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German Pages 456 Year 2003
CHRISTOPH COEN
Vertragsscheitem und Rückabwicklung
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nümberg durch die Professoren Dr. Wolfgang Blomeyer (t) und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 22
Vertragsscheitem und Rückabwicklung Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum englischen und deutschen Recht, zum UN-Kaufrecht sowie zu den Unidroit Principles und den Principles of European Contract Law
Von Christoph Coen
Duncker & Humblot . Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 3-428-11 132-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
The daily negotiations and property of merchants ought not to depend upon subtleties and niceties, but upon mIes easily learned and easily retained, because they are the dictates of common sense, drawn from the tmth of the case. If the question is to depend upon the fact, every man can judge of the nature of the Iaw before the money is paid: but if it is to depend upon speculative refinements from the Iaw of nations or the Roman Jus Postliminii concerning the change or revesting of property, no wonder merchants are in the dark, when doctors have differed upon the subject from the beginning and are not yet agreed. Lord Mansfield C.J. in Hamilton v. Mendes (1761) 2 Burrow 1214, hier zitiert nach Fifoot, Lord Mansfield, S. 85.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2002 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Der Text befindet sich überwiegend auf dem Stand von Januar 2002; lediglich vereinzelt konnten spätere Entwicklungen, wie die verspätete Umsetzung der Verbraucherkaufrichtlinie ins englische Recht durch die Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 (In-Kraft-Treten: 31.03.2003), nachgetragen werden. Soweit nicht anders angegeben, wurden im Text angegebene Internetadressen im März 2003 überprüft. Im Zeitraum von April 1996 bis März 1998 wurde die Arbeit im Rahmen des (seinerzeitigen) Graduiertenkollegs "Internationalisierung des Privatrechts" an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg gefördert. Dem Direktor des Centro di studi e ricerche di diritto comparato e straniero in Rom, Herrn Prof. Bonell, und seinen Mitarbeitern danke ich für ihre Gastfreundschaft und Hilfe anlässlich eines Aufenthaltes an ihrem Institut. Die Dissertation wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg mit dem Dr.-Georg-Büchner-Preis 2002 ausgezeichnet; der Stifterin des Preises, der Wüstenrot & Württembergische AG in Stuttgart. bin ich ebenfalls zu Dank verpflichtet. Am meisten danke ich jedoch meiner Frau Bettina für ihre Geduld, Unterstützung und konstruktive Kritik. Freiburg, im März 2003
Christoph Coen
Inhaltsverzeichnis Teil]
Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge als Problem für Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung
19
A. Bestimmung des Themas ........................................... 19 I. Können Verträge überhaupt "scheitern"? ........................... 19 11. Methodische Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27 1. Pluralismus dogmatischer Erklärungsansätze .................... 27 2. Zusammengehörigkeit von "Scheitern" und "Rückabwicklung" .... 35 a) "Scheitern" als Gegenbegriff zur "Abwicklung" .............. 35 b) Verhältnis zwischen Befreiung von der Bindung an das vertragliche Leistungsprogramm und Rückabwicklung ............... 38 c) Scheitern als Instrument zur Durchsetzung der vertraglichen Risikoverteilung .......................................... 41 d) Bedeutung der Gründe des Scheitems für die Rückabwicklung .. 47 e) Die Sicht des Vertragsrechts in der vorliegenden Arbeit. . . . . . .. 51 B. Gang der Darstellung .............................................. 53 C. Die einzelnen untersuchten Rechtsordnungen ........................ I. Staatliches Recht ............................................... 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Das englische Recht als Kontrastmodell ..................... b) Die Entwicklung des englischen Bereicherungsrechts .......... (1) Bereicherungsrecht als primärer systematischer Standort der Rückabwicklung ...................................... (2) Die "Gründungslegende" des englischen Bereicherungsrechts ................................................ (3) Aktionenrechtliche Ursprünge .......................... (4) Der Beitrag von Lord Mansfield ........................ (5) Die "implied-contract"-Lehre .......................... (6) Neuere Entwicklungen in Literatur und Rechtsprechung ... (7) Die Gefahren von "bad history" ........................ 2. Deutsches Recht ............................................. 3. CISG ....................................................... 11. "Privatkodifikationen": Die Prinzipien-Texte ....................... 1. Unidroit Principles ............................... . ...........
56 58 58 58 59 59 60 61
64 70 75 78 82 88 91 92
Inhaltsverzeichnis
10
2. Principles of European Contract Law ........................... 3. Die Besonderheit der Prinzipien-Texte .......................... a) Zur Wünschbarkeit internationaler Vertragsrechtsvereinheitlichung ................................................... b) Die disparate Realität der internationalen Vereinheitlichungsprojekte ..................................................... c) Folgerungen für die Interpretation der Prinzipien-Texte ........
96 102 103 105 109
Teil 2 Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
112
A. Englisches Recht .................................................. . 114 Formen des Vertragsscheiterns und unterschiedliche Rückabwicklungsregime ......................................................... l. Natura1erfüllung, Schadensersatz und Scheitern des Vertrages ..... 2. Kategorien des Vertragsscheiterns ............................. . a) Überblick ................................................ b) Die Bedeutung der Kategorien .............................. (1) Bedeutung für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung (2) Bedeutung für die dingliche Rechtslage .................. (3) Bedeutung für Schadensersatzansprüche .................. (4) Bedeutung für die Konkurrenz unterschiedlicher Rückabwicklungsregime ...................................... c) Die Kategorien im Einzelnen .............................. . (1) Nichtigkeit (void contracts) ............................ (2) Rückwirkende Vernichtbarkeit (voidable contracts) ........ (3) Automatische Vertragsbeendigung bei frustration ......... (4) Vertragsbeendigung bei Vertragsbruch (termination for breach) .............................................. (5) Ausschluss der Klagbarkeit (unenforceable contracts) ..... H. Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes für breach of contract ........................................................... l. Schadensberechnung, die zur Rückabwicklung führt .............. 2. Indirekter Einfluss der Schadensberechnung auf die Rückabwicklung ........................................................ HI. Rückabwicklung im Rahmen von restitution ....................... l. Ansprüche auf Rückzahlung erbrachter Geldleistungen ........... a) Irrtum (mistake) .......................................... b) Ausbleiben der Gegenleistung lfailure of consideration) ....... c) Kritik deutscher Autoren am System der unjust factors ........ 2. Ansprüche auf Vergütung für Dienstleistungen und die Lieferung von Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
I.
114 114 116 116 117 117 118 119 121 123 123 124 125 126 142 143 143 146 149 152 153 155 164 169
Inhaltsverzeichnis
11
IV. Rückabwicklung durch dingliche Rechte ........................... V. Rückabwicklung durch deliktische Ansprüche ...................... VI. Nebenansprüche ................................................ 1. Zinsen ............... . ...................................... 2. Gebrauchsvorteile ................. . .......................... 3. Verwendungen ...............................................
175 178 179 179 179 181
B. Deutsches Recht ................................................... 183 I.
Formen des Vertragsscheiterns und unterschiedliche Rückabwicklungsregime ......................................................... H. Rückabwicklung im Rahmen vertraglicher Rückgewährschuldverhältnisse .......................................................... III. Rückabwicklung im Rahmen des Bereicherungsrechts .............. . IV. Schadensrechtliche Rückabwicklung .............................. V. Rückabwicklung im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses ..
183 186 205 208 208
C. CISG ............................................................. 209 I. H.
Autbebung des Vertrages ........................................ 210 Konkurrierende nationale Regelungen? ............................ 218
D. Unidroit Principles ................................................. 221 I. Nichtigkeit ..................................................... 221 H. Anfechtung .................................................... 224 III. Autbebung und anschließende Rückabwicklung .................... 225 1. Voraussetzungen der Autbebung ............................... 226 a) Wesentliche Nichterfüllung ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Fruchtloser Ablauf einer Nachfrist .......................... 238 c) Nacherfüllungsmöglichkeit als Einschränkung des Autbebungsrechts .................................................... 243 2. Rechtsfolgen der Autbebung .................................. 245
E. Principles of European Contract Law ............................... 253 I. H.
Anfechtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsautbebung und anschließende Rückabwicklung ....... . ..... . 1. Voraussetzungen der Vertragsautbebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Nichterfüllung ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antizipierte Nichterfüllung ................................ . c) Fruchtloser Ablauf einer Nachfrist .......................... d) Dauerndes und vollständiges Erfüllungshindernis ............. e) Wegfall des Interesses einer Partei .......................... 2. Rechtsfolgen der Vertragsautbebung ........................... . a) Die Grundnorm für die Rückabwicklung: Art. 9:305(1) ........ (1) Widersprüchlichkeit der Formulierung ................... (2) Ein "deutscher" Interpretationsversuch ... . .............. . (3) Ein "englischer" Interpretationsversuch .. . ...............
254 257 258 259 272 273 277 279 280 281 281 285 287
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Inhaltsverzeichnis
b) c) d) e) f)
(4) Praktische Konsequenzen der unterschiedlichen Interpretationen ................................................ (5) Belege für die "englische" Interpretation im Autorenkommentar zu den Principles of European Contract Law . . . . . . . (6) Bewertung ........................................... Zurückweisung empfangener Leistungen: Art. 9:306 .......... Rückforderung von Geld: Art. 9:307 ........................ Rückforderung anderer Gegenstände: Art. 9:308 .............. Wertersatz: Art. 9:309 ..................................... Erstattung sonstiger Aufwendungen für Zwecke der Vertragserfüllung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
292 295 298 299 301 303 305 309
Teil 3
Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
310
A. Einleitung: Zusammenhang von Grund des Scheiterns und Rückabwicklung .......................................................... 310 B. Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern .. 310 Fehlende Rechtsfähigkeit einer Partei ............................. 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ultra-vires-Fälle .......................................... b) Verträge einer juristischen Person vor ihrer Gründung ......... 2. Deutsches Recht ............................................. 3. Einheitsrechte ............................................... 11. Fehlende Geschäftsfähigkeit einer Partei .......................... . 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Minderjährigkeit .......................................... b) Geisteskrankheit .......................................... 2. Deutsches Recht ............................................. 3. Einheitsrechte ............................................... 111. Formverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Recht ............................................. 3. Einheitsrechte ............................................... IV. Gesetz- und Sittenwidrigkeit ..................................... 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Recht ............................................. 3. Einheitsrechte ............................................... V. Auflösungsrechte für Verbraucher ................................. 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Recht ............................................. 3. Einheitsrechte ...............................................
I.
310 311 311 314 314 316 317 318 318 319 320 320 322 323 325 325 326 327 332 334 338 338 342 342
Inhaltsverzeichnis
13
C. Leistungen in Erwartung eines Vertragsschlusses, wenn kein Vertrag zustande kommt ................................................... I. Englisches Recht ............................................... 11. Deutsches Recht ......................................... . ...... III. Einheitsrechte ..................................................
343 344 347 348
D. Willensmängel und Leistungsstörungen ............................. . I. Täuschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Recht ............................................. 3. CISG ....................................................... 4. Unidroit Principles ........................................... 5. Principles of European Contract Law ........................... 11. Drohung und andere Formen der Willensbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Duress ................................................... b) Undue influence .......................................... 2. Deutsches Recht ............................................. 3. CISG ....................................................... 4. Unidroit Principles ........................................... 5. Principles of European Contract Law ........................... 111. Laesio enonnis .................................. . ...... . ....... 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Recht ............................................. 3. Einheitsrechte ............................................... IV. Irrtum ......................................................... 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Recht ............................................. 3. CISG ....................................................... 4. Unidroit Principles ........................................... 5. Principles of European Contract Law ........................... V. Anfängliche Unmöglichkeit ...................................... 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Recht ............................................. 3. CISG ....................................................... 4. Unidroit Principles ........................................... 5. Principles of European Contract Law ........................... VI. Nachträgliche, von keiner Seite zu vertretende Leistungshindemisse .. 1. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zwischen frustration und breach of contract ...... b) Rechtsfolgen von frustration nach Common Law . . . . . . . . . . . . . . c) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 ................. 2. Deutsches Recht ............................................. a) Unmöglichkeit ............................................
349 350 350 359 360 361 362 364 364 364 364 366 367 367 367 368 368 369 370 371 372 377 378 379 381 382 382 386 388 388 390 391 392 392 398 399 403 403
14
Inhaltsverzeichnis b) Störungen der Geschäftsgrundlage .......................... 3. CISG ....................................................... 4. Prinzipien-Texte ............................................. a) Force majeure bzw. excuse due to an impediment ............ b) Hardship bzw. change of circumstances ..................... VII. Von einer Seite zu vertretende Nicht- oder Schlechterfüllung .........
405 406 408 409 410 412
Teil 4 Schlussfolgerungen
415
Verzeichnis der zitierten englischsprachigen Entscheidungen ............ . . . . . 420 Literaturverzeichnis ..................................................... 430 Sachregister ........................................................... 449
Abkürzungsverzeichnis 1 ABI. EG A.c. AcP a.E. All E.R. All E.R. Rep. A.L.R. App. Cas. Art. Aufl. B. BauR BB Bd. BGBL BGHZ Bing. B. & S. BT-Drucks. Build. L.R. Burrow C.A. C.B. Ch. Ch.D. CISG
CJ. C.LJ. c.L.P. C.L.R. Comm. Ct.
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Law Reports, Appeals Cases Archi v für die ci viiistische Praxis am Ende All England Law Reports All England Law Reports, Reprint Australian Law Reports Appeal Cases Artikel Auflage Baron Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Betriebs-Berater Band Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bingham's Common Pleas Reports Best & Smith's Queen's Bench Reports Bundestagsdrucksache Building Law Reports Burrow's King's Bench Reports tempore Lord Mansfield Court of Appeal Chief Baron Law Reports, Chancery (seit 1891) Law Reports, Chancery Division (1876-90) Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge für den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 (Convention on the International Sale of Goods) Chief Justice Cambridge Law Journal Current Legal Problems Commonwealth Law Reports Queen's Bench Division, Commercial Court
I Auf eine Aufnahme der üblichen Abkürzungen für deutsche Gesetze und Gerichte wurde verzichtet.
16 Conn. C.P.D. D. DB Diss. DNotZ Douglas ERPL EuGH EWCA Civ EWHC Technology
f., ff. Fn. GBL Habil. -Schrift H.L. Hrsg., hrsg. Hs. insb. IPRax J. JJ. JW JZ Kap. K.B. Law Com. Rep. No. lit. L.J. LJ. Ex. L.JJ. Lloyd's Rep. L.M.CLQ. L.Q.R.
Abkürzungsverzeichnis Connecticut Reports Law Reports, Common Pleas Division (1875-80) Digesten Der Betrieb Dissertation Deutsche Notar-Zeitschrift Douglas' King's Bench Reports European Review of Private Law/Revue europeenne de droit priv€/Europäische Zeitschrift für Privatrecht Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Decisions of the Supreme Court of Judicature for England and Wales, Court of Appeal (CiviI Division)2 Decisions of the High Court for England and Wales, Technology & Construction Court2 folgende Fußnote Gesetzblatt Habilitationsschrift House of Lords Herausgeber, herausgegeben Halbsatz insbesondere Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Justice Justices Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kapitel Law Reports, King's Bench Division Law Commission for England and Wales, Report Number Buchstabe Lady Justice, Lord Justice Law Journal Reports, Exchequer Lord Justices Lloyd's Law Reports (bis 1968: Lloyd's List Law Reports) Lloyd's Maritime and Comrnercial Law Quarterly Law Quarterly Review
2 Es handelt sich nicht um gedruckte Publikationen, sondern um die neuerdings im Hinblick auf die zunehmende Verbreitung von Urteilen im Internet usw. eingeführte medienneutrale Zitierweise. Einzelne Aussagen des Urteils werden nach fortlaufenden Abschnittsnummern zitiert.
Abkürzungsverzeichnis L.R. [Bandzahl] Ch.App. L.R. [Bandzahl] Ch.D. L.R. [Bandzahl] C.P. L.R. [Bandzahl] Exch. L.R. [Bandzahl] H.L. L.R. [Bandzahl] Q.B. L.S. M.L.R. M.R. m.w.N. NJW NJW-RR OJ.L.S. Oxford U Comparative L Forum
P.
P.2d para.
P.c. PECL Q.B. Q.B.D.
Q.c. RabelsZ RDU reg. RGZ Rn. S. s. sc. Sched. S.l. ss. Stra. T.L.R. T.R. U.D.P. UKHL Unidroit 2 eoen
17
Law Reports, Chancery Appeals Law Reports, Chancery Division Law Reports, Common Pleas Law Reports, Exchequer Law Reports, House of Lords Law Reports, Queen's Bench Legal Studies Modem Law Review Master of the Rolls mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift NJW -Rechtsprechungs-Report, Zivilrecht Oxford Journal of Legal Studies Oxford University Comparative Law Forum (Internetpublikation, abrufbar unter ouclf.iuscomp.org) Law Reports, Probate, Divorce and Admiralty Division Pacific Reporter, Second Series paragraph (Judicial Committee of the) Privy Council Principles of European Contract Law Law Reports, Queen's Bench Division (1891-1901, 1952 ff.) Law Reports, Queen's Bench Division (1875-90) Queen's Counsel Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue du droit uniforme regulation Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Satz, Seite section scilicet Schedule Statutory Instruments sections Strange's King's Bench Reports Times Law Reports Term Reports siehe Unidroit Decisions of the United Kingdom House of Lords 3 Institut international pour l'unification du droit prive, Rom
18
Abkürzungsverzeichnis
U. Pa. L. Rev. v. W.L.R. ZEuP ZIP ZRP zug!. ZVglRWiss
3
University of Pennsylvania Law Review versus, gegen (in englischen Fällen als "and" auszusprechen) Weekly Law Reports Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik zugleich Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
V g!. hierzu Fn. 2 auf S. 16.
Teil 1
Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge als Problem für Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung A. Bestimmung des Themas I. Können Verträge überhaupt "scheitern"? Der Begriff des "gescheiterten Vertrages" wird im Titel der vorliegenden Arbeit als möglichst neutraler, nicht an eine bestimmte Rechtsordnung gebundener Terminus zugrunde gelegt, der ein denkbar breites Spektrum von Störungen bei Vertragsabschluss und Vertragsdurchführung erfassen soll. 1 Ganz so neutral, wie es den Anschein haben mag, ist dieser Begriff freilich nicht; vielmehr setzt er implizit bereits ein bestimmtes Vorverständnis von Zweck und Aufgabe des Vertragsrechts voraus. Das zeigt sich daran, dass es Sichtweisen gibt, aus deren Blickwinkel ein solcher Begriff keinen Sinn ergibt, sondern als in sich widersprüchlich erscheinen muss. Für eine dieser Sichtweisen, die meist mit dem Namen des großen amerikanischen Juristen Oliver WendeIl Holmes, Jr. (1841-1935) verbunden wird,2 besteht die Funktion schuldrechtlicher Verträge nicht in der Verpflichtung der Parteien zur Ausführung eines bestimmten Leistungsprogramms, sondern ausschließlich in der Begründung von Haftung für den Fall der Nichtleistung. Der Vertragsbrüchige begeht in dieser Sicht des Vertragsrechts kein Unrecht, sondern macht lediglich von einer Option Gebrauch, die ihm der Vertrag stets gewährt, nämlich nicht zu leisten und statt dessen Schadensersatz zu zahlen. Diese Option muss jeder Partei belassen werden, um den Vertrag nicht zu einer Art "beschränkter Sklaverei" verkommen zu lassen. 3 Jeder schuldrechtliche Vertrag ist damit letztlich eine I Zur methodischen Notwendigkeit, im Rahmen der Rechtsvergleichung das zu untersuchende Problem frei von den Systembegriffen der eigenen Rechtsordnung zu formulieren, vgl. ZweigertlKötz, S. 33 f. 2 Holmes war von 1902 bis 1932 Richter am Supreme Court der USA, vorher Chief lustice des Supreme ludicial Court von Massachusetts. Vgl. näher die Zusammenfassung der Ansichten von Holmes zur Erfüllung von Verträgen bei Neufang, S.255-260. 2*
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
Art Versicherungsvertrag: Die Parteien versichern einander wechselseitig gegen Schäden, die aus ihrer Nichterfüllung entstehen können. Mehr schulden sie nicht. Es liegt auf der Hand, dass bei einer solchen Sicht der Dinge ein Scheitern des Vertrages wegen Leistungsstörungen schon begrifflich ausgeschlossen ist. Vielmehr bewährt sich der Vertrag erst wirklich, wenn eine Partei nicht leistet, genau wie eine Diebstahlsversicherung nicht etwa "scheitert", sondern erst ihren eigentlichen Sinn erweist, wenn die versicherte Sache gestohlen wird. 4 Auch eine etwaige Auflösung des Vertrages mit anschließender Rückabwicklung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung einer Seite kann in Holmes' Sicht kein Scheitern des Vertrages darstellen, sondern muss darauf beruhen, dass der Vertrag selbst eine entsprechende auflösende Bedingung vorsieht; sie stellt also eine Verwirklichung und nicht etwa eine Durchbrechung der vertraglichen Risikoverteilung dar: 5 Der Vertragspartner, der sich vom Vertrag lösen darf, "gets his right [... ] fram the agreement", wie Holmes betont. 6 Das soll selbst dann gelten, wenn eine Partei den Vertrag wegen einer Täuschung durch die andere aufhebt. 7 Ist der Vertrag aus anderen Gründen nicht bindend, dann liegt das lediglich 3 Vgl. Holmes, S. 300. (Die erste Auflage des Werkes, das aus Vorlesungen Holmes' entstanden war, erschien 1889; an der Zahl von 46 Auflagen bis 1923 lässt sich die Popularität ablesen.) 4 Allenfalls könnte man von einem "Scheitern" des Versicherungs vertrages sprechen, wenn die Versicherungsgesellschaft infolge Insolvenz die Versicherungssumme nicht auszahlen kann. Bei der Insolvenz von Schuldnern handelt es sich indes um ein allgemeines Lebensrisiko und nicht um ein besonderes Problem des Vertragsrechts. Dass man sich im Prinzip auch gegen ein solches Risiko durch entsprechende Sicherheiten "versichern" kann, bedarf hier keiner näheren Erörterung. 5 Vgl. Holmes, S. 315: "When a eontraet is said to be voidable, it is assumed that a eontraet has been made, but that it is subjeet to being unmade at the eleetion of one party. This must be beeause of the breaeh of some eondition attaehed to its existenee either expressly or by implieation." (Hervorhebung nicht im Original.) Vgl. ferner S. 318 f.: ,,A eondition properly so ealled is an event, the happening of whieh authorizes the person in whose favour the eondition is reserved to treat the eontraet as if it had not been made, - to avoid it, as is eommonly said, - that is, to insist on both panies being restored to the position in whieh they stood before the eontraet was made." Wie noch zu zeigen sein wird (vgl. unten Teil 2 A.I.2.b)(3) S. 120), führen Leistungsstörungen nach modernem englischen Recht nicht mehr zu einer rückwirkenden Beseitigung des Vertrages, weshalb heute insoweit meist auch der Begriff "termination" statt "avoidanee" bevorzugt wird. 6 Holmes, S. 319. 7 Holmes, S. 322-324; besonders deutlich S. 324: ,Jt is no doubt only by reason of a eondition eonstrued into the eontraet that fraud is a ground of reseission. " Holmes begründet dies damit, dass die Parteien das Recht zur Vertragsaufhebung wegen Betruges auch abbedingen könnten; für das englische Recht traf das aber bei vorsätzlicher Täuschung schon zu Holmes' Lebzeiten wohl nicht mehr zu, vgl. S. Pearson & Son Ltd. v. Dublin Corporation [1907] A.C. 351 (353 f.). Vgl. jetzt
A. Bestimmung des Themas
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daran, dass es an den Voraussetzungen für sein Zustandekommen fehlt: Im Falle eines infolge Irrtums geschlossenen Vertrags mangelt es nach Holmes' Analyse am nötigen Konsens;8 das Gleiche gilt, wo eine Partei nicht über die nötige Vertretungsmacht verfügt hat. 9 Auch in diesem Fall ist der Vertrag also nicht "gescheitert", sondern es ist schlicht kein Vertrag geschlossen worden. lo An diesen Überlegungen wird deutlich, dass Holmes' Sichtweise den beabsichtigten oder unbeabsichtigten - Effekt hat, den Vertrag gegen die Möglichkeit eines Scheiterns zu immunisieren. Anders ausgedrückt: Holmes fasst den Begriff des Vertrages auf eine Weise, die die Vorstellung eines Scheiterns von vornherein ausschließt. Natürlich kann sich der Vertrag nachträglich für eine Partei oder sogar für beide Parteien als wenig sinnvoll oder verlustreich erweisen; aber dabei handelt es sich um eine wirtschaftliche, nicht um eine rechtliche Frage. Das Recht erfüllt seine Aufgabe, indem es die Haftung für das vertragliche Leistungsprogramm durchsetzt, wie es die Parteien bei Abschluss des Vertrages gewollt haben (wobei es weniger auf den wahren Willen der Parteien ankommt als auf die Interpretation, die das Recht ihren Erklärungen gibt).11 Bei der Erfüllung dieser Aufgabe kann es kein Misslingen geben; eine andere Sichtweise wäre ungereimt und würde an die Stelle einer juristischen Analyse den Blick auf bloße "dramatie eireumstanees,,12 setzen, auf die äußerlichen Begleitumstände im Verhältnis zwischen den Parteien. Wollte man dieser Konzeption des Vertragsrechts folgen, dann hätte logischerweise auch eine Untersuchung über "gescheiterte Verträge" wie die vorliegende keinen Sinn; ihr Thema könnte allenfalls einen willkürlich herausgerissenen Teil des Gesamtkomplexes
auch s. 3 Misrepresentation Act 1967 in der Fassung von s. 8 Unfair Contract Terms Act 1977. 8 Holmes, S. 309-312 (mit Differenzierungen, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden können). 9 Holmes, S. 308 f. 10 So ausdrücklich Holmes, S. 308: "When a contract fails to be made, although the usual forms have been gone through with, the ground of failure is commonly said to be mistake, misrepresentation, or fraud. But [... ] these are merely dramatic circumstances, and [... ] the true ground is the absence of one or more of the primary elements [... ] necessary to the existence of a contract." II Vgl. Holmes, S. 303: "The very office of construction is to work out, from what is expressly said and done, what would have been said with regard to events not definitely before the minds of the parties, if those events had been considered." Eine nähere Betrachtung von Holmes' stark normativ geprägter Argumentation im Hinblick auf das Ausmaß vertraglicher Haftung zeigt, dass es ihm oft weniger darauf ankommt, was gesagt worden wäre, als vielmehr, was die Parteien vemünftigerweise hätten sagen sollen. 12 Holmes, S. 308.
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I. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
"Vertragsschluss, vertragliche Risikoverteilung und Haftung" darstellen, der als untrennbare Einheit zu begreifen wäre. Auf einen kontinentaleuropäisch ausgebildeten Juristen mag Holmes' Analyse des Vertragsrechts ungewohnt und befremdlich wirken, und man muss in aller Fairness feststellen, dass sie selbst in Amerika, dem Heimatland von Holmes, nur beschränkten Anklang gefunden hat und in England noch geringeren, obwohl sie auch dort häufig zumindest als abweichendes Modell erwähnt wird. 13 Wenn Holmes' Auffassungen in deutschsprachiger Literatur gelegentlich als gültige Formulierung der Rechtslage in den Common-Law-Ländern präsentiert werden,14 dann ist dies methodisch nicht unbedenklich und lässt sich meist nur mit einer aus didaktischen Gründen erforderlichen Zuspitzung rechtfertigen, die auch Vergröberungen in Kauf nimmt. 15 Geistesgeschichtlich dagegen kann man der Konzeption des Vertragsrechts, wie sie Holmes vorgelegt hat, ihre Bedeutung nicht absprechen, zum einen als Kontrastmodell zu traditionelleren Auffassungen von Sinn und Zweck des Vertragsrechts, deren oft fragwürdige Voraussetzungen sie auf13 Vgl. etwa Atiyah, Rise and Fall, S. 430: "This approach did not win much support, either at the time or subsequently." Ebenso derselbe, Introduction, S. 417 ("not a view which has much support among English jurists and judges"). Atiyahs eigene Konzeption des Vertragsrechts ähnelt allerdings in mancher Hinsicht der von Holmes; jedoch sieht er den Grund der vertraglichen Haftung weniger in einem Versprechen als in einem Verhalten, das Vertrauen auf die Leistung begründet. Ablehnend gegenüber Holmes Chitty, Rn. 1-016. Kritisch aus amerikanischer Sicht etwa Fried, S. 117 f. 14 Das geschieht zum Beispiel bei M. Krebs, S. 19 (insb. Fn. 94) - wobei der Autor die Frage, ob Erfüllung oder nur Haftung geschuldet ist, mit der Frage nach der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung vermischt -, aber auch bei ZweigertlKötz, S. 477 f., die die erforderliche Differenzierung freilich auf den folgenden Seiten nachtragen. Auch Hornung, S. 272 f., meint, die Aussage, dass "nicht auf Geld gerichtete Leistungspflichten grundsätzlich in natura erfüllt werden" müssten, erfordere eine "ausdrückliche[ ... ] Abgrenzung zur Rechtslage in den Common-LawStaaten"; die "Gewährung eines Anspruchs auf Erfüllung in natura" sei dort eine "eher seltene Ausnahme". Problematisch leider auch die Darstellung bei Rabel, Recht des Warenkaufs I, S. 263, dem zufolge das Common Law "von dem Gedanken aus[geht], dass durch einen schuldrechtlichen Vertrag keine Ansprüche auf Erfüllung begründet werden". Hier führt die Doppelbedeutung des Wortes Common Law (einerseits als Gegenbegriff zum Civil Law, also den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, und andererseits als Gegenbegriff zu equity) in die Irre. Bei Rheinstein, auf den sich Rabel beruft, wird insoweit dagegen sehr sorgfaltig differenziert (vgl. dort S. 138 ff.). 15 V gl. in diesem Zusammenhang aber auch Rheinstein, der schon zu Holmes' Lebzeiten feststellen konnte: "Die Ausführungen von Holmes sind die einzige konsequente, auf die Betrachtung der wirklichen Gestaltung des Common Law aufgebaute Konstruktion. Aber, [sie] sie geht über das Ziel hinaus [... ]" (Rheinstein, S.247).
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zeigt, zum anderen aber auch, weil sie analytisch nützliches und interessantes Gedankengut in sich birgt. Holmes' Einsicht etwa, dass Verträge nicht notwendig auf Eifüllung, sondern primär auf Haftung ausgerichtet sind, hätte die Verfasser des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs vor dem Irrtum bewahren können, den sie in § 306 BGB kodifiziert haben. 16 Wenn die Parteien eines Vertrages auch Dinge "versprechen" können, die völlig jenseits ihres Einflussbereichs liegen - Holmes verwendet das Beispiel eines "Versprechens", dass es morgen regnen wird _,17 dann wird darüber hinaus die aus dem Pandektenrecht ins Bürgerliche Gesetzbuch rezipierte Annahme, dass vertragliche Schadensersatzhaftung regelmäßig Vertretenmüssen voraussetzt, in Frage gestellt. 18 Sieht man schließlich die Auflösung eines Vertrages bei Leistungsstörungen und die anschließende Rückabwicklung als Umsetzung der vertraglichen Risikoverteilung selbst, als konsequente Verwirklichung der durch das vertragliche Synallagma bewirkten gegenseitigen Abhängigkeit der auszutauschenden Leistungen,19 und nicht - wie lange 16 In Deutschland, wo es Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer allerdings sehr begrifflich ausgerichteten Diskussion über Unterschiede und Zusammenhänge zwischen "Schuld" und "Haftung" kam, wurde dies schon bald nach dem In-Kraft-Treten des BGB klar gesehen, vgl. etwa Binder, S. 39: "Unlogisch wäre es, den Schuldner zu einer Leistung zu verpflichten, zu der er nicht imstande ist; aber dafür eine Haftung eintreten zu lassen, stößt auf keinerlei logische Bedenken" (Hervorhebung im Original). Vgl. dazu und zu den noch früheren Überlegungen von Rabel in dieser Hinsicht StolI, JZ 2001, 590 f. 17 Holmes, S. 298-300. 18 Vgl. Huber, Leistungsstörungen I, S. 12, der zur Voraussetzung des Vertretenmüssens zu Recht anmerkt: "De lege ferenda versteht sie sich nicht von selbst." Vgl. ferner seine Feststellung S. 32, wonach in der Praxis auch im deutschen Recht "die Garantiehaftung [... ] im Vordergrund" stehe. Zum Teil handelt es sich ohnehin nur um semantische Fragen: Auch für eine Garantiehaftung ist Voraussetzung immerhin ein Haftungstatbestand, an den angeknüpft werden kann, also eine "Pflichtverletzung" (im weiteren Sinn), die ihrerseits wiederum Vertretenmüssen begründen kann. Das gilt natürlich besonders bei Vertragspflichten, die nicht auf einen bestimmten Erfolg bezogen sind, also den "obligations de moyen", wie sie im französischen Recht genannt werden: Der Arzt haftet nicht für die Genesung seines Patienten, sondern nur für sorgfältige Behandlung; vgl. etwa PECL Autorenkommentar Art. 9:501 B Illustration 2 sowie den implied term des "reasonable care and skill" in s. 13 des englischen Supply of Goods and Services Act 1982. Dass es dabei nicht um die Aufstellung zusätzlicher Haftungsvoraussetzungen, sondern um die Bestimmung des jeweiligen Vertragsinhalts geht, wird oft übersehen, vgl. etwa Brüggemeier/Reich, BB 2001, 220. Für eine Polemik gegen den Begriff der "Pflichtverletzung" vgl. Huber, ZIP 2000, 2273 (insbesondere S. 2276-2278). Differenzierter Nicholas, Fault and Breach of Contract, insbesondere S. 345: Beide Systeme erzielten ähnliche Ergebnisse, aber die Methode des Common Law habe den Nachteil, eine systematische Diskussion der Haftungsstandards zu verhindern. - Andererseits folgt aus Holmes' Ansicht zugleich die Beschränkung des vertraglichen Schadensersatzes auf bei Vertragsabschluss grundsätzlich voraussehbare Schäden, was Holmes selbst als "practical advantage" bezeichnet, vgl. Holmes, S. 301 f.
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Zeit in Deutschland und auch in England - als Abkehr vom Vertrag, so gibt es eigentlich keinen Grund, warum sich Rückabwicklung und vertraglicher Schadensersatz gegenseitig begrifflich ausschließen sollten. 2o In allen diesen Fällen legt Holmes' Theorie Ideen nahe, die uns heutzutage "moderner" erscheinen mögen als die im BGB kodifizierten Lösungen. Hinzu kommt, dass die bei Holmes festzustellende Tendenz, das vertragliche Leistungsversprechen nicht als Wert an sich anzusehen, dessen Einhaltung von einer Art kategorischen Imperativs geboten wäre,21 sondern lediglich als nüchtern-technisches Mittel der Risikoverteilung, das stets einen Ausgleich durch Geldzahlung zulässt, den Bedürfnissen des Geschäftslebens durchaus entspricht22 und dessen Realität oft angemessen beschreibt. 23 19 Zu den Problemen, die sich aus dieser Verknüpfung ergeben können, vgl. das Beispiel bei Holmes, S. 321 f., in dem ein Vertrag Zug um Zug abzuwickeln ist, sich aber keine der Parteien leistungsbereit zeigt: Hier verstößt keine Partei gegen ihr vertragliches Versprechen, zugleich schafft aber auch keine die Voraussetzung dafür, von der anderen Partei etwas verlangen zu können. 20 Holmes selbst war diese Einsicht freilich noch versperrt, weil ihn seine dem klassischen englischen Vertragsrecht geschuldete Konzeption des Synallagmas (ein Begriff, den er indes nicht verwendet) als Geflecht von Gültigkeitsbedingungen dazu veranlasste, von einer rückwirkenden Beseitigung des gesamten Vertrages durch Ausübung des Aufhebungsrechts auszugehen, vgl. Holmes, S. 320. 21 Vgl. dazu etwa Kant, S. 41 f. Kants Fragestellung ("darf ich, wenn ich im Gedränge bin, nicht ein Versprechen tun, in der Absicht, es nicht zu halten?") bezieht sich zwar an sich nur auf die Abgabe von Versprechen, die nicht ernstlich gemeint sind; dabei wird aber natürlich vorausgesetzt, dass ein abgegebenes Versprechen gehalten werden muss. 22 Vgl. etwa Atiyah, Introduction, S. 417, der im Hinblick auf Holmes von einem "point of view which might commend itself to an economist or a businessman even today" spricht und hinzufügt: ,,A businessman usually makes contracts in order to make a profit, and if the other party tenders hirn the profit, he is unlikely to complain that the contract has not been performed." Vgl. auch Beale, S. 144. 23 Auch im deutschen Recht, das im Gegensatz zum englischen Recht vom Grundsatz der Verurteilung zur Naturalerfüllung ausgeht, ist eine entsprechende Vorgehensweise wegen der relativ geringen Effizienz der Zwangsvollstreckung nicht unbedingt attraktiv. Andererseits zwang das frühere deutsche Recht den Gläubiger außerhalb gegenseitiger Verträge häufig dazu, auf Erfüllung zu klagen, weil dies nicht selten die einzige Möglichkeit war, auf dem Umweg über § 283 BGB zu einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zu gelangen. Insofern gilt auch hierzulande, was Goode, Commercial Law, S. 116, feststellt, dass nämlich ,,[t]here is tittle point in seeking to compel literal performance by an unwilling contractor, and the soothing unguent of damages is usually less expensive and less wasteful of resources"; nur wird dies durch Eigenheiten des materiellen und prozessualen Rechts in Deutschland verschleiert. Wie schon Rabel feststellte, kann man "in Wahrheit [... ] recht häufig Klage, Urteil und Vollstreckung auf Erfüllung in Natur ganz wohl entbehren"; die Fälle, in denen Naturalerfüllung im amerikanischen Recht gewährt werde, seien "eigentlich die einzigen auch für den Kontinent wichtigen" (Entwurf, S. 70, insb. Fn. 1).
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Es nimmt deshalb auch nicht wunder, dass Holmes' Sichtweise die in der ökonomischen Analyse des Rechts verbreitete, außerhalb dieser Denkschule freilich höchst umstrittene Theorie vom "effizienten Vertragsbruch" inspiriert hat. 24 So weiterführend und wichtig Überlegungen wie jene von Holmes sein mögen, so wenig nötigen sie andererseits dazu, sich von anderen Konzeptionen des Vertragsrechts zu verabschieden; und auf keinen Fall nehmen sie der ThemensteIlung der vorliegenden Arbeit ihre Berechtigung. Gerade dort nämlich, wo Holmes die Aufhebung und Rückabwicklung von Verträgen auf den Partei willen zu stützen versucht, wirken seine Begründungsversuche oft künstlich und wenig überzeugend, ja zum Teil eher hilflos. Sicher mag es Verträge geben, deren Parteien eine möglichst umfassende Risikozuordnung vornehmen und ein entsprechend differenziertes Instrumentarium von Reaktionsmöglichkeiten für die verschiedenen Störungsfalle vereinbaren; dazu können dann selbstverständlich auch vertraglich vereinbarte Rücktrittsrechte und Rückabwicklungsansprüche gehören?S In solchen Fällen mag es in der Tat nicht sinnvoll sein, von einem "Scheitern" des Vertrages zu sprechen, und mit derartigen Fallkonstellationen (namentlich den Fällen bedingter Verträge und vertraglich vereinbarter Rücktrittsrechte) wird sich die vorliegende Arbeit auch nicht befassen, zumal sich darüber auch wenig allgemeine Aussagen machen lassen. Wesentlich häufiger dürften sich aber Verträge finden, in denen die Parteien eben keine entsprechenden Dispositionen getroffen haben, die Rechtsordnung aber dennoch auf bestimmte Störungen bei Vertragsabschluss und -durchführung reagieren muss. Holmes' These etwa, auch eine Vertragsanfechtung wegen Täuschung lasse sich nur dadurch erklären, dass die Parteien stillschweigend ein entsprechendes Aufhebungsrecht vereinbart hätten,26 kann schwerlich überzeugen: Hätten die Parteien vor Vertragsabschluss über dieses Thema gesprochen, dann hätte der betrügerische Vertragspartner allen Grund gehabt, sich der Aufnahme einer entsprechenden Klausel zu widersetzen. Die Vertragsauslegung, die Holmes in diesem Zusammenhang vornimmt, lässt sich also nur durch normative Kriterien rechtfertigen, die ihrerseits nicht aus dem Vertrag zu gewinnen sind. 27 Wenn in der Rechtswissenschaft bereits die These der ökonomischen Ana24 Neufang spricht von einem "von Holmes fast prophetisch vorausgesagten" Denkansatz (S. 261). Vgl. ferner in diesem Zusammenhang (weitgehend kritisch gegenüber der ökonomischen Theorie) Huber, Leistungsstörungen I, S. 49-54. 25 Zur Möglichkeit derartiger Verträge und ihrer Ausschlusswirkung gegenüber gesetzlichen Rückabwicklungsregimes vgl. Lord Gof! of Chieveley in Pan Ocean Shipping Co. Ltd. v. Creditcorp Ltd. (The Trident Beauty) [1994] 1 W.L.R. 164166. 26 Holmes, S. 325 (vgl. schon oben Fn. 7).
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lyse des Rechts lebhaft umstritten ist, dass die Aufgabe des Vertragsrechts darin bestehe, den so genannten "vollständigen Vertrag" zu rekonstruieren, also die Risikoverteilung durchzusetzen, auf die sich die Parteien hypothetisch geeinigt hätten, falls sie sämtliche denkbaren Risiken vorhergesehen hätten und die Kosten von (notfalls auch unendlich langen) Verhandlungen darüber gleich null gewesen wären,28 dann müssen derartige völlig fiktive Herleitungen von Gefahrtragungsregeln noch unattraktiver erscheinen. Es handelt sich hier nicht um eine lediglich akademische Frage, sondern um eine Weichenstellung, die durchaus erhebliche praktische Auswirkungen haben kann; so hat in der Rechtsprechung des Common Law die Auffassung, 27 Mit der üblichen Klarheit auf den Punkt gebracht wurde die mangelnde Überzeugungskraft des Versuchs, Regelungen für Umstände, an die die Parteien bei Vertragsschluss gar nicht gedacht haben, unmittelbar auf den Parteiwillen zu stützen, von Lord Denning M.R. in Ocean Tramp Tankers Corporation v. VIO SovJracht (The Eugenia) [1964] 2 Q.B. 238: ,,[ ... ] the theory oJ an implied term has been discarded by everyone, or nearly everyone, Jor the simple reason that it does not represent the truth. The parties would not have said: ,1t is all over between us.' They would have differed about what was to happen. Each would have sought to insert reservations or qualifications oJ one kind or another." Birks (in seinem Vorwort zu Skelton, S. iii f.) meint daher, Grundlage des Rechts zur Vertragsauflösung müsse regelmäßig das Bereicherungsrecht (und nicht das Vertragsrecht selbst) sein. 28 Auch insofern äußerst kritisch gegenüber der ökonomischen Analyse des Rechts Huber, Leistungsstörungen I, S. 57-59, der die Idee des vollständigen Vertrages mit der Bemerkung abtut, ein solches Kriterium sei "einfach etwas anderes als das in § 157 [BGB] für verbindlich erklärte Kriterium von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte" (S. 58), und sie offenbar ad absurdum führen will, indem er feststellt: "Ökonomisch handelnde Vertragsparteien hätten, wenn sie beim Abschluß eines unvollständigen Vertrages das Lückenproblem selbst regelten, allen Anlaß, den Richter auf den Maßstab des § 157 zu verweisen und ihm ökonomische Effizienzüberlegungen zu verbieten" (S. 59). Dass das Denkmodell des vollständigen Vertrages keinen Freibrief für den Richter darstellen soll, "seine persönlichen Vorstellungen vom ökonomisch Besten" zu verwirklichen, wie Huber offenbar glaubt (S. 59), sollte indes eigentlich auf der Hand liegen. Schon an der Tatsache, dass sich die Bedeutung des Denkmodells in der ökonomischen Analyse des Rechts nicht bloß auf die ergänzende Vertragsauslegung beschränkt, wie Huber zu meinen scheint, sondern sie auch die Rechtfertigung von Regeln des dispositiven Gesetzesrechtes umfasst, zeigt sich im Übrigen, dass eine bloße Argumentation de lege lata in diesem Zusammenhang wenig Relevanz besitzt. Dass auch es auch im Rahmen des von Huber favorisierten § 157 BGB auf die realen Parteien und ihren Willen nicht unbedingt ankommt, wie Huber es dem Denkmodell des vollständigen Vertrages ankreidet (S. 59 Fn. 126), steht auf einem anderen Blatt. - Ein anderes Missverständnis des Gedankens offenbart sich bei Henssler, S. 23 (insb. Fn. 1), der einem "vollständige[n] Vertrag im Sinne der ökonomischen Analyse des Rechts", der normativen Charakter haben soll, ein Modell des "vollständige[n] Vertrag[es] im juristischen Sinn" gegenüberstellt, der ein Vertrag sein soll, "bei dem die Vertragsparteien alle Risiken, die mit der Durchführung des Vertrages verbunden sind, untereinander bereits aufgeteilt haben", wobei es eine "Vielzahl zulässiger Gestaltungsmäglichkeiten" gebe. Gerade in diesem Sinn ist aber wohl das ökonomische Modell gemeint.
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Grundlage von vertraglichen Gefahrtragungsregeln könne nur der im Vertrag selbst zutage getretene Partei wille sein, lange die Tendenz begünstigt, in Fällen, für die keine Gefahrzuweisung im Vertragstext enthalten war, keinen Ausgleich vorzunehmen, sondern es nach der Maxime "let the lass lie where it falls" bei der zufällig zustande gekommenen Schadensverteilung zu belassen. 29 11. Methodische Schlussfolgerungen
Wenn Holmes' Ansichten im vorhergehenden Abschnitt so ausführlich referiert werden, obwohl ihnen - wie bereits erwähnt - selbst in der angloamerikanischen Welt eher eine Außenseiterrolle zukommt, wenn auch eine besonders ehrenvolle und produktive, so geschieht dies deswegen, weil sich aus ihnen zwei wichtige methodische Einsichten ableiten lassen.
1. Pluralismus dogmatischer Erklärungsansätze Die erste dieser Einsichten ist grundsätzlicher Natur. Dass sich schon der Begriff des "gescheiterten Vertrages" selbst von Holmes' Ausgangspunkt aus kritisieren ließe, zeigt, wie schwer das Programm einer funktionalen Rechtsvergleichung zu verwirklichen ist: Schon über die Funktionen fundamentaler Rechtsinstitute wie des schuldrechtlichen Vertrages lässt sich streiten. Die etwas idealistische Forderung an die Rechtsvergleichung, ihre Fragestellungen "von allen dogmatischen Befangenheiten des eigenen Systems [zu] reinigen,,30 und die gefundenen Lösungen "von allen systematischen Begriffen [der untersuchten] Rechtsordnungen zu befreien, aus ihren nurnationalen dogmatischen Verkrustungen zu lösen und ausschließlich unter dem Aspekt der Funktionalität, der Befriedigung des jeweiligen Rechtsbedürfnisses zu sehen",31 dürfte sich wohl kaum jemals verwirklichen lassen; der Versuch, Vorverständnissen zu entkommen, wird meist eher ausgehen wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. So resignativ diese Erkenntnis auf den ersten Blick stimmen mag, so wenig kann sie doch Anlass zur Verzweiflung sein, eher schon Anlass zur Erweiterung des eigenen Horizonts. Vergleicht man etwa die Stellen, an de29 Vgl. zu den gedanklichen Grundlagen dieser Tendenz (im Hinblick auf Irrtum und Unmöglichkeit) Fried, S. 64-67. Fried betont demgegenüber den (nahe liegenden) Gedanken, Lücken in vertraglichen Vereinbarungen könnten gerade deswegen hingenommen werden, weil das Recht sie - unter weitestgehender Respektierung der Parteiautonomie - mit sachgerechten Gefahrtragungsrege1n zu füllen verstehe (S. 68, 73). 30 ZweigertlKötz, S. 34. 31 ZweigertlKötz, S. 43.
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nen das Vertragsmodell von Holmes in Erklärungsnöte kommt, mit den "blinden Flecken", die die Verfasser des BGB gezeigt haben, dann wird deutlich, dass sich beide Denkansätze dort sinnvoll ergänzen, wo der jeweils andere versagt. Dogmatische Konzeptionen dürfen sicherlich keine Zwangsjacken sein, keine Korsette, die praktisch angreifbare Lösungen künstlich stützen und gegen Kritik panzern sollen. Ihre Aufgabe kann nur darin bestehen, als Erkenntnisinstrumente zu dienen, die vor allem auch dabei helfen, den Blick für Probleme zu schärfen, die andernfalls unbeachtet bleiben würden. 32 In diesem Rahmen und dieser Rolle sind sie aber auch für die Rechtsvergleichung und zumal -vereinheitlichung beachtenswert und hilfreich?3 Anders ausgedrückt: Wo sich "dogmatische Verkrustungen" breit gemacht haben, ist ihre Überwindung nicht erst eine Aufgabe für die Rechtsvergleichung, sondern bereits für das "nur-nationale" Recht. Das Grundprogramm einer funktional ausgerichteten Rechtsvergleichung soll also keineswegs in Frage gestellt werden, ganz im Gegenteil; aber um den Sinn und die Funktion von Rechtsinstituten richtig begreifen und beurteilen zu können, ist es unumgänglich, ihre oft disparaten dogmatischen Hintergründe und Zusammenhänge herauszuarbeiten. Deshalb ist jedoch zugleich ein Pluralismus dogmatischer Erklärungsversuche auch im internationalen Rahmen zu begrüßen,34 und deshalb kann man sich fragen, wie viel Ansätze, die sich vor allem darauf konzentrieren, andere Rechtsordnungen auf ihre dogmatische Geschlossenheit hin abzuklopfen, insoweit wirklich zum Fortschritt der Diskussion beitragen. 35 Eine solche Vorgehensweise ist 32 So zu Recht etwa Zweigert, Rechtsvergleichung, System und Dogmatik, S. 444, der betont, das System könne "nicht den Wert eines exakten Ableitungsmechanismus haben, sondern nur den Sinn eines Ordnungsgefüges". Vgl. ferner Fifoot, der die gegenläufige Tendenz zur Verselbständigung dogmatischer Kategorien in seiner Biographie von Lord Mansfield, S. 93, treffend und abgewogen charakterisiert: "While the jurist is transforming aseries of unrelated observations into a complex abstraction, the raw material upon wh ich it is based tends to become ever more remote. The end is forgotten in the means, and the process of generalization, designed to produce a principle for the guidance of future conduct, is pursued, without ulterior motive, as an intellectual exercise." 33 Zur Bedeutung einer "offenen" und "beweglichen" Dogmatik für Rechtsvergleichung und -vereinheitlichung im europäischen Rahmen vgl. Basedow, Anforderungen (insbesondere S. 84-92). 34 Zweigert, Rechtsvergleichung, System und Dogmatik, S. 448, sieht den besonderen Wert der Rechtsvergleichung darin, dass sie "zwar viele Dogmen und auch manche Dogmatiken vorfindet, aber keinem Dogma und keiner Dogmatik verpflichtet sein kann". 35 Für einen älteren Versuch, nicht nur das Bereicherungsrecht, sondern auch noch Schadensersatz und Vindikation C!) in Deutschland und England in ein allumfassendes dogmatisches Korsett zu zwängen, vgl. die Dissertation von Kaehler sowie die treffende Rezension von Flessner, RabelsZ 38 (1974), 664. Dass die Arbeit ursprünglich in London entstanden ist, und zwar als Dissertation unter der Aufsicht
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besonders unangemessen gegenüber dem Common Law, dessen Fortentwicklung sich in einer Weise vollzieht, die dogmatische "Ordentlichkeit" weitgehend ausschließt. 36 Gerade im Bereich der Rechtsvereinheitlichung kann die Neigung, grundlegend unterschiedliche Denkansätze nicht als bereichernd, sondern vielmehr als Bedrohung zu empfinden, im Übrigen problematische Folgen haben. Sie kann nämlich zu einer Sprachlosigkeit führen, die sich in zwei nur scheinbar entgegengesetzten Formen manifestiert: entweder der Überzeugung, dass sich gar keine gemeinsame Lösung finden lasse, weil die trennenden Gräben zu tief seien, oder aber der Neigung, allzu schnell zu einer verbalen Einigung zu gelangen, unter der sich jede Seite etwas anderes vorstellt, was in der Anwendung wiederum zu gegenseitiger Enttäuschung führt. Beispiele für diese Problematik werden im Folgenden noch darzustellen sein. 37 Ein weiteres, allgemeineres Beispiel, das aber auch das Scheitern von Verträgen und die nachfolgende Rückabwicklung betreffen kann, ist die Frage, ob in internationale Vertragsrechtskonventionen ein allgemeines Prinzip aufgenommen werden sollte, das die Ausübung der vertraglichen Rechte an Treu und Glauben bindet. Beim CISG 38 war diese Frage bekanntlich so umstritten, dass man sich nur auf eine Art Formelkompromiss einigen konnte, der in Art. 7 CISG festgeschrieben wurde. Für kontinentaleuropäische, zum Teil aber auch für amerikanische Autoren (und Gerichte )39 ist der Gedanke eines solchen allgemeinen Prinzips so vertraut und von Robert Goff (inzwischen Lord Goff of Chieveley), der sich um die Modernisierung des englischen Bereicherungsrechts so große Verdienste erworben hat (vgl. unten S. 75), verblüfft. 36 Treffend Ibbetson, S. 295: "The Common law has many virtues; tidiness is not among them. It could hardly be otherwise when for the last seven or more centuries legal decision-making has been based on a model of judicial consistency." 37 Hervorgehoben seien etwa das Rätselraten um Art. 28 CISG (vgl. dazu unten Teil 2 C.II.) sowie die zweifelhafte Regelung in Art. 9:305 Principles of European Contract Law (vgl. dazu unten Teil 2 E.II.2.a». 38 Diese Abkürzung für das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 soll trotz der dagegen gelegentlich erhobenen Einwände auch in der vorliegenden Arbeit verwendet werden; zur Rechtfertigung sei auf die entsprechenden Ausführungen im Vorwort zu Schlechtriem, CISG-Kommentar, S. V Fn. 1, verwiesen. Auch der nicht unbedingt konsequente sächliche Artikel ("das CISG" wohl wegen "das Übereinkommen", obwohl man andererseits wohl eher "die Convention on the International Sale of Goods" sagen würde) wird beibehalten. 39 Zum amerikanischen Recht vgl. insbesondere s. 1-203 und die dazugehörigen Definitionen in ss. 1-201(19) und 2-103(1)(b) Uniform Commercial Code sowie s. 205 des Restatement of the Law of Contracts (2nd) 1981 (Entwürfe für ein Restatement (3rd) waren bis zum Abschluss der Arbeit nicht zugänglich). Eine gute Einleitung zu dieser Thematik in Amerika und Unterschieden zwischen verschiede-
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selbstverständlich, dass die Neigung besteht, ihn - sei es über Art. 7 I, sei es über Art. 7 11 _40 doch in das Übereinkommen hineinzulesen, zumal aus ihrer Sicht auch nicht einleuchten will, was eigentlich gegen das Prinzip von Treu und Glauben einzuwenden sein sollte. 41 Umgekehrt empfinden vor allem englische Autoren derartige Interpretationsversuche als bedenklich; ein Autor empfiehlt der britischen Regierung sogar eine möglichst rasche Ratifikation des CISG ausdrücklich zu dem Zweck, die britischen Gerichte in die Lage zu versetzen, derart beunruhigenden Tendenzen wirksamer entgegenzutreten!42 Die praktische Relevanz des Problems hält sich in Grenzen: Diejenigen Rechtsordnungen, die ein allgemeines Prinzip von Treu und Glauben anerkennen, sind zur Vermeidung einer konturenlosen Billigkeitsrechtsprechung gezwungen, es in der konkreten Anwendung in eine Reihe von einzelnen, stärker differenzierten Rechtsinstituten aufzulösen. 43 Umgekehrt hat das englische Recht seinerseits diverse Rechtsinstitute entwickelt - wie zum Beispiel estoppel in seinen verschiedenen Unterformen -, die diesen Ausnen Common-Law-Rechtsordnungen findet sich bei Famsworth, Concept of "Good Faith" in American Law. Vgl. in diesem Zusammenhang ferner Schlechtriem, Good Faith in German Law and in International Uniform Laws. 40 Vgl. Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, Rn. 44. 41 Schlechtriem, Good Faith in German Law and in International Uniform Laws, S. 3, vergleicht das Prinzip in seiner Überzeugungskraft sogar mit Naturgesetzen wie etwa dem Gesetz der Schwerkraft. Sowohl in die Unidroit Principles (Art. 1.7) als auch in die Principles of European Contract Law (Art. I :201) ist das Prinzip denn auch ausdrücklich aufgenommen worden. 42 Vgl. Nicholas, The United Kingdom and the Vienna Sales Convention, der es "disturbing for the English lawyer to find an increasing number of suggestions that good faith is [... ] to be applied to the performance and enforcement of the contraet" nennt (wobei er sich ausdrücklich auf Aussagen von Schlechtriem und Eörsi bezieht) und dies als "ground for ratifying quickly, so that the experience of English lawyers and of the English Commercial Court may influence the way in which the Convention is applied", anführt. Zu den Diskussionen in England über das Für und Wider einer Ratifikation des CISG vgl. unten Teil 1 C.1.3. Vgl. auch Cheshirel FijootlFurmston, S. 27, die die Übernahme des Prinzips auch für das nationale englische Recht für bedenkenswert halten. 43 Dass die einzelnen Rechtsordnungen, die ein allgemeines Prinzip von Treu und Glauben kennen, mit diesem Prinzip wahrscheinlich nicht durchweg den gleichen Gehalt verbinden, stellt eine zusätzliche Komplikation dar: Wird das Prinzip lediglich in eine internationale Kodifikation aufgenommen, ohne dass Klarheit darüber erzielt ist, welchen Kriterien die erforderliche - autonome - Auslegung des Prinzips zu folgen hat, dann liegt darin ebenfalls wenig mehr als ein FormeIkompromiss. Für eine sehr interessante und differenzierte Untersuchung des Treu-und-Glaubens-Prinzips in Europa, die sich auf die verschiedenen unter das Prinzip subsumierten Sachprobleme konzentriert und auch die Unterschiede zwischen den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen deutlich hervorhebt, vgl. jetzt den Sammelband von Zimmermann/Whittaker.
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formungen des Treu-und-Glaubens-Prinzips funktional vergleichbar sind,44 wenn sie auch meist eher Beschränkungen in der Ausübung ansonsten bestehender Rechte betreffen und nicht zur Begründung eigenständiger positiver Rechte herangezogen werden ("a shield and not a sword", wie das Schlagwort lautet).45 Um so unverständlicher muss die Diskussion über das Prinzip bleiben, solange man sich nicht darüber Rechenschaft ablegt, dass ihr zwei gegensätzliche, aber im Grunde genommen gleichermaßen berechtigte Auffassungen von Sinn und Zweck schuldrechtlicher Verträge zugrunde liegen. 46 Die eine Denkweise, die auf dem europäischen Kontinent vorzuherrschen scheint und offenkundig auch das amerikanische Recht beeinflusst hat, sieht den Vertrag - im Sinne des Konglomerats von Regeln und Normen, die notfalls durch ergänzende Vertragsauslegung und unter Einbeziehung des dispositiven Gesetzesrechts aus der tatsächlichen Einigung der Parteien zu gewinnen sind - als die Regelung, der die Beziehung zwischen den Parteien zu folgen, nach der sie gleichsam zu "leben" hat. Dass Wertvorstellungen wie die Orientierung an Treu und Glauben zum Gelingen der vertraglich fixierten Geschäftsbeziehung erforderlich sind, liegt auf der Hand. Die andere Sichtweise, die in England vorherrscht, denkt sich den Vertrag nicht als die Beziehung der Parteien selbst, sondern gleichsam als eine Art Sicherheitsnetz unter dieser Beziehung, als eine Versicherung gegen das Misslingen der Geschäftsbeziehung, um die oben angeführte Sichtweise von Holmes aufzugreifen. 47 Wie es Goode für die englische Geschäftspraxis formuliert, mag man die Vertragsurkunde im Idealfall gleich nach Unterzeichnung in eine Schublade legen und dort vergessen können;48 bei einer 44 Vgl. etwa ZimmermannlWhittaker, S. 45-47. Nach Ansicht von Brownsword, (2000) 63 M.L.R. 940 f., legt die von Zimmermann und Whittaker herausgegebene Studie den Gedanken nahe, dass "the outcomes produced by English law are largely in line with the outcomes generated by good faith legal regimes". Neben explizit normierten Rechtsinstituten mägen freilich auch Lücken und unbestimmte Rechtsbegriffe in Gesetzestexten "encourage traders down the road of negotiation and deal making", so jedenfalls Ulph, [1998] L.M.C.L.Q. 4 zu S. 30(2A) Sale of Goods Act 1979. 45 Vgl. McKendrick, Good Faith, S. 42. 46 Häufig wird versucht, Mentalitätsdifferenzen zur Erklärung heranzuziehen; angeblich sollen in England stärker individualistische, auf dem Kontinent dagegen eher "kommunitaristische" Werte vorherrschen. Dieser Erklärungsversuch überzeugt aber nicht, vor allem, wenn man auch die USA in die Betrachtung einbezieht. Vgl. ferner Styles, S. 157-161, wo allerdings ausschließlich auf die Mentalität der juristischen Profession abgestellt wird. 47 Vgl. oben nach Fn. 3. 48 Goode, Commercial Law, S. 71: "Sensible business people do not conclude contracts in the expectation that litigation will result, but require the assurance of the law's assistance if other parties breach their undertakings. Once concluded, a
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funktionierenden Geschäftsbeziehung werden sich die Parteien ohnehin weniger vom Buchstaben ihrer Vereinbarung als vielmehr von gegenseitiger Rücksichtnahme und Kulanz leiten lassen und beim Auftreten von Störungen nicht auf ihre festgeschriebenen Rechte pochen, sondern gemeinsam nach Lösungen suchen, die beide Seiten so gut wie möglich zufrieden stellen. 49 In dieser Sicht der Dinge soll das vertraglich fixierte Leistungsprogramm lediglich der eigentlichen Geschäftsbeziehung den ordnenden Rahmen geben und das nötige gegenseitige Vertrauen schaffen; oder, um es auf eine paradoxe Formulierung zuzuspitzen: Der Vertrag dient lediglich dazu, den Vertrag überflüssig zu machen. Es liegt auf der Hand, dass sich bei einer solchen Konzeption des Vertragsrechts, die dieses erst zum Zug kommen lässt, wenn die Geschäftsbeziehung als solche bereits gescheitert ist, gut gemeinte Normen als verfehlt erweisen können, die auf fortdauernde Solidarität und Kooperation zugeschnitten sind statt auf möglichst rasche und klare Abwicklung, selbst wenn mit letzterer ein Verlust an Einzelfallgerechtigkeit verbunden ist. 50 contract is best put away in a drawer out 0/ sight, except when a party needs to re/er to it to re/resh his memory as to what was agreed or to enforce his rights or res ist claims made against him." Zugleich weist Goode darauf hin, dass "the very existence 0/ the contract as a legally binding agreement may discourage a party /ram conduct adversely affecting the other's interests", dass also die Existenz des Vertrages und daraus resultierender einklagbarer Ansprüche selbst bereits eine disziplinierende Wirkung auf die Parteien hat, wie sie dem Prinzip von Treu und Glauben nachgesagt wird. 49 Demgegenüber werden englische Unternehmen, die sich auf Geschäfte mit deutschen Partnern einlassen wollen, davor gewarnt, dass letztere "are likely to look more to the wording 0/ the contract than to their personal relationship", falls "disagreements crop up in the course 0/ the contract", so jedenfalls Frank, Financial Times 30. August 2000. Wenn man trotzdem den Eindruck gewinnt, dass in den englischsprachigen Ländern im Durchschnitt mehr Mühe und Zeit auf die Gestaltung von Verträgen verwendet wird, dürfte dies weniger an einem besonderen "Vertragsfetischismus" liegen als an der traditionellen paral evidence rule (vgl. dazu unten Teil 3 D.I.I., Fn. 179) und einer gewissen Skepsis gegenüber der Fähigkeit von Richtern oder Schiedsrichtern, bei später möglicherweise doch auftretenden Streitigkeiten zu bestimmen, was die Parteien gewollt haben beziehungsweise hätten wollen sollen. 50 Vgl. dazu den Aufsatz von Bernstein, 144 U. Pa. L. Rev. 1765 (1996), wo die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit im amerikanischen Getreidehandel mit den Bestimmungen des Uniform Commercia1 Code verglichen wird. Die Autorin wendet sich darin ausdrücklich gegen die verbreitete Auffassung, dass eine Kodifikation des Vertragsrechts die "relationship-preserving norms" widerspiegeln solle, die Kaufleute im normalen Geschäftsverkehr tatsächlich anwenden (S. 1797-1802). Insbesondere die generelle Verpflichtung der Parteien auf Treu und Glauben - wie unter kontinentaleuropäischem Einfluss in den Uniform Commercial Code aufgenommen wird von ihr aus diesem Grund in Frage gestellt (S. 1785-1787); sie betont allerdings, dass die Einschätzung, ob das Verhalten einer Partei den Normen von Treu und Glauben entspricht oder nicht, erheblichen Einfluss haben kann, auch wo dies
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Die beiden Sichtweisen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen und relativieren einander, und je nach kulturellem, institutionellem und wirtschaftlichem Kontext mag die eine oder die andere der Realität angemessener sein. 51 Die wichtige methodische Grunderkenntnis, die sich aus einem derartigen Sachverhalt ableiten lässt, nämlich die Einsicht in das gegenseitige Aufeinanderangewiesensein unterschiedlicher dogmatischer Sichtweisen, kann schon innerhalb der je eigenen Rechtsordnung Bedeutung beanspruchen, gewinnt aber für Rechtsvergleichung und -vereinheitlichung noch zusätzliches Gewicht. Damit soll keineswegs der Beliebigkeit in der Argumentation oder gar handwerklicher Schlamperei das Wort geredet werden, im Gegenteil: Für das Einheitsrecht ist es mindestens genauso wichtig wie für die nationalen Rechtsordnungen, kohärente Lösungen für Sachprobleme zu finden. 52 Zumindest eines der im Folgenden zu behandelnden Vereinheitlichungsprojekte, nämlich die Principles of European Contract Law, verfolgt demzufolge sogar den ausdrücklichen Zweck, der von den Autoren wahrgenommenen Inkohärenz in den Rechtsvereinheitlichungsbemühungen der Europäischen Union durch die Bereitstellung eines schlüssigen und rechtsvergleichend fundierten Vertragsrechtskonzepts abzuhelfen. 53 Um so wichtiger ist es dann aber natürlich, unterschiedliche Anaus der Formulierung eines Schiedsurteils nicht hervorgeht (S. 1776 Fn. 37). Ähnlich auch Eisenberg, S. 300: ,,[ ... ] the concept that legal rules can keep a relationship together is quixotic" (Hervorhebung im Original). 51 Vgl. die empirischen Untersuchungen bei Beale, S. 4-10. Aus diesem Grund lässt sich bezweifeln, ob die Bestimmungen in Art. 1.7(2) Unidroit Principles und Art. 1:201 (2) Principles of European Contract Law, die die Bindung an Treu und Glauben für unabdingbar erklären, wirklich sachgerecht sind: Warum sollten Parteien nicht das Recht haben, das skizzierte "englische" Modell einer eingeschränkten Justitiabilität der auf Kooperation ausgerichteten Werte zu bevorzugen, wenn sie darüber eine ausdrückliche, autonome Einigung erzielen? Kritisch gegenüber einem derartigen Absolutismus auch McKendrick, Good Faith, S. 48-52. Umgekehrt erscheint die Annahme der englischen Rechtsprechung, dass selbst eine ausdrückliche Vereinbarung der Parteien, in "good Jaith" zu verhandeln, mangels Bestimmtheit unwirksam sein soll (vgl. Walford v. Mi/es [1992] 2 A.c. 138), wenig überzeugend. Auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Erwartungen von "different business communities" verweist auch Brownsword, (2000) 63 M.L.R. 941. 52 Vgl. zu den Problemen, die der "pointillistische Charakter" des europäischen Gemeinschaftsrechts aufwirft (um einen von Hein Kötz geprägten Begriff zu übernehmen), Basedow, Anforderungen, S. 82-84; besonders aufschlussreich auch der dort S. 83 zitierte Aktenvermerk aus dem Bundeswirtschaftsministerium, dem zufolge die Probleme, die sich aus der eher unsystematischen Rechtsangleichung im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsrechts ergeben, "von wissenschaftlicher Seite vielfach übertrieben" würden. 53 Die Autoren selbst sprechen von einer "general contract law inJrastructure 10 support these specijic Community measures" (Lando/Beale (2000), S. xxii). Vgl. ferner Basedow, Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, S. 2 f., der sich eine "sinn stiftende Verbindung" der EU-Rechtsakte wünscht, in de3 Coen
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I. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
sätze nicht durch Formelkompromisse zu überbrücken, sondern genauer zu untersuchen, in welchem Zusammenhang und unter welchen Voraussetzungen die Annahmen über die Rechtswirklichkeit, die sich hinter diesen Ansätzen verbergen, jeweils Gültigkeit beanspruchen können. 54 Im Folgenden wird an mehreren Stellen auf Regelungen einzugehen sein, die weitgehend unverständlich bleiben müssen, wenn man sich der gedanklichen Hintergründe, die aus dem Blickwinkel des je eigenen dogmatischen Systems nicht unbedingt offen zutage liegen, nicht bewusst wird;55 es wird zum Teil aber auch kritisch zu fragen sein, ob die Vereinheitlichungstexte den Hoffnungen gerecht werden, die mit ihnen verbunden sind.
nen er "Bausteine eines gemeineuropäischen Privatrechtssystems" sieht. Im Ergebnis ähnlich, wenn auch mit deutlich negativerem Akzent, Zimmermann, (1996) 112 L.Q.R. 583, dem zufolge "the regulations and directives emanating from Brussels have tended to reinforce the centrifugal forces that have characterised the development of private law over the past few decades. [... ] Thus, there is the obvious danger that neither the systematic wholeness of our legal systems nor the other fundamental values informing them are borne in mind sufficiently." 54 Insofern muss man Zweifel anmelden, wenn ZweigertlKötz, S. 23 f., es als einzig mögliche Methode der Rechtsvereinheitlichung bezeichnen, "das national Verschiedene [... ] dadurch gleich" zu machen, "daß man die beste Variante in das vereinheitlichte Statut aufnimmt oder auch ein aus der Vergleichung gewonnenes Neues, das besser und praktikabler ist als alle existenten Lösungen". Abgesehen vom zweifelhaften Eklektizismus dieser Methode (eine Sammlung von vermeintlich "besten Varianten" kann möglicherweise wegen innerer Widersprüchlichkeit weniger gelungen sein als jede der "existenten Lösungen") wird sie von den Autoren selbst schon wenige Seiten später in Frage gestellt, wenn es heißt: "In der Tat stößt man in der Rechtsvergleichung häufig auf ,Wertungsaporien', die es dem Betrachter verbieten zu sagen, daß die eine Lösung ,besser' oder ,schlechter' als die andere sei." (S. 39.) Nimmt man den von Zweigert und Kötz zu Recht so stark betonten Gedanken der Funktionalität ernst, wird man wohl eher fragen müssen, in welchem Zusammenhang und zu welchen Zwecken einzelne nationale Lösungen jeweils "besser" sind, und dementsprechend eine Synthese zu entwickeln suchen. 55 Beispiele dafür sind etwa die englischen Regelungen zu Verträgen Minderjähriger (vgl. unten Teil 3 B.lI.l.a» und die Regelungen der Principles of European Contract Law zur Rückabwicklung nach Vertragsaufhebung (Teil 2 E.II.2.). Dagegen sollen nach Auffassung von Lando, 31 American Journal of Comparative Law 654, die Prinzipien-Texte gerade auch dazu dienen, ein "common legal environment" bereitzustellen, um so der bislang feststellbaren Tendenz, wonach "when interpreting the uniform laws the courts are apt to apply their own national laws" , entgegenzutreten.
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2. Zusammengehörigkeit von "Scheitern" und "Rückabwicklung"
a) "Scheitern" als Gegenbegriff zur "Abwicklung" Die zweite Schlussfolgerung, die sich aus den zu Anfang dieses Kapitels referierten Ansichten von Oliver Wendell Holmes ableiten lässt, ist komplexer, betrifft aber noch unmittelbarer Inhalt und Aufbau der vorliegenden Arbeit. Wie dargestellt, zwingt Holmes' Ansatz zu der Frage, in welchem Sinn und mit welcher Berechtigung sich überhaupt von einem "Scheitern" von Verträgen sprechen lässt; und versucht man, diese Frage zu beantworten, dann wird sogleich deutlich, warum die Begriffe "gescheiterte Verträge" und "Rückabwicklung" zusammengehören: Überall dort, wo eine normale "Abwicklung" des Vertrages, also eine Durchsetzung des vertraglichen Leistungsprogramms - sei es im Wege der Naturalerfüllung der primären Leistungspflichten, sei es mittels Schadensersatz oder durch andere Sanktionen -, noch in Betracht kommt, liegt auch noch kein Scheitern vor. Gleichgültig, ob man den Inhalt der vertraglichen Bindung in der Erfüllung oder - wie Holmes - in der Versicherung gegen Nichterfüllung sehen will, lässt sich auch die Durchsetzung des Vertrages mittels Schadensersatzes wegen Nichterfüllung noch als Durchführung des vertraglichen Leistungsprogramms auffassen, weil der Gläubiger dadurch zumindest vermögensmäßig, nämlich durch ein Surrogat in Geld, so gestellt wird, als ob der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Insoweit spielt es auch keine entscheidende Rolle, ob eine Rechtsordnung den normalen Rechtsbehelf zur Durchsetzung eines vertraglichen Leistungsprogramms im Schadensersatz wegen Nichterfüllung sieht (wie etwa das englische Recht) oder vielmehr in der zwangsweisen Durchsetzung des Leistungsprogramms in Natur, die nur unter besonderen Umständen durch den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung ergänzt wird (wie, jedenfalls in der Theorie,56 das deutsche Recht):57 Zumindest im ökonomischen 56 Zur Frage, inwieweit der theoretische Vorrang der Naturalerfüllung wirklich den Gegebenheiten der Praxis entspricht, vgl. bereits oben Fn. 23. 57 Die vorliegende Arbeit zieht die Grenzlinie zwischen "normaler" Durchsetzung des vertraglichen Leistungsprogramms und dessen Scheitern also anders als Leser, S. 100 f. (Abwicklung als "Oberbegriff für die Fälle der Vertragserledigung außerhalb der normalen Erfüllung"), 150 ff., der insoweit auch zwischen "Schuldverhältnis" und "Abwicklungsverhältnis" unterscheidet; auch der Begriff der "Abwicklung" wird in der vorliegenden Arbeit in einem anderen Sinn verwendet als von Leser, nämlich als Gegen- und nicht als Oberbegriff zu "Rückabwicklung". Insoweit ähnlich wie hier dagegen Kaiser, S. I, die zwischen dem "nach vom gerichtet[en]" Schadensersatzanspruch und dem "rückwärts gerichtet[en]" Rücktritt unterscheidet. Während es im Hinblick auf das deutsche Recht nahe liegt, auch die Abwicklung in Form des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung als Fall des Fehlschlagens des Vertrages aufzufassen (zu den Hintergründen dieser Denkweise 3*
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
Sinn soll der Gläubiger durch beide Methoden bekommen, was er nach dem Vertrag zu erwarten hätte. Diese Unterscheidung muss aber natürlich berücksichtigt werden, um die Systematik der einzelnen Rechtsordnungen besser zu verstehen. Gescheitert ist der Vertrag aber jedenfalls dann, wenn eine solche normale "Abwicklung" nicht möglich oder nicht sinnvoll wäre. 58 Keiner näheren Diskussion in diesem Zusammenhang bedürfen dabei Fälle, in denen eine Partei Abwicklung in Natur oder in Form von Schadensersatz verlangt, aber mit diesem Begehren scheitert; insoweit geht es, wie Holmes zu Recht herausgestellt hat, lediglich um die Reichweite der Haftung für das im Vertrag gegebene Versprechen. Ebenso uninteressant für vorliegende Zwecke sind Fälle, in denen eine Partei zwar eigentlich an der Leistung der anderen interessiert wäre, aber darauf verzichtet, das vertragliche Leistungsprogramm mit rechtlichen Mitteln durchzusetzen, etwa weil ihr ein solcher Durchsetzungsversuch unökonomisch erscheint. Ein solches mehr oder weniger ungewolltes, aber eben doch freiwilliges Abstehen vom Vertrag wirft keine besonderen Sachprobleme auf. Von besonderem Interesse sind erst Fälle, in denen wegen des Scheiterns des Vertrages Rückabwicklung gefordert wird; denn auch die Rückabwicklung als Teil des vertraglich vereinbarten Leistungsprogramms auffassen zu wollen, wie Holmes dies getan hat,59 wie es zum Teil aber auch heute noch in der deutschen Literatur versucht wird,6o wirkt eher gekünstelt: Natürlich kann Rückgabe einer erbrachten Leistung auch als Vertragspflicht übernommen werden (bei Gebrauchsüberlassungsverträgen ist das sogar typischer Inhalt des Vertrages), aber es besteht ein entscheidender und sofort offensichtlicher Unterschied etwa zwischen der Mahnung der Bibliothek, die das entliehene Buch nach Ablauf der Leihfrist zurückverlangen möchte, und der Rückforderung eines auf Rechnung gelieferten, aber unbezahlt gebliebenen vgl. sogleich Fn. 67), verbietet sich dies für das englische Recht, obwohl die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärleistungspflichten auch, zumindest vereinzelt, ins englische Recht rezipiert worden ist, vgl. jedenfalls Lord Diplock in Photo Production Ltd. v. Securicor Transport Ltd. [1980] A.C. 848-850. 58 Etwas weiter als hier Hornung, S. 32, dem zufolge sich der "Begriff des , Vertragsscheitems' im Sinne dieser Arbeit [00'] auf alle Fälle, in denen es zumindest den Anschein eines Vertragsschlusses gegeben hat, bei denen es aber schließlich ohne eine entsprechende Vereinbarung der Parteien - nicht zur vollständigen Erfüllung bzw. zur Erreichung des vertraglichen Endzwecks gekommen ist", bezieht. Demnach werden auch Fälle der Abwicklung über Schadensersatz erfasst. 59 Vgl. oben bei Fn. 5 f. 60 Vgl. etwa Kaiser, S. 268-271, die wegen der Möglichkeit späterer Rückgewähr "vorgreifliche Rücksichtnahmepflichten" (richtiger wäre wohl: -obliegenheiten) zu Lasten der Vertragspartner annimmt und zur Begründung - historisch korrekt - auf die Herleitung des Rechts zur Vertragsaufhebung aus einer (konkludenten) resolutorischen Bedingung verweist.
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Buches durch die Buchhandlung. Sicherlich gehören beide Arten von Ansprüchen gleichennaßen zum Recht der Güterbewegung und stehen, zumindest im deutschen Recht, regelungstechnisch "auf derselben Ebene".61 Das ändert aber nichts an dem entscheidenden sachlichen Unterschied, dass es sich im einen Fall um eine von vorneherein bestimmungsgemäße und im anderen Fall um eine ungeplante Rückgabe handelt. Neben Abwicklung des vertraglichen Leistungsprogramms und Rückabwicklung erbrachter Leistungen können die Parteien auch noch an anderen Rechten interessiert sein. Zu nennen ist insbesondere die Abschöpfung von Vorteilen, die eine Partei, die sich nicht an das vertragliche Leistungsprogramm hält, aus dieser Nichterfüllung gezogen hat. Die Abschöpfung kann letztlich eine alternative Fonn der Vertragsabwicklung darstellen, wenn der Vorteil in einem Surrogat für die eigentlich geschuldete Leistung besteht (etwa in der Versicherungssumme für eine gestohlene oder untergegangene Kaufsache).62 Manchmal geht es auch darum, Schwierigkeiten bei der Bemessung des Erfüllungsinteresses zu überwinden. 63 Und manchmal besteht die Absicht eher darin, bewussten Vertragsbruch zu pönalisieren, etwa wenn 61 So v. Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S. 219. Für eine interessante Analogie in der englischen Literatur vgl. Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 397 f. 62 Vgl. für das bisherige deutsche Recht vor allem §§ 281, 323 II BGB; auch die Drittschadensliquidation bei so genannter obligatorischer Gefahrverlagerung kann man in diesem Zusammenhang einordnen, obwohl in diesem Fall (nach deutscher Vorstellung) natürlich keine "Vertragsverletzung" vorliegt. In England ordnet s. 47(1) Law of Property Act 1925 für Grundstückskaufverträge die Herausgabe der Versicherungssumme an den Käufer an. Anders bei frustration, es sei denn, dass eine ausdrückliche vertragliche oder gesetzliche Versicherungspflicht bestand: s. 1(5) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943. In anderen Bereichen wird eine Legalzession (subrogation) im Zusammenhang mit Versicherungsansprüchen diskutiert, vgl. Goode, Commercial Law, S. 270. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Günter Hager, S. 207 f. Ein Zugriff auf das commodum ex negotiatione kann in Ausnahmefällen ebenfalls möglich sein, vgl. Lake v. Bayliss [1974] I WLR. 1073. Im CISG vgl. Art. 84 II lit. b. 63 Vgl. den englischen Fall Ruxley Electronics and Construction Ltd. v. Forsyth [1996] A.c. 344: Ein Hauseigentümer hatte einen besonders tiefen Swimmingpool bestellt, der ihm gefahrlose Kopfsprünge ermöglichen sollte. Der Unternehmer baute vertragswidrig aber nur einen Swimmingpool von normaler Tiefe. Ein Differenzschaden war nicht feststellbar, weil der Markt einen derart tiefen Swimmingpool eher als lästig empfände; Naturalherstellung dagegen hätte praktisch Neubau des Swimmingpools bedeutet und wäre deshalb unverhältnismäßig teuer gewesen. Das House of Lords sprach f 2.500 Schadensersatz für "loss of amenity" zu. In der englischen Literatur wird diskutiert, ob anstatt dieser offenbar freihändig geschätzten Summe nicht sinnvoller eine Abschöpfung der vom Bauunternehmer durch den Vertragsbruch erzielten Ersparnis gewährt worden wäre (wobei sich im vorliegenden Fall eine solche Ersparnis aber offenbar ebenfalls nicht nachweisen ließ), vgl. O'Sullivan, S. 19-22; Peel, S. 33 f. Allgemeiner untersucht diese Frage der Aufsatz von Nolan.
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einem ehemaligen Geheimdienstoffizier das Honorar für seine ohne Erlaubnis publizierten Memoiren entzogen werden soll. 64 Hier kann natürlich von "Rück"abwicklung keine Rede sein: Der Schuldner soll nicht "zurückgeben", sondern einen erzielten Vorteil "aufgeben", um so das Erfüllungsinteresse des Gläubigers zu sichern. 65 Deshalb werden diese Fragestellungen in der vorliegenden Arbeit auch allenfalls am Rande Erwähnung finden. b) Verhältnis zwischen Befreiung von der Bindung an das vertragliche Leistungsprogramm und Rückabwicklung Eine genauere Betrachtung ergibt allerdings, dass der Zusammenhang zwischen Scheitern und Rückabwicklung komplizierter ist, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Zum einen muss man differenzieren zwischen der Befreiung von der Bindung an das vertragliche Leistungsprogramm einerseits und der Rückforderung erbrachter Leistungen andererseits. Die Einsicht, dass diese beiden Wirkungen von Störungen in der Vertragsabwicklung nicht notwendig zusammengehören, sondern dass eine Partei durchaus die "Abwicklung" des Vertrages in Gestalt eines Schadensersatzanspruches verlangen kann, obwohl sie ihrerseits von ihrer Leistungspflicht befreit ist,66 ist in Deutschland bekanntlich mit dem Begriff "Differenztheorie" verknüpft und nicht unumstritten gewesen;67 auch in England war sie nicht von vornherein selbstverständlich, sondern hat sich erst im Laufe der Jahrhunderte allmählich durchgesetzt. 68 Andererseits kann man Attorney-General v. Blake [2000] 3 W.L.R. 625 (H.L.). Die Bezeichnung "restitutionary damages", die sich in England für diese Art der Abschöpfung eingebürgert hat, lässt sich nur mit einem übertragenen Wortgebrauch erklären: Schadensersatz, der nicht wie normal nach dem Schaden des Gläubigers, sondern nach Bereicherungsrecht, also dem law of restitution, berechnet wird. Vgl. inzwischen Lord Nicholls of Birkenhead, der von einer "unhappy expression" spricht (Attorney-General v. Blake [2000] 3 W.L.R. 638). 66 Auf die problematische Frage, ob diese Befreiung aufgrund des Synallagmas schon mit Wegfall der Leistungspflicht der anderen Seite oder erst durch einen besonderen Gestaltungsakt entsteht, braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, vgl. Kaiser, S. 82-87. 67 Zur Geschichte vgl. etwa Leser, S. 125-128. Die zusätzliche Komplikation im früheren deutschen Recht, dass die "Abwicklung" mit Hilfe des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung regelmäßig erst dann in Betracht kam, wenn Abwicklung in Natur nicht mehr möglich, der Vertrag also bereits "gescheitert" war, soweit sein Sinn in der Naturalerfüllung durch beide Seiten bestand (vgl. §§ 325 I 1, 326 I 1 BGB-alt, aus anderen Gründen aber auch bei §§ 463, 635 BGB-alt, weil dort die Leistung nicht mehr so erbracht werden konnte, wie sie geschuldet war), braucht in diesem Zusammenhang nicht näher erörtert zu werden; vgl. dazu etwa Leser, S. 249-263, sowie Kaiser, S. 69 f. 68 Vgl. etwa Atiyah, Rise and Fall, S. 200: ,Jn modern law, broadly speaking, the plaintiff recovers the difference between the value of the defendant's perform64
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auch die Befreiung des vertrag streuen Teils von seiner eigenen vertraglichen Leistungspflicht bereits als Bestandteil der Rückabwicklung sehen, weil dadurch der Gegenanspruch des Vertragsbrüchigen, der als Vennögensgegenstand einen eigenen Wert haben kann, gewissennaßen dem vertragstreuen Teil "zurückgegeben" wird. 69 In den meisten Fällen besteht eine erkennbare Symmetrie zwischen der "Rückabwicklung", die dadurch erfolgt, dass eine Vertragspartei ihrer Leistungspflicht enthoben wird, und der (tatsächlichen) Rückabwicklung von Leistungen, die die Vertragspartei in Erfüllung dieser Leistungspflicht erbracht hat: Ist noch nicht geleistet worden, dann wird von der Pflicht zur Leistung befreit; ist dagegen bereits geleistet worden, dann kann das Geleistete zurückgefordert werden. 7o Im deutschen Recht wird dieser Zusammenhang vom Gesetz ausdrücklich ausgesprochen (vgl. einerseits etwa § 323 III BGB-alt, andererseits § 346 S. 1 BGB-alt) oder aber dadurch hergestellt, dass mit dem Wegfall der Obligation auch der Rechtsgrund für die erbrachte Leistung beseitigt wird, was wiederum nach § 812 I 2 1. Alt. BGB grundsätzlich zur Rückforderung berechtigt. Das Reichsgericht hat die Rückgewähr bei der Wandelung sogar einmal als eine "nur [... ] nebensächliche Folge der Rückgängigmachung des Kaufvertrages" bezeichnet;7! die Rückgewähr ergibt sich in diesem Denken also logisch aus der Beseitigung der vertraglichen Leistungspflichten, die den eigentlichen und primären Inance and the cost to him of his own perfonnance, which he will no longer have to render. But in the sixteenth and seventeenth centuries, when the plaintiff gene rally remained liahle to perfonn his own promise in the future, the damages he was entitled to claim represented the full value of the defendant's promise. " (Hervorhebungen im Original.) Vgl. ferner S. 209-212,425 f. 69 Dieser Gedanke findet sich zuweilen bei englischen Autoren, vgl. etwa Birks in seinem Vorwort zu Skelton, S. iii f., Virgo, S. 28 f., McMeel, S. 33, ist aber auch in der deutschen Literatur keineswegs unbekannt (auch wenn Meier, S. 19, ihn als ,,[u]ngewöhnlich aus deutscher Sicht" bezeichnet), vgl. etwa Wolff, S. 121-124. Äußerst zweifelhaft freilich die Schlussfolgerung, die Krückmann, AcP 128 (1928), 160-162, daraus ziehen will, dass es "doch eine Leistung" sei, "wenn jemand eine bestimmte Verpflichtung übernimmt": Bei Kalkulationsirrtum soll die Preisabrede wegen Zweckverfehlung kondizierbar sein. Derartige Argumentationen dürften den Gedanken aus Sicht deutscher Juristen eher diskreditiert haben. Kritisch allerdings auch O'Sullivan, [2000] C.LJ. 509 (Fn. 3), der zufolge diese Konstruktion "unnecessarily complex and unreal" ist. Umgekehrt dagegen die Argumentation bei Flessner, ZEuP 1997, 256: Auch die Rückabwicklung sei Befreiung von der Vertragsbindung, weil sie "nur dazu dient, die Konsequenzen des Vertrages rückgängig zu machen, und weil beide Rechtsfolgen [... ] dasselbe Ziel haben: dem enttäuschten Vertragsteil die freie Disposition über seine Mittel, insgesamt seine Handlungsfreiheit wieder zu verschaffen". 70 Zu der entsprechenden Analogie zwischen dem vertraglichen Versprechen als Rechtsübertragung und der Sachübertragung, die die Vertragsrechtsdogmatik des Naturrechts geprägt hat, später aber vom pandektistischen Modell des Vertragsschlusses durch vereinigte Willenserklärungen abgelöst wurde, vgl. Schmidlin, S. 189.
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halt der Wandelung darstellt. 72 Auch im englischen Recht kann die Symmetrie zwischen Befreiungswirkung und Rückabwicklung bedeutsam werden, wenn es darum geht, die genaue Anspruchsgrundlage für die Rückforderung zu bestimmen. 73 Ganz durchzuführen ist diese rechtliche Symmetrie aber schon deshalb nicht, weil auch keine tatsächliche Symmetrie zwischen beiden Rechtsbehelfen besteht: Während die Befreiung von einer Leistungspflicht letztlich den status quo bewahrt, stellt die Rückabwicklung gerade eine Veränderung des status quo dar, die oft als unäkonomisch einzustufen wäre. Schon allein ein gewisses "Trägheitsmoment,,74 spricht dafür, die Befreiungswirkung über die Rückabwicklung zu privilegieren. 75 Im früheren deutschen Recht, wo die Befreiung von den vertraglichen Primärpflichten größtenteils bereits mit der Leistungsstärung selbst eintrat,76 trug diesem Gedanken beispielsweise die herrschende (so genannte) "eingeschränkte" oder "abgeschwächte Differenztheorie" Rechnung: 77 Hatte der Gläubiger noch nicht geleistet, dann wurde er durch die Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung zwar von seiner Leistungspflicht frei; hatte er hingegen "seinen ,Beitrag zum Gleichgewicht' bereits erbracht" (um eine Formulierung von Leser aufzugreifen),78 so wurde ihm aufgrund des Gedankens der endgülti71 RGZ 93, 49, allerdings noch unter der Geltung der Lehre, dass die Wandelung den Vertrag ganz beseitige und nicht, wie heute überwiegend angenommen wird, in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umwandele. 72 Ähnlich Flessner, ZEuP 1997, 263: Rückforderung "nur eine sekundäre Folge" der Befreiung des vertrag streuen Teils, die die primäre Rechtsfolge der Leistungsstörung ist. 73 Vgl. etwa Chen-Wishart, (2000) Oxford U Comparative L Forum 2 bei Fn. 12 f. 74 Dieser Begriff ist nicht abwertend gemeint; bei der Tendenz, die Dinge beim Alten zu lassen, wenn sich kein überzeugender Grund für eine Änderung finden lässt, handelt es sich um ein vernünftiges Rechtsprinzip, das sich etwa auch im Prinzip, dass eine Klage bei einem non liquet abzuweisen ist, oder in der Eigentumsvermutung zugunsten des Besitzers äußert. 75 Vgl. auch Leser, S. 88, der darauf hinweist, dass die Befreiungswirkung "innerhalb des Rücktritts die ältere und einfachere Funktion" sei, die "erst später durch die Rückabwicklung ergänzt wurde"; vgl. dort noch S. 104 zur Tatsache, dass die Rückabwicklung problematischere Fragen aufwirft. 76 Vgl. dazu Kaiser, S. 69 f. 77 Mit diesen Termini wird auch (und meist an erster Stelle) eine andere Einschränkung der Differenztheorie verbunden, nämlich die Möglichkeit für den Gläubiger, seine eigene Leistung noch zu erbringen und Schadensersatz in Höhe des vollen Werts der dem Schuldner ursprünglich obliegenden Gegenleistung zu fordern (ablehnend für den bisherigen § 326 BGB BGH NJW 1994, 3351; vgl. im Übrigen Huber, Leistungsstörungen 11, S. 189-196). Im vorliegenden Zusammenhang spielt diese Diskussion keine Rolle, denn auch wenn dem Gläubiger wahlweise die Möglichkeit bleiben sollte, dem Schuldner seine Leistung anzubieten, ändert das am Wegfall der Bindungswirkung für den Gläubiger nichts.
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gen Liquidation des Schuldverhältnisses die Rückforderung versagt und statt dessen der volle Wert der Gegenleistung des Schuldners gewährt. 79 Andererseits wurde im Rahmen des bisherigen § 463 BGB die Rückgewähr vom Gläubiger empfangener Leistungen zugelassen, wenn der Gläubiger selbst sie wünschte (so genannter "großer Schadensersatz,,).8o Das englische Recht kennt ähnliche Mechanismen, wie noch zu zeigen sein wird. 81 Einer der im Folgenden zu behandelnden Vereinheitlichungstexte, die Principles of European Contract Law, betont, die Vertragsaufhebung habe keine Rückwirkung; deshalb sei es keineswegs automatische Konsequenz aus der Vertragsaufhebung, dass eine Rückabwicklung erbrachter Leistungen stattzufinden habe. 82 Umgekehrt scheidet eine Rückforderung grundsätzlich von vornherein aus, wenn die Bindungswirkung des Vertrages aufrechterhalten wird, weil andernfalls der Leistende das, was er zurückfordert, alsbald wieder leisten müsste. 83 Das Verhältnis zwischen "Scheitern" des vertraglichen Leistungsprogramms - im Sinne einer Beseitigung der Primärleistungspflichten und der Rückabwicklung des Vertrages ist also von einer gewissen Komplexität, auch wenn beide Rechtsfolgen eng miteinander verbunden sind. c) Scheitern als Instrument zur Durchsetzung der vertraglichen Risikoverteilung Eine weitere Komplikation ergibt sich daraus, dass die Möglichkeit eines Scheiterns des Vertrages mit anschließender Rückabwicklung ihrerseits als Leser, S. 125. Vgl. hierzu etwa RG JW 1931, 1183; BGHZ 87, 159. Vgl. außerdem Huber, Leistungsstörungen 11, S. 203 f. und - zu gegenläufigen Ansichten - S. 210-213. Eine Vertreterin dieser Gegenmeinung ist Kaiser, S. 95 f., die die hier dargestellte Lösung der herrschenden Meinung für unlogisch und inkonsequent hält. Ihrer Meinung nach ist der Grund des Rückforderungsausschlusses auch nicht die Liquidation des Schuldverhältnisses, sondern die von §§ 325 I 1, 326 I 2 BGB-alt angeordnete strenge Alternativität, vgl. Kaiser, S. 154 f. 80 Vgl. in diesem Zusammenhang Leser, S. 133 ("Aufgaben, wie sie für den Rücktritt typisch sind"). 81 Vgl. unten Teil 2 A.1.2.c)(4). 82 PECL Autorenkommentar Art. 9:307 A: ,Jt does not follow from the fact that the contract has been terminated that the party which has performed can get restitution of what it has supplied." 83 Das gesteht selbst Stephen A. Smith, (1999) 115 L.Q.R. 251 f., zu, der ansonsten für eine freie Konkurrenz zwischen vertraglichen Ansprüchen und bereicherungsrechtlichen Ansprüchen auf Rückgewähr plädiert: Eine geschuldete Leistung könne keine ungerechtfertigte Bereicherung darstellen. Vgl. auch Flessner, ZEuP 1997, 259, dem zufolge die Befreiung vom Vertrag als "stille Voraussetzung" in der Rückforderung steckt. 78
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Mittel zur Durchsetzung des vertraglichen Leistungsprogramms im weitesten Sinne einzustufen ist. Dieser Gedanke - dass, um es zugespitzt auszudrücken, der "Selbstmord" des Vertrages seiner Verwirklichung dienen soll mag auf den ersten Blick ungereimt erscheinen, ist aber etwa in der amerikanischen Diskussion als Einwand gegen die bei Holmes festzustellende Fixierung auf Schadensersatz als venneintlich einzigen Rechtsbehelf zur Vertragsdurchsetzung vorgebracht worden 84 und verdient es, ernst genommen zu werden: 85 Bei Leistungsstörungen ist die Beseitigung der Bindung an das vertragliche Leistungsprogramm lediglich ein Ausdruck des Synallagmas; wenn man vom Gedanken des da ut des ausgeht, dann ergibt sich daraus, dass eine Vertragspartei grundsätzlich nicht leisten muss, wenn die Leistung der anderen Partei ausbleibt. 86 Dass es sich bei der Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten um ein Instrument zur Durchsetzung des vertraglichen Leistungsprogramms handelt, ist auch nahezu selbstverständlich. Nichts anderes gilt aber, wenn der Vertrag beendigt, also gewissennaßen ein Zurückbehaltungsrecht für immer gewährt wird. In der konkreten Situation, ex post betrachtet, trägt die Aufhebung des Vertrages natürlich nichts zur Durchsetzung des vertraglichen Leistungsprogramms bei; ex ante dagegen kann die Möglichkeit, dass der Vertrag bei Nichterfüllung einer Seite zum Scheitern gebracht wird und die andere Seite damit das Recht erwirbt, ihre eigene Leistung zurückzufordern, ein wirksameres Druckmittel sein als Schadensersatzansprüche oder staatlicher Zwang zur Naturalerfüllung,87 zumal Parteien üblicherweise deswegen Verträge eingehen, weil sie sich aus der Gegenleistung der anderen Partei einen Vorteil erhoffen. 88 84 Vgl. etwa Fried, S. 117 f. Dass diese Einsicht sich allerdings schon aus den Überlegungen von Holmes selbst zur Aufhebung von Verträgen ableiten lässt, ist oben bei Fn. 16 bereits erwähnt worden. 85 In diesem Sinn auch Flessner, ZEuP 1997, 265, der betont, die "bloße Existenz" der Befreiung vom Vertrag sei "zusätzlicher Ansporn für den Schuldner, seine Leistung wie geschuldet zu erbringen". 86 Leser, S. 163, weist darauf hin, sowohl Schadensersatz als auch Rücktritt seien "dem Synallagma inhärente Behelfe" (Hervorhebung im Original), und spricht von einer "der Austauschabrede innewohnende[n] mögliche[n] Reaktion auf die Störung des Ablaufs des Vertragsprogramms" (S. 172). M. Krebs, S. 3 (insb. Fn. 21), nennt dies allerdings einen Zusammenhang, der "beim bloßen Blick auf das eigene Recht verborgen" bleibe und erst "vor dem Grundmuster des Einheitsrechts" deutlich werde (vgl. ferner noch S. 20). Anders freilich Stephen A. Smith, (1999) 115 L.Q.R. 253 f., nach dessen Ansicht es "nothing in the concept of contractual obligation, however contractual obligation is understood (whether as promissory or reUance-based, and whether as resting on rights or utility)" gebe, woraus sich ableiten ließe, dass bei völliger Nichtleistung einer Partei die andere zur Vertragsbeendigung berechtigt sein solle; vielmehr lasse sich dies nur aus dem Gedanken der ungerechtfertigten Bereicherung herleiten. 87 So jedenfalls für das englische Recht Harris, (1992) 45:2 C.L.P. 35 f.
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Aber auch jenseits des Bereichs der Leistungsstörungen dient die Möglichkeit eines Scheiterns des konkreten Vertrages zwischen den einzelnen Parteien der Aufrechterhaltung des Vertrages als juristischer Institution und dem Schutz seiner Funktion als Planungsinstrument. Wenn etwa bei Minderjährigkeit oder Irrtum einer Partei oder bei Täuschung durch die andere der Vertrag für gescheitert erklärt wird, dann soll das die Verwirklichung rechtlicher Wertungen sicherstellen, die für die Bindung an das vertragliche Leistungsprogramm ein hinreichendes Maß an Selbstbestimmtheit verlangen. 89 Der oben referierte Gedanke von Holmes über den Grund der Vertragsaufhebung etwa bei Täuschung90 trifft also im Ansatz durchaus zu, bedarf aber der Modifikation: Auch hier leitet sich das Recht zur Aufhebung "aus dem Vertrag" ab, freilich nicht aus der konkreten Vereinbarung zwischen den Parteien, sondern eher aus der Institution des Vertrages selbst. Wenn die Rechtsordnung die Voraussetzung für die Bindungswirkung eines Vertrages in einem Konsens der Parteien sieht, der in einem gewissen Maße selbst bestimmt sein und auf zutreffenden Informationen beruhen muss, dann muss sie umgekehrt Vereinbarungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, die Bindungswirkung versagen. Dabei dient nicht nur das Scheitern schuldrechtlicher Verträge im Sinne der Beseitigung dieser Bindungswirkung, sondern auch die Rückabwicklung nach einem Scheitern dazu, die Grundfunktion schuldrechtlicher Verträge als Planungsinstrument aufrechtzuerhalten. Darüber, dass Verträgen diese Grundfunktion zukommt, dürfte Einigkeit bestehen, gleichgültig, ob man ihre Funktion im Sinne der oben angesprochenen unterschiedlichen Sichtweisen eher als "Drehbuch" der tatsächlichen Geschäftsbeziehung oder bloß als "juristisches Sicherheitsnetz" unter dieser Geschäftsbeziehung bestimmen will. Sollen schuldrechtliche Verträge dieser Planungsfunktion gerecht werden, dann muss die anwendbare Rechtsordnung nicht nur zuverlässige 88 Die Unterscheidung zwischen Vorteilhaftigkeit des Vertrags ex ante und ex post übersieht Meier, Irrtum und Zweckverfehlung, S. 279 f., wenn sie als Argument gegen die englische failure-of-consideration-Lehre, der zufolge Zweck der Leistung einer Vertragspartei primär die Erlangung der Gegenleistung ist und die Leistung daher bei Ausbleiben der Gegenleistung wegen Zweckverfehlung zurückgefordert werden kann (vgl. unten Teil 2 A.III.l.b», vorbringt, im Leistungszeitpunkt könne unter Umständen das Interesse an der Gegenleistung weggefallen sein: Ex ante betrachtet ist im Normalfall anzunehmen, dass der Vertrag abgeschlossen worden ist, um die Gegenleistung zu erhalten; ex post ist es für eine Partei, die vertraglich zur Leistung verpflichtet ist, immer noch besser, dafür die Gegenleistung zu erhalten als ganz leer auszugehen. 89 Seltsam deshalb Lookofsky, 46 American Journal of Comparative Law 494 f., dem zufolge die Unwirksamkeit von "promise[s] made at gunpoint" oder aufgrund Betruges geschlossener Verträge eine Einschränkung der Partei autonomie darstellen soll. 90 Vgl. oben bei Fn. 7.
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Kriterien dafür bereitstellen, wann sie Verträgen die Bindungswirkung absprechen, sie also für gescheitert erklären will, sondern darf auch die Rück-' abwicklung nicht von Zufälligkeiten abhängen lassen, muss sie vielmehr für die Parteien vorhersehbar und planbar machen, und das in einer Weise, die den Zwecken des Vertragsrechts nicht zuwiderläuft. Um es erneut auf eine paradoxe Formulierung zuzuspitzen: Das Vertragsrecht muss sich auch und gerade dort bewähren, wo der Vertrag scheitert. 91 Diese Forderung, deren Inhalt im Folgenden noch näher zu bestimmen sein wird, mag auf den ersten Blick selbstverständlich, ja vielleicht fast banal wirken. Ihre Bedeutung wird aber allzu leicht übersehen, vor allem dort, wo der Zweck der Rückabwicklung vorschnell auf die Herbeiführung ausgleichender Gerechtigkeit verengt wird. 92 So mag die Möglichkeit, dass nach einer Vertragsaufhebung wegen Vertragsbruchs die vom Schuldner gemachten Investitionen in die Ausführung des Vertrages verloren gehen könnten, ihrerseits als Anreiz zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages dienen;93 die zum Zwecke der Vertragsausführung gemachten Anstrengungen dienen in diesem Verständnis als eine Art automatische und natürliche Sicherheit für die vollständige Durchführung des Vertrages. Wird hier aus Gründen ausgleichender Gerechtigkeit vorschnell eine Vergütung für derartige Aufwendungen angeordnet, kann das dem Zweck zuwiderlaufen, der mit dem Institut der Vertragsaufhebung verfolgt wird. Andererseits lässt es sich kaum umgehen, irgendeine Art von Ausgleichsregelung vorzusehen, weil ansonsten der Schuldner um so mehr zu verlieren hat, je mehr er bereits für die Ausführung des Vertrages getan hat, was ebenso zweckwidrig wäre; eine Sicherheit, die umgekehrt proportional zur Abnahme des Sicherungsbedürfnisses werthaitiger wird, ist wenig sinnvoll. Hier sind also differenzierende Überlegungen zur Risikoverteilung erforderlich, die sich nicht einfach durch einen Verweis auf das Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit ersetzen lassen. 94 91 Zur Rechtssicherheit als wesentlichem Grundprinzip des Leistungsstörungsrechts, das freilich oft "übergangen oder unterschätzt" wird, vgl. auch Huber, Leistungsstörungen I, S. 34--37. Vgl. auch Flessner, ZEuP 1997, 312, der zu Recht betont, dass es eigenartig wäre, dem Gläubiger die Rückabwicklung "gerade dann zu verwehren, wenn er zusätzlich zum Erfüllungsdefizit, das in der wesentlichen Vertragsverletzung liegt, auch seine Vorleistung, die ohne Gegenleistung geblieben ist, Uedenfalls zunächst) als Minusposten bei sich verzeichnen muß". 92 So aber offenbar Barker, (1995) 15 OJ.L.S. 468--471, der die Grundlage des Ausgleichs von "unjust enrichment by subtraction" in der Herstellung ausgleichender Gerechtigkeit sieht, diesen Begriff aber andererseits so vage und weit fasst, dass er nahezu inhaltsleer wird. 93 So ausdrücklich LandolBeale (2000), S. xxxix. Für das englische Recht wird diese Möglichkeit von Harris, (1992) 45:2 c.L.P. 36, sogar als wichtigster Anreiz zur Leistung bezeichnet, weil die Naturalerfüllung nur selten gerichtlich durchsetzbar und es für den Schuldner oft billiger ist, Schadensersatz zu zahlen als zu leisten.
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In anderen Fallkonstellationen hilft dieses Prinzip noch weniger weiter: Hat etwa eine Partei im Rahmen eines Vertrages, der dann aufgehoben wird oder sich als unwirksam erweist, von der anderen Partei etwas erhalten, ohne dafür selbst etwas zu leisten, dann gebietet es im Normalfall zwar in der Tat der Gedanke der iustitia commutativa, dass die bereicherte Partei einen Ausgleich für die Leistung der anderen Partei erbringen muss. Aber nicht in allen Fällen ist derart eindeutig "ungerechtfertigte Bereicherung" (im untechnischen, allgemein-moralischen Sinn) gegeben. 95 Häufiger dürften sich Situationen finden, in denen eine Rückgabe der erbrachten Leistung durch die bereicherte Partei in Natur nicht möglich ist (etwa weil es sich um eine Dienstleistung gehandelt hat oder weil die übergebene Sache untergegangen ist) oder in denen dieser Partei ihrerseits Kosten bei der Vorbereitung ihrer Leistung entstanden sind. Erweist sich etwa ein Vertrag, der von beiden Seiten bereits vollständig erfüllt worden ist, aus eher technischen Gründen später als unwirksam, dann lässt sich aus dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit nicht unbedingt ableiten, ob der Vertrag ganz rückabgewickelt werden soll oder vielmehr überhaupt nicht. 96 Dementsprechend vielgestaltig sind die Reaktionsmöglichkeiten: Von vollständiger Rückabwicklung reicht das Spektrum über verschiedene Formen der faktischen Aufrechterhaltung eines erfolgten Leistungsaustauschs (etwa durch die Saldotheorie oder die Figur des sog. "fehlerhaften Vertrages" im deutschen Recht) bis hin zu Heilungsvorschriften, die gewissermaßen sogar das Scheitern des Vertrages rückwirkend entfallen lassen. Auch in anderen Fällen kann man diesen "scharfe[n] Gegensatz an sich legitimer Interessen, in dem es schwer fällt, gerechte Entscheidungen zu treffen und für sie Regeln zu entwickeln,m, feststellen. So lässt sich aus 94 Vgl. im deutschen Recht etwa § 320 11 BGB (keine Einrede des nicht erfüllten Vertrags, soweit deren Geltendmachung, insbesondere wegen "verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils", treu widrig wäre), und die Interpretation dieser Vorschrift in der Rechtsprechung zu Mängeln von Bau1eistungen, wo sie inzwischen allerdings durch die neue Sonderregelung in § 641 III BGB verdrängt wird: Der Besteller bzw. Mieter soll das Dreifache der zu schätzenden Nachbesserungskosten zurückhalten dürfen; die Beweislast für die Unverhältnismäßigkeit trifft den Unternehmer bzw. Vermieter (vgl. PalandtlHeinrichs, § 320 Rn. 11 m. w. N.). In England hat der Law Commission 1983 die Frage im Rahmen ihres Berichts "Pecuniary Restitution for Breach of Contract" große Schwierigkeiten bereitet; es konnte keine Einigkeit über Empfehlungen an den Gesetzgeber erzielt werden. Vgl. ferner Treitel, (1967) 30 MLR. 141 f. 95 Zum Verhältnis zwischen "ungerechtfertigter Bereicherung" im untechnischen Sinn und der Aufhebung von Verträgen vgl. Friedmann, Valid, Voidable, Qualified, and Non-existing Obligations, S. 251-253. 96 Vgl. (im Zusammenhang mit den Swap-Fällen in der englischen Rechtsprechung, auf die unten Teil 3 B.I.1.a) noch einzugehen sein wird) Furmston, How Modem is English Contract Law? S. 5.
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dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit schwerlich ableiten, ob und in welchem Maße Minderjährige oder die Opfer von Täuschung oder Zwang bei der Rückabwicklung privilegiert werden sollen. Oder um an eine Gruppe von Fällen zu erinnern, die sich in England tatsächlich ereignet hat, in Deutschland aber zum Lehrbuchfall mutiert ist: Ist ein Zimmer mit Blick auf einen Krönungszug vermietet, der jedoch wegen Krankheit des Königs ausfallen muss, so sagt das Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit nicht eindeutig, ob der Vermieter die Miete bekommen (bzw. behalten) soll oder nicht. Klar ist lediglich, dass die Erwartungen einer Seite enttäuscht werden müssen: Entweder kann der Vermieter - der im Übrigen vielleicht auch schon Geld für Zeitungsinserate oder für die Errichtung von Sitzplätzen ausgelegt hat - die günstige Lage seines Zimmers nicht wie erhofft ausnutzen, oder der Mieter muss für eine Aussicht bezahlen, die für ihn völlig uninteressant geworden ist. Ob es aber "gerechter" ist, eher den einen von beiden zu enttäuschen als den anderen, steht in diesem Fall keineswegs von vornherein fest. Es nimmt deshalb auch nicht wunder, dass die englischen Gerichte bei der Entscheidung dieser Fälle wiederum auf das Prinzip "let the loss lie where it falls" zurückgegriffen und danach unterschieden haben, ob die Miete im Zeitpunkt der Absage des Krönungszuges schon fällig war oder nicht,98 eine Tendenz, die später freilich auf fast einhellige Kritik gestoßen ist. 99
In der Tat stellte eine derartige Entscheidungspraxis geradezu eine "Leistungsverweigerung" des Vertragsrechts selbst dar, weil nicht einmal der Versuch gemacht wurde, sinnvolle Risikozuweisungskriterien zu entwickeln; 100 die zeitliche Abfolge zwischen Fälligkeitstermin und Absage des Krönungszuges taugt dazu wegen ihrer Zufälligkeit nicht. 101 Die Kritik hat Flessner, ZEuP 1997,264. Vgl. etwa Krell v. Henry [1903] 2 KB. 740 und demgegenüber Chandler v. Webster [1904] 1 KB. 493. Nicht ganz zutreffend daher Friedmann, S. 87, dem zufolge die "Rückforderungen der Mietpreise [... ] durchweg abgelehnt" wurden; richtig dagegen Meier, Irrtum und Zweckverfehlung, S. 254. 99 In der Rechtsprechung selbst findet sich schon wenig später heftige Kritik an den Krönungszug-Urteilen, vgl. Cantiare San Rocco S.A. v. Clyde Shipbuilding & Engineering Co. Ltd. [1924] A.c. 257. Ausführlich zur Kritik und zu den Reformüberlegungen des Law Revision Committee Williams, S. 8 f. Fried, S. 65, stellt zu Recht fest, dass bei konsequenter Anwendung der Maxime "ideally nobody was ever liable Jor anything". Von einem "archaische[n] Prinzip" und davon, dass "diese Regel den blinden Zufall walten" lässt, spricht zutreffend Friedmann, S. 87 f. Stoljar (1964), S. 199, nennt es ,fairly clear that the court would have reached a different result had they possessed an apportioning or loss-sharing device". 100 Das Gericht war sich dessen durchaus bewusst; Collins M.R. sprach selbst von einer willkürlichen Regel, die deshalb angenommen werde, weil "it is really impossible in such cases to work out with any certainty what the rights oJ the parties in the event which has happened should be" ([1904] 1 KB. 499). 97
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den australischen High Court freilich nicht daran gehindert, noch vor wenigen Jahren in ähnlicher Weise einen Fall zu entscheiden, bei dem eine 14tägige Kreuzfahrt nach zehn Tagen in einem Schiffbruch endete: Die Rückforderung des im Voraus bezahlten Reisepreises wurde verweigert, obwohl die Richter zugleich feststellten, dass nichts zu zahlen gewesen wäre, wenn der Reisepreis erst nach der Reise fällig geworden wäre. 102 Im Ergebnis begünstigt eine solche Rückabwicklungspraxis diejenigen, die auf Vorleistung ihres Vertragspartners bestehen, ihrerseits aber so spät wie möglich leisten. Zumindest für den Regelfall widerspricht dies eindeutig dem Zweck des Vertragsrechts, die Parteien zur Leistung zu veranlassen. Das schließt nicht aus, dass es einzelne Bereiche gibt, in denen eine solche Rückabwicklungsregelung sachgerecht ist; bei gesetzes- oder sittenwidrigen Verträgen etwa kann ein Ausschluss der Rückabwicklung in bestimmten Fällen gerade dem Zweck dienen, die Parteien von der Erfüllung des missbilligten Vertrages abzuhalten und so das Verbot wirksam durchzusetzen. Deshalb ist die (wiederum von Vorstellungen ausgleichender Gerechtigkeit beeinflusste) Kritik, solche Rückabwicklungsausschlüsse seien als systemwidrige "Privatstrafe" grundsätzlich abzulehnen, nicht in jedem Fall überzeugend. d) Bedeutung der Gründe des Scheiterns für die Rückabwicklung An den vorstehenden Überlegungen lässt sich bereits erkennen, dass die Gründe, aus denen ein Vertrag scheitert, von entscheidender Bedeutung für die Rückabwicklung sind. 103 Das zeigt auch die gedankliche Gegenprobe: Ein Richter oder Schiedsrichter, dem lediglich gesagt würde, dass ein Vertrag gescheitert ist, so dass bereits erbrachte Leistungen rückabgewickelt werden sollen, würde den Fall kaum befriedigend lösen können, ohne nachzufragen, aufgrund welcher Umstände die Durchführung des vertraglichen Leistungsprogramms ausscheidet. In der Konzeption des modernen englischen law of restitution ist diese Betrachtungsweise implizit: Dort wird stets nach der Ursache gefragt, die eine Leistung zur ungerechtfertigten Be101 Hinzu kommt, dass es schon willkürlich ist, auf den Zeitpunkt der Absage des Krönungszuges abzustellen, weil man ebenso gut auch den Zeitpunkt der Erkrankung des Königs, die die Absage zwingend nach sich zieht, als entscheidend werten könnte, vgl. Chitty, Rn. 5-030 Fn. 15. 102 Raftic Shipping Company v. Dillon (The Mikhail Lennontov) (1993) 111 A.L.R. 289; allerdings hatte der Reiseveranstalter den Anteil des Reisepreises, der den Tagen nach dem Schiffbruch entsprach, freiwillig zurückerstattet. Außerdem wurde Schadensersatz zuerkannt. 103 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schfechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich I Kap. 3 Rn. 5.
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reicherung macht (in der üblichen, etwas elliptischen Redeweise wird diese Ursache als "unjust Jactar" bezeichnet). Dabei werden eine Reihe von Ursachen unterschieden - Beispiele sind etwa Irrtum, Täuschung, Drohung, Minderjährigkeit oder Ausbleiben der erwarteten Gegenleistung -, wobei die Rückabwicklung je nach unjust Jactar unterschiedlichen Regeln folgt oder zumindest die Ausgestaltung der Risikoverteilung den unterschiedlichen Gesichtspunkten angepasst wird. 104 Bei der Konzeption des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches hat man sich dagegen bemüht, stärker von solchen "dramatic circumstances" (um Holmes' Terminologie noch einmal aufzugreifen) zu abstrahieren, wobei dahinstehen kann, ob diese Tendenz zur Abstraktion eher auf der in Deutschland prägenden römischrechtlich-pandektistischen Tradition oder, wie gerade der Blick auf die durchaus ähnlichen Gedanken von Holmes nahe legt, auf zeitbedingten Denkströmungen beruht. Entscheidend im vorliegenden Zusammenhang ist dagegen, dass sich der Versuch, eine abstrakte Regelung in Form verschiedener "Rückabwicklungsregime" mit jeweils unterschiedlicher Risikoverteilung (wie etwa Rücktritt, Bereicherungsrecht, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis) zu schaffen, bei der der Verweis auf eines dieser Rückabwicklungsregime letztlich als Stenogramm für eine bestimmte Risikoverteilung zu verstehen ist, nur mit Einschränkungen bewährt hat: 105 In der praktischen Anwendung muss innerhalb der verschiedenen Rückabwicklungsregime eben doch entscheidend nach den Umständen gefragt und differenziert werden, die zur Rückabwicklung geführt haben. 106 104 Zu dieser Betrachtungsweise und zur Kritik deutscher Autoren, die sie für unnötig kompliziert halten, vgl. unten Teil 2 A.III.l.c). 105 Vgl. aber v. Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S. 219, dessen Ansicht nach die Auslagerung der "eigentlichen Gründe für die Rückabwicklung" durchaus sinnvoll ist, weil das "Kondiktionenrecht [... ] sonst überlastet" wäre. In der englischen Literatur wird diese Trennung von Gründen der Rückabwicklung und deren Durchführung seltener gezogen; vgl. jedoch Friedmann, Valid, Voidable, Qualified, and Non-existing Obligations, S. 263 f. 106 V gl. in diesem Zusammenhang Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich, Kap. 3 Rn. 2, der (auch mit Blick auf das deutsche Recht) betont, dass "die Rückabwicklung in Einzelheiten nicht unabhängig von den Gründen für das Scheitern des Vertrages sein kann und diese Gründe gerade bei den Nebenfolgen der Rückabwicklung - Zuordnung vergeblicher und wertloser Aufwendungen, Ersatzfahigkeit wertsteigernder Verwendungen, Vergütung von Gebrauchsvorteilen und Früchten sowie Haftung oder Befreiung bei Untergang des Bereicherungsgegenstandes - berücksichtigt werden", andererseits aber "die zur Verfügung stehenden bereicherungsrechtlichen Vorschriften zur Lösung der damit verbundenen Sachfragen nur bedingt tauglich" sind. Ganz ähnlich Chen- Wishart, (2000) Oxford U Comparative L Forum 2 nach Fn. 9. Selbst Friedmann, Valid, Voidable, Qualified, and Non-existing Obligations, S. 264, der im Gegensatz zum Großteil der englischen Literatur die Durchführung der Rückabwicklung von ihren Gründen ablösen will, gesteht zu, dass "the original ground for rescission, though it is not relevant to the very existence of
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Zum Teil beruht dies zwar lediglich auf einem besonderen gesetzgebungstechnischen Problem, dem das BGB unterlag: Einzelne Rückabwicklungsregime waren oftmals speziell auf bestimmte Fallkonstellationen zugeschnitten und wurden dann, gewissermaßen im Wege einer vom Gesetzgeber selbst angeordneten Analogie, auf andere Fälle ausgedehnt, auf die sie nur mit Einschränkungen passen. Das galt bekanntlich etwa für die Rücktrittsvorschriften, bei denen man an den vertraglich vorbehaltenen (und damit von vorneherein erwarteten) Rücktritt gedacht hat und die deshalb auf die Fälle gesetzlicher Rücktrittsrechte sowie die Wandelung nur mit Einschränkungen passten,107 aber auch für das mit Blick auf einseitige Leistungen und nicht auf einen Leistungsaustausch konzipierte Bereicherungsrecht. IOS Dass die Notwendigkeit, bei der praktischen Anwendung der Rückabwicklungsregime auf die Gründe des Scheiterns zurückzugreifen, indes nicht allein von diesen gesetzgebungstechnischen Zufälligkeiten bei der Entstehung des BGB bedingt wurde, sondern sachliche Gründe hat, die auch die Schuldrechtsreform überdauern, wird aber schon daran deutlich, dass die - zur Einschränkung des bei der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge unpassenden § 818 III BGB entwickelte - Saldotheorie von der Rechtsprechung heute ihrerseits dort wieder eingeschränkt wird, wo bestimmte Gründe des Scheiterns, nämlich Minderjährigkeit und arglistige Täuschung, den besonderen Schutz einer Partei nahe legen. lo9 Die unterschiedlichen Rückabwicklungsregime sollten also nicht als gleichsam naturgesetzlich vorgegebene Ordnungen betrachtet werden, sondern lediglich als abkürzende Verschlüsselungen bestimmter Risikoverteilungen, die aber immer wieder an die Gründe des Vertragsscheiterns zurückgebunden werden und so stärker differenziert werden müssen. Dabei können und müssen auch die oft auf dogmatischen Zufälligkeiten beruhenden Grenzen zwischen nichtigen und vernichtbaren Verträgen einerseits und Verträgen, die an sich zwar rechtlich wirksam sind, aber aus einem anderen Grund scheitern, andererseits überbrückt werden: Entscheidend für die Rückabwicklung kann nicht die rechtliche Einordnung sein, sondern vielmehr, welchen Interessen das Recht damit dienen will, dass es das Scheitern eines Vertrages anordnet, und wie sich diese Interessen zur Planungsfunktion des Vertrages als Institution verhalten. I 10 Begründungen, die lediga cause of action for recovery, may affect some ancillary issues relating to restitution" (vgl. insbesondere auch das Beispiel dort Fn. 64). 107 Zur Entstehungsgeschichte der Rücktrittsvorschriften des BGB und ihren Hintergründen vgl. die besonders ausführliche Darstellung bei Leser, S. 1-93. 108 Zur Entstehung der Regelung im BGB und ihrer "Fixierung des Blicks auf Voraussetzungen und Inhalt der einzelnen Kondiktionen" vgl. König, S. 85. 109 Vgl. dazu unten bei Teil 2 B.III. sowie bei der Darstellung der einzelnen Scheiternsgründe. 4 Coen
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lich auf die Eigengesetzlichkeiten bestimmter dogmatischer Figuren abstellen, sind deshalb von zweifelhaftem Wert. Ein Beispiel für diese Problematik zeigt sich an der - bereits angesprochenen - Diskussion über die Saldotheorie in Deutschland. Dass dieser Notbehelf zur Korrektur des auf zweiseitige Verträge nicht passenden § 818 III BGB sachliche Schwierigkeiten aufwirft, insbesondere in den so genannten Vorleistungsfällen, ist seit langem bekannt und wird zu Recht kritisiert. I 11 Zweifelhaft ist aber, ob man die Saldotheorie mit dem grundsätzlicheren Argument ablehnen kann, dass die durch sie bewirkte faktische Aufrechterhaltung des Vertrages dessen gesetzlich angeordneter Nichtigkeit widerspricht. I 12 Gerade aus rechtsvergleichender Sicht ist diese Argumentation von besonderem Interesse, weil das House of Lords in einer sehr umstrittenen Entscheidung aus demselben Grund die Rückforderung eines nichtigen Darlehens auf bereicherungsrechtlicher Grundlage ganz abgelehnt hat: Durch die Pflicht zur Rückzahlung werde das Darlehen nämlich faktisch aufrechterhalten, was mit seiner Nichtigkeit unvereinbar sei. l13 Diese ganz unterschiedliche Zielrichtung der Argumentation allein reicht natürlich nicht aus, um sie zu widerlegen: Die Tatsache, dass ein Argument verwendet worden ist, um eine wenig sinnvoll erscheinende Folgerung zu begründen, spricht nicht gegen das Argument selbst, das ja missbraucht worden sein und in anderem Zusammenhang durchaus angebracht erscheinen mag. Wenn freilich dieselbe dogmatische Argumentationsfigur verwendet wird, um zwei ganz gegensätzliche Rechtsfolgen zu begründen, legt das allerdings eine gewisse Inhaltsleere des Arguments nahe. Hinzu kommt, dass die Lösung des House of Lords konsequenter erscheint: Wenn das Recht tatsächlich dazu zwingt, von der (historisch ja feststehenden) Tatsache abzusehen, dass die Parteien im Glauben an einen wirksamen gegenseitigen Vertrag geleistet haben und ihre Leistungen daher notwendigerweise aufeinander bezogen waren, dann kann man mit der gleichen Berechtigung auch die (ebenfalls im Rahmen des vermeintlichen Vertragsverhältnisses erbrachte) Leistung ignorieren. Dagegen muss die Umdeutung des faktischen Leistungsaustauschs in voneinander völlig unabhängig erbrachte Einzelleistungen eher als eine Verfälschung des historischen Sachverhaltes erscheinen. 110 Vgl. in diesem Zusammenhang zur Lehre vom faktischen Synallagma auch Leser, S. 117-122. 111 Vgl. dazu noch unten bei Teil 2 B.III., Fn. 494. 112 So Kaiser, Rückabwicklung, S. 322. ll3 Sinclair v. Brougham [1914] A.C. 398. Näher dazu unten Teil 1 C.I.1.b)(5) bei Fn. 193. Vgl. ferner (mit gleicher Argumentation) Boissevain v. Weil [1950] A.C. 341.
