklärkraft typischer Variablen geprüft, wie politische Performanz, politische Einstellungen oder
46Somit
geht die institutionalistische Perspektive laut Campbell (2004, S. 404) auf Downs (1957) zurück. Demnach bemäße ein rationaler Wähler, den Nutzen von politischen Parteien danach, wie sehr diese zum persönlichen Wohlbefinden beitragen (vgl. auch Himmelweit, Humphreys, Jaeger & Katz, 1981).
46
2 Vertrauen
ahrgenommene politische Berichterstattung (Braun, 2013, S. 96–97; Gabriel, w 2008, S. 210). Dazu werden oftmals neue Demokratien betrachtet (Lijphart & Waisman, 1996; Rose et al., 1998). Im Folgenden sollen Erklärungen von Vertrauen in politische Institutionen sowie dessen Assoziation zu generalisiertem sozialen Vertrauen in dieser Perspektive skizziert werden. Zwar wird Eastons (1965a, 1965b, 1975) Political Support-Ansatz aufgrund der handlungstheoretischen Annahmen auch der politischen Kulturforschung zugeordnet (vgl. auch Frings, 2010; Fuchs, 2002). Teilweise wird dieser aber im Sinne der institutionalistischen Perspektive interpretiert, da politisches Vertrauen als Dimension politischer Unterstützung auf Basis der gewichteten Summe der Performanzbewertungen generiert wird (Campbell, 2004; Grosskopf, 2008; Norris, 1999). Überdies hat dessen analytische Struktur das aktuelle Verständnis politischer Unterstützung maßgeblich geprägt (Arzheimer, 2002, S. 197). Gemäß Eastons (1965a, 1965b) Analysemodell erhält das politische System als „those interactions through which values are authoritatively allocated for a society“ (Easton, 1965b, S. 21) Inputs, also Forderungen (z. B. Bedürfnisse, Interessen) sowie Unterstützung der Bürger (Easton, 1975, S. 436–444; Fuchs, 1989, S. 14) und verarbeitet diese zu Outputs (autoritative Entscheidungen, vgl. Abbildung 2.5). Im Rahmen einer Rückkoppelung vergleichen Bürger die Outputs mit ihren Forderungen: je mehr sich diese decken, desto zufriedener sind sie mit den Leistungen, was die politische Unterstützung erhöht (Easton, 1965a, S. 110–111).
Bedürfnisse
Inputs
Outputs
Forderungen
Entscheidungen
Unterstützung
Politisches System
Implementationen
Outcome
Rückkoppelung
Abbildung 2.5 Vereinfachtes Dynamic Response-Modell des politischen Systems. (Anmerkungen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Easton (1965a, S. 112) und Maurer (2003, S. 22))
Spezifische und damit objektgebundene Unterstützung kann sich kurzfristig verändern: Sie ergibt sich aus der aktuellen Bewertung der Leistung politischer
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
47
Autoritäten (z. B. Politiker und Institutionen, Easton, 1975, S. 438), im Vergleich der wahrgenommenen Outputs mit eigenen Forderungen. Diffuse Unterstützung ist dagegen weitgehend unabhängig von politischen Leistungen und damit relativ beständig (Easton, 1975, S. 438–446). Sie entsteht sowohl durch (lebenslange) politische Sozialisation, als auch durch konkrete Erfahrungen; dabei mag sich (Un-)Zufriedenheit mit politischen Leistungen längerfristig zu diffuser Unterstützung akkumulieren (Easton, 1965b, S. 267–277). In Bezug auf politische Autoritäten und das Regime unterscheidet Easton (1965b, S. 267–277; vgl. auch Westle, 1989, S. 62–71) weiter politisches Vertrauen und Legitimität als Formen diffuser Unterstützung. Politisches Vertrauen bringen Bürger politischen Autoritäten entgegen, wenn sie der Ansicht sind, dass ihre kollektiven Interessen Beachtung finden, ohne dass dies kontrolliert wird. Diese nehmen sie hingegen als legitim wahr, wenn sie zustimmen, dass deren Bestehen eigenen Werten entspricht. Somit basiert Vertrauen auf „Output-Zufriedenheit, aber im Unterschied zu spezifischer Unterstützung nicht auf kurzfristigem Nutzen, sondern auf einer Generalisierung, die aufgrund einer Bewertung einer Serie von Outputs […] zustande kommt“ (Fuchs, 1989, S. 16). Nicht zuletzt, da der Political Support-Ansatz relativ komplex ist, sind umfassende Überprüfungen rar; dennoch existieren viele Studien und Weiterentwicklungen zu politischer Unterstützung (für einen Überblick vgl. auch Arzheimer, 2002). Darunter wird politisches Vertrauen als Stufe zwischen politischer Performanzbewertung und Legitimität verortet, „because it assesses how confident people are that they will receive agreeable institutional outputs in the long lerm [Herv. i. Org.]“ (Grosskopf, 2008, S. 4; vgl. auch Fawzi & Obermaier, 2019). Daneben finden sich in der Literatur, die sich aufgrund der theoretischen Fundierung oder der angenommenen Richtung der Korrelate zur institutionalistischen Perspektive zählen lässt, erstens Erkenntnisse zum Einfluss politischer Performanzbewertung auf politisches Vertrauen. So wird evident, dass in etablierten Demokratien die Performanzbewertung von Politik und Wirtschaft sowie wahrgenommene soziale Ungleichheit politisches Vertrauen zentral vorhersagt, da Bürger (repräsentative) politische Institutionen für diese verantwortlich sehen (Campbell, 2004; Grosskopf, 2008; Hetherington, 1998; Rothstein & Eek, 2009; Rose et al., 1998; Scheidegger & Staerklé, 2011; Schoon & Cheng, 2011). Auch in vereinzelten Studien der psychologischen Vertrauensforschung dazu stellt sich die Performanzbewertung neben Dispositionen als zentraler Prädiktor des Institutionenvertrauens heraus (Bierhoff & Rohmann, 2010; Schweer, 1997a). Zweitens existieren (erwartungsnutzentheoretisch geprägte) Studien zur Assoziation von politischem Vertrauen mit generalisiertem sozialen Vertrauen, wobei politische Institutionen als Katalysator für letzteres dienen
48
2 Vertrauen
(Freitag & Bühlmann, 2009, S. 1543; Offe, 2001, S. 269–270). Politische Institutionen können demnach Handlungsrestriktionen wie Normen und Regeln etablieren und deren Einhaltung sanktionieren (vgl. auch Levi, 1998; Rothstein, 2000). Sind Bürger selbst bereit, diesen Folge zu leisten, vermuten sie das für die meisten Mitbürger und schätzen, dass diesen vertraut werden kann (Freitag & Bühlmann, 2009, S. 1543; Fuchs et al., 2002, S. 432–434; Stolle, 2003, S. 21). Exemplarisch nehmen Rothstein und Stolle (2008b) so mit stärkerem erwartungsnutzentheoretischen Bezug an, dass Institutionen, die als fair und effizient bewertet werden, die Kosten eines Vertrauensbruchs erhöhen und damit Kooperation begünstigen. Analog zeigt sich, dass wahrgenommene politische Performanz generalisiertes soziales Vertrauen positiv vorhersagt (Kumlin & Rothstein, 2005; Nannestad, Svendsen, Dinesen & Sønderskov, 2014; Sønderskov & Dinesen, 2016). Insgesamt lässt sich aus institutionalistischer Perspektive erklären, dass die wahrgenommene Performanz politischer Institutionen politisches (und generalisiertes soziales) Vertrauen beeinflusst; allerdings seien diese Erklärungen oftmals relativ rudimentär ausgeführt sowie geprüft (Frings, 2010, S. 127; Stolle, 2003, S. 21). Weiterhin vernachlässigten diese etwa den Einfluss sozialisierter politischer Orientierungen auf politisches Vertrauen (Mishler & Rose, 2001, S. 36–37). An die Defizite beider Perspektiven knüpfen integrative Ansätze an und versuchen, die Erklärungen politischen Vertrauens beider Lager zu vereinen.
2.2.4 Integrative Erklärungen politischen Vertrauens: Lifetime Learning- und Ideological PerformanceModell Neben Perspektiven, die entweder generalisiertes soziales Vertrauen (respektive soziales Kapital) als Einfluss auf politisches Vertrauen sehen oder letzteres durch die vergangene Performanzbewertung determiniert fassen, existieren Überlegungen, die beide Erklärungen integrieren (Cusack, 1999; Mishler & Rose, 1997, 2001; Putnam et al., 1983; Rohrschneider, 1999). Insbesondere das Lifetime Learning-Modell (Mishler & Rose, 2001) und das Ideological Performance-Modell (Rohrschneider, 1999) stellen „die Verbindung zwischen kulturalistischen und institutionalistischen Argumentationssträngen innerhalb des homo sociologicus-Paradigmas her“ (Frings, 2010, S. 127) und argumentieren somit handlungstheoretisch aus der Perspektive der politischen Kulturforschung. So schließt Rohrschneider (1999) aus der theoretischen und empirischen Analyse von Vertrauen in politische Institutionen in Ost- und Westdeutschland, dass
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
49
„both institutionalists and culturalists underestimate the complex nature of these relationships. […] The strong version of the congruence postulate is clearly inadequate in describing the link between ideological values and institutional trust. Institutionalists, in turn, underestimate the importance of societal ideals in shaping citizens’ institutional trust and their measures for evaluating institutional performance“ (S. 230).
Da diese Verknüpfung beider Erklärungen zu Einflüssen auf Vertrauen in politische Institutionen als gewinnbringend für die vorliegende Studie zu Einflüssen auf das Vertrauen in journalistische Medien betrachtet wird (vgl. auch Hanitzsch et al., 2018; Tsfati & Ariely, 2014), sollen beide Modelle im Folgenden dargestellt werden. Mishler und Rose (2001) interessieren sich dafür, was politisches Vertrauen beeinflusst. Sie nehmen an, dass „despite profound differences in assumptions and interpretations, cultural and institutional theories share a fundamental assumption that trust is learned and linked at some level to experience“ (Mishler & Rose, 2001, S. 38). Auf Basis dessen schlagen sie eine Integration der beiden Perspektiven in ihrem Lifetime Learning-Modell vor, das sich in Grundzügen bereits bei Rose et al. (1998, S. 118) findet. Darin gehen sie davon aus, dass sowohl individuelle Erfahrungen im Rahmen der (prä-politischen) Sozialisation, als auch solche mit der (vergangenen) Performanz politischer Institutionen (im Erwachsenenalter) auf der Mikroebene politisches Vertrauen beeinflussen können. Somit gewinnen Individuen im Laufe ihrer präpolitischen Sozialisation dahingehend Erfahrungen, wie sehr sie spezifischen anderen vertrauen können; daraus speist sich ihr generalisiertes soziales Vertrauen, was sie auf politische Institutionen projizieren. Im Zeitverlauf kann sich der Grad dieses politischen Vertrauens jedoch verändern; das ist abhängig davon, welche Erfahrungen sie im Erwachsenenalter etwa mit der politischen Performanz machen. Entsprechend ergibt sich das aktuelle Level des politischen Vertrauens eines Individuums aus dem bisherigen Level des Vertrauens in politische Institutionen, beeinflusst vom aktuellen Stand vergangener Erfahrungen mit der politischen Performanz. Dies entspricht:
PT t = PT t−1 + Bt · PE t + (ut − ut−1 ) Der Vektor PT („political trust“) steht dabei für den Grad des Vertrauens in politische Institutionen zum Zeitpunkt t. PTt−1 ist ein Vektor für den Grad des bisherigen politischen Vertrauens (bis zum Zeitpunkt t). Dagegen steht PE („performance evaluation“) für die vergangene, generalisierte Erfahrung mit der politischen Performanz bis zum aktuellen Zeitpunkt t (mit dem Fehlerterm ut); diese Erfahrung wird mit B zum entsprechenden Zeitpunkt t gewichtet
50
2 Vertrauen
(Mishler & Rose, 2001, S. 37–38). Allerdings lässt sich gemäß politischer Kulturtheorien vermuten, dass Vertrauen in politische Institutionen zum Teil aus generalisiertem sozialen Vertrauen (ITt) gespeist wird.47 Daraus ergibt sich wiederum als Lifetime Learning-Modell:
PT i = B1 · PE i + B2 · IT i + u Demnach lässt sich der aktuelle Stand des politischen Vertrauens von Individuen (oder auf Aggregatebene) zum einen erklären durch die Bewertung vergangener politischer Performanz, zum anderen durch den Stand des generalisierten sozialen Vertrauens (der wiederum vom bisherigen politischen Vertrauen geprägt werden kann). Damit integriert das Modell explizit eine dynamische Komponente, wobei politisches Vertrauen auf generalisierten Erfahrungen basiert und im Zeitverlauf veränderbar ist. In ihrer Studie zeigt sich auf der Aggregatebene, dass generalisiertes soziales Vertrauen schwach negativ mit politischem Vertrauen in postkommunistischen Ländern korreliert. Dazu vermuten die Autoren, dass die Bürger als Schutzreaktion vor politischen Institutionen, welche sie als weniger vertrauenswürdig einschätzen, eher den Mitmenschen vertrauen. Die ökonomische und politische Performanz sagt politisches Vertrauen schwach positiv vorher. Auf der Mikroebene erklären kulturelle Proxys für die politische Sozialisation (z. B. soziales Umfeld, soziodemografische Merkmale) sowie die wahrgenommene ökonomische und politische Performanz (z. B. politische Fairness, Responsivität, wirtschaftliche Lage) politisches Vertrauen ebenfalls positiv, wobei die wahrgenommene Performanz dieses stärker vorhersagt als Sozialisationserfahrungen oder die tatsächliche Performanz (Mishler & Rose, 2001, S. 44–55). Rohrschneider (1999) bezieht sich im Ideological Performance-Modell ebenfalls auf kulturalistische und institutionalistische Erklärungen politischer Unterstützung. Die Grundfrage ist dabei, wie sich die Unterstützung repräsentativer politischer Institutionen (im wiedervereinigten Deutschland) durch Wertorientierungen der Bürger und ihre Bewertung vergangener politischer Performanz erklären lässt (Rohrschneider, 1999, S. 200). Aus beiden Perspektiven leitet er erstens ab, dass ideologische Werte im Rahmen der lebenslangen Sozialisation in einem politischen Regime gelernt werden. Darunter fasst er die Unterstützung demokratischer Grundwerte sowie die Zustimmung zu P luralismus
47Da
die Beziehung zwischen generalisiertem sozialen und politischen Vertrauen reziprok ist, ergibt sich ersteres auch aus letzterem: IT i = B1 · PE i + B2 · PT i + u (Mishler & Rose, 2001, S. 39).
2.2 Erklärungen von Einflüssen auf soziales und politisches Vertrauen
51
und politischer Toleranz, in dem Sinne, dass gleiche politische Rechte für Minoritäten sowie Bestrebungen, Kompromisse zwischen konträren politischen Positionen zu finden, als angemessen gelten. Zweitens beeinflussen ideologische Wertorientierungen und die politische Performanzbewertung politische Unterstützung (Rohrschneider, 1999, S. 15–28). Dazu greift er Almonds und Verbas (1965) Kongruenzpostulat auf, wonach die Verteilung politischer Orientierungen dem jeweiligen institutionellen Rahmen gleichkommen sollte, um die Performanz politischer Regime zu erhöhen. Dabei würden die Autoren implizit einen Zusammenhang zwischen ideologischen Wertorientierungen und der Unterstützung von politischen (und damit auch Vertrauen in) Institutionen annehmen, diesen jedoch nicht testen. Aus institutionalistischer Perspektive wird dieses zudem oftmals kritisiert, da „the strong version suggests the predominance of values in shapig institutional support, regardless of a system’s performance“ (Rohrschneider, 1999, S. 203). Das Ideological Performance-Modell führt dies zusammen (vgl. Abbildung 2.6).
Ideologische Wertorientierungen (z.B. Pluralismus, Plebiszitarismus, demokratische Grundwerte) Unterstützung liberalrepräsentativer Institutionen Politische Performanzbewertung Inklusion
Abbildung 2.6 Ideological Performance-Modell. (Anmerkungen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Rohrschneider (1999, S. 204))
Zum einen beeinflussen ideologische Wertorientierungen von Bürgern somit direkt die Unterstützung für und damit das Vertrauen in repräsentative Institutionen. Zum anderen bedingen die politische Performanzbewertung sowie die Wahrnehmung der Bürger, dass politische Institutionen sie an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben lassen, die Unterstützung politischer Institutionen direkt. Überdies haben ideologische Wertorientierungen einen direkten Einfluss auf die Performanzbewertung, da sie den Maßstab definieren, nach dem diese bemessen wird. So könnte ein Verfechter des freien Marktes ein gewisses
52
2 Vertrauen
Level an Arbeitslosigkeit angemessen finden, welches wiederum ein Vertreter sozial-egalitärer Werte für inakzeptable Performanz halten würde. Damit prägen diese die Unterstützung politischer Institutionen auch indirekt (Rohrschneider, 1999, S. 27, 201–207). Hier geht Rohrschneider (1999) einen Schritt weiter als Mishler und Rose (1997, 2001), die in ihrem Modell, (implizit) indiziert durch die Darstellung als Regressionsmodell, von weitgehend unabhängigen Prädiktoren ausgehen. In halbstandardisierten Interviews mit Mitgliedern des deutschen Bundestags zeigt sich, dass Vertrauen in politische Institutionen stark mit der Performanzbewertung der Demokratie per se zusammenhängt. Wertorientierungen zeitigen ebenfalls eine (jedoch schwächere) Assoziation; etwa verringert die Zustimmung zu plebiszitären Werten, also dem Ideal direkter Demokratie, politisches Vertrauen. Ein indirekter Zusammenhang deutet sich ebenfalls an, wobei exemplarisch die Zustimmung zu Pluralismus die Performanzbewertung erhöht, während egalitäre Wertorientierungen diese partiell senken. Analog stellen in deutschlandrepräsentativen Daten des Allbus von 1994 die Performanzbewertungen der Demokratie und der wirtschaftlichen Lage die stärksten Prädiktoren politischen Vertrauens dar. Teilen Befragte aus den neuen Bundesländern Wertorientierungen des Sozialismus und sehen diesen als idealste Form eines politischen Regimes an, reduziert dies jedoch (analog zum Kongruenzpostulat) schwach ihre Performanzevaluation der Demokratie sowie ihr politisches Vertrauen. Insgesamt erweist sich also sowohl bei politischen Akteuren, als auch in der deutschen Bevölkerung die Performanzbewertung als relativ stärkster Einfluss auf Vertrauen in politische Institutionen. Wertorientierungen beeinflussen zudem, vor allem vermittelt über die Bewertung der vergangenen politischen Performanz, aber auch direkt politisches Vertrauen (Rohrschneider, 1999, S. 221–230; vgl. auch Rohrschneider & Schmitt-Beck, 2002; van der Meer, 2017). Auch auf Basis der integrativen Erklärungen entstanden einige Studie, die sowohl kulturalistische, als auch institutionalistische Determinanten von politischem Vertrauen überprüfen (Campbell, 2004; Hanitzsch & Berganza, 2012; Nix, Wolfe, Rojek & Kaminski, 2015; Putnam et al., 1983; Schnaudt, 2013; Suh, Chang & Lim, 2012). Exemplarisch testet Campbell (2004) beide Einflussgruppen auf Vertrauen in politische Institutionen in den Daten der European Values Study [EVS]. Auf individueller Ebene (ebenso wie im Aggregat) findet sich keine Unterstützung für die kulturalistische Erklärung, jedoch ist die wahrgenommene ökonomische Performanz ein stark positiver Prädiktor für politisches Vertrauen. Lühiste (2006) zeigt in einer Befragung in den Baltischen Ländern, dass sowohl kulturalistische, als auch performanzbezogene Faktoren Vertrauen
2.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde …
53
in politische Institutionen determinieren (vgl. auch Braun, 2013; Rohrschneider & Schmitt-Beck, 2002; Schnaudt, 2013). Die meisten Studien finden dabei tendenziell einen stärkeren Einfluss performanzbezogener Erfahrungen auf politisches Vertrauen als soziokultureller Variablen (vgl. auch Newton & Norris, 2000). Da beide Formen der Einflüsse in ihrer international vergleichenden Sekundäranalyse zwar politisches Vertrauen determinieren, jedoch diese auf individueller Ebene überwiegen, folgert Braun (2013, S. 189) überdies, dass dieses „zwar theoretisch als Mehrebenenphänomen verstanden werden [kann], im Wesentlichen steht es jedoch in Zusammenhang mit den individuellen Präferenzen der Vertrauensträger und weniger mit den Kontexten, in denen sie leben.“ Daraus lässt sich schließen, dass zur Erklärung von Vertrauen in (politische) Institutionen – und so unter Umständen auch in Bezug auf Vertrauen in journalistische Medien – sowohl individuelle soziale und politische, als auch performanzbezogene Merkmale zentrale Prädiktoren darstellen. Erstere können dabei auch über die Performanzbewertung vermittelte indirekte Einflüsse auf politisches Vertrauen zeitigen. Ehe integrative Modelle als theoretische Basis für die Untersuchung der Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien dienen, werden zuletzt Operationalisierungen sowie deskriptive Befunde zu generalisiertem sozialen und politischen Vertrauen in der deutschen Bevölkerung überblicksartig dargestellt, auch, um diese als Prädiktoren einzusetzen.
2.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde zu generalisiertem sozialen und politischem Vertrauen in Deutschland Zur Operationalisierung generalisierten sozialen Vertrauens dominiert bis heute die Skala von Rosenberg (1956, 1957) oder zumindest dessen Vertrauensfrage48 (vgl. auch Wrightsman, 1964).49 Einsatz findet diese sowohl in Originalstudien, als auch in internationalen Repräsentativbefragungen. Jedoch ist kritisch, dass
48Diese
lautet häufig: „Generally speaking, would you say that most people can be trusted, or that you can’t be too careful in dealing with people?“ (Zmerli & Newton, 2008, S. 708–709). 49Die psychologische Vertrauensforschung fokussiert eher die Erfassung spezifischen sozialen oder institutionellen Vertrauens (Rotenberg, Woods & Betts, 2015).
54
2 Vertrauen
aus dem Vertrauensitem nicht hervorgeht, was die Befragten unter „den meisten anderen“ verstehen (Glaeser, Laibson, Scheinkman & Soutter, 2000, S. 815; Lundmark, Gilljam & Dahlberg, 2016, S. 14). Dazu zeigen Torpe und Lolle (2011) in Daten der WVS, dass die meisten Befragten in westlichen Ländern das Vertrauensitem als Vertrauen in Personen, die man zum ersten Mal trifft deuten (vgl. auch Delhey, Newton & Welzel, 2011; Freitag & Bauer, 2013). Auch demonstrieren Sturgis und Smith (2010) mittels der Methode des lauten Denkens, dass rund ein Viertel der Befragten das Item auf Bekannte bezieht, wobei über ein Drittel Fremde fokussiert. Wird das generalisierte soziale Vertrauen auf letzteren Radius angepasst, fällt es in betrachteten Ländern etwas geringer aus (vgl. auch Delhey et al., 2011, 2014). Jedoch erweist sich die Vertrauensfrage im Ländervergleich als reliabel und valide (Bjørnskov, 2006). So gilt die Standardfrage zu generalisiertem sozialen Vertrauen weiter als angemessene Operationalisierung (Nannestad, 2008, S. 419). Gemäß der achten Welle der European Social Survey [ESS] (2016) finden im Jahr 2016 rund 33 Prozent der deutschen Bevölkerung, dass man den meisten Menschen vertrauen kann; knapp 22 Prozent geben an, man könne diesbezüglich nicht vorsichtig genug sein (11-stufige Skala, Skalenpunkte 0 bis 3 und 7 bis 10 zusammengefasst). Seit der ersten Welle im Jahr 2002 ist das generalisierte soziale Vertrauen im Mittel bei rund 25 Prozent der Befragten mit (sehr) hohen Zustimmungswerten relativ stabil, seit 2012 leicht angestiegen und 2018 auf 21 Prozent leicht abgefallen (ESS, k. A.).50 In der Vorabveröffentlichung der fünften Welle der EVS (2019) geben 2017 rund 45 Prozent auf einer dichotomen Skala an, dass man den meisten Menschen vertrauen kann. Gemäß den integrierten Daten der EVS (2015) und WVS (2015) ist dieser Anteil von rund einem Drittel Anfang der 1980er Jahre sukzessive angestiegen auf rund 45 Prozent in 2013. In den Wellen der WVS (2015) von 2006 und 2013 sowie der fünften Welle der EVS (2019) von 2017 wurden die Vertrauensobjekte zusätzlich differenzierter abgefragt (4-stufige Skala, „do not trust at all“ bis „trust completely“, Skalenpunkte 1 bis 2 und 3 bis 4 zusammengefasst). Menschen, denen man zum ersten Mal begegnet, bringen jeweils rund 30 Prozent (sehr großes) Vertrauen entgegen, während rund
50Sofern nicht anders ausgewiesen basieren die präsentierten Befunde auf eigenen Berechnungen auf Basis der jeweiligen für wissenschaftliche Zwecke öffentlich zugänglichen Datensätze. Dabei werden Befunde zum Zeitraum der Datenerhebung in dieser Studie (2016, 2017) fokussiert; im Längsschnitt werden die Daten jedoch ausgewiesen bis 2018, was zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die aktuellsten Wellen umfasst, um die Befunde zur Zeit der Entstehung der Studie einordnen zu können.
2.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde …
55
70 Prozent diesen (überhaupt) nicht vertrauen. Bekannten Gegenübern vertrauen dagegen je rund respektive über 90 Prozent (sehr), und maximal rund 10 Prozent (überhaupt) nicht. Somit entsprechen die Vertrauensanteile in die meisten Menschen eher denen bezüglich unbekannter Personen. Zur Operationalisierung politischen Vertrauens lässt sich folgendes festhalten: Erstens wird in internationalen Repräsentativbefragungen und damit jeweiligen Sekundäranalysen oft direkt nach dem Grad des Vertrauens in repräsentative und implementierende Institutionen gefragt (dichotome bis 11-stufige Skalen, ESS, 2016, 2018; European Commission, 2017c; EVS, 2015, 2019; Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften [GESIS], 2016; WVS, 2015). Kritisiert wird ebenfalls, dass unklar sein mag, auf was die Befragten ihr Vertrauen in Institutionen beziehen. Demgegenüber wird zweitens partiell die politische Performanzbewertung als Bezugspunkt eingesetzt, wie prominenter Weise in der American National Election Studies [ANES] (2010); diese erhebt, wie häufig man der Regierung vertraut „to do what is right“ (4-stufige Skala, 1 = „never“ bis 4 = „just about always“). Zudem wird die Bewertung nach diversen Performanzkriterien erfragt, wie Korruption oder Responsivität (vgl. auch Strömbäck, Djerf-Pierre & Shehata, 2016). Allerdings ist auch hier strittig, ob damit das Vertrauen in die amtierende Regierung oder die Institution im Allgemeinen erfasst wird (Citrin, 1974; Miller, 1974). In Daten der ANES von 1978 zeigt Feldman (1983) dazu, dass Items zu Vertrauen in Regierung und Kongress sowie beide Items mit Bezug zu amtierenden Institutionen auf distinkte Faktoren laden; dies wird als Hinweis gewertet, dass die Befragten ersteres als Vertrauen in die Institutionen per se verstehen. Dennoch mag diese Formulierung zu einer Überschätzung des Einflusses der Performanzbewertung führen (Mishler & Rose, 1997, S. 422) und eine mögliche Endogenität zwischen vergangener politischer Performanzbewertung und politischem Vertrauen analytisch verwischen (Catterberg & Moreno, 2005, S. 33–34). Gemäß repräsentativer Daten zum Stand des politischen Vertrauens in Deutschland ist das Vertrauen in repräsentative politische Institutionen zum Zeitpunkt der hier zugrundeliegenden Datenerhebung niedriger als das in implementierende (vgl. Abbildung 2.7). Zu ersteren geben je rund ein Drittel bis 60 Prozent an, der Bundesregierung oder dem Bundestag (eher oder sehr) zu vertrauen, aber nur 14 Prozent bis ein Drittel politischen Parteien oder Politikern. Unterschiedliche Vertrauenslevels bei gleichen Vertrauensobjekten könnten so neben zeitlichen Schwankungen von diversen Skalierungen rühren. Damit erzielt „das wichtigste Element der Meinungsbildung im parlamentarischen System, die Parteien“ (Decker, Kiess, Eggers & Brähler, 2016, S. 59) das geringste Vertrauenslevel. Was implementierende Institutionen angeht, so vertraut diesen
56
2 Vertrauen
ESS: 2016
teils/teils
27%
83%
91%
17%
9% Polizei
42% 37%
73%
Justiz
Politische Parteien
14%
58% 64%
Bundestag
65% 29% 22%
Mitte-Studie: 2016
(sehr)/(eher) großes Vertrauen
36% 66%
Bundesregierung
54%
Polizei
Bundesregierung
Politische Parteien
8% Polizei
18%
36%
Bundestag
48% 24%
38% 44%
68%
Justiz
23% 50%
Justiz
Politiker
38% 39%
34%
Bundestag
14% 14%
Politische Parteien
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Bundeswehr
jeweils die Hälfte bis rund 90 Prozent der Befragten. Alleine dies spricht dafür, Vertrauen in repräsentative und implementierende Institutionen analytisch zu trennen.
Eurobarometer: 2017 (überhaupt)/(eher) kein Vertrauen
Abbildung 2.7 Politisches Vertrauen in Deutschland. (Anmerkungen. Eurobarometer 2017 (European Commission, 2018b) n = 1.433 bis 1.533, dichotome Skala, „eher nicht vertrauen“ vs. „eher vertrauen“; ESS (2016): n = 2.804 bis 2.842, 11-stufige Skala, „vertraue überhaupt nicht“ bis „vertraue voll und ganz“, Skalenpunkte 0 bis 3 = „vertraue (überhaupt) nicht“ und 7 bis 10 = „vertraue (voll und ganz)“ zusammengefasst; MitteStudie (Decker, Kiess, Eggers et al., 2016): n = 2.420, 7-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 3 = „kein Vertrauen“ und Skalenpunkte 5 bis 7 = „Vertrauen“ zusammengefasst; Eurobarometer und ESS: gewichtete Daten gemäß den jeweiligen Empfehlungen für die Analyse von Gesamtdeutschland)
Zur Einordnung des politischen Vertrauens in Deutschland zeigt sich erstens in repräsentativen Längsschnittdaten (vgl. Abbildung 2.8), dass im Zeitverlauf seit Anfang der 1980er Jahre die Bundesregierung relativ stabil höhere Vertrauenswerte erzielt als Politiker und Parteien. Ähnlich findet sich bei implementierenden Institutionen (vgl. Abbildung 1, elektronisches Zusatzmaterial), dass die Polizei und die Bundeswehr 1981 bis 2017 stets höhere Vertrauenslevels erlangen als die Justiz. In politische Parteien, Bundestag und Bundesregierung vertrauen insgesamt größtenteils (weit) weniger als die Hälfte der deutschen Bevölkerung, während Bundeswehr, Justiz und Polizei (weit) über die Mehrheit der Bürger großes Vertrauen entgegenbringt. Diese Relationen finden sich auch im internationalen Vergleich, etwa in Skandinavien oder den USA (Gronke & Cook, 2007;
2.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde …
57
Strömbäck et al., 2016). Dabei ist das Vertrauen in politische Institutionen in der deutschen Bevölkerung im Großen und Ganzen relativ beständig und in den letzten Jahren teils ein leichter Anstieg zu verzeichnen.
100%
ESS vertraue (voll und ganz) in Parteien ESS vertraue (voll und ganz) in den Bundestag ESS vertraue (voll und ganz) in Politiker Eurobarometer Bundesregierung eher vertrauen Eurobarometer Politische Parteien eher vertrauen Eurobarometer Bundestag eher vertrauen EVS | WVS (sehr/ziemlich viel) Vertrauen in die Regierung EVS | WVS (sehr/ziemlich viel) Vertrauen in Parteien EVS | WVS (sehr/ziemlich viel) Vertrauen in den Bundestag
90% 80% 70% 60%
62%
54%
57%
50% 40%
38%
33%
30%
36% 32%
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Abbildung 2.8 Vertrauen in repräsentative Institutionen in Deutschland im Zeitverlauf. (Anmerkungen. ESS (k. A., 2016, 2018): Parteien: n = 2.697 bis 3.009, Bundestag: n = 2.686 bis 3.007, Politiker: n = 2.717 bis 3.025, 11-stufige Skala, „vertraue überhaupt nicht“ bis „vertraue voll und ganz“, Skalenpunkte 0 bis 3 = „vertraue (überhaupt) nicht“ und 7 bis 10 = „vertraue (voll und ganz)“ zusammengefasst; Eurobarometer (European Commission, 2012a, 2012b, 2012c, 2012d, 2012e, 2012f, 2012g, 2012h, 2012i, 2012j, 2012k, 2013a, 2013b, 2014, 2015, 2017a, 2017b, 2017c, 2018a, 2018b, 2018c): Bundesregierung (nicht erhoben: 2000): n = 1.405 bis 1.883, Parteien: n = 1.409 bis 1.902, Bundestag: n = 1.388 bis 1.847, dichotome Skala, „eher nicht vertrauen“ vs. „eher vertrauen“; EVS, 2015, 2019|WVS, 2015: Regierung (nicht erhoben: 1981, 1990, 1999): n = 1.939 bis 3.564, Parteien (nicht erhoben: 1981, 1990, 1999): n = 1.931 bis 3.474, Bundestag: n = 1.290 bis 5.030, 4-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 2 = „sehr/ziemlich viel Vertrauen“ und 3 bis 4 = „wenig/überhaupt kein Vertrauen“ zusammengefasst; ESS, Eurobarometer, EVS|WVS: gewichtete Daten gemäß den jeweiligen Empfehlungen für die Analyse von Gesamtdeutschland, Vertrauenswerte vor 1990 beziehen sich auf Westdeutschland; auch wird politisches Vertrauen in Deutschland zum Beispiel im Allbus (GESIS, 2016, 2017) regelmäßig erhoben)
Zweitens zeigen sich Unterschiede bezüglich des Vertrauens in repräsentative Institutionen im internationalen Vergleich (für einen Überblick vgl. auch van der Meer, 2017). Neben der WVS (2015), deren Daten allerdings lediglich bis 2013 zurückreichen, lassen sich zum Beispiel die Onlinebefragungen der Kommunikationsagentur Edelman (Edelman Trust Barometer, 2018) zu Rate
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2 Vertrauen
ziehen. Im Jahr 2017 demonstrieren diese, dass asiatische Länder (z. B. China, Indonesien) mit 65 bis 84 Prozent das höchste Vertrauenslevel in die Regierung der 28 teilnehmenden Länder verzeichnen (9-stufige Skala, „do not trust them at all“ bis „trust them a great deal“, Skalenpunkte 6 bis 9 zusammengefasst), wobei diese zum Teil kein demokratisches Regime aufweisen. Nordeuropäische Länder, aber auch die USA erzielen Vertrauensniveaus von weniger als 50 Prozent (Deutschland: 43 %, USA: 33 %). Während Deutschland zu den Ländern gehört, die einen leichten Anstieg des Vertrauens in die Regierung zu 2016 zeigen, sinkt der Anteil in den USA am stärksten von allen Ländern. Ende 2018 liegen Deutschland und die USA diesbezüglich allerdings mit 40 Prozent gleichauf (Edelman Trust Barometer, 2019).
2.4 Zwischenfazit: Vertrauen und Erklärungen von dessen Einflüssen Obgleich die Vertrauensforschung Jahrzehnte zurückreicht, existiert bislang weder ein einheitliches Verständnis von Vertrauen, noch davon, wie es erklärt werden kann. Das mag auch daran liegen, dass dies zumeist aus disziplininternen Perspektiven bearbeitet wurde. Für die vorliegende Studie, die Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten fokussiert, wurde ein Vertrauensverständnis daher an disziplin- und perspektivübergreifend zentralen Merkmalen festgemacht (vgl. auch Hanitzsch et al., 2018; Jakobs, 2018). So wird Vertrauen als relationale Haltung des Vertrauensgebers gesehen, die an die Bereitschaft geknüpft ist, sich freiwillig von für ihn bedeutsamen Äußerungen, Handlungen oder Leistungen eines Vertrauensnehmers abhängig zu machen, die er nicht selbst erbringen kann. Dies basiert auf der Erwartung, dass letzterer die Äußerung, Handlung oder Leistung in der Zukunft angemessen erfüllen wird, wobei man dies weder kontrollieren, noch vorhersehen kann und das Risiko akzeptiert, dass den Erwartungen nicht adäquat entsprochen wird. Dabei wird der Auffassung gefolgt, dass die Gründe nicht für jede Vergabe bewusst sein müssen, was einschließt, dass diese weiterhin vorhanden vorausgesetzt werden können. Vertrauenswürdigkeit wird als zugeschriebenes Merkmal des Vertrauensobjektes gefasst, das der Vergabe von Vertrauen vorgeordnet ist. Misstrauen wurde als funktionales Äquivalent abgegrenzt, wobei kein Vertrauen zu haben nicht per se Misstrauen bedeutet und letzteres somit nicht erhoben werden soll. Überdies mag geringes oder fehlendes politisches Vertrauen mit politischer Skepsis positiv assoziiert sein, was einer kritisch-abwägenden, aber ergebnisoffenen Haltung gegenüber (den Leistungen von) politischen Objekten entspricht. Politischer Zynismus gibt hingegen die
2.4 Zwischenfazit: Vertrauen und Erklärungen von dessen Einflüssen
59
Haltung wieder, dass der politische Prozess und damit auch politische Performanz pauschal als schädlich zu bewerten ist und politische Akteure inkompetent sind sowie nur eigene Interessen vertreten, was mit Misstrauen verbunden sein kann. Überdies werden hier über verschiedene Vertrauensobjekte generalisiertes soziales und politisches Vertrauen fokussiert. Generalisiertes soziales Vertrauen bezieht sich auf Mitmenschen allgemein und basiert wohl größtenteils auf indirekten vertrauensspezifischen Erfahrungen mit anderen. Generalisiertes politisches Vertrauen kann auf abstrahierten und generalisierten (und wohl primär indirekten) Erfahrungen mit politischen Institutionen und Akteuren fußen. Korporativ-formelle politische Institutionen (z. B. eine Regierung), erfüllen primär die Funktion, Interessen der Bürger angemessen in kollektiv bindende Entscheidungen umzuwandeln. Politisches Vertrauen bezieht sich auf die korrekte Erfüllung dieser Leistung und damit auf politische Performanz, die hier aus Sicht der Bürger interessiert (Bierhoff, 2002; Göhler, 1988). Auch wurden Erklärungen zu Institutionenvertrauen herangezogen, die die Mikroebene fokussieren, was primär die politologische Vertrauensforschung liefert (vgl. Tabelle 2.1). Darin finden teils psychologische Erklärungsmuster Anklang: Aus der Zusammenschau geht hervor, dass generalisiertes soziales Vertrauen von frühkindlichen Bindungen geprägt ist und sich ausbildet, sobald Jugendliche in sozialen Netzwerken höherer sozialer Reichweite eingebunden sind. Da generalisiertes soziales Vertrauen erfahrungsbasiert ist und sich deren Bewertungskriterien wandeln können, ist es lebenslang veränderbar (Rotter, 1967). Aus kulturalistischer Sicht wird betont, dass generalisiertes soziales Vertrauen (oder soziales Kapital) politische Kooperation fördern und (wiederum) politisches Vertrauen begünstigen kann (Putnam, 2000). Auch wird angenommen, dass Bürger, die eine postautoritäre Wertorientierung teilen, kritischer gegenüber Autoritäten sind und höhere demokratische Ansprüche haben, was politisches Vertrauen senken mag (Inglehart & Welzel, 2005). Aus institutionalistischer Sicht steht die politische Performanzbewertung im Vordergrund, die mit politischem Vertrauen positiv assoziiert ist (Easton, 1975). Dazu wird argumentiert, dass Bürger, die politischen Institutionen darin vertrauen, etablierte Regeln durchzusetzen, mehr generalisiertes soziales Vertrauen zeigen (Rothstein & Stolle, 2008b). Dass beide Perspektiven den Einfluss der jeweils anderen Merkmalsgruppe vernachlässigen, greifen integrative Erklärungen auf. Diese fokussieren kulturelle Merkmale und die politische Performanzbewertung als Korrelate politischen Vertrauens. Mishler und Rose (2001) ergänzen dabei, dass politisches Vertrauen die Performanzbewertung zum nächsten Zeitpunkt beeinflussen kann, während Rohrschneider (1999) in einem seltener rezipierten Modell integriert, dass Wertorientierungen auch die politische Performanzbewertung prägen.
Institutionalistisch
politische Performanz
Zentrale Einflüsse
Anmerkungen. Eigene Darstellung
soziales Kapital Wertorientierungen
politische Unterstützung
Easton (1975)
Integrativ
politisches Vertrauen
Mishler & Rose (2001)
Lifetime LearningModell
politische Unterstützung
Rohrschneider (1999)
Ideological Performance-Modell
Wertorientierungen, politische Performanz, generalisiertes politische Performanz politisches Vertrauen soziales Vertrauen, politische Performanz
generalisiertes soziales Vertrauen
Rothstein & Stolle (2008b)
Political „Institutionelle Support-Ansatz Theorie“
Abhängige u. a. politische u. a. politisches Variablen Performanz Vertrauen
Putnam (2000) Inglehart & Welzel (2005)
Vertreter
WertewandelAnsatz
SozialkapitalAnsatz
Ansatz
Kulturalistisch
Tabelle 2.1 Überblick über Erklärungen von Vertrauen in politische Objekte
60 2 Vertrauen
2.4 Zwischenfazit: Vertrauen und Erklärungen von dessen Einflüssen
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Gerade vorgeschlagene indirekte Einflüsse finden aber bislang wenig Überprüfung. Somit scheint es für eine theoretische Unterfütterung von Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien sinnvoll, letztere integrative Erklärungen als Grundgerüst nutzbar zu machen. Zuvor ist Vertrauen in journalistische Medien jedoch theoretisch zu umreißen, was nun folgt.
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Vertrauen in journalistische Medien
Die Kommunikationswissenschaft kann auf eine nicht allzu lange, insbesondere in den letzten Jahren jedoch zunehmend rege Forschungstradition zu Vertrauen in mediale Objekte zurückblicken. Als Basis, um potenzielle Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien zu extrahieren, wird im Folgenden ein Verständnis von Vertrauen in journalistische Medien für die vorliegende Studie geklärt (vgl. Abschnitt 3.1). Folgend werden Perspektiven auf Vertrauen in mediale Objekte der kommunikationswissenschaftlichen Vertrauensforschung gegenübergestellt (vgl. Abschnitt 3.2). Abgeschlossen wird mit einer Darstellung prominenter Operationalisierungen sowie deskriptiver Befunde zu Vertrauen in (journalistische) Medien in Deutschland (vgl. Abschnitt 3.3).
3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien Nach einem Exkurs zur Medienglaubwürdigkeitsforschung (vgl. Abschnitt 3.1.1) ist es das Ziel des Kapitels, Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien für diese Studie zu liefern. Dazu wird ein Verständnis von Vertrauen in journalistische Medien abgeleitet und vom Begriff der Glaubwürdigkeit abgegrenzt (vgl. Abschnitt 3.1.2). Anschließend werden für die Studie zentrale Formen von Vertrauen in (journalistische) Medien differenziert (vgl. Abschnitt 3.1.3) und der Zusammenhang zwischen Vertrauen und Misstrauen in mediale Objekte diskutiert (vgl. Abschnitt 3.1.4). Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi. org/10.1007/978-3-658-31154-4_3. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Obermaier, Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31154-4_3
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3 Vertrauen in journalistische Medien
3.1.1 Forschungshistorie: Medienglaubwürdigkeit Als Vorläufer der kommunikationswissenschaftlichen Vertrauensforschung gilt die Forschung zu Medienglaubwürdigkeit (Kohring, 2004, S. 17). Erste Arbeiten interessierten sich für vergleichende Glaubwürdigkeitsbewertungen von Mediengattungen; ein zweiter Strang entwickelte sich aus dem Forschungsprogramm der Yale-Gruppe (Hovland et al., 1961; Janis et al., 1959) und explorierte deren Dimensionen. Die Sichtweise, dass Glaubwürdigkeit von Rezipienten zugeschrieben wird und erst dann persuasive Effekte entfalten kann, dominiert mittlerweile (Bentele, 1988, S. 408; Schweiger, 1999, S. 91). Beide Stränge werden knapp skizziert (für einen Überblick vgl. auch Kohring, 2004, S. 18–78; Metzger, Flanagin, Eyal, Lemus & McCann, 2003). Ungeachtet erster Arbeiten zur vergleichenden Medienglaubwürdigkeit in den 1930er Jahren (Charnley, 1936), bekam diese mehr Aufmerksamkeit mit Aufkommen der „Roper-Frage“ (Roper Organization, 1995) in Umfragen für das Television Information Office Anfang der 1960er Jahre. Diese lautete ursprünglich: „If you got conflicting or different reports of the same news story from radio, television, and the newspapers, which of the three versions would you be most inclined to believe, the one on radio or television or newspapers?“ (Greenberg, 1966, S. 667). Eine Vielzahl an Studien folgte, wobei das Fernsehen von US-amerikanischen Befragten seit den 1960er Jahren am relativ glaubwürdigsten eingeschätzt wird, gefolgt von Zeitungen, Radio und Zeitschriften (Metzger et al., 2003, S. 306). In Deutschland wird die Roper-Frage seit Mitte der 1960er Jahre regelmäßig in der Langzeitstudie Massenkommunikation verwendet (Krupp, Breunig & Best, 2016). Daneben interessierten Erklärungen für die Dominanz des Fernsehens: Mehrheitlich fokussierten Studien erstens den Einfluss soziodemografischer Merkmale, was ambivalente Hinweise mit schwacher Erklärkraft lieferte (vgl. auch Kohring, 2004, S. 46). In den meist nicht-repräsentativen US-Befragungen deutet sich an, dass Frauen, jüngere Rezipienten und solche mit niedrigerem sozioökonomischen Status das Fernsehen eher als glaubwürdigstes Medium einstufen (Greenberg, 1966; Mulder, 1981; Westley & Severin, 1964). Zweitens erklären einige Studien den Befund mit Merkmalen des Mediums Fernsehen. So wird vermutet, dass Rezipienten eher Sachverhalte als glaubwürdig einstufen, die sie selbst sehen („seeing is believing“, Carter & Greenberg, 1965). Obgleich die Roper-Frage jahrzehntelang eingesetzt wurde, wird diese vielfach kritisiert. Etwa verringert sich der Abstand des Fernsehens, wenn die Glaubwürdigkeit der Gattungen gesondert erhoben oder zwischen lokaler und nationaler Berichterstattung differenziert wird (Abel & Wirth, 1977; Newhagen & Nass, 1989; Reagan & Zenazy, 1979).
3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien
65
Auch aufgrund dieser methodischen Schwächen ist mittlerweile der Einsatz mehrdimensionaler Skalen Standard. Die Basis dieses faktoranalytischen Ansatzes bildet das Forschungsprogramm der Yale-Gruppe; dieses untersuchte, wie situationale Faktoren persuasive Effekte interpersonaler Kommunikation beeinflussen (Hovland et al., 1961, S. 10–18). Zwei Bezugsobjekte sind dabei zentral (Metzger et al., 2003, S. 302–305): der Kommunikator („source credibility“) und dessen Botschaft („message credibility“). Kommunikatorglaubwürdigkeit fasst die Yale-Gruppe als rezipientenseitiges Konstrukt, das dessen wahrgenommene Kompetenz („well informed and intelligent“) und Vertrauenswürdigkeit („motivated to make [non]valid assertions“) umfasst (Hovland et al., 1961, S. 21).1 In einer Vielzahl experimenteller Folgestudien wurden entsprechende primäre Dimensionen extrahiert (für einen Überblick vgl. z. B. O’Keefe, 2002); darüber hinaus zeigen sich sekundäre Dimensionen, wie Geselligkeit (Berlo, Lemert & Mertz, 1969).2 Überdies interessierte der Einfluss inhaltlicher Merkmale: So fördert die Qualität der Botschaft – etwa, wenn Argumente für Behauptungen geliefert werden oder diese angemessen geschrieben ist – die empfundene Glaubwürdigkeit des Kommunikators (Hamilton, 1998; Slater & Rouner, 1996). Analog zeigen Studien zur Glaubwürdigkeit im Online-Bereich, dass inhaltliche (Qualitäts-)Merkmale wie Ausgewogenheit, Vollständigkeit und Richtigkeit, beispielsweise durch detaillierte Beiträge sowie Verlinkungen zu verwendeten Quellen, die Glaubwürdigkeit von Informationen respektive Webseiten erhöhen (Alexander & Tate, 1999; Fogg et al., 2001; Hu & Sundar, 2010; Sundar, 1999).3 Vermuten Rezipienten ökonomische Ziele oder sind Beiträge mit sensationalisierenden Überschriften versehen („Clickbait“), kann dies wiederum die empfundene Glaubwürdigkeit von Webseiten respektive journalistischen Online-Beiträgen senken (Fogg et al., 2001; Molyneux & Coddington, 2019). Auch kann das Renommee einer Medienmarke sowie Empfehlungen anderer Nutzer die wahrgenommene Glaubwürdigkeit von Online-Angeboten oder -Beiträgen fördern (Metzger, Flanagin & Medders, 2010;
1Ansatzübergreifend
kann diese als kleinster gemeinsamer Nenner gefasst werden als „judgements made by a perceiver […] concerning the believability of a communicator“ (O’Keefe, 2002, S. 181). 2Resultierende Skalen zur Kommunikatorglaubwürdigkeit unterscheiden sich in diesen Dimensionen (Wirth, 1999, S. 49; vgl. auch Berlo et al., 1969; Infante, 1980). 3Zur Messung der Informations- respektive Nachrichtenglaubwürdigkeit wird teils auf Skalen zur Qualität (Rieh & Belkin, 1998) oder Medienglaubwürdigkeit zurückgegriffen (Austin & Dong, 1994; Kiousis, 2006).