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Wirklich entscheidend sind indes ganz andere Sachfragen, die von einer derartigen, an der dogmatischen Oberfläche bleibenden Argumentation gar nicht berührt werden, nämlich welche Risikoverteilung durch die Saldotheorie geschaffen wird und ob sich diese Risikoverteilung mit den Zielen verträgt, die das Vertragsrecht damit verfolgt, dass es einen Vertrag für nichtig erklärt. 114 Wenn diese Frage für unterschiedliche Gründe des Scheitems unterschiedlich beantwortet wird, dann liegt darin keine gedankliche Inkonsequenz; 115 vielmehr kann dies angesichts des oben diskutierten Zusammenhangs von Scheiternsgründen und Rückabwicklung berechtigt, ja sogar notwendig sein. 116 e) Die Sicht des Vertragsrechts in der vorliegenden Arbeit Wenn in den vorstehenden Überlegungen eine Reihe von Themenkomplexen, von denen jeder eine eigene Abhandlung verdient hätte, in eher kursorischer, vielleicht sogar allzu aphoristischer Manier angeschnitten worden sind und dabei bereits eine Anzahl konkreter Fragen vorweggenommen worden sind, die im Folgenden näher zu diskutieren und zu analysieren sein werden, dann wird damit nicht der Zweck verfolgt, den Leser gewissermaßen durch "Appetithäppchen" zu reizen. Vielmehr erschien es sinn114 Der Versuch, eine sinnvolle Risikoverteilung für die (bereicherungsrechtliche) Rückabwicklung gescheiterter Verträge zu schaffen, findet sich kennzeichnenderweise schon in der für die modeme bereicherungsrechtliche Dogmatik entscheidend gewordenen Schrift von Wilburg, S. 156 f.: "Da wegen der Ungiltigkeit [sie] des Kaufvertrages der von B grundlos geleistete Ring jedenfalls im Innenverhältnis zwischen A und B dem B gehört, so muß auch die Gefahr des Unterganges dieses Ringes B selbst tragen." Eine Abwälzung, wie sie die Saldotheorie vorsehe, sei nur dann gerechtfertigt, wenn der Verlust des Ringes als ein von A veranlasster Vertrauensschaden gelten dürfe; im Normalfall könne das aber nicht in Betracht kommen, da der Zufall auch bei B eingetreten wäre. Etwas anderes gelte jedoch, "wenn die Übergabe an A sich als besondere Gefahr für die Sache darstellte, die nur im Vertrauen auf einen giltigen [sie] Kauf erfolgt ist", sowie bei Herstellung einer Sache auf Veranlassung der anderen Seite. Über einzelne Wertungen kann man sicherlich streiten, aber es ist bedauerlich, wenn sich die heutige Diskussion ohne Notwendigkeit hinter eine solche Analyse zurückbegibt und auf rein dogmatische Argumentationen über die angebliche Unvereinbarkeit zwischen vertraglicher Haftung und Bereicherungsrecht zurückfällt. 115 So aber Kaiser, Rückabwicklung, S. 323 ("herrschende Meinung bleibt [... ] auf halbem Wege stehen"). 116 In der heutigen englischen Literatur plädiert allerdings Jaffey dafür, dass man - statt in Fällen der Nichtigkeit von Verträgen Bereicherungsansprüche anzunehmen, was seiner Ansicht nach zu logischen Schwierigkeiten führt - lieber von einer teleologischen Reduktion der Nichtigkeitsnormen ausgehen solle, so dass der Vertrag insoweit aufrechtzuerhalten sei, als dies zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten erforderlich ist (vgl. etwa (2000) 63 M.L.R. 927). Im Ergebnis wird sich diese Auffassung weitgehend mit der hier vertretenen treffen. 4*
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voll, bereits in der Einleitung der Arbeit einige methodische Grundgedanken explizit zu machen, die andernfalls allzu leicht unbeachtet bleiben könnten, um damit auch die Tendenz deutlich zu machen, die die vorliegende Arbeit verfolgt. Das konnte natürlich nicht in abstrakter Weise geschehen; zur Verdeutlichung musste vielmehr, den Hauptteil der Arbeit vorwegnehmend, auf Beispiele aus Rechtsprechung und Literatur hingewiesen werden. Das Ergebnis der vorstehenden Überlegungen lässt sich folgendermaßen knapp zusammenfassen: Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist eine rechtsvergleichende Untersuchung der Rückabwicklung gescheiterter Verträge. Die Methode der funktionalen Rechtsvergleichung, die dabei zugrunde gelegt wird, orientiert sich nicht an einem bestimmten dogmatischen System und versucht auch kein eigenes geschlossenes System zu entwerfen, sondern ist offen für alle dogmatischen Entwürfe, soweit sie die Funktionen bestimmter Rechtsinstitute angemessen erklären können. Das gilt auch für unterschiedliche dogmatische Konzeptionen des schuldrechtlichen Vertrages als Rechtsinstitut. Ein gemeinsames Element dieser Konzeptionen lässt sich aber darin erkennen, dass der schuldrechtliche Vertrag als Instrument dient, um die Zukunft planbarer zu machen. "Scheitern" des Vertrages bedeutet dabei zunächst lediglich, dass der Vertrag nicht in der eigentlich erwarteten Weise abgewickelt wird; zwischen dem Wegfall der Bindung an das vertragliche Leistungsprogramm und einer Rückabwicklung etwa bereits erbrachter Leistungen bestehen im einzelnen komplexe Wechselwirkungen. Entscheidend ist aber, dass mit dem Scheitern des Vertrages nicht dessen Planungsfunktion negiert wird, sondern sich im Gegenteil auch und gerade hier die vertragliche Risikoverteilung zu bewähren hat. Die im Zusammenhang mit der Rückabwicklung auftretenden Sachfragen können nicht durch eindimensionalen Verweis auf bestimmte Rechtsprinzipien beantwortet werden. Vielmehr ist jeweils sorgfältig zu prüfen, welchen Zwecken jeder einzelne Scheiternstatbestand dienen soll und mit welcher Risikoverteilung sich diese Zwecke unter Berücksichtigung der Grundfunktionen des Vertragsrechts am sinnvollsten erreichen lassen. Scheiternsgründe und Durchführung der Rückabwicklung gehören mithin analytisch untrennbar zusammen, und nur eine Analyse, die diesem Zusammenhang gerecht wird, wird auch die Hoffnung erfüllen können, die entsprechenden Rechtsinstitute in ihrer jeweiligen Funktion angemessen zu erfassen. Es dürfte auf der Hand liegen, dass diese methodische Konzeption in einer Hinsicht dem sehr nahe kommt, was oben als Konsequenz aus dem Vertragsmodell von Oliver WendelI Holmes dargestellt worden ist: In der Tat stehen das Scheitern von Verträgen und die anschließende Rückabwicklung im Gesamtzusammenhang der vertraglichen Risikoverteilung, aus der sie lediglich einen Ausschnitt bilden. Anders als nach der Konzeption von
B. Gang der Darstellung
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Holmes brauchen die Kriterien für diese Risikoverteilung aber nicht zwangsläufig auf die Vereinbarung der Parteien zurückgeführt werden (in diesem Fall würden sich ohnehin nur schwer verallgemeinernde Aussagen machen lassen), sondern werden zu einem großen Teil vom Recht bereitgestellt, auch wenn sie dem Zweck dienen, die Funktion des Vertrages in einem abstrakten Sinn, als Planungsinstrument, zu sichern. Gerade im Bereich der Rückabwicklung gescheiterter Verträge ist das Vertragsrecht nicht allein bei der Erfüllung dieser Aufgabe: Sachenrecht, Bereicherungsrecht und Deliktsrecht fügen sich hier in einen größeren Gesamtzusammenhang an, und auch wenn diese verschiedenen Rechtsrnassen zum Teil einen unterschiedlichen Blickwinkel verfolgen, dienen sie alle letztlich (zumindest mittelbar) auch dem Zweck, die Freiheit zum selbst bestimmten Umgang mit Vermögenswerten zu erhalten, ein Zweck, den natürlich auch das Vertragsrecht in besonderer Weise verfolgt. Insofern wird man also über die Analyse von Holmes hinauszugehen und die vertragliche Risikoverteilung nicht allein im Vertragsrecht (und schon gar nicht nur im von den Parteien geschlossenen Vertrag) zu suchen haben, sondern den Blick auch auf diese weiteren Regelungszusammenhänge richten müssen, die in vielfacher Weise miteinander verzahnt sind, zum Teil aber auch gegenläufig funktionieren. Dass eine solche umfassende Analyse Schwierigkeiten verursachen kann, soll nicht verschwiegen sein. Handhabbar wird sie nur - und darin liegt eine wesentliche Abweichung gegenüber der Position von Holmes -, indem man, wie angesichts des oben aufgezeigten Zusammenhangs zwischen Gründen des Scheiterns und Rückabwicklung unvermeidlich, nach den Fallkonstellationen unterscheidet, die zur Rückabwicklung führen. Für das Verständnis des Vertragsrechts muss insofern also doch auf die "dramatie cireumstanees" zurückgegriffen werden, von denen Holmes gerade abstrahieren wollte.
B. Gang der Darstellung Der Aufbau der Arbeit und der weitere Gang der Darstellung folgen aus ihrer Thematik und aus den vorangehenden Überlegungen: Nach dem einleitenden Teil 1, der mit einer kurzen Vorstellung der einzelnen untersuchten Rechtsordnungen (nachfolgend C.) abschließt, sollen zunächst in Teil 2 deren verschiedenen Rückabwicklungsregime im Gesamtzusammenhang dargestellt werden. Dabei geht es also noch nicht unmittelbar um einen Vergleich zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen, sondern um eine Art "Binnenvergleich" der unterschiedlichen Rückabwicklungsmodalitäten innerhalb jeder einzelnen Rechtsordnung. Erforderlich ist dieser Darstellungsschritt, um die Rückabwicklung in ihrem Kontext verständlich zu machen; bei den nationalen Rechtsordnungen, deren Rückabwicklungssysteme
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
vertrauter sein dürften als die der Vereinheitlichungs texte , kann er demgemäß knapper ausfallen, so dass Einzelheiten weitgehend dem nachfolgenden Hauptteil der Arbeit vorbehalten bleiben können. Dagegen müssen bei den Vereinheitlichungsprojekten bereits stärker Details vorweggenommen werden, um die einzelnen systematischen Ansätze deutlicher herauszuarbeiten und um die praktischen Auswirkungen einzelner Regelungen beziehungsweise unterschiedlicher Interpretationsansätze aufzuzeigen. Bei allen Rechtsordnungen muss das Schwergewicht allerdings auf den Leistungsstörungsfällen liegen, da deren Regelung das vertragliche Haftungssystem der jeweiligen Rechtsordnung besonders stark prägt. Teil 3 enthält dann den eigentlich rechtsvergleichenden Teil der Arbeit, wobei - den vorstehend diskutierten methodischen Grundsätzen gemäß jeweils nach den Gründen des Vertragsscheiterns unterschieden wird. Da die Mechanik der einzelnen Rückabwicklungsregime bereits in Teil 2 dargestellt worden ist, brauchen dabei allerdings nur die Besonderheiten der jeweiligen Scheiternsgründe diskutiert zu werden. Auch hier ist zwar versucht worden, Systembegriffe einzelner Rechtsordnungen zu venneiden und die verschiedenen Fallkonstellationen möglichst neutral zu umschreiben, aber auf so grundlegende Begriffe wie "Irrtum" konnte natürlich nicht verzichtet werden. Dass die verschiedenen Fallgruppen ineinander übergehen, wie sich besonders etwa an den Zusammenhängen zwischen Leistungsstörungen, Irrtum und arglistiger Täuschung zeigt, liegt ebenfalls in der Natur der Sache; hier konnte nur versucht werden, auf derartige Überlappungen hinzuweisen. Auch die Untergliederung dieses Teils - in "Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern" (Teil 3 B.) einerseits und "Willensmängel und Leistungsstörungen" (Teil 3 D.) andererseits - sollte nicht als scharfe dogmatische Abgrenzung missverstanden werden, an die besondere Folgerungen geknüpft würden, sondern lediglich als eine lockere Grobeinteilung, die nur Zwecken der Darstellung folgt: Natürlich gehören auch "Willensmängel" zu den "Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern", aber es erschien wegen der bereits angesprochenen Überlappung mit den Leistungsstörungen sinnvoll, auch die Fälle des Irrtums, der Täuschung und der Drohung in diesen Zusammenhang zu stellen. 117 Umgekehrt lässt sich bei den Lösungsrechten für Verbraucher, die die nationalen Rechte (unter starker und noch weiter zunehmender Beeinflussung durch das europäische Recht) kennen, nur schwer eine Einordnung unter die beiden Kategorien vornehmen: Sollen derartige Rechte die Ent117 Zum Zusammenhang zwischen diesen Scheiternsgründen vgl. auch Kaiser, Rückabwicklung, S. 24-27, 51 f.
B. Gang der Darstellung
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schlussfreiheit des Verbrauchers vor allzu effektiver Werbung schützen, so dass sie eher in den Kontext der Willensmängel gehören müssten, oder sollte man sie in den Zusammenhang ähnlicher besonderer Schutzvorschriften für bestimmte Personengruppen, wie etwa für Minderjährige, stellen? Hier wurde stärker auf den Schutzaspekt abgestellt und deshalb in den Teil über "Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern", eingeordnet (Teil 3 B.V.), weil die Rückabwicklung eher dem Zweck dient, den Vertrag insgesamt zu beseitigen, gewissermaßen also ungeschehen zu machen (auch wenn in Deutschland das Widerrufsrecht nach § 361a BGB bisheriger und § 357 I 1 BGB neuer Fassung in seinen Rechtsfolgen auf Rücktrittsrecht verweist, was es eher in die Nähe der Rückabwicklung nach Leistungsstörungen bringt). Eine weitere Fallgruppe, deren Behandlung sinnvoll erschien, entzieht sich der Einordnung in dieses Schema völlig; gemeint ist die Rückabwicklung von Leistungen, die in Erwartung eines Vertragsabschlusses erbracht werden, der dann aber nicht zustande kommt. Diese Fallgruppe wurde deshalb als eigene Gruppe zwischen die beiden großen Gruppen eingeordnet (Teil 3 C.), obwohl ihr praktisches Gewicht naturgemäß geringer ist. Nicht in allen Fallgruppen konnten in allen der behandelten Rechtsordnungen Regelungen festgestellt werden. So ist der Problemkreis der fehlenden Geschäftsfahigkeit (Teil 3 B.II.) in den Einheitsprojekten bislang ausgespart worden. Hier kann natürlich auch nur das Fehlen einer Regelung konstatiert werden. Wo allerdings in Randbereichen möglicherweise analogiefähige Regelungen existieren, wird darauf hingewiesen, wie etwa bei gesetzlichen Verboten in den Unidroit Principles (Teil 3 B.lV.3.). Ganz weggelassen wurden schließlich Fälle, in denen der Abschluss eines Vertrages am Mangel der Vertretungsmacht scheitert: Hier ergeben sich aufgrund der Möglichkeit einer eigenen Haftung des Vertreters zusätzliche Komplikationen, deren Erörterung den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte. Eine knappe Zusammenfassung der Schlussfolgerungen schließt die Arbeit ab (Teil 4). Im Rahmen eines derartigen Aufbaus sind Wiederholungen nicht nur zwangsläufig, sondern auch beabsichtigt. Nur auf diese Weise lässt sich nämlich die besonders im Rahmen der internationalen Rechtsvereinheitlichung zu beobachtende (und Schwierigkeiten eigener Art verursachende) "Multidimensionalität der Systemzusammenhänge" 118 in die Linearität einer fortlaufenden Darstellung abbilden. Neben der "traditionellen nationalen Dimension" jeder einzelnen Rechtsordnung, in der bereits unterschiedliche Rückabwicklungsregime nebeneinander stehen, die miteinander zu vergleichen sind, und der "vertikalen" internationalen Dimension, also dem Zusammenspiel von vereinheitlichtem und nationalem Recht innerhalb der ein118
Der Ausdruck ist übernommen von Basedow, Anforderungen, S. 92.
1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
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zeinen Rechtsordnung, ist auch eine "horizontale" internationale Dimension zu beachten, die damit zu tun hat, wie das Einheitsrecht in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen verstanden, ausgelegt und angewandt wird. Um das treffende Bild von Basedow aufzugreifen, sind "die Vorschriften des eigenen angeglichenen Rechts wie durch ein Prinzip kommunizierender Röhren mit entsprechenden Normen des angeglichenen Rechts in anderen Mitgliedsstaaten verbunden, die freilich ihrerseits in einem weiteren Systemverbund mit der jeweiligen nationalen Rechtsordnung stehen".119 Der Versuch, diese kommunizierenden Röhren zu kartieren, macht es erforderlich, immer wieder zu Punkten zurückzukehren, die bereits passiert worden sind.
Die dargestellte "Multidimensionalität" ließe sich leicht durch weitere Dimensionen anreichern, insbesondere durch den Blick auf die - auch von Basedow in diesem Zusammenhang bereits ins Visier genommene Rechtsgeschichte. 12o Das hätte allerdings die Grenzen, die dem Umfang der vorliegenden Arbeit zu setzen waren, vollends gesprengt. Auf rechtsgeschichtliehe Zusammenhänge wird daher grundsätzlich nur hingewiesen, wo sie zum Verständnis einzelner Regelungen unabdingbar sind. Das ist vor allem beim englischen Recht der Fall, aber auch bei den Einheitsrechtsprojekten bietet die Entstehungsgeschichte einzelner Formulierungen - soweit zugänglich - zum Teil wertvolle Aufschlüsse. Innerhalb der einzelnen Teile sind Darstellung und Bewertung nicht streng voneinander getrennt worden; wo einzelne Regelungen besonders gelungen oder misslungen (oder auch schlechterdings unverständlich) erscheinen, wird jeweils an Ort und Stelle darauf hingewiesen. Die Absicht der Arbeit liegt aber, wie bereits festgehalten, weniger darin, die Lösungen der unterschiedlichen Rechtsordnungen zu bewerten, als vielmehr in dem Versuch, sie besser zu verstehen, indem ihre stillschweigenden Voraussetzungen und damit auch die Grenzen ihrer Anwendbarkeit transparent gemacht werden. Aus diesem Grund wurde auch darauf verzichtet, den bereits existierenden Vereinheitlichungsprojekten eigene Vorschläge hinzuzufügen.
c.
Die einzelnen untersuchten Rechtsordnungen
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit insgesamt fünf Rechtsordnungen (wenn man nicht sogar das im Umbruch befindliche deutsche Recht als zwei Rechtsordnungen zählen möchte), von denen drei - das englische Recht, das deutsche Recht und das CISG - staatlichen Ursprungs sind, während die übrigen beiden - die Unidroit Principles und die Principles of 119 120
Basedow, Anforderungen, S. 92. Vgl. Basedow, Anforderungen, S. 100.
C. Die einzelnen untersuchten Rechtsordnungen
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European Contract Law - auf private Initiative zurückgehen, so dass man bereits an ihrer Rechtsqualität zweifeln kann - eine Fragestellung, der hier nicht nachgegangen werden SOll.121 Die Unterscheidung zwischen deutschem Recht und CISG ist natürlich, streng genommen, unzutreffend, da selbstverständlich auch das CISG seit der Ratifikation durch die Bundesrepublik deutsches Recht ist; aber vom "unvereinheitlichten deutschen Recht" oder vom "deutschen Recht mit Ausnahme des CISG" zu sprechen, erschien zu schwerfällig, so dass diese Ungenauigkeit entschuldigt werden mag. Auch andere Einteilungen wären natürlich denkbar und sinnvoll, etwa in nationale (englisches und deutsches Recht) und international ausgerichtete Rechte (CISG und Principles-Texte). Freilich wäre die Bezeichnung "nationales Recht" im Hinblick auf das englische Recht irreführend: Zum einen ist es innerhalb des Vereinigten Königreiches selbst nur ein lokales Recht, das lediglich in England und Wales (und, mit gewissen Einschränkungen, auch in Nordirland) gilt, nicht dagegen in Schottland, auch wenn Parlamentsgesetzgebung in einzelnen Bereichen, insbesondere dem Kaufrecht, praktisch bedeutsame Annäherungen zwischen englischem und schottischem Recht herbeigeführt hat. Zum anderen ist auch das englische Recht in gewisser Weise bereits "internationales" Recht, weil es in zahlreichen aus dem früheren britischen Kolonialreich hervorgegangenen Staaten gilt, freilich mit mehr oder weniger großen nationalen Abweichungen. Auch wenn die ehemaligen Kolonien heute auch in ihrer Rechtsprechung weitgehend nicht mehr an britische Präzedenzentscheidungen gebunden sind Neuseeland ist (freilich wohl auch nur noch für kurze Zeit) der größte Staat, von dem noch Fälle an das Judicial Committee of the Privy Council gelangen können, das früher die Aufgabe hatte, die Rechtseinheit innerhalb des Empire zu sichern _,122 führen verschiedene Faktoren dazu, dass auch die verfassungsrechtlich unabhängig gewordenen Rechtsordnungen weiterhin (um das oben gebrauchte Bild in anderem Zusammenhang wieder aufzunehmen) als "kommunizierende Röhren" funktionieren. 123 Damit erklärt es sich, dass in der vorliegenden Arbeit auch Entscheidungen aus anderen 121 Eingehend zu den damit zusammenhängenden Fragen Canaris, Stellung der "UNIDROIT Principles", sowie Michaels, RabelsZ 62 (1998), 610-622. 122 Formell betrachtet funktionierte diese Sicherung allerdings nur in einer Richtung, nämlich von Großbritannien zu den Kolonien, da die britischen Gerichte streng genommen nicht an Entscheidungen des Privy Council gebunden waren. Die Tatsache, dass weitgehende Personalunion zwischen Privy Council und House of Lords, dem höchsten nationalen britischen Gericht, besteht, hat aber dafür gesorgt, dass Entscheidungen des Privy Council auch in Großbritannien als "persuasive precedent" wahrgenommen wurden. 123 ZweigertlPuttfarken bezeichnen den Begriff "national" für die Fallrechte des Common Law daher auch als sinnlos und verfälschend (S. 596, 598). Vgl. zu dieser
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
Common-Law-Rechtsordnungen Berücksichtigung finden, die für die englische Diskussion von Bedeutung gewesen sind. 124 Die in Großbritannien zum Teil feststellbare Skepsis gegenüber Rechtsvereinheitlichungsprojekten hat vor diesem Hintergrund auch mit der Befürchtung zu tun, dadurch den traditionellen Zusammenhang der "kommunizierenden Röhren" zu unterbrechen. Andererseits sind natürlich sowohl das englische wie das deutsche Recht, wie angesichts der Zugehörigkeit beider Staaten zur Europäischen Union unvermeidlich, in erheblichem (und weiter zunehmendem) Maße von internationaler Rechtsvereinheitlichung geprägt, so dass sie ohnehin keine rein nationalen Rechtsordnungen mehr darstellen - falls es so etwas überhaupt je gegeben hat, was man angesichts der Studien, die den seit jeher bestehenden gegenseitigen Austausch innerhalb des europäischen ius commune aufzeigen,t25 bezweifeln darf.
I. Staatliches Recht 1. Englisches Recht a) Das englische Recht als Kontrastmodell Die Rechtsordnungen des Common-Law-Rechtskreises und das englische Recht im besonderen eignen sich aus einer Reihe von Gründen besonders gut für die Rechtsvergleichung auf dem Gebiet der Rückabwicklung gescheiterter Verträge. 126 Der erste dieser Gründe, der Kontrast zu den KonTatsache und ihre Bedeutung für die Rechtsvergleichung auch Flessner, RabelsZ 56 (1992),247. 124 Ein Beispiel ist natürlich die oben Teil 1 A.l1.2.c) Fn. 102 zitierte Entscheidung des australischen High Court Baltic Shipping Company v. Dillon (The Mikhail Lermontov) (1993) 111 A.L.R. 289. 125 Aus der reichhaltigen und wachsenden Literatur zu dieser Thematik sei hier nur Zimmermann, JZ 1992, 8, herausgegriffen. 126 Grundlagen zu Geschichte und Systematik des englischen Rechts können in der vorliegenden Arbeit schon aus Platzgründen nicht dargestellt werden. Vorausgesetzt werden muss etwa die Unterscheidung zwischen Common Law und equity sowie die Fallrechtsnatur des englischen Rechts und seine aktionenrechtliche Entwicklung. Bei Bedarf sei der deutschsprachige Leser auf die einschlägigen Darstellungen zur Entwicklung des Common Law verwiesen, z.B. bei ZweigertlKötz, S. 177-201, aber natürlich auch auf die bis heute unübertroffene und immer noch höchst lesenswerte Studie von Rheinstein, die über den engeren Bereich des Vertragsrechts hinaus auch die Hintergründe von Gerichtsverfassung und Rechtsquellenlehre mitbehandelt. In englischer Sprache sehr empfehlenswert zur Entwicklung des Schuldrechts jetzt die Monographie von Ibbetson; ein älteres und aufgrund der Absicht des Autors, seine Sicht des Vertragsrechts historisch zu untennauern, etwas mit Vorsicht zu behandelndes Werk, das aber deshalb besonders lesenswert ist, weil es geistesgeschichtliche und soziale Hintergründe eingehend darstellt, ist Atiyah, Rise and Fall.
C. Die einzelnen untersuchten Rechtsordnungen
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zeptionen des kontinentaleuropäischen Rechts, dürfte bereits aus den am Anfang dieser Arbeit zitierten Auffassungen von Oliver WendeIl Holmes deutlich geworden sein. Sicher geben die Ansichten von Holmes, wie dargestellt, die Realität des angloamerikanischen Rechts ihrerseits aus einem eigenartigen subjektiven Blickwinkel und nicht ohne Überspitzungen wieder, und die Praxis des Vertragsrechts in den verschiedenen Rechtssystemen ähnelt sich allein schon aufgrund der sachlichen Notwendigkeiten mehr, als man es nach manchen dogmatischen Postulaten annehmen müsste. An der Existenz unterschiedlicher Ansätze - auf die zum Teil schon hingewiesen worden ist - ändert das nichts, und es lohnt sich, den praktischen Auswirkungen dieser Unterschiede nachzugehen. 127 Das englische Recht hat dabei einerseits bestimmte Eigenheiten des Common Law stärker bewahrt als etwa das amerikanische Recht, das sich in mancher Hinsicht auf kontinentaleuropäische Positionen zu bewegt hat (auf die Kodifikation eines allgemeinen Treu-und-Glauben-Grundsatzes ist bereits hingewiesen worden), steht aber andererseits aufgrund der Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union unter dem unmittelbaren Einfluss kontinentaleuropäisch (mit-)beeinflusster Gesetzgebung. b) Die Entwicklung des englischen Bereicherungsrechts
(1) Bereicherungsrecht als primärer systematischer Standort der Rückabwicklung Ein zweiter Grund, der eine Untersuchung der Rückabwicklung gescheiterter Verträge nach englischem Recht einerseits besonders interessant macht, andererseits aber auch erschwert, ist die aktuelle Entwicklung der englischen Rechtswissenschaft und Lehre. Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge wird nämlich - gleichgültig, worin der Grund des Scheitems gelegen hat - von den meisten englischen Autoren dem "law of restitution", also dem Bereicherungsrecht, zugeordnet,128 und dieses Rechtsgebiet 127 Die Verständnislosigkeit für das englische Recht auf dem Kontinent ist leider immer noch groß, wie sich etwa daran ablesen lässt, dass selbst ein so bekannter Autor wie Eugen Bucher derart apodiktische Behauptungen in den Druck befördern kann wie etwa, dass England "eine Rechtsordnung ohne Rechtsquellen im kontinentalen Sinn" besitze und das Common Law ein Rechtssystem sei, das "die Gerichte nicht an Normen bindet" (ZEuP 2000, 410, 414). Erstaunlich auch Buchers weitere auf England gemünzte Aussagen: "Rechtsdenken in Grundsätzen und allgemeinen Prinzipien wie auf dem Kontinent sind [sie] auch heute noch kaum bekannt, Abstraktionen werden abgelehnt." (S. 412.) 128 Anders aber jetzt aufgrund eines innerhalb der englischen Literatur ungewöhnlichen Vertragsverständnisses Jaffey, Nature and Scope, S. 29 ff., dessen Ansicht nach es in Widersprüche führen muss, wenn man die Rückabwicklung von Verträgen als bereicherungsrechtlich qualifiziert.
1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
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hat in den letzten Jahrzehnten, vor allem aber in den letzten Jahren, eme rasante Entwicklung durchgemacht, zumindest wenn man nach der Frequenz einschlägiger Publikationen urteilt. (2) Die" Gründungslegende " des englischen Bereicherungsrechts
Eher erschwert als erleichtert wird der Zugang zum englischen Bereicherungsrecht freilich durch die eingängige, aber tendenziöse Darstellung seiner Geschichte, die sich in Teilen der englischen Literatur findet und meist leider noch weiter vergröbert - in das deutschsprachige Schrifttum rezipiert worden ist. Nach dieser Version wollte im 18. Jahrhundert Lord Mansfield C. J. in seinem Urteil in Moses v. Macferlan l29 ein modemes, europäischen Maßstäben genügendes Bereicherungsrecht begründen,130 sei damit jedoch an den reaktionären Tendenzen der englischen Rechtsprechung gescheitert, 131 die in der Entscheidung des House of Lords in Sinclair v. Brougham 132 ihren Tiefpunkt erreicht und darauf beharrt hätten, auch Bereicherungsansprüche auf die Fiktion eines Rückzahlungsvertrages zurückzuführen. Erst 1966 sei dann, in Gestalt des Law of Restitution von Robert Goff und Gareth Jones, das erste Lehrbuch des englischen Bereicherungsrechtes erschienen, dessen innovative Ideen sich aber ebenfalls nur mühsam hätten durchsetzen können, bis dann schließlich die Berufung von Goff an das House of Lords im Jahre 1986 die entscheidende Wende in der Rechtsprechung ennöglicht habe. Inzwischen sei endlich eine rege wissenschaftliche Diskussion in Gang gekommen, und nur noch wenige Fortschrittsfeinde (namentlich Steve Hedley) stellten sich unvennindert der Anerkennung des Bereicherungsrechts als eines selbständigen Rechtsgebietes entgegen. 133
129 130
(1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 581. ZweigertlKötz, S. 554, fonnulieren vorsichtiger, in der Entscheidung sei
"zweifellos die Möglichkeit angelegt [gewesen], die bis dahin entwickelten bereicherungsrechtlichen Ansprüche aus ihrer historisch bedingten Verknüpfung mit dem Vertragsrecht zu lösen". Andere Autoren machen Lord Mansfield aber auch für die später entstandene Verwirrung (mit-)verantwortlich, so Zimmermann, Law of Obligations, S. 837 Fn. 28, und Birks, (1994) 37 c.L.P. 13 f. 131 Vgl. etwa Burrows, Law of Restitution, S. 2: "Traditionally English lawyers
were hostile to a law of restitution based on unjust enrichment. [... ] Until recently powerful dicta of great judges like Lord Mansfield and Lord Wright tended to fall on deaf ears." Dabei widerspricht sich Burrows natürlich selbst, wenn er im nächsten Satz die angebliche Wende auf "ever-increasing judicial references to restitution and unjust enrichment" zurückführt: Sind die bereicherungsrechtlichen Ideen
nun "auf taube Ohren gefallen" oder haben sie in der Rechtsprechung immer weiter um sich gegriffen? 132
[1914] A.C. 398.
C. Die einzelnen untersuchten Rechtsordnungen
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Das vordringliche Verdienst dieser Darstellung, die sich inzwischen schon fast stereotyp in den einschlägigen Werken findet, dürfte ein psychologisches Moment sein: Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, die auf den ersten Blick vielleicht etwas esoterisch wirken könnte, wird geradezu zu einem Kampf von Licht und Finsternis, von Fortschritt gegen traditionalistischen Obskurantismus stilisiert. 134 Wer sich mit dem Bereicherungsrecht befasst, kann so einerseits das Gefühl haben, an vorderster Front des wissenschaftlichen Fortschritts zu marschieren, darf sich andererseits aber auch auf eine lange, lediglich zeitweise verschüttete Traditionslinie bis hin zu einem so bedeutenden Richter wie Lord Mansfield, nach anderen Versionen sogar bis zu Pomponius,135 berufen. Gerade die psychologische Eingängigkeit dieser Konstruktion sollte jedoch stutzig machen. So simpel schwarz-weiß sind die Dinge in der Wissenschaftsgeschichte normalerweise nicht gestrickt, und ein näherer Blick erweist diese Darstellung - fast könnte man von der "Gründungslegende" des englischen Bereicherungsrechts sprechen - als insgesamt wenig überzeugend, auch wenn sie (wie die meisten Legenden) natürlich ein gutes Stück Wahrheit enthält.
(3) Aktionenrechtliche Ursprünge Diese Wahrheit ist wie üblich komplizierter, dabei freilich auch prosaischer als die Legende. Ansprüche, die heute als bereicherungsrechtlich eingestuft würden, sind in England seit Jahrhunderten bekannt. 136 Wie in einer aktionenrechtlich geprägten Rechtsordnung unvermeidlich, die sich zudem nicht anhand einer systematischen Dogmatik, sondern an Präzedenzfällen entwickelt hat, war hierfür eine unübersichtliche Vielzahl von Klageformen (writs) einschlägig. 137 So gab es offenbar eine eigene Klageform für die Rückforderung von Land, das in Ansehung einer künftigen Eheschließung des Beschenkten geschenkt worden war, wenn die Ehe dann nicht zustande 133 Vgl. etwa Burrows, Law of Restitution, S. 2: ,,[ ... ] part of this book's purpose is to continue the campaign [... ] for a full acceptance of the English law of restitution in the hope that remaining sceptics will be converted". Schon die Diktion ("campaign", "converted") ist bemerkenswert. 134 Birks etwa bezeichnet die Gegner des neue ren Bereicherungsrechts sogar als ,jlat-earthers", vgl. [1991] L.M.C.L.Q. 473. Umgekehrt sagt Gamer, (1990) 10 OJ.L.S. 42, Goffund Jones sowie Birks einen "spirit of true frontiersmen" nach. 135 Vgl. namentlich Martinek, RabelsZ 47 (1983), 284. 136 Zu Recht stellt Birks, Introduction, S. 3, fest: ,,Restitution [... ] has been the subject of litigation for as long as the common law has been developing." Selbst in Shakespeares stark von juristischer Metaphorik geprägtem 87. Sonett (Erstdruck 1609) wird unverkennbar auf Terminologie und Denkfiguren des Bereicherungsrechts angespielt: "For how do I hold thee but by thy granting?IAndfor that riches where is my deserving?/The cause of this fair gift in me is wanting,/And so my patent back again is swerving."
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
kam _138 vennutlich, weil es sich hier um eine real und sozial besonders herausgehobene Fallkonstellation handelte. Andere Ansprüche wurden dagegen mit allgemeineren Aktionen, insbesondere debt und account, bewältigt. Im Bereich der equity-Rechtsprechung existierte eine Reihe von eigenen Rechtsbehelfen. Der writ 01 debt, der für die Rückforderung fest bestimmter Geldsummen am ehesten passte, erwies sich dabei im Laufe der Zeit aus verschiedenen Gründen als zu schwerf:illig 139 und wurde zunehmend von einem neuen writ, assumpsit, abgelöst, wobei ein so banaler Umstand wie die Konkurrenz zwischen verschiedenen Gerichten um Gebühreneinnahmen eine nicht unbedeutende Rolle spielte. 140 Assumpsit setzte, wie auch der lateinische Name vennittelt, ein (Haftungs- oder Zahlungs-)Versprechen des Beklagten voraus, wobei das zuständige Gericht, der Court of King's Bench, zunehmend bereit war, ein solches Versprechen zu fingieren,I41 bis dieser Bestandteil des Klagefonnulars schließlich gar nicht mehr ernst genommen wurde. 142 137 Realistisch der Kommentar von Hedley, Contract's Twin, S. 250, dass "the underlying common law ideal was that 01 trial by jury, and so the system was lar stronger on procedure than on clarity 01 legal principle." 138 Writ 01 entry causa matrimonii prelocuti, vgl. Ibbetson, S. 267, Fn. 17. 139 Eine Klage konnte nur Erfolg haben, wenn sich der Klageanspruch durch ein gesiegeltes Dokument oder ein Kerbholz (!) beweisen ließ oder wenn ein quid pro quo vorlag. Der Beklagte konnte sich außerdem durch die Benennung von Eideshelfern einer Verurteilung entziehen (so genannter wager 01 law). Außerdem musste die Klage ganz abgewiesen werden, wenn sich die Forderung nicht genau in der eingeklagten Höhe nachweisen ließ. Zu den Mängeln der action 01 debt vgl. auch Rheinstein, S. 21 f. 140 Dazu näher Rheinstein, S. 30 f. 141 Vgl. den bei Fifoot, History and sources, S. 393 f., abgedruckten Auszug einer ,,Declaration in Assumpsit"; Auszüge aus einem entsprechenden writ auch bei Rheinstein, S. 35. Zur Rolle der Fiktion in verschiedenen Fallkonstellationen vgl. auch Baker, S. 40-53. 142 Vgl. Rheinstein, S. 35, der kommentiert: "Was hier von einem nachträglichen Assumpsit und von betrügerischer Absicht erzählt wird, ist reiner Zopf und Formelkram. Im Prozeß spielen diese Behauptungen keine Rolle; der Beklagte braucht und kann auf sie nicht eingehen." Die fiktive Natur des Zahlungsversprechens zeigt sich auch daran, dass - wie Hanbury, (1924) 40 L.Q.R. 34 feststellt - selbst dort, wo sich der Beklagte schon vertraglich zur Leistung verpflichtet hatte, noch ein zusätzliches anschließendes Leistungsversprechen erforderlich war; der Effekt des vertraglichen Versprechens hatte sich mit der Begründung der Schuld erschöpft. Auch Fifoot, Lord Mansfield, S. 141, verweist auf Fälle "where the plaintiff relied neither on an express nor on an implied undertaking". Birks, Introduction, S. 36, meint dagegen, Ansprüche auf Rückzahlung von Geld seien ,jor more than two centuries through the action on a promise" behandelt worden, und nennt dies einen "awful accident". Laut Martinek, RabelsZ 47 (1983), 289, sollen die Gerichte ein tatsächliches Versprechen unterstellt haben. Heemann, S. 23, leitet aus der Klageformel
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So eigenartig, wie diese Vorgehensweise heute scheinen mag, ist sie der Sache nach nicht: Wenn ein Schwarzfahrer von heutigen Gerichten sowohl in Deutschland wie in England nicht mit der Behauptung gehört wird, er habe niemals für die Beförderung zahlen wollen, dann ist das dabei angenommene vertragliche Zahlungsversprechen letztlich nicht minder fiktional. 143 Im englischen Recht findet der als quantum meruit bezeichnete Anspruch auf angemessene Vergütung für Werk- und Dienstleistungen bis heute gleichermaßen auf Fälle, in denen ein gültiger Vertrag geschlossen, aber keine ausdrückliche Abrede über die Vergütung getroffen wurde, und auf die Rückabwicklung unwirksamer Verträge Anwendung; 144 während heute, nicht zuletzt unter dem Einfluss naturrechtlicher Vertragsrechtstheorien, dogmatisch zwischen beiden Fallkonstellationen unterschieden wird, war dies bis ins 19. Jahrhundert nicht der Fall. 145 Das gilt um so mehr, wenn die These von Atiyah zutrifft, dass auch die Haftung für Ansprüche, die inzwischen als genuin vertraglich eingestuft würden, zunächst nicht auf ein Versprechen gestützt wurde, sondern darauf, dass es eine "ungerechtfertigte Bereicherung" gewesen wäre, dem Beklagten die von ihm bestellte sogar ab, dass "der Empfänger dem Leistenden gegenüber vertraglich zur Rückzahlung des Geldes verpflichtet war". Widersprüchlich allerdings seine anschließende Aussage, damit sei "die Anwendung der im Vertragsrecht geltenden Rechtsfolgen auf den Bereicherungsanspruch im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung" beabsichtigt gewesen. 143 Auf die wenig erfreulichen theoretischen Auseinandersetzungen, zu denen diese Sachfrage in Deutschland Anlass gegeben haben und die ihren Höhepunkt 1956 in dem Hamburger Parkplatzfall (BGHZ 21, 319) fanden, braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. 144 Frappierend, aber hier nicht weiter zu verfolgen ist die Analogie zur Diskussion um die so genannten "faktischen Vertragsverhältnisse" bzw. den Vertragsschluss durch "sozialtypisches Verhalten" (vgl. auch vorangehende Fußnote): Weil sich die Zahlungspflicht des Schwarzfahrers oder Ladendiebs mit der Unbeachtlichkeit der protestatio facto contraria gegen den objektiven Erklärungswert seines Verhaltens letztlich nicht schlüssig erklären lässt (so gleichermaßen Teichmann, S. 294 ff., und Atiyah, Rise and Fall, S. 483), wird auch in Deutschland zum Teil auf den Rechtsgedanken der §§ 612, 632 BGB zurückgegriffen, vgl. Medicus, AT, Rn. 250. 145 Vgl. Atiyah, Rise and Fall, S. 480 f., nach dessen Ansicht die Unterscheidung zwischen "contract implied in fact" und "contract implied in law" ursprünglich nur danach getroffen wurde, ob die Geschworenen oder der Richter über die Existenz eines Anspruchs entscheiden sollte. Erst die Lehrbuchliteratur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, inspiriert von Passagen in Maines 1861 erschienenem Ancient Law (vgl. Maine, S. 285 0, habe begonnen, dergleichen als terminologische Konfusion zu empfinden, eine Saat, die dann in der nächsten Generation von Juristen aufgegangen sei. Als Beispiel sei auf die Vorlesung von Wald über "The Law of QuasiContract" [abgedruckt (1898) 14 L.Q.R. 253] verwiesen, der das aktionenrechtliche Denken als "of course thoroughly illogical" bezeichnet und ausdrücklich zwischen konkludent geschlossenen Verträgen (Wald verwendet hierfür bereits das Beispiel der Straßenbahnfahrt) und "contracts implied in law" unterscheidet (S. 255-257).
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
und empfangene Leistung zu belassen, ohne dass er dafür eine Vergütung bezahlen müsste: 146 Solange eine Rechtsordnung die Befugnis der Parteien, die vertragliche Gegenleistung frei auszuhandeln, nicht anerkennt, sondern ein iustum pretium verlangt, spielt die Unterscheidung zwischen der Haftung auf die vertragliche Vergütung und der (Bereicherungs-)Haftung auf den objektiven Wert ohnehin keine praktisch entscheidende Rolle. Dass die genaue Reichweite des writ of assumpsit im Unklaren blieb, mag dabei durchaus auf der Absicht der Richter beruht haben, sich möglichst weite Spielräume für Einzelfallgerechtigkeit zu erhalten. 147 (4) Der Beitrag von Lord Mansfield
Die Entscheidung von Lord Mansfield in Moses v. Macferlan l48 fügt sich nahtlos in diesen rechts geschichtlichen Hintergrund ein. Die zum Teil extravaganten Aussagen über die Bedeutung dieser Entscheidung l49 lassen sich schwer nachvollziehen, wenn man ihren Inhalt näher untersucht. 150 Moses, der spätere Kläger, hatte vier Wechsel an den Beklagten Macferlan indossiert, um diesem die Möglichkeit zu geben, die Wechselschuld in eigenem Namen vom Aussteller, einem gewissen Chapman Jacob, einzuziehen; dabei hatte sich Macferlan schriftlich verpflichtet, auf keinen Fall gegen Moses selbst aus den Indossamenten vorzugehen und Moses gegebenenfalls schadlos zu halten. 151 Nichtsdestoweniger verklagte Macferlan ihn vor ei146
141.
Atiyah, Rise and Fall, S. 150-152. Vgl. allerdings Birks, (1993) 36 c.L.P.
147 Fifoot, Lord Mansfield, S. 141, spricht davon, der Anwendungsbereich des writ sei, "by tacit consent, in a convenient obscurity" geblieben, und fügt hinzu: ,,Nor did the jurist hasten where the judges feared to tread." 148 (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 581. 149 Birks, (1994) 37 C.L.P. 3, spricht von "the leading case" des englischen Bereicherungsrechts; ähnlich Heemann, S. 23. 150 Bereits Rheinstein, S. 37 (Fn. 96), fühlte sich genötigt, anzumerken, die Entwicklung dahingehend, assumpsit als allgemeinen Rechtsbehelf zum Ausgleich objektiv ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen zu benutzen, sei von Lord Mansfield lediglich gefördert und nicht, "wie in der Literatur vielfach zu lesen, auch durch ihn begründet" worden. Vgl. auch die von Rheinstein angeführten früheren Entscheidungen. 151 So jedenfalls dürfte wohl die Angabe des Fallberichts zu verstehen sein, Macferlan habe zugesichert "that the plaintiff should not be !iable for the payment of the money or any part of it, and that he should not be prejudiced, or be put to any costs, or in any way suffer, by reason of his endorsement" (vgl. Moses v. Macferlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 582). Da Macferlan die Wechsel ja an Dritte, die an die Abbedingung des Regressanspruchs nicht gebunden waren, hätte weiterindossieren können, war eine solche Abrede zur Sicherung von Moses auch erforderlich. Unzutreffend die Darstellung bei Martinek, RabelsZ 47 (1983), 292, Moses selbst habe die Wechsel begeben, aber die Haftung daraus ausschließen wollen.
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nem lokalen Gericht für Kleinansprüche, dem Court of Conscience. 152 Dieses Gericht gab der Regressklage aus den Indossamenten statt, weil es der Ansicht war, nach dem anwendbaren Beweisrecht dürfe die Vereinbarung zwischen Moses und Macferlan nicht in das Verfahren eingeführt werden. Infolgedessen musste Moses f 6 an Macferlan zahlen. 153 Moses verklagte daraufhin Macferlan vor dem Court of King's Bench auf Rückzahlung dieses Betrages. Bei der Verhandlung der Klage herrschte sofort Einigkeit, dass Moses materiell zur Rückforderung berechtigt sei; streitig war lediglich, ob er die korrekte Klageform gewählt hatte. 154 Macferlan wandte nämlich ein, Moses hätte sich nicht einfach darauf stützen dürfen, dass das Geld Macferlan nicht zugestanden habe, sondern hätte aus der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung auf Schadensersatz klagen müssen, was zum selben Ergebnis geführt hätte, prozessual aber erheblich umständlicher gewesen wäre. Die häufig zu findende Behauptung, in diesem Fall habe sich ein konkludenter Vertrag auf Rückzahlung beim besten Willen nicht konstruieren lassen,155 führt deshalb in die Irre; tatsächlich gab es ja sogar eine ausdrückliche Abrede in dieser Richtung. 156 Moses v. Macjerlan l57 kann auch 152 Bei den Courts of Conscience, auch Courts of Requests genannt, handelte es sich um kommunale Gerichte, die zunächst in London, dann auch an anderen Handelsplätzen eingerichtet wurden und für Ansprüche bis zu f 2 ein besonders schnelles Verfahren zur Verfügung stellen sollten. Nachdem bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts mehrere hundert solcher Gerichte errichtet worden waren, wurde das System durch den County Courts Act, 1846, verallgemeinert; die Courts of Requests wurden in County Courts umgewandelt, wie sie auch heute noch bestehen. 153 Tatsächlich hatte Macferlan vier verschiedene Verfahren gegen Moses angestrengt (für jedes Indossament eines), was mit der in der vorangehenden Fußnote dargestellten Zuständigkeitsgrenze der Courts of Conscience zu tun haben dürfte. Eine Entscheidung wurde lediglich in einem dieser Verfahren getroffen, worauf der Anwalt von Moses den Gesamtbetrag hinterlegte; dieser Betrag wurde dann vom Court of Conscience Macferlan zugesprochen. Vgl. Moses v. Macferlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 582. 154 Vgl. Moses v. Macferlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 582: ,,All this matter appearing upon evidence before Lord Mansfield, C.l., at nisi prius at Guildhall, there was no doubt but that, upon the merits, the plaintiff was entitled to the money. Accordingly, a verdict was found for the plaintiff for [ 6 [ ... ], but subject to the opinion of the court, on the question whether the money could be recovered in the present form of action or whether it must be recovered by an action brought upon the special agreement only." Dieser Aspekt war Rheinstein, S. 205, noch klar bewusst: "Wenn solchen Klagen stattgegeben wird, so wird damit weniger über die nicht problematische materiellrechtliche Begründetheit des Anspruchs entschieden als über die prozessuale Zulässigkeit der Aktionsart, die die Richter nur dann zulassen, wenn dem Beklagten die Verteidigung auf eine solch allgemein gehaltene Klage zuzumuten ist, wenn er bei Klagestellung weiß, worum es sich handelt." Dagegen muss Baker, S. 55, an diesen "aspect of the case which is often overlooked" ausdrücklich erinnern. 5 Coen
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kaum als Begründung einer außervertraglichen Bereicherungshaftung aufgefasst werden; die Entscheidung belegt eher, dass der Gläubiger bei schwerem Vertragsbruch, statt vertraglichen Schadensersatz zu fordern, auch den Vertrag aufheben und Rückzahlung einer Geldleistung verlangen kann. 158 Dass es Lord Mansfield darum gegangen sei, die Klage auf Rückzahlung "aus ihrer Abhängigkeit zu einem zumindest konkludenten Schuldversprechen zu lösen",159 dürfte deshalb eine Fehlinterpretation darstellen. Neben der Problematik der richtigen Klageart stellte sich in Moses v. Macferlan l60 vor allem die Frage, ob die Rechtskraft des Court-of-Conscience-Urteils einer Rückforderung entgegen stand. In diesen offensichtlich
sehr engen und vorwiegend von prozessrechtlichen Erwägungen bestimmten Kontext l61 muss man Lord Mansfields viel zitierte Äußerungen einordnen, dass ,,[i]f the defendant be under an obligation from the ties of natural
ISS Der Irrtum, Lord Mansfield habe der Klage stattgegeben "under circumstances where any notion of an actual contract was excluded", geht offenbar auf Viscount Haldane in Sinclair v. Brougham [1914] A.C. 415 zurück und wird beispielsweise wiederholt von Martinek, RabelsZ 47 (1983), 292. 156 Vgl. auch die entsprechenden Argumente der Anwälte Monon und Norton, Moses v. Macferlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 582 f. 157 (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 581. 158 Ausdrücklich zur Aufhebung des Vertrages wegen ,fraud and falsehood" und der dadurch gegebenen Möglichkeit, den Bereicherungsanspruch geltend zu machen, Moses v. Macferlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 585. Vgl. Rheinstein, S. 206. 159 So Martinek, RabelsZ 47 (1983), 293. Schwer nachvollziehbar auch die weiteren Ausführungen, Lord Mansfield habe "die Rückzahlungspflicht des Beklagten von der vertraglichen Grundlage" abgekoppelt und "sie auf eigene Beine [... ], nämlich auf die Grundlage des Prinzips der ungerechtfertigten Bereicherung als der inneren Rechtfertigung des materiellen Anspruchs", gestellt, wobei es sich um "einen kühnen Bruch mit der traditionellen quasi-kontraktlichen Theorie im Common Law" gehandelt habe, "welche die Analogie der Restitutionsansprüche zur Vertragshaftung damals als denknotwendig betrachtete". Ähnlich auch ZweigertlKötz, S. 554, die von der "Möglichkeit [... ], die bis dahin entwickelten bereicherungsrechtlichen Ansprüche aus ihrer historisch bedingten Verknüpfung mit dem Vertragsrecht zu lösen", sprechen, sowie Heemann, S. 22 f. Hier handelt es sich um eine gänzlich unhistorische Betrachtungsweise; auch zur Zeit von Lord Mansfield galt nämlich noch, dass ,,[a]ssumpsit was a more familiar and a more significant word than contract", wie Fifoot (Lord Mansfield, S. 119) feststellt. Da assumpsit nicht auf einen Vertrag zurückgeführt wurde, kann es Lord Mansfield schwerlich darum gegangen sein, diesem Zusammenhang entgegenzutreten. Unzutreffend daher auch Meier, Irrtum und Zweckverfehlung, S. 4, der zufolge sich das bis Ende des 18. Jahrhunderts entstandene Bereicherungsrecht "stets, zumindest der Form nach, auf ein vertragliches Versprechen des Beklagten stützte" (Hervorhebung nicht im Original). 160 (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 581. 161 Gerade dadurch fügt sich Moses v. Macferlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 581 nahtlos in die bereicherungsrechtliche Rechtsprechung dieser Zeit ein, für die es kennzeichnend war, das Schwergewicht auf die prozessrechtliche und nicht auf die materiell rechtliche Seite zu legen, vgl. Rheinstein, S. 205.
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justice to refund, the law implies a debt, and gives this action founded in the equity162 of the plaintiff's case, as it were upon a contract (,quasi ex contractu, ' as the Roman law expresses it)"163, und dass "the gist of this kind of action is that the defendant, upon the circumstances of the case, is obliged by the ties of natural justice and equity to refund the money"I64. Die Bezugnahme auf "natural justice and equity" verfolgt in offenkundiger Parallele zur aequitas des römischen Rechts 165 das Ziel, unnötige Starrheiten des Aktionenrechts zu überwinden. 166 Die darüber hinausgehenden 162 Rheinstein, S. 37 Fn. 96, stellt zu Recht fest, dass dies "hier natürlich nicht im technischen Sinne des Equityrechts, sondern im allgemeinen Sinne von ,Billigkeit'" gemeint sei. So auch BurrowslMcKendrick, S. 4 ("means no more than that he considered the action flexible and concemed to achieve justice"). Auch Fifoot, Lord Mansfield, S. 246, weist darauf hin, dass Lord Mansfield hier nicht im technischen, sondern im rechtswissenschaftlichen Sinn gesprochen habe ("he spoke not as a conveyancer, but as a jurist"), und zitiert Farwell LJ. in Baylis v. Bishop 0/ London [1913] 1 Ch. 137, dem zufolge sich der Begriff auf das "jus naturale 0/ Roman law" bezogen hat. Hanbury, (1924) 40 L.Q.R. 35, kritisiert, "equity in the mouth 0/ a common lawyer is apt to mean equity in its ethical and somewhat nebulous sense". Auf einem Missverständnis beruhen daher die merkwürdigen Behauptungen von Martinek, RabelsZ 47 (1983), 293, Lord Mansfield habe geglaubt, "in der action of indebitatus assumpsit ein Instrument gefunden zu haben, das im Teilbereich seiner Anwendung eine Fusion von Common Law und Equity bewirkte. Die Grenzen der Equity wurden in der Absicht gesprengt, einen Prozeß der korrigierenden Einfärbung klassischer Common-Law-Institute mit Equity-Gedanken in Gang zu setzen." Martinek beruft sich insoweit (Fn. 26) auf Holdsworth, (1939) 55 L.Q.R. 41, offenbar ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, dass es sich bei diesem Autor um einen Vertreter der implied-contract-Lehre handelte, dem es darum ging, Lord Mansfield terminologischer und dogmatischer Konfusion zu zeihen. 163 Moses v. Mac/erlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 583. 164 Moses v. Mac/erlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 585. So ergibt sich aus Lord Mansfields Ausführungen (insbesondere S. 583 f.), dass Moses vermutlich gescheitert wäre, wenn der Court of Conscience der Klage von Mac/erlan nicht aus Gründen der Beweismittelbeschränkung, sondern in Verkennung seines eigenen Prozessrechtes stattgegeben hätte: In diesem Fall hätte die Rechtskraft des Urteils eine Rückforderung verhindert, obwohl Moses nach "natural justice" vermutlich mindestens ebenso viel Anrecht darauf gehabt hätte. Winfield stellt lakonisch fest, Lord Mansfield und seine Nachfolger hätten das von ihnen aufgestellte "high ideal" in ihren tatsächlichen Entscheidungen erheblich heruntergeschraubt (S. 12), und kommentiert in anderem Zusammenhang treffend (S. 73): ,,No fiction was to be challenged in the exercise 0/ its proper /unction, none was to be divorced /rom its context." 165 Diese Parallele zieht Birks, (1994) 37 c.L.P. 21 f. Vgl. Wilburg, S. 19: "Die Billigkeit, aequitas, bezeichnet vor Allem [sie] eine Entwicklung vom streng formalen zum schmiegsamen Recht, von starren Regeln zu individualisierender Verfeinerung." 166 Wenn Lord Mansfield von einer "liberal action" spricht, ist damit ebenfalls das Fehlen formalistischer Starre gemeint und nicht etwa eine Ausweitung der Haftung gemeint. Das zeigt sich an seiner Bezugnahme auf den Fall Dutch v. Warren (1733) 1 Stra. 406, wo der Kläger Geld zurückverlangte, das er für Aktien gezahlt 5*
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"rhetorischen Verzierungen,,167 dürfen nicht als Versuch einer dogmatischen Begründung oder gar Systematisierung des Bereicherungsrechts missverstanden werden. 168 Reißt man sie aus ihrem Zusammenhang und versucht, daraus die Propagierung eines allgemeinen Bereicherungsprinzips zu konstruieren, dann liegt darin eine Verfälschung. 169 Das zeigt sich auch an der Reaktion von Mansfields Zeitgenossen und Schüler Blackstone, der die implied contracts im Zusammenhang mit staatsphilosophischen Ausführungen über den Gesellschaftsvertrag erwähnt, der jeden Menschen verpflichte, für ungerechtfertigte Bereicherungen Ausgleich zu leisten - eine Argumentation, die später eher auf Belustigung gestoßen iSt. 170 In späteren Entscheihatte, die ihm der Beklagte schuldig geblieben war. Zugesprochen (im Rahmen der Bereicherungsklage wegen fraud) wurde nicht der gesamte Kaufpreis in Höhe von f 262, sondern lediglich der Differenzschaden von f 175. Lord Mansfield zufolge (Moses v. Macferlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 584) demonstriert gerade diese Beschränkung die "liberality with which this kind of action is considered, for, though the defendant received from the plaintiff i 262 lOs., yet the difference money only, i 175 was retained by hirn against conscience". Kritisch gegenüber diesem Ergebnis, weil kein Grund bestehe, den Schuldner so zu begünstigen, Stoljar, (1959) 75 L.Q.R. 56 Fn. 16. 167 So Jackson, S. 121, der sich wünscht, Lord Mansfield hätte "instead of using the oratorical flourishes of his day" von ",public policy' and ,what is reasonable'" gesprochen. Pollock, (1913) 29 L.Q.R. 120, spricht von "a picturesque phrase of Lord Mansfield" und "oratorical passages wh ich are only uttered to arrest the attention of the hearer". Allen, (1938) 54 L.Q.R. 204, nennt es "true that Lord Mansfield allowed hirnself some rhetorical generalities about the scope and nature of the action, but [... ] rhetoric does not seem to have greatly affected the practical application of the remedy". 168 Der Kommentar von Fifoot, Lord Mansfield, S. 141, dass ,,[t]he principles of Quasi-Contract sprang, fully matured, from his judgment in Moses v. Macferlan", ist, wie der Kontext zeigt, nicht frei von einem ironischen Unterton. Vgl. ferner seine weiteren Feststellungen, wonach ,,[t]he principle of Quasi-Contract, as it emerged from the judgment in Moses v. Macferlan, was not easy to reconcile with scientific formulae. [... ] Applause and criticism rest alike on slender evidence." (S. 144.) Rheinstein, S. 37 Fn. 96, kommentiert, Lord Mansfield habe den "allgemeinen Gedanken in eine populäre Fassung" gebracht und "auf naturrechtliehe Billigkeitserwägungen" gestützt. Baker, S. 54, spricht abschätzig von "the nearest we come to explanation". Übrigens gilt ganz ähnliches für die berühmte PomponiusStelle D. 50.17.206, wie Esser gezeigt hat (S. 44-47). 169 Jackson, S. 67, nennt es "important to distinguish between the general doctrines enunciated and the actual decision". Problematisch insoweit Meier, S. 5, die den prozessualen Hintergrund völlig ignoriert und der zufolge es Lord Mansfield in Moses v. Macferlan "auch darum [ging], die gemeinsame Grundlage der Bereicherungsansprüche bei Geldleistungen herauszustellen und ihre Entwicklung nicht durch prozeßtechnische Erwägungen einzuschränken". 170 Blackstone III, S. 158-162: Dort ist von einer aus dem Gesellschaftsvertrag folgenden "general implication [... ] that every man hath engaged to per/orm what his duty or justice requires" die Rede; die Folge sei, dass "every person is bound and hath virtually agreed to pay such particular sums of money as are charged on
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dungen war Lord Mansfield im Übrigen durchaus bereit, die offenkundig ungerechtfertigte Bereicherung einer Partei hinzunehmen, wenn die Rechtssicherheit dies erforderte. 171 Auch die stereotype Behauptung, Lord Mansfields Lehre habe sich vorerst nicht durchsetzen können,l72 sondern sei in England zunächst auf Ablehnung gestoßen,173 entbehrt jeder Grundlage. 174 Als problematisch wurde (und wird auch heute noch)175 allerdings die Durchbrechung des vom Court of Conscience erlassenen und unanfechtbar gewordenen Urteils empfunden, hirn by the sentence, or assessed by the interpretation of the law". Kritisch gegenüber der Verwendung dieser rechtsphilosophischen Überlegung als dogmatisches Argument Wald, (1898) 14 L.Q.R. 257: Blackstones Begründungsversuch habe zur Folge, dass auch deliktische Ansprüche als vertragliche verstanden werden müssten. Birks, (1994) 37 C.L.P. 13 f, meint allerdings, Generationen von Juristen seien durch Blackstones Argumentation irregeführt worden. 171 Vgl. etwa den Fall London Assurance Co. v. Sainsbury (1783) 3 Douglas 245, hier zitiert nach Fifoot, Lord Mansfield, S. 97, wo ein Hauseigentümer in einem Vorprozess Schadensersatz für die Zerstörung seines Hauses verlangt und die Geschworenen trotz gegenteiliger Belehrung durch den Richter die dem Hauseigentümer zustehende Versicherungssumme von dessen Schaden abgezogen hatten. Die Versicherungsgesellschaft versuchte daraufhin, Rückgriff bei den Schadensersatzpflichtigen zu nehmen; ihre Klage wurde jedoch infolge Stimmengleichheit der Richter abgewiesen. Die beiden Richter, die für die Klageabweisung stimmten darunter Lord Mansfield - argumentierten, der Anspruch der Versicherungsgesellschaft könne sich nur aus einer Zession des Eigentümers herleiten, dessen Anspruch aber durch das rechtskräftige Urteil im Vorprozess untergegangen sei. Lord Mansfield selbst nannte dieses Ergebnis "a great hardship for which I cannot find a rernedy" (zitiert nach Fifoot, S. 99). Wenn Lord Mansfield in Moses v. Macferlan wirklich die Ansicht vertreten hätte, ein Bereicherungsanspruch sei in allen Fällen "anwendbar, in denen den Beklagten eine Ausgleichspflicht ,ex aequo et bono' treffen mußte", wie ihm dies zugeschrieben wird (Martinek, RabelsZ 47 (1983), 293), wäre diese Entscheidung 23 Jahre später schlechterdings unverständlich. 172 So Meier, S. 5; Heemann, S. 26, meint gar: "Erfolg und Anerkennung der Grundsätze von Moses v. Macferlan sollten in England aber noch gut 200 Jahre auf sich warten lassen." Schneiderhan, S. 11, beruft sich sogar auf Fifoot, Lord Mansfield, S. 153 ff, der indes gerade das Gegenteil aussagt. 173 Vgl. etwa Martinek, RabelsZ 47 (1983), 293: "In den Vereinigten Staaten schlug man den von Lord Mansfield vorgezeichneten Weg umgehend ein [... ]; in England wurde Lord Mansfield allerdings lange Zeit der allzu freien Rechtsfindung gescholten, bis sich in den letzten Jahrzehnten seine Gedanken auch dort durchzusetzen begannen." Ähnlich S. 305, wo sogar ausdrücklich behauptet wird, Lord Mansfields Ansatz habe "gerade in seinem Heimatland keine Gefolgschaft" gefunden, sondern sei "als Ausdruck vernunftrechtlicher Auflockerung der Bindung an precedents und freierer Hinwendung zur natural justice ephemer" geblieben. Das alles ist pure Phantasie. 174 So stellen auch Gojf/Jones, S. 13, fest: "For many years Lord Mansfield's views gained acceptance." Vgl. auch schon Friedrnann, S. 27 f ("in steigendem Maße von der Gerichtspraxis aufgegriffen"). Desinteresse an der Entscheidung notiert dagegen Stoljar (1964), S. 15 ("was taken very tittle notice 01').
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weshalb dieser Aspekt der Entscheidung auch wenige Jahre später overruled wurde. 176 Lord Mansfields eigentlich einleuchtende Argumentation, das Urteil des Court of Conscience sei prozessual korrekt ergangen, die Beweismitteleinschränkungen müssten aber nach Art eines Nachverfahrens aufgefangen werden können, wurde offenbar als rabulistische Umgehung der Rechtskraft missverstanden. Im Übrigen aber wurde das von Lord Mansfield aufgestellte weite Prinzip allgemein anerkannt,l77 selbst von dem konkurrierenden Court of Common Pleas. 178 Anders als die heutige Literatur glauben machen will, setzte sich die Ausdehnung der Billigkeitshaftung für ungerechtfertigte Bereicherung schnell durch: "The principle 01 Unjust Enrichment offended no preconceived ideas", resümiert Fifoot zu Recht; Lord Mansfields Nachfolger während des nächsten Jahrhunderts "appropriated his language and indulged his sentiments without the consciousness 01 impropriety".179 In diesem Sinne sind etwa die Aussagen von Parke B. und Rolfe B. in Kelly v. Solari 180 zu verstehen, die die Rückforderung irrtümlich gezahlten Geldes mit der Begründung zulassen, es sei für den Zahlungsempfänger "against conscience" (bzw. "unconscientious"), das Geld zu behalten. lsl (5) Die "implied-contract"-Lehre
Richtig ist allerdings, dass gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts vereinzelte, aber einflussreiche Richter und Autoren zu der Auffassung gelangten, die Billigkeitshaftung für ungerechtfertigte Bereicherung, wie sie Lord Mansfield formuliert hatte, sei zu unpräzise umschrieben und deshalb mit der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren. 182 Die ältere Recht175 Selbst BurrowslMcKendrick, S. 4, kommentieren: "The actual decision seems wrong". 176 Marriot v. Hampton (1797) 7 T.R. 269. l77 Vgl. Fifoot, Lord Mansfield, S. 156: ,,./udicial honour was satisfied by the repulse 0/ so provocative a trespass upon the boundaries 0/ jurisdiction: it did not require the repudiation 0/ Quasi-Contract as a basis 0/ liability. The excision 0/ an un/ortunate application enhanced, rather than impaired, the authority 0/ the principie." 178 Vgl. die von Fifoot, Lord Mansfield, S. 156 f., zitierten Entscheidungen, wo die Terminologie von Lord Mansfield ausdrücklich aufgenommen wird. 179 Fifoot, Lord Mansfield, S. 245. 180 (1841) [1834-42] All E.R. Rep. 320. 181 Für weitere Nachweise vgl. Fifoot, Lord Mansfield, S. 245 f. Noch Wald, (1898) 14 L.Q.R. 257 f., beruft sich auf die Pomponius-Parömie, die er auch ausdrücklich als "maxim [... ] against unjust enrichment" bezeichnet. 182 Wichtigster akademischer Vertreter dieser Auffassung war Sir William Holdsworth, vgl. insbesondere zu Lord Mansfield und dem Recht der Quasi-Contracts seine Darstellung in A History of English Law XII, S. 542-549. Holdsworth war
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sprechung wurde abfallig als "the vague jurisprudence which is sometimes attractively styled justice as between man and man" bezeichnet, wie sie in modemen Zeiten nicht mehr akzeptabel sei. 183 Die forms of action, die den unterschiedlichen Ansprüchen eine - wenn auch historisch zufällige und oft abstruse - Ordnung gegeben hatten, waren abgeschafft,184 neue theoretische Grundlagen aber noch nicht gefunden worden, zumal der auf laisser faire ausgerichtete Zeitgeist der Idee eines Bereicherungsrechts im Sinne eines Ausgleichsrechts höherer Ordnung entgegenstand. 185 Der einzige Weg, dieses Vakuum zu füllen und die nötige Rechtssicherheit zu schaffen, wurde darin gesehen, dass man die Denkfigur des "implied contract" wörtlich nahm: Eine bereicherungsrechtliche Haftung könne nur auf ein konkludentes Zahlungsversprechen des Beklagten gestützt werden. Diese positivistische Uminterpretation der Präzedenzfälle setzte sich aber zu keiner Zeit allgemein durch; der Indian Contract Act 1872 (der das englische Vertragsrecht für die Anwendung in Indien kodifizierte) regelte in seinen ss. 68-72 diverse Arten von Bereicherungsansprüchen unter der Überschrift "Of Certain Relations Resembling those Created by Contract" und grenzte sich damit deutlich von der implied-contract-Lehre ab,186 1885 sprach die neu gegründete Law Quarterly Review von einer "tendency which appears to be very marked among modern judges" dahingehend, die quasi vertragliche Haftung auszudehnen,187 1890 wurde die Bezeichnung "implied contract" von Richtern des Court of Appeal als "erroneous and very unfortunate" bezeichnet l88 und noch 1913 Moses v. Macferlan l89 zustimmend als Präzedenzfall zitiert. 19o Die meisten Richter scheinen sich - was nicht weiter überrascht - um die theoretischen Auseinandersetzungen wenig bekümmert bemüht, auch frühere Entscheidungen im Sinne der implied-contract-Lehre umzuinterpretieren; von daher erklären sich Missverständnisse wie bei Heemann, S. 31, dem zufolge "trotz vereinzelter Ablehnung in der Rechtsprechung [... ] die impliedcontract-Theorie in England zu Beginn des 20. Jahrhunderts in gewandelter Form neues Ansehen" gewonnen habe. Auch Hanbury, (1924) 40 L.Q.R. 35, kritisierte, Lord Mansfield habe "the all too narrow bridge which leads from the sound soil of implied contract to the shifting quicksands of natural equity" überschritten. 183 Vgl. Hamilton LJ. (der spätere Lord Sumner) in Baylis v. Bishop of London [1913] 1 Ch. 139 f., dessen Ansicht zufolge die Auffassung von Lord Mansfield wegen der "extreme informality of pleadings" auf so großen Widerhall gestoßen ist. Laut Stoljar (1964), S. 2 Fn. 4, kamen diese ,Judicial strictures [... ] somewhat out of the blue". 184 Durch den Common Law Procedure Act von 1852; vgl. dazu Fifoot, History and sources, S. 370 f. In s. 49 des Gesetzes wurde ausdrücklich die Notwendigkeit, sich bei Zahlungsklagen auf ein Versprechen des Beklagten zu berufen, abgeschafft. 185 Zur Bedeutung dieser geistesgeschichtlichen Tendenzen in diesem Zusammenhang vgl. insbesondere Atiyah, Rise and Fall, S. 484-490. 186 V gl. dazu Ibbetson, S. 284 f. (in der Auslegung des Gesetzes bekehrten sich die indischen Richter später z. T. zur implied-contract-Lehre). 187 (1885) 1 L.Q.R. 392.
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und sich stattdessen an der hergebrachten Kasuistik bereicherungsrechtlicher Haftung orientiert zu haben,191 wie sie auch schon von Lord Mansfield selbst geprägt worden war. 192 Selbst die Entscheidung, die im allgemeinen als Tiefpunkt der impliedcontract-Lehre gesehen wird, nämlich Sinclair v. Brougham l93 , ist in ihrem Aussagegehalt weitaus komplexer und zweifelhafter, als weithin angenommen wird. In dieser Entscheidung hatte sich eine Bausparkasse unter Überschreitung ihrer Befugnisse als Bank betätigt und war dann insolvent geworden. Die mit den Einlegem geschlossenen Bankverträge waren mangels entsprechender Befugnis der Bausparkasse ultra vires und damit nichtig. 194 Das House of Lords lehnte eine Rückzahlung der Guthaben auf bereicherungsrechtlicher Grundlage ab; ein solcher Anspruch könne sich nur aus 188 So Cotton LJ. in Re Rhodes (1890) 44 Ch.D. 105: Die gesetzliche Verpflichtung eines Geisteskranken, für die Lieferung von Lebensbedarf zu zahlen, "has been improperly termed a contract". 189 (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 581. 190 Farwell L.i. in Baylis v. Bishop of London [1913] 1 Ch. 136 f. Dieser Richter hatte offenbar eine Vorliebe für Moses v. Macferlan: Weitere Bezugnahmen (damals noch als Farwell J.) finden sich in iacobs v. Morris [1901] 1 Ch. 268 f., Bradford Corporation v. Ferrand [1902] 2 Ch. 662 f. und Re Bodega Co., Ltd. [1904] 1 Ch. 286. 191 Vgl. etwa Tettenbom, Rn. 1-04. Wie wenig dogmatisch die Richter um 1900 diese Fragen auffassten, zeigt sich etwa an A. L. Smith L.J., der sich in Phillips v. London School Board [1898] 2 Q.B. 453 Lord Mansfield anschließt und dafür später in (1913) 29 L.Q.R. 120 von Pollock gescholten wird, der andererseits aber in Bonner v. Tottenham and Edmonton Permanent Investment Bui!ding Society [1899] 1 Q.B. 161 (166) von "implied contract" spricht und deswegen von Landon, (1937) 53 L.Q.R. 303, als Vertreter der Gegenauffassung angeführt wird. 192 Vgl. Moses v. Macferlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 585: ,,[ ... ] it [sc. die action for money had and received] lies for money paid by mistake, or upon a consideration which happens to fai!, or for money got through imposition, express, or implied, or extortion or oppression, or an undue advantage taken of the plaintiff's situation, contrary to laws made for the protection of persons under those circumstances." Umgekehrt findet die Klage nicht statt ,for money paid by the plaintiff which is claimed of him as payable in point of honour and honesty, although it could not have been recovered from him by any course of law as in payment of a debt barred by the Statute of Limitations or contracted du ring his infancy, or to the extent of principal and legal interest upon a usurious contract, or for money fairly lost at play [.. .]". Als Begründung, warum der Beklagte in diesen Fällen das Geld behalten dürfe, wird lediglich angeführt, er könne "retain it with a safe conscience". Stoljar (1964), S. 13, kommentiert, dass ,,Mansfield seemed almost too enthusiastic about money had and received, but his recital of the actual instances of the action was classical in its fidelity to previous precedents". Meier, S. 381, glaubt dagegen, Lord Mansfield habe hier "offenbar kein englisches System" aufgestellt, sondern sich an den römischen Kondiktionen orientiert. 193 [1914] A.C. 398. Vgl. dazu schon oben Teil 1 A.II.2.d) Fn. 113. 194 Zur ultra-vires-Lehre des englischen Rechts vgl. unten Teil 3 B.I.1.a).
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einem konkludenten vertraglichen Versprechen der Bausparkasse ergeben, das aber zwangsläufig ebenfalls ultra vires und damit nichtig sein müsse: ,,All these causes of action [... ] now rest, and long have rested, upon a notional or imputed promise to repay. The law cannot de jure impute promises to repay [... ] which, if made de facto, it would inexorably avoid", erklärte Lord Sumner. 195 Diese Argumentation, die freilich nur von einem Teil der Richter zu Hilfe genommen wurde,196 ist zu Recht auf herbe Kritik gestoßen. 197 Dabei wird allerdings, zumal in der deutschsprachigen Diskussion, meist übersehen, dass das House of Lords in diesem Fall den Einlegern tatsächlich einen Anspruch auf Rückzahlung ihrer Guthaben gewährte, freilich auf der Grundlage der equity-Rechtsprechung; 198 das hatte die praktische Konsequenz, dass die Einleger der zahlungsunfähigen Bausparkasse nicht gegenüber deren Aktionären vorrangig, sondern vielmehr gleichrangig behandelt wurden, ein Ergebnis, das man durchaus als die gerechteste Lösung des Falles empfinden kann. 199 Jedenfalls kann von einer klaren Dominanz der implied-contract-Lehre auch zur Zeit von Sinclair v. Brougham2OO keine Rede sein; vielmehr zeigt die Rechtsprechung dieser Periode erhebliche Unsicherheiten und Schwan195 [1914] A.C. 452. Allen, (1938) 54 L.Q.R. 204, spricht von "caustic observations", die sich aber bei näherer Betrachtung hauptsächlich gegen Lord Mansfields Beschreibung der action of money had and received als "equitable" richteten. 196 Munkman, S. 8, hält diesen Teil der Entscheidung daher für obiter. 197 Nach Auffassung von ZweigertlKötz, S. 555, "wird hier die Lehre von der quasi-vertraglichen Grundlage bereicherungsrechtlicher Ansprüche mit einem Rigorismus angewandt, der sehr wohl zeigt, dass es durchaus auch eine englische Variante der Begriffsjurisprudenz gibt". 198 Unterschlagen wird dies etwa bei ZweigertlKötz, S. 555; Heemann, S. 32 f., erwähnt die Tatsache nur in einer Fussnote. Bei Meier, S. 6, liest man davon ebenfalls nichts; sie trägt diesen Punkt allerdings S. 334 f. nach. 199 Zutreffend Atiyah, Rise and Fall, S. 766, dem zufolge "the actual decision expanded a non-consensual liability" und ,,[t]he fact that the Lords rejected a quasi-contractual claim eo nornine, is less important than the fact that they recognised the right of the depositors to an equitable remedy". Aus diesem Grund zeigte sich Lord Goff of Chieveley in Westdeutsche Landesbank Girozentrale v. Islington London Borough Council [1996] AC 688 f., im Gegensatz zur Mehrheit seiner Richterkollegen auch skeptisch gegenüber einem overruling von Sinclair v. Brougharn. Die zeitgenössische Urteilsanmerkung von Pollock in (1914) 30 L.Q.R. 263 nennt das House of Lords sogar "nobly astute to avoid the unjust result". Die Kritik von ZweigertlKötz, S. 555, das Gericht habe sich in diesem Fall die "eigentliche Frage, wie das Gläubigerinteresse an der Rückzahlung grundlos vorenthaltener Gelder abzuwägen sei gegen die Interessen, die der ultra-vires-Lehre [... ] zugrundeliegen", nicht gestellt, ist deshalb auch nur insoweit berechtigt, als diese Frage im Urteil nicht offen diskutiert wird. Meier, S. 334 f., bemüht sich dagegen mit nicht nachvollziehbaren Argumenten um den Nachweis, dass das Urteil dem englischen Sachenrecht widerspreche. 200 [1914] A.C. 398.
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
kungen, etwa was die Rückabwicklung wegen Formverstoßes oder fehlender Geschäftsfahigkeit unwirksamer Verträge betrifft. 201 Seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Natur der Bereicherungsansprüche als gesetzliche und keineswegs vertragliche Ansprüche in Rechtsprechung und Literatur immer wieder hervorgehoben,202 auch wenn sich die Gerichte zum Teil noch nach dem Zweiten Weltkrieg an Sinclair v. Brougham 203 gebunden fühlten. 204 Stimuliert wurde die Diskussion vor allem durch das Vorbild der USA, wo zu dieser Zeit bereits ein stärker ausdifferenziertes Bereicherungsrecht entwickelt worden war. 205 201 Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Ibbetson, S. 279-281. Holdsworth, (1939) 55 L.Q.R. 47, versucht demgegenüber allerdings, die innere Konsequenz der Rechtsprechung aufzuzeigen. 202 Aus der Rechtsprechung vgl. insbesondere Craven-Ellis v. Canons Ltd. [1936] 2 KB. 410-412, Brook's Wharf and Bull Wharf Ltd. v. Coodman Bros. [1937] 1 KB. 545, Morgan v. Ashcroft [1938] 1 KB. 74-77, Scott L.J., vgl. jedoch auch die gegenteiligen Ausführungen von Creene M.R. S. 62 f., sowie, besonders deutlich, United Australia Ltd. v. Barclays Bank Ltd. [1941] AC. 28 f. und Fibrosa Spolka Akcyjna v. Fairbaim Lawson Combe Barbour Ltd. [1943] AC. 32 (insbesondere 61-64). Vgl. ferner noch Nelson v. Larholt [1948] 1 KB. 339, wo sich Lord Denning als Anhänger dieser Auffassung ausweist. Schwer verständlich daher die Behauptung von Martinek, RabelsZ 47 (1983), 306, die englischen Gerichte gäben "sich nach wie vor Mühe, immer ein Versprechen zur Zahlung des eingeklagten Vermögensbestandteils zu finden, ganz in der Tradition der action of indebitatus assumpsit". Falls Martinek, der insoweit (methodisch zweifelhaft) ausschließlich den Fall Sinclair v. Brougham aus dem Jahre 1914 und einen Aufsatz aus dem Jahre 1935 zitiert, diese Aussagen nicht etwa als historisches Präsens gemeint haben sollte, dann ignoriert er die gesamte Rechtsprechung seit den 30er Jahren, abgesehen von Fibrosa, eine Entscheidung, die aber "die Ausnahme" geblieben sei und nichts daran geändert habe, dass "in der ständigen Rechtsprechung Englands der implied contract die Grundlage der bereicherungsrechtlichen Ansprüche blieb". 203 [1914] AC. 398. 204 Vgl. etwa Re Diplock [1948] Ch. 480; diesen Fall nahm noch 1973 Koch, S. 19, als ausschließlichen Beleg für seine Aussage, die Rechtsprechung arbeite "noch häufig mit der Figur des ,implied contract' ". In Reading v. Attomey-Ceneral [1951] AC. 507 ließ Lord Porter die Frage dagegen schon ausdrücklich dahinstehen. 205 Prägend wurden zum einen Monographien von Keener (1893) und Woodward (1913), vor allem aber natürlich das 1937 erschienene Restatement 01 the Law 01 Restitution, das den Begriff "restitution" erstmals als Bezeichnung des ganzen Rechtsgebietes verwendete. Nach Ansicht von Langbein, S. 60, handelte es sich bei diesem Begriff um einen "deliberate marketing ploy" mit langer Geschichte, aber "not much settled meaning"; vgl. auch zum späteren Erlahmen des Interesses am Bereicherungsrecht in den USA S. 61, wo drastisch die Neutronenbombe als Metapher herangezogen wird: Die alten Monumente des amerikanischen Bereicherungsrechts ständen noch, die Personen dagegen seien tot. Bezeichnend ist, dass das Restatement von 1937 immer noch gültig ist: Ein Restatement (Second) blieb in den Vorarbeiten stecken, ein Restatement (Third), das den ursprünglich schon für das erste Restatement vorgesehenen, dann aber verkürzten Titel ,,Restitution and Unjust
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(6) Neuere Entwicklungen in Literatur und Rechtsprechung
Schlechthin unzutreffend ist auch die häufig zu lesende Behauptung, das erste Werk zum englischen Bereicherungsrecht sei, in Gestalt des Law of Restitution von Goff und Jones, erst in den sechziger Jahren erschienen.2°6 Dabei werden so bedeutsame und auch heute noch lesenswerte Werke wie die von Munkman, Winfield207 oder Stoljar08 unterschlagen.2°9 Allerdings setzt sich das Werk von Goff und Jones in zwei Aspekten deutlich von der früheren Literatur ab: Zum einen war es die erste englische Darstellung des Bereicherungsrechts, die den - in den Vereinigten Staaten schon ein Vierteljahrhundert früher eingebürgerten - Begriff "restitution" im Titel führte. 210 Wenn statt dessen in älterer Literatur der Begriff "quasi-contracts" verwendet wurde, darf man das indes nicht als bloßen Traditionalismus oder gar als Zeichen der Anhängerschaft für die implied-contract-Lehre missverstehen. Munkman etwa weist ausdrücklich Enrichment" wiederherstellen soll, befindet sich erst jetzt in Vorbereitung. Zur eingeschlafenen Diskussion über das Bereicherungsrecht in den USA iones, Law of Restitution, S. 1 f. 206 Gareth iones mag man diese offenbar mit dem Stolz des (Mit-)Autors aufgestellte Behauptung wohl nachsehen (zu finden ist sie in iones, Recent developments, S. 43). Sie wird aber von anderen Autoren unkritisch wiederholt, vgl. etwa Meier, S. 2: "Das erste Lehrbuch zum englischen Bereicherungsrecht erschien 1966. Bis dahin konnte man eine Darstellung lediglich in Anhangskapiteln der Lehrbücher zum Vertragsrecht finden." (Ähnlich auch S. 8: "Die entscheidende Wende begann 1966, als der Richter Robert Goff und der Wissenschaftler Gareth Jones mit ihrem ,Law of Restitution' den ersten und bis heute grundlegenden Versuch machten, das umfangreiche bereicherungsrechtliche Fallmaterial zu sammeln und systematisch zu ordnen." Angemerkt sei, dass Goff erst 1975 Richter am High Court wurde.) Schon die Bezeichnung "Lehrbuch" für diese Monographie ist fragwürdig; später (S. 9) heißt es dann auch, das "erste für Studenten geschriebene Lehrbuch" sei das 1993 veröffentlichte Law of Restitution von Burrows gewesen. 207 Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung von Überlegungen, die Winfield bereits in seinem 1931 veröffentlichten Werk The Province of the Law of Tort angestellt hatte. 208 Auch die stark überarbeitete 2. Auflage aus dem Jahre 1989 erschien noch unter dem inzwischen unüblich gewordenen Titel "The Law of Quasi-Contract". 209 Daneben wäre auch auf das Werk von Jackson aus dem Jahre 1936 zu verweisen, das vor allem den Zweck verfolgte, den historischen Hintergrund des damaligen englischen Bereicherungsrechts aufzubereiten. Vgl. auch das Vorwort zu diesem Band von H.D. H[azeltine], wo bereits auf die "stimulation caused by an awakened interest in the scientific study of quasi-contractual obligations" und die "beginnings of an enrichment of our legal literature upon this subject" hingewiesen wird (S. ix). 210 Zur Entstehung des Werks aus der Sicht eines der Autoren vgl. iones, Law of Restitution, S. 1. iones war in Harvard Schüler von Scott und Seavey, den Autoren des Restatement, was für den amerikanischen Einfluss auf die Gedankenwelt des Werkes spricht, vgl. Burrows, Understanding the Law of Obligations, S. 110.
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
darauf hin, "quasi-eontraet" sei ein "rather unsatisfaetory name", zumal er eine "shadowy eonneetion with the law of eontraet" suggeriere, hält aber den Begriff "restitution" ebenfalls für ungeeignet, weil er nur einen Teilbereich des Bereicherungsrechts erfasse, nämlich die Rückgabe (im Gegensatz etwa zur Abschöpfung von Gewinnen).211 Auch Lord Wright meinte, jeder der Begriffe "quasi-eontraet", "restitution" und "unjust enriehment" habe seine spezifischen Vor- und Nachteile. 212 Von dem Titel abgesehen, der die Aufnahme des Werkes zunächst übrigens eher erschwert haben mag,213 hebt sich das Law of Restitution von Goff und Jones von seinen Vorgängern vor allem durch die wesentlich breitere, fast enzyklopädisch angelegte Materialdarbietung und durch einen vorangestellten theoretischen Teil ab, dessen Bedeutung und Zusammenhang mit dem Rest des Buches freilich nicht völlig eindeutig ist. In dem theoretischen Teil wird zwar ein allgemeines Prinzip des Bereicherungsrechts propagiert; für die Behandlung des Stoffes, die sich sehr stark an traditionellen englischen Ordnungskriterien orientiert, scheint es aber keine besondere Rolle zu spielen?14 Das Buch von Goff und Jones fiel also auf vorbereiteten Boden; sogar noch bevor die ersten Rezensionen erscheinen konnten, die durchweg enthusiastisch waren,215 wurde es von einem Richter in seinem Urteil als "admirable" empfohlen,216 und das darin propagierte Bereicherungsprinzip 211 Munkman, S. 3. Auch Winfield bezeichnet den Titel seines Buches als ungenau (S. 2). Munkman betont auch bereits sehr deutlich den systematischen Zusammenhang des Bereicherungsrechts: "There are partieular quasi-eontraets just as there are particular torts, and a plaintiff must bring his ease under a reeognised head of liability. Yet, as will be seen, al/ quasi-eontraets have some features in eommon. [... ,quasi-eontraet'] will be used throughout this book with the distinet understanding that it refers to a third eategory of liability distinet from both eontraet and tort." (S. 2 f.) Im Nachhinein erscheint die Skepsis gegenüber dem Terminus "restitution" nicht unberechtigt, wenn man etwa an den irreführenden Begriff "restitutionary damages" denkt, der sich aufgrund der Gleichsetzung von "law of restitution" und Bereicherungsrecht entwickelt hat (vgl. schon oben S. 38 Fn. 65). Vgl. in diesem Zusammenhang aus der heutigen Literatur auch Birks, Misnomer, S. 1, der statt "law of restitution" von "law of unjust enriehment" sprechen will. 212 Lord Wright, (1941) 57 L.Q.R. 198 f. 213 So berichtet Jones selbst, die Bibliothek eines der Inns of Court in London habe das Buch in die strafrechtliche Abteilung eingeordnet, weil sie den Titel missverstanden habe, vgl. Recent developments, S. 43 f.; ähnlich auch Heemann, S. 5, wo daraus schon "einige[ ... ] englische[ ... ] Bibliotheken" geworden sind. Die schöne, vielleicht aber eher apokryphe Geschichte geht möglicherweise auf eine frühe Rezension des Buches aus der Feder von Comish, (1966) 29 M.L.R. 581, zurück, der zufolge das Buch "some perplexity in aeademie circles" verursacht habe: "The library of one ancient university has classified it as Criminal Law. The library of one Inn of Court has refused to take it at al/". 214 So zu Recht Hedley, "Unjust Enrichment", [1995] C.LJ. 586 Fn. 51.
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wurde wenig später auch in einer Reihe von Fällen zitiert,217 obwohl sich andere Richter skeptischer zeigten. 218 Die akademische Diskussion wurde vor allem durch den kontroversen Versuch von Birks aus dem Jahre 1985 angeregt, aus dem von Goff und Jones zusammengetragenen Material gewissermaßen die dogmatische Minimalstruktur herauszudestillieren. Zum Allgemeingut geworden ist mittlerweile die offenbar von Birks eingeführte Einteilung der Voraussetzungen von Bereicherungsansprüchen in vier Gliederungspunkte: An erster Stelle ist danach zu fragen, ob der Beklagte bereichert sei, zweitens danach, ob die Bereicherung auf Kosten des Klägers geschehen sei, drittens nach Umständen, die die Bereicherung ungerechtfertigt machen, und viertens nach etwaigen Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten. 219 Birks' Hinweis, seine Arbeit sei noch kein Lehrbuch des Bereicherungsrechts, sondern allenfalls eine Vorstudie dazu,22o wurde wiederum von anderen Autoren als Einladung verstanden?21 Obwohl McKendrick schon im Jahre 1996 feststellte, dass der Markt für Bereicherungsrecht sich dem Sättigungspunkt nähere,222 reißt der Strom neuer, als umfassende Darstellungen des Bereicherungsrechts konzipierter Monographien weiter nicht ab,223 von der Flut der Zeitschriftenliteratur ganz zu schweigen. 224 Die 215 Vgl. insbesondere Comish, (1966) 29 M.L.R. 579; Harris, [1967] C.LJ. 114; Lord Denning, (1967) 83 L.Q.R. 277. Die wesentlichste Kritik, die gegen das Buch vorgebracht wurde, scheint darin zu bestehen, dass Fragen der Rückabwicklung gescheiterter Verträge besser in einer Darstellung des Vertragsrechts behandelt würden, vgl. Comish auf S. 580 und Harris auf S. 115 f. der jeweiligen Rezension. 216 Edmund Davies J. in Chesworth v. Farrar [1966] 2 W.L.R. 1079. 217 Vgl. etwa Edmund Davies L.J in Carl Zeiss Stiftung v. Herbert Smith (No. 2) [1969] 2 Ch. 301 und Winn L.J. bzw. Lord Pearee in Nissan v. Attomey-General [1968] 1 Q.B. 352, [1970] AC. 228. 218 Die meist in diesem Zusammenhang zitierte Aussage von Lord Diploek in Orakpo v. Manson Investments Ltd. [1978] AC. 104, wonach es "no general doetrine 0/ unjust enriehment reeognized in English law" gebe, sondern nur "speeijie remedies in particular cases 0/ what might be classijied as unjust enriehment in a legal system that is based upon the civil law", ist allerdings ein eher schlechtes Beispiel, da Lord Diploek in den übrigen Passagen seines Urteils den zu entscheidenden Fall sehr wohl mit Begriffen von "unjust enriehment" analysiert. Vgl. dazu auch schon Gaff, S. 323. Auch die Erwähnung von "implied eontraet" im Urteil von Lord Templeman in Guinness pIe v. Saunders [1990] 2 A.C. 689 besagt nicht viel, zumal Lord Gaff inhaltlich der Analyse von Lord Templeman zustimmte (S. 700). 219 Wie Hedley, Contract's Twin, S. 248 f., aufzeigt, setzte sich Birks' Gliederungsmodell so schnell durch, dass es schon wenig später als authentische Darstellung der Rechtslage angesehen und Birks vorgeworfen wurde, seine eigene Theorie falsch verstanden zu haben. Mittlerweile ist das vierteilige Modell auch von der Rechtsprechung rezipiert worden, vgl. Lord Steyn in Banque Financiere de la Cite v. Pare (Battersea) Ltd. [1999] 1 AC. 227. 220 Birks, Introduction, S. vii. 221 Vgl. die Bücher von Burrows und Tettenbom, beide aus dem Jahr 1993. 222 (1996) 112 L.Q.R. 689.
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I. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
Rechtsprechung ihrerseits, insbesondere natürlich während der Amtszeit von Lord Goff als Richter am House of Lords, hat in wichtigen Präzedenzentscheidungen ihre Billigung der Entwicklungen in der Lehre zum Ausdruck gebracht und zugleich der Diskussion neue Anstöße verliehen. 225 (7) Die Gefahren von "bad history"
Ob die skizzierten Entwicklungen einen uneingeschränkten Fortschritt darstellen, muss allerdings bezweifelt werden. Sicher hat die Anerkennung eines allgemeinen Prinzips gegen ungerechtfertigte Bereicherung die Gerichte in die Lage versetzt, Beschränkungen des Fallrechts zu überwinden und ihre Entscheidungen transparenter zu begründen. Das gilt uneingeschränkt für den von Lipkin Gorman v. Karpnale 226 geschaffenen allgemeinen Entreicherungseinwand; zuvor konnte sich ein Beklagter, der den Bereicherungsgegenstand nicht mehr besaß, allenfalls auf den Verwirkungstatbestand estoppel berufen, der weniger leicht zu handhaben war?27 Bei anderen Entscheidungen kann es dagegen durchaus zweifelhaft erscheinen, 223 Allein aus den letzten Monaten sind insbesondere die Werke von Virgo (1999), McMeel und laffey (beide 2000) und die beiden Bücher von Hedley aus dem Jahr 2001 zu nennen. Die beiden letztgenannten Werke konnten im Rahmen dieser Arbeit leider nicht mehr berücksichtigt werden. 224 Hedley kommentiert zu Recht, dass ,,[t]he pace has been frenetic" (Contract's Twin, S. 248). 225 Dazu gehören vor allem Lipkin Gorman (A Firm) v. Karpnale Ltd. [1991] 2 A.C. 548, wo das House of Lords die Vermeidung ungerechtfertigter Bereicherung als allgemeines Rechtsprinzip anerkannte und daraus die Einrede des Wegfalls der Bereicherung ableitete, Woolwich Equitable Building Society v. Commissioners of Inland Revenue [1993] A.C. 70, wo die Rückforderung rechtswidrig erhobener Steuern auf der Grundlage des Bereicherungsrechts zugelassen wurde, Westdeutsche Landesbank Girozentrale v. Islington London Borough Council [1996] A.c. 669, wo unter Abkehr von Sinclair v. Brougham ([1914] A.C. 398) die Rückforderung von Zahlungen im Rahmen eines als ultra vires nichtigen Vertrages dem Common Law zugeordnet wurde, und Kleinwort Benson Ltd. v. Lincoln City Council [1998] 3 W.L.R. 1095, wo der Ausschluss der Rückforderung bei Leistungen aufgrund Rechtsirrtums aufgegeben wurde. 226 [1991] 2 A.C. 548. 227 Estoppel schließt den Anspruch in voller Höhe aus, was nicht recht passt, wenn nur ein Teil der Bereicherung untergegangen ist. Darüber hinaus kann die "representation", also der erforderliche Vertrauenstatbestand, nicht schon in der Leistung selbst gesehen werden, weil andernfalls Bereicherungsansprüche wegen irrtümlicher Leistung grundsätzlich ausgeschlossen wären. Die estoppel-Doktrin wurde daher fast ausschließlich zum Schutz von Arbeitnehmern gegen die Rückforderung überzahlten Lohnes angewandt, offensichtlich weil diese Personengruppe besonders schutzwürdig erschien und weil vermutet werden konnte, dass sie den überzahlten Lohn ohnehin vollständig für eine aufwendigere Lebensführung verbraucht hatte. Vgl. dazu Avon County Council v. Howlett [1983] I W.L.R. 605 (C.A.).
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ob wirklich ein sachgerechtes Ergebnis erzielt wurde: So mag es sein, dass die Absage des House of Lords gegenüber Rechtsinstituten aus dem equityBereich zur Rückabwicklung gescheiterter Leistungen in Westdeutsche Landesbank Girozentrale v. lslington London Borough Council228 den Weg zu flexiblen Lösungen eher versperrt hat. 229 In der konkreten Entscheidung war das zumindest der Fall, weil diese dogmatische Weichenstellung zur Folge hatte, dass nur einfacher Zins und nicht Zinseszins gewährt werden konnte. Und in Kleinwort Benson Ltd. v. Lincoln City Council230 hatte die neue bereicherungsrechtliche Dogmatik des House of Lords - verbunden mit problematisch gefasster Verjährungsgesetzgebung - nicht nur zur Folge, dass bei einem im Jahre 1900 geschlossenen und vollständig erfüllten Vertrag, der sich aufgrund einer Änderung oder Klarstellung der Rechtsprechung im Jahre 2000 als unwirksam erweist, grundsätzlich noch sechs Jahre lang, also bis 2006, Rückabwicklung gefordert werden kann. 231 Die Begründung des Rückforderungsanspruchs mit einem Irrtum des Leistenden hat auch eine unergiebige und wenig erquickliche Diskussion provoziert, ob Änderungen der Rechtsprechung konstitutiv oder deklaratorisch wirken und unter welchen Voraussetzungen man hier überhaupt sagen kann, dass Vorstellung des Leistenden und wahre Rechtslage auseinander klaffen?32 Daneben hat die notwendigerweise unbestimmte und flexible Fassung des Bereicherungsprinzips mittlerweile die vorhersehbare Folge gezeitigt, dass sich Parteivertreter vor Gericht auch bei klarer Rechtslage darauf zu berufen pflegen, eine Entscheidung entsprechend dieser Rechtslage hätte eine irgendwie ungerechtfertigte Bereicherung der anderen Seite zur Folge, was [1996] A.c. 669. Vgl. etwa die kritische Diskussion der Entscheidung bei Worthington und der Kommentar von Ulph im sei ben Band. 230 [1998] 3 W.L.R. 1095. 231 Kritisch deshalb auch Virgo, S. 164 f. 232 Vgl. Finnis, (1999) 115 L.Q.R. 170, sowie McMeel, Modem Law of Restitution, S. 64 f.; aus der deutschen Literatur Zimmermann, ZEuP 1999, 713. An der Diskussion deutscher Autoren zu dieser Entscheidung lässt sich übrigens die Mythenbildung im Werden beobachten: Meier (ZEuP 1998, 718) beschreibt zutreffend, wie englische Gemeinden in den 80er Jahren in erheblichem Umfang die Swap-Geschäfte abschlossen, um deren Rückabwicklung es in der Kleinwort-Entscheidung ging; die Zulässigkeit dieser Geschäfte wurde "von den staatlichen Aufsichtsbehörden [... ] zunehmend angezweifelt", und 1990 (richtig übrigens: am 1.11.1989) habe der erstmals damit befasste Divisional Court die Nichtigkeit festgestellt. Bei Zimmermann, der sich insoweit (ZEuP 1999, 717 Fn. 7) auf Meier beruft, ist daraus schon die nicht mehr ganz einwandfreie Behauptung geworden, diese Geschäfte "schienen unproblematisch zulässig zu sein". Und Jansen, (2000) ERPL 336 meint, wiederum unter Berufung auf Meier, dass "courts generally regarded this type 0/ contracts as being valid", was eindeutig der Wahrheit widerspricht. Damit fallt natürlich auch Jansens auf seiner unzutreffenden Darstellung der Swap-Fälle aufbauende Kritik an der englischen Rechtsprechung (S. 342) in sich zusammen. 228 229
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vennieden werden müsse. ,,[B]y the end of the 1990s the fashionable claimant sought restitution for unjust enrichment", kommentiert McMeel nicht ganz ohne Sarkasmus. 233 Auch die Entwicklung der Literatur ist ein zweifelhafter Segen. Erfreulich ist sicher, dass bereicherungsrechtliche Probleme mehr analytische Aufmerksamkeit erhalten als früher und dass dem Bereicherungsrecht insbesondere in der Lehre eine größere Bedeutung eingeräumt worden ist. Bedenken erweckt aber der hochtheoretische Charakter der Diskussion. Man gewinnt den Eindruck, dass sich nicht einmal über Grundlagen des Sachgebiets Einigkeit erzielen läßt. Das ist vielleicht nicht anders zu erwarten und auch gar nicht einmal schlimm, entscheidend ist aber der - übrigens aus Diskussionen um das deutsche Bereicherungsrecht nicht unvertraute - Eindruck, dass jeder Autor seine eigene Tenninologie und Systematik zu haben scheint, die mit der Tenninologie und Systematik aller anderen Autoren inkommensurabel ist, die zu verteidigen er sich jedoch vehement bemüht. Auch wenn dabei viele interessante und wertvolle Überlegungen zutage gefördert werden, fühlt man sich angesichts wissenschaftlicher Diskussionen, die sich mit Fragen beschäftigen wie beispielsweise, ob ,,free acceptance" von "pure services" nur eine Bereicherung des Beklagten oder zugleich auch die Ungerechtfertigkeit dieser Bereicherung begründe,234 ob "ignorance" ein "unjust factor" sei oder nicht235 und ob der Bereicherungsausgleich für "wrongdoing" als "autonom" oder "parasitisch" einzustufen sei,236 zuweilen doch eher an die scholastischen Dispute darüber erinnert, wie viele Engel auf eine Stecknadelspitze passen, abgesehen davon, dass die verwendete Tenninologie zusätzlich noch den Eindruck eines undurchdringlichen Geheimjargons erweckt. Dass das englische Bereicherungsrecht 233 MeMeel, Modem Law of Restitution, S. xiii. Beispielhaft sei der Fall Lloyds Bank pie v. Independent Insuranee Co. Ltd. [1999] 2 W.L.R. 486 (C.A.) erwähnt, wo die klagende Bank einen Überweisungsauftrag trotz fehlender Deckung ausgeführt hatte und nun das Geld von der Zahlungsempfangerin zurückforderte, und zwar mit der Begründung, diese habe zwar einen fälligen Anspruch gegen die Auftraggeberin gehabt, wegen deren bevorstehender Insolvenz jedoch ohnehin nicht mit einer Zahlung rechnen können und sei deshalb auf Kosten der Bank ungerechtfertigt bereichert. Vgl. ferner Norwieh City Council v. Stringer 3.5.2000 (C.A.), hier zitiert nach der Bereicherungsrechts-Website der Universität Cambridge, www.law.cam. ac.uk/restitution/engl.htm. Vor der Gefahr einer unbedachten Ausdehnung des Bereicherungsrechts warnen auch GranthamlRiekett, (2001) 117 L.Q.R. 273, insbesondere S. 299. 234 Zusammenfassungen dieser Diskussion finden sich etwa bei Gamer, (1990) 10 OJ.L.S. 42, sowie MeMeel, Modem Law of Restitution, S. 217-223, und Virgo, S. 128-l33; vgl. ferner insbesondere Burrows, (1988) 104 L.Q.R. 576. 235 Vgl. etwa Bant, [1998] L.M.C.L.Q. 18 sowie MeMeel, Modem Law of Restitution, S. 81-86. 236 Dazu die Darstellung von Friedmann, Restitution for Wrongs.
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derzeit einen "Boom" erlebt, ist sicher, fraglich dagegen, ob man auch weniger prosaisch von einem "Zustand der Blüte" sprechen kann. 237 Die wenig befriedigende Situation des englischen Bereicherungsrechts hängt aufs engste mit den unzutreffenden Auffassungen, die über seine Geschichte kursieren, zusammen, weshalb diese Auffassungen hier auch so ausführlich dargestellt und kritisiert worden sind. Offenkundig hat die Tatsache, dass die Entwicklung des englischen Bereicherungsrechts auf weite Strecken als eine Geschichte der Fehltritte und Irrtümer gesehen wird, zu einer Art "Stunde-Null"-Mentalität geführt, zu der Vorstellung, dass die gesamte Tradition als suspekt behandelt werden muss und dass es erforderlich ist, das Rechtsgebiet nicht induktiv anhand einer kritischen Auseinandersetzung mit der bestehenden Rechtsprechung, sondern deduktiv, beginnend von möglichst abstrakten theoretischen Axiomen, neu aufzubauen. 238 Ob das aber wirklich der produktivste Ansatz für eine Modernisierung der Praxis des englischen Bereicherungsrechts ist, erscheint sehr zweifelhaft. Insofern dürfte die derzeitige Entwicklung der bereicherungsrechtlichen Lehre in England aber auch die von Hedley aufgezeigte Gefahr ,,0/ basing our modern law on premises which are not merely history, but bad history,,239 bestätigen. Dieser Sachverhalt bringt Schwierigkeiten für die Darstellung des englischen Rechts in der vorliegenden Arbeit mit sich. Allen Verästelungen der theoretischen Diskussionen nachzugehen, dürfte kaum möglich sein. Statt dessen wird im Folgenden eine eher konservative Perspektive des englischen Vertrags- und Bereicherungsrechts zugrunde gelegt: Ausgegangen wird dabei stets von der Auffassung der Rechtsprechung, auch wenn die Begründung altmodisch oder unnötig kasuistisch erscheinen mag. Auf Kritik in der Literatur wird aber hingewiesen, soweit diese von mehreren Beide Begriffe sind übernommen von Meier, S. 9. Gerade dadurch unterscheiden sich die heutigen "Modernisten" (um den Begriff von Martinek, RabelsZ 47 (1983), 307, aufzunehmen) von ihren Vorgängern in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts: Während sich letztere mit ihren Gegnern darum stritten, wer von ihnen die Tradition der englischen Rechtsprechung für sich in Anspruch nehmen könne, ein Anliegen, das auch noch bei Goff und Jones erkennbar ist, spielt diese Tradition - von der Berufung auf Lord Mansfield abgesehen - heute nur noch eine geringe Rolle. Goff hatte dagegen in seiner Maccabaean Lecture in Jurisprudence vom 5.5.1983 - allerdings nicht speziell mit Bezug auf das Bereicherungsrecht - vor der "temptation of elegance", der ,,fallacy of the instant, complete solution", der "danger of the unhistorical approach to earlier authority" und der "dogmatic fallacy [oj] seeing law in terms of rules rather than in terms of principles" gewarnt (Goff, S. 318-320). 239 Hedley, Contract's Twin, S. 247 (Hervorhebung im Original). Anders Martinek, RabelsZ 47 (1983), 331, der von einem "Maß an historischer Unbekümmertheit [... ], weIches das konstruktive Denken auf neue fruchtbare Wege leiten kann", spricht. 237
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Autoren übereinstimmend vorgetragen wird oder sonst besonderes Gewicht hat. Dagegen wurde auf eine Wiedergabe allzu spekulativ oder theoretisch erscheinender Diskussionen verzichtet. Da die Rechtsprechung sich naturgemäß mit Fragen der Rückabwicklung nur punktuell befassen kann und der Aussagegehalt der Entscheidungen dabei zum Teil vieldeutig ist, lassen sich nicht immer gesicherte Feststellungen treffen. 240 2. Deutsches Recht
Das deutsche Recht der Rückabwicklung gescheiterter Verträge wird in der vorliegenden Arbeit eher als Kontrastfolie zum englischen Recht und zu den Regelungen der Einheitsrechte behandelt. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen war nicht beabsichtigt, den bereits sehr zahlreichen umfangreichen Studien zur Rückabwicklung im deutschen Recht und den darin vertretenen unterschiedlichen Auslegungen des gehenden Rechts eine weitere hinzuzufügen. 241 Zum anderen schien ein gewisses Maß an Vernachlässigung des bisherigen deutschen Rechts aber auch durch den Gedanken gerechtfertigt, dass die entsprechenden Ausführungen schon bald nur noch von rechts geschichtlichem Interesse sein können; auf entsprechende Initiative der Bundesregierung sind bekanntlich die Grundideen der Schuldrechtsreformkommission, allerdings mit nicht unbeträchtlichen Abweichungen, in ein "Schuldrechtsmodernisierungsgesetz" umgesetzt worden, das in wesentlichen Teilen im Januar 2002 in Kraft getreten ist. 242 Für die Themenstellung der vorliegenden Arbeit ist dieses Reformvorhaben von besonderer Bedeutung, weil das Leistungsstörungsrecht - neben dem Verjährungsrecht - einen besonderen Schwerpunkt der Neuregelung darstellt. Den wohl entscheidenden Schub verdankt die Realisierung der Schuldrechtsreform dem Umstand, dass sich der Gesetzgeber unter anderem aufgrund der Pflicht zur Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie243 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 ohnehin mit Fragen des Schuldrechts befassen musste;244 Alternative zu einer umfassenderen Schuldrechtsreform 240 Naturgemäß überschneidet sich die Darstellung des englischen Rechts in der vorliegenden Arbeit in erheblichem Maße mit den Beiträgen des Autors zu Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich. Infolge der unterschiedlichen Schwerpunkte und Darstellungszusarnrnenhänge in der vorliegenden Arbeit musste aber das meiste neu formuliert werden. Zum Teil ist zusätzliches Material nachgetragen, manches dagegen auch weggelassen worden. Es wurde darauf verzichtet, Übereinstimmungen einzeln kenntlich zu machen. 241 Als wichtige Werke von allerdings ganz unterschiedlichem Charakter sind hier die Arbeiten von Leser, König (vgl. dort S. 81-154 zur Abwicklung beiderseits erfüllter nichtiger Verträge), Kohler, Kaiser und Huber zu nennen. 242 Gesetz zur Modemisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGB!. S. 3138). Zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen vgl. BT-Drucks. 14/6040.
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wäre eine Minimallösung gewesen, die aber den erheblichen Nachteil gehabt hätte, zu einer weiteren Zersplitterung des innerstaatlichen Privatrechts zu führen: Neben dem in §§ 433-514 BGB geregelten allgemeinen Kaufrecht bestanden bereits als Sonderkaufrechte die Regeln über den Handelskauf in §§ 373-382 HGB und das CISG, denen sich nun noch ein weiteres Sonderrecht für Verbrauchsgüterkäufe beigesellt hätte. 245 Eine solche Minimallösung hätte also neue Abgrenzungsprobleme zwischen den verschiedenen Sonderprivatrechten geschaffen und die Rechtsanwendung weiter erschwert, ohne dass dem ein erkennbarer Gewinn an Präzision oder Sachgerechtigkeit der Regelung gegenübergestanden hätte. 246 Der von Brüssel geschaffene Handlungsbedarf stellte daher einen sinnvollen Anlass dar, die schon seit längerem geplante 247 Schuldrechtsreform nun endlich in Angriff zu nehmen?48 243 Richtlinie 1999144/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABI. EG Nr. L 171 S. 12). 244 Weiterer Handlungsbedarf entstand durch die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 29.6.2000 zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr (ABI. EG Nr. L 200 S. 35) sowie die Richtlinie 20001 31/EG vom 8.6.2000 über den elektronischen Handel (ABI. EG Nr. L 178 S. 1). 245 Wilhelm, JZ 2001, 862, betont allerdings (ohne nähere Erläuterung), es sei ,,[n]icht vertretbar", vom "Drohen von vier Kaufrechtssystemen" zu sprechen. 246 VgI. Schmidt-Räntsch, ZIP 2000, 1639 (insb. S. 1643 f.). Auf die Absurditäten, die sich in diesem Fall für das Zusammenspiel von Kauf- und Werkvertragsrecht ergeben hätten, weist Roth, JZ 2001, 544, hin. Von "second best-Lösungen, die lediglich im Fall des Scheiterns der ,großen Reform' weiterverfolgt werden sollten", sprachen auch BrüggemeierlReich, BB 2001, 213. Für eine solche Umsetzung als "Eil- und Notmaßnahme" aber Huber, ZIP 2000, 2283; gegen eine ,,(verallgemeinemde) Integration ins BGB" auch Honsell, JZ 2001, 283, der freilich andererseits (S. 278) selbst das "Spiel des ,Übereinandertürmens von Schutzvorschriften '" kritisiert. VgI. ferner auch Watterson, (2001) 9 ERPL 221, der umgekehrt im Hinblick auf das englische Recht für die Schaffung eines eigenen Verbraucherkaufrechts plädiert. 247 Die ersten Vorarbeiten der Schuldrechtsreform liegen mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnte zurück, vgI. Bundesminister der Justiz, S. 13-16, zu Vorgeschichte und Arbeit der Schuldrechtsreforrnkommission. Eine Darstellung der Geschichte des Projektes über den Abschlussbericht der Kommission hinaus findet sich bei Zimmermann, JZ 2001, 176 f. 248 Kritisch jedoch Huber, ZIP 2000, 2280, dem zufolge "man die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die mit allgemeinem Leistungsstörungsrecht nicht das Mindeste zu tun hat, als Vehikel, um nicht zu sagen: als Trojanisches Pferd, verwenden will, um ein Lieblingsprojekt zu verwirklichen, das man sich nun einmal in den Kopf gesetzt hat", und der daraus den Schluss zieht, dass "man Zweifel hat, ob es ohne Trojanisches Pferd überhaupt geht". Für eine über die bloße 1: I-Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hinausgehende, aber auf das Kaufrecht beschränkte "kleine Lösung" dagegen EmstlGsell, ZIP 2000, 1410; dagegen Schmidt-Räntsch, ZIP 2000, 1644 f. Anderen Autoren zufolge war eine grundlegende Reform des 6*
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Allerdings haben sich in zahlreichen wichtigen Einzelpunkten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Abweichungen ergeben, die eine Darstellung des neuen Rechts erschwert haben. 249 Die schließlich verkündete Version unterscheidet sich erheblich von derjenigen, die von der Bundesregierung verabschiedet worden war und auf die Redaktion durch eine Expertengruppe zurückging; diese wiederum wich nicht unbeträchtlich von dem ursprünglich vom Bundesjustizministerium veröffentlichten Diskussionsentwurf ab. 25o Vor diesem Hintergrund ist es nur möglich, auf Grundstrukturen der Reform sowie auf einige im Zusammenhang mit dem Thema der Arbeit besonders interessante Einzelregelungen hinzuweisen. Eine erschöpfende Diskussion der Neuregelungen wird dagegen - ebenso wie im Hinblick auf das bisherige Recht - keineswegs angestrebt. Auch eine inhaltliche Bewertung des Reformvorhabens liegt außerhalb der Thematik der Arbeit. 251 Während auf dem 60. Deutschen luristentag in Münster 1994 die meisten Vorschläge der Schuldrechtsreformkommission noch mit großer Mehrheit befürwortet wurden,252 schien sich die publizistische Kritik wieder um so mehr zu verschärfen, je näher das Projekt einer Realisierung kam?53 Dass diese Kritik ganz unterschiedliche Stoßrichtungen und damit auch unterschiedliches Gewicht hat, kann nicht verwundern. deutschen Schuldrechts überflüssig, weil auf Dauer ohnehin mit einem europäischen Zivilgesetzbuch zu rechnen sei, so Dauner-Lieb, JZ 2001, 17 f.; Roth, JZ 2001,544, nennt derartige Vorschläge zu Recht ,,[djen Gipfel der Verzagtheit". 249 Ernst, ZRP 2001, 11, sagte zu Recht voraus, dass "Inhalt und genauer Text des Gesetzentwurfs im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch erheblich verändert" würden. 250 Vgl. die konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs vom 06.03.2001, die im April 2001 im Internet unter www.zivilrechtslehrervereinigung.de zugänglich war. 251 Für eine gedrängte und in der Tendenz eher skeptische, insgesamt aber sichtlich um Abgewogenheit bemühte Einführung in die entsprechenden Fragestellungen vgl. Stürner, NJW 1994 (Beilage zu Heft 25 im Rahmen des 60. Deutschen Juristentags in Münster), 2*. 252 Eine Auflistung der entsprechenden Abstimmungsergebnisse findet sich in NJW 1994, 3075. Insbesondere wurde der Beschluss "Die geplante Schuldrechtsreform ist grundsätzlich wünschenswert" mit 101 gegen 10 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) angenommen. Merkwürdig deshalb die Aussage von Huber, ZIP 2000, 2282, der parlamentarische Gesetzgeber werde mit einem "unüberschaubaren Paket von Regelungsvorschlägen zu den verschiedensten Gegenständen" konfrontiert, "bevor eine fundierte öffentliche Diskussion überhaupt stattfinden konnte"; vgl. auch S. 2281: Der Entwurf werde, "ohne der Kritik der deutschen Rechtswissenschaft Beachtung zu schenken, durchs Gesetzgebungsverfahren gepeitscht". Angeblich soll der Verweis auf den Juristentag auch nur die "halbe Wahrheit" sein: Eine wirkliche Diskussion über die Schuldrechtsreform habe es nicht gegeben, weil ohnehin niemand mit ihrer Verwirklichung gerechnet habe, so jedenfalls Dauner-Lieb, JZ 2001, 15. Das wirft natürlich die Frage auf, warum sich der Juristentag überhaupt damit beschäftigt hat.
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So wurden eine Reihe von Einzelregelungen mit ernst zu nehmenden Argumenten kritisiert; das galt in besonderem Maße für die Verjährungsvorschriften des Entwurfs, die aber außerhalb der Thematik dieser Arbeit liegen?54 Auf manche Kritik ist im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eingegangen worden. Andererseits gewinnt man zuweilen den Eindruck, dass jeder der Kritiker sein privates dogmatisches Steckenpferd ritt und sich alle nur in der Ablehnung einer Reform einig waren, keineswegs aber darin, wie das bisherige Recht auszulegen und anzuwenden sei?55 Wenn im Übrigen pauschal vorgebracht wird, die Neuregelung werde der "konkretisierende[n] und stabilisierende[n] Funktion der Rechtsprechung [... ] das Fundament entziehen" und Richtern und Rechtsanwälten "das vertraute Handwerkszeug" wegnehmen,256 dann handelt es sich dabei offenbar um ein Argument, das sich gegen jede Art der (Neu-)Kodifikation richtet; das Eingreifen des Gesetzgebers, das ganze Bibliotheken zu Makulatur macht, hat bekanntlich schon Julius Hermann v. Kirchmann 1847 beschrieben?57 Dass sich die Verfasser des BGB darum bemüht haben, das von Rechtsprechung 253 Vgl. in ungewöhnlicher Schärfe die Aufsätze von Huber, ZIP 2000, 2l37, sowie ZIP 2000, 2273. Huber nannte den Entwurf zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht "undurchdacht, unausgereift und uneuropäisch in einem Ausmaß, dass er als Grundlage eines Gesetzgebungsverfahrens ungeeignet ist" (ZIP 2000, 2151), sowie den Entwurf insgesamt "in allen Bereichen, denen er sich zugewandt hat, unzulänglich" (ZIP 2000, 2283, Hervorhebung im Original). 254 Vgl. dazu etwa Ernst, ZRP 2001, 2-8. 255 So bemängelt etwa Kohler, JZ 2001, 333, dass die "Leitidee der Gestorhaftung für die Alleinverwaltung eines eventualiter kondominial gebundenen Gegenstands" aufgegeben werde (ähnlich auch S. 328). WilhelmlDeeg, JZ 2001, 223, lag vor allem daran, dass die Erfüllungspflicht des Schuldners bei von ihm zu vertretender Unmöglichkeit bestehen bleibe. Huber wiederum war offenbar besonders wichtig, dass den Schuldner eine Garantiehaftung für anfängliches Unvermögen treffen solle (ZIP 2000,2149-2151). Gmfv. Westphalen, DB 2001, 804, schließlich befürwortete die Reform größtenteils, bedauerte jedoch, dass das AGBG als eigenständiges Gesetz verschwinden sollte. Weniger einseitig demgegenüber die Kritik von StolI, JZ 2001, 589, der - bei grundSätzlicher Zustimmung gegenüber der Reform auf einzelne Probleme der geplanten Regelungen hinwies. 256 Huber, ZIP 2000, 2275. 257 Vgl. v. Kirchmann, S. 29. Im Gegensatz zu den heutigen Kritikern empfand v. Kirchmann diesen Prozess aber als durchaus positiv, weil er noch die Hoffnung hegte, dass eine rationale Gesetzgebung die Rechtswissenschaft größtenteils überflüssig machen könne. Den Gedanken, dass der Gesetzgeber Rechtsprechung und Lehre möglichst gar nicht stören solle (Huber meint sogar, das Gebiet der juristischen Dogmatik sei dem Gesetzgeber "von Haus aus verschlossen[ .. .]", vgl. ZIP 2000, 2140), ist man dagegen eher aus England gewohnt, vgl. etwa Postlethwayt, der diesen Wunsch schon 1751 in der Einleitung seines Buches über Bills of Exchange (hier zitiert nach Fifoot, Lord Mansfield, S. 82) wie folgt zum Ausdruck brachte: ,Jn matters of law 'tis more for the advantage of the subject that Westminster Hall [d.h. die Gerichte] should, in this respect, controul [sic] St Stephen's Chapel [d.h. das Parlament], than the latter, the former; for otherwise the statutes,
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und Literatur angesammelte intellektuelle Kapital zu erhalten, und sich deshalb viele ihrer Regelungen weniger damit erklären lassen, dass sie "gegenüber möglichen Alternativen eindeutig nachweisbare sachliche Vorzüge besäßen", sondern eher damit, dass "sie der gemeinrechtlichen Tradition entsprechen",258 dürfte auch erst aus heutigem Blickwinkel so offen zutage liegen; für die Zeitgenossen werden ebenfalls die Diskontinuitäten und Brüche mit dem alten Recht, die sie zum Umlernen zwangen, auffälliger und bemerkenswerter gewesen sein. 259 Wenn außerdem eingewandt wurde, eine Reform sei überflüssig, denn es gebe bereits ohnedies "auf der ganzen Welt schwerlich ein einfacheres Recht als das deutsche Recht",260 dann traf dies in einer Hinsicht sicherlich zu: Das Leistungsstörungsrecht wirft in jeder Rechtsordnung Sachfragen auf, denen ein bestimmter Schwierigkeitsgrad innewohnt und die sich demgemäß selbstverständlich nicht "einfach" lösen lassen. Es ist auch nicht zu bezweifeln, dass sich mit dem früheren Recht mit etwas gutem Willen im großen und ganzen sachgerechte Lösungen erzielen ließen. Das beantwortet aber keineswegs die Frage, ob sich die Regeln des Leistungsstörungsrechts nicht in einer Weise organisieren ließen, die leichter zu verstehen und in der Praxis besser umzusetzen wäre als die des BGB von 1896?61 Gerade die Aussage, das bisherige Recht sei eigentlich ganz einfach anzuwenden, "wenn man bereit ist, das juristische Handwerkszeug zu diesem Zweck korrekt und unvoreingenommen zu handhaben und ein paar Gewohnheit gewordene Irrtümer [... ] fallen zu lassen",262 muss in diesem Zusammenhang aber stutzig machen: Wenn es so leicht ist, bei der Anwendung des Gesetzes in Irrtümer zu verfallen, und noch dazu gewohnheitsmäßig, dann dürfte das eher gegen die technische Qualität der bestehenden Regelungen sprechen. 263 which do not always quadrate with the sense and spirit of the law, would subven a great pan of it, and render alt reponed cases useless to posterity." 258 Huber, Leistungsstörungen I, 38. 259 Die Schuldrechtsrefonnkommission betonte demgegenüber ebenfalls die Kontinuität ihrer Vorschläge mit dem bestehenden Recht, vgl. Bundesminister der Justiz S. 39 f. 260 Vgl. die entsprechende Aussage von Stürner in der Diskussion über die Schuldrechtsrefonn auf dem 24. Deutschen Notartag in Hamburg 1993, vgl. Sonderheft DNotZ 1993, ll3*. Ähnlich Huber, ZIP 2000, 2274, freilich mit der Einschränkung "wenn man die Regeln richtig versteht", was der herrschenden Lehre seiner Ansicht nach gerade nicht gelingen soll. 261 Die Schuldrechtsrefonnkommission sprach von einem "so starken Firnis von Richterrecht [... ], daß das wirklich geltende Recht selbst von einem juristisch ausgebildeten Fachmann aus der bloßen Lektüre des Gesetzes nicht mehr erschlossen werden kann" (Bundesminister der Justiz, S. 14). 262 Huber, ZIP 2000, 2274.
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Auf einen Kritikpunkt, der im Rahmen der vorliegenden Arbeit von besonderer Relevanz ist, muss allerdings intensiver eingegangen werden: Gegen die Schuldrechtsreform wurde nämlich eingewandt, sie stelle einen Rückschritt gegenüber der internationalen Rechtsentwicklung dar und sei bereits im Ausgangspunkt veraltet. Dabei wurde nicht übersehen, dass der Entwurf der Schuldrechtsreforrnkommission auf umfangreichen rechtsvergleichenden Vorarbeiten beruhte und insbesondere das Leistungsstörungsrecht des CISG als Vorbild herangezogen hat. 264 Jedoch hieß es, seit dem Erscheinen der Unidroit Principles und der Principles of European Contract Law sei der Entwurf der Schuldrechtsreforrnkommission überholt. 265 In diesem Zusammenhang wurde besonders auf einen Punkt verwiesen: Wohl das wesentlichste Anliegen der Schuldrechtsreform ist es, die bisher im deutschen Recht vorgenommene Aufspaltung der verschiedenen Leistungsstörungsfälle in Unmöglichkeit mit ihren zahlreichen Untergliederungen, Verzug und (im BGB nicht kodifizierte) positive Forderungsverletzung, zu denen als weitere Kategorien noch Sach- und Rechtsmängel treten, durch einen einheitlichen Grundtatbestand der "Pflichtverletzung" zu ersetzen, wie er sich ähnlich auch im CISG findet. 266 Gerade in Bezug auf diesen zentralen Punkt der Schuldrechtsreform wurde nun eingewandt, die Prinzipien-Texte hätten dem CISG hier die Gefolgschaft aufgekündigt und seien "zu den Regeln über die Unmöglichkeit, die auch dem BGB zugrunde liegen, zurückgekehrt", was auch für das deutsche Recht ein Grund sein müsse, an diesen Regeln festzuhalten. 267 Die bestehenden Strukturen des 263 Huber zufolge hat allerdings die höchstrichterliche Rechtsprechung das BGB "seit hundert Jahren problemlos (und richtig!) verstanden und angewendet" (ZIP 2000, 2150), von "vereinzelte[n] Ausreißer[n] und einigeln] Wackler[n] in der Begründung" abgesehen, die aber "nicht das Gesamtbild" prägten (S. 2143). Offenbar neigt also lediglich die Lehre dazu, das BGB falsch zu verstehen. Eine plausible Erklärung darüber, warum die Lehre so viel weniger fähig sein sollte, den wahren Sinn des BGB zu verstehen, lässt sich nicht erkennen. Auf diesen Aspekt verweist auch - trotz ansonsten großer Reverenz für das BGB - Zimmermann, JZ 2001, 180. Vgl. auch schon Schlechtriem, ZEuP 1993, 218, zu der These, dass alle Schwierigkeiten im Umgang mit dem Gesetz vermieden werden könnten, "wenn man der Interpretation des jeweiligen Kritikers folgt", und sich eine Reform deshalb erübrige. 264 Vgl. etwa Bundesminister der Justiz, S. 19 f. 265 So ausdrücklich Huber, ZIP 2000, 2280; auch Dauner-Lieb, JZ 2001, 15, meinte, die neueren europäischen Entwicklungen würden ausgeblendet. Zimmermann, JZ 2001, 180, befürchtete, was in Deutschland vorbereitet worden sei, werde "auf jeden unbefangenen Beobachter [... ] provinziell und veraltet wirken". Wohl um dieser Kritik zu begegnen, wurde in der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfs gelegentlich, wenn auch wenig systematisch, auf die Prinzipien-Texte Bezug genommen. Gegen solche Kritik aber Schlechtriem, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Dezember 2000, S. 23; auch Anders, ZIP 2001, 187, hält den Erkenntnisgewinn, den die Prinzipien-Texte insoweit gebracht haben, für gering. 266 Vgl. Bundesminister der Justiz, S. 29 f.
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BGB aufgeben zu wollen, stelle daher einen "ziemliche[n] Schildbürgerstreich" dar; wer dies wolle, könne sich nicht mehr auf die internationale Rechtsentwicklung berufen, sondern nur darauf, dass er "gern ein Narr auf eigene Faust sein" wolle?68 Angesichts derart drastischer Polemik wird im Folgenden (auch) zu untersuchen sein, ob die Prinzipien-Texte wirklich von den Vorgaben des bisherigen deutschen Rechts inspiriert sind oder ob sie nicht im Gegenteil eher belegen, dass die Regelungen des BGB mit ihren von vielen konstatierten Mängeln und die von Rechtsprechung und Literatur zur Kompensation dieser Mängel entwickelten Lösungen bislang international wenig anschlussfähig waren. 269 3. elSe
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) vom 11.4.1980 bedarf keiner besonderen Vorstellung mehr. Erinnert sei in diesem Zusammenhang lediglich daran, dass das Übereinkommen am 1. Januar 1988 in Kraft getreten ist und mittlerweile von 62 Staaten ratifiziert worden ist. 270 In der Bundesrepublik Deutschland gilt das Übereinkommen seit dem 1. Januar 1991. 271 Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Haager Einheitskaufrecht von 1964, das sich wegen Bedenken insbesondere der USA, des Ostblocks und der Entwicklungsländer nie recht durchsetzen konnte,272 hat das CISG also weltweit erhebliche Bedeutung gewonnen; zwei Drittel des Welthandels sollen (potentiell) seinen Regelungen unterliegen. 273 Vielleicht noch aussagekräftiger im Hinblick auf die Bedeutung des CISG speziell für die Bundesrepublik Deutschland ist die Tatsache, dass sich unter den Mitgliedsstaaten die meisten Staaten befinden, die für den Außenhandel der Bundesrepublik 267 Huber, ZIP 2000, 2280: Die Kritik an den bestehenden Regeln beruhe vielfach auf Missverständnissen. S. 2281 heißt es ferner noch, das "BGB in seinen grundlegenden Strukturen und in seiner Auslegung und Fortbildung durch die deutsche Rechtsprechung und die deutsche Rechtswissenschaft" habe in Gestalt der Prinzipien-Texte, "um es etwas platt auszudrücken, einen bedeutenden internationalen Erfolg erzielt". 268 Huber, ZIP 2000, 2281. 269 Vgl. Schlechtriem, ZEuP 1993, 218. 270 Diese Zahl wurde am 10.10.2002 mit der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch Honduras (Datum des In-Kraft-Tretens: 01.l1.2003) erreicht. 271 In der ehemaligen DDR war das CISG schon seit dem 1.3.1990 in Kraft, nach herrschender Meinung allerdings nur bis zur Wiedervereinigung am 3.10.1990. 272 v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 68. Auch Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 202 f., führt das Scheitern des Haager Einheitskaufrechts darauf zurück, dass ihm ein "narrowly West European origin" nachgesagt worden sei. Vgl. dazu ferner Bridge, Bifocal World, S. 283. 273 Vgl. Schlechtriem, CISG-Kommentar Einleitung, S. I.
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Deutschland von Bedeutung sind; neben den Vereinigten Staaten und China zählen dazu Frankreich und fast alle anderen Nachbarstaaten der Bundesrepublik. In der Praxis wird die Wirksamkeit des CISG allerdings dadurch erheblich beeinträchtigt, dass seine Anwendung - wie nach Art. 6 CISG zulässig - häufig, man kann fast schon sagen: stereotyp, abbedungen wird, was wohl eher auf Unkenntnis und Ignoranz innerhalb der Anwaltschaft beruht als auf irgendwelchen inhaltlichen Mängeln seiner Regelungen. 274 Bemerkenswert im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit ist die Tatsache, dass das CISG - neben Japan - von einer weiteren bedeutenden HandeIsnation nicht ratifiziert worden ist, nämlich vom Vereinigten Königreich. 275 Die Gründe für diese Unterlassung sind nicht leicht einzusehen, zumal die britische Delegation auf die Fonnulierung des CISG einen durchaus nicht unerheblichen Einfluss gehabt hat276 und es eine "infonnelle Absprache" zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft gegeben haben soll, das CISG zu ratifizieren?77 Das Motiv, den durch im Wesentlichen gleich lautende Sale of Goods Acts vennittelten rechtlichen Zusammenhang mit anderen Commonwealth-Staaten nicht aufs Spiel zu setzen, kann keine Rolle mehr spielen, nachdem insbesondere Australien, Kanada und Neuseeland das CISG ratifiziert haben; im Übrigen hätte man diesem Problem ohnehin über einen Vorbehalt gemäß Art. 94 CISG abhelfen können. Zwar haben englische Autoren am CISG manches kritisch auszusetzen gefunden, im Großen und Ganzen aber dennoch einmütig die Rati274 Vgl. Koch, NJW 2000, 910. Auch in den Fonnularverträgen der in London ansässigen internationalen Rohstoftbandelsorganisationen wird das CISG abbedungen, vgl. Bridge, Bifocal World, S. 277 f. 275 Statt dessen gilt in Großbritannien weiterhin das alte Haager Einheitskaufrecht von 1964, freilich nur unter der Voraussetzung, dass die Parteien seine Anwendung vereinbart haben, s. 1(3) Unifonn Law on International Sales Act 1967. Da die Parteien dies nach englischem Recht ohnehin tun könnten, stellt dieses Gesetz lediglich eine politische Geste dar: vgl. Goode, Commercial Law, S. 926 Fn. 4. Zu den Hintergründen des britischen Vorbehalts gegen das EKG vgl. Dölle/Herber vor Art. 1-8 Rn. 14. Rechtsprechung zum EKG ist aus Großbritannien nicht bekannt geworden, vgl. dazu Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 202, so dass dieser Aspekt des englischen Rechts im folgenden vernachlässigt werden kann. Vgl. zu dem gesamten Thema Bridge, International sale of goods, Rn. 2.04. 276 Lord Steyn zufolge hat Großbritannien eine ,jull and constructive role" bei der Erarbeitung des CISG gespielt; vgl. Bridge, Bifocal World, S. 277, der es ..one of the paradoxes of the modem United Kingdom" nennt, dass ..a country whose very lifeblood is international trade, and which through its history has developed a global strategie vision, should have such an impoverished sense of internationalism". Goode, Commercial Law, S. 926, spricht von ..this country's penchant for making major contributions to the work of harmonization and then walking away from the finished product without any adequate explanation". 277 So jedenfalls Drobnig, S. 1144. Irland und Portugal haben das CISG bislang ebenfalls nicht ratifiziert.
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fikation empfohlen;278 lediglich für den Rohstoffhandel wird auf die überlegene Erfahrung des englischen Rechts, die sich in entsprechend ausgefeilten Vertrags werken niederschlage, verwiesen. 279 In diesem besonderen Bedingungen unterliegenden Bereich mag es angesichts der tatsächlichen Dominanz des englischen Rechts auf internationaler Ebene auch nicht wundernehmen, wenn manche Autoren das englische Recht mit internationalem Kaufrecht schlechthin gleichsetzen: "The law 01 international sale 01 goods, as understood in this country, is but English domestic law writ large. ,,280 Dabei weisen freilich auch englische Autoren darauf hin, dass eine Verweigerungshaltung Großbritanniens gegenüber dem eISG "does not stop loreign legal culture in the Straits 01 Dover": Auch englische Händler können sich dem eISG unterworfen finden, auch englische Gerichte gezwungen sein, es anzuwenden. 281 Verhindert werde lediglich, dass die beträchtliche Erfahrung der englischen Gerichte in der Entscheidung kommerzieller Streitigkeiten auf die Auslegung des eISG Einfluss gewinnen könne?82 Die britische Regierung hat sich angeblich im Grundsatz dazu entschlossen, dem eISG beizutreten, misst diesem Plan jedoch keine besonders hohe Priorität bei, so dass seine Verwirklichung hinter vorrangigen Gesetzesvorhaben zurückstehen muss?83 Das lässt darauf schließen, dass mit einer baldigen Ratifikation auch weiterhin nicht zu rechnen ist. 284 278 Eindeutig gegen eine Ratifikation nur Hobhouse, (1990) 106 L.Q.R. 530; allerdings richtet sich seine Ablehnung nicht speziell gegen das CISG, sondern gegen internationale Konventionen allgemein, die er als "multicultural compromises between different schemes ollaw" betrachtet, die daher "will normally have less merit than most 01 the individual legal systems lrom which they have been derived" (S. 533). Im Ergebnis positiv dagegen Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 201, und - trotz jeweils erheblicher Kritik - Steyn, S. 12-16, sowie Reynolds, S. 18-27. Bridge, Bifocal World (insbesondere S. 284 0, hebt vor allem die Gefahr einer uneinheitlichen Auslegung und Anwendung des CISG in den verschiedenen Vertrags staaten hervor. 279 Bridge, Bifocal World, S. 279: "English law in that area has evolved over the course 01 the last century and the trading lorms have been refined in the light 01 problems that have been thrown up in the course 01 litigation over that period. To cast all 01 that experience aside in place 01 something that is incomplete and untested would be wasteful and destructive." Näher zu den besonderen Wertungen des englischen Rechts auf diesem Gebiet Bridge, Bifocal World, S. 279-282. 280 Bridge, Bifocal World, S. 277. 281 Vgl. etwa Bridge, Bifocal World, S. 278, der auf die Möglichkeit verweist, dass das CISG als Vertrags statut berufen wird oder dass ein Schiedsrichter, der gemäß s. 46(1)(b) Arbitration Act 1996 zu einer Entscheidung "ex aequo et bono" berufen ist, seine Bestimmungen anwendet; ebenso Reynolds, S. 27. 282 Bridge, Bifocal World, S. 278. 283 Vgl. Piliounis bei Fn. 8. 284 Eine Übertreibung ist die Behauptung von Schwanze, S. 596, dass "die Common Law Rechtsordnungen [sie] England und Irland [... ] heftigen Widerstand" gegen eine Übernahme des CISG leisteten.
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Im Rahmen der vorliegenden Arbeit spielt das CISG nur eine untergeordnete Rolle, da Fragen der Rückabwicklung nach seinen Bestimmungen bereits sehr ausführlich behandelt worden sind. 285 Die Rückabwicklungsregelungen des CISG sind aber wiederum von Bedeutung für das Verständnis der Prinzipien-Texte, die sich zum Teil davon ableiten, zum Teil aber auch bewusst davon absetzen. 11. "Privatkodifikationen,,:286 Die Prinzipien-Texte
Den drei staatlichen Rechtsordnungen England, Deutschland und CISG werden zwei private Kodifikationen des Privatrechts, die Unidroit Principles of International Commercial Contracts287 und die Principles of European Contract Law,288 gegenübergestellt. Beide Kodifikationen weisen schon ihrem Titel nach Gemeinsamkeiten auf: Sie nehmen für sich in 285 Besonders hingewiesen sei auf die Dissertation von Hornung sowie auf die Kommentierung von Leser/Hornung in Schlechtriem, CISG-Kommentar Art. 81-84. Erwähnt sei außerdem noch die Dissertation von M. Krebs, die die Arbeit von Hornung zwar mehrfach zitiert (z.B. S. 94 Fn. 585, S. 108 Fn. 669), im Literaturverzeichnis aber unterschlägt. 286 Der Begriff ist dem Aufsatz von Michaels, RabelsZ 62 (1998), 580 (insb. Titel und S. 591), entnommen. Auch Kronke, JZ 2001, 1153, hält den Begriff "Privatisierung der Rechtsbildung" für zutreffend, obwohl zumindest die Unidroit Principles "im Rahmen einer intergouvernementalen Organisation" erarbeitet worden seien; Kronke betont den "im Vergleich zu Regierungskonferenzen sachgerechtere[n] Arbeitsstil" des Instituts. 287 Der englische Text (der im großen und ganzen - von einzelnen Passagen mit französischem Originaltext abgesehen - die Version darstellt, in der Regeln und Kommentar ursprünglich formuliert worden sind) ist vom Unidroit-Institut publiziert worden (Rom 1994). Bei den black letter rules wird grundsätzlich der Text der (nicht immer glücklich übersetzten) offiziellen deutschen Version zitiert, und zwar nach Bonell, International restatement, S. 201-224. Der dort verwendete deutsche Titel, "Grundregeln der internationalen Handelsverträge", wird allerdings zugunsten der mittlerweile eingebürgerten englischen Bezeichnung nicht verwendet. Neben der englischen und deutschen Fassung sind auch noch die französische, italienische und spanische Version verbindlich. Der leichteren Auffindbarkeit wegen wird der Autorenkommentar nicht nach Seitenzahlen, sondern nach Artikeln und Gliederungspunkten zitiert. 288 Publiziert in Lando/Beale (das Erscheinungsjahr wird hier nach dem Impressum mit 2000 angegeben, tatsächlich wurde der Band allerdings bereits 1999 veröffentlicht). Die ursprüngliche Veröffentlichung von Teil I (Dordrecht 1995) wurde dagegen grundsätzlich nicht mehr herangezogen. Der Text der black letter rules ist auf englisch und französisch veröffentlicht, Autorenkommentar und sonstiger Apparat dagegen nur auf englisch. Ähnlich wie bei den Unidroit Principles wird auch der Text der black letter rules zur besseren Lesbarkeit der Darstellung in einer deutschen Übersetzung zitiert; es handelt sich um die inoffizielle Übersetzung von Drobnig/Zimmermann/Wicke, veröffentlicht unter dem Titel "Grundregeln des europäischen Vertragsrechts der Kommission für Europäisches Vertragsrecht" in ZEuP
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Anspruch, "Prinzipien" des Vertragsrechts aufzustellen. Beide gehen auch methodisch und inhaltlich auf ähnliche Weise vor: Ähnlich wie bei den ,,Restatements" des American Law Institute sollen auf breiter rechtsvergleichender Grundlage die Gemeinsamkeiten der untersuchten Rechtsordnungen herausdestilliert werden; wo Divergenzen festzustellen sind, soll entweder eine mehrheitsfähige Synthese gesucht oder eine neue, nach Ansicht der Autoren vorzugswürdige eigene Lösung geschaffen werden. Da die Unterschiede schon zwischen den europäischen Vertragsrechten größer sind als innerhalb der USA (und weltweit in noch höherem Maße), spielt bei den Prinzipien-Texten die Formulierung eigener Regeln gegenüber der bloßen Wiedergabe allerdings eine tendenziell größere Rolle. Ähnlich wie die Restatements beschränken sich die Prinzipien-Texte nicht auf die Bereitstellung der positiven Regelungen (die so genannten "black letter rules"), sondern fügen zugleich einen erläuternden Autorenkommentar sowie Beispiele für die Anwendung der Regeln hinzu. Die beiden Prinzipien-Texte sind keineswegs die einzigen, aber bislang wohl die prominentesten Projekte auf dem Markt für Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung im Rahmen des Zivil- und insbesondere des Vertragsrechts, der zur Zeit eine gewisse Konjunktur erlebt. Auf andere Rechtsvergleichungsprojekte, wie etwa das so genannte Common-Core-Projekt und die von der Europäischen Union initiierten Studien, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. 289 Auch das noch wesentlich ambitioniertere Projekt der so genannten Gandolfi-Kommission in Pavia für ein europäisches Vertragsrechtsgesetzbuch290 konnte nicht einbezogen werden. 1. Unidroit Principles
So befremdlich es vielleicht klingen mag: Die Unidroit Principles sind eine Frucht der Systemspannungen zwischen Ost und West und der Politik der friedlichen Koexistenz der 70er Jahre, die freilich erst mit der Überwindung dieser Systemspannungen ab Ende der 80er Jahre zur Reife gelangen konnte. 291 Das erste Konzept für ein entsprechendes Projekt wurde auf Anregung des Unidroit 292-Sekretariates im Jahre 1970 von Professor Tudor Popescu 2000, 675-701. Auch hier wird der Autorenkommentar nach Artikeln und Gliederungspunkten zitiert. 289 Für Veröffentlichungen zu diesen Projekten vgl. die Nachweise bei Michaels, RabelsZ 62 (1998), 585. 290 Vgl. dazu auch Michaels, RabelsZ 62 (1998), 588, sowie - zum ersten Band des offenbar recht akademisch ausgerichteten Entwurfs - Sturm, JZ 200 1, 1097. 291 Zur Entstehungsgeschichte vgl. auch die Darstellung bei Burkart, S. 49 f.
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von der Universität Bukarest vorgelegt. 293 Allerdings lautete der Titel zu diesem Zeitpunkt noch "Progressive Codification of International Trade Law", wobei unklar ist, ob das Wort "progressive" eher im Sinne von "fortschrittlich" oder von "fortschreitend" zu verstehen war;294 jedenfalls liegt auf der Hand, dass ursprünglich nicht lediglich an die Herausarbeitung von Grundsätzen des Vertragsrechts, sondern an eine vollständige Kodifikation bindender einheitsrechtlicher Regeln gedacht war. 295 Die ambitionierte Projektbezeichnung, die - wie man wohl vermuten darf - geeignet war, Misstrauen gegenüber dem Projekt insbesondere auf Seiten der CommonLaw-Vertreter in der entsprechenden Unidroit-Arbeitsgruppe zu wecken,296 wurde erst 1985 zugunsten des endgültigen Titels aufgegeben, der deutlich machen sollte, dass zumindest auf absehbare Zeit nicht die Entwicklung von Vorschriften mit bindendem Charakter beabsichtigt sei, sondern nur private Regeln, die aufgrund ihrer Überzeugungskraft von Schiedsgerichten bei der Entscheidung internationaler Handelsstreitigkeiten berücksichtigt werden sollen. 297 292 Der vollständige und offizielle Name des Unidroit-Instituts lautet Institut international pour l'unification du droit prive. Wie Bonell, RabelsZ 56 (1992), 275, feststellt, war das Institut 1926 zu dem Zweck gegründet worden ,,[de] preparer graduellement l'adoption par les divers Etats d'une legislation de droit prive uniforme"; erst bei der Neufassung des Statuts 1940 seien auch nicht näher bestimmte "etudes de droit compare dans les matieres de droit prive" in den Aufgabenbereich des Instituts einbezogen worden. Zu den ersten 75 Jahren des Instituts Kronke, JZ 2001, 1149. 293 U.D.P. 1970 - Etudes: L, Doc. 1 (die offizielle, etwas inkonsequente Bezeichnung der Unidroit-Dokumente ist beibehalten worden). Goode zufolge soll die Anregung aber schon 1968 von dem Generalsekretär von Unidroit, Prof. Matteucci, ausgegangen sein; vgl. Goode, International Restatements, S. 54; so auch Burkart, S. 49 (ihm zufolge aus Anlass des 40. Jahrestages der Institutsgründung). Unpräzise Huber, ZIP 2000, 2280 Fn. 52, dem zufolge ,,[b leide Kommissionen, die weltweit zusammengesetzte Unidroit-Kommission [sie] und die europäische Lando-Kommission, [... ] ihre Arbeiten im Jahr 1980 aufgenommen" haben sollen; tatsächlich wurde 1980 die Unidroit-Arbeitsgruppe eingesetzt, die mit der Ausarbeitung von Formulierungsvorschlägen betraut wurde. Zur Tätigkeit des Unidroit-Instituts vor Einsetzung der Arbeitsgruppe vgl. Bonell, (1978) 27 International and Comparative Law Quarterly 413. 294 Als "progressive" im Sinne von "fortschrittlich" verstehen sich auch die Principles of European Contract Law, vgl. LandolBeale (2000), S. xxii. 295 Selbst Bonell, RabelsZ 56 (1992), 282 f., meint noch, dass ein späteres Übereinkommen oder Mustergesetz entsprechend den Unidroit Principles nicht ausgeschlossen, vorerst aber unwahrscheinlich sei. 296 Einen entsprechenden Zusammenhang scheint zumindest Farnsworth, 72 Tulane Law Review 1988 (1998), Fn. 21, anzudeuten. In der Überschrift eines weiteren Berichtes von Popescu zwei Jahre nach Beginn des Projektes ist bereits von einem "attempt at unification of the General Part of the Law of Contract (within the framework of a progressive codification of international trade law)" die Rede, vgl. U.D.P. 1972 - Etudes: L, Law of Contract, Doc. 3.
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Das von Popescu vorgeschlagene Projekt entsprach durchaus dem Zeitgeist dieser Jahre?98 Im Ostblock war die Gesetzgebung darum bemüht, Regeln für den internationalen Handel auszuarbeiten, die zum Teil auch gegenüber den "kapitalistischen" Staaten gelten sollten und daher ein gewisses Maß an ideologischer Neutralität aufweisen mussten. Popescu bezog sich in seinem Projektexpose auf das tschechoslowakische Gesetz über internationale Handelsbeziehungen vom 4. Dezember 1963299 sowie auf die allgemeinen Lieferungsbedingungen des Comecon. Ähnlichen Zwecken sollten auch das Rechtsanwendungsgesetz und das Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge der DDR dienen, die ebenfalls in dieser Zeit entstanden. 3oo Dabei musste die Hoffnung, möglicherweise eine internationale Anerkennung der eigenen Normen über die materielle Wirksamkeit von Verträgen zu erreichen, den Ostblockstaaten als besonders attraktiver Aspekt des Unidroit-Projektes erscheinen; man kann sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass diese Hoffnung sogar als eine Art Köder eingesetzt wurde, um das Interesse der Ostblockstaaten an dem Projekt sicherzustellen. 3D ! Aber auch in den westlichen Staaten wurden Kodifikationen ge297 Vgl. das Protokoll über die Sitzung der Infonnal Working Group in PotsdamBabelsberg, 28. bis 30. November 1985, Unidroit 1986 P.c. - Misc. 8, S. 2 ("what at least for the time being was intended was not the elaboration of provisions of a binding nature, but rules of a purely private character which because of their persuasive value, would be used by arbitrators when ca lied upon to decide disputes concerning international trade relationships"). BoneIl spricht hinsichtlich der ursprünglichen Projektbezeichnung von einem "etwas irreführenden Titel" (RabelsZ 56 (1992), 277); genauso derselbe, Principles: A Comparison, S. 93. 298 Erkennbar wird dieser Zeitgeist etwa, wenn man die von Chia-Jui Cheng gesammelten zeitgenössischen Aufsätze von Schmitthoff zu Rate zieht. 299 Eine auszugsweise französische Übersetzung dieses Gesetzes findet sich als Anhang zu U.D.P. 1973, Etudes: L - Doc. 4. 300 Das Rechtsanwendungsgesetz datiert vom 5. Dezember 1975 (GBL I 748), das Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge vom 5. Februar 1976 (GBL I 61). 301 Mit der Ausarbeitung entsprechender kollisionsrechtlicher Regelungen wurde Dietrich Maskow vom Institut für ausländisches Recht und Rechtsvergleichung, Potsdam-Babelsberg, betraut. Maskow betonte, dass das beabsichtigte Regelwerk "einen großen Teil seines Effekts verlieren [würde], wenn es diese Frage überginge" (Unidroit 1980, Study: L - Doc. 18, S. 2). Der von ihm vorgelegte Entwurf (vgl. die Erstfassung "Proposed Rules on the (Substantive) Validity of International Contracts (Prohibitions and Licences Requirements" von Maskow und M. Andrae in Unidroit 1980, Study: L - Doc. 18) wurde allerdings trotz einer Reihe von Überarbeitungen auf der Sitzung der Infonnal Working Group in Rom am 7. bis 9. November 1983 als sehr umstritten bezeichnet (vgl. Misc. 5, S. 2 f.) und eine Regelung zunächst zurückgestellt. Schließlich wurde beschlossen, kein eigenes Kapitel zu dieser Problematik in die Unidroit Principles aufzunehmen, sondern allenfalls einzelne Bestimmungen, über die Konsens zu erzielen war, vgl. die Notiz des Unidroit-Sekretariats, Unidroit 1985, P.C. - Misc. 7. Dementsprechend wurde einerseits in Art. 3.1(c) festgelegt, dass "eine Ungültigkeit aufgrund Sitten- oder Rechtswidrigkeit" in den Unidroit Principles nicht geregelt werde, andererseits finden sich in den
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plant: Das französisch-italienische Projekt eines gemeinsamen Obligationenrechts aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wirkte immer noch nach, und selbst in England hatte die - durch den Law Commissions Act 1965 gegründete - Law Commis si on als ersten Programmpunkt ihrer Arbeit den Entwurf einer Vertragsrechtskodifikation in Auftrag gegeben, ein Projekt, das allerdings bereits 1972 wieder aufgegeben wurde. 302 Dass die Haager Kaufgesetze von 1964 ebenfalls einen wesentlichen Anstoß für das Unidroit-Projekt bildeten, versteht sich von selbst. Für die Vorbereitung der - in welchem Sinn auch immer - "progressiven" Kodifikation des internationalen Handelsrechts wurde von Unidroit zunächst ein aus drei Mitgliedern bestehendes "steering committee" gebildet, in dem die kontinentalen Rechtsordnungen, das Common Law und die sozialistischen Staaten durch die Professoren Rene David, Clive Schmitthoff und Tudor Popescu repräsentiert waren. 303 Wegen vorrangiger anderer Projekte blieb es allerdings zunächst bei eher allgemeinen Vorarbeiten;304 erst nach einem Jahrzehnt, also 1979, wurde eine Arbeitsgruppe für die ErarbeiArt. 6.1.14 bis 6.1.17 Regelungen für Verträge, die einer staatlichen Genehmigungspflicht unterliegen. Zu dieser Lösung, die manche Rätsel aufgibt, vgl. unten Teil 2 D.I. sowie Teil 3 B.IV.3. 302 Der von Harvey McGregor erarbeitete Entwurf wurde erst zwei Jahrzehnte später, nämlich 1993, veröffentlicht, und dies in Italien. Der Titel der Veröffentlichung (" Contract code drawn up on behalf 0/ the English Law Commission U) ist irreführend, da die Law Commission for England and Wales den Entwurf nicht gebilligt, sondern das Projekt abgebrochen hat (die schottische Law Comrnission war bereits früher ausgestiegen); verständlich daher die nicht ganz zutreffende Qualifikation als "der von der englischen zusammen mit der schottischen Law Comrnission vorgelegte Contract Code" bei Schlechtriem, Abstandnahme vom Vertrag, S. 163 Fn. 18. Zur Geschichte des Projekts vgl. die Einleitung von McGregor, S. XXIII. Merkwürdig und ebenfalls etwas irreführend das überschwängliche Vorwort von Giuseppe GandolJi, der darin die Bedeutung des Projektes mit der Mondlandung von Apollo 11 und dem Fall der Berliner Mauer vergleicht (S. V). McGregor ging es von vornherein nicht um ein lediglich bewahrendes restatement des englischen Vertragsrechts; der Entwurf spiegelt vielmehr seine persönlichen, zum Teil durchaus sehr einschneidenden Reformvorstellungen wider. Es steht zu vermuten, dass dies der Aufnahme des Entwurfs eher abträglich gewesen sein dürfte. In der Folge ist die Law Commission auch davon abgekommen, derart weitreichende Reformvorhaben einzelnen Autoren anzuvertrauen, und bemüht sich statt dessen um möglichst umfassende Konsultation und Diskussion. Mangels Veröffentlichung ist der Entwurf von McGregor ohne erkennbaren Einfluss auf die englische Diskussion geblieben und inzwischen zum Teil auch durch die Entwicklung überholt; aus diesem Grund werden seine Vorschläge im Rahmen der vorliegenden Arbeit auch grundsätzlich nicht näher diskutiert. Vgl. in diesem Zusammenhang noch Arden, [1997] 56 C.LJ. 524-527, sowie aus der zeitgenössischen englischen Diskussion Diamond, (1968) 31 M.L.R. 361. Zu den Kodifikationsbestrebungen im englischen Zivilrecht der 60er Jahre und ihrem späteren Verebben vgl. noch BeatsonlFriedmann, S. 5 f. 303 Vgl. dazu auch Bonell, (1978) 27 International and Comparative Law Quarterly 414.
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1. Teil: Die Rückabwicklung gescheiterter Verträge
tung konkreter Regeln eingesetzt. 305 Ein erster "consolidated text" wurde 1987 zusammengestellt. 306 Es sollte aber noch weitere sieben Jahre dauern, bis die endgültige Version publiziert werden konnte. Mittlerweile wird über eine Überarbeitung und Erweiterung des Textes nachgedacht. Die Unidroit Principles sehen sich ihrer Präambel nach primär als funktionsfähige Rechtsordnung für internationale Handelsverträge, die anzuwenden ist, wenn die Parteien eine solche Anwendung ausdrücklich vereinbart haben, potentiell aber auch dann, wenn sie ihren Vertrag lediglich der lex mercatoria oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen unterstellt haben. Daneben erwähnt die Präambel die Möglichkeit, dass die Unidroit Principles als Auslegungs- und Ergänzungsmaterial sowohl für nationale Rechte als auch für "Regelsätze des internationalen Einheitsrechts" (gedacht dürfte wohl vor allem an das CISG sein) dienen könnten. Schließlich bieten sich die Unidroit Principles ihrem Selbstverständnis nach auch als "Modell für nationale und internationale Gesetzgeber" an. 2. Principles
0/ European Contract Law
Die Principles of European Contract Law sind nicht als Teil des Arbeitsprogramms eines etablierten internationalen Instituts entstanden, sondern von einer Ad-hoc-Gruppe, die sich selbst die Bezeichnung "Kommission für Europäisches Vertragsrecht" (Commission on European Contract Law) beigelegt hat,307 erarbeitet worden. Die Gründung der Gruppe geht letztlich auf die Initiative eines einzigen Wissenschaftlers, des Dänen OIe Lando, zurück. Nach Landos eigener Darstellung will er anlässlich eines Symposiums über das (spätere) römische Schuldvertragsübereinkommen, die im Jahre 1974 stattfand, bei einem Gespräch mit Dr. Hauschild, einem leitenden Beamten bei der EG-Kommission, erkannt haben, dass eine bloße Vereinheitlichung des Kollisionsrechts den Anforderungen des gemeinsamen Marktes nicht genügen könne, sondern dass auch ein einheitliches materielles Schuldrecht, ein ,,European Code 0/ Obligations", geschaffen werden müsse. 308 Die Mitglieder der Kommission für Europäisches Vertragsrecht, 304 Goode, International Restatements, S. 52, meint, das Unidroit-Institut habe dem Projekt zunächst eine sehr geringe Priorität zugewendet und auch mehrfach kurz davor gestanden, es abzubrechen. 305 Die erste Sitzung einer "Study Group" fand vom 10. bis 14. September 1979 in Rom statt, vgl. Unidroit 1980, Study L - Doc. 16; eine ,,lnfornwl Working Group" begann ihre Beratungen im März/April 1980 in Kopenhagen, vgl. Unidroit 1980, Study L - Mise. 2. Vgl. BoneIl, RabelsZ 56 (1992), 278. 306 Unidroit 1987, Study L - Doc. 38. 307 Die Bezeichnung soll, ebenso wie der Titel "Principles of European Contract Law", von Goode stammen, vgl. Lando, Eight Principles, S. 104.
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die sich 1982 konstituierte 309 und wie die Unidroit-Arbeitsgruppe (mit der auch gewisse Überschneidungen bestanden) vorwiegend aus Juristen aus dem akademischen Bereich bestand, wurden von einer Kemgruppe, bestehend aus Lando, Goode, TalIon sowie (später) Beale, ausgesucht und zur Mitwirkung eingeladen?lO Im Jahre 1990 wurden die letzten gemeinsamen Beratungen über den ersten Teil der Principles of European Contract Law abgeschlossen, der - ungefähr gleichzeitig mit den Unidroit Principles 1995 veröffentlicht wurde? 11 Eine zweite Kommission, die sich vor allem mit Fragen des Zustandekommens von Verträgen sowie mit dem Vertretungsrecht befasste, war von 1992 bis 1996 tätig; die beiden Teile wurden 1999 in einer Gesamtfassung veröffentlicht. 312 Allerdings bauen die beiden Teile nicht, wie es den Anschein haben könnte, nahtlos aufeinander auf; die Erweiterung scheint in manchen Punkten zu Änderungen auch an den bereits veröffentlichten Teilen der Autorenkommentierung geführt zu haben, ohne dass auf diese Änderungen näher hingewiesen würde?13 Weitere Teile sind in Vorbereitung. 314 308 Vgl. LandolBeale (2000), S. xi; ähnlich auch Lando, Eight Principles, S. 103 f. 309 Unzutreffend Herold, S. 221, der zufolge sich die Kommission "im Anschluß an die [... ] Resolution des Europäischen Parlaments vom 26. Mai 1989 gegründet" habe. 310 Drobnig, S. 1149. 311 Vgl. Lando, Eight Principles, S. 104 f. 312 Leider wurde dabei auch zum Teil die Artikelzählung der Principles of European Contract Law verändert, was den Umgang mit dem Text nicht leichter macht. Die beiden Fassungen lassen sich dadurch unterscheiden, dass in der ersten Version Kapitel- und Artikelnummer durch einen Punkt getrennt sind (z.B. Art. 1.101), in der zweiten Version dagegen durch einen Doppelpunkt (z. B. Art. 1: 101). Zitiert wird lediglich die neue Fassung, außer wo in Einzelfällen inhaltliche Abweichungen (vgl. nachfolgende Fn.) etwas anderes erforderlich machen. Eine Konkordanz der alten und neuen Artikelzählungen findet sich u. a. in LandolBeale (2000), S. 94. 313 Für das hier interessierende Themengebiet betrifft das vor allem die Frage, ob auch anfängliche Leistungsstörungen nach den allgemeinen Regeln entschuldigt werden können; der Autorenkommentar zu Art. 8: 108 der neuen Version vertritt hier die genau entgegengesetzte Auffassung zu seinem Gegenstück bei Art. 3.108 der alten Version, vgl. unten Teil 3 D.V.5. Fn. 370. 314 Im Gegensatz zum Unidroit-Institut, das in seinen Jahresberichten umfangreiche Materialien zu seinen Projekten veröffentlicht, sind Entwürfe, Protokolle und Vorarbeiten der Kommission für Europäisches Vertragsrecht nicht zugänglich gewesen. Zum Teil wird aber in den Unidroit-Materialien explizit auf Entwürfe zu den Principles of European Contract Law hingewiesen, zum Teil lassen sich auch Zusammenhänge erschließen: So scheinen (wie noch näher zu diskutieren sein wird) die Bestimmungen beider Prinzipien-Texte über die Rückabwicklung nach Vertragsbruch auf einen Entwurf von Lando zurückzugehen, der aber jeweils stark (wenn auch zum Teil in unterschiedliche Richtungen) abgeändert wurde. Im Gegensatz zu den Unidroit Principles, die absichtlich auf rechtsvergleichende Anmerkungen verzichten, um den Anschein einer Parteinahme für die Lösungen einzelner Rechtsord7 Coen
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Die Principles of European Contract Law sind zugleich ambitionierter und bescheidener als die Unidroit Principles. Einerseits wollen sie auf alle Arten von Verträgen anwendbar sein; die bei den Unidroit Principles schon im Titel ("Principles 0/ International Commercial Contracts") erkennbare Beschränkung auf Handelsverträge, die zudem internationaler Natur sein müssen (beide Begriffe werden aber in den Unidroit Principles absichtsvoll nicht definiert),315 kennen sie nicht. 316 Andererseits soll sich ihr räumlicher Anwendungsbereich auf Europa beschränken, genauer gesagt: auf die Europäische Union, Art. 1:101(1). Die Principles of European Contract Law sollen demzufolge auch - namentlich im Vergleich mit dem CISG - europäische Wertvorstellungen besonders betonen?17 Worin sich diese Werte allerdings konkret manifestieren sollen, ist unklar. nungen zu vermeiden und sich in ihrer Auslegung vom nationalen Recht abzulösen, sind den einzelnen Artikeln der Principles of European Contract Law allerdings im Rahmen des Autorenkommentars ,,Notes" beigegeben, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Regelungen zu den entsprechenden Bestimmungen europäischer Rechtsordnungen behandeln. Auch aus diesen ,,Notes" lassen sich Rückschlüsse auf die Erwägungen ziehen, die die Autoren beeinflusst haben. Ein kritischer Unterton findet sich allerdings bei Bone/l, Principles: A Comparison, S. 94 Fn. 10, der anmerkt, dass "notwithstanding the much more restricted and homogenous legal background of the European Principles, even their comparative notes do not always provide adequate support for the solutions adopted". Anders freilich Canaris, S. 16, der den Verzicht auf rechtsvergleichende ,,Notes" bei den Unidroit Principles bedauert. 315 Vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Präambel 1 und 2. 316 Ob eine Rechtsvereinheitlichung mit beschränkten Ambitionen überhaupt sinnvoll ist, hat bereits Rabel bezweifelt, der den "Dualismus zweier Kaufrechte" eines nationalen Rechtes für rein innerstaatliche Kaufverträge, eines vereinheitlichten internationalen Rechtes für grenzüberschreitende Kaufverträge - als einen durchaus misslichen Zustand sah, den man allenfalls deshalb hinnehmen könne, weil die "Aussicht auf Annahme des bescheideneren Vorhabens doch größer" erscheine, der aber auf Dauer zu überwinden sei. "Wenn es gelingt", fragte Rabel dabei zu Recht, "Juristen und Kaufleute eines Landes davon zu überzeugen, daß das vorgeschlagene Gesetz willkommenen Fortschritt bringt, sollte es ihnen dann nicht besser einleuchten, daß der alte Rechtszustand ganz zu verlassen sei, als daß er neben dem neuen weiter zu gelten habe?" Diese Überle€;ung sei von besonderem Gewicht "in den Ländern, die sich am schwersten vom Uberkommenen trennen", wobei er sich ausdrücklich auf England bezog, vgl. Rabel, Entwurf, S. 49. Ähnlich für die Principles of European Contract Law Lando, 31 American Journal of Comparative Law 656 (1983): "On a long view it seems inadvisable to operate two systems of contract law [... ]". 317 Laut Lando, 31 American Journal of Comparative Law 655 f., war seine Arbeitsgruppe der Ansicht, dass "the European countries should be offered principles of contract law which meet their requirements and those of the Communities, and which do not have to pay heed to the traditions and views of nations with a political, social and economic background widely different from that of the EEC countries"; speziell wird auf die "roots in Roman Law and Christianity", durch die sich die europäischen Rechtsordnungen von anderen Rechten unterschieden, verwiesen
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Über die Ziele der Principles of European Contract Law scheint innerhalb der Lando-Kommission keine vollständige Einigkeit zu bestehen: Nach Ansicht von Lando selbst ist es primäres Ziel der Principles of European Contract Law, als Grundlage und erster Schritt für eine zukünftige europäische Vertragsrechtskodifikation zu dienen. 318 Demgegenüber betont Drobnig, der den beiden Kommission ebenfalls angehörte, dass nicht auf ein verbindliches Regelwerk abgezielt werde, weil dafür auf absehbare Zeit keine realistische Aussicht bestehe?19 Das Europäische Parlament hat in Resolutionen aus den Jahren 1989 und 1994 zwar zur Vereinheitlichung des Vertragsrechts aufgerufen, in der letztgenannten Resolution sogar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Arbeit der Lando-Kommission;32o allzu großes politisches Gewicht kommt derartigen Absichtserklärungen aber natürlich nicht zu, zumal die Reichweite der Kompetenzen, die die Europäische Union auf diesem Gebiet besitzt, nicht ganz zweifelsfrei iSt. 321 Ähnlich wie die Unidroit Principles äußern sich auch die Principles of European Contract Law zu dem praktischen Anwendungsbereich, der von ihnen anvisiert wird; anders als bei den Unidroit Principles findet sich diese Stellungnahme allerdings nicht lediglich in einer Präambel, sondern in einer substantiven Bestimmung, Art. 1:101. Diese Bestimmung gibt freilich erhebliche Rätsel auf. Einen eigentlichen normativen Anwendungsbereich hat sie, wie sich leicht erkennen lässt, nicht: 322 Zum Teil handelt es sich lediglich um unverbindliche Appelle an Richter oder Schiedsrichter - z.B. (S. 656). Mit dieser Tradition vereinbar zu sein scheint allerdings das amerikanische Recht; Lando nennt ausdrücklich den Uniform Commercial Code und die Restatements als Quelle von "guidance" (S. 657). Eine nicht minder kulturell aufgeladene Sicht des europäischen Rechts, die jedoch stärker auf transatlantische Abgrenzung bedacht (aber schließlich auch für ein britisches Publikum bestimmt) ist, manifestiert Zimmermann, (1996) 112 L.Q.R. 583 f. Schurig, S. 1109 f., bezweifelt hingegen den Sinn solcher Beschränkungen, zumal manches dafür spreche, den Austausch etwa auch mit dem muslimischen Recht zu suchen. 318 So Lando, RabelsZ 56 (1992), 265. 319 Drobnig, S. 1150 f. 320 Vgl. LandolBeale (2000), S. xxiii. 321 Zweifelnd bereits im Hinblick auf die Kompetenzgrundlage der bestehenden Richtlinien Honsell, JZ 2001, 278; ohne jede Bedenken insoweit dagegen Sturm, JZ 2001, 1102, mit der lapidaren Begründung, Vertragsrecht stelle "ein wichtiges, wenn nicht sogar unabdingbares Infrastrukturelement für freien Warenverkehr dar". Vgl. ferner Schmid, JZ 2001, 674, insb. S. 676 f., 679 f. Allerdings hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 11. Juli 2001 eine "Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum europäischen Vertragsrecht" veröffentlicht (KOM(2001) 398 endgültig, in deutscher Sprache im Internet zugänglich unter europa.eu.int/comm/consumers/policy / developments/ contracUaw / conUaw_02_de.pdf), in der verschiedene Optionen, darunter auch der "Erlaß neuer umfassender Rechtsvorschriften auf EG-Ebene", erwogen werden. 322 So zutreffend Michaels, RabelsZ 62 (1998), 593, 610. 7*
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Art. 1:101(3), (4) -, und die Gültigkeit der Principles of European Contract Law bei entsprechender Partei vereinbarung - Art. 1:101(2) - folgt nicht aus den Principles of European Contract Law, sondern aus der - von den nationalen Rechtsordnungen gewährten - Vertragsfreiheit. 323 Die Bestimmungen in Art. 1: 101 sind allerdings auch inhaltlich nicht unproblematisch. Durch die Aussage, dass die Principles of European Contract Law nicht nur anzuwenden sind, wenn sich die Parteien darauf geeinigt haben, "sie in ihren Vertrag aufzunehmen", sondern dass auch die Möglichkeit einer Vereinbarung besteht, "dass ihr Vertrag diesen Grundregeln unterliegen soll", scheinen sich die Principles of European Contract Law der These anzuschließen, dass auch nichtstaatliche Regelungen als kollisionsrechtlich anwendbare Rechtsordnung gewählt werden können?24 Das wird bestätigt durch Art. 1:103(1), der eine solche Abwahl aller staatlichen Rechtsordnungen ausdrücklich zulässt, freilich unter der Voraussetzung ,,[s]oweit das anderweitig anwendbare Recht dies zulässt" und mit der zusätzlichen, eher vagen Maßgabe, dass "zwingenden Vorschriften des nationalen, supranationalen und internationalen Rechts" Wirkung beigelegt werden "sollte", Art. 1: 103(2). Jedenfalls innerhalb des Anwendungsbereichs des Römischen Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980325 - der sich ja geographisch mit dem Gebiet, in dem die Principles of European Contract Law wirksam werden wollen, deckt - dürfte eine kollisionsrechtliche Wahl privaten "Rechts" aber wohl nicht zulässig sein. 326 Dass diese Beschränkung der kollisionsrechtlichen Wahl übrigens nicht unvernünftig ist, zeigt das Beispiel der Principles of European Contract Law selbst, nach deren Art. 2:101 323 Noch merkwürdiger ist allerdings die Regelung in Art. 1: 102(2), die bestimmt, von welchen Bestimmungen der Princip1es of European Contract Law die Parteien abweichen können; zur paradoxen Natur dieser Regelungen Michaels, Rabe1sZ 62 (1998), 598 f. Die Unidroit Princip1es enthalten eine inhaltlich identische Bestimmung (Art. 1.5). 324 Vgl. zu dieser Problematik Michaels, RabelsZ 62 (1998), 595 f.; Canaris, S. 18 f. 325 BGBl. 1986 II S. 809 mit Beitrittsabkommen für Spanien und Portugal vom 18. Mai 1992 (BGBl. 1995 11 S. 306, 908) sowie für Finnland, Österreich und Schweden vom 29. November 1996 (BGBl. 199811 S. 1421, 199911 S. 7). 326 Vgl. aus der englischen Literatur Goode, International Restatements, S. 49-51 (anders noch derselbe, RDU 1997, 245) und Bridge, International sale of goods, Rn. 2.29 (allerdings im Hinblick auf die Unidroit Principles). Auch der Autorenkommentar stellt fest, dass nach dem Römischen Übereinkommen ,,[t]he prevailing view seems to have been [I] that [... ] a contract will always be govemed by a national legal system", betont aber, dass diverse Autoren (darunter Hartkamp und Lando) die Gegenauffassung verträten, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 1: 10 1 Notes 3 (b). Für eine Änderung des Römischen Übereinkommens, um die kollisionsrechtliche Wahl zuzulassen und so Projekten wie den Prinzipien-Texten entgegenzukommen, spricht sich Boele-Woelki, IPRax 1997, 171, aus.
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der Abschluss von Verträgen keinerlei Fonnvorschriften unterliegt. Würde das deutsche internationale Privatrecht eine kollisionsrechtliche Wählbarkeit der Principles of European Contract Law anerkennen, könnten demnach sämtliche Verträge bei Wahl der Principles als Vertragsstatut auch in Deutschland fonnfrei geschlossen werden (Art. 11 I EGBGB). Schon ob das wünschenswert ist, kann man bezweifeln. Ein Autor vennutet vor diesem Hintergrund sogar, dass die Principles of European Contract Law bewusst liberaler fonnuliert worden seien, um "den Parteien die Möglichkeit zu geben, [... ] Zwängen nationaler Rechtsordnungen zu entkommen,,?27 Im übrigen könnte das Privileg der kollisionsrechtlichen Wählbarkeit wohl nicht allein den Principles of European Contract Law vorbehalten bleiben, sondern müsste auf andere, möglicherweise problematischere, Privatkodifikationen ausgedehnt werden. Dass auch fremdes staatliches Recht, das nach Art. 27 I 1 EGBGB innerhalb der Grenzen von Art. 6, 27 III, 29-30, 34 EGBGB frei wählbar ist, unerwünschte Regelungen enthalten kann, mag zutreffen; insofern verlangt aber der Grundsatz der comitas, von grundsätzlicher Gleichwertigkeit auszugehen. Gegenüber privaten Gesetzgebungsbemühungen scheint eine solche Rücksichtnahme dagegen keinesfalls angezeigt. 328 Die Principles of European Contract Law unterstellen aber nicht nur die Möglichkeit einer kollisionsrechtlichen Wählbarkeit, sondern empfehlen sich auch zur Anwendung, "wenn die Parteien keine Rechtsordnung oder keine Rechtsregeln für ihren Vertrag gewählt haben", Art. 1: 101(3)(b). Der Autorenkommentar ist sich zwar bewusst, dass sich in diesem Fall das anwendbare Recht nonnalerweise nach den Regeln des internationalen Privatrechts bestimmt. 329 Er meint aber, dass es für manche Gerichte, insbesondere den EuGH, gar kein internationales Privatrecht gebe?30 Dieser Gedanke überrascht: Bekanntlich haben sich alle Mitgliedsstaaten der 327 So Michaels, RabelsZ 62 (1998), 596. Dagegen meint Drobnig, S. 1152, gerade die unverbindliche Natur der Principles of European Contract Law garantiere, dass nationale zwingende Regeln und sozialpolitische Schutzklausein unangetastet blieben, was auch die Absicht der Autoren sei. 328 Vgl. dazu auch Canaris, S. 19. Für eine kollisionsrechtliche Wählbarkeit zumindest der Unidroit Principles dagegen Burkart, S. 79-82. 329 PECL Autorenkommentar Art. 1:101 D. 330 PECL Autorenkommentar Art. 1: 101 D: "[00'] some international courts (including the European Court of Justice) [... ] do not have any specijic rules on the conjlict of laws (even though according to EEC Treaty Article 215(1) the contractualliability of the Community is governed by the ,law applicable to the contract'). [... ] The justijication for such application [sc. der Principles of European Contract Law] is the comparative preparation and international discussion which is reflected by the Principles. For the adjudication of an international contract the Principles may jurnish a more appropriate basis than any specijic system of national contract law."
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Europäischen Union dem bereits erwähnten römischen Schuldrechtsübereinkommen angeschlossen, um das internationale Schuldvertragsrecht innerhalb der Europäischen Union zu vereinheitlichen; Zusatzprotokolle zu diesem Übereinkommen,331 die allerdings nicht in Kraft getreten sind, sehen sogar vor, dem EuGH die Zuständigkeit zur Auslegung des Übereinkommens zu übertragen. Zwar sind völkerrechtliche Verträge der Mitgliedsstaaten für die Europäische Union und ihre Organe bekanntlich nicht ohne weiteres verbindlich, dennoch wäre es unter diesen Umständen höchst merkwürdig, wenn der EuGH wegen angeblichen Fehlens einschlägiger IPRRegeln zur Anwendung der auf private Initiative verfassten Principles of European Contract Law gelangen sollte, zumal damit der Grundsatz des internationalen Entscheidungseinklangs aufgegeben würde, der durch den Abschluss des Römischen Übereinkommens für das Gebiet der Europäischen Union gerade gestärkt werden sollte: Während alle Gerichte der Mitgliedsstaaten nach dem Recht zu urteilen haben, das gemäß den Regeln des Römischen Übereinkommens berufen ist, soll der EuGH den Vorstellungen der Autoren zufolge nach den Principles of European Contract Law urteilen. Das kann schwerlich einleuchten und wird hoffentlich vom EuGH auch nicht praktiziert werden. Selbst wenn man den intrinsischen Wert der Principles of European Contract Law weitaus höher einschätzen wollte als den jedes nationalen Rechts, würde das es noch lange nicht rechtfertigen, den internationalen Entscheidungseinklang ohne Not aufzugeben. Ein gewisses Maß an Ignoranz gegenüber der bereits bestehenden europäischen Rechtsvereinheitlichung ist allerdings - worauf noch einmal zurückzukommen sein wird - kennzeichnend für die Principles of European Contract Law, obwohl sie diese Rechtsvereinheitlichung gerade vorantreiben wollen. 3. Die Besonderheit der Prinzipien-Texte An der Darstellung von Vorgeschichte und Zielen der Prinzipien-Texte wird bereits deutlich, dass diese sich einerseits als funktionsfähige (wenn auch nicht alle relevanten Bereiche umfassende) Regelung des Vertragsrechts begreifen, dass andererseits aber an sie nicht unbedingt dieselben Maßstäbe angelegt werden können wie an nationale Rechtsordnungen. Diese Überlegungen sollen im Folgenden vertieft werden.
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Vom 19. Dezember 1988 (BGBL 199511 S. 914).
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a) Zur Wünschbarkeit internationaler Vertragsrechts vereinheitlichung Die Frage, ob die Entwicklung gewissermaßen "künstlicher", von den bestehenden nationalen Rechten losgelöster Regelungen, wie sie die Prinzipien-Texte verkörpern, überhaupt sinnvoll ist, würde zu ihrer Diskussion eine eigene Untersuchung erfordern. Erwähnt sei nur, dass über die Wünschbarkeit einer internationalen Vertragsrechtsvereinheitlichung ganz unterschiedliche Ansichten existieren. Am entschiedensten in dieser Hinsicht argumentieren sicherlich die Autoren der Principles of European Contract Law, die es als unzweifelhaft apostrophieren, dass Europa eine solche Vereinheitlichung brauche. 332 Die Unterschiedlichkeit der nationalen Rechtsordnungen wird dabei als eine Barriere gesehen, die die Entwicklung eines wirklichen gemeinsamen Marktes verhindere. 333 Zwar gibt es eine Reihe von Staaten, deren ökonomischer Kohäsion die Tatsache, dass ihr Vertragsrecht nicht vereinheitlicht ist, keinen Abbruch zu tun scheint; zu nennen sind hier natürlich insbesondere Großbritannien und die USA. Demgegenüber wird allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass in diesen Staaten die gemeinsame intellektuelle Tradition, die institutionell etwa in einheitlichen Ausbildungssystemen und gemeinsamen Gerichten verfestigt ist, und die hohe interne Mobilität die Unterschiede im positiven Recht mehr als wettmachen?34 Empirische Erkenntnisse darüber, inwieweit die Unterschiede der Rechtsordnungen zu Handelsbarrieren führen, gibt es nicht, und so lässt sich über diese Fragen nur spekulieren: Dass die Existenz unterschiedlicher Rechtssysteme den internationalen Handel schwieriger und teurer macht, erscheint prima facie plausibel; andererseits erscheint es genauso gut denkbar, dass für Kaufleute schon das heimische Recht oft ein Buch mit sieben Siegeln darstellt, so dass es letztlich keine große Rolle spielt, welcher Rechtsordnung sie sich unterworfen finden. 335 Auch wer die Nutznießer und wer die Leidtragenden einer Vereinheitlichung wären, ist schwer vorherzusagen: Würde sie bodenständige Rechtsanwälte vom Markt verdrängen, weil deren mühsam erworbene Rechtskenntnisse entwertet wür332 Lando, RabelsZ 56 (1992), 264: "There is no doubt that Europe needs a unification of the general principles of contract law and that a Uniform European Code of Obligations will enhance trade and other relationships in the Community." 333 Vgl. etwa Lando, RabelsZ 56 (1992), 262: "Fear of the unknown and incomprehension keep many potential exporters and importers away from the international market." 334 Vgl. etwa Drobnig, S. 1145 f. Stärker betont werden die Unterschiede dagegen von Schurig, S. 1097 f. 335 Bridge, Bifocal World, S. 287, nennt es "perhaps more an act of faith than of dispassionate judgement", dass Harrnonisierung wirklich den internationalen Handel
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den und das neue Recht für sie schwerer zugänglich wäre (noch dazu, wenn sich das Englische zu seiner Arbeitssprache entwickelte), oder profitieren nicht umgekehrt von der derzeitigen Zersplitterung die großen Anwaltskanzleien, die sich Büros in zahlreichen Ländern leisten und ihren international tätigen Mandanten demzufolge eine nahtlose und umfassende Beratung in den verschiedenen Rechten anbieten können? Auffällig ist auch, wie unterschiedlich - je nach nationaler Herkunft und beruflicher Spezialisierung - die Risiken der Internationalisierung eingeschätzt werden. So warnt etwa Stürner davor, dass ,,[d]er Trend zur Vereinheitlichung [... ] den Stellenwert nationaler Wissenschaft generell zurückdrängen" werde und dass deshalb "eine neue Tendenz zum Handwerk sichtbar" werden müsse. Der "Rang der Rechtswissenschaft" werde "zunächst einmal sinken und sich dem Standard anderer Länder nähern, die den Dialog zwischen Praxis und Wissenschaft weniger pflegen und der Wissenschaft - überspitzt formuliert - manchmal mehr eine Art Hofnarrenfunktion zuweisen". Die Folge: "Die in englischer Sprache auf Band diktierte Handreichung des ,Praktikers', der die richtigen Griffe präsentiert, könnte mehr Gehör finden als der systematisierende Beitrag eines scharfen Denkers deutscher Sprache.,,336 Umgekehrt fürchtet der englische Richter Hobhouse "multi-cultural compromises between different schemes of law", die an die Stelle praktisch erprobter Rechtsprechung gesetzt werden sollen und den Erfordernissen der Praxis - unter denen er vor allem das Bedürfnis nach Klarheit und Sicherheit, nach "certainty", hervorhebt - nicht gerecht werden; er sieht darin "utopian ideals", die denen entsprächen, die zum "movement for the adoption of Esperanto as a universal language" geführt hätten?37 Die Befürchtungen, die von beiden Autoren aufgezeigt werden, sollten natürlich ernst genommen werden. Und doch lässt gerade die Gegenläufigkeit der Perspektiven aufmerken: Der deutsche Gelehrte befürchtet anscheinend vor allem das Eindringen der englischsprachigen Praxis, der englische Richter dagegen den Import praxisferner ausländischer Theorie. Wer einen vermittelnderen Standpunkt einnimmt, mag dagegen einen solchen gegenseitigen Austausch vielleicht eher erfreulich und befruchtend finden. 336 Europäischer Zivilprozeß, S. 23. Stümers Aussagen beziehen sich vordringlich auf das Zivilprozessrecht, wollen aber ausdrücklich nicht darauf beschränkt sein. 337 (1990) 106 L.Q.R. 530 (insb. S. 533-535). Angemerkt sei, dass sich die Kritik von Hobhouse augenscheinlich nur gegen internationale Vereinheitlichung richtet, die - wie etwa das CISG - den Anspruch auf verbindliche Geltung erhebt. Dagegen spricht er sich für ein "climate of free competition and choice" aus (S. 535). Projekte wie die Prinzipien-Texte müssten also eigentlich seine Zustimmung finden, solange sie nicht in bindende Kodifikationen übergeführt werden.
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Zum Teil sind die Argumente, die gegen eine internationale Zivilrechtsvereinheitlichung vorgebracht werden, auch außerjuristischer Natur: So heißt es, dass durch die Einführung eines künstlichen Einheitsrechts ein Stück gewachsener nationaler Identität zerstört würde. 338 In mancher Hinsicht ist das unbestreitbar; andererseits kann man aber auch bezweifeln, wie viel das Vertragsrecht tatsächlich mit nationaler Identität zu tun hat. 339 Im übrigen versteht sich nicht von selbst, warum eine nationale Identität unbedingt vorzugswürdig gegenüber anderen Identitäten (etwa einer europäischen oder sonst transnationalen oder umgekehrt einer regionalen Identität) sein soll:340 Eine solche Bevorzugung setzt bereits eine nationalistisch geprägte Perspektive voraus. Auch die nationalen Identitäten innerhalb Europas sind schließlich das Produkt "künstlicher", da in erheblichem Maß bewusst zu politischen Zwecken gesteuerter Prozesse gewesen. Angesichts dieser Überlegungen erscheint Gelassenheit gegenüber den Prinzipien-Texten ratsam: Sicherlich kann man sie nicht von vornherein als ein "Allheilmittel gegen sämtliche Nachteile nationaler Vertragsrechtsordnungen" ansehen und sollte auch nicht unbedacht in ein Lob, das "teilweise fast missionarische Züge" annimmt, einstimmen;341 für pauschale Vorbehalte besteht freilich ebenso wenig Anlass. Zumindest sollte die Stellungnahme für oder gegen internationale Rechtsvereinheitlichung nicht den Blick auf den wohl eigentlich entscheidenden Punkt, nämlich die Frage nach der inhaltlichen Qualität der Einheitsregelungen, versperren. 342 b) Die disparate Realität der internationalen Vereinheitlichungsprojekte Ein sachliches Problem ergibt sich insoweit allerdings bereits aus der bloßen Existenz von Unidroit Principles und Principles of European Contract Law: Während eine Vielfalt an Lösungsmodellen ansonsten eher positiv zu beurteilen sein mag, stellt sie bei Projekten, die es auf RechtsvereinheitZiehung angelegt haben, wohl doch eine Belastung dar. Unidroit Principles und Principles of European Contract Law bescheinigen sich sozusagen gegenseitig, dass die lex me reatoria, "wenn es sie denn wirklich geben sollte, jedenfalls nicht zur Gänze in den Principles formuliert sein kann",343 und Vgl. etwa Sehurig, S. 1096 f., und Legrand, (1997) 60 M.L.R. 44. So Drobnig, S. 1147 f. 340 So auch Drobnig, S. 1148 f. 341 So zu Recht Michaels, RabelsZ 62 (1998), 583. 342 Wohl ähnlich Medieus, Voraussetzungen einer Haftung, S. 192 f., dem zufolge Einheitlichkeit keinen absoluten Wert darstellt, sondern jeweils die Qualität und die handelserleichternde Wirkung der Regelungen zu prüfen ist. 343 Michaels, RabelsZ 62 (1998), 603. 338
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entwerten einander damit bis zu einem gewissen Grad selbst. 344 Umgekehrt lassen sich die erheblichen inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen den Prinzipien-Texten nicht unbedingt als Argument für die Überzeugungskraft ihrer Lösungen anführen, weil sie auch auf der personellen Übereinstimmung zwischen den beiden Redaktionsgruppen beruhen mögen. 345 Die Autoren sind sich des Problems natürlich bereits in der Phase der Erarbeitung der Prinzipien-Texte bewusst gewesen, haben aber bei der Antwort auf die Frage, ob und um welchen Preis inhaltliche Übereinstimmung angestrebt werden soll, zum Teil etwas unterschiedliche Akzente gesetzt. 346 Nachdem beide Texte nun erschienen sind, wird argumentiert, dass diese sich gegenseitig gar nicht ins Gehege kommen könnten, weil sie auf unterschiedliche Anwendungsbereiche zugeschnitten seien: die Unidroit Principles auf internationale Handelsverträge, die Principles of European Contract Law auf Verträge innerhalb Europas. 347 Das lässt aber natürlich zumindest die Frage ungeklärt, welcher Prinzipien-Text auf internationale Handelsverträge innerhalb Europas anzuwenden sein 8011. 348 344 Vgl. auch Bonell, Principles: A Comparison, S. 101, der ausdrücklich erklärt, dass ,,[flor the purpose of unification or harmonization of law there is nothing worse than duplication of work leading to the adoption of different instruments competing with one another in the same area", aber bestreitet, dass eine solche Konkurrenz zwischen beiden Texten bestehe, und außerdem meint, dass ,,[a]s to the differences of a purely technical nature, the competition between different solutions may even be beneficial: time and actual practice will determine which rules should ultimately be preferred". 345 Vgl. Michaels, Rabe1sZ 62 (1998), 582 f. 346 Beim Treffen der Arbeitsgruppe für die Unidroit Principles in Rom vom 14. bis 17. April 1986 begrüßte Bonell ausdrücklich die "informal cooperation" mit der entsprechenden Gruppe für die Principles of European Contract Law. Er erklärte, dass der unterschiedliche Anwendungsbereich der beiden Prinzipientexte unter Umständen zu verschiedenen Lösungen zwingen könne, betonte dabei jedoch: ,,As a rule, however, everyone should be aware of the parallel existing between the different projects and should avoid different solutions unless there are stringent reasons therefor." (Unidroit 1986, P.c. - Misc. 9, S. 3.) Eine etwas andere Perspektive gegenüber der Einheitlichkeit des internationalen Einheitsrechts verrät allerdings Lando, RabelsZ 56 (1992) 268 f., nach dessen Ansicht bestehenden Regeln wie dem CISG nur gefolgt werden soll "when the Commission [sc. on European Contract Law] is convinced that they are well suited as general principles of law governing all or a number of specijic contracts", primär also nach eigenständigen Regelungen gesucht werden soll. 347 So die Argumentation von Bonell. Principles: A Comparison, S. 99-101. 348 Für Vorrang der Principles of European Contract Law innerhalb Europas, auch bei Handelsverträgen, Boele-Woelki, IPRax 1997, 165; überzeugende Gründe für eine solche Bevorzugung lassen sich indes nicht erkennen. Vgl. jedoch auch hinaus Goode, RDU 1997, 235 f., der darauf verweist, dass "it is a feature of international instruments [... ] that they can never exhaustively define the scope of their own application", weil Parteien und (Schieds-)Gerichte sie auch außerhalb ihres
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Im Übrigen sind zumal bei den Principles of European Contract Law kaum Regeln zu identifizieren, die auf ihren speziellen Anwendungsbereich besonders zugeschnitten wären?49 Dass - worauf bereits hingewiesen wurde - die bestehende Rechtsvergleichung innerhalb Europas von den Autoren der Principles of European Contract Law weitgehend ignoriert wurde, kann nur bedauert werden?50 Vor allem stellt sich die Frage, ob es die beste Methode ist, die von den Autoren der Principles of European Contract Law verfolgte Absicht zu verwirklichen "to provide a foundation of contract law within the Community upon which more specific hannonisation measures can be constructed",351 wenn man die existierenden Harmonisierungsmaßnahmen schlechterdings nicht zur Kenntnis nimmt. An manchen Stellen hat man offenbar auch recht gedankenlos Regelungen aus anderen Einheitstexten übernommen, die auf europäische Verhältnisse beziehungsweise auf Verbraucherverträge nicht recht passen: So ist die absolute Formfreiheit für den Abschluss von Verträgen, die im Regelungsbereich des CISG (vgl. Art. 11 CISG)352 und auch noch der Unidroit Principles (vgl. dort Art. 1.2) angemessen erscheint, in die Principles of European Contract Law (Art. 2: 101) aufgenommen worden, wo sie nicht hingehört?53 Den Erfüllungsort für Geldschulden hat man, wiederum in ofeigentlichen Anwendungsbereiches vereinbaren bzw. heranziehen können, so dass "a rule in the UNIDROIT Principles could be invoked in relation to a purely domestic transaction" und umgekehrt "the parties or a court or arbitrator could resort to the PECL", wo Parteien außerhalb der Europäischen Union beteiligt sind. 349 Bonell, Principles: A Comparison, S. 96-98, hebt allerdings eine Reihe von ,,[d]ivergencies 01 policy" zwischen beiden Texten hervor. Ernst, Verpflichtung zur Leistung, S. 156, zufolge stimmt der Befund, dass die beiden Prinzipien-Texte auf weiten Strecken übereinstimmende Regelungen enthalten, "nachdenklich". 350 Dies wird von zahlreichen Autoren kritisiert, vgl. etwa Michaels, RabelsZ 62 (1998), 589, der die Principles of European Contract Law andererseits als "großangelegten Gegenentwurf gegen ein rein marktorientiertes Vertragsrecht" bezeichnet. Nach Ansicht von Ernst, Verpflichtung zur Leistung, S. 156 f., dagegen ist die Problematik des Verbraucherschutzes innerhalb der Principles of European Contract Law nahezu vollständig unberücksichtigt geblieben. Soweit erkennbar, ist die einzige Vorschrift, bei der sich die Autoren tatsächlich an bestehender europäischer Gesetzgebung ausgerichtet haben, die Generalklausei zur Überprüfung allgemeiner Geschäftsbedingungen (Art. 4: 110). Allerdings ist auch hier ,,[i]n derogation 01 the EC Directive" vorgesehen, dass eine unangemessen benachteiligende Klausel nicht etwa nichtig, sondern nur anfechtbar sein soll, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4: 110 C. Welchen Sinn diese "derogation" haben soll (außer dass die entsprechende Regelung "is more in Une with the other provisions" der Principles of European Contract Law), ist nicht ganz klar: Zum einen macht sie, wie der Autorenkommentar selbst (Art. 4:110 C a.E.) feststellt, keinen praktischen Unterschied, zum anderen ist innerhalb der EU die Folge der automatischen Nichtigkeit ohnehin nicht zu umgehen, vgl. etwa Art. 29a EGBGB. 351 LandolBeale (2000), S. xxii. 352 V gl. allerdings dort den nach Art. 96 CISG möglichen Vorbehalt.
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fensichtlicher Anlehnung an Art. 57 eISG und Art. 6.1.6 Unidroit Principles, am Ort der Niederlassung (bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts) des Gläubigers angesiedelt - Art. 7:101(1)(a), (3) -, obwohl gerade auf europäischer Ebene die daraus folgenden Gerichtsstandsprobleme (vgl. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ) seit längerem bekannt sind und diskutiert werden. 354 Wo sich dagegen erhebliche Differenzen zwischen den bei den Prinzipien-Texten finden, scheint das zum Teil eher auf persönlichen Vorlieben der Verfasser als auf irgendwelchen sachlichen Gründen zu beruhen; für die Bestimmungen über die Rückabwicklung gescheiterter Verträge, das eigentliche Thema der vorliegenden Arbeit, wird dies im Folgenden aufzuzeigen sein. Angesichts dieser Tatsachen kann man den Wert der Existenz zweier unterschiedlicher Prinzipien-Texte durchaus bezweifeln. Vor allem muss man sich fragen, ob in einer solchen Vorgehensweise nicht eine ärgerliche Verschwendung von Arbeitskraft liegt: Wenn die Kommission für Europäisches Vertragsrecht, anstatt ein von Grund auf eigenes Regelungssystem zu erarbeiten, sich darauf beschränkt hätte, die Unidroit Principles im Hinblick auf eine Verwendung für innerstaatliche Verträge und für Verbrauchergeschäfte zu überprüfen, und sich ansonsten auf die Bereiche konzentriert hätte, die von der Unidroit-Arbeitsgruppe ausgeklammert worden sind, könnte man heute vielleicht schon viel weiter sein. Die nächstliegende Erklärung, 353 Dies gilt um so mehr, als der Autorenkommentar selbst feststellt, dass ,,[i]n all the countries, specijic contracts need to be in writing or in a notarial document in order to be valid" (PECL Autorenkommentar Art. 2: 101 Notes 4(c». Sinnvoll wäre die Feststellung gewesen, dass für Verträge keine allgemeinen Formvorschriften gelten sollen, nicht aber die Aussage: "Ein Vertrag ist geschlossen, wenn die Parteien den Willen haben, rechtlich gebunden zu sein, und sie eine ausreichende Einigung erzielen; weitere Voraussetzungen gibt es nicht" (Art. 2: 10 I). Angemerkt sei, dass die Formlosigkeit nach den Principles of European Contract Law auch etwa für Schenkungsversprechen gilt (Art. 2: 107 und PECL Autorenkommentar Art. 2:101 F a.E.). 354 Vgl. zu dieser Thematik Rennpferdt, S. 159-184. Der Autorenkommentar der Principles of European Contract Law erwähnt zwar, dass ,,[t]he place of performance is signijicant in several respects", geht aber auf das Gerichtsstandsproblem mit keinem Wort ein. Vielleicht etwas naiv Ernst, Verpflichtung zur Leistung, S. 134, dem zufolge die Bestimmungen zum Leistungsort "wohlgemerkt nicht etwa den Gerichtsstand" beträfen, sondern "offenbar nur in materiellrechtlicher Hinsicht gedacht" seien - wie sich dies angesichts Art. 5 Nr. I EuGVÜ und der Rechtsprechung des EuGH dazu voneinander trennen lässt, ist nicht recht klar: Auch Art. 57 CISG war bekanntlich "nur in materiellrechtlicher Hinsicht gedacht". Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen (ABI. EG Nr. L 012 S. 1), die das EuGVÜ zum I. März 2002 abgelöst hat (außer im Verhältnis zu Dänemark), führt einen autonomen Erfüllungsortsbegriff ein, allerdings nur für den Verkauf beweglicher Sachen und für die Erbringung von Dienstleistungen und nur, wenn der so bestimmte Erfüllungsort in einem Mitgliedsstaat liegt (Art. 5 Nr. I).
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warum es nicht so gekommen ist, dürften Zweifel gewesen sein, ob die Unidroit Principles überhaupt jemals fertig gestellt werden würden,355 möglicherweise - etwas zynischer gesprochen - aber auch die Erwartung, dass sich eine auf Europa ausgerichtete Rechtsvergleichung bei den entsprechenden politischen Instanzen besser "vennarkten" lassen werde. 356 Vielleicht wird aber gerade diese Vorgehensweise die Principles of European Contract Law aufgrund der mangelnden Anpassung ihrer Regelungen an ihren Anwendungsbereich dazu verurteilen, auf Dauer doch lediglich eine interessante rechtsvergleichende Episode ohne großen praktischen Einfluss zu bleiben. Ihr vordringlichster Erfolg könnte darin liegen, eine Mode initiiert zu haben, die am Ende dazu führen könnte, dass Europa über mehr "Vereinheitlichungs"projekte verfügt als über unvereinheitlichte nationale Rechtsordnungen. c) Folgerungen für die Interpretation der Prinzipien-Texte Angesichts der dargestellten Besonderheiten muss in der vorliegenden Arbeit bei der Auslegung der Prinzipien-Texte ein grundlegend anderer Maßstab angewandt als im Hinblick auf das staatliche Recht, und zwar ein strengerer Maßstab: Der Standpunkt, der dabei einzunehmen ist, ähnelt weniger dem eines Gesetzeskommentators oder Richters, der den möglicherweise verfehlten Wortlaut des Gesetzes notfalls durch wohlwollende Umdeutung in vernünftige Bahnen lenken kann, sondern eher dem eines Kautelarjuristen, der einen Vertragsentwurf kritisch prüft und Schwachpunkte und Unklarheiten zu finden versucht. 357 Dabei sei betont, dass die dabei angewandte Auslegungstechnik, die gelegentlich allzu kleinlich oder gar "positivistisch" wirken mag, nicht als allgemein empfehlenswerte Methode für die Interpretation von Nonntexten propagiert werden soll. Es wird auch keineswegs übersehen, dass die Prinzipien-Texte selbst eine Auslegung fordern, die "ihr[en] internationale[n] Charakter und ihre Zwecke" berück sichtigt358 (Art. 1.6(1) Unidroit Principles, ähnlich Art. 1: 106(1) S. 1 Principles of European Contract Law, wo über die bloße Auslegung hinaus sogar noch eine entsprechende "Fortbildung" verlangt wird)359 und dabei besonders die Berücksichtigung des Bedürfnisses, "Treu und Glauben und den redlichen Auf diese Zweifel verweist Bonell, Principles: A Comparison, S. 98. Vgl.Schurig, S. 1110Fn. 117. 357 Vgl. etwa die Anforderungen, die Schmittat, Rn. 72-74, insoweit skizziert. 358 Für eine Darstellung der Problematik, die sich bei der einheitlichen Anwendung von unifonnem Privatrecht stellt, vgl. Burkart, S. 118-159. 359 "These Principles should be interpreted and developed in accordance with their purposes", Art. 1: 106(1) S. 1 Principles of European Contract Law. Der Autorenkommentar spricht von einer" ,liberal interpretation'" (PECL Autorenkommentar Art. 1: 106 C) und kontrastiert die geforderte Auslegungsmethode mit der tradi355
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Geschäftsverkehr, die Sicherheit in den Vertragsbeziehungen und die einheitliche Anwendung zu fördern", ans Herz legt (Art. 1:106(1) S. 2 Principles of European Contract Law). Diese Bestimmungen beziehen sich aber natürlich auf die Anwendung der Prinzipien-Texte auf den konkreten Fall. In der vorliegenden Arbeit hingegen geht es darum, den Inhalt der Prinzipien-Texte und die Geeignetheit ihrer Regelungen abstrakt und allgemein zu beurteilen. Das macht es erforderlich, sie auf ihre Widersprüchlichkeiten und Schwächen zu überprüfen - eine Vorgehensweise, die keineswegs destruktiv gemeint ist. 36o Dabei wird aufgrund der rechtsvergleichenden Anlage der Arbeit vor allem auch die Frage zu stellen sein, ob der Wortlaut der Prinzipien-Texte aus deutscher und englischer Sicht nicht vielleicht ganz unterschiedliche Verständnismöglichkeiten nahe legt. 361 Die Notwendigkeit einer solchen Überprüfung besteht um so mehr, als es bislang an praktischen Erfahrungen mit der Anwendung der Prinzipien-Texte noch weitgehend fehlt. 362 Um einem denkbaren Missverständnis vorzubeugen, sei auch betont, dass man diesem Interpretationsmaßstab nicht entgegenhalten kann, bei den Prinzipien-Texten handele es sich eben lediglich um "Prinzipien": Wie auch die schon erwähnten einleitenden Bestimmungen über ihren Anwendungsbereich (die Präambel der Unidroit Principles und Art. I: 101 Principles of European Contract Law) erkennen lassen, sind sie vielmehr als vollgültige, tionell im englischen Recht praktizierten strikteren Auslegung, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 1:106 Notes I (a) und (b). 360 Diese stärker (vielleicht übertrieben stark) kritisch ausgerichtete Perspektive unterscheidet den Ansatz der vorliegenden Arbeit von dem, den Hornung in seiner Arbeit vertritt: Hornung wertet Lücken der Prinzipien-Texte eher als positiv, weil sie "den Weg für flexible und sachgerechte Lösungen im Einzelfall" öffneten (S. 29), und problematisiert in den Regelungen enthaltene WiderspfÜchlichkeiten meist nicht besonders, sondern löst sie im Sinne des von ihm für rechtspolitisch wünschenswert Gehaltenen auf. 361 Die Warnung von Basedow vor den "Gefahren, die von der Verwendung national geprägter Begriffe im Gemeinschaftsprivatrecht für dessen einheitliche Anwendung ausgehen", insbesondere vor der "Hauptgefahr [... ], dass die Juristen der verschiedenen Länder ihr unterschiedliches Verständnis gar nicht oder erst sehr spät erkennen" (Anforderungen, S. 98), ist über den Bereich der Europäischen Union hinaus auch auf andere Rechtsvereinheitlichungsprojekte anwendbar. 362 Vgl. Michaels, RabelsZ 62 (1998), 589, der auch Zweifel an der Aussagekraft der "Erfolgsmeldungen" über die Anzahl von Schiedsgerichtsentscheidungen, in denen die Prinzipien-Texte angewandt worden sein sollen, anmeldet (vgl. etwa die Auflistung bei Bonell, I Principi, S. 14-16) und (S. 609) zu Recht feststellt, dass die Prinzipien-Texte nicht weniger lückenhaft und interpretationsbedürftig sind als andere Gesetze. Vgl. jedoch auch Kronke, JZ 2001, 1153, dessen Ansicht nach die "Akzeptanz [sc. der Unidroit Principles] in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und bei nationalen Reformgesetzgebem [... ], ja sogar vor staatlichen Gerichten, alle Erwartungen übertrifft".
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wenn auch natürlich nicht allumfassende Vertragsrechtsordnungen gedacht, die an Regelungsdichte den nationalen Regelungen des allgemeinen Vertragsrechts nicht unbedingt nachstehen. 363 Man kann deshalb etwaige Inkohärenzen in den Regelungen der Prinzipien-Texte nicht mit der Erwägung entschuldigen, dass es nun einmal gegenläufige Prinzipien geben könne, zwischen denen der Anwender selbst einen Ausgleich zu finden habe; vielmehr müssen sich die Prinzipien-Texte an denselben Maßstäben messen lassen, die für detaillierte Regelungen gelten. In solchen Fällen hilft es auch nichts, eine Interpretation vorzulegen, die aus der - von nationalen Diskussions- und Begründungszusammenhängen vorgeprägten - Sicht des Interpreten rechtspolitisch einleuchtend und wünschenswert erscheinen mag: Ob eine solche Interpretation Anwendem aus einem anderen Land zwingend oder auch nur einleuchtend erscheinen wird, ist keineswegs sicher.
363 So auch Michaels, RabelsZ 62 (1998), 586, der außerdem (Fn. 26) auf den merkwürdigen Umstand hinweist, dass nach Lando, Eight Principles, den Principles of European Contract Law offenbar ihrerseits wieder herauszudestillierende "Principles" zugrunde liegen sollen. Auch Bridge, Bifocal World, S. 287, meint zu den Unidroit Principles, dass "they read like the provisions of the elSe and in some instances they provide more detail". Zur Unterscheidung zwischen subsumtionsfahigen "Regeln" und zugrunde liegenden "Prinzipien" vgl. auch noch Huber, Leistungsstörungen I, S. 27-29 m. w. N.
Teil 2
Die verschiedenen Rückabwicklungsregime In jeder Rechtsordnung kann die Rückabwicklung gescheiterter Verträge durch verschiedene Mechanismen bewirkt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, den Inhalt des Vertrages abzuändern: Statt, wie ursprünglich, auf Leistungsaustausch zu zielen, wird er gewissermaßen umgepolt, um nun Rückabwicklung zu bewerkstelligen. Diese Figur des "Rückgewährschuldverhältnisses", die im heutigen deutschen Recht beim Rücktritt und den Scheiternsmechanismen, die mit ihm zusammenhängen, verwendet wird, ist aber international nicht unbedingt verbreitet und war auch in der Anwendung des BGB nicht von vornherein selbstverständlich, obwohl sie manche konstruktiven Vorteile bietet. Auf den ersten Blick näher liegend (und dort, wo sich der Vertrag infolge Unwirksamkeit ohnehin nicht als Regulationsmechanismus der Rückgewähr nutzen lässt, auch unvermeidlich) ist dagegen der Rückgriff auf das Bereicherungsrecht: Sobald der Vertrag wegfällt, können die aufgrund seiner Bestimmungen erbrachten Leistungen eine ungerechtfertigte Bereicherung der anderen Partei darstellen, die deshalb zu restituieren ist. Andererseits kann die Beseitigung des Vertrages - insbesondere in Rechtsordnungen, die kein Abstraktionsprinzip kennen - auch dazu führen, dass auf die andere Partei übertragenes Eigentum automatisch an den VeräuBerer zurückfällt, was den Weg zu Rechtsbehelfen des Sachenrechts eröffnet. Beide Mechanismen liegen nahe beieinander, wie schon die mögliche Konkurrenz von Vindikation und Besitzkondiktion zeigt, und oft erscheint es eher zufällig (beziehungsweise von an anderer Stelle getroffenen Entscheidungen abhängig), welchen Mechanismus eine Rechtsordnung bevorzugt: So heißt es in Deutschland, dass das Bereicherungsrecht die Wunden heilen müsse, die das Abstraktionsprinzip schlage, I und auch für das englische Recht werden (zumindest von einzelnen Autoren) ähnliche Auffassungen vertreten. 2 Zum Teil wird I Kritisch gegenüber diesem von Demburg geprägten Satz aber v. Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S. 215, da er "zu stark an historisch frühe Stadien des Rechtsfonnalismus und der Abhilfe durch Billigkeitsbehelfe" anknüpfe. 2 Vgl. Stoljar (1964), S. 6-9: Nach englischer Vorstellung besteht im Hinblick auf Geldzeichen ein besonders verschärftes "Abstraktionsprinzip", weil das Eigentum daran grundsätzlich durch bloße Übergabe übergeht und der Zahlende nicht Rückgabe derselben Geldzeichen, sondern nur Zahlung einer entsprechenden
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die Wahl aber auch von der Natur der Sache diktiert: Dienst- und Werkleistungen etwa können (im Unterschied zu einem etwaigen körperlichen Endprodukt) natürlich nicht vindiziert werden, so dass allenfalls ein Bereicherungsanspruch auf den Wert in Betracht kommt. 3 Daneben können auch Schadensersatzansprüche zur Rückabwicklung führen: Zwar zielen vertragliche Schadensersatzansprüche regelmäßig auf Abwicklung des Vertrages, also darauf, die vertragstreue Partei so zu stellen, als ob der Vertrag durchgeführt worden wäre; bestimmte Berechnungsmethoden können indes faktisch zur Folge haben, dass eine Rückgewähr erbrachter Leistungen (oder ihres Wertes) stattfindet. Soweit der Scheiternsgrund zugleich ein Delikt darstellt, kann die deliktische Haftung ebenfalls dazu führen, den Vertrag ungeschehen zu machen, ihn also (zumindest aus Sicht des Geschädigten) wirtschaftlich rückabzuwickeln. Den unterschiedlichen Rückabwicklungsmechanismen sind natürlich verschiedene Blickwinkel eigen. Das zeigt sich, wenn man Schadensersatz und Bereicherungsrecht vergleicht: Schadensersatz soll Schaden ausgleichen; im Prinzip kommt es also nur auf die Situation des Klägers an. Bereicherungsansprüche dagegen sollen Bereicherung abschöpfen; entscheidend dafür ist ausschließlich die Vermögenssituation des Beklagten. Diese allzu idealtypische Betrachtungsweise täuscht natürlich, da die Situation der jeweils anderen Seite im Rahmen der Voraussetzungen des jeweiligen Anspruches implizit mitberücksichtigt wird. 4 Bei Rückgewährschuldverhältnissen ist dagegen selbstverständlich, dass die beiderseitigen Interessen (auch) innerhalb der Rückabwicklung selbst berücksichtigt werden. Im Rahmen der sachenrechtlichen Rückabwicklung dagegen sind nicht so sehr die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen (diese Abwägung spielt allerdings dort eine große Rolle, wo die Risikozuweisung nach der Regel res perit domino an das Eigentum angeknüpft wird), sondern vor allem auch die Interessen Dritter - namentlich von anderen Gläubigem der Parteien, insbesondere auch in der Einzelzwangsvollstreckung und in der Insolvenz - einzubeziehen. 5 Summe Geld verlangen kann: ,,[ ... ] whereas the right to money is proprietary, the action by which we enforce it is ,personal''' (Hervorhebung im Original). Ähnlich Gojf/Jones, S. 16. 3 Zu "abstrakten" und "kausalen Restitutionsmechanismen" vgl. noch Wolff, S.89-99. 4 Vgl. dazu Barker, [1998] CLJ. 307 f., der allerdings den Mangel an Transparenz in dieser Sichtweise kritisiert. 5 Kritisch gegenüber der Vermengung von Drittschutz und Risikoverteilung zwischen den Parteien G. Hager, S. 67 f. Im englischen Recht ist das Risiko zwar prima facie an das Eigentum gebunden, Abweichungen sind aber möglich, vgl. Sealy, [1972B] C.L.J. 225 (234 f.). 8 Coen
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
A. Englisches Recht I. Formen des Vertragsscheiterns und unterschiedliche Rückabwicklungsregime 1. Naturaleifüllung, Schadensersatz und Scheitern des Vertrages Charakteristische Rechtsfolge des wirksamen Vertrages im englischen Recht ist der Anspruch auf Schadensersatz bei Vertragsbruch (damages for breach of contract).6 Ein Verschulden des Vertragsbrüchigen wird dafür grundsätzlich nicht vorausgesetzt. 7 Die Erzwingung der Naturalerfüllung (specijic peiformance) ist hingegen ein besonderer Rechtsbehelf, dessen Gewährung im Ermessen des Gerichts liegt. 8 Sie setzt voraus, dass Schadensersatz dem Erfüllungsinteresse des Gläubigers nicht hinreichend gerecht wird. 9 Bei einem Kaufvertrag kommt das nur in Betracht, wenn die Kaufsache einzigartig ist, eine Voraussetzung, die bei einem Grundstückskaufvertrag regelmäßig vorliegt, bei einem Gattungskauf dagegen grundsätzlich zu verneinen ist. 10 Für den von der Verbraucherkaufrichtlinie gefor6 Rheinstein, S. 149, spricht insofern durchaus treffend von einem "Fundamentalsatz des Common Law". 7 Vgl. Lord Edmund-Davies in Raineri v. Mi/es [1981] A.C. 1086: ,Jt is axiomatic that, in relation to claims for damages for breach of contract, it is, in general, immaterial why the defendant failed to fulfil his obligation, and certainly no defence to plead that he has done his best." Grenze der Schadensersatzhaftung ist erst die Vertragsaufhebung durch frustration. S Unterlassungspflichten können durch eine injunction durchgesetzt werden, deren Erlass ebenfalls im Ermessen des Gerichts liegt, aber häufiger erfolgt, vgl. Goode, Commercial Law, S. 116 Fn. 255; eine injunction, die einen Vertragsbruch verbietet, kann mittelbar natürlich Naturalerfüllung des Vertrages bewirken, vgl. den berühmten Fall Warner Bros. Pictures Inc. v. Nelson [1937] I K.B. 209 (Verbot gegenüber der Schauspielerin Bette Davis, für konkurrierende Filmgesellschaften tätig zu werden). 9 Unklar und in der Rechtsprechung bislang offenbar noch nicht entschieden ist die Frage, ob die Parteien durch eine entsprechende Vereinbarung erreichen können, dass specijic performance über die üblichen Kriterien hinaus bzw. ermessensunabhängig zur Verfügung stehen soll; vgl. Furmston, Law of Contract, Rn. 8.150. Das wäre von Bedeutung für die Unidroit Principles und die Principles of European Contract Law, die in Art. 7.2.2, 9:102 eine (zumindest theoretisch) weitere Verfügbarkeit der Naturalerfüllung postulieren. 10 Für bewegliche Sachen ermöglicht es s. 52(1) Sale of Goods Act 1979 dem Gericht, bei einem "contract to deliver specijic or ascertained goods" die Naturalerfüllung anzuordnen "if it thinks fit". Voraussetzung ist also eine Speziesschuld oder die bereits erfolgte Konkretisierung; insofern zu weitgehend Rabel, Recht des Warenkaufs I, S. 270, dem zufolge "für normale Gattungsschulden [... ] jedenfalls Naturalerfüllung niemals angeordnet" werde. Vgl. allerdings Sky Petroleum Ltd. v. VIP Petroleum Ltd. [1974] 1 W.L.R. 576: Klage eines Tankstellenbetreibers auf specijic
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derten Anspruch auf Nachbesserung oder Nachlieferung hat der englische Verordnungsgeber entgegen Spekulationen in der Literatur 11 die Verurteilung zu specijic performance ausdrücklich ennöglicht; 12 ob es in der Praxis je dazu kommen wird, bleibt abzuwarten. Bei persönlichen Dienstleistungen wird specijic performance nonnalerweise nicht gewährt. 13 Eine Fonn des Rechts auf Naturalerfüllung, die besonderen Regeln unterliegt, ist der Anspruch auf Zahlung vertragsmäßig geschuldeter Geldsummen (debt). Er muss regelmäßig durch Erbringung der Gegenleistung "verdient" worden sein,14 unterliegt dann aber auch - anders als bei specijic peiformance nicht dem Ennessen des Gerichts; 15 außerdem kann bei Nichtzahlung keine Zwangshaft wegen contempt 01 court angeordnet werden. 16 Inhaltlich können Zahlungs- und Schadensersatzanspruch natürlich auf das Gleiche hinauslaufen; beide unterscheiden sich allerdings zum Teil in ihrer prozessuaperformance von Benzinlieferungsvertrag während der Ölkrise erfolgreich; kritisch Goode, Commercial Law, S. 387. Wo specijic performance möglich ist, kann nicht nur der Käufer, sondern auch der Verkäufer sie verlangen (vgl. etwa Johnson v. Agnew [1980] A.c. 367); ihm bietet dies den Vorteil, dass er bei Abnahme der Sache durch den Käufer die vertraglich vereinbarte Vergütung beanspruchen kann, während er sonst grundsätzlich auf Schadensersatz wegen Nichtabnahme beschränkt ist. 11 Vgl. Watterson, (2001) 9 ERPL 212. 12 So jetzt s. 48E(2) des Sale of Goods Act, eingefügt durch die Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 (S.1. 2002 No. 3045) mit Wirkung zum 31.03.2003. 13 Specijic performance scheidet auch dann aus, wenn die Überwachung für das Gericht Schwierigkeiten bereiten würde, vgl. Co-operative Insurance v. Argyll Stores Ltd. [1997] 2 W.L.R. 898 (H.L.) (Pflicht, Supermarkt in einem Einkaufszentrum zu betreiben) und dazu die Fallbesprechung von McMeel, (1998) 114 L.Q.R. 43. 14 Vgl. im Kaufrecht s. 49 Sale of Goods Act. Gemäß s. 49(1) sind hierfür im Zweifel Eigentumsübergang und Übergabe erforderlich; wie sich aus s. 49(2) ergibt, sind beide Voraussetzungen aber abdingbar, vgl. dazu Goode, Commercial Law, S. 424 f. Vgl. allgemein noch Goode, S. 119. Wann im Übrigen der Gegenleistungsanspruch entsteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles; soll dieser, wie im Zweifel beim Werkvertrag, erst mit vollständiger Erfüllung fällig werden (vgl. Sumpter v. Hedges [1898] 1 Q.B. 673), genügt dafür aber "substantial performance", vgl. Hoenig v. Isaacs [1952] 2 All E.R. 176 und Bolton v. Mahadeva [1975] Q.B.326. 15 Gerade das unterscheidet die Kaufpreisklage des Verkäufers von der Erfüllungsklage des Käufers; zweifelhaft schon deshalb SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar Art. 28 Rn. 13-15, wo auch erstere unter Art. 28 CISG eingeordnet wird (vgl. näher unten Teil 2 C.U.). Etwas anderes gilt, wo der Verkäufer sich den Kaufpreis noch nicht "verdient" hat; eine Klage auf Abnahme der Kaufsache ist hier ebenfalls nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der specijic performance möglich, wobei das Gericht wiederum nach seinem Ermessen Bedingungen, etwa eine Preisreduzierung (abatement of the purchase price) vorsehen kann, vgl. Oakley, [1980] c.L.J. 62, insb. Fn. 17 m.w.N. 16 Vgl. Waddams, S. 479 f. 8*
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len Durchsetzung. 17 Die Anordnung von specijic performance im engeren Sinn bei Geldschulden kommt allenfalls dann in Betracht, wenn es sich um wiederkehrende Zahlungen wie etwa Annuitäten handelt. 18 Auch wenn einer Partei zunächst specijic performance zugesprochen worden ist, kann sie später noch auf den Schadensersatz anspruch übergehen. 19 Für das Scheitern des Vertrages kommt es also nicht auf die Möglichkeit der Naturaldurchsetzung an, die ohnehin einen Ausnahmefall darstellt. Als gescheitert lässt sich ein Vertrag vielmehr dann einstufen, wenn entweder Schadensersatzansprüche zumindest einer Partei ausgeschlossen sind oder wenn daneben noch auf Rückabwicklung des Vertrages gerichtete Rechte geltend gemacht werden können; auf das Konkurrenzverhältnis zwischen bei den wird noch einzugehen sein. 2. Kategorien des Vertragsscheitems
a) Überblick Grundsätzlich können die Fälle des Vertragsscheiterns im englischen Recht in fünf Kategorien eingeteilt werden: Ein Vertrag kann (1) von Anfang an nichtig (void), (2) durch Erklärung einer Partei rückwirkend vernichtbar (voidable) sein, (3) durch so genannte frustration automatisch enden, (4) bei sonstigen Leistungsstörungen unter bestimmten Umständen wiederum durch Erklärung einer Partei (termination for breach) beendet werden oder (5) lediglich unklagbar (unenforceable) sein.
17 Der Anspruch auf Zahlung einer feststehenden Geldsumme (also des Vertragspreises oder auf Rückzahlung einer erbrachten Leistung, nicht aber auf Schadensersatz oder angemessene Vergütung für Leistungen) ist ein liquidated claim, der früher in einem vereinfachten Verfahren geltend gemacht werden konnte. Die neuen Civil Procedure Rules (die jetzt den Begriff action Jor a specijic amount oJ money verwenden) sehen in Part 24 keine derart strenge Differenzierung mehr vor, dennoch erleichtern auch sie die Geltendmachung bezifferter Ansprüche. Im übrigen können liquidated claims etwa auch als Einwendungen im Scheckprozess geltend gemacht werden. Vgl. McMeel, S. 488. 18 Vgl. Beswick v. Beswick [1968] A.c. 58: Würden die Raten als debt geltend gemacht, müsste jede Rate bei Fälligkeit einzeln eingeklagt werden; als Schadensersatz könnte dagegen nur eine Kapitalsumme (lump sum) zugesprochen werden, was wiederum nicht zweckentsprechend wäre. 19 So das House of Lords in Johnson v. Agnew [1980] A.C. 367, wo der Verkäufer eines Grundstücks ein Urteil auf specijic performance gegen den Käufer erwirkt hatte, dieser sich jedoch weiterhin weigerte, an der Übereignung mitzuwirken. In der Zwischenzeit ließen Grundpfandgläubiger das Grundstück verkaufen, so dass dem Verkäufer die Übereignung unmöglich wurde. Dem Verkäufer wurde dem Grunde nach Schadensersatz wegen Nichterfüllung zugesprochen.
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b) Die Bedeutung der Kategorien ( 1) Bedeutung für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung
Die skizzierte Kategorieneinteilung wird in der englischen Literatur freilich nur mit erheblichen Einschränkungen als entscheidend für die Rückabwicklung von Verträgen angesehen?O Für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung, die - wie bereits erwähnt - als das dominante Modell der Rückabwicklung gescheiterter Verträge gesehen wird, lassen sich lediglich zwei Arten von Fallkonstellationen unterscheiden: Unwirksame oder beendete Verträge, also die Kategorien (I) bis (4), stehen wirksamen, wenn auch nicht durchsetzbaren Verträgen andererseits, also der Kategorie (5), gegenüber. Im erstgenannten Fall sind bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche denkbar, im zweiten dagegen grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Einteilung ist eine Folge der Entscheidung des House of Lords im Fall Fibrosa Spolka Akcyjna v. Fairbairn Lawson Combe Barbour Ltd.,21 in der in Abkehr von früheren Entscheidungen 22 für einen Fall der frustration festgestellt wurde, dass eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nicht bloß bei anfänglicher Nichtigkeit oder rückwirkender Vernichtbarkeit des Vertrages, sondern in allen Fällen der Vertrags beendigung in Betracht kommt?3 Eine solche Beendigung des Vertrages ist aber andererseits auch erforderlich, so dass Bereicherungsansprüche grundsätzlich ausscheiden, solange der Vertrag an sich wirksam ist, selbst wenn aus ihm nicht geklagt werden kann?4 Die Beendigung des Vertrages im Fall von Leistungsstörungen wird also anders als im heutigen Verständnis des deutschen Rechts nicht als Umsteuerung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis verstanden, sondern als Wegfall des Vertrages für die Zukunft, der einen Bereicherungsausgleich auslöst. 25 Freilich geschieht diese Auslösung konstruktiv nur mittelbar: Wie 20 Eine Ausnahme stellt der Aufsatz von Friedmann dar, der allerdings allgemeiner von "Valid, Voidable, Qualified, and Non-existing Obligations" ausgeht und darunter etwa auch Leistungspflichten aus einem Urteil einordnet, falls dieses später aufgehoben wird. Im Prozess muss der Grund, auf den das Scheitern des Vertrages gestützt wird, angegeben werden, vgl. McMeel, S. 495. 21 [1943] AC. 32. 22 Vgl. insbesondere den schon zitierten Krönungszugfall Chandler v. Webster [1904] 1 K.B. 493. 23 Speziell für den Fall der frustration - die oben genannte Kategorie (3) - ist allerdings als Reaktion auf Fibrosa im Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 ein eigenes Rückabwicklungsregime geschaffen worden. 24 Vgl. etwa Beale, S. 210; Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 400, 406. In der Rechtsprechung wird dieser Gedanke selten ausgesprochen, offenbar, weil er so selbstverständlich ist.
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noch näher darzustellen sein wird, stellt das Bestehen eines wirksamen Vertrages an sich lediglich eine Sperre für die Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen dar, deren Voraussetzungen wiederum in anderen Tatbestandsmerkmalen, den so genannten "unjust Jactars" wie etwa Irrtum, Täuschung oder Ausbleiben der Gegenleistung, gesucht werden müssen?6 Im Zuge der - oben dargestellten - Entwicklung des englischen Bereicherungsrechts sind die unjust Jactars aber, wie ebenfalls noch zu zeigen sein wird, in den letzten Jahren so weit gefasst worden, dass sich die praktischen Unterschiede zum deutschen Recht in Grenzen halten. Eine wesentliche Rolle spielt aber immer noch, ob die Bereicherungsansprüche auf Rückgewähr gezahlten Geldes (maney had and receivecf) oder auf Wertersatz für gelieferte Sachen (quantum valebat) oder erbrachte Dienstleistungen (quantum meruit) gerichtet sind. (2) Bedeutung für die dingliche Rechtslage
Für die dingliche Rechtslage sind die Kategorien des Vertragsscheitems in anderen Kombinationen bedeutsam: Nichtigkeit des Vertrages (Kategorie 1) kann dazu führen, dass kein Eigentum übergeht; da auch die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs Dritter in erheblichem Maß von der Existenz eines Vertrages zwischen Eigentümer und Verfügendem abhängt, 25 Anders offenbar Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 397 f., nach dessen Ansicht die Rückforderung bei Leistungsstörungen auf dem Vertrag selbst beruhe: Soweit Leistungen rückforderbar seien, könne die Leistung von vornherein nur auflösend bedingt erfolgt sein. Beatson beruft sich dabei auf die Analogie zur Rückgabe der gemieteten Sache nach Ende der Mietzeit. Das ähnelt sehr der entsprechenden Argumentation bei v. Caemmerer, vgl. oben Teil I A.II.2.a), Fn. 61. Vgl. auch noch S. 417, wo Beatson ausdrücklich das Bereicherungsrecht als wenig geeignet für die Rückabwicklung bei Leistungsstörungen bezeichnet. 26 Dass bei Bestehen eines wirksamen Vertrages die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ausscheidet, ist nahezu allgemeine Meinung in Rechtsprechung (vgl. etwa Lord Goff in Dimskal Shipping Co. SA v. International Transport Workers' Federation (The Evia Luck (No. 2)) [1992] 2 A.c. 165 und in Pan Ocean Shipping Co. Ltd. v. Creditcorp Ltd. (The Trident Beauty) [1994] I W.L.R. 164166) und Literatur. Allerdings finden sich zum Teil unterschiedliche Begründungen: Nach Ansicht von Friedmann, Valid, Voidable, Qualified, and Non-existing Obligations, S. 251, der sich stark an kontinentaleuropäischer Dogmatik zu orientieren scheint, bedeutet die Existenz des Vertrages, dass die Bereicherung durch darauf erbrachte Leistungen "not ,unjust', at least not in the legal sense", sei. Birks (Introduction, S. 46 f.) sieht den Grund hingegen darin, dass eine Partei auf dem Weg über einen Bereicherungsanspruch nicht mehr erhalten dürfe, als ihr nach dem Vertrag zustehe. Beatson, (2000) I Theoretical Inquiries in Law 93, entnimmt daraus, dass eine Partei nach Birks' Theorie als Bereicherungsanspruch einen Betrag bis zur Höhe der vertraglichen Gegenleistung geltend machen dürfe, um so prozessuale Vorteile von Bereicherungsansprüchen zu nutzen; ob Birks das allerdings wirklich gemeint hat, ist zweifelhaft.
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führt dies zu einer Privilegierung des Eigentümers. Im Fall eines lediglich vernichtbaren Vertrages (Kategorie 2) fällt das Eigentum zwar rückwirkend an den Veräußerer zurück,27 Dritte, an die der Erwerber zwischenzeitlich veräußert hat, haben aber vom wahren Eigentümer erworben und werden daher - soweit sie gutgläubig und entgeltlich erworben haben (bona fide purehase for value) - geschützt. 28 In den übrigen Kategorien sind die dinglichen Wirkungen noch schwächer. Wo die Bereicherung in der Leistung einer Sache besteht, hat die dingliche Rechtslage wiederum Rückwirkungen auf das Bestehen von Bereicherungsansprüchen: Ist der Kläger Eigentümer geblieben und kann der Beklagte die Sache noch in natura herausgeben, so sollen Bereicherungsansprüche (auf Herausgabe der Sache oder ihres Wertes) ausscheiden;29 der Kläger ist auf seinen dinglichen Anspruch verwiesen.
(3) Bedeutung für Sehadensersatzansprüehe Die Unterscheidung zwischen rückwirkender Vernichtung des Vertrages (avoidanee ab initio) und einer nur ex tune wirkenden Vertragsbeendigung spielt dagegen vor allem eine Rolle für die Möglichkeit, vertraglichen Schadensersatz geltend zu machen. 3o Macht nämlich eine Partei von ihrem Recht zur avoidanee Gebrauch, dann schließt die rückwirkende Vernichtung des Vertrages Schadensersatz auf das Erfüllungsinteresse aus;3l das negative Interesse kann nur dort gefordert werden, wo die Gründe, die zur Vertragsaufhebung berechtigen, auch den Tatbestand eines Delikts erfüllen. 32 Entscheidet sich die Partei statt dessen dazu, den Vertrag aufrechtzuerhalten, dann können bei etwaigen späteren Leistungsstörungen natürlich Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Letzteres gilt auch bei der bloß ex nune wirkenden Vertragsbeendigung im Fall von Leistungsstörungen: Hier ist heute anerkannt, dass Schadensersatz für breaeh of eontraet dem Grunde nach gewährt werden kann, ungeachtet der Frage, ob der Ver27 Vgl. Car and Universal Finance Co. Ltd. v. Caldwell [1965] 1 Q.B. 525; TSB Bank pie. v. Camfield [1995] 1 W.L.R. 430. 28 Für den Kauf beweglicher Sachen ist dieser Grundsatz in s. 23 Sale of Goods Act 1979 kodifiziert. 29 Vgl. Goff/iones, S. 26. 30 Beatson, (2000) 1 Theoretical Inquiries in Law 84 Fn. 2, sieht allerdings einen weitergehenden Unterschied in der Frage, ob es jemals eine "effective allocation 0/ risk" gegeben habe, und kritisiert deshalb Burrows, weil dieser (in seinem Law of Restitution, S. 250 f.) beide Fallgruppen zusammen behandelt. 31 ,,[Y]ou cannot both rescind and claim damages" (Megarry J. in Horsler v. Zorro [1975] Ch. 302). 32 Vgl. Newbigging v. Adam (1886) 34 Ch.D. 592 f. Vgl. außerdem Goode, Commercial Law, S. 71, insb. Fn. 5.
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trag beendigt oder aufrechterhalten wird?3 Konstruktiv wird das damit begründet, dass der Anspruch auf Schadensersatz bereits mit der Vertragsverletzung entstanden ist (die logisch der Vertragsbeendigung vorausgehen muss) und deshalb mangels Rückwirkung der Vertragsbeendigung durch diese nicht mehr beseitigt werden kann. Natürlich kann es aber für die Höhe des Schadensersatzes eine Rolle spielen, ob der vertragliche Leistungsaustausch aufrechterhalten wird oder ob eine Rückabwicklung stattfindet. Eine Ausnahme stellt wiederum die Vertragsbeendigung durch frustration dar: Obwohl der Vertrag hier nur ex nunc endet, kann kein Schadensersatz wegen Vertragsbruches verlangt werden; ein Vertragsbruch liegt ja nicht vor, weil frustration und Vertragsbruch einander schon begrifflich ausschließen. Die Diskussion wird dadurch kompliziert, dass die Terminologie zum Teil verwirrend ist. So ist insbesondere der Begriff rescission sowohl für die rückwirkende Vertragsaufhebung als auch für die Vertragsaufhebung wegen Leistungsstörungen benutzt worden. 34 Das hat früher manche Autoren zu der Annahme verführt, auch bei Leistungsstörungen könne der Vertrag mit Rückwirkung aufgehoben werden, so dass die Parteien so zu stellen seien, als wäre der Vertrag nie geschlossen worden. 35 Um solche Verwirrungen zu verhindern, wird der Begriff reseission heute primär in der Bedeutung rückwirkender Vertragsaufhebung benutzt, von manchen Autoren aber auch ganz vermieden; als Alternative wird meist der Begriff avoidance 33 Klargestellt wurde dies erstmals, in einer etwas ungewöhnlichen prozessualen Situation, vom Court of Appeal in Ruckland v. Farmer & Moody [1979] 1 W.L.R. 221: Die Kläger hatten nach Vertragsaufhebung durch den Verkäufer diesem eine erhebliche Schadensersatzsumme gezahlt und verklagten nun erfolglos ihre Anwälte wegen Falschberatung. Bestätigt wurde die Haltung des Court of Appeal vom House of Lords in Johnson v. Agnew [1980] A.C. 367. Anders noch Horsler v. Zorro [1975] Ch. 302: Dort hatte ein Grundstückskäufer vom Verkäufer, der nicht mehr erfüllen wollte, sein Angeld zurückverlangt. Megarry J. war der Auffassung, der Käufer habe damit den Vertrag aufgelöst, so dass ein Anspruch auf weitergehenden Schadensersatz wegen Nichterfüllung ausscheide. 34 Klar unterschieden werden die beiden Bedeutungen in Mussen v. Van Diemen's Land Co. [1938] Ch. 260, Farwell J.; vgl. ferner etwa Oakley, [1980] C.LJ. 59. Shea, (1979) 42 M.L.R. 626 f., nennt noch andere Bedeutungen, wie zum Beispiel die einvernehmliche Aufhebung eines Vertrages. Vgl. ferner Reale, S. 104, 210, und O'Sullivan, [2000] C.LJ. 525-528. 35 Widerlegt wurde diese Auffassung in dem Aufsatz von Albery, (1975) 91 L.Q.R. 337 (ausgelöst von der oben zitierten Entscheidung in Horsler v. Zorro [1975] Ch. 302), dessen Argumentation die Rechtsprechung dann wenig später in Johnson v. Agnew, [1980] A.C. 367 gefolgt ist. Dagegen noch Dawson, (1976) 39 M.L.R. 214 (insb. S. 219 Fn. 44); seiner Interpretation nach soll Vertragsaufhebung ab initio übrigens schlicht Rückabwicklung (im Gegensatz zum bloßen Abstehen von den beiderseitigen Primärleistungspflichten im Wege des Differenzschadensersatzes) bedeuten (S. 216 f.).
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benutzt, der auch in der vorliegenden Arbeit verwendet wird. Ist dagegen die Vertragsaufuebung wegen Leistungsstörungen gemeint, die lediglich ex nunc wirkt, wird heute meist von termination oder discharge for breach gesprochen. Nachwirkungen der früheren Verwirrung zeigen sich übrigens im CISG: Wie im früheren Haager Einheitskaufrecht (das in einer Zeit entstanden ist, in der - wie dargestellt - im englischen Recht zwischen den bei den Formen der Vertragsbeendigung noch nicht klar unterschieden wurde) wird dort für die Vertragsaufuebung bei Leistungsstörungen in der englischen Fassung der Begriff "avoidance" benutzt. 36 (4) Bedeutung für die Konkurrenz unterschiedlicher Rückabwicklungsregime
Aus der Diskussion der Bedeutung, die die verschiedenen Kategorien des Vertragsscheiterns für die Rückabwicklung haben, lässt sich entnehmen, dass es in manchen Kategorien zu Konkurrenzen zwischen unterschiedlichen Rückabwicklungsregimen kommen kann. Zum Teil werden diese Konkurrenzen im Sinne eines Spezialitätsverhältnisses gelöst. Das gilt zum Beispiel für das Verhältnis zwischen dinglicher Rückabwicklung und Bereicherungsausgleich: Wo der Gläubiger aufgrund Nichtigkeit des Vertrages Eigentümer der geleisteten Sache geblieben oder das Eigentum durch avoidance an ihn zurückgefallen ist, scheidet ein Bereicherungsanspruch auf die Sache aus; der bloße Besitz soll keine relevante Bereicherung des Schuldners darstellen. In anderen Fällen dagegen ist unklar, inwieweit verschiedene Rückabwicklungsregime miteinander kombiniert werden können. Ob etwa die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung mit vertraglichem Schadensersatz für ein darüber hinausgehendes Erfüllungsinteresse kombiniert werden kann oder ob der Kläger spätestens im Prozess zwischen bei dem wählen muss, ist in der Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt. Zugelassen wurde die Kumulation bei der Ansprüche in dem allerdings ungewöhnlichen Fall Heywood v. Wellers (A Firm).37 Hier hatte sich die spätere Klägerin an die beklagte Anwaltskanzlei gewandt, um vor Belästigungen durch ihren ExFreund geschützt zu werden. Die Kanzlei ließ die Angelegenheit von ihrem Bürovorsteher bearbeiten, der nicht - wie es üblich und sachdienlich gewesen wäre - die Polizei und den örtlichen Magistrates' Court einschaltete, sondern einen Prozess vor dem High Court anstrengte. Dadurch entstanden der Klägerin nicht nur höhere Kosten; das Verfahren bis zu einer vollstreck36 Ähnlich auch s. 7 Sale of Goods Act 1979: Bei Untergang der Kaufsache vor Gefahrübergang ist der Kaufvertrag "avoided"; gemeint ist aber ebenfalls eine nicht rückwirkende Beendigung des Kaufvertrages. 37 [1976] 1 Q.B. 446 (C.A.).
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baren Entscheidung zog sich auch länger hin, und in der Zwischenzeit war die Klägerin weiter Belästigungen ausgeliefert. Die Klägerin bekam die gezahlten Anwaltsgebühren zurück und konnte zusätzlich Schadensersatz für die höheren Gerichtskosten verlangen, musste sich aber die Gebühr anrechnen lassen, die bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung angefallen wäre. Obwohl es dabei möglicherweise nur um eine Kombination zweier unterschiedlicher Schadensposten ging, verstand Lord Denning M.R. seine Entscheidung ausdrücklich als Kombination von Rückabwicklung und darüber hinausgehendem Schadensersatz. 38 In Baltic Shipping Company v. Dillon (The Mikhail Le nnontov y39 lehnte der High Court of Australia allerdings eine solche Kombination von Vertragsaufhebung und Schadensersatz ab. 4o Was die Konkurrenz von vertraglichen und deliktischen Ansprüchen angeht, so ist heute grundsätzlich anerkannt, dass derselbe Sachverhalt beide Arten von Ansprüchen begründen kann. Auf die deliktische Haftung kann der Vertrag allerdings verschiedene Auswirkungen haben: Einerseits können die Parteien durch Vertrag auch die deliktische Haftung abbedingen,41 andererseits dient umgekehrt in manchen Bereichen die Übernahme von Vertragspflichten zur Begründung deliktischer Haftung. Das gilt vor allem für die Haftung aus negligence, die den Bruch einer Sorgfaltspflicht (duty 0/ care) voraussetzt; Quelle einer solchen Sorgfaltspflicht kann auch ein Vertrag sein. Unklar ist allerdings zum Teil, ob ein Kläger beide Anspruchsgrundlagen alternativ verfolgen kann oder im Prozess eine bindende Wahl zwischen ihnen treffen muss. Der Anspruch auf Schadensersatz für deliktisches Handeln richtet sich allerdings im englischen Recht - anders als im deutschen Recht, aber ähnlich wie der Anspruch auf Schadensersatz für Vertrags verletzung in beiden Rechtsordnungen - grundsätzlich auf Geldersatz, nicht auf Naturalrestitution. Das ist von Belang, wo das deliktische Handeln den Abschluss eines Vertrages bewirkt hat, was besonders beim Betrug (jraud oder deceit) häufig vorkommt: Während nach deutschem Recht grundsätzlich auch die Rückgängigmachung des Vertrages in natura 38 Vgl. [1976] 1 Q.B. 458 f., wo Lord Denning M.R. meint, wenn ein Taxifahrer seinen Fahrgast, den er zum Flughafen befördern solle, auf halber Strecke unberechtigterweise an die Luft setze, könne der Fahrgast nicht nur den im voraus bezahlten Fahrpreis zurückverlangen, sondern zusätzlich auch Schadensersatz für das Verpassen seines Flugzeuges. 39 (1993) 111 A.L.R. 289. 40 Begründet wurde das unter anderem damit, dass durch Schadensersatz das Erfüllungsinteresse der Klägerin geschützt werde, so dass kein Grund bestehe, ihr zusätzlich noch Rückgewähr ihrer Leistungen zu gewähren (Baltie Shipping Company v. Dillon (The Mikhail Lennontov) (1993) 111 A.L.R. 316). Kritisch Barker, [1993] L.M.C.L.Q. 295. Zweifelnd an Heywood v. Wellers (A Finn) [1976] 1 Q.B. 446 (C.A.) allerdings auch Beale, S. 210. 41 Vgl. zur Frage eines konkludenten Abbedingens der deliktischen Haftung Burrows, (1995) 48 c.L.P. 111.
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als Inhalt des Schadensersatzes in Betracht kommt, kann der Betrogene nach englischem Recht grundsätzlich nur Geldersatz erhalten, der ihn seinem Zweck nach allerdings natürlich ebenfalls so stellen soll, als wäre der Vertrag niemals geschlossen worden. 42 c) Die Kategorien im Einzelnen (1) Nichtigkeit (void contracts)
Die Nichtigkeit von Verträgen wird im englischen Recht als Problem der Vertragsschlusslehre gesehen: Nichtig ist ein Vertrag dann, wenn es an einer oder mehreren Voraussetzungen für das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages fehlt. Unterscheiden lassen sich dabei vor allem vier Fallgruppen: (1) Fehlt einer Partei die nötige Rechtsfähigkeit zum Abschluss des Vertrages, so ist dieser nichtig. In der Rechtsprechung haben in den letzten Jahren vor allem Fälle von ultra-vires-Geschäften eine Rolle gespielt. In Rover International Ltd. v. Cannon Film Sales Ltd. (No. 3)43 war der Vertrag deshalb unheilbar nichtig, weil eine der Parteien zum Zeitpunkt seines Abschlusses noch nicht ins Handelsregister eingetragen war. 44 Dagegen führen Minderjährigkeit oder Geisteskrankheit einer Partei nicht zur Nich42 Unklarheiten ergeben sich hinsichtlich der Frage, ob der Schadensersatz in diesem Fall den Geschädigten besser stellen darf, als er gestanden hätte, wenn die unwahre Information zugetroffen hätte. In Banque Bruxelles Lambert S.A. v. Eagle Star lnsurance Co. Ltd. [1997] 1 A.C. 191 hatte eine Bank einen Schaden erlitten, weil das von ihr verwertete Grundpfandrecht sich als nicht genügend wertha1tig erwiesen hatte, was zum Teil auf eine fahrlässig zu hohe Bewertung des Grundstücks durch den Gutachter, zum Teil auf einen allgemeinen Rückgang der Grundstückspreise zurückzuführen war. Das House of Lords entschied, dass das allgemeine Marktrisiko vom Schutzbereich der vom Gutachter verletzten Vertragspflicht ("scope of duty") nicht umfasst war, obwohl die Bank bei zutreffender Bewertung das Grundstück nicht beliehen hätte. Zu den allgemeinen Konsequenzen dieser Rechtsprechung vgl. Wightman, (1998) 61 M.L.R. 68 (insb. S. 70). 43 [1989] 1 W.L.R. 912. Vgl. auch Robert Walker LJ. in Guinness Mahon & Co. Ltd. v. Kensington L.B.e. [1998] 3 W.L.R. 849, der dazu anmerkt: ,,Non-existence is the most extreme form of incapacity." 44 Nach heutiger Gesetzeslage sind derartige Verträge nicht mehr nichtig, sondern binden die Personen, die für die Vorgesellschaft aufgetreten sind, vgl. die aufgrund Art. 7 der Ersten EG-Gesellschaftsrechtslinie erlassenen s. 36C Companies Act 1985 (eingefügt durch s. l30(4) Companies Act 1989) und dazu unten den Fall Hellmuth, Obata + Kassabaum lncorporated v. King 29.9.2000, unveröffentlicht, bei Teil 3 c.I., Fn. 161. Im Fall Rover galt dies jedoch nicht, weil die betroffene Gesellschaft auf den Kanalinseln, also außerhalb der Europäischen Union, domiziliert war. Zur ganzen Problematik kritisch Griffiths, (1993) l3 L.S. 241; zum früheren Rechtszustand Gross, (1971) 87 L.Q.R. 367.
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tigkeit, sondern - jedenfalls im Regelfall - lediglich dazu, dass aus dem Vertrag gegen den Minderjährigen bzw. Geisteskranken nicht geklagt werden kann. (2) Zur Nichtigkeit führt auch mistake, jedenfalls im Bereich des Common Law; im Rahmen der equity-Rechtsprechung dagegen sind die Rechtsfolgen von mistake flexibler, weshalb der Begriff dort auch weiter ausgelegt wird. Mistake kann nicht unbedingt mit Irrtum nach deutschem Recht gleichgesetzt werden; meist geht es eher um Fälle des versteckten Dissenses. (3) Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen public policy zieht regelmäßig, allerdings nicht immer, ebenfalls die Nichtigkeit des Vertrages nach sich. (4) Schließlich kann auch das Fehlen einer vorgeschriebenen Form die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge haben. Das gilt freilich nur in besonderen Fällen; meist führt das Fehlen der Form nur zum Ausschluss der Klagbarkeit. Einen wichtigen Fall der Nichtigkeit, dessen Folgen allerdings derzeit noch nicht abschließend geklärt sind, stellen Verstöße gegen die Schriftform für Verträge über Rechte an Grundstücken gemäß s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 dar.
(2) Rückwirkende Vernichtbarkeit (voidable contracts) Voidable, also auf Verlangen einer Partei rückwirkend vernichtbar, sind Verträge in einer Reihe von Fällen, in denen zwar der nötige Konsens zum Vertragsschluss vorgelegen hat, dieser aber auf eine Weise beeinflusst worden war, die vom Recht missbilligt wird. Das gilt natürlich besonders für Verträge, die durch Täuschung (misrepresentation), Drohung (duress) oder durch Ausnutzung besonders enger Beziehungen (undue influence) zustande kommen, aber auch in bestimmten Fällen der fehlenden Geschäftsfähigkeit. Auch die meist auf europäisches Recht zurückzuführenden Widerrufsrechte bei Verbrauchergeschäften werden von englischen Autoren in diese Kategorie eingeordnet. 45
In der Regel wird angenommen, dass die Vertragsaufhebung bei voidable contracts durch Partei erklärung eintritt;46 zum Teil wird aber auch ein entsprechendes Gerichtsurteil verlangt, falls die andere Seite nicht in die Aufhebung des Vertrages einwilligt. 47 Im Hinblick auf das Eintreten der Gestaltungswirkung der Aufhebung können diese abweichenden Auffassungen 45 Zur Ausdehnung der Vertragsaufbebungsmöglichkeiten in diesem Zusammenhang BeatsonlFriedmann, S. 13 f., die im Hinblick auf die europäischen Verbraucherschutzbestimmungen auch von "statutory undue influence" sprechen. 46 Car and Universal Finance Co. Ltd. v. Caldwell [1965] 1 Q.B. 525.
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auch dann einen Unterschied machen, wenn es regelmäßig zum Prozess kommt.