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3 Vertrauen in journalistische Medien
Turcotte, York, Irving, Scholl & Pingree, 2015; vgl. auch Metzger & Flanagin, 2013). Auf Basis der Forschung der Yale-Gruppe wurde Ende der 1960er Jahre Medienglaubwürdigkeit mittels Skalen der Kommunikatorglaubwürdigkeit gemessen (Jacobson, 1969; Lee, 1978), wobei deren Passung auf das Bezugsobjekt verbessert wurde. Eine prominente Skala zur Medienglaubwürdigkeit liefern Gaziano und McGrath (1986), die in Gruppendiskussionen Bewertungskriterien explorierten. Die zwölf Items umfassen, wie sehr ein Medium Interesse am Wohlergehen der Gemeinschaft hat und zu welchem Grad die Berichterstattung fair, vollständig und korrekt ist. So zeigen sich auch hier die Dimensionen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit, aber zugeschnitten auf Medien (Nawratil, 1997, S. 149). In einer Replikation demonstriert Meyer (1988), dass nur letztere Items auf einen Faktor laden, der sich als Skala als reliabel wie valide erweist (West, 1994). Beide Skalen sind bis heute prominent (Metzger et al., 2003, S. 310), trotz der Hinweise, dass die Skala von Gaziano und McGrath (1986) mehr als eine latente Dimension misst. Um die Glaubwürdigkeit des Internets oder von Online-Angeboten zu eruieren, wurden die Skalen teils angepasst (Flanagin & Metzger, 2000; Johnson & Kaye, 1998; Schweiger, 2000; Sundar, 1999). Abdulla, Garrison, Salwen, Driscoll und Casey (2002, August) extrahieren so Ausgewogenheit, Ehrlichkeit sowie Aktualität als Indikatoren für die Glaubwürdigkeit von Nachrichtenmedien (im Online-Bereich, vgl. auch Yale, Jensen, Carcioppolo, Sun & Liu, 2015), die in der medialen Vertrauensforschung bereits Einsatz findet (Prochazka & Schweiger, 2019). Zudem ist evident, dass Rezipienten Medien im Offline- und Online-Bereich wesentlich nach den gleichen Kriterien bewerten (Sundar, 1999). Auch sind erneut die Qualitätsmerkmale Fairness, Vollständigkeit und Richtigkeit positiv mit der Glaubwürdigkeit von Zeitungen, Fernsehen und Internet verbunden (Park, 2005; vgl. auch Maier, 2005). Die relativen Glaubwürdigkeitswerte für das Internet respektive Online-Nachrichten liegen jedoch häufig hinter denen von Zeitungen sowie teils des Fernsehens (Flanagin & Metzger, 2000; Kiousis, 2001; Schweiger, 2000); allerdings können diese in Abhängigkeit von Merkmalen medialer Objekte (z. B. Online-Angebote traditioneller Medien) oder von Rezipienten (z. B. Weblog-Nutzung, politisches Interesse) als mindestens ähnlich glaubwürdig bewertet werden (Johnson & Kaye, 2004, 2010). Zum Einfluss von individuellen Merkmalen zeigen sich mit faktoranalytisch gebildeten Skalen (im Online-Bereich) ähnliche Tendenzen wie in den Studien zu relativer Medienglaubwürdigkeit. Etwa geben jüngere Rezipienten höhere Glaubwürdigkeitswerte des Fernsehens sowie von Online-Nachrichten an, während ältere teils Zeitungen als glaubwürdiger einschätzen (Bucy, 2003;
3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien
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Johnson & Kaye, 2002; Robinson & Kohut, 1988). Auch wird evident, dass Rezipienten Mediengattungen als glaubwürdiger bewerten, die sie selbst häufig nutzen und umgekehrt (Johnson & Kaye, 2000, 2004, 2010; Schweiger, 2000; Stroud & Lee, 2013). Was soziale Netzwerkseiten oder nutzergenerierte Inhalte betrifft, halten Rezipienten, die journalistische Medienangebote überprüfen oder vermeiden wollen sowie kritisch gegenüber diesen sind, erstere eher für glaubwürdig (Carr, Barnidge, Lee & Tsang, 2014; Johnson & Kaye, 2015b). Zudem weisen Erkenntnisse der Hostile Media-Forschung darauf hin, dass bezüglich (politischer) Positionen stark involvierte Rezipienten die Berichterstattung als verzerrt gegen die eigene Meinung sowie als weniger glaubwürdig sehen (Kim, 2015). Der faktoranalytische Ansatz der Glaubwürdigkeit medialer Objekte ist ebenfalls nicht frei von Kritik. Zentral wird das theorielose Vorgehen bemängelt, was auch damit begründet wird, dass Glaubwürdigkeit medialer Objekte lange Zeit primär als unabhängige Variable interessierte (Metzger et al., 2003, S. 321). So überschneiden sich Operationalisierungen der Medienglaubwürdigkeit mit solchen angrenzender Konstrukte (Wirth, 1999, S. 58), wie journalistischer Qualität (Yale et al., 2015). Somit ist es notwendig, diese Konstrukte theoretisch und empirisch zu differenzieren, sofern beide eine Berücksichtigung finden sollen. Da lange Zeit ein relativ unreflektierter Medienbegriff verwendet wurde, existieren neben Forschungsbemühungen zur Glaubwürdigkeit medialer Objekte im Online-Bereich (für einen Überblick vgl. z. B. Metzger et al., 2003) mittlerweile entsprechende Definitionen und Erklärungen (Bentele, 1994b; Nawratil, 1997; Schweiger, 1999, 2000; Wirth, 1999). Auf diese wird erneut Bezug genommen, soweit sie der Begriffsklärung von Vertrauen in mediale Objekte dienen. Im Anschluss folgt nun die Klärung des Verständnisses von Vertrauen in journalistische Medien für diese Studie.
3.1.2 Verständnis von Vertrauen in journalistische Medien: Funktionen, Merkmale und Eingrenzung In der kommunikationswissenschaftlichen Vertrauensforschung herrscht, ungeachtet der jeweiligen Perspektive, weitgehend Übereinstimmung, dass das Vertrauen in journalistische Medien den Rezipienten primär ermöglicht, auf Basis der Berichterstattung eine Meinung zu bilden oder zu handeln und dabei mit dem Risiko umzugehen, dass sie nicht vorhersehen können, ob diese ihre Leistungen angemessen erbringen (z. B. ausgewogen und korrekt berichten, Coleman, 2012, S. 36; Kohring, 2004, S. 165–166). Medienökonomisch
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3 Vertrauen in journalistische Medien
gelten Medienangebote analog als Vertrauens- und Erfahrungsgüter (vgl. auch Nelson, 1970), da Rezipienten die normative Qualität der Berichterstattung nicht a priori (z. B. anhand des Preises) beurteilen können und sich ihnen die journalistische Leistung, wenn überhaupt, nach längerer Nutzungserfahrung erschließt (Beyer & Carl, 2008, S. 15; Heinrich, 1996, S. 167–169). Somit reduziert Vertrauen in journalistische Medien Komplexität und entlastet Rezipienten, weil sie relevante Informationen jenseits direkter Erfahrungen nicht selbst beschaffen müssen, was aufgrund deren eingeschränkter Zugänglichkeit und Fülle schwerlich zu leisten wäre (Blöbaum, 2014, S. 19; Jackob, 2010, S. 589). Wie einleitend skizziert, gilt es daher erstens als Voraussetzung für Medienwirkungen (Kohring & Matthes, 2007, S. 231), auch, weil es zum Teil positiv mit der Mediennutzung assoziiert ist (Tsfati & Cappella, 2003). So schließen Rezipienten mit hohem Vertrauen in journalistische Medien eher von den in der Berichterstattung abgebildeten Meinungen auf das gesellschaftliche Meinungsklima und übernehmen eher die mediale Agenda (Tsfati, 2003a, 2003b). Sinkt das Vertrauen der Rezipienten in Medienangebote und verringert dies wiederum deren Reichweite, kann überdies die Finanzierung redaktioneller Leistungen durch Anzeigen erschwert werden und vice versa (Vanacker & Belmas, 2009, S. 123). Zweitens bieten journalistische Medien „the crucial source of information about social and political life“ (Kohring & Matthes, 2007, S. 238). In modernen Gesellschaften sind Rezipienten häufig abhängig von Leistungen politischer und ökonomischer Institutionen, wobei sie nicht vorhersehen können, ob diese angemessen erfüllt werden und kaum direkte Erfahrungen dahingehend machen können (Kohring & Matthes, 2007, S. 238–239). Journalistische Medien liefern Berichterstattung über die Vertrauenswürdigkeit politischer Objekte, zum Beispiel durch Berichte über politische Performanz; vertrauen Rezipienten journalistischen Medien, könnten diese indirekten Erfahrungen in ihre politische Vertrauensbeziehung eingehen (Bentele, 1994b, S. 136). Damit ist Vertrauen in journalistische Medien essentiell für die Erfüllung der Bürgerpflichten, wie politische Partizipation (Kohring, 2008, S. 611). Unter Rückgriff auf den für die Studie extrahierten Vertrauensbegriff sowie kommunikationswissenschaftliche Verständnisse sollen nun zentrale, perspektivübergreifende Merkmale von Vertrauen in (journalistische) Medien herausgearbeitet werden (vgl. auch Hanitzsch et al., 2018; Jakobs, 2018; Vanacker & Belmas, 2009). Erneut werden diese partiell aufgegriffen, wenn Verständnisse von Vertrauen in journalistische Medien gegenübergestellt werden (vgl. Abschnitt 3.2). Erstens ist Vertrauen in journalistische Medien relational, da
3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien
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Rezipienten als Vertrauensgeber ihr Vertrauen zum Beispiel auf journalistische Medien als Institution und Journalisten als deren Repräsentanten richten. Damit ist es ein Merkmal der Beziehung zwischen Rezipienten und medialen Vertrauensobjekten, wobei auch hier angenommen wird, dass beide wechselseitig um die Vertrauensrelation wissen müssen (Kohring, 2004, S. 132). Analog zu politischem Vertrauen lässt sich Vertrauen in (journalistische) Medien dadurch charakterisieren, dass es auf mediale Objekte verweist (vgl. Abschnitt 3.1.3). Da es sich bei letzteren um abstrakte Vertrauensobjekte handelt, bezieht sich dieses zweitens darauf, dass journalistische Medien ihre normativen Funktionen oder Leistungen angemessen erfüllen werden (Hanitzsch et al., 2018, S. 5; Matthes, Kühne, Schemer & Wirth, 2010, S. 264); damit ist es zudem, anders als eine Bewertung, auf die Zukunft gerichtet. Von diesen Leistungen sind Rezipienten abhängig, da ihnen relevante gesellschaftliche Informationen nicht direkt zugänglich sind, sie diese jedoch benötigen, um unter anderem ihren Bürgerpflichten nachzukommen oder Informationsbedürfnisse zu erfüllen (Hanitzsch et al., 2018, S. 5; Prochazka & Schweiger, 2019, S. 27; Vanacker & Belmas, 2009, S. 112). Rezipienten vertrauen somit, dass journalistische Medien beispielsweise entsprechend ihren normativen Erwartungen als Bürger (Hasebrink, 2011, S. 324) das entgegengebrachte Vertrauen rechtfertigen. Bei der Vergabe von Vertrauen können sie allerdings nicht vorhersehen, wie sehr mediale Vertrauensobjekte die (normativ verankerten) Leistungen adäquat erfüllen und dies meist nicht vollends kontrollieren oder nachprüfen können. Deswegen birgt Orientierung, Meinungsbildung sowie Handeln auf Basis der Berichterstattung ein Risiko, das Rezipienten zumindest einmal als solches wahrnehmen und akzeptieren müssen, um von Vertrauen zu sprechen (Kohring, 2004, S. 170; Quandt, 2012, S. 9–12; Tsfati & Cappella, 2003, S. 519). Dabei gehen Rezipienten das Abhängigkeitsverhältnis freiwillig ein, weil sie wählen können, welchen Medienangeboten oder Mediengattungen sie vertrauen (Hartmann, 2011, S. 85–88; Jakobs, 2018, S. 31). Weil Medienvertrauen damit einhergeht, dass Rezipienten ein Risiko billigen, ist dies drittens meist nicht unbegründet. So wird auch in Arbeiten zu Vertrauen in journalistische Medien betont, dass dieses auf der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit medialer Objekte basiert und sich damit zum Beispiel auf Bewertungen vergangener normativer Qualität der Berichterstattung stützt oder in diesen reflektiert wird (Grosser, 2016, S. 1041–1042; Kohring & Matthes, 2007, S. 239; Prochazka & Schweiger, 2019, S. 28). Weiterhin ist denkbar, dass diese Gründe für dessen Vergabe gerade bei längerfristigen Vertrauensbeziehungen zu medialen Objekten nicht stets bewusst wahrgenommen werden, etwa um
70
3 Vertrauen in journalistische Medien
kognitive Ressourcen zu sparen.4 Folglich würden diese gewohnheitsmäßig einfach weiter als vorhanden vorausgesetzt (Hartmann, 2011, S. 158). Dies mag auch daran liegen, dass Nutzungsentscheidungen in der Regel keine schwerwiegenden Folgen haben, sofern Erwartungen nicht erfüllt werden (Jäckel, 1992). Reflektiert werden diese beispielsweise dann, wenn wichtige Entscheidungen auf Basis medialen Outputs getroffen werden oder dessen Gründe in den Fokus rücken, zum Beispiel durch (indirekte) negative Erfahrungen mit medialer Performanz (Jackob, 2009, S. 385–386; Jakobs, 2018, S. 81).5 Zuletzt existieren auch für Vertrauen in journalistische Medien kognitive und behaviorale Verständnisse. Die meisten Autoren fassen dieses als Erwartung6 (Tsfati, 2014, S. 491), als Haltung (Jackob, 2012a, S. 117–118; Müller, 2013, S. 40, 62), als Einstellung (Prochazka & Schweiger, 2019, S. 28) oder als Bereitschaft, sich von den Leistungen journalistischer Medien abhängig zu machen (Grosser, 2016, S. 1040; Hanitzsch et al., 2018, S. 5). Letztere drei beinhalten zudem meist den Bezug auf die Erwartung, dass mediale Leistungen angemessen erfüllt werden (Hanitzsch et al., 2018, S. 5; Jackob, 2012a, S. 117– 118; Kohring, 2004, S. 175). Behavioral wird Vertrauen in journalistische Medien seltener gefasst; dabei wird aus beobachteten Meinungsäußerungen oder Handlungsentscheidungen geschlossen (Hoffjann, 2012, S. 40). Aus der Sicht von Rezipienten als Vertrauensgeber wird Vertrauen in journalistische Medien hier folgendermaßen verstanden (Hanitzsch et al., 2018, S. 5; Jakobs, 2018, S. 30–31; Prochazka & Schweiger, 2019, S. 27; vgl. Abschnitt 2.1.1): Vertrauen in journalistische Medien stellt eine relationale Haltung dar, die in einer
4Was
etwa gemäß Brosius (1995) rationalem Handeln im Sinne von Alltagsrationalität entspricht, da Rezipienten ihr Handeln den situationalen Bedingungen des Alltags anpassen und Ressourcen für wichtige Entscheidungen mit schwerwiegenden Folgen sparen (vgl. auch Voigt, 2016, S. 68). 5In der Forschung zu Medienqualität wird partiell demonstriert, dass Rezipienten in der Alltagsrezeption mäßig dazu motiviert sind, Qualitätsurteile im Abgleich normativer Kriterien zu bilden und diese eher gedächtnisbasiert formieren (Hastie & Park, 1986), wenn sie ein Urteil benötigen (Voigt, 2016; Weber et al., 2019). Dies vermuten Pingree, Quenette, Tchernev und Dickinson (2013, S. 356) analog für die Vergabe von Medienvertrauen. 6Gemäß Kohring (2017) könne man umgehen, dass sich der Vertrauensgeber enttäuschtes Vertrauen selbst zuschreiben müsse, mit einem Vertrauensbegriff als „durch wechselseitige Kenntnis und grundsätzliche Akzeptanz geprägte normative Erwartung, die den Vertrauenden berechtigt, seine Erwartungsenttäuschung an den Vertrauensadressaten zu richten“ (Kohring, 2017, S. 122).
3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien
71
sozialen Beziehung zwischen einem Rezipienten und einem medialen Vertrauensobjekt auftritt. Dabei ist ersterer auf dieses angewiesen bezüglich einer für ihn bedeutsamen Leistung, die er nicht ohne weiteres selbst erbringen kann. Der Rezipient ist freiwillig dazu bereit, sich diesbezüglich von dem medialen Objekt abhängig zu machen und so zu einem gewissen Grad seine Meinungs- und Einstellungsbildung sowie Handlungsentscheidungen auf die Berichterstattung zu gründen, basierend auf der normativen Erwartung, dass dieses seine Leistungen angemessen erfüllen wird. Der Rezipient kann dies weder kontrollieren, noch vorhersehen und billigt dennoch das Risiko, dass seinen normativen Erwartungen nicht angemessen entsprochen wird. Da verschiedene Sichtweisen existieren, wie Glaubwürdigkeit und Vertrauen in mediale Objekte zusammenhängen und beides zum Teil synonym verwendet oder gemessen wird (Fisher, 2016; Liu & Bates, 2009; Turcotte et al., 2015), ist zuletzt der Begriff der Glaubwürdigkeit abzugrenzen. Erstens wird Glaubwürdigkeit als Dimension von Vertrauen gesehen (Tsfati, 2003b, S. 159).7 Auch nehmen Tsfati und Kollegen in frühen Studien an, dass sich Medienskeptizismus unter anderem in der Bewertung von Medienglaubwürdigkeit widerspiegelt (Tsfati & Cappella, 2003, S. 506–507). Bentele argumentiert zwar ähnlich, dass Glaubwürdigkeit „ein Teilphänomen von Vertrauen“ (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 412) ist. Während Glaubwürdigkeit allerdings „kommunikativen Produkten“ (Bentele, 1998, S. 305) zugeschrieben wird und mit der Bereitschaft einhergeht, diese als richtig zu bewerten, bezieht sich Vertrauen auf Handlungsoptionen in der Zukunft. Nach Bentele (1994a, S. 305–309) nehmen Rezipienten die Berichterstattung so zu dem Grad als glaubwürdig wahr, je eher diese Sachverhalte richtig und vollständig darstellt (vgl. auch Nawratil, 1997, S. 176–206).8 Bentele und Seidenglanz (2015, S. 412) beziehen sich dabei auf Wirth (1999), der Glaubwürdigkeit fasst als „prinzipielle Bereitschaft […], Botschaften eines bestimmten Objektes als zutreffend zu akzeptieren und bis zu einem gewissen
7Dagegen
gilt Vertrauenswürdigkeit wie erwähnt in der faktoranalytischen Glaubwürdigkeitsforschung als Dimension von Glaubwürdigkeit (vgl. Abschnitt 3.1.1), wobei gemäß vorliegendem Verständnis auch Vertrauenswürdigkeit Vertrauen vorgeordnet ist (vgl. auch Seiffert-Brockmann, 2015, S. 154–162). 8Die Überlegungen Benteles fließen in die Theorie öffentlichen Vertrauens ein, welche journalistische Medien als Vermittler von Vertrauenswürdigkeit herausstellt. Den Grad des öffentlichen Vertrauens beeinflussen neben Vertrauensfaktoren wie Objektivitätsstandards auch kommunikative Diskrepanzen, die etwa darin bestehen, dass Sachverhalte und Berichte darüber als widersprüchlich empfunden werden (Bentele, 1994b, S. 141–148); dies wird teils mittels Fallstudien geprüft (Seiffert-Brockmann, 2015).
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3 Vertrauen in journalistische Medien
Grad in das eigene Meinungs- und Einstellungsspektrum zu übernehmen. Dabei kann die Bereitschaft auf konkreten Evaluationsprozessen oder auf Images beruhen [Herv. i. Org.]“ (S. 55). Zweitens wird Glaubwürdigkeit explizit als kausal vorgeordnet zu Vertrauen betrachtet. So differenziert Kohring (2004) zwischen „den Dimensionen von und den Gründen für Vertrauen [Herv. i. Org.]“ (S. 120) und sieht Glaubwürdigkeit als Grund, der Vertrauensentscheidungen legitimieren kann (Kohring, 2008, S. 619). Dem folgt Jackob (2012a, S. 128), wobei Rezipienten journalistischen Medien zum Beispiel vertrauen, weil sie deren Berichterstattung oder diese per se als glaubwürdig erachten (vgl. auch Jakobs, 2018, S. 12; Seiffert-Brockmann, 2015, S. 154–162).9 Analog wird festgehalten: „Credibility refers to one of the expectations we have of news media, to be accurate in their reporting; or, if one wishes to broaden the scope of the concept, to report truthfully. But trust is much wider than that. We can trust a news outlet to be credible […] or we can trust a newspaper to be a check on government“ (Vanacker & Belmas, 2009, S. 116).
Glaubwürdigkeit ist also Grund oder Bezugspunkt von Vertrauen, wobei sich Vertrauen stets auf ein Objekt bezieht, das Urheber der Information ist, „but trust cannot apply to information“ (Vanacker & Belmas, 2009, S. 116–117; vgl. auch Chaffee, Nass & Yang, 1991, S. 111). Letzterem Verständnis wird gefolgt: So stellt die wahrgenommene Glaubwürdigkeit medialer Objekte eine Komponente der Bewertung medialer Leistungen dar, während Vertrauen darauf basierend auf die Zukunft gerichtet ist und über eine reine Evaluation hinausgeht (vgl. auch Prochazka & Schweiger, 2019, S. 40). Bezüge von Vertrauenswürdigkeit können im vorliegenden Verständnis breiter sein (Kohring, 2001, S. 6) und auch Glaubwürdigkeit umfassen. Auch bezieht sich Glaubwürdigkeit primär auf die Berichterstattung und darauf wie sehr diese als korrekt und vollständig wahrgenommen wird (Bentele, 1994b; Kohring & Matthes, 2007; Vanacker & Belmas, 2009). Wirth (1999, S. 56) spezifiziert dazu:
9Vertrauen ist nach Seiffert-Brockmann (2015, S. 154–162) mit Glauben als Überzeugung im Bewusstsein fehlenden Wissens vergleichbar (Misztal, 1996, S. 18), wobei man dabei kein Risiko einer Enttäuschung akzeptiert.
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„Als primär kann letztlich nur […] der Medieninhalt verstanden werden, weil nur diese[r] eine Aussage über die Realität liefert und im Falle der Glaubwürdigkeit in das eigene Meinungsspektrum aufgenommen werden kann. Die anderen Bezugstypen sind demgegenüber als sekundär zu bezeichnen, weil Glaubwürdigkeit dort erst nach erheblichen Generalisierungs-, Abstraktions-, und Transferprozessen zugeschrieben werden kann [Herv. i. Org.].“
So stehen Glaubwürdigkeitszuschreibungen zu einem Journalisten oder zu den journalistischen Medien „stellvertretend für die mutmaßliche Glaubwürdigkeit der (unbekannten) Botschaften dieser Bezugsobjekte [Herv. i. Org.]“ (Wirth, 1999, S. 56). Nachdem das Verständnis von Vertrauen in journalistische Medien umrissen und vom Begriff der Glaubwürdigkeit medialer Objekte abgegrenzt ist, werden nun für die Studie zentrale Formen von Vertrauen in (journalistische) Medien differenziert.
3.1.3 Formen von Vertrauen in (journalistische) Medien Formen von Vertrauen wurden vorab zum einen anhand der Vertrauensobjekte, zum anderen hinsichtlich des Grades der Generalisierung differenziert (vgl. Abschnitt 2.1.2). Analog sollen nun Formen von Medienvertrauen für die Studie systematisiert werden. Obgleich in der Medienglaubwürdigkeitsforschung Vorschläge für Systematisierungen medialer Objekte existieren, werden bislang nur vereinzelt Ebenen medialer Vertrauensobjekte unterschieden. Prominent differenziert Schweiger (2007, S. 250; vgl. auch Schweiger, 1999, S. 91; Sundar & Nass, 2001, S. 58) sechs Hierarchiestufen medialer Bewertungsobjekte: 1) Urheber (z. B. Journalist), 2) redaktionelle Einheit (z. B. Beitrag), 3) Medienprodukt (z. B. Das Erste), 4) Subsystem einer Mediengattung (z. B. öffentlich-rechtliches Fernsehen), 5) Mediengattung (z. B. Fernsehen, Zeitung), und 6) Mediensystem. Glaubwürdigkeitsurteile können unabhängig oder verallgemeinernd über Stufen hinweg geschehen und aufeinander ausstrahlen, sodass zum Beispiel die Bewertung eines Medienangebotes als heuristischer Hinweisreiz für die Evaluation eines Artikels dient (Schweiger, 2000, S. 41). Ähnlich wird stellenweise Vertrauen in Journalisten, Mediengattungen, Medienorganisationen sowie – je nach Perspektive – Journalismus als System respektive journalistische Medien oder Journalismus als Institution differenziert (Blöbaum, 2014, S. 48; Dernbach, 2005, S. 140–146). Williams (2012, S. 119) sieht zudem die Berichterstattung als Vertrauensobjekt (vgl. auch Lucassen & Schraagen, 2012), wobei hier dem Verständnis gefolgt wird, dass sich das Vertrauen letztlich auch hier auf mediale Objekte bezieht, die Berichterstattung herstellen und man
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diesen medialen Output somit strenggenommen nur bewerten kann (Vanacker & Belmas, 2009, S. 117). Ausführlicher unterscheidet Jakobs (2018, S. 43–49) unter anderem etablierte journalistische Medien als Institution, alternative Angebote sowie (Kategorien von) Mediengattungen, Medienkonzerne, Medienangebote (Medienmarken wie das ZDF, Sendungen wie die Tagesschau) und Journalisten. Da in dieser Studie allgemeine Assoziationen und nicht die situationale Vergabe von Vertrauen in journalistische Medien auf Angebotsebene interessieren, werden drei Ebenen medialer Vertrauensobjekte fokussiert: Journalistische Medien als Institution und Journalisten als deren Repräsentanten sowie (journalistische) (Formen von) Mediengattungen (vgl. Abbildung 3.1), die im Folgenden umrissen werden. Einerseits wird in der Forschung zu Vertrauen in mediale Objekte eine funktional-systemorientierte Perspektive auf Journalismus eingenommen (Blöbaum, 2014, 2016; Grosser, 2016; Kohring, 2004).10 Andererseits wird Vertrauen in journalistische Medien („news media“) oder Journalismus als Institution betrachtet (Hanitzsch et al., 2018; Jackob, 2012a; Prochazka & Schweiger, 2019; Tsfati & Cappella, 2003). Journalismus soll dabei hier im Kern dadurch gefasst werden, dass redaktionell, arbeitsteilig unter der Erfordernis journalistischer Autonomie und in der Orientierung an normative journalistische Qualitätskriterien aktuelle und gesellschaftlich relevante Informationen (dominierend faktenbetont) verbreitet werden, zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe und damit der Herstellung von Öffentlichkeit (Deuze, 2005, S. 447–454; Deuze & Witschge, 2017, S. 120–121; Hanitzsch, 2013, S. 201; McQuail, 2013, S. 14; Schweiger, 2017, S. 47; vgl. auch Schweiger, 2016). Näher bestimmt wird dieses Vertrauen in journalistische Medien als „a kind of institutional trust in a collective entity of news media“ (Prochazka & Schweiger, 2019, S. 27; vgl. auch Tsfati & Peri, 2006, S. 170). An anderer Stelle sprechen Autoren wiederum von Vertrauen in „journalistisch arbeitende Massenmedien“ (Jakobs, 2018, S. 23) oder in Medien als gesellschaftlichen Akteur (Jackob, 2012a, S. 116). Dem Lager, das journalistische Medien oder Journalismus als Institution begreift, wird hier gefolgt, damit beschriebene integrative Erklärungen zu Vertrauen in politische Institutionen herangezogen werden können, um Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien herauszuarbeiten. Obgleich hier die Sicht von Rezipienten interessiert, auf die anschließend eingegangen wird, soll daher erst diskutiert
10Genauer wird Journalismus als soziales Funktionssystem (Blöbaum, 1994) oder Leistungssystem des Funktionssystems Öffentlichkeit gesehen (Kohring, 2004).
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werden, wie sich journalistische Medien oder Journalismus als Institution verstehen lassen. Wie angeführt existiert kein einheitliches sozialwissenschaftliches Institutionenverständnis (vgl. Abschnitt 2.1.2). Bereits Saxer (1980, S. 532) verdeutlicht allerdings, dass mit dem Medienbegriff nicht nur ein technisches Mittel, sondern auch eine gesellschaftliche Institution gemeint sein kann (Künzler, Wassmer, Oehmer & Puppis, 2013, S. 14).11 Üblicher ist es in der angloamerikanischen politischen Kommunikationsforschung, neo-institutionalistisch „news media“ als Institution zu fassen (Cook, 1998, 2006; Schudson, 2002; Sparrow, 1999, 2006; für einen Überblick vgl. z. B. Ryfe, 2006). So sieht Cook (1998, S. 70–84) diese prominent als Institution im Sinne von „social patterns of behavior identifiable across the organizations that are generally seen within a society to preside over a particular social sphere“ (S. 70). Das liegt daran, dass „news media“ eine öffentliche Aufgabe haben, zu deren Erfüllung Journalisten nach medienorganisationsübergreifenden sowie zeitlich stabilen Normen, Regeln und Arbeitsroutinen Leistungen erbringen. In den Arbeiten interessiert folglich primär, welche Regeln journalistisch arbeitende Medienorganisationen12 als Produzenten von Nachrichten zur Institution machen (Donges, 2006, S. 565). Reese und Shoemaker (2016, S. 402) halten ähnlich fest, dass „the various organizations doing media work cohere into a larger institution.“ Auch in der deutschsprachigen Literatur wird ein solcher Institutionenbegriff stellenweise vertreten: Donges (2013) sieht diese exemplarisch als „auf Dauer angelegte, durchsetzungsfähige Regelsysteme, die normative Erwartungen schaffen, Mechanismen für ihre Durchsetzung beinhalten, Akteure konstituieren und bei bestehenden Organisationen Wahrnehmung, Präferenzbildung und Strukturen beeinflussen“ (S. 94). Demnach stellen journalistische Medien eine Institution dar, da sie gesellschaftliche Akteure durch ihre Existenz und die Berichterstattung
11Diese werden an anderer Stelle als Medien zweiter Ordnung bezeichnet (Schmid & Kubicek, 1994, S. 403), die technische Medien erster Ordnung nutzen, um Inhalte zu produzieren; also „die hinter diesen Mitteln stehenden organisatorischen und institutionellen Gebilde, die redaktionelle und zahlreiche andere Inhalte bereitstellen, um Massenkommunikation […] zu realisieren“ (Pürer, 2014, S. 209). 12Eine Organisation meint „a collective of individuals and/or groups whose members work toward common goals“ (Shoemaker & Reese, 2014, S. 130). Medienorganisationen lassen sich als „soziale Organisationen zur Herstellung und Verbreitung von Medienangeboten“ (Siegert, 2001, S. 19) fassen; wobei mit journalistischen Organisationen teils Redaktionen gemeint sind (Künzler et al., 2013, S. 19–20).
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3 Vertrauen in journalistische Medien
b eeinflussen, die nach spezifischen Regeln und Routinen erstellt wird (Künzler et al., 2013, S. 18–20). Mit Bezug auf die Ausführungen von Cook (1998, S. 70–84; vgl. auch Kiefer, 2010, S. 163) versteht beispielsweise Hanitzsch (2013, S. 201) weiter Journalismus („news media“) als gesellschaftliche, demokratienotwendige Institution, wobei nach medienorganisationsübergreifenden, professionellen Regeln und Routinen Berichterstattung produziert wird zur Herstellung von Öffentlichkeit.13 Kiefer (2010, S. 163) sieht Journalismus analog mit Searle (1997, S. 50–51, 2005) als eine „demokratienotwendige Institution […], deren kollektiv anerkannte Leitidee und Statusfunktion die Ermöglichung und Sicherung von Volkssouveränität“ und damit die Herstellung von Öffentlichkeit ist (vgl. auch Rühl, 1980). Um seine Statusfunktion zu erfüllen, ist der Journalismus von Medien (-organisationen) abhängig; damit werden letztere zu journalistischen Medien zweiter Ordnung, die journalistische Aussagen mittels Medien erster Ordnung an die Allgemeinheit verbreiten, und teilen aufgrund der iterativen Verknüpfung mit dem Journalismus dessen Statusfunktion (Kiefer, 2010, S. 31–42, 68–70, 2011, S. 9–10). Darauf bezogen argumentiert Neuberger (2013, S. 100–101), dass zum Beispiel journalistische Formen von Mediengattungen (z. B. öffentlich-rechtlicher Rundfunk), Medienmarken (z. B. der Spiegel) und Journalisten als Mikroinstitutionen für die Makroinstitution Journalismus stehen und zur Erfüllung seiner normativen Statusfunktion beitragen. Folglich „signalisieren [sie] dem Publikum, dass die entsprechenden Angebote zur Makroinstitution ‚Journalismus‘ zu rechnen sind“ (Neuberger, 2013, S. 111). Damit wird deutlich, dass sich Journalismus respektive journalistische Medien („news media“) im Sinne einer gesellschaftlichen Institution betrachten lassen; aber auch Journalisten14 als Repräsentanten sowie verschiedene Formen von Mediengattungen stehen für den Journalismus. Für die Anwendung der Erklärungen von Institutionenvertrauen auf Vertrauen in journalistische Medien,
13Eine
kritische Diskussion angesichts aktueller Entgrenzungstendenzen liefern dazu Deuze & Witschge, 2017, S. 123. Hanitzsch & Vos (2017) verstehen Journalismus weiter als diskursive Institution, wobei journalistische Rollen „have no ‚true‘ essence; they exist because and as we talk about them“ (S. 129; vgl. auch Schmidt, 2008). 14Repräsentative Befragungen fassen Journalisten als solche, die für journalistische Medienorganisationen journalistische Tätigkeiten ausüben sowie nach professionellen Werten, Normen und Regeln Nachrichten selektieren und veröffentlichen und damit zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe beitragen (Steindl et al., 2017, S. 407; Weischenberg, Malik & Scholl, 2006a, S. 347). Dem wird hier gefolgt.
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als deutsche Übersetzung des im institutionalistischen (Vertrauens-)Diskurs bereits etablierten Begriffs der „news media“, soll dieses Arbeitsverständnis genügen. Denn im Zentrum der Untersuchung steht, was Rezipienten unter „den Medien“ verstehen. Die empirische Befundlage dazu ist allerdings bislang noch sehr begrenzt: Stellenweise wird vermutet, dass sie bei journalistischen „news media“ nicht etwa an technische Kanäle oder konkrete Medienangebote denken, sondern „have some mental schema for ‚the media‘ just as we scholars do“ (Tsfati & Cappella, 2005, S. 268). In Bezug auf Glaubwürdigkeitsurteile hält Wirth (1999, S. 55–56) ähnlich fest, dass Rezipienten diese auf höchster Generalisierungsstufe auf Gruppen von Medienorganisationen beziehen; bei Mediengattungen könnten sie analog an diese oder an spezifische Medienangebote denken, was vorab nicht festgelegt werden kann. Zudem wird angenommen und teils empirisch gezeigt, dass sie mit „den Medien“ oder Mediengattungen, wie der Presse, klassischen Journalismus verbinden (Hanitzsch et al., 2018, S. 5; Ladd, 2012, S. 103). Sehen sie journalistische Medien als gesellschaftlichen Akteur (Jackob, 2012a, S. 116), könnten sie diese zudem für entsprechende Leistungen verantwortlich sehen (vgl. Abschnitt 2.1.2). Davon wird in dieser Studie ausgegangen und somit, wie in fokussierter Perspektive gebräuchlich und, um an die öffentliche Diskussion anzuschließen, anstelle von Journalismus von journalistischen Medien („news media“) als Vertrauensobjekte gesprochen (vgl. auch Prochazka & Schweiger, 2019, S. 27). Während eine funktional-systemorientierte Perspektive die Funktion des Journalismus für die Gesellschaft aus dessen historischer Entwicklung ableitet, wie „Themen zur öffentlichen Kommunikation bereitzustellen“ (Rühl, 1980, S. 329), so lässt sich diese Herstellung von Öffentlichkeit auch aus normativ-demokratieorientierter Sicht für journalistische Medien (respektive den Journalismus) festhalten (Martinsen, 2009, S. 37; vgl. auch Riedl, 2019). Letztere wird hier aufgrund eines Schwerpunktes der Studie auf Einflüsse politischer Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien eingenommen. Je nach Vorstellungen von repräsentativer Demokratie ergeben sich normative Funktionen journalistischer Medien, die sich aus basalen demokratischen Werten ableiten und zu deren Erfüllung Leistungen erbracht werden müssen, wie die Verbreitung von Informationen oder die Kontrolle politischer Akteure (Arnold, 2008, S. 496– 498; Fawzi, 2020, S. 190; Norris, 2000a, S. 12; vgl. auch McQuail, 1992). Diese sind mit ihrer verfassungsrechtlich verankerten öffentlichen Aufgabe verknüpft (Branahl, 2013, S. 83; Fechner & Mayer, 2010, S. 8–13). Die beobachtbaren Leistungen journalistischer Medien werden in der Literatur hingegen als mediale Performanz bezeichnet („media performance“, Gurevitch & Blumler, 1990, S. 270; Norris, 2000a, S. 23–25). Die mediale Performanzbewertung ergibt
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3 Vertrauen in journalistische Medien
sich analog durch Kriterien, die die erwartete Leistung definieren und erheben, zu welchem Grad diese erfüllt werden (vgl. auch Schweiger, 2007, S. 249–269; vgl. Abschnitt 2.1.2). So können mediale Leistungen danach bewertet werden, wie sehr sie den Bedürfnissen der Rezipienten als Konsumenten oder ihren normativen Erwartungen als Bürger entsprechen, wobei letzteres fokussiert wird (Hasebrink, 2011, S. 325; vgl. Abschnitt 4.2). Während Bürger von politischen Institutionen eine angemessene Interessenvertretung erwarten (vgl. Abschnitt 2.1.2), könnten Rezipienten als Bürger dies bei journalistischen Medien etwas weniger spezifisch auf die Erfüllung normativer journalistischer Qualität und Funktionen beziehen (vgl. Abschnitt 4.2). Mit den Leistungen politischer Institutionen kommen Bürger beispielsweise in Form von Gesetzen in Kontakt, während sie Leistungen journalistischer Medien, neben direktem Kontakt zu Journalisten, primär durch die Berichterstattung erfahren (Fawzi & Obermaier, 2019, S. 35; Hanitzsch et al., 2018, S. 5).15 In der politischen Kommunikationsforschung werden journalistische Medien daher gar als politische Institution diskutiert, etwa als „vierte Gewalt“, weil sie politische Entscheidungen beeinflussen (Sparrow, 1999, S. 10–16), oder als nur loses Gefüge von Interessengruppen (Cook, 2006, S. 162). Dazu wird argumentiert, dass im Zuge der Medialisierung als Anpassung politischer Akteure an die Medienlogik (vgl. auch Asp, 2014; Fawzi, 2014) „politics and the news media have become almost interchangeable“ (Allern & Blach-Ørsten, 2011, S. 92). Dem folgen vereinzelt Vertreter, die sich mit Vertrauen in journalistische Medien beschäftigen (Ladd, 2012, S. 52). Allerdings gibt es Hinweise, dass Rezipienten zwischen politischen Institutionen und journalistischen Medien als Vertrauensobjekte differenzieren, da sich trotz positiver Assoziation konfirmatorisch distinkte Faktoren ergeben (Ariely, 2015; Cook & Gronke, 2001, April; Lipset & Schneider, 1987; Hanitzsch et al., 2018). Auch ist die Rolle als vierte Gewalt nicht gesetzlich verankert (Pürer, 2014, S. 422–424). Somit werden hier politische Institutionen und journalistische Medien als getrennte Vertrauensobjekte betrachtet. Allerdings sollte diese nicht erschöpfende Gegenüberstellung weiter verdeutlichen, dass die Parallelen
15Hier
wird Nachrichtenberichterstattung fokussiert, auch aufgrund deren Bedeutung für die öffentliche Aufgabe des Journalismus (Voigt, 2016, S. 27). Nachrichten, lassen sich definieren als „öffentlich verfügbare Informationen mit dem Anspruch auf Wahrheit […], die einen Aktualitätsbezug und politische Relevanz aufweisen, die in gängigen journalistischen Darstellungsformen aufbereitet sind und in integrierten Nachrichtenmedien erscheinen“ (Schweiger, 2017, S. 29).
3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien
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erlauben, Erklärungen zu Einflüssen auf politisches Vertrauen für Vertrauen in journalistische Medien zu nutzen. Im Zuge der Digitalisierung als „Medien- und Öffentlichkeitswandel“ (Neuberger, 2018, S. 15) können Rezipienten direkt auf Informationen von Quellen zugreifen, die partikulare Interessen verfolgen („Disintermediation“, Neuberger & Quandt, 2010, S. 68), und selbst Informationen verbreiten (Neuberger, 2009, S. 39). So gewinnen neben Angeboten, die Journalismus repräsentieren, digitale Formen von Mediengattungen oder -angeboten an Bedeutung, die nicht zwangsläufig als journalistisch gelten (Schmidt, Merten, Hasebrink, Petrich & Rolfs, 2017, März, S. 24),16 sowie digitale Formen öffentlicher Kommunikation (Beck, 2010, S. 17).17 In der Forschung zu Vertrauen in journalistische Medien interessiert primär die Nutzung sogenannter (digitaler) Non-Mainstream-Medien als Korrelat (Ardèvol-Abreu & Gil de Zúñiga, 2017; Fletcher & Park, 2017; Tsfati & Cappella, 2003). Allerdings werden diese in der Literatur unterschiedlich definiert (für einen Überblick vgl. auch Fawzi et al., in Vorbereitung): Zum einen werden darunter Formen von (nutzergenerierten) Online-Angeboten gefasst, wie genuine Online-Nachrichtenseiten, Blogs oder soziale Netzwerkseiten (Fletcher & Park, 2017; Tsfati, 2010; Tsfati & Ariely, 2014). Zum anderen verwenden Studien diese Bezeichnung (teils explizit den Begriff der alternativen Medien) für Angebote mit klarer politischer Ausrichtung und/oder mit einer Selbstpositionierung als Gegenpol zu traditionellen, journalistischen Angeboten, wie politisches Talkradio oder alternative (Online-)Angebote (Jones, 2004; Ladd, 2012; Prochazka & Schweiger, 2019; Tsfati & Cappella, 2003). Da je nach Verständnis die Zusammenhänge mit Vertrauen in journalistische Medien unterschiedlich ausfallen (vgl. Abschnitt 4.3), werden beide Formen hier differenziert betrachtet. Zentral sind in diesem Zusammenhang erstens soziale Medien als „Sammelbegriff für Angebote auf Grundlage digital vernetzter Technologien, die es
16Wie sehr diese als Gros Merkmale einer Institution teilen, ist zu klären (Künzler et al., 2013, S. 19–20). 17Fasst man Kommunikation als soziales Handeln mittels Symbolen (Pürer, 2014, S. 65), kann interpersonale Kommunikation verstanden werden als „verbales und/ oder nonverbales Miteinander-in-Beziehung-Treten von Menschen zum Austausch von Informationen [Herv. i. Org.]“ (Pürer, 1998, S. 18). Im Falle digitaler Kommunikation kommt dabei „ein Computer zur En- und Dekodierung der Nachricht zum Einsatz“ (Boos, Jonas & Sassenberg, 2000, S. 2). Öffentlich meint, dass die Informationen jederzeit für sämtliche Nutzer frei zugänglich sind (Fawzi, 2009, S. 35).
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3 Vertrauen in journalistische Medien
Menschen ermöglichen, Informationen aller Art zugänglich zu machen und davon ausgehend soziale Beziehungen zu knüpfen und/oder zu pflegen [Herv. i. Org.]“ (Taddicken & Schmidt, 2017, S. 8). Nutzer können also in Blogs oder Podcasts, aber auch auf Intermediären wie sozialen Netzwerkseiten (z. B. Facebook), eigene Angebote erstellen und verbreiten (Neuberger, 2018, S. 33; Schmidt et al., 2017, März, S. 9–10).18 Sofern Individuen in der Rolle als Bürger eigenständig, regelmäßig und öffentlich (oftmals ohne Refinanzierung) eigene Angebote zu gesellschaftlich relevanten Themen produzieren, beispielsweise in politischen Blogs (Schmidt et al., 2017, März, S. 25; Schweiger, 2017, S. 66–68), wird etwa von partizipativem Journalismus (Engesser, 2013) oder Bürgerjournalismus (Schweiger, 2017) gesprochen. Schweiger (2017, S. 43, 48) hält allerdings fest, dass es sich oftmals nicht um klassischen Journalismus handelt, da Bürger dabei meist partikulare Interessen vertreten. So folgten sie begrenzt journalistischen Normen und trügen peripher zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe bei. Auch können Rezipienten auf sozialen Netzwerkseiten Informationen und Meinungen öffentlich austauschen, zum Beispiel in Form von Nutzerkommentaren (vgl. auch Ruiz et al., 2011; Springer & Kümpel, 2018; Ziegele, 2016) oder mittels Empfehlungen (z. B. Shares, Likes) von journalistischen Beiträgen (vgl. auch Kümpel, Karnowski & Keyling, 2015).19 Dabei existiert in der Literatur spezifisch die Bezeichnung der öffentlichen Bürgerkommunikation, sofern Nutzer sich als Bürger öffentlich zu gesellschaftlich relevanten Themen äußern (Schweiger, 2017, S. 66); auch werden Nutzerkommentare unter journalistischen Online-Beiträgen als öffentliche Online-Anschlusskommunikation begriffen (Ziegele, 2016, S. 38). Da hier jedoch nicht die Angebotsebene interessiert, wird im Folgenden der für diese Formen gängige Sammelbegriff der nutzergenerierten Inhalte verwendet („user-generated content“, UCG; Quiring & Schweiger, 2006, S. 11; Schmidt et al., 2017, März, S. 24; Vickery & Wunsch-Vincent, 2007, S. 4). Alternative Medienangebote (vgl. auch Atton, 2002a, 2002b; Downing, 2001) gibt es zweitens bereits seit Jahrzehnten, beispielsweise im Rahmen der Studentenproteste der 1960er Jahre sowie der Friedensbewegung der 1970er
18Soziale
Netzwerkseiten zeichnen sich dadurch aus, dass Nutzer im Rahmen von Profilen eigene Inhalte erstellen sowie fremde Inhalte teilen und mit von anderen Profilen erstellten oder geteilten Inhalten in einem algorithmisch generierten Stream interagieren können (Kümpel, 2018, S. 11; vgl. auch boyd & Ellison, 2007, S. 211). 19Wobei journalistische Medienmarken teils Profile auf sozialen Netzwerkseiten betreiben (Neuberger, 2014b, S. 18).
3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien
81
und -80er Jahre (Schweiger, 2017, S. 44). Entsprechend sind diese auch seit längerem Gegenstand der Forschung (Büteführ, 1995; Fuchs, 2010; für einen Überblick vgl. z. B. Holt, 2019; Rauch, 2007; Schweiger, 2017, S. 42–55; Wimmer, 2007, S. 210–215, 2015). In früherer Literatur seien diese unter anderem im Zuge der sozialen Bewegungen, mit denen sie in Zusammenhang standen, diskutiert worden als „democratic, open and non-hierarchical campaigners for social justice – using collective modes of organization with a radical, leftist political agenda and close ties to social movements“ (Holt, Figenschou & Frischlich, 2019, S. 861), die einen Gegenpol zu journalistischen Angeboten bildeten. Neuere Forschungsbemühungen befassen sich (weiterhin) erstrangig mit deren Definition (Rauch, 2015, S. 125) und liefern Kriterienkataloge, nach denen sich verschiedene Formen alternativer Angebote identifizieren lassen (Atton, 2002a, S. 11–13; Downing, 2001, S. 3–11; Kenix, 2011, S. 17–24; für einen Überblick vgl. z. B. Rauch, 2015, S. 126–128; Tsfati & Peri, 2006, S. 169). In den letzten Jahren sind dabei zunehmend rechtsalternative Online-Medien in den wissenschaftlichen Fokus gerückt, die überwiegend über soziale Medien verbreitet werden (Holt, 2018, S. 49; Holt et al., 2019, S. 862; Schweiger, 2017, S. 16). Da diese sich häufig der „same counter-hegemonic discourses“ (Holt et al., 2019, S. 862) bedienten wie bisher fokussierte alternative Medienangebote, schlagen Autoren eine übergreifende Definition alternativer Medien vor. Damit werden alternative Medien hier als solche gesehen, die sich als „(self-) perceived corrective, opposing the overall tendency of public discourse emanating from what is perceived as the dominant mainstream media in a given system“ verstehen (Holt et al., 2019, S. 862) und Partikularinteressen vertreten (Harcup, 2005, S. 361–362; Schweiger, 2017, S. 42–48). Weiterhin wird der Auffassung gefolgt, dass journalistische und alternative Medienangebote weniger binäre Kategorien darstellen, sondern sich Angebote je nach Vorhandensein bestimmter Merkmale auf einem Kontinuum verorten lassen (Holt et al., 2019, S. 864; vgl. auch Atton, 2013; Harcup, 2005, S. 370; Kenix, 2011, S. 18–19). „Alternative news media can publish different voices (alternative content creators) trying to influence public opinion according to an agenda that is perceived by their promoters and/or audiences as underrepresented, ostracized or otherwise marginalized in mainstream news media, alternative accounts and interpretations of political and social events (alternative news content), rely on alternative publishing routines via alternative media organizations and/or through channels outside and unsupported by the major networks and newspapers in an alternative media system [Herv. i. Org.]“ (Holt et al., 2019, S. 862).
82
3 Vertrauen in journalistische Medien
Für das Vorhaben dieser Studie soll dieses breite Verständnis alternativer Medien genügen. Zuletzt wird argumentiert, dass sowohl nutzergenerierte Inhalte, als auch alternative Medien überwiegend partikulare Interessen verträten, weswegen inhaltlich teils weniger von journalistischen, sondern eher von publizistischen Angeboten auszugehen sei (Schweiger, 2017, S. 43; vgl. auch Harcup, 2005, S. 362). Generell mag es für Rezipienten jedoch oft nicht eindeutig sein, inwiefern die jeweiligen Angebote Journalismus repräsentieren und dessen Ansprüche erfüllen (Neuberger, 2013, S. 104). Abschließend lassen sich spezifische und generalisierte Formen des Vertrauens in (journalistische) Medien differenzieren.20 Der Grad der Generalisierung wird zum Teil auf Leistungen medialer Objekte bezogen. So sprechen manche Autoren von spezifischem Vertrauen in journalistische Medien, wenn dieses auf deren Selektionsleistung bezogen ist (Kohring, 2004, S. 120; Pingree et al., 2013, S. 356). Hier wird die Unterscheidung analog zu Abschnitt 2.1.2 daran festgemacht, wie sehr dieses über mediale Objekte generalisiert ist und auf indirekten Erfahrungen beruht.21 In der Literatur wird so bereits teils von Vertrauen in spezifische journalistische Medienangebote oder Journalisten gesprochen (Blöbaum, 2014, S. 48). Primär interessiert jedoch relativ stabiles, diffuses oder generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien (Jackob, 2012a; Prochazka & Schweiger, 2019). Auch ist denkbar, dass Rezipienten generalisiertes Vertrauen in Mediengattungen und deren Formen (z. B. öffentlich-rechtlicher Rundfunk, nutzergenerierte Inhalte) oder Journalisten haben, die vermehrt auf verallgemeinerten (in-) direkten Erfahrungen fußen. Daneben könnten Rezipienten konkreten Medienangeboten (z. B. Bildzeitung) und Journalisten (z. B. Heribert Prantl) spezifisches Vertrauen entgegenbringen, mit denen sie etwa durch Mediennutzung oder im persönlichen Kontakt direkte Erfahrungen haben (Pingree et al., 2013, S. 356; Vanacker & Belmas, 2009, S. 119–122). Überdies kann vermutet werden, dass generalisiertes Vertrauen in mediale Objekte die Vergabe von Vertrauens in ein spezifisches Medienangebot
20Ähnliche
Überlegungen existieren in der Forschung zu Uses-und-Gratifications (Schweiger, 2007, S. 74–75). So können Gratifikationserwartungen in Abhängigkeit situativer und medienbezogener Merkmale existieren oder „generalisierte Gratifikationserwartungen [darstellen], d. h. situationsunabhängige Erwartungen an den Nutzen, den eine Mediengattung erbringt [Herv. i. Org.]“ (Schnauber, 2017, S. 100). 21Dabei wird angenommen, dass spezifische und generalisierte Formen von Medienvertrauen auf (in-)direkten Erfahrungen mit medialen Leistungen basieren, die abstrahiert und situationsunabhängig generalisiert werden.
3.1 Begriffsklärungen zu Vertrauen in journalistische Medien
83
Vertrauen in Medien
Spezifisches Vertrauen in Medien
z.B. in den Spiegel, die Tagesschau z.B. in Heribert Prantl
Generalisiertes Vertrauen in Medien Vertrauen in Medien als Institution (im Mediensystem)
z.B. in journalistische Medien
Vertrauen in (Formen von) Mediengattungen
z.B. in das (private) Fernsehen
Vertrauen in Medienangebote
z.B. in Nachrichtensendungen
Vertrauen in Journalisten
z.B. in die Journalisten
Abbildung 3.1 Formen von Vertrauen in (journalistische) Medien. (Anmerkungen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Schweiger (2007, S. 250), grau hinterlegt = in dieser Studie nicht berücksichtigt, ↔ = (potenzieller) Zusammenhang, ↑ = Ebene der Bezugsobjekte)
in einer konkreten Situation beeinflusst und vice versa (Jakobs, 2018). Nachdem für die Studie zentrale Formen des Vertrauens in (journalistische) Medien differenziert wurden, wird zuletzt der Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen in mediale Objekte geklärt.
3.1.4 Zusammenhang von Vertrauen und Misstrauen in journalistische Medien In Bezug auf mediale Vertrauensobjekte finden sich in der Literatur zwei dominierende Verständnisse davon, wie Vertrauen und Misstrauen assoziiert sind (vgl. Abschnitt 2.1.3). Einerseits wird fehlendes Vertrauen als Misstrauen in mediale Objekte verstanden (Ladd, 2010b; Schultz et al., 2017, S. 246). Analog wird empirisch kein Vertrauen vergleichsweise häufig als Misstrauen ausgelegt (Cook & Gronke, 2001, April; Jackob, 2012a; Jones, 2004; Tsfati & Ariely, 2014); auch wird Unzufriedenheit mit medialer Performanz teils als Proxy für Misstrauen in journalistische Medien behandelt (Pjesivac, 2017). Andererseits werden medienbezogenes Misstrauen und Vertrauen als funktionale Äquivalente
84
3 Vertrauen in journalistische Medien
und damit als verschiedene Dimensionen gesehen, womit das Nichtvorhandensein von Vertrauen nicht mit Misstrauen gleichzusetzen ist (Bentele & Seidenglanz, 2015, S. 421; Jakobs, 2018, S. 12; Kohring, 2008, S. 613). Entsprechende Skalen, die Misstrauen in journalistische Medien gesondert erheben, oder bipolare Skalen finden allerdings kaum Einsatz (vgl. aber Ladd, 2012, S. 129; Zimmermann & Kohring, 2020, Februar). Hier wird auf Basis vorheriger Ausführungen (vgl. Abschnitt 2.1.3), Misstrauen in journalistische Medien als funktionales Äquivalent zu Vertrauen in diese betrachtet; für die Studie bedeutet dies, dass kein Vertrauen (auch empirisch) nicht mit Misstrauen in mediale Objekte gleichzusetzen ist. In der Literatur werden außerdem die Begriffe medienbezogene(r) Skepsis und Zynismus eingesetzt, wobei unterschiedliche Verständnisse existieren. Zunächst ist der Begriff des media skepticism einzuordnen, der von Tsfati und Kollegen geprägt wurde als „subjective feeling of alienation and mistrust toward the mainstream news media. […] In other words, media skepticism applies the notion of mistrust to audience perceptions of the way mainstream news institutions function in society [Herv. i. Org.]“ (Tsfati, 2003b, S. 160). Gemäß Tsfati und Cappella (2003, S. 506) bezieht sich Medienskeptizismus auf eine als mangelhaft wahrgenommene mediale Performanz bezüglich der Erfüllung normativer Funktionen und Qualitätskriterien. Aufgrund dessen wird Medienskeptizismus an anderer Stelle als Misstrauen bezüglich journalistischer Medien (Jackob, 2012a, S. 116–117) oder Medienzynismus (Jackob, Jakobs et al., 2019, S. 23) verstanden (vgl. auch Tsfati, 2010, S. 23). Empirisch wird Medienskeptizismus meist mit Skalen zu Vertrauen in journalistische Medien sowie medialer Performanzbewertung erhoben, wobei geringe Werte hohen Medienskeptizismus bedeuten (Tsfati & Cappella, 2003).22 Überdies existieren vereinzelt Versuche, medienbezogene Skepsis und Zynismus teils entlehnt an die politische Vertrauensforschung zu fassen. So sehen Autoren erstere als kritisch-distanzierte, durch konstruktiven Zweifel ausgezeichnete, aber unentschlossene und damit ergebnisoffene Haltung gegenüber journalistischen Medien (Cozzens & Contractor, 1987, S. 438; Jackob, Jakobs et al., 2019, S. 23), „representing a critical but open posture toward news media“ (Pinkleton et al., 2012, S. 26); dies kann förderlich für die Erfüllung der
22Gemäß
dem hier zugrundeliegenden Verständnis, kein Vertrauen (in journalistische Medien) nicht mit Misstrauen gleichzusetzen, lassen sich aus zugehörigen Studien Hinweise auf Vertrauen in journalistische Medien ziehen. Dem wird bei der Aufarbeitung der Befunde gefolgt.
3.2 Verständnisse von Vertrauen in journalistische Medien
85
öffentlichen Aufgabe sein (Ziegele et al., 2018, S. 158). Zynismus in Bezug auf Politik oder journalistische Medien fassen Pinkleton et al. (2012) als „a lack of confidence in, and a feeling of distrust“ (S. 25); genauer abgegrenzt zu Vertrauen und Misstrauen verstehen Jackob und Jakobs et al. (2019, S. 24) Medienzynismus als pauschale Unzufriedenheit mit medialer Performanz sowie die Vorstellung, dass Journalisten nurmehr eigene Interessen verfolgen. Die Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen findet dazu, dass empirisch gestützte Medienkritik von größeren Teilen der deutschen Bevölkerung Zustimmung erfährt (47 bis 68 %) als nicht gestützte Kritik (12 bis 25 %). Darüber hinaus korreliert Medienskepsis positiv mit generalisiertem Vertrauen in journalistische Medien, während Medienzynismus negativ mit diesem assoziiert ist (Ziegele et al., 2018, S. 157–160). Außerdem finden sich erste Evidenzen, dass medienbezogener Zynismus mit der Wahrnehmung, dass die eigenen Ansichten unzureichend in journalistischen Medien vertreten sind sowie mit häufiger Nutzung von alternativen Medienangeboten und nutzergenerierten Inhalten einhergeht (Jackob, Schultz et al., 2019; Schindler et al., 2018). Weiterhin sind Medienzyniker bei Jackob und Schultz et al. (2019) weniger zufrieden mit der Demokratie, nutzen seltener öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Tageszeitungen und vertrauen anderen weniger. Aufbauend darauf sowie auf dem aus der Literatur abgeleiteten Verständnis von politischer Skepsis und Zynismus (vgl. Abschnitt 2.1.3) lässt sich für die Studie festhalten, dass medienbezogene Skepsis einer kritischabwägenden, aber ergebnisoffenen Haltung gegenüber (den Leistungen von) medialen Objekten entspricht. Medienbezogener Zynismus gibt hingegen die Haltung wieder, dass die Performanz journalistischer Medien pauschal als schädlich für das Gemeinwohl zu bewerten ist und Journalisten inkompetent sind sowie primär eigene Interessen vertreten. Nachdem zentrale Begrifflichkeiten für die Studie geklärt wurden, sollen nun Verständnisse von Vertrauen in journalistische Medien der kommunikationswissenschaftlichen Forschung dargelegt werden.
3.2 Verständnisse von Vertrauen in journalistische Medien In der kommunikationswissenschaftlichen Vertrauensforschung lassen sich zwei Sichtweisen identifizieren: Erstes wird Vertrauen in Journalismus aus funktional-systemorientierter Perspektive betrachtet (vgl. Abschnitt 3.2.1). Eine zweite Perspektive begreift Vertrauen in journalistische Medien als eine Form des
86
3 Vertrauen in journalistische Medien
Vertrauens in Institutionen (vgl. Abschnitt 3.2.2). Zentrale theoretische Verständnisse beider Sichtweisen sollen im Folgenden gegenübergestellt werden, um die vorliegende Studie zu verorten.
3.2.1 Vertrauen in Journalismus als System Die Literatur zu Vertrauen in Journalismus als System bezieht sich zum Teil auf soziologische Theorien zu Vertrauen in abstrakte Systeme, wie von Giddens (1995) und Luhmann (1989) (Blöbaum, 2014, 2016; Grosser, 2016; Kohring, 2004).23 Kohring (2004) bezieht in einer der ersten umfassenden Arbeiten Vertrauen in Journalismus auf dessen Selektionsfunktion und sieht eine Vertrauensrelation damit als gegeben, „wenn ein Rezipient eine Selektion vornimmt, die nur durch die journalistische Selektion […] kausal ermöglicht wird, deren Kontingenz der Rezipient wahrnimmt und als Risiko bewertet [Herv. i. Org.]“ (S. 170). Journalismus stellt dabei (neben Public Relations) ein Leistungssystem des Funktionssystems Öffentlichkeit dar, wobei beide die Funktion teilen „Beobachtungen über die Interdependenz, d. h. die wechselseitigen Abhängigkeits- und Ergänzungsverhältnisse“ (Kohring, 2004, S. 163) zu generieren und mitzuteilen. Ein Ereignis selektiert der Journalismus demnach als öffentliches Thema, sofern es in mehreren Systemen behandelt würde; die Selektionsregeln dazu sind in Programmen festgelegt. Weil die Beobachtung der Realität durch den Journalismus selektiv ist, ist es riskant, auf Basis dieser journalistischen Selektion zu handeln (z. B. Abschluss eines Bausparvertrags auf Basis eines Artikels). Da Rezipienten diese meist nicht nachprüfen können, müssen sie der korrekten Ausführung journalistischer Selektionsprogramme vertrauen (Kohring, 2004, S. 151–160, 165–170; vgl. auch Matthes et al., 2010, S. 264). Basierend auf der Selektionsfunktion ergeben sich vier reflexive Dimensionen von Vertrauen in Journalismus, auf Basis der eine validierte Skala zu Vertrauen in
23Trotz
differenter Perspektiven, stimmen diese in ihren Überlegungen zu Vertrauen vielfach überein (Möllering, 2006, S. 73–74). Luhmann (1989) hält so fest, dass man in das Funktionieren abstrakter Systeme (z. B. der Politik) vertraut; dies basiert auf generalisierten Erfahrungen (Luhmann, 1989, S. 16–27, 52–65). Bei Giddens (1995, S. 40–41) vertrauen Individuen auf „richtiges Funktionieren [Herv. i. Org.]“ von Expertensystemen (Giddens, 1995, S. 49). Das basiert auf Erfahrungen in der Sozialisation sowie Inferenzen aus Erfahrungen mit Repräsentanten als „Zugangspunkte“ der Systeme (Giddens, 1995, S. 113–116; vgl. auch Meyer et al., 2008, S. 180–181).
3.2 Verständnisse von Vertrauen in journalistische Medien
87
Journalismus entwickelt wurde: So Vertrauen Rezipienten darauf, dass relevante Ereignisse thematisiert (Themenselektivität) und Fakten selektiert werden, die sie die Bedeutung von Ereignissen einschätzen lassen (Faktenselektivität) sowie, dass diese korrekt wiedergegeben werden. Zudem müssen Rezipienten in explizite Bewertungen des Journalismus vertrauen. Laut Kohring (2004, S. 149–177) unterschieden sich Rezipienten zwar in ihrem Grad des Vertrauens in Journalismus, die Bewertungsdimensionen seien jedoch identisch. Daneben identifiziert der Autor Gründe des Vertrauens: Einerseits basiere Vertrauen in Journalismus auf induktiven Schlüssen aus Erfahrungen mit der korrekten Funktionserfüllung des Journalismus (spezifische Gründe). Folglich besteht die Vertrauensrelation fort, weil sich die Vertrauenserwartungen in der Vergangenheit bestätigt haben. Andererseits fuße Vertrauen in Journalismus auf unspezifischen Gründen, die zu Beginn von Vertrauensrelationen von Bedeutung seien und später deren „symbolische Kontrolle“ (Kohring, 2004, S. 179) übernähmen. So können Rezipienten auf Basis von Merkmalen der Berichterstattung darauf schließen, inwiefern die Selektion der Themen und Fakten angemessen war. Mitteilungsbezogene Gründe, wie deren Glaubwürdigkeit, könnten sie an deren Sachlichkeit und Verständlichkeit festmachen; kontextbezogene Gründen umfassen zum Beispiel die Autonomie journalistischer Programme von wirtschaftlichen oder politischen Akteuren (Kohring, 2004, S. 178–181). Die Ausführungen bezüglich der Gründe sowie deren Assoziation zu Vertrauen stehen hier jedoch nicht im Zentrum, zumal diese primär zur Konstruktvalidierung eingesetzt wurden. Grosser (2016) legt gemäß dem Vertrauensverständnis des Graduiertenkollegs „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ der Universität Münster (vgl. auch Blöbaum, 2014, 2016) ähnlich fest, dass Individuen auf die korrekte Ausführung journalistischer Programme vertrauen. Unter Bezug auf Mayer et al. (1995) sieht die Autorin Vertrauen in Journalismus als „the willingness of the recipient to be vulnerable to the journalistic system’s selection and communication of current information“ (Grosser, 2016, S. 1040). Journalismus wird mit Blöbaum (1994) als soziales System aufgefasst mit der Funktion, Informationen auszuwählen und zu vermitteln, um öffentliche Kommunikation zu ermöglichen. Im Zuge dessen versorgt der Journalismus andere Teilsysteme mit Informationen über die jeweilige Umwelt und vermittelt so zum Beispiel zwischen politischen Akteuren und Bürgern. Um diese Funktion zu erfüllen, existieren journalistische Programme, etwa zur Recherche, Selektion sowie zur Überprüfung der Richtigkeit von Informationen (Blöbaum, 1994, S. 220–221, 261–299), wobei Grosser (2016, S. 1041) die Unabhängigkeit der Redaktion, beispielsweise von der Anzeigenabteilung, als Teil des Koordinationsprogramms ergänzt. Zu welchem Grad das System Journalismus korrekt funktioniert und
88
3 Vertrauen in journalistische Medien
damit von Rezipienten als vertrauenswürdig wahrgenommen wird, lässt sich auch in dieser Sichtweise aus Kriterien für das korrekte Funktionieren der Programme ableiten, die gemäß Grosser (2016, S. 1041) größtenteils normativen Qualitätskriterien entsprechen. Weiterhin wird mit Giddens (1995) argumentiert, dass Vertrauen in Systeme zwar auf Erfahrungen mit Repräsentanten basieren kann; da Journalistenkontakte für Rezipienten jedoch selten sind, steht die Berichterstattung als Proxy für die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit des Systems Journalismus seitens der Rezipienten im Fokus. Angelehnt an das prominente Modell zu Vertrauensrelationen in Organisationen von Mayer et al. (1995, S. 715) wird Vertrauen in Journalismus demnach zum einen von generalisiertem sozialen Vertrauen sowie der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit des Journalismus beeinflusst. Je mehr Rezipienten die Indikatoren der Vertrauenswürdigkeit journalistischer Programme (respektive teils journalistische Qualitätskriterien) als erfüllt betrachten, desto vertrauenswürdiger schätzen sie die Programme ein. In der Folge halten sie den journalistischen Beitrag für vertrauenswürdig und sind damit bereit, dem System Journalismus zu vertrauen. Das heißt, in Abhängigkeit des wahrgenommenen Risikos sind Rezipienten bereit, zu vertrauen und im Zuge dessen ihre Anschlusskommunikation und -handeln an der Berichterstattung auszurichten. Weil sich die Folgen von letzterem in einer Feedbackschleife wieder auf die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit des Journalismus auswirken, verändert sich diese im Zeitverlauf (Grosser, 2016, S. 1041–1042). Überdies liefert Grosser (2016) Überlegungen, wie sich Einflüsse auf die Vergabe von Vertrauen in Journalismus im Online-Bereich wandeln, obgleich diese im Ablauf als identisch für den Online-Journalismus gesehen wird (S. 1043; vgl. auch Blöbaum, 2016; Grosser, Hase & Blöbaum, 2016; Grosser et al., 2019; Wintterlin, 2020). Allerdings würden zum einen Merkmale des Online-Bereichs die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit des Journalismus verändern: So könne die Möglichkeit, Quellen zu verlinken, die Quellentransparenz und damit die Vertrauenswürdigkeit erhöhen; auch möge die Vertrauenswürdigkeit etwaiger journalistischer Online-Ableger von den jeweiligen etablierten Angeboten beeinflusst werden. Zum anderen kämen zur Bewertung der Vertrauenswürdigkeit des Online-Journalismus neue Kriterien hinzu, beispielsweise die Art der Moderation von Nutzerkommentaren oder Popularitätshinweise, wie Likes (Grosser, 2016, S. 1043–1048). Somit fassen beide Ansätze Vertrauen in Journalismus als System, kommen jedoch aufgrund unterschiedlicher Perspektiven und Bezüge stellenweise zu divergierenden Verständnissen. Individuelle und insbesondere politische Merkmale als Erklärungen spielen in beiden eine untergeordnete Rolle (vgl. auch Jackob, 2012a, S. 119).
3.2 Verständnisse von Vertrauen in journalistische Medien
89
3.2.2 Vertrauen in journalistische Medien als Institution Daneben existiert ein Literaturstrang, der Vertrauen in journalistische Medien (respektive Journalismus) als Form des Institutionenvertrauens versteht (Hanitzsch et al., 2018; Jackob, 2012a; Ladd, 2012; Müller, 2013; Tsfati, 2014; Prochazka & Schweiger, 2019). In dieser Perspektive existieren bereits erste Studien, die Erklärungen zu Einflüssen der politologischen Vertrauensforschung auf Vertrauen in journalistische Medien übertragen (Hanitzsch et al., 2018; Tsfati & Ariely, 2014). Die Vorreiterarbeiten aus dieser Perspektive stammen von Tsfati, wobei er seine Überlegungen in diversen empirischen Studien darlegt. In früheren Arbeiten fokussieren Tsfati und Kollegen Medienskeptizismus (Tsfati & Cappella, 2003, 2005; Tsfati & Peri, 2006; vgl. auch Abschnitt 3.1.4) und beziehen sich in den Ausführungen auf die Vertrauensforschung verschiedener Disziplinen (Coleman, 2010; Putnam, 1993; Rotter, 1967). Medienskeptizismus, aber auch an anderer Stelle Vertrauen in journalistische Medien als institutionelles Vertrauen (Tsfati & Cohen, 2005, S. 31), basiere dabei im Wesentlichen auf Erfahrungen mit der medialen Performanz. So spiegle sich ersterer unter anderem in der Wahrnehmung wider, dass „mainstream media are neither credible nor reliable, that journalists do not live by their professional standards, and that the news media get in the way of society rather than help society“ (Tsfati & Cappella, 2003, S. 506). In späteren Arbeiten steht Vertrauen in journalistische Medien stärker im Fokus: Tsfati (2014) führt an, dass Vertrauen in journalistische Medien in verschiedene Dimensionen zerfällt, wie in Vertrauen in die Selektion von Themen und Fakten sowie die Richtigkeit von Beschreibungen (vgl. auch Kohring & Matthes, 2007). Mit Bezug auf Fukuyama (1995) schlägt er vor: „Since trust encompasses professional norms, trust in media could be viewed as an expectation that the news media would report the news professionally“ (Tsfati, 2014, S. 491; vgl. auch Tsfati & Cohen, 2005, S. 32). Zwar sei der potenzielle Schaden bei Handeln auf Basis von Vertrauen in journalistische Medien geringer als in anderen Bereichen; allerdings sei gerade in Bezug auf politische Berichterstattung denkbar, dass ein Vertrauensbruch von Journalisten (z. B. Unwahrheiten) die Wahl inkompetenter politischer Kandidaten begünstige. Die Einflüsse von Vertrauen in journalistische Medien sind nach Tsfati (2014, S. 491) theoretisch noch nicht vollends umrissen; so würden Rezipienten für ihr Vertrauensurteil zum Beispiel Performanzbewertungen, den gesellschaftlichen Diskurs über Medien, Vertrauen in politische Institutionen, aber auch
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3 Vertrauen in journalistische Medien
generalisiertes soziales Vertrauen einbeziehen (vgl. auch Tsfati & Ariely, 2014). Im Zuge dessen schlägt er zur Bewertung von Medieninhalten im Allgemeinen vor, dass Erwartungen an die Berichterstattung mit deren wahrgenommenen Merkmalen abgeglichen werden (vgl. auch Katz, Blumler & Gurevitch, 1973), was erneute Erwartungen und damit Vertrauen in journalistische Medien prägt (Tsfati, 2014, S. 498–500). Ähnlich argumentieren Vanacker und Belmas (2009; vgl. auch Müller, 2013): Der Grad des Vertrauens basiere auf einem Abgleich von Erwartungen und Erfahrungen hinsichtlich der medialen Performanz; diese Bewertung stellt im Verständnis der Autoren einen zentralen Einfluss dar, könne jedoch nicht mit Vertrauen gleichgesetzt werden, denn: „to have a relationship of trust, it is necessary that the trustor has a stake in the judgment“ (Vanacker & Belmas, 2009, S. 113). Auch basierend auf diesen Arbeiten fokussiert Jackob (2012a) in Anlehnung an Easton (1975) „diffuses Vertrauen in die Medien als eine gesellschaftliche Institution unter mehreren“ (S. 115; vgl. auch Jakobs, 2018). Vertrauen in journalistische Medien als Institution stützt sich in seinem Verständnis darauf, dass die Vertrauensgeber deren basale Funktionen und Prinzipien in pluralistischen Gesellschaften bejahen (der Autor spricht hier von den allgemeinsten Prinzipien des Mediensystems) und annehmen, dass diese angemessen erfüllt werden (Jackob, 2012a, S. 105–106; vgl. auch Giddens, 1995; Offe, 1999). Anders als Kohring (2004) geht er somit davon aus, dass Rezipienten nicht zwangsläufig primär in die korrekte Erfüllung der Selektionsfunktion vertrauen.24 Vertrauen in journalistische Medien fasst er somit als „eine individuelle Haltung, wonach man davon ausgeht, dass man das, was in der Zeitung steht oder im Fernsehen berichtet wird, im Allgemeinen glauben kann“ (Jackob, 2012a, S. 117–118), was die Bereitschaft, auf Basis dessen zu handeln ausklammert. Aufbauend auf Bentele (1994b) und Kohring (2004) differenziert er überdies Vertrauensgründe. Medienspezifische Gründe ergeben sich daraus, dass Rezipienten bei der Mediennutzung Glaubwürdigkeitsurteile und Images25 medialer Objekte entwickeln. Auch umfassen diese die Art und Häufigkeit der Mediennutzung
24Auch verzichtet er auf den Einsatz der Skala von Kohring (2004), da diese Vertrauen in journalistische Medien mit Vertrauen in mediale (Selektions-)Leistungen gleichsetze, während weitere Gründe geringe Berücksichtigung fänden (Jackob, 2012a, S. 119). 25Wobei Jackob (2012a, S. 131) hier die Wahrnehmung normativer Funktionen journalistischer Medien meint, „als genaue Beobachter sozialer Prozesse, Kritiker von Missständen, Aufklärer und objektive Vermittler.“
3.2 Verständnisse von Vertrauen in journalistische Medien
91
sowie vertrauensbezogene Erfahrungen mit der Berichterstattung (z. B. persönlicher Schaden aufgrund falscher Informationen). Unspezifische Vertrauensgründe meinen etwa individuelle Merkmale wie generalisiertes soziales Vertrauen (Jackob, 2012a, S. 115–132). Weitere (politische) Merkmale werden allerdings erst an anderer Stelle einbezogen (Schultz et al., 2017; Ziegele et al., 2018). Expliziteren Bezug auf Erklärungen politischen Vertrauens nimmt zum einen Müller (2013). Unter Rückgriff auf die politologische, aber auch die soziologische Vertrauensforschung (Hardin, 2002; Luhmann, 1989) geht er davon aus, dass Vertrauen in journalistische Medien davon abhängt, wie sehr „the perceived institutional performance conforms to the expectations of the audience“ (Müller, 2013, S. 62). Gemäß seinen theoretischen Ausarbeitungen beruht dieses auf generalisiertem sozialen Vertrauen sowie darauf, dass Individuen schätzen, welche Leistung sie von einer Institution erwarten und wie sehr diese erfüllt wurde. Unter Rückgriff auf die Schematheorie (vgl. auch Fiske & Taylor, 1991) argumentiert er, dass Rezipienten um journalistische Normen wissen und diese als Grundlage für die Performanzbewertung nehmen könnten (Müller, 2013, S. 49–60). Um den Grad des Vertrauens in journalistische Medien in unterschiedlichen Mediensystemen zu erklären, leitet er Performanzkriterien aus normativen Funktionen von journalistischen Medien ab, die sich aus demokratischen Öffentlichkeitsmodellen ergeben und prüft deren Vorhersagekraft. Gemäß liberaler Öffentlichkeitstheorien fördere so ein freier Medienmarkt, der auf die Interessen der Rezipienten reagiert, Vertrauen in journalistische Medien, während laut deliberativer Öffentlichkeitstheorien (vgl. auch Habermas, 1981) das Vertrauen in privatwirtschaftliche Medienorganisationen geringer sei als in öffentlich-rechtliche (Müller, 2013, S. 62–97). Zum anderen existieren vereinzelt Studien, die kulturalistische und institutionalistische Erklärungen auf Vertrauen in journalistische Medien übertragen (Hanitzsch et al., 2018; Pjesivac, 2017; Tsfati & Ariely, 2014). Exemplarisch dafür sehen Hanitzsch et al. (2018) Vertrauen in journalistische Medien ebenfalls als eine Form des Vertrauens in Institutionen und fassen es mit (Mayer et al., 1995, S. 715) als „the willingness of the audience to be vulnerable to news content based on the expectation that the media will perform in a satisfactory manner [Herv. i. Org.]“ (S. 5). Gemäß institutionalistischer Erklärungen könnte einerseits eine wahrgenommene Verschlechterung der Medienperformanz, zum Beispiel aufgrund eines beobachteten Negativismus in der Berichterstattung sowie Medienskandalen, Vertrauen in journalistische Medien senken. Generalisiertes soziales Vertrauen mag dieses aus kulturalistischer Perspektive fördern. Weiterhin
92
3 Vertrauen in journalistische Medien
vermuten und demonstrieren die Autoren mit Bezug zur Hostile Media-Forschung, dass eine extreme politische Ideologie sowie ein hohes Level an politischer Polarisierung auf Länderebene Vertrauen in journalistische Medien senken. Daneben schätzen sie, dass politisches Vertrauen mit Vertrauen in journalistische Medien verwoben ist („trust nexus“). Dies stützen sie auf zwei Überlegungen: So würden sich politische Akteure stärker an der Medienlogik orientieren, wovon somit auch Rezipienten eher Notiz nähmen. Zentral wäre aber, dass der öffentliche Diskurs zunehmend von antielitistischen Werten geprägt sei, was wiederum kritische Haltungen gegen Autoritäten fördere, zu denen Rezipienten journalistische Medien zählen (Hanitzsch et al., 2018, S. 6–8). Empirische Studien zu Vertrauen in journalistische Medien beziehen sich häufig auf die Verständnisse von Tsfati und Kollegen (Ardèvol-Abreu & Gil de Zúñiga, 2017; Ladd, 2010b; Schielicke et al., 2014) sowie von Kohring und Kollegen (Pjesivac, 2017; Pjesivac, Spasovska & Imre, 2016).26 Überdies fassen besonders US-amerikanische Studien Medienvertrauen häufig als Form des Vertrauens in Institutionen (Gronke & Cook, 2007; Gunther, Hong & Rodriquez, 1994; Jones, 2004; Wise & McLaughlin, 2016). In letzteren Studien wird Vertrauen in journalistische Medien beispielsweise als davon abhängig gesehen, wie sehr Rezipienten erwarten, dass Medien ihre öffentliche Aufgabe angemessen erfüllen (Livio & Cohen, 2018, S. 685; Wise & McLaughlin, 2016, S. 107; vgl. auch Coleman, 2012). Auf Basis dieser Gegenüberstellung der beiden Perspektiven auf Vertrauen in mediale Objekte lässt sich festhalten, dass für die Studie dem Lager gefolgt wird, das Vertrauen in journalistische Medien als Institution sieht. Dieses fokussiert zum einen wahrgenommene Einflüsse auf der Mikroebene. Zum anderen wurden bereits vereinzelt Erklärungen politischen Vertrauens als ertragreiche Basis einbezogen, um Korrelate von Vertrauen in journalistische Medien zu extrahieren. Ehe letztere im Zentrum stehen, werden zuletzt Operationalisierungen und Befunde zum Medienvertrauen in Deutschland in einem Kurzüberblick dargelegt.
26Dabei
ist auffällig, dass Studien Vertrauen in journalistische Medien oft nicht näher bestimmen, „but rather rely on an implied common understanding of the term“, was Vanacker & Belmas (2009, S. 111) anmerken (Gronke & Cook, 2007; Jones, 2004). Zudem verwenden Studien vereinzelt Vertrauen in journalistische Medien und Medienglaubwürdigkeit synonym (Liu & Bates, 2009; Lucassen & Schraagen, 2011, 2012).
3.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde …
93
3.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde zu Vertrauen in (journalistische) Medien in Deutschland In Studien zu Vertrauen in (journalistische) Medien werden vor allem zwei Arten von Operationalisierungen verwendet. Einerseits wird dieses indirekt messbar gemacht, über die Bewertung der vergangenen medialen Performanz. Die Idee ist, dass Vertrauen in journalistische Medien „is the common cause for these attitudes towards news media. So, these scales try to measure variables that are supposed to be influenced by trust“ (Prochazka & Schweiger, 2019, S. 28). Zumeist werden dazu multidimensionale Skalen eingesetzt. Dabei ist die validierte Skala zu Vertrauen in Journalismus von Kohring (2004; Kohring & Matthes, 2007; Pjesivac, 2017) zu nennen: Diese fragt vier Vertrauensdimensionen ab (Themen- und Faktenselektivität, Richtigkeit, explizite Bewertungen), die die Bewertung der korrekten Erfüllung der journalistischen Selektionsfunktion (bezüglich eines Themas im meistgenutzten Medium) indizieren.27 So überschneidet sie sich partiell mit Skalen zur normativen Qualität der Berichterstattung (Dohle & Hartmann, 2008, S. 31). Prochazka und Schweiger (2019) passen die Skala entsprechend an, um generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien zu messen und validieren diese (vgl. auch Arlt, 2018). Daneben werden Skalen der Medienglaubwürdigkeitsforschung eingesetzt oder (in-)direkte Operationalisierungen kombiniert. Grosser et al. (2019) verwenden beispielsweise zur Operationalisierung der Vertrauenswürdigkeit von nutzergenerierten Inhalten Items aus validierten Skalen der Medienglaubwürdigkeit (vgl. auch Gaziano & McGrath, 1986). Auch Tsfati und Kollegen kombinieren diverse Skalen: So wird Vertrauen in journalistische Medien mit erwähnter Skala zur Medienglaubwürdigkeit von Gaziano und McGrath (1986) gemessen (Tsfati, 2010). Medienskeptizismus erheben Tsfati und Cappella (2003; Tsfati & Cappella, 2005) mit ebendieser Skala und unter anderem zuzüglich Items dazu, wie häufig journalistischen Medien dahingehend vertraut werden kann, fair zu berichten (vgl. auch Jones, 2004; Ladd, 2006; Lee, 2010) und gesellschaftliche Probleme zu lösen, sowie direkten Fragen nach dem Vertrauen in journalistische Medien (vgl. auch Lucassen & Schraagen, 2012). Auch existieren Studien, die
27Müller
(2013) bemängelt somit, dass die Skala in ihrer ursprünglichen Form keinen Rückschluss auf Vertrauen in spezifische Mediengattungen zulässt (S. 102; vgl. aber Matthes et al., 2010; Prochazka & Schweiger, 2019).
94
3 Vertrauen in journalistische Medien
Vertrauen in spezifische Leistungen vergleichen. So schlagen Pingree et al. (2013) für die Messung von Vertrauen in journalistisches Gatekeeping fünf Items vor, die denen zu Vertrauen in Themen- und Faktenselektivität ähneln (Kohring, 2004). Das zugrundeliegende Verständnis dieser indirekten Messungen von Vertrauen als reflektives Modell lässt allerdings den theoretischen Aspekt außer Acht, dass Vertrauen in journalistische Medien auf die Zukunft gerichtet ist und auf Basis von Performanzbewertungen getroffen wird. Somit ist umgekehrt denkbar, dass Qualitätswahrnehmungen den Grad des Vertrauens beeinflussen (Prochazka & Schweiger, 2019, S. 40). Andererseits wird Vertrauen in journalistische Medien direkt erhoben. So messen Studien es oftmals im Zuge der Abfrage von Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen, die in international vergleichenden Befragungen eingesetzt wird (Hanitzsch et al., 2018; vgl. auch Hanitzsch & Berganza, 2012). Schultz et al. (2017; vgl. auch Jackob, 2012a; Ziegele et al., 2018) fragen direkt, wie sehr Rezipienten „den Medien“ in Bezug auf wichtige Dinge (z. B. Umweltprobleme) vertrauen. Auch wird Vertrauen in Mediengattungen (Hopmann et al., 2015; Tsfati & Ariely, 2014; Ziegele et al., 2018) oder in das Kollektiv der Journalisten erhoben (Livio & Cohen, 2018; Williams, 2012). Dabei wird berechtigterweise kritisiert, dass nicht kontrolliert werden kann, was Rezipienten unter Vertrauen in journalistische Medien verstehen (Kohring, 2004, S. 197), was Messfehler fördern kann (Prochazka & Schweiger, 2019, S. 29). So wäre es möglich, dass die Vertrauenswerte stärker davon abhängen, welche Erfahrungen medialer Performanz erinnert werden. Allerdings werden diese Rückbezüge auch in „regulären“ Vertrauensurteilen hergestellt (Daniller, Allen, Tallevi & Mutz, 2017, S. 77). Ladd (2012, S. 97–103) zeigt überdies US-repräsentativ, dass sich die Befragten nur geringfügig in den Kriterien unterscheiden, anhand derer sie ihren Vertrauensgrad festmachen (z. B. Richtigkeit, Ausgewogenheit). Überdies wurden „die Medien“ überwiegend mit journalistischen Medien assoziiert (vgl. auch Tsfati & Cappella, 2005, S. 268). Zur Beziehung zwischen indirekten und direkten Operationalisierungen von Vertrauen in journalistische Medien zeigt Müller (2013, S. 109) mittels Strukturgleichungsmodellierung, dass Medienglaubwürdigkeit (vgl. auch Meyer, 1988) moderat bis stark mit Einzelitems zu Vertrauen in journalistische Medien korreliert, während Vertrauen in nutzergenerierte Inhalte keine Assoziation aufweist. Daraus schließt er, dass Rezipienten bei Vertrauen in „die Medien“ die Einhaltung journalistischer Normen zu Grunde legen. Im Anschluss soll ein Kurzüberblick über deskriptive Befunde zu Medienvertrauen in Deutschland gegeben werden. Dieser lässt sich aus (inter-)nationalen Repräsentativbefragungen sowie repräsentativen Originalstudien zu Vertrauen in (journalistische) Medien ziehen. Um den Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2017
3.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde …
95
berichtet beispielsweise das Reuters Institute im regelmäßig erscheinenden Digital News Report, dass die Hälfte der Deutschen zustimmt, den meisten Nachrichtenmedien meistens zu vertrauen (Hölig & Hasebrink, 2018); bezogen auf Quellen, die die Befragten selbst nutzen, bejahen dies 61 Prozent. Die Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen [MLMV] findet ebenfalls, dass 2017 42 Prozent der Deutschen den Medien „in Bezug auf die wirklich wichtigen Dinge“ (eher/voll und ganz) vertrauen, während 17 Prozent der Ansicht sind, man könne dies (eher/ überhaupt) nicht (Ziegele et al., 2018, S. 154). Gemäß Edelman Trust Barometer (2018) vertrauen Ende 2017 ebenfalls 42 Prozent der deutschen Befragten den Medien (sehr). Bezüglich Vertrauen in Mediengattungen (vgl. Abbildung 3.2) hat rund die Hälfte der deutschen Bevölkerung gemäß verschiedener Repräsentativbefragungen (sehr) großes Vertrauen in die Presse, wobei Schwankungen unterschiedlichen Messzeitpunkten sowie Skalierungen geschuldet sein mögen. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertraut rund die Hälfte bis zwei Drittel (sehr), was deutlich über dem privaten Rundfunk liegt. „Dem Internet“ oder sozialen Netzwerkseiten vertrauen 10 Prozent bis ein Drittel (sehr), was womöglich auf-
29%
35% 72%
10%
9%
66%
33% 74%
65%
58%
35%
42%
ö.-r. TV
Tageszeitungen
Mitte-Studie: 2016 (sehr)/(eher) großes Vertrauen
21%
15%
MLMV: 2017 teils/teils
67% 27% Radio
5%
Boulevardzeitungen
5%
Internet
32%
privates TV
34%
privater RF
24%
SNS
24%
Tageszeitungen
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TV
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18%
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SNS
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Internet
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Tageszeitungen
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TV
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ö.-r. RF
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Eurobarometer: 2017 (überhaupt)/(eher) kein Vertrauen
Abbildung 3.2 Vertrauen in (Formen von) Mediengattungen in Deutschland. (Anmerkungen. Eurobarometer 2017 (European Commission, 2018b): n = 1.274 bis 1.514, dichotome Skala, „eher nicht vertrauen“ vs. „eher vertrauen“; Mitte-Studie (Decker, Kiess, Eggers et al., 2016): 7-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 3 = „kein Vertrauen“ und Skalenpunkte 5 bis 7 = „Vertrauen“ zusammengefasst; MLMV (Ziegele et al., 2018): n = 1.200, 5-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 2 = „überhaupt/eher nicht vertrauenswürdig“ und 4 bis 5 = „eher/sehr vertrauenswürdig“ zusammengefasst; Eurobarometer: gewichtete Daten gemäß den Empfehlungen für die Analyse von Gesamtdeutschland)
96
3 Vertrauen in journalistische Medien
grund vielfältiger Formen medialer Angebote schwankt. Die divergierenden Vertrauenswerte legen nahe, dass man Vertrauen in Mediengattungen gesondert betrachten sollte. Dies soll erstens mit Hilfe von Daten zur Entwicklung des Vertrauens in journalistische Medien eingeordnet werden. Gemäß repräsentativer Langzeitdaten zu Vertrauen in journalistische Medien in Deutschland (falls nicht allgemein erhoben: in die Presse) ist dieses über die letzten Jahrzehnte (1981 bis 2018) trotz kleinerer Schwankungen größtenteils stabil (vgl. Abbildung 3.3). Auch sind seit
100%
Edelman trust the media (a great deal) Eurobarometer (Print-) Medien eher vertrauen
90%
EVS | WVS (sehr/ziemlich viel) Vertrauen in das Zeitungswesen
80%
IfD (sehr, ziemlich) viel Vertrauen in die Zeitungen
70%
MLMV Medien in wichtigen Dingen voll und ganz/eher vertrauen Reuters Institute (strongly/tend to agree) trust most news most of the time
60%
60% 52%
50% 40%
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50%
44%
46% 36%
44%
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1981
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1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
2016
2018
Abbildung 3.3 Generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien in Deutschland im Zeitverlauf. (Anmerkungen. Edelman Trust Barometer (2014, 2016, 2017, 2018, 2019): 9-stufige Skala, „do not trust them at all“ bis „trust them a great deal“, Skalenpunkte 1 bis 4 und 6 bis 9 zusammengefasst; Eurobarometer (European Commission, 2012a–k, 2013a– b, 2014, 2015, 2017a–c, 2018a–c): n = 1.438 bis 1.946, dichotome Skala, „eher nicht vertrauen“ vs. „eher vertrauen“; EVS (2015, 2019)|WVS (2015): n = 1.299 bis 5.179, 4-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 2 = „sehr/ziemlich viel Vertrauen“ und 3 bis 4 = „wenig/überhaupt kein Vertrauen“ zusammengefasst; MLMV (Jackob, Schultz et al., 2019; Ziegele et al., 2018): n = 500 bis 1.200, 5-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 2 = „überhaupt/eher nicht vertrauen“ und 4 bis 5 = „eher/voll und ganz vertrauen“ zusammengefasst; Institut für Demoskopie Allensbach (2017): 4-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 2 = „überhaupt keines/wenig Vertrauen“ und 3 bis 4 = „ziemlich/sehr viel Vertrauen“ zusammengefasst; Reuters Institute (Newman, Levy & Nielsen, 2015; Newman, Fletcher, Levy & Nielsen, 2016; Newman, Fletcher, Kalogeropoulos, Levy & Nielsen, 2017, 2018): 5-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 2 = „strongly/tend to disagree“ und 4 bis 5 = „strongly/tend to agree“ zusammengefasst; Eurobarometer, EVS|WVS: gewichtete Daten gemäß den jeweiligen Empfehlungen für die Analyse von Gesamtdeutschland; zudem wird Vertrauen in Mediengattungen in Deutschland etwa im Allbus (GESIS, 2016) und im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks [WDR] (2015, 2016, 2018) regelmäßig erhoben)
3.3 Operationalisierungen und deskriptive Befunde …
97
Etablierung des Internets sowie im Nachklang der Lügenpresse-Debatte leichte Anstiege sichtbar (Reinemann et al., 2017, S. 79–82). Die Unterschiede könnten der Skalierung geschuldet sein, wobei der Vertrauensanteil in Daten des Eurobarometers mit dichotomer Skalierung höher liegt und stärker schwankt als in Befragungen, die differenziertere Skalen verwenden. Schultz et al. (2017, S. 248) zeigen überdies, dass der Anteil der Bürger zugenommen hat, die „den Medien“ bei wichtigen Dingen überhaupt/eher nicht vertrauen (2008: 9 %, 2016: 22 %) sowie eher/voll und ganz vertrauen (2008: 29 %, 2016: 41 %), was die Autoren als Polarisierung des Vertrauens in journalistische Medien deuten. Dies bleibt in den folgenden Wellen relativ stabil und geht nur stellenweise leicht zurück (Jackob, Schultz et al., 2019; Ziegele et al., 2018). In den hier dargestellten repräsentativen Befragungen deuten sich deskriptiv nur leichte Tendenzen einer solchen Polarisierung an (vgl. Abbildung 2, elektronisches Zusatzmaterial). Allerdings ist dies mit Vorsicht zu interpretieren, da Vertrauen in mediale Objekte auch mittels zwei- oder vierstufiger Skalen gemessen wurde. Insgesamt lässt sich festhalten, dass im Zeitverlauf weniger als oder maximal knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung (sehr großes) Vertrauen in die Medien hat. Betrachtet man Vertrauen in Mediengattungen, zeigt sich Ähnliches: Zum einen bestehen die beschriebenen relativen Unterschiede im Vertrauensniveau. So wird dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk das höchste Vertrauen entgegengebracht, gefolgt vom Internet, sozialen Netzwerkseiten sowie dem privaten Rundfunk. In der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen zeigt sich überdies von 2016 bis 2018 beständig, dass weniger als 10 Prozent der Befragten sehr oder eher Vertrauen in Boulevardzeitungen äußern; bei Tageszeitungen sind dies zum Vergleich rund zwei Drittel (2018: überregional: 49 %, regional: 63 %, Jackob, Schultz et al., 2019, S. 212). Zum anderen bleiben die absoluten Vertrauenslevels im Zeitverlauf relativ beständig und steigen eher leicht an (vgl. Abbildung 3.4). Zweitens können international vergleichende Daten zur Einordnung von Vertrauen in journalistische Medien in Deutschland betrachtet werden (Reinemann et al., 2017, S. 84–86). Der für Onlinenutzer repräsentativen Befragung des Reuters Institute zufolge (Newman et al., 2018), liegt Deutschland 2018 von 37 betrachteten Ländern (vier lateinamerikanische, sechs asiatische Länder, USA und Kanada sowie 25 Länder Europas) auf Rang 12 mit einem Vertrauensanteil von 50 Prozent. Finnland, Portugal, Brasilien, die Niederlande, und Kanada stellen mit rund 60 Prozent die Top 5 dar, während die Bottom 5 mit rund 25 bis 30 Prozent Tschechien, Malaysia, Ungarn, Griechenland, und Südkorea sind. Die USA liegen mit 34 Prozent auf Rang sieben von hinten. Verglichen mit Wellen von 2015 bis 2017 gibt es kaum Änderungen der Rangfolge (Newman et al., 2017, S. 20). Ähnliches findet sich im Edelman Trust Barometer (2018):
98
3 Vertrauen in journalistische Medien
Edelman trust social media a great deal Eurobarometer Radio eher vertrauen Eurobarometer SNS eher vertrauen MLMV ö.-r. Fernsehen sehr/eher vertrauenswürdig MLMV Internet sehr/eher vertrauenswürdig
100% 90% 80%
70% 60%
Eurobarometer Fernsehen eher vertrauen Eurobarometer Internet eher vertrauen EVS | WVS (sehr/ziemlich viel) Vertrauen in das Fernsehen MLMV privates Fernsehen sehr/eher vertrauenswürdig 74%
68% 69% 65%
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33%
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1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
Abbildung 3.4 Vertrauen in Mediengattungen in Deutschland im Zeitverlauf. (Anmerkungen. Edelman Trust Barometer (2014, 2018): 9-stufige Skala, „do not trust them at all“ bis „trust them a great deal“, Skalenpunkte 1 bis 4 und 6 bis 9 zusammengefasst; Eurobarometer (European Commission, 2012a–k, 2013a, 2013b, 2014, 2015, 2017a–c, 2018a, 2018b): n = 1.436 bis 1.956, Radio: n = 1.436 bis 1.948, Internet (erhoben ab: 2005): n = 1.063 bis 1.340, SNS (erhoben ab: 2014): n = 1.153 bis 1.274, dichotome Skala, „eher nicht vertrauen“ vs. „eher vertrauen“; EVS (2015)|WVS (2015): TV (erhoben: 1997, 2006, 2013): n = 2.000 bis 2.030, 4-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 2 = „sehr/ziemlich viel Vertrauen“ und 3 bis 4 = „wenig/überhaupt kein Vertrauen“ zusammengefasst; MLMV (Jackob, Schultz et al., 2019): 5-stufige Skala, Skalenpunkte 1 bis 2 = „überhaupt/eher nicht vertrauenswürdig“ und 4 bis 5 = „eher/sehr vertrauenswürdig“ zusammengefasst; Eurobarometer, EVS|WVS: gewichtete Daten gemäß den jeweiligen Empfehlungen für die Analyse von Gesamtdeutschland)
Von 28 teilnehmenden Ländern ist gemäß der Onlinebefragung das Medienvertrauen Ende 2017 mit Anteilen von rund 60 bis 70 Prozent in China, Indonesien und Indien am höchsten. Nordeuropäische Länder erzielen Vertrauensniveaus um 40 Prozent; dazu gehören auch Deutschland und die USA, die gleichauf liegen (vgl. auch Edelman Trust Barometer, 2019). Während Deutschland geringe Schwankungen von 2017 auf 2018 verzeichnet, gibt es in den USA deutliche Verluste. Diese Befunde lassen sich mit Blick auf die jeweiligen Mediensysteme und politischen Regime differenzierter beschreiben. Gemäß Müller (2013, S. 113–133) verzeichnen in Daten der WVS lediglich Länder, die dem liberalen Modell angehören (Hallin & Mancini, 2004, S. 66–75) einen Vertrauensverlust
3.4 Zwischenfazit: Vertrauen in journalistische Medien
99
journalistischer Medien (z. B. Großbritannien, Kanada, USA); das gilt nicht für Länder des demokratisch-korporatistischen (z. B. DACH, Niederlande) und des polarisiert-pluralistischen Modells (z. B. Frankreich, Italien). Hanitzsch et al. (2018, S. 11–13) berichten für 45 Länder der WVS, dass angloamerikanische Länder (Australien, USA) zu denen mit den niedrigsten Vertrauensniveaus gehören, während asiatische Länder (z. B. China, Indien) die Rangfolge anführen. Damit ist Vertrauen in journalistische Medien in westlichen Demokratien geringer als in autoritären Regimen, in denen diese unter staatlicher Kontrolle stehen. Zudem sei der Rückgang des Vertrauens in journalistische Medien kein universeller Trend, sondern könne nur in 24 Ländern seit der ersten Welle verzeichnet werden (z. B. USA), wohingegen es in 14 Ländern (leicht) angestiegen sei. Insgesamt gehört Deutschland im europäischen Vergleich zu Ländern mit relativ hohem Vertrauen in journalistische Medien, im internationalen Vergleich zum Mittelfeld. Starke Vertrauensverluste und ein geringes Vertrauensniveau müssen die USA verzeichnen, was bei der Einordnung der Studien zu Vertrauen in journalistische Medien aus den USA beachtet werden muss.