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diesen Fällen ohnehin
Grundsätzlich geht die englische Rechtsprechung davon aus, dass die Unmöglichkeit, die empfangene Leistung zurückzugewähren, nicht erst auf der Ebene der Rückabwicklung zu berücksichtigen ist, sondern zu einem Ausschluss des Rechtes zur Vertragsaufhebung insgesamt führt. 48 Diese grundsätzliche Haltung, die in der Literatur überwiegend kritisiert wird,49 wird aber im Einzelfall stark differenziert, wobei entscheidend auf die moralische Verantwortlichkeit der Parteien abgestellt wird: Der Arglistige etwa wird unnachsichtiger behandelt als der bloß fahrlässig Täuschende. Einzelheiten sind bei den jeweiligen Gründen des Scheiterns zu behandeln. (3) Automatische Vertragsbeendigung bei frustration Frustration, deren Anwendungsbereich sich mit den Fällen der nicht zu vertretenden Unmöglichkeit und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage im deutschen Recht überschneidet,50 führt zu einer automatischen Auflösung des Vertrages, die jedoch keine Rückwirkung hat. Hier hat der Gesetzgeber im Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 ein relativ ausdifferenziertes Rückabwicklungssystem geschaffen, das aber mancherlei Rätsel aufgibt. Sonderregelungen bestehen beim Kauf beweglicher Sachen für den Fall eines Untergangs der Kaufsache vor Gefahrübergang; hier ist trotz der missverständlichen Terminologie in s. 7 Sale of Goods Act 1979 ("the agreement is avoided") von einem Fall der Vertragsbeendigung ex nunc auszugehen, die aber aus dem Anwendungsbereich des Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 ausdrücklich ausgeklammert ist (s. 2(5)(c) Law Reform (Frustrated Contracts) Act).51 47 So jetzt O'Sullivan, [2000] C.L.J. 509, deren Kritik sich vorwiegend gegen Selbsthilfe zur Wiedererlangung von Besitz an aufgrund des Vertrages übergebenen Sachen (S. 529-531) und gegen die Benachteiligung Dritter, die nach der Anfechtungserklärung auch bei Gutgläubigkeit kein Eigentum mehr erwerben können (S. 531-533), richtet. 48 Vgl. etwa Goode, Commercial Law, S. 114, sowie Tettenbom, Rn. 6-08. Kritisch Barker, [1998] C.LJ. 308. Koch, S. 23, spricht von einer "uns ungewöhnlich erscheinende[n] Methodik des anglo-amerikanischen Rechts", dass es ,,[b]ereits im Rahmen der Voraussetzungen, unter denen ein Vertrag aufgelöst (rescinded) werden kann, [... ] eine Reihe von Fragen" erörtere, die "uns als logisch nachrangig erscheinen" müssten. 49 Vgl. etwa Virgo, S. 32-34. 50 In deutscher Sprache vgl. die Darstellungen von Treitel (1991) sowie Hammer. 51 Vgl. dazu Goode, Commercial Law, S. 272, sowie unten Teil 3 D.VI.1.b) bei Fn.401.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
(4) Vertragsbeendigung bei Vertragsbruch (tennination for breach)
Leistungsstörungen, die nicht in das Gebiet der frustration fallen und damit den Vertrag automatisch beendigen, stellen grundsätzlich eine Vertragsverletzung einer Partei (breach of contract) dar, die die Schadensersatzhaftung auslöst. Das englische Recht geht - wie bereits festgestellt - vom Grundsatz der Garantiehaftung aus; ein Verschulden an der Leistungsstörung ist also nicht Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs. 52 Nicht jede Leistungsstörung berechtigt zugleich auch die benachteiligte Partei dazu, den Vertrag zu beendigen. 53 Ihrer drastischen und für die vertragsbrüchige Partei potentiell besonders benachteiligenden Folgen wegen soll die Vertragsaufhebung besonders schweren Fällen der Vertragsverletzung vorbehalten bleiben. In einer Rechtsordnung, die dem Gläubiger einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch zugesteht, ist das Verlangen nach Vertragsbeendigung potentiell ohnehin verdächtig: Durch den Schadensersatzanspruch, der ihm in jedem Fall zusteht, soll der Gläubiger ja bereits so gestellt werden, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden; mehr hat er grundsätzlich nicht zu verlangen. Mit Hilfe bestimmter Methoden der Schadensersatzberechnung kann im Ergebnis darüber hinaus eine Vertragsabwicklung erreicht werden, die einer Beendigung des Vertrages und sogar einer Rückabwicklung nahe kommt: So führt die Rentabilitätshypothese, die - wie noch zu zeigen sein wird - auch im englischen Recht gilt, dazu, dass der Gläubiger im Zweifel den Wert der von ihm erbrachten Leistung als Schaden zurückverlangen kann. Wo noch keine Leistungen ausgetauscht worden sind, kann die Schadensersatzberechnung nach der Differenzmethode ebenfalls bewirken, dass der Gläubiger von seiner vertraglichen Leistungspflicht frei wird. 54 Sinnvoll ist die Vertragsbeendigung daher letztlich nur im Zusammenhang mit Rückabwicklung in Natur oder mittels Wertersatz, also dort, wo der Gläubiger die von ihm erbrachte Leistung zurückbekommen oder sich der von ihm erhaltenen Leistung entle52 Vgl. nur Goode. Commercial Law, S. 114. und bereits oben Teil 2 A.1.1. bei Fn.7. 53 Das englische Recht kennt noch nicht einmal ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht wegen Nichterfüllung der anderen Seite; für den Kaufvertrag über bewegliche Sachen vgl. aber s. 28 Sale of Goods Act 1979 und dazu Goode. Commercial Law, S. 423 f. Im Ergebnis kann natürlich die Konstruktion des Vertrages zu einem Leistungsverweigerungsrecht führen: Wenn Werklohn erst mit Fertigstellung des Werkes geschuldet wird, kann der Besteller ihn bis dahin zurückhalten. Anders etwa beim Mietvertrag. vgl. Taylor v. Webb [1937] 2 K.B. 283: Mieter muss zahlen, obwohl Vermieter gegen Instandhaltungspflicht verstößt; allerdings ist zweifelhaft, ob heute noch so entschieden würde, so schon Beale. S. 27. Vgl. näher zum ganzen Themenkomplex den Aufsatz von Carter (u. a. auch mit rechtsvergleichenden Ausführungen zum CISG). 54 Vgl. dazu Dawson. (1976) 39 M.L.R. 216 f.
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digen will. Aber auch das ist ein potentiell suspektes Begehren: Interessant ist eine solche Vorgehensweise für den Gläubiger nur, wo er seine eigene Leistung im Rahmen des vertraglichen Leistungsaustauschs zu niedrig beziehungsweise die des Schuldners zu hoch bewertet hat. Eine derartige Befugnis zur Zurückverlagerung vertraglich übernommener Risiken kann dem Gläubiger naturgemäß nur unter einschränkenden Voraussetzungen zugestanden werden. 55 Andererseits kann man die Vertragsaufhebung freilich auch als eine Form der Selbsthilfe für den Gläubiger verstehen, die es ihm erspart, den Schuldner in einem langwierigen und nicht unbedingt vorausberechenbaren Prozess auf Schadensersatz zu verklagen - also ein Interesse, das man als durchaus legitim bewerten mag. 56 Angesichts der nicht immer zweifelsfreien Motive, die hinter einer Vertragsbeendigung stehen mögen, nimmt es nicht wunder, dass die dogmatische Begründung des entsprechenden Gestaltungsrechts auch in England Schwierigkeiten gemacht hat. 57 Im Wesentlichen existieren zwei konkurrierende Konstruktionen, die jeweils nur einen Teil der Fälle des Vertragsscheiterns durch Leistungsstörungen erfassen und auch nur einen Teil der Rechtsfolgen befriedigend erklären können. Nach der einen Konstruktion kommt es auf das Gewicht an, das die verletzte Vertragsbestimmung im Rahmen des Vertrages haben soll. Die Erfüllung mancher Vertragsbestimmungen stellt eine Bedingung für die Gegenleistungspflicht der anderen Partei dar; wird gegen die Bestimmung verstoßen, dann kann keine Gegenleistungspflicht entstehen, was praktisch die Beendigung des Vertrages bedeutet. 58 Andere Vertragsbestimmungen dagegen haben nur ein Garantieversprechen zum Inhalt; werden sie nicht eingehalten, dann führt dies nur zu einer Schadensersatzpflicht des Vertragsbrüchigen, ändert aber nichts an der Gegenleistungspflicht der anderen Seite. Diese Unterscheidung zwischen conditions59 einerseits und warranties andererseits,60 die nichts mit der Abgrenzung zwischen Haupt- und Neben55 Treitel zieht die Parallele zur specijic petfonnance (vgl. oben Teil 2 A.Ll.): Auch tennination solle nur dann gewährt werden, wo Schadensersatz inadäquat sei, um die Rechte der anderen Partei zu schützen, vgl. (1967) 30 M.L.R. 144-146. Nach Ansicht von McKendrick, Total Failure of Consideration. S. 228, ist es keineswegs selbstverständlich, dass "the fact that one party is in breach should enable the other party effectively to reverse the contractual allocation of risk"; eine etwaige Rückabwicklung solle deshalb auf das Erfüllungsinteresse beschränkt sein. 56 Vgl. Treifel. (1967) 30 M.L.R. 149. 57 Für eine ausführliche, vergleichsweise zuverlässige Darstellung in deutscher Sprache vgl. die Dissertation von Kern. 58 Zur Entstehung dieser Konstruktion vgl. Goode. Commercial Law, S. 290 f., sowie Rheinstein. S. 193-207. 59 Zur Vieldeutigkeit dieses Begriffes vgl. aber Stoljar. (1953) 69 L.Q.R. 486488.
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pflichten im deutschen Recht zu tun hat,61 liegt auch dem Sale of Goods Act 1979 zugrunde, der sich weitgehend an den von Sir Mackenzie Chalmers entworfenen Sale of Goods Act 1893 anlehnt: Gemäß s. 11(3) des Gesetzes ist bei einer "stipulation in a contract oJ sale" zu unterscheiden, ob sie eine "condition, the breach oJ which may give rise to a right to treat the contract as repudiated", oder eine "warranty, the breach oJ which may give rise to a claim Jor damages but not to a right to reject the goods and treat the contract as repudiated", darstellt. In welche Kategorie eine Vertragsbestimmung einzuordnen ist, ist eine Frage der Auslegung des Vertrages: 62 So können die Parteien auch (aus Sicht eines Außenstehenden) unwichtige Vertragsbestimmungen durch ausdrückliche Vereinbarung zur condition erheben. 63 Die bloße Bezeichnung als condition oder warranty im Vertragstext ist allerdings nicht entscheidend. 64 Geht aus dem Vertragstext nicht unmittelbar hervor, ob jede Verletzung einer Vertragsbestimmung zur Vertragsbeendigung berechtigen soll, dann kommt es darauf an, ob ein Bruch an die "root oJ the matter" gehen würde. 65 Vertragsrechtliche Bestimmungen, die in dispositivem Gesetzesrecht enthalten sind, werden zumindest in neuerer Gesetzgebung meist ebenfalls ausdrücklich klassifiziert: Beim Fahmiskaufvertrag etwa ist die Befugnis des Verkäufers zur VerfüVgl. dazu auch noch näher Beale, S. 35-38. Allenfalls in einem untechnischen Sinn, vgl. etwa Esser, S. 355: ",Hauptpflichten' sind ihrer ,Natur' nach solche, mit denen der Vertrag steht und fällt. Man kann dies durch die Synallagmabindung ausdrücken oder durch die Denkform der condition [... ]. Nebenpflichten, Treupflichten, warranties haben andere Sanktionen, aber gerade dieser Charakter fehlt ihnen." Eine direkte Parallele zieht dagegen Dickson, (1989) 9 OJ.L.S. 449 Fn. 46. 62 So ausdrücklich S. 11(3) Sale of Goods Act 1979 ("depends in each case on the construction 0/ the contract"); vgl. dazu auch noch Rheinstein, S. 194. 63 Vgl. Blackbum J. in Bettini v. Gye (1876) 1 Q.B.D. 187: Auch "some matter, apparently 0/ very little importance", kann von den Parteien zur condition gemacht werden. 64 Vgl. etwa L. Schuler AG v. Wickman Machine Tools Sales Ltd. [1974] A.C. 235: Pflicht eines Handelsvertreters, viereinhalb Jahre lang sechs große Autohersteller mindestens einmal die Woche besuchen zu lassen, trotz gegenteiliger Bezeichnung keine condition, weil es offensichtlich unangemessen sei, dass der Ausfall eines einzigen Besuchs ohne weiteres zur Vertragsbeendigung führen könne. Lord Reid (S. 251) betonte, dass ,,[t]he more unreasonable the result the more unlikely it is that the parties can have intended it, and if they do intend it the more necessary it is that they shall make that intention abundantly dear." Umgekehrt s. 11(3) Sale of Goods Act 1979: ,,[ ... ] a stipulation may be a condition, though called a warranty in the contract." 65 Bettini v. Gye (1876) 1 Q.B.D. 188. Vgl. aber auch die Aussage von Lord Sumner in Bank Une Ltd. v. Arthur Capel & Co. [1919] A.c. 439, wonach ,,[t]he phrase ,goes to the root 0/ the contract', like most metaphors, is not nearly as dear as it seems" - Treitel, (1967) 30 M.L.R. 155, zufolge ein "masterly understatement". 60
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gung über die Sache eine condition (s. 12(1), (5A) Sale of Goods Act 1979), für andere Rechtsmängel wird dagegen nur auf Schadensersatz gehaftet. 66 Dass die verkaufte Sache die ihr zugeschriebenen Eigenschaften haben (s. 13(1), (1A»,67 eine "satisfactory quality" aufweisen (s. 14(2))68 und sich für den vertraglichen Verwendungszweck eignen muss (s. 14(3»,69 stellt jeweils ebenfalls eine condition dar. Das Gleiches gilt für die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Quantität. 7o Im Handelsverkehr gelten auch Bestimmungen über die Leistungszeit grundsätzlich als condition, besteht also eine Vermutung für das Vorliegen eines Fixgeschäftes. 7l Diese Vermutung wird allerdings dort widerlegt, wo die Parteien anderweitige Vereinbarungen für Verzögerungen der Leistung getroffen haben, zum Beispiel durch eine force-majeure-Klausel. 72 Hat der Vertrag keinen Fixgeschäft-Charakter, dann kann der Gläubiger zumindest in manchen Fällen dem Schuldner eine Nachfrist setzen und nach erfolglosem Ablauf die Vertragsbeendigung erklären. 73 Ein Sachschuldner, der die ihm obliegende Vgl. dazu Goode, Commercial Law, S. 294-302. Näher zur komplizierten Kasuistik des "sale by description" Goode, Commercial Law, S. 303-313. Voraussetzung ist, dass die Eigenschaftszuschreibung Vertragsbestandteil geworden ist und nicht lediglich "Geschäftsgrundlage" des Vertrages (vgl. Heilbut, Symons & Co. v. Buckleton [1913] A.c. 30). 68 Dazu Goode, Commercial Law, S. 313-331. 69 Näher Goode, Commercial Law, S. 332-342. 70 S. 30(1), (2) Sale of Goods Act 1979. Kritisch zur unterschiedlichen Behandlung gegenüber sonstigen Mängeln Treitel, (1967) 30 MLR. 140: Erklärt worden sei die Behandlung von Quantitätsabweichungen immer nur mit dem wenig überzeugenden Argument, dem Käufer würde praktisch ein neuer Vertrag aufgezwungen, wenn er die Leistung nicht ablehnen dürfe. 71 Vgl. etwa Bunge v. Tradax Ltd. [1981] 1 W.L.R. 711 (H.L.). Vgl. auch Rheinstein, S. 203 f., sowie in Deutschland § 376 HGB. Im Übrigen gilt allerdings eine Vermutung gegen den condition-Charakter von Bestimmungen über die Leistungszeit, vgl. Beale, S. 84-87; für Geldschulden vgl. s. 10(1) Sale of Goods Act 1979. Auch aus dem Inhalt des Geschäftes kann sich ergeben, dass der Erfüllungszeitpunkt nicht of the essence ist; bei Verträgen über Bauleistungen etwa wäre es natürlich grundsätzlich unangebracht, ein Fixgeschäft anzunehmen. 72 Reale, S. 86. 73 Das gilt jedenfalls bei Grundstückskaufverträgen und wird damit begründet, dass in diesen Fällen keine specijic performance mehr gewährt werden könne; vgl. Stickney v. Keeble [1915] A.c. 386 sowie ferner Behzadi v. Shaftesbury Hotels Ltd. [1992] Ch. I. Ob diese Rechtsprechung darüber hinaus auf andere Verträge zu übertragen ist, bei denen specijic performance zur Verfügung steht, ist unklar, vgl. Reale, S. 89 f. In United Scientijic Holdings Ltd. v. Bumley Borough Council [1978] A.C. 958 gab Lord Fraser seiner Ansicht Ausdruck, dass die Möglichkeit zur Vertragsaufhebung nach vergeblicher Nachfristsetzung auf alle Verträge anwendbar sei; die anderen Richter äußerten sich dazu indes nicht eindeutig. Vgl. ferner s. 48(3) Sale of Goods Act 1979: Zahlt der Käufer den Kaufpreis nicht, kann ihm der Verkäufer den Selbsthilfeverkauf androhen und diesen nach Ablauf einer angemessenen Frist auch durchführen. Das gilt allerdings nur, wo der Verkäufer Eigentümer geblie66
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Leistung vollständig erbracht hat, kann dagegen den Vertrag auch bei längerer Nichtzahlung der anderen Partei nicht aufheben, sondern ist darauf verwiesen, seine Vergütung einzuklagen. 74 Bei einem Verstoß gegen eine condition ist die Vertragsbeendigung stets möglich, gleichgültig, ob der Gläubiger tatsächlich ein schützenswertes Interesse daran hat, sich vom Vertrag zu lösen, oder nicht. 75 In Arcos Ltd. v. Ronaasen76 etwa hatte der Verkäufer Holz geliefert, das nicht die vertraglich vorgesehene Dicke hatte, aber dennoch allen Anforderungen des Käufers entsprach; Vertragsaufhebung wurde zugelassen. In Re Moore & Landauer77 sollten die verkauften Obstkonserven in Kisten zu je 30 Stück verpackt sein; tatsächlich enthielt die Hälfte der gelieferten Kisten nur je 24 Stück, obwohl die Gesamtmenge der vertraglich geschuldeten entsprach. Auch hier konnte der Käufer dem Vertrag entkommen, ohne dass das Gericht überprüfte, ob er durch die abweichende Verpackung der Konserven wirklich einen Nachteil erlitten hatte. Vielleicht noch krasser war der Sachverhalt, der der Entscheidung des Privy Council in Union EagLe Ltd. v. GoLden Achievement Ltd. 78 zugrunde lag: Hier hatten die Parteien als condition vereinbart, dass der Kaufpreis für ein Grundstück bis zwölf Uhr mittags an einem bestimmten Tag zu zahlen sei. Der Käufer erschien um zehn Minuten nach zwölf mit dem Geld. Der Verkäufer konnte den Vertrag wirksam beendigen. Beim Fahrniskauf ist die Zurückweisung der Kaufsache allerdings inzwischen ausgeschlossen, wo der Mangel unerheblich ist; dies gilt freilich nicht für den Verbraucherkauf und auch nur für Mängel, nicht für eine Verzögerung der Leistung?9 ben ist, vgl. Goode, Commercial Law, S. 445 f. - Methodisch etwas zweifelhaft Huber, Leistungsstörungen I, S. 413 Fn. 7, der sich auf Rabe! (Recht des Warenkaufs I, S. 399) zum Beleg für die Aussage beruft, auch in England entspreche es der "allgemeinen Übung in Geschäftskreisen", dass "der Käufer als anständiger Mann [... ] brieflich den Verkäufer zur Leistung auffordert": Ob sich aus einem über sechzig Jahre alten Werk die heutigen Geschäftssitten in England entnehmen lassen, erscheint fraglich. 74 Zur entsprechenden Einschränkung von s. 48(3) Sale of Goods Act 1979 vgl. schon soeben Fn. 73. Kritisch gegenüber derartigen Regelungen, die sich in verschiedenen europäischen Gesetzen (etwa auch im früheren § 454 BGB) finden, Flessner, ZEuP 1997, 315 f. 75 Es gilt lediglich eine so genannte de-minimis-Regel, vgl. Shipton, Anderson & Co. v. Weil Bros. & Co [1912] 1 K.B. 574, wo der Käufer wegen einer Zuviellieferung von rund einem Zweihunderttausendstel der vertraglich vereinbarten Menge vom ganzen Vertrag zurücktreten wollte, was ihm verweigert wurde. 76 [1933] A.C. 470. Vgl. Treite!, (1967) 30 M.L.R. 150 f., 153. 77 [1921] 2 K.B. 519 (C.A.). Kritisch Treite!, (1967) 30 M.L.R. 146, der darauf hinweist, dass aus den einschlägigen Sachverhaltsberichten noch nicht einmal das Motiv des Käufers für die Vertragsaufhebung entnehmen lässt. 78 [1997] 2 All E.R. 215.
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Das Recht, sich auch bei trivialen Vertragsverletzungen vom Vertrag zu lösen, ist allerdings von einem vertraglich vorbehaltenen Recht zum Rücktritt nach eigenem Gutdünken (termination for convenience) zu unterscheiden: Macht eine Partei von dem letztgenannten Recht Gebrauch, dann kann sie zwar Schadensersatz für tatsächlich vorgefallene Vertrags verletzungen (etwa durch Verzögerung der Leistung angefallene Schäden) fordern, nicht aber für die Nichterfüllung insgesamt (so genannte loss of bargain damages).80 Hieraus ergeben sich gelegentlich schwierige Abgrenzungsprobleme. 81 Dass das Recht zur Vertrags beendigung von der Art der verletzten Vertragsbestimmung und nicht von der Schwere der Verletzung abhängig gemacht wird, wird meistens mit dem Interesse an Rechtssicherheit begründet; es soll von Anfang an feststehen, wann der Gläubiger den Vertrag beenden kann, wobei eine natürlich letzten Endes stark ermessensabhängige Diskussion darüber, wie schwerwiegend die Vertragsverletzung war, möglichst vermieden werden soll.82 Allerdings müssen sich die Gerichte dabei bewusst sein, dass die Auslegung, die sie einer Vertragsbestimmung (möglicherweise im Hinblick auf das Ergebnis im konkreten Fall) geben, vermutlich in anderen Fällen übernommen werden wird, wo sie nicht unbedingt passen mag. 83 Die Rechtsprechung hat in manchen Fällen versucht, durch die Annahme so genannter innominate oder intermediate terms Abhilfe zu schaffen. Bei derartigen Vertragsbestimmungen soll nicht von vorneherein festgelegt werden, ob sie nur zu Schadensersatz oder auch zur Vertragsaufhebung berechtigen; vielmehr soll es dafür auf die Schwere der Vertragsverletzung ankommen. In Hong Kong Fir Shipping Co. Ltd. v. Kawasaki Kisen Kaisha Ltd.,84 dem leading case auf diesem Gebiet, hatte ein Reeder ein Schiff auf 79 So s. 15A Sale of Goods Act 1979; entsprechend für Quantitätsabweichungen s. 30(2A) Sale of Goods Act. Die Einschränkung im Hinblick auf den Verbraucherkauf beruht offenbar auf der Überlegung, dass es gerade für Verbraucher unzumutbar sein kann, mangelhafte Waren behalten zu müssen (selbst wenn der Kaufpreis gemindert wird), während ein Kaufmann in diesem Fall die Sache weiterverkaufen oder abschreiben kann, vgl. Treitel, (1967) 30 M.L.R. 150; vgl. auch Beale, S. 101. 80 Vgl. dazu Furmston, Law of Contract, S. 1178. 8! Vgl. etwa Financings Ltd. v. Baldock [1963] 2 Q.B. 104 und demgegenüber Lombard North Central pie v. Butterworth [1987] Q.B. 527; Furmston, Law of Contract, S. 1178. Vgl. ferner Friedmann, Good Faith, S. 403 Fn. 12 m.w.N. Laut Kern, S. 55, soll es sich um eine "Besonderheit [... ] bei lang andauernden Verträgen" handeln. 82 Vgl. näher die Diskussion bei Beale, S. 96-103. 83 So auch Ormrod LJ. in Cehave N. V. v. Bremer Handelsgesellschaft mbH (The Hansa Nord) [1976] Q.B. 82. 84 [1962] 2 Q.B. 26.
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24 Monate verchartert und dabei zugesichert, es sei "in every way fitted for ordinary cargo service". Tatsächlich waren die Motoren des Schiffs veraltet und hätten ständige Überwachung erfordert. Reparaturen wurden notwendig, die 18 Wochen in Anspruch nahmen. Für diesen Zeitraum mussten die Charterer aufgrund einer ausdrücklichen Vertragsbestimmung allerdings nichts bezahlen. Mittlerweile waren jedoch die Chartertarife um die Hälfte gefallen, und die Charterer wollten aus der Vertragsbindung entkommen. Nach Ansicht vor allem von Diplock LJ. war der genaue Inhalt der Zusicherung der Seetauglichkeit des Schiffes so umfangreich und komplex, dass man nicht bei jedem (möglicherweise trivialen) Verstoß das Recht zur Aufhebung des Vertrages bejahen könne; vielmehr komme es darauf an, ob der konkrete Verstoß so schwer sei, dass der benachteiligten Partei dadurch im Wesentlichen der ganze vertraglich vorgesehene Vorteil entgehe. 85 In Cehave N. V. v. Bremer Handelsgesellschaft mbH (The Hansa Nordl 6 wurde diese Technik ebenfalls angewandt, um ein offenkundig arglistiges Verhalten einer Partei zu sanktionieren. 87 Hier war eine Ladung von gepresstem Zitrusfruchtfleisch auf dem Transport nach Rotterdam zum Teil durch Überhitzung beschädigt und deshalb insgesamt von der Käuferin abgelehnt worden. Die Ware wurde in Rotterdam zwangsversteigert, wobei sie von einem Strohmann der Käuferin zu einem Bruchteil des vereinbarten Kaufpreises erworben und, wie von vornherein geplant, in der Produktion von Viehfutter verwendet wurde. Der Court of Appeal entschied, die Käuferin habe den Vertrag nicht beendigen, sondern nur Schadensersatz für die mangelhafte Qualität der Ware verlangen können. Im Ergebnis entsprechen die intermediate terms übrigens der Auslegung, die die Gerichte seit jeher so genannten no-rejection-Klauseln gegeben haben, also Bestimmungen, die die Vertrags beendigung bei Mängeln ausschließen. Solche Bestimmungen sind so verstanden worden, dass das Recht zur Vertragsbeendigung nicht als abbedungen gelten soll, wo die Mängel besonders schwerwiegend sind. 88 Auch insoweit unterliegt das Gestaltungsrecht zur Vertrags beendigung also richterlicher Kontrolle. Die konkurrierende dogmatische Konstruktion gewährt dann ein Recht zur Beendigung des Vertrages, wenn die Vertragsverletzung als "repudiation", also als Lossagung vom Vertrag verstanden werden kann. In dieser Sichtweise stellt ein Verhalten, das erkennen lässt, dass der Schuldner die vertragliche Bindung nicht mehr will, gewissermaßen ein Angebot zur AufVgl. auch die differenzierende Diskussion bei Treitel, (1967) 30 M.L.R. 139. [1976] Q.B. 44 (C.A.). 87 Atiyah (Introduction, S. 407, Fn. 18) kommentiert, dass ,Justice was done (if at some perversion 0/ legal principle)". 88 Vgl. Vigers v. Sanderson [1901] 1 Q.B. 608. Möglicherweise anders, aber nicht eindeutig Mead, (1991) 11 L.S. 173. 85
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hebung des Vertrages dar, das der Gläubiger durch seine Gestaltungserklärung annehmen kann. 89 Dazu muss die Vertragsverletzung ihrerseits allerdings hinreichend schwerwiegend sein. 9o Diese Konstruktion ist natürlich besonders vorteilhaft in Fällen des so genannten vorweggenommenen Vertragsbruchs (anticipatory breach), also etwa der Erfüllungsverweigerung oder der absehbaren künftigen Nichterfüllung: 91 Sie erklärt (ohne dass Hilfskonstruktionen wie die Annahme einer Vertragspflicht, sich zur Erfüllung bereitzuhalten, herangezogen werden müssen),92 warum die vertragstreue Partei nicht erst den vertraglich vereinbarten Erfüllungszeitpunkt abwarten muss, sondern den Vertrag gleich beenden kann. 93 Daneben verträgt sich diese Konstruktion auch zwangloser als die Bedingungslehre mit der Annahme, dass die Vertragsaufhebung nicht automatisch wirkt, die vertragstreue Seite also auch den Bruch einer condition als Bruch einer bloßen warranty behandeln, den Vertrag aufrechterhalten und Schadensersatz verlangen kann;94 und auch die ex-nunc-Wirkung der Vertragsbeendigung erscheint eher mit der repudiation-Lehre vereinbar. 89 Vgl. Asquith LJ. in Howard v. Pickford Tool Co. Ltd. [1951] I K.B. 421: ,,An unaccepted repudiation is a thing writ in water." Vgl. dazu auch Shea. (1979) 42 M.L.R. 631 f. 90 In Decro-Walt International S.A. v. Practitioners in Marketing Ltd. [1971] I WLR. 361 zahlte die Beklagte, die Handelsvertreterin für die Klägerin war, regelmäßig ein paar Tage zu spät. Obwohl damit zu rechnen war, dass dieser Zustand andauern würde, verneinte der Court of Appeal das Vorliegen einer repudiation: Die rechtzeitige Zahlung war nicht of the essence. und die Klägerin war durch die Möglichkeit, Verzugszinsen zu erheben, hinreichend geschützt. 91 Dazu vgl. Universal Cargo Carriers Corp. v. Citati [1956] 2 Q.B. 401 (insb. S. 436). Näher auch Beale, S. 68-73. 92 Für eine solche Pflicht argumentiert allerdings Goode, Commercial Law, S. 130: "In truth, the breach is not anticipatory at alt; the guilty party has broken an existing obligation to hold himself willing and able to perform." Vgl. Schlechtriem, Abstandnahme, S. 170, der insoweit von einer "Frage des zufällig zu Gebote stehenden dogmatischen Instrumentariums" spricht. v. Caemmerer. Gesammelte Schriften I, S. 7, weist unter Berufung auf Rabel zu Recht darauf hin, dass es in der Sache um das Verbot des venire contra factum proprium gehe. 93 Zur Entstehung dieser Lehre vgl. Atiyah. Rise and Fall, S. 426 f. Zur Frage, ob der Gläubiger bis zum Erfüllungszeitpunkt frei wählen kann, ob er den Vertrag beenden oder weiter auf Leistung bestehen will, vgl. Kern. S. 152-155 m. w.N. 94 Zu den Umständen, unter denen ein solcher waiver of condition anzunehmen ist, vgl. Beale, S. 118-121. Zur Frage, unter welchen Umständen der Gläubiger es sich nachträglich anders überlegen und doch noch Vertrags aufhebung erklären kann, vgl. Treitel, (1998) 114 L.Q.R. 22. Hält der Gläubiger den Vertrag aufrecht, so richtet es sich nach den Bestimmungen des Vertrages, ob und wann das Recht auf die Gegenleistung entsteht; wenn ein Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß arbeitet, braucht der Arbeitgeber unter Umständen den Lohn nicht zu zahlen, obwohl er sich entscheidet, den Arbeitnehmer nicht zu entlassen, vgl. Miles v. Wakefield [1987] A.c. 539 und dazu Mead, (1991) 11 L.S. 174 f.
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Ein allgemeines Recht zur Nachbesserung oder Nachlieferung hat der Schuldner nicht. Deshalb wird auch häufig die Zurückweisung eines nicht vertragsgemäßen Erfüllungsangebots (rejection) mit der Beendigung des Vertrages gleichgesetzt95 - ein Gedanke, der im Autorenkommentar zu den Principles of European Contract Law ebenfalls begegnen wird. 96 Streng genommen ist das aber nicht richtig, wie in der englischen Literatur von verschiedenen Autoren hervorgehoben wird: 97 Zwar kann das Erfüllungsangebot grundsätzlich nur dann zurückgewiesen werden, wo es an einem Mangel leidet, der auch zur termination berechtigen würde;98 und dort, wo das Recht zur Zurückweisung verloren gegangen ist - etwa durch Zeitablauf oder weil der Käufer sich mit der empfangenen Ware zufrieden gegeben hat _,99 scheidet auch die Vertragsbeendigung aus. IOO Umgekehrt allerdings berechtigt die Zurückweisung noch nicht unbedingt zur Vertragsbeendigung: Der Gläubiger muss sich einen erneuten Erfüllungsversuch gefallen lassen, solange dieser zeitlich und inhaltlich noch vertragsgemäß ist. 101 Das gilt allerdings wohl nicht, wo eine Leistung selbst so mangelhaft ist, dass sie als repudiation einzustufen ist. 102 Jedenfalls dort, wo die Beendigung des Vertrages dem Schuldner ein dingliches Recht nehmen würde - etwa bei einem lease, wenn der Pachtzins nicht pünktlich gezahlt worden ist oder der Pächter gegen Instandhaltungspflichten verstoßen hat und der Ver95 So meinte Devlin J. in Kwei Tek Chao v. British Traders & Shippers Ltd. [1954] 2 Q.B. 480, das Recht zur Zurückweisung sei "merely a particular form of the right to rescind". 96 Vgl. unter Teil 2 E.II.l.a) bei Fn. 759. 97 Vgl. Goode, Commercial Law, S. 362-366; Beale, S. 91-93. 98 Vgl. für den Kaufvertrag Goode, Commercial Law, S. 358 f.; wie dort festgehalten wird, kann aber ein darüber hinausgehendes Recht zur Zurückweisung durch ausdrückliche Vereinbarung oder express term vorbehalten sein. 99 Zu den Umständen, unter denen das Recht zur Zurückweisung verloren geht, vgl. Goode, Commercial Law, S. 360 f. sowie näher zu acceptance (geregelt in s. 35 Sale of Goods Act 1979) S. 367-384. Sind mehrere Sachen gemeinsam verkauft, berührt die Annahme oder Zurückweisung einzelner davon nicht den Rest, s. 35A Sale of Goods Act 1979 (eingefügt durch den Sale and Supply of Goods Act 1994). Verliert der Käufer nach Erklärung der Vertragsbeendigung das Recht zur Zurückweisung der Ware, dann wird die Vertragsbeendigung gegenstandslos, so jedenfalls Bingham L.I. in Tradax Export S.A. v. European Grain & Shipping Ltd. [1983] 2 Lloyd's Rep. 107. 100 So schon seit mehreren Jahrhunderten die ständige Rechtsprechung, vgl. Stoljar, (1959) 75 L.Q.R. 69 f. m. w. N. 101 So auch Lord Goff in Motor Oi/ Hellas (Corinth) Refineries S.A. v. Shipping Corp. of lndia (The Kanchenjunga) [1990] I Lloyd's Rep. 399; vgl. ferner die Entscheidung des Court of Appeal in Borrowrnan Phi/Ups & Co. v. Free & Hollis (1878) 4 Q.B.D. 500: Der Verkäufer ist in einem solchen Fall an eine frühere Konkretisierung nicht gebunden. 102 Vgl. Goode, Commercial Law, S. 366.
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pächter ihm deshalb kündigen will -, kann das Gericht darüber hinaus im Rahmen seiner equity-Rechtsprechung relief against forfeiture, im Ergebnis also eine Frist zur Nacherfüllung, gewähren. 103 Das Recht zur Vertragsbeendigung geht verloren, wo sie - aufgrund Zeitablaufs oder aus anderen Gründen - widersprüchliches Verhalten darstellen würde. Der Käufer etwa kann die mangelhafte Kaufsache nicht mehr zurückweisen, wenn er sie angenommen hat (s. 11(4) Sale of Goods Act 1979).104 Annahme liegt dann vor, wenn sie dem Verkäufer gegenüber ausdrücklich erklärt wird (s. 35(l)(a))105 oder wenn der Käufer mit einer Sache, die ihm übergeben worden ist, in einer Weise verfährt, die mit dem Eigentum des Verkäufers unvereinbar ist (s. 35(l)(b)).106 Das gilt seit der Änderung durch den Sale and Supply of Goods Act 1994 jedoch nicht mehr, wenn der Käufer keine angemessene Gelegenheit zur Untersuchung der Sache gehabt hat (s. 35(2)). Ferner wird die Annahme fingiert, wenn der Käufer die Kaufsache länger als eine angemessene Zeit behält, ohne sie zurückzuweisen (s. 35(4)).107 Die Einzelheiten sind freilich unklar. 108 Für 103 Für eine ausführliche Darstellung der Grundlagen vgl. jetzt L. Smith, [2001] C.L.J. 178. Vgl. insbesondere auch s. 129 Consumer Credit Act 1974 (allgemeine Befugnis des Gerichts, Leistungsaufschub zu gewähren); im Übrigen vgl. Scandinavian Trading Tanker Co. AB v. Flota Petrolera Ecuatoriana (The Scaptrade) [1983] 2 A.c. 694: kein relief against forfeiture bei einem Schiffschartervertrag, da der Charterer kein dingliches Recht erwirbt. Schadensersatz für die Verzögerung muss der Schuldner dagegen in jedem Fall zahlen, vgl. auch Raineri v. Miles [1981] A.C. 1050. Vgl. ferner Furmston, Law of Contract, S. 1184; Harpum, [1984] c.L.J. 140144, 146-156. 104 Widersprüchlich insoweit Herold, S. 223 f.: Annahme sei "nicht nur körperliche Entgegennahme der Ware", sondern schließe "Anerkennung als vertragsgemäße Leistung unmittelbar ein"; der Käufer könne jedoch "die auf Schadensersatz zielenden Rechte [... ] wegen Verletzung einer warranty geltend machen". Letzteres zeigt, dass die Annahme gerade keine Anerkennung der Ware als vertragsgemäß bedeutet, sondern lediglich einen Verzicht auf Zurückweisung der angebotenen Ware als nicht vertragsgemäß. Ähnlicher Konfusion wie Herold sind auch die Autoren der Principles of European Contract Law zum Opfer gefallen, vgl. unten Teil 2 E.II.l.a), Fn.727. 105 Das gilt auch dann, wenn der Käufer die Ware irrtümlich für mangelfrei gehalten hat; unzutreffend daher Herold, S. 234, der zufolge der Käufer erklären muss, dass er die Ware "trotz ihrer Mangelhaftigkeit" behalten wolle. 106 Näher Goode, Commercial Law, S. 370-380. Dort wird besonders hervorgehoben, dass die Zurückweisung restitutio in integrum voraussetzt. Der Käufer müsse also grundsätzlich zum Zeitpunkt der Zurückweisung in der Lage sein, die Sache zurückzugeben (S. 375 0. 107 Dabei ist nicht unbedingt erforderlich, dass der Käufer eine Möglichkeit zur Untersuchung gehabt hat; diese Frage ist jedoch bei der Bemessung der angemessenen Frist zu berücksichtigen (s. 35(5) Sale of Goods Act 1979). 108 Goode, Commercial Law, S. 376 nennt die Bemessung der "reasonable time" in s. 35(4) Sale of Goods Act 1979 "one of the most troublesome problems in sales
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Verbraucherkäufe wird dem Käufer nunmehr in Umsetzung der einschlägigen Richtlinie ein gesetzliches Rücktrittsrecht bei Verweigerung, Fehlschlagen oder Unangemessenheit der Nachbesserung gewährt. 109 Ein Nachbesserungsverlangen gegenüber dem Verkäufer stellt aber ebenso wie eine Weiterveräußerung für sich genommen noch keine Annahme dar (s. 35(6)(a) und (b)). 110 Annahme einzelner Kaufsachen aus einer Gesamtmenge schließt die Zurückweisung der übrigen Sachen nicht aus (so jetzt s. 35A Sale of Goods Act 1979, eingefügt durch den Sale and Supply of Goods Act 1994), wobei allerdings "commercial units" nicht geteilt werden dürfen (s.35(7)).111 Die Wirkungen der Vertragsbeendigung sind, verglichen mit den anderen Kategorien des Vertragsscheiterns, relativ komplex. Die Beendigung des Vertrages führt grundSätzlich dazu, dass noch nicht fällig gewordene Vertragspflichten nicht mehr fällig werden können. 112 An die Stelle der Primärleistungspflichten tritt die Pflicht der vertragsbrüchigen Partei, Schadensersatz zu leisten. ll3 Soweit Vertragspflichten dagegen bereits entstanden sind, bleiben sie bestehen; 114 im Grundsatz kann jede Partei deshalb empfangene Leistungen behalten und fällige Leistungen weiter geltend machen. Bei Dauerschuldverhältnissen wirkt die Beendigung des Vertrages also nur für die Zukunft, das heißt als Kündigung. In Healey v. Societe Anonyme Franr.;aise Rubastic l15 hatte ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum bis zum Mai 1915 schwere Verstöße gegen seinen Dienstvertrag begangen, die jedoch erst im Laufe des Oktober 1915 entdeckt wurden, woraufhin der Arbeitnehmer entlassen wurde. Der Arbeitnehmer konnte sein Gehalt noch bis einschließlich September 1915 beanspruchen. 116 Bei Mietverträgen 117 und im Gesellschaftsrecht l18 wird entsprechend entschieden. law" und konstatiert, dass es schwer sei, Verbrauchern "confident advice on the point" zu geben. 109 Vgl. die neue s. 48C des Sale of Goods Act; zur Diskussion de lege ferenda vgl. Watterson, (2001) 9 ERPL 210 f., 215. 110 Vgl. Goode, Commercial Law, S. 375, der auf die Möglichkeit verweist, dass
der Käufer die Kaufsache von seinem eigenen Abnehmer zurück erwirbt, so dass er sie zurückweisen kann. Ein Rückerwerb nach Erklärung der Zurückweisung hilft ihm aber nichts mehr, vgl. Hardy & Co. v. Hillerns & Fowler [1923) 2 KB. 490 (insbesondere Bankes L.J., S. 496, und Atkin L.J., S. 499). 111 "Commercial unit" wird in dieser Bestimmung definiert als "a unit division of
which would materially impair the value of the goods or the character of the unit". 112 Vgl. etwa Beale, S. 104. 113 Lord Diplock in Moschi v. Lep Air Services [1973) A.c. 350. 114 Vgl. etwa Johnson v. Agnew [1980) A.c. 396. Zutreffend insoweit Herold, S. 224. Unpräzise Kern, S. 51, der zufolge ,,[d)urch ,rescission' bei Vertragsverlet-
zung [... ) die Primärleistungspflichten bei der Parteien aufgehoben" werden. 115 [1917] 1 KB. 946.
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Diese Grundsätze unterliegen allerdings verschiedenen Einschränkungen. Eine Rückforderung erbrachter Leistungen ist möglich, wo die bereicherungsrechtlichen Regeln (dazu sogleich III.) es zulassen. 1I9 Regelmäßig ist der richtige Anspruchsgrund für die Rückforderung von Geldzahlungen total failure of consideration (unten IIl.l.b».l2o Die - auch die Vertragsbeendigung überdauernde - Wirksamkeit des Vertrages beschränkt indes ihrerseits den Anwendungsbereich der bereicherungsrechtlichen Regeln. So wird herkömmlich zwischen Angeldern (deposits) und Teilzahlungen (part payments) unterschieden. 121 Ein Angeld soll als Sicherheit für ordnungsgemäße Erfüllung dienen; es kann daher grundsätzlich nicht zurückgefordert werden, wenn der Vertrag aufgrund Vertragsbruchs des Käufers aufgehoben wird. 122 Bei Grundstückskaufverträgen gibt s. 49(2) Law of Property Act 1925 dem Gericht allerdings das Recht, nach seinem Ermessen die Rückzahlung anzuordnen. 123 Nicht ganz klar ist, ob ein noch nicht gezahltes 116 Ähnlich auch SOS Kinderdorf International v. Bittaye [1996] 1 W.L.R. 987 (P.C.). 117 Vgl. etwa Brooks v. Beirnstein [1909] 1 K.B. 98. Zum ganzen Komplex vgl. Funnston, Law of Contract, S. 1180 f. 118 Vgl. Hurst v. Bryk [2000] 2 W.L.R. 740 (H.L.): Mitglied einer Anwaltssozietät, das wegen unberechtigter Aufkündigung der Sozietät durch die übrigen Mitglieder ausscheidet, haftet im Innenverhältnis weiter für seinen Anteil an den bereits dem Grunde nach entstandenen Verbindlichkeiten der Sozietät, also etwa auch für den künftig anfallenden Mietzins aus einem vor Auflösung der Sozietät geschlossenen langfristigen Mietvertrag. 119 Seltsam deshalb die Aussage von O'Sullivan, [2000] C.LJ. 527, dass ,,[t]here is no need lor restitution and thus there is no associated problem with counter-restitution". Soweit die Leistungen nach dem Vertrag an sich noch zu erbringen wären, kann auch nach englischem Recht eingewandt werden, dass das gezahlte Geld nach Bereicherungsrecht sogleich rückforderbar wäre; begründet wird dies mit dem Gedanken, dass eine "circuitry 01 actions" verhindert werden solle, vgl. Rover International Ltd. v. Cannon Film Sales Ltd. (No. 3) [1989] 1 W.L.R. 936. 120 Vgl. Devlin J. in Kwei Tek Chao v. British Traders & Shippers Ltd. [1954] 2 Q.B.475. 121 Vgl. etwa Harpum, [1984] C.LJ. 134 f. Vgl. dazu auch noch Kern, S. 103 f. 122 Howe v. Smith (1884) 27 Ch. D. 89: Verkäufer kann zurücktreten, aber das deposit behalten. Vgl. Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 390. Anders allerdings, wenn das Angeld im Ergebnis als Vertragsstrafe wirkt, vgl. S. 392 f. Das soll bei Grundstückskaufverträgen regelmäßig der Fall sein, wenn das Angeld 10% der Kaufsumme übersteigt; in diesem Fall ist der volle Betrag rückforderbar, also nicht lediglich der 10% übersteigende Anteil, vgl. Workers Trust & Merchant Bank Ltd. v. Dojap Investments Ltd. [1993] A.c. 573. Freilich muss sich eine Partei auf den Vertragsstrafencharakter des Angeldes berufen; vgl. Omar v. El-Wakil [2001] EWCA Civ 1090, wo dies nicht geschah, obwohl das Angeld 31 % des Kaufpreises betrug. Außerdem bestimmt Sched. 3, para. (d) der Unfair Tenns in Consumer Contracts Regulations 1994, S.1. 1994 No. 3159, dass entsprechende Bestimmungen in Verbraucherverträgen grundsätzlich als ungerechtfertigte Benachteiligung des Verbrauchers gelten.
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Angeld trotz der Vertragsaufhebung noch gefordert werden kann. 124 Wo der Verkäufer den Vertrag bricht, kann der Käufer sein Angeld dagegen nach den allgemeinen bereicherungsrechtlichen Regeln zurückverlangen. 125 Dabei scheint es entscheidend darauf anzukommen, wer das Scheitern des Vertrages zu vertreten hat. 126 Schwieriger zu beantworten ist die Frage, inwieweit das Fortbestehen des Vertrages für die Vergangenheit einer Rückforderung erbrachter Leistungen entgegensteht; besonders groß sind die Schwierigkeiten, wenn die Vertragsbeendigung auf den Vertragsbruch des Klägers zurückgeht. In Dies v. British and International Mining and Finance Corp. Ltd. 127 etwa hatte der Rechtsvorgänger des Klägers beim Beklagten Gewehre und Munition für f 270.000 bestellt und f 100.000 dafür angezahlt, die Ware später jedoch nicht abgenommen, woraufhin der Beklagte vom Vertrag zurückgetreten war. Stable J. entschied, dass der Kläger die Anzahlung zurückverlangen könne, soweit dem Beklagten nicht Schadensersatzansprüche zuständen, mit denen ihm eine Aufrechnung möglich sei. 128 Diese Entscheidung ist allerdings auf Kritik gestoßen. 129 In Hyundai Heavy Industries Co. Ltd. v. Papadopoulos l3o hatte das House of Lords über einen Schiffsbauvertrag zu 123 Dazu Harpum, [1984] C.LJ. 169-175, sowie jetzt Omar v. EI-Wakil [2001] EWCA Civ 1090, wo die Auslegung der Bestimmung ausführlich diskutiert und betont wird, der Käufer dürfe sein Angeld nicht lediglich deshalb zurückfordern, weil der Vertrag gescheitert sei; dem Verkehr sei allgemein bekannt, dass ein Grundstückskäufer sein Angeld verliere, wenn er den Vertrag nicht erfülle, zudem komme es in diesem Zusammenhang auf Rechtssicherheit besonders an (Nr. 32-37 der Entscheidungsgründe, Arden L.J.). 124 Dagegen Lowe v. Hope [1970] 1 Ch. 94 (Pennycuick J.); anders aus Gründen der "Symmetrie" Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 391 f., sowie Beale, S. 113. Auch Furmston, Law of Contract, S. 1182, zufolge ist "the better view", dass das Angeld eingeklagt werden kann; Lowe v. Hope beruhe auf der überwundenen Theorie, dass der Vertrag rückwirkend beendet werde. Anders übrigens auch die frühere Entscheidung Hinton v. Sparkes (1868) L.R. 3 C.P. 161, die indes im Fall Lowe nicht zitiert wurde. 125 Vgl. Barber v. NWS Bank plc [1996] I W.L.R. 641. 126 In Omar v. EI-Wakil [2001] EWCA Civ 1090 wurde dem Käufer die Rückforderung versagt, weil beide Parteien den Vertrag nicht erfüllen konnten. In In re Scott and Alvarez's Contract [1895] 2 Ch. 603 (C.A.) scheiterte die Vertragsdurchführung an einem Rechtsmangel, für den der Verkäufer jedoch die Haftung ausgeschlossen hatte; die Rückforderung des Angeldes wurde verweigert. 127 [1939] 1 K.B. 724. 128 Ähnlich auch Mayson v. Clouet [1924] A.c. 980 (P.c.): Hier hatten die Käufer eines Grundstücks ein Angeld und zwei Raten geleistet, den Vertrag im Übrigen aber nicht mehr erfüllt. Die Verkäufer hatten anderweitig über das Grundstück verfügt. Die Ratenzahlungen waren rückforderbar, das Angeld dagegen nicht. Harpum, [1984] C.LJ. 135, meint allerdings, die Entscheidung lasse sich nur damit erklären, dass die Ratenzahlungen "conditionally upon the completion 01 the contract" erbracht worden seien.
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entscheiden, bei dem, wie üblich, Teilzahlungen nach Baufortschritt zu erbringen waren; obwohl der Verkäufer am 6. September vom Vertrag zurückgetreten war, konnte er eine am 15. Juli fällig gewordene Rate noch von einem Bürgen einklagen. 131 Der Unterschied zwischen beiden Entscheidungen erklärt sich - jedenfalls dem Court of Appeal in Rover International Ltd. v. Cannon Film Sales Ltd. (No. 3)132 zufolge - damit, dass es sich im ersten Fall um einen Kaufvertrag, im zweiten dagegen um einen Werklieferungsvertrag handelte: 133 Während der Käufer in Dies l34 für seine Zahlung noch keinerlei Gegenleistung erbracht hatte, hatte sich die Werft in Hyundai l35 ihre Rate "verdient". Auch die Entscheidung im leading case zur Rückabwicklung gescheiterter Verträge, Fibrosa Spolka Akcyjna v. Fairbairn Lawson Combe Barbour Ltd.,136 ist wohl nur damit zu erklären, dass das House of Lords einen Kaufvertrag und nicht einen Werklieferungsvertrag annahm. 137 Eine andere Abgrenzung nahm allerdings der High Court of Australia in Baltic Shipping Company v. Dillon (The Mikhail LermontoV),138 dem Fall der auf vierzehn Tage angelegten, nach zehn Tagen jedoch durch Schiffbruch beendeten Kreuzfahrt, vor. Nach Ansicht von Mason C.J. stand die Vorauszahlung in Dies l39 unter der auflösenden Bedin129 Zustimmend aber Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 393 f.: Wenn Vorleistungen ohne weiteres als Sicherheit für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung genutzt werden könnten, würde dies die komplizierten Abgrenzungen zwischen Angeldem und Teilleistungen überflüssig machen; außerdem hätte der Verkäufer im Fall Dies einen ,,fantastic windfall" erhalten, wenn er sowohl die Vorauszahlung als auch die Kaufsache hätte behalten dürfen. Ähnlich auch Tettenbom, Rn. 6-24, der jedoch die Frage aufwirft, ob der Verkäufer das Geld hätte behalten dürfen, wenn er nicht zurückgetreten wäre. 130 [1980] 1 W.L.R. 1129. Ganz ähnlich das House of Lords in Stocznia Gdanska S.A. v. Latvian Shipping Co. [1998] 1 W.L.R. 574. 131 Kritisch Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 397, und Atiyah, Introduction, S. 410. 132 [1989] 1 WLR. 912. 133 Diese Unterscheidung hatten in Hyundai allerdings nur zwei Richter, Viscount Dilhome und Lord Fraser, getroffen. Dagegen bezweifelten Lord Russell und Lord Keith, dass der Käufer weiter für die Raten hafte, nahmen aber an, dass es sich nicht um eine Bürgschaft, sondern um eine Garantie handele. Lord Edmund-Davies schließlich stützte sich auf die fehlende Rückwirkung der Vertragsaufhebung. Vgl. dazu aber auch die Interpretation des House of Lords in Stocznia Gdanska S.A. v. Latvian Shipping Co. [1998] 1 WLR. 574 und BeatsonlTolhurst, [1998] C.LJ. 256. 134 [1939] 1 K.B. 724. 135 [1980] 1 WLR. 1129. 136 [1943] A.C. 32. 137 Die Beklagte, eine britische Firma, hatte sich im Sommer 1939 verpflichtet, für die Klägerin, ein polnisches Unternehmen, Maschinen herzustellen und nach Polen zu liefern. Das war infolge des Kriegsausbruchs nicht mehr möglich. Die Klägerin konnte eine Vorauszahlung auf den Kaufpreis in voller Höhe zurückverlangen. 138 (1993) 111 A.L.R. 289.
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gung, dass die Leistung nicht erbracht werde; bei dem im voraus gezahlten Preis für die Kreuzfahrt lasse sich das aber nicht annehmen: Es sei unrealistisch, dass die Klägerin den gezahlten Betrag in voller Höhe zurückfordern könne, wenn erst auf der Rückfahrt nach Sydney die Motoren ausfallen sollten. 140 Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung scheidet auch dort aus, wo der Vertrag eigene Rückabwicklungsbestimmungen für den Fall der Vertragsbeendigung enthält. Das kann insofern zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen, als eine entsprechende Regelung nicht ausdrücklich im Vertrag enthalten sein muss, sondern auch auf einem "implied term" beruhen kann. Derartige "implied terms" können nach englischem Recht auf ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder Handelsbrauch beruhen, aber auch vom Gericht in den Vertrag "hineingelesen" werden, wo dies generell für alle Verträge einer bestimmten Art sinnvoll oder zur Wirksamkeit eines individuellen Vertrages unbedingt erforderlich iSt. 141 In Cargill International S.A. v. Bangladesh Sugar and Food Industries Corporation l42 etwa nahm der Court of Appeal an, dass die aufgrund eines so genannten performance bond gezahlten Gelder zurückzuerstatten seien, soweit sie den vom Berechtigten erlittenen Schaden überstiegen. Begründet wurde dies unmittelbar aus dem Wesen des performance bond: Die "balance of commercial fairness" verlange, dass der Gläubiger zum Ausgleich für seine Besserstellung durch die Möglichkeit eines Zugriffs auf den performance bond die ihm nicht zustehenden Beträge zurückzahle. In der Literatur wird allerdings davor gewarnt, dass mit solchen Begründungen die allgemeinen Prinzipien des Bereicherungsrechts aufgeweicht und statt dessen für einzelne Vertragstypen maßgeschneiderte Rückabwicklungsregime etabliert werden könnten. 143 Unklar ist auch, ob die Vertragsaufhebung dingliche Wirkung hat. 144 In Total Oil v. Thompson Garages l45 sprach sich Lord Denning M.R. für den [1939] 1 K.B. 724. Baltic Shipping Company v. Dillon (The Mikhail Lermontov) (1993) 111 A.L.R. 294 f. 141 Vgl. Liverpool City Council v. Irwin [1977] A.C. 239. Zu implied terms vgl. in deutscher Sprache den Aufsatz von Schmidt-Kessel, ZVglRWiss 96 (1997), 101, der allerdings - von einigen sachlichen Fehlern und Ungenauigkeiten abgesehen die insoweit eigentlich nicht sonderlich komplizierte Rechtslage in England eher verunklart als erhellt. Vgl. demgegenüber etwa die wesentlich luzidere Darstellung bei Goode, Commercial Law, S. 92-95. 142 [1998] 1 W.L.R. 461. 143 Vgl. McMeel, S. 127, sowie Virgo, S. 41 f. 144 Vgl. Sealy, [1972B] C.LJ. 243 f., der drei verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert: (1) Der Verkäufer bleibt Eigentümer nicht vertragsgemäßer Ware, soweit der Käufer sie nicht annimmt, und trägt demzufolge auch das Risiko; (2) der Käufer wird Eigentümer, obwohl die Ware nicht vertragsgemäß ist, kann sie aber 139
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Fall eines Tankstellenpachtvertrages (ein solcher lease verschafft dem Pächter nach englischem Recht eine dinglich gesicherte Stellung) gegen die automatische Beseitigung des dinglichen Rechtes aus. Allerdings ist die Grundlage dieser Entscheidung nicht ganz zweifelsfrei. 146 Beim Fahrniskauf wird demgegenüber angenommen, dass die berechtigte Zurückweisung gelieferter Waren durch den Käufer den Verkäufer wieder zum Eigentümer mache; damit soll dem Verkäufer die - regelmäßig an das Eigentum gekoppelte - Gefahr eines zufälligen Unterganges jedenfalls ex nunc wieder aufgebürdet werden. 147 Umgekehrt kann der Verkäufer, der vollständig erfüllt hat, den Vertrag ohnehin nicht mehr beenden, sondern nur den Kaufpreis einklagen,148 falls er sich nicht ausdrücklich ein Recht auf "repurehase" der Kaufsache hat einräumen lassen. 149 zurückweisen, weshalb der Verkäufer ebenfalls das Risiko trägt; (3) Eigentum und Risiko gehen trotz Vertragswidrigkeit auf den Käufer über, so dass dieser nur bei Möglichkeit einer restitutio in integrum den Vertrag beendigen kann. Nach Ansicht von Sealy liegt der Unterschied zwischen (I) und (2) vorwiegend darin, wer das Risiko einer fehlenden Versicherung der Ware tragen muss. 145 [1972] I Q.B. 324. 146 Lord Denning M.R. stützte sich auf die Aussagen von Lord Russell of Killowen und Lord Goddard in Cricklewood Property and Investment Trust Ltd. v. Leighton's Investment Trust Ltd. [1945] AC. 234 bzw. 244, denen zufolge ein lease nicht durch frustration enden könne; das müsse erst recht im Falle der Vertragsbeendigung gelten. Dabei übersah er aber geflissentlich, dass die übrigen drei Richter des House of Lords in dieser Entscheidung, nämlich Viscount Simon L.C. (S. 230 f.), Lord Wright (S. 241) und Lord Potter (S. 242), das Gegenteil annahmen; so jetzt auch eindeutig das House of Lords in National Carriers Ltd. v. Panalpina (Northem) Ltd. [1981] AC. 675. 147 Vgl. ferner Sealy, [1972B] C.LJ. 239. Wie bei einem Untergang vor Vertragsaufhebung zu entscheiden ist, wird auch im englischen Recht unterschiedlich beurteilt; vgl. dazu unten Teil 3 D.VII. Auch nach Vertragsaufhebung können den Käufer noch gewisse Obhutspflichten treffen. Vermutlich hierauf bezieht sich Lord Diplock in Photo Production Ltd. v. Securicor Transport Ltd. [1980] AC. 850, mit der Aussage, die Vertragsbeendigung "may leave the parties in a relationship, typically that of bailor and bailee". 148 Vgl. schon bei Fn. 74 in diesem Abschnitt. Dabei liegt natürlich derselbe Gedanke zugrunde wie in § 454 BGB-alt; allerdings hatte die deutsche Vorschrift einen wesentlich engeren Anwendungsbereich, weil sie als Ausnahmevorschrift verstanden wurde (PalandtlPutzo § 454 Rn. I), ohnehin nicht eingriff, wo ein Eigentumsvorbehalt bestand, und im Übrigen meistens abbedungen wurde. Die Schuldrechtsreform hat die Vorschrift beseitigt, vgl. unten Teil 2 B.II. Abwegig M. Krebs, S. 57 Fn. 359, wonach im englischen Recht ,,[s]elbst ein Schadensersatz- oder Zinsanspruch wegen der Zahlungsverspätung [... ] in der Regel" ausscheiden soll. 149 Für eine solche Möglichkeit Goode, Commercial Law, S. 448. Dagegen würde die Vereinbarung, dass das Eigentum bei Nichtzahlung automatisch an den Verkäufer zurückfallen soll, dem Verkäufer ein pfandrechtsähnliches Recht verschaffen, das den Registrierungspflichten nach den Bills of Sale Acts unterliegen würde, vgl. ebenda, insb. Fn. 172.
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(5) Ausschluss der Klagbarkeit (unenforceable contracts) Die Ursachen, die nach englischem Recht zu einem Ausschluss der Klagbarkeit führen können, sind ganz heterogen: Fehlende Geschäftsfähigkeit und bestimmte Gesetzesverstöße zählen ebenso dazu wie Fälle ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung, etwa bei Spiel- und Wettverträgen. 150 Die inzwischen weitgehend aufgehobene - Statute of Frauds 1677 hatte die Unklagbarkeit als regelmäßige Sanktion für Verstöße gegen die von ihr in zahlreichen Fällen vorgeschriebene Schriftform vorgesehen, wobei regelmäßig aber Heilung schon durch Teilerbringung der geschuldeten Leistung eintreten sollte. 151 Eine Übereinstimmung besteht in allen Fällen von unenforceable contracts allerdings dahingehend, dass der Ausschluss der Klagbarkeit selbst nicht die Rückabwicklung auslöst. 152 Vielmehr scheidet eine Rückforderung erbrachter Leistungen zumindest dann aus, wenn die andere Partei bereit und willens ist, den an sich nicht durchsetzbaren Vertrag zu erfüllen. 153 Ein Minderjähriger etwa kann deshalb seine Vorleistung nicht lediglich aufgrund seiner Minderjährigkeit zurückfordern, wenn sein Vertragspartner erfüllungsbereit ist. Was dagegen zu geschehen hat, wenn trotz Vorleistung der anderen Seite nicht freiwillig erfüllt wird, hängt natürlich vor allem von den rechtspolitischen Zielsetzungen ab, die hinter der Anordnung des Klagbarkeitsausschlusses stehen: Der Minderjährige etwa kann seine Vorleistung unter denselben Voraussetzungen wie jede andere Partei zurückfordern, wenn die Gegenleistung ausbleibt; ein Bereicherungsanspruch gegen den Minderjährigen unterliegt hingegen einschränkenden Voraussetzungen. 154 Waren Grundstückskaufverträge - wie nach früherem Recht - mangels Schriftform lediglich unklagbar, dann konnten im Rahmen der Vertragserfüllung gemachte Aufwendungen nach der so genannten part-perjormanceLehre der equity-Rechtsprechung zur Heilung führen;155 der Käufer konnte aber auch Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich einer Entschädigung für die Nutzung des Grundstückes, verlangen. 156 Kompliziert ist schließlich die 150 Auf eine nähere Darstellung der englischen Rechtslage zu Spiel- und Wettverträgen im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird verzichtet; vgl. dazu Schlechtriem. Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 7 Fn. 16. 151 Zu diesem Gesetz vgl. etwa Atiyah. Rise and Fall, S. 205-208. 152 Vgl. dazu etwa Goode. Commercial Law, S. 83 f. 153 Vgl. Thomas v. Brown (1876) 1 Q.B.D. 714. 154 Vgl. dazu unten bei Teil 3 B.II.l.a). 155 Zu der durch den Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 geschaffenen neuen Rechtslage vgl. unten bei Teil 3 B.II!.l. 156 Vgl. Smallwood v. Sheppards [1895] 2 Q.B. 627 sowie Stoljar (1964),
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Frage, inwieweit bei gesetzes- oder sittenwidrigen Verträgen eine Rückabwicklung stattfinden SOll.157 11. Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes für breach 0/ contract 1. Schadensberechnung, die zur Rückabwicklung führt
Vertraglicher Schadensersatz richtet sich grundsätzlich auf Abwicklung des Vertrages und nicht auf Rückabwicklung: Zu ersetzen ist das Erfüllungsinteresse des Gläubigers, der also - soweit dies durch Geldersatz möglich ist - so zu stellen ist, als ob der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. 158 Im Grundsatz hat Schadensersatz wegen Vertragsbruch demnach mit Rückabwicklung nichts zu tun: Er ist nach vorne, auf die vollständige Erfüllung des Vertrages gerichtet, und nicht nach rückwärtS. 159 Ob und was die Parteien bereits geleistet haben, spielt nur insofern eine Rolle, als es beeinflusst, was noch für die Zukunft zu leisten bleibt. Ansonsten greift der ökonomische Grundsatz ein, dass "sunk casts dan 't matter".160 In vielen Fällen ist die Berechnung des Erfüllungsinteresses aber nicht möglich oder nicht sachgerecht. Das gilt vor allem für Geschäfte mit einem spekulativen Element, 161 also solche, bei denen es mit größerer WahrVgl. dazu unten bei Teil 3 B.IV.l. Eingeschränkt wird die Ersatzfähigkeit natürlich durch das Erfordernis der Vorhersehbarkeit der Schäden, vgl. die berühmte Entscheidung Hadley v. Baxendale (1854) 9 Exch. 341. 159 Vgl. McKendrick, Total Failure of Consideration, S. 229. Eine Ausnahme galt nach der so genannten rule in Bain v. Fothergill (1874) L.R. 7 H.L. 158 bei Grundstückskaufverträgen in Fällen unverschuldeter Rechtsmängel: Hier konnte der Käufer nur Ersatz seiner Vertragskosten verlangen. Diese Regel, die älter war als die Entscheidung, mit der sie identifiziert wurde (vgl. Atiyah. Rise and Fall, S. 203, 427 f.), die aber mit der Einführung eines modemen Grundbuchsystems obsolet geworden war, wurde durch s. 3 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 abgeschafft. Vgl. dazu noch Oakley. [1980] C.LJ. 67-70. 160 Fraglich ist, ob zusätzlich zu entgangenem Gewinn auch Vertragskosten gefordert werden können. Stoljar. (1975) 91 L.Q.R. 70 f., befürwortet dies, weil der Gläubiger bei einem erneuten Vertragsabschluss die gleichen Vertragskosten noch einmal aufwenden müsste. 161 Vgl. etwa McRae v. Commonwealth Disposals Commission (1950) 84 C.L.R. 377 (High Court of Australia), wo ein nicht existierendes Wrack verkauft worden war, das auf einem Riff im Ozean liegen sollte. Trotz der spekulativen Natur des Kaufvertrages konnte der Käufer Ersatz für die Kosten einer Expedition zu dem Riff verlangen: Schuld an den Beweisschwierigkeiten des Käufers war schließlich der Vertragsbruch des Verkäufers selbst. Dagegen konnte natürlich nicht der Wert gefordert werden, den sich der Käufer erhofft hatte, zumal die Beklagte nur die Existenz, nicht aber eine bestimmte Beschaffenheit des Wracks garantiert hatte. 157 158
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scheinlichkeit auch zu einem Verlust hätte kommen können. 162 Ein vielleicht besonders plastisches Beispiel ist die Kinoindustrie: Wie es heißt, sollen die allermeisten Filmproduktionen völlig unprofitabel sein; einige wenige Filme erweisen sich dagegen als Publikums renner und sorgen für Gewinne, die dann im Rahmen einer Mischkalkulation die Verluste bei den übrigen Produktionen mitfinanzieren helfen. Verhindert der Vertragsbruch eines Beteiligten die Produktion eines Films, so könnte sich der Vertragsbrüchige demzufolge immer darauf berufen, dass dem Produzenten mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit gar kein Gewinn entgangen, SOndern nur Verlust erspart worden sei. Das aber wäre nicht sachgerecht: Filmproduzenten betreiben ihr Geschäft regelmäßig nicht aus Liebhaberei, sondern in der Hoffnung auf Gewinn, und rationales Verhalten unterstellt, muss der Erwartungswert der Einnahmen aus dem Film mindestens so hoch sein wie die aufgewendeten Kosten für die Produktion und Vermarktung. Das rechtfertigt es, dem Gläubiger als Mindestschaden Ersatz für den von ihm getätigten Aufwand zu gewähren. 163 In Anglia Television Ltd. v. Reed l64 etwa hatte die klagende Fernsehstation den beklagten Schauspieler für ein Fernsehspiel engagiert; dieser brach jedoch seinen Vertrag, weil er versehentlich schon ein anderweitiges Engagement übernommen hatte. Ein adäquater Ersatz konnte nicht gefunden werden, so dass das ganze Projekt aufgegeben wurde. Hier gewährte der Court of Appeal Ersatz für die Aufwendungen der Klägerin, weil diese den Gewinn, den sie mit Hilfe des Fernsehspiels erzielt hätte, naheliegenderweise nicht beziffern konnte. Dabei wurden auch die Aufwendungen eingeschlossen, die die Klägerin vor Abschluss des Vertrages getätigt hatte, obwohl diese für die Klägerin natürlich verloren gewesen wären, wenn der Beklagte - was sein gutes Recht gewesen wäre - keinen Vertrag geschlossen hätte; bei Abschluss des Vertrages sei dem Beklagten nämlich klar gewesen, dass diese Aufwendungen der Klägerin nutzlos sein würden, wenn er den Vertrag brechen werde. 165 162 Anders hingegen, wenn lediglich die Höhe des Gewinns unklar ist (vgl. Manubens v. Leon [1919] 1 K.B. 208: unberechtigt entlassener Friseur kann nicht nur Schadensersatz für seinen Lohn, sondern auch für die durchschnittlichen Trinkgelder verlangen) oder dessen Eintritt nicht sicher feststeht (vgl. Chaplin v. Hicks [1911] 2 K.B. 786 (C.A.): unberechtigt von einem Schönheitswettbewerb ferngehaltener Kandidatin soll Schadensersatz entsprechend ihren Gewinnchancen zustehen). 163 In der englischsprachigen Literatur wird, in Anlehnung an einen berühmten Aufsatz von Fuller und Perdue aus dem Jahre 1936, zwischen dem "expectation interest", dem "reliance interest" und dem "restitution interest" unterschieden, was in deutscher Terminologie ungefähr der Unterscheidung zwischen Erfüllungsinteresse, negativem Interesse und Bereicherung entspricht. Für eine ausführliche Diskussion der Problematik vgl. den Aufsatz von Bridge, Expectation Damages, S. 427. 164 [1972] 1 Q.B. 60 (C.A.).
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Fraglich war in diesem Zusammenhang allerdings lange, ob der Gläubiger den Wert der von ihm erbrachten Leistungen auch dann als Mindestschaden verlangen kann, wenn sich die dafür erforderlichen Aufwendungen bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Gegenseite als verlustreich herausgestellt hätten. Mit anderen Worten: Kann der Käufer, der im Voraus f 100 für eine Ware gezahlt hat, die nicht geliefert wird, auch dann f 100 Schadensersatz fordern, wenn der Marktwert der Ware zum vereinbarten Lieferungstermin nur f 50 betragen hätte? In CCC Films (London) Ltd. v. Impact Quadrant Films Ltd. 166 war der Klägerin ein urheberrechtliches Nutzungsrecht an Filmen eingeräumt worden; die Klägerin hatte im Voraus bezahlt, konnte das Nutzungsrecht jedoch nicht verwerten, weil die Beklagte die zur Vermarktung erforderlichen Videokassetten nicht zur Verfügung stellte. Die Klägerin konnte ihre Vorauszahlung als Schadensersatz wegen Nichterfüllung zurückfordern; Hutchinson J. entschied, für ihre Behauptung, dass die Klägerin bei Durchführung des Vertrages ohnehin keinen Gewinn gemacht hätte, trage die Beklagte die Beweislast. Als Beispiel für einen Fall, in dem ein solcher Nachweis glückte, lässt sich hingegen C & P Haulage v. Middleton 167 anführen: Hier hatte der klagende Mieter die gemieteten Geschäftsräume selbst renoviert, wofür ihm nach dem Mietvertrag kein Ersatz zustand. Zehn Wochen vor Ende der vereinbarten Mietzeit entzog ihm der Vermieter unberechtigterweise den Besitz. Schaden durch zusätzliche Mietkosten entstand dem Kläger nicht, weil ihm die Baubehärde gestattete, den Betrieb in seiner eigenen Garage fortzusetzen; er forderte aber Ersatz für seine Verwendungen auf die gemieteten Räume. Dies wurde ihm vom Court of Appeal verweigert: Die Investitionen des Klägers wären aufgrund der für ihn ungünstigen Vertragsgestaltung ohnehin verloren gewesen; dank der Kompromissbereitschaft der Baubehärde war ihm darüber hinaus gar kein wirklicher Schaden entstanden. An dieser Entscheidung läßt sich ablesen, dass die reliance damages bei Vertragsbruch funktional der Rentabilitätsvermutung im deutschen Recht entsprechen (die freilich im Rahmen der Schuldrechtsreform durch eine weiter formulierte Regelung über Ersatz vergeblicher Aufwendungen ersetzt worden ist): 168 Weil Verträge grundSätzlich in Gewinnerwartung abgeschlossen werden, kann der Gläubiger als Mindestschaden Ersatz seiner Auslagen fordern; dass sich diese nicht rentiert hätten, muss gegebenenfalls der Schuldner nachweisen. 169 165 [1972] 1 Q.B. 60 (insbesondere S. 64 per Lord Denning M.R.). Vgl. dazu Beale, S. 154. Kritisch Stoljar, (1975) 91 L.Q.R. 81 f. Kern, S. 80 Fn. 159, meint,
nach deutschem Recht "würde ein solcher Schadensposten [... ] allenfalls unter dem Gesichtspunkt der c.i.c. ersetzt". 166 [1985] Q.B. 16. 167 [1983] 1 W.L.R. 1461. 168 Vgl. unten Teil 2 B.H. bei Fn. 427. 10 Coen
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2. Indirekter Einfluss der Schadensberechnung auf die Rückabwicklung Vertraglicher Schadensersatz kann aber nicht nur selber bis zu einem gewissen Grad Rückabwicklung bewirken; die entsprechenden Regeln können indirekt die Vertragsbeendigung und damit die daran anknüpfende bereicherungsrechtliche Rückabwicklung beeinflussen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind vor allem die im englischen Recht besonders starke Tendenz zur abstrakten Schadensberechnung sowie die relativ weitgehenden Schadensminderungsobliegenheiten der vertrag streuen Seite. 170 Am deutlichsten wird dies beim Kaufvertrag: Gemäß s. 51(3) Sale of Goods Act 1979 bemisst sich der Schadensersatz bei Bestehen eines "available market for the goods in question" - was grundsätzlich nur bei vertretbaren Sachen in Betracht kommt _171 prima facie als Differenz zwischen Vertragspreis und Marktpreis zum vertraglich vorgesehenen Lieferungszeitpunkt. l72 Wird dem Verkäufer auf dessen eigenen Wunsch ein Aufschub gewährt und verändert sich der Marktpreis in der Zwischenzeit zu Ungunsten des Käufers, dann kann der Käufer auch den zusätzlichen Schaden ersetzt verlangen; 173 der Käufer kann den Kaufvertrag aber nicht unbegrenzt offen halten, sondern muss ein Deckungsgeschäft schließen, sobald ein vernünftiger Käufer dies täte. 174 Eine Einschränkung dieser Regel gilt in Fällen der Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit (anticipatory breach); hier darf der Käufer bis zum Fälligkeitszeitpunkt abwarten, bevor er ein Deckungsgeschäft schließt, auch wenn dadurch der Schaden erhöht wird. 175 Keine Obliegenheit zum 169 Für eine Erstattung auch bei unrentablen Geschäften dagegen noch Stoljar, (1975) 91 L.Q.R. 70, dem zufolge sich der damaligen englischen Rechtsprechung zwar keine klare Stellungnahme zu dieser Frage entnehmen ließ; da aber unbestritten sei, dass der Gläubiger in jedem Fall Ersatz für andere Aufwendungen, nämlich seine Vertragskosten ("his necessary expenses such as his legal or conveyancing costs"), verlangen könne, sei nicht einsichtig, weshalb ihm die Rückforderung des Kaufpreises verweigert werden sollte. In diesem Zusammenhang wird in der englischen Literatur gelegentlich diskutiert, ob die Beschränkung der Haftung auf das Erfüllungsinteresse auch auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gescheiterter Verträge zu übertragen sei, um so die vertragliche Risikoverteilung aufrechtzuerhalten: vgl. McKendrick, Total Failure, S. 228 f. 170 Zur Entstehung dieser Regeln vgl. Atiyah, Rise and Fall, S. 424-426. 171 Vgl. Lazenby Garages Ltd. v. Wright [1976] 1 WLR. 459 (C.A.): kein available market für Gebrauchtwagen. Kritisch Goode, Commercial Law, S. 411 Fn. 159. 172 Näher dazu Beale, S. 190-196. 173 Ogle v. Earl Vane (1868) L.R. 3 Q.B. 272; vgl. ferner Barnett v. Javeri [1916] 2 K.B. 390, Sharpe & Co. Ltd. v. Nosawa [1917] 2 K.B. 814. 174 Melachrino v. Nickoll & Knight [1920] 1 K.B. 693. Vgl. dazu auch Goode, Commercial Law, S. 125 f. 175 Brown v. Muller (1872) L.R. 7 Exch. 319; kritisch Goode, Commercial Law, S. 130; Fn. 311 ("This principle has little to commend it"), der darauf verweist,
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Deckungskauf besteht auch, wo die Leistung lediglich verspätet ist und der Käufer sich entschließt, sie dennoch anzunehmen (wozu er unter Umständen verpflichtet sein kann); hier wäre es widersprüchliches Verhalten auf Seiten des Verkäufers, wenn er einerseits dem Käufer weiterhin Leistung anbietet, ihm aber andererseits später vorwirft, er hätte sich anderweitig eindecken sollen. 176 Obwohl sich der Schadensersatz wie erwähnt - nur prima fade abstrakt berechnen soll und s. 54 Sale of Goods Act 1979 jedenfalls dem Käufer ausdrücklich die Möglichkeit eimäumt, den Ersatz zusätzlichen Schadens zu verlangen, wird in der Praxis selten von der Marktpreis-Regel abgewichen. l77 So hilft es dem Käufer nichts, wenn er geltend macht, dass er die Kaufsache unmittelbar zum Liefertermin über dem Marktpreis weiterverkauft, daher keine Zeit mehr gehabt habe, ein Deckungsgeschäft abzuschließen, und so ein lukratives Geschäft verloren habe: Dass sich der Käufer in seinem Vertrag mit seinem eigenen Abnehmer keine Luft gelassen hat, widerspricht nach Auffassung der englischen Gerichte dem Geschäftsgebaren eines ordentlichen Kaufmanns und muss deshalb auf seine eigenen Kosten gehen. 178 Selbst wenn der Verkäufer von dem Weiterverkauf weiß, ändert dies nichts an der Obliegenheit des Käufers, ein Deckungsgeschäft abzuschließen. 179 Es ist offensichtlich, dass die Marktpreis-Regel im Ergebnis den Käufer zur Vertragsaufhebung zwingen kann. 180 Zwar hindert ihn theoretisch nichts daran, den Vertrag offen zu halten und vom Verkäufer weiterhin Vertragserfüllung zu verlangen. Indes kann er den ihm eigentlich aufgrund des Verdass die amerikanischen Gerichte anders entscheiden, sowie Beale, S. 149 (ebenfalls unter Verweis auf die Rechtslage in den USA). 176 Vgl. Goode, Commercial Law, S. 401. 177 Wenig realistisch deshalb Herold, S. 230, die glaubt, nach Vertragsbeendigung könne der Gläubiger im Rahmen seines Schadensersatzanspruches "durch verschiedene Berechnungsmethoden einen für ihn geeigneten Weg der Abwicklung wählen". 178 Pa trick v. Russo-British Grain Export Co. Ltd. [1927] 2 K.B. 535. 179 The Arpad [1934] P. 230. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verkäufer weiß oder hätte wissen müssen, dass der Käufer die Kaufsache selbst (als Speziessache) weiterverkauft hat, vgl. Goode, Commercial Law, S. 413 f. 180 Ob die Marktpreis-Regel aber zwingend daraus folgt, dass das englische Recht "den Erfüllungsanspruch als regulären Rechtsbehelf nicht kennt und den Gläubiger in erster Linie auf den Schadensersatzanspruch verweist", wie Huber (Leistungsstörungen 11, S. 167, sowie Schlechtriem/Huber, CISG-Kommentar Art. 28 Rn. 6) meint (ähnlich wohl auch schon v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 32 f.), ist angesichts der Ausnahmen zweifelhaft: Wo der Käufer beispielsweise die Kaufsache als Speziessache weiterverkauft und das dem Verkäufer anzeigt, kann er zwar keine specijic performance verlangen, seinen Schadensersatz aber dennoch konkret berechnen. Beide Regeln stehen zwar wohl in einem gewissen sachlichen Zusammenhang, sind aber nicht zwingend miteinander verknüpft. 10*
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trages zustehenden Lieferungsanspruch nicht durchsetzen: Specijic peiforman ce steht ihm grundsätzlich nicht zu, und Schadensersatz kann er nicht verlangen, soweit ein reasonable buyer seinen Schaden durch ein Deckungsgeschäft unverzüglich nach Fälligkeit reduziert hätte. 181 Aus diesem Grund können Gestaltungsrechte, die dem Käufer für den Fall der Nichterfüllung des Verkäufers zustehen, wertlos sein: Im Ergebnis kann der Käufer zur Vertragsaufhebung gezwungen sein, weil er sich ohnehin anderweitig eindecken muss. 182 Unter umgekehrtem Vorzeichen stellt sich die Problematik im Fall des Gläubigerverzugs beim Werk- und Dienstvertragsrecht: Dort ist fraglich, ob der Unternehmer seine Leistung auch gegen den erklärten Willen des Besteller noch erbringen darf, um sich so den vollen vertraglich vereinbarten Werklohn zu verdienen, oder ob er sich auf seinen möglicherweise unergiebigen Schadensersatzanspruch verweisen lassen muss. Das House of Lords hat ein Recht des Unternehmers, dem Besteller die unerwünscht gewordene Leistung "aufzuzwingen", bejaht, wo eine aktive Kooperation des Bestellers nicht erforderlich ist. 183 In späteren Entscheidungen wurde aber gefordert, die Durchführung des Vertrages gegen den Willen des Bestellers dürfe nicht schlechterdings unvernünftig sein. 184 Eine der jüngsten Entscheidungen des House of Lords in diesem Zusammenhang ließ die Frage offen. 185 In den meisten Fällen wird die Vertragsausführung ohne die Kooperation der anderen Seite aber ohnehin nicht möglich sein, und in der wichtigen Teilkategorie des Arbeitsvertrages wird das Prinzip nicht angewandt. 186 181 Insoweit problematisch Flessner, ZEuP 1997, 303 Fn. 207, nach dessen Ansicht im englischen Recht "das vorläufige Beharren auf der Durchführung des Vertrages zu einer anderen Berechnung des Schadensersatzes führen" könne. 182 So auch Beale, S. 122 f. Auch Goode, Commercial Law, S. 131 konstatiert, dass "in many situations it is unrealistic to speak of the innocent party having an option to continue the contract at all". Hieraus erklärt sich möglicherweise auch die irrtümliche Feststellung von v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 70 f., wonach sich im englischen Recht bei Verstoß gegen eine condition die automatische Aufhebung des Vertrages (ipso facto avoidance) ergeben soll. 183 White & Carter (Councils) Ltd. v. McGregor [1962] A.c. 413: auf drei Jahre angelegter Vertrag über Werbung auf städtischen Abfalleimem, der von der Beklagten nach einem Tag unberechtigterweise gekündigt wurde. Die Klägerin versah drei Jahre lang Abfalleimer mit Werbung der Beklagten und konnte dafür die vertraglich vereinbarte Vergütung verlangen. 184 Attica Sea Carriers Corporation v. Ferrostaal Poseidon Bulk Reederei (The Puerto Buitrago) [1976] 1 Lloyd's Rep. 250 (Court of Appeal); Clea Shipping Corpo ration v. Bulk Dil International Ltd. (The Alaskan Trader) [1984] 1 All E.R. 129 (Lloyd 1.). Vgl. zu dieser Thematik auch noch (allerdings nicht sehr klar) Kern, S.43-46. 185 Stocznia Gdanska S.A. v. Latvian Shipping Co. [1998] 1 W.L.R. 574; vgl. dazu die Fallbesprechung von BeatsonlTolhurst, [1998] C.LJ. 254. 186 Vgl. dazu auch Kern, S. 110-116.
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Umgekehrt kann die Obliegenheit zur Schadensminderung die vertragstreue Partei aber auch dazu zwingen, den Vertrag fortzusetzen, wenn die andere Seite dies anbietet und ein Deckungsgeschäft nicht möglich oder unökonomisch wäre. 187 Freilich kommt hier alles auf die Umstände des Einzelfalles an: Ein Arbeitnehmer, der unberechtigterweise entlassen worden ist, braucht nicht weiterzuarbeiten, wenn der Arbeitgeber es sich anders überlegt, sondern kann seinen Lohnausfall als Schadensersatz geltend machen. 188 Der Käufer muss sich nicht auf eine Minderung einlassen, sondern kann die mangelhafte Ware zurückweisen. 189 Andererseits kann er gezwungen sein, sich mit Lieferung der Ware Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises zufrieden zu geben, obwohl im Kaufvertrag Vorleistung des Verkäufers vereinbart war. 190 111. Rückabwicklung im Rahmen von restitution
Wie bereits erwähnt, wird die Rückabwicklung gescheiterter Verträge im englischen Recht primär dem Bereicherungsrecht (law of restitution) zugewiesen. Nach dem in der Literatur entwickelten und inzwischen auch von der Rechtsprechung zustimmend zitierten Prüfungsschema ist bei der Prüfung von Bereicherungsansprüchen dabei in vier Schritten vorzugehen: Erstens ist zu fragen, ob eine Bereicherung des Beklagten vorliegt, zweitens, ob diese auf Kosten des Klägers erfolgt ist, drittens, ob die Bereicherung ungerechtfertigt war, und viertens, ob dem Beklagten Einwendungen zustehen. 191 Die Etablierung dieses Prüfungsschemas als dem BereicherungsVgl. Beale, S. 95. felton v. Eastwoods Froy Ltd. [1967] 1 W.L.R. 104. Vgl. Beale, S. 107 f. Begründet wird dies mit der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses durch die Entlassung; allerdings trifft den Arbeitnehmer natürlich die Obliegenheit, sich anderweitig um Arbeit zu bemühen. 189 Heaven & Kesterton Ltd. v. Etablissements Francois Albiac & eie. [1956] 2 Lloyd's Rep. 321, Devlin 1. Für Fälle einer Minderlieferung gibt s. 30(1) Sale of Goods Act 1979 dem Käufer ausdrücklich das Recht, die gesamte Lieferung zurückzuweisen. Tut er dies allerdings nicht, dann muss er den geminderten Kaufpreis zahlen ("ij the buyer accepts the goods so delivered he must pay lor them at the contract rate"); missverstanden wird diese Bestimmung von Schwartze, S. 118 f., wenn er meint, der Käufer müsse im Falle der Annahme "den vollen Kaufpreis zahlen". In Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wird Verbrauchern nunmehr für den Fall des Scheiterns, der Verweigerung oder der Unzumutbarkeit einer Nachbesserung ein Recht auf Minderung (reduction 01 the purehase price) eingeräumt (S. 48C Sale of Goods Act); zur rechtspolitischen Diskussion Watterson, (2001) 9 ERPL 213. Zu den Grenzen der Zurückweisungsbefugnis bei Quantitätsabweichungen vgl. bereits oben Teil 2 A.1.2.c)(4) Fn. 79. 190 Payzu v. Saunders [1919] 2 K.B. 581 (C.A.) 191 Vgl. dazu bereits oben Teil 1 C.l.l.b)(6), Fn. 219. 187
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recht zugrunde liegende Struktur hat aber noch keineswegs zu einer völligen Verdrängung des althergebrachten aktionenrechtlichen Denkens in der Fallanwendung geführt, so dass im Folgenden auch auf dessen Terminologie zurückgegriffen wird. Divergenzen zwischen der traditionellen Einteilung des Bereicherungsrechts und der neuen Systematik lassen sich bereits beim ersten Prüfungspunkt feststellen, der Frage nach dem Vorliegen einer Bereicherung. Im Bereich der (hier allein interessierenden) Bereicherungen durch freiwilligen Akt, also der in Deutschland als Bereicherung durch Leistung bezeichneten Fälle, hat die Rechtsprechung traditionell zwischen Bereicherung durch Geldleistung und Bereicherung auf andere Weise, insbesondere durch Werkund Dienstleistungen, unterschieden: War Geld geleistet worden, dann war in den hier interessierenden Fällen grundsätzlich die so genannte action for money had and received einschlägig. 192 Für geleistete Dienste existierte dagegen die Klageform quantum meruit, für die Lieferung von Sachen - wo sich die Problematik allerdings infolge der vorrangig eingreifenden sachenrechtlichen Rückabwicklung weniger stellte - eine verwandte Klageform namens quantum valebat. Dabei standen quantum meruit und quantum valebat auch im genuin vertragsrechtlichen Bereich zur Verfügung; wo bei Kauf-, Werk- oder Dienstverträgen zwar eine Einigung über den Leistungsaustausch erzielt, aber keine Preis abrede getroffen worden war, konnte der Sachschuldner, der vorgeleistet hatte, mit Hilfe dieser Klageformen eine angemessene Vergütung für seine Leistung verlangen. 193 Zwischen den verschiedenen Klageformen bestanden dabei bereits auf der Ebene der Anspruchsvoraussetzungen erhebliche Unterschiede. 194 Bei Dienstleistungen 195 wurde, besonders unter dem Einfluss der laisser-faire-Philosophie des 19. Jahrhunderts, stärker auf den Schutz des Empfängers vor aufgedrängter Bereicherung abgestellt; da das englische Recht die negotiorum gestio nur 192 An dem vollständigen Namen der Klageform, actionfor money had and received by the defendant to the plaintiff's use, lässt sich die zugrunde liegende gedank-
liche Konstruktion ablesen: Der Beklagte hat Geld erhalten, das eigentlich dem Kläger zustehen soll. 193 Vgl. dazu bereits oben Teil 1 C.I.l.b)(3). 194 Vgl. aber Stoljar (1964), S. 160, der einen Vergleich mit der römischen Unterscheidung zwischen condictio und negotiorum gestio zieht und kommentiert, dass ,,English law never drew a similarly rigid line between money-claims and claims in respect of services".
195 Ab~r selbst bei der Lieferung von Waren gab es entsprechende Tendenzen, vgl. die Außerungen des Richters BramweIl aus dem Jahre 1854 (zitiert bei Atiyah, Rise and Fall, S. 376, 485), der keinen Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Konsum von Waren und einer etwaigen Vergütungspflicht erkennen konnte: Entweder habe sich der Käufer durch ein darauf abzielendes Versprechen zur Zahlung verpflichtet, oder er hafte gar nicht.
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in seltenen Ausnahmefällen anerkennt/ 96 lag es nahe, auch bei der Vergütung für Dienstleistungen entsprechend strenge Anforderungen zu stellen. 197 Die neuere Systematik in der Literatur hält diese Unterscheidungen für unlogisch und überholt: Die Symmetrie gebiete es, alle Arten von Bereicherungen gleich zu behandeln. 198 Die Tatsache, dass "Bereicherung" nicht als Zuwendung eines konkreten Leistungsgegenstandes, sondern von "value" verstanden wird, provoziert dabei allerdings wenig ergiebige und auch nicht sonderlich praxisnahe Diskussionen darüber, ob auch ökonomisch völlig wertlose Leistungen (Schulbeispiele etwa: die Neudekoration einwandfrei eingerichteter Räume, um dem schlechten Geschmack des Bestellers zu entsprechen,199 oder das Stricken von Wollmützen für Schafe2oo ) als Bereicherung in Betracht kommen. Bei der Behandlung der einzelnen Bereicherungsgegenstände muss freilich auch die neuere Lehre die Symmetrie wieder aufgeben: Während die Leistung von Geld schon definitionsgemäß immer als geldwerte Bereicherung einzustufen ist, lässt sich dies von Dienst- oder anderen Sachleistungen nicht unbedingt sagen; im letztgenannten Fall soll dem Empfänger daher die Berufung auf "subjective devaluation" möglich sein, also der Einwand, dass ihm die empfangene Leistung subjektiv weniger wert sei, als ihr objektiver (Markt-)Wert betrage. 201 Im Ergebnis werden damit die hergebrachten Unterscheidungen zwischen verschiedenen Arten von Bereicherungsgegenständen, die ja durchaus nicht ohne sachliche Berechtigung sind, weitgehend wieder eingeführt. Die nachfolgende Darstellung geht daher von der hergebrachten aktionenrechtlichen Einteilung aus und stellt die Gründe, die zur Rückforderung berechtigen, getrennt für Geld- und sonstige Leistungen dar. Keiner näheren Diskussion bedarf im vorliegenden Zusammenhang das zweite Kriterium des vierteiligen Prüfungsschemas, nämlich die Frage, ob die Bereicherung auf Kosten des Gläubigers geschehen ist; das wird in England - ganz ähn196 Zu den traditionellen Ausnahmen vgl. etwa Stoljar (1964), S. 171-176 (Rettung von Schiffen aus Seenot), 177 f. (Begräbnis von Toten), 178-180 (Leistung von Lebensnotwendigkeiten an Minderjährige und Geisteskranke) sowie (mit den gleichen Kategorien) Jaffey, S. 79-81. 197 Näher dazu Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 307, insb. Fn. 1103 f. 198 V gl. etwa Birks, Free Acceptance, S. 112: ,,[ ... ] as a matter of logic the law could not be different according to the different forms in which value might be received. Hence, if and when the hurdle establishing value received is crossed, all the unjust factors worked out in relation to money [... ] must be equally effective in triggering restitution in respect of value received in other forms." 199 Vgl. Robert Goff J. in BP Exploration Co. (Libya) Ltd. v. Hunt (No. 2) [1979] 1 W.L.R. 803. 200 Dieses Beispiel verdankt sich Skelton, S. 9. 201 Vgl. etwa die Diskussion bei Skelton, S. 12-14.
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lich wie nach der herrschenden Rechtsprechung und Lehre zur Leistungskondiktion in Deutschland - bei absichtlichen Zuwendungen grundsätzlich angenommen, selbst wenn der Gläubiger andere Geschäfte abgeschlossen hat, die den Effekt der Leistung für ihn wirtschaftlich neutralisieren. 202
1. Ansprüche auf Rückzahlung erbrachter Geldleistungen Da bei Geldzahlungen - wie dargestellt - das Erfordernis einer Bereicherung auf Kosten des Zahlenden stets erfüllt ist, konzentriert sich die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen im Wesentlichen auf das dritte Kriterium im viergliedrigen Aufbau, nämlich die Frage, ob die Bereicherung ungerechtfertigt ist. Wie bereits erwähnt, begnügt sich das englische Recht insofern nicht mit der Feststellung, dass dem Zahlungsempfanger das Geld nicht zustand, sondern verlangt das Vorliegen eines Faktors, der die Bereicherung sozusagen aktiv ungerecht macht - in der etwas verkürzenden Terminologie von Birks, die sich fast allgemein eingebürgert hat, muss also ein "unjust factor" vorliegen. Die Kasuistik der unjust factors war dabei in ihren Grundzügen schon zur Zeit von Lord Mansfield angelegt, wie dessen bereits zitierte 203 Aussage zeigt, wonach die Rückforderung zulässig sein soll für "money paid by mistake, or upon a consideration which happens to fail, or for money got through imposition [... ] or extortion or oppression, or an undue advantage taken of the plaintiff's situation".204 Ein Blick auf diese Kategorien - die im Wesentlichen immer noch das Feld möglicher Rückforderung im geltenden englischen Recht abdecken - zeigt, dass es sich fast durchweg um Fälle von Willens mängeln handelt, die ihrerseits die Bindungswirkung eines Vertrages, aufgrund dessen die Leistung erbracht worden ist, beseitigen können. Deshalb brauchen die einzelnen unjust factors erst im Zusammenhang mit den Gründen des Vertragsscheiterns in Teil 3 der Arbeit behandelt zu werden. Zwei Kategorien müssen allerdings vorab diskutiert werden, da sie einen weitergehenden und komplexeren Anwendungsbereich haben; es sind dies die Fälle von "money paid by mistake" (sogleich a» und von "money paid [... ] upon a consideration which happens to fai!" (b». Anschließend wird auf Einwände einzugehen sein, die - insbesondere in der deutschen Literatur - gegen die unjust-factors-Lehre insgesamt erhoben werden. 202 Zu einem Fall des hedging vgl. Kleinwort Benson Ltd. v. Birmingham City Council [1997] Q.B. 380 (C.A.); ganz unbestritten ist dies freilich nicht, vgl. die kritische Urteilsanmerkung von Mc/nnes, [1998] C.LJ. 472. 203 Oben Teil 1 C.I.1.b)(5), Fn. 192. 204 Moses v. MacJerlan (1760) [1558-1774] All E.R. Rep. 585. Auch Granthaml Rickett, (2001) 117 L.Q.R. 277, betonen, die "list oJ Jactors recognised in the authorities" habe sich seit dieser Entscheidung nicht mehr wesentlich geändert.
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a) Irrtum (mistake) Die inzwischen wohl klassische Fonnulierung der Voraussetzungen, unter denen die Rückforderung irrtümlich gezahlten Geldes möglich ist, wurde von Robert Goff J. (dem späteren Lord Goff of Chieveley) in Barclays Bank v. W. J. Simms Ltd. 205 aufgestellt. Aus einer intensiven Diskussion der entsprechenden Präzedenzfälle destillierte er dabei folgenden Grundsatz heraus: ,lf a person pays money to another under amistake of fact which causes him to make the payment, he is prima facie entitled to recover it as money paid under amistake of fact. ,,206 Eine Rückforderung scheide aber aus, soweit (1) der Zahlende die Absicht verfolgt habe, dem Zahlungsempfanger in jedem Fall, ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt der von ihm angenommenen Tatsachen, etwas zuzuwenden, (2) die Zahlung eine bestehende Verbindlichkeit erfülle oder (3) der Zahlungsempfänger durch Handlungen, die er in gutem Glauben vorgenommen habe, entreichert sei ("the payee has changed his position in good faith,,)?07 Wichtig ist zunächst, sich darüber Rechenschaft abzulegen, welche Voraussetzungen für die Rückforderung gezahlten Geldes in dieser Fonnulierung nicht enthalten sind: Nicht gefordert wird zunächst, dass der Irrtum unverschuldet war; der Zahlende kann das gezahlte Geld also selbst bei einem grobfahrlässigen Irrtum zurückfordern?08 Auch eine besondere Qualität des Irrtums wird nicht gefordert; vielmehr muss der Irrtum lediglich kausal für die Zahlung gewesen sein ("which causes him to make the payment"). Insbesondere ist nicht erforderlich, dass sich der Irrtum auf das Bestehen einer Verbindlichkeit bezogen hat, auch wenn in der früheren Rechtsprechung zum Teil ein entsprechendes Erfordernis aufgestellt wurde. 209 Die Interessenabwägung, die hinter dem Erfordernis eines Verbindlichkeitsirrtums stand, lässt sich leicht nachvollziehen: Wer zahlt, obwohl er weiß, dass er dazu nicht verpflichtet ist (so die Überlegung), macht eine Schenkung; dabei ist es gerechtfertigt, dem Schenkenden das Risiko von Motivirrtümern, die ihn zu seiner Schenkung veranlasst haben, aufzubürden. Aber bei näherer Überlegung erweist sich, dass beide Prämissen dieser Argumentation keineswegs in jeder Fallkonstellation zutreffen müssen: Zum [1980] Q.B. 677. [1980] Q.B. 690. 207 [1980] Q.B. 690. 208 So schon Kelly v. Solari (1841) [1834-42] All E.R. Rep. 320. 209 Für eine ausführliche Diskussion dieser Frage vgl. Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 105-107. Im Fall Barclays Bank v. W. J. Simms Ltd. [1980] Q.B. 677 wurde die Frage entscheidungserheblich: Hier hatte die klagende Bank irrtümlich auf einen gesperrten Scheck gezahlt; da das Konto des Ausstellers keine Deckung aufwies, wäre die Bank ohnehin nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen. Die Rückforderung wurde zugelassen. 205
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einen braucht nicht jede Zahlung, die ohne Verpflichtung erbracht wird, Schenkung zu sein; eine Bank, die - wie durchaus nicht unüblich - ihrem Kunden Kontoüberziehung gewährt, obwohl keine entsprechende Vereinbarung besteht, ist hierzu nicht verpflichtet, beabsichtigt aber selbstverständlich keine Schenkung an den Kunden. 210 Zum anderen kann es durchaus gerechtfertigt sein, dem Zahlungsempfanger auch bei einer Schenkung oder ähnlichen Zuwendung das Risiko eines Irrtums des Zahlenden aufzubürden, etwa, wenn der Zahlungsempfänger diesen Irrtum selbst verursacht hat. 211 Demzufolge wäre eine Beschränkung der Rückforderung auf Verbindlichkeitsirrtümer wenig sachgerecht. Lange Zeit wurde die Rückforderung allerdings durch ein Erfordernis eingeschränkt, das auch in der zitierten Formulierung von Robert Goff J. noch aufscheint: Es wurde ein Tatsachenirrtum (mistake of fact) verlangt; eine Zahlung unter Rechtsirrtum (mistake of law) sollte dagegen wiederum wie eine Schenkung behandelt werden. Diese Einschränkung ging auf das Urteil von Lord Ellenborough C.J. in dem Fall Bilbie v. Lumlel 12 zurück, wo sie allerdings nur lapidar mit dem Gedanken begründet wurde, jeder müsse sich so behandeln lassen, als kenne er das Gesetz?13 Die Berechtigung dieser Einschränkung wurde zunehmend weniger eingesehen, weshalb sie im Laufe der Zeit durch eine immer kompliziertere Kasuistik eingeschränkt und überwuchert wurde?14 Zur Aufgabe der Regel kam es jedoch erst im Jahre 1998 in der Entscheidung Kleinwort Benson Ltd. v. Lincoln City Council. 215 Seither soll jeder für die Zahlung kausal gewordene Irrtum zur Rückforderung berechtigen. Zumindest in einem inzwischen ergangenen Urteil 216 ist dieser Gedanke wörtlich genommen und Rückforderung mit 210 Vgl. Barclays Bank v. W. J. Simms Ltd. [1980] Q.B. 677. Auch ein Buchmacher, der einen - nicht einklagbaren - Wettgewinn ausbezahlt, will dem Wettenden natürlich nichts schenken; wenn hier bei Überzahlungen die Rückgewähr verweigert wird (vgl. Morgan v. Ashcroft [1938] 1 K.B. 49), stehen dahinter besondere rechtspolitische Erwägungen. 211 Vgl. Lamer v. London County Council [1949] 2 K.B. 683. 212 (1802) [1775-1802] All E.R. Rep. 425. 213 ,,Every man must be taken to be cognisant of the law; otherwise there is no saying to what extent the excuse of ignorance might not be carried. It would be urged in almost every case." (Bilbie v. Lumley (1802) [1775-1802] All E.R. Rep. 426.) 214 Für eine ausführliche Darstellung der Problematik in deutscher Sprache vgl. bereits Koch, S. 53-76; vgl. ferner König, S. 76 f. 215 [1998] 3 W.L.R. 1095 (H.L.); zu den Problemen, die von dieser Entscheidung aufgeworfen worden sind, vgl. bereits oben Teil 1 C.I.1.b)(7). Vgl. in diesem Zusammenhang noch Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 104 Fn. 389 und Kap. 3 Rn. 454, jeweils m. w.N. 216 Nurdin and Peacock pie v. D. B. Ramsden and Co. Ltd. [1999] 1 All E.R. 941 (Ch.).
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dem - freilich nicht ganz von Paradoxie freien - Argument gestattet worden, der Zahlende habe irrtümlich die Rückforderbarkeit der Zahlung angenommen. Die Lockerung der Voraussetzungen für die Rückforderung, die sich in diesen Entwicklungen der Rechtsprechung manifestiert, war maßgeblich dadurch ermöglicht worden, dass andererseits in Lipkin Gorman (A Firm) v. Karpnale Ltd. 217 zugunsten des gutgläubigen Bereicherungsschuldners die Einrede der Entreicherung (change of position) geschaffen wurde. 218 Zwar war eine solche Einrede in der Literatur schon lange gefordert worden; auch Robert Goff J. führte sie bereits, wie oben erwähnt, in seiner Darstellung der Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs auf. Zur höchstrichterlichen Anerkennung kam es jedoch erst in Lipkin Gorman; weil dadurch die Furcht vor einer unbillig weiten Haftung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners wegfiel, konnten nun umgekehrt zugunsten des Gläubigers die Haftungsvoraussetzungen großzügiger gestaltet werden?19 Ansprüche, die sich auf Irrtum stützen ("action[s ... ] for relief fram the consequences of amistake"), genießen das praktisch bedeutsame, rechtspolitisch aber höchst zweifelhafte Privileg, dass die Verjährungsfrist erst beginnt, sobald der Gläubiger den Irrtum entdeckt hat oder "with reasonable diligence" hätte entdecken können (s. 32(1)(c) Limitation Act 1980).220 b) Ausbleiben der Gegenleistung (failure of consideration) Der zweite Tatbestand, der traditionell zur Rückforderung von Geldzahlungen berechtigt, ist das Ausbleiben der Gegenleistung (failure of consideration).221 Das Verständnis dieses Tatbestandes macht deshalb besondere Schwierigkeiten, weil der Begriff der consideration im Rahmen des englischen Vertragsrechtes bereits eine bestimmte eigentümliche Bedeutung hat,222 die nicht mit der Bedeutung des bereicherungsrechtlichen consideration-Begriffes identisch ist. 223 Beide Begriffe leiten sich allerdings von [1991] 2 A.C. 548. Vgl. dazu schon oben Teil 1 C.I.1.b)(7). 219 Näher dazu Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 107 Fn. 411 f. 220 Entscheidungsrelevant wurde dieser Umstand in Kleinwort Benson Ltd. v. Lincoln City Council [1998] 3 W.L.R. 1095 (H.L.). 221 Zur Entwicklung der Klage wegenfai/ure of consideration im 18. Jahrhundert vgl. Stoljar (1964), S. 197-199 sowie ausführlicher (1959) 75 L.Q.R. 53. 222 Vgl. dazu ausführlich Atiyah, Introduction, S. 118-152. 223 Diese Tatsache wird von deutschen Autoren zuweilen übersehen; beide Begriffe werden zum Beispiel vermengt bei Schwartze, S. 193: "In England [... ] muss die Verpflichtung des Verkäufers, den Kaufpreis zurückzuzahlen, aus dem Case Law 217
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einer gemeinsamen Wurzel her, nämlich dem Gedanken, dass Zuwendungen an andere grundsätzlich nicht absolut, nicht losgelöst von einem sozialen Sinn, erfolgen, sondern "in Anbetracht" (in consideration oj) bestimmter Umstände und Zwecke,224 deren Verwirklichung wiederum für die rechtliche Bewertung einer Zuwendung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Das gilt sowohl für Zuwendungen in einem materiellen Sinn als auch für die Eingehung schuldrechtlicher Verbindlichkeiten, die ja - wie bereits festgehalten - ebenfalls als Zuwendung gesehen werden kann?25 Die Parallele zur causa-Lehre kontinentaler Rechtsordnungen drängt sich natürlich auf?26 Je nach Form der Zuwendung dient das consideration-Kriterium allerdings unterschiedlichen Zwecken: Im Vertragsrecht lag sein historischer Sinn darin, die Durchsetzbarkeit schuldrechtlicher Verträge zu fördern; um ein Versprechen klagbar zu machen, sollte weder die Form der gesiegelten Urkunde noch eine bereits erbrachte Gegenleistung (executed consideration) erforderlich sein, sondern lediglich ein Gegenversprechen (executory consideration).227 Im Bereicherungsrecht dagegen wird das considerationentnommen werden. Daraus ergibt sich, dass im Falle der Zurückweisung der Ware durch den Käufer die Verpflichtung zur Gegenleistung entfällt. Somit fehlt dem Kaufvertrag nun die notwendige consideration, so dass er unwirksam wird und für die Kaufpreiszahlung keine Rechtsgrundlage mehr besteht." (Hervorhebung im Original.) 224 Friedmann, S. 85, spricht von der "Erwägungsgrundlage". 225 Vgl. oben Teil 1 A.II.2.b). 226 Gezogen wird sie etwa von Grantham/Rickett, (2001) 117 L.Q.R. 280 Fn. 46. Andererseits betonte Friedmann, S. 85, als wesentlichen Unterschied, dass die consideration "subjektiviert, auf die Erwägungen der Parteien zurückgeführt", die causa dagegen der "aus den Erwägungen der beiden Parteien zusammengeflossene[ ... ] abstrakte[ ... ] Rechtsbegriff' sei. 227 Vgl. dazu Atiyah, Introduction, S. 118, 121, der zu Recht darauf verweist, dass das moderne Verständnis der consideration-Lehre als Einschränkung der Vertragsfreiheit unhistorisch ist. Das ignorieren deutsche Autoren wie Zimmermann und Meier (vgl. Zimmermann, (1996) 112 L.Q.R. 604, insb. Fn. 175; Meier, S. 275 ff., und JZ 1999,562; Meier/Zimmermann, (1999) 115 L.Q.R. 561), wenn sie versuchen, die Tatsache, dass die englische bereicherungsrechtliche Dogmatik sich im Unterschied zu den kontinentaleuropäischen Rechten nicht mit der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung als Grundlage der Rückforderung begnügt, sondern einen unjust factor fordert, auf die consideration-Lehre zurückzuführen. Lamer v. London County Council [1949] 2 K.B. 683 - der Fall, den Zimmermann und Meier in diesem Zusammenhang regelmäßig zitieren - dürfte sich schon aus zeitlichen Gründen kaum als Beleg eignen; hinzu kommt, dass das Gericht es in dieser Entscheidung ausdrücklich dahinstehen ließ, ob consideration vorliege (vgl. Denning L.J., S. 688). Die Behauptung Meiers, der Militärdienst habe nicht als consideration gewertet werden können, weil den Beklagten diese Pflicht ohnehin getroffen habe, trifft nicht zu; auch das Versprechen, gegenüber der Allgemeinheit oder gegenüber Dritten bestehende Pflichten zu erfüllen, ist als consideration gewertet worden, vgl. etwa Williams v. Williams [1957] I All E.R. 305 (C.A.) und Goode, Commercial Law, S. 109 Fn. 212 m.w.N. Man gewinnt den Eindruck, dass es Zimmermann und Meier darum
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Kriterium dazu nutzbar gemacht, die Rückforderung von (nicht notwendig vertraglichen) Leistungen zu begrunden; das Erreichen des Leistungszwecks - der typischerweise mit dem Erhalt der Gegenleistung identifiziert wird 228 - wird gewissermaßen als auflösende Bedingung dafür gesehen, dass der Empfänger die (Vor-)Leistung behalten darf?29 Aus diesen unterschiedlichen Zwecken folgt zugleich der je nach Kontext unterschiedliche Inhalt des consideration-Begriffes: Während im Vertragsrecht auch das bloße Gegenversprechen als consideration gilt und ausreicht, um die Klagbarkeit herbeizuführen, kann der Bereicherungsschuldner sich gerade nicht damit herausreden, dass er Leistung versprochen habe, wenn er die versprochene Leistung tatsächlich nicht erbringt. 23o geht, eine Eigenheit des englischen Rechts, die ihnen missfällt, auf eine andere, gleichennaßen missliebige zurückzuführen. Im übrigen würden sich die Sachfragen auch im deutschen Recht ähnlich stellen; die apodiktische Aussage von Meier, in Deutschland gehörten ,,[e]inseitige Versprechen des Arbeitgebers [... ] zum Inhalt des Arbeitsvertrages" (Irrtum und Zweckverfehlung, S. 45), lässt sich nicht nachvollziehen, wenn man sich die komplizierte Kasuistik zu freiwilligen Sonderzahlungen von Arbeitgebern (vgl. etwa PalandtlPutzo § 611 Rn. 81-91) ansieht. Rechtshistorisch betrachtet wäre die Statute of Frauds 1677 ein näher liegender Kandidat für den von Zimmermann und Meier postulierten Mechanismus, weil sie in der Realität in sehr viel stärkerem Umfang zur Unklagbarkeit von Zahlungsversprechen geführt hat als die consideration-Lehre. 228 Kritisch gegenüber dieser Gleichsetzung Meier, S. 279 f.; dazu schon oben Teil 1 AII.2.c), Fn. 88. 229 So etwa ausdrücklich Lord Wright in Fibrosa Spolka Akcyjna v. Fairbaim Lawson Combe Barbour Ltd. [1943] AC. 65: "The payment was originally conditional. The condition oJ retaining it is eventual performance. Accordingly, when that condition Jails, the right to retain the money must simultaneously Jail." Ähnlich auch noch einmal Lord Goff in Stocznia Gdanska S.A. v. Latvian Shipping Co. [1998] 1 W.L.R. 589: Das Recht des Verkäufers, den Kaufpreis zu behalten, sei "conditional upon his completing the contract". Kritisch gegenüber dieser Begründung, weil sie die Rückabwicklung aus dem Schuldrecht in das Sachenrecht verlagere, BeatsonlTolhurst, [1998] C.LJ. 255. Wie laffey, S. 55, zu Recht feststellt, kann diese Begründung das (sogleich zu diskutierende) Erfordernis einer total Jailure oJ consideration nicht erklären, weil es für den Eintritt der auflösenden Bedingung eigentlich ausreichen sollte, dass die Gegenleistung nicht vollständig erbracht wird. 230 So die ständige Rechtsprechung seit Fibrosa Spolka Akcyjna v. Fairbaim Lawson Combe Barbour Ltd. [1943] AC. 32; anders noch Chandler v. Webster [1904] 1 K.B. 493, wo Vertragsaufhebung ab initio gefordert wurde. An diesem Punkt zeigt sich erneut, dass die in der Einleitung dieser Arbeit zitierte Lehre von Holmes jedenfalls dem heutigen englischen Vertragsrecht nicht gerecht wird: Würde sich, wie Holmes meinte, der Inhalt der vertraglichen Haftung in der Versicherung gegen Nichterfüllung erschöpfen, dann wäre unverständlich, warum es im Zusammenhang mit der Rückabwicklung auf die Erfüllung in Natur ankommen sollte. Vielmehr wäre dem Gläubiger durch den Abschluss des Vertrages der Schadensersatzanspruch bei Nichterfüllung garantiert; mehr hätte er ohnehin nicht zu erhoffen. (Für Versicherungsverträge, für die Holmes' Überlegungen zutreffen, macht das eng-
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Die zum Teil schwierigen Fragen, die das Zusammenspiel von Irrtum und Zweckverfehlung als Rückforderungsgründen vor allem im Bereich außervertraglicher Zuwendungen aufwirft, können im Rahmen der vorliegenden Arbeit vernachlässigt werden. 231 Für die Abgrenzung ist entscheidend, dass sich die Fehlvorstellung bei Irrtum auf eine im Leistungszeitpunkt bereits vorliegende Tatsache beziehen muss, für failure of consideration dagegen auch Fehlvorstellungen über zukünftige Entwicklungen von Belang sind. 232 Bei Leistungen auf gescheiterte Verträge setzt Rückabwicklung mittels fai/ure of consideration, wie die anderen bereicherungsrechtlichen Ansprüche auch, an erster Stelle voraus, dass der Vertrag beendigt ist;233 solange die Gegenseite noch leisten darf, kann von einem Ausfall der Gegenleistung keine Rede sein,234 und wo Vertragsbeendigung nicht (mehr) möglich ist, etwa weil erhaltene Leistungen nicht mehr zurückgegeben werden können,235 kommt auch eine Rückforderung erbrachter Leistungen wegenfailure of consideration nicht in Betracht. 236 Weiter eingeschränkt wird die Möglichkeit der Rückforderung nach derzeitigem Recht aber vor allem dadurch, dass verlangt wird, die fai/ure of consideration müsse total sein, mit anderen Worten: der Vertrag müsse lische Recht denn auch bezeichnenderweise eine Ausnahme von der im Text dargestellten Regel, vgl. Tettenbom, Rn. 6-13 m. w.N.) Auf diesen Punkt verweist auch McKendrick, Total Failure, S. 223; vgl. auch S. 223-225: die Parteien können die bereicherungsrechtliche Haftung vertraglich abbedingen, die bloße Existenz eines Vertrages reicht dafür jedoch nicht. 231 Vgl. dazu die Diskussion bei Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 204-209. 232 Vgl. etwa Virgo, S. 140 f., 168 f. Vor diesem Hintergrund hätte man realistischerweise auch einen Großteil der Fälle von Rechtsirrtum nicht als mistake, sondern als failure of consideration klassifizieren können: Wie ein Gericht die Zahlung rechtlich einordnen wird, wenn es darüber zum Streit kommt, muss auch für einen Rechtskundigen im Zahlungszeitpunkt nicht unbedingt feststehen. In der englischen Diskussion ist dieser Gedanke allerdings, soweit ersichtlich, von niemand vorgebracht worden. Vgl. auch Tettenbom, Rn. 6-02, der dafür plädiert, Irrtum und failure of consideration möglichst ähnlich zu behandeln: Für die Rückforderung eines Hochzeitsgeschenks dürfe es im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob die Hochzeit schon vor Absendung des Geschenks abgesagt werde (dann mistake) oder erst später (dann failure of consideration). 233 Vgl. dazu oben bei Teil 2 AI.2.b)(l), Fn. 24; kritisch Tettenbom, Rn. 6-24 f., nach dessen Meinung nicht das Fortbestehen des Vertrages entscheidend sein kann, sondern nur das Fortbestehen der konkreten vertraglichen Verpflichtung. 234 So ausdrücklich In re Goldcorp Exchange Ltd. [1995] I AC. 103 f. 235 Vgl. dazu oben Teil 2 AI.2.c)(2). Vgl. ferner Tettenbom, Rn. 7-11. 236 Gläubiger des Bereicherungsanspruchs wegen failure of consideration kann theoretisch auch der Vertragsbrüchige sein, obwohl derartige Fälle selten sein dürften; ein mögliches, allerdings umstrittenes Beispiel ist der Fall Dies v. British and Intemational Mining and Finance Corp. Ltd. [1939] 1 K.B. 724 (vgl. oben Teil 2 AI.2.c)(4), Fn. 127).
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nicht nur gescheitert sein, vielmehr dürfe der Gläubiger darüber hinaus nichts von der ihm zustehenden Gegenleistung erhalten haben. 237 Als Begründung dafür ist traditionell vor allem auf die Schwierigkeit verwiesen worden, etwaige Teilleistungen der einzelnen Parteien zu bewerten. In Whincup v. Hughes 238 hatte der Kläger seinen Sohn für sechs Jahre zu einem Uhrmacher in die Lehre gegeben und f 25 Lehrgeld dafür gezahlt. Nach einem Jahr starb der Uhrmacher; der Vater verlangte das Lehrgeld zurück. Das Gericht wies die Klage ab. Bovill C.J. war der Ansicht, wo ein Vertrag bereits teilweise erfüllt worden sei, scheide eine Rückforderung aus, außer wo sich die Gegenleistung unproblematisch aufteilen lasse. Dies sei aber im vorliegenden Fall nicht möglich, weil die Anstrengungen des Uhrmachermeisters nicht in einer klaren Proportion zur abgelaufenen Lehrzeit stünden: Zu Anfang der Lehrzeit sei die Unterrichtung des Lehrlings besonders anstrengend und dessen Hilfe wenig wert; mit der Zeit kehre sich dies um?39 Dementsprechend schränkt die moderne Rechtsprechung das totalJailure-Erfordernis teleologisch ein, wo sich eine Saldierung der beiderseitigen Leistungen mühelos vornehmen lässt, also vor allem bei gegenseitigen Geldzahlungen, wie sie sich etwa im Rahmen von Gewährung und Tilgung eines Darlehens ergeben können. 24o Ähnliches gilt schon lange im Kaufrecht: Liefert der Verkäufer zu wenig, dann kann der Käufer einen entsprechenden Teil des im Voraus bezahlten Kaufpreises zurückfordern?41 Andererseits wird auch betont, dass es nicht darauf ankomme, ob der Gläubiger 237 Für eine ausführliche Diskussion dieser Problematik vgl. den Aufsatz von McKendrick, Total Failure. Zur geschichtlichen Entwicklung des Erfordernisses Stoljar, (1959) 75 L.Q.R. 71-75. Vgl. ferner in deutscher Sprache Meier, S. 257 ff. 238 (1871) L.R. 6 C.P. 78. 239 Ähnliches Glück wurde den Erben eines Anwalts zuteil, dem ein Vorschuss gezahlt worden war, der aber vor Ausführung des Auftrags starb: Ferns v. Carr (1885) 28 Ch. D. 409. 240 Vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere die von Lord Gojfverfasste Entscheidung des Privy Council in Goss v. Chilcott [1996] AC. 788 (insb. S. 798). Rückforderung wird außerdem für möglich gehalten, wo ein Vertrag teilbar ist und der nicht erbrachten Teilleistung ein bestimmter Teil der Gegenleistung zugeordnet werden kann, vgl. Lord Porter in Fibrosa Spolka Akcyjna v. Fairbaim Lawson Combe Barbour Ltd. [1943] AC. 77. Kritisch gegenüber diesem Argument Jajfey, S. 56: Auf anderen Gebieten hätten die Gerichte keine Probleme mit der Bewertung von Teilleistungen. Seiner Ansicht nach erklärt sich das total-Jailure-Kriterium eher damit, dass kein Vertrauens schaden des Schuldners entstehen könne, wo dieser noch nicht mit der Leistung begonnen habe; ein Sicherungsinteresse des Schuldners, dem die Vorauszahlung der anderen Seite etwa Rechnung tragen könnte, scheide in diesem Fall eindeutig aus (S. 57). 241 Biggerstajf v. Rowatt's Whaif Ltd. [1896] 2 Ch. 93 (C.A.), Ebrahim Dawood Ltd. v. Heath (Est. 1927) Ltd. [1961] 2 Lloyd's Rep. 512; unzutreffend deshalb Schwanze, S. 118 f. Teilbar braucht der Vertrag dazu nicht zu sein, was sich schon daran zeigt, dass der Käufer die Lieferung auch insgesamt als nicht vertragsgemäß zurückweisen kann; vgl. s. 30(1) Sale of Goods Act 1979.
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einen Vorteil empfangen habe, sondern darauf, ob der Schuldner mit der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten begonnen habe. In deutsche Terminologie übersetzt, scheidet die Rückforderung also nicht erst dann aus, wenn ein Leistungserfolg eingetreten ist, sondern bereits dann, wenn Leistungshandlungen vorgenommen worden sind; bloße Vorbereitungshandlungen - wie etwa die Herstellung der zu liefernden Maschinen im Fall Fibrosa 242 - genügen indes nicht. 243 Möglich bleibt die Rückforderung allerdings dort, wo der Gläubiger eine empfangene Leistung zurückweisen kann, etwa indem er den Verkäufer auffordert, die mangelhafte Kaufsache wieder zurückzunehmen. 244 Für den Fall der Vertragsbeendigung durch frustration, wo es offensichtlich sinnwidrig wäre, es bei einem zufällig zustande gekommenen Austausch von Teilleistungen zu belassen, ist das total-failureErfordernis durch Parlamentsgesetz abgeschafft worden. 245 In der Literatur stößt das Kriterium dagegen mittlerweile insgesamt auf nahezu einhellige Ablehnung?46 Dabei wird unter anderem die Beliebigkeit [1943] A.C. 32. Vgl. die Aussage von Lord Goffin Stocznia Gdanska S.A. v. Latvian Shipping Co. [1998] I W.L.R. 588, dass "the test is not whether the promisee has received a specijic benefit, but rather, whether the promisor has perfonned any part of the contractual duties in respect of which the payment is due". Dagegen hatte Kerr LJ. in Rover International Ltd. v. Cannon Film Sales Ltd. (No. 3) [1989] I W.L.R. 923 "consideration" in diesem Zusammenhang noch mit dem "benefit bargained for under the contract" identifiziert. Noch weitergehend früher Linz v. Electric Wire Co. of Palestine LId. [1948] A.c. 371 (P.C.), wo angenommen wurde, dass der entgeltliche Erwerb des Vertragsgegenstands durch Dritte total failure of consideration ausschließe. Vgl. Jaffey, S. 63, dem zufolge der "no-benefit test" zwar die herkömmliche Auffassung sei, das House of Lords in Hyundai Heavy Industries v. Papadopoulos [1980] I W.L.R. 1129 und Stocznia Gdanska S.A. v. Latvian Shipping Co. [1998] I W.L.R. 574 aber einen "no-reliance test" bevorzugt habe. Skelton, S. 25, hält Hyundai daher auch für falsch entschieden; ebenso Burrows, Law of Restitution, S. 256 f., 274 f. Auch Atiyah, Introduction, S. 451, scheint wohl dem no-benefit-Kriterium zu folgen. 244 Auf diesen Punkt verweisen Birks, Failure of Consideration, S. 182, sowie Flessner, ZEuP 1997, 314. 245 So s. 1(2) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943; das Gericht kann dem Schuldner jedoch einen Abzug für "expenses [... ] in, or for the purpose of, the performance of the contract" zubilligen, wenn es "considers it just to do so having regard to all the circumstances ofthe case". Näher unter Teil 3 D.VI.1.b). 246 Besonders prononciert der Aufsatz von Birks, Failure of Consideration. Vgl. ferner Barker, [1998] C.LJ. 308: ,,Not only does this produce an absurdly blunt result, leaving the defendant unjustly enriched for the sake of avoiding the same consequence to a plaintiff, but it unnecessarily distorts the restitutionary cause of action itself." Kritisch auch etwa Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 406 f., Goff/Jones, Law of Restitution, S. 552, Tettenborn, Rn. 6-15, Virgo, S. 324. Allerdings gehen die Meinungen darüber, wie die Gegenleistung des Bereicherungsschuldners statt dessen berücksichtigt werden soll, auseinander: Meist wird eine Wertersatzlösung vorgeschlagen, so auch von Barker; früher wohl anders Birks, Introduction, S. 415242 243
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des Kriteriums bemängelt, die den Gerichten die Möglichkeit einräume, es ergebnisorientiert zu manipulieren. 247 In Baltic Shipping Company v. Dillon (The Mikhail Lermontov y248 etwa verweigerte der High Court of Australia der Passagierin des schiffbrüchigen Kreuzfahrtschiffes die Rückforderung des Reisepreises, weil an der Kreuzfahrt bis zu dem Moment, als das Schiff auf das Riff auffuhr, nichts auszusetzen gewesen war;249 dagegen hatte die Vorinstanz, der Court of Appeal von Neusüdwales, noch angenommen, dass der Schock des Schiffbruchs jeglichen Nutzen, den die Passagierin aus der Kreuzfahrt gezogen haben mochte, rückwirkend ausgelöscht habe. Diese gegensätzlichen Argumentationen demonstrieren, wie biegsam das Kriterium ist. 25o In manchen Fallkonstellationen werden auch wenig einleuchtende Differenzierungen erforderlich: So soll bei Sachmängeln bereits eine relativ 424, der dem Schuldner eine Einrede namens "counter-restitution impossible" gewähren wollte. Kritisch gegenüber der letztgenannten Lösung Burrows, Law of Restitution, S. 134, dem zufolge dieser Begriff streng genommen unsinnig ist, weil "counter-restitution" in Form von Geldersatz immer möglich bleibe. Inzwischen bevorzugt auch Birks die Wertersatz!ösung, vgl. Birks, Failure of Consideration, S. 193-200. Ganz ungeklärt ist noch das Verhältnis zwischen Unmöglichkeit von counter-restitution und Wegfall der Bereicherung, vgl. McKendrick, Total Failure, S. 238, also (in deutscher Terminologie) die Problematik der Saldotheorie. McKendricks Position lässt sich verkürzt dahingehend zusammenfassen, dass sich ein gutgläubiger Bereicherungsschuldner auf bereicherungsmindernde Vermögensdispositionen aller Art berufen könne, ein wrongdoer dagegen nur auf solche, die der anderen Seite tatsächlich zugute gekommen seien, und zwar auch nur dann, wenn rechtspolitische Erwägungen nicht dagegen sprächen (S. 239-241). Aufgrund der Schwierigkeiten, eine überzeugende Alternativlösung zu finden, konnte sich die Law Commission im Jahre 1983 nicht dazu durchringen, eine Aufgabe des totalJailure-Kriteriums zu empfehlen; sie war vielmehr der Meinung, bei Leistungsstörungen sei der Gläubiger durch seinen Schadensersatzanspruch ausreichend geschützt, und lehnte ein minderungsähnliches Recht ab (Law Com. Rep. No. 121, Nr. 3.8-3.11). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Äußerungen von Lord Goff in Stocznia Gdanska S.A. V. Latvian Shipping Co. [1998) 1 W.L.R. 590. 247 Virgo, S. 336-341, führt sogar eine ganze Reihe entsprechender ,Judicial techniques" auf. Positiver sieht diese Tendenz laffey, Nature and Scope, S. 65, dem zufolge ,,[i)n practice, [... ) the courts are likely to interpret the total Jailure requirement in such a way as to cause least unJairness". 248 (1993) 111 A.L.R. 289 (High Court of Australia). 249 Allerdings hatte die Reederei freiwillig bereits den anteiligen Reisepreis für die Zeit nach dem Schiffbruch zurückerstattet. Außerdem hatte die Klägerin Ersatz für die von ihr erlittenen Schäden erhalten; das Gericht war der Auffassung, dass der Gläubiger sich zwischen Rückzahlung und vertraglichem Schadensersatz entscheiden müsse, weil er sonst unter Umständen zu viel bekomme. Zustimmend Birks, Failure of Consideration, S. 200 f., und McKendrick, Total Failure, S. 220; kritisch dagegen Barker, [1993) L.M.C.L.Q. 291. Zur Frage der Kumulation von Rückabwicklung und Schadensersatz vgl. bereits oben Teil 2 A.I.2.b)(4) bei Fn. 40. 250 In einem allerdings vereinzelt gebliebenen Fall wurde bei einem Bauwerkvertrag schon einmal eine Art Minderung auf dieser Grundlage zugelassen: Soweit Geld für nicht (ordnungsgemäß) erbrachte Leistungen gezahlt worden sei, liege total 11 Coen
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kurze Nutzung der Kaufsache durch den Käufer eine total Jailure oJ consideration ausschließen,251 bei Rechtsmängeln dagegen kann der Käufer trotz längeren Gebrauchs den vollen Kaufpreis zurückfordern?52 Auf die nicht immer zwingenden Abgrenzungen zwischen verschiedenen Vertrags typen und verschiedenen Arten von Zahlungen innerhalb eines Schuldverhältnisses, die insoweit erforderlich werden, ist in anderem Zusammenhang bereits hingewiesen worden. 253 Diese Kritikpunkte werden in der Rechtsprechung durchaus zur Kenntnis genommen; ob man sich auf Dauer zur Aufgabe des total-Jailure-Kriteriums bereitfinden wird, läßt sich freilich noch nicht absehen?54 Umstritten ist daneben auch die Frage, ob die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung im Falle des Vertragsbruchs auch einem Gläubiger zur Verfügung stehen soll, der bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrages einen Verlust gemacht hätte. In der englischen Rechtsprechung ist diese Frage offenbar niemals entschieden worden, weshalb in der Diskussion meist auf eine amerikanische Entscheidung zurückgegriffen wird. In Bush v. CanJield255 hatte sich der Kläger verpflichtet, vom Beklagten Mehl für $ 14.000 zu kaufen; obwohl der Marktpreis des Mehls auf $ 11.000 sank, lieferte der Beklagte nicht. Dem Kläger wurde Rückforderung seiner Anzahlung in Höhe von $ 5.000 gewährt, obwohl er bei vollständiger Vertragsdurchführung $ 3.000 Verlust gemacht hätte und sein Erfüllungsinteresse daher nur noch $ 2.000 betrug?56 Die englische Literatur begrüßt überwiegend diese Lösung mit dem Argument, andernfalls würde dem Verfailure of consideration vor. Vgl. D. O. Ferguson & Associates v. Sohl (1992) 62 Build. L.R. 95, zitiert nach Birks, Failure of Consideration, S. 199 f. 25\ Yeoman Credit Ltd. v. Apps [1962] 2 Q.B. 508. Anders aber - bei ähnlicher Fallgestaltung - der Court of Appeal in Rogers v. Parish (Scarborough) Ltd. [1987] Q.B. 933. Eine etwaige Übereignung der mangelhaften Sache schließt total failure of consideration dagegen nicht aus, weil die Ablehnung durch den Käufer zum
automatischen Rückfall des Eigentums führt, vgl. oben Teil 2 A.I.2.c)(4) a. E. 252 Rowland v. Divall [1923] 2 K.B. 500 mit der Begründung, consideration für den Kaufpreis sei nicht die bloße Übergabe der Kaufsache, sondern Übereignung bzw. Übertragung berechtigten Besitzes. Das gilt selbst dann, wenn der Verkäufer den Rechtsmangel durch entsprechende Vereinbarung mit dem wahren Eigentümer heilt: Butterworth v. Kingsway Motors [1954] 1 W.L.R. 1286. 253 Vgl. oben Teil 2 A.1.2.c)(4). In diesem Zusammenhang vgl. ferner Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 401-408. 254 Für entsprechende Andeutungen von Lord Goff vgl. Westdeutsche Landesbank Girozentrale v. Islington London Borough Council [1996] 2 WLR. 807 und Goss v. Chilcott [1996] A.c. 788 (P.c.). 255 2 Conn. 485 (1818). 256 Vgl. Burrows, (1995) 48 c.L.P. 112 f. Zum Für und Wider einer Bereicherungshaftung über das Erfüllungsinteresse hinaus McKendrick, Total Failure, S. 227229.