3.4 Zwischenfazit: Vertrauen in journalistische Medien Das Verständnis von Vertrauen in journalistische Medien, dem in dieser Studie gefolgt wird, orientiert sich an perspektivübergreifenden Merkmalen kommunikationswissenschaftlicher Verständnisse sowie dem vorab abgeleiteten Vertrauensbegriff. Vertrauen in journalistische Medien lässt sich demnach als relationale Haltung von Rezipienten fassen, die an die Bereitschaft geknüpft ist, sich freiwillig von der Leistung medialer Objekte abhängig zu machen und so zu einem gewissen Grad ihre Meinungsbildung und Handlungen auf den medialen Output (primär die Berichterstattung) zu gründen. Dies basiert auf der Erwartung, dass journalistische Medien ihre normativ verankerten Leistungen angemessen erbringen werden, wobei Rezipienten dies nicht kontrollieren können und trotzdem das Risiko akzeptieren, dass den normativen Erwartungen nicht adäquat entsprochen wird. Vertrauensbeziehungen zwischen Rezipienten und medialen Objekten laufen überdies mutmaßlich wenig reflektiert ab, um im Alltag kognitive Ressourcen zu sparen; jedoch ist denkbar, dass diese bewusstgemacht werden können, wenn etwa wichtige Entscheidungen auf Basis der Berichterstattung zu treffen sind (Jakobs, 2018, S. 42). Glaubwürdigkeit medialer Objekte lässt sich als Komponente der Bewertung vergangener medialer Performanz sehen, die sich im Kern auf Berichterstattung bezieht, da nur diese
100
3 Vertrauen in journalistische Medien
als korrekt und vollständig bewertet werden kann (Wirth, 1999, S. 56). Vertrauen richtet sich dagegen auf Akteure oder kollektive Entitäten, die diese produzieren (Vanacker & Belmas, 2009, S. 117). Misstrauen in mediale Objekte wird als funktionales Äquivalent zu Vertrauen gesehen, wobei kein Vertrauen nicht mit Misstrauen in journalistische Medien gleichzusetzen ist. Aufbauend ist zu eruieren, inwiefern geringes Medienvertrauen medienbezogene Skepsis begünstigen kann, also eine kritisch-abwägenden, aber ergebnisoffene Haltung gegen über (den Leistungen) medialer Objekte; gleiches gilt für medienbezogenen Zynismus als Haltung, dass die Performanz journalistischer Medien pauschal als schädlich für das Gemeinwohl zu bewerten ist und Journalisten inkompetent sind sowie nur eigene Interessen vertreten (vgl. auch Jackob, Jakobs et al., 2019; Pinkleton et al., 2012). Weiterhin fokussiert die Studie journalistische Medien (respektive Journalismus) als Institution, mit Journalisten als deren Repräsentanten, sowie Mediengattungen, die für die Institution Journalismus stehen, und damit die normative Funktion teilen, Öffentlichkeit herzustellen. Begrifflich orientiert sie sich an der gängigen Bezeichnung in der entsprechenden Literatur, die von Vertrauen in „news media“ ausgeht (vgl. auch Hanitzsch et al., 2018; Jackob, 2012a; Prochazka & Schweiger, 2019). Da Rezipienten vermutlich mit „den Medien“ Journalismus verbinden und deren Sicht interessiert, soll diese Bestimmung für die Studie genügen, um Erklärungen von Vertrauen in Institutionen für Vertrauen in journalistische Medien nutzbar zu machen. Journalistische Medien erfüllen so Funktionen in der Gesellschaft, die sich aus normativ-demokratieorientierter Perspektive aus der öffentlichen Aufgabe ergeben. Die mediale Performanz kann wiederum danach bewertet werden, wie sehr dies normativen Erwartungen der Rezipienten in ihrer Rolle als Bürger entspricht (vgl. auch Hasebrink, 2011, S. 325; Voltmer, 1999, S. 24). Im Zuge der Digitalisierung gewinnen zudem Vertrauensobjekte an Bedeutung, die sich unter dem Sammelbegriff nutzergenerierter Inhalte fassen lassen (z. B. Blogs, Nutzerkommentare; vgl. auch Schmidt et al., 2017, März, S. 24); diese werden von Rezipienten eigenständig erstellt, öffentlich verbreitet und können auch gesellschaftlich relevante Themen bearbeiten. Allerdings handelt es sich weniger um Journalismus, da sie womöglich überwiegend partikulare Interessen vertreten (Schweiger, 2017, S. 43). Davon sind alternative Medien zu unterscheiden, die übergreifend primär auszeichnet, dass sie nach eigener und/oder Fremdwahrnehmung ein Korrektiv darstellen, indem sie oppositionelle (politische) Positionen zu denen journalistischer Medien im öffentlichen Diskurs einnehmen (Holt et al., 2019, S. 862). Welche spezifischen Merkmale die jeweiligen Medienangebote weiterhin teilen (z. B. alternative Verfasser oder Vertriebswege), ist eine empirische Frage (vgl. auch Harcup,
3.4 Zwischenfazit: Vertrauen in journalistische Medien
101
Tabelle 3.1 Überblick über Verständnisse von Vertrauen in mediale Objekte Vertrauen in Journalismus als System
Vertrauen in journalistische Medien als Institution
Vertreter
Blöbaum (2016), Grosser (2016), Kohring (2004)
Hanitzsch et al. (2018), Jackob (2012a), Müller (2013), Tsfati (2014)
Abhängige Variablen
korrekte Erfüllung journalistischer Programme
generalisiertes Vertrauen journalistische Medien
Medienspezifische Indikatoren korrekte Erfüllung Einflüsse journalistischer Programme Unspezifische Einflüsse
mediale Performanz, Mediennutzung
Glaubwürdigkeit, journalistische generalisiertes soziales Vertrauen, politische Einstellungen, Autonomie, generalisiertes politisches Vertrauen, soziales Vertrauen Wertorientierungen
Anmerkungen. Eigene Darstellung, Bezugspunkt: individuelle Ebene der Rezipienten
2005, S. 370; Holt et al., 2019, S. 864). Überdies werden hier generalisierte Formen von Medienvertrauen betrachtet, die sich auf generalisierte direkte sowie indirekte Erfahrungen mit diversen Angeboten stützen können. Zwei Perspektiven auf Vertrauen in journalistische Medien respektive Journalismus wurden überdies differenziert (vgl. Tabelle 3.1). Ein Lager sieht Vertrauen in Journalismus funktional-systemorientiert als Vertrauen in die korrekte Erfüllung journalistischer Programme. Ein zweites fasst Vertrauen in journalistische Medien als Form des Institutionenvertrauens und bezieht sich vereinzelt auf Erklärungen politischen Vertrauens, dem damit hier gefolgt wird. Dazu wird Vertrauen in ersterem Lager meist indirekt gemessen über Indikatoren medialer Performanz, was aber außer Acht lässt, dass Vertrauen in journalistische Medien auf die Zukunft gerichtet ist und auf vergangener Performanzbewertung basiert. Was Gründe oder Einflüsse betrifft, so werden ähnliche Determinanten in der Literatur diskutiert: Zum einen werden medienspezifische Einflüsse wie wahrgenommene Glaubwürdigkeit oder Mediennutzung genannt. Zum anderen beziehen Studien unspezifische Einflüsse wie generalisiertes soziales Vertrauen ein; politische Merkmale oder Wertorientierungen werden seltener berücksichtigt. Insgesamt verdeutlicht bereits dieser Überblick über den Forschungsstand zu Verständnissen von Vertrauen in journalistische Medien und dessen Prädiktoren verschiedene Anknüpfungspunkte. Erstens mangelt es an einer integrativen Systematisierung performanzbezogener und individueller Korrelate von Vertrauen in journalistische Medien. So wurden bislang zwar durchaus mögliche
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3 Vertrauen in journalistische Medien
Gründe für respektive Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien herausgearbeitet; dennoch wurden häufig singuläre Gruppen performanzbezogener oder individueller Korrelate fokussiert. Verschiedene Formen performanzbezogener Prädiktoren, wie vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie, wurden überdies kaum in Relation gesetzt. Als individuelle Prädiktoren werden zweitens meist entweder soziale (z. B. generalisiertes soziales Vertrauen) oder politische Merkmale (z. B. politische Einstellungen) einbezogen. Studien, die beide Formen von Merkmalen berücksichtigen, sind bislang selten; überdies werden in der Literatur zu Vertrauen in journalistische Medien in Deutschland gerade politische Korrelate bislang nur am Rande betrachtet (vgl. auch Reinemann et al., 2017, S. 88). Dies mag auch daran liegen, dass drittens erst seit kurzem Überlegungen der politischen Vertrauensforschung herangezogen werden, um Vertrauen in journalistische Medien zu erklären (vgl. auch Hanitzsch et al., 2018; Tsfati & Ariely, 2014). Insbesondere integrative Erklärungen von Vertrauen in (politische) Institutionen ließen es zu, soziopolitische sowie performanzbezogene Merkmale als Einflüsse des Vertrauens in journalistische Medien theoretisch zu verankern (Mishler & Rose, 2001) und die Relation beider Formen von Prädiktoren herauszuarbeiten (Rohrschneider, 1999). Viertens geht aus den repräsentativen deskriptiven Befunden hervor, dass Vertrauen in Mediengattungen bisher selten differenziert erhoben wurde. Damit existieren wohl bislang nur wenige Befunde zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Erklärgrößen von Vertrauen in verschiedene (Formen) journalistische(r) Mediengattungen (z. B. Qualitäts- und Boulevardmedien), was im folgenden Kapitel genauer zu klären sein wird. Dazu ist größtenteils unklar, wie das generalisierte Vertrauen in verschiedene Formen von Mediengattungen mit generalisiertem Vertrauen in journalistische Medien assoziiert ist. Gleiches gilt für medienskeptische sowie medienzynische Haltungen; gerade Hinweise auf diese Assoziationen wären jedoch erhellend für die normative Bewertung von unterschiedlichen Vertrauensniveaus der Rezipienten. Um dazu beizutragen, diese Defizite auszuräumen, werden nun aus Erklärungen zu Einflüssen auf politisches Vertrauen sowie zu Medienbewertungen zur Untersuchung des Vertrauens in journalistische Medien verbunden. Entlang dieser Systematisierung soll in einem zweiten Schritt der Forschungsstand zu Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien aufgearbeitet und mit Befunden aus angrenzenden Forschungsfeldern angereichert werden.
4
Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Im Folgenden ist es das Ziel, die herausgearbeiteten Erklärungen politischen Vertrauens für die Analyse relativer Korrelate des Vertrauens in journalistische Medien nutzbar zu machen. Dazu stellen sich integrative Modelle am vielversprechendsten dar, weil diese kulturalistische und institutionalistische Erklärungen unter Rückgriff auf handlungstheoretische Grundlagen der politischen Kulturforschung verbinden (vgl. auch Frings, 2010, S. 127). Diese ermöglichen es, performanzbezogene (vgl. Abschnitt 4.2, Abschnitt 4.3, Abschnitt 4.4) und individuelle soziopolitische Einflüsse (vgl. Abschnitt 4.5) sowie deren Assoziation in einer Modellierung zu Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien zu berücksichtigen (vgl. Abschnitt 4.1). Zu ersteren werden jeweils für das Vorhaben relevante Erkenntnisse referiert und der Forschungsstand zu deren Assoziationen mit Vertrauen in journalistische Medien(-gattungen) umrissen.
4.1 Systematisierung von Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien Erklärungen dazu, welche Variablen politisches Vertrauen beeinflussen, liefern die skizzierten integrativen Modelle. Gemäß Lifetime Learning-Modell (Mishler & Rose, 2001) sind zum einen generalisierte Erfahrungen dahingehend, wie sehr die politische Performanz in der Vergangenheit normativen Erwartungen entsprach und damit das politische Vertrauen gerechtfertigt wurde, ein zentraler Prädiktor des aktuellen politischen Vertrauens. Dieser Zusammenhang ist als dynamisch gedacht, wobei letzteres wiederum die politische Performanzbewertung zum nächsten Zeitpunkt prägen kann. Zum anderen bedingt © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Obermaier, Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31154-4_4
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
generalisiertes soziales Vertrauen das politische Vertrauen. Das Ideological Performance-Modell (Rohrschneider, 1999) liefert zwei Ergänzungen: Erstens berücksichtigt es, dass (Wert-)Orientierungen, die gemäß der politischen Kulturforschung politische Einstellungen einschließen, politisches Vertrauen beeinflussen können. Dabei greift es das Kongruenzpostulat auf, demgemäß politisches Vertrauen aus einer möglichst guten Passung von Wertorientierungen der Bürger und den Grundwerten von Institutionen hervorgeht. Zweitens wird der Zusammenhang zwischen den Erklärgrößen verdeutlicht: Wie sehr die vergangene Performanz in Einklang mit ihren Wertorientierungen steht, mag die politische Performanzbewertung der Bürger bedingen; dies ergibt somit einen indirekten Einfluss auf politisches Vertrauen. Die integrativen Erklärungen bleiben allerdings vage darin, wie eine Performanzbewertung zu Stande kommt. In seinem vielzitierten Modell schlägt Easton (1975) dazu vor, dass eine Zufriedenheit mit (spezifischer) politischer Performanz durch den Vergleich der wahrgenommenen Outputs mit eigenen Forderungen von statten geht. Politisches Vertrauen ergibt sich wiederum aus der generalisierten Zufriedenheit mit politischen Outputs (vgl. auch Schaal, 2007). Performanzbezogene und individuelle soziopolitische Merkmale sowie vorgeschlagene Assoziationen als Formen der Erklärgrößen auf Vertrauen in journalistische Medien zu berücksichtigen, lässt sich also aus Erklärungen der politologischen Vertrauensforschung ableiten. Eine solche Differenzierung deutet sich erstens ähnlich in Systematisierungen zu Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien an (vgl. Abschnitt 3.4). Medienspezifische Einflüsse lassen sich so als (in-)direkte Erfahrungen mit medialer Performanz respektive korrekter Erfüllung journalistischer Programme verstehen (Grosser, 2016; Kohring, 2004), etwa im Rahmen der Mediennutzung (Jackob, 2012a, 2012b). Auch werden vereinzelt individuelle Merkmale als unspezifische Einflüsse einbezogen: Das gilt für generalisiertes soziales Vertrauen (Grosser, 2016; Jackob, 2012a, 2012b) sowie seltener für politische Einstellungen und Wertorientierungen, aber auch für politisches Vertrauen (Hanitzsch et al., 2018; Müller, 2013; Tsfati & Ariely, 2014). Eine integrative Systematisierung performanzbezogener und individueller Einflüsse des Vertrauens in journalistische Medien fehlt allerdings bislang. Auch ist eine differenziertere Betrachtung möglicher Prädiktoren nötig: So werden selten soziale und politische Korrelate in Relation betrachtet; gleiches gilt für verschiedene Formen performanzbezogener Merkmale wie wahrgenommene Restriktionen journalistischer Autonomie. Wie die Erklärgrößen von Vertrauen in journalistische Medien in Zusammenhang stehen, bleibt bisher theoretisch wie empirisch ebenso vage. Um diese Defizite der Vertrauensforschung zu bearbeiten, werden in dieser
4.1 Systematisierung von Einflüssen auf Vertrauen …
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Studie basierend auf integrativen Erklärungen zu politischem Vertrauen explizit performanzbezogene sowie individuell-soziale (z. B. generalisiertes soziales Vertrauen) und -politische Einflüsse (z. B. politische Einstellung, Wertorientierungen) auf Vertrauen in journalistische Medien und indirekte Einflüsse letzterer, vermittelt über die Performanzbewertung, einbezogen. Aus welchen Komponenten die mediale Performanzbewertung besteht und wie diese zu Stande kommt, lässt sich zweitens genauer mit Überlegungen zu Medienbewertungen fassen. Dies ist nicht zuletzt deswegen sinnvoll, weil es eine Schwäche von Erklärungen politischen Vertrauens darstellt, das Zustandekommen politischer Performanzbewertungen vergleichsweise rudimentär auszuführen. Schweiger (2007, S. 249–269) unterscheidet dabei drei Bestandteile: Bewertungsobjekte, Bewertungskriterien und Bewertungsergebnis, wobei Prochazka und Schweiger (2016) diese Systematik um eine Bewertungsbegründung ergänzen. Wie beschrieben (vgl. Abschnitt 3.1.3) sind mediale Bewertungsobjekte auf diversen hierarchischen Ebenen angesiedelt, wobei Rezipienten die Performanz spezifisch (z. B. einer konkreten Sendung der Tagesschau) oder generalisiert (z. B. journalistischer Medien) bewerten können (Schweiger, 2000, S. 41). Analog ist denkbar, dass sie generalisierte Bewertungen vergangener medialer Performanz von journalistischen Medien hegen. Rezipienten können diverse Kriterien zur Bewertung (der Performanz) medialer Objekte anlegen, die sich auf wahrgenommene Merkmale medialer Objekte beziehen wobei kognitive Kriterien (neben affektiven, wie Sympathie, oder konativen, wie Nutzungspräferenzen) zentral sind. Das können Nutzungsmotive sein, aber auch normative Erwartungen bezüglich der journalistischen Qualität, der Glaubwürdigkeit und der Bedeutung medialer Objekte für die demokratische Gesellschaft. Wie diese Bewertung ausfällt, ergibt sich aus dem Abgleich der Bewertungskriterien mit den wahrgenommenen medialen Leistungen. Ähnlich zu den Überlegungen Eastons (1975) wird stellenweise vorgeschlagen, dass Bürger die mediale Performanz auf Basis der Berichterstattung dahingehend bewerten, wie sehr die Leistungen journalistischer Medien ihren normativen Erwartungen beispielsweise in Bezug auf journalistische Qualität entsprechen (Norris, 2000a, S. 23–25; Tsfati, 2014, S. 500; Voltmer, 1999, S. 25). Die Bewertungen beruhen im Wesentlichen auf zwei Quellen: Die Performanzbewertung speist sich demgemäß zum einen aus direkten Erfahrungen mit der Leistung medialer Objekte, die Rezipienten primär aus der Berichterstattung im Zuge ihrer Mediennutzung, aber auch, wohl seltener, im direkten Kontakt zu Journalisten gewinnen (primäre Quellen). Zum anderen können Rezipienten Informationen über die Leistung medialer Objekte indirekt erhalten, aus sekundären Quellen, wie medienkritischer Berichterstattung oder dem öffentlichen Diskurs über die Leistungen von journalistischen Medien.
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Auch könnten sie in der Sozialisation im familiären Umfeld erlernt haben, wie zufriedenstellend journalistische Medien ihre Leistungen im Allgemeinen erbringen (Schweiger, 2007, S. 251–265). Weiterhin können Rezipienten Gründe dafür annehmen, warum mediale Objekte die Bewertungskriterien (nicht) erfüllen und sich so die Leistungen von journalistischen Medien erklären. So schätzen und zeigen Prochazka und Schweiger (2016, S. 458–459), dass Rezipienten ihre Bewertungen etwa durch vermutete Merkmale journalistischer Arbeit erklären, wie den Grad journalistischer Autonomie. Wie sehr Rezipienten in der Lage sind, die journalistischen Leistungen zu bewerten ist eine empirische Frage. So finden sich Evidenzen, dass Rezipienten die normative journalistische Qualität nur zum Teil erkennen und nur mäßig dazu motiviert sind (Urban & Schweiger, 2014). Allerdings gibt es erste Hinweise für diese Komponenten von Medienbewertungen in Nutzerkommentaren (Prochazka & Schweiger, 2016). Zudem lässt sich mit subjektiven Medientheorien (Naab, 2013; Stiehler, 2013) oder Folk Theories of Journalism argumentieren (Nielsen, 2016), dass Rezipienten naive Vorstellungen davon haben „what journalism is, what it does, and what it ought to do that people use to make sense of news in their everyday life“ (Nielsen, 2016, S. 846). Naab (2013, S. 21–49) fasst diese als Gruppen kognitiver Schemata,1 die durch Reflexion und Verallgemeinerung (in-) direkter Erfahrungen mit Medienangeboten entstehen (z. B. im öffentlichen Diskurs). Wie detailliert diese sind und welche Reichweite sie haben, hängt davon ab, wie häufig und wie tiefgreifend sich Rezipienten damit auseinandersetzen. Anders als wissenschaftliche Theorien entwickeln Individuen diese jedoch, um schnell zuverlässige Einschätzungen für medienbezogenes Handeln zu erhalten und evaluieren diese daran, wie sehr sie sich im Alltag bewähren. Auch sind diese oftmals weniger in sich konsistent und eher gegen Falsifikationen geschützt, etwa um dissonante Kognitionen zu vermeiden (Groeben, Wahl, Schlee & Scheele, 1988, S. 98–106; Nielsen, 2016, S. 841–846; Stiehler, 2013, S. 152). Auf Basis integrativer Erklärungen politischen Vertrauens sowie Systema tisierungen von Korrelaten des Vertrauens in journalistische Medien lassen sich direkte und indirekte Einflüsse soziopolitischer wie performanzbezogener Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien systematisieren. Überlegungen zu Medienbewertungen reichern dies mit Bestandteilen medialer
1Kognitive
Schemata sind Strukturen, die generalisiertes Wissen darüber beinhalten, welche Merkmale für einen Bereich zentral sind (z. B. Abläufe, Rollen) und wie diese zusammenhängen (Bless & Schwarz, 2009, S. 259–273).
4.1 Systematisierung von Einflüssen auf Vertrauen …
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erformanzbewertung an (vgl. Abbildung 4.1). Mit einer solchen theoretischen P Verbindung genannter Überlegungen lässt sich erstens eine bislang fehlende Basis schaffen, um performanzbezogene sowie individuelle Erklärgrößen des Vertrauens in journalistische Medien einzubeziehen sowie miteinander in Beziehung zu setzen. Auch werden die politische Performanzbewertung und politisches Vertrauen in dieser heuristischen Systematisierung verortet, die in bisherigen Ausführungen zu kurz kam. Damit werden zweitens mögliche direkte und insbesondere in der bisherigen Forschung häufig vernachlässigte indirekte Korrelate konkretisiert, was somit ein Fundament für deren empirische Überprüfung darstellt. Zusammenfassend ist denkbar, dass Rezipienten auf Basis ihrer Erfahrungen mit medialen Objekten aus (in-)direkten Quellen (z. B. Berichterstattung, Medienkritik) die vergangene mediale Performanz im Abgleich mit ihren Bewertungskriterien ermitteln und sich diese erklären, zum Beispiel durch vermutete Restriktionen journalistischer Arbeit. Je nachdem, welche sozialen oder politischen Merkmale Rezipienten aufweisen (z. B. generalisiertes soziales Vertrauen, politische Einstellung, Wertorientierungen), könnten diese Vertrauen in journalistische Medien zum einen indirekt bedingen, da diese die Bewertungskriterien und die wahrgenommene(n) (Gründe) mediale(r) Performanz prägen.2 Zum anderen ist ein direkter Einfluss dieser individuellen Merkmale denkbar, zum Beispiel basierend darauf, wie sehr sie schätzen, dass journalistische Medien per se ihre (Wert-)Orientierungen repräsentieren. Je nachdem wie sehr Rezipienten wahrnehmen, dass journalistische Medien das Vertrauen bezüglich der angemessenen Erfüllung ihrer Leistungen rechtfertigen, mag dies im Zeitverlauf performanzbezogene Merkmale prägen, die normativen Kriterien für die Bewertung medialer Leistungen sowie die generalisierte mediale Performanzbewertung. Der Einbezug dieser Rückkoppelung soll zudem verdeutlichen, dass Einflüsse von Vertrauen in journalistische Medien teils auch dessen Folgen darstellen können. Entsprechend ist bereits hier festzuhalten, dass bei einer empirischen Betrachtung von Erklärungen des Vertrauens in journalistische Medien im Querschnitt von Korrelaten auszugehen ist; die Richtung der Zusammenhänge kann damit in diesem Fall lediglich theoretisch begründet werden.
2Eine ähnliche Argumentation findet sich im Rahmen der Hostile Media-Forschung (vgl. auch Hansen & Kim, 2011; Perloff, 2015), die im Folgenden ebenso zu Rate gezogen wird (vgl. Abschnitt 4.5.2).
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Individuell-politische Merkmale
Kriterien Medienperformanz
Rückkopplung
4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Quellen Medienperformanz
Abgleich mit Kriterien Medienperformanz
Individuell-soziale Merkmale
Bewertung politische Performanz
Individuelle Merkmale
Vertrauen in journalistische Medien
Bewertung Medienperformanz
Gründe Medienperformanz
Performanzbezogene Merkmale
Politisches Vertrauen
Medienvertrauen
Abbildung 4.1 Systematisierung individueller und performanzbezogener Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien. (Anmerkungen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Hanitzsch (2012, Juli), Mishler und Rose (2001, S. 37–39), Prochazka und Schweiger (2016, S. 457–459), Rohrschneider (1999, S. 204), Schweiger (2007, S. 249–269))
Außerdem könnten die vergangene politische Performanzbewertung sowie politisches Vertrauen mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert sein, was im Folgenden noch genauer ausgeführt wird (vgl. Abschnitt 4.5.3). Erstens mag die politische Performanzbewertung, gemäß vorgestellter kulturalistischer und institutionalistischer Erklärungen, in Abhängigkeit von sozialen und politischen Merkmalen der Rezipienten, wie ihrem generalisierten sozialen Vertrauen oder ihrer politischen Einstellung, unterschiedlich ausfallen (vgl. Abschnitt 2.2.4). Die politische Performanzbewertung könnte zweitens sowohl mit politischem Vertrauen, was sich in der politologischen Forschung als robust erweist (vgl. Abschnitt 2.2.4), als auch mit der medialen Performanzbewertung (positiv) assoziiert sein (Ariely, 2015; Tsfati & Ariely, 2014). Journalistische Medien liefern Rezipienten beispielsweise Gründe für Vertrauen in politische Institutionen (Kohring, 2008, S. 620), indem sie über Leistungen politischer Institutionen berichten und diese als (un-)angemessen rahmen (vgl. auch Bentele, 1994b). Wird so in der Berichterstattung politisches Fehlverhalten aufgegriffen, so könnten Rezipienten dies als angemessene Erfüllung normativer journalistischer Qualität respektive der öffentlichen Aufgabe journalistischer Medien empfinden (vgl. auch Kohring, 2008, S. 621); entsprechend positiv mag ihre mediale Performanzbewertung ausfallen. Da journalistische Medien jedoch zugleich die Vermittler negativer Berichterstattung sind, könnten Rezipienten
4.2 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Bewertungskriterien
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die Performanz journalistischer Medien als Überbringer unangemessener politischer Leistungen ebenso abwerten (Kiousis, 2002). Drittens wird theoretisch erklärt und teils empirisch gezeigt, dass politisches Vertrauen mit Vertrauen in journalistische Medien positiv verbunden ist; dies mag auch daher rühren, dass Rezipienten eine zunehmende Verflechtung von Politik und journalistischen Medien wahrnehmen oder beide als gesellschaftliche Eliten sehen, die sie aufgrund von antielitistischen Einstellungen kritischer bewerten und denen sie damit weniger vertrauen (Hanitzsch et al., 2018, S. 6–8). Aufbauend auf dieser Systematisierung mit heuristischem Charakter als Ordnungsraster (vgl. auch Kümpel, 2018, S. 199) soll für diese performanzbezogenen (vgl. Abschnitt 4.2, 4.3, 4.4) und individuellen Einflüsse (vgl. Abschnitt 4.5) der jeweilige Forschungsstand herangezogen werden, auch um Hinweise auf deren gegenseitige Relation sowie (in-)direkte Assoziation zu Vertrauen in journalistische Medien zu finden.
4.2 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Bewertungskriterien Folgt man den bisherigen Ausarbeitungen, könnte die mediale Performanzbewertung eine zentrale Erklärgröße des Vertrauens in journalistische Medien sein (vgl. auch Kohring, 2004; Hanitzsch et al., 2018). In der Literatur wird die Bewertung medialer Performanz etwa am (wahrgenommenen) Grad der Erfüllung normativer Funktionen sowie daraus ableitbaren Qualitätskriterien journalistischer Medien in Demokratien festgemacht. Dieser Vorstellung wird hier gefolgt (vgl. Abschnitt 4.2.1). Daneben wird der Forschungsstand zur Erfüllung normativer Funktionen sowie Qualitätskriterien journalistischer Medien aus Sicht von Rezipienten skizziert, die hier im Zentrum steht (vgl. Abschnitt 4.2.2).
4.2.1 Normative Funktionen und Qualität journalistischer Medien Je nachdem in welcher Rolle sie mediale Objekte nutzen, richten Rezipienten gemäß Hasebrink (2011, S. 323–327) verschiedene Erwartungen an deren Leistungen (vgl. auch Hasebrink, 1994, 2008; Voigt, 2016, S. 76–80; Webster & Phalen, 1994). Als Konsumenten haben sie beispielsweise das Ziel, individuelle
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Bedürfnisse zu befriedigen, wobei ihre Bewertungskriterien medialer Performanz dann Gratifikationserwartungen darstellen, zum Beispiel Information, parasoziale Interaktion oder Unterhaltung (vgl. auch Katz et al., 1973). Als Inhaber von Rechten sind sie potenzielle Opfer von journalistischen Medien, deren Rechte durchgesetzt und verteidigt werden müssen. Für die Bewertung medialer Performanz spielt damit eine Rolle, wie sehr die Persönlichkeitsrechte von Protagonisten durch Berichterstattung verletzt werden oder ihre psychosoziale Entwicklung beeinträchtig wird (z. B. durch gewalthaltige Inhalte). Allerdings nehmen Rezipienten auch die Rolle von Bürgern ein, wobei eine Erfüllung demokratischer wie sozialer Werte und Normen durch journalistische Medien in der Demokratie in ihrem Interesse ist. So wird mediale Performanz danach bemessen, wie sehr korrespondierende, normative journalistische Qualitätskriterien erfüllt werden (z. B. Ausgewogenheit, Vielfalt). Diese „quality valuations of the users reflect their perceptions of the media’s functions for society and culture“ (Hasebrink, 2011, S. 326), womit sich normative journalistische Qualitätskriterien von normativen Funktionen des Journalismus respektive journalistischer Medien ableiten lassen und umgekehrt (Peifer, 2018, S. 57). Da für Bürger Vertrauen in journalistische Medien als Basis für die politische Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie besonders relevant ist, steht diese Perspektive im Zentrum der vorliegenden Studie. In der Literatur findet sich das bereits angeführte Argument, dass normative Qualitätskriterien aus den normativen Funktionen journalistischer Medien abgeleitet werden respektive Indikatoren für deren Erfüllung darstellen, an verschiedenen Stellen (Voltmer, 1999, S. 33; Wellbrock & Klein, 2014, S. 391). Ergänzend hält Neuberger (1997, S. 173) fest, dass von der Bewertung der weniger abstrakten normativen Qualitätskriterien nicht uneingeschränkt auf die Erfüllung sämtlicher normativer Funktionen geschlossen werden kann. So würden gesellschaftliche Folgen der Einhaltung von Qualitätskriterien nicht erfasst, wie beispielsweise die Kontrolle von Politik und Wirtschaft. Für die Bewertung der Performanz journalistischer Medien seitens der Rezipienten in ihrer Rolle als Bürger soll hier folglich neben der wahrgenommenen Erfüllung normativer Qualitätskriterien die normative Funktionserfüllung herangezogen werden. Obgleich die wahrgenommene Erfüllung normativer Funktionen journalistischer Medien auf einer höheren Abstraktionsebene liegt, kann vermutet werden, dass dieses Urteil seitens der Rezipienten als Bürger von Erfahrungen mit der Glaubwürdigkeit und normativen Qualität journalistischer Outputs und damit der Berichterstattung gespeist wird (vgl. auch Grosser, 2016, S. 1040). Ehe der Fokus auf der Sicht von Rezipienten auf normative Funktionen und Qualität journalistischer Medien liegt, werden diese Überlegungen referiert.
4.2 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Bewertungskriterien
111
In der Literatur existieren zwei Perspektiven auf (die) Funktion(en) des Journalismus respektive journalistischer Medien in der Gesellschaft (vgl. auch Fawzi, 2020; Stuiber, 1978, S. 211–220; Voigt, 2016, S. 23–25). Während in funktional-strukturalistischer Perspektive die historisch entwickelte Funktion des Journalismus, wie Öffentlichkeit herzustellen oder eine Orientierungsleistung zu bieten, fokussiert wird (Arnold, 2008, S. 491–495; Ronneberger, 1964), werden aus normativ-demokratieorientierter Perspektive normative Funktionen des Journalismus respektive journalistischer Medien aus der öffentlichen Aufgabe für die Demokratie abgeleitet (Norris, 2000a; Schudson, 2008; Strömbäck, 2005). Da hier soziopolitische Merkmale von Rezipienten als Bürger als Erklärgrößen von Vertrauen in journalistische Medien interessieren, wird letzterer gefolgt. Welche Funktionen journalistischen Medien in Demokratien zukommen, lässt sich aus der jeweiligen Perspektive auf Demokratie und damit verbundenen (normativen) Vorstellungen von Öffentlichkeit3 extrahieren, die diese unterschiedlich akzentuieren (Ferree, Gamson, Gerhards & Rucht, 2002, S. 289; vgl. auch Strömbäck, 2005; Peifer, 2018; Riedl, 2019). Aus Sicht liberaler (empirischer) Demokratietheorien, die darauf basieren wie existierende Demokratien funktionieren und die daher hier im Zentrum stehen (Martinsen, 2009, S. 44), beschränkt sich politische Partizipation weitgehend auf die Wahl politischer Repräsentanten, die ihren Interessen bestmöglich entsprechen und davon geleitet kollektiv bindende Entscheidungen treffen. Zudem zeichnet sich diese durch Pluralismus aus, wobei soziale Gruppen partikulare Interessen vorbringen, um einen mehrheitlich unterstützten Kompromiss zu finden. Öffentlichkeit muss damit gewährleisten, dass sämtliche Interessen zu kollektiv relevanten Themen möglichst umfassend repräsentiert werden (z. B. durch politische Akteure). Dazu ist bedeutsam, dass sie einerseits politische Akteure über diese in Kenntnis setzt, damit diese informierte politische Entscheidungen treffen können; andererseits soll sie politische Entscheidungen für Bürger transparent machen. Daraus ergibt
3Der
Öffentlichkeitsbegriff wird kontrovers diskutiert, was hier nicht näher ausgeführt werden soll. Prominent sehen Gerhards & Neidhardt (1993) Öffentlichkeit als intermediäres Kommunikationssystem, das zwischen Bürgern, Politik und anderen Teilsystemen vermittelt. So besteht deren „politische Funktion in der Aufnahme (Input) und Verarbeitung (Throughput) bestimmter Themen und Meinungen sowie in der Vermittlung der aus dieser Verarbeitung entstehenden öffentlichen Meinungen (Output)“ (S. 54). Massenmediale Öffentlichkeit stellt eine zentrale Ebene von Öffentlichkeit dar (Gerhards & Neidhardt, 1993, S. 63–67; für eine Übertragung auf den Online-Bereich vgl. z. B. (Neuberger, 2009, 2014a).
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
sich, dass journalistische Medien politische Interessen und Entscheidungen umfassend (proportional zu deren Unterstützung in der Bevölkerung) abbilden sollen. Auch sollen sie politische Akteure kontrollieren, indem sie etwa politisches Fehlverhalten transparent machen und den politischen Dialog zwischen informierten Bürgern fördern. Dazu muss die Freiheit journalistischer Medien gegen politische Einflüsse verfassungsrechtlich verankert (Ferree et al., 2002, S. 290–295; Martinsen, 2009, S. 46–49) und die Berichterstattung ausgewogen, sachlich und korrekt sein (Friedrich & Jandura, 2012, S. 406–407; Strömbäck, 2005, S. 338–342). Gemäß partizipativer Demokratietheorien sollen kollektiv bindende Entscheidungen hingegen möglichst durch aktive Teilhabe der Bürger getroffen werden. Journalistischen Medien kommt so vor allem die normative Funktion zu, möglichst viele diverse soziale Gruppen und Interessen einzubeziehen, für diese politische Partizipation zu ermöglichen und diese dazu zu motivieren (Ferree et al., 2002, S. 295–300; Friedrich & Jandura, 2012, S. 407–409; Martinsen, 2009, S. 55–60). Überdies ist in den prominenten Überlegungen zur deliberativen Demokratie von Habermas (1992) zentral, dass Bürger relevante Themen und Interessen im (medialen) öffentlichen Diskurs äußern und sich eine Meinung bilden. Das ist an politische Akteure rückgekoppelt, womit kollektiv bindende Entscheidungen wiederum im öffentlichen Diskurs Legitimität gewinnen. Dazu muss dieser als „diskursive Kläranlage“ (Habermas, 2008, S. 144) inklusiv und argumentativ ablaufen, in der Akteure (frei von externen Zwängen) Meinungen und Begründungen austauschen und prüfen. Ziel ist ein Konsens durch „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ (Habermas, 1992, S. 370) und in politischen öffentlichen Diskursen ein Mehrheitsbeschluss (Habermas, 1992, S. 431–452; vgl. auch Zerback, 2013, S. 23–24). Auch hier ist somit der Einbezug möglichst diverser Interessen und Gruppen wünschenswert, allerdings stellt dies nicht das Ziel, sondern ein Mittel dar, um zu einer deliberativen Öffentlichkeit beizutragen. Damit sollen journalistische Medien zusätzlich einen Beitrag zur Integration der politischen Gemeinschaft leisten und marginalisierte Diskurse ermöglichen (Ferree et al., 2002, S. 300–306; Habermas, 1992, S. 369–372; Martinsen, 2009, S. 50–55; Strömbäck, 2005, S. 339–342). Während die so abgeleiteten normativen Funktionen journalistischer Medien (respektive des Journalismus) stellenweise übereinstimmen oder sich ergänzen (Fawzi, 2020, S. 190–192), wird diskutiert, ob diese für sämtliche Formen von journalistischen Mediengattungen gleichermaßen gelten. So werden partizipative Modelle spezifisch als Basis für die Bewertung boulevardjournalistischer Medien vorgeschlagen (Friedrich, 2011, S. 81–86; Örnebring & Jönsson, 2004,
4.2 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Bewertungskriterien
113
S. 287–290).4 Diese würden in der aktuellen Berichterstattung zwar partiell von normativen Qualitätskriterien abweichen, jedoch über zielgruppengerechte Ansprache, Themenauswahl anhand alltäglicher Relevanz (wie Folgen politischer Entscheidungen für Bürger) und nicht-etablierte Akteure (wie Mitglieder benachteiligter Gruppen) Rezipienten, die von Qualitätsjournalismus kaum erreicht würden zu Partizipation motivieren und die Interessen sozial Schwacher vertreten (Friedrich & Jandura, 2012, S. 407–414; Ohliger, 2019, S. 126).5 So ist denkbar, dass Formen von journalistischen Mediengattungen zumindest empirisch diverse Leistungen verschieden stark erfüllen (Pürer, 2014, S. 427). Diese normativ-demokratieorientiert abgeleiteten politischen Funktionen journalistischer Medien (respektive des Journalismus), finden sich analog in einigen Funktionskatalogen (für einen Überblick vgl. auch Strohmeier, 2004, S. 71–75; Wildenmann & Kaltefleiter, 1965),6 die im Wesentlichen übereinstimmen (Gurevitch & Blumler, 1990; Norris, 2000a; Schudson, 2008). Auch wurden den normativen politischen Funktionen, die sich aus den vorgestellten Demokratieverständnissen ergeben, bereits entsprechende journalistische Rollenselbstverständnisse zugeordnet, wobei in der zugehörigen Studie unter den untersuchten österreichischen Journalisten eine liberal-repräsentative Rolle dominiert (Riedl, 2019). Gerade politischen Funktionen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da eine Verfehlung die Demokratie betrifft (Ronneberger, 1974, S. 198); daher werden diese fokussiert, was dazu passend ist, dass Rezipienten in der Rolle als Bürger im Mittelpunkt stehen.7
4Hier
wird die Auffassung geteilt, dass eine binäre Trennung zwischen Qualitäts- und Boulevardjournalismus etwa dahingehend, dass primär letzterer bedeutsam ist für die normative Funktionserfüllung, kaum aufrechtzuerhalten ist; auch, da Boulevardisierungstendenzen im Informationsjournalismus zu beobachten sind (Lünenborg, 2013, S. 217). Der Verständlichkeit halber wird dennoch mit den etablierten Begriffen gearbeitet. 5Auch gibt es Vorschläge aus Bedürfnissen des „Monitorial Citizen“ (Zaller, 2003, S. 118) mit geringem politischem Interesse normative Funktionen abzuleiten und als „Burglar’s Alarm“ nur dingliche politische Probleme zu berichten, was jedoch vielfach kritisiert wurde (Graber, 2003). 6Besonders in überblicksartigen Funktionskatalogen wird der Begriff der Medienfunktionen teils ohne Bezug zu einer theoretischen Perspektive eingesetzt, was kritisiert wird (Burkart, 1995, S. 351). 7Ausgeklammert werden somit normative soziale Funktionen, wie soziale Integration durch Vermittlung sozialer Normen, Leistungen für die Wirtschaft (Burkart, 1995, S. 351–383) und individuelle Bedürfnisse (Pürer, 2014, S. 427).
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Zusammenfassend lassen sich auf Basis der drei Demokratieverständnisse sowie angeführter Funktionskataloge folgende politische Funktionen journalistischer Medien extrahieren. Hervorgehoben wird in sämtlichen Katalogen sowie Demokratieverständnissen die Informationsfunktion (vgl. auch Strömbäck, 2005, S. 341), die teilweise gar als basal für die Erfüllung weiterer normativer Funktionen gilt. Diese umfasst die vollständige und ausgewogene Vermittlung von Themen, Meinungen und Interessen für Bürger, um informierte politische Entscheidungen zu treffen. Diese Leistung ist zudem für politische Akteure gedacht, damit sie im Interesse der Bürger kollektiv bindende Entscheidungen treffen und diese öffentlich legitimieren können. Die Informationsfunktion kann ergänzend beinhalten, den Bürgern Ereignisse zu erklären, diese analysieren und einzuordnen. Weil in der Berichterstattung auch Informationen zu kollektiv bindenden Entscheidungen dargeboten werden und politische Akteure diese nutzen können, um ein Meinungsbild der Bevölkerung zu erhalten, fungieren journalistische Medien zudem als Sprachrohr zwischen Politik und Bürgern. Auch bieten sie Positionen in politischen Streitfragen eine Plattform für vielfältige Ansichten und Meinungen, was teils als Artikulationsfunktion (oder Forumsfunktion, vgl. auch Norris, 2000a, S. 26) bezeichnet wird und in deliberativen Demokratietheorien zentral ist. Zudem sollen journalistische Medien politische und wirtschaftliche Akteure kontrollieren und Kritik üben; allerdings haben sie keine (unmittelbare) Sanktionsmacht; diese Funktion wird in liberalen Demokratietheorien betont. Dazu sollen politische Prozesse und Entscheidungen transparent gemacht und Stellung zu politischen Streitfragen bezogen werden. Außerdem sollen journalistische Medien, beispielsweise durch die Erklärung und Bewertung von Zusammenhängen, dazu beitragen, dass Bürger ein Interesse dafür entwickeln, über demokratische Werte, Normen und aktuelle politische Belange zu lernen und zu politischer Partizipation zu mobilisieren, etwa indem sie konkrete Lösungsvorschläge für gesellschaftspolitische Probleme vorschlagen. Dies wird hier als Mobilisierungsfunktion (vgl. auch Norris, 2000a, S. 24; Schudson, 2008, S. 12) zusammengefasst, der in partizipativen Demokratietheorien eine zentrale Rolle zukommt (Gurevitch & Blumler, 1990, S. 270; Norris, 2000a, S. 25–35; Schudson, 2008, S. 11–25; Schweiger, 2017, S. 8–12; Voigt, 2016, S. 24–25; Voltmer, 1999, S. 30–64). Wie angeführt lassen sich aus den normativ-demokratischen Funktionen journalistischer Medien wiederum normative Anforderungen an journalistische Qualität ableiten (Neuberger, 2004, S. 34; Voigt, 2016, S. 23). Eine allgemeingültige Definition von journalistischer Qualität aufzustellen, gilt in der Literatur als schwierig (Wellbrock & Klein, 2014, S. 388). Während der Begriff der objektiven Qualität die materielle Beschaffenheit eines Bewertungsobjektes
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meint, lässt sich unter subjektiver Qualität „die normative Bewertung dieser Beschaffenheit auf Basis von bestimmten Anforderungen“ (Voigt, 2016, S. 21) verstehen (vgl. auch Neuberger, 2004, S. 35). Zur Ableitung dieser Qualitätskriterien gibt es diverse Herangehensweisen (Wellbrock & Klein, 2014, S. 388; für einen Überblick vgl. z. B. Voigt, 2016, S. 30–114). Während Arnold (2008, S. 491) prominenter Weise funktional-systemorientierte, normativ-demokratieorientierte und marktlich-publikumsorientierte Ansätze der Qualitätsbewertung differenziert (vgl. auch Wellbrock & Klein, 2014, S. 389), unterscheidet Voigt (2016, S. 23–27) eine normative Perspektive (was die ersten beiden umfasst) sowie eine Perspektive der Nutzerqualität. In ersteren werden Qualitätskriterien aus (normativen) Funktionen journalistischer Medien in der Demokratie abgeleitet (Arnold, 2009; Schatz & Schulz, 1992). Letztere gehen davon aus, dass Rezipienten die Erfüllung individueller Bedürfnisse als Kriterien anlegen (Wolling, 2004). Hier wird der Argumentation gefolgt, dass Rezipienten als Bürger normative Qualitätskriterien teilen können qua Sozialisation auf Basis der Werte, die sich in den normativen journalistischen Qualitätskriterien widerspiegeln. Dies gelte besonders für die Bewertung aktueller Berichterstattung, da Information auch individuelles Bedürfnis sein kann (Voigt, 2016, S. 23, 78–79). Im Rahmen der normativen Perspektive machen funktional-systemorientierte Ansätze die journalistische Qualität daran fest, wie sehr der Journalismus seine historisch herausgebildete Funktion erfüllt (Arnold, 2008, S. 491–495). So leitet Pöttker (2000, S. 377–378) aus der Herstellung von Öffentlichkeit als Aufgabe des Journalismus Vielfalt von Akteuren und Meinungen als Qualitätskriterium ab, das er in Subkriterien konkretisiert. Normativ-demokratieorientierte Ansätze evaluieren journalistische Qualität hingegen daran, wie sehr journalistische Medien zur Erfüllung demokratischer Grundwerte beitragen (Voigt, 2016, S. 31; Hagen, 1995; Voigt, 2016; Voltmer, 1999; Wellbrock & Klein, 2014). Als basal dafür gilt McQuail (1992, S. 65–80; vgl. auch Arnold, 2008, S. 496–498): Aus der Analyse öffentlicher Diskurse schließt er, dass die Berichterstattung an Werten der Freiheit (z. B. Unabhängigkeit von Politik, Wirtschaft), Gleichheit (z. B. Vielfalt, Korrektheit) sowie Ordnung (z. B. Darstellung sozialer Normen) orientiert sein soll. Den ersten deutschsprachigen Katalog legen Schatz und Schulz (1992, S. 690–710) vor: Aus Gesetzen und Urteilen differenzieren sie Qualitätsdimensionen des Rundfunks (z. B. Unparteilichkeit, Vielfalt). Obgleich diese teils auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus angesiedelt sind, wurde der Katalog vielfach adaptiert (Hagen, 1995; Voltmer, 1999; vgl. auch Voigt, 2016, S. 31–38). Insgesamt unterscheidet sich so zwar die Basis der Qualitätskriterien beider Perspektiven; die Kriterien sind jedoch weitgehend identisch (Voigt, 2016, S. 60).
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Analog existieren bereits Synthesen von Qualitätskriterien der normativen Perspektive. Im „integrativen Qualitätskonzept“ identifiziert Arnold (2009, S. 133), basierend auf der Funktion des Journalismus, Handlungsorientierung zu bieten, aus den Katalogen der drei extrahierten Perspektiven beispielsweise Vielfalt, Glaubwürdigkeit im Sinne von korrekter Wiedergabe von Fakten und Unabhängigkeit (Arnold, 2008, S. 493–495). In einer der umfassendsten Bemühungen synthetisiert Voigt (2016, S. 44–62) aus Ansätzen der normativen Perspektive (Arnold, 2009; Hagen, 1995; Pöttker, 2000) fünf Dimensionen normativer Qualität entlang des journalistischen Arbeitsprozesses; diesen ordnet die Autorin Qualitätskriterien zur Bewertung aktueller Berichterstattung zu. Da dieser umfassende Kriterienkatalog zur Erfassung der normativen Qualität aus Rezipientensicht eingesetzt wurde (Kümpel & Springer, 2016; Prochazka, Weber & Schweiger, 2018; Urban & Schweiger, 2014), scheint er auch hier nützlich. Dabei lässt sich mit Wirth (1999, S. 56) vermuten, dass die Bewertung wie im Falle der Glaubwürdigkeit zunächst auf Berichte bezogen ist und zu einer generalisierten Beurteilung der Berichterstattung verallgemeinert werden kann. Zudem wird argumentiert, dass normative Qualitätskriterien vor allem für journalistische Medien gelten, obgleich es Hinweise gibt, dass Rezipienten nutzergenerierte Inhalte teils nach denselben normativen Kriterien bewerten (Trepte, Reinecke & Behr, 2008). Im Folgenden wird genauer auf die genannten fünf Dimensionen normativer Qualität eingegangen. Kriterien in der Dimension Sachgerechtigkeit beziehen sich auf die korrekte inhaltliche Aufbereitung von Informationen und Wiedergabe von Fakten (Voigt, 2016, S. 44–62; vgl. auch Hagen, 1995, S. 34). Auch sollen Beiträge der Dimension der Verständlichkeit genügen, wobei Einfachheit oder Kohärenz diese fördern können (vgl. auch Langer, Schulz von Thun & Tausch, 2006, S. 22–33). Da die Berichterstattung stets auf journalistischer Selektion basiert, ist die Relevanz berichteter Informationen zentral (vgl. auch Arnold, 2009, S. 170). Während sich die externe Relevanz von Nachrichten als Selektion von Ereignissen zum Beispiel danach bemisst, wie viele Bezugsobjekte betroffen sind, bezieht sich interne Relevanz auf die vollständige Darstellung relevanter Fakten. Die Dimension der inhaltlichen Vielfalt umfasst Kriterien der Meinungs- und Quellenvielfalt, jenseits der Beitragsebene auch der Themen und Akteure (vgl. auch Voltmer, 1999, S. 64–66). Bei privatwirtschaftlichen Medien wird dazu Vielfalt auf der Ebene der Mediengattung gefordert (Außenpluralismus), während singuläre Medienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dieser genügen müssen (Binnenpluralismus). Unparteilichkeit soll den Grad der Unabhängigkeit (z. B. Einflüsse aus Politik, von Verlegern) indizieren; Kriterien sind etwa die Ausgewogenheit der Selektion und Aufbereitung (vgl. auch Arnold, 2009,
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S. 196). Demnach soll sich aktuelle Berichterstattung zusammenfassend dadurch auszeichnen, dass sie korrekt, verständlich und aus vielen Blickwinkeln relevante Inhalte liefert, die überdies unparteilich sind. Werden diese normativen Qualitätskriterien in der Berichterstattung erfüllt, ist, wie oben herausgearbeitet, die Voraussetzung für die Erfüllung normativer Funktionen geschaffen (Schweiger, 2007, S. 262; Wellbrock & Klein, 2014, S. 391).8 Abschließend ist zu klären, wie die diese normativen Qualitätskriterien mit der Glaubwürdigkeit journalistischer Berichterstattung in Zusammenhang stehen, die zuvor bereits ausführlich von Vertrauen in journalistische Medien abgegrenzt wurde (vgl. Abschnitt 3.1.2). Was das Verhältnis von Qualität und Glaubwürdigkeit angeht, wird die Glaubwürdigkeit medialer Objekte partiell mittels normativer Qualitätskriterien erhoben (Gaziano & McGrath, 1986) und normative Qualitätskriterien wie Genauigkeit und Vollständigkeit erhöhen die wahrgenommene Glaubwürdigkeit journalistischer Beiträge (Sundar, 1998, 1999). Umgekehrt wird Glaubwürdigkeit theoretisch wie empirisch teils als normatives Qualitätskriterium aufgefasst (Arnold, 2009, S. 232; Wellbrock & Klein, 2014, S. 397). Empirisch zeigen Wellbrock und Klein (2014, S. 399–401) dazu mittels Concept-Map-Methode, dass die Bewertung der Qualität eines medialen Objektes durch Journalisten und Wissenschaftler analog vor allem mit den Kriterien der Glaubwürdigkeit (was Richtigkeit und Unabhängigkeit umfasst, vgl. auch Maier, 2005; Park, 2005), Professionalität, im Sinne von Verständlichkeit, und Relevanz assoziiert ist (vgl. auch Matthes & Kohring, 2003, S. 11). So lassen sich Glaubwürdigkeit und normative Qualität medialer Objekte theoretisch als distinkt sehen, wobei sich erstere auf die Qualitätskriterien Richtigkeit und Vollständigkeit bezieht; allerdings stehen beide in positiver Assoziation. Wie sehr journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten normative journalistische Qualitätskriterien und Funktionen erfüllen, ist nach diesen Ausführungen Fokus des folgenden Kapitels.
8Die
fokussierten Qualitätsdimensionen lassen sich in erster Linie auf aktuelle ( Nachrichten-)Berichterstattung anwenden; auf meinungsbetonte Beiträge wie Kommentare sind dies womöglich nicht ohne Weiteres übertragbar (z. B. Ausgewogenheit der Meinungen innerhalb eines Kommentars). Da allerdings eine generalisierte Bewertung der Berichterstattung interessiert, fällt dies weniger ins Gewicht, auch weil sich die Kriterien außenpluralistisch durchaus auf meinungsbezogene Beiträge anwenden lassen. Zudem beziehen nur wenigste Kriterienkataloge meinungsbetonte Darstellungsformen explizit ein (für einen Überblick vgl. z. B. Voigt, 2016, S. 42, 61; vgl. aber (Arnold, 2009, S. 411); dem wird für die Operationalisierung von normativer journalistischer Qualität gefolgt (vgl. Abschnitt 6.3).
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
4.2.2 Erfüllung normativer Funktionen und Qualität journalistischer Medien aus Sicht der Rezipienten Der Grad der Erfüllung normativer Funktionen journalistischer Medien wurde bislang häufig inhaltsanalytisch, zum Beispiel in Wahlkampfphasen, erhoben (Aalberg & Curran, 2012; Humprecht, 2016; Norris, 2000a, S. 25). Simultan existiert langjährige Forschung zu journalistischen Rollenselbstverständnissen als „generalized expectations which journalists believe exist in society and among different stakeholders, which they see as normatively acceptable, and which influence their behavior on the job“ (Donsbach, 2008, S. 2605). Diese ergeben sich aus der öffentlichen Aufgabe und sind beispielsweise von den eingangs dargestellten Vorstellungen von Demokratie geprägt (Riedl, 2019). Wie sehr Rezipienten normative Funktionen journalistischer Medien erfüllt sehen, wurde bislang kaum untersucht (Donsbach et al., 2009; Fawzi, 2020; Peifer, 2018; vgl. auch Hölig, Loosen & Reimer, 2019). Vereinzelt existieren Studien zum Image9 von Journalisten (Lieske, 2008) oder zu journalistischen Rollenselbstverständnissen aus Sicht der Bürger (Nah & Chung, 2011; Tsfati, Meyers & Peri, 2006). Diese Befunde werden überblicksartig referiert, wobei die wahrgenommene Bedeutung oder Erwartungen normativer Funktionen und deren wahrgenommene Umsetzung aus Sicht der Rezipienten gegenübergestellt werden. Zum einen existieren Befunde zu Erwartungen und der Umsetzung verschiedener Formen von journalistischen Rollenselbstverständnissen aus Sicht von Rezipienten (Nah & Chung, 2011; Tsfati & Peri, 2006). In Journalistenbefragungen sind (länderübergreifend) vier Cluster von Rollenselbstverständnissen prominent (Hanitzsch, 2011; Willnat, Weaver & Choi, 2013), die sich in der Berichterstattung niederschlagen können (Patterson & Donsbach, 1996; van Dalen, de Vreese & Albaek, 2012). So sehen sich Journalisten als „Disseminators“, sofern sie Informationen schnell und neutral vermitteln wollen, während „Interpreters“ Sachverhalte analysieren und erklären möchten. „Adversaries“ hingegen sehen ihre Aufgabe darin, politische und wirtschaftliche Eliten zu kontrollieren und „Populist Mobilizers“ wollen Lösungen für soziale Probleme liefern (Beam, Weaver & Brownlee, 2009, S. 285–287). Journalisten
9Das
Image eines medialen Objektes lässt sich fassen als abstrahierendes sowie aggregiertes und nicht immer bewusstes Abbild von diesem (Scheufele, 1999, S. 71–72; Lieske, 2008, S. 79). Dieses zerfällt in eine kognitive (wie Glaubwürdigkeit, Gratifikationen) sowie affektive Komponente (wie Beliebtheit, Urban & Schweiger, 2014, S. 825; vgl. auch Zajonc & Markus, 1982).
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in Deutschland verstehen sich gemäß repräsentativer Befragungen mehrheitlich als neutrale Vermittler; etwa jeweils die Hälfte möchte zur politischen Bildung beitragen und zur Partizipation motivieren, während rund ein Drittel die eigene journalistische Rolle in der Kritik und Kontrolle von Politik und Wirtschaft wahrnimmt (Steindl et al., 2017, S. 420; Weischenberg, Malik & Scholl, 2006b, S. 356). Nah und Chung (2011) finden dazu in einer Online-Befragung, dass Rezipienten im Online-Bereich bei Journalisten und (etwas weniger) bei Bürgerjournalisten der Umsetzung journalistischer Rollenselbstverständnisse eine hohe Bedeutung beimessen (vgl. auch Chung, 2009). Die niederländische Bevölkerung erwartet am stärksten Kritik an der Regierung sowie schnelle und einordnende Berichterstattung (van der Wurff & Schönbach, 2014). Überdies messen sie der Unabhängigkeit journalistischer Medien, der klaren Trennung von Werbung und Information, der offenen Angabe von Fehlern sowie der Vielfalt die größte Bedeutung zu. Heider, McCombs und Poindexter (2005) zeigen hingegen in einer nicht-repräsentativen US-Befragung, dass Journalisten die Rolle des Kritikers als bedeutsamer wahrnehmen als Rezipienten dies tun. Aus Sicht der israelischen Bevölkerung sollen Journalisten ebenfalls primär neutral und ausgewogen Informationen vermitteln, während befragte Journalisten der Analyse von Ereignissen die größte Bedeutung einräumen. In Bezug auf deren Umsetzung nehmen beide Gruppen wahr, dass Missstände ausreichend aufgedeckt werden. Allerdings empfinden Rezipienten die Berichterstattung als zu patriotisch, während Journalisten zu großen ökonomischen Druck bemängeln (Tsfati, 2004; Tsfati et al., 2006). Zum anderen gibt es Hinweise zu Erwartungen und der empfundenen Umsetzung normativer Funktionen journalistischer Medien.10 So findet Lieske (2008, S. 281–284) in qualitativen Leitfadeninterviews, dass Rezipienten dem Journalismus zwei Aufgaben zuschreiben: über Missstände zu informieren und eine unabhängige Entität neben Politik und Wirtschaft zu sein. Allerdings können Befragte mit geringer Mediennutzung und Präferenz des privaten Fernsehens in geringerem Maße normative Funktionen angeben und schätzen die demokratische Bedeutung journalistischer Medien als begrenzt ein. Dabei äußern die meisten, dass (als seriös empfundene) Journalisten diese Aufgaben erfüllen würden, wobei (unseriöse) Journalisten die öffentliche Meinung in ihrem Interesse b eeinflussen
10Zur
Messung (der wahrgenommenen Bedeutung) normativer Funktionen als „assessments of value, on a personal level, attributed to the normative roles of professional journalism“ (Peifer, 2018, S. 57), legt Peifer (2018) eine Skala vor („perceived news media importance“, PNMI; vgl. auch Guo & Li, 2011).
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würden oder politische Themen verschwiegen. Donsbach et al. (2009, S. 71–75) zeigen repräsentativ, dass sich die deutsche Bevölkerung mehr Hintergrundinformationen, konfligierende Meinungen sowie weniger negative Berichterstattung wünscht. Allerdings würden Journalisten zu wenig Rücksicht auf andere Meinungen nehmen und stellenweise zu sehr versuchen, ihre eigenen Interessen durchzusetzen. In einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Bayerischen Rundfunks (Bayerischer Rundfunk [BR], 2016, 2. Mai, S. 17–19; van Eimeren, Simon & Riedl, 2017), stimmen rund 80 Prozent der Bevölkerung zu, dass die Medien gesellschaftlich wichtige Themen veröffentlichen und Orientierung bei der Vielfalt an Informationen bieten; rund zwei Drittel sehen Probleme der Bevölkerung passend aufgegriffen (vgl. auch Holtmannspötter & Breunig, 2017). Dabei findet nur die Hälfte, dass sie Sachverhalte so wiedergeben, wie sie sind. Ebenso geben rund zwei Drittel an, dass journalistische Medien die Folgen politischer Entscheidungen zu wenig darstellen, unerwünschte Meinungen verschweigen und Sachverhalte zu sehr vereinfachen. Fawzi (2020) demonstriert analog repräsentativ, dass die deutsche Bevölkerung insgesamt mit der Erfüllung der normativen Funktionen journalistischer Medien zufrieden ist; dies gilt besonders für höher gebildete Bürger sowie solche, die die politische Performanz als angemessen bewerten. Insgesamt zeigt sich, dass Rezipienten offen gefragt durchaus Schwierigkeiten haben, normative Medienfunktionen zu benennen und so womöglich keine genaue Vorstellung davon haben, was journalistische Medien für die Gesellschaft leisten sollen sowie dies wenig reflektieren (Donsbach et al., 2009, S. 34). Geschlossen erhoben sprechen Rezipienten den normativen Funktionen journalistischer Medien jedoch eine relativ hohe Bedeutung zu. Was die wahrgenommene Erfüllung angeht sind die Befunde ambivalent; dies mag teils den unterschiedlichen Stichproben, aber auch dem geschuldet sein, dass die mediale Performanzbewertung von individuellen Merkmalen abhängig ist. Zusammengenommen scheinen Rezipienten jedoch mit der Erfüllung der Informationsfunktion weitgehend zufrieden zu sein. Allerdings fehlen Befunde dazu wie sehr die Erfüllung singulärer normativer Funktionen die mediale Performanzbewertung beeinflusst. In der Forschung zur normativen Qualität medialer Objekte existieren zum einen inhaltsanalytische Untersuchungen der Umsetzung normativer Qualitätskriterien in der Berichterstattung bestimmter Mediengattungen oder im Wahlkampf (Beck, Schweiger & Wirth, 2004; Bucher & Altmeppen, 2003; Voltmer, 1999). Dabei wurde lange vermutet, dass Rezipienten keine oder eine falsche Vorstellung davon hätten, was journalistische Qualität ausmacht, oder diese nicht
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beurteilen könnten (Ruß-Mohl, 2005, S. 376). Allerdings ist Wahrnehmung der normativen Qualität der Rezipienten bedeutsam, vor allem weil keine gesetzliche Qualitätskontrolle existiert (Voigt, 2016, S. 63–64). So existieren zum anderen erste Studien dazu, welche Bedeutung respektive Erwartungen Rezipienten der normativen Qualität medialer Objekte beimessen, wie sehr sie diese erfüllt sehen und wie sehr sie in der Lage sind, Ausprägungen normativer Qualitätskriterien zu erkennen (für einen Überblick vgl. auch Voigt, 2016, S. 79–111). Erstens werden Erwartungen von Rezipienten bezüglich der Qualität journalistischer Medien fokussiert. In qualitativen Studien finden sich Hinweise dafür, dass Rezipienten relativ wenige normative Qualitätskriterien benennen können. Die qualitativ Befragten von Lieske (2008, S. 281–284) empfinden unabhängige und sachliche Berichterstattung als wichtig (vgl. auch Arnold, 2009, S. 428–429); dies wird in ihrer Wahrnehmung weitgehend umgesetzt, wenngleich sie kritisieren, dass externe Zwänge (ökonomischer Druck, politische Präferenzen der Journalisten) dies einschränken können. In offenen Abfragen der Experimentalstudie von Jungnickel (2011) erwarten Rezipienten am häufigsten verständliche und unparteiliche Beiträge. Auch zeigt sich, dass die Befragten eine vollständige und richtige, verständliche und ausgewogene Berichterstattung als bedeutsam einschätzen, wobei sie unterschiedliche Qualitätskriterien besonders hervorheben (Dahinden, Kaminski & Niederreuther, 2004; Jungnickel, 2011; Neuberger, 2012; Trepte et al., 2008). Donsbach et al. (2009, S. 71–97) finden so repräsentativ für Deutschland, dass Rezipienten Meinungsvielfalt begrüßen, wobei die Berichterstattung nicht von Interessen der Journalisten beeinflusst sein sollte. Eine ähnliche Bedeutung normativer Qualitätskriterien messen Rezipienten (journalistischen) Online-Medien bei. Exemplarisch finden Trepte et al. (2008), dass Weblogs aus Sicht der Rezipienten ebenso korrekte, objektive, verständliche und vielfältige Berichterstattung bieten sollten; für Tageszeitungen stimmen sie deren Bedeutsamkeit aber in höherem Maße zu (vgl. auch Neuberger, 2012; Sundar, 1999). Zweitens beschäftigen sich Studien mit der wahrgenommenen Erfüllung normativer Qualitätskriterien. So weist die Fernsehforschung, etwa in der Langzeitstudie Massenkommunikation, darauf hin, dass Tageszeitungen und Rundfunk hinsichtlich sachlicher und kritischer Berichterstattung zwar beständig als führend, im Zeitverlauf aber schlechter eingeschätzt werden, wobei die Bewertung des Internets diesbezüglich steigt (Breunig & Engel, 2015; Ridder & Engel, 2010). Auch liefern Befragungen von ARD und ZDF exemplarisch Hinweise, dass Nachrichtenangebote öffentlich-rechtlicher Fernsehsender bezüglich Vollständigkeit und Verständlichkeit besser eingeschätzt werden als die privater
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Fernsehsender (Gscheidle & Geese, 2017). Daneben untersuchen erste Studien den Zusammenhang zwischen tatsächlicher und wahrgenommener normativer Qualität medialer Objekte durch Rezipienten. Trepte et al. (2008) konfrontieren Rezipienten experimentell mit ethisch problematischen und neutralen Beiträgen, wobei diese erstere als weniger qualitativ hochwertig einschätzen. Dahinden et al. (2004) zeigen jedoch, dass Rezipienten Unterschiede in der normativen Qualität von Online-Angeboten von Qualitäts- und Boulevardzeitungen wahrnehmen, obgleich inhaltsanalytisch keine existieren. Voigt (2016, S. 264–270) findet auf Beitragsebene experimentell, dass Teilnehmer die Qualitätsdimension Relevanz am korrektesten einschätzen, gefolgt von Vielfalt, Unparteilichkeit und Verständlichkeit; am schwersten fällt die Einschätzung der Sachgerechtigkeit (vgl. auch Jungnickel, 2011). Urban und Schweiger (2014) demonstrieren dazu experimentell, dass für das Gesamturteil Vielfalt und Ethik eine untergeordnete Rolle spielen. Auch sehen die Teilnehmer Qualitätsunterschiede zwischen qualitativ hochwertigen und weniger hochwertigen Beiträgen als weniger eklatant an. Überdies zeigen beide Autoren, dass die wahrgenommene normative Qualität journalistischer Beiträge im Vergleich eher durch heuristische Hinweisreize, wie die Reputation einer Medienmarke, und weniger durch systematische Abwägung der Erfüllung von normativen Qualitätskriterien geprägt ist (vgl. auch Prochazka et al., 2018). Weil die Befunde aufgrund des Einsatzes diverser Qualitätskriterien eingeschränkt vergleichbar sind, lässt sich mit Einschränkungen extrahieren, dass Rezipienten offen gefragt wenige normative Qualitätskriterien nennen (können); geschlossen gefragt erachten sie jedoch normative Qualität als wichtig und legen für (journalistische) mediale Objekte die gleichen Kriterien an. Jedoch scheinen Rezipienten zwar den Grad der Erfüllung normativer Qualitätskriterien partiell korrekt einzuschätzen, allerdings nicht immer sämtliche Kriterien zu erkennen und oft nicht zwischen geringer und hoher normativer Qualität zu differenzieren. Daraus lässt sich schließen, dass es Rezipienten wohl durchaus schwer fällt, normative Qualitätsurteile zu treffen (Prochazka et al., 2018, S. 65). Auch wird vermutet und stellenweise demonstriert, dass Individuen in alltäglichen Rezeptionssituationen wohl mäßig motiviert sind, reflektierte Qualitätsurteile zu fällen und so ihre Bewertung an anderen Hinweisreizen (wie der Medienmarke) festmachen (Voigt, 2016, S. 266). Abschließend sollen Befunde dazu referiert werden, wie die mediale Performanzbewertung bezüglich normativer Qualität (inklusive Glaubwürdigkeit) sowie der Erfüllung normativer Funktionen mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert ist. Ein Forschungsstrang versteht und misst Vertrauen, wie
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beschrieben, reflexiv, meist über Indikatoren normativer Qualität (Grosser et al., 2016; Kohring & Matthes, 2007; Prochazka & Schweiger, 2019). Folgerichtig fällt in dieser Perspektive die Erhebung der medialen Performanzbewertung mit der des Vertrauens in journalistische Medien zusammen. Hier wird hingegen dem Verständnis gefolgt, dass die vergangene mediale Performanzbewertung einen Prädiktor des Vertrauens in journalistische Medien darstellt. Neben Vermutungen (auch seitens Journalisten), dass das Vertrauen in journalistische Medien durch qualitativ hochwertige Berichterstattung gefördert werden könne (Dernbach, 2005, S. 147–153; Tsfati, 2004, S. 283), existieren bereits Befunde zu diesem Zusammenhang. Bezüglich normativer Funktionen zeigt Peifer (2018), dass Rezipienten den journalistischen Medien eher vertrauen, wenn sie deren normativen Funktionen eine hohe Bedeutung beimessen. Diese Assoziation ist umso stärker, je mehr Rezipienten wahrnehmen, dass journalistische Medien die normativen Funktionen auch erfüllen. Daneben finden sich Evidenzen, dass die wahrgenommene Erfüllung normativer Qualitätskriterien positiv mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert ist. Jackob (2009) findet, dass Rezipienten ein höheres Medienvertrauen äußern, wenn sie fehlerhafte Berichterstattung als Ausnahme sehen; wobei die Erinnerung an konkrete Fälle fehlerhafter Berichterstattung Vertrauen in journalistische Medien nicht bedingt. Analog berichten Livio und Cohen (2018), dass eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen der Berichterstattung über ein Ereignis und eigene Erfahrungen mit diesem negativ mit Medienvertrauen verbunden ist. Meier und Reimer (2011) demonstrieren experimentell, dass manche Indikatoren von Quellentransparenz das Vertrauen in die Selektionsleistung des Journalismus fördern können (vgl. auch Pjesivac & Rui, 2014). Schielicke et al. (2014) zeigen deutschlandrepräsentativ, dass lediglich die wahrgenommene Sach- und Fachkompetenz von Journalisten (wie inhaltliche Kenntnisse und gründliche Eigenrecherche) positiv mit Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängt, während weitere normative Qualitätskriterien, wie wahrgenommene Neutralität oder Unabhängigkeit, keine Assoziation zeitigen. Pjesivac (2017) findet in einer repräsentativen Befragung serbischer Bürger, dass der Grad der wahrgenommenen Korruption der journalistischen Medien negativ mit Vertrauen zusammenhängt (vgl. auch Newman & Fletcher, 2017). Auch ist eine Hostile Media-Wahrnehmung, was mit einem Mangel der Einhaltung des Kriteriums Ausgewogenheit korrespondiert, negativ mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert (Newman & Fletcher, 2017; Tsfati & Cohen, 2005). Zusammenfassend lässt sich zuletzt für die Studie festhalten, dass identifizierte Komponenten der medialen Performanzbewertung, die normative
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ualitätswahrnehmung (inklusive Glaubwürdigkeit) sowie die wahrgenommene Q Erfüllung normativer Medienfunktionen, Vertrauen in journalistische Medien durchaus positiv vorhersagen können. Erfahrungen mit der vergangenen medialen Performanz mögen Rezipienten wiederum in direkter oder indirekter Form machen. Damit beschäftigt sich das nächste Kapitel.
4.3 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Direkte und indirekte Quellen Rezipienten können zum einen in direktem Kontakt mit der Berichterstattung oder (wohl seltener) mit Journalisten beurteilen, wie sehr und warum die Leistungen medialer Objekte normativen Performanzkriterien entsprechen. Zum anderen sind indirekte Erfahrungen mit medialer Performanz möglich, zum Beispiel durch Rezeption von Medienkritik (Schweiger, 2007, S. 251–265). Somit werden nun die Qualität und Quantität der Mediennutzung der Rezipienten in Deutschland sowie die Nutzung von Medienkritik als Quellen von Erfahrungen mit medialer Performanz in einem Kurzüberblick skizziert.11 Dabei wird jeweils der Forschungsstand zu Assoziationen der Nutzung dieser Quellen mit Vertrauen in journalistische Medien umrissen.
4.3.1 Direkte Quellen: Häufigkeit und Art der Mediennutzung Welchen medialen Objekten sich Rezipienten selektiv zuwenden und wie häufig sie dies tun, mag ihre Erfahrungen mit medialer Performanz und damit ihr Medienvertrauen bedingen. Was Formen von Mediengattungen angeht, die hier als Vertrauensobjekte interessieren, nutzen gemäß der für die deutsche Bevölkerung (ab 14 Jahren) repräsentativen Langzeitstudie Massenkommunikation 80 respektive 74 Prozent täglich Fernsehen und Radio; Tageszeitungen lesen rund ein Drittel (33 %; Zeitschriften 6 %), wobei seit der ersten Welle 1964 ein deutlicher Abstieg zu verzeichnen ist (Breunig & van Eimeren, 2015, S. 510). Das Internet nutzen 2016 65 Prozent täglich (2017: 72 %, 90 %
11Im
Folgenden werden Nutzungsdaten fokussiert, die im Zeitraum der im Rahmen der Studie durchgeführten Befragung (2016, 2017) liegen.
4.3 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Direkte …
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haben einen Zugang), wobei sich der Anteil seit der ersten Erhebung im Jahr 2000 fast verfünffacht hat (Frees & Koch, 2018, S. 399). Spezifischer findet eine bevölkerungsrepräsentative Befragung (ab 18 Jahren) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von 2016, dass 59 Prozent sich täglich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen über die aktuelle Nachrichtenlage informieren, 57 Prozent tun dies im Internet; Tageszeitungen (46 %) und privates Fernsehen (33 %) rezipieren dazu rund 50 Prozent respektive ein Drittel, Boulevardzeitungen (7 %) weniger als zehn Prozent. Überdies beziehen rund ein Viertel der Befragten täglich Nachrichten über journalistische Online-Angebote sowie Intermediäre, wie Google News. Soziale Netzwerkseiten verwenden 28 Prozent zur aktuellen Information; allerdings ist nicht auszuschließen, dass die dort rezipierten Beiträge auch von Journalisten stammen. In Weblogs und Foren (je 3 %) informieren sich weit weniger als zehn Prozent (Schultz et al., 2017, S. 250). Die Nachrichtennutzung erhebt auch die Reuters Institute Digital News Survey (Newman et al., 2018) regelmäßig repräsentativ für (deutsche) Internetnutzer. Anfang 2018 ist für 74 Prozent der Befragten das Fernsehen eine mindestens wöchentliche Nachrichtenquelle, 65 Prozent nennen Online- und 37 Prozent Printmedien; während dies seit 2016 vergleichsweise konstant blieb, hat nur der Anteil der Printmedien seit 2016 um neun Prozentpunkte abgenommen. Dabei nutzen 2016 bis 2018 rund 30 Prozent der Befragten Nachrichten auf sozialen Netzwerkseiten; die Hauptnachrichtenquelle sind diese (Anfang 2016) allerdings nur für rund sechs Prozent, wobei 51 Prozent hier das Fernsehen nennen (Hölig & Hasebrink, 2016, S. 535–538, 2018, S. 80–81). Zu alternativen Medienangeboten existieren für Deutschland bislang wenige Nutzungsdaten (international vgl. z. B. Rauch, 2007). Schultz et al. (2017) zeigen, dass 6 Prozent der deutschen Bevölkerung aus alternativen Medienangeboten (z. B. Politically Incorrent, Compact Online) täglich aktuelle Informationen bezieht, während die Mehrheit (58 %) diese nie verwendet. Die Reuters Institute Digital News Survey 2018 weist ähnlich nach, dass „anti-establishment“ Online-Medien in Deutschland von relativ geringen Anteilen der Bevölkerung rezipiert werden (Newman et al., 2018, S. 20–22): Exemplarisch wird Politically Incorrect von zwei Prozent wöchentlich genutzt, bekannt ist es sieben Prozent. Compact Online lesen zwei (9 % bekannt) und das Online-Angebot der Jungen Freiheit drei Prozent (11 % bekannt). Auch sind 60 Prozent der Rezipienten, die mindestens eines dieser Angebote wöchentlich nutzen, männlich, mehrheitlich unter 35 Jahre alt und lassen sich allen Einkommensklassen zuordnen. Zum Vergleich nutzen 17 Prozent der Befragten wöchentlich Spiegel Online, 14 Prozent Online-Nachrichten der
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
ARD und 10 Prozent Bild.de (Hölig & Hasebrink, 2018, S. 80–81; Newman & Kalogeropoulos, 2018, S. 44–47).12 Insgesamt stellen journalistische Medienangebote und deren Online-Angebote (2016 bis 2017) die meistgenutzten Nachrichtenquellen der deutschen Bevölkerung dar. Über soziale Netzwerkseiten nutzen rund ein Drittel der Bürger Nachrichten, allerdings wohl weniger als hauptsächliche Quelle; alternative Medienangebote verzeichnen vergleichsweise niedrige Nutzungsanteile. Dabei bleibt allerdings zu eruieren, ob diese beispielsweise von spezifischen politischen Milieus häufiger genutzt werden und damit prägend für die politische Meinungsbildung sind (Schweiger, 2017, S. 49). Auf dieser Basis interessiert nun die Assoziation der Art und Häufigkeit der Mediennutzung mit Vertrauen in journalistische Medien. Während es in der Forschung zu Uses-and-Gratifications robuste Evidenzen gibt, dass Rezipienten sich (unter bestimmten Bedingungen) eher Medienangeboten zuwenden, die erwarteten Leistungen für ihre Bedürfnisse als Konsumenten entsprechen (für einen Überblick vgl. z. B. Papacharissi, 2009), ist diese Assoziation für die normative mediale Performanzbewertung durch Bürger weniger exzessiv belegt. So gibt es vereinzelt (US-) Studien dazu, die teils zeigen, dass normative Qualitätsmerkmale (wie vielfältige Berichterstattung) mit der Auflage von Medienangeboten positiv assoziiert sein können (Belt & Just, 2008; für einen Überblick vgl. auch Voigt, 2016, S. 102–107). Auch zeigt Peifer (2018), dass Rezipienten eher politische Berichterstattung nutzen, wenn sie die demokratischen Funktionen journalistischer Medien als bedeutsam erachten. Daneben untersuchen viele Studien die direkte Assoziation der Qualität und Quantität der Mediennutzung auf Vertrauen in journalistische Medien. Die Mediennutzung wird dabei sowohl als unabhängige als auch als abhängige Variable verstanden, obgleich die meisten Studien dazu auf Querschnittbefragungen basieren und damit strenggenommen
12Ein
weiterer Indikator für die Nutzungshäufigkeit alternativer Medien sind etwa Reichweitenzahlen (vgl. auch Schweiger, 2017, S. 49). Diese werden beispielsweise für die Printausgabe der Jungen Freiheit veröffentlicht (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. [IVW], k. A.). Die Verbreitung alternativer Medienangebote ließe sich weiterhin etwa über den Medienblog 10000 Flies schätzen, der von Facebook, Twitter und Google die tägliche Anzahl an Likes, Shares und Nutzerkommentaren zu Beiträgen ermittle (Schweiger, 2017, S. 49–50; vgl. auch Über 10000 Flies, 2018).
4.3 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Direkte …
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lediglich von Assoziationen gesprochen werden kann. Da in der vorliegenden Studie Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien betrachtet werden, liegt der Fokus auf Studien, die Mediennutzung als unabhängige Faktoren einsetzen. Häufig weisen die Studien teils repräsentativ sind für Deutschland, Schweden oder die USA nach, dass die Nutzungshäufigkeit journalistischer Medien respektive der jeweiligen Mediengattungen das Vertrauen in ebendiese moderat positiv vorhersagt (Arlt, 2018; Hopmann et al., 2015; Jones, 2004; Ladd, 2012; Matthes et al., 2010; Schultz et al., 2017; Tsfati & Ariely, 2014; Tsfati & Cappella, 2003, 2005; vgl. aber Bennett et al., 2001). Tsfati (2010, S. 24) spricht hier davon, dass Rezipienten selektiv eher die Medienangebote und -gattungen nutzen, denen sie vertrauen (vgl. auch Kiousis, 2001; Yamamoto et al., 2016). Umgekehrt bedingt Vertrauen in journalistische Medien oder nutzergenerierte Inhalte nicht zwangsläufig deren Nutzungshäufigkeit, wobei Rezipienten mit geringem Vertrauen in journalistische Medien diese nicht vollends meiden (Ardèvol-Abreu & Gil de Zúñiga, 2017; Jones, 2004; Tsfati, 2010; Tsfati & Cappella, 2003). Dies könnte daran liegen, dass journalistische Medien exklusiven Nutzen bieten, von dem Rezipienten sich als Bürger abhängig fühlen („media dependency“, Ball-Rokeach, 1998, S. 19), was bei Jackob (2012a, S. 177) positiv mit Medienvertrauen assoziiert ist. Auch könnten sie eine hohe Markenbindung haben (Schweiger, 2017, S. 97–98), sich kognitiv auseinandersetzen wollen („need for cognition“, Ardèvol-Abreu & Gil de Zúñiga, 2017; Tsfati & Cappella, 2005) oder gezielt Medienangebote nutzen, denen sie nicht vertrauen, etwa um gegen deren Berichterstattung argumentieren zu können (vgl. auch Arpan & Nabi, 2011; Rojas, 2010). Neigen Rezipienten dazu, sich eher Berichterstattung auszusetzen, die ihren politischen Einstellungen oder Positionen zu gesellschaftlich relevanten Themen entspricht (vgl. auch Knobloch-Westerwick, Mothes, Johnson, Westerwick & Donsbach, 2015), könnte das überdies ihr Vertrauen in journalistische Medien prägen. Eine schwache bis moderate Neigung, eher (politisch) einstellungskonforme Beiträge auszuwählen ist relativ gut belegt („confirmation bias“, vgl. z. B. die Meta-Analyse von Hart et al., 2009; Stroud, 2008); wobei Rezipienten politisch inkongruente Beiträge teils weniger vermeiden („defensive avoidance“, Sears & Freedman, 1967, S. 195–197), als verstärkt kongruente zu nutzen (Garrett, 2009). Im Online-Bereich wird jedoch vermutet und vereinzelt demonstriert, dass eine meinungskonsistente Nutzungspräferenz durch algorithmische Filterung
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
verstärkt werden kann (vgl. auch Schweiger, 2017, S. 103).13 Schweiger (2017, S. 84–85) folgert daraus, dass Rezipienten im Online-Bereich eher einzelne Nachrichtenbeiträge via Intermediäre nutzen, was zu Lasten eines Nachrichtenüberblicks gehen kann, den eine ganzheitliche Nutzung von Medienangeboten zu liefern vermag. Erstens finden sich Hinweise, dass Rezipienten meinungskonsistente Berichte als qualitativ hochwertiger wahrnehmen als solche, die ihren Ansichten widersprechen (Fischer, Jonas, Frey & Schulz-Hardt, 2005; Fischer, Schulz-Hardt & Frey, 2008; vgl. auch Stroud, 2011, S. 21). Damit könnten sie den journalistischen Medienangeboten auch eher vertrauen, die ihre Ansichten vertreten. Zweitens wird eine meinungskonsistente Nutzungspräferenz mit einer Hostile Media-Wahrnehmung (HMP) in Verbindung gebracht (vgl. Abschnitt4.5.2). Sofern Rezipienten in ihrem Medienmenü zwar mehrheitlich, aber nicht nur, meinungskonsistente Beiträge nutzen, könnte einerseits meinungsinkonsistente, ausgewogene Berichterstattung stärker in Kontrast zu ihren Ansichten scheinen. In Folge könnten sie eher vermuten, dass journalistische Medien die eigenen Ansichten zu wenig repräsentieren oder verzerrt entgegen diese berichten (McLeod et al., 2017, S. 51; Schweiger, 2017, S. 105, 136), was mit geringerer medialer Performanzbewertung und Medienvertrauen einhergehen mag. In der Forschung zur HMP zeigt sich dazu, dass Rezipienten, deren soziales Umfeld die gleichen politischen Ansichten teilt, eher einen politischen Medienbias wahrnehmen (Eveland & Shah, 2003). Andererseits wird vermutet, dass eine Neigung zur Bevorzugung meinungskonsistenter Inhalte eine HMP senken sowie die empfundene Meinungsrepräsentanz erhöhen könnte, sofern Rezipienten sich in dieser Einschätzung auf die von ihnen genutzten Medienangebote und Beiträge beziehen (McLeod et al., 2017, S. 51). Befunde dazu sind bisher rar. Auch demonstrieren Studien vereinzelt, dass die Nutzungsfrequenz von Boulevardzeitungen, von Online-Nachrichten oder alternativen Medienangeboten Vertrauen in journalistische Medien(-gattungen) negativ prognostiziert (Hopmann et al., 2015; Jackob, 2012a, S. 222; Johnson & Kaye, 2015a; Schultz et al., 2017;
13Konkret
könne diese durch Personalisierung (z. B. algorithmische Filterung, Filterblase, Pariser, 2011, S. 9–10), aber auch die Möglichkeit, sich auf sozialen Netzwerkseiten aktiv mit meinungskonsistenten Beiträgen zu umgeben, gefördert werden (Echokammer, Sunstein, 2002, 2017; Stark et al., 2017, S. 29–34). Dabei wird angenommen, dass sich Individuen so in ihren Einstellungen wechselseitig bestärken könnten (Haim et al., 2018), gibt es erste Hinweise, dass Rezipienten eher selbst kongruente Informationen selektieren und die algorithmische Filterung dies weniger beeinflusst (Bakshy, Messing & Adamic, 2015; Yardi & boyd, 2010).
4.3 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Direkte …
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Tsfati, 2010). Die Befunde zu letzteren Kategorien fallen allerdings ambivalent aus, was auch damit zusammenhängen kann, dass die Nutzung sehr unterschiedlicher medialer Objekte fokussiert wird (Fawzi et al., in Vorbereitung). Zum einen finden sich so Evidenzen dafür, dass die Nutzung von (nutzergenerierten) Online-Angeboten, wie Blogs oder sozialen Netzwerkseiten, zur aktuellen Informationen nicht mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert ist (Ardèvol-Abreu & Gil de Zúñiga, 2017; Arlt, 2018; Elvestad, Phillips & Feuerstein, 2018) oder positiv verbunden ist (Arlt, 2018; Kalogeropoulos, Suiter, Udris & Eisenegger, 2019). Zum anderen zeigt sich, dass die Nutzung von konservativem politischem (US-) Talk-Radio (Jones, 2004; Ladd, 2012; Tsfati & Cappella, 2003), ideologisch geprägten Online-Nachrichtenangeboten (Prochazka & Schweiger, 2019; Schultz et al., 2017; Tsfati, 2010) sowie alternativen Medienangeboten (Müller & Schulz, 2019; Prochazka & Schweiger, 2019; Schultz et al., 2017) Vertrauen in journalistische Medien negativ vorhersagen kann respektive negativ zusammenhängt. Da Inhaltsanalysen rar sind, kann nur spekuliert werden, ob Rezipienten dort etwa Kritik an der Performanz journalistischer Medien präsentiert wird (Jackob, 2012a, S. 177; Schweiger, 2017, S. 16; vgl. auch Holt & Haller, 2017) oder sie dort Leistungen erhalten, die journalistische Medienangebote in ihren Augen vernachlässigen (vgl. auch Friedrich & Jandura, 2012).
4.3.2 Indirekte Quellen: Vertrauen in journalistische Medien in der Sozialisation und Konfrontation mit Medienkritik Rezipienten können somit darüber hinaus indirekte Erfahrungen mit medialer Performanz machen, anhand deren Bewertung durch andere Rezipienten oder die Berichterstattung. Frühe Erfahrungen damit sind erstens – analog zu Überlegungen der politischen Vertrauensforschung – in der Sozialisation in der Kindheit- und Jugend denkbar als „the acceptance of values, standards, and customs of society as well as the ability to function in an adaptive way in the larger social context“ (Grusec & Davidov, 2007, S. 284). Die Eltern gelten neben Lehrern und journalistischen Medien als wichtigste Sozialisationsinstanz bezüglich demokratischer Werte und Überzeugungen und vermitteln diese beispielsweise in interpersonaler Kommunikation (Chaffee, McLeod & Wackman, 1973, S. 405–407; Grusec & Davidov, 2007, S. 285; vgl. auch Baumrind, 1980). So könnte Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Sozialisation überdies nahegebracht werden, wie etwa die Eltern die Leistungen journalistischer Medien bewerten, was ihr Medienvertrauen beeinflussen mag (Blöbaum, 2014, S. 36;
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Schweiger, 2007, S. 253; vgl. auch Böcking, 2006; Carlson, Laczniak & Walsh, 2001; Krämer, 2013). Auch gibt es experimentelle Hinweise in der Forschung zu Medienkompetenz (vgl. auch Livingstone, 2004), dass Informationen über demokratische Funktionen journalistischer Medien sowie journalistische Normen mediale Glaubwürdigkeit und Vertrauen in journalistische Medien erhöhen sowie eine Hostile Media-Wahrnehmung senken (Vraga, Tully, Akin & Rojas, 2012; Vraga & Tully, 2015). Im Gegensatz dazu wird teils evident, dass Kenntnisse über Medienstrukturen zum Beispiel die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung senken können (Ashley, Poepsel & Willis, 2010); daraus könnte man schließen, dass informierte Rezipienten auch eine kritischere Haltung gegenüber medialen Objekten aufweisen mögen. Für diese Studie lässt sich so annehmen, dass Kinder und Jugendliche Performanzbewertungen, aber auch Vertrauen in journalistische Medien im sozialen Umfeld in ihren Erfahrungsschatz zu journalistischen Medien aufnehmen könnten, was positiv mit ihrem Medienvertrauen assoziiert sein mag. Zweitens könnte Medienkritik eine indirekte Erfahrungsquelle darstellen. Diese gibt es seit journalistische Medien existieren (Roß, 1997, S. 29), was einem relativ geringen Forschungsaufkommen gegenübersteht (Kaun, 2014, S. 491). Medienkritik bezieht sich im vorliegenden Verständnis auf die „role and performance of the press in a democratic society“ (Wyatt, 2007, S. 7), um Einfluss auf die journalistische Arbeit zu nehmen. Auch kann sie von Journalisten, zum Beispiel in Kommentaren, oder von nicht-journalistischen Akteuren stammen wie Bürgern oder Politikern (von Krogh, 2012, S. 15). Anfangs wurde gefordert, dass Rezipienten umfassende Kenntnisse über Einflüsse auf die journalistische Arbeit haben sollten, um Medienkritik in angemessener Form äußern zu können (Carey, 1974, S. 244). In dieser Studie wird jedoch keine normative, sondern eine empirische Perspektive vertreten. Konstruktive kritische Reflexion der medialen Performanz wird demokratietheoretisch positiv bewertet (Schultz et al., 2017, S. 251–252) und als fördernswerter Aspekt von Medienkompetenz gesehen (Kaun, 2014, S. 490). Medienkritische Äußerungen (im Online-Bereich) bemängeln gemäß inhaltsanalytischer Befunde häufig eine mangelhafte Erfüllung normativer Qualitätskriterien oder Funktionen journalistischer Medien und liefern als Begründung oft ökonomische und politische Einflüsse (Craft, Vos & Wolfgang, 2016; Kaun, 2014; Neurauter-Kessels, 2011; Vos, Craft & Ashley, 2012). In einer Inhaltsanalyse von Nutzerkommentaren zeigen Prochazka und Schweiger (2016) exemplarisch, dass in rund 20 Prozent der Medienbewertungen unabhängig von medialen Objekten mangelnde Sachgerechtigkeit sowie Parteilichkeit kritisiert wird. Boulevardisierungstendenzen sowie zu wenig Kritik an Eliten merken die Nutzer in geringerem Maße an. Printangeboten wird im
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ergleich zu anderen Formen von Mediengattungen häufiger vorgeworfen, zu V wenig Kritik zu äußern, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hingegen Parteilichkeit sowie mangelnde Publikumsorientierung. Der private Rundfunk wird im Vergleich häufiger für mangelnde Sachgerechtigkeit, zu geringe Vielfalt und Boulevardisierungstendenzen kritisiert. Eine Clusteranalyse zeigt überdies, dass der Vorwurf dominiert, journalistische Medien seien von Eliten gesteuert; dies umfasst, dass die Nutzer journalistische Medien als parteiisch kritisieren, was mit ihren Abhängigkeiten von Politik und Wirtschaft begründet wird. Daneben legen Rezipienten soziale Normen als Bewertungskriterien an und kritisieren, dass Journalisten den Kontakt zu ihren Lesern verlieren (Craft et al., 2016; Neurauter-Kessels, 2011). Erneut wird zuletzt die Assoziation zwischen Medienkritik und (indirekt erhobenem) Vertrauen in journalistische Medien betrachtet. Dazu zeigt sich zum einen experimentell, dass Medienkritik in Nutzerkommentaren die normative Qualitäts- und Glaubwürdigkeitswahrnehmung von Beiträgen senken kann (Kümpel & Springer, 2016; Lee, 2012; Prochazka et al., 2018; Thorson, Vraga & Ekdale, 2010; Weber et al., 2019). Dass Rezipienten anhand der Meinungsverteilung in Kommentaren auf das Meinungsklima der Nutzer sowie der Bevölkerung schließen (Winter & Krämer, 2016; Zerback & Fawzi, 2017), mag ebenso für medienkritische Äußerungen gelten. Dies ist beachtenswert, da nur ein kleiner Teil der Nutzer im Online-Bereich (regelmäßig) kommentiert (Friemel & Dötsch, 2015; Springer, Engelmann & Pfaffinger, 2015). Einer repräsentativen Befragung zufolge kommentiert rund ein Viertel der Internetnutzer monatlich Beiträge journalistischer Medien, während 40 Prozent diese wöchentlich lesen (Ziegele, Weber & Köhler, im Erscheinen; vgl. auch Ziegele, Springer, Jost & Wright, 2017, S. 324–325); in Daten der Reuters Institute Digital News Survey sind ersteres 14 Prozent (Hölig & Hasebrink, 2018, S. 80–81). Dazu demonstrieren Schultz et al. (2017), dass rund 20 Prozent der zumindest seltenen Kommentierer der „offiziellen“ Version von Nachrichten widersprechen wollen. Häufiges Kommentieren ist in der Studie zudem assoziiert mit geringerer Bildung, hoher Internetnutzung, politischem Interesse sowie Präferenz für die rechtspopulistische AfD (Ziegele et al., 2017). Weiterhin wird in der Literatur vermutet, aber nur vereinzelt empirisch geprüft, dass eine häufige Konfrontation mit Medienkritik die Wahrnehmung einer Verzerrung journalistischer Medien, also eine Hostile Media-Wahrnehmung, verstärken kann; diese bezieht sich letztlich auf mangelnde Ausgewogenheit der Berichterstattung (McLeod et al., 2017, S. 51; vgl. Abschnitt 4.5.2). Zum anderen finden sich wenige Hinweise zum Zusammenhang von Medienkritik und Vertrauen in journalistische Medien. Ladd (2010a) weist experimentell
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
nach, dass Äußerungen politischer Eliten zu mangelnder Ausgewogenheit die Einstellung gegenüber Medien von Rezipienten mit hoher Bildung und entsprechender Parteineigung verschlechtern können. Auch geben Rezipienten, die zwar hohe demokratische Standards teilen, jedoch politischen und journalistischen Eliten geringes Vertrauen entgegenbringen in einer qualitativen Befragung eher an, Medienkritik zu äußern und zu rezipieren (Kaun, 2014, S. 502), wobei Vertrauen in nutzergenerierte Inhalte das eigene Verfassen von Medienkritik positiv vorhersagt (Ardèvol-Abreu, Hooker & Gil de Zúñiga, 2018). Pingree et al. (2013) finden dagegen experimentell, dass lediglich Kritik an der medialen Selektionsleistung das Vertrauen in ebendiese senkt, Kritik eines liberalen Bias jedoch keinen Effekt hat. Dass eigene Korrekturen an der journalistischen Arbeit in Form von Faktenchecks hingegen positiv mit Vertrauen in journalistische Medien verbunden sind, zeigen Pingree et al. (2018) in einem Feldexperiment. So kann die Rezeption von Medienkritik durchaus negativ mit Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängen; wobei sich auch Hinweise finden, dass konstruktive Medienkritik Medienvertrauen begünstigen oder eine kritische, aber ergebnisoffene medienbezogene Haltung fördern kann, die wiederum teils positiv mit Vertrauen in journalistische Medien verbunden ist (vgl. auch Jackob, Jakobs et al., 2019). Zusammenfassend können große Teile der Rezipienten in Deutschland prinzipiell mit den Leistungen journalistischer Medien direkte Erfahrungen machen; das gilt in geringerem Maße für nutzergenerierte Inhalte sowie alternative Medienangeboten. Auch scheinen Rezipienten eher die Formen von Mediengattungen zu nutzen, denen sie vertrauen; vertrauen sie journalistischen Medien in generalisierter Form jedoch wenig, scheinen sie diese zumindest nicht vollends zu meiden. Eine Präferenz für meinungskonsistente Berichterstattung könnte mit Vertrauen in journalistische Medien hingegen negativ assoziiert sein, sofern diese die Wahrnehmung begünstigt, dass die journalistischen Medien im Allgemeinen – im Gegensatz zu den selbst präferierten – zu wenig die eigene Meinung repräsentieren. Während die Nutzung von nutzergenerierten Inhalten in den bislang wenigen Studien positiv oder nicht mit Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängt, scheint die Nutzung alternativer Medien tendenziell negativ verbunden zu sein. Eine Erklärung dafür mag sein, dass letztere indirekte Rückschlüsse auf die mediale Performanz zulassen, etwa durch Medienkritik. Allerdings sind die raren Befunde zur Rezeption von Medienkritik als Form der indirekten Erfahrung mit medialer Performanz ambivalent, wobei sich negative, aber teils auch positive Assoziationen zur eigenen medialen Performanzbewertung und Vertrauen in journalistische Medien zeigen. Medienvertrauen, das Rezipienten im Rahmen der Sozialisation im sozialen Umfeld erlernen, könnte
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jedoch ihr generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien positiv vorhersagen. Auf welche Gründe Rezipienten die mediale Performanz hingegen zurückführen können, beleuchtet das folgende Kapitel.
4.4 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Restriktionen journalistischer Autonomie Es gibt Hinweise, dass Rezipienten sich die wahrgenommene mediale Performanz erklären, etwa durch Einflüsse auf die journalistische Arbeit (Prochazka & Schweiger, 2016, S. 464). Professionelle Autonomie als „wide latitude of judgment in carrying out occupational duties“ (McDevitt, 2003, S. 156) gilt als grundlegende Voraussetzung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe journalistischer Medien (Althaus, 2003, S. 382; Lichtenberg, 1987, S. 346– 348). Damit wird sie in der Literatur auch als eine zentrale Bedingung für die Glaubwürdigkeit von und das Vertrauen in journalistische Medien angeführt (McQuail, 1992, S. 86). Journalistische Autonomie impliziert zum Beispiel Unabhängigkeit von externen (z. B. politische Akteure) und internen Einflüssen14 (z. B. Verleger) bei der Produktion von Berichterstattung, die sich wechselseitig bedingen können (McQuail, 1992, S. 81–87; vgl. auch Lauerer & Keel, 2019, S. 105–107; Reich & Hanitzsch, 2013, S. 135–136). Insbesondere Einflüsse auf die journalistische Autonomie aus Sicht der Rezipienten mögen folglich ein bedeutsames Korrelat von Vertrauen in journalistische Medien sein. Während die Perspektive von Rezipienten bislang jedoch nur wenig Beachtung fand, beschäftigt die Journalismusforschung seit Jahrzehnten, was die journalistische Autonomie beeinflusst. Somit scheint es gewinnbringend, sich bisherigen Überlegungen und Befunden zu Arten von Restriktionen journalistischer Autonomie und deren Intensität aus Sicht von Journalisten zu bedienen. Damit lassen sich Wahrnehmungen von Rezipienten analog angemessen differenziert untersuchen sowie einordnen, inwiefern diese empirisch aus Sicht von Journalisten gestützt sind. Das prominente Hierarchy of Influences-Modell (Shoemaker & Reese, 2014, S. 7–10) unterscheidet fünf ineinander geschachtelte Ebenen von Einflüssen: So
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lässt sich handlungstheoretisch fassen als Einsatz von Machtmitteln, um eigene Ziele zu erreichen. Sozialen Einfluss üben politische (PR-)Akteure beispielsweise aus, indem sie den Zugang zu Ressourcen oder Machtmittel („bases of power“) kontrollieren von denen Journalisten abhängig sind (Raven, 1993, 2008; Koch et al., 2017, S. 5).
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
können individuelle Merkmale der Journalisten (z. B. politische Einstellungen), journalistische Arbeitsabläufe wie Regeln der Recherche oder finanzielle Ressourcen sowie auf organisationaler Ebene Medieneigentümer, die Einfluss auf die journalistische Autonomie nehmen. Die extra-media Ebene umfasst politische und ökonomische Einflüsse, die Systemebene etwa rechtliche Rahmenbedingungen. Diese Einflüsse nehmen Journalisten weitgehend analog wahr, was Hanitzsch et al. (2010, S. 14–16) faktoranalytisch identifizieren. Politische und ökonomische Einflüsse beinhalten Restriktionen politischer Akteure und Werbekunden sowie die Profitorientierung von Medienorganisationen. Organisationale Einflüsse schließen solche von Vorgesetzten oder Medieneigentümern ein, prozedurale Einflüsse etwa Ressourcenknappheit auf redaktioneller Ebene. Obgleich diese von objektiven Einflüssen abweichen können, wird angenommen, dass gerade deren Wahrnehmung handlungsleitend ist (Reich & Hanitzsch, 2013, S. 136–137). Grundlegend geben jeweils über drei Viertel der Journalisten in Deutschland in der zweiten Welle der Worlds of Journalism-Studie an, Kontrolle über ihre Arbeit sowie Teilhabe an journalistischen Entscheidungen zu haben. Konkreter sehen drei Viertel der Journalisten große oder volle Autonomie bei der Auswahl von Themen und rund 80 Prozent bei der Entscheidung, welche Gesichtspunkte sie in ihren Beiträgen hervorheben (Lauerer & Keel, 2019, S. 109–110). Journalisten in Deutschland (wie auch im internationalen Vergleich) führen prozedurale Einflüsse am stärksten an, gefolgt von organisationalen und ökonomischen Restriktionen; politische Einflüsse nehmen sie als am wenigsten intensiv wahr, was durch Merkmale des Mediensystems, wie der Pressefreiheit, sowie der demokratischen Gesellschaft begünstigt wird (Hanitzsch et al., 2019, S. 110–127). Die wahrgenommene journalistische Autonomie senken im internationalen Vergleich primär politische und organisationale sowie teils ökonomische und prozedurale Determinanten (Hamada et al., 2019, S. 150; Hanitzsch & Mellado, 2011; Reich & Hanitzsch, 2013). Rezipienten vermuten hingegen besonders politische und ökonomische Restriktionen sowie Boulevardisierungstendenzen (BR, 2016, 2. Mai; Prochazka & Schweiger, 2016). Allerdings wurde bislang nur wenig differenziert nach Arten der Einflüsse aus Sicht der Rezipienten gefragt. Da vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie die mediale Performanzbewertung senken könnten, sollen diese für vorliegende Studie differenzierter berücksichtigt werden. Dazu werden zunächst Erkenntnisse zu politischen (und organisationalen) Einflüssen sowie zu ökonomischen (und prozeduralen) Einflüssen aus Sicht von Journalisten und externen Akteuren wie Politikern sowie der Boulevardisierungsforschung (vgl. Abschnitt 4.4.1, 4.4.2) referiert und abschließend die Sicht der Rezipienten gegenübergestellt (vgl. Abschnitt 4.4.3).