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tragsbrüchigen trotz seines Vertragsbruchs derselbe Gewinn gewährt, den er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrages erhalten hätte;257 mit anderen Worten, er erhalte keinen Anreiz zur Vertragserfüllung. Wo der Schuldner Dienst- oder Werkleistungen nicht vollständig erbracht und der Gläubiger im Voraus bezahlt hat, wird ein derartiges Ergebnis als Konsequenz des total-Jailure-Kriteriums allerdings hingenommen. 258 Noch größere begriffliche Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man das Gebiet der Vertrags beendigung wegen Leistungsstörungen verlässt und auch von Anfang an nichtige Verträge in die Betrachtung einbezieht: 259 Schließt das total-Jailure-Erfordemis auch hier jede Rückabwicklung aus, wenn bereits (Teil-)Leistungen ausgetauscht worden sind,260 bleibt Rückforderung möglich, weil es schon per definitionem an einer rechtlich beachtlichen consideration fehlt,261 oder kommt es in jedem Einzelfall auf den Zweck 257 Vgl. etwa Tettenborn, Rn. 6-23. Fried, S. 116 f., verweist darauf, dass der Gläubiger andernfalls so gestellt würde, als hätte er nicht einen Anspruch auf die Leistung, sondern nur eine Option auf einen entsprechenden Vertrag erworben. 258 Kritisch insofern Law Com. Rep. No. 121, Nr. 1.7. Bei den Konsultationen der Law Commission gab es allerdings keine Mehrheit für eine Änderung, weil kein Grund bestehe, den Besteller, der ein schlechtes Geschäft gemacht habe, daraus zu entlassen, vgl. Nr. 1.8. 259 Bei anfechtbaren Verträgen stellt sich das Problem nicht, weil hier als Voraussetzung der Anfechtung grundsätzlich bereits das Angebot einer unversehrten Rückgabe der empfangenen Leistung (restitutio in integrum) gefordert wird, vgl. oben Teil 2 A.I.2.c)(2) sowie Tettenborn, Rn. 6-08. 260 Meier, JZ 1999, 563, hält dies für eine "wichtige Konsequenz" des total-Jailure-Erfordernisses. Ebenso Irrtum und Zweckverfehlung, S. 272; problematisch allerdings die Aussage, bei konsequenter Anwendung des Kriteriums müsste geprüft werden, "ob die Klägerin [... ] die [... ] vertraglich vereinbarte Gegenleistung erhielt, statt der Klage allein wegen der Unwirksamkeit des [... ] Vertrags stattzugeben": was soll die "vertraglich vereinbarte Gegenleistung" sein, wenn ein wirksamer Vertrag per deJinitionem nicht zustande gekommen ist? Auch in Rover International Ltd. V. Cannon Film Sales Ltd. (No. 3) [1989] I W.L.R. 912 machte es dem Court of Appeal erhebliche Mühe, eine total Jai/ure oJ consideration zu finden, obwohl im Rahmen des nichtigen Vertrages Teilleistungen erbracht worden waren. Millett, (1998) 114 L.Q.R. 414, zufolge soll die Rückabwicklung dagegen erst dann ausscheiden, wenn der Vertrag auf beiden Seiten vollständig erfüllt worden ist. 261 So etwa Atiyah, Introduction, S. 451, unter Verweis auf Rover International Ltd. V. Cannon Film Sales Ltd. (No. 3) [1989] 1 WLR. 912: "Since the contract was legally void the plaintiff will not have received any part oJ what he bargained Jor. What he has received he did not bargain Jor - hence he in turn may have to repay or account Jor the value oJ any such benefits." Ähnlich wohl auch McMeel, S. 172-174: Die Nichtigkeit des Vertrages sei an sich kein Grund für die Rückforderung, wohl aber die Tatsache, dass es kein "bargained-Jor benefit" gebe. Vgl. ferner Goode, Commercial Law, S. 82 f.: "necessary consequence" der Vertragsunwirksamkeit sei es, dass "payments made and property transJerred under the supposed contract are recoverable [... ], Jor neither party has an entitlement to what he has received." 11*
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der Nichtigkeitsnorm an?262 Das Problem hat die Rechtsprechung vor allem in den Swap-Fällen beschäftigt. Einige Richter glaubten, nur durch die Annahme eines neuen unjust Jactors namens absence oJ consideration helfen zu können, was jedoch wiederum zu heftigen Kontroversen führte. 263 In Guinness Mahon & Co. Ud. v. Kensington L.B. C. 264 erklärte Robert Walker L.J. dagegen, obwohl der Zahlungsempfänger Eigentümer der Zahlung werde, sei seine Berechtigung doch "overshadowed by the payer's personal restitutionary claim"; auch die Tatsache, dass der Vertrag unterstellt, er wäre gültig - vollständig erfüllt worden wäre, ändere daran nichts?65 Zumindest ein Richter des House of Lords hat die gleiche Ansicht vertreten. 266 Die Frage hat jedoch viel an Bedeutung verloren, seit in Kleinwort Benson Ud. v. Lincoln City Council267 die Rückabwicklung solcher Verträge auf der Basis von Rechtsirrtum ermöglicht wurde. c) Kritik deutscher Autoren am System der unjust Jactors Während das dargestellte System der unjust Jactors in der englischen Literatur fast durchgängig als wesentlicher Fortschritt in der Aufarbeitung der bereicherungsrechtlichen Dogmatik gesehen wird,268 wird es von einer kleinen, aber auch in englischer Sprache publizistisch sehr aktiven Gruppe deutscher Autoren um Reinhard Zimmermann heftig bekämpft. 269 Diese 262 Im letztgenannten Sinn vielleicht Tettenborn, Rn. 7-04, dessen Ansicht nach die Rückforderbarkeit der Leistung seitens der durch die Nichtigkeitsnorm geschützten Partei unmittelbar aus der Nichtigkeitsnorm selbst folgt und diese Rückforderbarkeit wiederum eine total failure of consideration der Gegenseite zur Folge hat. Bei formnichtigen Grundstücksverträgen lässt die englische Rechtsprechung wenig Lust zu einer Rückabwicklung ausgetauschter Leistungen erkennen, vgl. unten Teil 3 B.III.1 sowie Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 421-424. 263 Vgl. dazu näher Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 208 Fn. 795 f. sowie Kap. 3 Rn. 453 Fn. 1308. 264 [1998] 3 W.L.R. 850. 265 Vgl. dazu die kritische Entscheidungsanmerkung von White, (1999) I 15 L.Q.R. 380, der die Frage, ob eine Rückabwicklung stattfinden soll, offenbar nicht allgemein, sondern mit Blick auf den Zweck der jeweiligen Unwirksamkeitsnorm beantwortet wissen will (S. 384). 266 Lord Browne-Wilkinson in Westdeutsche Landesbank Girozentrale v. lslington London Borough Council [1996] 2 W.L.R. 802. 267 [1998] 3 W.L.R. 1095 (H.L.). 268 Vgl. schon oben Teil I C.I.l.b )(6) bei Fn. 219 zur allgemeinen Durchsetzung der von Birks stammenden Systematisierung der Voraussetzungen von Bereicherungsansprüchen. 269 Vgl. u.a. die Teil 2 A.III.l.b), Fn. 227, nachgewiesenen Veröffentlichungen. Auf die in diesem Zusammenhang gelegentlich zu beobachtende "Mythenbildung" ist bereits in Teil I C.I.l.b )(7), Fn. 232, hingewiesen.
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Autoren vertreten mit einem zuweilen fast schon missionarisch zu nennenden Eifer27D die Auffassung, dass das englische Recht besser bedient wäre, wenn es sich nur zum Standpunkt des europäischen ius commune - das diese Autoren mit der von ihnen bevorzugten Version des deutschen Bereicherungsrechts identifizieren - bekehren wollte. 271 Kritisiert wird, das System der unjust Jactors sei unübersichtlich und daher wenig elegant, wodurch es nur zusätzliche Probleme schaffe, und führe außerdem zu Rechtsunsicherheit, weil die Liste der Gründe für die Rückgewähr nicht abgeschlossen sei, sondern es immer möglich bleibe, dass weitere anerkannt werden könnten. 272 Die Kritik kann im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit weitestgehend auf sich beruhen: Wo es um die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung beim Scheitern von Verträgen geht, führen deutscher und englischer Ansatz zu weitgehend identischen Ergebnissen. Ob das Scheitern des Vertrages selbst, wie im deutschen Recht, als auslösender Faktor der Rückabwicklung gesehen wird (wobei man freilich die Fälle des Rücktritts und der damit verwandten Vertragsbeendigungsrechte ausnehmen muss, die im heutigen deutschen Recht ja nicht mehr mittels Bereicherungsausgleich gelöst werden) oder ob es, wie im englischen Recht, lediglich ein Hindernis für die Rückabwicklung beseitigt, die in diesen Fällen regelmäßig durch Irrtum oder Zweckverfehlung ausgelöst wird, bleibt sich gleich. Denn dort, wo in Unkenntnis der Unwirksamkeit auf einen unwirksamen Vertrag gezahlt273 worden ist, liegt ein mistake oJ law vor, der nach heutigem englischen Recht zur Rückforderung berechtigt. 274 Abweichungen ergeben sich nur 270 GranthamlRickett, (2001) 117 L.Q.R. 299, sprechen diplomatischer von einer "invitation to adopt the German technique", benutzen zugleich aber auch das Wort "pressure" . 271 Die Überzeugung von der ,,[g]esetzestechnische[n] Überlegenheit der deutschen Lösung" - so die bezeichnende Überschrift des Schlusskapitels in der von Zweigert betreuten Hamburger Dissertation von Koch aus dem Jahre 1972 - ist natürlich nicht neu. Neu ist dagegen der Missionsdrang, der zuweilen fast die in der RechtsvergIeichung eigentlich wünschenswerte Aufgeschlossenheit für andere Ansätze vermissen lässt und offenbar von der Überzeugung getragen wird, dass sich das Projekt einer "European legal science" (vgl. Zimmermann, (1996) 112 L.Q.R. 576) nur dann verwirklichen lasse, wenn es gelinge, sich auf gemeinsame dogmatische Grundlagen zu verständigen. 272 Vgl. Zimmermann, (1995) 15 O.J.L.S. 416. Dagegen aber Chen-Wishart, (2000) Oxford U Comparative L Forum 2 bei Fn. 17, die zu Recht betont, dass dies ein "general feature of the common law and, many would say, part of its commendable strength and adaptability" sei. 273 Die rechtsvergleichende Kritik dieser Autoren konzentriert sich meist auf rechtsgrundlose Geldzahlungen; andere Gegenstände von Bereicherungsansprüchen werden kaum berücksichtigt. Aus diesem Grund wird die Diskussion in der vorliegenden Arbeit auch im Zusammenhang mit der Rückforderung von Geldzahlungen dargestellt.
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dort, wo der Leistende zwar mit der Unwirksamkeit des Vertrages gerechnet hat, sich ihrer aber nicht ganz sicher war. 275 § 814 BGB schließt die Rückforderung nur bei positiver Kenntnis der Nichtschuld aus und wird außerdem nach Kräften einschränkend ausgelegt. Dagegen scheidet ein Bereicherungsanspruch in England grundsätzlich aus, weil sich ein Irrtum nicht bejahen lässt. Die Rechtsprechung scheint aber durchaus bereit, Abhilfe zu schaffen, wo der Leistende sich trotz Zweifeln an seiner Verpflichtung zur Zahlung genötigt sieht, um rechtliche oder tatsächliche Nachteile zu vermeiden. 276 Klar ist jedenfalls, dass sich solche Fallkonstellationen nicht mit dem einen oder anderen dogmatischen Schlagwort über einen Kamm scheren lassen, sondern dass es dabei besonders auf die Umstände des Einzelfalls ankommen muss. Wie bereits erwähnt, gewährt das englische Recht keinen Rückzahlungsanspruch, wo der Zahlende zwar einem Irrtum unterlegen ist und dieser Irrtum auch kausal für die Zahlung war, die Zahlung jedoch eine bestehende Verbindlichkeit erfüllt hat. 277 Die Kritiker sehen sich dadurch zu der triumphierenden Feststellung veranlasst, dass das englische Recht heimlich bereits eine "Rechtsgrundanalyse" praktiziere,278 weil Irrtum als ausschließliche Grundlage des Bereicherungsanspruchs eben nicht funktioniere. 279 Diese Argumentation überzeugt freilich nicht. Um zu erkennen, dass eine geschuldete Leistung nicht zurückgefordert werden kann, bedarf es keiner "Rechtsgrundanalyse"; dies ergibt sich vielmehr bereits aus dem Begriff der 274 Zimmermann, (1995) 15 O.J.L.S. 416, kritisiert die Duplizierung, die sich ergebe, wo ein Vertrag info1ge Irrtums scheitere: Zunächst müsse der Irrtum im Rahmen des Vertragsrechts, dann noch einmal im Rahmen des Bereicherungsrechts geprüft werden. Da in bei den Kontexten unterschiedliche Irrtumsbegriffe angewendet würden, könne es zu Schwierigkeiten kommen. Diese Kritik überzeugt aber nicht: Wie bereits oben bei Teil 2 AIII.l.a) dargestellt, wird der Irrtumsbegriff im englischen Bereicherungsrecht expansiv verstanden, während er - was noch unten Teil 3 D.lV.1 zu zeigen sein wird - im Vertragsrecht eher restriktiv gehandhabt wird. Wo ein vertragsrechtlich relevanter Irrtum besteht, wird daher auch immer ein Irrtum im Sinne des Bereicherungsrechts vorliegen. Vgl. auch Tettenborn, Rn. 7-10; McMeel, S. 74. Vgl. ferner Virgo, S. 134: Es sei problematisch, dass Irrtum als "paradigm ground 0/ restitution" betrachtet werde, weil er komplexe rechtspolitische Fragen aufwerfe. 275 Vgl. dazu Virgo, S. 16l. 276 Vgl. Nurdin and Peacock plc v. D. B. Ramsden and Co. Ltd. [1999] 1 All E.R. 941 (Ch.); auch Woo/wich Equitable Building Society v. Commissioners 0/ Inland Revenue [1993] AC. 70 läßt sich in diesen Zusammenhang stellen. 277 Vgl. etwa Barclays Bank v. W. J. Simms Ltd. [1980] Q.B. 690 (dazu oben Teil 2 AIII.l.a». Das gilt selbst bei Unkenntnis von Tatsachen, die zur Anfechtung des Vertrages berechtigt hätten, aus dem sich die Zahlungsverpflichtung ergibt, vgl. In re Goldcorp Exchange Ltd. [1995] 1 A.C. 102. 278 So etwa Meier, S. 99-105; Meier/Zimmermann, (1999) 115 L.Q.R. 565. 279 So etwa Meier/Zimmermann, (1999) 115 L.Q.R. 562.
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Schuld. Die Rechtsordnung würde nämlich in logische Widersprüche geraten, wenn sie es für möglich hielte, dass der Leistungsempfänger die Leistung zugleich haben soll (weil sie ihm geschuldet ist) und nicht haben soll (weil der Leistende sie zurückverlangen kann)?SO Einen eigenständigen Aussagegehalt gewinnt die "Rechtsgrundanalyse" erst dort, wo ein Anspruch nicht existiert, sei es, dass er nie bestanden hat, oder sei es, dass er später wegfällt. Dass die deutsche Betrachtungsweise in diesem Bereich auch nicht ohne Schwierigkeiten funktioniert, legt übrigens schon die eigentümliche Regelung in § 518 11 BGB nahe, bei der der Gesetzgeber - ausschließlich für Zwecke des Bereicherungsrechts - einen Anspruch auf Erfüllung des Schenkungsversprechens im seI ben Moment entstehen lassen muss, in dem dieser Anspruch (eben durch Erfüllung) untergeht.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit können diese Fragen allerdings dahinstehen, und den Kritikern ist sicherlich zuzugeben, dass die Lehre von der Rechtsgrundlosigkeit eleganter erscheint als der unjust-Jactors-Ansatz und den Vorteil besitzt, der Entlastung des Bereicherungsrechts zu dienen?81 Dass sich diese Entlastung aber nicht konsequent durchführen lässt, dass vielmehr bei der Durchführung der Rückabwicklung durchaus auch die Gründe eine Rolle spielen, die zum Wegfall des Rechtsgrundes geführt haben, ist bereits mehrfach hervorgehoben worden. 282 Im übrigen lässt sich auch leicht nachvollziehen, warum diese Betrachtungsweise in der englischen Diskussion keinen allzu großen Anklang zu finden scheint. Aus einem pragmatischeren, weniger an dogmatischer Eleganz orientierten Blickwinkel dürfte es nämlich eher umständlich wirken, wenn unjust Jactors wie 280 Diese einfache Tatsache wird in der deutschen Diskussion allerdings gelegentlich durch allzu dogmatische Betrachtungsweisen verschüttet, vgl. etwa Kupiseh, NJW 1985, 2375, dessen Ansicht zufolge der Anspruch schon allein deshalb nicht als Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB taugt, weil er mit Erfüllung erlischt. Ausführlich diskutiert werden diese Fragestellungen etwa bei Welker, S. 40-48. Dagegen stellt die umgekehrte Konstellation - dass der Leistungsempfänger kein Recht auf die Leistung gehabt hat, er sie aber auch nicht zurückgeben muss - keinen logischen Widerspruch dar. 281 Vgl. schon Wilburg, S. 11: "Durch die Beziehung auf ein Schuldverhältnis als den rechtlichen Grund kann sich die Lehre der Leistungskondiktionen wesentlich entlasten. [... ] Die Kondiktion tritt ein, wenn das Grundverhältnis, auf welches die Leistung sich bezieht, der Giltigkeit [sie] entbehrt." 282 Zutreffend deshalb Chen- Wishart, (2000) Oxford U Comparative L Forum 2 nach Fn. 18: ,,Nothing is saved by the apparently more eeonomical German approach and nothing is added by the apparent duplieation of the English approach." Auch König stellte heraus, dass "im deutschen Recht durch die überstrenge Trennung der Abwicklungsgründe [... ] vom Abwicklungsverhältnis" die Einheit des zugrunde liegenden Lebenssachverhaltes nicht genug beachtet werde (S. 84 f.); die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung sei "nur ein formaler Gesichtspunkt", hinter der sich "eine Vielfalt unterschiedlicher Lebenssachverhalte" verberge, weshalb man nicht erwarten könne, dass "deren Ordnung in allen Punkten identisch" sei (S. 151).
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etwa der Irrtum nicht unmittelbar zur Rückforderung führen sollen, sondern dieses Ergebnis erst auf dem Umweg über den Rechtsgrundlosigkeit angesteuert werden kann?83 Problematisch ist darüber hinaus, dass es sich bei "Rechts grundlosigkeit" um einen negativen Begriff handelt. Bemüht man sich, ihn für Zwecke der Rechtsanwendung ins Positive wenden, dann muss man umgekehrt nach dem Rechtsgrund, dem Behaltensgrund für eine Leistung fragen. Diese Sicht führt aber auf eine abschüssige Bahn, denn sie suggeriert, dass prima Jacie jede Leistung zurückgefordert werden kann, dass es also Sache des Leistungsempfängers sei, einen Grund für das Behaltendürfen aufzuzeigen. 284 Dass dies eine Sicht ist, die einer auf Leistungsaustausch ausgerichteten und demzufolge auf Verkehrsschutz angewiesenen Wirtschaftsordnung nicht gerecht wird, dürfte auf der Hand liegen?85 Es kommt hinzu, dass der Begriff des "Rechtsgrundes" seinerseits keineswegs unproblematisch ist, sondern vielmehr zu dogmatischen Auseinandersetzungen Anlass gegeben hat, deren Heftigkeit in umgekehrtem Verhältnis zu ihrer praktischen Relevanz steht. 286 Wenn ausländische Juristen wenig geneigt erscheinen, sich mit einer solchen Bürde zu belasten, braucht das nicht unbedingt zu überraschen. Wie soll Juristen von jenseits des Kanals beeindrucken, was schon die Lehrstuhlkollegen einen Korridor weiter kaum mehr überzeugt? Auch gegenüber dem englischen System des Bereicherungsrechts ist deshalb Gelassenheit am Platz. Eine Bedrohung für die Vision eines europäischen ius commune stellt der unjust-Jactors-Ansatz wohl kaum dar. Schließlich versucht er, eine Antwort auf dieselben Sachfragen zu geben wie die entsprechenden Ansätze des deutschen Bereicherungsrechts. Begriffe wie "Rechtsgrundlosigkeit" und "unjust Jactors" vermitteln keinen 283 Darauf weist auch Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 4 Rn. 6 hin. 284 So ausdrücklich Th. Krebs, (2000) Oxford U Comparative L Forum 4 vor Fn. 13. Ähnlich auch schon Koch, S. 160 f., der darauf hinweist, dass "die außerdeutschen Rechte den Bereicherungsausgleich zunächst aus der Perspektive des Leistenden anvisieren, also die Frage stellen, ob und warum der Leistende etwas zu fordern habe", während das deutsche Bereicherungsrecht "die Probleme eher unter dem umgekehrten Aspekt" sehe, "ob und warum der Empfänger die Leistung nicht behalten dürfe". 285 Vgl. Welker, S. 32. Schon Wilburg, der die modeme bereicherungsrechtliche Dogmatik in Deutschland mitbegründet hat, hielt es für notwendig, "zunächst nicht nach dem Grunde einer Rechtfertigung, sondern nach einem Grund der Ungerechtfertigtheit" zu fragen (S. 14). 286 Bemerkenswert ist beispielsweise der Ton und Inhalt der entsprechenden Beiträge von Kupisch, NJW 1985, 2370, sowie JZ 1985, 101 und 163, und der Entgegnung von WeitnQuer, JZ 1985, 555. Woljf. S. 71, stellt zu Recht fest, die "Lehre von der causa" habe "genauso lange Tradition" wie "ihre Bedeutung und ihr Inhalt bis heute unübersichtlich, um nicht zu sagen ungeklärt" seien.
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privilegierten Zugang zu einer tieferen juristischen Wahrheit, sondern stellen lediglich unterschiedliche Verschlüsselungen für funktional weitgehend ähnliche Lösungen dar. 287 Welchen Ansatz man bevorzugt, ist deshalb eine Frage der heuristischen und didaktischen Zweckmäßigkeit (und vielleicht der juristischen Ästhetik), über die man durchaus geteilter Meinung sein kann. 288 Dabei ist zu vermuten, dass gerade die Existenz derartiger unterschiedlicher Ansätze die Diskussion befruchten289 und aus der Verengung nationaler Begrifflichkeiten, die sich nicht nur in Deutschland zeigt,290 herausführen kann. 2. Ansprüche auf Vergütung für Dienstleistungen und die Lieferung von Sachen
Dass und warum das englische Recht besonders zurückhaltend bei der Gewährung außervertraglicher Ansprüche auf Vergütung für Dienstleistungen (quantum meruit) und die Lieferung von Sachen (quantum valebat)291 vorgeht, ist bereits dargestellt worden. 292 Nach heutiger Auffassung werden solche Ansprüche dann gewährt, wenn der Empfänger die Leistungen zurechenbar verlangt hat293 - was bei gescheiterten Verträgen regelmäßig der Fall sein wird - oder wenn sie ihm einen eindeutigen geldwerten Vorteil ("incontrovertible benefit") gebracht haben?94 Daneben wird in der Litera287 Vgl. auch Wolff, S. 84, der darauf hinweist, dass die hinter den "causa-Strukturen stehenden Regelungsbedürfnisse und die diesen zugrundeliegenden Interessen" nicht diskutiert würden und der mit den Begriffen des "Zuwendungsrisikos" und des "Restitutionsinteresses" ein - freilich noch nicht sonderlich weiterführendes Instrumentarium für eine solche Diskussion bereitstellen möchte. 288 Auch Grantham/Riekett, (2001) 117 L.Q.R. 299, betonen, es sei "not clear, however, that [... ] that teehnique [gemeint ist die deutsche bereicherungsrechtliche Dogmatik] offers anything ,beuer' ". 289 Vgl. das oben zu Teil 1 A.l1.l über den "Pluralismus dogmatischer Erklärungsansätze" Gesagte. 290 Zur Problematik der aktuellen bereicherungsrechtlichen Diskussion in England vgl. oben Teil I C.l.l.b )(7). 291 Letztere werden - wie MeMeel, S. 32, zu Recht konstatiert - selten eigens diskutiert; zu möglichen Ursachen vgl. Sehleehtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 303. 292 Vgl. Teil 2 A.III. zu Beginn. 293 Vgl. etwa Goff/Iones, S. 18; Tettenborn, Rn. 3-28 ff. Bereits König, S. 78, stellte fest, dass sich der Anspruch "in der Praxis im wesentlichen auf Fälle" beschränke, in denen "der deutsche Jurist eine stillschweigende Dienstvertragsvereinbarung bejahen (§ [sie] 611, 612 BGB) oder die er als Abwicklung eines mangelhaften Dienstvertrages einordnen würde", und dass das Common Law gegen aufgedrängte Dienstleistungen "durch Versagung des Anspruches" schütze (der Begriff "Dienstleistungen" muss hier allerdings im weiteren Sinn, also einschließlich Werkleistungen, verstanden werden).
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tur heftig diskutiert, ob auch die bloße widerspruchslose Entgegennahme von Leistungen (,free acceptance") einen Anspruch auslösen könne - eine eher theoretische Frage, die im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen kann. 295 Auch in diesem Zusammenhang schließt das Fortbestehen des Vertrages eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung grundsätzlich aus. In Re Richmond Gate Property Co. 296 sollte der Kläger seinem Vertrag zufolge als Vergütung für seine Dienste "such amount as the directors shall determine" erhalten. Die Geschäftsführer bestimmten keinen Betrag, und Plowman J. entschied, dass der Kläger demnach auch nichts zu beanspruchen habe. In Craven-Ellis v. Canons Ltd. 297 dagegen war der Anstellungsvertrag des Klägers nichtig, weshalb er quantum meruit verlangen konnte. Wie bei der Rückgewähr von Geldleistungen besteht auch hier Streit darüber, ob es einem Werkunternehmer, der ein schlechtes Geschäft gemacht hat, möglich sein soll, im Falle von Leistungsstörungen auf dem Weg über einen Bereicherungsanspruch mehr zu verlangen, als ihm nach dem Vertrag zugestanden hätte?98 Im Unterschied zur Rückforderung von Vorauszahlungen, bei denen ein solches "contract ceiling" größtenteils abgelehnt wird,299 geht die englische Literatur wohl überwiegend davon aus, dass der Werkunternehmer niemals mehr als den vertraglich vereinbarten Werklohn zu beanspruchen habe, selbst wenn die Leistung objektiv mehr wert gewesen sei. 30o Anders hat zum Teil die amerikanische Rechtsprechung entschieden, auf die in den englischen Diskussionen verwiesen wird: In Boomer v. Muir301 ging es um die Errichtung eines Damms; dem Werkunternehmer wurden $ 257.000 als Wertersatz für seine Leistungen zugesprochen, obwohl ihm nach dem Vertrag nur noch $ 20.000 zugestanden hätten. 302 294 Auch die Ersparnis andernfalls unvermeidlicher Aufwendungen soll hierfür ausreichen; die Darlegungs- und Beweisanforderungen im Hinblick auf das Vorliegen eines incontravertible benefit sind allerdings sehr hoch. Vgl. näher dazu Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 4lO f. 295 Vgl. dazu eingehend Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 307 f. 296 [1965] 1 W.L.R. 335. 297 [1936] 2 K.B. 403. 298 Ausführlich diskutiert wird die Problematik bei Skelton, S. 50--85. Nach Skeltons Ansicht sollte die vertraglich vereinbarte Gegenleistung lediglich als "strang evidence 0/ the value 0/ work done or goods supplied" gelten, die Rückabwicklung aber nicht notwendigerweise nach oben beschränken (S. 77). 299 Vgl. oben Teil 2 A.lII.1.b) bei Fn. 255 ff. 300 Vgl. etwa Tettenbom, Rn. 6-ll f., 6-27, 6-34--6-36. Für das "contract ceiling" auch GofflJones, S. 534 (die allerdings auf die damit verbundenen Probleme hinweisen) und McMeel, S. 143 f. Eine ausführliche Diskussion findet sich bei Virgo, S. lOO--104. Anders anscheinend Kern, S. 96. 301 24 P.2d 570 (1933).
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Nach der englischen Rechtsprechung wird die Möglichkeit, Vergütung für Dienstleistungen auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu fordern, durch zwei Regeln erheblich eingegrenzt, die beide auf das alte aktionenrechtliche Denken zurückzuführen sind: Hat der Dienstverpflichtete die ihm obliegenden Leistungen bereits vollständig erbracht, dann werden ihm bereicherungsrechtliche Ansprüche verweigert, weil er sich ja seinen vertraglichen Anspruch auf Vergütung "verdient" hat und demzufolge auf die Vertragsklage verwiesen ist. 303 Andererseits wird ihm bei Teilleistungen eine Vergütung regelmäßig ebenfalls verwehrt,304 weil der Vertragspartner diese nicht bestellt hat 305 (die sogenannte entire contracts oder entire obligations rule).306 Von der letztgenannten Regel bestehen allerdings Ausnahmen. So hat s. 2 Apportionment Act 1870 aus sozialpolitischen Gründen alle "rents, annuities, dividends, and other periodical payments in the nature 0/ income" aus dem Anwendungsbereich der entire-contracts-Regel ausgeschieden; ein Arbeitnehmer, der nach einer Woche die Arbeit unberechtigterweise einstellt, kann also möglicherweise einen Wochenlohn verlangen, auch wenn arbeits302 Kritisch McMeel, S. 144 f., der von "confusion of thought" spricht, sowie Beale, S. 208 f.: Von einer ungerechtfertigten Bereicherung auf Kosten des Werkunternehmers könne keine Rede sein, wenn dieser erhält, was ihm nach dem Vertrag zusteht. Vgl. aber Fried, S. 114-118, nach dessen Ansicht dem Besteller dadurch zwar sowohl das Risiko aufgebürdet zu werden scheint, dass das Werk billiger wird als geplant, als auch das Risiko, dass es teurer wird, der jedoch der Auffassung ist, dass sich der vertragsbrüchige Besteller darüber nicht beschweren dürfe. 303 Vgl. Tettenborn, Rn. 6-27, der darauf verweist, dass dieses Ergebnis als selbstverständlich erachtet werde und dass es daher wenig Belege aus der Rechtsprechung gebe, der jedoch Davis Contractors v. Fareham Urban District Council [1956] A.C. 696 als "straightforward example" nennt. Ebenso Kern, S. 97. 304 Der leading case in diesem Zusammenhang ist Sumpter v. Hedges [1898] 1 Q.B.673. 305 Anders Burrows, Law of Restitution, S. 277; ablehnend demgegenüber Tettenborn, Rn. 6-39. Kritisch auch Beatson, (1981) 97 L.Q.R. 413: Teilleistungen würden regelmäßig nur angenommen "with the expectation and subject to the condition that more was to come". 306 Zu den Begriffen vgl. Law Com. Rep. No. 121, Nr. 2.1-2.6, 2.1. Vgl. auch Beatson, (2000) I Theoretical Inquiries in Law 95. Die Regel gilt dagegen nicht, wenn der Dienstverpflichtete seine Leistung zwar vollständig erbringt, aber schlecht leistet, was zu Abgrenzungsschwierigkeiten Anlass gibt, vgl. Tettenborn, Rn. 6-37. In Bolton V. Mahadeva [1972] 1 W.L.R. 1009 etwa wurde die mangelhafte Installation einer Zentralheizung als Teilleistung betrachtet, weshalb dem Installateur ein Anspruch verweigert wurde. Vgl. demgegenüber Hoenig V. Isaacs [1952] 2 All E.R. 176, wo angenommen wurde, dass ein Inneneinrichter, der die Wohnung mit mangelhaften Möbeln ausgestattet hatte, nur eine Teilleistung erbracht habe, die aber substantial performance darstelle und deshalb aufgrund einer (sogleich bei Fn. 313 zu behandelnden) Ausnahme von der entire-contracts-Regel einen Vergütungsanspruch begründe.
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vertraglich Monatsgehälter vereinbart sind. 307 Auch im Falle der Vertragsbeendigung durch frustration hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung geschaffen, die freilich wenig klar ist. 308 Ist es der Besteller selbst, der die Fertigstellung des Werkes verhindert, so kann der Werkunternehmer gleichfalls - wahlweise anstelle des ihm zustehenden Schadensersatzes - anteilige Vergütung verlangen. 309 Daneben kann der Vertrag Zahlung nach Leistungsfortschritt (sogenannte progress, stage oder pro rata payments) vorsehen; insbesondere in Bauwerkverträgen werden solche Vereinbarungen häufig getroffen? 10 Der Gläubiger kann auch dort, wo ihn der Vertrag nicht dazu verpflichtet, Teil- oder Falschleistungen des Dienstverpflichteten ausdrücklich oder konkludent annehmen; das kann etwa der Fall sein, wenn ein Arbeitgeber Beschäftigte, die einer vertraglichen Verpflichtung zur Wochenendarbeit nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen, nicht entlässt, sondern ihnen nur den Lohn kürzt,311 oder wenn der Besteller ein Werk behält, obwohl er die Möglichkeit hätte, es zurückzuweisen. 312 Und schließlich wird nicht "literal peiformance", sondern nur "substantial peiformance" verlangt. 313 Bei allen diesen Ausnahmen kann man sich allerdings fragen, ob überhaupt bereicherungsrechtliche Ansprüche in Rede stehen oder ob es 307 Die Reichweite dieser Ausnahme im Rahmen des Arbeitsrechts ist allerdings nicht zweifelsfrei, vgl. Moriarty v. Regent's Garage and Engineering Co. Ltd. [1921] I KB. 434 f. und Law Com. Rep. No. 121, Nr. 2.21. Ganz ähnlich entscheidet s. 30(1) Sale of Goods Act 1979 - wie bereits erwähnt (Teil 2 A.II.2. Fn. 189) für den Fall der Minderlieferung beim Kaufvertrag; diese Parallele zieht auch Tettenborn, Rn. 6-35 Fn. 72. 308 Vgl. s. 1(3) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943; dazu unten Teil 3 D.VI.l.b). 309 Law Com. Rep. No. 121, Nr. 2.20. 310 Vgl. Law Com. Rep. No. 121, Note of Dissent (S. 36); Chitty on Contracts Rn. 22-029. 311 So obiter einige Richter in Miles v. Wakefield Metropolitan Borough Council [1987] A.c. 539 (in diesem Fall hatte der Arbeitgeber aber deutlich gemacht, dass er die nicht ordnungsgemäße Arbeitsleistung ganz ablehnen würde); vgl. zu den nicht völlig zweifelsfreien Voraussetzungen dieser Möglichkeit Mead, (1991) II L.S. 180 f. 312 Vgl. Sumpter v. Hedges [1898] I Q.B. 673, wo Vergütung für die (nicht restituierbaren) Werkleistungen verweigert, für auf dem Grundstück eingebaute Materialien des Unternehmers dagegen gewährt wurde, weil der Besteller diese hätte zurückgeben können. Ähnlich wird entschieden, wenn die Lieferung eines aliud angenommen wird, vgl. Steven v. Bromley and Son [1919] 2 KB. 722. 313 Hoenig v. Isaacs [1952] 2 All E.R. 176. Dem Besteller bleibt natürlich das Recht, mit seinem Schadensersatzanspruch wegen Vertragsverletzung gegen den Werklohnanspruch des Unternehmers aufzurechnen, was im Ergebnis zu einer Art Minderung führt. Wie "substantial" die substantial performance sein muss, wird allerdings zum Teil unterschiedlich beurteilt, vgl. aus der früheren Rechtsprechung Dakin v. Lee [1916] I KB. 577. Außerdem ist die Regel abdingbar; die Parteien können also im Vertrag vereinbaren, dass Erfüllung dem Buchstaben des Vertrages
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nicht vielmehr um die Entstehungsvoraussetzungen des vertraglichen Vergütungsanspruchs geht. 314 Anders als bei Leistungsstörungen wird die Frage dagegen bei unwirksamen Verträgen gesehen. Die Leitentscheidung in diesem Zusammenhang ist Rover International Ltd. v. Cannon Film Sales Ltd. (No. 3).315 Dem Rechtsstreit lag ein Geschäft zwischen der Filmproduktionsfirma T und einem italienischen Filmverleih namens M über die Synchronisierung und den Vertrieb von Filmen in Italien zugrunde. Um italienische Devisenbestimmungen zu umgehen, sollte nominell die Klägerin, eine von M gegründete Tochtergesellschaft auf den Kanalinseln, Vertragspartnerin von T werden. Der Vertrag sah vor, dass zunächst die Klägerin an T eine Vorauszahlung von $ 1,5 Mio. leisten musste. Die Einnahmen aus dem Filmverleih sollten dann zwischen den Parteien aufgeteilt werden, wobei die Klägerin mindestens ihre Vorauszahlung zurückbekommen sollte; im Falle bestimmter, nicht unbedingt schwerwiegender Vertragsverletzungen auf Seiten von M sollte T allerdings das Recht zur Vertragsaufhebung besitzen, was zur Folge gehabt hätte, dass die Klägerin ihren Einsatz verlöre. M war bereit, diese Bestimmung zu akzeptieren, weil sie in ihren bisherigen Geschäftsbeziehungen mit T immer gut ausgekommen war. Kurze Zeit später wurde T von der Beklagten übernommen, und es kam zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, die schließlich zur Beendigung der Geschäftsbeziehung führten. Im Rahmen der daraufhin einsetzenden Rechtsstreitigkeiten stellte sich heraus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mangels Registrierung auf den Kanalinseln noch keine Rechtsfähigkeit besaß, was nach damaligem englischem Recht zur unheilbaren Nichtigkeit des Vertrages führte. Die Klägerin verlangte ihre Vorauszahlung zurück sowie eine angemessene Vergütung für ihre Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Filmen der Beklagten. Das Gericht gewährte ihr diese Ansprüche, ungeachtet der Tatsache, dass bei Wirksamkeit des Vertrages dessen "Strafbestimmungen" eingegriffen hätten und der Klägerin damit sehr viel weniger zugestanden hätte. 316 Die Law Commission hat im Jahre 1983 in einem Mehrheitsvotum dem Gesetzgeber vorgeschlagen, entsprechende Ausgleichsansprüche auch bei Leistungsstörungen einführen. Nach Beendigung des Vertrages sollte der Dienstverpflichtete oder Werkunternehmer von der anderen Vertragspartei "such sum as represents the value of what he has done under the contract nach Voraussetzung für die Entstehung des Vergütungsanspruchs sein soll, vgl. Law Com. Rep. No. 121, Nr. 2.15. 314 So auch Burrows, Law of Restitution, S. 279 Fn. 2; besonders betont wird dieser Gedanke von Stoljar (1989), S. 251 f. 315 [1989] 1 W.L.R. 912. Vgl. dazu McMeel, S. 177. 316 Zustimmend Tettenborn, Rn. 7-07.
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to the person who has the benefit of it" verlangen dürfen, höchstens jedoch einen der erbrachten Leistung entsprechenden Anteil der Vergütung, die bei vollständiger Leistung geschuldet gewesen wäre. 317 Einer der fünf Mitglieder der Arbeitsgruppe, Brian Davenport, sprach sich allerdings in einem Minderheitsvotum gegen die Einführung eines derartigen Anspruchs aus: Im geschäftlichen Bereich bestehe dafür kein Bedürfnis, weil ohnehin regelmäßig progress payments vereinbart würden und die vertragstreue Seite im Übrigen durch ihren Schadensersatzanspruch ausreichend geschützt sei; Verbraucher hingegen müssten die Möglichkeit behalten, vertragsbrüchigen Handwerkern jegliche Vergütung zu verweigern, um sie so zu ordnungsgemäßer Erfüllung zu bewegen. 318 Diese Überlegungen haben offenbar die seither amtierenden englischen Regierungen davon überzeugt, von einer Verwirklichung des Reformprojekts abzusehen. 319
In der Literatur wird weiterhin darauf gehofft, dass sich die Vorschläge der Law Commission - etwa auf dem Weg über eine Rechtsprechungsänderung des House of Lords - doch noch durchsetzen. 32o Daneben wird an der derzeitigen Rechtslage kritisiert, dass die Bewertung von Dienstleistungen zu sehr von einem Alles-oder-nichts-Denken ausgehe: Wo der Empfänger einer Leistung das Gericht überzeugen könne, dass er nicht bereit gewesen sei, den Marktpreis für eine Leistung zu bezahlen, müsse er gar nicht haften, auch wenn er bereichert sei. 321 Die Rechtsprechung hat aber gelegentlich keine Bedenken gehabt, eine Partei für bestellte Leistungen zahlen zu lassen, auch wenn sie mittlerweile das Interesse daran verloren hatte. Ein Beispiel ist der berühmte Fall Planche v. Colburn 322 , in dem der beklagte Verleger den Kläger beauftragt hatte, ein Sachbuch für Jugendliche zu verfassen; nachdem erhebliche Teile des Manuskripts bereits geschrieben waren, wurde die Sachbuchreihe eingestellt, so dass der Verleger keine Verwendung mehr für das Manuskript hatte. Nichtsdestoweniger musste er dem Autor eine angemessene Vergütung zahlen. Der heutigen englischen bereicherungsrechtlichen Dogmatik macht es Schwierigkeiten, dieses Ergebnis Law Com. Rep. No. 121, Nr. 2.53. Vgl. Law Com. Rep. No. 121, Note of Dissent (S. 36 f.). 319 Näher zu diesem Thema noch Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 670. 320 Vgl. Goff/Jones, S. 555; Burrows, Law of Restitution, S. 281; Virgo, S. 359 f.; ablehnend dagegen Tettenbom, Rn. 6-38 f. 321 Barker, [1998] C.LJ. 309, insb. Fn. 51, schlägt eine komplizierte Beweislastverteilung vor: Der Bereicherungsgläubiger solle die Beweislast dafür tragen, dass der Schuldner überhaupt bereichert sei; den Schuldner treffe dann die Beweislast dafür, dass ihm die empfangene Leistung weniger wert gewesen sei als der Marktwert, außer vielleicht, wenn der Gläubiger eigenmächtig (officiously) gehandelt habe. 322 (1831) 8 Bing. 14. 317
318
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zu erklären, weil eine Bereicherung des Verlegers in einem ökonomischen Sinn offensichtlich nicht vorlag. 323 Umgekehrt kann ein Vergütungsanspruch trotz Bereicherung des Leistungsempfängers aber auch aus policyGründen ausgeschlossen sein, etwa wo andernfalls die Gefahr von Interessenskonflikten bestünde. 324 IV. Rückabwicklung durch dingliche Rechte Für das englische Sachenrecht ist die Unterscheidung zwischen Rechten an Grundstücken und Rechten an beweglichen Sachen kennzeichnend. Grob gesagt, kann der Eigentümer nur bei Grundstücken die Herausgabe in Natur mittels einer so genannten action 0/ ejectment verlangen. 325 Eigentumsrechte an beweglichen Sachen werden dagegen durch verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche verteidigt, die heute im Torts (Interference with Goods) Act 1977 teilweise kodifiziert sind. 326 Das Gericht kann hier nach seinem Ermessen zwar ebenfalls Rückgabe in Natur anordnen, jedoch nur unter Voraussetzungen, die den oben unter 1.1. dargestellten Einschränkungen der specijic peiformance im Vertragsrecht entsprechen. 327 Hieraus leitet sich auch die im englischen Kulturkreis umgangssprachlich gewordene Unterscheidung zwischen real und personal property her: Real property kann durch eine real action, also gegenständlich, zurückgefordert werden, personal property dagegen nur durch eine action in personam, also einen rein schuldrechtlichen Anspruch. 328 Streng genommen wird übrigens 323
S.47.
Vgl. dazu Tettenborn, Rn. 6-31 f.; Virgo, S. 63; McMeel, S. 142 f.; Skelton,
Vgl. Guinness plc v. Saunders [1990] 2 A.C. 663. Zu den Voraussetzungen, unter denen Fehleintragungen im Grundbuch berichtigt werden können, vgl. s. 82 Land Registration Act 1925; näher zu diesen Thema Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 306. 326 Vgl. s. 3 Torts (Interference with Goods) Act 1977. 327 Auch das spricht natürlich dagegen, dass die zu Anfang dieser Arbeit skizzierten Gedanken von Holmes über die Natur der vertraglichen Verpflichtung für das englische Recht zutreffen: Das Eigentum wird dort - anders als in Amerika, wo die alte action of replevin zu einer Art Vindikation ausgebaut worden ist - nicht stärker geschützt als der vertragliche Erfüllungsanspruch, nämlich grundsätzlich ebenfalls nur auf dem Weg über Schadensersatz; dennoch würde niemand auf den Gedanken kommen, dass es in England kein Eigentum gebe. Unzutreffend auch die Behauptung von Hornung, S. 275, der "anglo-amerikanische Rechtskreis" kenne "keine Vollstreckungsmaßnahmen zur Herausgabe von Sachen, die mit der relativen Perfektion der entsprechenden Regelungen des französischen und deutschen Zivilrechts vergleichbar wären". Selbstverständlich kann auch in England der Gläubiger mittels eines warrant for delivery of goods beziehungsweise eines warrant for possession of land seinem Schuldner den Gerichtsvollzieher (bailiff) schicken, um ein entsprechendes Urteil umsetzen zu lassen. 328 Vgl. Goode, Commercial Law, S. 32. 324 325
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nicht das Eigentum geschützt, sondern das Recht auf immediate possession, weshalb sich eigenständige Besitzschutzansprüche erübrigen. 329 Dingliche Rechte können im englischen Recht nach Common Law und in equity bestehen. Beide Arten von Rechten können am selben Gegenstand nebeneinander koexistieren; der Eigentümer nach Common Law (legal owner) und der Eigentümer in equity (equitable oder beneficial owner) müssen nicht miteinander identisch sein. Die bei den Arten von Rechten unterscheiden sich zum Teil in ihrer Entstehung, vor allem aber in ihrer Durchsetzbarkeit gegenüber Dritten: Nach Common Law gilt grundsätzlich die Regel nemo dat quod non habet; ein Nichteigentümer kann daher einem Dritten grundsätzlich keine Berechtigung verschaffen, auch wenn dieser gutgläubig ist. 33o Allerdings bestehen von dieser Grundregel eine Reihe von gesetzlich kodifizierten Ausnahmen,331 die zum Teil auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens zurückgeführt werden: Hat der wahre Eigentümer zurechenbar einem anderen den Besitz an einer beweglichen Sache gewährt und ihm so die Möglichkeit gegeben, sich als Eigentümer zu gerieren, dann kann er dessen Übereignung an einen Dritten nicht entgegentreten. 332 Dagegen verliert ein equitable owner grundsätzlich seine Berechtigung, wenn ein Dritter gutgläubig und entgeltlich das Eigentum nach Common Law erwirbt. 333 Das englische Recht trennt, wenn auch nicht immer konsequent, zwischen der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Übertragung eines bestimmten Gegenstandes und der tatsächlichen dinglichen Veräußerung. Bei Grundstücken ist für den Erwerb des Eigentums nach Common Law ohnehin eine formelle conveyance - was heute die Umschreibung im Grundstücksregister einschließt - erforderlich. Bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen lässt sich die Unterscheidung sogar in der Tenninologie erkennen: Ein noch nicht durch Übereignung der Kaufsache ausgeführter Vertrag ist lediglich ein "agreement to seil", erst mit Übergang des Eigentums heißt der Vertrag "sale" (s. 2(4) bis (6) Sale of Goods Act 1979).
329 Eine für die englische Literatur ungewöhnlich ausführliche und luzide Darstellung des Fahrnissachenrechts findet sich bei Goode, Commercial Law, S. 27-68; als Nachschlagewerk empfiehlt sich PalmerlMcKendrick. Vgl. außerdem Schlechtriern, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 304-306 m. w. N. 330 Genau genommen wird der Dritte zwar (ebenfalls) Eigentümer, aber nachrangig nach dem Eigentum des ursprünglichen Eigentümers, das sich deshalb durchsetzt; vgl. Goode, Commercial Law, S. 62. 331 Ausführlich Schlechtriern, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 371, insb. Fn. 1360. 332 Zu dem "underlying estoppel concept" vgl. Goode, Commercial Law, S. 64. 333 Goode, Commercial Law, S. 61.
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Nichtsdestoweniger sind Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages und Eigentumsübergang eng miteinander verbunden. Bei Grundstückskaufverträgen führt die Maxime "equity looks on that as done which ought to be done" dazu, dass der Käufer bereits mit Abschluss des Kaufvertrages Eigentümer in equity wird. 334 Auf den Kaufvertrag über bewegliche Sachen ist diese Regel dagegen nicht anwendbar. 335 Wann das Eigentum übergeht, richtet sich hier nach dem Willen der Parteien (s. 17(1) Sale of Goods Act); bei einem unbedingten Kaufvertrag über eine Speziessache, die sich in einem "deliverable state" befindet,336 wird allerdings vermutet, dass der Eigentumsübergang bereits mit Abschluss des Kaufvertrages eintreten soll (s. 18 Rule 1 Sale of Goods Act)?37 Ist dagegen eine Gattungssache verkauft, dann kann vor Konkretisierung kein Eigentum übergehen,338 auch nicht in equity.339 Probleme ergeben sich daraus insbesondere bei Quantitätsabweichungen. 340 Das Verhältnis zwischen Wirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages und Wirksamkeit der auf seiner Grundlage erfolgenden Übereignung ist kompliziert. 341 Zum Teil heißt es, es gebe "no general rule that passing 0/ property is dependent on the effectiveness 0/ the contract".342 Deshalb soll 334 Zu dieser "doctrine 0/ conversion" vgl. Harpum. [1984] C.LJ. 136 f Daneben soll auch noch ein trust durch die Zahlung des Kaufpreises entstehen (S. 138 f.). 335 Vgl. etwa Re Wait [1927] 1 Ch. 606. Anders möglicherweise. wenn specijic performance des Kaufvertrages gewährt würde. wenn die Kaufsache also einzigartig ist (vgl. oben Teil 2 A.U); dazu Worthington. S. 78. 336 Gemäß s. 61(5) bedeutet dies, dass sich die Kaufsache in einem Zustand befinden muss, bei dem der Käufer vertraglich zur Annahme verpflichtet wäre. Bei wörtlicher Auslegung würde dies aber bedeuten, dass bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache kein Eigentum übergehen kann; das scheint jedoch nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen zu sein. Die Voraussetzung "in a deliverable state" wird daher so verstanden, dass den Verkäufer keine Pflicht trifft. die Kaufsache erst noch in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, bevor er sie dem Käufer anbieten darf; vgl. Goode. Commercial Law, S. 236 f, sowie McCormack. S. 12 f 337 Vgl. jedoch R. V. Ward Ltd. v. Bignall [1967] 1 Q.B. 540, wo Diplock LJ. darauf hinweist, dass nach heutigem Recht nur wenig erforderlich ist, um die Vermutung zu widerlegen und das Ergebnis zu erzielen, dass das Eigentum erst mit Übergabe oder Zahlung übergehen soll. 338 So s. 16 Sa1e of Goods Act 1979. 339 In re Goldcorp Exchange Ltd. [1995] 1 A.C. 91 f. (P.c.). 340 Vgl. dazu Ulph. [1998] L.M.C.L.Q. 5 f.: Unter Umständen kann ein im Voraus zahlender Käufer benachteiligt werden, wenn der Verkäufer zuviel leistet und dann insolvent wird; in diesem Fall hat der Käufer sein Eigentum am gezahlten Geld verloren, ist aber wegen der Zuviellieferung andererseits möglicherweise noch nicht Eigentümer der Kaufsache geworden. Fraglich erscheint aber, ob darin wirklich ein Problem liegt: Vorauszahlungen des Käufers sind immer mit dem Risiko der Insolvenz des Verkäufers verbunden. 341 Zu pauschal deshalb die Aussage von Meier, Irrtum und Zweckverfehlung, S. 34, dass es "im englischen Recht kein Abstraktionsprinzip" gebe. 12 Coen
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Gesetzwidrigkeit des Kaufvertrags den Eigentumsübergang nicht verhindern. 343 Ganz durchgeführt ist dieses Abstraktionsprinzip freilich nicht 344 Jedenfalls die Nichtigkeit eines Kaufvertrages wegen Irrtums verhindert nämlich auch den Eigentumsübergang, 345 und im Falle der Täuschung oder ähnlich missbilligter Willensbeeinflussungen führt die Anfechtung des Vertrages zum automatischen Rückfall des Eigentums, soweit nicht (wie bei Grundstücken) eine förmliche Eigentumsübertragung erforderlich ist. 346
v.
Rückabwicklung durch deliktische Ansprüche
Rückabwicklung eines Vertrages mittels deliktischer Ansprüche kommt dort in Betracht, wo die Eingehung des Vertrages durch ein Delikt verursacht worden ist, also vor allem bei Täuschung und Drohung. Hier wird das Recht des Opfers auf rückwirkende Beseitigung des Vertrages (reseission) mit anschließender bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung 347 ergänzt durch die Möglichkeit, Schadensersatz ansprüche geltend zu machen, die es so stellen sollen, als sei das schädigende Ereignis nie eingetreten. Attraktiv ist diese Möglichkeit vor allem dort, wo rescission nicht mehr möglich ist, etwa weil das Opfer nicht in der Lage ist, die von ihm empfangene Leistung zurückzugewähren. 348 Einzelheiten werden im Zusammenhang mit den entsprechenden Scheiternsgründen in Teil 3 dargestellt.
Rose, S. 216. Vgl. etwa Tinsley v. Milligan [1994] 1 A.c. 340 (insbesondere Lord Goff, S. 355, sowie Lord Browne-Wilkinson, S. 370). Vgl. ferner A. iones, (1996) 112 342
343
L.Q.R. 610, wo argumentiert wird, dass es dem Verkehrsschutz zuwiderliefe, wenn Verstöße gegen EU-Wettbewerbsrecht den Eigentumsübergang verhindern könnten. 344 Vgl. auch McMeel, S. 171: Bei Geld beruht der Eigentumsübergang auf dessen currency-Charakter; bei beweglichen Sachen ist (außerhalb von Fällen der Gesetzwidrigkeit) die Auswirkung der Nichtigkeit auf den Eigentumsübergang unklar. 345 Cundy v. Lindsay (1878) 3 App. Cas. 459. 346 Vgl. in diesem Zusammenhang O'Sullivan v. Management Agency and Music Ltd. [1985] Q.B. 457 (Rückübertragung von Urheberrechten). Dritte, die in der Zwischenzeit gutgläubig und entgeltlich Eigentum erworben haben, werden aber geschützt. Wie Worthington, S. 81, meint, erweckt der dingliche Schutz des Getäuschten auch aus dem Blickwinkel des Insolvenzrechts keine Bedenken; der Getäuschte kann den Vertrag nur auflösen, wenn er restitutio in integrum anbietet, so dass die ungesicherten Gläubiger des Täuschenden zwar den Zugriff auf dessen bisheriges Eigentum verlieren, dafür aber die Gegenleistung in das Vermögen des Täuschenden zurückfällt. 347 Dazu oben bei Teil 2 A.I.2.c)(2). 348 Zu diesem Erfordernis vgl. oben Teil 2 A.I.2.c)(2) bei Fn. 48.
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VI. Nebenansprüche 1. Zinsen
Einschlägige Anspruchsgrundlage für Zinsansprüche soweit sie nicht aus einer vertraglichen Abrede oder aus einem Handelsbrauch folgen - ist im heutigen englischen Recht s. 35A Supreme Court Act 1981. 349 Diese Bestimmung stellt den Zeitpunkt, zu dem der Zinslauf beginnen soll, sowie die Zinshöhe fast vollständig in das Ermessen des Gerichts; eingebürgert hat sich allerdings ein Prozent über dem Basiszinssatz der Bank von England. 35o Im Bereich der equity-Rechtsprechung herrscht noch größere Flexibilität, wobei die Gerichte sogar Zinseszinsen zusprechen können. Diese Befugnis besteht jedoch nicht bereits, wo dies zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung sinnvoll ist, sondern nur, wo sich auch der Hauptanspruch selbst auf equity gründet. 351 2. Gebrauchsvorteile
Ersatzansprüche für Gebrauchsvorteile von Sachen werden im englischen Recht vor allem im Zusammenhang mit den dinglichen Schadensersatzansprüchen (oben IV.) erörtert. Freilich gehen die Ansprüche, die dem Gläubiger hier gewährt werden, nicht selten über seinen Schaden hinaus; es wird 349 Eingefügt wurde diese Bestimmung durch S. 15(1), Schedule 1, part I des Administration of lustice Act 1982; sie ersetzt S. 3(1) des Law Refonn (Miscellaneous Provisions) Act 1934. Der Unterschied besteht darin, dass nach früherem Recht Zinsen nur in einem Urteil gewährt werden konnten, der Schuldner sich also die Zinsen in vollem Umfang sparen konnte, wenn er bei ungünstigem Prozessverlauf zahlte, bevor das Urteil erging. Diese Gesetzeslücke fiel erstmals in Tehno-Impex v. Gebr. Van Weelde Scheepvaartkantoor B. V. [1981] Q.B. 648 auf, worauf das Gesetz geändert wurde. Nach neuer Rechtslage löst bereits die Klageerhebung den Zinsanspruch aus. Die Entdeckung, dass auch insoweit noch eine ärgerliche Regelungslücke besteht, wenn der Schuldner nach längeren Mahnungen, aber vor Klageerhebung zahlt, ließ nicht lange auf sich warten, vgl. President o/lndia v. La Pintada Compania Navigacion [1985] AC. 104 und I.M. Properties Pie. v. Cape & Dalgeish [1998] 3 W.L.R. 457 (C.A). Einzelheiten mit weiteren Nachweisen bei Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 413 f. 350 Vgl. Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 413 m. w. N. Weniger einschlägig im vorliegenden Zusammenhang sind die neueren gesetzlichen Regelungen zur Zahlungsbeschleunigung im Geschäftsverkehr, vgl. den Late Payment of Commercial Debts (lnterest) Act 1998 und dazu Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 413 Fn. 1484 m.w.N. 351 So die Mehrheit des House of Lords in Westdeutsche Landesbank Girozentrale v. lslington London Borough Council [1996] 2 W.L.R. 802. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Cope, (1996) 112 L.Q.R. 521. 12*
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also Bereicherungsabschöpfung im Gewand von Schadensersatzansprüchen, "ga ins masquerading as loss",352 gewährt. In Strand Electric and Engineering Co. Ltd v. BrisJord Entertainments Ltd353 etwa wurde dem Vermieter einer elektrischen Anlage, die verspätet zurückgegeben wurde, als Schadensersatz der volle Mietzins für die zusätzliche Nutzungsdauer zugesprochen, obwohl er nicht nachweisen konnte, dass er bei rechtzeitiger Rückgabe einen entsprechenden Gewinn gemacht hätte. 354 Bei Grundstücken existiert hierfür sogar eine eigene traditionelle Klageform, die action Jor mesne projitS. 355 Inzwischen werden derartige Ansprüche zunehmend ganz offen auf das Bereicherungsrecht gestützt. In Atlantic Shipping & Management v. Finagrain S.A. 356 etwa hatte die Klägerin der Beklagten ihr Getreidesilo in Estland vermietet. Die Beklagte beließ ihr Getreide über die vereinbarte Mietzeit hinaus in dem Silo. Während die Klägerin geltend machte, die Beklagte müsse den vereinbarten Mietzins (hilfsweise einen angemessenen Mietzins) für die Zeit der tatsächlichen Nutzung des Silos weiterzahlen, vertrat die Beklagte die Auffassung, die Klägerin könne nur Schadensersatz wegen Vertragsbruchs geltend machen und müsse hierfür nachweisen, dass sie das Silo anderweitig hätte vermieten können. Toulson J. entschied, dass der Klägerin ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf angemessenen Nutzungsersatz zustehe. Voraussetzung für derartige Ansprüche dürfte freilich auch weiterhin sein, dass der Gläubiger sich auf Fortbestehen seines Eigentums berufen kann. Nichteigentümer dagegen werden weniger großzügig behandelt; das zeigt sich besonders in den Fällen, in denen Kaufverträge wegen eines Rechtsrnangels beendet werden. In Rowland v. DivaU357 hatte der klagende Autohändler im Mai 1922 von dem Beklagten für f 334 ein Auto gekauft, es anstreichen lassen und im Juni 1922 für f 400 an einen Dritten verkauft. So die Überschrift bei Tettenbom, Rn. 11-15 f. [1952] 2 Q.B. 246 (C.A.). 354 Ähnlich bei einem gewerblich genutzten Luxuswagen (Hillesden Securities v. Ryjack [1983] 1 W.L.R. 959) sowie Hotelzimmer auf den Bahamas (lnverugie Investments Ltd. v. Hackett [1995] I W.L.R. 713). 355 Zu den instruktiven Beispielsnmen in diesem Zusammenhang gehören etwa Hall & Co. Ltd. v. Pearlberg [1956] 1 W.L.R. 244; Mount Carmel Investment Ltd. v. Peter Thurlow Ltd. [1988] I W.L.R. 1078 und Swordheath Properties Ltd. v. Tabet [1979] 1 W.L.R. 285. 356 15.1.1999 (Comm. Ct.); das unveröffentlichte Urteil ist zugänglich über die Bereicherungsrechts-Website der Universität Cambridge, www.law.cam.ac.uk/restitutionl engl.htm. 357 [1923] 2 K.B. 500; ähnlich auch Warman v. Southem Counties Car Finance Corporation Ltd. [1949] 2 K.B. 576 und Butterworth v. Kingsway Motors [1954] 1 W.L.R. 1286. 352 353
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Im September 1922 wurde das Auto von der Polizei beschlagnahmt, weil es gestohlen war (wovon keine der Parteien etwas gewusst hatte). Der Kläger zahlte dem Dritten die f 400 zurück und verlangte Rückzahlung des von ihm selbst gezahlten Kaufpreises, also f 334. Der Court of Appeal gab der Klage in voller Höhe statt, weil eine total lai/ure 01 consideration bestanden habe. Dass kein Abzug für Nutzungen oder einen Wertverlust des Autos gemacht worden ist, wird meist kritisiert, erscheint aber unter den Umständen nicht notwendigerweise ungerecht. 358 Wo der Käufer hingegen Eigentum erhält und dem Vertrag aus anderen Gründen entkommen will, stellt sich das Problem nicht, weil eine zwischenzeitlich erfolgte Nutzung der Kaufsache einen Vorteil aus dem Vertrag darstellt, der nicht mehr zurückgegeben werden kann und deshalb die Vertragsauthebung ausschließe 59 oder jedenfalls dafür sorgt, dass keine total lai/ure 01 consideration vorliegt?60 Beim Rücktritt von einem Verbrauchsgüterkauf wegen Mängeln der Kaufsache kann nunmehr ein Abzug für Nutzungsvorteile gemacht werden. 361 Diese Regelung erschien notwendig, zumindest aber wünschenswert, angesichts des Umstandes, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ausgedehnte Fristen zur Vertragsbeendigung gewährt und die zwischenzeitliche Benutzung der Kaufsache nicht als Hinderungsgrund gelten lässt. 362
3. Verwendungen Macht eine Vertragspartei im Rahmen eines Vertrages, der später wegen Vertragsverletzung der anderen Partei scheitert, Verwendungen, die dem Vertragsgegenstand zugute kommen, dann kann dies Schadensersatzansprüche im Rahmen der oben dargestellten Grundsätze zu den so genannten reliance damages 363 auslösen. Allerdings ist die englische Rechtsprechung mit der Zuerkennung solcher Ansprüche zurückhaltend, weil derartige Aufwendungen nicht notwendigerweise der Vertragsverletzung der anderen Seite zugerechnet werden können, sondern möglicherweise auf freier Disposition des Vertragstreuen beruhen, für die dieser das Risiko tragen muss. In Lloyd v. Stanbury364 hatte der Kläger vom Beklagten mehrere Grundstücke gekauft, um darauf eine Geflügelfarm zu errichten. Die Grundstücke wur358 Darauf weist Treitel, (1967) 30 M.L.R. 148 f., hin, der davor warnt "to solve intricate and often dissimilar problems by the use 01 a lew overgeneralised concepts". 359 Vgl. oben Teil 2 A.1.2.c)(2) bei Fn. 48. 360 Vgl. oben Teil 2 A.III.l.b) bei Fn. 251. 361 So die neuen ss. 48C(3), 48E(5) des Sale of Goods Act, eingefügt durch die Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 (S.1. 2002 No. 3045). 362 Vgl. Watterson, (2001) 9 ERPL 216. 363 Vgl. oben Teil 2 A.1I.1. 364 [1971] 1 W.L.R. 535.
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den übergeben, aber nicht übereignet, weil es zwischen den Parteien zum Streit darüber kam, ob ein bestimmtes Grundstück mitverkauft war oder nicht. Dem Kläger wurde Ersatz für Kies, den er hatte anfahren lassen, um die Zufahrt zu dem Grundstück zu befestigen, versagt. Das Gericht befand, ein Käufer, der noch nicht Eigentümer sei, müsse das Risiko tragen, dass solche Aufwendungen für ihn verloren sein könnten: Der Verkäufer brauche im Normalfall nicht damit zu rechnen, dass ein Käufer schon vor Eigentumsübergang die Kaufsache verbessere. Für die notwendigen Erhaltungskosten wollte es allerdings - im Einklang mit früherer Rechtsprechung _365 eine Ausnahme machen. Allerdings wurde dem Kläger auch der geltend gemachte Aufwendungsersatz für Rasenmähen auf dem Grundstück verweigert, weil es sich dabei nicht um einen geeigneten Gegenstand eines Ersatzanspruches handele?66 Ähnlich zurückhaltend hat sich die englische Rechtsprechung traditionell bei der Gewährung von Verwendungsersatz im Rahmen des Bereicherungsrechts gezeigt. Grund dafür war, dass man Verwendungen auf fremde Sachen letztlich als eine Art von unverlangter Geschäftsführung gegenüber dem Eigentümer angesehen und die Gewährung von Vergütung für solche Maßnahmen an entsprechend einschränkende Voraussetzungen geknüpft hat. 367 Insbesondere für Verwendungen auf Grundstücke werden Ausgleichsansprüche regelmäßig verweigert, soweit sich nicht eine entsprechende - ausdrückliche oder konkludente _368 Bestellung durch den Grundstückseigentümer feststellen lässt. 369 Dabei können sich allerdings Wertungswidersprüche ergeben, weil das englische Recht der Geltendmachung von Verwendungen als Einrede gegenüber Herausgabe- oder Schadensersatzansprüchen des Eigentümers jedenfalls bei Redlichkeit des Verwendenden mit wesentlich größerer Sympathie gegenübersteht. 37o Die Gefahr, dass eine solche Privilegierung des jeweiligen Besitzers Selbsthilfe begünstigt, 365 Vgl. Great Northem Railway v. Swaffield (1874) L.R. 9 Exch. 132, wo die klagende Eisenbahngesellschaft einen Hengst transportiert hatte, der am Bestimmungsort vier Monate lang nicht abgeholt wurde. Die Eisenbahngesellschaft konnte Stall- und Futterkosten verlangen, was das Gericht auf die Überlegung stützte, dass sie den Hengst nicht einfach "to his own danger [gemeint ist der Hengst] and the danger 0/ other people" auf der Straße habe aussetzen dürfen. 366 Lloyd v. Stanbury [1971] 1 W.L.R. 546 f. 367 Vgl. oben unter Teil 2 AIII.2. 368 Vgl. den Fünf-Punkte-Test von Fry J. in Willmott v. Barber (1880) 15 Ch.D. 105 f.: Voraussetzungen eines Anspruchs sind (1) ein Irrtum des Verwendenden, (2) Kausalzusammenhang zwischen Verwendungen und Irrtum, (3) Kenntnis des Beklagten von seinem Recht auf die Sache sowie (4) vom Irrtum des Klägers und (5) ein Verhalten des Beklagten gegenüber dem Kläger, das diesen (auch etwa durch Unterlassen einer rechtzeitigen Ge1tendmachung von Rechten) zur Vornahme von Verwendungen ermutigt. 369 Näher zu den Ausnahmen Gojf/Jones, S. 241-245.
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wird in der englischen Literatur durchaus gesehen?7! In einem allerdings vereinzelt gebliebenen Fall, Greenwood v. Bennett,372 hat sich der Court of Appeal auch durchaus bereit gefunden, einen "aktiven" Verwendungsersatzanspruch zu gewähren, wobei die Literatur heute noch rätselt, ob diese Entscheidung (und insbesondere die sehr weitgehende Begründung von Lord Denning M.R., der sich auf die Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung auf Seiten des Eigentümers stützte )373 verallgemeinerungsfähig ist oder nicht vielmehr nur mit der besonders ungewöhnlichen prozessualen Situation, in der sie ergangen ist, erklärt werden kann: Das Verfahren war von der Polizeibehörde in Gang gebracht worden, die wissen wollte, an wen ein als Beweismittel beschlagnahmtes Auto zurückzugeben sei, und lief so auf eine Art Prätendentenstreit hinaus. 374 Alles in allem stellt sich die Situation des Verwendenden im englischen Recht also eher prekär dar.
B. Deutsches Recht I. Formen des Vertragsscheiterns und unterschiedliche Rückabwicklungsregime Leitbild und Paradigma der vertraglichen Haftung im deutschen Recht ist, zumindest in der Theorie, die notfalls gerichtlich durchzusetzende Naturalerfüllung. Anders als im englischen Reche 75 kann also von einem Scheitern des Vertrages immer dort die Rede sein, wo eine Naturalerfüllung 370 Vgl. insbesondere s. 6(1) Torts (lnterference with Goods) Act 1977: Ein Schuldner, der eine bewegliche Sache im redlichen Glauben verbessert, er habe einen "good title", kann gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Eigentümers eine allowance in Höhe des Anteils am Marktwert der Sache, der auf sein Tätigwerden zurückzuführen ist, geltend machen. Etwas restriktiver früher die Rechtsprechung, vgl. etwa Munro v. Willmott [1949] 1 K.B. 295. Vgl. dazu Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 530, insb. Fn. 1877 ff. Daneben sind auch die Fälle des so genannten proprietary estoppel oder estoppel by acquiescence zu nennen, in denen Verwendungen des Käufers zur Aufrechterhaltung eines formnichtigen Grundstückskaufvertrages geführt haben. Allerdings ist fraglich, inwieweit dieses Rechtsinstitut nach der Verschärfung der Folgen eines Formverstoßes durch den Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 noch Anwendung finden kann; vgl. näher Goff/Jones, S. 241-245, sowie unten Teil 3 B.IIL!. 371 Vgl. Birks, Introduction, S. 123, und Matthews, [1981] C.LJ. 358. 372 [1973] 1 Q.B. 195. 373 Vgl. [1973] 1 Q.B. 195 (insb. S. 201 f.). 374 Vgl. etwa Goff/Jones, S. 248 f.; Birks, Introduction, S. 123-125; Burrows, Law of Restitution, S. 121; Matthews, [1981] C.L.J. 357 f. Vgl. ferner die ausführliche Diskussion in Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa II, Kap. 5 Rn. 108 f. m.w.N. 375 Vgl. oben Teil 2 A.LI.
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aus welchen Gründen auch immer - nicht möglich ist oder jedenfalls nicht durchgesetzt werden kann. Die einzelnen Kategorien des Vertragsscheiterns ähneln dabei durchaus denen, die für das englische Recht skizziert worden sind: Die absolut wirkende Nichtigkeit ist der voidness funktional vergleichbar; für Zwecke der Rückabwicklung lässt sich ihr die - im englischen Recht unbekannte - Kategorie der schwebend unwirksamen Verträge zuschlagen, weil es zu einer Rückabwicklung grundsätzlich erst dann kommen wird, wenn sich der Vertrag endgültig als unwirksam erweist. 376 Die den Vertrag grundsätzlich ex tune vernichtende Anfechtung findet sich in beiden Rechten ebenso wie Gestaltungsrechte bei Leistungsstörungen, die den Vertrag nur ex nune beenden, wobei das deutsche Recht zwischen der Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen, die grundsätzlich nur für die Zukunft wirkt und deshalb keine Rückabwicklung nach sich zieht, und dem Rücktritt unterscheidet. 377 Eine letztlich nur rechtshistorisch zu erklärende Besonderheit stellten dabei die kauf- und werkvertragsrechtlichen Mängelgewährleistungsrechte des bisherigen BGB dar: Bei der Wandelung etwa handelte es sich der Sache nach um ein gesetzliches Rücktrittsrecht (vgl. auch § 467 BGB-alt), das aber dogmatisch nicht als solches ausgestaltet war (vgl. §§ 462, 465 BGBalt).378 Das deutsche Recht kennt aber auch ein automatisches Freiwerden von den Leistungspflichten im Fall der Unmöglichkeit, das sich mit der 376 Beziehungsweise weil die Geltendmachung der Rückabwicklung zur endgültigen Unwirksamkeit des Vertrages führt: Fordern etwa die Eltern den von ihrem beschränkt geschäftsfähigen Kind gezahlten Kaufpreis vom Verkäufer zurück, dann liegt darin natürlich zugleich die Verweigerung der von § 108 I BGB geforderten Genehmigung. 377 Die Kündigung wurde im ersten Entwurf des BGB denn auch noch als "Rücktritt für die Zukunft" bezeichnet, vgl. Leser, S. 89. Die Übergänge sind ohnehin fließend: Sukzessivlieferungsverträge sind keine Dauerschuldverhältnisse im technischen Sinn, dennoch wird eine Rücktrittserklärung bei ihnen regelmäßig als lediglich auf die Zukunft gerichtet ausgelegt, vgl. Staudinger/Kaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 86. Auch bei der Kündigung kommt freilich Rückabwicklung bereits erbrachter Vorleistungen in Betracht, wie § 628 I 3 BGB zeigt, den das Schuldrechtsmodemisierungsgesetz trotz des darin enthaltenen Verweises auf den seinerseits geänderten § 347 BGB unberührt gelassen hat. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass die deutsche Rechtsprechung aus pragmatischen Gründen der Anfechtung bei Dauerschuldverhältnissen zum Teil - insbesondere im Arbeits- und Gesellschaftsrecht - ebenfalls nur ex-nunc- Wirkung beimisst und sogar die Wirkungen der Nichtigkeit in diesem Zusammenhang einschränkt. 378 Warum der BGB-Gesetzgeber diese Konstruktion gewählt hat, wird unterschiedlich erklärt, u. a. damit, dass die Wandelung kein Verschulden voraussetze (vgl. dazu sogleich Fn. 405) oder dass die Schlechtleistung beim Stückkauf Erfüllung darstelle (so Brüggemeier/Reich, BB 2001, 219). Zu den verschiedenen Formen der ",außerordentlichen' Beendigung von Vertragsverhältnissen" vgl. BB 2001,218.
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frustration nach englischem Recht vergleichen lässt. Und die Kategorie der unenforceable contracts findet ihre, freilich ungleich weniger bedeutsame, Entsprechung in den Naturalobligationen des deutschen Rechts. Hinzu kommt neuerdings noch - mit einem teilweise eigenen Rückabwicklungsregime - die Kategorie der schwebend wirksamen (Verbraucher-)Verträge gemäß § 361a BGB-alt und §§ 357 ff. BGB neu,379 die in England als anfechtbar eingeordnet werden. 380
Freilich springt auch die unterschiedliche Bedeutung, die die einzelnen Kategorien im Vergleich zum englischen Recht zum Teil haben, sofort ins Auge. Was zunächst die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung betrifft (vgl. zum englischen Recht oben A.L2.b)(1)), so beschränkt sich diese im deutschen Recht weitgehend auf die Fälle der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit. 381 Während ursprünglich auch die Rückgewähr nach Rücktritt lediglich als eine Unterform des bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsregimes eingeordnet wurde 382 - wobei die allerdings alles andere als klare Bestimmung des § 327 S. 2 BGB-alt insoweit wiederum auf das Bereicherungsrecht verwies -, sieht man darin nach moderner Auffassung ein ganz eigenes Rückabwicklungsregime, dessen Spezifikum gegenüber dem Bereicherungsrecht darin liegt, dass die vertragliche Beziehung nicht beseitigt wird, sondern fortbesteht und als "Rückgewährschuldverhältnis" der Rückabwicklung dienstbar gemacht wird. 383 Hier zeigen sich bereits grundlegende konzeptionelle Differenzen zwischen deutschem und englischem Recht, die gegenüber allzu vorschnellen Konvergenzthesen skeptisch stimmen sollten: Zwar ist in beiden Rechtsordnungen anerkannt, dass auch der wegen Leistungsstörungen beendigte Vertrag 'noch Quelle von Rechten und Pflichten bleibt und insoweit auch die Rückabwicklung beherrschen kann. Während man aber die bereicherungsrechtliche Fundierung der Rückabwicklung in Deutschland als veraltete und überwundene Auffassung betrachtet, hält man sie in England immer noch 379 Vgl. insofern Mankowski, WM 2001, 793 und 893. Kritisch Brüggemeier/ Reich, BB 2001, 218: Bis zum Ablauf der Widerrufsfrist seien Verbraucherverträge "weder schwebend unwirksam noch schwebend wirksam"; nur die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht sei im Übrigen mit den europarechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. 380 Vgl. oben Teil 2 A.I.2.c)(2) bei Fn. 45. 381 Im Rahmen des Leistungsstörungsrechts enthielt allerdings § 323 III BGB-alt für die Rückabwicklung von Vorleistungen bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht. Aufgrund der Verweisung in § 325 I 3 BGB-alt stand dieses Recht auch bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit zur Verfügung, war dort aber wegen der schärferen Haftung des Schuldners nach Rücktrittsrecht meist wenig attraktiv. 382 Vgl. etwa RGZ 61, 132. 383 Vgl. z.B. BGHZ 88, 48.
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für einen wesentlichen Fortschritt, für den man der Fibrosa-Entscheidung 384 zu Dank verpflichtet ist. Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei nichtigen, aber bereits ausgeführten Verträgen (insbesondere Dauerschuldverhältnissen): Während die deutsche Rechtsprechung hier aus eminent einleuchtenden pragmatischen Gründen, wenn auch ohne besonders stringente dogmatische Basis, bemüht ist, die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung möglichst einzuschränken - was sich etwa an Denkfiguren wie den so genannten "fehlerhaften Verträgen", aber auch der Saldotheorie zeigt -, hat man sie in England in Kleinwort Benson Ltd. v. Lincoln City Council 385 vor kurzem sogar noch ausgeweitet. Ob man daraus nun eher den Schluss ziehen will, dass es mit der von seinen Verfechtern angepriesenen Kohärenz des deutschen Bereicherungsrechts vielleicht doch nicht so weit her ist,386 oder umgekehrt eher, dass die dogmatische Neufundierung des englischen Bereicherungsrechts in den letzten Jahren für die Praxis nicht immer positive Auswirkungen haben muss,387 dürfte eine Frage des jeweiligen Blickwinkels sein. 11. Rückabwicklung im Rahmen vertraglicher Rückgewährschuldverhältnisse
Mittelpunkt des Leistungsstörungsrechts des bisherigen BGB, so wie es weithin verstanden worden ist, war der Begriff der Unmöglichkeit. 388 Die Fälle der Unmöglichkeit wurden mit Hilfe einer Reihe von Unterbegriffen anfängliche und nachträgliche, objektive und subjektive, zu vertretende und nicht zu vertretende Unmöglichkeit - näher ausdifferenziert, wobei die Abgrenzung im Einzelnen mancherlei Schwierigkeiten bereitete und eine plausible rechtspolitische Rechtfertigung für die unterschiedlichen Rechtsfolgen auch nicht immer erkennbar war?89 Die Hoffnung auf klare Abgrenzungen, die mit der Betonung des Begriffs der Unmöglichkeit als Grenze der Leistungspflicht des Schuldners vermutlich verbunden war, hat sich nicht erfüllt: So wurde § 275 BGB-alt auch auf die so genannte faktische Unmöglichkeit angewandt und eine weitere Ausdehnung auf die so genannte wirtschaftliche Unmöglichkeit diskutiert. 39o Jedenfalls standen die vielen in diesem Zusammenhang entstandenen Streitfragen in keinem vernünftigen Verhältnis zur praktischen Bedeutung 384 385 386 387 388 389
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[1943] AC. 32; vgl. bereits oben Teil 2 AI.2.b)(1). [1998] 3 WLR. 1095 (H.L.). Vgl. dazu oben bei Teil 2 AIII.l.c). Dazu oben schon bei Teil 1 C.I.l.b)(7). Bundesminister der Justiz, S. 16. So Bundesminister der Justiz, S. 17. Vgl. Bundesminister der Justiz, S. 119.
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der Unmöglichkeit als Form der Leistungsstörung. In der Realität sind Verzug und Schlechtleistung wesentlich bedeutsamer. Für den Verzug liegt das schon aus Gründen der Logik unmittelbar auf der Hand, sobald man den Blickwinkel des Gläubigers einnimmt: Der Gläubiger kann regelmäßig nicht zuverlässig beurteilen, warum der Schuldner nicht leistet und ob ihm die Leistung noch möglich ist oder nicht; er kann lediglich erkennen, dass der Schuldner nicht rechtzeitig geleistet hat. Aus Sicht des Gläubigers stellt sich daher auch die unmögliche Leistung zunächst einmal als verzögerte Leistung dar. Das deutsche Recht bot hier mit dem Nachfristmodell des § 326 BGB-alt eine Lösung, die - wenn man etwa die Schwächen des englischen Rechts in diesem Zusammenhang bedenkt _391 Beifall verdiente und auch international Nachahmer gefunden hat. Ihr einziger Schönheitsfehler bestand in dem wenig einleuchtenden zusätzlichen Erfordernis einer ausdrücklichen Ablehnungsandrohung, das daher nun auch abgeschafft worden ist. Welche Regelung der Gesetzgeber des BGB der Schlechtleistung, dem neben dem Verzug wohl wichtigsten Fall der Leistungsstörung, angedeihen lassen wollte, war nach bisherigem Recht dagegen ein Rätsel, dessen Faszination anscheinend über ein Jahrhundert hinweg ungebrochen blieb. Die drei gängigsten Erklärungsversuche - der Gesetzgeber habe das Problem schlicht übersehen, er habe die Fälle der Schlechtleistung als solche der (Teil-)Unmöglichkeit einordnen oder die Lösung in § 276 BGB ansiedeln wollen, der entgegen allem Anschein keine Definition des Vertretenmüssens enthalte, sondern eine Anspruchsgrundlage darstelle - leiden allesamt daran, dass sie offenkundig wenig einleuchten. Die Praxis hingegen behalf sich mit dem richterrechtlichen Institut der positiven Forderungsverletzung, wobei es an den Schnittstellen zu den gesetzlich kodifizierten Fällen der Schlechtleistung - vor allem der Sachmängelgewährleistung - allerdings zu erheblichen Koordinationsschwierigkeiten kam. Dieses Institut kann mittlerweile auf eine lange Tradition zurückblicken, wobei man sich heute allerdings nur selten bewusst ist, dass die positive Vertragsverletzung ursprünglich weniger zur Begründung von vertraglichen Schadensersatzansprüchen nutzbar gemacht, sondern eher als Fall des Vertragsscheiterns gesehen wurde. So wurde diese Lehre zunächst vor allem herangezogen, um eine Lösung vom Vertrag bei einzelnen Schlechtlieferungen im Rahmen eines übergeordneten Dauerschuldverhältnisses sowie im Falle der Erfüllungsverweigerung zu ermöglichen. 392 In dem ersten Fall, in dem sich das Reichsgericht ausdrücklich auf Ansprüche "wegen positiver 391 Vgl. oben Teil 2 A.1.2.c)(4) Fn. 78 und den dort erwähnten Fall Union Eagle Ltd. v. Golden Achievement Ltd. [1997] 2 All E.R. 215 (P.C.). 392 Vgl. Glöckner, S. 171-185.
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Vertragsverletzungen" berief, gewährte es der Klägerin, die Kies für den Bau der Berliner Untergrundbahn geliefert hatte, ein Rücktrittsrecht analog § 326 BGB. Zwischen den Parteien war vereinbart worden, dass die Menge des gelieferten Kieses anhand des daraus hergestellten Betonmauerwerks ermittelt werden sollte; die Beklagte hatte jedoch einen Teil der Kieslieferungen für andere Zwecke abgezweigt, so dass die Klägerin um ihre Vergütung geprellt wurde?93 Nach Ansicht des Reichsgerichts, das der in der Literatur vor allem von Mommsen vertretenen Einordnung "alle[r] positiven Rechtsverletzungsakte eines Vertragsteiles in den Rahmen der Unmöglichkeit der ihm obliegenden Leistung" ausdrücklich "in dieser Allgemeinheit nicht" beitreten wollte, lag es nahe, "in § 326 den Ausspruch eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes für schuldhafte Nichterfüllung gegenseitiger Verträge in der besonderen Anwendung auf den Verzug zu sehen", der eingreife, wenn "durch jene Vertrags verletzungen die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet wird".394 Schadensersatzansprüche wurden dabei eher mit dem Rechtsgedanken des § 276 BGB begründet;395 das gilt etwa für die Entscheidung, die heute meist als erste grundlegende Entscheidung zur positiven Vertragsverletzung zitiert wird, obwohl dieser Begriff in ihr noch nicht erschien, und in der das Reichsgericht annahm, dass "auf Grund des Vertragsverhältnisses ein Schadensersatzanspruch neben der Wandelung bestehe und geltend gemacht werden kann, wenn nämlich die eine Vertragspartei schuldhafter Weise ihre Vertragspflicht verletzt und hierdurch dem anderen Contrahenten Schaden verursacht hat, der in der Wirkung der Wandelung nicht seine Deckung findet, und dessen Geltendmachung nicht eine besondere Gesetzesvorschrift entgegensteht,,?96 Erst der BGH hat die - in der Literatur schon zu Zeiten des Reichsgerichtes umstrittene - Herleitung des Schadensersatzanspruchs aus § 276 BGB aufgegeben und auch ihn auf die positive Vertragsverletzung gestützt. 397 Allerdings konnte positive Vertragsverletzung weiterhin zu einem Rücktrittsrecht führen, wobei die Vo393 RGZ 54, 98, Sachverhalt ergänzt nach Glöckner, S. 159. Der Klägerin ging es bei der Vertragsaufhebung vor allem darum, ihre Sicherheiten (Blankoakzept über 15.000 M) zurückzuerhalten. 394 RGZ 54, 102. 395 Zu dieser Argumentation Glöckner, S. 161 f. sowie 186-191. 396 RGZ 52, 19: Der Käufer hatte die Annahme von feuchtem Roggen verweigert und Wandelung verlangt und forderte nun weitergehende Schadensersatzansprüche wegen Frachtkosten, Rollgeld und Mehrausgaben bei einem Deckungskauf; der Beklagte begehrte widerklagend Zahlung des Kaufpreises. Die dogmatische Konstruktion des Reichsgerichtes, nach der Schadensersatz neben Wandelung möglich bleibt, wurde später aufgegeben (praktisch aber in der Berechnungsform des "großen Schadensersatzes" beibehalten); die Schuldrechtsreform kehrt aber zu ihr zurück (vgl. den neuen § 325 BGB, dem zu folge das "Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, [... ] durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen" wird). 397 Vgl. BGHZ 11, 80.
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raussetzungen und Rechtsfolgen zum Teil denen des § 326 I I BGB-alt angeglichen wurden. 398 Eine weniger lange Tradition hat dagegen die Schadensersatzhaftung für Verschulden bei Vertrags schluss. Das Reichsgericht lehnte in den ersten Jahren nach dem In-Kraft-Treten des BGB eine analoge Ausdehnung des Gedankens der cu/pa in contrahendo über die im Gesetz ausdrücklich geregelten Fälle (§§ 122, 179, 307, 309) hinaus ab und bemühte notfalls Hilfskonstruktionen, indem es etwa Beratungs- oder Schutzpflichten als vertragliche Nebenleistungspflichten postulierte. 399 Inzwischen ist natürlich auch die cu/pa in contrahendo längst zum festen Bestandteil des schuldrechtlichen Instrumentariums geworden, vermöge dessen faktisch ebenfalls eine Rückabwicklung des Vertrages erreicht werden kann. Versucht man, aus den diversen Einzelregelungen des deutschen Rechts ein gemeinsames Grundprinzip herauszudestillieren, dann kann es - wie Ulrich Huber gezeigt hat _400 nur im Prinzip des Vertretenmüssens liegen. Darin lässt sich zugleich ein wesentlicher Unterschied zum englischen Recht und zur Vertragsrechtskonzeption Holmes' erkennen: Nach deutscher Konzeption haftet der Schuldner nicht für das, was er versprochen, sondern für das, was er zu vertreten hat. Eingeschränkt wird das Prinzip freilich, worauf Huber ebenfalls zu Recht verweist, dadurch, dass Vertretenmüssen grundsätzlich vermutet wird (v gl. § 282 BGB-alt sowie für den Verzug § 285 BGB-alt), dass Geldmangel regelmäßig nicht entschuldigt und dass in manchen Bereichen - etwa für das anfängliche Leistungsvermögen, für Beschaffungsmöglichkeiten bei Gattungsschulden (vgl. den freilich unglücklich formulierten § 279 BGB_alt)401 sowie mit Einschränkungen für die vertragsgemäße Beschaffenheit des Leistungsgegenstandes - eine Garantiehaftung besteht. Angesichts dieser Ausnahmen kann man durchaus sagen, dass Vgl. StaudingeriKaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 78. Vgl. Giaro, S. 126--134. 400 Vgl. etwa (auch zu den Einschränkungen des Prinzips) Huber, Leistungsstörungen I, S. 31-34. 401 Vgl. schon RGZ 57, 116 (gattungsmäßig geschuldetes Baumwollsaatenmehl Marke "Eichenlaub" verschwindet von dem für die Beschaffung vorgesehenen Markt, bleibt aber anderswo erhältlich) und RGZ 99, 1 (Lieferung der geschuldeten ostgalizischen Eier wird durch den Einmarsch russischer Truppen verhindert, obwohl es natürlich immer noch ostgalizische Eier gibt). Die Schuldrechtsreform hat § 279 BGB gestrichen, den Grundgedanken aber in verallgemeinerter Form in § 276 I BGB aufgenommen; danach soll Vertretenmüssen auch ohne Verschulden eintreten, wo dies "bestimmt" oder "aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist". Kritisch wegen des Verlusts an Rechtssicherheit Zimmer, NJW 2002, 11. Die ursprünglich ebenfalls vorgesehene Verweisung auf die "Natur der Schuld" wurde nach Kritik u. a. des Bundesrates (vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 12) gestrichen. 398 399
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grundsätzlich bereits die objektive Nicht- oder Schlechterfüllung der Verbindlichkeit die Haftung des Schuldners auslöst und die Tatsache, dass der Schuldner die Nichterfüllung nicht zu vertreten hat, lediglich einen besonderen Tatbestand der Haftungsbefreiung darstellt. 402 Insoweit folgt das deutsche Recht einem Grundkonzept, das - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - inhaltlich dem Stand internationaler Regelungstechnik entspricht und auch vom englischen Recht in der Sache nicht allzu weit entfernt ist; diese Tatsache wird allerdings durch die Formulierung des Gesetzes eher verschleiert als verdeutlicht. 403 Aus heutiger Sicht wenig sinnvoll erscheint das Erfordernis des Vertretenmüssens im Übrigen für den Rücktritt (§§ 325 sowie 326 i. V. m. 285 BGB-alt), wo sich zu Recht einwenden lässt, dass das Recht des Gläubigers zum Rücktritt allein davon abhängen sollte, ob ihm nach den Umständen noch zugemutet werden kann, am Vertrag festgehalten zu werden und seine Leistung bereithalten zu müssen, obwohl die ihm zustehende Gegenleistung ausbleibt. 404 Schon nach dem bisherigen BGB setzten allerdings der Rücktritt beim Fixgeschäft (§ 361 BGB, der allerdings nur eine Auslegungsregel darstellte)405 sowie die Wandelung (§§ 462, 636 BGB) kein Verschulden voraus. Freilich erschienen die Rücktrittsregelungen des bisher geltenden BGB auch deshalb ohnehin wenig befriedigend, weil aus nur noch rechtshistorisch zu erklärenden Gründen - wie schon mehrfach erwähnt - Rücktritt und Schadensersatz einander ausschlossen. 406 Da der Rücktritt als Ausübung eines Gestaltungsrechts angesehen wurde, die zu einer unwiderruflichen Umgestaltung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis 402 So Huber, Leistungsstörungen I, S. 12; vgl. dort näher S. 32-34. Auch Brüggemeier/Reich, BB 2001, 220, kritisieren die Vorstellung, dass die Schadensersatzhaftung des Verkäufers bei Sachmängeln auf eine schuldhafte Vertragsverletzung zurückzuführen sei; bei dem "Massenvertrieb neu hergestellter (und original verpackter) Produkte" sei eine Mitverantwortlichkeit des Händlers "kaum mehr vorstellbar", zudem handele es sich bei den meisten Industrieprodukten um "sog. Erfahrungsgüter", bei denen Mängel erst durch den Gebrauch beim Letztkäufer erkennbar würden. 403 Vgl. auch Brüggemeier/Reich, BB 2001, 220 f., die sich dafür aussprechen, statt der "Rückkehr zu einem puristischen Einheitstyp der Verschuldenshaftung" eine "Differenzierung zwischen der Erfolgshaftung der Sachleister im Besonderen und der Verschuldenshaftung der Dienstleister im Allgemeinen" einzuführen. 404 Vgl. statt vieler nur Bundesminister der Justiz, S. 19, sowie Canaris, ZRP 2001, 332. 405 Übersehen offenbar bei Canaris, ZRP 2001, 332, dessen Ansicht nach die Abhängigkeit des Rücktritts vom Erfordernis des Vertretenmüssens nach bisherigem Recht dazu führe, dass der Rücktritt "nicht mit der Wandelung zu einem einheitlichen Rechtsbehelf' zusammengefasst werden könne. 406 Diese Tatsache wurde etwa von der Schuldrechtsreformkommission als Mangel des geltenden Rechts besonders hervorgehoben, vgl. Bundesminister der Justiz, S. 19.
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führte, konnte die - insbesondere aus Laiensicht nahe liegende - Erklärung des Rücktritts zu nachteiligen Rechtsfolgen führen, namentlich zum Wegfall bereits entstandener Schadensersatzansprüche;407 machte der Gläubiger dagegen Schadensersatz nach der Differenzmethode beziehungsweise - im Rahmen eines Kauf- oder Werkvertrages - den so genannten "großen Schadensersatz" geltend (was er freilich nicht immer konnte),408 dann konnte er im Ergebnis die Rechtsfolgen des Rücktritts mit Ersatz des überschießenden Schadens verbinden. Die Rechtsprechung half dem Gläubiger, indem sie Rücktrittserklärungen notfalls einschränkend auslegte. 409 Erklärtes Ziel der Schuldrechtsreform ist es gewesen, das skizzierte Grundkonzept im Grundsatz beizubehalten, es jedoch in den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes konsequenter umzusetzen und auch stärker offen zu legen. 410 Dogmatische Unterscheidungen, die erhebliche praktische Auswirkungen hatten, aber zu wenig sinnvollen kasuistischen Differenzierungen führten, sollten verschwinden; dazu gehört etwa das Problem der Abgrenzung von Sachmangel und aliud, das sich bislang beim Gattungskauf stellte,411 aber auch die Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmängeln, die insbesondere bei Grundstückskaufverträgen Schwierigkeiten bereitete. 412 Das Reformgesetz lässt darüber hinaus besonders die Tendenz erkennen, die bisher in vielen Punkten divergenten Regime des Kauf- und 407 Bestimmte Arten von Schadensersatzansprüchen blieben allerdings bestehen, so (jedenfalls nach der Rechtsprechung des BGH, vgl. BGHZ 88, 46) der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach § 286 I BGB-alt und Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung und culpa in contrahendo. Hierzu mit noch weiteren, rechtspolitisch allerdings wenig überzeugenden Differenzierungen StaudingerlKaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 57--62. 408 Zu dieser Problematik vgl. StaudingerlKaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 56. 409 Vgl. BGH NJW 1982, 1280. Schon Rabel, Entwurf, S. 72, konnte von der "sehr nachsichtige[n] Auslegung einer übereilten Annullierungserklärung" sprechen, vermerkte aber auch, dass "dem Käufer nicht jegliche Verlegenheit erspart" werde, "solange er seine Interessenlage nicht recht zu überschauen vermag, oder wenn z. B. ein Rechtsanwalt eine nicht mit Wohlwollen korrigierbare unvorsichtige Rücktrittserklärung abgegeben hat". Das "einheitliche und schmiegsame Recht zur unbedingten Befreiung von der eigenen Gegenleistungspflicht und auf den überschießenden Schadensersatz", wie das französische und österreichische Recht es schon damals vorsahen, sei "volkstümlicher" und habe "sich besser bewährt". 410 Kritisch Zimmer, NJW 2002, 12, dessen Ansicht nach auffälligstes Merkmal des neuen Leistungsstörungsrechts die "Einfachheit seiner Regelungsstruktur" sei, die "der raschen intellektuellen Erfassung des Systems förderlich[ ... ]", aber "nicht ohne Kosten zu haben" sei; es müsse gefragt werden, ob "ein stärker differenzierendes Recht nicht doch das ,bessere' Recht" darstelle. 411 Als "Systemfehler" wird die Notwendigkeit dieser Abgrenzung bezeichnet bei Bundesminister der Justiz, S. 21. 412 Bundesminister der Justiz, S. 21 f.
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Werkvertragsrechts weitestgehend aneinander anzugleichen; das hat nicht nur mit der Absicht zu tun, bisherige Abgrenzungen möglichst obsolet zu machen, sondern beruht auch auf der Tatsache, dass der Anwendungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie über das Kaufrecht nach deutschem Verständnis hinausgeht. Als positives Leitbild für die Neuregelung hat die Schuldrechtsreformkommission das CISG hervorgehoben: Seine Regelungen führten zwar überwiegend zu den gleichen Ergebnissen wie das geltende deutsche Recht, seien aber in "klaren, verständlichen, widerspruchsfreien und rechtspolitisch einleuchtenden Regeln niedergelegt".413 In Anlehnung an das CISG wollte die Schuldrechtsreformkommission den Begriff der "Pflichtverletzung" als neuen Zentralbegriff etablieren. Hierbei sollte nur der objektive Verstoß gegen eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verlangt werden; Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung sollte nicht erforderlich sein. 414 Die Tatsache, dass der Ende 2000 vom Bundesjustizministerium vorgelegte Diskussionsentwurf auf den unklaren und problematischen, jedoch allgemein vertrauten Begriff der "Unmöglichkeit" völlig zu verzichten versuchte, führte aber zu einem derartigen Proteststurm,415 dass man von diesem Plan wieder abrückte. 416 Bundesminister der Justiz, S. 20. Bundesminister der Justiz, S. 29. 415 Schapp, JZ 2001, 587, spricht polemisch davon, dass die Bearbeiter der Reform "von einer Phobie der Unmöglichkeit beherrscht" gewesen seien; ohne diesen Tatbestand fehle aber "das entscheidende Widerlager für alle anderen Tatbestände der Pflichtverletzung". Indes kann die Argumentation von Schapp nicht überzeugen: Wenn der Schuldner kraft des Schuldverhältnisses zur Leistung verpflichtet ist, dann ist nicht recht ersichtlich, warum eine Pflichtverletzung nicht schon in der Nichterfüllung der Leistungspflicht, sondern erst in der "Herbeiführung der Unmöglichkeit, in der Nichtleistung trotz Mahnung oder ihr gleichgestellter Voraussetzungen (Verzug) oder in der Schlechtleistung des Schuldners liegen" soll (so aber S. 585). Nicht überzeugend auch die Ansicht von Herold, S. 47, "sprachlich korrekt" könnten "nur Schutzpflichten verletzt werden", Leistungspflichten hingegen lediglich nicht erfüllt. 416 Nach der nun in Kraft getretenen Fassung schließt § 275 I BGB den "Anspruch auf Leistung" aus, "soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist", also auch bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit; vgl. dazu Canaris, ZRP 2001, 330, auf dessen Vorschlag S. 334 - dem sich der Bundesrat angeschlossen hat, vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 11 - die zunächst ebenfalls vorgesehenen Worte "und solange" gestrichen worden sind. Daneben soll § 275 11 BGB dem Schuldner ein stärker wertungsoffenes Leistungsverweigerungsrecht für den Fall der Leistungserschwerung geben, wobei "auch zu berücksichtigen [ist], ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat". Kritisch gegenüber diesen Regelungen StolI, JZ 2001, 590-592; vgl. demgegenüber Canaris, ZRP 2001, 330. Für eine Leistung, die der Schuldner "persönlich zu erbringen" hat, ist nach dem neuen § 275 III BGB auf Zumutbarkeit abzustellen; diese Vorschrift ist offenbar mit Blick auf Arbeitnehmer, die ihre Erkrankung zu vertreten haben, geschaffen worden, weil man insoweit die Berücksichtigung des Vertretenmüssens unpassend fand (vgl. BTDrucks. 14/6857, S. 47). Dass "das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss 4I3
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Begründet wurde dieser Sinneswandel mit der Überlegung, dass der Begriff der Unmöglichkeit zwar für die Frage, ob den Schuldner auf der Sekundärebene eine Pflicht zur Schadensersatzzahlung treffe, keine besondere Bedeutung habe, wohl aber für die Frage, ob und wann der Schuldner von seiner primären Leistungspflicht befreit werde. 417 Nach dem nun in Kraft getretenen Reformgesetz soll dem Gläubiger in allen Fällen einer Pflichtverletzung des Schuldners - also jedem objektiven Zurückbleiben hinter dem sich aus dem Schuldverhältnis ergebenden Leistungsprogramm - grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zustehen,418 es sei denn, der Schuldner kann ein Nichtvertretenmüssen nachweisen (so der neue § 280 I BGB).419 Schadensersatz wegen Nichterfüllung - umbenannt in "Schadensersatz statt der Leistung" mit der Begründung, dass auch die Schadensersatzzahlung "Erfüllung", nämlich des Schadensersatzanspruches, sei - setzt bei Leistungsverzögerung und Schlechtleistung grundsätzlich den fruchtlosen Ablauf einer Nachfrist voraus (so die neuen §§ 280 III, 281 I BGB),42o wobei das wenig sinnvolle Erfordernis der Ablehnungsandrohung hier wie auch für den Rücktritt aufgegeben wird. 421 Der Erfüllungsanspruch vorliegt", soll nach der ausdrücklichen Regelung in einem neuen § 311a I BGB der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegenstehen; der Gläubiger erhält einen Schadens- bzw. Aufwendungsersatzanspruch wie bei zu vertretenden Leistungsstörungen, "es sei denn, der Schuldner kannte das Leistungshindernis nicht und hat seine Unkenntnis nicht zu vertreten" (so der neue § 311a II 2 BGB). Eine Anfechtung des Vertrages durch den Schuldner nach § 119 11 BGB soll nach der amtlichen Begründung zwar tatbestandlich möglich, aber als rechtsmissbräuchlich ausgeschlossen sein (so BT-Drucks. 14/6040, S. 165), was zweifelhaft erscheint. 417 Canaris, ZRP 2001, 329 f. 418 Dabei ist die culpa in contrahendo ausdrücklich einbezogen, vgl. den neuen § 311 II BGB. Kritisch Zimmer, NJW 2002, 7, weil die Formulierung der Vorschrift die Verletzung vorvertraglicher Informations- oder Beratungspflichten nicht erfasse. Eine einschränkende Sonderregelung, die dem traditionellen Erfordernis einer Mahnung Rechnung tragen soll, gilt nach §§ 280 11, 286 BGB-neu für den Ersatz des Verzugs schadens. 419 Zur Frage, welche Risiken der Schuldner zu vertreten hat, vgl. Canaris, DB 2001, 1815 f. Kritisch Zimmer, NJW 2002, 7, weil "die von der Rechtsprechung entwickelte Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen [... ] nicht in das unitarisierende Konzept" der Vorschrift passe. 420 Ausgenommen ist der Fall einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung des Schuldners sowie der Fall, dass "besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs rechtfertigen" (§ 281 11 BGB-neu); das letztgenannte Kriterium soll sich etwa auf Verträge über just-in-time-Lieferungen beziehen. Wo "nach der Art der Pflichtverletzung" eine Fristsetzung "nicht in Betracht" kommt, ist stattdessen eine Abmahnung vorgeschrieben (§ 281 III BGB-neu). Beim Kaufvertrag soll der Käufer ferner ohne weiteres auf seinen Schadensersatzanspruch übergehen können, wenn der Verkäufer eine Nachlieferung bzw. Nachbesserung verweigert oder wenn eine Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist oder sie scheitert (§ 440 13 Coen
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des Gläubigers geht unter, "sobald [er] statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat,,;422 die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs stellt also eine Art "kleinen Rücktritt" dar. Hat der Schuldner Teilleistungen erbracht, so soll Schadensersatz "statt der ganzen Leistung" nur verlangt werden können, wenn der Gläubiger an der Teilleistung kein Interesse hat (§ 281 I 2 BGB-neu), bei einer "nicht wie geschuldet" bewirkten Leistung hingegen nur dann nicht, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§ 281 I 3 BGB_neu);423 die Rückforderung des Geleisteten richtet sich nach Rücktrittsrecht (so der neue § 281 V BGB).424 Bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Leistung kann Schadensersatz statt der Leistung S. 1 BGB-neu); dabei stehen dem Verkäufer grundsätzlich zwei Versuche zu (§ 440 S. 2 BGB-neu). Entsprechendes gilt für den Werkvertrag (§ 636 BGB-neu). 421 Bundesminister der Justiz, S. 134 f. Mit dem Erfordernis der Ablehnungsandrohung entfällt auch die Gestaltungswirkung des Fristablaufs: Künftig kann der Gläubiger statt Schadensersatz wahlweise auch weiterhin Erfüllung verlangen, auch wenn die Frist abgelaufen ist; erst wenn der Gläubiger den Schadensersatz tatsächlich "verlangt hat", soll der "Anspruch auf die Leistung" künftig ausgeschlossen sein (§ 281 IV BGB-neu). Zimmer, NJW 2002, 5, sieht im Verzicht auf das Erfordernis der Ablehnungsandrohung allerdings einen "Verlust an rechtlicher Eindeutigkeit". 422 Kritisch Canaris, ZRP 2001, 334, dem zufolge der Verlust des Anspruchs erst eintreten sollte, wenn der Schadensersatzanspruch rechtshängig gemacht wird oder sich der Schuldner "auf Verlangen des Gläubigers mit der Zahlung von Schadensersatz einverstanden erklärt hat" (vermutlich aber wohl auch, wenn sich umgekehrt der Gläubiger auf Verlangen des Schuldners mit der Zahlung von Schadensersatz statt der Leistung einverstanden erklärt). Kritisch auch die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/6857, S. 13, wo die Frage aufgeworfen wird, welche Rechtsfolgen eintreten sollen, wenn sich das Schadensersatzbegehren als unbegründet erweist. Nach Ansicht der Bundesregierung (S. 50) ist jedoch klar, dass "nur ein dem Grunde nach berechtigtes Verlangen von Schadensersatz" den Anspruch des Gläubigers ausschließen könne. 423 Nach Ansicht der Bundesregierung, deren ursprünglicher Entwurf allerdings leicht abweichend formuliert war (vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 49), soll dadurch etwa vermieden werden, dass der Käufer eines PKW eine defekte Glühbirne zum Anlass nehmen könnte, großen Schadensersatz geltend zu machen. 424 Zimmer, NJW 2002, 4 f., kritisiert, dass dadurch - beziehungsweise durch die Parallel vorschrift in § 326 IV BGB-neu - dem Rückgewährschuldner die Berufung auf Wegfall der Bereicherung genommen werde, verweist aber zugleich auf die schuldnerschützende Vorschrift in § 346 III 1 Nr. 3 BGB-neu (dazu sogleich bei Fn. 467). Fraglich ist, was zu geschehen hat, wenn der Schuldner eine Teilleistung oder eine mangelhafte Leistung erbringt, der Gläubiger ihm daraufhin eine Nachfrist setzt und der Schuldner daraufhin zwar vor Ablauf der Nachfrist, aber erneut nicht ordnungsgemäß leistet. Nach Canaris, DB 2001, 1816, ist in diesem Fall die Nachfrist erfolglos abgelaufen, so dass der Gläubiger in diesem Fall Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann (ob statt der gesamten Leistung oder nur statt der Teilleistung, soll sich dann wieder nach § 281 I 2 BGB richten, vgl. dort Fn. 9). Dagegen meint Altmeppen, DB 2001, 1822, unter Berufung auf Ernst, jedoch ohne nähere Begründung, in diesem Fall müsse der Gläubiger erneut eine Nachfrist setzen.
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Vertretenmüssen vorausgesetzt - stets verlangt werden (§ 283 BGB_neu),425 bei Verletzungen einer Pflicht zu "besonderer Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils" (§ 241 11 BGB-neu) dagegen nur, wenn "dem Gläubiger die Leistung durch den Schuldner nicht mehr zuzumuten ist" (§ 282 BGB_neu).426 "Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung", also ebenfalls nur bei Vertretenmüssen des Schuldners, soll der Gläubiger nach einem neuen § 284 BGB dabei jeweils auch Ersatz der Aufwendungen verlangen dürfen, die er "im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden". Damit soll die Rechtsprechung zur Rentabilitätsvermutung im Ergebnis weitgehend übernommen werden, wobei allerdings betont wird, dass künftig auch "unrentable", also etwa ideelle, konsumtive, spekulative oder marktstrategische Zwecke, Berücksichtigung finden sollen. 427 Ferner kann ein stellvertretendes commodum unter Anrechnung auf den Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden (so der neue § 285 I, 11 BGB). Die Voraussetzungen, unter denen eine Vertragspartei nach der Neuregelung von einem (gegenseitigen) Vertrag zurücktreten kann, entsprechen weitgehend denen, unter denen "Schadensersatz statt der Leistung" gefordert werden kann, abgesehen davon, dass ein Vertretenmüssen des Schuldners nicht erforderlich ist. 428 Man ist damit von der Absicht der Schuldrechtsreforrnkommission abgekommen, einen De-facto-Rücktritt in Form eines Geltendrnachens des großen Schadensersatzes auszuschließen. 429 Der "Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung" Kritisch gegenüber der Verweistechnik dieser Vorschrift Zimmer, NJW 2002, 9. Zu Recht kritisch gegenüber der vom ursprünglichen Entwurf vorgesehenen Unterscheidung zwischen leistungsbezogenen und sonstigen Pflichtverletzungen die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/6857, S. 13. Die Bundesregierung wollte eine Zusammenführung der entsprechenden Vorschriften "im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ernsthaft" erwägen (S. 50). Statt dessen ist jedoch § 282 unter Verzicht auf das Erfordernis einer wesentlichen Pflichtverletzung auf Verletzungen von Pflichten nach § 241 11 BGB-neu beschränkt worden, was wenig sachgerecht erscheint. 427 Laut Canaris, ZRP 2001, 333, hat man insofern auf "ein erprobtes Vorbild", nämlich die "Lehre vom ,reliance interest'" im "angloamerikanischen Rechtskreis", zurückgegriffen. Damit werde der Grundsatz pacta sunt servanda gestärkt, da "ohne einen Anspruch auf Aufwendungsersatz bestimmte Pflichtverletzungen des Schuldners sanktionslos blieben", ähnlich DB 2001, 1820. Allerdings weist Stoll, JZ 2001, 596, nicht ohne Berechtigung darauf hin, dass die Vorschrift nur "in den Zusammenhang der Gläubigerrechte bei Rücktritt von einem gegenseitigen Vertrag aus einem vom Schuldner zu vertretenden Grund" passe. 428 Weiterhin ausgeschlossen soll der Rücktritt aber bleiben, wenn "der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist" oder sich im Gläubigerverzug befindet (§ 323 VI BGBneu). 425
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(§ 323 BGB-neu) soll vielmehr spiegelbildlich zum "Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung" des neuen § 281 BGB geregelt werden; im Regelfall muss also "erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt" worden sein.43o Dabei ist eine ausdrückliche Regelung für den Fall der vorweggenommenen Vertragsverletzung vorgesehen (§ 323 IV BGB-neu). Anders als nach bisherigem Recht431 soll aber die Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes - also von Schadensersatz hinsichtlich der gesamten vertraglich geschuldeten Leistung unter Rückgabe einer empfangenen, aber nicht vertrags gerechten Leistung - regelmäßig von dem zusätzlichen Erfordernis des Interessewegfalls abhängen, was sich aus der Verweisung auf § 281 I 2 BGB-neu ergeben soll.432 Das Recht, neben dem Rücktritt Schadensersatz geltend zu machen, bleibt dem Gläubiger dabei ausdrücklich erhalten (§ 325 BGB-neu). Wenn allerdings der Rücktritt grundsätzlich auf die Wiederherstellung des vorvertraglichen Zustandes abzielen soll, stellt sich die Frage, wie die beiden Rechtsbehelfe miteinander harmonieren sollen. 433 Richtigerweise kann es natürlich nur um einen Ausgleich derjenigen Schäden gehen, die durch die Rückabwicklung im Rahmen des Rücktritts nicht ausgeglichen werden,434 also insbesondere desjenigen Teils des positiven
429 Vgl. zu diesen Plänen Bundesminister der Justiz, S. 131. Kritisch gegenüber dieser Konzeption, die sich auch im ursprünglichen Diskussionsentwurf fand, Brüggemeier/Reich, BB 2001, 217 f. 430 Neben den Fällen der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung (§ 323 11 Nr. 1 BGB-neu) und dem Vorliegen "besondere[r] Umstände [... ], die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen" (§ 323 11 Nr. 3 BGB-neu), die den im neuen § 281 11 BGB kodifizierten Ausnahmen vom Erfordernis einer Fristsetzung entsprechen (vgl. dazu auch die Auseinandersetzung zwischen Bundesrat und Bundesregierung, BT-Drucks. 14/6857, S. 13 und 50), soll die Fristsetzung für den Rücktritt auch entbehrlich sein, wenn ein Fixgeschäft vorliegt ("der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat", § 323 11 Nr. 2 BGB-neu). Damit soll die Regelung des bisherigen § 361 BGB (die bislang allerdings nur eine Auslegungsregel aufstellte) im Wesentlichen erhalten bleiben. Die Fristsetzung ist darüber hinaus auch da nicht erforderlich, wo sie sinnlos wäre, weil eine Nacherfüllung unmöglich ist (§ 326 V BGBneu). 431 Vgl. zur bisherigen Rechtsprechung zum großen Schadensersatz etwa BGHZ 29, 148; bei geringfügigen Mängeln sollte allenfalls eine Korrektur über § 242 BGB in Betracht kommen, vgl. BGH, NJW 1986, 920. 432 Aufgrund der im Gesetzgebungsverfahren vorgenommenen Änderungen dürfte aber bei mangelhafter Leistung nach § 281 I 3 BGB-neu ausreichen, dass der Mangel nicht unerheblich ist. Zum ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung vgl. Canaris, OB 2001,1817. 433 Vgl. Schapp, JZ 2001, 586.
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Interesses des Gläubigers, der den Wert seiner Gegenleistungspflicht übersteigt. 435 Bei nicht vertragsgemäßer Leistung ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn "die Pflichtverletzung unerheblich ist" (§ 323 V 2 BGB-neu); sind hingegen Teilleistungen erbracht worden, so "kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat" (§ 323 V 1 BGB-neu).436 Auch das entspricht den Regelungen über den "Schadensersatz statt der ganzen Leistung" (§ 281 I 2, 3 BGB_neu).437 Damit scheint man auf den ersten Blick zu Überlegungen zurückzukehren, die bereits bei der Erarbeitung des BGB angestellt wurden und die sich im bisherigen § 280 11 BGB niedergeschlagen haben. Mit dieser Bestimmung wollte man, wie Leser formuliert, "dem Gläubiger die Möglichkeit schaffen [... ], von der Teilerfüllung wieder wegzukommen, um Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit verlangen zu können".438 Dafür waren gegenüber der anderen denkbaren Lösung, nämlich Behalten der Teilleistung und Schadensersatz für den unmöglichen Teil, erschwerte Voraussetzungen aufgestellt: Gefordert wurde entweder Wegfall des Interesses, Ablehnung des noch möglichen Teiles oder Rückgewähr des bereits geleisteten Teils, wobei hinsichtlich der letztgenannten Lösung der Gläubiger zunächst das volle Risiko tragen sollte. Später entschied man sich, statt dessen auf die Risikoregeln des Rücktrittsrechts zu verweisen. Die im Laufe der Redaktionsberatungen verkürzte endgültige Fassung von § 280 11 BGB verschleierte diesen Zusammenhang eher, als dass sie ihn verständlich machte. 439 Nach jetziger Vorstellung ist eine solche "vorgeschaltete Rückabwicklung nach Rücktrittsregeln, bevor man zum eigentlichen Schadensersatz zu gelangen vermag",440 überflüssig, weil man die Teilleistung der an434 Nicht näher thematisiert wird die Frage bei Canaris, ZRP 2001, 332 f., der die geplante Änderung als "im Einklang mit der internationalen Rechtsentwicklung" stehend begrüßt. 435 So schon Rabel, Entwurf, S. 72. Kritisch Herold, S. 68 f.: Bei der Verletzung von Schutzpflichten, bei deren Erfüllung der Vertrag nicht geschlossen worden wäre, solle nur Ersatz des negativen Interesses in Betracht kommen. Das von ihr gewählte Beispiel, dass der Verkäufer den Käufer nicht über die Tollwut des verkauften Hundes aufklärt, überzeugt freilich nicht: Dem Verkäufer fällt weniger eine Schutz- als vielmehr eine Leistungspflichtverletzung (Lieferung eines mangelhaften Hundes) zur Last. 436 Ob es danach im Kaufrecht beim bisherigen Prinzip der Einzelwande1ung bleiben soll, ist unklar, zumal die bisherigen §§ 469 und 470 BGB gestrichen wurden. Kritisch die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/6857, S. 29 f. 437 Damit ist man im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der Kritik des Bundesrates gefolgt, vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 12 f. 438 Leser, S. 136. 439 Leser, S. 136 f. mit Nachweisen aus der Entstehungsgeschichte. 440 Leser, S. 137 (Hervorhebung im Original).
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deren Seite in die Gesamtabrechnung einbeziehen und damit gegebenenfalls (bei Untergang, Verbrauch oder Weiterveräußerung) als Negativposten berücksichtigen kann. Für die Geltendmachung des gesamten Schadensersatzes stellte die Unmöglichkeit der Rückgewähr einer Teilleistung deshalb nach bisherigem Recht keinen Hinderungsgrund mehr dar. 44l Um vor diesem Hintergrund die - vorprogrammierten - Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Nichterfüllung und nicht vertragsgemäßer Erfüllung zu verringern, ordnet für das Kaufrecht ein neuer § 434 III BGB an, dass die Lieferung eines aliud oder einer zu geringen Menge als Sachmangel gilt, also außer bei Unerheblichkeit stets zum Rücktritt berechtigt. Bei "Verletzung einer Pflicht nach § 241 11", also einer Schutzpflicht, wird wie in § 282 BGB-neu gefordert, dass "dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten" ist (so der neue § 324 BGB); damit wird die bisherige ständige Rechtsprechung zum Rücktrittsrecht bzw. zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei positiver Forderungsverletzung kodifiziert. 442 Bei Unmöglichkeit hingegen entfällt die Pflicht zur Gegenleistung grundsätzlich kraft Gesetzes (§ 326 I 1 BGB-neu); das gilt jedoch nicht, wenn die Leistung nicht vertragsgemäß war und der Schuldner nur von der Pflicht zur Nacherfüllung frei geworden ist (§ 326 I 2 BGB-neu). Dem Gläubiger wird aber dennoch auch die Möglichkeit zum Rücktritt gegeben, um Zweifel über die Gründe, aus denen die Leistung ausbleibt, und über eine etwaige Nachholbarkeit der Leistung auszuschließen (§ 326 V BGB-neu).443 Für die Rückabwicklung bereits erbrachter Gegenleistungen verweist der neue § 326 IV BGB aber ohnehin auf Rücktrittsrecht. 444 Leser, S. 137 f. Kritisch gegenüber der Unterscheidung zwischen leistungsbezogenen und sonstigen Pflichtverletzungen auch in diesem Zusammenhang (vgl. schon soeben Fn. 426) die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/6857, S. 21; zustimmend die Bundesregierung, S. 57. Vgl. ferner Zimmer, NJW 2002, 6. 443 Vgl. dazu die Überlegungen der Bundesregierung, BT-Drucks.14/6857, S. 56 f. 444 Angesichts dieser Verweisung erscheint fraglich, ob das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz tatsächlich "entgegen der bisherigen Rechtsprechung die uneingeschränkte Differenztheorie" verwirklichen will, wie Wilhelm, JZ 2001, 868, meint. Statt Rücktritt kann beim Kauf- und Werkvertrag Minderung verlangt werden (§§ 441 I 1, 638 I 1 BGB-neu), und zwar auch bei unerheblicher Pflichtverletzung (§§ 441 I 2, 638 I 2 BGB-neu); ein etwa gezahlter Mehrbetrag ist vom Verkäufer bzw. Unternehmer ebenfalls nach Rücktrittsrecht zu erstatten (§§ 441 IV, 638 IV BGB-neu). Damit soll eine weitere alte Zweife1sfrage, nämlich über die Rechtsgrundlage einer etwaigen Rückforderung nach Minderung, beseitigt werden; vgl. dazu Wolf!, S. 223-227: Der Verweis auf Bereicherungsrecht, der aus systematischen Gründen eigentlich nahe gelegen hätte, war aufgrund der Rechtsfolgen (insbesondere § 818 III BGB) wenig sinnvoll. Die viel gescholtene Formulierung des Regierungsentwurfs für die Berechnung der Minderung (vgl. dazu v. Olshausen, JZ 2001, 1132 m. w.N.) ist durch eine wenig bessere Version ersetzt worden; dass es in 441
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Schließlich sieht die Neuregelung in § 321 11 2 BGB ein Rücktrittsrecht auch für den Fall der Unsicherheitseinrede vor, wenn der Schuldner nicht innerhalb einer vom Vorleistungspflichtigen zu bestimmenden Frist die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit leistet; dabei soll im Wesentlichen die bestehende Rechtsprechung kodifiziert werden,445 wobei die neue Bestimmung aber nicht nur den Fall einer Vennögensgefährdung des Schuldners, sondern alle Fälle der "mangelnde[n] Leistungsfahigkeit des anderen Teils" (§ 321 I 1 BGB-neu) erfassen sol1. 446
Im Rahmen der Neuregelung sind auch einige Einschränkungen des Rücktrittsrechts verschwunden. Bei Kaufverträgen etwa hatten die Autoren des BGB eine solche Einschränkung zu Lasten des Verkäufers vorgesehen: Da der Käufer die Sache zur Verwendung für seine Zwecke erwerbe, sah man es als eine grundsätzlich unbillige Belastung, ihn zu zwingen, seine Dispositionen rückgängig zu machen oder statt dessen Schadensersatz zu leisten. Allerdings wollte man den Rücktritt für den Verkäufer nicht schlechthin ausschließen und einigte sich daher auf den in § 454 BGB kodifizierten Kompromiss, der die Stundung "in die Nähe eines Verzichts auf das Rücktrittsrecht" rückte. 447 Die Vorschrift wurde aber praktisch wenig wirksam; zum einen war sie abdingbar, wovon regelmäßig Gebrauch gemacht wurde, zum anderen blieb für den bei Kreditkäufen zum Regelfall gewordenen Vorbehaltskauf das Rücktrittsrecht des Verkäufers durch § 455 BGB ausdrücklich erhalten. 448 Die Refonn hat die Regelung ersatzlos gestrichen. Wie bisher soll der Rücktritt grundSätzlich dem Ziel dienen, den Zustand herzustellen, der ohne den Vertrag bestanden hätte. 449 Dabei sollen allerder Sache bei der herkömmlichen und sinnvollen Berechnungsmethode bleiben soll, dürfte unstreitig sein. 445 Vgl. BGHZ 11,88. 446 Vgl. zur Vorgeschichte Bundesminister der Justiz, S. 160. Für Zug um Zug zu erbringende Leistungen sollte die Unsicherheitseinrede danach nicht gelten, weil sie nach Ansicht der Kommission hier unnötig sei; allerdings könnten "bei großzügigem Verständnis" im Einzelfall auch leistungsvorbereitende Handlungen als Vorleistung angesehen werden, vgl. S. 161. Diese Einschränkungen hat der spätere Reformentwurf nicht übernommen. 447 So Leser, S. 74. 448 Auch ohne die Vorschrift des § 455 BGB-alt hätte sich dasselbe Ergebnis daraus herleiten lassen, dass der Verkäufer mit der unter Eigentumsvorbehalt erfolgenden Übergabe noch nicht "den Vertrag erfüllt" hat, so dass § 454 BGB-alt gar nicht einschlägig war. Vgl. auch Leser, S. 74. 449 Zu diesem Ziel Staudinger/Kaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. I. Anders allerdings Leser, S. 165-167: Als Ziel des Rücktritts lasse sich nicht die Wiederherstellung des früheren Zustandes bestimmen, da dies auch etwa "Ausgleich für Vorbereitungen der Leistung und ähnliche Aufwendungen, Ausgleich für auf dem Vertrag beruhende andere wirtschaftliche Entscheidungen und ihre Konsequenzen, je-
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dings eine Reihe von Mängeln der bisherigen Regelung beseitigt werden. 45o Solche Mängel ergaben sich etwa aus der - schon angesprochenen - Verweisungs technik, die das Gesetz verwendete. 451 So wurde die Haftung nach § 347 BGB-alt für denjenigen, der von einem gesetzlichen Rücktrittsrecht oder dem Wandelungsanspruch Gebrauch gemacht hat, als zu streng empfunden, weil der Berechtigte in diesen Fällen anders als beim vertraglichen Rücktrittsrecht, auf das die Bestimmung zugeschnitten ist, nicht mit der Möglichkeit einer Vertragsaufhebung rechnen musste. 452 § 327 S. 2 BGBalt, der auf diese Frage zugeschnitten schien, warf seinerseits diverse Probleme auf. Auch dass im Falle des Rücktritts die Gefahr zufalligen Untergangs auf den Verkäufer zurücksprang (§ 350 BGB-alt), wurde weithin als nicht sachgerecht empfunden. 453 Eingeschränkt wurden die Wirkungen des Rücktritts schon nach dem bisher geltenden Recht durch § 346 S. 2 BGB-alt; danach blieb ,,[f]ür geleistete Dienste sowie für die Überlassung der Benutzung einer Sache" die vertraglich vereinbarte "Gegenleistung in Geld" weiter zu "entrichten". Daraus ließ sich wohl nur der Schluss ziehen, dass der Rücktritt nicht notwendigerweise eine vollständige Rückabwicklung nach sich ziehen sollte: Soweit erbrachte Leistungen sich von vornherein nicht zurückgewähren ließen, wurde der Vertrag faktisch aufrechterhalten. 454 Diese Schlussfolgerung wollte sich in manche Konzeptionen des Rücktritts allerdings nicht recht einpassen, weshalb zum Teil versucht wurde, § 346 S. 2 BGB-alt umzudenfalls Ersatzansprüche, die weit über den Bereich der auf den Vertrag hin erbrachten Leistungen hinausgehen", umfassen müsste (S. 167). 450 Zu diversen Sonderregelungen bei einzelnen Rücktrittsrechten u. a. im Verlags-, Fracht- und Versicherungsrecht, auf die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen werden kann, vgl. StaudingeriKaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 87-98, 102-104. 451 Insoweit erkennt immerhin auch Wilhelm, JZ 2001, 864 f., einen Reformbedarf an. 452 Bundesminister der Justiz, S. 19. Kohler, JZ 2001, 327, hält den Verweis auf die Haftung des verklagten Besitzers jedenfalls ab Kenntnis vom Rücktrittsrecht für sinnvoll, weil dies "der subjektiven Lage der rücktrittsrechtlichen Rückgewährschuldner" entspreche. 453 Bundesminister der Justiz, S. 19. Ausführlich zu § 350 BGB Herold, S. 7496, die die Bestimmung jedoch als "eine berechtigte Vorschrift" (S. 96) bezeichnet. 454 Angesichts der Tatsache, dass bereits das frühere Recht eine derartige Regelung enthielt, erstaunt es, wenn Wilhelm, JZ 2001, 864 Fn. 31, unter Berufung auf Musielak von einer "bizarre[n] Konsequenz" spricht, die sich aus dem Zusammenspiel von §§ 437 Nr. 1, 323, 346 BGB-neu ergebe: Der Käufer habe zwar "das Rücktrittsrecht, weIches auf Rückgewähr des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache [... ] gerichtet" sei, dem Verkäufer stehe jedoch die dolo-petit-Einrede zu, so dass er den Kaufpreis im Endeffekt doch behalten dürfe. Diese "bizarre Konsequenz" ergab sich schon nach dem ursprünglichen BGB, wenn auch nicht für den Kaufvertrag.
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interpretieren: Die Vorschrift stelle nur eine widerlegliehe Vennutung dar, dass die vertraglich vereinbarte Gegenleistung dem im Rahmen des Rücktritts zu erstattenden wahren Wert der Dienstleistung oder Gebrauchsüberlassung entspreche. 455 Dem Sinn des Gesetzes dürfte das freilich nicht gerecht geworden sein. 456 Die bisherige Regelung bleibt von der Schuldrechtsrefonn nicht nur unangetastet, sondern wird sogar auf alle Fälle ausgedehnt, in denen die Rückgewähr "nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist" (§ 346 11 1 Nr. 1 BGB_neu),457 der empfangene Gegenstand "verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet" worden ist (§ 346 11 1 Nr. 2 BGBneut58 oder er "sich verschlechtert hat oder untergegangen ist" (§ 346 11 1 Nr. 3 BGB_neu).459 Ausgenommen ist lediglich der Fall, dass die Verschlechterung durch die "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" entstanden ist (§ 346 II 1 Nr. 3 2. Halbsatz BGB_neu).460 Praktisch kann also in so gut wie allen relevanten Fällen, in denen ihm eine Rückgewähr in Natur Leser, S. 169 f. Zur Durchführung der Wandelung im Baurecht in Form eines "Wertausgleich[s] durch gegenseitige Verrechnung der Leistungen", die zum gleichen wirtschaftlichen Erfolg wie die Minderung führt, vgl. etwa WerneriPastor, Rn. 1661. 457 Vgl. aber Kaiser, JZ 2001, 1058 f., die den Anwendungsbereich der Bestimmung für "äußerst gering" hält, weil es sich regelmäßig um Dauerschuldverhältnisse handele, bei denen ohnehin nicht Rücktritt, sondern nur Kündigung in Betracht komme; als Anwendungsbereich blieben unkörperliche Werkleistungen. Ihrer Ansicht nach ist es "systematisch falsch", die Wertersatzpflicht für nicht in natura rückgabefähige Leistungen zusammen mit der Wertersatzpflicht bei Unmöglichkeit der Rückgewähr einer grundSätzlich in Natur rückgabefähigen Leistung zu regeln. Ein überzeugendes Sachargument für diese Unterscheidung lässt sich allerdings nicht erkennen. 458 Kritisch mit z. T. beachtenswerten Argumenten Kaiser, JZ 2001, 1061 f. 459 Herold, S. 115, weist zu Recht darauf hin, dass Fälle einer sonstigen Unmöglichkeit der Herausgabe, etwa infolge Diebstahls, Verlierens, freiwilliger Weitergabe oder Zwangsvollstreckung, ignoriert werden. Hinsichtlich Verschlechterungen einer Sache kritisiert sie ferner die Formulierung, dass Wertersatz ,,[s]tatt der Rückgewähr" zu leisten sein soll: Danach wäre die beschädigte Sache zu behalten und ihr voller Wert zu zahlen (vgl. S. 131). 460 Wie BT-Drucks. 14/6040, S. 193, 196 klarstellt, bedeutet "Ingebrauchnahme" nicht dasselbe wie "Gebrauch"; vielmehr ist insbesondere an den Fall gedacht, dass ein Kraftfahrzeug durch bloße Zulassung an Wert verliert. Missverstanden wird der Begriff daher von Kaiser, JZ 2001, 1061, 1066; die von ihr geforderte Freistellung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs soll nach der amtlichen Begründung aber im Ergebnis dadurch erreicht werden, dass die dadurch hervorgerufene Abnutzung nicht als "Verschlechterung" im Sinne der Vorschrift einzuordnen ist. Wenig überzeugend auch ihre Argumentation S. 1064, 1066 f., dass bei einem dem Vertragszweck entsprechenden Verbrauch der Sache kein Wertersatz für diese geschuldet werden dürfe, dass es sich dabei aber um eine zum Wertersatz verpflichtende Nutzung handele: Welchen praktischen Sinn solche dogmatischen Glasperlenspiele haben sollen, leuchtet nicht ein. 455
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aus irgend einem Grund nicht oder nicht ungestört möglich ist, der Gläubiger nunmehr zurücktreten,461 muss tatsächlich aber weiterhin die von ihm geschuldete Gegenleistung erbringen,462 weshalb Kritiker schon von einer "alten neuen Lösung" sprechen, die faktisch auf eine Aufrechterhaltung der bestehenden Rechtslage hinauslaufe. 463 Immerhin ist auf Vorschlag des Bundesrates klargestellt worden, dass die vertraglich bestimmte Gegenleistung "bei der Berechnung des Wertersatzes" lediglich "zu Grunde zu legen" ist;464 damit soll die bisher streitige und auch in den im Rahmen der Schuldrechtsreform vorgelegten Entwürfen nicht angesprochene Frage, ob die Gegenleistung wenigstens zu mindern ist, wo die Leistung des Schuldners ihrerseits minderwertig war, im bejahenden Sinne beantwortet werden. 465 Allerdings soll die Pflicht zum Wertersatz wiederum durch eine Reihe von Ausnahmen so sehr eingeschränkt werden, dass man sich fragen kann, ob sie in der Praxis wohl tatsächlich der Regelfall sein wird. Entfallen soll sie, wenn "sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung" gezeigt hat (§ 346 III 1 Nr. 1 BGB-neu) oder "der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre" (§ 346 III 1 Nr. 2 BGB_neu).466 Insoweit folgt die Neuregelung dem wohl weitgehend 461 Grundsätzlich zustimmend gegenüber der Wertersatzlösung Kaiser, JZ 2001, 1059, die darauf verweist, dass diese Regelung der herrschenden Lehre zum gemeinen Recht entsprochen habe und nur deshalb nicht in das BGB übernommen worden sei, weil man die Berechnung des Wertersatzes für zu schwierig gehalten habe. 462 Kritisch insoweit Kaiser, JZ 2001, 1059, die meint, dass hierdurch "das Äquivalenzgefüge des Vertrages zerrissen und etwa der Käufer, der eine Sache teuer gekauft hat, mit den Nachteilen des Geschäfts belastet" werde, obwohl er sich vom Vertrag lösen wolle. Warum Kaiser diese Rechtsfolge aber dann für sinnvoll hält, wenn es sich um eine nicht in Natur rückgabefähige Leistung handelt, bleibt unerfindlich. 463 So Herold, S. 114 f. 464 BT-Drucks. 14/6857, S. 22 und 57. 465 Schon für das bisherige Recht geht StaudingeriKaiser, § 346 Rn. 55, von einer solchen Minderungsmöglichkeit aus; im Rahmen der Schuldrechtsreforrn hält sie eine Klarstellung für "entbehrlich" (JZ 2001, 1059). Die Minderung dürfte geeignet sein, die von Wilhelm beanstandete "bizarre Konsequenz" der Regelung, nämlich die faktische Vertragsaufrechterhaltung trotz Rücktritts (vgl. soeben Fn. 454), zu mildern; im Ergebnis stellt der Rücktritt dann natürlich nur eine Art Minderung dar. Wie Wilhelm (JZ 2001, 865 Fn. 31) zu Recht konstatiert, bleibt allerdings die Frage, ob der Käufer, der vom Vertrag zurücktritt, berechtigt ist, dem Verkäufer die Kaufsache trotz Verschlechterung zurückzugewähren, um so wenigstens den "Schrottwert" zurückzuerhalten. 466 Zum Teil kritisch Kaiser, JZ 2001, 1060, die ihre Kritik u.a. mit dem wenig einleuchtenden Argument begründet, Gefahr, Nutzungen und Verwendungen gehörten zusammen. Vgl. ferner Herold, S. 118-121, 150 f., die darauf verweist, dass die
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bestehenden Konsens in Rechtsprechung und Wissenschaft. Kontroverser ist der Ausschluss der Wertersatzpflicht bei einem gesetzlichen Rücktrittsrecht für den Fall, dass der Rücktrittsberechtigte "diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt" (§ 346 III 1 Nr. 3 BGB-neu). Damit soll natürlich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der wegen einer Leistungsstörung der anderen Seite zum Rücktritt Berechtigte regelmäßig davon ausgegangen ist und auch ausgehen durfte, der Vertragsgegenstand sei endgültig Teil seines Vermögens geworden. 467 Wie sinnvoll es ist, dass sich die Parteien des Rückgewährschuldverhältnisses künftig gegebenenfalls darüber streiten müsse, ob der Rückgewährschuldner normalerweise mit seinen Sachen sorgfältiger umgeht, kann man allerdings bezweifeln. Eine "verbleibende Bereicherung" ist übrigens "herauszugeben" (§ 346 III 2 BGB-neu); damit ist eine "Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 812 ff." BGB gemeint. 468 Der Gläubiger kann also wohl ein etwaiges Surrogat nach § 818 12. HS. BGB herausverlangen. Was die Nebenansprüche der Rückabwicklung - auf Herausgabe oder Vergütung von Nutzungen und auf Ersatz von Verwendungen - angeht, so ist die bisherige Verweisung auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 347 S. 2 BGB), die zu mancherlei Zweifelsfragen Anlass gab,469 durch Vorschrift bei gesetzlichen Rücktrittsrechten von § 346 III 1 Nr. 3 BGB-neu überlagert werde, dort aber zugunsten des Rücktrittsgegners eingreife. 467 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 195 f. Die Lösung von Art. 82 CISG wird ausdrücklich abgelehnt, weil es nicht sinnvoll sei, die Zerstörung des gekauften Pkw durch einen Verkehrsunfall, an dem der Käufer schuldlos ist, anders zu beurteilen als die Zerstörung durch einen Brand in der Garage des Käufers. Kritisch gegenüber entsprechenden Vorschlägen, die sich bereits im Entwurf der Schuldrechtsreformkommission fanden, dagegen Hornung, S. 158: Es handele sich um einen "exzessiv erwerberfreundlich[en]" Haftungsmaßstab; der Erwerber solle mit dem Verschlechterungsrisiko belastet werden, das er "durch seine eigene ,freie' Handlung" schaffe. Der Sachinhaber könne sich gegen das Risiko einer Zerstörung versichern, der Veräußerer dagegen nicht. Auch Kohler, JZ 2001, 327, meint, man dürfe auch dem Gutgläubigen nicht ermöglichen, "die negativen Vermögensfolgen seines sozialstandardwidrigen Verhaltens unerwartet auf einen anderen zu übertragen". Für einen objektiven Beurteilungsmaßstab im Sinne eines Verschuldens gegen sich selbst Herold, S. 123. Kritisch schließlich auch Kaiser, JZ 2001, 1063 f., deren Argumentation allerdings zum Teil ins Leere geht, weil sie offenbar übersieht, dass sich die Vorschrift ausdrücklich nur auf Verschlechterung und Untergang und nicht auf andere Fälle einer Unmöglichkeit der Herausgabe bezieht, und deren Berufung auf "vorgreifliche Rücksichtnahmepflichten" (vgl. dazu schon oben Teil 1 A.II.2.a), Fn. 60) nicht überzeugen kann. 468 BT-Drucks. 14/6040, S. 196. 469 Die Problematik bestand vor allem darin, dass bei wörtlicher Anwendung dieser Vorschriften der Rücktrittsberechtigte beim gesetzlichen Rücktritt, der von seinem Rücktrittsrecht nichts zu wissen brauchte, so zu behandeln war wie ein unredlicher Besitzer. Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur sahen die Abhilfe darin, den Rücktrittsberechtigten nur nach Bereicherungsrecht haften zu
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eine eigenständige Regelung abgelöst worden. Nach § 346 I BGB-neu sind Nutzungen nunmehr stets herauszugeben; das gilt auch für die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen, wobei sich der Rücktrittsberechtigte wiederum auf diligentia quam in suis berufen kann (§ 347 I BGB-neu). Aufwendungen sind nach § 347 11 2 BGB-neu zu ersetzen, soweit der Gläubiger durch sie bereichert ist, notwendige Verwendungen unter Umständen auch über eine verbleibende Bereicherung hinaus (§ 347 11 1 BGB-neu). Für die Rückabwicklung nach Widerruf eines Verbrauchervertrages (bzw. für den Fall, dass der Verbraucher von einem Rückgaberecht Gebrauch macht) wird grundsätzlich auf Rücktrittsrecht verwiesen (v gl. § 357 I 1 BGB_neu).470 Die Neuregelung schränkt allerdings die Verbraucherrechte gegenüber dem allgemeinen Rücktrittsrecht ein: So soll der Verbraucher eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Wertminderung zu ersetzen haben, wenn er zuvor formgerecht auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist; ausgenommen ist davon wiederum der Fall, dass die Wertminderung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist (§ 357 III 1, 2 BGB-neu). Ob sich diese Regelung - bei der offenbar an die Problematik des Wertverlustes bei der Erstzulassung von Kraftfahrzeugen gedacht ist, die im Internethandel erworben werden - mit der Fernabsatzrichtlinie vereinbaren lässt, erscheint allerdings zweifelhaft. 471 Auf die diligentia quam in suis soll auch nur dann abzustellen sein, wenn der Verbraucher von seinem Widerrufs recht nichts gewusst hat (§ 357 III 3 BGB-neu).472
lassen. Hinzu kam, dass Ersatz für nützliche Verwendungen ganz ausschied. Zur Diskussion vgl. Hornung, S. 316-318, 348 f. 470 Auch die bisherige, durch das Fernabsatzgesetz mit Wirkung zum 30.06.2000 eingefügte Regelung in § 361a II BGB verwies auf Rücktrittsrecht. Soweit der Verbraucher eine Wertminderung der gelieferten Ware zu vertreten hatte, hatte er danach Ersatz zu leisten; hatte er keine Kenntnis von seinem Widerrufsrecht, haftete er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Für tatsächliche Nutzung einer überlassenen Sache und für Dienstleistungen bis zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts war Wertersatz zu leisten; anders als in § 346 S. 2 BGB-alt wurde in § 361a II 6 BGB jedoch nicht auf die vertraglich bestimmte Gegenleistung verwiesen. In einem Teil der Verbraucherschutzregelungen wird der zuletzt genannte Anspruch ausgeschlossen (§ 5 V 1 TzWrG und § 4 II FemUSG, jetzt § 485 V 1 BGBneu und § 4 III FemUSG). 471 Vgl. dazu Brüggemeier/Reich, BB 2001, 215, 219. 472 Zu der aus dieser Regelung resultierenden Beweislastproblematik vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/6857, S. 24. Der Haftungsmaßstab der diligentia quam in suis stellt eine Rückkehr zur Regelung des alten § 3 II HaustürWG dar, die vom FemabsG gerade erst durch die Orientierung an Vorsatz bzw. grober Fahrlässigkeit abgelöst worden war.
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III. Rückabwicklung im Rahmen des Bereicherungsrechts Bei der Rückabwicklung von Verträgen auf dem Weg über das Bereicherungsrecht, die namentlich bei der Nichtigkeit oder nach Anfechtung von Verträgen eintritt, aber auch bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage473 und (nach früherem Recht) bei der Abstandnahme vom Vertrag gemäß §§ 325 I 3, 323 I, III BGB 474 in Betracht kommen kann, stellt sich - wie erwähnt - das besondere Problem, dass die gesetzliche Regelung ihren Blick nur auf den je einzelnen Rückgewähranspruch jeder Partei richtet und die durch den nicht (mehr) existenten Vertrag geschaffene Verklammerung beider Ansprüche ignoriert. 475 Die Saldotheorie, die bereits vor dem InKraft-Treten des BGB von der Rechtsprechung in Anlehnung vor allem an das damalige französische Recht entwickelt worden war,476 wurde vom Reichsgericht schon im Jahre 1903 477 entgegen dem von der Zweikondiktionenlehre ausgehenden Wortlaut des § 812 I 1 BGB unter allerdings wenig überzeugender Berufung auf den "Willen des Gesetzgebers,,478 auch als Teil des neuen Rechts anerkannt. 479 Interessanterweise handelte es sich dabei um einen Fall der arglistigen Täuschung, in dem die Saldotheorie heute gerade nicht mehr angewandt würde. 48o Ob man in der Saldotheorie "nur die folgerichtige Anwendung des in § 818 III BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens auf gegenseitige Verträge" sehen Will 481 oder "letztlich eine von der Rechtsprechung aus Billigkeitsgründen vorgenommene Gesetzeskorrektur",482 ist vermutlich Ansichtssache. 483 Zweifelhaft ist 473 Vgl. BGHZ 109, 144: bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Leasingvertrages, dem durch Wandelung des Kaufvertrages seine Geschäftsgrundlage entzogen worden ist. 474 Vgl. Staudinger/Kaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 118; nach der Schuldrechtsreform ist die - praktisch wenig attraktive - Abstandnahme vom Vertrag nicht mehr vorgesehen. 475 Zu dieser Problematik vgl. vor allem König, S. 85. 476 Vgl. dazu insbesondere König, S. 85-87. 477 RGZ 54, 137. 478 Vgl. dazu die Untersuchung von Finkenauer, S. 310-313. 479 Anders noch 1901 im Fall der Ulmer Dombau-Taler (RGZ 49, 421). 480 Der Käufer eines Rittergutes hatte den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und verlangte nun Rückabwicklung. Der Verkäufer machte demgegenüber Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte wegen vom Kläger aufgenommener Hypotheken und gezogener Nutzungen geltend. Anders als Hornung, S. 134, meint, ging es dem RG nicht darum, § 818 III BGB zu modifizieren, sondern den im angefochtenen Urteil angenommenen Ausschluss der Aufrechnung bzw. Zurückbehaltung nach §§ 393, 273 11 BGB zu umgehen, wozu es der Saldotheorie nicht bedurft hätte, wie Finkenauer, S. 313 Fn. 39, darlegt. 481 So der VIII. Zivil senat des BGH, NJW 1999, 1181. 482 So der V. Zivilsenat des BGH, NJW 2001, 1130. Kritisch Flume, ZIP 2001, 1622 f.
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auch, ob es sich um eine "Bevorzugung des Bereicherungsschuldners" handelt, wie der V. Zivilsenat des BGH gemeint hat. 484 Denn der Bereicherungsschuldner könnte den Anspruch auf Rückgewähr der von ihm erbrachten Leistung ja auch etwa im Wege der Widerklage geltend machen. Dass es bei einem gegenseitigen Vertrag regelmäßig nicht sachgerecht wäre, in diesem Fall dem Bereicherungsschuldner einen Anspruch zu verweigern, weil der Gläubiger seinerseits nicht mehr bereichert sei, umgekehrt dem Gläubiger aber einen Anspruch zu gewähren, liegt auf der Hand. 485 Die Saldotheorie verfolgt also zum einen den Zweck, prozessuale Umwege zu vermeiden, zum anderen soll sie eine im Ausgangspunkt vertragsangemessenere Gefahrverteilung verwirklichen, indem sie den Parteien eines gescheiterten Vertrages die Möglichkeit abschneidet, ihre eigene Leistung zurückzufordern, sich aber ihrerseits gegenüber dem auf Rückforderung der Gegenleistung gerichteten Anspruch der anderen Seite auf Wegfall der Bereicherung zu berufen. Um diesen funktionalen Gesichtspunkt stärker zu betonen und zugleich die allzu begriffsjuristisch anmutende Berufung auf die "Saldierung" der wechselseitigen Leistungen zu vermeiden,486 hat man in der Rechtswissenschaft versucht, die Ergebnisse der Saldotheorie auf einen allgemeineren Ansatz des "faktischen Synallagrna" zu stützen; auch der BGH beruft sich inzwischen ergänzend auf das "von den Parteien ursprünglich gewollte Austauschverhältnis (Synallagma),,487 und darauf, dass "der von den Vertragsparteien bei Vertragsschluss gewollte Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung auch bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung unwirksamer gegenseitiger Verträge erhalten" bleibe. 488 Der Gedanke einer Verknüpfung der gegenseitigen Leistungen auch bei der Rückabwicklung - gleichgültig, wie man ihn bezeichnen möchte - sieht sich Kritik aus unterschiedlichen Richtungen ausgesetzt. Von manchen Autoren wird er mit dem Argument abgelehnt, es sei widersprüchlich, wenn man einerseits die Unwirksamkeit des Vertrages anordnen, andererseits die Vertragspartner im Wege des Bereicherungsrechts doch an die auf dem Vertrag beruhende Vermögensverschiebung binden wolle. 489 Dass diese Argumentation zu schematisch ist und dass es vielmehr auf die einzelnen 483 Vennittelnd Bork in seiner Urteilsanmerkung JZ 2001, 1139: Es handele sich um eine aus Billigkeitsgründen gezogene Analogie zu § 818 III BGB. 484 NJW 2001, 1130. 485 Larenz/Canaris 1112, S. 321, spricht sogar davon, dass die Zweikondiktionenlehre zu "untragbaren Ergebnissen" führe, gegen die sich das Rechtsgefühl sträube. 486 Zur Problematik des Saldo-Begriffs, wenn sich ungleichartige Leistungen gegenüberstehen, vgl. Kaiser, S. 236-238. 487 BGHZ 72, 256. 488 BGHZ 126, 108. Sehr ähnlich schon die Formulierungen von Ernst v. Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S. 262 f. 489 So Kaiser, S. 322.
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Gründe des Vertragsscheiterns ankommt, ist bereits zu Anfang der Arbeit dargelegt worden. 49o Wie ebenfalls bereits erwähnt, sieht die Rechtsprechung in der Tat von der Anwendung der Saldotheorie ab, wo dies mit dem Zweck der Nichtigkeitsnorm nicht vereinbar wäre, insbesondere bei arglistiger Täuschung und bei Minderjährigkeit491 - Einschränkungen, die natürlich nicht unbedingt zur dogmatischen Folgerichtigkeit der Saldotheorie beitragen, solange man sie als isoliertes Rechtsinstitut sieht und nicht in einen größeren Kontext der vertraglichen Risikoverteilung einbindet. 492 Schwerer wiegen andere Probleme, die sich zeigen, wenn man die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach der Saldotheorie mit anderen Rückabwicklungsregimen vergleicht. Insbesondere der Vergleich zur Rückabwicklung nach Rücktritt nach bislang geltendem Recht zeigt einen Wertungswiderspruch auf: § 350 BGB bürdete jedenfalls seinem Wortlaut nach das Risiko eines zufälligen Untergangs der Kaufsache nicht dem Käufer, sondern dem Verkäufer auf; dagegen blieb es nach der Saldotheorie unentrinnbar beim Käufer. 493 Welche Rückwirkungen die Schuldrechtsreform, die die Pflicht zum Wertersatz (bzw. zur Fortentrichtung der vereinbarten Vergütung) bei Unmöglichkeit der unversehrten Rückgabe zum - freilich vielen Ausnahmen unterworfenen - Regelfall gemacht hat, insoweit auf die Saldotheorie haben wird, bleibt abzuwarten. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich in den Fällen, in denen eine Partei vorgeleistet hat; ist der Vertrag unwirksam, die Leistung aber beim Empfänger untergegangen, dann kann auch die Saldotheorie dem Leistenden nicht helfen. 494 Oben Teil 1 A.l1.2.d). Nach Ansicht von Bork in seiner Urteilsanmerkung (JZ 2001, 1140) lässt sich die Entscheidung des BGH NJW 2001, 1127 dahingehend verallgemeinern, dass die Anwendung der Saldotheorie in jedem Fall einer Sittenwidrigkeit aufgrund der unangemessenen Benachteiligung der Partei sowie dann, wenn die Nichtigkeit gerade auf der Missbilligung des Verhaltens einer Vertragspartei beruht, ausgeschlossen sein soll. 492 Wieder anders Kohler, S. 756 f., dem zufolge § 818 III BGB nur zugunsten derjenigen Partei gelten soll, die "die Rückabwicklung nicht auslösen kann und den Rückabwicklungsanlaß nicht zu vertreten hat"; es komme "zunächst auf die vom Unwirksamkeitsgrund abhängige Einseitigkeit der Abwicklungsmacht an". 493 Aus der unübersehbaren Literatur zu dieser Problematik, die sich insbesondere in den Gebrauchtwagenfällen (BGHZ 53, 144 und 57, 137) manifestiert hat, vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 228-230, LarenziCanaris 11/2, S. 323 und vor allem v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 167. 494 Vgl. LarenziCanaris 11/2, S. 321-337, wo insbesondere auch mit Blick auf die Vorleistungsfälle ein neuer Typus einer "Gegenleistungskondiktion" im Sinne eines eigenständigen bereicherungsunabhängigen Wertersatzanspruches vorgeschlagen wird; § 818 III BGB soll dabei als "vertrauensrechtliche Opfergrenze" in dem Sinn fungieren, dass die Haftung des Bereicherungsschuldners durch den Wert der von ihm selbst nach dem Vertrag geschuldeten Leistung begrenzt wird. 490 491
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IV. Schadensrechtliche Rückabwicklung Zu einer Rückabwicklung von Verträgen kann es auch auf schadensrechtlicher Grundlage kommen. In Betracht kommt insoweit schon nach früherem Recht vor allem der so genannte "große Schadensersatz" beim Kaufund Werkvertrag, der im Ergebnis Rückabwicklung wie nach einer Wandelung mit dem Ersatz eines überschießenden Schadens kombinierte. Daneben können Schadensersatzansprüche wegen positiver Forderungsverletzung und cu/pa in contrahendo (bzw. wegen "Pflichtverletzung") oder auf deliktischer Grundlage (insbesondere bei Betrug oder Nötigung) auf eine Beseitigung des Vertrages und damit auf Rückabwicklung gerichtet sein. 495 Im Unterschied zu anderen Formen der Rückabwicklung konzentriert sich die schadensrechtliche Rückabwicklung von vornherein regelmäßig auf einen Geldanspruch zugunsten des Gläubigers. Dabei können sich aber - wie namentlich der zweite Gebrauchtwagenfa1l496 zeigt - dieselben Sachfragen im Hinblick auf die Berücksichtigung der wechselseitigen Leistungen stellen, wie sie im Zusammenhang mit der Saldotheorie zu entscheiden sind. V. Rückabwicklung im Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses In Fällen, in denen ein so genannter Doppelmangel vorliegt - also nicht nur das schuldrechtliche Verpflichtungs-, sondern auch das dingliche Verfügungsgeschäft unwirksam ist - oder in denen der Fehler des Verpflichtungsgeschäfts ausnahmsweise auf den dinglichen Vollzug "durchschlägt", ist der Gläubiger Eigentümer geblieben und kann deshalb Rückabwicklung auch auf der Grundlage der §§ 985 ff. BGB verlangen. Probleme ergeben sich hier vor allem deshalb, weil die Rückabwicklungsregime von Kondiktion und Vindikation vor allem im Hinblick auf die Nebenansprüche nicht miteinander harmonieren. 497 Das Problem betrifft zum einen den Nutzungsersatzanspruch des Eigentümers: Gemäß §§ 987 ff. BGB kann der Eigentümer von einem redlichen Besitzer grundsätzlich nicht die Herausgabe gezogener Nutzungen verlangen, während das Bereicherungsrecht in § 818 I BGB einen entsprechenden Anspruch vorsieht. Dies hätte die wenig sinnvolle Konsequenz, dass der Veräußerer bei der Rückabwicklung eines un495 Ablehnend StaudingeriKaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 121 f., deren Ansicht nach die speziellen vertraglichen Rechtsbehelfe im Rahmen der §§ 119 II, 123 BGB nicht umgangen werden dürfen und die §§ 249 ff. BGB auch keine hinreichenden Regelungen darüber enthalten, wie der Vertrag rückabzuwickeln ist. 496 BGHZ 57, 137. 497 Diese Fragen werden ausführlich diskutiert von Hornung, S. 74, 313-316, 343-349.
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wirksamen Vertrages im Hinblick auf die Nutzungen besser stünde, wenn er sein Eigentum verloren hätte, als wenn auch das dingliche Geschäft unwirksam gewesen, der Veräußerer also Eigentümer geblieben wäre. 498 Noch größere Schwierigkeiten ergeben sich beim Verwendungsersatz: Gemäß § 996 BGB kann selbst der redliche Besitzer grundsätzlich nur Ersatz nützlicher Verwendungen verlangen, wenn der Wert der Sache zu dem Zeitpunkt, zu dem der Eigentümer die Sache wiedererlangt, noch erhöht ist. Der unredliche Besitzer erhält überhaupt keinen Ersatz für nützliche Verwendungen. Dagegen ermöglicht § 818 III BGB einem gutgläubigen Bereicherungsschuldner die Berufung auch auf nicht wertsteigemde Verwendungen; zudem kann er die Wertsteigerung durch Verwendungen regelmäßig selbst bei Bösgläubigkeit kondizieren, sofern es sich nicht um einen Fall der aufgedrängten Bereicherung handelt. Die zahlreichen unterschiedlichen Versuche in Rechtsprechung und Literatur, diese Widersprüche aufzulösen, sollen hier nicht in den Einzelheiten wiedergegeben werden. 499
C. CISG Das CISG regelt "ausschließlich den Abschluss des Kaufvertrages und die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten des Verkäufers und des Käufers" (Art. 4 S. 1 CISG). Insbesondere bewahrt es grundsätzlich Abstinenz gegenüber Regelungen über die "Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen" (Art. 4 S. 2 lit. a CISG).500 Ein Scheitern des Vertrages wegen etwaiger Gültigkeitsmängel kommt also nicht nach dem CISG, sondern nur nach den Regelungen eines subsidiär anwendbaren nationalen Rechts in Betracht. Umgekehrt schließt Art. 11 CISG - der allerdings nach Art. 96 CISG der Möglichkeit eines Vorbehalts unterliegt, von der mehrere Mitgliedsstaaten Gebrauch gemacht haben - sogar ein Scheitern des Vertrages infolge nationaler Formbestimmungen aus. Als Regelfall der Vertragsabwicklung sieht das CISG die Naturalerfüllung an (vgl. Art. 46 I CISG für den Erfüllungsanspruch des Käufers, Art. 62 CISG für den des Verkäufers). Was die gerichtliche Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs betrifft, so hat man freilich in Art. 28 CISG einen Kompromiss gegenüber den Rechtsordnungen des Common-Law498 Zu den verschiedenen Harmonisierungsversuchen von Rechtsprechung und Literatur vgl. BGHZ 32, 76 (rechtsgrundloser Besitzer soll unentgeltlichem Besitzer gleichgestellt werden, so dass nach § 988 BGB Nutzungsersatz gefordert werden kann) und LarenziCanaris II/2, S. 339 f. (teleologische Reduktion von § 993 I 2. HS. BGB). 499 Vgl. etwa die ausführliche Darstellung und Diskussion bei ReuterlMartinek, S.673-686m.w.N. 500 Ebenso schon das EKG (dort Art. 8). 14 eoen
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Rechtskreises geschlossen: Zur Naturalerfüllung muss ein Gericht nur verurteilen, wenn es dies bei einem gleichartigen Kaufvertrag auch nach seinem nicht vereinheitlichten nationalen Recht täte. Schadensersatz kann dagegen grundsätzlich bei jeder Vertragsverletzung verlangt werden (Art. 45 I lit. b CISG für den Käufer, Art. 61 I lit. b CISG für den Verkäufer). Auch für das CISG wird man deshalb - wie im englischen Recht - von einem Scheitern des Vertrages dann zu sprechen haben, wenn der Schadensersatzanspruch ausfällt oder wenn eine Rückabwicklung erforderlich wird. I. Aufhebung des Vertrages Sowohl der Käufer als auch der Verkäufer sind nach dem CISG zur "Aufhebung des Vertrages" berechtigt, wenn die andere Seite sich eine "wesentliche Vertragsverletzung" zuschulden kommen lässt (Art. 49 I lit. a, 64 I lit. a CISG) beziehungsweise wenn mit einer solchen wesentlichen Vertragsverletzung fest zu rechnen ist (vgl. Art. 72 CISG) oder wenn eine vom Gläubiger gesetzte Nachfrist für die Erfüllung ungenutzt verstrichen ist (Art. 49 I lit. b, 64 I lit. b CISG).50\ Die Wahl des Begriffs "Aufhebung" zur Bezeichnung des "Rechtsbehelfs,,502 - es handelt sich offensichtlich um eine wörtliche Übersetzung des seinerseits unpassenden englischen Begriffs avoidance - ist nicht unproblematisch, da sie impliziert, dass der Vertrag insgesamt beseitigt würde, was zweifelhaft ist. 503 Vorzugswürdig 501 Soweit keine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt, beschränkt sich die Befugnis des Käufers zur Vertragsaufhebung nach Fristsetzung auf Fälle der Nichtlieferung (Art. 49 I lit. b CISG). Unwesentliche Mängel sollen nicht durch Nachfristsetzung zum Aufhebungsgrund aufgewertet werden können; vgl. SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 49 Rn. 2. Deshalb kann der Käufer auch nicht dem Verkäufer eine Frist zur Nachbesserung eines nicht wesentlichen Mangels setzen und dann wegen Versäumung dieser Frist aufheben, vgl. Bridge, Bifocal World, S. 290. Daraus ergibt sich natürlich die "Versuchung" für den Rechtsanwender, "ergebnisorientiert einen wesentlichen Vertragsbruch bei Mängeln oder Verletzung anderer Pflichten als der Lieferungspflicht" anzunehmen, wie Schlechtriem, Abstandnahme vorn Vertrag, S. 167, zu Recht feststellt. 502 Auch gegen diese Verdeutschung des englischen Terminus remedy lässt sich einiges einwenden, worauf Flessner (ZEuP 1997, 1183) zu Recht hinweist. Er hat sich aber eingebürgert und wird deshalb im Folgenden gelegentlich verwendet, zumal auch die amtliche deutsche Version des CISG ihn benutzt. 503 Vgl. dazu sogleich bei Fn. 530, aber auch Schlechtriem, Abstandnahme vorn Vertrag, S. 160, der darauf verweist, dass der Begriff "Aufhebung" bei der Erstellung der deutschen Version des Haager Einheitlichen Kaufrechts gerade deshalb gewählt worden sei (statt des Begriffs "Auflösung"), weil er "die nach Ansicht seiner Befürworter falsche Assoziation einer rückwirkenden Vernichtung" vermeide. Auch Rabel (Entwurf, S. 71) hatte sich "nach längerem Suchen" in der deutschen Übersetzung seines Entwurfes für den Ausdruck "Aufhebung des Vertrages" entschieden, und zwar in Anlehnung an das schwedische Recht; die wörtliche Übersetzung des
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wäre vielleicht der Begriff "Vertragsbeendigung" gewesen,504 obwohl in diesem Zusammenhang wohl jeder Begriff seine Vor- und Nachteile haben dürfte. Der Begriff der "wesentlichen Vertragsverletzung" ist damit einer der Zentralbegriffe des CISG. 505 Eine explizite Definition des Begriffs der "Vertragsverletzung", auf dem er aufbaut, findet sich im CISG nicht; allerdings lässt sich der Systematik des CISG entnehmen, dass auch die entschuldigte Vertragsverletzung eine Vertragsverletzung bleibt, worin ein Unterschied zum englischen breach-oJ-contract-Begriff liegt. 506 Aus Art. 79 V CISG ergibt sich insbesondere, dass eine entschuldigte Nichterfüllung die Aufhebung des Vertrages nicht ausschließt. Den Vorschlag Rabels, im Rahmen des Einheitskaufrechts für alle Arten von Leistungsstörungen den neutraleren Begriff "Ausbleiben der Lieferung" zu verwenden,507 hat man leider nicht aufgegriffen. Die Definition der wesentlichen Vertragsverletzung, die sich in Art. 25 CISG findet, wird gern als zirkulär oder tautologisch bezeichnet, weil der Begriff "wesentlich" jedenfalls im deutschen Text sowohl im Definiendum wie im Definiens ("im Wesentlichen entgeht") auftauche. 508 Das trifft natürlich nicht zu; definiert wird in Art. 25 CISG ja nicht der Begriff "wesentlich", sondern der Begriff "wesentliche Vertragsverletzung".509 Sicherlich handelt es sich nicht um eine glatt subsumtionsfähige Forme1. 510 Immerhin französischen Begriffs resolution mit "Auflösung" hätte seiner Ansicht nach "zu sehr die zerstörliehe Wirkung" betont. Kritisch aber schon zum EKG v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 36, der die Begriffe rejection bzw. revocation of acceptance für "glücklicher" hält. 504 Schon Leonhard, S. 406, meinte: "Von einer Aufhebung wird man nur da sprechen können, wo die Wirkungen des Vertrages wirklich ganz beseitigt werden, also die gemachten Leistungen wieder zurückgewährt werden sollen." Er unterschied zwischen Aufhebung des Vertrages in Form des Rücktritts (der nach damaliger Vorstellung Rückwirkung haben sollte) und Vertragsbeendigung durch Kündigung bei Dauerschuldverhältnissen. 505 Zur Zentralität dieses Begriffes vgl. auch v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 69. 506 Auf diesen Punkt verweist Goode, Commercial Law, S. 932; vgl. auch oben S. 120 zum englischen Recht. Anders Krebs, S. 47 f.: Von einem "Bruch" lasse sich "nur sprechen, wenn dem Schädiger die Vertragsverletzung irgendwie zurechenbar" sei. 507 Rabel, Entwurf, S. 65. 508 Vgl. etwa M. Krebs, S. 22 m.w.N. Burkart, S. 233 Fn. 1305, meint deshalb sogar, "für einmal" sei "die deutsche Textversion [... ] wahrscheinlich aussagekräftiger", weil sie "das tautologische Wesen der Begriffsumschreibung von Art. 25 CISG am deutlichsten erkennen" lasse. 509 Ähnlich wie E. v. Savigny, S. 107, wird man hier sagen können, dass das Wort "wesentlich" im Definiendum "wesentliche Vertragsverletzung" auf dieselbe Weise vorkommt wie "er" in "Herr". 14*
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lässt sich ihr aber entnehmen, dass es nicht auf die Perspektive der vertragsbrüchigen Partei oder auf die Qualifikation der verletzten Vertragsbestimmung ankommt, sondern auf den von der anderen Partei erlittenen Nachteil, wobei nicht das Ausmaß eines objektiven Schadens entscheidend ist, sondern dieser Nachteil an dem zu messen ist, was diese Partei "nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen".511 Es ist also primär Sache der Parteien, im Vertrag festzulegen, weIche Vertragspflichten sie als "wesentlich" erachten, wobei andererseits aber auch entscheidend ist, wie schwer der konkrete Verstoß wiegt. 512 Der im Zusammenhang mit Art. 25 CISa gern zu lesende513 Verweis auf Hang Kong Fir Shipping Co. Ltd. v. Kawasaki Kisen Kaisha Ltd. 514 ist deshalb geeignet, in die Irre zu führen: 515 In dieser Entscheidung ging es ja gerade darum, dass sich der Partei vereinbarung bei sinnvoller Auslegung keine Qualifizierung der Seetüchtigkeitszusicherung in die eine oder die andere Richtung entnehmen ließ. 516 Zuweilen werden in der Literatur auch Analogien zu einer englischen Lehre bemüht, die unter dem Schlagwort ,fundamental breach 0/ contract" bekannt war, aber schon seit vielen Jahren aufgegeben iSt. 517 Keinen rechten Sinn ergibt freilich die in Art. 25 CISa vorgesehene Ausnahme für den Fall, dass "die vertragsbrüchige Partei diese Folge nicht 510 So auch Schlechtriem, CISG-Kommentar, Art. 25 Rn. 5. Zutreffend auch Staudinger/Magnus, CISG Art. 25 Rn. 3 ("ebenso flexibel wie vage"). 511 Vgl. Schlechtriem, CISG-Kommentar, Art. 25 Rn. 9. Auch in der englischen Literatur betont Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 218, den Zweck, eine "broad definition in terms of unfocussed detriment" durch eine Definition zu ersetzen, die "looked to the injured party's expectations under the particular contract". 512 So auch v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 76. Zweifelnd, inwieweit die Parteien nach dem CISG die Befugnisse des Käufers zur Vertragsaufhebung verstärken und beispielsweise das Recht des Verkäufers zur Nacherfüllung abbedingen können, Bridge, Bifoca1 World, S. 290. m Vgl. etwa M. Krebs, S. 21 Fn. 113. Für eine ähnliche Bezugnahme im Autorenkommentar der Principles of European Contract Law vgl. unten Teil 2 E.II.1.a), Fn.734. 514 [1962] 2 Q.B. 26. 515 Auch Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 218, spricht von ,,(perhaps misleading) similarities". 516 Vgl. dazu oben Teil 2 A.1.2.c)(4) bei Fn. 84 f. Bridge, Bifocal World, S. 289, meint, das CISG bevorzuge "the survival of the contract [... ] and does not make it easy to terminate it for breach". Ebenso schon v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 84: "Tendenz, die Vertragsaufhebung soweit als möglich einzuschränken". 517 Inhalt dieser Lehre war, dass vertraglich vereinbarte Haftungsausschlüsse bei einem fundamental breach nicht gelten sollten, vgl. Atiyah, Introduction, S. 177 f. Mit dem Erlass moderner Gesetze zur Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen hat die Lehre ihre Bedeutung verloren. Zur Aufgabe der Lehre vgl. die Entscheidung des House of Lords in Photo Production Ltd. v. Securicor Transport Ltd. [1980] A.C. 827.
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vorausgesehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte".518 Dabei handelt es sich letztlich um ein Relikt aus dem EKG, das bei der Definition der wesentlichen Vertragsverletzung entscheidend auf die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen der (später) vertragsbrüchigen Partei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgestellt hatte. 519 Das machte komplizierte hypothetische Vergleichs betrachtungen erforderlich. Wo es ohnehin nicht mehr auf den objektiven Schaden für den Gläubiger, sondern auf die im Rahmen der Vertragsauslegung zu ermittelnde Bedeutung der Pflichtverletzung ankommt, dürfte die Vorhersehbarkeit für den Schuldner, die allenfalls als zusätzliches Kriterium in die Vertragsauslegung einfließen kann, so gut wie nie eine Rolle spielen. Warum die Vertragsaufuebung ausscheiden soll, wenn zwar eine hinreichend schwere Störung des Synallagmas vorliegt, diese aber für die andere Seite nicht vorhersehbar war, lässt sich auch nicht recht nachvollziehen. Zudem weiß man nicht, auf welchen Zeitpunkt es für die Vorhersehbarkeit ankommen soll: den des Vertragsschlusses oder den der Vertragsverletzung?520 Die Vertragsaufuebung erfolgt durch Erklärung gegenüber der anderen Seite (Art. 26 CISG); eine ipso-Jacto-Aufuebung, wie sie das EKG insbesondere für den Fall, dass "ein Deckungskauf den Gebräuchen entspricht und in angemessener Weise möglich ist", kannte (vgl. Art. 25 EKG), ist nicht mehr vorgesehen. 521 Das Übermittlungsrisiko wird ausdrücklich dem Empfänger aufgebürdet (Art. 27 CISG).522 Aufuebung und Zurückweisung 518 Goode. Commercial Law, S. 933, spricht von einem Kriterium, das "novel to English lawyers" sei und "may produce some problems". 519 Schlechtriem, CISG-Kommentar, Art. 25 Rn. 2 f., insb. Fn. 13. Relevant wurde die Einschränkung vor allem im Fall verspäteter Lieferung; hierauf sollte der Käufer die Vertragsaufhebung nicht stützen können, wenn er den Verkäufer nicht besonders auf diese Gefahr hingewiesen hatte (so jedenfalls Dölle/Huber, Art. 10 Rn. 29). 520 Vgl. Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 219. Art. 10 EKG erklärte ausdrücklich den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für maßgeblich; daraus konnte man noch den rechtspolitisch sinnvollen Schluss ziehen, dass ein "erst später aufgetretenes besonderes Interesse des Gläubigers [... ] nicht herangezogen werden" könne, vgl. v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 34. Das CISG hat diese Formulierung aber nicht übernommen, zumindest Staudinger/Magnus, CISG Art. 25 Rn. 19, versteht die Bestimmung aber in diesem Sinn. 521 Ausführlich zu dieser Thematik Hellner; vgl. ferner v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 39 f. 522 Entgegen einer häufig zu lesenden Auffassung steht diese Bestimmung allerdings nur in einem losen Zusammenhang mit der so genannten postal oder mailbox rule des angloamerikanischen Rechts. Zumindest im englischen Recht gilt diese Regel nämlich nicht, wo ein bestimmtes Recht "by notice" ausgeübt werden muss, wie Art. 27 CISG dies voraussetzt: HolweIl Securities Ltd. v. Hughes [1974] 1 W.L.R. 155 (C.A.). Wer Art. 27 CISG dahingehend interpretieren will, dass eine von dieser
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gelieferter Ware als nicht vertragsgemäß sind jedoch nicht synonym: 523 Solange der Käufer die Vertragsaufhebung noch nicht erklärt hat, kann er grundsätzlich Nacherfüllung verlangen (Art. 46 eISG).524 Umgekehrt kann der Verkäufer nach Art. 48 elSG unter bestimmten Bedingungen nacherfüllen, wobei die Abstimmung dieser Vorschrift mit den Bestimmungen über die Vertragsaufhebung (laut Art. 48 I 1 elSG besteht das Nacherfüllungsrecht nur "vorbehaltlich des Artikels 49") Schwierigkeiten bereitet. 525 An die Zurückweisung knüpft allerdings die Vorschrift des Art. 86 eISG ein, nach der den Käufer eine beschränkte Obhutspflicht für die Ware treffen kann; umgekehrt muss der Verkäufer nach Art. 85 elSG die nach den Umständen angemessenen Maßnahmen zur Erhaltung der Ware treffen, wenn sich der Käufer - untechnisch gesprochen - im Gläubigerverzug befindet. Vorschrift erfasste Erklärung grundsätzlich schon mit Absendung wirksam werden soll (so etwa Schlechtriern, CISG-Kommentar, Art. 27 Rn. 13), kann sich dafür also nicht auf die Parallelität zum englischen Recht berufen. In den Principles of European Contract Law findet sich eine Parallel vorschrift zu Art. 27 CISG (Art. I :303(4»; der postal rule folgen sie dennoch nicht (vgl. Art. 1:303(3), (5)), und Art. 1:303(4) selbst stellt klar, dass die Mitteilung "von dem Zeitpunkt an wirksam" ist, "zu dem sie unter normalen Umständen zugegangen wäre". Für eine "modifizierte Zugangstheorie" auch Schlechtriem/Leser/Homung, CISG-Kommentar, Art. 26 Rn. 12, und M. Krebs, S. 27. Gegen das Abstellen auf einen hypothetischen Zugang Staudinger/Magnus, CISG Art. 27 Nr. 24, der sich auf Praktikabilitätserwägungen beruft; aber die Folgen der Vertragsaufhebung für den Regelfall schon mit Absendung der Aufhebungserklärung eintreten zu lassen, dürfte zu praktisch ebenfalls nicht immer befriedigenden Ergebnissen führen. 523 So auch Goode, Commercial Law, S. 934. 524 Das Recht, Ersatzlieferung zu verlangen, ist allerdings wegen der Notwendigkeit einer Rückabwicklung der nicht vertragsgemäßen Lieferung und der dadurch bestehenden Nähe zur Vertragsaufhebung auf Fälle der wesentlichen Vertragsverletzung beschränkt (Art. 46 II CISG). Nach Ansicht von M. Krebs, S. 38, handelt es sich hier um eine Lösung, die ,,[f]ür internationale Warenkäufe [... ] angemessen, wenn auch dogmatisch schwer begründbar" sei. 525 Nach dem wohl herrschenden so genannten "dynamischen Wesentlichkeitsbegriff' soll eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 49 CISG ausscheiden, wenn der Verkäufer die Vertragswidrigkeit noch beheben kann; vgl. dazu SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 48 Rn. 17-24, und M. Krebs, S. 394l. Bridge, Bifocal World, S. 289, meint, Nacherfüllung scheine trotz wesentlicher Vertragsverletzung möglich, wobei allerdings unklar sei, was zu geschehen habe, wenn der Käufer vor Nacherfüllung Vertragsaufhebung erkläre. Die Frage, die sich bei den Prinzipien-Texten ganz ähnlich stellt (vgl. unten Teil 2 D.III.1.c) zur ausdrücklichen Regelung der Unidroit Principles und Teil 2 E.II.l.a) zu den Principles of European Contract Law), kann aber wohl nicht begrifflich, sondern nur im Wege einer Interessenabwägung gelöst werden. Kritisch zum Nacherfüllungsrecht überhaupt Reynolds, S. 24: Die Einführung von Bestimmungen über die Nacherfüllung sei von der Law Commission für das englische Recht ausdrücklich verworfen worden. Bridge, Bifocal World, S. 289 f., kritisiert die Regelungen über Nacherfüllung bei Verzug als unverständlich: Wie solle sich die nicht rechtzeitige Leistung heilen lassen, ,,[s]hort 01 tuming back the clock"?
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Für den Fall einer Teillieferung (beziehungsweise einer nur teilweise vertragsgemäßen Lieferung) beschränkt Art. 51 I CISG die anwendbaren Rechtsbehelfe grundsätzlich auf den fehlenden (oder nicht vertragsgemäßen) Teil; der Käufer kann aber Aufhebung des gesamten Vertrages erklären, wenn die nicht ordnungsgemäße Lieferung ihrerseits eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt (Art. 51 11 CISG).526 Für Sukzessivlieferungsverträge gilt die weitgehend parallele Sonderregelung des Art. 73 CISG: Grundsätzlich kann Vertragsaufhebung nur im Hinblick auf die nicht ordnungsgemäße Lieferung erklärt werden (Art. 73 I CISG); darüber hinaus ist die Vertragsaufhebung für die Zukunft möglich, wenn die Vertragsverletzung der anderen Partei "triftigen Grund" zu der Annahme gibt, dass auch für künftige Lieferungen eine wesentliche Vertragsverletzung zu erwarten ist (Art. 73 11 CISG), und bei Vertragsaufhebung für eine Lieferung kann auch Vertragsaufhebung für - bereits erbrachte oder zukünftige - Lieferungen erklärt werden, wenn diese wegen des zwischen ihnen bestehenden Zusammenhangs nicht mehr für den vertraglich vorgesehenen Zweck verwendet werden können (Art. 73 III CISG).527 Ist bereits geliefert bzw. gezahlt worden, dann sehen Art. 49 11 und 64 11 CISG eine Ausschlussfrist für die Erklärung der Vertragsaufhebung vor. Dagegen besteht keine zeitliche Grenze, falls noch keine Lieferung bzw. Zahlung erfolgt ist. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, der sich die Prinzipien-Texte nur zum Teil angeschlossen haben, die aber - wie noch zu zeigen sein wird - durchaus sinnvoll ist. 528 Die Rückabwicklung nach Vertragsaufhebung richtet sich nach den Art. 81-84 CISG. 529 Art. 81 I 1 CISG bestimmt zunächst, dass die Aufhebung des Vertrages "beide Parteien von ihren Vertragspflichten, mit Ausnahme etwaiger Schadensersatzpflichten", befreit; ausgenommen sind "Bestimmungen des Vertrages über die Beilegung von Streitigkeiten und sonstige Bestimmungen des Vertrages, welche die Rechte und Pflichten der Parteien nach Vertragsaufhebung regeln" (Art. 81 I 2 CISG). Art. 81 11 1 CISG ordnet dann an, dass eine Partei, die bereits Leistungen erbracht hat, "Rückgabe des von ihr Geleisteten von der anderen Partei verlangen" kann; 526 Für Beispiele vgl. SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 51 Rn. 5, 14 f. Ebenso entschied bereits Art. 45 EKG. Rabel, Entwurf, S. 74, umschrieb diesen Lösungsweg so, dass "der Vertrag sozusagen auf den Rest beschränkt" werde. 527 Auch insoweit ähnlich bereits Art. 75 EKG. 528 Vgl. unten Teil 2 D.III.1.b) (Unidroit Principles) und Teil 2 E.II.1.c) (Principles of European Contract Law) sowie M. Krebs, S. 31. 529 Kritisch Reynolds, S. 24: Die Bestimmungen über die Rückabwicklung wirkten "generous and unfamiliar" und seien zu kompliziert. Dagegen meint M. Krebs, S. 47, die Art. 81-84 seien "weitgehend neutral"; die Gesetzesverfasser hätten, "bewusst oder ,instinktiv', das richtige Modell gewählt".
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hat schon ein Austausch von Leistungen stattgefunden, so geschieht die Rückabwicklung Zug um Zug (Art. 81 11 2 CISG). Ob diese Bestimmungen im Sinne einer Beseitigung des Vertrages ex tune oder im Sinne einer Umsteuerung in ein Rückgewährschuldverhältnis zu verstehen sind, wird je nach national beeinflusstem Vorverständnis unterschiedlich beurteilt. 53o Im Ergebnis kommt es auf die dogmatische Qualifikation der Vertragsaufhebung jedoch nicht an; entscheidend sind die praktischen Einzelheiten des Rückabwicklungsregimes, die im CISG ausführlich behandelt werden. 53l Ob das Wort "kann" in Art. 81 11 1 CISG im Sinne eines "verhaltenen Anspruchs" zu verstehen ist, also dahingehend, dass insbesondere der Verkäufer die von ihm gelieferte Ware nicht zurückverlangen muss, sondern seinen Schaden auch unter Einbeziehung seiner Leistung berechnen kann, ist unklar. 532 Neben der Rückgewähr der beiderseitigen Leistungen ist ein weiterer Vorteilsausgleich in Form der Verzinsung des Kaufpreises (Art. 84 I CISG) und umgekehrt der Auskehr von aus der Ware gezogenen Nutzungen vorgesehen (Art. 84 11 lit. a CISG).533 Im Hinblick auf Sachfrüchte kann man sich fragen, ob diese in Natur herauszugeben oder stattdessen ihr Wert zu vergüten ist. 534 Über den Ersatz von Verwendungen sagt das CISG in diesem Zusammenhang nichts. 535 530 Vgl. Hornung, S. 109; M. Krebs, S. 51-53. Goode, Commercial Law, S. 933 Fn. 35, meint vorsichtig: ",Avoid' appears to denote rescission ab initio, followed by restitution on both sides but without prejudice to a right to damages". 531 Insoweit zum Teil gefährlich nahe an einer petitio principii die Interpretation von M. Krebs, S. 49, dem zufolge die "Struktur des Ubereinkommens" auf ein "einheitliches und neutrales Restitutionsmodell angelegt" und "in der Regel nicht nur der erlangte Gegenstand als solcher, sondern die gesamte Substanz der Leistung der abzubauende Überschuß" sei. 532 Im Sinne eines solchen "verhaltenen Anspruchs" bei der Vorgängervorschrift des Art. 78 II I EKG Dölle/Weitnauer, vor Art. 84-87 Rn. 8; unklar Schlechtriem/ Leser/Hornung, CISG-Kommentar, vor Art. 81-84 Rn. 17 f., Art. 81 Rn. 14. 533 M. Krebs, S. 71 f., zufolge ist die Berechnung der Gebrauchsvorteile dabei grundsätzlich nach der linearen Teilwertabschreibung vorzunehmen. Für die Bestimmung "nach Marktpreisen als Mietwert, Lizenzpreis oder ähnlichem" abzüglich der Erhaltungskosten dagegen Schlechtriem/Leser/Hornung, CISG-Kommentar, Art. 84 Rn. 19. 534 Für die Herausgabe in Natur M. Krebs, S. 69 f., der damit argumentiert, beim "Verkauf einer trächtigen Rassestute" sei es nicht sachgerecht, wenn der Verkäufer das möglicherweise besonders wertvolle Fohlen nicht in Natur herausverlangen könne. Dem Text des CISG kann man einen derartigen Anspruch des Verkäufers allerdings nicht entnehmen. Gegen eine Rückgewähr von Früchten in Natur wegen der "größere[n] Praktikabilität im Geschäftsverkehr" und der "Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung" Hornung, S. 330 f. Allerdings ist diese Einheitlichkeit wohl ebenfalls nicht zu erreichen, weil sich aus der lex rei sitae ergeben mag, dass der Verkäufer (wieder) Eigentümer der Sachfrüchte wird. 535 Grundsätzlich für Ersatz notwendiger Verwendungen, während die Frage nützlicher Verwendungen dem IPR (lex rei sitae oder Vertragsstatut?) überlassen bleiben
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Die Möglichkeit einer Rückabwicklung hat Rückwirkungen auf die Zulässigkeit der Vertragsaufhebung. Art. 82 I CISG bestimmt nämlich, dass der Käufer das Recht zur Aufhebung verliert, wenn es "ihm unmöglich ist, die Ware im Wesentlichen in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat". Es handelt sich hier um ein Regelungsmodell, das aus vielen Rechtsordnungen vertraut ist und letztlich auf das römische Recht zurückgeht, auch bereits in Art. 79 EKG verwirklicht worden war. 536 Freilich wird dieser Grundsatz in Art. 82 11 CISG durch so viele Ausnahmen eingeschränkt, dass er selbst letztlich eher zur Ausnahme wird: 537 Das Recht zur Vertragsaufhebung bleibt erhalten, wenn die Unmöglichkeit der unversehrten Rückgabe "nicht auf einer Handlung oder Unterlassung des Käufers beruht" (Art. 82 11 lit. a CISG),538 wenn die Ware bei der dem Käufer obliegenden Untersuchung beeinträchtigt worden ist (Art. 82 11 lit. b CISG) oder wenn ein im Hinblick auf die Vertrags widrigkeit gutgläubiger Käufer die Ware "ganz oder teilweise im normalen Geschäftsverkehr verkauft oder der normalen Verwendung entsprechend verbraucht oder verändert hat" (Art. 82 11 lit. c CISG). Kann der Käufer den Vertrag aufheben, obwohl er die Ware nicht zurückgeben kann, dann muss er ein möglicherweise für die Ware erhaltenes Surrogat herausgeben (Art. 84 11 lit. b CISG). Ob der Erlös aus der Veräußerung der Ware danach auch insoweit auszukehren ist, als er deren objektiven Wert übersteigt, ist unklar. 539 Auch soweit die Rückgabe der gelieferten Ware in Natur erzwungen werden soll, greifen die Einschränkungen des Art. 28 CISG ein. 540 Nicht ganz klar ist allerdings, wo die Grundlage für Ersatzansprüche des Verkäufers zu solle, SchlechtriemlLeserlHornung, CISG-Kommentar, Art. 84 Rn. 20a-20c sowie M. Krebs, S. 78 f. 536 Vgl. SchlechtriemlLeserlHornung, CISG-Kommentar, Art. 82 Rn. 6. 537 So auch SchlechtriemlLeserlHornung, CISG-Kommentar, vor Art. 81-84 Rn. 12. 538 Schon Rabel, Entwurf, S. 96, betonte, das Recht werde dem Käufer "schon durch die eigene Handlung, [... ] nicht bloß durch sein Verschulden" genommen; gegenüber der "extremen Lösung", das Aufhebungsrecht bei jedem "zufällige[n] Untergang der Sache" entfallen zu lassen, erscheine aber "immer noch die alte Erwägung richtiger, dass den Preis in solchen Fällen nicht der völlig unschuldige Käufer, sondern der Verkäufer, der ihn nicht verdient hat, verlieren solle". 539 Dafür noch Hornung, S. 109; zweifelnd SchlechtriemlLeserlHornung, CISGKommentar, Art. 84 Rn. 27a; dagegen M. Krebs, S. 116, dem zufolge "nur solche Vorteile auszugleichen [sind], die in der Substanz der Sache selbst gründen". 540 So auch Hornung, S. 362 f., StaudingeriMagnus, CISG Art. 81 Rn. 11 und Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 227; anders SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 12, mit der wenig hilfreichen Begründung, Rückgewähransprüche im Fall der Vertragsaufhebung seien "nicht auf ,Erfüllung' des Vertrags gerichtet": Art. 28 CISG spricht gerade nicht von der "Erfüllung des Vertrags", sondern davon, dass "eine Partei nach diesem Übereinkommen berechtigt [ist], von der anderen Partei die Erfüllung einer Verpflichtung zu verlangen". Selbstverständlich fällt darunter
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finden sein soll, falls eine Verurteilung zur Naturalleistung ausscheidet; der Verkäufer wird aber jedenfalls durch das Zug-um-Zug-Prinzip des Art. 81 11 2 CISG geschützt. Art. 50 CISG ermöglicht ferner eine Minderung auch bei nicht wesentlicher Vertragsverletzung, wobei ausdrücklich auch die Rückforderung des bereits bezahlten Kaufpreises zugelassen wird. 541 11. Konkurrierende nationale Regelungen? Manche Autoren versuchen, Scheiternstatbestände der nationalen Leistungsstörungsrechte in das CISG zu importieren. Einfallstor dafür ist Art. 28 CISG, dem zufolge ein Gericht - wie erwähnt - "eine Entscheidung auf Erfüllung in Natur nur zu fällen" braucht, "wenn es dies auch nach seinem eigenen Recht bei gleichartigen Kaufverträgen täte", die nicht unter das CISG fallen. Eine Reihe möglicher Tatbestände, die einen Erfüllungsanspruch ausschließen könnten, lassen sich insoweit in Betracht ziehen. 542 Derartige Überlegungen beruhen jedoch auf einem grundlegenden Missverständnis. Ihre Interpretation von Art. 28 CISG geht nämlich von der Prämisse aus, die Common-Law-Rechtsordnungen gewährten dem aus einem Vertrag berechtigten Gläubiger grundsätzlich keinen materiellen Erfüllungsanspruch. Wie schon zu Beginn der Arbeit festgestellt, trifft dies jedoch jedenfalls für das englische Recht und nach der wohl überwiegenden Auffassung in den USA auch für das amerikanische Recht nicht zu. Selbstverständlich ist auch nach englischem Recht jede Vertragspartei verpflichtet, das, was sie im Vertrag versprochen hat, so zu erfüllen, wie sie es versprochen hat; selbstverständlich handelt der nichterfüllende Schuldner rechtswidrig. 543 Wie solche Verpflichtungen mit Hilfe der Staatsgewalt praktisch durchzusetzen sind, ist dagegen eine ganz andere Frage, die eher im Bereich des Prozessrechts angesiedelt wird. 544 Demzufolge hat man im englischon dem Wortlaut nach auch die Erfüllung eines Rückgewähranspruches nach dem CISG. Vgl. insoweit auch M. Krebs, S. 55 f., insb. Fn. 346. 541 In Art. 46 EKG war diese Möglichkeit noch nicht ausdrücklich festgehalten worden; zudem war danach eine Minderung wohl nur unter den selben Voraussetzungen möglich wie eine Vertragsaufhebung, vgl. DölleiStumpf, Art. 46 Rn. 2 m.w.N. 542 Vgl. etwa SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 25-41, der im Ergebnis aber für Art. 28 CISG vor deutschen Gerichten keinen Anwendungsbereich sieht. 543 Vgl. Attomey-General v. Blake [2000] 3 W.L.R. 625 (H.L.), wo sogar eine Parallele zwischen Vertrags- und Eigentumsverletzung gezogen wird. 544 Zutreffend insoweit Flessner, ZEuP 1997, 303 Fn. 207. Auch Schlechtrieml Huber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 19 erkennt den Unterschied zwischen der "Verpflichtung des Schuldners" und dem ",Rechtsbehelf' (,remedy') des Gläubi-
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sehen internationalen Privatrecht die Entscheidung darüber, ob specijic performance gewährt werden soll, auch immer als prozessrechtliches Problem qualifiziert545 und tut dies in den USA auch heute noch. Nur wenn man sich dieses Hintergrundes bewusst ist, kann man Art. 28
eISa sinnvoll verstehen. 546 Die Vorschrift antwortet auf ein ganz konkretes
Problem, das nicht notwendigerweise auf den Common-Law-Rechtskreis beschränkt ist, das aber mit Fragen des materiellen Rechts oder gar des ordre public547 oder mit angeblichen Defizienzen des dortigen Vollstreckungsrechts 548 nicht das geringste zu tun hat. 549 Erst recht soll sie nicht den gers, der ihm dann zusteht, wenn der Schuldner seine Verpflichtung nicht erfüllt", zieht aber zum Teil verfehlte Konsequenzen daraus. 545 Vgl. DiceylMorris I, S. 171: "The nature of the plaintiff's remedy is a matter of procedure to be determined by the lex fori. [... A] remedy which is discretionary according to English law cannot be demanded as of right in an English court merely because this is possible according to the lex causae." Allerdings heißt es bei DiceylMorris 11, S. 1264, aufgrund des Römischen Übereinkommens (oben Teil 1 C.IL2., Fn. 325) und des zu seiner Umsetzung ergangenen Contracts (Applicable Law) Act 1990 müsse man - "with some hesitation" - davon ausgehen, dass die Frage nunmehr dem Vertragsstatut unterliege und dass demzufolge "iJ [... a] decree of specijic performance would be available under the lex contractus it should be available in principle in Englantl', wobei allerdings Einschränkungen des Vollstreckungsrechts (die "limits of the powers conferred on the court by its procedural law") zu berücksichtigen seien; gemeint ist damit, dass nicht zur Naturalerfüllung verurteilt werden kann, wo etwa eine fortdauernde Überwachung durch das Gericht erforderlich wäre, vgl. oben Teil 2 A.Ll., Fn. 13. 546 Neben der Sache daher SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 5, dem zufolge es "dabei nicht nur um eine Frage des Verfahrens, sondern des materiellen Rechts" geht: Der entscheidende Punkt ist gerade, dass das eine Recht die Frage als materiellrechtlich, das andere als prozessrechtlich qualifiziert. Unzutreffend daher auch M. Krebs, S. 56 Fn. 354, der sich Huber insoweit anschließt. Der prozessrechtliche Einschlag des remedy-Begriffes zeigt sich im Übrigen auch daran, dass als remedy nicht nur die Erzwingung der Naturalerfüllung (specijic performance), sondern auch ein Feststellungsurteil (declaratory judgment) eingestuft wird, vgl. etwa Goode, Commercial Law, S. 390. Niemand käme auch nur auf den Gedanken, hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen ein Feststellungsurteil ergehen darf, das Vertragsstatut statt der lex fori anzuwenden. Zutreffend hingegen Dölle/Reinhart, Art. 16 Rn. 21: Durch die - dem späteren Art. 28 CISG entsprechende - Bestimmung würden "nicht die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Kaufvertrag geregelt", vielmehr sei ihr Gegenstand "die Entscheidungskompetenz nationaler Gerichte, die der Parteiautonomie entzogen ist". Für eine prozessuale Sicht von Art. 28 CISG auch StaudingerlMagnus, CISG Art. 28 Rn. 10. 547 In diesem Sinne jedoch SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 5. Insoweit zutreffend dagegen M. Krebs, S. 56 f. 548 So etwa Hornung, S. 275; dazu schon oben Teil 2 A.IV., Fn. 327. 549 Auch mit der von SchlechtriemiHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 6, erörterten Tatsache, dass sich das CISG der Marktpreisregel des englischen Rechts nicht angeschlossen hat, besteht nur ein loser sachlicher Zusammenhang (vgl. schon oben Fn. 180); ob Art. 28 CISG deshalb "dem eigentlichen Ziel der Regeln des Common
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Kaufpreisanspruch des Verkäufers von zusätzlichen materiellrechtlichen Voraussetzungen wie der Lieferung der Ware abhängig machen. 55o Es geht vielmehr - ähnlich wie bei der vergleichbaren Problematik des Verjährungsrechts - darum, dass das eISa prozessrechtliche Fragen nicht regeln und deshalb auch seine Vorschriften über die Erzwingung der Naturalerfüllung nicht einem Mitgliedsstaat aufzwingen will, soweit dieser Staat solche Vorschriften als prozessrechtlich qualifizieren würde. 55l Hieraus erklärt sich auch zwanglos, warum Schiedsgerichte in der Vorschrift - anders als in Art. 45 III und 61 III eISa - nicht erwähnt werden: Diese sind ohnehin nicht befugt, bestimmte Formen der Zwangsvollstreckung anzuordnen. 552 Bei Licht betrachtet soll die Bestimmung also lediglich den Anwendungsbereich des eISa klarstellen: Prozessuale Fragen werden vom eISa grundsätzlich ausgeklammert; wo - wie bei der Frage der zwangs weisen Durchsetzung der Naturalerfüllung - unterschiedliche Auffassungen über die Qualifikation von Regelungen bestehen, war demgemäß eine Klarstellung angebracht, wie sie in Art. 28 eISa getroffen wurde. 553 Mehr sollte man in Law [... ] nur in ziemlich unvollkommener Weise Rechnung" trägt, erscheint zweifelhaft. 550 So aber SchlechtriemiHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 11, 13-15. Auch Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 219, ordnet den Kaufpreisanspruch als "specific performance (including other remedies requiring performance in kind [... ])" ein. Dass insoweit der ordre public der Common-Law-Staaten berührt sein soll, ist eine abwegige Vorstellung, zumal es sich bei den entsprechenden Vorschriften des Sale of Goods Act lediglich um Auslegungsregeln handelt, vgl. etwa Goode, Commercial Law, S. 422--425. 551 Schon Rabel (Entwurf, S. 69 f.) hatte eine ähnliche Bestimmung seines Entwurfs zutreffend damit begründet, dass "das Prozeßrecht des angegangenen Gerichts selber über die Zulässigkeit der Klage" entscheiden solle und nicht "das nach seinen Kollisionssätzen maßgebliche Recht des Erfüllungsortes oder des Ortes des Vertragsschlusses usw." Zu unpräzise daher M. Krebs, S. 57, dem zufolge es "den Staaten, in denen Erfüllungsansprüche die Ausnahme darstellen, nicht zugemutet werden [soll], von diesem für sie grundlegenden Prinzip abzuweichen" (Hervorhebung im Original). Problematisch auch die Annahme von SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 23, es handele sich um eine Kollisionsnorm, die auf die lex lori verweise; das kann aber nur hinsichtlich Rechtsordnungen gelten, die die Frage einer zwangsweise erfolgenden Durchsetzung der Naturalerfüllung als prozessrechtlich charakterisieren. Wo englische Gerichte aufgrund ihres - durch das Römische Übereinkommen vereinheitlichten - internationalen Privatrechts ein fremdes Vertragsstatut anzuwenden und danach ebenfalls specific performance zu gewähren hätten, wäre Art. 28 CISG deshalb nicht einschlägig; anders SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 17. Umgekehrt wäre vor deutschen Gerichten Art. 28 CISG in der Tat ebenfalls nicht einschlägig, wo englisches Recht Vertrags statut wäre: Das deutsche IPR qualifiziert die Naturaldurchsetzung eben nicht als prozessuale Frage. 552 Keine nachvollziehbare Erklärung hierfür findet sich bei SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 28 Rn. 24a. Natürlich ist Art. 28 CISG zu beachten, wenn ein Gericht über die Vollstreckung eines Schiedsspruchs zu befinden hat.
D. Unidroit Principles
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die Bestimmung nicht hineingeheimnissen; als Einfallstor für nationale Wertungen der Risikoverteilung eignet sie sich jedenfalls nicht. 554
D. Unidroit Principles Die Unidroit Principles kennen drei Formen des Vertragsscheitems: Nichtigkeit, Anfechtung und Aufhebung. Die Nichtigkeit wird eher beiläufig und möglicherweise auch bloß versehentlich geregelt; wie die Rückabwicklung in diesem Fall durchzuführen ist, erklären die Unidroit Principles nicht. Dagegen enthalten die Unidroit Principles ausführliche Bestimmungen, die das Zustandekommen eines Vertrages und die Anfechtung bei etwaigen Mängeln regeln. Diese Regelungen dürften zumindest vor staatlichen Gerichten innerhalb der Europäischen Union erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen; ihre Anwendung kann wohl nur innerhalb eines bereits bestehenden Rahmenvertrages vereinbart werden. 555 Ohne einen bereits bestehenden Vertrag können die Unidroit Principles nämlich nicht zur Anwendung kommen, so dass die entsprechenden Bestimmungen ins Leere gehen. Besondere Schwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten ergeben sich natürlich dann, wenn der Vertrag nach dem anwendbaren (staatlichen) Recht wirksam, nach den in ihm vereinbarten Unidroit Principles dagegen nichtig oder anfechtbar ist.
I. Nichtigkeit Obwohl die Unidroit Principles eigentlich "eine Ungültigkeit aufgrund [... ] Sitten- oder Rechtswidrigkeit" ("immorality or illegality") nicht behandeln wollen (Art. 3.1 (c», 556 findet sich an etwas versteckter Stelle, nämlich in Art. 6.1.17 (1), eine Vorschrift, die für einen bestimmten Fall der Rechtswidrigkeit eine besonders drastische Rechtsfolge anordnet. Art. 6.1.17(1) bestimmt, dass die "Ablehnung einer Genehmigung, welche die Gültigkeit des Vertrages berührt", den Vertrag nichtig macht. 553 Nicht ganz treffend deshalb Medicus, Voraussetzungen, S. 190, der von der "Lieblosigkeit eines nicht gelungenen Konsenses zwischen den Vertretern der verschiedenen Rechtskreise" spricht. 554 Vgl. ferner v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 32, der für die Parallelbestimmung von Art. 16 EKG darauf hinweist, dass die Vertragsparteien schon aus praktischen Gründen "eine Naturalvollstreckung im Ausland im allgemeinen gar nicht versuchen", sondern "die Klage auf Geldersatz vorziehen" werden. 555 Vgl. Michaels, RabelsZ 62 (1998), 601. 556 Begründet wird das zum einen mit der "inherent complexity 0/ questions 0/ [... ] public policy" und zum anderen mit der "extremely diverse manner in which they are treated in domestic law", vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.1.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Die Vorschrift ist Teil eines Komplexes von Bestimmungen, die - systematisch vielleicht nicht übermäßig glücklich in Abschnitt 1 ("Erfüllung im Allgemeinen") von Kapitel 6 ("Erfüllung") der Unidroit Principles eingeordnet - mit staatlichen Genehmigungserfordernissen verbundene Risiken zwischen den Parteien verteilen sollen: 557 Art. 6.1.14 bestimmt zunächst, welche Partei die Genehmigung zu beantragen hat; dieser Partei werden dann von Art. 6.1.15 weitere Verpflichtungen auferlegt. Art. 6.1.16 regelt die Beendigung des Schwebezustandes, wenn eine behördliche Entscheidung in absehbarer Zeit nicht getroffen wird; in diesem Fall kann jede Partei die Vertragsbeendigung erklären, worauf unter 111.1. einzugehen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt soll der Vertrag also offenbar, anders als im deutschen Recht, grundsätzlich voll wirksam sein. Art. 6.1.17 differenziert dann für den Fall, dass die Genehmigung verweigert wird: 558 Betrifft das Genehmigungserfordernis die Gültigkeit des Vertrages ("a permission affecting the validity 0/ the contract"), so tritt Nichtigkeit - gegebenenfalls lediglich der betroffenen Vertragsbestimmungen, soweit abtrennbar _559 ein (Art. 6.1.17(1)). Macht die Verweigerung der Genehmigung dagegen nur die Erfüllung des Vertrages ganz oder teilweise unmöglich, so sollen die Regelungen über Leistungsstörungen Anwendung finden (Art. 6.1.17(2)). Wie diese Differenzierung durchzuführen ist, wird allerdings nicht erklärt. Die dargestellten Regelungen sollen auch für nachträglich eingeführte Genehmigungserfordemisse gelten, obwohl sie primär auf die bei Vertragsabschluss geltenden Vorschriften zugeschnitten sein sollen. 56o Nicht geregelt ist der Fall, dass die Genehmigung zwar erteilt, aber mit Auflagen versehen wird. 56!
557 Der Begriff des staatlichen Genehmigungserfordernisses soll dabei weit verstanden werden und sämtliche entsprechenden Vorschriften erfassen, die einem öffentlichen Interesse dienen; es soll auch nicht darauf ankommen, wer für die Erteilung der Genehmigung zuständig ist, so dass etwa auch Devisengenehmigungen durch (private) Banken, die mit entsprechenden Befugnissen beliehen worden sind, einbezogen werden, vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.14 Comment 1 a. Möglicherweise wird man auch etwa das Vorkaufsrecht einer Gemeinde nach §§ 24 ff. BauGB hier einzuordnen haben, weil seine Ausübung ihrem Ergebnis nach einem hoheitlichen Eingriff in den Vertrag gleichkommen kann. 558 Etwaige Rechtsbehelfe gegen die Verweigerung der Genehmigung müssen allerdings ausgeschöpft werden, soweit sie eine hinreichende Erfolgsaussicht innerhalb angemessener Zeit bieten, vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.17 Comment 1, Art. 6.1.14 Comment 4 (übersehen offenbar von Ernst, S. 147). 559 Art. 6.1.17(1) S. 2. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.17 Comment 2 a Illustration 2 nennt als Beispiel eine Vertragsstrafenklausel für nicht rechtzeitige Erfüllung, die einem besonderen Genehmigungserfordernis unterliegt. 560 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.14 Comment 1 b.
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Über die Rechtsfolgen der Nichtigkeit und eine etwa erforderlich werdende Rückabwicklung schweigen sich die Unidroit Principles aus. Der Autorenkornrnentar erklärt lediglich, der Vertrag gelte als nie ge schiossen. 562 Vermutlich sollen die jeweiligen nationalen Bereicherungsrechte einschließlich der darin möglicherweise enthaltenen Rückabwicklungsausschlüsse - Anwendung finden. 563 Die Kosten, die mit der Beantragung der Genehmigung verbunden waren, sollen zumindest für den Fall, dass überhaupt keine Entscheidung getroffen wird, der Partei zur Last fallen, die die Genehmigung einholen musste;564 für den Fall verweigerter Genehmigung wird man wohl ebenso entscheiden müssen. Unklar ist, ob die Nichtigkeit des Vertrages auch die culpa-in-contrahendo-Haftung bei "Verhandeln in bösem Glauben" (Art. 2.15(2) Unidroit Principles) ausschließt, so dass auch insoweit auf nationales Recht zurückzugreifen wäre. Der Autorenkommentar jedenfalls nennt als Beispiel für die Haftung nach Art. 2.15(2) ausdrücklich die Konstellation, dass der Kaufinteressent erfährt, dass sein Partner eine nötige Ausfuhrlizenz für die Waffen, die Vertragsgegenstand sein sollen, nicht erhalten wird, ihn jedoch nicht darüber aufklärt und den Vertrag dennoch abschließt: Hier soll der Käufer gemäß Art. 2.15(2) für die Kosten haften, die dem Verkäufer entstehen, nachdem dem Käufer die Unmöglichkeit, die Genehmigung zu erhalten, bekannt geworden ist. 565 Ob nach Auffassung der Autoren in diesem Fall die Gültigkeit des Vertrages berührt sein soll oder lediglich dessen Erfüllung, wird allerdings nicht deutlich. Unklar ist auch, ob die Haftung ebenfalls eintreten soll, wenn der Käufer die Nichterteilung der Genehmigung zwar nicht gekannt hat, er damit aber hätte rechnen müssen. 566
56l Für einen derartigen Fall im deutschen Recht, in dem ein gesetzliches Rücktrittsrecht gewährt wird, vgl. § 10 II GrdstVG und dazu Staudinger/Kaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 79. 562 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.17 Comment 2 a ("the eontraet is eonsidered as never having eome into being"). 563 Folgt man dagegen der Auffassung von Hornung, S. 92-95, wonach die Unidroit Principles in Art. 3.17 selbst eine "dem Wesen nach bereieherungsreehtliehe" Vorschrift enthalten (so S. 93, Hervorhebung im Original), würde sich nach Art. 1.6 Unidroit Principles wohl eher ein lückenfüllender Rückgriff auf diese Vorschrift anbieten. 564 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.16 Comment 2 a.E. 565 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 2.15 Comment 2 Illustration 2. Hierzu und zur entsprechenden Regelung nach früherem BGB J. Hager, S. 70 f.: Anwendung von § 307 BGB unter Umständen in Verbindung mit § 309 BGB. 566 Offenbar geht J. Hager, S. 72 bei Fn. 28, für die Unidroit Principles - im Unterschied zum deutschen Recht - von einer Haftung auch für diesen Fall aus.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
11. Anfechtung
Während die Unidroit Principles nur einen Fall der Nichtigkeit kennen, geizen sie nicht mit Anfechtungstatbeständen, die sich allesamt auf Willensmängel im engeren und weiteren Sinn beziehen: So berechtigt der Irrtum zur Anfechtung (avoidance), freilich nur unter einschränkenden Voraussetzungen (Art. 3.4 bis 3.7 sowie 3.13), aber auch die Täuschung durch die andere Partei (Art. 3.8) und die widerrechtliche Drohung (Art. 3.9). Bei einem "groben Mißverhältnis", das einer Partei "unbilligerweise einen übermäßigen Vorteil verschaffte" (Art. 3.10), kann der Benachteiligte den ganzen Vertrag, aber auch nur die benachteiligende Vertragsbedingung anfechten;567 statt dessen können beide Parteien aber auch die Anpassung des Vertrages verlangen. Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber der anderen Partei (Art. 3.14).568 Sie muss "innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist" nach Behebung des Willensmangels erfolgen (Art. 3.15(1)). Auf der Rechtsfolgenseite bestimmt Art. 3.17(1) lakonisch: "Die Anfechtung wirkt zurück." Das soll bedeuten, dass der Vertrag als niemals geschlossen gilt. 569 Schieds-, Gerichtsstands- und Rechtswahlklauseln sollen aber in Kraft bleiben, wenn das anwendbare nationale Recht dies bestimmt. 570 Ursprünglich war vorgesehen, für die Rechtsfolgen der Anfechtung einfach auf die Regeln für eine Beendigung des Vertrages nach Leistungsstörungen (damals noch als "rescission" bezeichnet) zu verweisen, die zu diesem Zeitpunkt allerdings noch gar nicht entworfen waren. 57 ! Begründet wurde dies damit, dass sich in beiden Fällen die gleichen Sachfragen stellten. 572 Erst später wurde die Verbindung zwischen beiden Regelungskomplexen aufgegeben. 573 Die Bestimmung über die Rückabwicklung nach der 567 Ansonsten sieht Art. 3.15 eine Teilanfechtung nur vor, wenn ein Anfechtungsgrund nur einzelne Vertragsbestimmungen betrifft; der ganze Vertrag kann hier nur angefochten werden, wenn es "nach den Umständen unangemessen ist, den Vertrag im übrigen aufrecht zu erhalten". 568 Eine Begründung oder ausdrückliche Berufung auf den Anfechtungsgrund ist nicht erforderlich, aber ratsam, so Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.14 Comment 2. 569 So Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.17 Comment l. 570 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.17 Comment 1 a.E. 571 Vgl. die ursprünglichen Entwürfe von Drobnig und Lando, Unidroit 1980, Study L - Doc. 17, S. 41 und Unidroit 1982, Study L - Doc. 20, S. 15. Landos erster Entwurf für Vertragsaufhebung und Rückabwicklung nach Leistungsstörungen stammt dagegen von 1986, vgl. Unidroit 1986, Study L - Doc. 35. 572 Vgl. den Bericht über die 2. Sitzung der Study Group in Rom 1982, Unidroit 1982, Study L - Doc. 22, S. 14 f.
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Anfechtung, Art. 3.17(2), entspricht aber inhaltlich immer noch weitgehend der Bestimmung über die Rückabwicklung nach Vertragsaufhebung wegen Leistungsstörungen in Art. 7.3.6(1). Zwei Unterschiede gibt es allerdings: Nach Anfechtung müssen beide Parteien die empfangenen Leistungen in Natur zurückgeben, außer wo eine solche Naturalrestitution unmöglich ist; bei der Vertragsaufhebung dagegen sind, wie noch darzustellen sein wird,574 wertungsoffenere Ausnahmen vom Grundsatz des Vorrangs einer Naturalrestitution vorgesehen. Die Unterscheidung ist freilich nicht ganz verständlich, denn die Einschränkungen des Rechts auf Naturalrestitution bei der Vertragsaufhebung werden ausdrücklich mit den Einschränkungen des Rechts auf Naturalerfüllung zusammengebracht, die eigentlich für die ganzen Unidroit Principles und damit auch für die Rückabwicklung nach Anfechtung gelten sollen. 575 Findet keine Naturalrestitution statt, dann "soll" bei der Vertragsaufhebung "Ersatz in Geld geleistet werden, wenn dies vernünftig ist";576 bei der Anfechtung dagegen muss eine Partei, der Rückgabe in Natur nicht möglich ist, "für das Erhaltene Ersatz leisten". Statt oder neben einer Anfechtung kann von einer Partei, die "den Anfechtungsgrund kannte oder ihn hätte kennen müssen", Schadensersatz gefordert werden, "um dadurch die andere Partei in die gleiche Lage zu versetzen, in der diese sich ohne Abschluß des Vertrages befunden haben würde" (Art. 3.18). Über Details, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zu den Rechtsbehelfen bei Leistungsstörungen, schweigt sich der Autorenkommentar allerdings weitgehend aus. 577 111. Aufhebung und anschließende Rückabwicklung Die Beendigung eines Vertrages im Fall von Leistungsstörungen wird in den Unidroit Principles als "tennination" bezeichnet; die offizielle deutsche Übersetzung des Unidroit-Instituts verwendet dafür, wohl in Anlehnung an die deutsche Fassung des CISG, den Begriff "Aufhebung", manchmal auch Vgl. den Entwurf von Drobnig, Unidroit 1989, Study L - Doc. 43. Unten Teil 2 D.m.2. 575 Vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.6 Comment 4. Hornung, S. 273, meint ebenfalls, es biete sich insoweit an, "die Regelungen zur Rückabwicklung nach Vertragsaufhebung auf angefochtene Verträge zu übertragen, zumal wenn sie sich als sachgerecht erweist [sie]". 576 Zur Unklarheit dieser Bestimmung vgl. unten Teil 2 D.m.2. 577 Zur Problematik einer möglichen dinglichen Wirkung der Anfechtung nach nationalem Sachenrecht Hornung, S. 95 f. Hier handelt es sich um eine Frage, die ohnehin nicht das Verhältnis zwischen den Parteien, sondern ihr Verhältnis zu Dritten (gutgläubigen Erwerbern und Gläubigem in der Insolvenz oder der Einzelzwangsvollstreckung) betrifft. 573
574
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"Vertragsautbebung". Auf die Problematik dieser Begriffswahl ist schon im Zusammenhang mit dem CISG hingewiesen worden. 578 1. Voraussetzungen der Aufhebung
Eine Vertragsautbebung ist zunächst in zwei Fallkonstellationen möglich, die bereits aus dem CISG bekannt sind: bei schwerwiegenden Leistungsstörungen, die die Unidroit Principles als "wesentliche Nichterfüllung" (fundamental non-peiformance) bezeichnen (Art. 7.3.1(1», und nach fruchtlosem Ablauf einer Nachfrist (Art. 7.3.1(3) i. V.m. Art. 7.1.5(3». Das Recht zur Vertragsautbebung besteht - wie nach Art. 72 I CISG - auch dann, wenn schon vor dem Zeitpunkt, zu dem der Schuldner zu erfüllen hat, "offensichtlich" ("clear") ist, dass es zu einer wesentlichen Vertragsverletzung kommen wird (Art. 7.3.3). Grund kann eine Erfüllungsweigerung des Schuldners sein; die wesentliche Vertragsverletzung kann aber auch nach den Umständen unvermeidlich bevorstehen, etwa wenn ein Schiff eine Woche vor dem Termin, zu dem es gechartert ist, noch Tausende von Kilometern vom Charterhafen entfernt ist und bestenfalls eine Woche zu spät ankommen wird. 579 Wenn dagegen noch nicht offensichtlich ist, ob eine wesentliche Vertrags verletzung eintreten wird, sondern für den Gläubiger lediglich "vernünftige[r] Grund zur Annahme" dazu besteht (,,[a] party who reasonably believes"), dann kann er eine "angemessene Sicherheit" für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung ("adequate assurance of due peiformance") fordern und den Vertrag erst autbeben, wenn diese "Sicherheit" nicht innerhalb einer angemessenen Frist gestellt wird (Art. 7.3.4). Gemeint ist nicht notwendigerweise eine Sicherheit im technischen Sinn; unter Umständen kann auch die bloße Bestätigung des Schuldners, dass er erfüllen wird, genügen. 580 Oben Teil 2 C.I. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.3, insbes. Illustration. Übersehen ist diese Vorschrift wohl bei Hornung, S. 114 Fn. 483, der in dieser Fallkonstellation ein Problem der Abgrenzung zwischen den Leistungsstörungsregeln und den Vorschriften über "Änderung der Geschäftsgrundlage" (hardship) sieht, aber ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, man werde dem Gläubiger hier "die rasche Vertragsaufhebung wegen - wenngleich nicht schuldhafter - Vertrags verletzung" des Schuldners zugestehen müssen; ein Beharren des Schuldners auf Neuverhandlungen sei demgegenüber "regelmäßig rechtsmißbräuchlich", weil er nun einmal nicht mehr erfüllen könne. Vgl. allerdings auch Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.7 Comment 2 Illustration 2, wonach höhere Gewalt zu einer automatischen Stundung zugunsten des Schuldners führen soll, und dazu unten Teil 2 D.III.1.b), Fn.648. 580 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.4 Comment 2 (einschließlich Illustration). Bis die Sicherheit gestellt wird, hat der Gläubiger ein Leistungsverweigerungsrecht. Anders als im deutschen Recht (v gl. Staudinger/Kaiser, Vorbemer578
579
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Die Unidroit Principles kennen noch einen dritten, an etwas versteckter Stelle geregelten Fall der Vertragsaufbebung: Verlangt das Recht eines Staates eine behördliche Genehmigung für die Gültigkeit oder für die Erfüllung eines Vertrages und hat die dafür verantwortliche Partei "alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen", ohne dass die Genehmigung innerhalb einer angemessenen (bzw. einer von den Parteien vereinbarten) Frist nach Vertragsabschluss entweder gewährt oder abgelehnt wird, so ist jede Partei berechtigt, den Vertrag zu beenden (Art. 6.1.16(1». Betrifft das Genehmigungserfordernis nur einzelne Vertragsbedingungen, dann hängt das Recht zur Beendigung des Vertrages von der Teilbarkeit des Vertrages ab (Art. 6.1.16(2». Wird hingegen die Genehmigung abgelehnt, dann ist - wie dargestellt _581 der Vertrag nichtig, wenn das Genehmigungserfordernis die Gültigkeit des Vertrages berührt (Art. 6.1.17(1»; ist lediglich die Möglichkeit zur Eifüllung des Vertrages betroffen, dann finden die Regeln über die Nichterfüllung Anwendung (Art. 6.1.17(2». Gleiches dürfte gelten, wenn die Partei, die dafür verantwortlich ist, nicht unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, da hierzu eine Vertragspflicht besteht (v gl. Art. 6.1.15(1». Eine Aufbebung durch das Gericht (bzw. den Schiedsrichter) ist viertens schließlich für den Fall der "Änderung der Geschäftsgrundlage" (so die etwas eigenartige Übersetzung des Begriffs "hardship" in der deutschen Fassung der Unidroit Principles) möglich (Art. 6.2.3(4)(a». Wie der Autorenkommentar klarstellt, hat eine derartige Aufhebung nicht, oder jedenfalls nicht notwendigerweise, die gleichen Konsequenzen wie eine Aufbebung im Falle von Leistungsstörungen; vielmehr ist die Ausgestaltung der Rechtsfolgen vollständig dem Ermessen des Gerichts überlassen. 582 Hierzu sind daher auch keine näheren Aussagen möglich, abgesehen von der Vermutung, dass nationale Gerichte in diesem Zusammenhang wohl unvermeidlich dazu neigen werden, sich an den Vorgaben ihres jeweiligen Rechts zu orientieren, während Schiedsgerichte nach Billigkeitslösungen suchen müssen. kung zu §§ 346 ff. Rn. 85 m. w. N.) besteht das Vertragsaufhebungsrecht offenbar auch, wenn der Gläubiger seinerseits bereits vorgeleistet hat. Wie Goode, RDU 1997,241 Fn. 41, feststellt, kann das Recht allerdings wertlos sein, wenn die andere Partei sich weigert, ihre Vertragserfüllung zu bestätigen, andererseits aber nicht rechtzeitig ein Deckungsgeschäft geschlossen werden kann. Zu entsprechenden Regelungen im amerikanischen Uniform Commercial Code vgl. Beale, S. 77-79. 581 Vgl. oben Teil 2 D.I. 582 Vgl. Art. 6.2.3(4)(a): ,,[ ... ] zu einem Zeitpunkt und zu Bedingungen, die festzulegen sind"; Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.2.3 Comment 7 verweist ebenfalls darauf, dass die Wirkung der gerichtlichen Aufhebung "on the performances already rendered might be different from those provided for by the rules goveming termination in general". 15'
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
In allen übrigen Fällen wird das Recht zur Vertragsaufhebung durch "Mitteilung" an die andere Partei ausgeübt (Art. 7.3.2(1»; eine automatische Vertragsaufhebung kennen die Unidroit Principles (wie das CISG) nicht. Warum die deutsche Version der Unidroit Principles "notice" in Art. 7.3.2 mit "Mitteilung" übersetzt, sonst hingegen meist mit "Erklärung",583 ist nicht ganz verständlich, kann aber in der Sache keinen Unterschied machen. Für den Fall der Nachfristsetzung kann der Gläubiger in der "Erklärung", mit der er die Nachfrist setzt, bereits bestimmen, dass der Vertrag bei fruchtlosem Ablauf der Nachfrist "ohne weiteres" aufgehoben sein soll. Damit sollen dem Gläubiger überflüssige Förmlichkeiten erspart werden. Allerdings wird er nicht um eine erneute "Mitteilung" herumkommen, wenn der Schuldner auf die Nachfristsetzung eine Leistung erbringt, deren Vertragsmäßigkeit zweifelhaft sein kann. Hier entspricht es wohl Treu und Glauben (Art. 1.7(1», dass der Gläubiger den Schuldner nicht im Ungewissen darüber lässt, ob er diese Leistung annehmen will oder nicht (und damit letztlich Vertragsbeendigung erklärt). Der Unterschied liegt natürlich darin, dass diese Mitteilung dann nur deklaratorischen Charakter besitzt. a) Wesentliche Nichterfüllung Der Begriff der wesentlichen Nichterfüllung, der von zentraler Bedeutung für das Rechtsfolgensystem der Unidroit Principles ist, besteht aus zwei Komponenten: Es muss erstens eine Nichterfüllung vorliegen, und diese muss zweitens wesentlich sein. Anders als das CISG hinsichtlich des Begriffs der Vertragsverletzung enthalten die Unidroit Principles eine Legaldefinition der Nichterfüllung (nonperformance); sie findet sich in Art. 7.1.1. Danach genügt die Nichterfüllung irgendeiner Vertragspflicht, wobei auch die Fälle der mangelhaften und verspäteten Erfüllung erfasst werden. 584 Der Sache nach bedeutet Nichterfüllung in den Unidroit Principles (und in den Principles of European Contract Law, wo der Begriff ebenfalls verwendet wird) also dasselbe wie Vertragsverletzung im CISG. 585 Es kann deshalb letztlich dahinstehen, 583 Mit "Mitteilung" wird "notice" außer in Art. 7.1.7(3) auch in Art. 1.9 übersetzt; der Begriff soll nach der Definition in Art. 1.9(4) dabei eine "Erklärung" (im englischen Text: "declaration", so auch in Art. 3.6 und 3.13) umfassen. In Art. 2.6(1), 4.2 und 4.4 ist wiederum "statement" als "Erklärung" übersetzt. In Art. 6.1.15, 7.1.4(3) und 7.1.5(2) findet sich allerdings auch die Übersetzung "Anzeige" für "notice". Die schon im englischen Text uneinheitliche Terminologie wird durch die deutsche Übersetzung also nicht konsistenter. 584 Ebenso Anders, ZIP 2001, 187, der allerdings darauf verweist, dass die Verletzung vorvertraglicher Verhaltenspflichten ausgenommen sei, weil dafür gesonderte Normen vorgesehen seien.
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warum man sich von der Terminologie des CISG abgesetzt und diesen Begriff gewählt hat; denkbar ist, dass man angesichts des Programms der Unidroit Principles, sich von national geprägter Rechtsterminologie möglichst freizumachen, statt eines eng mit dem Common Law verbundenen Begriffs lieber ein neutraleres Wort benutzen, vielleicht aber auch, dass man den aus deutscher Sicht zuweilen geäußerten Einwand vermeiden wollte, "Vertragsverletzung" impliziere über die bloße Nichtleistung hinaus auch ein Verschulden des Schuldners. 586 Unglücklich scheint allerdings die deutsche Übersetzung von non-performance, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen kann performance sowohl "Erfüllung" als auch "Leistung" bedeuten und wird in den Unidroit Principles auch in bei den Bedeutungen verwendet;587 die Anknüpfung an den engeren und mit besonderen Schwierigkeiten behafteten Begriff der Erfüllung erscheint wenig sinnvoll. Teilweise ergeben sich daraus auch wenig sinnvolle Übersetzungen; so soll es nach der deutschen Version von Art. 7.3.2(2) eine "vertragswidrige Erfüllung" geben. Im Gegensatz zum englischen Text, der neutraler von einer "performance", die "does not conform to the contract", spricht, ist diese Ausdrucksweise widersprüchlich. Zum anderen suggeriert der Begriff der "Nichterfüllung" eine Absolutheit, die der möglichst umfassenden und flexiblen Definition in Art. 7.1.1 zuwiderläuft: Entweder der Schuldner erfüllt oder er erfüllt nicht; Schattierungen zwischen beiden Möglichkeiten scheint der Begriff nicht zuzulassen, und dass der Schuldner noch weniger erfüllen kann, als nicht zu erfüllen, wie es der Begriff der "wesentlichen Nichterfüllung" zu suggerieren scheint, will gar nicht einleuchten. Um diese Probleme, die mit der entsprechenden englischen Terminologie nicht unbedingt verbunden sind, hätte man vielleicht besser von "Leistungsstörung" (bzw. "wesentlicher Leistungsstörung") sprechen sollen. 588 Letztlich handelt es sich hier aber nur 585 Vgl. auch SchlechtriemiHuber, CISG-Kommentar, Art. 45 Rn. 6, der darauf hinweist, dass auch im CISG beide Begriffe verwendet werden und dass sie in der Sache "genau dasselbe" bedeuten. Vgl. ferner Lando, RabelsZ 56 (1992), 269, wo es heißt: ,,A party has tendered due performance when he has fulfilled his obligations under the contract, that is, acted in accordance with the express and implied terms of the contract." Im Gegenschluss lässt sich daraus entnehmen, dass der Begriff der Nichterfüllung zugleich eine Vertragsverletzung implizieren soll. 586 V gl. Huber, Leistungsstörungen I, S. 5 f. Zur Problematik dieser verschiedenen Begriffe, die auch im Rahmen der Schuldrechtsreform in Deutschland Gegenstand der Diskussion war, vgl. auch Canaris, JZ 2001, 522 f. 587 Auch der Begriff der "Leistung" ist seinerseits "ambivalent" (um das von Henke, S. 41 Fn. 1, kritisierte "prätentiöse[ ... ] Schlagwort" aufzugreifen): Gemeint kann die Leistungshandlung sein, aber auch der Leistungserfolg. 588 Zu ähnlichen terminologischen Überlegungen für das deutsche Recht Schapp, JZ 2001, 584 f., der den Begriff der "Störung des Schuldverhältnisses" bevorzugt. Vgl. aber Schlechtriem, ZEuP 1993, 221, dessen Ansicht nach "Leistungsstörung
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um stilistische Fragen, denen keine sachliche Bedeutung zukommt;589 daher soll auch im Folgenden die in der offiziellen deutschen Version der Unidroit Principles verwendete und damit eingebürgerte Terminologie zugrunde gelegt werden. Eine Leistungsstörung stellt allerdings keine Nichterfüllung im Sinne der Unidroit Principles dar, soweit sie durch die Handlung oder Unterlassung des Gläubigers oder durch ein anderes Ereignis, das in dessen Risikosphäre liegt, verursacht wurde (Art. 7.1.2).590 Das geht zwar aus dem Text der Bestimmung nicht hervor (ihm zufolge darf sich der Gläubiger lediglich "nicht auf die Nichterfüllung durch die andere Partei berufen"), aber der Autorenkommentar geht weiter und stellt fest, dass "the relevant conduct does not become excused non-performance but loses the quality of non-performance altogether".591 Als Beispiele nennt der Autorenkommentar zum einen den Fall, dass der Gläubiger die Leistungserbringung durch den Schuldner vereitelt, etwa indem er dem Schuldner den Zutritt zu seinem Grundstück verwehrt. Auf ein Verschulden des Gläubigers soll es dabei nicht ankommen; so muss er es sich etwa zurechnen lassen, wenn seine Fabrik bestreikt wird und die Streikposten den in die Fabrik bestellten Handwerker nicht durchlassen. 592 Zum anderen wird eine Art Sphärentheorie postuliert. 593 Einen Ausgleich für die Ersparnis, die dem Schuldner da[... ] nur ein deskriptiver Begriff' ist. Vgl. ferner Huber, Leistungsstörungen I, S. 4, nach dessen Ansicht das gemeinsame Element der Leistungsstörungen gerade "im Tatbestand der ,Nichterfüllung'" (in dem von den Prinzipien-Texten gemeinten weiteren Sinn) liegt. 589 So auch Schlechtriem, ZEuP 1993, 222: "In der Sache geht es [... ] immer um das Gleiche". 590 Laut Furmston, 40 American Journal of Comparative Law 672 (1992), handelt es sich um einen Kompromiss, der ein "result which is acceptable to alt" ergeben soll. Übersehen wird die Vorschrift anscheinend von Schlechtriem, Abstandnahme, S. 167, der stattdessen aus der Treu-und-Glauben-Vorschrift in Art. 1.7(1) ableiten will, dass ein Gläubiger, der die Leistungsstörung selbst zurechenbar verursacht hat, den Vertrag nicht aufheben darf, weil ein solches Verhalten treu widrig wäre. 591 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.2 Comment 1. Anders freilich Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.1: ,,Non-performance may be excused by reason 0/ the conduct 0/ the other party to the contract". 592 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.2 Comment 1 Illustration 1. 593 Unklar allerdings Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.2 Comment 2 Illustration 2: Wenn der Bauherr sein Grundstück feuerversichert hat, dann können die Parteien vereinbaren, dass auch dann keine Nichterfüllung durch den Bauunternehmer vorliegt, wenn dieser einen Brand verursacht - das soll zumindest dann gelten, wenn der Brand zufällig entsteht, bei hinreichend "explicit language" aber auch dann, wenn dem Bauunternehmer Fahrlässigkeit zur Last fallt. Siehe dazu auch die Erklärung des Berichterstatters Furmston, 40 American Journal of Comparative Law 672 (1992): Diese Lösung sei besonders sinnvoll, wenn der Bauherr auf dem Grund-
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durch entsteht, dass er den Vertrag gegebenenfalls nicht mehr erfüllen muss, sehen die Unidroit Principles nicht vor. Deshalb kann diese Lösung nicht überzeugen; sinnvoll wäre wohl eher ein Ausschluss von Schadensersatzansprüchen gegen den Schuldner gewesen. Möglicherweise ist auch nur das gemeint,594 was dann aber wiederum die Frage offen lässt, was mit dem Gegenleistungsanspruch des vertrag streuen Schuldners geschehen S011. 595 Anders als das CISG für den Begriff "wesentliche Vertragsverletzung" verzichten die Unidroit Principles auf eine abschließende Definition des Begriffs "wesentliche Nichterfüllung". Es handelt sich offenbar um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung im Einzelfall dem Richter (bzw. Schiedsrichter) überlassen bleiben sol1. 596 Art. 7.3.1(2) zählt aber eine nicht abschließend gemeinte Reihe von Anhaltspunkten dafür auf, wann eine Nichterfüllung als wesentlich einzustufen ist ("Bei der Feststellung, ob die Nichterfüllung einer Pflicht eine wesentliche Nichterfüllung darstellt, soll insbesondere berücksichtigt werden, ob [... ],,).597 Durch diese offene Formulierung soll natürlich ein möglichst hohes Maß an Entscheidungsspielraum erhalten bleiben. 598 Allerdings kann man fragen, ob es sinnvoll ist, für die Ausübung von Gestaltungsrechten Voraussetzungen festzulegen, deren Vorliegen erst im Nachhinein, durch einen Akt richterlicher Ermessensausübung, endgültig festgestellt werden kann. 599 Letztlich läuft stück andere Gebäude besitze, für die er schon Versicherungsverträge abgeschlossen habe. 594 Unidroit 1991, C.D. (71) 6, S. 5 - eine Vorlage für das Governing Council von Unidroit -, erwähnt die Bestimmung nur im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Rechtsbehe1fen der anderen Partei. 595 Vgl. aber auch Art. 80 CISG und dazu SchlechtriemlStoll, CISG-Kommentar, Art. 80 Rn. 10, nach dessen Ansicht nicht lediglich die Schadensersatzpflicht des Schuldners entfällt, dieser den Anspruch auf die Gegenleistung behält und sich lediglich anrechnen lassen muss, was er durch den Wegfall seiner Leistungspflicht erspart hat oder ersparen könnte. Vgl. auch noch BGH NJW 1995,2101. 596 Vgl. in diesem Zusammenhang Flessner, ZEuP 1997, 270, der auf die Tatsache verweist, dass in Frankreich die Entscheidung des Gerichts über die Aufhebung des Vertrages als Ermessensentscheidung eingeordnet wird und in Deutschland von einem "Bewertungsspielraum" die Rede ist. 597 Schief insofern wohl Hornung, Rückabwicklung gescheiterter Verträge, S. 103, der von "Regelbeispiele[n]" spricht. Bone/I, RabelsZ 56 (1992), 285, hofft, die Kriterien könnten "zu einem besseren Verständnis der nicht sehr klaren Definition dieses Rechtsbegriffs in Art. 25 CISG beitragen". 598 Die Schaffung dieser Flexibilität war von den Autoren ausdrücklich beabsichtigt, vgl. zum "guideline character" der Regelung Unidroit 1986, P.C. - Mise. 9, S.lO. 599 Vgl. zur frühen Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts zum Rücktritt wegen positiver Vertragsverletzung, in die zunehmend subjektive Elemente einflossen, treffend Glöckner, S. 179: "Ob die Fortsetzung des Vertrags verhältnisses zu-
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dies der Grundentscheidung der Unidroit Principles zuwider, die Vertragsaufhebung eben nicht - wie in manchen romanischen Rechtsordnungen durch richterlichen Gestaltungsakt, sondern durch Parteierklärung eintreten zu lassen. Zumindest soweit die Frage von staatlichen Gerichten zu beurteilen ist, stellt sich etwa auch das Problem der Revisibilität entsprechender Entscheidungen. Andererseits ist den Unidroit Principles zugute zu halten, dass sie eine Tatsache explizit machen, die gewissermaßen in der Natur der Sache liegt, nämlich dass sich über die Voraussetzungen der Vertragsaufhebung stets nur sehr allgemeine Aussagen machen lassen und im Einzelfall weitreichende Rechtsfolgen von der wertenden Gewichtung der unterschiedlichen Parteiinteressen abhängen können. 6oo Das erste der in Art. 7.3.1 (2) aufgezählten Kriterien lehnt sich eng an die Definition der wesentlichen Vertragsverletzung in Art. 25 CISG an: 601 Berücksichtigt werden soll, ob "die Nichterfüllung der benachteiligten Partei im Wesentlichen nimmt, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, es sei denn, dass die andere Partei diese Folge nicht vorausgesehen hat und vernünftigerweise auch nicht voraussehen konnte" (Art. 7.3.1(2)(a)). Bereits zum CISG ist auf die Schwierigkeiten, die mit dieser Kombination von Merkmalen verbunden ist,602 hingewiesen worden. Der Autorenkommentar nennt zwei Beispiele zur Abgrenzung: Verpflichtet sich A, bis zum 15. Mai Standardsoftware an B, der ausdrücklich möglichst schnelle Lieferung verlangt hat, zu liefern und liefert A dann erst am 15. Juni, so liegt eine wesentliche Vertragsverletzung vor. 603 Verpflichtet sich A andererseits, im Laufe des Jahres 1992 die auf Bs Grundstück gelagerten Abfälle zu beseitigen, ohne dass B ihm mitteilt, dass er ab 2. Januar 1993 kostspielige Bagmutbar war und damit der Rücktritt oder die Verweigerung der Erfüllung gerechtfertigt [sie], weiß der Betroffene damit erst am Ende des Prozesses." 600 Dass die Entscheidung über die Zulässigkeit der Vertragsaufhebung faktisch immer Ermessensentscheidung ist und dass sich die "Systeme der gerichtlichen und der privaten Befreiung vom Vertrag" ohnehin "im Prozeß" treffen, stellt Flessner, ZEuP 1997, 270, 274, heraus. Letzteres trifft allerdings nur eingeschränkt zu; es kann (etwa für die Beweislast) durchaus einen Unterschied machen, ob aktiv auf Vertragsaufhebung geklagt oder nur passiv einer Leistungsklage der anderen Seite mit der Einrede der Vertragsaufhebung entgegengetreten werden muss, vgl. zur ,favoured defenee position" in England Harris, (1992) 45:2 C.L.P. 35 f. 601 Im ursprünglichen (von Lando stammenden) Entwurf der Vorschrift, wo die (späteren) Kriterien in Art. 7.3.1(2)(a) und (b) wie jetzt noch in Art. 8:103 Principles of European Contract Law in umgekehrter Reihenfolge erscheinen, findet sich bereits fast wörtlich die endgültige Formulierung; in der Begründung des Entwurfs wird jedoch nirgendwo auf das CISG Bezug genommen, vgl. Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b). 602 Zum Kompromisscharakter von Art. 25 CISG vgl. auch v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 83. 603 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.1 Comment 3 a) Illustration 2.
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ger gemietet hat, um sein Grundstück auszuschachten, dann liegt auch dann noch keine wesentliche Vertragsverletzung vor, wenn A die Abfälle bis 2. Januar 1993 nicht entfernt hat. 604 Die Beispiele zeigen deutlich, dass es nicht auf das objektive Ausmaß des Schadens ankommt, den die vertragstreue Partei erleidet, sondern auf die Gewichtung der jeweiligen Pflichten im Vertrag. 605 Im Grunde der gleiche Gedanke findet sich noch einmal, wenn auch aus einem etwas anderen Blickwinkel,606 in Art. 7.3.1(2)(b), der als weiteres Kriterium nennt, ob "die genaue Einhaltung der nicht erfüllten Vertragspflicht für den Vertrag entscheidend ist" ("strict compliance with the obligation which has not been performed is 01 essen ce under the contract"). Das bezieht sich offensichtlich auf die dargestellte Lehre des englischen Rechts, dass Vertrags bestimmungen als condition, als 01 the essence 01 the contract vereinbart werden können, so dass auch geringfügigste Verletzungen solcher Bestimmungen zur Beendigung des Vertrages berechtigen;607 die Vorhersehbarkeit etwaiger Schäden spielt dann keine Rolle mehr, ja es kommt letztlich gar nicht mehr darauf an, ob dem Gläubiger überhaupt durch die Nichterfüllung ein Nachteil entsteht. 608 Die Konzeption der Unidroit Principles, eine entsprechende Vereinbarung lediglich als eines von potentiell mehreren Kriterien in die Abwägung einzubeziehen, vermeidet natürlich die im englischen Recht bestehende Gefahr, dass an sich triviale Verstöße gegen eine condition dazu genutzt werden könnten, einem Vertrag Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.1 Comment 3 a) Illustration 3. So auch Schlechtriern, Abstandnahrne, S. 164 f. Unklar Lando in der Begründung des ursprünglichen Entwurfs: Die Vorschrift verlange, dass "the breach is serious in itself' (Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b), S. 4). 606 V gl. Flessner, ZEuP 1997, 268, der mehrere mögliche Betrachtungsweisen für die Feststellung, ob eine schwerwiegende Vertragsverletzung vorliegt, unterscheidet, nämlich Gewichtung der verletzten Vertragspflicht einerseits und Ausmaß und Gewicht der Vertragsverletzung andererseits. Daneben nennt er (S. 269 f.) noch eine dritte Betrachtungsweise, nämlich die in Art. 25 CISG kodifizierte Beeinträchtigung des Erfüllungsinteresses. Dass die Übergänge zwischen den verschiedenen Betrachtungsweisen fließend sind, stellt Flessner klar heraus (S. 270). 607 Schlechtriern, Abstandnahrne, S. 164, spricht wohl zu Recht von einem "Komprorniß mit Formeln des englischen Rechtskreises". In der Begründung des ursprünglichen Entwurfs von Lando heißt es dagegen allgemeiner, solche "obligations of strict performance" seien "common in commercial contracts". 608 V gl. Lando in der Begründung des ursprünglichen Entwurfs: Die Vorschrift "looks not at the actual gravity of the non-performance but at the assumption in the contract that strict performance by one party is a correlative of the other party's duty to perform" (Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b), S. 4). Anders wohl Hornung, S. 105, dessen Ansicht zufolge ein Sachmangel nach den einheitsrechtlichen Regelungen im Gegensatz etwa zum deutschen Recht "nur dann eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen" könne, wenn er "objektiv schwerwiegend" sei. 604
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zu entkommen, der sich mittlerweile als ungünstig erwiesen hat. Allerdings wird in den vom Kommentar angesprochenen Fällen - der Verspätung mit einer Rohstofflieferung oder der Andienung nicht konformer Dokumente im Rahmen eines Akkreditivs _609 angesichts des Bedürfnisses des internationalen Handels nach rascher und klarer Geschäftsabwicklung in aller Regel tatsächlich von Wesentlichkeit der Nichterfüllung und damit vom Bestehen des Rechts zur Vertragsaufhebung auszugehen sein. 610 Art. 7.3.1(2)(c) nennt als weiteres Kriterium, ob die Nichterfüllung "absichtlich oder leichtfertig" geschieht. Die Aufnahme eines derartigen subjektiven Kriteriums erscheint wenig glücklich. 611 Von der Frage der Erkennbarkeit für den Gläubiger im Zeitpunkt der Nichterfüllung und der ähnlich problematischen Frage der späteren Beweisbarkeit ganz abgesehen, ist schon unklar, worauf sich die Absicht bzw. die Leichtfertigkeit des Schuldners beziehen soll: auf die bloße Tatsache der Nicht- bzw. Schlechtleistung oder auch auf den damit verbundenen Verstoß gegen den Vertrag? Reicht es etwa für Art. 7.3.1(2)(c) aus, wenn der Schuldner einen unbedeutenden Teil seiner Leistung verweigert, weil er irrtümlich, aber entschuldbar davon ausgeht, ein Recht zur Leistungsverweigerung zu haben? Eine "absichtliche" Nichterfüllung liegt hier zwar vor, dennoch erscheint es kaum gerechtfertigt, in einem solchen Fall ohne weiteres eine zur Vertragsaufhebung berechtigende wesentliche Nichterfüllung anzunehmen. Der Autorenkommentar nennt auch keine Beispiele, sondern betont vielmehr, dass es Treu und Glauben widersprechen könne, bei absichtlicher, aber unbedeutender Vertragsverletzung die Aufhebung des Vertrages zu erklären. 612 Die Absichtlichkeit der Nichterfüllung kann allenfalls ein zusätzliches Kriterium sein: Bei sozusagen "zynischem" Vertragsbruch des Schuldners kann man den Gläubiger mit besserem Gewissen auch dann aus dem Vertrag entlassen, wenn der Vertragsbruch nicht so schwer wiegt. 613 Wenn es aber letztlich auf die Absichtlichkeit der Nichterfüllung nicht entscheidend ankommt, hätte man dieses Kriterium auch gleich weglassen können. 614 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.1 Comment 3 b). In seiner Begründung des ursprünglichen Entwurfs meint Lando ausdrücklich, dass bei einem Kaufvertrag in derartigen Fällen die Ware zurückgewiesen werden dürfe, "even if what is tendered is no less in value than the goods contracted for" (Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b), S. 4). 611 Anders offenbar Flessner, ZEuP 1997, 297 f., dem zufolge für die Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner zum Zwecke der Beantwortung der Frage, ob eine Vertragsverletzung wesentlich ist, "auch das Verhalten des Schuldners und seine subjektive Einstellung zum Vertrag wichtig sein" kann. 612 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.1 Comment 3 c). 613 Dafür spricht sich (zum CISG) auch v. Caemmerer. Gesammelte Schriften III, S. 86, aus. Burkart. S. 235, sieht in der Bestimmung lediglich das Gebot der "Vornahme einer [... ] umfassenden Abwägung der widerstreitenden Parteiinteressen". 609
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Nur auf den ersten Blick nachvollziehbarer ist die in Art. 7.3.1(2)(d) normierte Regel, nach der zu berücksichtigen ist, ob "die Nichterfüllung der benachteiligten Partei Anlass zur Annahme gibt, zu glauben, dass sie sich auf die zukünftige Erfüllung durch die andere Partei nicht verlassen kann". Das bezieht sich natürlich - wie auch aus dem Autorenkommentar hervorgeht - auf Sukzessivlieferungsverträge und Dauerschuldverhältnisse. Ausdrücklich genannt wird die Möglichkeit, dass bei einem Sukzessivlieferungsvertrag eine Lieferung einen Mangel aufweist, von dem abzusehen ist, dass er sich auch in allen künftigen Lieferungen wiederholen wird. 615 Am Sinn dieses Kriteriums lässt sich deswegen zweifeln, weil die Problematik durch Art. 7.3.3 und Art. 7.3.4 bereits hinreichend abgedeckt sein dürfte: Art. 7.3.3 sieht die Möglichkeit zur Vertragsaufhebung vor, wenn schon vor dem vertraglichen Erfüllungszeitpunkt "offensichtlich" ist, dass es zu einer wesentlichen Nichterfüllung durch die andere Partei kommen wird; ist die künftige Nichterfüllung noch nicht sicher, sondern nur wahrscheinlich ("Eine Partei, die vernünftigen Grund zur Annahme hat, dass es zu einer wesentlichen Nichterfüllung durch die andere Partei kommen wird"), dann gibt Art. 7.3.4 dem Gläubiger die Möglichkeit, vom Schuldner eine "angemessene Sicherheit" für die Vertrags erfüllung zu fordern und den Vertrag aufzuheben, wenn die Sicherheit nicht "binnen angemessener Frist" gestellt wird. Diese Bestimmungen sind nicht speziell für Sukzessivlieferungsverträge und Dauerschuldverhältnisse gedacht, passen aber auch darauf (zumal Art. 7.3.6(2) die Auswirkungen einer Vertragsaufhebung in einem solchen Fall auf die Zukunft beschränkt). Zugegebenennaßen setzen beide Bestimmungen im Unterschied zu Art. 7.3.1(2)(d) voraus, dass die künftige Nichterfüllung wesentlich ist. Warum der Gläubiger aber eine Möglichkeit braucht, auch bei für die Zukunft zu erwartender Nichterfüllung geringeren Gewichts den Vertrag aufzuheben, ist nicht ersichtlich. 616 Denkbar wäre allenfalls eine Anwendung auf den Fall, dass die Mängel der einzelnen Teillieferungen für sich genommen unbedeutend sind, sich in der Summe für den Gläubiger aber so nachteilig oder belästigend auswirken, dass sie als wesentliche Vertragsverletzung betrachtet werden müssen; Beispiel: die zu 614 Der Berichterstatter Furmston, (1992) 40 American Journal of Comparative Law 673, meint ohnehin, im Gegensatz zu manchen kontinentalen Rechten sei die Abgrenzung zwischen vorsätzlicher und nicht vorsätzlicher Nichterfüllung "less important in the Principles". Allerdings stellt Art. 7.3.1(2)(c) die Auffassung von Autoren wie Canaris, ZRP 2001, 332, in Frage, wonach sich in den Einheitsrechtstexten eine internationale Entwicklung manifestiere, "die Möglichkeit zur Vertragsauflösung von subjektiven Voraussetzungen in der Person des Schuldners zu lösen": Eine entsprechende Hintertür hält man sich jedenfalls offen. 615 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.1 Comment 3 d). 616 Kritisch auch Schlechtriem, Abstandnahme, S. 171, der die Bestimmung zu Recht als ,,[ w]enig präzise" bezeichnet.