4.4 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Restriktionen …
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4.4.1 Politische Einflüsse auf die journalistische Autonomie Mit politischen Einflüssen auf die journalistische Autonomie beschäftigen sich verschiedene Forschungsstränge. Die politische Kommunikationsforschung analysiert diverse Ebenen der politisch-medialen Beziehungen (für einen Überblick vgl. z. B. Baugut, 2017; Donges & Jarren, 2017). Ansätze auf der Makroebene gehen etwa von autonomen Systemen (Marcinkowski & Bruns, 2000) oder gegenseitiger Abhängigkeit (wie einer Interdependenz oder einer Interpenetration) aus (Bentele, Liebert & Seeling, 1997; Hoffmann, 2003). Auf der Mikroebene werden Beziehungen von politischen Akteuren und Journalisten in den Blick genommen (Baugut, 2017; Pfetsch, 2003, 2014) oder unter dem Schlagwort der „Medialisierung“ fokussiert, wie sehr sich politische Akteure in ihrem Handeln an der Medienlogik orientieren (Fawzi, 2014, S. 46–47; vgl. auch Baugut, Fawzi & Reinemann, 2015, S. 411). Insgesamt weisen diese Überlegungen auf wechselseitige politisch-mediale Abhängigkeiten hin (Baugut, 2017, S. 54). Für die vorliegende Studie interessiert, wie politische Einflüsse auf journalistische Medien von Rezipienten wahrgenommen werden, womit bei der folgenden Zusammenschau ebendiese Mikroebene fokussiert wird. Außerdem wird hier zwischen externen und internen politischen Einflüssen differenziert: Externe politische Einflüsse könnten erstens – neben medienpolitischen Entscheidungen (Baugut & Grundler, 2009, S. 118) – beispielsweise dadurch zu Stande kommen, dass politische Akteure exklusive Informationen gegen Publizität (oder Diskretion) politischer Themen oder Positionen in der Berichterstattung tauschen, um Legitimität für kollektiv bindende Entscheidungen zu erzeugen (Baugut, 2017, S. 58–73, 305; Röttger, 2015, S. 14–15). Einerseits wird argumentiert, dass Journalisten auf politische Informationen angewiesen sind, etwa aufgrund knapper Ressourcen, und vielfältige Partikularinteressen wiedergeben sollen, die politische PR liefern können. Andererseits kann eine zu große Abhängigkeit von diesen zu Lasten journalistischer Unabhängigkeit gehen (Donsbach & Wenzel, 2002, S. 375; Lewis, Williams & Franklin, 2008, S. 2; vgl. auch Baerns, 1985, S. 16; Gandy, 1982). Während beispielsweise der Extremfall gesetzlicher Einflussnahme auf Medieninhalte (Westerbarkey, 1995, S. 155) als unvereinbar mit Medienfreiheiten gilt, werden inhaltliche politische Einflüsse in der Literatur hingegen als ambivalent bewertet (für einen Überblick vgl. z. B. Baugut, 2017, S. 41). Politische Einflüsse könnten zum Beispiel durch politische Public Relations ausgeübt werden (für einen Überblick vgl. z. B. Kiousis & Strömbäck, 2014) und spezieller dadurch,
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dass politische Akteure durch vertrauensvolle professionelle Beziehungen auf Journalisten einwirken (Baugut, 2017; Baugut et al., 2015; Lesmeister, 2008; vgl. auch Hanitzsch et al., 2010, S. 14–15). Merkmale politischer Akteure wie Regierungsverantwortung sowie geringe finanzielle Ressourcen von Journalisten oder hoher medialer Wettbewerb können diese Einflüsse wiederum stärken (Baugut, Fawzi & Reinemann, 2017, S. 369–370; Jandura & Leidecker, 2015, S. 44). Was zweitens interne politische Einflüsse angeht wird diskutiert, wie sehr Journalisten ihre (mehrheitlich linksorientierte) politische Einstellung in die Arbeit einfließen lassen (Lünenborg & Berghofer, 2010, S. 13), beispielsweise durch einseitige Auswahl oder Bewertung von Themen und Akteuren (Engelmann, 2010; van Dalen, Albaek & de Vreese, 2011, S. 159). Allerdings gibt es keine eindeutigen empirischen Evidenzen, dass in der Berichterstattung linksgerichtete Positionen bevorzugt werden (Reinemann & Baugut, 2014a, S. 481–482; vgl. auch Donsbach, 1997; Eilders, Neidhardt & Pfetsch, 2004). Die Befundlage legt weiter geringe bis moderate Einflüsse der politischen Präferenzen von Journalisten auf die Berichterstattung nahe (für einen Überblick vgl. z. B. Reinemann & Baugut, 2014b, S. 335–337). Aus Sicht von politischen Akteuren und Journalisten in Deutschland existieren Befunde zu (externen) politischen Einflüssen auf die journalistische Arbeit. Was erstens die wahrgenommene Stärke politischer Einflüsse angeht, so zeigt sich in (nicht-repräsentativen) quantitativen und qualitativen Befragungen, dass beide Akteursgruppen den Einfluss journalistischer (Leit-) Medien auf den politischen Prozess stärker empfinden als umgekehrt (Baugut & Grundler, 2009; Kepplinger & Maurer, 2008; Pfetsch & Mayerhöffer, 2011). Stärkere politische Einflüsse existieren aus Sicht qualitativ befragter Hauptstadtjournalisten und Bundestagsabgeordneter von Baugut und Grundler (2009, S. 212–220) nur bedingt, etwa bei hoher medialer Konkurrenz sowie ökonomischem Druck in Redaktionen (vgl. auch Baugut et al., 2017; Pfetsch & Mayerhöffer, 2011). Die von Hanitzsch et al. (2010) international vergleichend befragten Journalisten schreiben im Aggregat politischen Faktoren einen deutlichen Einfluss auf ihre Arbeit zu. Speziell Journalisten in Deutschland nehmen im internationalen Vergleich jedoch relativ geringe politische Einflüsse wahr, ähnlich wie Journalisten in Österreich, der Schweiz und den USA (Hanitzsch & Mellado, 2011). In der zweiten Welle der Worlds of JournalismStudie äußern so lediglich ein bis drei Prozent der Journalisten in Deutschland einen sehr starken oder extremen Einfluss durch die Regierung, Politikern oder Zensur; derartige Einflüsse von Seiten der Public Relations nennen 13 Prozent (Lauerer & Keel, 2019, S. 126–127). Jedoch zeigt sich länderübergreifend, dass politische Einflüsse die wahrgenommene journalistische Autonomie am
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relativ stärksten senken (Reich & Hanitzsch, 2013). Was organisationale Einflüsse angeht, so sehen 2005 10 Prozent der Journalisten in Deutschland ihre Arbeit von Medieneigentümern geprägt (Weischenberg et al., 2006b). Rund zehn Jahre später geben ähnlich 15 Prozent sehr starke oder extreme Einflüsse von Medieneigentümern an; rund 20 Prozent sehen eine Einflussnahme seitens der Geschäftsführung des jeweiligen Medienunternehmens, was folglich durchschnittlich schwachen bis mäßigen Einflüssen entspricht (Lauerer & Keel, 2019, S. 120–121). Länderübergreifend verringern organisationale Einflüsse die wahrgenommene Autonomie moderat, wobei diese in Deutschland geringer ausfallen als in den USA (Hanitzsch & Mellado, 2011; Reich & Hanitzsch, 2013). Die Art wahrgenommener politischer Einflüsse auf die journalistische Arbeit erheben zum Beispiel Studien zu politisch-medialen Beziehungen. Auf nationaler Ebene finden Kepplinger und Maurer (2008) nicht-repräsentativ, dass rund 40 Prozent der Berliner Korrespondenten private Kontakte zu politischen Akteuren haben (vgl. auch Baugut et al., 2015). Baugut und Grundler (2009) zeigen qualitativ, dass Journalisten durchaus mit politischen Akteuren kooperieren, um exklusive Informationen zu erhalten, wobei sie einer Instrumentalisierung zum Beispiel mittels Gegenrecherche und kritischer Einordnung entgegenwirken (vgl. auch Kepplinger & Maurer, 2008; Pfetsch & Mayerhöffer, 2011). Auf Kommunalebene finden Baugut et al. (2015), dass zwei Drittel der quantitativ befragten politischen Akteure und Journalisten exklusive Informationen gegen wohlwollende Berichterstattung tauschen; dass politische Akteure Druck ausüben, um Einfluss zu üben, wird selten wahrgenommen. Das richtige Maß an Nähe und Distanz zu finden sehen jedoch rund zwei Drittel der politischen Akteure und über 80 Prozent der Journalisten als Herausforderung für Journalisten. Dass auf der Lokalebene ein geschlossenes politisch-mediales Milieu herrscht, das sich nicht ausreichend um die Anliegen der Bürger kümmert, nehmen beide Akteursgruppen eher nicht wahr (vgl. auch Baugut, 2017). Insgesamt zeigt sich, dass aus Sicht beider Akteursgruppen Politiker und Journalisten wechselseitig abhängig sind, wobei politische Einflüsse auf die journalistische Arbeit als weniger stark wahrgenommen werden als umgekehrt; bestimmte (ökonomische wie politische) Bedingungen können diese jedoch begünstigen. Aus Sicht von Journalisten zeigen sich eher geringe politische Einflüsse auf die journalistische Autonomie (vgl. auch Seethaler et al., 2019, S. 246); im internationalen Vergleich weist Deutschland außerdem mit als am geringsten wahrgenommene politische Einflüsse auf. Damit werden nun (wahrgenommene) ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie betrachtet.
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4.4.2 Ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie Ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie werden oftmals unter dem Schlagwort der Ökonomisierung15 als „wachsender Einfluss ökonomischer Prinzipien und Handlungsrationalitäten auf Institutionalisierung, Diversifizierung, Produktion und Konsumption von Medien bzw. deren Inhalten“ (Meier & Jarren, 2001, S. 146; Siegert et al., 2010, S. 519; vgl. auch Lauerer et al., 2017, S. 203) diskutiert. Seit den Anfängen der Massenpresse agieren Medienorganisationen in Deutschland mehrheitlich wirtschaftlich (Birkner, 2010, S. 44–47). Aktuelle Herausforderungen der Digitalisierung können aber ökonomischen Druck erhöhen, durch Verluste an Reichweite und Anzeigenkunden bei Printmedien oder geringe Zahlungsbereitschaft im Online-Bereich (Lauerer et al., 2017, S. 202; Möbus & Heffler, 2018, 129, 139). Zu ökonomischen Einflüssen kann es kommen, da Redaktionen in ökonomisch agierende Medienorganisationen integriert sind. Während deren unternehmerische Seite für journalistische Arbeit benötigte Ressourcen erwirtschaftet und am Profit orientiert ist, trägt die journalistische Seite zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe bei (McManus, 1995, S. 308–309; Kiefer, 2005, S. 21–22). Allerdings können journalistische Normen mit ökonomischen Interessen konfligieren (Altmeppen, 2008, S. 91; Lauerer et al., 2017, S. 203), wobei zunehmender Einfluss letzterer zu Lasten journalistischer Autonomie gehen kann (McManus, 2009, S. 227; Meier & Jarren, 2001, S. 154). Konkret werden geringere Vielfalt zu Gunsten höherer Reichweite oder Unabhängigkeit durch wohlwollende Berichterstattung über Unternehmen, die Werbekunden sind oder PR-Material liefern, genannt (Donsbach et al., 2009, S. 95; Özbicerler & Öztürk, 2012, S. 64; Picard, 2004, S. 61). Externe ökonomische Einflüsse könnten – neben Medienwettbewerb (Heinrich, 2001, S. 85) – erstens darin bestehen, dass die Interessen von Werbekunden in der Berichterstattung berücksichtigt werden (Donsbach et al., 2009, S. 95; McManus, 2009, S. 226–227; für einen Überblick vgl. z. B. Lauerer, 2019). Auch könnten ökonomische Akteure entsprechende Einflüsse durch
15Während
dies in der englischsprachigen Literatur als „commercialization“ bezeichnet wird (McManus, 2009, S. 219), ist in der deutschsprachigen das Verhältnis unklar (Siegert et al., 2010, S. 519–520). So wird beides synonym (Meier & Jarren, 2001, S. 146) oder Kommerzialisierung als Unterform gesehen (Saxer, 1998, S. 10). Somit wird hier dem übergeordneten Begriff gefolgt.
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eine nahe professionelle Beziehung zu Journalisten erzielen (Koch et al., 2017, S. 5). Als interne ökonomische Einflüsse ist zusätzlich dazu, dass Journalisten Interessen von Werbekunden antizipieren könnten (Fassihi, 2008; Lauerer, 2018), die Profitoptimierung journalistischer Arbeit zu nennen (Altmeppen, 2008, S. 89–91). Indikatoren für letztere wären Einsparungen bei redaktionellen Ressourcen und zunehmende Beschäftigung freier Journalisten (Koch & Obermaier, 2014; Meyen & Springer, 2009; Steindl et al., 2017). Hanitzsch und Mellado (2011, S. 407) nennen daneben die Medienforschung als interne Einflussquelle. Zu ökonomischen Einflüssen auf die journalistische Arbeit existieren erstens vereinzelt Studien, die inhaltsanalytisch das Anzeigenaufkommen in Zusammenhang mit Berichterstattung über Werbekunden setzen (Andresen, 2008; Choi & Park, 2011; Hagen, Flämig & in der Au, 2014; Lischka, Stressig & Bünzli, 2017). Dominant sind zweitens Befragungen zu ökonomischen Einflüssen aus Sicht von Journalisten (Atal, 2018; Hanusch, Hanitzsch & Lauerer, 2017; Lauerer et al., 2017; Nyilasy & Reid, 2011; Price, 2003) sowie vereinzelt der Geschäftsführung oder der Anzeigenabteilung (An & Bergen, 2007; Fassihi, 2008; Underwood, 1993). Bezüglich der Stärke berichten Journalisten deutschlandrepräsentativ von mäßigen, jedoch in den letzten Jahren zunehmenden ökonomischen Einflüssen (Lauerer et al., 2017). Reich und Hanitzsch (2013) finden länderübergreifend keine ökonomischen Einflüsse auf die professionelle Autonomie; im Ländervergleich sind diese in Deutschland eher gering (Hanitzsch & Mellado, 2011). Lauerer (2018) zeigt weiter, dass Journalisten in Deutschland Werbeeinflüsse auf ihre Arbeit eher gering einschätzen. Konkret schreibt jeweils rund ein Fünftel Profiterwartungen sowie Überlegungen in Bezug auf Werbeinteressen sehr starke oder extreme Einflüsse zu; rund 30 Prozent schätzt den Einfluss der Publikumsforschung so ein und eine Einflussnahme von Wirtschaftsvertretern sehen sechs Prozent (Lauerer & Keel, 2019, S. 122–127). Die Intensität der ökonomischen Einflüsse variiert allerdings: So berichten Journalisten in Deutschland, die für Zeitschriften, privates Fernsehen oder Online-Medien arbeiten die relativ höchsten ökonomischen Restriktionen (Lauerer et al., 2017). Prozedurale Restriktionen, wie mangelnde Zeit für Recherche, liegen für Deutschland im mittleren Bereich, fallen jedoch geringer aus als etwa in den USA (Hanitzsch & Mellado, 2011). Im Einzelnen sehen je rund 60 Prozent der Journalisten in Deutschland ihre Arbeit sehr stark oder extrem durch Zeitdruck, verfügbare Ressourcen sowie den Zugang zu Informationen beeinflusst. Letztere Restriktionen empfinden tendenziell eher Journalisten, die für privaten Rundfunk oder Online-Angebote tätig sind. Einen solchen Einfluss der redaktionellen Linie
140
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nimmt rund die Hälfte der Journalisten wahr (Lauerer & Keel, 2019, S. 116– 119). Was die Art der wahrgenommenen ökonomischen Einflüsse angeht, übt in Deutschland die Publikumsforschung die stärksten aus, gefolgt von Profiterwartungen und Werbeüberlegungen (Lauerer et al., 2017; Lauerer & Keel, 2019, S. 123–124); erstere sind höher im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und letztere in privatwirtschaftlichem Rundfunk sowie Zeitschriften. Qualitative Befragungen weisen darauf hin, dass Journalisten durchaus Druck wahrnehmen, unkritisch über Werbekunden zu berichten, was Mitglieder der Anzeigenabteilung analog sehen (An & Bergen, 2007; Atal, 2018). Auch zeigt sich nicht-repräsentativ, dass Einflüsse seitens der Geschäftsführung und Werbe kunden sowie die Antizipation von Interessen der Anzeigenabteilung durch Journalisten eine Übernahme von PR-Material begünstigen (Obermaier, Koch & Riesmeyer, 2018; Sinaga & Wu, 2007). Der Versuch, Reichweiten ressourcengünstig in einem kompetitiven Medienmarkt zu erhalten oder zu erhöhen mag sich überdies in Tendenzen niederschlagen, die als Boulevardisierung im Sinne eines „spill-over of tabloid news values from the popular to the quality press“ (F. Esser, 1999, S. 293) diskutiert werden (Donsbach et al., 2009, S. 95; für einen Überblick vgl. auch Lengauer, Esser & Berganza, 2011; Otto, Glogger & Boukes, 2017; Reinemann, Stanyer, Scherr & Legnante, 2012). Als ursächlich wird häufig die Etablierung des privaten Rundfunks und die Pluralisierung des Medienangebotes diskutiert (Donsbach & Büttner, 2005, S. 23–24). Damit lassen sich Boulevardisierungstendenzen als Erscheinung ökonomischer Einflüsse fassen (Donsbach et al., 2009, S. 95). Wie sehr dies zu Lasten normativer Qualität geht ist umstritten, wobei eine pessimistische Sicht dominiert (Landmeier & Daschmann, 2011, S. 183– 184). Uneinigkeit herrscht bezüglich deren Indikatoren (Brichta, 2010, S. 66; Lünenborg, 2013, S. 211), wobei Studien unter anderem einen steigenden Anteil „weicher“ Nachrichten oder sensationalisierender Beiträge verwenden (Donsbach & Büttner, 2005; Dulinski, 2003; McLachlan & Golding, 2000; Otto et al., 2017). Gleiches gilt für skandalisierende Berichterstattung (Donsbach & Büttner, 2005; F. Esser, 1999; Landmeier & Daschmann, 2011), die nach Kepplinger, Ehmig und Hartung (2002, S. 81) übereinstimmend negativ und intensiv Missstände als vermeidbar anprangert, was auch politischen Akteuren zugeschrieben wird. Negativismus als höherer Anteil von Berichten über negative Ereignisse oder eine negative Bewertung politischer Akteure wird vereinzelt als Indikator eines boulevardesken Stils genannt (Donsbach & Büttner, 2005; Leidenberger, 2015). Vor allem letzteres kann politisches Vertrauen und damit möglicherweise
4.4 Einflüsse performanzbezogener Merkmale: Restriktionen …
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wiederum Vertrauen in journalistische Medien negativ beeinflussen, was für vorliegende Studie interessant ist (Kiousis, 2002; de Vreese, 2005). Boulevardisierungstendenzen werden primär inhaltsanalytisch untersucht und in einigen Studien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (z. B. Fernsehnachrichten) und partiell für Printmedien in Deutschland gefunden, wobei dies auf fokussierte Zeitspannen und Indikatoren beschränkt ist (Donsbach & Büttner, 2005; F. Esser, 1999; Leidenberger, 2015; McLachlan & Golding, 2000); teils lassen sich jedoch boulevardeske Tendenzen, etwa in der Qualitätspresse, nicht bestätigen (Landmeier & Daschmann, 2011). Bezüglich politischer Skandale sind die Befunde ambivalent (Leidenberger, 2015, S. 128–131) und indizieren über mehrere Jahrzehnte hinweg teils sowohl einen zunehmenden (Marcinkowski, Greger & Hüning, 2001) als auch einen sinkenden Anteil skandalisierender Beiträge in Nachrichtenmedien (Umbricht & Esser, 2016). Dass in der aktuellen politischen Berichterstattung negative Beiträge (z. B. über negative Themen oder negative Bewertungen politischer Akteure) einen größeren Anteil einnehmen als positive finden einige Studien, im Hinblick auf Wahlkampfphasen oder in Fernsehnachrichten oder Tageszeitungen (Donsbach & Büttner, 2005; Leidenberger, 2015; Marcinkowski et al., 2001; Maurer, 2003; Plasser, Pallaver & Lengauer, 2009; Wilke & Reinemann, 2006); auch zeigt sich zum Teil, dass politische Akteure und Themen im Zeitverlauf tendenziell negativer bewertet werden oder der Anteil negativer wie konflikthaltiger Beiträge (in Fernsehnachrichten oder Tageszeitungen) zunimmt (Kepplinger & Weißbecker, 1991; Marcinkowski et al., 2001; Wilke & Reinemann, 2003; für einen Überblick vgl. auch Lengauer et al., 2011; Maurer & Reinemann, 2006, S. 133–137). Im internationalen Vergleich ist der Negativitätsgrad politischer Berichterstattung in Deutschland allerdings geringer als in Ländern mit höherer Ökonomisierung und stärkerem medialen Wettbewerb (de Vreese et al., 2017; Esser, Engesser, Matthes & Berganza, 2017). Insgesamt zeigt sich damit, dass ökonomische Einflüsse auf die journalistische Arbeit in der Wahrnehmung von Journalisten in Deutschland zwar moderat ausfallen, jedoch über die Jahre zugenommen haben. Überdies fallen ökonomische Restriktionen bei bestimmten Formen von Mediengattungen, wie dem privaten Rundfunk oder Online-Angeboten, stärker aus. Was Boulevardisierungstendenzen angeht, sind aufgrund einer möglichen Assoziation mit Vertrauen in journalistische Medien insbesondere Skandalisierung und Negativismus interessant. Damit ist eine Basis zur Einordnung der Befunde zu wahrgenommenen politischen und ökonomischen Restriktionen journalistischer Autonomie seitens der Rezipienten geschaffen.
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
4.4.3 Politische und ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie aus Sicht der Rezipienten Wie sehr Rezipienten (in Deutschland) politische und ökonomische Einflüsse auf die journalistische Arbeit vermuten, wurde bislang kaum untersucht. So finden sich dazu empirische Hinweise zu normativer Qualität. So zeigen Donsbach et al. (2009, S. 89–100) repräsentativ, dass mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung Journalisten für mächtiger als Politiker hält, was über zwei Drittel kritisch sehen. Zu ökonomischen Einflüssen vermuten zwei Drittel, dass wohlwollende Berichterstattung und die Übernahme von PR-Material gegen Anzeigenkäufe getauscht werden; eine positive Berichterstattung über Anzeigenkunden sieht circa die Hälfte als vertretbar. In einer vom Bayerischen Rundfunk in Auftrag gegebenen Repräsentativbefragung (BR, 2016, 2. Mai, S. 22–43) sehen je 40 Prozent der Befragten Presse und Rundfunk in Deutschland unabhängig von Politik und Wirtschaft, wobei dies nur rund 20 Prozent bei Boulevardzeitungen vermuten. 60 Prozent geben an, journalistischen Medien werde vorgegeben, über was und wie sie berichten sollen, wobei dies 80 Prozent der Regierung sowie Unternehmen zuschreiben; einen Einfluss der Werbewirtschaft sehen zwei Drittel. Rezipienten, die die politische Lage Deutschlands negativ einschätzen und dem Lügenpressevorwurf zustimmen (rund ein Drittel, 30 bis 59jährige und geringere Bildung überrepräsentiert), sehen die Unabhängigkeit weniger realisiert (rund 30 %), was ein Indiz sein mag, dass politische Merkmale Begründungen medialer Performanz beeinflussen. Boulevardisierungstendenzen werden bei Prochazka und Schweiger (2016) in rund sechs Prozent der untersuchten Kommentare kritisiert, wobei der Anteil etwas höher ist bei privatem Rundfunk (10 %). Auch bei Donsbach et al. (2009, S. 104–105) bevorzugen rund 70 Prozent der deutschen Bevölkerung sachliche und 16 Prozent boulevardeske Berichterstattung; von Befragten mit niedrigerem Bildungsabschluss präferiert allerdings ein Viertel boulevardeske Inhalte. Dass politische Skandale ungeachtet des tatsächlichen Anteils als häufiger Teil der Berichterstattung geschätzt, jedoch positiv bewertet werden, findet sich in einer Befragung deutscher Rezipienten (Wolling, 2001). Die Nachrichtenberichterstattung hält die deutsche Bevölkerung allerdings für zu negativ, was ihren Erwartungen diesbezüglich folglich nicht entspricht (Donsbach et al., 2009, S. 73). Damit weist die bislang dünne Befundlage darauf hin, dass Rezipienten durchaus politische und ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie sowie Boulevardisierungstendenzen vermuten. In Richtung und Stärke weichen diese Vermutungen allerdings partiell von den
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Wahrnehmungen der Journalisten und Politiker ab; insbesondere politische und ökonomische Restriktionen scheinen die Befragten als deutlich stärker wahrzunehmen, als Journalisten in Deutschland dies tun. Einflüsse wahrgenommener Restriktionen journalistischer Autonomie auf die mediale Performanzbewertung sowie Vertrauen in journalistischen Medien zeigen sich vereinzelt. Donsbach et al. (2009, S. 99–100) finden, dass die Wahrnehmung politischer oder Werbeeinflüsse das Vertrauen in Journalisten senken kann. Bei Kohring (2004, S. 245) ist repräsentativ die wahrgenommene Unabhängigkeit der Berichterstattung von politischen Interessen positiv mit Vertrauen in journalistische Selektionsleistungen assoziiert. Prochazka und Schweiger (2016) zeigen inhaltsanalytisch, dass negative Bewertungen normativer Qualität am häufigsten mit Abhängigkeiten zu politischen und wirtschaftlichen Eliten begründet werden. Newman und Fletcher (2017, S. 10–26) finden in einer repräsentativen Online-Befragung, dass länderübergreifend 40 Prozent der Befragten journalistischen Medien gute Arbeit bescheinigen, Fakt und Fiktion zu trennen (25 % verneinen dies). 30 Prozent der deutschen Befragten, die dies verneinen, geben politische und 13 Prozent ökonomische Verzerrungen als Erklärung an; erstere führen sie offen gefragt auf die Nähe zu und eine Zensur durch Politiker zurück, letztere erklären sie etwa damit, dass Medien berichten, was sich gut verkaufen lässt. Ladd (2012, S. 97–101) findet überdies US-repräsentativ, dass Kritik der Berichterstattung als zu sensationalistisch die Einstellung gegenüber Medien verschlechtert (vgl. auch Molyneux & Coddington, 2019; Oehmichen & Schneider, 2008; Otto & Maier, 2016). Insgesamt könnten vermutete politische und ökonomische Restriktionen somit insbesondere die mediale Performanzbewertung, aber auch Vertrauen in journalistische Medien mindern. Zusammenfassend lässt sich zu Einflüssen von performanzbezogenen Merkmalen auf das Vertrauen in journalistischen Medien Folgendes festhalten: Es zeigt sich erstens, dass Rezipienten zwar Schwierigkeiten haben, normative Funktionen sowie Qualitätskriterien journalistischer Medien zu benennen und das Vorliegen letzterer zu erkennen. Allerdings messen sie deren Erfüllung eine hohe Bedeutung bei. Auch finden sich Hinweise, dass sowohl die wahrgenommene Funktionserfüllung, als auch die Qualitätswahrnehmung mit Vertrauen in journalistische Medien positiv assoziiert sein können. Die Nutzungshäufigkeit von Mediengattungen, als potenzielle direkte Quelle medialer Performanz, begünstigt zweitens tendenziell das Vertrauen in dieselben. Allerdings kann die häufige Rezeption alternativer Medienangebote negativ mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert sein. Eine häufige Rezeption von Medienkritik als mögliche indirekte Quelle zeitigt jedoch nur vereinzelt eine negative
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Assoziation mit Vertrauen in journalistische Medien, teils erweist sich diese auch als positives Korrelat. Drittens nimmt mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ökonomische und politische Einflüsse auf die journalistische Autonomie sowie teils Boulevardisierungstendenzen wahr. Dass dies insbesondere die mediale Performanzbewertung verringern kann, findet sich vereinzelt; allerdings wurde vernachlässigt, systematisch nach verschiedenen Arten von Einflüssen zu fragen in Anlehnung an entsprechende Überlegungen und Befunde in der Journalismusforschung. Zudem finden sich übergreifend nur schlaglichtartige Hinweise darauf, wie sich performanzbezogene Einflüsse auf das Vertrauen in (Formen von) Mediengattungen unterscheiden könnten, was das Forschungspotenzial verdeutlicht. So könnte das Vertrauen in die Boulevardpresse vor allem dadurch bedingt sein, wie sehr Bürger die Kontroll- oder politische Mobilisierungsfunktion als erfüllt erachten (vgl. auch Friedrich & Jandura, 2012). Privatwirtschaftlich finanzierte Mediengattungen könnten höhere Vertrauenswerte erzielen, je weniger ökonomische Einflüsse vermutet werden. Das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mag hingegen die Annahme politischer Einflüsse oder Boulevardisierungstendenzen senken (vgl. auch Prochazka & Schweiger, 2016).16 Damit ist die Basis geschaffen, um mit erneutem Rückgriff auf Erklärungen politischen Vertrauens individuell soziale und politische Einflüsse zu extrahieren sowie zu systematisieren.
4.5 Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale Aus integrativen Erklärungen zu Einflüssen auf politisches Vertrauen lässt sich schließen, dass dieses neben der vergangenen Performanzbewertung von soziopolitischen Merkmalen beeinflusst werden kann. Diese können direkte sowie über die vergangene Performanzbewertung vermittelte Einflüsse ausüben. Deshalb werden Erkenntnisse zu interessierenden sozialen (vgl. Abschnitt 4.5.1) und
16Journalisten
als Vertrauensobjekte interessieren hier lediglich als Repräsentanten journalistischer Medien als Institution, wobei Rezipienten auf die angemessene Erfüllung journalistischer Rollenerwartungen vertrauen (Blöbaum, 2014, S. 40). Entsprechend wird bezüglich generalisiertem Vertrauen in Journalisten vermutet, dass dieses von den herausgearbeiteten Korrelaten generalisierten Vertrauens in journalistische Medien auf ähnliche Weise bedingt wird (Williams, 2012, S. 118–119). Inwiefern dieses zusätzlich etwa von Bewertungen spezifischer Journalisten auf Basis persönlicher Kontakte bedingt wird (vgl. auch Lieske, 2008, S. 54–56), sei ausgeklammert.
4.5 Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale
145
politischen Merkmalen diskutiert (vgl. Abschnitt 4.5.2), die möglicherweise auch (in-)direkt Vertrauen in Medien vorhersagen könnten. Abschließend werden Einflüsse der politischen Performanzbewertung und politischem Vertrauen auf Vertrauen in journalistische Medien diskutiert (vgl. Abschnitt 4.5.3).
4.5.1 Soziale Merkmale: Generalisiertes soziales Vertrauen und relative Deprivation Im Lifetime Learning-Modell (Mishler & Rose, 2001) ist generalisiertes soziales Vertrauen als positiver Prädiktor von Vertrauen in Institutionen verankert. Diese Assoziation wird in der politischen Vertrauensforschung unterschiedlich erklärt. Aus kulturalistischer Perspektive erfahren Individuen in der Zivilgesellschaft, dass andere soziale Normen befolgen und man ihnen (dahingehend) vertrauen kann. So kooperieren Bürger mit hohem generalisierten sozialen Vertrauen eher in politischen Belangen, was die Umsetzung kollektiv bindender Entscheidungen vereinfacht und so politisches Vertrauen fördern kann (Brehm & Rahn, 1997, S. 1001–1004; Putnam, 2000, S. 336–349). Umgekehrt wird aus institutionalistischer Perspektive argumentiert: Vertrauen Bürger darauf, dass politische Institutionen effizient kollektiv bindende Entscheidungen umsetzen, gehen sie davon aus, dass sich Mitbürger an diese Regeln halten und folglich vertrauenswürdig sind (Rothstein & Stolle, 2008b, S. 445–446). Erstens mag das Level generalisierten sozialen Vertrauens so ebenfalls direkt mit einem entsprechend höheren Einstiegslevel an Vertrauen in journalistische Medien assoziiert sein, da Individuen mit diesbezüglich hohen Werten allgemein die Erfahrung gemacht haben, dass man anderen vertrauen kann, weil dies eher positive Konsequenzen hat (Jackob, 2012a, S. 146–147). Umgekehrt könnten Rezipienten davon ausgehen, dass journalistische Medien soziale Normen vermitteln, an die sich Mitbürger halten und diese somit vertrauenswürdig sind. Ungeachtet dessen ist ein schwach positiver Zusammenhang von generalisiertem sozialen Vertrauen und Vertrauen in journalistische Medien mittlerweile gut belegt (Hanitzsch et al., 2018; Jackob, 2012a, 2012b; Pjesivac, 2017; Yamamoto et al., 2016; Ziegele et al., 2018).17
17Bezüglich
soziodemografischer Merkmale, die die meisten Studien als Kontrollvariablen einbeziehen, zeigen sich ambivalente und schwache Einflüsse. Gronke & Cook (2007) finden exemplarisch, dass Alter und Einkommen sowie (marginal) der Bildungsgrad negativ mit Vertrauen in die Presse zusammenhängen. Fawzi (2019) weist hingegen nach,
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Was zweitens indirekte Assoziationen zu Vertrauen in journalistische Medien angeht, könnten Rezipienten mit hohem generalisierten sozialen Vertrauen die mediale Performanz per se besser bewerten, da sie Erfahrungen damit, dass journalistische Medien ihre Erwartungen als Bürger nicht erfüllten, als Einzelfall werten und weniger stark gewichten als Personen mit geringem Vertrauen in andere (Yamagishi, 2011, S. 135–136). Auch ist denkbar, dass Rezipienten die Darstellung der Vertrauenswürdigkeit anderer in der aktuellen Berichterstattung mit ihren generalisierten Erfahrungen dahingehend abgleichen (vgl. auch Rothmund, Gollwitzer, Bender & Klimmt, 2014). Einerseits könnten diese indirekten Erfahrungen Rezipienten in ihrem generalisierten sozialen Vertrauen bestätigen. Nehmen Rezipienten andererseits eine Diskrepanz wahr zwischen ihrem generalisierten sozialen Vertrauen und der präsentierten Vertrauenswürdigkeit anderer (vgl. auch Bentele, 1994b; Livio & Cohen, 2018), könnten sie dies als Indikator für unausgewogene oder inkorrekte Berichterstattung sehen, was ihr Vertrauen in journalistische Medien negativ vorhersagen mag. Insgesamt lässt sich damit für die Studie dennoch eine positive Verbindung generalisierten sozialen Vertrauens mit der medialen Performanzbewertung sowie Vertrauen in journalistische Medien annehmen. Außerdem könnte die Bewertung der eigenen sozialen Lage Vertrauen in journalistische Medien vorhersagen. In der Literatur wird so stellenweise die Unzufriedenheit mit politischer Performanz darauf zurückgeführt, dass Bürger ihre sozioökonomische Lage (z. B. gekennzeichnet durch unsicheres Einkommen, Arbeitslosigkeit) als mangelhaft empfinden und politische Institutionen dafür verantwortlich machen (Grosskopf, 2008, S. 8; Mishler & Rose, 1997, S. 442). Zudem ergänzt Rohrschneider (1999, S. 206), dass Bürger, die ihre Interessen von politischen Institutionen einbezogen fühlen, diese eher unterstützen (vgl. Abschnitt 2.2.4). Als Deprivation lässt sich im Allgemeinen ein „Zustand des tatsächlichen oder perzipierten Entzugs bzw. der Entbehrung von etwas Erwünschtem“ (Rippl & Baier, 2005, S. 645) fassen (vgl. auch Crosby, 1976).
dass ältere Rezipienten lediglich Boulevard- und privaten Medien weniger vertrauen als jüngere. Hanitzsch et al. (2018) finden umgekehrt, dass ältere Rezipienten den Medien eher vertrauen, während dies mit höherer Bildung abnimmt. Frauen weisen teilweise höheres Medienvertrauen auf (Hopmann et al., 2015; Jones, 2004; Tsfati & Ariely, 2014), wobei dies auch für Männer (Livio & Cohen, 2018) sowie nicht gezeigt wird (Arlt, 2018; Bennett et al., 2001). Damit sollten soziodemografische Merkmale zumindest kontrolliert werden.
4.5 Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale
147
Diese Haltung kann sich auf institutionelle (z. B. politische Mitsprache), soziale oder strukturelle respektive sozioökonomische (z. B. ökonomische Ressourcen) Mängel beziehen.18 Eine subjektive Deprivation (oder deren Erwartung) ist eher einstellungs- und handlungsleitend als das Vorhandensein objektiver Gründe (vgl. z. B. die Meta-Analyse von Smith, Pettigrew, Pippin & Bialosiewicz, 2012). Als relative Deprivation bezeichnet man weiter den Mangel relativ zu anderen, von etwas das man als zustehend empfindet (vgl. auch Davis, 1959). Diese entsteht zum Beispiel durch sozialen Vergleich19 sowie einem Abgleich der eigenen (wahrgenommenen) Lage mit den eigenen Ansprüchen diesbezüglich (Rippl & Baier, 2005, S. 646–649; Smith & Pettigrew, 2015). Nehmen Individuen eine (primär sozioökonomische) Deprivation wahr, kann dies zum Beispiel aggressiven Affekt und Verhalten (Greitemeyer & Sagioglou, 2016), den Kontakt mit rechtsextremen Inhalten (Reinemann, Nienierza, Fawzi, Riesmeyer & Neumann, 2019) sowie die politische Unterstützung und Wahl rechtspopulistischer Parteien begünstigen (für einen Überblick vgl. z. B. Dalton, 2004; Spier, 2010). Außerdem kann dies zu politischer Unzufriedenheit führen (Rippl & Baier, 2005, S. 645). Entsprechend wird die Zufriedenheit mit der eigenen sozioökonomischen Lage oftmals als Prädiktor politischen Vertrauens eingebunden. Dabei sagt speziell eine wahrgenommene sozioökonomische Deprivation beispielsweise bei Mishler und Rose (1997) Vertrauen in gesellschaftliche und politische Institutionen negativ voraus (vgl. auch Grosskopf, 2008; Rohrschneider, 1999). Bezüglich einer direkten Assoziation zu Vertrauen in journalistische Medien ist erstens möglich, dass Rezipienten, die eine relative sozioökonomische Deprivation empfinden, auch journalistische Medien für ihre Lage verantwortlich machen, sofern sie diese als Teil der gesellschaftlichen Institutionen sehen, denen sie ihre Lage zuschreiben (Tsfati & Ariely, 2014, S. 765; vgl. auch Fawzi, 2019, S. 151; Hanitzsch et al., 2018, S. 7). Machen Rezipienten indirekte Erfahrungen mit relativer Deprivation durch sozialen Vergleich mit in der Berichterstattung
18Die
Modernisierungsverlierer-Hypothese besagt in diesem Kontext, dass im Zuge der Modernisierung auf der Makroebene die (wahrgenommene) soziale Lage von Individuen beeinflusst wird, da etwa neue berufliche Fähigkeiten nachgefragt werden. Dies kann ihre sozialen Lage verbessern oder verschlechtern, d. h. sie zu Modernisierungsverlieren machen als Form relativer sozioökonomischer Deprivation (Spier, 2010, S. 57–68). 19Diese lässt sich prominent verstehen als „the process of thinking about information about one or more other people in relation to the self“ (Wood, 1996, S. 520–521; vgl. auch Peter, 2016, S. 29–30).
148
4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
dargestellten Protagonisten oder Gruppen (für einen Überblick vgl. z. B. Peter, 2016), könnten sie journalistische Medien überdies als Überbringer des empfundenen Missstands ungeachtet der medialen Performanz abwerten („Kill the Messenger-Effekt“, Kiousis, 2002, S. 560). Empirisch zeigt sich vereinzelt, dass empfundene sozioökonomische Deprivation Vertrauen in journalistische Medien senken kann (Jackob, Schultz et al., 2019; Ziegele et al., 2018). Auch finden Decker, Yendell, Kiess und Brähler (2017, S. 24), dass Bürger, die sozioökonomische, soziale und politische Deprivation wahrnehmen, die Medien eher für unglaubwürdig halten. Zweitens könnte eine subjektive relative Deprivation indirekt mit Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängen. Sind Rezipienten zum einen unzufrieden mit ihrer sozioökonomischen Lage, die sie in Teilen der Politik zuschreiben, könnten sie die demokratischen Funktionen journalistischer Medien, wie politische und ökonomische Akteure zu kontrollieren, zu wenig erfüllt sehen (vgl. auch Tsfati & Ariely, 2014, S. 765; Fawzi, 2019, S. 152). Auch könnten sie die Unabhängigkeit journalistischer Medien entsprechend geringer einschätzen, was sich in einer Repräsentativbefragung im Auftrag des Bayerischen Rundfunks für Befragte andeutet, die institutionelle Deprivation empfinden und unzufriedener mit der politischen Performanz sind (BR, 2016, 2. Mai, S. 29, 43). Zum anderen könnten Rezipienten eine Diskrepanz zwischen ihrer relativen Deprivationswahrnehmung und der berichteten sozioökonomischen Lage der Bürger empfinden (vgl. auch Livio & Cohen, 2018, S. 687–688). Somit mögen sie schätzen, dass journalistische Medien sozioökonomisch Benachteiligten in der Bevölkerung unzureichend Gehör verschaffen und unausgewogen berichten; beides mag ihr Vertrauen in journalistische Medien negativ prognostizieren. Umgekehrt ist denkbar, dass sie Boulevardmedien eher vertrauen, wenn sie dies dort eher erfüllt sehen (vgl. auch Friedrich & Jandura, 2012, S. 411). Damit mag die relative Bewertung der eigenen sozioökonomischen Lage in Kontrast zur wahrgenommenen gesellschaftlichen Situation (indirekt) mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert sein, wobei dazu noch wenige Befunde existieren. Im Anschluss an diese individuell-sozialen Merkmale sollen nun individuell-politische Merkmale betrachtet werden.
4.5.2 Politische Merkmale: Politische Einstellung und Wertorientierungen Während in US-amerikanischen Studien seit längerem politische Orientierungen als Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien untersucht werden,
4.5 Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale
149
existieren für Deutschland bislang weniger Evidenzen (Reinemann et al., 2017, S. 88; vgl. aber Schultz et al., 2017). Wie Wertorientierungen Vertrauen in Institutionen bedingen, erklärt darüber hinaus das Ideological Performance-Modell (Rohrschneider, 1999, S. 204–205). Kulturalistisch argumentiert definieren soziale Ideale von Individuen, die sich in ihren Wertorientierungen niederschlagen, welche Erwartungen sie hinsichtlich der Leistungen politischer Institutionen haben (Inglehart & Welzel, 2005, S. 158). Analog erklärt die kognitive politische Psychologie wie Individuen auf Basis von „belief systems“ (Converse, 1964, S. 207), also Wertorientierungen und politischen Einstellungen, zu politischen Bewertungen gelangen. So argumentieren Scheufele und Lewenstein (2005, S. 660), dass Individuen als „cognitive misers“ (dt. „kognitive Geizhälse“, vgl. auch Fiske, 2013) dazu neigen, Wertorientierungen oder politische Präferenzen als heuristische Hinweisreize heranzuziehen (vgl. auch Lau & Redlawsk, 2001), um anhand dieser mit minimalem Aufwand politische Objekte angemessen zu bewerten. Was direkte Assoziationen angeht, so findet sich in überwiegend US-amerikanischen Studien robust, dass Bürger mit konservativer Grund orientierung (oder Präferenz der Republican Party) journalistischen Medien weniger vertrauen (Gronke & Cook, 2007; Hopmann et al., 2015; Jones, 2004, 2005; Lee, 2005, 2010; Tsfati & Ariely, 2014), während eine liberale politische Orientierung positiv mit Vertrauen in Journalisten verbunden ist (Livio & Cohen, 2018).20 (Politische) Journalisten in Deutschland vertreten eher eine linksliberale politische Einstellung (Lünenborg & Berghofer, 2010, S. 13), was von der Bandbreite politischer Präferenzen der Bevölkerung abweicht (Reinemann & Baugut, 2014b, S. 336; vgl. auch Donsbach, 1982, S. 254–259). Obwohl Studien eher schwache bis moderate Einflüsse dieser politischen Präferenzen auf die Berichterstattung nahelegen (Reinemann & Baugut, 2014a, S. 503–504), könnten Rezipienten dennoch annehmen, dass journalistische Medien analog linksorientierte politische Positionen bevorzugen; etwa sofern
20In
den USA ist die liberal-conservative-Dimension deutlich mit den politischen Standpunkten beider Parteien assoziiert, was in Mehrparteiensystemen wie Deutschland weniger klar ist (Neundorf, 2012, S. 233–246). Neundorf (2012, S. 236–237) zeigt in einer der wenigen Studien, dass mit rechter Grundorientierung autoritäre und mit linker liberale Werte einhergehen. Themen der neuen Politik (z. B. Bürgerrechte) sind eher mit linker Grundorientierung verbunden, eine rechte Einstufung eher mit einer Unterstützung des freien Marktes. Zudem folgt der Links-Rechts-Begriff in alten und neuen Bundesländern einem ähnlichen Muster.
150
4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
sie um diese politische Präferenz der Journalisten aus dem öffentlichen Diskurs wissen. Dazu wird teils empirisch gezeigt, dass journalistische Medien als liberal verzerrt wahrgenommen oder von anderen Medienangeboten dafür kritisiert werden (Hopmann et al., 2015; Jones, 2004). Auch halten Rezipienten eher journalistische Medien für glaubwürdig, die ihre politische Orientierung teilen (Stroud & Lee, 2013). In der deutschen Bevölkerung geht eine Präferenz der politischen Mitte sowie entsprechender Parteien stellenweise mit höherem Vertrauen in journalistische Medien einher als eine rechtsaffine (und teils auch linksaffine) Orientierung (Jackob, Schultz et al., 2019; Reinemann et al., 2017; Schultz et al., 2017). Analog existieren Befunde dazu, dass Rezipienten (teils in Deutschland) mit einer extremeren politischen Grundorientierung journalistischen Medien weniger vertrauen (Fawzi, 2019; Gunther, 1988; Hanitzsch et al., 2018). In einer repräsentativen Studie für Deutschland zeigen Schultz et al. (2017) beispielsweise, dass generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien negativ mit der Präferenz für die rechtspopulistische AfD und positiv mit jener für die großen Volksparteien korreliert. Bei Ziegele et al. (2018) vertrauen Befragte mit Wahlpräferenz der rechtspopulistischen AfD hingegen überproportional häufiger „dem Internet“ sowie sozialen Netzwerkseiten als Nachrichtenquelle. Ebenso repräsentativ weisen van Eimeren et al. (2017) nach, dass Rezipienten, die unzufrieden sind mit der politischen Performanz weniger an journalistische Mediengattungen, sondern eher an Blogs und sozialen Netzwerkseiten Vertrauen vergeben. Möglicherweise könnten die Befragten dort in geringerem Maße beschriebene politische Einflüsse auf die Berichterstattung vermuten. Überdies könnten Rezipienten journalistischen Medien eher vertrauen, je mehr diese ihre Wertorientierungen teilen. Das mag teils unabhängig von der wahrgenommenen Performanz durch einen Abgleich der normativen Funktionen journalistischer Medien in liberalen Demokratien geschehen (vgl. auch Rohrschneider, 1999). Dazu vermuten Vertreter politischer Kulturtheorien, dass prodemokratische Wertorientierungen die Unterstützung für demokratische Institutionen fördern (Welzel, 2007, S. 399). Erstens stellen pluralistische Werte einen Grundpfeiler der liberalen Demokratie sowie der entsprechenden Vorstellung von Öffentlichkeit dar (Akkerman, Mudde & Zaslove, 2014, S. 1327; Rohrschneider, 1996, S. 62). Nicht zuletzt daher sollen journalistische Medien im Rahmen ihrer Informationsfunktion aus vielfältigen Perspektiven berichten und ebenso Standpunkte von Minderheiten abbilden (Schudson, 2008, S. 12). Teilen Rezipienten etwa eine pluralistische Wertorientierung, steht dies per se in Einklang mit diesen normativen Funktionen der Medien, zunächst ungeachtet deren Erfüllung (vgl. auch Akkerman et al., 2014, S. 3113; Hawkins, Riding & Mudde, 2012, S. 3). Schätzen Rezipienten, dass journalistische Medien für diese Werte
4.5 Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale
151
stehen, mag dies wiederum positiv mit Vertrauen in Medien assoziiert sein (Rohrschneider, 1999, S. 205). Analog gibt es erste Evidenzen, dass Bürger, die eine rechtspopulistische Ideologie teilen,21 die mit den Kernkriterien einer Homogenität des Volkes und Einstellungen gegen Eliten und Minderheiten im Widerspruch zu einer pluralistischen Wertorientierung steht (Akkerman et al., 2014, S. 1327– 1328; vgl. auch Hameleers, Bos & de Vreese, 2017; Rooduijn, 2017), weniger zufrieden sind mit der Erfüllung normativer Funktionen journalistischer Medien und geringeres Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben (Fawzi, 2019). Zweitens gibt es Erkenntnisse, dass Bürger postindustrieller Länder wie Deutschland und USA eher postmaterialistische Werte respektive postautoritäre Werte teilen (Müller, 2013, S. 142–153; vgl. auch Flanagan & Lee, 2003). Auch vermutet Inglehart (1999, S. 242), dass Bürger politischen Autoritäten (weiterhin) einen höheren Wert beimessen, sofern sie diesen Wertewandel als verunsichernd wahrnehmen, was als „authoritarian reflex“ bezeichnet wird. Obwohl eine solche autoritäre Wertorientierung in der politischen Psychologie als etablierte Erklärgröße gilt, zum Beispiel von politischem Zynismus (Pattyn et al., 2012; Van Assche et al., 2018), wobei sich teils positive Assoziationen zeigen, wurde diese zur Erklärung von Vertrauen in journalistische Medien bislang eher vernachlässigt. (Rechtsgerichteter) Autoritarismus (RWA) lässt sich sozialpsychologisch als Syndrom an sozialen Einstellungen oder Prädisposition sehen (Altemeyer, 1981; Altemeyer, 1996; Feldman & Stenner, 1997; vgl. auch Adorno, Frenkel-Brunswik, Levinson & Sanford, 1950); auch wird Autoritarismus als Konglomerat an Werten (und Verhaltensmustern) bezeichnet, das gegensätzlich ist zu Werten der Moderne, wie Pluralismus (Nohlen & Schmidt, 1998, S. 61; vgl. auch Spier, 2010, S. 107).22 Auf Basis entsprechender Erkenntnisse wird an anderer Stelle angeführt, dass Autoritarismus damit die Werte sozialer Sicherheit und Ordnung reflektiert, was im Gegensatz zum Wert individueller Autonomie steht (Duckitt & Sibley, 2010, S. 1866–1867; Sibley & Duckitt, 2008, S. 250). Auch wird Autoritarismus teils explizit als „authoritarian value orientations“ (Rieger, Frischlich & Bente, 2017, S. 218) betitelt; dieser Vorstellung wird hier
21Ideologie
wird je nach Perspektive divers definiert; jedoch gibt es Übereinstimmung, dass diese ein Bewertungsmuster darstellt, mit dessen Hilfe sich soziale Abläufe erklären lassen und das vorgibt, was richtig oder falsch ist (Six, 2009, S. 74). 22Linksgerichteter Autoritarismus wird vereinzelt fokussiert (Altemeyer, 1996) und (dessen Existenz sowie Messung) kontrovers diskutiert (Duckitt, 1989, S. 81; Feldman, 2003, S. 44; Six, 2009, S. 88).