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liefernden elektronischen Bauteile weisen einen produktionsbedingten Defekt auf, der an sich unbedeutend und vom Käufer leicht zu beheben ist, aber dem Käufer bringen die ständigen Reklamationen seiner eigenen Abnehmer erheblichen Ärger und Kosten ein, und der Verkäufer macht keine Anstalten, den Defekt abzustellen. 617 Allenfalls hier könnte Art. 7.3.1(2)(d) vielleicht einen sinnvollen Anwendungsbereich finden, wobei man nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 1.7(1)) wohl als zusätzliche Voraussetzung noch eine Abmahnung wird verlangen müssen;618 aber es ist nicht unbedingt erkennbar, warum sich nicht auch diese Fälle unter Art. 7.3.1(2)(a) subsumieren ließen. Daneben soll auch im Rahmen des Art. 7.3.1 (2)( d) ein absichtliches Verhalten des Vertrags partners berücksichtigt werden, wenn dieser sich dadurch als nicht vertrauenswürdig erweist, wie etwa bei einem Handelsvertreter, der gefälschte Spesenbelege einreicht; hier soll Vertragsaufhebung möglich sein, selbst wenn es sich nur um geringe Summen handelt. 619 Hierzu gilt in gleicher Weise, was bereits zu Art. 7.3.1(2)(c) im Hinblick auf die wenig glückliche Verwendung subjektiver Kriterien festgehalten worden ist. Ein derart strenger Maßstab wird wohl auch nur bei Vertragstypen angemessen sein, die - wie eben das Verhältnis zwischen Handelsvertreter und Unternehmer - ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzen; in diesem Fall dürfte sich aber eine Vertragsverletzung, die dieses Vertrauensverhältnis untergräbt, schon unter Art. 7.3.1(2)(a) subsumieren lassen. 62o
617 Vgl. auch die Sachverhaltskonstellation der englischen Entscheidung DecroWall International S.A. v. Practitioners in Marketing Ltd. [1971] 1 W.L.R. 361 (oben Teil 2 A.1.2.c)(4), Fn. 90). Zu denken ist ferner an das von Flessner, ZEuP 1997, 268, angeführte, allerdings wohl außerhalb des Anwendungsbereichs der Unidroit Principles liegende Beispiel des Wohnungsmieters, der seiner Pflicht zur anteiligen wöchentlichen Reinigung des Treppenhauses dauerhaft nicht nachkommt, was schließlich ausreichender Anlass zu einer Kündigung sein mag (ähnlich auch S.287). 618 Vgl. Medicus, Voraussetzungen, S. 184. Ähnlich auch Flessner, ZEuP 1997, 287, der diese Fallkonstellation allerdings eher unter dem Blickwinkel betrachtet, ob auch bei Mangelhaftigkeit der Leistung eine Vertrags aufhebung nach Ablauf einer Nachfrist möglich sein soll; vgl. dazu sogleich Teil 2 D.III.l.b). 619 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.1 Comment 3 d) Illustration 4. 620 Ein Blick auf die Formulierung im von Lando stammenden ersten Entwurf der entsprechenden Bestimmungen zeigt, dass die beiden Kriterien in Art. 7.3.1(2)(c) und (d) ursprünglich als ein einheitliches Kriterium konzipiert waren ("the non-performance is intentional and gives the aggrieved party reason to believe that he cannot rely on the other party's future performance") und dass damit die Fälle der repudiation im englischen Recht erfasst werden sollten ("brings evidence of an intention not longer [sie] to be bound by the contract", Unidroit 1986, Study L Doc. 35, Section (b), S. 5). Die Aufspaltung der Bestimmung hat der Klarheit der Regelung eher geschadet.
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Nach diesen vier Kriterien, die für die Wesentlichkeit der Nichterfüllung sprechen sollen, findet sich in Art. 7.3.1 (2)(e) schließlich noch ein entgegengesetztes Kriterium, nämlich ob "die nichterfüllende Partei aufgrund der Vorbereitung oder Erfüllung unverhältnismäßige Einbußen erleidet, wenn der Vertrag aufgehoben wird". Hier ergibt die Übersetzung von "peifonnance" mit "Erfüllung" statt "Leistung" natürlich keinen Sinn, denn wenn die vertragsbrüchige Partei erfüllt hat, kann keine Nichterfüllung vorliegen, erst recht keine wesentliche Nichterfüllung. 621 Gemeint ist vielmehr der Fall, dass eine Partei zwar die Leistung, zu der sie nach dem Vertrag verpflichtet ist, nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß erbracht, aber bereits erhebliche Anstrengungen im Hinblick auf die Erfüllung unternommen hat, die bei einer Vertragsaufhebung wertlos würden. 622 Der Autorenkommentar nennt als Beispiel den Fall, dass Software, die auf die speziellen Zwecke des Verwenders zugeschnitten ist, nicht zu dem im Vertrag festgelegten Termin geliefert wird. 623 Allerdings wird dabei ausdrücklich vorausgesetzt, dass der Besteller trotz des Zeitablaufs noch Verwendung für die Software hat; sollte dies nicht der Fall sein, dann dürfte Vertragsaufhebung wohl zulässig sein. Wenn aber ohnehin eine Nacherfüllung vorausgesetzt wird, fragt man sich allerdings, ob nicht die Bestimmungen über die Einschränkung des Vertragsaufhebungsrechts durch die Möglichkeit zur Nacherfüllung (Art. 7.1.4, dazu unten c)) denselben Zweck erreichen, so dass Art. 7.3.1(2)(e) ebenfalls überflüssig wäre. Soweit der Bestimmung, die letztlich einen Ausfluss des allgemeinen Prinzips von Treu und Glauben (Art. 1.7) darstellt,624 ein Anwendungsbereich bleibt, dürfte dieser im Rahmen der nach Art. 7.3.1(2)(b) zu "conditions" erhobenen Vertrags bestimmungen liegen und auf die insoweit zu den äquivalenten Regelungen im englischen Recht festgestellten Kritikpunkte antworten. Darüber hinaus gibt sie wertvolle Hinweise, wie das Rückabwicklungsregime für den Fall der Vertragsaufhebung in den Unidroit Prin621 Die Fonnulierung des englischen Textes ist allerdings auch nicht viel sinnvoller ("whether [... ] the non-peiforming party will suffer disproportionate loss as a result of the preparation or peiformance if the contract is terminated"). 622 In dem ursprünglichen Entwurf von Lando, Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b), S. 4, wurde der Gedanke - wohl in Anlehnung an das englische Recht - dahingehend umschrieben, dass zu prüfen sei, inwieweit der Vertragsbrüchige "suffers foifeiture". Zur englischen Rechtsprechung über "relief against foifeiture" vgl. bereits oben Teil 2 A.I.2.c)(4) bei Fn. 103 sowie Stockloser v. Johnson [1954] 1 Q.B. 476, Workers Trust & Merchant Bank Ltd. v. Dojap Investments Ltd. [1993] A.C. 573 und aus der Literatur L. Smith, [2001] C.LJ. 178, Beale, S. 92-95, und Furmston, Law of Contract, S. 1184. Auch hierbei geht es aber wohl funktional eher um Fragen, die in den Unidroit Principles durch die Bestimmungen über das Nacherfüllungsrecht (Art. 7.1.4) beantwortet werden. 623 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.1 Comment 3 e) Illustration 5. 624 So auch Burkart, S. 236.
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ciples konzipiert ist, insbesondere darauf, wie Art. 7.3.6(1) im Hinblick auf Aufwendungen zu verstehen ist, die einzelnen Parteien im Zusammenhang mit ihren Leistungen aufgrund des Vertrages entstanden sind: Offenbar sollen solche Aufwendungen nämlich grundsätzlich nicht ausgeglichen werden; andernfalls würde die Bestimmung keinen Sinn ergeben. Dass die Nichterfüllung nach Art. 7.1.7 durch "höhere Gewalt" entschuldigt ist, ändert - nicht anders als im CISG - nichts an ihrer Wesentlichkeit, wie sich aus Art. 7.1.7(4) ergibt, der ausdrücklich auf das Recht zur Vertragsaufhebung Bezug nimmt. 625 Alles in allem dürften sich bei der Anwendung von Art. 7.3.1 trotz der abweichenden Formulierung also keine wesentlichen Unterschiede zu Art. 25 CISG ergeben. 626 Eine größere Präzision verleihen die zusätzlich darin aufgeführten Kriterien der Bestimmung jedenfalls wohl nicht. b) Fruchtloser Ablauf einer Nachfrist Gemäß Art. 7.1.5(3), 7.3.1(3) ist die Vertragsaufhebung auch dann möglich, wenn eine Nachfrist627 gemäß Art. 7.1.5 fruchtlos abgelaufen ist. 628 Wie der Wortlaut von Art. 7.1.5(3) und 7.3.1(3) ausdrücklich und übereinstimmend klarstellt, kommt die Vertragsaufhebung aufgrund einer Nachfrist nur im Falle der verspäteten Leistung in Betracht, nicht bei anderen Formen der Nichterfüllung. 629 Grundsätzlich kann zwar bei jeder Form von Nichterfüllung dem Schuldner eine Nachfrist gewährt werden (Art. 7.1.5(1)), 625 Im gleichen Sinn auch Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.7 Comment 2. 626 Anders Fischer, S. 84 f., der zufolge die Wesentlichkeit der Nichterfüllung "umfassender bzw. flexibler bestimmt" werde als im CISG. 627 Dieser international verbreitete Begriff wird im englischen Text des Autorenkommentars ausdrücklich benutzt, vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.5 Einleitung. Entgegen seinem Grundsatz, nicht zu diskutieren, an welche Rechtsordnungen sich einzelne Regelungen der Unidroit Principles anlehnen, erwähnt der Autorenkommentar hier ausdrücklich, dass Art. 7.1.5 "is inspired by the German concept of Nachfrist", fügt allerdings hinzu, dass "similar results are obtained by different conceptual means in other legal systems". Vgl. ferner Schlechtriem, Abstandnahrne, S. 167, der erwähnt, dass oft von "le Nachfrist allemand" gesprochen werde. 628 Anders Hornung, S. 106, der das Nachfristmodell in augenscheinlicher Anlehnung an das deutsche Recht als Einschränkung des Vertragsaufhebungsrechts sieht. 629 Das war in der Diskussion unter den Autoren nicht unumstritten, vgl. Unidroit 1986 P.C. - Misc. 9, S. 10 f., wo darauf hingewiesen wird, dass die Regelung für Kaufverträge wohl angemessen sei, nicht aber unbedingt für Werkverträge. Anders Burkart, S. 236, unter unzutreffender Berufung auf Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.5 Comment 2; unzutreffend auch Fischer, S. 85.
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aber außer bei der verspäteten Leistung berechtigt der Ablauf der Nachfrist nur dann zur Vertrags aufhebung, wenn eine wesentliche Nichterfüllung vorliegt, der Gläubiger also ohnehin schon zur Vertragsaufhebung berechtigt gewesen wäre. 630 Zur Begründung dieser - ähnlich auch im CISG zu findenden - Regelung führt der Autorenkommentar an, die verspätete Leistung sei "significantly different from other forms of defective peiformance", da sich zum einen die Verspätung der Leistung schon rein logisch nicht mehr ungeschehen machen lasse und zum anderen in dem Fall, dass der Schuldner zum vertraglich vorgesehenen Leistungszeitpunkt nicht leiste, nicht absehbar sei, wann er leisten werde (falls überhaupt).631 Auch bei Verspätung der Leistung braucht der Gläubiger natürlich keine Nachfrist zu setzen, wenn diese ohnehin eine wesentliche Nichterfüllung darstellt, etwa, weil ein Fixgeschäft vereinbart ist. 632 Die Beschränkung der Möglichkeit zur Nachfristsetzung auf Fälle der Leistungsverzögerung ist wenig sachgerecht. 633 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich gegenüber der Teilerfüllung: Gemäß Art. 6.1.2, 6.1.3 ist der Gläubiger nämlich grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Teilleistung anzunehmen; er kann vielmehr das "Angebot einer Teilleistung" zurückweisen (so ausdrücklich Art. 6.1.3(1)), vermutlich mit der Folge, dass dann keine mangelhafte Leistung, sondern überhaupt keine Leistung vorliegt. 634 Hier werden wenig sachgerechte metaphysische Differenzierungen erforderlich: Sind von den zehn Büroräumen, die jemand gemietet hat, zu Beginn des Mietverhältnisses nur vier fertig gestellt, dann kann man Nichterfüllung hinsichtlich der sechs verbleibenden Büroräume annehmen,635 aber auch 630 Anders anscheinend Schlechtriem, Abstandnahme, S. 167, nach dessen Ansicht aber die Nachfristsetzung "vor allem Zweifel über die Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung ausräumen soll". 631 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.5 Comment 1. Dies relativiert natürlich auch die an sich zutreffende Aussage von Hornung, S. 113, im "Einheitsrecht" sei "keine eigenständige Regelung für die Sachmängel- und die Rechtsmängelhaftung getroffen worden". 632 Anders offenbar Hornung, S. 106. 633 Vgl. jedoch Flessner, ZEuP 1997,287, der darauf verweist, dass "die Mangelhaftigkeit der bereits erbrachten Leistung sich oft nicht mehr beheben lässt und deshalb, anders als beim Ausbleiben der Leistung, nicht allein durch das Setzen einer letzten Frist zu einer wesentlichen Vertragsverletzung werden kann" (Hervorhebung im Original). Das lässt aber zumindest den Fall offen, dass der Schuldner eine beheb bare Mangelhaftigkeit nicht rechtzeitig heilt. 634 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.3 Comment 2 unterscheidet drei Möglichkeiten: Der Gläubiger kann (1) das Leistungsangebot zurückweisen, (2) die Leistung annehmen, sich aber seine Rechte im Hinblick auf den nicht erfüllten Teil der Verpflichtung vorbehalten oder (3) die Teilleistung ohne Vorbehalt seiner Rechte als die geschuldete Leistung annehmen. 635 So Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.3 Comment 2 Illustration 2.
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defective peifonnance hinsichtlich des Mietvertrages insgesamt. Hinzu kommt die bereits für das CISG konstatierte Versuchung, den Begriff der "wesentlichen Nichterfüllung" ergebnis orientiert zu interpretieren. 636 Problematisch ist zudem die fehlende Abstimmung zwischen der aus dem deutschen Recht übernommenen Idee der Nachfrist und den eher von Regelungen des angelsächsischen Rechtskreises, die auf eine schnelle Vertragsabwicklung zielen, inspirierten zeitlichen Beschränkungen anderer Rechtsbehelfe; im Gegensatz zum CISG, das ebenfalls eine Nachfristregelung kennt, äußern sich die Unidroit Principles nicht eindeutig zu dieser Frage. Daraus ergibt sich folgendes Problem: Während des Laufs der Nachfrist ist der Gläubiger - wie nach Art. 47 11, 63 11 CISG und wie es auch zum Schutz des Schuldners nahe liegt - auf Schadensersatz637 und sein Leistungsverweigerungsrecht beschränkt, kann aber weder Naturalerfüllung verlangen noch Vertragsaufhebung erklären (Art. 7.1.5(2». Andererseits schließt Art. 7.2.2(e) den Rechtsbehelf der Naturalerfüllung - einschließlich etwaiger Nachbesserungsansprüche bei mangelhafter Leistung, vgl. Art. 7.2.3 - aus, wenn der Gläubiger "die Erfüllung nicht binnen angemessener Zeit [fordert], nachdem [er] der Nichterfüllung gewahr wurde oder hätte werden sollen". Darin liegt der erste Unterschied zum CISG, wo zwar die Ansprüche auf Ersatzlieferung und Nachbesserung ebenfalls einer entsprechenden Zeitbeschränkung unterliegen (vgl. Art. 46 11 und III), nicht aber der Lieferungsanspruch selbst. 638 Eine ähnliche, im vorliegenden Zusammenhang vielleicht noch ominösere Regelung findet sich in Art. 7.3.2(2), dem zufolge "die benachteiligte Partei ihr Recht zur Aufhebung des Vertrages ein [büßt]", wenn "die Erfüllung verspätet angeboten wurde oder sonst vertragswidrig ist" und der Gläubiger nicht "der anderen Partei Mitteilung binnen angemessener Frist" macht, nachdem er "des Angebots oder der vertragswidrigen Erfüllung gewahr wurde oder hätte werden sollen". Anders als im CISG (vgl. Art. 49 11 b) ii), 6411 b) ii» fehlt es in den Unidroit Principles auch an einer Vorschrift, die die Verwirkung der 636 Vgl. dazu schon oben Teil 2 c.I., Fn. 501, und die dort zitierte Auffassung von Schlechtriem, Abstandnahme, S. 167, der allerdings irrtümlich annimmt, in den Unidroit Principles sei eine Nachfristsetzung auch bei mangelhafter Leistung möglich. 637 Gemeint ist offenbar nur Ersatz für den durch die Verzögerung selbst entstehenden Schaden, vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.5 Comment 2. 638 Vielmehr kann nach Art. 48 II CISG umgekehrt der Verkäufer den Käufer auffordern, ihm mitzuteilen, ob er eine Nacherfüllung innerhalb einer bestimmten Frist annehmen will; die Anzeige der Absicht, innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen, gilt grundsätzlich als entsprechende Aufforderung (Art. 48 III CISG). Gibt der Käufer innerhalb einer angemessenen Frist keine Erklärung ab, kann der Verkäufer innerhalb der von ihm gesetzten Frist erfüllen; entgegenstehende Rechte des Käufers sind ausgeschlossen.
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Rechtsbehelfe des Gläubigers hinausschiebt, solange noch eine Nachfrist läuft. Ob es sich bei der Nichtaufnahme einer entsprechenden Vorschrift um Absicht oder Versehen handelt und wie dieses Dilemma zu lösen ist, ist unklar. Dem Autorenkommentar zufolge soll die Nachfristsetzung die dem Gläubiger zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nicht beeinträchtigen; lag bei Nachfristsetzung bereits eine wesentliche Vertragsverletzung vor, soll das Recht zur Vertragsaufhebung mit Ablauf der Frist wieder aufleben. 639 Das würde nahe legen, dass der Lauf der "angemessenen Frist" im Rahmen von Art. 7.2.2(e) und 7.3.2(2) (ähnlich wie im eISG) gehemmt ist, solange eine Nachfrist im Rahmen des Art. 7.1.5 gesetzt ist. Damit bestünde aber andererseits die Möglichkeit für den Gläubiger, eine übermäßig lange Nachfrist zu setzen, um sich so einstweilen die Möglichkeit offen zu halten, zwischen Naturalerfüllung und Vertragsaufhebung zu wählen; hierin läge die Gefahr, dass der Gläubiger versuchen könnte, auf Kosten des Schuldners zu spekulieren, was Art. 7.2.2(e) und Art. 7.3.2(2) gerade verhindern sollen. 64o Also wird man wohl sagen müssen, dass der Lauf der in diesen Bestimmungen vorgesehenen angemessenen Frist durch eine Nachfrist solange gehemmt wird, als die Nachfrist selber angemessen ist. Dieser doppelte Verweis auf die Angemessenheit der Frist bringt für den Gläubiger aber erhebliche Ungewissheit mit sich. Alles in allem lässt sich ohnehin fragen, ob den Unidroit Principles der angestrebte Spagat zwischen der Absicht, den Schuldner vor einem zu frühen Leistungsverlangen zu schützen, und der gleichzeitigen Absicht, ihn auch vor einem zu späten Leistungsverlangen zu schützen, überhaupt gelingen kann, ohne den Spielraum des Gläubigers unzumutbar einzuschränken. 641 Dass sowohl der Erfüllungsanspruch als auch das Recht auf Aufhebung des Vertrages verwirken sollen, dürfte im Übrigen einen regelungstechnisehen Fehler darstellen, weil dadurch ein schwer auflösbarer Schwebezustand geschaffen wird: 642 Der Gläubiger kann die Erfüllung nicht mehr fordern, aber auch nicht ablehnen, falls der Schuldner sich 639 Vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.5 Comment I: "The procedure enahles that party [sc. den Gläubiger] to give the peiforming party a second chance without prejudicing its other remedies"; ferner Comment 2 für den Fall der wesentlichen Nichterfüllung: ,,[ ... ] if the contract is not completely peiformed during the extension, the right to terminate for fundamental non-peiformance simply springs into life again as soon as the extension period expires." 640 Vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.2.2 Comment 3 e, Art. 7.3.2 Comment 3. 641 Nicht thematisiert wird diese Frage bei Hornung, S. 113, nach dessen Ansicht es ,,[s]achgerecht" ist, dass "das Einheitsrecht die deutsche Nachfristlösung übernommen hat, der sich aber andererseits dafür ausspricht, "dem Gläubiger auch nach Ablauf der Frist weiterhin alle Rechtsbehelfe einschließlich des Erfüllungsanspruchs zur Verfügung zu stellen"; gerade das ist in den Unidroit Principles aber keineswegs garantiert. 16 Coen
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irgendwann einmal entschließt, doch noch zu leisten. Der Schadensersatzanspruch, der dem Gläubiger natürlich verbleibt, lässt sich ebenfalls nicht fixieren, solange man nicht weiß, ob der Schuldner seine Leistung noch erbringt. Hier wird man zumindest dort, wo der Schuldner noch gar nicht geleistet hat, dem Gläubiger also doch das Recht belassen müssen, den Vertrag endgültig zu liquidieren, obwohl es nach dem Wortlaut der Unidroit Principles verwirkt sein soll. Nach allem wäre es vielleicht doch klüger gewesen, die Verwirkungsbestimmungen zu streichen, wie dies im Rahmen der Erarbeitung der Unidroit Principles auch vorgeschlagen worden ist;643 in Extremfällen könnte ohnehin über die "Grundsätze des guten Glaubens und des redlichen Verhaltens im internationalen Handel" (Art. 1.7) geholfen werden. Angesichts solcher Ungewissheiten kann dem Gläubiger bei vermutlichem Vorliegen einer wesentlichen Vertrags verletzung allerdings von der Setzung einer Nachfrist nur dringend abgeraten werden. Er hat nichts zu gewinnen, möglicherweise aber einiges zu verlieren. Wenn er nicht mehr an der Leistung des Schuldners interessiert ist, sollte er gleich Vertragsaufhebung erklären,644 andernfalls hingegen die Naturalerfüllung verlangen und eine Nachfrist nicht nach Art. 7.1.5, sondern nach Art. 7.2.5(1) setzen, der ihm ausdrücklich "jeden anderen Rechtsbehelf' offen hält; insofern stellt der Autorenkommentar auch ausdrücklich klar, dass die in Art. 7.3.2(2) bestimmte Frist für die Ausübung des Rechts zur Vertragsaufhebung erst mit Ablauf der Nachfrist gemäß Art. 7.2.5(1) zu laufen beginnt. 645 Liegt dagegen eine vorerst noch unwesentliche Verzögerung vor, ist der Gläubiger aber an der Leistung des Schuldners eigentlich schon jetzt nicht mehr interessiert, dann ist die Nachfristsetzung nach Art. 7.1.5(3) natürlich sinnvoll, 642 Vgl. auch Flessner, ZEuP 1997, 309 f., der den Ausschluss der Vertragsautbebung und den Ausschluss des Erfüllungsanspruchs zu Recht als einander entgegen gesetzte Alternativen darstellt; letzterer sei eher angemessen "für den Handelskauf, besonders den über Waren mit schnell veränderlichen Marktpreisen, sowie für sonstige Geschäfte, die zeitlich strikt gebunden sind". 643 Vgl. Unidroit 1986, P.c. - Mise. 9, S. 6 f. (Diskussion über die zeitliche Einschränkung der Naturalerfüllung) und 11 (entsprechend zur Vertragsautbebung) und die dort geäußerten Gedanken, dass "a party's right should not be transformed into a duty" und "there was always hope" (sc. dass der Schuldner noch erfülle). 644 Anders offenbar Hornung, S. 106, nach dessen Ansicht in den Unidroit Principles die Verzögerung der Leistung "generell nur nach Ablauf einer vom Gläubiger gesetzten Nachfrist als wesentliche Vertrags verletzung gelten" soll. Eine Basis für diese Aussage lässt sich nicht erkennen; insbesondere bestimmt Art. 7.3.1(3), dass im Fall der Verzögerung "die benachteiligte Partei den Vertrag auch dann autbeben" kann, wenn die Nachfrist abgelaufen ist, woraus sich im Umkehrschluss folgern lässt, dass bei einer Verzögerung, die bereits eine wesentliche Nichterfüllung darstellt, Vertragsaufhebung auch ohne Nachfrist erklärt werden kann. 645 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.2.5 Comment 4.
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um das Recht zur Vertragsautbebung zu erlangen. Dass die Setzung einer Nachfrist bei wesentlicher Nichterfüllung im Hinblick auf die Rechtsstellung des Gläubigers nicht neutral, sondern potentiell gefährlich ist, könnte die Nachfristregelung allerdings eines Teils ihres Sinns - nämlich Streit darüber, ob eine Nichterfüllung wesentlich war oder nicht, gerade zu vermeiden - berauben. Dass die Nichterfüllung entschuldigt ist, hindert die Möglichkeit, durch Nachfristsetzung zur Vertragsautbebung zu gelangen, wohl nicht. 646 Aus Art. 7.1.7(4) ergibt sich, dass "höhere Gewalt" (force majeure) lediglich die Schadensersatzpflicht ausschließt, nicht aber die anderen Rechtsbehelfe bei Leistungsstörungen. 647 Ganz klar ist das freilich nicht. 648 c) Nacherfüllungsmöglichkeit als Einschränkung des Autbebungsrechts Eingeschränkt wird das Recht zur Autbebung des Vertrages durch die in Art. 7.1.4 vorgesehene Möglichkeit für den Schuldner, seine Nichterfüllung durch Nacherfüllung zu heilen ("eure"). Seine entsprechende Absicht muss der Schuldner dem Gläubiger unverzüglich anzeigen, nachdem er von der Leistungsstörung erfahren hat (Art. 7.1.4(1)(a)). Darüber hinaus muss aber die Nacherfüllung auch "nach den Umständen geeignet" sein (Art. 7.1.4 (l)(b)); der englische Text spricht allerdings eher von Angemessenheit ("appropriate in the cireumstanees"). Wie der Autorenkommentar klarstellt, ist die Geeignetheit der Nacherfüllung auch nur ein Gesichtspunkt unter mehreren, die zu berücksichtigen sind; daneben muss die Nacherfüllung dem Gläubiger auch zumutbar sein. 649 Die bloße Tatsache, dass eine wesentliche Nichterfüllung vorliegt, steht der Zumutbarkeit einer Nacherfüllung dabei nicht entgegen. 650 Damit folgen die Unidroit Principles zwar 646 Vgl. schon Rabel, Entwurf, S. 72, der als wesentlichen Unterschied seines Entwurfs zum deutschen Recht vermerkt, dass "auch der zufällige Aufschub über den kritischen Zeitpunkt hinaus den Käufer zum Abgehen von der Ware" berechtigt. 647 Vgl. auch Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.7 Comment 2. 648 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.7 Comment 2 betont andererseits nämlich auch, dass dort, wo die "höhere Gewalt" die Vertragserfüllung lediglich verzögere, "the effect of the article will be to give extra time for performance". Vgl. auch das Beispiel (Illustration 2) eines Vertrags über die Verlegung einer Gaspipeline, bei dem die Bauarbeiten durch einen Bürgerkrieg im Nachbarland verzögert werden, der die Anlieferung der Röhren verhindert; hier soll der Unternehmer ein Recht darauf haben, dass der für die Erfüllung vorgesehene Zeitraum um mehrere Monate verlängert wird ("may be entitled to an extension of five months"). Das würde natürlich ausschließen, dass ihm der Besteller eine kürzere Nachfrist setzt, um sodann die Vertragsaufhebung zu erklären. 649 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.4 Comment 3. 16*
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eindeutig nicht dem zum CISG vertretenen so genannten "dynamischen Wesentlichkeitsbegriff', dem zufolge die Möglichkeit einer Nacherfüllung die Wesentlichkeit der Nichterfüllung ausschließen SOll;651 im Gegensatz zum CISG und den Principles of European Contract Law652 wird das Verhältnis zwischen Nacherfüllung und Vertragsaufhebungsrecht aber explizit geregelt, und das in einer Weise, die im Ergebnis dem dynamischen Wesentlichkeitsbegriff sehr nahe kommt. 653 Nach der Regelung der Unidroit Principles schließt nämlich selbst die Tatsache, dass der Gläubiger bereits Vertragsaufhebung erklärt hat, die Möglichkeit der Nacherfüllung nicht aus (Art. 7.1.4(2); die Wirkungen der Vertragsaufhebung werden ausgesetzt, wenn der Schuldner berechtigterweise (und das heißt vor allem: rechtzeitig) erklärt, nacherfüllen zu wollen, und die Vertragsaufhebung wird schließlich ganz gegenstandslos, wenn die Nacherfüllung gelingt. 654 Allerdings kann das Recht des Schuldners zur Nacherfüllung wegfallen, wenn der Gläubiger sich bereits konkret auf die Vertragsaufhebung eingerichtet hat, bevor der Schuldner ihm mitteilt, dass er nacherfüllen Will. 655 Die Unidroit Principles haben sich insoweit also vom "Dogma der endgültigen Wirkung von Gestaltungserklärungen" verabschiedet. 656 Parallel dazu kann der Gläubiger eine Nacherfüllung auch dann ablehnen, wenn er darlegen kann, dass er ein berechtigtes Interesse an der Zurückweisung der Nacherfüllung hat (vgl. Art. 7.1.4(1)(c), der aber im 650 Vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.4 Comment 3, der darauf verweist, dass Art. 7.1.4(2) Nacherfüllung trotz Aufhebungserklärung (und damit implizit: wesentlicher Nichterfüllung) vorsieht. 651 M. Krebs, S. 41, spricht aber (im Blick auf die Regelung in Art. 7.1.4(2) nicht zu Unrecht) von einer "Variante[ ... ] der ,dynamischen' Lösung". 652 Zur Problematik dort vgl. unten Teil 2 E.II.1.a), Fn. 773. 653 Anders, aber wohl kaum zutreffend Hornung, S. 105: Auch bei schwerwiegenden Sachmängeln werde "die Erklärung der Vertragsaufhebung nur wirksam", wenn Nachbesserung unzumutbar oder gescheitert sei. 654 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.4 Comment 8. Anders Burkart, S. 232 f., dessen Ansicht nach "der Gläubiger grundsätzlich immer [sie] die Aufhebung des Vertrages verlangen kann, es sei denn, der Schuldner hätte ihm korrekte Anzeige von seiner Nacherfüllungsabsicht gemacht", und mit dem ,,zugang der entsprechenden Erklärungen, sei das nun die korrekte Anzeige der Nachbesserung oder diejenige der Vertragsauflösung", anscheinend eine endgültige Gestaltungswirkung eintreten soll. 655 So dürfte wohl die Aussage in Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.4 Comment 3 zu verstehen sein, dass "the situation may be different if the aggrieved party has ehanged position before reeeiving notiee of eure". 656 Einen solchen Abschied fordert Sehleehtriem, Abstandnahme, S. 175 f., im Zusammenhang mit der Möglichkeit von Anpassungsverlangen bei Äquivalenzstörungen: Hier solle die Endgültigkeit der Gestaltungswirkung erst eintreten, wenn "der Empfanger Kenntnis genommen und nicht unverzüglich Anpassung verlangt hat".
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Hinblick auf die Beweislastverteilung irreführend fonnuliert ist).657 Durch diese Vorschriften wird natürlich insbesondere bei Gattungskaufverträgen die Gefahr vennieden, dass der Käufer einen Mangel der gelieferten Sache als Vorwand benutzt, um dem Vertrag entkommen zu können. 658 Wie viele Nacherfüllungsversuche der Gläubiger über sich ergehen lassen muss, ist der Entscheidung im Einzelfall überlassen. 659 Die Nacherfüllung muss "umgehend" vorgenommen werden (Art. 7.1.4(1)(d)).66o Über eine Rückgewähr der ursprünglich erbrachten Leistung im Rahmen der Nacherfüllung schweigen sich die Unidroit Principles aus. Möglicherweise liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, so dass sich die Regeln über die Rückabwicklung nach Vertragsaufhebung analog heranziehen lassen; möglicherweise wollen die Unidroit Principles aber auch gar nicht anwendbar sein, weil sich die vertragswidrige Leistung im strengen Sinn nicht dem Vertrag zurechnen lässt, so dass es sich um eine so genannte "externe" Lücke handelt. Auch ob sich aus der Aussage, dass die Nacherfüllung "auf eigene Kosten" der nichterfüllenden Partei erfolgen soll (Art. 7.1.4(1)) und diese ungeachtet der Nacherfüllung auf "Schadenersatz wegen Verzögerung und wegen jeden Schadens [... ], der durch die Nacherfüllung verursacht oder nicht abgewendet wird", haftet (Art. 7.1.4(5)), etwas über die Risikoverteilung zwischen den Parteien ableiten lässt, erscheint zweifelhaft.
2. Rechtsfolgen der Aufhebung Der Grundsatz findet sich zunächst in Art. 7.3.5(1): Die Vertragsaufhebung wirkt für die Zukunft. Die künftigen Leistungspflichten der Parteien entfallen. Jedoch bleibt die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche wegen (nicht entschuldigter) Nichterfüllung geltend zu machen, erhalten (Art. 7.3.5 (2)); die Kumulierung von Vertragsaufhebung und Schadensersatz wird also ausdrücklich zugelassen. 661 Auch Schiedsklauseln und andere Vertragsbe657 Vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.4 Comment 4, der eindeutig klarstellt, dass ein fortbestehendes Interesse des Gläubigers an der Erfüllung vermutet wird und es dem Gläubiger obliegt, das Gegenteil nachzuweisen, wofür die Tatsache, dass er "has simply decided that it [gemeint ist der Gläubiger] does not wish to continue contractual relations", nicht ausreicht. 658 Rabel, Entwurf, S. 80, spricht in diesem Zusammenhang vom ",konjunkturenttäuschte[n], Käufer". 659 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.4 Comment 6. 660 Kritisch zu ähnlichen Lösungen im Uniform Commercial Code Beale, S. 100: Oft werde die Partei, die an sich zur Nacherfüllung berechtigt wäre, nicht so schnell nacherfüllen können; im Übrigen dürfte sich der Gegenstand der Streitigkeiten von der "substance", der Schwere des Vertragsverstoßes, auf die Dauer der für die Nacherfüllung einzuräumenden Frist verlagern. 661 Vgl. dazu auch Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.1.
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dingungen, die auch nach der Aufhebung gelten sollen, bleiben wirksam (Art. 7.3.5(3)), wie dies auch in Art. 81 I 2 CISG vorgesehen ist. Gedacht ist dabei insbesondere an Geheimhaltungspflichten. 662 Problematisch dürften allerdings nachvertragliche Wettbewerbsverbote sein; hierzu äußern sich die Unidroit Principles nicht. Die Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen wird von Art. 7.3.6 geregelt. Danach kann jede Partei grundsätzlich "die Rückgewähr von allem verlangen, was sie geleistet hat" ("may claim restitution 0/ whatever it has supplied"). Bei teilbaren Verträgen, deren Ausführung sich über einen Zeitraum erstreckt hat, findet allerdings keine Rückgewähr für die Vergangenheit statt (Art. 7.3.6(2)).663 Anders als bei der Anfechtung (vgl. Art. 3.16) und anders als in den anderen Einheitstexten (vgl. im CISG Art. 51 und 73, in den Principles of European Contract Law Art. 9:302) sieht der Text der Unidroit Principles also keine Teilaufhebung des Vertrages vor;664 der Vertrag wird vielmehr insgesamt aufgehoben, aber nur teilweise rückabgewickelt. 665 Die Formulierung von Art. 7.3.6(2) ist freilich misslungen: 666 Wenn "die Rückgewähr nur für die Zeit nach dem Wirksamwerden der Aufhebung verlangt werden" kann, kann überhaupt keine vertragliche Rückgewähr verlangt werden; vor Wirksamwerden der Aufhebung erbrachte Leistungen sind nach dem Wortlaut von Art. 7.3.6(2) nicht rückforderbar, nach Wirksamwerden der Aufhebung erbrachte Leistungen lassen sich schwerlich noch dem Vertrag zurechnen und unterliegen deshalb eher dem jeweiligen Bereicherungsrecht. Gemeint dürfte wohl sein, dass Rückgewähr ausgeschlossen ist, soweit sich für einzelne Abschnitte des teilbaren Vertrages Leistung und Gegenleistung äquivalent gegenüberstehen. 667 Vermutlich sind aber auch andere Interpretationen denkbar. 668 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.5 Comment 3 Illustration 2. Gedacht ist dabei an "leases, services, construction contracts, and instalment contracts" (Unidroit 1992, P.C. - Misc. 16, S. 86). 664 Unpräzise insofern Hornung, S. 176: Dauerschuldverhältnisse würden "nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben, falls sie teilbar sind" (Hervorhebungen im Original). Dass eine Teilaufhebung möglich sei, lasse "sich zwar nicht unmittelbar dem Wortlaut des [Art. 7.3.6(2)] entnehmen", ergebe sich aber "aus dem zentralen Kriterium der Teilbarkeit des Vertrages und der Intention der Verfasser" (S. 182, Hervorhebung im Original). 665 Der Unterschied besteht in der Frage, ob dort, wo der Vertrag aufrechterhalten wird, die vertragliche Gegenleistung oder lediglich Wertersatz geschuldet ist, vgl. Drobnig in Unidroit 1994, P.C. - Misc. 19, S. 145 f. 666 Auch Hornung, S. 182, spricht von einer "redaktionell weniger geglückt[en]" Bestimmung. Auf das Problem machte schon im Rahmen der redaktionellen Beratungen Fontaine aufmerksam; die anderen Mitglieder der Arbeitsgruppe sahen in der Formulierung jedoch keinen Widerspruch (Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 88). Kritisch auch schon Hyland (Unidroit 1994, P.c. - Misc. 19, S. 142). 662
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Kriterien dafür, wann ein Vertrag teilbar im Sinne von Art. 7.3.6(2) sein soll, enthalten die Unidroit Principles nicht. Dem Autorenkommentar zufolge soll ein auf fünf Jahre angelegter Vertrag über die Instandhaltung eines Computersystems teilbar sein, ein Vertrag, durch den sich ein Maler verpflichtet, zehn Gemälde für eine Festhalle zu malen, die ein historisches Ereignis zeigen sollen, dagegen nicht. 669 Gelegentlich wird dafür plädiert, den Begriff der Teilbarkeit möglichst weit auszulegen,670 was eine Einschränkung der Rückabwicklung bedeuten würde. Dabei muss man aber natürlich bedenken, dass der Gläubiger Teilleistungen grundsätzlich nicht anzunehmen braucht (Art. 6.1.3) und die Unidroit Principles - anders als die anderen beiden Einheitstexte - auf die Minderung als Rechtsbehelf verziehtet haben; diese Entscheidungen dürfen nieht auf dem Umweg über Art. 7.3.6(2) unterlaufen werden. 671 Aus diesen Gründen ist auch höchst zweifelhaft, ob sich Art. 7.3.6(2) über seinen Wortlaut hinaus auch ein 667 Schlechtriem, Abstandnahrne, S. 172, versteht die Bestimmung ebenfalls so, dass sie "für die zuvor [sc. vor Vertragsaufhebung] ausgetauschten Leistungen [... ] den Vertrag praktisch unberührt läßt" (Hervorhebung nicht im Original). Hornung, S. 111, meint dagegen, dass "in der Vergangenheit erbrachte Leistungen von der Vertragsaufhebung nicht tangiert werden". Wenn aber einer bereits erbrachten Leistung kein vertragsgemäßes Äquivalent gegenübersteht, muss auch insofern Rückabwicklung verlangt werden können. 668 Bonell, von dem die Formulierung im Wesentlichen stammt (vgl. Unidroit 1992, P.c. - Mise. 16, S. 86), wollte damit offenbar die Abgrenzung zwischen Rücktritt und Kündigung im deutschen Recht widerspiegeln. Vgl. auch das von Lando, S. 85, gebildete Beispiel eines Rechtsanwaltes, der sich von Anfang an nachlässig um die Angelegenheiten seines Mandanten kümmert und von diesem abgemahnt wird, schließlich aber ,forgets a big case", woraufhin der Mandant den Anwaltsvertrag aufhebt. Hier sei die Leistung des Anwalts von Anfang an nicht vertragsgemäß gewesen, Rückabwicklung könne aber nur für die Zukunft verlangt werden; für die Vergangenheit müsse sich der Mandant dagegen mit Schadensersatzansprüchen begnügen. Anders dagegen offenbar Fontaine, nach dessen Ansicht die Rückabwicklung möglich sein soll, weil der Mandant im Gegenzug den (wenn auch geminderten) Wert der erbrachten Leistungen ersetzen müsse. 669 Unidroit Principles Autorenkommentar Comment 3, Illustration 5 und 6. 670 Hornung, S. 182; im Ergebnis ähnlich auch S. 368 f.: Das Teilbarkeitserfordernis in Art. 7.3.6(2) sei "teleologisch zu reduzieren", und zwar auf den "Fall des Sukzessivlieferungsvertrages mit innerem Zusammenhang zwischen den Teilleistungen". 671 Mit genügend gutem Willen könnte man selbst den Kaufvertrag über ein Auto als teilbar qualifizieren und beispielsweise nur die defekten Bremsen "rückabwickeln". Dass das von den Verfassern der Unidroit Principles nicht gemeint sein kann, dürfte auf der Hand liegen. Vgl. auch ausdrücklich die Diskussion in Unidroit 1992, P.C. - Mise. 16, S. 86 f.: Bei einem Kaufvertrag über eine Lieferung von 100 Barrel (sc. Öl oder Getreide) sei zwar die Leistung teilbar, nicht aber der Kaufvertrag, weil es sich nicht um einen in Raten zu erfüllenden Vertrag handele. Ausführlich zu den mit der Annahme der Teilbarkeit verbundenen Gefahren Flessner, ZEuP 1997, 288-293.
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Recht zur Teilaufhebung des Vertrages entnehmen lässt. 672 Problematisch ist vor allem, dass sich die Bestimmung nur auf "Dauerschuldverhältnisse" im weitesten Sinn bezieht, bloße Teilbarkeit also gerade nicht genügt. 673 Im Rahmen der Beratungen über die Unidroit Principles war zunächst umstritten, ob bei der Rückabwicklung zwischen vertragstreuer und vertragsbrüchiger Seite unterschieden werden solle. Der ursprüngliche Entwurf von Lando sah keine derartige Unterscheidung vor. 674 Von verschiedenen Mitgliedern der Arbeitsgruppe, insbesondere Farnsworth,675 wurde dagegen zunächst eine Lösung befürwortet, die das Initiativrecht für eine Rückabwicklung auf die vertragstreue Seite beschränkt hätte. Motiv dafür war die Überlegung, dass die vertragstreue Seite ein Interesse daran haben könne, sich von ihren eigenen Leistungspflichten für die Zukunft zu befreien, aber eine - wenn auch mangelhafte - Leistung der anderen Seite zu behalten. 676 Andernfalls könne eine Partei, die ein Interesse daran habe, einen von ihr geleisteten Gegenstand (etwa das Nutzungsrecht an einem Patent) zurückzuerhalten, die andere Partei durch vertragswidriges Verhalten geradezu zur Aufhebung zwingen. 677 Man sah jedoch ein, dass eine Beschränkung des Rückforderungsrechts auf die vertrags treue Seite nicht praktikabel war, weil die Bestimmungen über die Aufhebung des Vertrages nicht nur für Fälle des Vertragsbruchs, sondern auch bei entschuldigter Nichterfüllung einschlägig sein sollten. 678 Auch eine Beschränkung auf Fälle der nicht entschuldigten Nichterfüllung wurde in der Arbeitsgruppe, wenn auch mit knapper Mehrheit, abgelehnt. 679 Fälle, in denen die vertragsbrüchige Partei 672 So aber Hornung, S. 182, unter Berufung auf die "Intention der Verfasser" (vgl. soeben Fn. 664). Tatsächlich hatten die Verfasser wohl die genau entgegengesetzte Intention. Vgl. nämlich Drobnig bei den Beratungen der Arbeitsgruppe (Unidroit 1994, P.C. - Misc. 19, S. 142): ,,[ ... ] the Principles clearly proceeded from the assumption that only the whole contract could be terminated and not parts of the contract, because otherwise the drafting would have been different." Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Gläubiger möglicherweise empfangene Teilleistungen behalten darf, wenn er dies möchte; vgl. dazu sogleich bei Fn. 682. 673 Klar gesehen wurde das bereits von BoneIl in den Beratungen der entsprechenden Formulierungen, vgl. Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 92. 674 Vgl. Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b), S. 3, 9-12. 675 Vgl. das Protokoll der Sitzung in Den Haag vom 19. bis 23. November 1990, Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 71. Vgl. dagegen den Einwand von Drobnig, S. 75, und den Gegenvorschlag von Maskow, S. 78. 676 Vgl. das entsprechende Beispiel von Fontaine (Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 81): Ein Vertrag sieht Lieferung einer Maschine und Wartung durch den Verkäufer vor. Die Maschine erweist sich als mangelhaft; der Käufer will sie nichtsdestoweniger behalten, ist jedoch nicht mehr an der Wartung durch den Verkäufer interessiert. 677 Vgl. Farnsworth, Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 89 f. 678 Vgl. Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 82 f. 679 Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 94 (4 Stimmen dafür, 6 dagegen).
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an der Rückforderung gehindert werden soll, sollten statt dessen über die Einschränkung des Rechts zur Rückforderung in Natur nach Art. 7.3.6(2) S. 2 gelöst werden,68o die sogleich zu diskutieren ist. Voraussetzung für die Rückabwicklung ist nämlich zwar, dass der Gläubiger "Zug um Zug alles zurückgewährt, was [er] erhalten hat" ("provided that such party concurrently makes restitution of whatever it has received"). Der Rückgewähranspruch besteht also grundsätzlich nur, wenn der Gläubiger seinerseits Rückgewähr anbietet. Wie Art. 7.3.6(1) S. 2 klarstellt, bedeutet "restitution" aber nicht notwendig "restitution in kind", also Rückgewähr in Natur; zwar hat diese Form der Rückgewähr Vorrang,681 aber wo sie "nicht möglich oder angemessen" ist, ist statt dessen "Ersatz in Geld" zu leisten, "wenn dies vernünftig ist" (,Jf restitution in kind is not possible or appropriate allowance should be made in money whenever reasonable"). Diese Bestimmung lässt allerdings einige Fragen offen. Unklar bleibt an erster Stelle das Verhältnis zwischen Naturalrestitution und Geldersatz. Offensichtlich ist, wie bereits festgestellt, dass die gegenseitige Rückgewähr in den Unidroit Principles primär als Rückgewähr in Natur konzipiert ist, der Übergang auf Geldersatz aber nicht erst dann in Betracht kommt, wenn Rückgewähr in Natur unmöglich ist. Vielmehr spricht der Autorenkommentar etwa von der Möglichkeit, dass eine Partei die von ihr empfangene Teilleistung behalten möchte. 682 Aus der Regelung selbst lässt sich das allerdings nicht mit letzter Klarheit entnehmen. Möglicherweise könnte sich das Ergebnis aber auf die Tatsache stützen, dass auf den Anspruch auf Rückgewähr in Natur dieselben Einschränkungen anwendbar sein sollen, denen gemäß Art. 7.2.2 das Recht auf Naturalerfüllung des Vertrages unterliegt: 683 Danach scheidet Rückgewähr in Natur nicht nur bei (rechtlicher oder faktischer) Unmöglichkeit aus (Art. 7.2.2(a», was sich eigentlich bereits aus Art. 7.3.6(1) selbst ergäbe,684 sondern auch, wenn sie 680 Vgl. die entsprechende Aussage von Famsworth, Unidroit 1992, P.C. - Mise. 16, S. 87, und die spätere Diskussion von Famsworth und Lando in der Sitzung der Arbeitsgruppe im Juni/Juli 1992 in Rom, Unidroit 1994, P.C. - Mise. 19, S. 140. Kritisch gegenüber dieser Lösung allerdings BoneIl, nach dessen Ansicht die Formulierung der Einschränkung ein ,fairly broad coneept" sei, das "to a eertain extent [... ] the end of restitution" bedeute (ähnlich auch S. 142). 681 So auch Sehleehtriem, Abstandnahme, S. 176: "Das bedeutet also, dass primär Rückgewähr in Natur geschuldet ist [... ]". 682 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.6 Comment 2; in den Beratungen war das Wahlrecht allerdings bloß der vertragstreuen Partei zugedacht worden, vgl. Unidroit 1994, P.C. - Mise. 19, S. 145. In diesem Sinne offenbar auch Hornung, S. 112 Fn. 469 ("Der Leistungsstörer [sie] soll nicht das Recht haben, die von ihm erbrachte Leistung in natura zurückzufordern, wenn die beeinträchtigte Partei ein Interesse daran hat, mindestens Teile der Leistung zu behalten"); enger S. 273, wo auf die Zumutbarkeit einer Rückgabe in Natur abgestellt wird. 683 So Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.6 Comment 4.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
"unzumutbar beschwerlich oder teuer" iSt. 685 Zweifelhaft ist freilich, wie die Einschränkung für den Fall, dass "die zur Erfüllung berechtigte Partei [... ] vernünftigerweise die Erfüllung aus anderer Quelle erlangen" kann (Art. 7.2.2(c)), auf die Rückabwicklung zu übertragen ist: Kann etwa der Hersteller von Kraftfahrzeugen bei Nichtzahlung des Kaufpreises durch seinen Abnehmer niemals Rückgabe des Kraftfahrzeuges, sondern nur Wertersatz verlangen, weil er sich schließlich ein entsprechendes Kraftfahrzeug jederzeit ohne besondere Schwierigkeiten (und damit "vernünftigerweise") nachbauen kann, oder wird das gelieferte Kraftfahrzeug durch die Pflicht zur Rückgewähr gewissermaßen bis zur Unersetzlichkeit individualisiert?686 Gegen letzteres spricht, dass auch "compensation by means of an equivaZent item" möglich sein soll.687 Ob die Rückgewähr in Natur erst dann ausscheidet, wenn sie für den Rückgewährschuldner nach objektiven Maßstäben unzumutbar wäre, wie der prinzipielle Vorrang der Rückabwicklung in Natur dies nahe legen würde,688 oder ob der Rückgewährschuldner auch nach bloß subjektiven Präferenzen die empfangene Leistung behalten und statt dessen Wertersatz leisten darf, bleibt daher nach der Regelung in den Unidroit Principles unklar. 689 Wenn der Gläubiger seinerseits kein Interesse daran hat, die erbrachte Leistung in Natur zurückzubekommen, dann bleibt es ihm natürlich 684 Anders aber anscheinend Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.6 Comment 4, der dies ausdrücklich als Folge der Verweisung auf Art. 7.2.2 herausstellt. 685 Einschränkungen der Rückgewähr in Natur für den Fall, dass diese "so expensive to do so that in a way it was not possible" sei, wurden in der Arbeitsgruppe ausdrücklich angesprochen, vgl. Unidroit 1994, P.C. - Misc. 19, S. 144. 686 Zum Charakter von Rückgewährschulden als Stückschulden im deutschen Recht vgl. Kaiser, S. 113; für die Unidroit Principles ist diese Einordnung freilich nicht ausschlaggebend, da nach ihnen auch Stückschulden nicht notwendigerweise in Natur durchsetzbar sind. Die übrigen in Art. 7.2.2 vorgesehenen Einschränkungen kommen dagegen wohl kaum in Betracht: Dass die Rückgewähr "höchstpersönlichen Charakter" hat (Art. 7.2.2(d», dürfte eher fern liegen. Denkbar ist allenfalls noch, dass der Rückgewährgläubiger die Rückgewähr in Natur "nicht binnen angemessener Zeit" fordert (Art. 7.2.2(e». 687 Unidroit 1991, C.D. (71) 6, S. 13. 688 In diesem Sinne wohl auch Hornung, S. 275 f., der den "Grundsatz des Vorrangs der Rückgewähr in Natur" für sachgerechter hält, weil der Verkäufer ein besonderes Interesse am Rückerhalt der Sache haben könne und die Rückgabe in Natur außerdem Streit über die Höhe des Wertersatzes vermeiden helfe; indes dürfe der Restitutionsschuldner nicht unangemessen benachteiligt werden, so dass der Ausschluss der Restitution in Natur bei unverhältnismäßig großem Aufwand flexibel ausgelegt werden müsse. Auch v. Olshausen, JZ 20m, 1132, spricht sich im Zusammenhang mit der Reformdiskussion in Deutschland gegen eine Regelung aus, die dem Käufer erlauben würde, "die Nachteile eines für ihn (unabhängig vom Mangel) ungünstigen Kaufvertrags [... ] völlig abzustreifen, ohne auf die Sache verzichten zu müssen".
D. Unidroit Principles
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unbenommen, den vom Schuldner angebotenen Wertersatz anzunehmen. Freilich wird er in diesem Fall wohl ohnehin eher seinen Erfüllungs- oder Schadensersatzanspruch verfolgen, als die Aufhebung des Vertrages zu erklären. 690 Unter diesen Umständen muss es auch zweifelhaft erscheinen, ob das System der Vertragsaufhebung in den Unidroit Principles wirklich die Möglichkeit offen lässt, dass die Vertragsauthebung dingliche Wirkung haben kann, wenn die lex rei sitae das so vorsieht. 691 Dazu passt schon nicht, dass der Vertrag - wie oben dargestellt - unter Umständen ganz aufgehoben, aber nur teilweise rückabgewickelt werden soll. Ein automatischer Rückfall dinglicher Rechte lässt sich zudem nur schwer damit vereinbaren, dass die Parteien unter unklar und wertungsoffen umschriebenen Umständen die empfangene Leistung behalten dürfen: Um eine solche Konstruktion zu ermöglichen, muss man entweder unterstellen, dass der automatisch eingetretene Rückfall des Eigentums durch die Erklärung einer Partei, die geleistete Sache nicht zurückgeben zu wollen, seinerseits wieder rückgängig gemacht wird (wobei zu fragen ist, ob mit dinglicher oder nur obligatorischer Wirkung), oder eine Schwebezeit akzeptieren, in der die Eigentumsverhältnisse zunächst ungeklärt bleiben. Beide Annahmen sind wenig attraktiv. Das gilt um so mehr, wenn man sich der Möglichkeit bewusst ist, dass die Vertragsaufhebung unwirksam wird, wenn der Schuldner von einem Nacherfüllungsrecht Gebrauch macht,692 womit der durch die Vertragsaufhebung eingetretene automatische Rückfall des Eigentums seinerseits ebenfalls rückwirkend unwirksam werden müsste. Auch für das deutsche Sachenrecht kann die Regelung der Unidroit Principles Schwierig689 Im Rahmen der Diskussionen der Arbeitsgruppe meinte Hyland, für den Fall, dass der Rückgewährschuldner die Leistung in Natur behalten wolle, solle er nicht lediglich Wertersatz leisten, sondern die vertragliche Vergütung zahlen; BoneIl meinte aber, eine derartige Fallkonstellation sei "outside any regulation because it was self-evident", vgl. Unidroit 1994, P.C. - Misc. 19, S. 144. Für eine Interpretation der Einschränkung "or appropriate" im Sinne eines Wahlrechts der vertragstreuen Partei dagegen Farnsworth ebenda. 690 Zur Frage, ob man Art. 7.3.6(1) im Sinne eines "verhaltenen Anspruchs" verstehen kann, vgl. im Zusammenhang der entsprechenden Bestimmung in Art. 81 11 1 CISG oben Teil 2 c.I., Fn. 532. 691 So aber Hornung, S. 110, der allerdings auch feststellt, "ein Blick in die Entstehungsgeschichte" der Unidroit Principles zeige, dass man "für die Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung grundsätzlich einen prospective approach gewählt" habe und dass "der Vertrag nach seiner Aufhebung nicht so behandelt werden soll, als sei er nie geschlossen worden"; dies bedeute aber nicht, dass man "sich etwa für eine bloß obligatorisch inter partes wirkende Vertragsaufhebung entschieden hätte" (Hervorhebungen im Original). Es sei "unangemessen, im Einheitsrecht eine Frage zu präjudizieren, deren Lösung in den nationalen Rechtsordnungen von systemprägenden Grundsatzentscheidungen abhängig" sei (S. 116). 692 Vgl. oben bei Teil 2 D.III.l.c).
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
keiten bereiten, wenn ein Eigentumsvorbehalt vereinbart ist. Mit dem englischen Fahrnissachenrecht, bei dem nicht die Vertragsaufhebung zum Rückfall des Eigentums führt, sondern die berechtigte Zurückweisung der angebotenen Sache als vertragswidrig und die damit verbundene KlarsteIlung, dass sich die angebotene Sache nicht dem Vertrag zurechnen lässt,693 dürfte sich das System der Unidroit Principles dagegen wohl vereinbaren lassen; hier ist bei Nachbesserung ohnehin ein neues Leistungsangebot und damit ein neuer (nicht notwendigerweise rückwirkender) Übereignungsakt erforderlich. Auch über die Höhe eines etwaigen Wertersatzes lässt sich dem Autorenkommentar nur wenig Konkretes entnehmen. Der Restitutionsschuldner soll "the value it has received" zu zahlen haben,694 dessen Betrag sich nicht nach der vertraglich vereinbarten Gegenleistung richtet, sondern nach dem objektiven Wert der erbrachten Leistung. Der durch einen Weiterverkauf erzielte Erlös dürfte dabei wohl allenfalls ein Indiz für den wahren Wert darstellen. 695 Die Einschränkung "wenn dies vernünftig ist" wurde aufgenommen, um klarzustellen, dass unter Umständen auch eine Vertragsaufhebung ohne Rückabwicklung in natura und ohne Zahlung eines Geldausgleichs in Betracht kommt. 696 Damit sollte die Tür offen gelassen werden für Fälle wie Art. 82 11 lit. b CISG (Untergang oder Verschlechterung der mangelhaften Ware bei Untersuchung durch den Käufer), möglicherweise aber auch für Fälle des Untergangs durch force majeure. 697 Zumindest nach Ansicht mancher der Autoren sollte durch die Formulierung aber auch klargestellt werden, dass die Vertragsaufhebung im Gegensatz zur Anfechtung nicht zur Wiederherstellung des vorvertraglichen Zustandes führen sol1. 698 Es handelt Vgl. dazu schon oben Teil 2 A.1.2.c)(4) bei Fn. 147. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.6 Comment 1. 695 Unklar insoweit allerdings Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.6 Comment 1. 696 Vgl. die entsprechenden Äußerungen von BoneIl im Rahmen der Arbeitsgruppe, Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 87 und Unidroit 1994, P.c. - Misc. 19, S. 145. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wenn Hornung, S. 112, 153, meint, diese Formulierung sei lediglich verwendet worden, weil der englische Begriff allowance "nicht hinreichend deutlich" mache, dass der Anspruch nach oben durch den Wert der empfangenen Leistungen beschränkt sei. Hornung will die Einschränkung "wenn dies vernünftig ist" unter zweifelhafter Berufung auf den "Willen der Verfasser" auf den Fall einengen, dass der Wertverlust des zurückzugebenden Gegenstandes aus der Sphäre des Gläubigers herrührt (S. 153). 697 Vgl. Unidroit 1992, P.C. - Misc. 16, S. 87 f. Im Rahmen der Schuldrechtsreform in Deutschland sind diese Gedankengänge jetzt ebenfalls aufgegriffen worden, vgl. oben Teil 2 B.II. bei Fn. 466. 698 Vgl. Unidroit 1994, P.c. - Misc. 19, S. 140, und die dort von Farnsworth vorgetragenen Überlegungen von Boss sowie die anschließende kontroverse Diskussion S. 140--147. 693
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E. Principles of European Contract Law
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sich also wieder einmal um eine relativ wertungsoffene, um nicht zu sagen absichtsvoll unpräzise Regelung. 699
E. Principles of European Contract Law Die Principles of European Contract Law sehen keine Regelung vor, nach der ein einmal wirksam geschlossener Vertrag automatisch rückwirkend unwirksam wird. Sie enthalten jedoch - wie die Unidroit Principles auch - ausführliche Bestimmungen über die Anfechtung von Verträgen. Darüber hinaus ist bei Leistungsstörungen die Möglichkeit einer Vertragsaufhebung vorgesehen, die abweichend von den Unidroit Principles nicht nur durch Parteierklärung, sondern auch ipso Jacto eintreten kann. Schließlich sehen die Principles of European Contract Law in Art. 6: 109 auch die Möglichkeit einer Kündigung von Dauerschuldverhältnissen mit angemessener Frist vor, ohne dass es hierzu eines besonderen Grundes bedareoo Nähere Bestimmungen über die Rechtsfolgen dieses Gestaltungsrechts sind allerdings nicht getroffen; insbesondere ist eine Rückabwicklung nicht vorgesehen, so dass es im Folgenden unberücksichtigt bleibt. Entsprechendes gilt, wenn das Gericht bei "veränderten Umständen" von seiner Befugnis Gebrauch macht, den Vertrag aufzuheben (Art. 6:1 11 (3)(a». Inwieweit hier überhaupt eine Rückabwicklung stattfindet, soll davon abhängen, auf welches Datum das Gericht das Ende des Vertrages fixiert?Ol
699 Schlechtriem, Abstandnahme, S. 176, merkt zu Recht an, die "weite Formel ,whenever reasonable '" müsse "die Lösungsgrundlage für so komplexe Fragen sein wie Verantwortung für die Vertragsaufhebung, Verantwortung für Untergang oder Verschlechterung der herauszugebenden Sache, Wertverlust durch Abnutzung und Berücksichtigung von Gebrauchsvorteilen sowie Ersatz etwaiger Verwendungen". Genau im entgegengesetzten Sinn freilich Hornung, S: 153: Die Bestimmung sei als "Versuch der Redaktoren" zu verstehen, "der englischen Fassung mehr Präzision in bezug auf die Berechnung des Wertersatzes zu verleihen"; der Begriff allowance mache nämlich "nicht hinreichend deutlich", dass "Wertersatz nur in Frage" komme, wenn "die restitutionspflichtige Partei von der empfangenen Leistung auch tatsächlich profitiert hat" (S. 112). Das überzeugt nicht, zumal Hornung selbst feststellt, die Formulierung sei "so allgemein gehalten, dass sie den Gerichten alle Freiheiten läßt"; es bestehe die Gefahr, dass Richter nationale Einschränkungen einer Haftung des Rückgewährschuldners in die Bestimmung importieren werden. Dies zu ermöglichen, ist aber wohl gerade der Zweck der Regelung, die - wie die Entstehungsgeschichte zeigt - eher eine Art Formelkompromiss darstellt. Die Aufforderung, die Vorschrift "möglichst wörtlich" zu nehmen (S. 159), ist deshalb auch wenig hilfreich. 700 Nach der ursprünglichen Version der Principles of European Contract Law, die noch keine entsprechende Bestimmung vorsah, sollten insoweit "national rules" anwendbar bleiben, vgl. dort Autorenkommentar Art. 2.117 A a. E. 701 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 6:111 D.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
I. Anfechtung An der Spitze der Regelungen über die Anfechtung steht Art. 4: 103 über die Anfechtung bei Tatsachen- oder Rechtsirrtum. Wie noch zu zeigen sein wird,702 unterscheidet sich diese Regelung nur unwesentlich von ihrem Gegenstück in den Unidroit Principles,703 überschneidet sich aber im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen angefochten werden kann, in erheblichem Maß mit denen der Täuschungsanfechtung (Art. 4: 107). Für die Abgrenzung zur Vertragsanpassung bei "veränderten Umständen" (Art. 6: 111) kommt es darauf an, ob der unerwartete Umstand schon bei Vertragsabschluss vorhanden, jedoch noch nicht bekannt war oder ob er durch eine spätere Veränderung eingetreten ist; nur im erstgenannten Fall kommt Irrtumsanfechtung in Betracht. 704 Allerdings ist auch beim Irrtum eine Vertragsanpassung möglich, wenn sich der Anfechtungsgegner bereit erklärt, den Vertrag so zu erfüllen, wie ihn der Anfechtungsberechtigte verstanden hat (Art. 4: 105(1». Bei gemeinsamem Irrtum kann auf "Verlangen" einer Partei sogar das Gericht den Vertrag anpassen (Art. 4: 105(3».705 Der "Fehler in der Verlautbarung oder Übermittlung einer Erklärung" wird dem Tatsachen- oder Rechtsirrtum gleichgestellt (Art. 4:104), berechtigt also nur unter den gleichen einschränkenden Voraussetzungen zur Anfechtung. 706 Angefochten werden kann ferner wegen Drohung (Art. 4:108) sowie - alternativ zur Vertragsanpassung, die beide parteien verlangen können - im Rahmen einer Art Wuchertatbestandes (Art. 4: 109). Die Anfechtung, die "durch Erklärung gegenüber der anderen Partei zu erfolgen" hat (Art. 4:112), ist "innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist" vorzunehmen, "nachdem die anfechtende Partei die maßgeblichen Tatsachen kannte oder kennen mußte, oder nachdem sie frei handeln konnte" (Art. 4: 113(1». Das Recht zur Anfechtung geht durch ausdrückliche oder konkludente Bestätigung des Vertrages verloren Vgl. unten Teil 3 D.I.5. und Teil 3 D.lV.5. So auch Hornung, S. 89. 704 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4:103 B Illustration 1; Notes 1 grenzt ausdrücklich nach diesem Kriterium zum Wegfall der Geschäftsgrundlage nach deutschem Recht ab. 705 Zu den Schranken dieser Befugnis vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4: 105 B. 706 Die Vorschrift soll auch beim so genannten einseitigen versteckten Dissens anwendbar sein (A verschreibt sich bei der Abgabe des Angebots; B merkt das, weiß zwar nicht, was A wirklich gemeint hat, nimmt das Angebot aber nichtsdestoweniger an). Wie PECL Autorenkommentar Art. 4:104 D Illustration 2 (ebenso PECL Autorenkommentar Art. 4:116 B Illustration 2) zeigt, kann das aber nicht überzeugen: Zu welchen Bedingungen soll der Vertrag eigentlich zustande gekommen sein, falls A nicht (mehr) anfechten kann? 702 703
E. Principles of European Contract Law
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(Art. 4: 114); eine in Unkenntnis des Anfechtungsgrundes vorgenommene Bestätigung kann offenbar ihrerseits nicht angefochten werden?07 Nach Art. 4: 116 soll grundsätzlich nur eine Teilanfechtung in Betracht kommen, wenn "ein Anfechtungsgrund nur einzelne Bedingungen eines Vertrages" betrifft. Diese Bestimmung bezieht sich nicht nur auf Art. 4:110, der die Anfechtung einzelner Klauseln aus allgemeinen Geschäftsbedingungen ermöglicht, sondern ist darüber hinaus auch auf sonstige Anfechtungstatbestände anzuwenden. 7os Die Rückabwicklung nach Anfechtung ist in Art. 4:115 geregelt. 709 Die Bestimmung ist ihrem Wortlaut nach fast völlig mit Art. 3.17(2) Unidroit Principles identisch, abgesehen davon, dass in den Principles of European Contract Law bei Unmöglichkeit der Rückgabe in Natur "ein angemessener Betrag (a reasonable sum) zu zahlen" ist, während nach den Unidroit Principles "für das Erhaltene Ersatz" (an allowance) zu leisten ist. Ein inhaltlicher Unterschied ist damit wohl nicht verbunden. Beide Texte betonen übereinstimmend den Zug-um-Zug-Charakter der Rückabwicklung. 71o Der Autorenkommentar stellt klar, dass die Entscheidung über die dingliche Wirkung der Anfechtung dem anwendbaren Recht - also wohl der lex rei sitae _711 überlassen bleibt. 712 Auch die Frage, wer das Risiko eines zufälligen Untergangs des Leistungsgegenstandes vor Anfechtung tragen soll, wird in den Principles of European Contract Law nicht geregelt,713 so Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4:114. So ausdrücklich PECL Autorenkommentar Art. 4:116 A a.E. 709 Nicht ganz verständlich Wolf, S. 127, nach dessen Ansicht die "Rückabwicklung der Anfechtung [sie]" in den Principles of European Contract Law "nicht ausdrücklich ausgesprochen" werde, sondern Art. 4:115 lediglich "die Verpflichtung zur Rückgabe der empfangenen Leistungen Zug um Zug, wobei bei Unmöglichkeit der Rückgabe in Natur Wertersatz zu leisten ist", normiere. Seiner Ansicht nach stimmt diese Regelung in den Grundzügen mit §§ 812 ff. BGB überein, wobei jedoch Wegfall der Bereicherung nicht berücksichtigt werde. 710 PECL Autorenkommentar Art. 4: 115 A. a. E. verweist auf das Zurückbehaltungsrecht in Art. 9:201, Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.17 Comment 2 nennt die Rückgabe des Empfangenen ,,[t]he only eondition tor sueh restitution". 711 Unklar insofern Hornung, S. 96, der von dem "subsidiär zur Anwendung" kommenden nationalen Recht spricht. 712 PECL Autorenkommentar Art. 4: 115 Note 2. In Rechtsordnungen, die einen automatischen Rückfall dinglicher Rechte vorsehen, dürfte zu berücksichtigen sein, dass die Gestaltungswirkung der Anfechtung nach den Principles of European Contract Law nicht notwendigerweise endgültig ist (vgl. Art. 4:105(2». 713 So jedenfalls ausdrücklich PECL Autorenkommentar Art. 4: 115 Note 3 a. E. Vgl. bereits Hornung, S. 149, der - vor Veröffentlichung des Autorenkommentars zu den neuen Teilen der Principles of European Contract Law - vor "allzu gewagten Schlußfolgerungen" aus dem Wortlaut der Bestimmung, der seiner Meinung 707 708
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
dass insoweit wohl auf nationales Recht zurückgegriffen werden muss, wobei man sich fragen kann, ob die Verweisung auf das Vertrags- oder auf das Bereicherungsstatut gehen soll (beide müssen nicht notwendig identisch sein). Hier ziehen sich die Principles of European Contract Law durch eine wenig hilfreiche Nicht-Regelung aus der Affäre, die zudem auch deshalb als nicht sonderlich sachgerecht bezeichnet werden kann, weil aus der Diskussion - etwa um die Gebrauchtwagenfälle in Deutschland - bekannt ist, dass gute Gründe dafür bestehen, die beiden Rückabwicklungsregime aufeinander abzustimmen. Dass dies nicht gelingen kann, wenn das eine Rückabwicklungsregime vereinheitlicht in den Principles of European Contract Law geregelt ist, für das andere hingegen auf die nationalen Rechte zurückgegriffen werden muss, liegt auf der Hand. Auf die Durchführung der Rückabwicklung sollen dagegen anscheinend die Regeln über die Leistung Anwendung finden. 714 Eine (partielle) Sonderregelung über die Obhutspflicht des Rückgewährschuldners bis zur Rücknahme durch den Gläubiger und über Verwendungsersatz in diesem Zusammenhang findet sich in Art. 7:110. Neben einer Anfechtung kann dem Gläubiger auch die Möglichkeit bleiben, über einen Schadensersatzanspruch die faktische Rückabwicklung des Vertrages zu erreichen. Das kommt etwa bei "Vertragsverhandlungen entgegen Treu und Glauben" (Art. 2:301(2» oder bei "Bruch der Vertraulichkeit" (Art. 2:302) in Betracht. Wird ein Irrtum durch das "Vertrauen auf eine unzutreffende Angabe der anderen Partei" hervorgerufen, ist Schadensersatz grundsätzlich selbst dann möglich, wenn der Irrtum nicht ,fundamental" war (Art. 4: 106). Allerdings soll in diesem Fall - wie auch dann, wenn das Anfechtungsrecht verloren gegangen ist - nur ein Ausgleich "bis zur Höhe des Schadens" stattfinden, der unmittelbar durch den Willens mangel entstanden ist, also keine volle Rückabwicklung (Art. 4:117(2». Das wird vor allem damit begründet, dass es in diesem Fall nicht gerechtfertigt sei, den Schuldner mit dem Risiko einer zwischenzeitlich durch Zufall eingetretenen Veränderung im Wert des Vertragsgegenstandes zu belasten?15 Außerdem ist bei der Bemessung des Schadensersatzes ein etwaiges Mitverschulden des Geschädigten zu berücksichtigen. 716 Die Leistungsstörungsregelungen der Principles of European Contract Law verdrängen die Regelungen über Willensmängel nicht (Art. 4:119).717 nach "prima facie jede Partei für die bei ihr eintretenden Verschlechterungen verantwortlich" mache, warnte. 714 Das lässt sich jedenfalls PECL Autorenkommentar Art. 4:115 A am Ende entnehmen, wo zumindest auf das Zurückbehaltungsrecht in Art. 9:201 verwiesen wird. 715 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4:117 C, insbesondere Illustration 6. 716 PECL Autorenkommentar Art. 4:106 C, insbesondere Illustration 1, und Art. 4:117 E.
E. Principles of European Contract Law
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Darin liegt ein Unterschied zu den Unidroit Principles, deren Art. 3.7 die Möglichkeit zur Anfechtung wegen Irrtums (allerdings nicht wegen Täuschung) ausschließt, wenn "die Umstände, auf die sich die Partei beruft, einen Rechtsbehelf wegen Nichterfüllung gewähren oder gewährt haben würden". Möglicherweise liegt der größere Unterschied zwischen bei den Prinzipien-Texten aber ohnehin nicht in dieser Regelung, sondern in der unterschiedlichen Reichweite des Täuschungstatbestandes. 718 11. Vertragsauthebung und anschließende Rückabwicklung
Auf den ersten Blick ähnelt das System, das die Principles of European Contract Law für die Beendigung von Verträgen nach Leistungsstörungen zur Verfügung stellen, in seiner Grundkonzeption den Ideen, die bereits aus CISG und Unidroit Principles vertraut sind. 719 Eine nähere Betrachtung enthüllt jedoch, dass die Regelungen hier wesentlich komplizierter sind und größere Schwierigkeiten aufwerfen, als es zunächst den Anschein hat. Zum Teil drängt sich sogar die Frage auf, ob die Autoren die Komplikationen ihres eigenen Systems völlig überblickt haben; man hat gelegentlich den Verdacht, dass Regelungen eingefügt worden sind, die bei isolierter Betrachtung wünschenswert erschienen, deren Zusammenspiel mit anderen Regelungen aber nicht richtig bedacht worden ist. Hinzu kommt, dass die Regelungen auf Grundbegriffen basieren, die nirgends definiert werden, und dass bestimmte fundamentale Annahmen, die - wie eine nähere Analyse ergibt - den Regelungen vielleicht zugrunde liegen, unausgesprochen bleiben. Offenbar unterstellen die Autoren, dass diese Grundbegriffe und -annahmen allen für die Redaktion der Principles of European Contract Law herangezogenen Rechtsordnungen gemeinsam und daher auch für jeden Juristen aus den beteiligten Ländern intuitiv verständlich sind. Eine derartige Technik führt zu erheblichen Unklarheiten, wie nachfolgend zu zeigen sein wird. no Vgl. außerdem PECL Autorenkommentar Art. 4:117 C und Art. 6:101 E. Kritisch jedoch Hornung, S. 119. 719 So meint Drobnig, S. 1152, die Konzeption der einheitlichen Vertragsverletzung sei in den Principles of European Contract Law ,,[n]och konsequenter" verwirklicht als im CISG. Höchst erstaunlich deshalb auch die Aussage von U. Huber, ZIP 2000, 2280, die Principles seien "zu den Regeln über die Unmöglichkeit, die auch dem BGB zugrunde liegen, zurückgekehrt"; der Grund für die Abweichung vom CISG beruhe "wohl nicht nur auf geläuterter Einsicht, sondern auch darauf, dass das Einheitskaufrecht [... ] an einem technisch bedingten Defekt" leide: Die Probleme der anfänglichen Leistungsstörungen ließen sich ohne Einbeziehung der Vertragsgültigkeit insgesamt nicht angemessen diskutieren und regeln (Fn. 55). 720 Optimistischer freilich Hornung, S. 111, nach dessen Ansicht "durch die konkrete Ausgestaltung der Rückabwicklung im engeren Sinne" in Art. 9:305 ff. die 717 718
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
1. Voraussetzungen der Vertragsaufhebung
Der Text der Principles of European Contract Law selbst nennt in Art. 9:301 zwei Fallkonstellationen, in denen die Vertragsaufuebung721 (termination) durch Erklärung des Gläubigers herbeigeführt werden kann: zum einen den Fall der wesentlichen Nichterfüllung722 (fundamental nonperformance, Art. 9:301(1», zum anderen im Falle einer Verzögerung der Leistung auch dann, wenn die dadurch herbeigeführte Nichterfüllung nicht wesentlich ist, sofern der Gläubiger erfolglos eine angemessene Nachfrist gesetzt hat (Art. 9:301(2) i. V. m. Art. 8: 106(3». Die Auflistung in Art. 9:301 ist freilich auch hier nicht abschließend; weitere Vorschriften, die die Vertragsaufuebung gestatten, finden sich nämlich in Art. 9:304 und 8:105(2). Neben der Vertragsaufuebung durch Parteierklärung kennen die Principles of European Contract Law auch eine Vertragsaufuebung, die durch von außen kommende Ereignisse automatisch herbeigeführt wird: Art. 9:303(4) sieht vor, dass die Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht infolge eines unvorhersehbaren und nicht zu vermeidenden Leistungshindernisses (Art. 8: 108) zu einer automatischen Vertragsaufuebung führt, wenn das Leistungshindernis vollständig und dauerhaft ist - eine Regelung, die sich wohl am englischen Institut der frustration orientiert. 723 Daneben spekuliert der Autorenkommentar über die Möglichkeit, dass eine automatische "Grundentscheidung für eine im Wesentlichen auf die Zukunft gerichtete Vertragsaufhebung" in den Principles of European Contract Law "deutlich" wird. 721 Die deutsche Übersetzung der Principles of European Contract Law von DrobniglZimmennann/Wicke verwendet, wohl in Anlehnung an die vom UnidroitInstitut veröffentlichte offizielle Übersetzung der Unidroit Principles, ebenfalls diesen Begriff. Obwohl es sich insoweit nicht um eine amtliche Übersetzung handelt und der Begriff nicht unproblematisch ist (vgl. dazu bereits oben Teil 2 C.L), soll er aus Gründen der Einheitlichkeit im Folgenden zugrunde gelegt werden. 722 Auch dieser Begriff, den die Übersetzung der Principles of European Contract Law von DrobniglZimmennann/Wicke aus der deutschen Version der Unidroit Principles übernommen hat, ist (wie schon oben Teil 2 D.m.l.a) dargelegt) unpassend, wird aber wie der der Vertragsaufhebung (vgl. soeben Fn. 721) nachfolgend verwendet, um die Terminologie nicht noch weiter zu verwirren. 723 Erfasst davon wird auch die Illegalität der Leistung, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9: 103 B. Für die Unidroit Principles ist die automatische Aufhebung des Vertrages ausdrücklich abgelehnt worden; zur Begründung Furmston, 40 American Journal of Comparative Law 672 (1992): "There are major difficult problems here about the burden of proof and who must allege what [... ]." Dabei handelte es sich um eine bewusste Entscheidung der Autoren, da der ursprüngliche Entwurf von Lando für die Unidroit Principles in Anlehnung an das EKG noch eine automatische Vertragsauflösung vorsah, vgl. Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, S. 6 (Erklärung der Vertragsaufhebung nur erforderlich, "when the aggrieved party has reason to believe that the defaulting party intends to tender perfonnance").
E. Principles of European Contract Law
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Vertragsaufhebung auch dann eintreten könnte, wenn der Gläubiger keine Naturalerfüllung verlangen kann (Art. 9:102(2» beziehungsweise nicht berechtigt ist, seine eigene Leistung zu erbringen (Art. 9: 101(2», lässt diese Frage aber anderswo ausdrücklich offen. 724 Die Erklärung der Vertragsaufhebung ist unter denselben Voraussetzungen anfechtbar wie der Vertragsschluss selbst (Art. 1: 107).725 a) Wesentliche Nichterfüllung Der Begriff der wesentlichen Nichterfüllung, der von zentraler Bedeutung für Art. 9:301 ist, besteht auch in den Principles of European Contract Law aus zwei Komponenten: Es muss eine Nichterfüllung vorliegen, und diese muss wesentlich für den Vertrag sein. Die Definition der Nichterfüllung, die in Art. 1:301(4) der Principles of European Contract Law gegeben wird, gleicht in der Sache der entsprechenden Definition in Art. 7.1.1 Unidroit Principles. Es wird lediglich ausdrücklich festgestellt, dass auch entschuldigte Nichterfüllung unter den Begriff der Nichterfüllung einzuordnen ist;726 außerdem wird als Beispiel für Nichterfüllung neben verspäteter und mangelhafter Leistung auch "die Verweigerung derjenigen Zusammenarbeit, die für die volle Wirkung des Vertrages erforderlich ist", genannt. 727 Anders als in den Unidroit Principles,728 aber 724 PECL Autorenkommentar Art. 9: 103 B: "The provision does not take a stand on the more general issue whether in the cases in which a claim to performance is excluded the contract is terminated." Der nachfolgende Text lässt die Möglichkeit offen, dass dies "may be true", so dass der Schuldner nicht mehr seine Leistung erbringen und den Gläubiger damit zur Gegenleistung zwingen kann. Es fragt sich aber, ob es nicht auch in solchen Fällen sinnvoll ist, dem Gläubiger die Entscheidung darüber zu belassen, am Vertrag festzuhalten (soweit dieser noch durchsetzbar ist) oder nicht, und gegen ein widersprüchliches Verhalten des Schuldners mit den Regeln über Treu und Glauben in Art. 1:201(1) zu helfen. 725 Vgl. insbesondere PECL Autorenkommentar Art. I: 107 B Illustration 2, wo das Beispiel gegeben wird, dass der Schuldner den Gläubiger durch die falsche Vorspiegelung, dass die Leistung aus anderer Quelle zu erhalten sei, zur Vertragsaufhebung bewegt. 726 Vgl. dazu auch PECL Autorenkommentar Art. 1:301 D, wo die Unterscheidung zum Begriff des "breach of contract" besonders betont wird. 727 Unklar allerdings PECL Autorenkommentar Art. 1:301 D, wonach ein "nonconforming tender of performance which is properly rejected results in non-performance"; danach kommt es anscheinend nicht auf die objektive Vertragswidrigkeit der Leistung an, sondern auf die Zurückweisung, also auf eine Willenserklärung des Gläubigers. Anders wiederum Art. 9:401(1): Minderung wegen non-performance, wenn nicht zurückgewiesen wird. Das Zusammenspiel beider Bestimmungen führt offenkundig in logische Schwierigkeiten: Eine Nachfrist kann der Gläubiger nach Art. 8: 106(1) nur bei Nichterfüllung setzen, muss also wohl den Erfüllungsversuch
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wohl ähnlich wie im CISG729 umfasst der Begriff auch eine Leistungsstörung, die auf das Verhalten des Gläubigers oder auf einen aus seiner Risikosphäre stammenden Umstand zurückzuführen ist; jedoch schließt Art. 8:101(3) die in Art. 9:101 ff. vorgesehenen Rechtsbehelfe aus, soweit die Nichterfüllung durch eine Handlung des Gläubigers verursacht worden ist. Ein sachlicher Unterschied dürfte sich daraus allerdings nicht ergeben, zumal vermutlich die Risikoabgrenzung zwischen den Parteien in den Begriff der geschuldeten Leistung hineinzulesen ist: Der Verkäufer etwa, der Ware FOB verkauft, schuldet eben nicht, dass der Käufer die Ware erhält, sondern nur, dass sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen überschreitet (und für den Transport ordnungsgemäß verpackt ist).73o Andererseits soll eine Mitverursachung des Gläubigers möglicherweise auch bloß die Wesentlichkeit der Nichterfüllung entfallen lassen731 oder seine Rechte sonst im Einzelfall einschränken. 732 Wann eine Nichterfüllung wesentlich ist, richtet sich nach Art. 8:103, der nach Auffassung der Verfasser weitgehend dem englischen Recht entsprechen soll;733 ob diese Entsprechung tatsächlich vorliegt, lässt sich aber - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - bezweifeln. Anders als die entsprechende Bestimmung der Unidroit Principles begnügt sich Art. 8: 103 Principles of European Contract Law nicht mit einer wertungsoffenen Umschreibung, bei der lediglich gewisse, nicht unbedingt abschließende des Schuldners zurückweisen; damit wäre er aber nach Art. 9:401(1), 8: 106(2) nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist nicht mehr zur Minderung berechtigt, was nicht einleuchten will. Nötig ist eine Willenserklärung natürlich, wo eine vorzeitige Leistung (Art. 7: 103) oder die Leistung durch einen Dritten (Art. 7: 106(1» abgelehnt werden soll. Vgl. ferner Anders, ZIP 2001, 187, der meint, dass sich die Principles of European Contract Law "an der Vertragsbruchlehre des Common Law" orientierten. 728 Art. 7.1.2, vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.2. 729 Die Parallele wird gezogen von Schlechtriem, Abstandnahme, S. 166 f. Anders verstanden wird Art. 80 CISG aber anscheinend bei SchlechtriemlStoll, CISGKommentar, Art. 80 Rn. 4, nach dessen Ansicht mit der "ungenau formulierte[n] Vorschrift" des Art. 80 "offensichtlich" gemeint sei, "dass die Nichterfüllung [... ] den Charakter einer Vertragsverletzung verliert" und der Gläubiger deshalb alle Rechtsbehelfe, einschließlich des Anspruchs auf Erfüllung, verliere; damit würde das CISG eher der Regelung in den Unidroit Principles entsprechen. 730 Vgl. Incoterms 1990, FüB, A.4, A.5 und A.9, abgedruckt bei Schlechtriem, CISG-Kommentar, Anh. IV. 731 So jedenfalls PECL Autorenkommentar Art. 9:301 D; das dort angeführte Beispiel (Illustration 1) überzeugt freilich nicht ganz, vgl. sogleich Fn. 734. Zu dem ebenfalls eher einschränkenden Beispiel PECL Autorenkommentar Art. 9:301 D Illustration 2 vgl. sogleich Fn. 744. 732 So PECL Autorenkommentar Art. 8:101 B (iii). 733 PECL Autorenkommentar Art. 8:103 Notes 1; so erneut Lando, Eight Principles, S. 116.
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Kriterien für die Bestimmung der Wesentlichkeit einer Vertrags verletzung vorgegeben werden, sondern bemüht sich um eine abschließende Definition. Sind Verträge durch Teilleistungen zu erfüllen, denen ihrerseits jeweils abgrenzbare Gegenleistungen gegenüberstehen (also etwa bei Ratenund Sukzessivlieferungsverträgen sowie bei Gebrauchsüberlassungsverträgen), dann ist dabei - wie sich aus Art. 9:302 ergibt - gedanklich zwischen der Wesentlichkeit der Vertrags verletzung für den Vertrag insgesamt und einer Wesentlichkeit, die nur den einzelnen Austauschvorgang betrifft, abzugrenzen. Drei verschiedene Möglichkeiten zur Begründung einer wesentlichen Nichterfüllung werden vorgegeben. Dabei reproduziert Art. 8: I 03(b) fast wörtlich das bereits aus Art. 25 CISG und Art. 7.3.1(2)(a) Unidroit Principles bekannte Kriterium der Beeinträchtigung eines wesentlichen Vertragsinteresses einschließlich aller Zweifelsfragen, die sich daraus ergeben. 734 Eine weitere Möglichkeit, die zur Wesentlichkeit der Nichterfüllung führen kann, findet sich in Art. 8: 103(a). Danach liegt eine wesentliche Nichterfüllung vor, wenn "die genaue Einhaltung der Verpflichtung für den Vertrag entscheidend ist". Das bezieht sich - auch wenn das aus dem Wortlaut der Bestimmung selbst nicht eindeutig hervorgeht _735 auf die aus dem englischen Recht bekannte Möglichkeit, einzelne Vertragsbestimmungen durch entsprechende Vereinbarung zu conditions oder 0/ the essence 0/ the contract zu erklären. 736 Anders als nach Art. 7.3.1(2)(b) Unidroit Principles, der auch eine entsprechende Partei vereinbarung lediglich als ein Indiz in die Gesamtbetrachtung einbezieht, aufgrund derer das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung nach objektiven Maßstäben zu beurteilen ist, 734 Der Autorenkommentar beruft sich allerdings auf eine "direct correspondence" zu dem englischen Fall Hong Kong Fir Shipping Co. Ltd. v. Kawasaki Kisen Kaisha Ltd. [1962] 2 Q.B. 26, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 8:103 Notes 1 und dazu bereits oben Teil 2 C.!. bei Fn. 513. Auch PECL Autorenkommentar Art. 9:301 D Illustration 1 scheint eher auf den Schaden im konkreten Fall und auf die jeweiligen Verursachungsbeiträge der Parteien abzustellen; das dort gegebene Beispiel (geringfügiger Produktfehler an einer Maschine, der sich nur deshalb zu einem die ganze Fabrik verschlingenden Großfeuer ausweiten kann, weil der Fabrikbetreiber gegen seine Pflicht verstößt, einen Wachmann zu stellen) überzeugt aber nicht, denn die Mitverantwortung des Fabrikbetreibers ergibt sich bereits aus Art. 8:101(3) ("soweit die Nichterfüllung der anderen Partei durch ihre eigene Handlung [bzw. Unterlassung, vgl. Art. 1:301(1)] verursacht worden ist"). Vgl. allerdings Lando, Eight Principles, S. 117, der ausdrücklich Art. 25 CISG als das "model" von Art. 8:103(b) bezeichnet und feststellt, dass ,,[t]he case law relating to Article 25 [... ] will be relevant for the interpretation of Article [8: 103(b)]". 735 Ausdrücklich in diesem Sinn aber PECL Autorenkommentar Art. 8: 103 Notes 1, der auch insoweit von einer "direct correspondence" spricht. 736 Auch nach Ansicht von Schlechtriem, Abstandnahrne, S. 164, ist die Regelung ,,[ wJohl als Komprorniß mit Formeln des englischen Rechtskreises" gedacht.
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besteht also nach den Principles of European Contract Law im Grundsatz die Möglichkeit, auch an sich völlig unbedeutende Vertragsbestimmungen in den Rang einer condition zu erheben, bei deren Bruch der Gläubiger zur Vertragsaufbebung berechtigt ist; 737 doch dürfte insoweit eine Korrektur nach dem Prinzip von Treu und Glauben (Art. 1:201 (1) Principles of European Contract Law) in Betracht kommen,738 so dass sich im Ergebnis kein wesentlicher Unterschied zu den Unidroit Principles einstellen dürfte. Als dritte Möglichkeit sieht Art. 8: 103(c) den Fall vor, dass die Nichterfüllung vorsätzlich geschieht (nach Art. 1:301(3) umfasst dieser Begriff auch dolus eventualis, bewusste Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit) 739 und der benachteiligten Partei Anlass zur Annahme gibt, dass sie sich auf die künftige Leistung 740 durch die andere Partei nicht verlassen kann; dieser Diesen Aspekt betont auch PECL Autorenkommentar Art. 8: 103 B. So auch Lando, Eight Principles, S. 117. Der Autorenkommentar erwähnt allerdings im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vertragsaufhebung keine derartige Einschränkung (vgl. PECL Autorenkommentar Art. 8: 103 B) und betont außerdem die genaue Entsprechung zum englischen Recht, das das Recht zur termination grundsätzlich nicht durch Treu und Glauben einschränkt (vgl. PECL Autorenkommentar Art. 8:103 Notes 1); anders dagegen im Zusammenhang mit dem Treu-undGlaubens-Prinzip selbst (PECL Autorenkommentar Art. 1:201 B) - ein Beleg dafür, dass die Orientierung der Autoren an einzelnen nationalen Rechtsordnungen einen stärkeren Sog ausübt als die innere Logik der Principles of European Contract Law. Allerdings verweist Lando zutreffend darauf, dass auch im englischen Recht inzwischen unter Umständen das Recht zur Vertragsaufhebung bei geringfügigen Verstößen eingeschränkt sein kann (ss. 15A(1)(b) und 30(2A) Sale of Goods Act 1979, eingefügt durch s. 4 Sale and Supply of Goods Act 1994). 739 Die Aussagen innerhalb des Textes der Principles of European Contract Law und des Autorenkommentars darüber, ob der Begriff auch grobe Fahrlässigkeit einschließt, sind widersprüchlich. In PECL Autorenkommentar Art. 1:301 C wird ausdrücklich zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit abgegrenzt und festgestellt: "This is normally so whether the negligence is gross, that is, serious, or slight, e. g. a momentary oversight." Auch der Text von Art. I :305(b) und 9:503 unterscheidet zwischen "intentional" und "grossly negligent". Dagegen heißt es in PECL Autorenkommentar Art. 1:301 Notes 3, dass ,,[tjhe Principles treat gross negligence as equivalent to intentional or reckless behaviour, as in the maxim culpa lata dolo aequiparatur", mithin also das genaue Gegenteil. Auch wird der Begriff "reckless" mit dolus eventualis gleichgesetzt, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 1:301 Notes 3. Die Formulierung des französischen Normtextes ("inexcusable") ist vermutlich noch weniger aussagekräftig. Der englische Text enthält in Art. 4:103(2)(a) seinerseits ebenfalls das Wort "inexcusable", was nach Ansicht von Wolf, S. 105 f., auf grobe Fahrlässigkeit abzielen muss. Übersehen ist das ganze Problem bei Schwartze, S. 183, der die Formulierung des parallelen Art. 7.1.3(2)(c) Unidroit Principles für "etwas weitergehend" hält. 740 Die deutsche Übersetzung von Drobnig/ZimmermannlWicke, die "performance" sonst regelmäßig mit "Erfüllung" übersetzt, wählt hier den Terminus "Leistung". Gerade an dieser Stelle ist mit diesen Begriffen natürlich ein erheblicher Bedeutungsunterschied verbunden: Soll sich die "benachteiligte Partei" darauf ver737 738
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Bestimmung zufolge müssen also zwei Voraussetzungen, die in Art. 7.3.1 (2)(c) und (d) Unidroit Principles als getrennte Abwägungskriterien angeführt werden, kumulativ vorliegen. Die letztgenannte Voraussetzung kann dabei - wie der Autorenkommentar klarstellt _741 nur vorliegen, wenn den Schuldner noch Leistungspflichten treffen, die über die in Rede stehende, unerfüllt gebliebene Leistungspflicht (bzw. die Pflicht, die entsprechende Leistung nachzuholen) hinausgehen; das heißt, es muss ein Dauerschuldverhältnis im weitesten Sinne des Wortes vorliegen. 742 Ansonsten wäre ja auch jede vorsätzliche Nichterfüllung eine wesentliche Nichterfüllung, denn wenn der Schuldner nicht in vertragsgemäßer Weise leisten will, besteht wenig Grund zu der Annahme, dass er die Erfüllung künftig ordnungsgemäß nachholen wird. Nach den Angaben des Autorenkommentars soll die Bestimmung ihrem Inhalt nach s. 31(2) Sale of Goods Act 1979 entsprechen; dort wird die Möglichkeit der Aufhebung eines Kaufvertrages geregelt, der in Teilleistungen erfüllt werden soll, von denen lediglich einzelne Teilleistungen mangelhaft sind. 743 Dieser Verweis ergibt aber keinen Sinn; die entsprechende Regelung in den Principles of European Contract Law findet sich nicht in Art. 8: 103(c), sondern in Art. 9:302. Vermutlich ist eher an andere Fälle der repudiation des englischen Rechts gedacht; aber auch insofern dürfte eigentlich Art. 9:304 ausreichen. In jedem Fall darf bezweifelt werden, ob Art. 8: 103(c) Kriterien bietet, unter die sich in der Praxis sinnvoll subsumieren lässt. Die Beispiele, die vom Autorenkommentar angeführt werden, leuchten noch einigermaßen ein: Ein Händler, der sich in einem Alleinvertriebsvertrag einer Lieferbinlassen können, dass die andere Seite künftig (vertragsgemäß) "erfüllt", oder braucht sie lediglich (irgendwann und irgendwie) zu "leisten"? Der Begriff "sich verlassen" ("rely") legt nahe, dass es gerade um die vertragsgemäße Leistung, also um die "Erfüllung" geht, weshalb die Terminologie der deutschen Übersetzung hier unglücklich gewählt erscheint. 741 PECL Autorenkommentar Art. 8: 103 D. 742 Schlechtriem, Abstandnahme, S. 171, vermutet, dass die Bestimmung speziell für den Fall des Sukzessivlieferungsvertrages gedacht sei. 743 Die Bestimmung lautet: "Where there is a contract for the sale of goods to be delivered by stated instalments, which are to be separately paid for, and the seiler makes defective deliveries in respect of one or more instalments, or the buyer neglects or refuses to take delivery of or pay for one or more instalments, it is a question in each case depending on the terms of the contract and the circumstances of the case whether the breach of contract is a repudiation of the whole contract or whether it is a severable breach giving rise to a claim for compensation but not to a right to treat the whole contract as repudiated." Übrigens betonte schon Rabel, Recht des Warenkaufs I, S. 275, zu Recht, dass die Vorschrift zwar auf ein subjektives Moment beim Verkäufer abstelle, von der englischen Rechtsprechung aber objektiv (im Sinne der Schwere der Vertragsverletzung) verstanden werde; vgl. dazu etwa Goode, Commercial Law, S. 288, und die dort zitierte Entscheidung Maple Flock Co. Ltd. v. Universal Fumiture Products (Wembley) Ltd. [1934] I K.B. 148.
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dung unterwirft, aber dennoch Produkte eines Wettbewerbers vertreibt, begeht ebenso eine wesentliche Nichterfüllung 744 wie der schon aus den Unidroit Principles bekannte745 Handelsvertreter, der falsche Spesenabrechnungen vorlegt,746 nicht hingegen ein Bauunternehmer, der sich wegen eines Streits mit dem Bauherrn weigert, einen Teil der Leistung zu erbringen,747 oder der zwar zunächst an versteckter Stelle minderwertige Baustoffe verwendet, bei Entdeckung aber sogleich Abhilfe schafft und für die Zukunft Vertragstreue gelobt. 748 Jenseits dieser Beispiele bleibt freilich unklar, worauf sich der von Art. 8:103(c) geforderte Vorsatz eigentlich beziehen muss: Was etwa, wenn ein Mieter sich aufgrund einer zwar gerade noch vertretbaren, vom Gericht aber später nicht anerkannten Rechtsauffassung weigert, eine geringfügige Mieterhöhung anzuerkennen? In diesem Fall lässt sich schwer daran vorbeikommen, dass die Nichtzahlung des Erhöhungsbetrages "intentional" ist und Anlass zu der Annahme gibt, dass der Vermieter auch künftig keine vollständige Zahlung durch den Mieter erwarten kann, aber dennoch lässt sich diese Fallkonstellation schwerlich mit den im Autorenkommentar angeführten Fällen vergleichen. Was, wenn der Mieter erklärt, er wolle die Mieterhöhung ja gerne bezahlen, habe aber leider einfach nicht genug Geld? Hier ergibt das "intentional"-Kriterium gar keinen Sinn mehr. 749 Eine nahe liegende Lösung bestände in der Annahme, dass "intentional" in Art. 8: 103(c) aufgrund des Zusammenhangs nicht den Sinn haben kann, der sich aus der Definition in Art. 1:301(3) ergibt, sondern dass eine einschränkende Auslegung - etwa im Sinne von "dolos" - erfor744 PECL Autorenkommentar Art. 8: 103 D Illustration 5. Anscheinend entlastet es den Händler nicht, wenn er nachweisen kann, dass "it was led to purchase elsewhere by the financial demands of the manufacturer which, contrary to the terms of the agreement, had demanded payment in cash"; ein solches Verhalten des Herstellers soll allenfalls unter bestimmten Umständen Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller begründen, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:302 D Illustration 2. 745 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.3.1 Comment 3 d) Illustration 4; vgl. oben bereits Teil 2 D.III.1.a) bei Fn. 619. 746 PECL Autorenkommentar Art. 8: 103 D Illustration 6; "false vouchers" ist dabei wohl eher im Sinne von "gefälschten Abrechnungen" zu verstehen, da ein bloßer Irrtum oder Rechenfehler des Handelsvertreters nicht intentional wäre. 747 PECL Autorenkommentar Art. 8:103 D Illustration 7. 748 PECL Autorenkommentar Art. 8:103 D Illustration 8; da nach der von den Autoren gewählten Fallgestaltung die Verwendung der minderwertigen Baumaterialien vom "supervisor" des Bauunternehmers (also wohl einer Art Generalunternehmer) angeordnet wird, kann man schon an der Vorsätzlichkeit der Nichterfüllung zweifeln, im Übrigen wäre der Bauherr auch nach Art. 8:101(3), 1:305 gehindert, sich auf die Nichterfüllung zu berufen. 749 Vgl. - mit Blick auf ähnliche Bestimmungen im amerikanischen Restatement Contracts - Treitel, (1967) 30 M.L.R. 143: ,,A ,deliberate ' breach may represent a perfectly honest attempt to do the best to perform a contract in changed circumstances short of frustration."
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derlich ist. 750 In sämtlichen der vom Autorenkommentar angeführten Beispiele scheint es auf ein solches doloses Verhalten des Schuldners anzukommen. Leider wird dieser Ausweg vom Autorenkommentar verbaut, der Art. 8: 103(c) ausdrücklich als einen AnwendungsfaiI der Definition in Art. 1:301(3) nennt. 751 In jedem Fall ist unsicher, ob'eine Norm, die entscheidend auf die - für den Gläubiger kaum sicher zu beurteilende - subjektive Situation des Schuldners abstellt, wirklich geeignet ist, die Voraussetzungen abzugrenzen, unter denen der Gläubiger befugt sein soll, Vertragsaufhebung zu erklären. 752 Vermutlich hätten die Bestimmungen über die vorweggenommene Nichterfüllung einerseits (Art. 9:304 sowie Art. 8: 105)753 und über die Vertragsaufhebung bei durch Teilleistungen zu erfüllenden Verträgen (Art. 9:302) völlig ausgereicht, um den Gläubiger zu schützen, so dass auf eine Bestimmung wie Art. 8: 103(c), die nur Verwirrung stiften dürfte, hätte verzichtet werden können. 754 Neben diesen drei Fallgruppen, in denen eine wesentliche Nichterfüllung vorliegen soll, spricht der Autorenkommentar gelegentlich - wohl von Denkweisen des englischen Rechts beeinflusst - davon, dass auch der fruchtlose Ablauf einer Nachfrist eine an sich nicht wesentliche Nichterfül750 Vgl. auch Lando, Eight Principles, S. 117, der betont, die Bestimmung "only applies to an intentional and not to an unintentional non-perjonnance", und den insoweit bestehenden Unterschied zum englischen Recht hervorhebt. 751 PECL Autorenkommentar Art. 1:301 C. 752 Allerdings läuft die Bestimmung der von Canaris, ZRP 2001, 332, identifizierten "internationalen Entwicklung" zuwider, "die Möglichkeit zur Vertragsauflösung von subjektiven Voraussetzungen in der Person des Schuldners zu lösen"; vgl. dazu im Rahmen der Unidroit Principles schon Teil 2 D.III.1.a), Fn. 614. 753 Anscheinend sieht Lando (Eight Principles, S. 117) den Unterschied zwischen Art. 8: 103(c) und Art. 9:304 darin, dass die erstgenannte Bestimmung eine vorsätzliche Nichterfüllung voraussetzt, dafür aber einen niedrigeren Grad an Gewissheit hinsichtlich der zukünftigen Nichterfüllung erfordert ("Anlaß zu der Annahme" statt "offensichtlich"). Aber bei niedrigerer Gewissheit kann der Gläubiger nach Art. 8: 105 vorgehen; diese Bestimmung verwendet zwar eine minimal von Art. 8:103(c) abweichende Terminologie ("reasonably believes" statt "gives reason to believe"), ein sachlicher Unterschied ist damit aber nicht verbunden. Wollte man der von Lando vorgeschlagenen Auslegung folgen, dann würde Art. 8: 105 seine Bedeutung weitgehend verlieren. 754 Dass Art. 8: 103(c) nicht recht in die Systematik der Principles of European Contract Law passt, zeigen auch die Beispiele des Autorenkommentars zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen (PECL Autorenkommentar Art. 9:302 A Illustration 1 und 2). Obwohl hier die Nichtleistung zweifellos intentional rm Sinne von Art. 1:301(3) ist (die absichtliche Nichtleistung der Beschäftigten im Falle des Streiks, Illustration 1, ist nach Art. 1:305(b) ihrem Arbeitgeber zuzurechnen), wird nicht auf Art. 8:103(c), sondern auf Art. 9:304 verwiesen, der einen etwas strengeren Maßstab aufstellt (dass es künftig zu einer Nichtleistung kommen wird, muss "offensichtlich" ("clear") sein; es reicht nicht aus, wenn nur "Anlass zu der Annahme" ("reason to believe") besteht).
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lung zur wesentlichen machen könne?55 Da eine solche Vorstellung zur Systematik des Art. 9:301 aber offenkundig nicht passt, dürfte es sich dabei vermutlich nur um eine lose und untechnische Ausdrucksweise handeln. Hieran zeigt sich freilich erneut, dass die Ausführungen im Autorenkommentar zu den Principles of European Contract Law zum Teil mehr von den Vorstellungen geprägt sind, die den Autoren aus ihren heimischen Rechtsordnungen vertraut waren, als von der inneren Logik und Systematik der Principles of European Contract Law selbst. 756 Dass die Nichterfüllung möglicherweise nach Art. 8: 108 entschuldigt ist, ändert an ihrer Wesentlichkeit nichts, wie sich eindeutig aus Art. 8:108(2) S. 2 ergibt. 757 Ist freilich das Leistungshindernis, das die Nichterfüllung entschuldigt, vollständig und dauerhaft - was eine wesentliche Nichterfüllung impliziert -, dann wird, wie bereits erwähnt, der Vertrag mit Eintreten des Hinderungsgrundes ohne Parteierklärung und auch unabhängig vom Willen (und Wissen) der Parteien automatisch aufgehoben. Dieser Fall wird unten unter d) behandelt. In den Fällen dagegen, in denen das entschuldi755 So PECL Autorenkommentar Art. 8:104 Illustration 3 und Art. 8:105 C. Ähnlich aber auch Hornung, S. 113: Bei Verzug sei "die Nachfristsetzung ein hervorragendes Mittel, um aus einer einfachen Vertragsverletzung eine wesentliche zu machen". 756 Man kann sich diese Ausdrucksweise freilich auch so erklären, dass auch eine zunächst unwesentliche Verzögerung der Erfüllung, die über längere Zeit andauert, irgendwann einmal zu einer wesentlichen Nichterfüllung werden muss. Die Nachfristsetzung hätte dann nur deklaratorische Bedeutung; der Ablauf der Nachfrist würde den Zeitpunkt dokumentieren, zu dem die Nichterfüllung nach Auffassung des Gläubigers die Wesentlichkeitsschwelle überschreitet. Das müsste natürlich bei der Überprüfung der Länge der Nachfrist auf ihre Angemessenheit (Art. 8:108(3» berücksichtigt werden. Der Autorenkommentar nennt eine Reihe von Gesichtspunkten für die Bestimmung einer angemessenen Nachfrist; eine Analogie zur Wesentlichkeit der Nichterfüllung wird dabei freilich nicht gezogen, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 8: 107 D und E. Im Übrigen besteht der Zweck der Nachfristprozedur gerade darin, den Streit über die Zulässigkeit der Vertragsaufhebung vom vageren und schwerer zu handhabenden Kriterium der Wesentlichkeit der Nichterfüllung auf die leichter zu bestimmende Angemessenheit der Nachfrist zu verlagern, vgl. in diesem Zusammenhang Flessner, ZEuP 1997, 283; die Angemessenheit der Nachfrist umgekehrt an die Wesentlichkeit der Verzögerung zu binden, erscheint deshalb nicht sinnvoll. 757 Vgl. etwa PECL Autorenkommentar Art. 9:301 Notes 2: "The Principles use the same rules lor termination whether or not the non-performance was excused [... ] This is a contrast to many systems in which the case 01 termination 01 a contract which has become impossible is treated separately lrom the case 01 termination because 01 a breach 01 contract." Ausdrücklich nennt der Autorenkommentar in diesem Zusammenhang als Gegenmodell § 323 BGB-alt. Das steht natürlich im krassen Gegensatz zu der erstaunlichen Aussage von Huber (ZIP 2000, 2280), die Principles seien "zu den Regeln über die Unmöglichkeit, die auch dem BGB zugrunde liegen, zurückgekehrt".
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gende Leistungshindernis nicht vollständig oder nicht dauerhaft ist, aber dennoch eine wesentliche Nichterfüllung vorliegt, kann der Gläubiger nach Art. 8:101(2), 8:108(2) S. 2 anstelle der Geltendmachung von Zurückbehaltungsrecht (Art. 9:201) oder Minderung (Art. 9:401) auch vom Vertrag zurücktreten; nur Naturalerfüllung und Schadensersatz sind durch Art. 8:101(2) ausgeschlossen. 758 Nicht berufen kann sich der Schuldner auf ein Leistungshindernis, das nach dem vertraglich vorgesehenen Leistungszeitpunkt eintritt; es stellt keine Entschuldigung dar. 759 Eingeschränkt wird die Möglichkeit der Vertragsauthebung für Verträge, die durch Teilleistungen zu erfüllen sind, durch Art. 9:302. Diese Bestimmung bezieht sich auf Verträge, die durch "voneinander unabhängige Teilleistungen zu erfüllen" sind und bei denen den einzelnen Teilleistungen anteilige Gegenleistungen zugeordnet werden können,76o also (wie bereits erwähnt) zum einen auf Raten- und Sukzessivlieferungsverträge, andererseits aber auch auf Gebrauchsüberlassungsverträge und andere Dauerschuldverhältnisse. 761 Hier kann der Gläubiger grundsätzlich nur Vertragsauthebung für die Teilleistung erklären, bezüglich derer es zu einer wesentlichen Nichterfüllung gekommen ist; Authebung des Vertrages insgesamt kann nur gefordert werden, wenn die Nichterfüllung für den gesamten Vertrag wesentlich ist. Streikt etwa eine Putzkolonne an ihrem wöchentlichen Putztag, dann kann der Besteller Vertragsauthebung für die betreffende Woche erklären, für die Zukunft dagegen nur, wenn feststeht, dass der Streik wiederholt wird; 762 sind die Putzleistungen mangelhaft, weil zu wenige Reinigungskräfte eingesetzt werden, und weigert sich der Reinigungsunternehmer, zusätzliche Arbeitskräfte einzustellen, dann kann der Vertrag ganz aufgehoben werden. 763 Entsprechendes dürfte wohl für Gebrauchsüberlassungsverträge gelten: Zahlt etwa der Mieter einer Wohnung den Mietzins für einen Monat nicht, dann kann der Vermieter grundSätzlich Vertragsauthebung nur für die758 Übersehen wird diese Vorschrift von Ernst, S. 139, der kritisiert, dass in den Principles of European Contract Law ein "Pendant" zu Art. 7.1.7(4) Unidroit Principles fehle. 759 So ausdrücklich PECL Autorenkommentar Art. 8:108 Illustration 3. 760 Wie PECL Autorenkommentar Art. 9:302 C, insbesondere Illustration 3, klarstellt, muss die Zuordnung nicht im Vertrag selbst vorgesehen sein; es genügt, wenn sich eine Trennung - auch auf bloß rechnerischem Weg - vornehmen lässt. 761 Unzutreffend deshalb die Behauptung von Hornung, S. 177, die "Rückabwicklungsregeln der PECL" gingen "nicht gesondert auf Dauerschuldverhältnisse ein", aus Art. 9:305 ergebe sich aber, dass "die PECL im Fall der Aufhebung eines Dauerschuldverhältnisses grundsätzlich nur zu einer Wirkung für die Zukunft kommen" (Hervorhebung im Original; ebenso erneut S. 182). 762 PECL Autorenkommentar Art. 9:302 A Illustration 1. Einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrag kann der Gläubiger aber nach Art. 6: 109 ohnehin mit angemessener Frist kündigen, ohne dass es dazu eines besonderen Grundes bedarf. 763 PECL Autorenkommentar Art. 9:302 A Illustration 2.
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sen Monat erklären; etwas anderes gilt beispielsweise, wenn die Nichtzahlung absichtlich erfolgt und erwarten lässt, dass der Mieter auch künftig nicht ordnungsgemäß zahlen wird (Art. 8:103(c)).764 Andere Dauerschuldverhältnisse lassen sich analog behandeln: Fällt bei einem Kabelfernsehteilnehmer, der eine monatliche Abonnementsgebühr bezahlt, für ein paar Stunden das Programm aus, dürfte darin noch nicht einmal eine wesentliche Vertragsverletzung hinsichtlich des betreffenden Monats liegen?65 Erst wenn das Kabelfernsehen den ganzen Monat lang eher schlecht als recht funktioniert, darf er für diesen Monat Vertragsaufhebung erklären, Aufhebung des Vertrages insgesamt dagegen nur, wenn die Voraussetzungen von Art. 8:103 vorliegen. Von der Frage, ob Aufhebung des gesamten Vertrages möglich ist, ist die Frage zu unterscheiden, welche Auswirkungen eine solche Vertragsaufhebung auf der Rechtsfolgenseite für bereits abgeschlossene Austauschvorgänge hat;766 diese Frage wird sogleich unter 2. behandelt. Die Vertragsaufhebung erfolgt, wie bereits erwähnt, durch Erklärung gegenüber der anderen Partei (Art. 9:303(1)). Verlust oder Verzögerung bei der Übermittlung der Erklärung gehen wie im eISG zu Lasten des vertragsbrüchigen Schuldners (Art. 1:303(4))?67 Nach dem Autorenkommentar soll bereits in der Zurückweisung eines Erfüllungsangebots ohne weiteres die konkludente Erklärung der Vertragsaufhebung liegen; 768 das kann aber nicht zutreffen, da andernfalls ja auch der Erfüllungsanspruch des Gläubi764 Freilich ist die Auslegung dieser Vorschrift im einzelnen sehr zweifelhaft, vgl. dazu bereits soeben bei Fn. 743. 765 Möglicherweise kann der Kabelfernsehteilnehmer aber Vertragsaufhebung hinsichtlich der Stunden erklären, in denen er keine Leistungen erhalten hat, da sich die monatliche Abonnementsgebühr rechnerisch leicht aufteilen lässt (vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:302 C). Freilich mag dies ungerecht sein: Was etwa, wenn das Kabelfernsehen ordnungsgemäß funktioniert, während der Abonnent schläft oder bei der Arbeit ist, aber ausgerechnet zu den Zeiten ausfällt, in denen er ein wichtiges Fußballspiel sehen möchte - oder umgekehrt? Man könnte daher auch argumentieren, dass Vertragsgegenstand gerade die jederzeitige Verfügbarkeit des Kabelfernsehens, der Ausfall des Fußballspiels also nicht bloß Teilerfüllung, sondern vollständige Nichterfüllung ist. 766 Allerdings wird diese Trennung nicht in allen europäischen Rechtsordnungen vorgenommen, vgl. die Aussage von Hartkamp bei der Sitzung der Unidroit-Arbeitsgruppe zu dieser Frage (Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 73): Es sei irreführend, von Vertragsaufhebung zu sprechen, soweit keine Rückabwicklung stattfinden solle; insoweit gebe es keine Vertragsaufhebung "because the contract stood as it had been performed". BoneIl dagegen bezeichnete dies als "a particular concept wh ich, for example, Italian law did not know". 767 Dabei stellt Art. 1:303(4) klar, dass damit nicht zugleich auch der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Erklärung im Sinne der englischen postal rule vorverlegt werden soll, vgl. schon oben Teil 2 c.1., Fn. 522. 768 PECL Autorenkommentar Art. 9:303 A a.E.
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gers, der nach Art. 9:102(1) ausdrücklich die "Abhilfe für eine mangelhafte Leistung" umfasst, ausgeschlossen wäre und die Regelung in dieser Bestimmung daher keinen Sinn ergäbe. Dem Autorenkommentar zufolge kann die geschuldete Abhilfe "in a variety of ways" erfüllt werden; ausdrücklich genannt werden "repair; delivery of missing parts; or delivery of a replacement,,?69 Anders als Art. 46 11 CISG schränken die Principles of European Contract Law dabei auch den Ersatzlieferungsanspruch keineswegs auf Fälle wesentlicher Schlechtlieferung ein; diese Einschränkung, die in dem auf Distanzkäufe zugeschnittenen CISG sinnvoll ist,770 wäre im allgemeineren Anwendungsbereich der Principles of European Contract Law auch nicht unbedingt angemessen. 771 Daneben stellt sich die Frage, ob der Gläubiger nicht auch bei nichtwesentlicher Nichterfüllung das Recht haben soll, das Erfüllungsangebot zurückzuweisen, wie dies auch Art. 8:104 vorauszusetzen scheint; läge in dieser Zurückweisung bereits die Erklärung der Vertragsaufhebung, zu der der Gläubiger gar nicht berechtigt wäre, würde sie ihrerseits eine Vertragsverletzung darstellen, die dem an erster Stelle vertragsbrüchigen Schuldner weitere Rechtsbehelfe eröffnen würde. Da der Gläubiger also offensichtlich ein Interesse daran haben kann, trotz Zurückweisung einer nicht vertragsgemäßen Leistung noch auf Erfüllung zu bestehen, muss im Einzelfall durch Auslegung (wohl analog Art. 5: 101 ff.) ermittelt werden, welche Bedeutung die Zurückweisung haben soll.772 Umgekehrt kann auch der Schuldner trotz Zurückweisung eines mangelhaften Erfüllungsangebotes durch den Gläubiger noch zur Nacherfüllung berechtigt sein (Art. 8: 104).773 Allerdings ist das Verhältnis zwischen dem Recht des Schuldners auf Nacherfüllung gemäß Art. 8: 104 und dem Recht PECL Autorenkommentar Art. 9: 102 C. Vgl. v. Caemmerer, Gesammelte Schriften I1I, S. 85. 771 Der Schutz der Interessen des Verkäufers, den Art. 46 11 CISG bezweckt, könnte innerhalb der Principles of European Contract Law im Einzelfall mit Hilfe der Einschränkungen, denen der Erfüllungs- und damit auch der Nachlieferungsanspruch unterliegt, bewirkt werden, wobei insbesondere an Art. 9: 102(2)(b) zu denken ist (Erfüllung, die "dem Schuldner unangemessene Anstrengungen oder Kosten verursachen würde"); kritisch gegenüber dieser Bestimmung, die "an Präzision und Sachhaltigkeit weit" hinter dem deutschen Regierungsentwurf zur Schuldrechtsreform zurückbleibe, jedoch Canaris, ZRP 2001, 330. 712 Darüber hinaus ist in PECL Autorenkommentar Art. 7: 110 F ausdrücklich von der Situation die Rede, wo "the creditor initially refuses to receive the goods but later is willing to take them". In diesem Fall wird dem Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht wegen der zwischenzeitlich entstandenen angemessenen Erhaltungskosten eingeräumt. Das ergäbe keinen Sinn, wenn in der ursprünglichen Annahmeverweigerung Vertragsautbebung läge, der Schuldner also gar nicht mehr liefern müsste und dürfte. 773 Herold, S. 227, meint, es handele sich bei der Vorschrift um eine "Besonderheit" im "Bereich der Sachmängelhaftung"; tatsächlich ist eine solche Einschränkung des Anwendungsbereiches jedoch nicht zu erkennen. 769 770
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
des Gläubigers auf Vertragsautbebung unklar; eine ausdrückliche Regelung wie in Art. 7.1.4(2) Unidroit Principles fehlt. Nach dem Wortlaut von Art. 8: 104 setzt das Recht auf Nacherfüllung nur voraus, dass die Leistung noch nicht fällig ist oder die Verzögerung durch die Nacherfüllung keine wesentliche Nichterfüllung darstellen würde. Diese Voraussetzungen sind durchaus mit dem Vorliegen einer wesentlichen Nichterfüllung gemäß Art. 8: 103 vereinbar. 774 Im Rahmen der Systematik der Principles of European Contract Law sind im Prinzip drei Möglichkeiten denkbar: (1) Das Vorliegen einer wesentlichen Nichterfüllung könnte das Recht zur Nacherfüllung von vornherein ausschließen; das ließe sich allenfalls damit begründen, dass es keinen Unterschied machen kann, ob die Wesentlichkeit der Nichterfüllung in der Unmöglichkeit einer rechtzeitigen Nacherfüllung oder in einem anderen Umstand begründet ist, entspricht aber kaum den Parteiinteressen. (2) Die Möglichkeit einer Nacherfüllung könnte umgekehrt das Vorliegen einer wesentlichen Nichterfüllung ausschließen; Art. 8: 103 wäre also unter dem Vorbehalt zu lesen, dass sich die Nichterfüllung nicht rechtzeitig heilen lässt. 775 Lehnt der Gläubiger unter diesen Umständen die Nacherfüllung ab, kann darin selbst eine Nichterfüllung liegen. (3) Denkbar ist außerdem, dass der Schuldner grundsätzlich nacherfüllen kann, solange ihm der Gläubiger diese Möglichkeit nicht dadurch abschneidet, dass er Vertragsautbebung erklärt und sich damit von seiner Obliegenheit (oder Pflicht) zur Entgegennahme der Nacherfüllung befreit (Art. 9:305(1», wobei die Vertragsautbebung sich an den Grundsätzen von Treu und Glauben (Art. 1:201(1» messen lassen muss, also nicht lediglich der Schikane dienen darf. Die beiden letztgenannten Möglichkeiten laufen dabei wohl auf weitgehend identische Ergebnisse hinaus, die letztlich dem zu Art. 48 CISG vertretenen so genannten "dynamischen Wesentlichkeitsbegriff' entsprechen. 776 Ob der Gläubiger Vertragsautbebung erklären kann oder sich Nacherfül774 Beispiel: Der Verkäufer liefert (zu dem vertraglich vereinbarten Leistungstermin oder sogar noch früher) eine völlig mangelhafte Sache; er kann aber innerhalb von Stunden vertragsgemäßen Ersatz liefern. Unter diesen Umständen ist der Wortlaut sowohl von Art. 9:301(1) i. V.m. Art. 8:103 als auch der von Art. 8:104 erfüllt. Anders anscheinend M. Krebs, S. 41, nach dessen Ansicht offenbar das Nacherfüllungsrecht eindeutig privilegiert sein soll. 775 So anscheinend Hornung, S. 105: Der (jetzige) Art. 8:104 sehe ein "generelles Recht zur Nacherfüllung" vor, jedoch nur dann, wenn die Nacherfüllung selbst nicht wiederum zu einer wesentlichen Nichterfüllung führe. 776 Vgl. dazu Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, Rn. 180; Schlechtrieml Huber, eISG-Kommentar, Rn. 17-24.
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lungsversuche gefallen lassen muss, ist demnach an erster Stelle eine Frage des vertraglich Vereinbarten; ist etwa ein Fixgeschäft vereinbart worden, dann scheidet ein Nacherfüllungsrecht natürlich aus. Fehlt eine solche Vereinbarung, dann kommt es auf die beiderseitige Zumutbarkeit an. Nahe liegend ist allerdings, dass die Grenzen der Zumutbarkeit etwa bei Werk- oder Dienstverträgen oder bei Dauerschuldverhältnissen anders, "subjektiver", zu ziehen sein könnten als im Rahmen des Kaufrechtes, was im Ergebnis das Recht des Gläubigers zur Vertragsaufhebung stärker betonen würde. 777 Die im CISG spürbare Tendenz, "die Vertragsaufhebung soweit als möglich einzuschränken",778 hängt mit den übermäßigen Kosten zusammen, die die Rückgewähr bei einem internationalen Kaufvertrag für den Verkäufer bedeuten könnte. Auf andere Verträge trifft diese Überlegung nicht in gleicher Weise zu, und erst recht nicht im rein nationalen Rahmen. Allzu pauschale Lösungen dürften sich deshalb verbieten. 779 Fällt einem mittelbaren Stellvertreter eine wesentliche Nichterfüllung zur Last, dann kann der Vertrags partner seine Rechte aus dem Vertrag auch gegenüber dem Vertretenen geltend machen, muss sich aber Einreden aus dem Verhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter entgegenhalten lassen (Art. 3:303(b». Diese Regelung ergibt wenig Sinn;78o insbesondere ist unverständlich, warum - wenn schon eine Durchgriffshaftung gewährt werden soll - diese auf den Fall einer wesentlichen Nichterfüllung beschränkt wird. 777 Beispiel: Ein Friseur hat die Haare schlecht geschnitten. Der Kunde muss selbst entscheiden können, wie lange er sich die Versuche des Friseurs, die Haare in Ordnung zu bringen, gefallen lassen will und wann er sich lieber dazu entschließt, einen anderen Friseur zu beauftragen (Vertragsaufbebung mit anschließendem Deckungsgeschäft, vgl. Art. 9:506). 778 v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 84. 779 Anders als die Unidroit Principles, aber in offenkundiger Anlehnung an Art. 85-88 CISG enthalten die Principles of European Contract Law zumindest eine rudimentäre Regelung über die Rückgewähr eines zurückgewiesenen Erfüllungsangebots: Art. 7: 110, der (auch) auf diese Situation zugeschnitten ist (PECL Autorenkommentar Art. 7:110 A), erlegt dem Gläubiger die Pflicht auf, "angemessene Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung" der angedienten "Gegenstände" (gemeint sind nur "körperliche[... ] Gegenstände[ ... ]", in normaler deutscher Terminologie also Sachen) zu ergreifen (Art. 7: 11 0(1». Die "Rückgabeverpflichtung" der "im Besitz verbliebene[n] Partei", die in Art. 7: 110(2) vorausgesetzt wird, kann durch Hinterlegung oder Selbsthilfeverkauf erfüllt werden (Art. 7:11O(2)(a), (b»; bei verderblichen oder nur unter unangemessenen Kosten aufzubewahrenden Sachen ist Selbsthilfeverkauf vorgeschrieben (Art. 7: 110(3». ,,[V]ernünftigerweise eingegangene[ ... ] Aufwendungen" sind zu ersetzen (Art. 7:110(4». 780 Selbst im englischen Recht, das diese Bestimmung möglicherweise inspiriert hat, wird die doctrine 0/ the undisclosed principal als "anomalous but [... ] firmly entrenched" betrachtet, vgl. Goode, Commercial Law, S. 181.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
b) Antizipierte Nichterfüllung Die Aufhebung des Vertrages ist auch dann möglich, wenn eine wesentliche Nichterfüllung zwar noch nicht eingetreten, aber offensichtlich zu erwarten ist (Art. 9:304).781 Hierbei handelt es sich um eine Alternative zum Zurückbehaltungsrecht nach Art. 9:201(2).782 Eine Erweiterung dieser Möglichkeit ergibt sich aus Art. 8:105(2):783 Danach genügt es für die Vertragsaufhebung, wenn die künftige wesentliche Nichterfüllung zwar nicht sicher, aber doch vernünftigerweise zu erwarten ist und der Schuldner auf Anforderung keine angemessene Gewähr für die Vertragserfüllung zur Verfügung stellt. 784 Für den Gläubiger besteht keine Obliegenheit, sich über seine Absichten zu erklären, wenn er erkennt, dass der Schuldner nicht erfüllen wird. Gemäß Art. 9:201(2) kann er vielmehr sein Zurückbehaltungsrecht geltend machen und abwarten. Dementsprechend kann auch die in Art. 9: 102(3), 9:303(2) bestimmte "angemessene Frist"785 für die Ausübung des Rechts auf Naturalerfüllung bzw. Vertragsaufhebung erst mit dem vertraglich vorgesehenen Leistungstermin beginnen, da andernfalls Art. 9:201(2) seines Sinns beraubt würde. 786 Das entspricht der Regelung im englischen Recht, nach der den Gläubiger bei anticipatory breach nicht sofort die Obliegenheit trifft, ein Deckungsgeschäft abzuschließen, sondern er vielmehr abwarten kann, ob der Schuldner nicht doch noch leistet. 787 781 Die deutsche Übersetzung von Drobnig/Zimmennann/Wicke verwendet hier, wohl in versehentlicher Anlehnung an das CISG, den Begriff "Vertragsverletzung" für non-perfonnance. 782 Anzumerken ist, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts keine wesentliche Vertragsverletzung voraussetzt, das Zurückbehaltungsrecht aber andererseits dadurch eingeschränkt wird, dass nur ein nach den Umständen angemessener Teil der eigenen Leistung zurückbehalten werden darf (vgl. Art. 9:201(1) S. 2). 783 Zur Abgrenzung zwischen den Rechten des Gläubigers für den Fall, dass die künftige Nichterfüllung klar ist, und für den Fall, dass sie lediglich vemünftigerweise zu erwarten ist, vgl. auch PECL Autorenkommentar Art. 9:201 Ca. E. 784 Allerdings fordert diese Bestimmung dem Gläubiger ebenfalls ein sorgfältiges Timing ab: Er muss nämlich abwarten, ob der Schuldner die Gewähr nicht "binnen angemessener Frist" ("within a reasonable time") gibt, dann jedoch die Vertragsaufhebung unverzüglich ("without delay") erklären. 785 Die inoffizielle deutsche Version übersetzt "within a reasonable time" in Art. 9:102(3) mit "innerhalb einer angemessenen Zeit", in Art. 9:303(2) dagegen mit "binnen angemessener Frist". Ein Bedeutungsunterschied ist damit nicht verbunden; vermutlich handelt es sich bei dieser Inkonsequenz um ein redaktionelles Versehen. 786 Als eine "sinnvolle Bestimmung" wird Art. 9:201(2) bezeichnet von Ernst, S. 136. 787 Vgl. Goode, Commercial Law, S. 430 f.