152
4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
gefolgt. Genauer beinhaltet eine autoritäre Wertorientierung, sich Autoritäten und deren Normen zu fügen („authoritarian submission“), die sanktionieren zu wollen, die dies nicht tun („authoritarian aggression“) und an sozialen Konventionen festhalten zu wollen („conservativism“, Altemeyer, 1981, S. 85; Rieger et al., 2017, S. 205; vgl. auch Duckitt, Bizumic, Krauss & Heled, 2010). Autoritäre Wertorientierungen sind zudem in Reaktion auf situationale Gegebenheiten veränderbar. Sie werden primär dann salient, wenn Individuen soziale Bedrohungen wahrnehmen, wie Kriminalität oder politische Instabilität (Oesterreich, 2005, S. 244–245; vgl. auch Feldman, 2003); die Haltung, dass die soziale Umwelt bedrohlich ist, können Individuen (auch) durch Erfahrungen in der Sozialisation erwerben (Duckitt, 2013, S. 2; Duckitt & Sibley, 2010, S. 1887). Neben der Verwendung als Prädiktor für politischen Zynismus wird Autoritarismus oftmals als Erklärgröße in der Forschung zu Rechtspopulismus und -extremismus eingesetzt. So kann unter anderem eine autoritäre Wertorientierung beispielsweise den Kontakt mit rechtsextremer Propaganda (Reinemann et al., 2019; Rieger et al., 2017) sowie die Präferenz rechtspopulistischer und -extremer Parteien begünstigen (Oesterreich, 2005; Spier, 2010). Auch gibt es Hinweise, dass Bürger mit autoritärer Wertorientierung demokratischen Werten weniger zustimmen (Miklikowska, 2012) und politischen Akteuren sowie Institutionen weniger vertrauen (Porter, 2008; Van Assche et al., 2018). Da journalistische Medien (politische) Autoritäten kritisieren sollen sowie Werte der Moderne vertreten könnten, ist denkbar, dass Bürger, die einer autoritären Wertorientierung beipflichten, die Berichterstattung als konträr zu ihren Werten wahrnehmen und so journalistischen Medien per se weniger vertrauen. Auch könnte eine autoritäre Wertorientierung nicht nur politisches Vertrauen, sondern auch Vertrauen in journalistische Medien negativ vorhersagen, beispielsweise weil Individuen journalistischen Medien ebenfalls Leistungen in der Demokratie zurechnen (vgl. auch Tsfati & Ariely, 2014, S. 765). Umgekehrt zeigen Müller (2013, S. 142–153) und Tsfati und Ariely (2014) einen negativen Zusammenhang zwischen postautoritären Werten und Vertrauen in journalistische Medien; das erklären letztere damit, dass postmaterialistische Länder per se kritischer gegenüber Autoritäten sind, zu denen sie journalistische Medien zählen (vgl. auch Hanitzsch et al., 2018, S. 19). Fawzi (2019) weist dazu nach, dass Rezipienten, die rechtspopulistischen Antielitismus teilen, weniger Vertrauen in Qualitätsmedien sowie Boulevard- und privatwirtschaftliche Medien haben (vgl. auch Mitchell et al., 2018). So könnte ergänzend neben einer postautoritären Wertorientierung auch eine autoritäre Wertorientierung negativ mit Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängen. Insgesamt können also auch Wertorientierungen von Individuen in Anlehnung an Rohrschneider (1999) Vertrauen
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153
in die Institution journalistischer Medien erklären, wobei hier exemplarisch pluralistische und autoritäre Wertorientierungen fokussiert werden. Zudem lassen sich indirekte Assoziationen individuell-politischer Merkmale mit Vertrauen in journalistische Medien extrahieren. Was zum einen Einflüsse der politischen Einstellung auf die mediale Performanzbewertung angeht, so finden sich Erklärungen in der Forschung zur Hostile Media-Wahrnehmung („hostile media perception“, HMP).23 So bezeichnet man das Phänomen, dass Rezipienten, die einen Standpunkt vertreten, die Berichterstattung als entgegen ihrer Meinung verzerrt (und damit feindlich) empfinden (Vallone, Ross & Lepper, 1985, S. 584). Eine relative HMP tritt auch bei weniger stark involvierten Rezipienten auf, wobei diese die Berichterstattung zwar in die tatsächliche Richtung, aber dennoch stärker verzerrt wahrnehmen als nicht-involvierte Rezipienten dies tun (Feldman, 2011; Gunther & Chia, 2001). Dies wird auf drei Mechanismen zurückgeführt, für die es empirische Hinweise gibt: So könnten sie konträre Inhalte eher wahrnehmen und erinnern („selective recall“) oder diese zwar gleichermaßen wahrnehmen, aber als konträr einordnen („selective categorization“). Auch könnten sie zur Bewertung der Ausgewogenheit diverse Maßstäbe haben und so Argumente der Gegenseite als irrelevant sehen („different standards“, Gunther & Liebhart, 2006; Gunther, Miller & Liebhart, 2009; Schmitt, Gunther & Liebhart, 2004). Eine HMP ließ sich in zahlreichen Studien replizieren (für einen Überblick vgl. z. B. Hansen & Kim, 2011; Perloff, 2015), so zum Nahostkonflikt (Tsfati, 2007; Tsfati & Huino, 2014) oder politischen Wahlen (Oh, Park & Wanta, 2011). Auch kann sich diese auf die Ebene der Medienangebote beziehen: Rezipienten tendieren dazu die Berichterstattung von Angeboten, deren politische Linie konträr zu ihrer Grundorientierung steht, als homogen verzerrt wahrzunehmen („oppositional media hostiliy“, Arceneaux, Johnson & Murphy, 2012); dies entspricht der Neigung, bei fremden Gruppen stets weniger Variation hinsichtlich ihrer Merkmale zu sehen (Stroud, Muddiman & Lee, 2014, S. 874–875). Dabei ist denkbar, dass Rezipienten die Erfahrungen der Verzerrung einzelner Berichte im Zeitverlauf zu einer entsprechenden Bewertung journalistischer Medien im Allgemeinen und damit zu einem generellen Medienbias akkumulieren (Fawzi et al., in Vorbereitung; vgl. auch Tsfati & Cohen, 2005). Die HMP fällt außerdem umso stärker aus, je stärker Individuen eine Position vertreten oder sich mit einer Gruppe identifizieren (Choi, Yang & Chang, 2009; Gunther, 1988; Hartmann &
23Die
Bezeichnung als Effekt ist irreführend, da nicht zentral ist, ob die Berichterstattung gemäß objektiver Kriterien entgegen einer Position verzerrt ist, sondern die Wahrnehmung dessen (Peter & Brosius, 2013, S. 469).
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
Tanis, 2013) sowie je häufiger sie mit anderen diskutieren, die ihre Positionen teilen (Eveland & Shah, 2003). Was soziopolitische Merkmale angeht, könnte eine HMP analog dazu auch davon begünstigt werden, dass Rezipienten stark ausgeprägte Wertorientierungen haben oder sich sozioökonomisch benachteiligt sehen. Folgt man der hier zugrundeliegenden Vorstellung medialer Bewertungen, so könnten Rezipienten, neben vermuteten Restriktionen journalistischer Autonomie, ihre Bewertung medialer Leistungen mit einem wahrgenommenen Medienbias zu Ungunsten der eigenen Meinung begründen (vgl. auch Pingree et al., 2013, S. 356); entsprechend mag eine HMP wiederum negativ mit medialer Performanzbewertung (in Bezug auf ausgewogene Berichterstattung) verbunden sein. Eine HMP hängt analog negativ mit der Bewertung normativer Qualität und Glaubwürdigkeit der Berichterstattung zusammen (Dohle & Hartmann, 2008; Kim, 2015). In Anlehnung daran vermuten Rezipienten, die eine stärker oder extremer ausgeprägte politische Orientierung teilen eher, dass die Berichterstattung politischen oder ökonomischen Einflüssen unterliegt; dies mag wiederum negativ mit ihrer medialen Performanzbewertung assoziiert sein, etwa dahingehend, dass die Berichterstattung parteiisch ist (BR, 2016, 2. Mai, S. 29, 43; Ladd, 2012, S. 100; vgl. auch Prochazka & Schweiger, 2016). Überdies finden sich Evidenzen, dass eine HMP in der Berichterstattung negativ mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert ist und umgekehrt (Arceneaux et al., 2012; Bernhard, 2018; Henn, Vincke, Dohle & Schnippenkoetter, 2014; Tsfati & Cohen, 2005). Eine HMP könnte überdies mit der Präferenz meinungskonsistenter Berichterstattung verbunden sein (vgl. auch „partisan selective exposure“, Stroud, 2011, S. 27) und somit abhängig davon sein, in welchen Quellen Rezipienten Erfahrungen mit medialer Performanz machen. Wie beschrieben (vgl. Abschnitt 4.3) lässt sich vermuten, dass eine Präferenz meinungskonsistenter Inhalte einen wahrgenommenen Medienbias zu Ungunsten der eigenen Meinung fördern könnte, da meinungsinkonsistente Beiträge und Angebote in stärkerem Kontrast zu solchen erscheinen, die konsistent zur eigenen Meinung sind. Beziehen Rezipienten, die meinungskonsistente Berichterstattung präferieren, eine HMP hingegen auf die von ihnen genutzten Beiträge und Medien, könnte diese schwächer (und die empfundene Meinungsrepräsentanz umgekehrt stärker) ausfallen. Die Rezeption von Medienkritik (bezüglich eines Medienbias), zum Beispiel durch alternative Medienangebote oder Selbstkritik journalistischer Angebote, wird hingegen mit einer stärkeren Wahrnehmung einer medialen Verzerrung sowie geringerer Repräsentanz der eigenen Ansichten in der
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155
erichterstattung in Verbindung gebracht (Eveland & Shah, 2003, S. 106; McLeod B et al., 2017, S. 51). Spezifisch zeigt sich dazu, dass die a priori Überzeugung eines Medienbias eine HMP verstärken kann (Ariyanto, Hornsey & Gallois, 2007; Giner-Sorolla & Chaiken, 1994; vgl. aber Matheson & Dursun, 2001), wobei dazu aufgrund ambivalenter Befunde Forschungsbedarf besteht (Perloff, 2015, S. 711). Die beschriebenen indirekten Assoziationen mit Vertrauen in journalistische Medien sind zudem für Wertorientierungen denkbar, was bereits in obigen Ausführungen angeklungen ist. Da eine pluralistische Wertorientierung in Einklang ist mit normativen Qualitätskriterien, wie Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit, sowie der Informationsfunktion journalistischer Medien, könnten Rezipienten die mediale Performanz nach diesem Maßstab positiver evaluieren (vgl. auch Rohrschneider, 1999). Hingegen könnten Rezipienten, einer autoritären Wertorientierung eher beipflichten, das Festhalten an Konventionen sowie den Wert politischer Autoritäten als Maßstab für die Performanzbewertung anlegen; nehmen sie eine (zu) zynische Berichterstattung über politische Akteure oder traditionelle Werte wahr, könnte dies negativ mit ihrer medialen Performanzbewertung verbunden sein (vgl. auch Fawzi, 2019, S. 151–152). Befunde dazu sind allerdings bislang rar. Insgesamt lässt sich festhalten, dass individuell-politische Merkmale wie politische Wertorientierungen und politische Einstellungen sowohl direkt, als auch vermittelt über die mediale Performanzbewertung mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert sein könnten. Die Nutzung von Medienkritik sowie eine Präferenz meinungskonsistenter Berichterstattung können eine HMP sowie die wahrgenommene Meinungsrepräsentanz, die hier als weitere Gründe medialer Performanz seitens der Rezipienten betrachtet werden, ebenso bedingen. Anschließend an diese Erkenntnisse, soll nun ein Kurzüberblick über Erklärungen und Erkenntnisse zu Einflüssen der politischen Performanzbewertung sowie politischen Vertrauens auf Vertrauen in journalistische Medien für die Studie geliefert werden.
4.5.3 Einflüsse politischer Performanzbewertung und politischen Vertrauens Als Erklärgröße von Vertrauen in journalistische Medien ist in den letzten Jahren politisches Vertrauen verstärkt in den Fokus gerückt. Dabei stehen einem robusten positiven Zusammenhang (Ariely, 2015; Bennett et al., 1999; Bennett et al., 2001; Gronke & Cook, 2007; Hanitzsch et al., 2018; Lee, 2010) diverse
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Erklärungen gegenüber, wobei zentrale schlaglichtartig referiert werden. Mit Kohring (2008) lässt sich das Problem zuspitzen: So ist es Teil der normativen Kontrollfunktion „das Vertrauen in andere Akteure zu erschüttern, um so das Vertrauen in den Journalismus selbst zu bestätigen. Zugleich wird aber das Vertrauen in diese anderen Akteure entscheidend durch eben diesen Journalismus vermittelt und ermöglicht, was wiederum nicht ohne Vertrauen in selbigen vonstatten geht“ (S. 611).
(Zu) wohlwollende politische Berichterstattung könnte damit das Vertrauen in journalistische Medien bezüglich korrekter Performanzerfüllung senken. Solange durch kritische Berichterstattung Vertrauen in die prinzipiell angemessene politische Performanz nicht entzogen würde, könne sich „das ansonsten richtige Funktionieren des Systems doch gerade durch die journalistische Thematisierung solchen Fehlverhaltens [Herv. i. Org.]“ (Kohring, 2008, S. 621) erweisen. In der politischen Kommunikationsforschung interessiert so seit längerem, inwiefern die Nutzung politischer Berichterstattung Vertrauen in (repräsentative) politische Institutionen oder politischen Zynismus vorhersagen kann (Cappella & Jamieson, 1996; Erber & Lau, 1990). Auf der einen Seite wird argumentiert, dass kritische bis zynische Berichterstattung über politische Leistungen oder strategisches Framing mit Fokus auf politischen Wettbewerb politisches Vertrauen und Partizipation senkt. Weil Journalisten wahrnehmen, dass diese Art der Berichterstattung von Rezipienten nachgefragt wird, liefern sie diese jedoch, was eine Spiral of Cynicism ankurbelt (Cappella & Jamieson, 1997, S. 59–60, 237– 240; vgl. auch Robinson, 1976). Auf der anderen Seite wird ein Virtuous Circle angenommen (Norris, 2000a, S. 250–253; vgl. auch Newton, 2006), wobei sich Bürger durch die Zuwendung zu Berichterstattung mit den eben beschriebenen Merkmalen eher politisch informieren, partizipieren und politisches Vertrauen zeigen. Die komplexe und ambivalente Befundlage stützt dabei teils beide Erklärungen (vgl. auch Curran et al., 2014). So zeigt sich experimentell oder in Inhaltsanalysen kombiniert mit (Panel-) Befragungen, dass strategisch geframte oder pauschal negative Berichterstattung unter bestimmten Bedingungen (etwa bei Bürgern mit geringem politischen Wissen, de Vreese, 2005) politischen Zynismus fördern sowie politisches Vertrauen mindern kann (Cappella & Jamieson, 1997; Hopmann et al., 2015; Mutz & Reeves, 2005; Schuck, de Vreese & Boomgaarden, 2013; Valentino, Beckmann & Buhr, 2001). Andere finden dies einschränkend nicht oder weisen unter bestimmten Konditionen (wie der Nutzung von Fernsehnachrichten, Norris, 2000b) eine positive Assoziation nach (Avery, 2009; Moy & Scheufele, 2000).
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Dabei stellt sich weiter die Frage nach dem Einfluss politischen Vertrauens auf Vertrauen in journalistische Medien.24 Dazu wird vermutet, dass strategisch gerahmte oder pauschal negative respektive zynische politische Berichterstattung auch die mediale Performanzbewertung sowie das Vertrauen in Medien senkt (Cappella & Jamieson, 1997, S. 226–228), obgleich man mit Blick auf die eingangs erwähnten Überlegungen auch einen positiven Einfluss auf Vertrauen in journalistische Medien vermuten könnte. Diese Assoziation zeigt sich bezüglich strategischen Framings (Hopmann et al., 2015; Ladd, 2006) sowie negativer und skandalisierender Berichterstattung über politische Autoritäten (Groeling & Linneman, 2008, Mai; Jones, 2004; Kiousis, 2002). Erklärt wird dies erstens stellenweise damit, dass Rezipienten journalistische Medien als Überbringer negativer Botschaften ebenfalls negativ bewerten (Cappella & Jamieson, 1997, S. 209; Kiousis, 2002, S. 562). Zweitens könnten Rezipienten die Kritik an der politischen Performanz als überzogen sehen, was wiederum ihre mediale Performanzbewertung senken mag; dies ist umgekehrt allerdings für eine als zu wohlwollend empfundene Berichterstattung denkbar (Kohring, 2008, S. 611). Daneben wird argumentiert, dass Rezipienten dazu neigen, gesellschaftlichen Institutionen als Konglomerat zu vertrauen und damit Rückgänge politischen Vertrauens mit medialen Vertrauensverlusten einhergehen (Hanitzsch et al., 2018, S. 7). Hanitzsch et al. (2018, S. 7) erklären dies damit, dass sich Rezipienten einer Medialisierung der Politik zunehmend bewusst seien. Somit könnten politisches Vertrauen und Vertrauen in journalistische Medien von den gleichen Faktoren auf gleiche Weise bedingt werden (McLeod et al., 2017, S. 44), wobei empirische Befunde dem zum Teil widersprechen (Gronke & Cook, 2007). Auch wird vermutet, dass aus Sicht der Rezipienten eine angemessene mediale Performanz zu einer funktionierenden Demokratie beiträgt, weswegen sie den journalistischen Medien die politische Performanz mit anrechnen (Tsfati & Ariely, 2014, S. 765). Zudem werden individuelle Erklärgrößen angeführt, sodass Rezipienten mit antielitistischen Wertorientierungen Politik und Medien als gesellschaftliche Eliten global negativer bewerten (Fawzi, 2019, S. 151; Hanitzsch et al., 2018, S. 7). Ungeachtet dessen weisen, wie erwähnt, einige (meist US-repräsentative) Studien auf eine moderat positive Assoziation
24Umgekehrt wird Vertrauen in journalistische Medien als Voraussetzung für die Übernahme der politischen Performanzbewertung sowie politisches Vertrauen gesehen (Matthes et al., 2010; Tsfati & Cohen, 2005). Da Argumente für beide Richtungen der Assoziation existieren und hier Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien interessieren wird letztere Richtung als Ausschnitt der Assoziation fokussiert.
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
zwischen Vertrauen in journalistische Medien und vor allem Vertrauen in repräsentative Institutionen hin (Ariely, 2015; Bennett et al., 1999; Gronke & Cook, 2007; Hanitzsch et al., 2018; Lee, 2005, 2010). Nur vereinzelt gibt es Hinweise, dass generalisiertes soziales Vertrauen sowie Zufriedenheit mit der ökonomischen Lage politisches Vertrauen fördert und dadurch indirekt Vertrauen in journalistische Medien erhöhen kann (Lee, 2010). Somit besteht erheblicher Forschungsbedarf dazu, wie sich die Assoziation zwischen politischem Vertrauen und Vertrauen in journalistische Medien erklären lässt und welche (individuellen oder medienbezogenen) Faktoren diese bedingen (vgl. auch Fawzi & Steindl, 2019, Februar). Ziel dieser Studie ist es jedoch nicht, mögliche Erklärungen zu testen, da relative Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien im Zentrum stehen. Allerdings sollte deutlich werden, dass politische Performanzbewertung sowie politisches Vertrauen als mögliche positive Prädiktoren zumindest kontrolliert werden sollten. Zusammenfassend lässt sich für Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien Folgendes festhalten: Zum einen können diese mit Vertrauen in journalistische Medien direkt zusammenhängen. Generalisiertes soziales Vertrauen, das auf positiven Erfahrungen damit basiert, dass man anderen Individuen vertrauen kann und dies positive Konsequenzen hat, geht so positiv mit Vertrauen in journalistische Medien einher. Eine negative Assoziation ist für subjektive relative Deprivation denkbar, da Rezipienten journalistische Medien als gesellschaftliche Institution per se für ihre eigene sozioökonomische Lage mitverantwortlich sehen könnten. Während sich zeigt, dass liberale und weniger extreme politische Einstellungen Vertrauen in journalistische Medien eher positiv vorhersagen, lässt sich aus der politischen Vertrauensforschung ableiten, dass Wertorientierungen, die konsistent sind zu den Funktionen journalistischer Medien, das Vertrauen in journalistische Medien erhöhen könnten. Indirekt können soziale und politische Merkmale die (Gründe für) mediale Performanzbewertung bedingen, da generalisiertes soziales Vertrauen und betrachtete (Wert-)Orientierungen als Maßstab für mediale Performanz fungieren mögen. Zusätzlich könnte die politische Performanzbewertung auf die mediale Performanzbewertung ausstrahlen sowie politisches Vertrauen fördern, wobei sich politisches Vertrauen zum Teil als positiv mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert erweist. Damit deutet sich an, dass die bisher in der Literatur diskutierten sozialen wie politischen Merkmale das Vertrauen in journalistische Mediengattungen auf unterschiedliche Weise erklären könnten. So existieren erste Hinweise, dass Rezipienten mit der Präferenz rechtspopulistischer Parteien oder politischen Unzufriedenheit etwa dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk weniger vertrauen (Ziegele et al., 2018). Wie diese soziopolitischen
4.6 Zwischenfazit: Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische …
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Merkmale mit Vertrauen mit verschiedenen Formen journalistischer Mediengattungen im Detail assoziiert sind, wurde bislang kaum untersucht, was es in dieser Studie zu eruieren gilt.
4.6 Zwischenfazit: Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien Integrative Erklärungen von politischem Vertrauen (Mishler & Rose, 2001; Rohrschneider, 1999) legen nahe, individuelle soziopolitische und performanzbezogene Merkmale zu berücksichtigen, um Vertrauen in journalistische Medien zu erklären. Erstere können Vertrauen in Institutionen zudem indirekt prägen, vermittelt über die Bewertung vergangener Performanz. Zur Erklärung von Medienvertrauen wurde – trotz des Anknüpfungspotenzials – bislang nur vereinzelt auf soziopolitische Merkmale Bezug genommen. Dabei wurden beide Merkmalsgruppen bereits in theoretischen Systematisierungen zu Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien identifiziert, was deren Zusammenschau nahelegte. Ergänzend zu politologischen Erklärungen, die diesbezüglich vage bleiben, liefern Überlegungen zu Medienbewertungen Erkenntnisse dazu, wie Rezipienten mediale Performanz bewerten und aus welchen Komponenten diese besteht (Schweiger, 2007; Prochazka & Schweiger, 2016). So lässt sich festhalten, dass Rezipienten (in ihrer Rolle als Bürger) die Leistungen von journalistischen Medien anhand normativer Kriterien bewerten können. Erfahrungen mit medialer Performanz gewinnen sie durch direkte und indirekte Quellen (z. B. Mediennutzung, Medienkritik) und führen diese auf Gründe zurück, wie vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie oder einen Medienbias zu Ungunsten der eigenen Meinungen. Entlang dieser Systematisierung mit heuristischem Charakter wurden referierte Einflüsse durch die bisherigen Erkenntnisse der jeweiligen Forschungsstränge unterfüttert, mit einem besonderen Augenmerk auf die Assoziationen der Merkmalsgruppen zu Vertrauen in journalistische Medien. Aus normativ-demokratieorientierter Perspektive lassen sich normative (politische) Funktionen journalistischer Medien ableiten, aus denen sich normative Qualitätskriterien für die Berichterstattung ergeben. Glaubwürdigkeit bezieht sich wiederum primär auf die Qualitätskriterien Richtigkeit und Vollständigkeit; damit lässt sich diese zwar theoretisch als distinkt sehen, empirisch findet sich jedoch eine positive Assoziation. Rezipienten können in der Rolle als Bürger die mediale Performanz danach bewerten, wie sehr sie normative Qualität der Berichterstattung als gegeben und, abstrakter, normative politische Funktionen
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
erfüllt sehen. Beides soll hier Berücksichtigung finden, da aus ersterer nicht uneingeschränkt auf die Erfüllung sämtlicher normativer Funktionen geschlossen werden kann (Neuberger, 1997). Zwar scheint es Rezipienten schwer zu fallen, normative Funktionen und Qualitätskriterien zu benennen und ein Urteil diesbezüglich zu fällen (Fawzi, 2020; Urban & Schweiger, 2014). Allerdings sprechen sie beiden eine hohe Bedeutung zu und legen für journalistische Medien weitgehend die gleichen Qualitätskriterien an. Auch finden sich Hinweise auf eine positive Assoziation dieser Komponenten medialer Performanzbewertung mit Vertrauen in journalistische Medien. Daneben wurden potenzielle direkte und indirekte Erfahrungsquellen medialer Performanz differenziert. Während der Mediennutzung, die in Deutschland mehrheitlich von journalistischen Medienangeboten geprägt ist, wobei nur ein geringer Anteil der Bevölkerung (zusätzlich) nutzergenerierte Inhalte oder alternative Medien rezipiert, könnten Rezipienten direkte Erfahrungen diesbezüglich machen. So zeigt sich, dass Rezipienten eher den Mediengattungen vertrauen, die sie selbst nutzen. Inwiefern dies für die Nutzung von nutzergenerierten Inhalten und alternativen Medien gilt, ist bisher nur lückenhaft untersucht. Auch kann für die Studie festgehalten werden, dass eine Bevorzugung meinungskonsistenter Berichterstattung das Vertrauen in journalistische Medien verringern könnte; durch diese Präferenz mag der Kontrast zwischen ausgewogener und meinungskonsistenter Berichterstattung verstärkt werden, was die Wahrnehmung eines Medienbias begünstigen könnte (McLeod et al., 2017). Auf Basis medialer Performanzbewertungen von anderen Rezipienten oder von Journalisten selbst, etwa im Rahmen der Sozialisation im familiären Umfeld oder Medienkritik, könnten Rezipienten hingegen indirekte Erfahrungen mit Bewertungen und Begründungen medialer Performanz machen, was mit ihrem Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängen mag. Als vermutete Gründe für mediale Performanz aus Sicht der Rezipienten lassen sich für die Studie politische und ökonomische Restriktionen der journalistischen Autonomie identifizieren (Donsbach et al., 2009; Prochazka & Schweiger, 2016). Allerdings wurde die Art vermuteter Restriktionen journalistischer Autonomie bislang oft wenig differenziert erhoben, weswegen Befunde zu wahrgenommenen Einflussarten seitens Journalisten und politischen wie ökonomischen Akteuren hinzugezogen wurden. Demgemäß wurden hier externe Einflüsse, zum Beispiel von Quellen wie politischen Akteuren oder Werbekunden, von medieninternen Einflüssen, beispielsweise Einflüssen der politischen Meinung der Journalisten oder Ressourcenknappheit, unterschieden. Rezipienten nehmen durchaus politische und ökonomische Einflüsse auf die journalistische Autonomie sowie Boulevardisierungstendenzen wahr – partiell in
4.6 Zwischenfazit: Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische …
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anderer Richtung und in höherem Maße als die Erkenntnisse aus Befragungen von Journalisten und Politikern dies nahelegen – und sind in Folge vor allem mit der medialen Performanz unzufriedener, wozu die Forschung dazu erste Hinweise liefert. Unter anderem aus Erkenntnissen (auf Basis) des Ideological Performance-Modells (Rohrschneider, 1999), der politischen Kulturforschung sowie der Hostile Media-Forschung (McLeod et al., 2017) wurden Einflüsse sozialer und politischer individueller Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien abgeleitet. Dabei wurden neben generalisiertem sozialen Vertrauen subjektive relative Deprivation, (pluralistische und autoritäre) Wertorientierungen sowie die politische Einstellung als mögliche Korrelate herausgearbeitet (Arlt, 2018; Fawzi, 2019; Hanitzsch et al., 2018; Tsfati & Ariely, 2014). Was direkte Assoziationen mit Vertrauen in journalistische Medien angeht, so lässt sich argumentieren, dass Rezipienten diese als Vermittler sozialer Normen für die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit der Mitbürger mitverantwortlich sehen und diese aufgrund der demokratischen Funktionen für die subjektive sozioökonomische Lage mitverantwortlich machen könnten, was Vertrauen in journalistische Medien entsprechend erklären mag. Gleiches gilt für eine empfundene Diskrepanz zwischen eigenen (Wert-)Orientierungen und denen, für die journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten stehen. Indirekt können soziopolitische Merkmale als Maßstab für die mediale Performanzbewertung dienen; im Zuge dessen könnten sie vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie als Gründe medialer Performanz prägen (vgl. auch BR, 2016, 2. Mai, S. 29, 43; Ladd, 2012, S. 100). Die Hostile Media-Forschung legt in Bezug auf indirekte Korrelate weiterhin nahe, dass Rezipienten mit einer extremeren politischen Grundorientierung die Berichterstattung eher als gegen die eigene Meinung verzerrt sehen. Übertragen auf dargestellte Merkmale ist dies auch für stark ausgeprägte Deprivationswahrnehmungen oder Wertorientierungen denkbar. Eine HMP, die konträr zur wahrgenommenen Ausgewogenheit der Berichterstattung steht, kann wiederum die mediale Performanzbewertung sowie Vertrauen in journalistische Medien negativ vorhersagen. Damit lässt sich für die Studie eine Hostile Media-Wahrnehmung sowie die wahrgenommene Meinungsrepräsentanz in der Berichterstattung neben Restriktionen journalistischer Autonomie als weitere Gründe medialer Performanz aus Sicht der Rezipienten behandeln. Weiterhin könnte die Nutzung von Medienkritik Rezipienten in ihrer HMP bestärken, wobei die Präferenz meinungskonsistenter Berichterstattung diese abschwächen mag. Dass Vertrauen in repräsentative politische Institutionen mit Vertrauen in journalistische Medien positiv assoziiert ist, zeigt sich darüber hinaus relativ
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4 Einflüsse auf das Vertrauen in journalistische Medien
robust (Bennett et al., 2001; Lee, 2010). Auch finden sich Hinweise dafür, dass Rezipienten höheres Vertrauen in journalistische Medien haben, wenn sie mit der politischen Performanz zufrieden sind (Tsfati & Ariely, 2014). Mögliche Erklärungen für diese Zusammenhänge wurden allerdings bislang kaum geprüft. Damit sollten politische Performanzbewertung und Vertrauen zur Einordnung übriger Prädiktoren zumindest kontrolliert werden. Zuletzt wurde zusammengetragen wie aus der Literatur abgeleitete Merkmale Vertrauen in Formen von journalistischen Mediengattungen differenziert beeinflussen. Auch hier ergibt sich ein erheblicher Forschungsbedarf. Eine umfassende Aufarbeitung direkter und indirekter Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien basierend auf integrativen Erklärungen politischen Vertrauens sowie Überlegungen zu Medienbewertungen wurde bisher nicht geleistet. Dazu lässt sich kritisch festhalten, dass bislang nur einzelne Arbeiten theoretisch und empirisch sowohl performanzbezogene, als auch individuelle (vor allem politische) Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien erfassen (Arlt, 2018; Hanitzsch et al., 2018; Tsfati & Ariely, 2014). Zwar existieren Erkenntnisse zu einzelnen Einflussformen; eine theoretische Einordnung und globale Untersuchung dieser relativen Korrelate für Deutschland gibt es nach dem Wissen der Autorin bislang nicht. Auch mangelt es an Befunden zu indirekten Einflüssen der Merkmalsgruppen auf Vertrauen in journalistische Medien sowie zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden in relativen Einflüssen auf verschiedene Formen journalistischer Mediengattungen. Somit ist es Ziel der vorliegenden Studie, zur Aufarbeitung dieser Defizite mit der dargebotenen theoretischen Vorarbeit sowie der folgenden empirischen Analysen beizutragen. Dies wird im folgenden Kapitel pointiert referiert und auf Basis dessen Forschungsfragen und Hypothesen für die empirische Erhebung abgeleitet.
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Zielsetzung der Studie
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien herausgearbeitet wurden, werden im Folgenden erstens zentrale Defizite der Forschung zu Vertrauen in journalistische Medien nochmals pointiert zusammengefasst sowie auf Basis der theoretischen Ausarbeitungen die Modellierung relativer Einflüsse des Vertrauens in journalistische Medien für diese empirische Untersuchung spezifiziert (vgl. Abschnitt 5.1). Zweitens werden unter Rückgriff auf die theoretische Arbeit entlang des Analysemodells Forschungsfragen und Hypothesen abgeleitet (vgl. Abschnitt 5.2).
5.1 Forschungsdefizite und Modell für die empirische Untersuchung Obgleich Medienglaubwürdigkeit seit Jahrzehnten in der Kommunikationswissenschaft untersucht wurde, rückte das Vertrauen in journalistische Medien erst in den letzten Jahren stärker in den Fokus der Forschung. Neben deskriptiven Beschreibungen des Vertrauen in journalistische Medien respektive in Journalismus, beschäftigten sich erste Arbeiten dazu im Wesentlichen damit, wie sich dieses theoretisch fassen und operationalisieren lässt (Kohring, 2004). Mögliche Korrelate des Vertrauen in journalistische Medien stehen erst seit kurzem stärker im Fokus (Arlt, 2018; Hanitzsch et al., 2018; Jackob, 2012a; Matthes et al., 2010). Während die Forschung in beiden Richtungen offene Fragen aufweist, sind speziell Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien anknüpfungswürdig. Insbesondere mag es förderlich für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe journalistischer Medien sein, wenn bekannt ist, welche Merkmale das Vertrauen
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Obermaier, Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31154-4_5
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5 Zielsetzung der Studie
in diese erklären. Diese Studie folgt dabei der Auffassung, die Vertrauen in journalistische Medien als eine Form des Vertrauens in Institutionen betrachtet (Hanitzsch et al., 2018; Prochazka & Schweiger, 2019; Tsfati, 2014). Die Forschung weist diesbezüglich Lücken auf, die sowohl die theoretische Fundierung als auch die empirische Analyse betreffen. Erstens betrachten Studien meist eine Form von Merkmalen als Korrelate. Versuche, sowohl individuelle soziale und politische, als auch performanzbezogene Prädiktoren des Vertrauens in journalistische Medien in Relation zu untersuchen, wurden bislang kaum unternommen. Dem soll hier durch Rückgriff auf bisher noch selten herangezogene integrative Erklärungen zu Einflüssen auf Vertrauen in politische Institutionen begegnet werden (vgl. aber Hanitzsch et al., 2018; Tsfati & Ariely, 2014). Diese legen nahe, explizit performanzbezogene sowie soziopolitische Prädiktoren des Vertrauens in journalistische Medien als Institution einzubeziehen und darüber hinaus indirekte Assoziationen zwischen den Erklärgrößen und Vertrauen in journalistische Medien zu berücksichtigen. So wurde größtenteils außer Acht gelassen, dass individuelle Merkmale Vertrauen in journalistische Medien vermittelt über die mediale Performanzbewertung vorhersagen könnten (Rohrschneider, 1999; vgl. auch Lee, 2010). Zwar erheben Studien, die einem reflexiven Verständnis folgen, Vertrauen in journalistische Medien über die mediale Performanzbewertung (Kohring & Matthes, 2007); allerdings könnten auch in dieser Sicht medienspezifische Gründe, wie vermutete politische Unabhängigkeit journalistischer Medien aus Sicht der Rezipienten, von individuellen Merkmalen beeinflusst werden. Mit einer solchen theoretischen Verbindung genannter Überlegungen lässt sich eine bislang fehlende Basis schaffen, um performanzbezogene sowie individuelle Erklärgrößen des Vertrauens in journalistische Medien zu systematisieren und miteinander in Beziehung zu setzen. Zweitens wurden Assoziationen von Vertrauen in journalistische Medien zu politischen Merkmalen in der deutschsprachigen Forschung lange vernachlässigt, ebenso die Bewertung politischer Performanz sowie politisches Vertrauen (vgl. aber Hanitzsch et al., 2018; Ziegele et al., 2018). Gleiches gilt für die verschiedenen Komponenten medialer Performanzbewertung: Während zwar häufig die Mediennutzung als Prädiktor einbezogen wurde (Jackob, 2012a; Tsfati & Cappella, 2003), ist eine differenziertere Betrachtung der Komponenten medialer Performanzbewertung, die in der Literatur zu Medienbewertungen vorgeschlagen werden, rar. Dies trifft auch auf die Rezeption von Medienkritik als potenzielle indirekte Quelle medialer Performanz sowie vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie als deren mögliche Begründung zu. Die Überlegungen zu den Komponenten medialer Performanzbewertung für das Vorhaben
5.1 Forschungsdefizite und Modell für die empirische Untersuchung
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einzubeziehen, ist nicht zuletzt deswegen sinnvoll, da herangezogene Erklärungen politischen Vertrauens gerade im Hinblick darauf, wie politische Performanzbewertungen zustande kommen, vage bleiben. Drittens steht häufig generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien im Zentrum, während Korrelate von Vertrauen in verschiedene Formen journalistischer Mediengattungen seltener Beachtung finden (vgl. aber Jakobs, 2018). Weiterhin existieren wenige Hinweise dazu, wie medienbezogene Skepsis oder Zynismus mit Vertrauen in journalistische Medien verbunden ist. Gerade zu differenzieren, welche Prädiktoren das Vertrauen der Rezipienten in verschiedene journalistische mediale Objekte, wie Qualitäts- und Boulevardmedien, prognostizieren, könnte hingegen einen Mehrwert bieten. Die vorliegende Studie zielt somit darauf ab, einen Beitrag zur Bearbeitung dieser Forschungslücken zu leisten. Dazu werden (in-)direkte Einflüsse performanzbezogener und soziopolitischer Merkmale auf journalistische Formen medialer Objekte berücksichtigt. Das Fundament der Studie stellen Erklärungen zu Einflüssen auf politisches Vertrauen sowie Erkenntnisse zu Medienbewertungen dar, aus denen eine Systematisierung zu Einflüssen auf Vertrauen in (journalistische) Medien abgeleitet wurde (vgl. Abschnitt 4.1). Eine solche integrative, theoretische Systematisierung performanzbezogener und individueller Einflüsse des Vertrauens in journalistische Medien fehlte bislang. Diese soll basierend auf der Aufarbeitung des Forschungsstandes in Kapitel 4 spezifiziert werden, um als Grundlage für das empirische Vorgehen zu dienen (vgl. Abbildung 5.1). Das spezifischere Modell soll also ebenso nicht in Gänze überprüft werden, sondern bezüglich der Zusammenhänge betrachteter Variablen als Orientierungsraster für die Analyse dienen. Vertrauen ist im vorliegenden Verständnis auf eine angemessene Erfüllung der Leistungen journalistischer Medien in der Zukunft gerichtet; die Bewertung vergangener medialer Performanz wird damit als logisch vorgeordneter Prädiktor gesehen. Des Weiteren stehen Wahrnehmungen von Rezipienten im Fokus. Dabei interessieren Assoziationen der von singulären Erfahrungen generalisierten Bewertung vergangener medialer Performanz, individuellen Merkmalen und generalisierten Formen des Vertrauens in mediale Objekte. Zu betonten ist also, dass nicht die Bildung medienspezifischer Vertrauensurteile in der konkreten Rezeptionssituation untersucht wird. Das soll jedoch nicht ausschließen, dass diese analog von den hier berücksichtigten Faktoren bedingt sein könnte. Weil gemäß des Lifetime LearningModells Erfahrungen mit Vertrauen in journalistische Medien wiederum die generalisierte mediale Performanzbewertung prägen, wie eingangs skizziert, ist es lediglich möglich, einen Ausschnitt eines wohl dynamischen Zusammenhangs zu eruieren.
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5 Zielsetzung der Studie
Vertrauen in journalistische Medien stellt die abhängige Variable des Modells für die Untersuchung dar. Es wird angenommen, dass diese zum einen auf die mediale Performanz bezogene Merkmale prägen (vgl. Abschnitt 4.2, Abschnitt 4.3, Abschnitt 4.4): Gemäß Erkenntnissen zu Medienbewertungen evaluieren Rezipienten (in der hier fokussierten Rolle als Bürger), wie sehr journalistische Medien normative Qualität- und Glaubwürdigkeit in der Berichterstattung sowie ihre normativen Funktionen erfüllen. Die mediale Performanzbewertung können sie etwa mit vermuteten Restriktionen journalistischer Autonomie in sowie der wahrgenommenen Meinungsvertretung durch journalistische Medien begründen (Prochazka & Schweiger, 2016). Somit können die von konkreten Erfahrungen abstrahierten und generalisierten Gründe der Medienperformanz die ebenfalls generalisierte Bewertung der vergangenen Performanz journalistischer Medien seitens der Rezipienten beeinflussen. Die Kriterien medialer Performanz werden hier theoretisch vorausgesetzt und daher in der Analyse nicht berücksichtigt. Die mediale Performanzbewertung ist wiederum mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert. Welchen Quellen (in-)direkter Erfahrungen mit medialen Leistungen sich Rezipienten aussetzen, mag vor allem ihr Vertrauen in journalistische Medien, aber auch die mediale Performanzbewertung prägen. Als mögliche Erklärgrößen wurden aus der Literatur die (Art der) Mediennutzung sowie die Rezeption von Medienkritik und Vertrauen in journalistische Medien in der familiären Sozialisation herausgearbeitet. Zum anderen können individuell-soziale und -politische Merkmale Vertrauen in journalistische Medien bedingen (vgl. Abschnitt 4.5.1, Abschnitt 4.5.2): In der Literatur identifizierte soziale (generalisiertes soziales Vertrauen, subjektive relative Deprivation) sowie politische Merkmale (Extremität politischer Einstellung, Wertorientierungen) können einerseits Vertrauen in journalistische Medien direkt prägen. Rezipienten könnten journalistische Medien so für die Vertrauenswürdigkeit der Mitbürger sowie ihre empfundene soziale Lage mitverantwortlich machen (Tsfati & Ariely, 2014). Auch könnte Vertrauen in journalistische Medien auf einem Abgleich der eigenen Wertorientierungen mit den Werten beruhen, für die journalistische Medien (aus Sicht der Rezipienten) stehen. Andererseits können diese individuellen soziopolitischen Merkmale Vertrauen in journalistische Medien indirekt beeinflussen, da sie die Wahrnehmung von Restriktionen journalistischer Autonomie sowie der medialen Meinungsrepräsentanz bedingen könnten, was wiederum die mediale Performanzbewertung prägt. Im Falle generalisierten sozialen Vertrauens ist denkbar, dass dieses per se mit einer positiveren Bewertung medialer Performanz einhergeht. Zudem sind Zusammenhänge mit der vergangenen, politischen Performanzbewertung ebenso wie politisches Vertrauen berücksichtigt, um diese in Relation
5.2 Ableitung von Forschungsfragen und Hypothesen
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zu setzen (vgl. Abschnitt 4.5.3). Die politische Performanzbewertung kann von abgeleiteten individuellen Merkmalen geprägt werden und wiederum auf die mediale Performanzbewertung abstrahlen, sofern Rezipienten diesen die politischen Leistungen zurechnen. Auch bedingt sie politisches Vertrauen, welches wiederum mit Vertrauen in journalistische Medien assoziiert ist (Tsfati & Ariely, 2014). Die komplexen und teilweise wechselseitigen Assoziationen der Prädiktoren untereinander kann das vorliegende Modell für die Untersuchung lediglich vereinfacht und in einer Wirkungsrichtung darstellen. Außerdem sind darin weitere individuelle Merkmale nicht berücksichtigt (z. B. politische Entfremdung, soziale Deprivation) ebenso wie deren mögliche Assoziationen mit der Mediennutzung, um die Zusammenhänge im Rahmen dieser Studie überprüfen zu können.
Individuell-politische Merkmale Extremität politische Einstellung Wertorientierungen
Individuell-soziale Merkmale
Subjektive relative Deprivation Generalisiertes soziales Vertrauen
Quellen Medienperformanz
Direkt: Mediennutzung Indirekt: Sozialisation, Medienkritik Wahrnehmung pol., ökonom. Restriktionen Wahrnehmung Meinungsvertretung
Gründe Medienperformanz
Normative Qualität, Glaubwürdigkeit Erfüllung normative Funktionen
Bewertung Medienperformanz
Bewertung politische Performanz
Individuelle Merkmale
Vertrauen in journalistische Medien
Politisches Vertrauen
Performanzbezogene Merkmale
Medienvertrauen
Abbildung 5.1 Modell für die empirische Untersuchung von Einflüssen individueller sozialer und politischer und performanzbezogener Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien. (Anmerkungen. Eigene Darstellung)
5.2 Ableitung von Forschungsfragen und Hypothesen Im Folgenden werden entlang des spezifizierten Modells für die empirische Untersuchung von Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien Forschungsfragen und Hypothesen für die vorliegende Studie abgeleitet. Um Redundanzen zu vermeiden, sind diese nach den interessierenden unabhängigen Variablen geordnet.
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5 Zielsetzung der Studie
Status Quo des Vertrauens in Medien und der medialen Performanzbewertung in Deutschland. In einem ersten Schritt ist zu klären, wie sehr Rezipienten in Deutschland den (journalistischen) Medien vertrauen. Um das Level generalisierten Vertrauens in journalistische Medien einordnen zu können, wird politisches Vertrauen als Vergleichsmaßstab herangezogen (Reinemann et al., 2017). Ergänzend interessiert, welche Anteile der Bevölkerung medienbezogene Skepsis und Zynismus teilen. Zudem soll Vertrauen in Formen von (journalistischen) Mediengattungen untersucht werden, was für nutzergenerierte Inhalte und alternative Medienangebote bislang wenig erfasst wurde. Obgleich diese Formen des Vertrauens respektive Haltungen gegenüber medialen Objekten aufeinander ausstrahlen könnten (Schweiger, 2007, S. 249–250), gibt es auch dazu kaum Befunde. Nur vereinzelt zeigt sich, dass medienbezogene Skepsis nicht unbedingt mit geringem generalisierten Vertrauen in journalistische Medien einhergeht (Ziegele et al., 2018) und Rezipienten sich bei der Angabe von generalisiertem Vertrauen in journalistische Medien auf Qualitätsmedien beziehen (Ladd, 2012). Somit wird gefragt: FF1: W ie hoch ist (a) generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien, (b) medienbezogene Skepsis sowie Zynismus, und (c) Vertrauen in (journalistische) Mediengattungen in Deutschland? FF2: Wie hängt generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien mit (a) medienbezogener Skepsis sowie Zynismus, und (b) Vertrauen in (journalistische) Mediengattungen zusammen? Erfahrungen mit medialer Performanz lassen sich gemäß integrativer Erklärungen (Mishler & Rose, 2001; Rohrschneider, 1999) als zentraler Prädiktor von Vertrauen in journalistische Medien ableiten. Als deren Komponenten wurden die wahrgenommene normative Qualität und Glaubwürdigkeit der Berichterstattung sowie Erfüllung normativer Medienfunktionen extrahiert. Die mediale Performanz könnten Rezipienten wiederum auf vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie zurückführen. Vor allem zur normativen Funktionserfüllung und zu vermuteten politischen und ökonomischen Einflüssen sowie Boulevardisierungstendenzen, gibt es jedoch nur wenige Befunde zur Sicht von Rezipienten in Deutschland (Donsbach et al., 2009; Fawzi, 2020; Prochazka & Schweiger, 2016). Somit wird gefragt: FF3: W ie hoch sind wahrgenommene (a) normative Qualität und Glaubwürdigkeit aktueller Berichterstattung, Erfüllung normativer Funktionen
5.2 Ableitung von Forschungsfragen und Hypothesen
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journalistischer Medien, und (b) Restriktionen journalistischer Autonomie in Deutschland? Direkte Einflüsse individueller sozialer und politischer Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien. Nach zentralen abhängigen Variablen interessieren in einem ersten Schritt direkte Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien, wobei zum einen individuelle Merkmale betrachtet werden. Erstens lässt sich aus der politologischen Vertrauensforschung ableiten, dass generalisiertes soziales Vertrauen und generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien positiv assoziiert sind (Jackob, 2012b; Yamamoto et al., 2016). Zweitens sind direkte Assoziationen von Vertrauen in journalistische Medien mit soziopolitischen (Wert-)Orientierungen anzunehmen, basierend auf einem Abgleich mit denen, für die journalistische Medien als Institution stehen (Rohrschneider, 1999). Empfinden Rezipienten subjektive relative Deprivation, könnten sie journalistischen Medien weniger vertrauen, da sie diese aufgrund ihrer demokratischen (Kontroll-)Funktion(en) dafür mitverantwortlich sehen (vgl. auch Fawzi, 2019; Tsfati & Ariely, 2014). Machen sie Deprivationserfahrungen in der Berichterstattung, könnten sie journalistische Medien als Überbringer dieses empfundenen Missstands abwerten (Kiousis, 2002). Daneben erweist sich eine extremere politische Einstellung als einhergehend mit geringerem Vertrauen in journalistische Medien (Hanitzsch et al., 2018). Dahinter könnte stehen, dass Rezipienten journalistische Angebote aufgrund der redaktionellen Linie per se als konträr zur eigenen politischen Orientierung betrachten (Bernhard, 2018). Da pluralistische Werte in Einklang mit normativen Funktionen journalistischer Medien stehen, mag eine solche Orientierung Vertrauen in journalistische Medien fördern (Rohrschneider, 1999). Auch zeigt sich, dass postmaterialistische (oder postautoritäre, Flanagan & Lee, 2003) Werte mit Vertrauen in journalistische Medien negativ assoziiert sind (Tsfati & Ariely, 2014). Da journalistische Medien qua normativer Funktion Autoritäten kritisieren sollen, könnten allerdings Bürger mit autoritärer Wertorientierung, die im Gegensatz zu Werten der Moderne wie Pluralismus und Selbstentfaltung steht, journalistischen Medien auch weniger vertrauen, was bislang unklar ist. Drittens erweist sich Vertrauen in journalistische Medien als positiv mit Vertrauen in repräsentative Institutionen assoziiert, womöglich, weil Rezipienten beide gesellschaftlichen Institutionen global bewerten (Hanitzsch et al., 2018; Lee, 2010). Auch demonstrieren einzelne Studien, dass die politische Performanzbewertung positiv mit Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängt (Bennett et al., 1999; Bennett et al., 2001; Tsfati & Ariely, 2014). Das wird partiell damit erklärt, dass aus Sicht der Rezipienten journalistischen Medien im
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5 Zielsetzung der Studie
Rahmen ihrer Funktionen für die Demokratie zur politischen Performanz beitragen. Daher wird eruiert: H1: J e (a) geringer generalisiertes soziales Vertrauen, (b) je höher subjektive relative Deprivation, und (c) je extremer die politische Grundorientierung ist, desto geringer ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen. FF4a: Wie sehr beeinflussen pluralistische und autoritäre Wertorientierungen das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen? H2: Je höher (a) die politische Performanzbewertung und (b) das Vertrauen in repräsentative politische Institutionen ist, desto höher ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen. Direkte Einflüsse performanzbezogener Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien. Zum anderen soll der Einfluss performanzbezogener Merkmale betrachtet werden. Erstens kann Vertrauen in Medien in Abhängigkeit (in-)direkter Erfahrungsquellen medialer Performanz variieren. So neigen Rezipienten dazu, den journalistischen Medien zu vertrauen, die sie selbst häufiger nutzen (Hopmann et al., 2015; Tsfati & Cappella, 2003). Auch zeigt sich vereinzelt, dass die Nutzung alternativer Medienangebote oder von Boulevardzeitungen Vertrauen in journalistische Medien negativ vorhersagt (Hopmann et al., 2015; Schultz et al., 2017). Des Weiteren finden sich Hinweise, dass Rezipienten den journalistischen Medien eher vertrauen, wenn sie sich von der aktuellen Berichterstattung journalistischer Medien abhängig sehen (Jackob, 2012a, S. 177). Eine Präferenz meinungskonsistenter Berichterstattung könnte Vertrauen in journalistische Medien zudem direkt negativ prognostizieren, da es journalistischer Qualität konträr zu dieser entspricht, vielfältig und ausgewogen zu berichten (McLeod et al., 2017, S. 51). Bezüglich indirekter Erfahrungsquellen könnten Kinder im Laufe der Sozialisation im familiären Umfeld Vertrauen in journalistische Medien erlernen (Blöbaum, 2014, S. 36). Eine häufigere Rezeption performanzbezogener Medienkritik, mag die Bewertung medialer Performanz und so Vertrauen in journalistische Medien senken (Pingree et al., 2013). Damit wird angenommen und gefragt: H3: J e (a) häufiger die Nutzung journalistischer Formen von Mediengattungen und (b) je seltener die Nutzung nutzergenerierter Inhalte und alternativer
5.2 Ableitung von Forschungsfragen und Hypothesen
171
Medienangebote ist, desto höher ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen. H4: Je (a) höher die wahrgenommene Abhängigkeit von journalistischen Medien, (b) je geringer die Präferenz meinungskonsistenter Berichterstattung, (c) je höher das Vertrauen in journalistische Medien in der Sozialisation und (d) je seltener die Nutzung von Medienkritik ist, desto höher ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen. Zweitens lässt sich extrahieren, dass die Bewertung vergangener medialer Performanz Vertrauen in journalistische Medien bedingt. Wird Vertrauen in journalistische Medien nicht als reflexives Modell aufgefasst, zeigen sich vereinzelt positive Assoziationen mit Komponenten medialer Performanzbewertung, also normativer Qualität und der Erfüllung von normativen Funktionen journalistischer Medien (Peifer, 2018; Schielicke et al., 2014). Zu vermuteten Restriktionen journalistischer Autonomie als Gründe medialer Performanz gibt es vereinzelt Evidenzen für negative Assoziationen (Donsbach et al., 2009; Ladd, 2012). Daneben legt die Hostile Media-Forschung nahe, dass eine als unzureichend empfundene Repräsentation der eigenen Meinung oder gar eine Verzerrung journalistischer Medien entgegen diese, also eine Hostile M edia-Wahrnehmung, negativ mit Vertrauen in journalistische Medien zusammenhängt (Arceneaux et al., 2012; Bernhard, 2018). H5: J e höher die wahrgenommene (a) normative Qualität und Glaubwürdigkeit sowie (b) Erfüllung normativer Medienfunktionen ist, desto höher ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen. H6: Je (a) höher vermutete Restriktionen der journalistischen Autonomie, (b) je geringer die wahrgenommene Meinungsrepräsentanz ist, desto geringer ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen. Indirekte Einflüsse individueller sowie performanzbezogener Merkmale auf Vertrauen in journalistische Medien. In einem zweiten Schritt rücken indirekte Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien in den Fokus. Erstens interessieren performanzbezogene Merkmale: Es wurde abgeleitet, dass vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie und eine als unzureichend empfundene Meinungsrepräsentanz die mediale Performanzbewertung und so Vertrauen in journalistische Medien
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5 Zielsetzung der Studie
indirekt senken könnten. Bezüglich indirekter Erfahrungsquellen ist denkbar, dass der Grad des Vertrauens in journalistische Medien in der Sozialisation analog zu generalisiertem sozialen Vertrauen mit einer per se höheren generalisierten medialen Performanzbewertung einhergeht. So könnten Rezipienten mit hohem generalisierten sozialen Vertrauen, aber auch mit hohem Vertrauen in journalistische Medien in der Sozialisation, mediale Fehlleistungen eher als Einzelfall werten (vgl. auch Yamagishi, 2011). Eine wahrgenommene Diskrepanz zur präsentierten Vertrauenswürdigkeit anderer in der Berichterstattung könnte die mediale Performanzbewertung hingegen mindern (Livio & Cohen, 2018). Zudem könnte die Nutzung von Medienkritik vor allem fördern, dass Rezipienten ihre Meinung in journalistischen Medien weniger repräsentiert oder die Berichterstattung entgegen dieser verzerrt sehen (McLeod et al., 2017, S. 51). Präferieren Rezipienten hingegen meinungskonsistente Berichte und Medienangebote, könnten sie eher schätzen, dass journalistische Medien als Kollektiv ihre Ansichten nicht vertreten und in höherem Maße eine Verzerrung entgegen dieser wahrnehmen. Beziehen Rezipienten ihre Einschätzung diesbezüglich jedoch auf die von ihnen präferieren, meinungskonsistenten Angebote, mag die empfundene Meinungsrepräsentanz höher sein; allerdings wird eher ersteres vermutet (McLeod et al., 2017, S. 51; Stroud, 2011, S. 21). So wird vermutet: H7: Je (a) höher vermutete Restriktionen journalistischer Autonomie und (b) je geringer die wahrgenommene Meinungsrepräsentanz ist, desto geringer ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen, vermittelt über die mediale Performanzbewertung. H8: Je höher (a) generalisiertes soziales Vertrauen und (b) Vertrauen in journalistische Medien in der Sozialisation ist, desto höher ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen, vermittelt über die mediale Performanzbewertung. H9: Je (a) höher die Präferenz meinungskonsistenter Berichterstattung und (b) je häufiger die Nutzung von Medienkritik ist, desto geringer ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen, vermittelt über die wahrgenommene Meinungsrepräsentanz und mediale Performanzbewertung. Individuelle soziale und politische Merkmale könnten zweitens indirekt Vertrauen in journalistische Medien prägen, vermittelt über die vermuteten Gründe medialer Performanz und so die mediale Performanzbewertung (Rohrschneider, 1999). Sehen sich Rezipienten in einer prekären sozioökonomischen Lage,
5.2 Ableitung von Forschungsfragen und Hypothesen
173
könnten sie die Kontrollfunktion unzureichend erfüllt und ihre Interessen zu wenig beachtet sehen mit der Begründung, dass die Berichterstattung zu Gunsten der politischen Entscheidungsträger verzerrt oder von diesen beeinflusst ist. Auch mag mit extremerer politischer Einstellung die mediale Performanzbewertung schlechter ausfallen, etwa bedingt durch die Wahrnehmung einer unzureichenden Meinungsrepräsentanz oder stärkeren Restriktionsvermutungen seitens politischer Institutionen (vgl. auch BR, 2016, 2. Mai, S. 43; Fawzi, 2019; Ladd, 2012, S. 100; McLeod et al., 2017). Analog könnte eine pluralistische Wertorientierung per se kongruent sein mit normativen Qualitätsansprüchen wie Vielfalt und Ausgewogenheit (vgl. auch Rohrschneider, 1999) und die mediale Performanzbewertung fördern. Pflichten Rezipienten autoritären Werten bei, könnten sie Kritik an Autoritäten oder eine von Werten der Moderne geprägte Berichterstattung als entgegen ihrer Orientierung sehen und dies mit politischen Restriktionen begründen (vgl. auch Tsfati & Ariely, 2014, S. 765). Während sich eine Hostile Media-Wahrnehmung sowie eine als unzureichend empfundene Meinungsvertretung mit höherer Extremität der politischen Einstellung verstärkt (Choi et al., 2009), mag dies auch auftreten, wenn Rezipienten eine pluralistische oder autoritäre Wertorientierung in hohem Maße teilen oder sich sozioökonomisch benachteiligt sehen. Vermutete Restriktionen sowie die wahrgenommene Meinungsrepräsentanz sollten wiederum die mediale Performanzbewertung senken respektive erhöhen. H10: Je höher (a) subjektive relative Deprivation und (b) je extremer die politische Grundorientierung ist, desto geringer ist das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen, vermittelt über vermutete Gründe medialer Performanz und mediale Performanzbewertung. FF4b: Wie sehr beeinflussen pluralistische und autoritäre Wertorientierungen das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien und Mediengattungen, vermittelt über vermutete Gründe medialer Performanz und mediale Performanzbewertung? Weiterhin soll für generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien der indirekte Einfluss politischen Vertrauens kontrolliert werden, wobei diese Formen des Vertrauens in Institutionen auf der gleichen Bezugsebene liegen. Zum einen mag die politische Performanzbewertung Vertrauen in repräsentative Institutionen fördern und letzteres generalisiertes Vertrauen in Medien prägen. Generalisiertes soziales Vertrauen könnte dabei politisches Vertrauen ebenso positiv vorhersagen (Lee, 2010; Mishler & Rose, 2001). Zum anderen könnten Rezipienten
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5 Zielsetzung der Studie
die politische Performanz teils als mediale Leistung anrechnen (Tsfati & Ariely, 2014), was generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien indirekt bedingen mag. Individuelle Merkmale können ebenso die politische Performanzbewertung prägen, wobei von Rezipienten mit weniger extremer politischer Grundorientierung, pluralistischen und weniger autoritären Wertorientierungen sowie geringer subjektiver relativer Deprivation bessere Bewertungen zu erwarten sind (Rohrschneider, 1999; Spier, 2010). FF5: W ie sehr beeinflussen die politische Performanzbewertung und Vertrauen in repräsentative politische Institutionen neben individuellen und performanzbezogenen Einflüssen das generalisierte Vertrauen in journalistische Medien indirekt?
6
Methodisches Vorgehen
Nachdem im vorherigen Kapitel auf Basis der Zielsetzung der vorliegenden Studie ein Analysemodell spezifiziert und Forschungsfragen sowie Hypothesen abgeleitet wurden, soll nun das methodische Vorgehen beschrieben werden. Zunächst wird dazu die Wahl der Methode begründet und dargestellt, wie die Studie konzeptualisiert wurde (vgl. Abschnitt 6.1), gefolgt von einer Darstellung von deren Durchführung sowie einer Beschreibung der Stichprobe (vgl. Abschnitt 6.2). Einen Abschluss findet das Kapitel in der Vorstellung des Aufbaus des Fragebogens sowie der Messung zentraler Konstrukte (vgl. Abschnitt 6.3).
6.1 Wahl der Methode und Konzeption der Untersuchung In der vorliegenden Studie interessiert, wie sehr Individuen journalistischen Medien vertrauen und wie die vergangene Performanzbewertung sowie individuelle soziopolitische Merkmale dieses vorhersagen. Damit stehen Wahrnehmungen, Einstellungen sowie Handlungen von Individuen auf der Mikroebene im Fokus. Folglich fiel die Wahl auf eine Befragung als Methode der Datenerhebung, um die forschungsleitenden Fragestellungen zu beantworten (Möhring & Schlütz, 2013, S. 183). Im methodischen Repertoire zur U ntersuchung der
Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi. org/10.1007/978-3-658-31154-4_6. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 M. Obermaier, Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht der Rezipienten, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31154-4_6
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6 Methodisches Vorgehen
Korrelate von Vertrauen in journalistische Medien aus Sicht von Rezipienten dominieren quantitative Befragungen. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass gerade in der US-amerikanischen Forschung häufig Sekundäranalysen (inter-) nationaler Repräsentativbefragungen durchgeführt werden. Um die Effekte gängiger Operationalisierungen von Vertrauen in journalistische Medien zu überprüfen, wurden daneben vereinzelt experimentelle Designs (z. B. S plit-Ballot Verfahren) eingesetzt (Daniller et al., 2017). Qualitative Befragungen wurden überwiegend verwendet, um dessen indirekte Operationalisierungen zu explorieren (Matthes & Kohring, 2003; Pjesivac et al., 2016). Um Kausalzusammenhänge zwischen Einflüssen und Vertrauen in journalistische Medien aufzudecken, wäre ein experimentelles oder ein Längsschnittdesign (z. B. Panelbefragung) nötig. Ersteres ist allerdings für das vorliegende Erkenntnisinteresse nicht zielführend, da ein experimentelles Design besonders die Untersuchung von Einflüssen auf die Vergabe von Vertrauen in spezifischen Situationen zulässt (z. B. mittels Vignettenanalyse, Jakobs, 2018). Hier soll es jedoch um generalisiertes Vertrauen und dessen Korrelate sowie deren relative Assoziationen untereinander gehen. Letzteres Längsschnittdesign macht insbesondere Sinn, wenn Einflüsse variierender Variablen auf Vertrauen in journalistische Medien interessieren. In dieser Studie stehen zum einen soziopolitische (Wert-)Orientierungen im Fokus, wobei argumentiert werden kann, dass diese relativ stabil sind. Um Veränderungen im Grad des generalisierten Vertrauens in journalistische Medien sowie der medialen Performanzbewertung nachzuweisen, wären entsprechend lange Zeitfenster zwischen den Wellen von Nöten, beispielsweise, um verschiedene Erfahrungen mit der medialen Performanz einzuschließen. Da diese Studie jedoch das Ziel verfolgt, einen breiten Überblick über relative Korrelate von Vertrauen in journalistische Medien in der deutschen Bevölkerung zu gewinnen und damit gegebenenfalls auch bisherige Erkenntnisse zu replizieren, schien eine quantitative Repräsentativbefragung geeignet (Brosius et al., 2012, S. 4–5). Allerdings können damit keine Kausalzusammenhänge identifiziert, also die gefundenen Assoziationen nicht ursächlich auf die Prädiktoren zurückgeführt werden. An diesem Punkt der Forschung, zu dem wenige repräsentative Befunde zu relativen Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien in Deutschland vorliegen, stellt dies jedoch notwendigen Schritt dar; auch, um auf Basis der Erkenntnisse Kausalnachweise zentraler Korrelate anstreben zu können. Daneben sind vor allem zwei weitere Limitationen einer Befragung zu Vertrauen in journalistische Medien zu diskutieren. Zum einen ist in Bezug auf die Erhebung von Vertrauen in journalistische Medien denkbar, dass dessen Vergabe
6.1 Wahl der Methode und Konzeption der Untersuchung
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primär dann reflektiert wird, wenn dieses für Rezipienten sehr schwerwiegende positive oder negative Folgen haben kann; gleiches lässt sich für die Bewertung der medialen Performanz vermuten. Allerdings interessiert hier erstens nicht die Abbildung der absoluten Häufigkeit der situationalen Vergabe von Vertrauen in journalistische Medien (vgl. auch Peter, 2016, S. 126); vielmehr soll über verschiedene Situationen (und mediale Objekte) generalisiertes Vertrauen abgefragt werden. Derart eindringliche Erfahrungen könnten die Angabe des Levels des Medienvertrauens in der Befragungssituation weiter zwar überproportional prägen; jedoch werden diese Rückbezüge auch in „regulären“ Vertrauensvergaben von Individuen hergestellt (Ladd, 2008, S. 6). Zum anderen liegt bei einem kontrovers diskutierten Thema wie Vertrauen in journalistische Medien der Einwand nahe, dass Individuen mit zynischen Haltungen gegenüber diesen oder gesellschaftlichen Institutionen im Allgemeinen (vgl. auch Schultz et al., 2017) nicht ehrlich antworten oder erst gar nicht an wissenschaftlichen Befragungen dazu teilnehmen. So sei dahingestellt, ob diese mit einer quantitativen Befragung zu Vertrauen in journalistische Medien erreicht werden oder systematische Stichprobenausfälle darstellen, was problematisch sein kann. Der Anteil der Verweigerer wird bei regulären Bevölkerungsumfragen auf mindestens 30 Prozent geschätzt, wobei dafür diverse Gründe in Frage kommen (z. B. Datenschutz, sprachliche Barrieren). Allerdings ist eben über Motive und Merkmale systematischer Verweigerer nichts bekannt. Daher bliebe zu überprüfen, welche Gruppen der deutschen Bevölkerung unter- oder überrepräsentiert sind, was lediglich mittels Daten von Volkszählungen möglich ist (Brosius et al., 2012, S. 76–77). Bisherige (repräsentative) Studien der deutschen Bevölkerung zeigen jedoch, dass durchaus Personen mit geringen Vertrauenswerten in journalistische Medien oder medienbezogenem Zynismus teilnehmen (Schindler et al., 2018; Ziegele et al., 2018). Auch musste eine Entscheidung hinsichtlich des Befragungsmodus getroffen werden. Online-Befragungen bieten zwar Vorteile in forschungsökonomischer sowie technischer Hinsicht (z. B. komplexe Filterführung). Auch nehmen Befragte das Ausfüllen eines Online-Fragebogens häufig als sehr anonym wahr, was bei einem potenziell sensiblen Thema wie Vertrauen in journalistische Medien wichtig ist (Taddicken, 2009, S. 94). Jedoch sind repräsentative Online-Stichproben oftmals schwer zu erzielen, weswegen häufig auf quotierte Stichproben zurückgegriffen wird. Eine repräsentative Zufallsstichprobe der deutschen Bevölkerung lässt sich hingegen mittels computergestützter telefonischer Befragung (CATI) vergleichsweise einfach erzeugen, sofern Festnetzund Handyanschlüsse berücksichtigt werden (Häder & Häder, 2009). Allerdings
178
6 Methodisches Vorgehen
birgt die Durchführung am Handy Limitationen in Bezug auf Dauer und Reaktivität des Antwortverhaltens bei heiklen Fragen, sofern diese in der Öffentlichkeit geschieht (Brosius et al., 2012, S. 104–108). Ein weiterer Vorteil ist, dass für eine CATI-Befragung eine relativ kurze Feldzeit benötigt wird und aufgrund der Computerunterstützung Fehler bei der Datenerhebung (z. B. Auslassen von Fragen) vermieden werden können. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit geringer als bei Online-Befragungen, dass eine andere Person als die in die Stichprobe gewählte das Interview gibt. Auch ist die subjektive Anonymität bei telefonischen Befragungen zumindest eher gegeben als in face-to-face Interviews; Interviewereffekte sind folglich reduziert, da die Befragten zu Beispiel keine nonverbalen Reaktionen der Interviewer sehen können. Allerdings muss bei der Gestaltung des Fragebogens darauf geachtet werden, dass sich die Befragten die Fragen und Antwortvorgaben gut vorstellen können. Auch sind die Abbruchquoten bei Telefonumfragen höher als in der persönlichen Interviewsituation, da Befragte schnell auflegen können. Somit sollte der Fragebogen von angemessener Länge und verständlich sein (Brosius et al., 2012, 108–109, 116; Möhring & Schlütz, 2013, S. 196–197). Aus genannten Gründen fiel die Entscheidung auf eine repräsentative, quantitative Querschnittbefragung (CATI). Wie die Untersuchung durchgeführt wurde und wie die Zusammensetzung der Stichprobe ausfällt, wird im Folgenden dargelegt.
6.2 Durchführung der Untersuchung und Beschreibung der Stichprobe Um die Forschungsfragen zu beantworten und die Hypothesen zu überprüfen, wurde eine quantitative Repräsentativbefragung der deutschen Bevölkerung durchgeführt. Dazu wurde das sozialwissenschaftliche Umfragezentrum der Universität Duisburg-Essen mit der Durchführung einer computergestützten Telefonbefragung (CATI) beauftragt. Ziel der Studie ist es, Aussagen über relative Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Medien der deutschen Bevölkerung zu treffen. Um diesen Repräsentativitätsschluss durchführen zu können, muss die Stichprobe ein strukturgleiches Abbild der deutschen Bevölkerung darstellen (Brosius et al., 2012, S. 59). Dies kann durch die Ziehung einer Zufallsstichprobe gewährleistet werden, woran erstens die Voraussetzung geknüpft ist, dass alle Elemente der Grundgesamtheit – hier die in Deutschland (in Privathaushalten mit Telefonanschluss) lebenden Personen ab 18 Jahren (Sozialwissenschaftliches
6.2 Durchführung der Untersuchung und Beschreibung der Stichprobe
179
Umfragezentrum GmbH [SUZ], 2017, 1. Februar, S. 1) – vorliegen (z. B. als Adressdaten in einer Datenbank).1 Dazu kam ein zweistufiges Auswahlverfahren durch das Umfrageinstitut zum Einsatz (SUZ, 2017, 1. Februar, S. 1–2). In einem ersten Schritt wurde eine Zufallsstichprobe privater Haushalte mit Telefonanschlüssen nach dem von Gabler und Häder (1997) für die Struktur der Telefonnummern in Deutschland entwickelten Random Digit Dialing-Verfahren (RDD) gezogen. Dabei selektiert ein Computer zufällig eine bestimmte Anzahl von Zahlenkombinationen, die der Länge der Telefonnummern in der jeweiligen Grundgesamtheit entsprechen. Damit alle Haushalte mit Telefonanschluss die gleiche Wahrscheinlichkeit haben, in die Stichprobe zu gelangen, müssen die Telefonnummern gleichmäßig über das ganze Zahlenspektrum verteilt und gleich lang sein (wie beispielsweise in den USA). Das RDD Verfahren von Gabler und Häder (1997) lässt dabei zu, auch die Nummern von nicht im Telefonbuch enthaltenen Haushalten berücksichtigen, was eine Zufallsauswahl auf dieser Datenbasis für eine repräsentative Stichprobe ermöglicht (S. 8, 17; vgl. auch Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. [ADM], 2014, S. 137–166; Häder, Gabler & Heckel, 2009, S. 30).2 Da der Anteil der Personen in Deutschland, die nur über Mobilfunk zu erreichen sind, mindestens 13 Prozent beträgt, wurde auch eine Mobilfunkstichprobe miteinbezogen. Die Wahl fiel auf einen solchen sog. Dual FrameAnsatz, da sich die Gruppe der Personen, die nur über Mobilfunk zu erreichen sind in bestimmten Merkmalen von denen unterscheiden könnte, die nur über einen Festnetzanschluss oder beide Anschlussformen verfügen. Entsprechend
1Die
Befragung wurde im Rahmen des Projektes „Vertrauen in Medien“ gemeinsam mit Nayla Fawzi in Auftrag gegeben und das Erhebungsinstrument im Hinblick auf die jeweiligen Forschungsinteressen konstruiert. Gefördert wurde das Vorhaben erstens durch das Zukunftskonzept LMUexcellent im Rahmen der Exzellenzinitiative der LudwigMaximilians-Universität München, eingeworben von Nayla Fawzi (Unterstützung des Habilitationsvorhabens), und zweitens durch die Münchener Universitätsgesellschaft, Verein der Freunde und Förderer der Ludwig-Maximilians-Universität München e. V., eingeworben von Magdalena Obermaier (Unterstützung des Dissertationsvorhabens).
2Dies
wird im Falle von Festnetznummern dadurch erzielt, dass erstens für jeden Vorwahloder Ortsnetzbereich die Anzahl eingetragener Rufnummern ermittelt wird. Zweitens wird basierend auf Listen der jeweils vergebenen Rufnummern die Anzahl der mit mindestens einer Nummer besetzten Blocks (= gleich lange Abschnitte der Folge natürlicher Zahlen mit der Länge L, wobei L = 1 einer einfachen Telefonbuchauswahl entspricht) ermittelt. Sämtliche mit mindestens einer Rufnummer besetzten Blocks werden dann mit der maximal möglichen Anzahl von Ziffernfolgen aufgefüllt. Aus diesen Ziffernfolgen wird in einem dritten Schritt zufällig gezogen (Gabler & Häder, 1997, S. 9–16).
180
6 Methodisches Vorgehen
wären diese (z. B. Singlehaushalte) in der Stichprobe unterrepräsentiert; auch hat der Einbezug von Mobilfunknummern den Vorteil, dass die Erreichbarkeit erhöht wird (ADM, 2014, S. 167–190). Für die Auswahl der Mobilfunknummern wurde ähnlich vorgegangen und dabei ein Verhältnis von 70 Prozent Festnetz und 30 Prozent Mobilfunknetz an der Teilnehmerzahl angestrebt (Häder et al., 2009, S. 42–44; SUZ, 2016, 13. Oktober, S. 10). Für die Befragung wurde eine Pretestversion des Fragebogens in einen computergestützten Fragebogen umgesetzt. Dies ermöglichte zum einen Anmerkungen zu Formalia des Fragebogens durch das Umfrageinstitut und zum anderen die Schulung der Interviewer zum Umgang mit dem Fragebogen (SUZ, 2017, 1. Februar, S. 3). Dass die Interviewer zwar möglichst wenig über den Zweck der Befragung und die wissenschaftlichen Hintergründe wissen, jedoch mit dem Fragebogen vertraut sein sollen, ist dabei essentiell für die Güte der Befragung. Nicht zuletzt, damit sie sich in den Interviews möglichst einheitlich verhalten und angemessen auf Nachfragen reagieren können (Möhring & Schlütz, 2013, S. 190). Die eingesetzten Interviewer hatten darüber hinaus bereits eine technischen Schulung und Probeinterviews durchlaufen (SUZ, 2017, 1. Februar, S. 3). Auch sollten für größere Bevölkerungsumfragen eine hohe Anzahl an Interviewern eingesetzt werden, um die Motivation sowie genaues und redliches Verhalten zu fördern und damit die Gültigkeit zu erhöhen; mögliche Einflüsse der Interviewer fallen auf diese Weise außerdem nicht derart stark ins Gewicht (Brosius et al., 2012, S. 118–119). Hier waren 40 Interviewer tätig, wobei die durchschnittliche Zahl der Interviews pro Interviewer bei 25 lag. Ein Pretest des Fragebogens wurde mit n = 20 Befragten (neun weiblich, Durchschnittsalter: M = 55, SD = 13.20) durchgeführt, um zu überprüfen wie verständlich und praktikabel der Fragebogen für die Befragten sowie die Interviewer ist (Möhring & Schlütz, 2013, S. 192). Im Anschluss wurde der Fragebogen leicht überarbeitet. Dies umfasste im Wesentlichen die Vereinfachung von Fragen und die Ergänzung von Anweisungen für die Interviewer. Die Feldphase der Befragung erstreckte sich von 7. Dezember 2016 bis 31. Januar 2017. Nach dem obig beschriebenen Verfahren wurden sowohl für den Festnetz- als auch für den Mobilfunkrahmen Nummernfolgen erzeugt. Aus den so generierten Nummern wurde eine Zufallsauswahl von Telefonnummern im Bundesgebiet durchgeführt. Die Zielpersonen im Haushalt, die befragt werden sollen, wurden in einem zweiten Schritt nach der Last Birthday-Methode mittels systematischer Zufallsauswahl ermittelt (Brosius et al., 2012, S. 110–111). Damit sollte sichergestellt werden, dass das Auswahlkriterium (hier das Geburtsdatum) nicht in Abhängigkeit der interessierenden Merkmale verteilt ist (Brosius et al., 2012, S. 66). Die Bruttostichprobe umfasste 7.680 Telefonnummern. Die Interviews wurden jeweils montags bis freitags abends und samstags nachmittags geführt,
6.2 Durchführung der Untersuchung und Beschreibung der Stichprobe
181
um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, die Zielpersonen zu erreichen. War eine Kontakt- oder Zielperson unter einem Anschluss nicht zu erreichen, wurde dies zu einem späteren Zeitpunkt erneut versucht (SUZ, 2017, 1. Februar, S. 2). Durchschnittlich dauerten die Interviews 32.54 Minuten (SD = 9.56); die minimale Länge der Interviews betrug rund 18 Minuten, das längste Interview dauerte rund 95 Minuten. Das Interview abgebrochen haben lediglich 53 Zielpersonen. Insgesamt umfasst die finale Stichprobe 1.005 vollständig durchgeführte Interviews. 86 Prozent der Interviews wurden dabei über einen Festnetzanschluss und 14 Prozent über einen Mobilfunkanschluss geführt. Dies entspricht einer Ausschöpfungsquote von 13 Prozent (SUZ, 2017, 1. Februar, S. 4–5), was für eine telefonische Befragung im unteren Bereich liegt (Schneiderat & Schlinzig, 2009, S. 94). Die Stichprobe (n = 1.005) ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren (50 % weiblich; Durchschnittsalter: M = 53, SD = 16.56). 57 Prozent der Befragten haben die (Fach-)Hochschulreife oder einen höheren Bildungsabschluss, 42 Prozent geben als höchsten Bildungsabschluss einen Volks-, Haupt- oder Mittelschulabschluss, eine abgeschlossene Lehre oder einen Realschulabschluss an. Alles in allem entspricht die Stichprobe jedoch im Wesentlichen den dort ermittelten soziodemografischen Merkmalen der deutschen Bevölkerung (vgl. auch Statistisches Bundesamt [Destatis], 2017, Destatis, 2018). Was die Parteipräferenz in der Stichprobe betrifft, so äußert etwa ein Drittel derjenigen Befragten, die diese angaben (n = 753), die Intention, die CDU/CSU zu wählen (30 %), wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Rund ein Fünftel hat die Parteipräferenz SPD (22 %) oder Bündnis 90/Die Grünen (16 %); neun Prozent präferieren die FDP, acht Prozent Die Linke und sechs Prozent die AfD. Auf sonstige Parteien entfallen zwei Prozent, sechs Prozent würden nicht wählen. Vergleicht man diese Anteile mit repräsentativen Befunden zur Sonntagsfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD Allensbach, k. A.) für Dezember 2016 und Januar 2017, so zeigt sich, dass in der Stichprobe Befragte mit Präferenz der AfD (6 % vs. IfD: 11 bis 12 %) sowie sonstiger Parteien (2 % vs. IfD: 4 bis 5 %) leicht unterrepräsentiert sind.3 Denkbar ist jedoch auch, dass
3Um
ungleiche Auswahlwahrscheinlichkeiten aufgrund der mehrstufigen Stichprobenziehung zu korrigieren, können zum einen Design-Gewichte eingesetzt werden. Zum anderen ist es möglich, Verzerrungen durch in der Stichprobe über- oder unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen mittels Redressement-Gewichtung auszugleichen (Arzheimer, 2009, S. 362). Hier wird aus den folgenden Gründen davon abgesehen. Erstens ist die Anwendung von Design-Gewichten zwar unproblematisch, allerdings häufig ohne Einfluss auf die Befunde, da diese auf theoretischen Auswahlwahrscheinlichkeiten basieren (Arzheimer, 2009, S. 363; vgl. auch Rothe, 1994). Die Anwendung eines Haushalts-
182
6 Methodisches Vorgehen
die Befragten partiell keine Angabe diesbezüglich gemacht haben, was allerdings auf Basis der Daten nicht geprüft werden kann. Bürger, die das Bündnis 90/Die Grünen oder die FDP präferieren sind hingegen mit einem leicht höheren Anteil vertreten (16 % vs. IfD: 9 bis 10 %). Dies ist somit bei der Interpretation der Befunde zu berücksichtigen. Nachdem die Durchführung der Befragung sowie die Stichprobe beschrieben und diskutiert wurden, folgt nun eine Darstellung des Aufbaus des Fragebogens sowie der Messung der zentralen Konstrukte.
6.3 Aufbau des Fragebogens und Messung zentraler Konstrukte Der Fragebogen umfasst in seiner finalen Form 39 Fragen und ist in sechs Blöcke gegliedert (vgl. Fragebogen Projekt „Vertrauen in Medien“, elektronisches Zusatzmaterial).4 Nach einer Begrüßung der Kontaktperson mit der Frage, ob eine Zielperson im Haushalt bereit ist, an einer Befragung zum Thema „Medien und Politik“ teilzunehmen, erhielten die Befragten als Einstieg in einem ersten
gewichtes (ungleiche Auswahlwahrscheinlichkeit aufgrund divergierender Anzahl an Zielpersonen) erzeugt hier größere Abweichungen. Eine Angleichung der Soziodemografie an die der Grundgesamtheit durch ein Design-Gewicht zum Ausgleich der Auswahlwahrscheinlichkeiten durch den Dual-Frame Ansatz ist in diesem Fall analog vernachlässigbar gering. Zweitens müssten die Variablen für eine Redressement-Gewichtung eng mit der Teilnahmebereitschaft assoziiert sein und Befragte sowie Verweigerer gemäß Gewichtungsvariablen in weiteren Merkmalen nicht systematisch voneinander abweichen. Zwar gibt es Hinweise, dass Zusammenhänge durch systematische Ausfälle verzerrt sein könnten. Allerdings können Gewichtungsvariablen, sofern kein starker Einfluss auf die einbezogenen Variablen besteht, diese Verzerrungen nicht wesentlich beheben; insbesondere, wenn es sich um soziodemografische Merkmale handelt, die in Analysen ohnehin als Kontrollvariablen eingehen (Arzheimer, 2009, S. 365, 375). Dagegen ist bei RedressementGewichtungen „stets damit zu rechnen, daß die Varianz der Parameterschätzungen durch die Gewichtung steigt. Häufig wird dieser Verlust an Präzision die Vorteile einer weniger stark verzerrten Parameterschätzung überwiegen“ (Arzheimer, 2009, S. 375). Sofern es in der ungewichteten Stichprobe jedoch zu einer eingeschränkten Varianz von Merkmalen kommt, könnte die Assoziation in der Grundgesamtheit unterschätzt werden (Rasch, Friese, Hofmann & Naumann, 2014, S. 92). Dies ist bei der Interpretation zu beachten. 4Im Folgenden wird auf die Variablen eingegangen, die in der vorliegenden Studie Verwendung finden; für weitere Operationalisierungen im Rahmen des Projektes „Vertrauen in Medien“ vgl. Fragebogen Projekt „Vertrauen in Medien“, elektronisches Zusatzmaterial.
6.3 Aufbau des Fragebogens und Messung zentraler Konstrukte
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Block Fragen zu ihrer Nachrichtennutzung. Ein zweiter Block umfasste Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen, darunter generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien und politische Institutionen sowie generalisiertes soziales Vertrauen, die politische Performanzbewertung und soziopolitische Merkmale. In einem dritten Block folgte die Abfrage von Vertrauen in (journalistische) Mediengattungen, die Bewertung vergangener medialer Performanz und der wahrgenommenen Meinungsrepräsentanz durch journalistische Medien. Dabei wurde jeweils mit der Erhebung von Vertrauen begonnen, um diese nicht durch die folgenden performanzbezogenen Fragen zu beeinflussen. Potenzielle Gründe für die Performanz journalistischer Medien (z. B. Restriktionen journalistischer Autonomie), medienbezogene Skepsis und Zynismus und das Vertrauen in journalistische Medien im Rahmen der Sozialisation wurden in einem vierten Block erhoben, um Ausstrahlungseffekte zu vermeiden. Ein fünfter Block umfasste schließlich die politische Grundorientierung und schloss mit der Erhebung soziodemografischer Merkmale und der Parteipräferenz ab. Besonders in den Blöcken zwei und drei wurden mehrere allgemeine Urteile über die Leistungen journalistischer Medien und politischer Institutionen verlangt. Um ein breites Spektrum an möglichen Prädiktoren zu erfassen, war dies nötig; jedoch kann eine Abfolge an generalisierten Bewertungen für die Befragten leicht ermüdend oder überfordernd sein. Um dem entgegenzuwirken und damit die Reliabilität und Güte der Befragung zu fördern, wurde bei der Dramaturgie des Fragebogens drauf geachtet, vom Allgemeinen zum Speziellen vorzugehen sowie die Fragebatterien durch Betonung der jeweiligen Bezugsobjekte in Überleitungen logisch voneinander abzugrenzen. Ein Augenmerk lag auch darauf, die Testfragen möglichst konkret und am Erfahrungsschatz der Befragten zu formulieren sowie spezifische Anweisungen zu den Antwortvorgaben für die Befragten, aber auch für die Interviewer bei Nachfragen zu liefern (Möhring & Schlütz, 2013, S. 190). Da die Befragung eine reaktive Methode der Datenerhebung darstellt, kann speziell bei einem potenziell sensiblen Thema wie Vertrauen in journalistische Medien sozial erwünschtes Antwortverhalten eine Rolle spielen. Wenn Individuen eine Diskrepanz zwischen der eigenen Einstellung oder Handlungen sowie der diesbezüglich als sozial erwünscht wahrgenommenen Norm empfinden, könnten sie dazu neigen, erstere zu verschleiern oder lediglich preiszugeben, wenn sie ihre Angaben als nicht-identifizierbar und in der Situation eine geringe soziale Sichtbarkeit wahrnehmen. Daher wurde im Pretest darauf geachtet, behutsame Frageformulierungen und für die Befragten hilfreiche Anweisungen auf Nachfragen für die Interviewer anzuführen. Um kognitive Reaktivitätseffekte zu vermeiden, wurde auf einfache und wertfreie Frageformulierung geachtet und diese im Pretest überprüft (Möhring & Schlütz, 2013, S. 185; Scholl, 2013, S. 87–90).
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Im Folgenden werden Operationalisierungen der einbezogenen Variablen beschrieben (für Frageformulierungen, Anweisungen und Residualkategorien vgl. auch Fragebogen Projekt „Vertrauen in Medien“, elektronisches Zusatzmaterial). Diese wurden weitgehend auf 5-stufigen Skalen erhoben, wobei deren Abstufungen als absolut zu betrachten sind und diese damit als (quasi-)metrisch behandelt werden (Möhring & Schlütz, 2013, S. 193). Um Reihenfolgeeffekte zu vermeiden (Brosius et al., 2012, S. 108), wurden die Items innerhalb der jeweiligen Fragebatterien randomisiert. Im Falle des Vertrauens in alternative Medien ist denkbar, dass sich manche Befragte darüber noch nie Gedanken gemacht und folglich keine generalisierte Haltung diesbezüglich haben („non opinions“). Um keine ad hoc-Bewertung zu erzwingen, wurde durchweg eine Ausweichoption „kann ich nicht beurteilen“ (je nach semantischer Passung auch „weiß nicht“ oder „kenne ich nicht“) eingefügt. Auch wurde jeweils eine Option für „keine Angabe“ gelassen, um einem Abbruch oder sozial erwünschte Antworten vorzubeugen. So werden in der nachfolgenden Darstellung die Befunde größtenteils mit Residualkategorien ausgewiesen (Scholl, 2013, S. 90–95). Bei der folgenden Präsentation zentraler Konstrukte wird nun von der Reihenfolge im Fragebogen abgewichen und dem Aufbau des Theorieteils sowie der Analyselogik gefolgt. Vertrauen in journalistische Medien stellt die zentrale abhängige Variable dar. In der vorliegenden Studie wurde entschieden, Vertrauen in journalistische Medien über eine direkte Abfrage zu messen. Erstens lässt sich dies theoretisch begründen, da sich die Studie an Annahmen dazu orientiert, dass die Bewertung vergangener Performanz das Vertrauen in (die zukünftige Performanz von) Institutionen prägen kann. Dieses Verständnis ist nicht zuletzt in zentralen Definitionen von Vertrauen in Institutionen (implizit) enthalten (vgl. Abschnitt 2.1.1). So fiel die Entscheidung gegen eine indirekte, reflexive Messung von Vertrauen in journalistische Medien mittels medialer Performanzbewertung, denen die Annahme zugrunde liegt, dass diese von einem latenten Vertrauensfaktor beeinflusst wird, den sie damit wiedergibt (Prochazka & Schweiger, 2019, S. 28). Zweitens wurde davon abgesehen, Vertrauen in journalistische Medien indirekt als Bereitschaft zu operationalisieren, auf Basis dessen eine Meinung zu bilden oder eine (Handlungs-)Entscheidung zu treffen. Zum einen sollen die Befunde mit bisherigen Studien zu Einflüssen auf Vertrauen in journalistische Medien sowie politischem Vertrauen vergleichbar sein, was für den Einsatz der gängigen, direkten Abfrage von Vertrauen in journalistische Medien (analog zur Erhebung politischen Vertrauens) spricht. Zum anderen interessieren neben Einflüssen auf generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien auch Einflüsse auf Vertrauen in journalistische Mediengattungen; dazu sollten die Vertrauensitems vergleichbar und forschungsökonomisch einsetzbar sein.
6.3 Aufbau des Fragebogens und Messung zentraler Konstrukte
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Die direkte Single-Item Messung von Vertrauen in journalistische Medien ist jedoch nicht unstrittig. Erstens wird in der Literatur der Einwand geäußert, dass es den Befragten selbst überlassen wird, was sie unter dem Vertrauensobjekt verstehen und in Bezug auf was sie vertrauen (Kohring, 2004, S. 196–197). Allerdings gibt es erste Hinweise, dass Rezipienten bei der Frage nach Vertrauen in „die Medien“ schätzen, dass es sich um journalistische Medien handelt (Müller, 2013, S. 103–111) und sich unabhängig von der Art der Messung nur wenig darin unterscheiden, in Bezug auf was sie diesen vertrauen (Ladd, 2012, S. 99–101; vgl. auch Knudsen, Dahlberg, Iversen, Johannesson & Nygaard, 2018, Mai). Jedoch zeigt sich auch, dass die Befragten bei solch generalisierten Vertrauensobjekten geringere Vertrauenslevels angeben als bei spezifischeren (Daniller et al., 2017). Zweitens findet sich der Einwand, dass sich Befragte bei der direkten Abfrage von Vertrauen künstlich des inhärenten Risikos bewusst werden, ihre Meinungsbildung auf die Berichterstattung zu stützen; damit würde man eine Ex-Post Rationalisierung des Vertrauens begünstigen (Kohring, 2004, S. 196–197). Da hier der Annahme gefolgt wird, dass Rezipienten auch in alltäglichen Mediennutzungssituationen mediale Vertrauensbeziehungen mal mehr und mal weniger reflektieren und überdies hier nicht situationales Vertrauen interessiert, wird dies in Kauf genommen. Drittens wird, wie angedeutet, partiell vermutet, dass Vertrauenswerte bei Befragungen aus dem Gedächtnis abgerufen werden; entsprechend würden Angaben des generalisierten Vertrauens in journalistische Medien davon beeinflusst, welche Überlegungen in der Befragungssituation salient sind. Allerdings werden diese Rückbezüge auch hergestellt in alltäglichen Vertrauensentscheidungen und dienen so der externen Validität der Befunde (Daniller et al., 2017, S. 77). Generalisiertes Vertrauen in journalistische Medien als eine Form des Vertrauens in Institutionen wurde mit einem Item in Bezug auf „die Medien“ abgefragt (5-stufige Skala, 1 = „kein Vertrauen“ bis 5 = „sehr großes Vertrauen“, M = 2.87, SD = .96). Zudem wurde generalisiertes Vertrauen in Journalisten erhoben („Journalisten in Deutschland sind vertrauenswürdig“, 5-stufige Skala, 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“, M = 3.23, SD = .92; vgl. auch Walter-Rogg, 2005, S. 141). Generalisiertes Vertrauen in Formen von (journalistischen) Mediengattungen gaben die Befragten überdies an (5-stufige Skala, 1 = „kein Vertrauen“ bis 5 = „sehr großes Vertrauen“). Zu den Formen von Mediengattungen, die für Befragte weniger geläufig sein könnten oder eine große Bandbreite an unterschiedlichen Angeboten umfassen (Neuberger, 2012; Schultz et al., 2017), wurden bei der ersten Nennung der medialen Objekte im Fragebogen (im Zuge der Abfrage der Mediennutzung) jeweils Ankerbeispiele für Angebote genannt. Dies umfasste erstens die Abfrage von Vertrauen
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in die Qualitätspresse und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk („in öffentlichrechtliches Radio oder Fernsehen“, M = 3.61, SD = .96, „in überregionale Zeitungen oder Nachrichtenmagazine“, M = 3.47, SD = .90, „in Lokalzeitungen“, M = 3.29, SD = .89, „in Onlineangebote von Zeitungen, Nachrichtenmagazinen oder öffentlich-rechtlichem Rundfunk“, M = 3.20, SD = 1.03). Zweitens gaben die Befragten Vertrauen in die Boulevardpresse und den privaten Rundfunk an („in privates Radio oder Fernsehen“, M = 2.75, SD = 1.00, „in Boulevardzeitungen“, M = 1.79, SD = .87, „in Onlineangebote von Boulevardzeitungen oder privatem Rundfunk“, M = 2.04, SD = .96). Drittens wurde Vertrauen in nutzergenerierte Inhalte („in Medienbeiträge, die Ihre Freunde in sozialen Netzwerken teilen“, M = 2.41, SD = .97, „in Beiträge oder Kommentare von Internutzern“, M = 1.86, SD = .88) und „in so genannte alternative Medienangebote“ erhoben (M = 2.20, SD = .99). Medienbezogene Skepsis (Pinkleton et al., 2012) wurde erfasst mit dem Item „Ich hinterfrage Medienbeiträge erst gründlich, bevor ich sie glaube“ (5-stufige Skala, 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“, M = 3.62, SD = 1.16). Medienbezogener Zynismus (Pinkleton et al., 2012; Ziegele et al., 2018) wurde ebenfalls in Anlehnung an aus der Literatur herausgearbeitete Verständnisse (vgl. Abschnitt 2.1.3, Abschnitt 3.1.4) operationalisiert. Die Items zur Erfassung eines Medienzynismus umfassten entsprechend eine pauschal negative Bewertung journalistischer Qualitätsdimensionen sowie normativer Funktionen journalistischer Medien (vgl. auch Schindler et al., 2018; Voigt, 2016; Ziegele et al., 2018). Gemessen wurde medienbezogener Zynismus mit folgenden Items (5-stufige Skala, 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = „trifft voll und ganz zu“): „Die Medien schreiben einem vor, was man denken soll“ (M = 2.31, SD = 1.29), „Die Medien berichten häufig absichtlich die Unwahrheit“ (M = 2.09, SD = 1.11), „Die Medien verheimlichen der Öffentlichkeit viele bedeutende Ereignisse“ (M = 2.54, SD = 1.28), „Die Medien stützen mit ihrer Berichterstattung die Mächtigen im Land, also Staat, Regierung oder Wirtschaft“ (M = 2.99, SD = 1.18), „Die Medien berichten alle nur das Gleiche“ (M = 2.61, SD = 1.25), und „Journalisten sind korrupt“ (M = 2.10, SD = .98).5 Insgesamt zeigen diese
5Eine
explorative Faktorenanalyse (EFA), die im Folgenden immer dann Einsatz findet, sofern nicht bereits entsprechende theoretische oder empirische Evidenzen zu möglichen Faktormodellen existieren, zeigt zwar, dass Medienskepsis und Medienzynismus auf einen Faktor laden (vgl. Tabelle 1, elektronisches Zusatzmaterial). Allerdings lädt Medienskepsis unzureichend schwach auf den Faktor, was auch empirisch für die theoretisch gefasste Distinktheit beider spricht.
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eine angemessene Reliabilität und werden im Folgenden als Mittelwertindex eingesetzt (M = 2.45, SD = .87, α = .82). Als unabhängige Variablen gehen erstens individuelle soziale und politische Merkmale in die Analyse ein. Als soziodemografische Merkmale wurde das Geschlecht (dummy-codiert, 0 = „männlich“, 1 = „weiblich“), das Alter (offen) und der bislang höchste Bildungsabschluss erfasst (dummy-codiert, 0 = „kein Abschluss“ bis „Mittlere Reife, Realschul- oder gleichwertiger Abschluss/ abgeschlossene Lehre“, 1 = „(Fach-)Abitur“ bis „Promotion“). Überdies sollten die Befragten angeben, in welchem Bundesland sie ihren Hauptwohnsitz haben (dummy-codiert, 0 = „alte Bundesländer“ vs. 1 = „neue Bundesländer“). Zur Erfassung des generalisierten sozialen Vertrauens indizierten die Befragten, wie sehr sie „den meisten Menschen“ vertrauen (5-stufige Skala, 1 = „kein Vertrauen“ bis 5 = „sehr großes Vertrauen“, M = 3.33, SD = .89). Die subjektive relative (sozioökonomische) Deprivation (Rippl & Baier, 2005) wurde indiziert durch: „Ich gehöre zu denen, die zurückbleiben, während es vielen anderen in Deutschland immer besser geht“ (M = 2.03, SD = 1.21). Die politische Grundorientierung wurde auf der gängigen Links-Rechts-Skala gemessen (11-stufige Skala, 0 = „links“ bis 10 = „rechts“, M = 4.62, SD = 1.63). Die Mehrheit der Befragten (88 %) ordnete sich dabei im Bereich der Mitte sowie Mitte-links und Mitte-rechts ein (Skalenpunkte 3 bis 7); weiter links (Skalenpunkte 0 bis 2, 8 %) oder rechts von der Mitte (Skalenpunkte 8 bis 10, 4 %) verortete sich ein Bruchteil. Da jedoch in der vorliegenden Studie weniger die linke oder rechte politische Ausrichtung als Proxy für etwaige P olicy-Positionen oder Parteipräferenzen interessiert (Neundorf, 2012, S. 228),6 sondern der Grad der Extremität, wurde das Item entsprechend umcodiert. In Anlehnung an Hanitzsch et al. (2018) sowie Lindqvist und Östling (2010) wurde der Extremitätsgrad der politischen Einstellung durch den jeweiligen Abstand zur Mitte bestimmt. Die Angabe mittlerer Skalenpunkte (4 bis 6) erhielt damit den Wert 1 (= „geringe Extremität“), jeweils die nächsthöheren Skalenpunkte mit dem gleichen Abstand zur Mitte die nächsthöheren Werte und die Angabe der Skalenpunkte 0 und 10 schließlich den Wert 5 (= „sehr hohe Extremität“, M = 1.52, SD = .96).
6So
wird angenommen, dass die Selbsteinstufung im Links-Rechts-Spektrum Orientierung im politischen Raum bietet (Neundorf, 2012, S. 228; vgl. auch Neundorf, 2009). Analog zeigt Neundorf (2012, S. 247) im Längsschnitt konsistentes Wahlverhalten gemäß der politischen Grundorientierung und demonstriert, dass Wähler eher an ihr politisches Lager gebunden sind als an Parteipräferenzen.
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6 Methodisches Vorgehen
Zusätzlich wurde die Parteipräferenz7 mittels Sonntagsfrage erhoben (z. B. „CDU/CSU“, „SPD“, „Bündnis 90/Die Grünen“, „Die Linke“, „FDP“, „AfD“, „Sonstige Partei“, „Ich gehe nicht wählen“, „nicht wahlberechtigt“). Da hier die politische Grundorientierung interessiert und die Parteipräferenz diese nur bedingt widerspiegelt, wurde dies lediglich zur Beschreibung der Stichprobe verwendet. Nach Wertorientierungen der Befragten wurde ebenfalls gefragt, wobei die Zustimmung zu pluralistischen sowie autoritären Werten exemplarisch als potenzielle Prädiktoren von Vertrauen in journalistische Medien herausgestellt wurden. Eine pluralistische Wertorientierung (Akkerman et al., 2014, S. 1331; Rohrschneider, 1999, S. 273) wurde dabei mit dem Item erhoben: „In Deutschland wird so viel Rücksicht auf Minderheiten genommen, dass meine eigene Freiheit eingeschränkt wird“ (invers codiert, M = 3.84, SD = 1.31). 19 Prozent der Befragten stimmen einer so indizierten pluralistischen Wertorientierung (überhaupt) nicht zu (invers codiert), wobei 65 Prozent (voll und ganz) beipflichten. Zur Messung einer autoritären Wertorientierung wurden vier Items eingesetzt. Diese sollten die Dimensionen des Konventionalismus („bewährte Verhaltensweisen sollten nicht in Frage gestellt werden“, M = 3.07, SD = 1.26), sich politischen Autoritäten zu fügen, die die Sicherheit und Interessenvertretung der Bürger gewährleisten („wir brauchen starke Führungspersonen, damit wir in der Gesellschaft sicher leben können“, M = 3.77, SD = 1.22, „Wir benötigen einen starken Regierungschef, der durchsetzt, was die Menschen in Deutschland wirklich wollen“, M = 3.42, SD = 1.38) sowie der autoritären Aggression und damit das Befürworten harscher sozialer Kontrolle abdecken („gesellschaftliche Regeln sollten ohne Mitleid durchgesetzt werden“, M = 2.97, SD = 1.32, Duckitt et al., 2010; Six, 2009, S. 85; Spier, 2010, S. 144). Jeweils rund 30 Prozent der Befragten stimmen dabei Konventionalismus sowie autoritärer Aggression (über-
7Die
Mehrheit der Befragten jeglicher Parteipräferenz verortet sich im mittleren Bereich (Skalenpunkte 3 bis 7, „CDU/CSU“ = 93 %, „SPD“ = 88 %, „Bündnis 90/Die Grünen“ = 89 %, „Die Linke“ = 60 %, „FDP“ = 87 %, „AfD“ = 74 %), Chi2 (10) = 128.59, p