E. Principles of European Contract Law
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c) Fruchtloser Ablauf einer Nachfrist Auch die Principles of European Contract Law lassen die Vertragsaufhebung auch bei einer nicht wesentlichen Nichterfüllung ZU,788 falls der anderen Partei eine "Nachfrist von angemessener Länge" gewährt worden und diese Nachfrist erfolglos abgelaufen ist (Art. 8:106(3), 9:301(2)).789 Auch hier besteht allerdings das schon im Hinblick auf die Unidroit Principles festgestellte 790 Problem mangelnder Abstimmung zwischen den Bestimmungen über die Nachfrist und den auf schnelle Vertragsabwicklung zielenden zeitlichen Beschränkungen anderer Rechtsbehelfe. Auch in den Principles of European Contract Law ist einerseits der Gläubiger während des Laufs der Nachfrist - sinnvollerweise - auf sein Zurückbehaltungsrecht und auf Schadensersatzansprüche beschränkt ("but it may not resort to any other remedy", Art. 8: 106(2) S. 1), geht andererseits aber das Recht auf Naturalerfüllung durch Zeitablauf verloren (Art. 9: 102(3)).791 Dementsprechend rät der Autorenkommentar der an Naturalerfüllung interessierten Partei auch knapp und eindeutig, dass sie "should seek specijic peiformance", und zwar innerhalb der - wie auch noch ausdrücklich hervorgehoben wird, unter Umständen sehr kurz bemessenen - Frist von Art. 9:102. 792 Von einer Nachfristsetzung ist insoweit keine Rede. Andererseits widerspricht das der Behauptung des Autorenkommentars, dass ,,[t]he procedure set out in Article 8: 106 permits it [sc. der vertragstreuen Partei] to give the debtor a final chance to peiform [... ], without the aggrieved party losing the right to specijic peiformance". 793 788 Anders auch zu den Principles of European Contract Law Hornung, S. 106: Der Verzug solle "generell nur nach Ablauf einer vom Gläubiger gesetzten Nachfrist als wesentliche Vertragsverletzung gelten". 789 PECL Autorenkommentar Art. 9:301 Notes 3 spricht etwas missverständlich davon, dass "the Principles do not permit the non-performing party to be given extra time once the non-performance is fundamental"; damit soll aber nicht die Nachfristsetzung durch den Gläubiger bei wesentlicher Nichterfüllung ausgeschlossen werden, vielmehr richtet sich die entsprechende Abgrenzung - wie der Kontext deutlich macht - gegen die Lösung einiger romanischer Rechte, nach denen das Gericht dem Schuldner einen dilai de grace gewähren darf, sowie gegen relief against forfeiture bei Dauerschuldverhältnissen nach englischem Recht. 790 Vgl. oben Teil 2 D.III.l.b). 791 Letzteres dürfte im Anwendungsbereich der Principles of European Contract Law, der ja auch etwa Verbraucherverträge umfasst, eine wenig passende Regelung darstellen; vgl. auch Flessne r, ZEuP 1997, 309 f. 792 PECL Autorenkommentar Art. 9: 102 1. 793 PECL Autorenkommentar Art. 8: 106 C; vgl. ferner die Aussage wenige Sätze später, dass die Nachfristsetzung bei nicht wesentlicher Nichterfüllung dazu dienen kann, den Schuldner zu informieren, dass "the aggrieved party still wants proper performance", und ihm "a last chance before the aggrieved party seeks specijic performance" zu geben. 18 Coen
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Auch bei den Principles of European Contract Law böte sich als Abhilfe vor allem die Möglichkeit, bei der Bemessung der "reasonable time", nach deren Ablauf das Recht auf Naturalerfüllung gemäß Art. 9: 102(3) als verwirkt gilt, eine vom Gläubiger gemäß Art. 8:106 gesetzte Nachfrist nicht oder nur insoweit einzurechnen, als sie einen angemessenen Zeitraum übersteigt. Das entspräche der Regelung bei Art. 8:108, wo zeitweilige Leistungshindernisse ebenfalls das Recht auf Naturalerfüllung ausschließen, aber wohl nicht zu einer Verwirkung des Rechtsbehelfs führen. Ob eine solche Interpretation von Art. 9: 102(3) möglich ist, erscheint freilich unklar; der Autorenkommentar stellt für die Bemessung der Frist, nach deren Ablauf das Naturalerfüllungsrecht als verwirkt gilt, lediglich auf den Schutz des Schuldners vor "hardship that could arise in consequence oJ a delayed request Jor peiformance by the aggrieved party", mithin nicht auf die Interessen des Gläubigers, ab. 794 Andererseits lässt diese Formulierung immerhin die Möglichkeit offen, die unter Fristsetzung erfolgende Aufforderung zur Nacherfüllung ihrerseits als Form der Geltendmachung des Naturalerfüllungsrechts im Sinne von Art. 9: 102 zu verstehen. Ein "request Jor peiformance" liegt in der Nachfristsetzung sicherlich, auch wenn Art. 9: 102 wohl eher an einen Rechtsbehelf im Rahmen eines gerichtlichen oder schiedsrichterlichen Verfahrens zu denken scheint. 795 Auch innerhalb der Principles of European Contract Law ist einem Gläubiger, der an einer Naturalerfüllung noch interessiert ist, zur Nachfristsetzung deshalb nur dann zu raten, wenn keine wesentliche Nichterfüllung vorliegt. 796 Andernfalls sollte er gleich auf Leistung klagen und kann dann später immer noch auf die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches übergehen (vgl. Art. 8:102 S. 2) oder vom Vertrag zurücktreten,797 falls sich der Schuldner nicht auf die Erfüllung eingestellt und entsprechende PECL Autorenkommentar Art. 9: 102 I. Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:102 A, der zwischen dem - aufgrund des Vertrages ohnehin bestehenden - "right to demand the other party's performance" und der von Art. 9:102 zusätzlich gewährten "remedy to enJorce this right, e. g. by applying Jor an order or decision oJ the court", differenziert. Gegen eine Auslegung dahingehend, dass auch eine bloße Leistungsaufforderung gemäß Art. 8: 106 (und nicht erst eine Klage) als Geltendmachung des Naturalerfüllungsrechts im Sinne von Art. 9: 102(3) zu verstehen sein und damit dem Gläubiger das Naturalerfüllungsrecht erhalten soll, würde auch sprechen, dass sich der Gläubiger durch wiederholte Nachfristsetzungen seinen Natura1erfüllungsanspruch gleichsam auf unbestimmte Zeit erhalten könnte. 796 Laut PECL Autorenkommentar Art. 9:301 Note 3 darf bei wesentlicher Nichterfüllung sogar gar keine Nachfrist gesetzt werden; hier dürfte es sich allerdings wie schon soeben in Fn. 789 festgehalten - wohl eher um eine missverständliche Fonnulierung handeln. 797 So auch die einleitende "Survey oJ Chapters 1-9" in LandolBeale (2000), S. xl, das darauf hinweist, dass "it would be perfectly permissible to seek an order 794 795
E. Principles of European Contract Law
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Maßnahmen getroffen hat. 798 Ratsam ist die Nachfristsetzung umgekehrt dann, wenn der Gläubiger ohnehin nicht mehr an einer Naturalerfüllung interessiert ist und vom Vertrag loskommen möchte, und zwar auch wiederum nur dann, wenn keine fundamental non-peiformance vorliegt, da er diesen Umweg sonst nicht zu gehen brauchte, sondern sogleich den Rücktritt erklären könnte (Art. 9:301(1)). Hat der Schuldner im Fälligkeitszeitpunkt noch keine Leistung erbracht, so kann der Gläubiger gemäß Art. 9:303(3)(a) bis zu einem Erfüllungsversuch des Schuldners (bzw. sogar noch eine angemessene Zeit danach) abwarten, bevor er sich endgültig für eine Vertragsaufhebung entscheiden muss, was natürlich die Möglichkeit offen lässt, auf Kosten des Schuldners zu spekulieren. Eine Ausnahme gilt gemäß Art. 9:303(3)(b) nur dann, wenn der Gläubiger weiß oder Grund zu der Annahme hat, dass der Schuldner innerhalb einer angemessenen Zeit erfüllen will, und er dem Schuldner "unangemessenerweise nicht mitteilt", dass er die (verspätete) Leistung ablehnen wird. Diese Einschränkung gilt aber nur dann, wenn der Gläubiger von vornherein fest zur Ablehnung der Leistung entschlossen ist; laut Autorenkommentar darf er nämlich "wait to see whether peiformance will ultimately be tendered and under Article 9:303 it may make up its mind if and when this happens,,?99 Wie der Schuldner - dem insoweit wohl die Beweislast aufzubürden sein wird eine solche vorbestehende feste Absicht des Gläubigers nachweisen soll, ist nicht recht klar. In der Praxis dürfte die gut gemeinte Schuldnerschutzvorschrift des Art. 9:303(3)(b) daher wenig Wert haben. Ähnlich wie im CISG und den Unidroit Principles besteht die Möglichkeit zur Vertragsaufhebung nach fruchtlosem Ablauf einer Nachfrist außer bei wesentlicher Nichterfüllung allerdings nur dann, wenn die Leistung verzögert war (Art. 8:106(3), 9:301(2)).800 Wird eine Leistung erbracht, die zwar mangelhaft ist, aber keine wesentliche Nichterfüllung darstellt, dann ist eine Nachfristsetzung zwar möglich, um den Schuldner an seine Leistungspflicht zu erinnern, der fruchtlose Ablauf der Nachfrist berechtigt aber nach dem Autorenkommentar nicht zur Vertragsaufhebung. 801 Freilich kann die Abgrenzung zwischen Verzögerung der Leistung und mangelhafter Leistung Schwierigkeiten bereiten. 802 Hinzu kommt noch die Vorschrift des for peiformance first and then, if there seems little prospect of the order being obeyed, to terminate the contract". 798 So PECL Autorenkommentar Art. 8: 102 C. 799 PECL Autorenkommentar Art. 9:303 C (2). 800 Anders aber anscheinend auch insoweit Schlechtriem, Abstandnahme, S. 167, und Fischer, S. 85. Allerdings wird dieser Punkt im Autorenkommentar auch nicht so deutlich herausgestellt wie im Fall der Unidroit Principles. 801 PECL Autorenkommentar Art. 8:106 C (insb. auch Illustration 4). 802 Laut PECL Autorenkommentar Art. 8: 104 Illustration 3 und 8: 106 B Illustration 2 kann etwa eine Nachfrist gesetzt werden, wenn ein Werk nicht rechtzeitig 18'
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Art. 8: 104, die offenkundig von der Vorstellung ausgeht, dass es eben doch eine "Verzögerung" der Leistung darstellt, wenn der Schuldner zunächst ein nicht vertragsgerechtes Erfüllungsangebot macht und nach Zurückweisung durch den Gläubiger die Erfüllung nicht rechtzeitig nachholt. Wie der Widerspruch zwischen beiden Bestimmungen aufzulösen ist, bleibt unklar. Möglicherweise gilt eine mangelhafte Leistung, die zurückgewiesen wird, gar nicht als Leistung,803 so dass in diesem Fall eine "Verzögerung" vorliegt. Es besteht der Verdacht, dass die Autoren der Principles of European Contract Law Art. 8:104 aus dem englischen Recht,804 die Nachfristregelung in Art. 8:106 dagegen aus den kontinentalen Rechtsordnungen importiert haben,805 ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen, dass beide Regelungen nur unterschiedliche Facetten desselben Sachproblems betreffen und deshalb hätten aufeinander abgestimmt werden müssen. 806 An diesem Beispiel zeigt sich auch erneut, welche Probleme die Doppeldeutigkeit des perjonnance-Begriffes machen kann: Ob "delay in peifonnance" als "Verspätung der Leistung" oder als "Verzögerung der Erfüllung" zu verstehen ist (im letzteren Sinne die deutsche Übersetzung von Drobnig/Zimmermannl Wicke), macht durchaus einen Unterschied. Nach dem Wortlaut der Principles of European Contract Law muss der Gläubiger bei einer Verzögerung der Leistung, die noch keine wesentliche Nichterfüllung darstellt, den Ablauf der Nachfrist auch dann abwarten, wenn der Schuldner bereits ernsthaft und endgültig erklärt hat, die Leistung nicht mehr erbringen zu wollen: Art. 8: 106(2) S. 1 gewährt für diesen Fall der "benachteiligten Partei" zwar "jeden Rechtsbehelf [... ], der ihr nach Kapitel 9 zur Verfügung stehen mag", aber die Aufhebung des Vertrages steht nach diesen Vorschriften gerade nicht zur Verfügung, weil Art. 9:301 fertig gestellt wird. Warum der Fall, dass der Unternehmer das Werk zunächst mangelhaft herstellt und nicht rechtzeitig nachbessert, anders behandelt werden soll, ist unverständlich. 803 Das würde der Regelung im englischen Recht entsprechen, wonach trotz Leistung des Schuldners eine total failure of consideration vorliegt, wenn der Gläubiger diese Leistung berechtigt zurückweist, vgl. oben Teil 2 A.III.I.b), Fn. 244. Zur Problematik der Zurückweisung von Leistungen in den Principles of European Contract Law vgl. allerdings schon oben Teil 2 E.II.l.a), Fn. 727. 804 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 8:104 Notes I, wo es ausdrücklich heißt, dass Art. 8:104 "seems to correspond to English and Scottish law". 805 In PECL Autorenkommentar Art. 8: 106 Notes 2 wird - wie erwähnt - darauf hingewiesen, dass das deutsche Nachfristmodell die Bestimmung inspiriert habe. 806 Nähme man Art. 8: 104 wörtlich, dann dürfte der Schuldner trotz Fristsetzung nach Art. 8: 106 nicht mehr nacherfüllen, wenn die Verzögerung seiner Leistung mittlerweile als wesentliche Nichterfüllung einzuordnen ist. Das ist offensichtlich nicht sinnvoll, wie Flessner, ZEuP 1997, 282, feststellt, der aber (Fn. 110) dem heutigen Art. 8: 103(a) das Gegenteil entnehmen will, was freilich nicht nachvollziehbar ist.
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das einschränkende Erfordernis aufstellt, dass entweder eine wesentliche Nichterfüllung oder ein fruchtloser Ablauf der Nachfrist gemäß Art. 8:106 (3) vorliegen muss. Art. 9:304 dagegen ist seinem Wortlaut nach nur dann anwendbar, wenn "schon vor dem Zeitpunkt, zu dem eine Partei zu leisten hat, offensichtlich" ist, dass es zu einer wesentlichen Nichterfüllung kommen wird. Ein sachlicher Grund für diese Unterscheidung ist nicht zu erkennen; es dürfte sich wohl um einen Redaktionsfehler handeln. 807 Die Regel in Art. 9:304 dürfte trotz ihres Wortlauts und trotz der Überschrift (,,Anticipatory Non-Performance") a fortiori auch für die Fälle gelten, in denen der Schuldner erst nach Fälligkeit die Leistung verweigert. 808 Unklar ist allerdings, innerhalb welcher Frist die Aufhebung zu erklären ist, da gemäß ausdrücklicher Anordnung in Art. 9:303(2)(a) "die benachteiligte Partei die Aufhebung nicht zu erklären [braucht], bevor ein Angebot [sc. zur Erfüllung] gemacht worden ist",809 was im Falle der Erfüllungsverweigerung vermutlich nie eintreten wird. 810 An diesen Unstimmigkeiten wird deutlich, dass die Autoren der Principles of European Contract Law das Problem einer Erfüllungsverweigerung nach Fälligkeit wohl nicht gesehen haben. d) Dauerndes und vollständiges Erfüllungshindernis Zu einer automatischen Vertragsaufhebung ("ohne weiteres und ohne Erklärung") kommt es, wenn eine Partei "gemäß Artikel 8: 108 durch 807 Anders auch PECL Autorenkommentar Art. 9:301 C: "The same [sc. das Recht zur Aufhebung] applies if the defaulting party has declared that it will not perfonn within the period so fixed". 808 Vgl. zur ähnlichen Problematik im Rahmen des ersten Einheitskaufrechts von Rabel dessen Entwurf, S. 78 f.: "Während auf dem Boden des deutschen BGB. [sie] auch darüber gestritten wird, welche Folgen eine Erfüllungsweigerung nach Verzugseintritt hat, lag es dem Entwurf nur nahe, wie das englische Recht für den Fall einer wirklich vorzeitigen Weigerung vorzusorgen, die also vor dem Ende der festen oder der angemessenen Lieferfrist erfolgt. Für die Zeit bis zum Ablauf der Nachfrist gilt natürlich dasselbe a fortiori; der Käufer braucht keine Nachfrist zu setzen, und wenn er sie schon gesetzt hat, ihren Ablauf nicht abzuwarten." 809 Eine Ausnahme sieht Art. 9:303(3)(b) nur für den Fall vor, dass "die benachteiligte Partei weiß oder Grund zu der Annahme hat, dass die andere Partei binnen angemessener Frist die Leistung noch anzubieten beabsichtigt". E eontrario lässt sich daraus folgern, dass Art. 9:303(3)(a) immer dann eingreift, wenn die benachteiligte Partei keinen Grund zu der Annahme hat, dass die andere Partei die Leistung anzubieten beabsichtigt. 810 Rabel, Entwurf, S. 79, verlangte für diesen Fall (wie bei der antizipierten Erfüllungsverweigerung insgesamt) eine unverzügliche Erklärung der Vertragsaufhebung und sah den Grund dafür "einfach in dem estoppel-Gedanken, darin also, daß der vertragstreue Teil den anderen beim ungetreuen Wort nehmen darf und daß er dies tatsächlich ähnlich einem Antragsempfänger tut".
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
ein vollständiges und dauerhaftes Leistungshindernis entschuldigt" ist (Art. 9:303(4)). Hierzu erklärt der Autorenkommentar, dass man zwar aus Gründen der Einfachheit auch bei force majeure die Vertragsaufhebung grundsätzlich durch Gestaltungserklärung eintreten lassen wolle, dass es jedoch unsinnig sei, dem Gläubiger das Recht zur Aufrechterhaltung eines Vertrages zu geben, dessen Ausführung vollständig und dauernd unmöglich geworden sei. 811 Diese Überlegung würde allerdings die automatische Vertragsaufhebung bei Unmöglichkeit auch dann nahe legen, wenn der Schuldner nicht nach Art. 8:108 befreit iSt. 812 Auch der Umstand, dass bei der nicht entschuldigten Nichterfüllung der Zeitpunkt der Vertragsaufhebung als Anknüpfungspunkt für die Berechnung des Schadensersatzes benötigt wird (vgl. Art. 9:507), erklärt diese Differenzierung nicht, weil nicht erkennbar ist, warum man dem Gläubiger die Möglichkeit bewahren sollte, den Zeitpunkt der Vertragsaufhebung hinauszuschieben und so auf Kosten des vertragsbrüchigen Schuldners zu spekulieren. Offenbar hat man sich ohne allzu großes Nachdenken über die innere Konsequenz an entsprechenden Regelungen nationaler Rechte orientiert. 813 Abgesehen davon, dass keine Gestaltungserklärung gefordert wird, wo sie ohnehin überflüssig wäre, machen es die Principles of European Contract Law dem Gläubiger unmöglich, den Zeitpunkt der Vertragsaufhebung hinauszuschieben, um so auf Kosten des Schuldners von späteren Marktentwicklungen zu profitieren. Freilich steht dem auch ein gewichtiger regelungstechnischer Nachteil gegenüber: Der gen aue Zeitpunkt, zu dem die Unmöglichkeit eintritt, kann erhebliche rechtliche Bedeutung haben. 814 Ob die Rückabwicklungsregelungen der Principles of European Contract Law auf Leistungen angewandt werden können, die eine Partei in Unkenntnis der bereits automatisch eingetretenen Vertragsaufhebung erbringt, dürfte zweifelhaft sein. Die Feststellung des Zeitpunkts der Unmöglichkeit kann Schwierigkeiten machen, zumal nicht unbedingt sogleich absehbar sein PECL Autorenkommentar Art. 8: 108 D. Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:301 Notes 2, wo es zudem ausdrücklich heißt, die Principles of European Contract Law benutzten dieselben Regeln für die Vertragsaufhebung, gleichgültig, ob die Nichterfüllung entschuldigt sei oder nicht. Möglicherweise ergibt sich in diesem Fal1 über Art. 9: 102(2)(a) tatsächlich eine automatische Vertragsaufhebung, vgl. sogleich unter Teil 2 E.II.l.e). 813 PECL Autorenkommentar Art. 9:303 Notes 4 verweist auf das italienische Recht; daneben dürfte aber insbesondere an die frustration nach englischem Recht gedacht sein. Zur automatischen Vertragsaufhebung vgl. insoweit Lord Devlin, [1966] C.LJ. 207 f. 814 Insoweit problematisch die Aussage von Flessner, ZEuP 1997, 276, dass der Unterschied zwischen automatischer Vertragsbeendigung und Vertragsbeendigung durch Gestaltungserklärung keine praktische Auswirkung habe, da "der Gläubiger auch bei von selbst eintretender Befreiung sich im Streitfal1 doch irgendwann auf diese Rechtsfolge ausdrücklich berufen" müsse. 811
812
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E. Principles of European Contract Law
muss, ob das Leistungshindernis überhaupt auf Dauer bestehen wird;815 auf diese Weise kann es zu zufälligen Ergebnissen kommen. Auch der Schuldner braucht von dem Umstand, der ihm die Leistung unmöglich macht, nicht unbedingt sofort zu erfahren, so dass die schadensersatzbewehrte Pflicht zur Mitteilung an den Gläubiger (Art. 8: 108(3», die man aus Art. 79 IV CISG übernommen hat, nicht unbedingt Abhilfe schafft. e) Wegfall des Interesses einer Partei Wie bereits erwähnt,816 diskutiert der Autorenkommentar auch die Möglichkeit, dass in zwei weiteren Fällen eine automatische Vertragsaufhebung eintreten könnte, nämlich dann, wenn der Gläubiger nicht berechtigt ist, gegen den Widerstand des Geldschuldners seine eigene Leistung zu erbringen (Art. 9: 101 (2» oder eine Verpflichtung des Schuldners zur Sachleistung durchzusetzen (Art. 9: 102(2». Der erstgenannte Fall liegt dann vor, wenn der Geldschuldner nicht bereit ist, die Leistung des Gläubigers anzunehmen, und der Gläubiger "ohne nennenswerte Anstrengungen oder Kosten ein angemessenes Deckungsgeschäft" hätte abschließen können (Art. 9:101 (2)(a» oder die Leistung "nach den Umständen unangemessen" wäre (Art. 9: 101(2)(b». Der zweite Fall ist gegeben, wenn die Sachleistung rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist (Art. 9:102(2)(a»817 oder dem Schuldner "unangemessene Anstrengungen oder Kosten verursachen" würde (Art. 9:102(2)(b», aber auch, wenn "die Erfüllung in der Erbringung von Dienst- und Werkleistungen persönlichen Charakters besteht oder von einer persönlichen Beziehung abhängt" (Art. 9: 102(2)(c» beziehungsweise der Gläubiger "die Leistung vernünftigerweise aus einer anderen Quelle erhalten kann" (Art. 9: 102(2)(d». Gerade der zuletzt genannte Fall zeigt aber, zu welch unsinnigen Ergebnissen es führen müsste, wenn man den Gedanken einer automatischen Vertragsaufhebung ernst nähme: Jeder Vertrag, bei dem sich der Gläubiger auch anderweitig eindecken könnte, wäre automatisch aufgehoben. Man muss also zumindest verlangen, dass der Schuldner die geschuldete Leistung nicht erbringt oder sie verweigert. In diesem Fall ergibt es aber wenig Sinn, die Vertragsaufhebung je nach Durchsetzbarkeit der geschuldeten Leistung mal von einer Erklärung des Gläubigers abhängig zu machen, mal automatisch eintreten zu lassen. Der Gedanke, keine überflüssigen Aufhebungserklärungen zu verlangen, wenn der Vertrag ohnehin nicht mehr bestimmungsgemäß abgewickelt werden kann, und dem Gläubiger überdies Zu diesem Problem im englischen Recht Hammer, S. 95. Vgl. Teil 2 E.II.l., Fn. 724. 817 Wenn in diesem Fall automatisch Vertragsaufhebung Art. 9:303(4) natürlich überflüssig. 815
816
einträte,
wäre
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
eine Spekulation auf Kosten des Schuldners zu verweigern, mag zwar sympathisch sein; wenn man ihn wirklich hätte durchführen sollen, dann hätte man konsequenterweise eher die ipso-Jacto-Auflösung des EKG (vgl. dort Art. 25) übernehmen sollen. Wie allerdings noch zu zeigen sein wird, fügt sich insbesondere Art. 9: 101 (2) ohnehin nicht richtig in die Systematik der Principles of European Contract Law ein. 818 2. RechtsJolgen der Vertragsaufhebung
Welche Rechtsfolgen die Vertragsaufhebung haben soll, lässt sich den Principles of European Contract Law trotz einer Reihe einschlägiger Bestimmungen nicht entnehmen. Man hat den Eindruck, dass sich die Verfasser möglicherweise selbst keine klaren Gedanken darüber gemacht haben. 819 Die Grundidee, die sich der Regelung vermutlich entnehmen lässt, ist wohl, dass die Vertragsaufhebung keine Rückwirkung hat; sie soll lediglich die Parteien von ihren bestehenden Leistungspflichten befreien, dagegen Rechte, die bereits entstanden sind, unberührt lassen. Eine Rückabwicklung des Vertrages ist nicht allgemein vorgesehen, sondern nur punktuell, nämlich im Prinzip insoweit, als nur einseitig Leistungen erbracht worden sind und so das Vertragsgleichgewicht gestört ist. 820 Vermutlich hat man sich dabei an Grundsätzen des englischen Rechts orientieren,821 diese aber zugleich modernisieren und an die Stelle des mit vielen archaischen RegeVgl. unten Teil 2 E.II.2.a)(3), Fn. 847. Lando, der in seinem Überblicksaufsatz über die Principles of European Contract Law die Vertragsaufhebung nach wesentlicher Nichterfüllung ausführlich behandelt (Eight Principles, S. 115-118), äußert sich darin mit keinem Wort zur Rückabwicklung. 820 So auch Hornung, S. 111, dem zufolge aus dem Zusammenspiel der Art. 9:307 und 9:308 deutlich wird, dass "die Parteien diejenigen Leistungen nicht herausverlangen können, für die sie eine adäquate Gegenleistung erhalten haben". Nach Ansicht von Hornung, der sich insoweit auf PECL Autorenkommentar Art. 9:305 B (bzw. dessen Äquivalent in der auf Teil I beschränkten Ausgabe der Principles of European Contract Law) bezieht, soll dies "insbesondere für Verträge über periodisch wiederkehrende Leistungen von Bedeutung sein". Dies trifft allerdings nur dann zu, wenn sich die Gegenleistung nicht (auch nicht rechnerisch) anteilig einzelnen der wiederkehrenden Leistungen zuordnen lässt, weil andernfalls bereits Art. 9:302 eingreift, so auch PECL Autorenkommentar Art. 9:305 C a. E. Dass Hornung die (bereits in der ersten Fassung der Principles of European Contract Law als Art. 4.302 enthaltene) Bestimmung des Art. 9:302 übersehen hat, legen auch seine Ausführungen S. 177 f., 182 nahe. 821 So ausdrücklich Lando im Rahmen der Beratungen der Unidroit Principles, Unidroit 1989, Study L - Mise. 13, S. 65: Für die Principles of European Contract Law habe man die Lösung des Common Law übernommen, die einfach eine Vertragsbeendigung für die Zukunft vorsehe, so dass keine komplizierten Berechnungen erforderlich seien. Diese Äußerungen fielen zwar im Zusammenhang mit der 818
819
E. Principles of European Contract Law
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lungen (wie etwa dem total-Iailure-ol-consideration-Erfordernis und den Sonderregeln für entire contracts) belasteten Rückabwicklungsregimes, das selbst in England wenig Gefolgschaft findet, eine konsequentere Lösung setzen wollen. An sich sind diese guten Absichten nicht zu beanstanden; das Problem liegt lediglich in der wenig klaren Art, in der sie umgesetzt worden sind. Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass sich die entsprechenden Regelungen zumindest an zwei entscheidenden Punkten in ganz entgegengesetzter Weise interpretieren lassen, und zwar in Abhängigkeit vom nationalen Vorverständnis des Lesers. Für ein internationales Vereinheitlichungsprojekt ist das ein unbefriedigender Befund. a) Die Grundnorm für die Rückabwicklung: Art. 9:305(1) (1) Widersprüchlichkeit der Fonnulierung
Schon die Grundnorm für die Rückabwicklung in Art. 9:305(1) gibt Rätsel auf. Die Vorschrift ordnet an, dass die Aufhebung des Vertrages "beide Parteien von ihrer Verpflichtung, künftige Leistungen zu erbringen und anzunehmen", befreit, zugleich aber - von den in Art. 9:306 bis 9:308 normierten Ausnahmen abgesehen _822 "nicht die Rechte und Pflichten, die bis zum Zeitpunkt der Aufhebung entstanden sind" ("that have accrued up to the time 01 tennination"), berührt. Zwischen beiden Teilen der Bestimmung besteht eine Spannung, die sofort ins Auge springt: Einerseits sollen alle entstandenen Pflichten grundsätzlich die Vertragsaufhebung überdauern, andererseits werden die Parteien von ihren Leistungspflichten befreit. Die Primärleistungspflichten ihrerseits sind aber regelmäßig schon mit Vertragsabschluss "entstanden". Die Parteien sollen also von ihren Primärleistungspflichten befreit werden, andererseits gehören diese Pflichten aber auch zu den Pflichten, die von der Vertragsaufhebung unberührt bleiben sollen. 823 Anfechtung des Vertrages, Lando kann aber wohl nur die Vertragsaufhebung gemeint haben. 822 Auffälligerweise fehlt ein Verweis auf Art. 9:309, der die "Erstattung für eine Leistung, die nicht zurückgegeben werden kann", regelt; der Wertersatz bei Unmöglichkeit der Rückgabe in Natur wird von den Autoren also offenbar nicht als eine logische Erweiterung des Rechts auf Rückgabe gesehen, sondern als ein hinzutretender Vergütungsanspruch, der eher Teil der "Abwicklung" als der Rückabwicklung des Vertrages ist. Auch hier dürfte wohl die englische Konzeption des quantum-meruit-Anspruchs als eines gewissermaßen quasivertraglichen Anspruchs die Autoren beeinflusst haben. Auf die Schwierigkeiten im Hinblick auf die Interpretation der Vorschrift wird noch unten Teil 2 E.II.2.e) einzugehen sein. 823 Kein Hinweis auf dieses Problem findet sich bei Hornung, S. 111, der lediglich feststellt, dass an Art. 9:305 und den folgenden Bestimmungen die "Grundentscheidung für eine im Wesentlichen auf die Zukunft gerichtete Vertragsaufhebung" deutlich werde und dass es "keinesfalls automatische Konsequenz der Vertragsauf-
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Es darf angemerkt werden, dass die Autoren der Principles of European Contract Law mit der Kodifikation dieser widersprüchlichen Bestimmung in eine Falle gegangen sind, die ihre Kollegen im Rahmen der Unidroit Principles vermieden haben. Der von Lando vorgelegte erste Entwurf für eine Regelung der Vertragsaufhebung bei Nichterfüllung in den Unidroit Principles enthielt eine Bestimmung, die mit Art. 9:305(1) nahezu wortgleich ist. 824 Diese Formulierung wurde auch in die ersten sieben Entwürfe der Unidroit Principles aufgenommen, dann aber dahingehend abgeändert, dass der zweite Halbsatz gestrichen wurde;825 in dieser Gestalt wurde die Bestimmung dann als Art. 7.3.5(1) Teil der veröffentlichten Version der Unidroit Principles. 826 Die Änderung wurde dem Goveming Council von Unidroit gegenüber mit der Missverständlichkeit der ursprünglichen Formuhebung" sei, dass "die Parteien sich all das rückerstatten müssen, was sie einander wechselseitig geleistet haben". Seiner Ansicht nach dürfte ,,[d]iese Regelung [... ] insbesondere für Verträge über periodisch wiederkehrende Leistungen von Bedeutung sein"; insoweit beschränkt aber schon Art. 9:302 S. 2 die Vertragsaujhebung grundsätzlich auf die gestörten Einzelleistungen, so dass es einer zusätzlichen Einschränkung der Rückabwicklung nicht bedurft hätte. Herold, S. 233, meint, es trete "Befreiung von bisher unerfüllten Leistungspflichten ein", also offenbar auch von solchen, die bereits fällig geworden sind. Schwartze, S. 189, unterstellt lediglich ohne nähere Nachprüfung, dass in den von ihm untersuchten Rechtsordnungen (zu denen auch die Principles of European Contract Law und das englische Recht zählen) bei der Vertragsaufhebung "die primären Vertragspflichten entfallen". 824 Der Entwurf ist veröffentlicht in Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b). Art. 6(1) dieses Entwurfs hat folgenden Wortlaut: "Termination of the contract releases both parties from their obligation to effect and to receive future performance, but, subject to Art. 7 and 8, does not affect the rights and liabilities that have accrued at the time of termination." Art. 7 und 8 regelten getrennt voneinander die Rückforderung von erbrachten Geldleistungen und von "property". Art. 7(1) entsprach dabei im großen und ganzen dem heutigen Art. 9:307 Principles of European Contract Law, während Art. 8 dem heutigen Art. 9:308 ähnelt. Allerdings sehen beide Formulierungen, anders als in den heutigen Principles of European Contract Law, vor, dass empfangene Leistungen jeweils Zug um Zug ("concurrently") zurückzuerstatten sind. Dagegen fehlten Regelungen, die den heutigen Art. 9:306 und 9:309 entsprechen würden; die Abwesenheit einer Wertersatzregelung erklärt sich damit, dass der von Lando vorgeschlagene Art. 5 die Vertragsaufhebung durch eine Partei, die "tangible property" erhalten hat, grundsätzlich von der Möglichkeit zur unversehrten Rückgabe abhängig machte. Landos Formulierungen (einschließlich der Ausnahmen vom Grundsatz der unversehrten Rückgabe) waren im Wesentlichen textgleich mit Art. 82 CISG. 825 Vgl. die ,,7th consolidated version" der Unidroit Principles vom Oktober 1990 und die nachfolgende Version vom Dezember desselben Jahres. 826 Die Bestimmung lautet in der deutschen Übersetzung des Unidroit-Instituts: "Die Aufhebung des Vertrages befreit beide Parteien von ihrer Pflicht, eine künftige Erfüllung auszuführen oder anzunehmen." Stilistisch leicht abweichend die deutsche Übersetzung von Art. 9:305(1) Principles of European Contract Law von Drobnigl Zimmermann/Wicke: ,,[ ... ] von ihrer Verpflichtung, künftige Leistungen zu erbringen und anzunehmen [... ]".
E. Principles of European Contract Law
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lierung begründet: ,,[ ... ] to state in general terms that the termination of a contract has no retroactive effect, while at the same time referring to the provision on restitution as if it were an exception, was somehow misleading".827 Wenn man anordne, dass die Aufhebung des Vertrages grundsätzlich Rückabwicklung nach sich ziehen solle, dann sei es wenig sinnvoll, zugleich ausdrücklich anzuordnen, dass die Vertragsaufhebung keine Rückwirkung haben solle; vorzugswürdig sei es statt dessen, die Ausnahmen vom Grundsatz der beiderseitigen Rückabwicklung aufzuführen. 828 Dementsprechend wurde die (möglicherweise allzu knappe) Regelung geschaffen, die sich heute in Art. 7.3.5, 7.3.6 Unidroit Principles findet. Im Rahmen der Principles of European Contract Law ist man dagegen den umgekehrten Weg gegangen: Die widersprüchliche Regelung in Art. 9:305(1) wurde beibehalten, und statt den Grundsatz der vollständigen Rückgewähr erbrachter Leistungen zu betonen, wurde er auf Fälle gestörter Austauschäquivalenz eingeschränkt. 829 Zusätzlich eingefügt wurden die Vorschriften, die sich jetzt in Art. 9:306 und 9:309 finden und die, wie noch darzustellen sein wird, beide fast ebenso große Schwierigkeiten bereiten wie Art. 9:305(1).830 827 Vgl. die ,,Note by the Secretariat" für die 71. Sitzung des Governing Council von Unidroit vom 22. bis 25. Juni 1992, Unidroit 1991, C.D. (71) 6, S. 12 f. Vorgeschlagen wurde die Änderung offenbar zunächst von Fontaine, vgl. das Protokoll der Arbeitssitzung in Den Haag vom 19. bis 23. November 1992, Unidroit 1992, P.C. - Mise. 16, S. 74. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Warnung von Treitel, Remedies, S. 383, der darauf verweist, dass "general statements to the effect that termination operates either retrospectively or prospectively are oJ limited value" und dass die in der Praxis zu findenden "various rules [... ] cannot be explained by reJerence to any single theory oJ retrospective or prospective effect". 828 ,Jndeed, since, as a rule, parties are under an obligation to make restitution oJ whatever they have received, it was better not to have a provision stating the non-retroactive effect oJ termination at all, and instead to provide in the separate article on restitution Jor the possible exceptions to the general principle oJ restitution." (Unidroit 1991, C.D. (71) 6, S. 13.) 829 Diese Beschränkung war allerdings schon in Landos ursprünglichem Entwurf (vgl. zu diesem Entwurf soeben Fn. 824) für Rückabwicklung von Geld vorgesehen, die nach Darstellung des Autors nur in Betracht kommen sollte, wenn der Gläubiger "has paid Jor a performance which he did not receive" (Unidroit 1986, Study L Doc. 35, Seetion (b), S. 9), nicht dagegen für die Rückforderung von "property"; letztere sollte unter der Bedingung möglich sein, dass dafür erhaltene Bezahlung Zug um Zug zurückzuerstatten sei ("provided that he makes a concurrent restitution to the other party oJ the money received", S. 3 (Art. 8 des Entwurfs), 10-12). Nach Ansicht von PECL Autorenkommentar Art. 9:309 Notes 8(c) a.E. sind die Principles of European Contract Law allerdings "broadly in accordance with those systems which take a liberal approach to restitution after termination and thus enable the court or arbitrator to order Jull restitution oJ benefits received". 830 Landos Entwurf (siehe soeben Fn. 824) sah zwar in seinem Art. 7(1) vor, dass Geld, das der Gläubiger Jor a performance which he did not receive or which he
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Von den Unklarheiten und inneren Widersprüchen abgesehen, die der Lösung der Principles of European Contract Law immanent sind (die die Lösung der Unidroit Principles allerdings vielleicht auch nur um den Preis größerer Knappheit und damit auch Vagheit vermeidet), ist zu fragen, ob überhaupt zwingende Gründe - die von Bonell im Rahmen der Erarbeitung der Unidroit Principles geforderten "stringent reasons" _831 für die abweichenden Regelungen zu erkennen sind. Dass die Regelung der Rückabwicklung nach Vertragsauthebung in den Principles of European Contract Law "europäischer" wäre als die Regelung in den Unidroit Principles, lässt sich schwerlich behaupten. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die in den Unidroit Principles angeordnete vollständige Rückabwicklung der beiderseitigen Leistungen Handelsverträgen angemessener wäre oder dass umgekehrt die eingeschränkte Rückabwicklung in den Principles of European Contract Law auf Verbraucherverträge, für die diese ebenfalls gelten, besser passte; eher dürfte das Gegenteil der Fall sein. Zumindest wird in den jeweiligen Autorenkommentaren auch nicht der Ansatz zu einer solchen Erklärung gemacht. 832 Es dürften also weniger Sachgründe sein, die den Ausschlag für die eine oder die andere Lösung gegeben haben, als vielmehr persönliche Präferenzen und unterschiedliche Mehrheits- beziehungsweise Machtverhältnisse in den verschiedenen Arbeitsgruppen - ein ernüchternder Befund, der ebenfalls zu Kritik berechtigt.
properly rejected" gezahlt hat, rückforderbar sei, enthielt aber keine Aussagen darüber, wann eine solche Zurückweisung zulässig sein sollte (in seinen Erläuterungen spricht Lando ohne nähere KlarsteIlung von "rightfully rejects" bzw. "properly rejected", vgl. Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b), S. 9 f.). Eine Wertersatzlösung war - wie oben bereits erwähnt - nicht vorgesehen, weil Lando sich an der Regelung in Art. 82 CISG orientierte; nach Ansicht Landos benachteiligt die Lösung des CISG die vertragstreue Seite nicht ungerechtfertigt, weil ihr auch dort, wo die Vertragsaufhebung ausgeschlossen sei, Schadensersatzansprüche und Minderung zur Verfügung stünden (S. 7). 831 Vgl. oben Teil I c.n.3.b) in Fn. 346. 832 Allenfalls im Hinblick auf die Unidroit Principles lassen sich aus den veröffentlichten Materialien der Arbeitsgruppen die Motive, die zu der vom ursprünglichen Entwurf von Lando abweichenden Regelung geführt haben, einigermaßen erschließen. Dagegen bleiben die rechtsvergleichenden Anmerkungen zu den Principles of European Contract Law vage: PECL Autorenkommentar Art. 9:309 Notes I zitiert Art. 7.3.6(2) Unidroit Principles als Beleg dafür, dass die Vertragsaufhebung dort keine Rückwirkung entfalte; dabei handelt es sich jedoch um eine Sondervorschrift für Dauerschuldverhältnisse. Ferner heißt es in Notes 8(c), die Principles of European Contract Law folgten Art. 7.3.6(1) Unidroit Principles "in taking a broad flexible approach" hinsichtlich der Vergütung für Dienstleistungen. Daneben wird lediglich Art. 7.3.5(3) zitiert (Notes 3 a.E.). Auch in den Aufsätzen von Bonell, Principles: A Comparison, und Lando, Eight Principles, findet sich keine Erwähnung, obwohl sich insbesondere BoneIl eingehend mit den Unterschieden zwischen den beiden Principles-Texten befasst.
E. Principles of European Contract Law
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(2) Ein "deutscher" Interpretationsversuch
Wie sich die Art. 9:305(1) immanente Widersprüchlichkeit auflösen lässt, ist weder dem Text der Principles of European Contract Law noch dem Autorenkommentar mit Eindeutigkeit zu entnehmen. Die nächstliegende Reaktion aus Sicht eines deutschen Juristen wäre, den zweiten Halbsatz von Art. 9:305(1) einschränkend zu lesen, also die Primärleistungspflichten aus der Menge der Rechte, die durch die Vertragsaufhebung unberührt bleiben sollen, auszunehmen. Art. 9:305(1) wäre dann so zu verstehen, als ob die Vorschrift lautete: "Die Aufbebung des Vertrages befreit beide Parteien von ihrer Verpflichtung, künftige Leistungen zu erbringen und anzunehmen, berührt aber vorbehaltlich der Artikel 9:306 bis 9:308 nicht die übrigen Rechte und Pflichten, die bis zum Zeitpunkt der Aufbebung entstanden sind.,,833 Art. 9:305(1) würde damit insbesondere Sekundäransprüche aufgrund der Nichterfüllung, die zur Aufbebung des Vertrages geführt hat, erhalten; gemeint sind die entsprechenden Schadensersatzansprüche, deren Verbindung mit der Vertrags aufhebung von Art. 8: 102 ausdrücklich zugelassen wird. Dies ist auch der erste Grund, den der Autorenkommentar für die Regelung in Art. 9:305(1) anführt. 834 Insofern wäre die Regelung allerdings streng genommen überflüssig, weil sich - wie gesagt - eine entsprechende Regelung bereits in Art. 8:102 findet. Der zweite Grund, den der Autorenkommentar anführt, ist die wünschenswerte Fortdauer von Gerichtsstands- und Schiedsklauseln und von ähnlichen Vertragsklauseln, die auch über den Zeitpunkt der Aufbebung des Vertrages hinaus gültig bleiben sollen, wie etwa Geheirnhaltungsvereinbarungen;835 auch Vertragsstrafevereinbarungen und Absprachen über pauschalierten Schadensersatz wird man in diesen Kontext zu rechnen haben, aber natürlich auch etwa die Pflicht des Mieters zur Rückgabe der Mietsache. 836 Sonderregeln über die Aufbewahrung von und den Umgang mit geleisteten Sachen für den Fall, dass die "andere Partei die Sachen [... ] nicht zurücknimmt", finden sich in Art. 7: 110; soweit im Vertrag Bestimmungen über die Aufbewahrung vorgesehen sind, werden diese wohl ebenfalls fortgelten. Zweifelhafter dürfte sein, inwieweit andere Bestimmungen bei Dauerschuldverhältnissen (im weiteren Sinn) die Aufbebung überdauern; zu denken ist hier etwa an Bestimmungen über die Verzinsung von In diesem Sinn etwa Herold, S. 233. PECL Autorenkommentar Art. 9:305 B. 835 PECL Autorenkommentar Art. 9:305 B; vgl. dort auch Illustration 2. 836 Allerdings muss man in diesem Zusammenhang sorgfältig differenzieren; so kann etwa ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht zugunsten der vertragsbrüchigen Partei fortgelten, vgl. den englischen Fall General Billposting Co. Ltd. v. Atkinson [1909] A.C. 118. 833
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Geldsummen oder an die Pflicht eines Gesellschafters, zu Gesellschaftsverbindlichkeiten beizutragen, die zwar erst nach der Vertragsaufhebung entstanden sind, aber auf schon vorher eingegangenen Verträgen beruhen. 837 Unklar ist auch, ob für die Vertragserfüllung gestellte Sicherheiten auch die Rückabwicklung erfassen sollen. 838 In jedem Fall findet sich eine spezielle Regelung für die Fortgeltung von "Bestimmung[en], die auch nach Aufhebung des Vertrages noch wirksam sein" sollen, in Art. 9:305(2), so dass der zweite Halbsatz von Art. 9:305(1) auch insoweit überflüssig wäre. Daneben würde Art. 9:305(1) in dieser Interpretation noch klarstellen, dass die Vertragsaufhebung bei Dauerschuldverhältnissen lediglich als Kündigung für die Zukunft wirkt und grundsätzlich keine Rückabwicklung in der Vergangenheit ausgetauschter Leistungen beabsichtigt ist. 839 Auch diesen Punkt erwähnt der Autorenkommentar, wenn auch eher beiläufig. 84o Allerdings würde wohl der erste Halbsatz von Art. 9:305(1) - Befreiung von zukünftigen Leistungspflichten - genügen, um diese Wirkung klarzustellen. 841 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass diese Interpretation zwar in sich kohärent ist, aber den zweiten Halbsatz von Art. 9:305(1) seiner Bedeutung weitgehend entkleidet: Auf die noch offenen Primärleistungspflichten bezieht er sich nicht; wie der erste Halbsatz der Bestimmung verdeutlicht, erlöschen diese. Im Wesentlichen sind es also lediglich die in Art. 8:102 und Art. 9:305(2) angesprochenen Schadensersatzansprüche und besonders für den Fall der Aufhebung des Vertrages getroffene Vereinbarungen, die trotz der Vertragsaufhebung weiter bestehen bleiben. Der zweite Halbsatz von Art. 9:305(1) dient in diesem Verständnis also weitgehend dazu, als eine Art allgemeiner Programmsatz die Wirkung von Regelungen zusammenzufassen, die anderswo schon spezieller und genauer normiert 837 Vgl. dazu den englischen Fall Hurst v. Bryk [2000] 2 W.L.R. 740 (H.L.): Mitglied einer Rechtsanwaltskanzlei haftet trotz von ihm erklärter Vertragsaufhebung wegen Leistungsstörungen seiner Partner im Innenverhältnis für seinen Anteil an Mietschulden der Kanzlei, auch soweit die Miete erst nach Auflösung der Gesellschaft fällig wird. 838 Zur entsprechenden Situation im Rahmen des deutschen Rechts vgl. Leser, S. 164 f. 839 Auch Flessner, ZEuP 1997, 313 Fn. 254, versteht die Bestimmung dahingehend, dass bei einem Dauervertrag eine Rückforderung von vornherein ausgeschlossen sei. 840 PECL Autorenkommentar Art. 9:305 B a. E. 841 So letztlich auch die Unidroit Principles, die sich allerdings ,,[i]n view 0/ the importance 0/ this kind 0/ contract in practice, especially in the service sector", zur Aufnahme einer klarstellenden eigenständigen Bestimmung (Art. 7.3.6(2) Unidroit Principles) entschlossen haben (vgl. die ,,Note by the Secretariat", Unidroit 1991, C.D. (71) 6, S. 14). Vgl. dazu schon oben Teil 2 D.III.2., Fn. 668, und dazugehöriger Text.
E. Principles of European Contract Law
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sind. Die Einschränkung "vorbehaltlich der Artikel 9:306, 9:307 und 9:308" könnte sich in dieser Interpretation ausschließlich auf Dauerschuldverhältnisse beziehen: Weder die Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung noch die speziell für den Fall der Vertragsaufhebung getroffenen Absprachen dürften von der Rückforderung erbrachter Leistungen betroffen sein. Dem Autorenkommentar lässt sich dies freilich nicht entnehmen. 842 Hinzu kommt, dass sich bei dieser Interpretation eine merkwürdige Asymmetrie ergäbe: Ist der Dienstverpflichtete vertragsgemäß im Voraus bezahlt worden, bleibt sein vertraglicher Vergütungsanspruch erhalten, soweit sich nicht aus Art. 9:307 etwas anderes ergibt; hat er im Zeitpunkt der Vertragsaufhebung noch nichts erhalten, kann er für erbrachte Leistungen dagegen nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 9:309 Wertersatz verlangen. Eine solche tendenziell den Spätleistenden begünstigende Regelung ist, wie schon zu Beginn dieser Arbeit begründet, für das Vertragsscheitem bei Leistungsstörungen im Ansatz verfehlt. 843 Alle diese Überlegungen sprechen dagegen, dass die Bestimmung wirklich den Sinn haben soll, der sich aus der Sicht eines deutschen Juristen zunächst aufdrängen mag. (3) Ein" englischer" Interpretationsversuch
Denkbar ist freilich auch ein anderes Verständnis von Art. 9:305(1), das sich deutlich enger am Wortlaut der Bestimmung orientiert. Ausgangspunkt dieser Interpretation ist die Annahme, dass der zweite Halbsatz von Art. 9:305(1), wie sich an der einleitenden Konjunktion "aber" ("but") ablesen lässt, eine Einschränkung gegenüber dem ersten Halbsatz darstellt (und nicht, wie in der oben angeführten Auslegung, der erste Halbsatz letztlich den zweiten einschränkt). Die Bestimmung wäre dann in folgendem Sinn zu lesen: Die Aufhebung des Vertrages befreit beide Parteien zwar von ihrer Verpflichtung, künftige Leistungen zu erbringen und anzunehmen; unberührt bleiben aber die Rechte und Pflichten, die bis zum Zeitpunkt der Aufhebung entstanden sind, einschließlich Primärleistungspflichten, die beim Zeitpunkt der Aufhebung bereits entstanden waren, soweit nicht wiederum Art. 9:306 bis 9:308 eingreifen und zu einem Erlöschen derartiger Rechte und Pflichten führen. 844 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:305 C. Vgl. Teil 1 A.II.2.c). 844 Als Beleg dafür, dass diese Interpretation aus englischer Sicht angesichts der Formulierung der Bestimmung tatsächlich nahe liegt, vgl. auch Beatson, (2000) I Theoretical Inquiries in Law 95, wo der Autor sich mit dem hypothetischen Beispiel befasst, dass P im Rahmen eines Vertrages an die andere Partei D Geld gezahlt hat und an sich aufgrund Bereicherungsrechts zur Rückforderung berechtigt wäre, der Vertrag jedoch weiterhin besteht. Wörtlich schreibt Beatson: ,Jf D had an accrued contractual right to the money this would be nullified unless he could 842 843
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Um einen Sinn zu ergeben, zwingt diese Interpretation allerdings zugleich zu einem etwas anderen Verständnis des Wortes "entstanden", das freilich dem Sinn des im englischen Originaltext enthaltenen Begriffes "accrued" besser entsprechen dürfte. 845 "Entstanden" sind die Leistungspflichten also nicht schon mit Abschluss des Vertrages, sondern mit ihrer Fälligkeit,846 die sich grundsätzlich nach Art. 7: 102, 7: 104 bestimmt. Genauer gesagt: Jedenfalls eine Geldleistungspflicht muss regelmäßig durch eine entsprechende Gegenleistung "verdient" worden sein,847 wobei sich die Einzelheiten der Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung primär aus dem Vertrag, hilfsweise aus den Regeln der Art. 7:102, 7:104 ergeben. 848 invoke it QS Q defense to p's restitutionary claim. So a restitution claim in this situation would either nullify the contractual obligation, or if subject to a contractual defense, would be pointless." Das entspricht genau der hier dargestellten Interpretation von Art. 9:305(1): Ein "accrued right" besteht fort, außer wenn "nullified" im Rahmen von Art. 9:306 bis 9:308. Vgl. ferner im selben Aufsatz S. 98 f. 845 Der französische Text von Art. 9:305(1), der von "obligations qui avaient pris naissance" spricht, ist insoweit ebenfalls wenig aufschlussreich. Das Wort "QCcrued" findet sich in anderem Zusammenhang noch in Art. 6: 11 0(2), ohne dass sich daraus etwas für seine vorliegende Verwendung entnehmen ließe. 846 Auch in Deutschland wird der Begriff "Entstehung des Anspruchs" in § 198 BGB bekanntlich im Sinne von "Fälligkeit" verstanden (vgl. etwa BGHZ 55, 341). Im Rahmen der Schuldrechtsreform war ursprünglich auch eine entsprechende Klarstellung vorgesehen (vgl. Bundesminister der Justiz, S. 57); im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist man jedoch für den neuen § 199 I Nr. 1 BGB aus wenig überzeugenden Erwägungen zum Begriff "entstanden" zurückgekehrt. Der wesentliche Unterschied etwa zum englischen Recht liegt aber in dem Gedanken, dass bei einer Zug-um-Zug-Leistung der Anspruch auch dann grundsätzlich sofort fällig ist, wenn seine Durchsetzung noch von einer Gegenleistung abhängt. Etwas anderes gilt beispielsweise dann, wenn beim Kaufvertrag durch die Klausel "Zahlung gegen Dokumente" die Fälligkeit hinausgeschoben wird (BGHZ 55, 342). Nach englischem Recht sind Übergabe der Kaufsache und Zahlung des Preises im Regelfall zwar ebenfalls "concurrent conditions" (s. 28 Sale of Goods Act 1979); dies bedeutet jedoch, dass der Kaufpreis erst mit dem vertragsgemäßen Leistungsangebot des Verkäufers fällig wird und umgekehrt. 847 Das ergibt sich im Übrigen auch aus der systematisch etwas unpassend eingeordneten Regelung in Art. 9: 101(2), die sich offensichtlich an der englischen Rechtsprechung zu Fällen wie White & Carter (Councils) Ltd. v. McGregor [1962] A.C. 413 (vgl. dazu oben Teil 2 A.II.2.) orientiert: Darin wird nämlich vorausgesetzt, dass der Gläubiger seine eigene Leistung erbringen muss, um "Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts verlangen" zu können. Ein Zurückbehaltungsrecht des Schuldners scheidet jedoch nach Art. 9:201(1) schon aus, sobald der Gläubiger die von ihm zu erbringende Leistung angeboten hat. Allerdings verträgt sich Art. 9:201 seinerseits schlecht mit Art. 8: 105 und Art. 9:304, so dass sich alles in allem der Eindruck aufdrängt, dass die Autoren der Principles of European Contract Law Regelungen unterschiedlicher Herkunft - die exceptio non adimpleti contractus aus den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, die White-&-Carter-Rechtsprechung aus England -, die für sich genommen jeweils eingeleuchtet haben mögen, ohne große Rücksicht auf systematische Kohärenz miteinander verbunden haben.
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Die unmittelbare praktische Konsequenz dieser Auslegung und der wesentliche Unterschied zu der zunächst dargestellten Interpretation liegt darin, dass trotz Aufhebung des Vertrages die Primärleistungspflichten bestehen bleiben, soweit sie bereits fällig geworden sind. Das kann im Wesentlichen in zwei Fällen vorkommen: Zum einen kann im Vertrag für die Leistung einer Partei ein Fälligkeitstermin bestimmt sein, der vor dem Zeitpunkt der Vertragsaufhebung liegt (Art. 7: 102(1»; ist diese Leistung noch nicht erbracht worden, dann besteht die Pflicht dazu trotz Vertragsaufhebung grundsätzlich weiter. 849 Zum anderen mag eine Partei vorgeleistet und damit eine Gegenleistungspflicht der anderen Partei, für die kein besonderer Termin bestimmt war (vgl. Art. 7:103(2)), ausgelöst haben. Auch in diesem Fall überdauert die Leistungspflicht die Vertragsaufhebung. Aus deutscher Sicht mag ein solches Verständnis der Regelung auf den ersten Blick wenig nahe liegen: Wenn nämlich die gesetzlichen Rücktrittsrechte bei Unmöglichkeit und Verzug nach früherem deutschem Recht ausgeübt wurden, waren die Primärleistungspflichten grundsätzlich ohnehin bereits (durch die Unmöglichkeit bzw. den fruchtlosen Ablauf einer unter Ablehnungsandrohung gesetzten Nachfrist) erloschen; dass die Wandlung zum Erlöschen der kaufvertraglichen Leistungsansprüche führe, unterlag ebenfalls keinem Zweifel. Indes waren nach § 346 i. V.m. § 327 S. 1 bzw. § 467 S. 1 BGB-alt auch die bereits erbrachten Leistungen zurückzugewähren; mit dem Grundsatz der vollständigen Rückabwicklung des vertraglichen Schuldverhältnisses hätte sich der weitere Fortbestand von Leistungs848 Vgl. auch die Äußerungen von Famsworth im Rahmen der Sitzung der Unidroit-Arbeitsgruppe im November 1990, die zu diesem Zeitpunkt noch über den der heutigen Fassung der Principles of European Contract Law entsprechenden Formulierungsvorschlag von Lando zu beraten hatte (Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 69: ,,[ ... ] he might think it better to say ,any rights and liabilities that have accrued', because in many contracts no rights had accrued. [... ] He would say that a builder who had done three jifths 0/ the work on a single house did not have any rights accrued. [... ] in the case 0/ a divisible contract 0/ jive houses one could talk about rights accrued and it was probably worth mentioning it [... ]"). 849 Das Zusammentreffen der unterschiedlichen Verständnisansätze ist auch aus dem Protokoll der entsprechenden Beratungen zu den Unidroit Principles erkennbar (vgl. Unidroit 1992, P.c. - Misc. 16, S. 81). Hier wurde von Fontaine das Beispiel gebildet, dass eine Maschine verkauft und zugleich Wartung durch den Verkäufer vereinbart wird. Die Maschine erweist sich als mangelhaft; der Käufer will sie dennoch behalten, ist allerdings nicht mehr an der Wartung durch den Verkäufer interessiert. Diskutiert wurde darüber, ob der Käufer das Recht haben solle, die Maschine trotz Vertragsaufhebung zu behalten. Nach Ansicht von Hartkamp wäre dies nicht zu vertreten, wenn der Käufer noch nichts bezahlt habe. Dagegen wandte Famsworth ein, dass "iJ A kept the machine he would have to pay something (price minus damages)", was genau der hier als "englische Interpretation" bezeichneten Sichtweise entspricht, dass der durch Lieferung "verdiente" Kaufpreisanspruch die Vertragsaufhebung überdauert.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
pflichten offensichtlich nicht vertragen. 850 Durch die Schuldrechtsreform hat sich an diesem Ausgangspunkt nichts geändert. Dem genannten Grundsatz folgen die Principles of European Contract Law jedoch gerade nicht; wie sich aus Art. 9:306 bis 9:309 ergibt, die im Folgenden noch näher darzustellen sind, soll eben nur eine beschränkte Rückabwicklung stattfinden. 851 Damit ist auch ein weiterer Fortbestand von Leistungspflichten durchaus vereinbar. Im Übrigen geht das englische Recht, wie bereits oben festgehalten, 852 grundsätzlich vom Fortbestand fälliger (Zahlungs-)Ansprüche über eine termination hinaus aus,853 so dass die hier als "englische" Interpretation von Art. 9:305(1) apostrophierte Lesart sich aus Sicht eines englischen Juristen in der Tat aufdrängen würde. 854 Der Grund dafür liegt darin, dass sowohl das englische Recht als auch die Principles of European Contract Law nicht zwischen Rücktritt und Kündigung differenzieren. Dass jedenfalls bei Dauerschuldverhältnissen der schon "verdiente" Anspruch auf die Vergütung erhalten bleiben muss, um die oben angesprochene Besserstellung des Vorauszahlungsempfängers zu vermeiden,855 leuchtet jedoch 850 Vgl. Staudinger/Kaiser, Vorbemerkung zu §§ 346 ff. Rn. 51, der zufolge aus der Rückgewährpflicht in § 346 BGB folgt, dass "der Rücktritt Befreiungswirkung haben" müsse, weil nur so "ein unnötiges Hin und Her der Leistungen vennieden werden" könne. Von der Schuldrechtsrefonn wünschte sich Kaiser aber, dass die Befreiungswirkung des Rücktritts im Gesetz wie in Art. 81 I CISG ausdrücklich geregelt werden möge (JZ 2001, 1058). 851 Vgl. aber die Aussage von Drabnig im Rahmen der Beratungen zu den Unidroit Principles (Unidroit 1992, P.c. - Mise. 16, S. 77), wonach die Unterscheidung zwischen rückwirkender Anfechtung und Aufhebung des Vertrages ex nunc nur "in case of divisibility" eine praktische Auswirkung habe; dies werde aber schon mittels Bestimmungen über die Teilanfechtung bzw. -aufhebung aufgefangen. 852 Vgl. den Text oben bei Teil 2 A.1.2.c)(4), Fn. 114. 853 Vgl. Chitty, Rn. 25-047: ,,Moreover, in principle, only those primary obligations falling due after the date of discharge will come to an end; those which have accrued due at the time may still be enforceable as such. Thus, while both parties are discharged from further performance of their primary obligations under the contract, ,rights are not divested or discharged which have been unconditionally acquired'" (das zuletzt angeführte Zitat stützt sich auf McDonald v. Dennys Lascelles Ltd. (1933) 48 C.L.R. 476 f. sowie Bank of Boston Connecticut v. European Grain and Shipping Ltd. (The Dominique) [1989] A.C. 1098 f.). Vgl. auch Rn. 25050: ,,Rights and obligations which arise from the partial execution of the contract and causes of action which have accrued fram its breach alike continue unaffected." 854 Vgl. auch die Fonnulierungen zum englischen Recht bei Beatson, (2000) 1 Theoretical Inquiries in Law 99, die fast genau dem Wortlaut von Art. 9:305(1) Principles of European Contract Law entsprechen: ,,[ ... ] on discharge, the terms of the contract cease to have effect save regarding accrued obligations. [... ] even after discharge there will be no restitution if before discharge a contractual obligation to pay had accrued due. In the light of the earlier case law ,accrued due' must be taken to mean had unconditionally accrued due." (Hervorhebungen im Original.) 855 V gl. oben Teil 2 E.II.2.a)(2).
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auch aus deutscher Sicht ein. Eine besondere Behandlung für Dauerschuldverhältnisse sehen die Principles of European Contract Law jedoch - anders als Art. 7.3.6(2) Unidroit Principles - nicht vor. Und schließlich postulierte auch schon das bisherige deutsche Recht in § 346 S. 2 BGB - also außerhalb von Dauerschuldverhältnissen - den Grundsatz, dass die Pflicht zur Zahlung der vertragsmäßigen Vergütung "für geleistete Dienste sowie für die Überlassung der Benutzung einer Sache" den Rücktritt überdauert; das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz dehnt diesen Grundsatz noch weiter aus. 856 Zwei Einschränkungen gegenüber dem grundsätzlichen Fortbestand der Primärleistungspflichten müssen allerdings gemacht werden. Die eine Einschränkung lässt sich schon aus der Formulierung von Art. 9:305(1) selbst entnehmen, nach der die bis zum Zeitpunkt der Aufhebung entstandenen Rechte und Pflichten nur "vorbehaltlich der Artikel 9:306, 9:307 und 9:308" unberührt bleiben sollen: Eine Leistung kann nicht mehr gefordert werden, wenn sie nach den Rückabwicklungsvorschriften dieser Artikel wieder zurückgefordert werden könnte. Auch wenn also etwa ein fester Zahlungstermin für den Kaufpreis bestimmt ist und dieser Zahlungstermin vor dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung liegt, kann der Verkäufer den Kaufpreis nicht verlangen, wenn die Ware nicht geliefert worden ist; andernfalls könnte der Käufer den gezahlten Kaufpreis nach Art. 9:307 zurückfordern. Auch das entspricht der Situation im englischen Recht. 857 Die zweite, gewichtigere, aber zugleich auch zweifelhaftere Einschränkung ergibt sich aus der Unvereinbarkeit der Rechtsbehelfe Vertragsaufhebung und (Natural-)Erfüllung (specijic peiformance), die vom Autorenkommentar ausdrücklich betont wird: 858 Da Naturalerfüllung in den Principles of European Contract Law auch die Geldzahlung umfasst,859 müsste dies auch für den Anspruch auf Kaufpreiszahlung gelten. Erklärt also nicht der Käufer, sondern der Verkäufer die Vertragsaufhebung, so würde das auch nach der dargestellten "englischen" Auslegung unmittelbar zum Verlust des Kaufpreisanspruchs führen. Allerdings ist unklar, ob das wirklich so beabsichtigt ist oder ob der Begriff "specijic peiformance" im AutorenkommenVgl. oben Teil 2 B.H. Vgl. schon oben Teil 2 A.I.2.c)(4), Fn. 119, sowie Chitty, Rn. 25-080; zur Abgrenzung im einzelnen Beatson, (2000) 1 Theoretical Inquiries in Law 102 f. 858 PECL Autorenkommentar Art. 8:102 B: ,,/t is a truism that a party cannot at the same time pursue two or more remedies which are incompatible with each other. Thus it cannot at the same time claim specijic performance oJ the contract and terminate it." Ebenso bereits in der einleitenden "Survey oJ Chapters 1-9", vgl. LandolBeale (2000), S. xl: ,,[ ... ] if the aggrieved party has already terminated the contract it is too late to seek an order Jor performance". 859 Vgl. die Einordnung von Art. 9:101 in Abschnitt 1 ("Anspruch auf Erfüllung") von Kapitel 9 ("Einzelne Rechtsbehelfe bei Nichterfüllung"). 856
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
tar nicht doch eher in dem engeren Sinn zu verstehen ist, in dem er aus dem englischen Recht geläufig ist. Bei Geldschulden läuft der Wegfall der Durchsetzbarkeit nämlich der ausdrücklichen Anordnung zuwider, dass sie fortbestehen sollen; während sich das Erfüllungsinteresse bei Schulden, die nicht auf eine Geldzahlung gerichtet sind, immer durch das Surrogat des Schadensersatzes in Geld befriedigen lässt (nichts anderes begehrt ja etwa ein Käufer, der nach Vertragsaufhebung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt), ist dies bei Geldschulden natürlich nicht der Fall. Zumindest wäre der Schadensersatzanspruch, der dem Gläubiger ohnehin bliebe, im Regelfall mit dem Zahlungsanspruch identisch, den er verlieren soll. (4) Praktische Konsequenzen der unterschiedlichen Interpretationen
Die im vorangehenden Abschnitt diskutierten Einschränkungen scheinen dem Unterschied der beiden Interpretationen weitgehend die praktische Spitze zu nehmen: Ob die Unmöglichkeit, den ursprünglich entstandenen Primärleistungsanspruch geltend zu machen, darauf beruht, dass der Anspruch unmittelbar durch die Vertragsaufhebung erlischt, oder vielmehr darauf, dass der Erfüllungsanspruch als mit der Vertragsaufhebung unvereinbarer Rechtsbehelf ausgeschlossen ist, macht schon aus dogmatischer Sicht keinen wesentlichen Unterschied und ist für praktische Zwecke schlechterdings ohne Bedeutung. Insofern könnte man in Versuchung kommen, die aufgezeigten unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten von Art. 9:305(1) letztlich als Glasperlenspiele abzutun, die für die praktische Anwendung der Principles of European Contract Law ohne Belang sind. Das aber wäre vorschnell. Es ist nämlich eine (möglicherweise keineswegs unbedeutende) Kategorie von Ansprüchen denkbar, deren Schicksal je nach anzuwendender Interpretation unterschiedlich zu beurteilen ist; dies ist der Vergütungsanspruch des Gegners der Vertragsaufhebung (also der nicht erfüllenden Partei), der durch eine mangelhafte Leistung oder eine Teilleistung verdient worden ist, deren sich die Partei, die die Vertragsaufhebung erklärt, nicht mehr entledigen kann. Folgt man der "deutschen" Auslegung von Art. 9:305(1), dann ist dieser Vergütungsanspruch als "Verpflichtung, künftige Leistungen zu erbringen", gemäß Art. 9:305(1) 1. Halbsatz mit der Erklärung der Vertragsaufhebung erloschen. Folgt man dagegen der "englischen" Auslegung, dann bleibt er gemäß Art. 9:305(1) 2. Halbsatz als "Recht[, das] bis zum Zeitpunkt der Aufhebung entstanden" ist, mangels einer Rückforderbarkeit nach Art. 9:307 "unberührt". Falls die erbrachte mangelhafte Leistung oder Teilleistung zurückgegeben werden kann, kann der Vertragsbrüchige zwar nach dem Wortlaut von Art. 9:308 Rückgabe in Natur fordern; falls sie nicht mehr zurückgegeben werden kann, kann er nach Art. 9:309 Wertersatz for-
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dem. Hierbei handelt es sich aber um zusätzliche, wahlweise vorhandene Ansprüche, im Sinne von "verhaltenen Ansprüchen".86o Statt dessen kann der Vertragsbrüchige aber auch den vertraglichen Vergütungsanspruch geltend machen, den der vertragstreue Teil allenfalls nach Art. 9:401 mindern kann, was allerdings ebenfalls noch nicht einmal sicher iSt. 861 Bei Teilleistungen lässt sich eine Minderung im Ergebnis aber auch dadurch erreichen, dass man dem Vertrag die Bedingung entnimmt, der Vergütungsanspruch solle "incrementally as the services are rendered" entstehen. 862 Die merkwürdige, aber schwer zu umgehende Konsequenz aus der "englischen" Interpretation wäre also, dass der Vertragsbrüchige, der zwar geleistet hat, aber nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß, nach Vertragsaufhebung unter den geschilderten Umständen mehr Rechte hätte als der Vertragstreue: Während der Vertrags treue durch die Erklärung der Vertragsaufhebung seinen Leistungsanspruch verlöre, könnte der Vertragsbrüchige zwischen den Rückabwicklungsansprüchen nach Art. 9:307 bis 9:309, die ja nach der ausdrücklichen Fonnulierung für beide Parteien gelten, und seinem Gegenleistungsanspruch wählen, falls nicht der Vertragstreue seinerseits letzterem nach Art. 9:306 die Grundlage entzöge. Dieses Ergebnis erscheint äußerst seltsam. Zu seiner Rechtfertigung ließe sich allenfalls anführen, dass die vertragstreue Partei es im Regelfall in der Hand hat, ob sie die Aufhebung des Vertrages herbeiführen will oder nicht, so dass sie die Begünstigung des Vertragsbrüchigen venneiden kann. Das gilt allerdings nicht in allen Fällen, weil nach Art. 9:303(4) eine Vertragsaufhebung auch ohne Parteierklärung automatisch eintreten kann; freilich kann dies nur durch ein "vollständiges und dauerhaftes Leistungshindernis" geschehen, das definitionsgemäß (Art. 8: 108(1)) außerhalb des Einflussbe860 Insofern ist die Regelung der Principles of European Contract Law eindeutiger als die von Art. 81 11 1 CISG und Art. 7.3.6(1) Unidroit Principles, wo sich ebenfalls die Frage nach der Natur des Rückgewähranspruches stellt, vgl. oben Teil 2 c.1. Fn. 532 und Teil 2 D.III.2. Fn. 690. 861 Ob Minderung neben Vertragsaufhebung möglich ist, erscheint zweifelhaft; der Autorenkommentar spricht sich an mehreren Stellen ausdrücklich dagegen aus, scheint es anderswo aber dennoch anzunehmen, vgl. dazu sogleich bei Fn. 871. In der Tat setzt Art. 9:401 S. 1 seinem Wortlaut nach voraus, dass der Gläubiger die "angebotene nicht vertragsgemäße Leistung annimmt". Im Rahmen der Beratungen über die entsprechenden Bestimmungen in den Unidroit Principles gab Lando übrigens seiner Ansicht Ausdruck, dass ,,tram his point of view in certain cases a deficient service rendered had to be fully paid for despite the fact that it was deficient" (Unidroit 1992, P.C. - Mise. 16, S. 76). 862 Zu dieser Möglichkeit vgl. Beatson, (2000) 1 Theoretical Inquiries in Law 104. Nach seiner Ansicht (die sich auf das englische Recht bezieht) besteht in diesem Fall "great overlap between the contractual rights to the accrued sum due, recompense by a contractual quantum meruit, and recompense by a restitutionary quantum meruit".
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
reiches der Parteien liegt. Die Nichterfüllung kann also in diesem Fall nicht dazu benutzt werden, einem ungünstigen Vertrag zu entkommen. Daneben spekuliert der Autorenkommentar aber - wie an anderer Stelle erwähnt _863 auch über die Möglichkeit, dass der Vertrag durch eine Erfüllungsweigerung einer Partei automatisch beendet werden könnte, falls der anderen Partei nicht der Rechtsbehelf der Naturalerfüllung zur Verfügung steht (Art. 9: 102(2» beziehungsweise sie nicht berechtigt ist, ihre eigene Leistung zu erbringen (Art. 9:101(1». In Kombination mit den unklaren Regeln über die Folgen der Vertragsaufhebung könnte sich das als besonders gefährlich erweisen. Um die praktischen Auswirkungen dieser Wahlmöglichkeit des Vertragsbrüchigen zuverlässig beurteilen zu können, ist es aber unumgänglich, auch den Schadensersatzanspruch der vertragstreuen Seite in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Schon in der Begründung seines Entwurfs für die Rückabwicklungsvorschriften der Unidroit Principles hatte Lando ja die Auffassung vertreten, Einschränkungen der Rückabwicklung seien nicht weiter problematisch, da die vertragstreue Seite durch ihren Schadensersatzanspruch (beziehungsweise die Möglichkeit der Minderung) geschützt werde. 864 Die unterschiedlichen Ergebnisse der "englischen" und der "deutschen" Interpretation werden dabei durch das Hinzutreten von Schadensersatzansprüchen teils zwar ausgeglichen, teils aber auch weiter verkompliziert, wie sich durch entsprechende Beispielsrechnungen - die hier nicht im einzelnen dargestellt werden sollen - leicht zeigen lässt. 865 Allerdings ist damit noch nicht erwiesen, dass die Unklarheit in der Formulierung von Art. 9:305(1) wirklich jemals praktische Bedeutung gewinnen kann, dass es sich nicht doch lediglich um eine akademische Fragestellung handelt. Auch im Rahmen der "englischen" Interpretationsvariante gibt es nämlich zwei Ansatzpunkte, wie dem sachwidrigen, da den Vertragsbrüchigen begünstigenden Ergebnis möglicherweise zu entkommen sein könnte. Dabei handelt es sich um die beiden Annahmen, unter denen Vgl. oben Teil 2 E.II.1. bei Fn. 724 sowie ausführlich unter Teil 2 E.II.l.e). Unidroit 1986, Study L - Doc. 35, Section (b), S. 7 (allerdings bezieht sich diese Bemerkung auf die Beschränkung der Vertragsaufhebung für den Fall, dass empfangene Gegenstände nicht in Natur zurückgegeben werden können); vgl. außerdem noch S. 9: Regeln über einen Rückabwicklungsanspruch des Gläubigers für den Fall, dass die Rückabwicklung nicht in Natur durchgeführt werden könne, seien nicht nötig, da er durch seinen Schadensersatzanspruch ohnehin so gestellt werde, als sei der Vertrag erfüllt worden. Soweit die andere Seite ausnahmsweise befreit sei und deshalb keinen Schadensersatz leisten müsse, könne dies "be regulated by the national rules on unjust enrichment". 865 Vgl. auch Herold, S. 235, der zufolge angesichts der "eingeschränkten Wirkung des Rücktritts [... ] ein Verweis des Gläubigers auf Schadensersatz erforderlich" sei. 863
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wie oben dargelegt - die Anomalie, die sich bei der "englischen" Auslegung von Art. 9:305(1) ergeben würde, allenfalls eintreten kann: Zum einen muss der vertragsbrüchige Teil trotz seiner Nichterfüllung bereits die ihm vertraglich zustehende Gegenleistung "verdient" haben; der Gegenleistungsanspruch muss im Sinne von Art. 9:305(1) 2. Halbsatz "entstanden" ("accrued") sein. Ist der Gegenleistungsanspruch noch gar nicht entstanden, kann das Problem nicht auftreten. Zum anderen darf der vertragstreue Teil seinerseits nicht in der Lage sein, sich der empfangenen nicht vertragsgemäßen Leistung zu entledigen, da bei einer im Sinne von Art. 9:307 "nicht empfangene[n] oder berechtigterweise zurückgewiesene[n] Leistung" ("a performance which it did not receive or which it properly rejected") gemäß Art. 9:305(1) 2. Halbsatz i. V. m. Art. 9:307 auch ein entstandener Gegenleistungsanspruch untergeht. Auch in diesem Fall stellt sich das Problem nicht. Wie im Folgenden jedoch noch zu zeigen sein wird, taugen beide Ansatzpunkte nicht dazu, die Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen, die sich aus der "englischen" Interpretation von Art. 9:305(1) ergeben.
(5) Belege für die "englische" Interpretation im Autorenkommentar zu den Principles of European Contract Law Auch wenn die "englische" Interpretationsvariante, wie dargestellt, eher dem Wortlaut von Art. 9:305(1) Principles of European Contract Law gerecht werden dürfte als ihre "deutsche" Konkurrentin, stellt sich angesichts der ebenfalls dargestellten problematischen Konsequenzen die Frage, ob die Autoren der Principles of European Contract Law wirklich beabsichtigt haben können, dass Primärleistungsansprüche unter den dargestellten Umständen die Vertragsaufhebung überdauern. Nahe liegend ist der Einwand, dass es sich zwar um eine Lesart handeln mag, die vom Wortlaut des Art. 9:305(1) gedeckt erscheint, die aber angesichts ihrer absurden Folgen nur als abwegig abgelehnt werden kann. Dagegen spricht aber bereits, dass das englische Recht - wie erwähnt - ebenfalls von einer Fortdauer von Primärleistungsansprüchen über die Beendigung des Vertrages hinaus ausgeht, wenn auch unter stärker einschränkenden Voraussetzungen, die dazu beitragen, die für die Principles of European Contract Law beschriebenen Probleme zu vermeiden. Ganz so abwegig kann die "englische" Lesart von Art. 9:305(1) also nicht sein. 866 Zuzugeben ist, dass sich dem Text der Principles of European Contract Law keine eindeutige Stellungnahme für oder gegen die eine oder die andere Interpretation entnehmen lässt. Im Autorenkommentar finden sich al866 Vgl. auch die bereits Teil 2 E.II.2., Fn. 821, zitierte Äußerung von Lando, in der er ausdrücklich auf das englische Recht Bezug nimmt.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
lerdings an zwei etwas versteckten Stellen Hinweise, die in der Tat dafür sprechen, dass die Verfasser die zuletzt dargestellte, "englische" Interpretation von Art. 9:305(1) zugrunde gelegt haben dürften. 867 Hierbei handelt es sich zum einen um den Autorenkommentar zu Art. 9:306; diese Vorschrift regelt - wie im Folgenden noch zu diskutieren sein wird, ebenfalls auf höchst interpretationsbedürftige Weise - die Zurückweisung von Gegenständen, die von der anderen Partei geleistet worden sind und deren Wert sich infolge der Nichterfüllung durch die andere Partei, die die Aufhebung des Vertrages ausgelöst hat, wesentlich vermindert hat. Der Text des Autorenkommentars hält zunächst fest, dass der Gläubiger den empfangenen Gegenstand auch behalten und Schadensersatz gemäß Art. 9:502 fordern oder nach Art. 9:401 mindern könne. Oft bestehe aber ein Interesse des Gläubigers, sich des für ihn wertlosen Gegenstandes zu entledigen, was am einfachsten mittels Rückgabe an die Gegenseite geschehe, und dieses Interesse sei auch schutzwürdig. Anschließend heißt es: "There will be a considerable advantage in rejecting the property if it [sc. der Gläubiger] has not yet paid for it, as it can thus avoid having to pay even a reduced price. ,,868 Diese Aussage wäre offensichtlich unzutreffend, wenn die oben dargestellte "deutsche" Auslegung von Art. 9:305(1) die korrekte wäre. In diesem Fall wäre nämlich die Pflicht zur Kaufpreiszahlung bereits mit der Vertragsaufhebung erloschen. Auf eine Zurückweisung der gelieferten Sache käme es also nicht mehr an, so dass nicht zu erkennen wäre, wieso in einer solchen Zurückweisung ein "erheblicher Vorteil" liegen solle. Die vertragsbrüchige Partei besäße ohnehin keinen vertraglichen Vergütungsanspruch mehr, sondern könnte allenfalls ihrerseits gemäß Art. 9:308 den unbezahlt gebliebenen Leistungsgegenstand (bzw. gege867 Der Aussage in PECL Autorenkommentar Art. 9:302 B, dass ,,[t]ennination ,of the contract as a whole' nonnally means only tennination of all the future obligations on each side", lässt sich wohl keine klare Stellungnahme in der einen oder anderen Richtung entnehmen. Wörtlich genommen, ergibt die Aussage wenig Sinn, weil danach "nonnally" gar keine Rückabwicklung stattfände. Auch die Abgrenzung von Vertragsaufhebung nach den Principles of European Contract Law und Rücktritt nach deutschem Recht in PECL Autorenkommentar Art. 8: 102 Note ist nicht schlüssig, weil sich die Aussage, dass der deutsche Begriff (der nach Ansicht der Autoren "is [... ] being used in the sense of both refusing to perfonn in the future and reclaiming restitution of perfonnances already made") nicht dem Begriff der Vertragsaufhebung in den Principles of European Contract Law entspreche ("is not the sense in wh ich it is used in the Principles"), da dort "tennination does not necessarily affect accrued rights and liabilities", eher auf die Tatsache beziehen dürfte, dass keine vollständige Rückgewähr der auf beiden Seiten erbrachten Leistungen beabsichtigt ist. Allerdings distanziert sich der Autorenkommentar im Gegensatz zur ersten Auflage (vgl. dort Art. 3.102 Note) nunmehr deutlich vom deutschen Recht. 868 PECL Autorenkommentar Art. 9:306 a. E.
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benenfalls nach Art. 9:309 dessen objektiven Wert) zurückfordern. Im Gegensatz dazu gehen die Autoren augenscheinlich davon aus, dass der einmal auch durch Teilleistung oder mangelhafte Leistung "verdiente" Vergütungsanspruch die Vertragsaufhebung überdauert (wenn auch gemäß Art. 9:401 gemindert) und erst durch die Zurückweisung des empfangenen Gegenstandes beseitigt werden kann. Wie genau der Mechanismus für den Untergang des Vergütungsanspruchs zu verstehen ist, bleibt allerdings unklar: Denkbar ist zum einen, dass durch die Zurückweisung die Leistung selbst und damit auch die Fälligkeit des Gegenleistungsanspruchs rückwirkend beseitigt wird;869 denkbar ist aber andererseits auch, dass die Gegenleistung nicht mehr gefordert werden kann, weil sie gemäß Art. 9:307 sogleich rückforderbar wäre. 870 Allerdings ist festzustellen, dass die Ausführungen im Autorenkommentar zu Art. 9:306 wiederum der Aussage an anderer Stelle widersprechen, dass eine Partei, die eine nicht vertragsgemäße Leistung erhalten hat, "cannot exercise its right to reduce its own performance and at the same time terminate the contract",871 dass mithin Vertrags aufhebung und Minderung unvereinbar miteinander sind. Andererseits spricht gerade der ausdrückliche Hinweis auf die Unvereinbarkeit von Vertragsaufhebung und Minderung dafür, dass der vertragliche Vergütungsanspruch die Vertragsaufhebung überdauert: Warum sollte eine Vertragspartei überhaupt mindern wollen, wenn sie aufgrund der von ihr erklärten Vertragsaufhebung ohnehin nicht mehr zur Leistung verpflichtet wäre? Der andere Hinweis in Richtung auf die "englische" Auslegung von Art. 9:305(1) findet sich im Autorenkommentar zu Art. 9:309, wo die Rückabwicklung von Leistungen, die nicht in natura zurückgeführt werden können, behandelt wird. Hier heißt es ausdrücklich, dass der Erbringer der Leistung "may have a claim for the price, but this will depend on the agreed payment terms and the price may not yet be payable". Wie sich aus dem vorangehenden Satz ergibt, bezieht sich dies auf den Zeitpunkt nach Vertragsbeendigung ("after a contract has been terminated,,).872 Offenbar 869 Das wird jedenfalls durch die schon oben Teil 2 E.lLl.a), Fn. 727, zitierte Aussage in PECL Autorenkommentar Art. 1:301 D nahe gelegt, nach der ein "nonconforming tender of peiformance which is properly rejected results in nonpeiformance". 870 Für letzteres spricht, dass Art. 9:307 ausdrücklich zwischen einer "nicht empfangene[n]" und einer "berechtigterweise zurückgewiesene[n]" Leistung unterscheidet. 871 PECL Autorenkommentar Art. 8: 102 B. Laut PECL Autorenkommentar Art. 9:401 A soll das Recht zur Minderung nur anwendbar sein, "where the aggrieved party accepts the non-conforming tender. If it does not, its remedy is either to pursue a restitutionary claim under Article 9:307 or to claim damages under Section 5." 872 PECL Autorenkommentar Art. 9:309 A.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
gehen die Autoren also auch hier davon aus, dass der Vergütungsanspruch, soweit entstanden, die Vertragsbeendigung überdauert. Gegen die "englische" Auslegung spricht allerdings die Methode, nach der gemäß Art. 9:506, 9:507 der Schadensersatz im Falle der Vertragsaufhebung zu berechnen ist: Wird ein Deckungsgeschäft vorgenommen, so stellt die Differenz zwischen Vertragspreis und Preis des Deckungsgeschäfts den Mindestschaden dar (Art. 9:506), andernfalls die Differenz zwischen Vertragspreis und Marktpreis, soweit vorhanden (Art. 9:507). Diese Regelungen beruhen ganz offensichtlich auf der stillschweigenden Annahme, dass eine vollständige Rückabwicklung stattfinden soll. Dieser Umstand braucht allerdings nicht zu überraschen: Die Principles of European Contract Law haben Bestimmungen nahezu wörtlich übernommen, die sich schon im EKG (Art. 84, 85) finden,873 offenbar ohne dass man die Notwendigkeit einer Abstimmung auf das jeweilige Rückabwicklungsregime nach Vertragsaufhebung bedacht hätte. 874
(6) Bewertung Die Regelung der Principles of European Contract Law über die Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung setzt damit sehr präzise eine Aussage um, die Lando - allerdings im Rahmen der Vorbereitung der Unidroit Principles gemacht hat. Lando erklärte hierbei auf der Tagung der Informal Working Group in Den Haag im November 1990, er finde es sehr schwer, zu beurteilen, wann eine Rückabwicklung stattfinden solle: "Either one said that what had been done must be paid for and the rest was a question of damages, or one said that each party had to return whatever he had supplied and if he could not return it he had to pay a fair amount of [sie] what had been delivered or if he had paid too much he should get some of it back. These questions were very difficult to solve. ,,875 Die Principles of European Contract Law haben es offensichtlich für weiser gehalten, sie nicht zu lösen, sondern vielmehr durch eine mehrdeutige Formulierung offen zu lassen. Leider kann man das Ergebnis nur als in höchstem Maße unklar und inkohärent bezeichnen. Wie auch immer man die Qualität der Principles of European Contract Law im Übrigen beurteilen will: Bei ihren Regelungen 873 Auch ins CISG (Art. 75, 76) und die Unidroit Principles (dort Art. 7.4.5 und 7.4.6) sind diese Bestimmungen nahezu wörtlich aufgenommen worden. 874 Bearbeiter dieser Bestimmungen im Rahmen der Unidroit Principles war TalIon (vgl. Unidroit 1986, Study L - Doc. 36; Unidroit 1991, Study L - Doc. 49), der die Motive seiner Regelung in Les dommages-interets ausführlich darstellt. 875 Unidroit 1992, P.C. - Misc. 16, S. 69. Lando bezog sich dabei ausdrücklich auf den Fall eines Bauwerkvertrags, bei dem "building had been done, progress payment had been paid, and then suddenly it stopped".
E. Principles of European Contract Law
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über die Rückabwicklung nach Vertragsauthebung handelt es sich schon im Ansatz um eine unausgegorene und unbrauchbare Regelung. Die sogleich anschließende Analyse der Einzelregelungen wird diese Schlussfolgerung, die sich schon angesichts der Grundnorm in Art. 9:305 aufdrängt, noch weiter bestätigen. b) Zurückweisung empfangener Leistungen: Art. 9:306 Gemäß Art. 9:306 kann die Partei, die den Vertrag authebt, "Gegenstände,876 die [sie] bereits vorher von der anderen Partei empfangen hat, zurückweisen, soweit sich ihr Wert für [sie] infolge der Nichterfüllung durch die andere Partei wesentlich vermindert hat". Unklar ist hier vor allem die Bedeutung des Begriffes "bereits vorher empfangen" ("previously received"): Bezieht sich dies auf Gegenstände, die vor der Vertragsaujhebung selbst empfangen worden sind, oder nur auf solche, die bereits vor dem Eifüllungsversuch geleistet wurden, dessen Unzulänglichkeit zur Vertragsauthebung geführt hat? Mit den beiden Auslegungsmöglichkeiten ist natürlich ein ganz entgegengesetztes Verständnis der Bestimmung verbunden: Versteht man sie im erstgenannten Sinn, dann ist damit eine Einschränkung des Zurückweisungsrechts verbunden; auch vertragswidrige Gegenstände dürften demnach nur dann zurückgewiesen werden, wenn sich durch die in ihrer Andienung liegende Nichterfüllung ihr Wert für den Empfänger wesentlich vermindert hat. 877 Meistens wird das zwar ohnehin der Fall sein, da die Vertragsauthebung ja regelmäßig bereits eine wesentliche Nichterfüllung voraussetzt, aber es sind durchaus Fälle denkbar, in denen sich der 876 Der englische Text spricht von "property", was auf den ersten Blick eher im Sinne von "Sache" zu verstehen ist, der französische von "bien", was eher der deutschen Übersetzung mit "Gegenstand" entspricht. Da kein Grund erkennbar, warum etwa ein Forderungskäufer daran gehindert werden sollte, sich wertlos gewordener Forderungen zu entledigen, erscheint die weitere Übersetzung vorzugswürdig. Im übrigen bezieht sich auch PECL Autorenkommentar Art. 9:308 F auf ,,[i]ndustrial and intellectual property", will also offenbar jedenfalls auch solche Schutzrechte unter diesen Begriff fassen. Auf andere Arten von Leistungen lässt sich die Bestimmung dagegen wohl kaum übertragen: Werden etwa bestellte Kontaktlinsen durch die Schuld des Optikers nicht geliefert, dann kann der Kunde zwar die vorab gelieferten Pflegemittel nach Art. 9:306 zurückweisen, muss aber möglicherweise für die Anpassung der Kontaktlinsen bezahlen, was wenig überzeugt. 877 In diesem Sinn offenbar Herold, S. 233; ausdrücklich auch S. 234, wo es heißt, ,,[i]nsbesondere die Rückgabe einer empfangenen mangelhaften Sache" werde "für den Rücktrittsberechtigten erschwert". Davon zu unterscheiden ist die Frage, unter welchen Umständen der Gläubiger ein Leistungsangebot des Schuldners nicht entgegenzunehmen braucht u. a. mit der Folge, dass er sein Leistungsverweigerungsrecht nach Art. 9:201 weiter ausüben kann. Hier stellt PECL Autorenkommentar Art. 9:201 B (insbesondere Illustration 3 und 4) offenbar auf einen reasonablenessStandard ab.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Wert der empfangenen Sachen für den Empfänger nur unwesentlich gemindert hat. Folgt man dagegen dem letztgenannten Verständnis, dann stellt Art. 9:306 ein zusätzliches Recht dar; auch im Zeitpunkt der Leistung vertragsgemäße Gegenstände könnten zurückgewiesen werden, wenn sie durch eine spätere Nichterfüllung gleichsam entwertet werden. Welcher der beiden Auslegungen zu folgen ist, lässt sich nicht recht sagen. Für die erstere Auslegung spricht zum einen der systematische Standort der Vorschrift bei den Rückabwicklungsregeln; wenn es lediglich um das Ausmaß der Vertragsaufhebung bei Sukzessivlieferungsverträgen ginge, wäre die Vorschrift wohl falsch eingeordnet. 878 Im Übrigen wird diese Frage bereits in Art. 9:302 geregelt. 879 Das Verhältnis zwischen beiden Bestimmungen ist allerdings höchst unklar; insbesondere kann man sich fragen, ob die Voraussetzung, dass "die Nichterfüllung [einer Teilleistungspflicht] für den ganzen Vertrag wesentlich ist" (Art. 9:302 S. 2), etwas anderes bedeutet als die Voraussetzung, dass sich der Wert einer empfangenen Teilleistung "infolge der Nichterfüllung durch die andere Partei wesentlich vermindert" hat (Art. 9:306). Vermutlich liegt der Unterschied nur darin, dass sich die eine Vorschrift auf die Zukunft, die andere dagegen auf die Vergangenheit beziehen soll.88o Merkwürdig an der Interpretation, die Art. 9:306 auf Sukzessivlieferungsverträge beschränken will, ist auch, dass danach der "Unterabschnitt" über die Rückabwicklung (nach der Grundnorm in Art. 9:305) ausgerechnet von einer Bestimmung eröffnet wird, die eher einen Sonderfall betrifft, und dann von wesentlich allgemeineren Bestimmungen gefolgt wird. Der Autorenkommentar betont zudem ausdrücklich, dass die Bestimmung auch auf Sukzessivlieferungsverträge Anwendung finden könne ("This Article may also apply where the contract is to be perjormed in distinct instalments, if fai/ure to deliver a later instalment makes the earlier instalments useless,,).88j Diese Feststellung würde keinen rechten Sinn ergeben, wenn die Bestimmung als Sonderregelung speziell auf Sukzessivlieferungsverträge 878 Das sieht auch Schlechtriem (Abstandnahme, S. 171), der aber dennoch die Anwendbarkeit der entgegengesetzten Interpretation als selbstverständlich unterstellt. Auch die (inoffizielle) deutsche Übersetzung scheint dieser Lesart zu folgen, wie sich aus der Übertragung von "property previously received" in das wesentlich stärker betonte "Gegenstände, die er bereits vorher [... ] empfangen hat" schließen lässt. 879 Zu dieser Bestimmung - auf die auch Flessner bei der Behandlung dieser Sachfrage Bezug nimmt (ZEuP 1997, 313 Fn. 254) - vgl. oben Teil 2 E.ll.l.a) bei Fn. 760 ff. 880 Das entspräche im Wesentlichen der von Rabel in Art. 30 seines ursprünglichen Entwurfs eines einheitlichen Kaufgesetzes vorgesehenen Regelung für Sukzessivlieferungsverträge (Vgl. Rabel, Entwurf, S. 73). 88l PECL Autorenkommentar Art. 9:306.
E. Principles of European Contract Law
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zugeschnitten wäre. Auffallig ist schließlich auch der sachliche und terminologische Unterschied der Regelung zu Art. 73 III CISG, der ebenfalls dieses Sachproblem betrifft: Während das CISG von der ,,Aufhebung des Vertrages in Bezug auf bereits erhaltene Lieferungen oder in Bezug auf künftige Lieferungen" spricht, wird in Art. 9:306 Principles of European Contract Law offenbar die Aufhebung des Vertrages bereits vorausgesetzt; das kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass in den Principles of European Contract Law anders als im CISG die Vertragsaufhebung nicht regelmäßig zur Rückabwicklung des gesamten Vertrages führen soll. Richtig ist allerdings, dass beide der im Autorenkommentar angeführten Beispiele Sukzessivlieferungsverträge im weiteren Sinn betreffen: Im einen Fall wird die auf eine besondere Buchführungssoftware zugeschnittene Hardware geliefert, die dazugehörige Software selbst dagegen nicht; hier kann die für sich allein nutzlose Hardware zurückgewiesen werden. 882 Im anderen Fall soll ein Computersystem nach und nach zum Einbau in ein noch zu errichtendes Bürogebäude geliefert werden; wenn hier eine wesentliche Komponente ausbleibt, kann der Besteller auch die übrigen Komponenten zurückweisen. 883 Für die zuletzt genannte Variante (Art. 9:306 als zusätzliches Zurückweisungsrecht) spricht dabei auch, dass der Autorenkommentar an anderer Stelle 884 ausdrücklich zwischen der Situation, in der "the party to whom delivery was to be made has received the property but has lawfully rejected it", und der Situation "where a contract has been lawfully terminated" unterscheidet; für den letztgenannten Fall wird allerdings nur auf Art. 9:308 verwiesen. Alles in allem weiß man also nicht so recht, was mit der Bestimmung anzufangen ist. c) Rückforderung von Geld: Art. 9:307 Weniger Schwierigkeiten scheint Art. 9:307 zu bereiten; danach kann jede Partei nach Aufhebung des Vertrages "die Rückerstattung von Geld verlangen, das für eine von ihr nicht empfangene oder berechtigterweise zurückgewiesene Leistung gezahlt worden ist". Dass diese Bestimmung für synallagmatische Austauschäquivalenz sorgen soll, liegt auf der Hand: Wer gezahlt hat, ohne dafür die vertraglich vorgesehene Gegenleistung zu bekommen, soll sein Geld zurückverlangen können - ein unmittelbar einleuchtender, ja beinahe selbstverständlicher Gedanke. Leider äußert sich allerdings weder der Wortlaut von Art. 9:307 noch der Autorenkommentar zu der eigentlich interessanten Frage, nämlich was ge882 883 884
PECL Autorenkommentar Art. 9:306 Illustration 1. PECL Autorenkommentar Art. 9:306 Illustration 2. PECL Autorenkommentar Art. 7: 110 A.
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
schehen soll, wenn der Geldschuldner den vollen vertraglich vorgesehenen Preis gezahlt und der Sachschuldner seinerseits zwar geleistet hat, seine Leistung jedoch hinter den Anforderungen des Vertrages zuruckbleibt. Kann hier der gezahlte Preis in voller Höhe zuruckgefordert werden, weil er definitionsgemäß "für" die vertraglich geschuldete Leistung gezahlt wurde, die ebenso definitions gemäß nicht erbracht worden ist? In diesem Fall wäre der Sachschuldner darauf verwiesen, Ausgleich über Art. 9:308 oder 9:309 zu suchen. Kann nichts zuruckgefordert werden, weil der Geldschuldner eine "performance" - wenn auch nicht die vertraglich vorgesehene - erhalten hat, haben die Principles of European Contract Law mit anderen Worten eine Variante der total-failure-of-consideration-Lehre rezipiert? Der Autorenkommentar scheint das immerhin anzudeuten; auch die Gegenüberstellung von nicht erhaltener und zuruckgewiesener Leistung könnte dies nahe legen. 885 Oder soll schließlich, entsprechend der von den Principles of European Contract Law postulierten Vorliebe für flexible Lösungen, eine anteilige Rückforderung möglich sein?886 Letzten Endes führt jede der drei Möglichkeiten in Widerspruche zu anderen Vorschriften der Principles of European Contract Law. Wenn trotz erbrachter Teilleistung der volle Preis zuruckgefordert werden kann, dann ist Art. 9:306 offenkundig überflüssig: Welchen Zweck sollte eine Zuruckweisung des Empfangenen haben, wenn es darauf für die Rückforderbarkeit des Geleisteten nicht ankommt, sondern es dem Sachschuldner obliegt, die geleistete Sache nach Art. 9:308 herauszuverlangen? Wenn gar nichts zuruckverlangt werden kann, sobald der Sachschuldner irgendeine Leistung erbracht hat, dann würde die in Art. 9:302 S. 2 vorgesehene Möglichkeit, trotz Erhalt einer Teilleistung unter Umständen den ganzen Vertrag aufzuheben, meist nichts nützen. Und eine anteilige Rückgewähr würde praktisch auf eine "Minderung des Preises" (Art. 9:401) hinauslaufen, obwohl der Autorenkommentar an anderer Stelle doch ausdtücklich betont, dass Minderung und Vertragsauthebung logisch unvereinbar seien. 887 885 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:307 B: "This rule has general application where a party which has prepaid money rightfully rejects performance by the other party or where the latter fails to effect any performance" (Hervorhebung nicht im Original). 886 So vielleicht PECL Autorenkommentar Art. 9:307 C, allerdings nur für Dauerschuldverhältnisse im weiteren Sinn ("Where a contract is to be performed over a period of time, or in instalments") unter der zusätzlichen Voraussetzung der Teilbarkeit der Leistung ("and the performance is divisible"). Konstellationen wie der englische Fall Miles v. Wakefield Metropolitan Borough Council [1987] A.c. 539 (Standesbeamter weigert sich unter Bruch seines Anstellungsvertrages, während der Arbeitszeit Trauungen vorzunehmen, geht aber anderen Amtsgeschäften nach) lassen sich damit nicht lösen. 887 Vgl. schon soeben Fn. 871.
E. Principles of European Contract Law
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Dem Autorenkommentar zufolge sollen zusammen mit der Rückzahlung auch Zinsen gemäß Art. 9:508 gefordert werden können. 888 Weder dem Wortlaut von Art. 9:307 noch dem von Art. 9:508 ist dies indes zu entnehmen. 889 Man fragt sich auch, ab wann die Verzinsungspflicht eintreten soll: ab Zahlungseingang? ab Nichterfüllung? ab Vertragsaufhebung? Dem Wortlaut und Sinn von Art. 9:508 dürfte allenfalls die letztgenannte Möglichkeit entsprechen, so dass die Frage einer zwischenzeitlichen Verzinsung unbeantwortet bleibt. d) Rückforderung anderer Gegenstände: Art. 9:308 Ein ähnliches Problem wie bei Art. 9:307 stellt sich bei Art. 9:308, der gewissermaßen das spiegelbildliche Äquivalent der vorangehenden Bestimmung enthält: Konnte in Art. 9:307 das für eine nicht erbrachte Sachleistung gezahlte Geld zurückgefordert werden, so kann nach Art. 9:308 eine "Partei, die Gegenstände geliefert hat, die zurückgegeben werden können und für die sie keine Bezahlung oder andere Gegenleistung erhalten hat, Rückgabe dieser Gegenstände verlangen". Ob dies voraussetzt, dass die Gegenleistung vollständig ausgeblieben ist, oder lediglich, dass sie nicht vollständig erbracht worden ist, bleibt unklar. Klar ist lediglich, dass die vermittelnde Lösung, die bei Art. 9:307 noch denkbar war, nicht in Betracht kommt, weil eine teilweise Rückforderung des gelieferten Gegenstandes bzw. der gelieferten Gegenstände grundSätzlich ausscheidet, wo der Vertrag nicht teilbar ist. 89o Trotz der ähnlichen Formulierung der bei den Bestimmungen ist es angesichts dieses sachlichen Unterschiedes keineswegs zwingend erforderlich, Art. 9:307 und 9:308 parallel auszulegen; so würde es keinen Widerspruch darstellen, wenn ein Sachschuldner den geleisteten Gegenstand schon dann zurückfordern kann, wenn er nicht vollständig bezahlt worden ist, einem Geldschuldner, der die ihm zustehende Sachleistung nicht vollständig oder nicht in vertragsgemäßer Weise erhalten hat, jedoch nur eine anteilige Rückforderung des gezahlten Preises gestattet würde. Das legt auch der Vergleich zu Art. 9:309 nahe, wo eine identische Formulierung zu Art. 9:308 verwendet wird. Folgt man der oben dargestellten "deutschen" Auslegung von Art. 9:305, ist allerdings wohl ein möglichst weitgehender Gleichlauf von Art. 9:307 einerseits und Art. 9:308, 9:309 notwendig, da sich andernfalls bei Dauerschuldverhältnissen erhebliche UnPECL Autorenkommentar Art. 9:307 D. Insofern verständlich Hornung, S. 111, dem zufolge die Principles of European Contract Law über die "Verzinsung rückzuerstattender Geldsummen" ,,[klein Wort verlieren". 890 Bei teilbaren Verträgen soll nach PECL Autorenkommentar Art. 9:308 Deine Teilrückgewähr stattfinden. 888 889
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
gleichbehandlungen ergeben könnten. 891 Die Principles of European Contract Law lassen den Anwender mit diesen nahezu unbegrenzten Auslegungsmöglichkeiten alleine. Klar dürfte allerdings sein, dass jedenfalls im Rahmen der Principles of European Contract Law die Vertragsaufhebung als solche auch dort nicht zum automatischen Rückfall des Eigentums führen kann, wo die lex rei sitae das als normale Konsequenz der Vertrags beendigung vorsieht. 892 Zumindest kann dies von vornherein nicht gelten, wo die Voraussetzungen für eine Rückforderung der Sache nach Art. 9:308 oder eine Zurückweisung nach Art. 9:306 nicht vorliegen. Denn andernfalls würden sich klare Widersprüche zu den schuldrechtlichen Regelungen der Principles of European Contract Law ergeben. Der Autorenkommentar zieht sich allerdings auf die Aussage zurück, die sachenrechtliche Problematik solle dem "applicable national law" überlassen bleiben. 893 Zu allem Überfluss bringt er dann jedoch noch den Gedanken in die Diskussion, die vertragstreue Partei könne möglicherweise die von ihr empfangene Sache auch dann behalten, wenn sie sie noch nicht bezahlt hat; in diesem Fall könne das Gericht nach Art. 9:308 Wertersatz anordnen. 894 Offenbar soll damit das Problem der "aufgedrängten Vertragsaufhebung" gelöst werden, das die Autoren der Unidroit Principles so beschäftigt hat. 895 Auch in den Principles of European Contract Law wird im Übrigen für die Rückabwicklung auf die Einschränkungen verwiesen, denen das Recht auf Naturalerfüllung unterliegt. 896 Soweit diese Einschränkungen eingreifen, soll Art. 9:309 helfen.
Vgl. oben Teil 2 E.II.2.a)(2) bei Fn. 842. Anders Hornung, S. 110: Die Vertragsaufhebung könne dingliche Wirkung entfalten, wo "das über das IPR subsidiär zur Anwendung kommende nationale Recht" dies vorsehe. 893 PECL Autorenkommentar Art. 9:308 B. 894 PECL Autorenkommentar Art. 9:308 C: ,,lI the aggrieved party can restore the property but does not do so, the court mayorder it to restore it or its value under Article 9:308." 895 Vgl. oben Teil 2 D.III.2. bei Fn. 676 ff. 896 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:308 H: "The rules in Chapter 4 [sic] Section 1 on right to performance apply mutatis mutandis to the claim lor restitution"; gemeint ist offensichtlich Art. 9: 102(2)(a),(b) (keine Rückgewähr, wo diese rechtswidrig oder unmöglich wäre oder unangemessene Anstrengungen oder Kosten verursachen würde), während Art. 9: 102(2)(c) und (d) (Abhängigkeit von einer persönlichen Beziehung sowie Möglichkeit, die Leistung "vernünftigerweise aus einer anderen Quelle" zu erhalten) wohl nicht in Betracht kommen. Für die Unidroit Principles vgl. oben Teil 2 D.III.2. 891
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E. Principles of European Contract Law
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e) Wertersatz: Art. 9:309 Art. 9:309 wird - soweit in der deutschen Literatur behandelt - als Teil einer so genannten "Wertersatzlösung" verstanden, die die Principles of European Contract Law mit den Unidroit Principles verbinden, zugleich aber vom CISG unterscheiden soll. Die "Wertersatzlösung" setzt sich logisch aus zwei Thesen zusammen: Zum einen soll die Unmöglichkeit, die empfangene Leistung zurückzugeben, die Vertragsaufhebung nicht ausschließen. Zum anderen soll in diesem Fall jede Partei Wertersatz für die von ihr erhaltene Leistung erbringen, um ihrerseits ihre eigene Leistung zurückfordern zu können; die Rückabwicklung braucht sich also nicht in Natur zu vollziehen, sondern kann auch in Form von Geldsurrogaten vor sich gehen. 897 Dass die erste der beiden Thesen für die Principles of European Contract Law zutrifft, lässt sich nach ihrem Wortlaut kaum bezweifeln: Einschränkungen des Rechtes auf Vertragsaufhebung für den Fall einer Unmöglichkeit der Rückgabe im ursprünglichen Zustand, wie sie in Art. 82 CISG vorgesehen sind, finden sich in den Principles of European Contract Law offensichtlich nicht. 898 Problematischer ist dagegen die zweite These: Ob eine Partei, die Vertragsaufhebung erklärt, wirklich von sich aus Wertersatz anbieten kann, um so ihre eigene Leistung zurückzuerhalten beziehungsweise sonstigen die Vertragsaufhebung überdauernden Pflichten entkommen zu können,899 wird im Folgenden kritisch zu überprüfen sein. Dabei ist offensichtlich, dass Einschränkungen hinsichtlich der zweiten These nicht 897 So etwa Hornung, S. 154: "Sobald [... ] ein potentieller Rückabwicklungsfall vorliegt, hängt die Geltendmachung der Vertragsaufhebung gern. [Art. 9:309] nicht davon ab, daß der Erwerber einer Sache diese in natura restitutieren kann: In ausdrücklicher Abgrenzung zu Art. 82 CISG muß statt der Sache - unabhängig von Verschuldens- oder Zurechenbarkeitserwägungen - Wertersatz geleistet werden." (Hervorhebung im Original; nahezu die gleichen Formulierungen finden sich S. lll.) Hornung spricht von einem "modemen Trend zur Wertersatzlösung, die gegenüber dem römisch-rechtlich inspirierten Prinzip des Ausschlusses der Rückabwicklung bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution die flexibleren und auch materiell gerechteren Ergebnisse liefert" (S. 155; vgl. ferner noch S. 363 f.). Vgl. in diesem Sinn auch Schlechtriem/LeseriHornung, CISG-Kommentar, Art. 82 Rn. 18a. Auch M. Krebs, S. 92, meint, die Principles of European Contract Law folgten der Wertersatzlösung. Dabei übersehen beide jedoch, dass sich PECL Autorenkommentar Art. 9:307 A ausdrücklich von den "various legal systems" absetzt, in denen eine solche Wertersatzlösung vorgesehen ist. Zur rechtspolitischen Vorzugswürdigkeit der Wertersatzlösung vgl. Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, Rn. 321 (insb. Fn. 306); vgl. ferner derselbe, Abstandnahrne, S. 169. 898 So auch PECL Autorenkommentar Art. 9:309 Notes 6. 899 So etwa Hornung, S. 111: "Wenn aber nach den [Art. 9:307, 9:308] ein grundsätzlicher Restitutionsanspruch besteht, so scheitert die Geltendmachung der Vertragsaufhebung nicht an der Unmöglichkeit, das Empfangene in natura rückerstatten zu können. In diesem Fall soll es gemäß [Art. 9:309] zu Wertersatz kommen." Ähnlich offenbar auch Herold, S. 233.
20 Coen
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
ohne Rückwirkungen auf die erste These bleiben: Wo, wie oben dargestellt,900 der vertragliche Vergütungsanspruch einer Partei die Vertragsaufhebung überdauern kann, falls nicht die andere Seite die empfangene Leistung zurückweisen kann, bedeuten Einschränkungen des Wertersatzrechtes zugleich auch eine faktische Einschränkung des Rechtes auf Vertragsaufhebung; formell kann zwar die Aufhebung des Vertrages immer noch erklärt werden, diese hat jedoch keine praktische Bedeutung, weil die vertragliche Vergütung weiter geschuldet bleibt. 901 Auch insoweit ergeben sich also aus den möglichen unterschiedlichen Interpretationen von Art. 9:305(1) erhebliche Weiterungen, die von den Autoren der Principles of European Contract Law offenbar nicht erkannt worden sind. Für die Auslegung von Art. 9:309 ist zunächst vom Wortlaut der Bestimmung auszugehen, der in der deutschen Übersetzung von Drobnig, Zimmermann und Wicke wie folgt lautet: "Nach Aufhebung des Vertrages kann eine Partei, die eine Leistung erbracht hat, die nicht zurückgegeben werden kann und für die sie keine Bezahlung oder andere Gegenleistung erhalten hat, die Zahlung eines angemessenen Betrages für den Wert verlangen, den ihre Leistung für die andere Partei hat." Wie bereits erwähnt, liegt die Parallele zu Art. 9:308 auf der Hand: Wo der Leistungsgegenstand nicht in Natur "zurückgegeben werden" kann, kann an seiner Stelle Wertersatz gefordert werden. Hiernach ist offensichtlich, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine Anspruchsgrundlage und nicht etwa um eine Hilfsnorm zur Regelung einer Ersetzungsbefugnis zugunsten des Aufhebenden handelt. 902 Natürlich wird ein Rückabwicklungsgläubiger den ihm nach Art. 9:309 zustehenden Anspruch geltend machen, wenn dies für ihn vorteilhaft ist, weil ihm kein anderer Anspruch zusteht. Wo freilich ein vertraglicher Vergütungsanspruch, der den Wertersatz übersteigt, die Vertragsaufhebung überdauert, wie dies die oben skizzierte "englische" Interpretation von Teil 2 E.II.2.a)(3). Insoweit problematisch Hornung, S. 155, dessen Ansicht nach "die Rückabwicklung für den Erwerber trotz Untergangs oder Weiterveräußerung der Sache [sc. und einer daran anknüpfenden Wertersatzpflicht] ein interessanter Rechtsbehelf sein" kann, weil ihm ermöglicht werde, "auch ohne Nachweis eines konkreten Schadens die Ökonomie des gescheiterten Vertrages ,umzudrehen"'. Das gilt natürlich nur dann, wenn der Wertersatz nicht wiederum mit der vertraglich vereinbarten Vergütung identisch ist. Naiv erscheint die weitere Annahme von Hornung in diesem Zusammenhang, der Kaufpreis werde "im Normalfall" über dem "wahren Wert der Sache liegen", weil er "eine Gewinnspanne beinhalten" dürfte: "Wahrer Wert der Sache" wird im Regelfall der Marktpreis sein, auch wenn dieser eine Gewinnspanne enthält. 902 Auch PECL Autorenkommentar Art. 9:309 A betont den Gedanken der Vorteilsabschöpfung (',lt would be unjust to allow [a party] to retain this benefit without paying Jor it, and Article 9:309 requires it to pay"); von einer Ersetzungsbefugnis ist darin nicht die Rede. 900 901
E. Prineiples of European Contraet Law
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Art. 9:305 postuliert, liegt diese Voraussetzung nicht vor; in diesem Fall lässt sich Art. 9:309 gerade keine Befugnis des Rückabwicklungsschuldners entnehmen, dem Gläubiger statt der vertraglichen Vergütung Wertersatz anzubieten. 903
Für die Annahme, dass die Bestimmung lediglich dem andernfalls benachteiligten Erbringer einer nicht (mehr) rückgabefähigen Leistung helfen, nicht aber eine Rückabwicklung im Sinne der Wertersatzlösung bewerkstelligen soll, spricht auch die Erklärung, die Lando selbst für die Formulierung gegeben hat: Man könne ihr entnehmen, dass "tor the continuing service contracts wh ich had nothing to do with property" die Vertragsaufhebung nur für die Zukunft wirke. 904 Das kann nur heißen, dass es bei einem einmal erbrachten Leistungsaustausch bleiben soll, und gerade nicht, dass Rückabwicklung mittels Wertersatz ermöglicht werden soll, wo sie sonst nicht in Betracht käme. Anders ausgedrückt, soll der Wertersatz danach nicht der Rückabwicklung des Vertrages im Sinne einer möglichst weitgehenden Wiederherstellung des vorvertraglichen Zustandes dienen, sondern gleichsam nur als Prothese für eine vertragliche Erfüllungshaftung eintreten, deren tatbestandliehe Voraussetzungen nicht erfüllt sind. 905 Für dieses Verständnis spricht auch die Tatsache, dass Art. 9:309 - wie schon erwähnt _906 in Art. 9:305(1) nicht als Rückabwicklungsvorschrift erwähnt wird, also offenbar einen zusätzlichen quasivertraglichen Vergütungsanspruch darstellen soll. Demgegenüber war BoneIl allerdings der Ansicht, die Regelung der Principles of European Contract Law sei im Ergebnis identisch mit der der Unidroit Principles, die eine vollständige Rückgewähr vorsieht. 907 903 PECL Autorenkommentar Art. 9:309 Notes 6 betont ebenfalls lediglich, dass "the aggrieved party will [... ] be expected to pay Jor benefits received". Ob sie einen Wertausgleich zahlen soll oder die vertraglich vereinbarte Gegenleistung, ist damit nicht gesagt. 904 So eine Äußerung im Rahmen der Beratungen der Unidroit-Arbeitsgruppe, vgl. Unidroit 1992, P.C. - Mise. 16, S. 72. Vgl. auch die Frage von Lando bei einer späteren Beratung (Unidroit 1994, P.c. - Mise. 19, S. 142): "Were there not situations where restitution was impossible, and where the aggrieved party had had benefit and should not have the option, where he should simply accept as provided what he had received and give the deJaulting party some consideration Jor that." 905 In diesem Sinne auch PECL Autorenkommentar Art. 9:309 A: "The other party may have a claim Jor the price, but this will depend upon the agreed payment terms and the price may not yet be payable. It may have a claim Jor damages, but the party which has received the benefit may be the aggrieved party or [... ] it may not be liable Jor damages because its non-performance was excused under Article 8: 108. It would be unjust to allow it to retain this benefit without paying Jor it, and Article 9:309 requires it to pay." 906 Oben Teil 2 E.II.2.a)(1), Fn. 822. 907 Unidroit 1992, P.C. - Mise. 16, S. 72 f.: Die Principles of European Contract Law hätten "the same contradiction, because [der heutige Art. 9:305] stated that termination released both parties Jrom their obligation to effect and receive Juture
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2. Teil: Die verschiedenen Rückabwicklungsregime
Zweifelhaft ist im Übrigen auch, auf welchen Zeitpunkt bei der Bemessung des Wertersatzes abzustellen ist. Nimmt man Art. 9:309 bei dem Wortlaut der inoffiziellen deutschen Version, dann kommt es darauf an, welchen Wert die Leistung des Gläubigers für den Schuldner "hat"; mit anderen Worten, die Bewertung ist zum Zeitpunkt der Vertragsaufhebung bzw. der daran anschließenden Rückabwicklung vorzunehmen. Damit würde der Gläubiger im Ergebnis ohnehin wieder das Risiko eines zwischenzeitliehen Wertverlustes tragen; lediglich eine im Vermögen des Schuldners noch vorhandene Bereicherung wäre auszukehren. Auch der Autorenkommentar scheint eine solche Auslegung anzudeuten;908 ob sie aber wirklich beabsichtigt ist, erscheint indes zweifelhaft. 909 Die englische Fassung jedenfalls spricht zeitlich völlig neutral nur von "the value 01 the performance to the other party". Was gemeint ist, bleibt erneut unklar. 910 Die Höhe des Wertersatzes soll sich grundsätzlich nach dem Wert des "net benefit" für den Schuldner richten. Übersteigt dieses aber die Kosten, die dem Gläubiger entstanden sind, dann soll dieser höchstens einen "appropriate part 01 the contract price" zahlen müssen. 911
perfonnance but did not affect rights and liabilities which had accrued up to the time of termination, but then it said subject to [Art. 9:307 und 9:308], which gave an unlimited right to recover whatever one had done." 908 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:309 A ("one party is left with a benefit which cannot be returned [... ] but for which it has not paitf', Hervorhebung nicht im Original); auch Art. 9:309 B macht deutlich, dass nur eine Bereicherung auszugleichen ist. 909 Anders Hornung, S. 154: Die Formulierung mache "sehr viel besser als der entsprechende Wortlaut der [Unidroit Principles] deutlich, daß Wertersatz nur in Frage kommt, wenn die Leistung für den Empfanger auch tatsächlich einen Wert gehabt hat" (Hervorhebung nicht im Original); die Wertersatzpflicht sei auch anders als in den Unidroit Principles "nicht relativ unkonkreten Einschränkungen unterworfen". Es müsse "unabhängig von Verschuldens- oder Zurechenbarkeitserwägungen" Wertersatz geleistet werden. Auch Herold, S. 234, schließt aus der Vorschrift, die Zufallsgefahr trage "immer der Sachinhaber". Dagegen meint Schlechtriern, Abstandnahme, S. 176, ebenso wie in den Unidroit Principles fehlten "Regeln [... ] zur Berücksichtigung der Verantwortung für den Vertragsbruch, der Aufhebung und Rückabwicklung ausgelöst hat, sowie für Untergang oder Verschlechterung der zurückzuerstattenden Leistungsgegenstände". 910 Anders Hornung, S. 159, der dafür plädiert, die Vorschrift "möglichst wörtlich" zu nehmen, was seiner Meinung nach bedeutet, dass "die Untergangsgefahr über entsprechende Wertersatzpflichten dem Erwerber aufgebürdet" werde, "soweit nicht der Untergang der Sache in der Sphäre des Veräußerers begründet" sei. Tatsächlich lässt sich dem Wortlaut selbst das aber keineswegs entnehmen. 911 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 9:309 B; das dortige Fallbeispiel (Illustration 4) scheint wohl auf BP Exploration Co. (Libya) Ltd. v. Hunt (No. 2) [1979] 1 W.L.R. 783 (Robert Goff J.) anzuspielen.
E. Principles of European Contract Law
309
f) Erstattung sonstiger Aufwendungen
für Zwecke der Vertragserfüllung?
Eine Erstattung sonstiger Aufwendungen, die für Zwecke der Vertragserfüllung gemacht worden sind, scheint nicht vorgesehen zu sein; zumindest weist die zusammenfassende Survey of Chapters 1-9 am Beginn der Principles of European Contract Law darauf hin, dass "iJ the contract is terminated the obligor may lose all that it has invested in preparing to perform".912 Zugegebenermaßen bezieht sich diese Aussage nur auf die vertragsbrüchige Partei;913 sie soll demonstrieren, dass der Rechtsbehelf der Vertragsaufhebung dem Schuldner einen starken Anreiz zur Leistung gebe. Es ist aber schwer zu sehen, wie dem vertragstreuen Gläubiger ein entsprechendes Schicksal erspart bleiben soll: Schließlich sieht das Rückabwicklungsregime der Principles of European Contract Law keine Differenzierung nach vertragstreuer und vertragsbrüchiger Partei vor. Allenfalls über einen Schadensersatzanspruch kann dem Gläubiger insoweit geholfen werden.
912
Lando/Beale (2000), S. xxxix.
Vgl. auch PECL Autorenkommentar Art. 9:301 A, wo es ebenfalls nur heißt, dass ,,[f]or the defaulting party [... ] termination usually involves a serious detri913
ment. In attempting to perform it may have incurred expenses which are now wasted. " Für die vertragstreue Partei spielt die Frage aber vennutlich eine geringere
Rolle, weil sie es ohnehin selbst in der Hand hat, ob sie die Vertragsaufhebung erklären will oder nicht.
Teil 3
Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns A. Einleitung: Zusammenhang von Grund des Scheiterns und Rückabwicklung Nachdem im vorangegangenen Teil die verschiedenen Rückabwicklungsregime der untersuchten Rechtsordnungen in ihrem jeweiligen Zusammenhang vorgestellt worden sind, geht es nun darum, in einem weiteren Schritt die verschiedenen Fallgruppen des Vertragsscheiterns in den Blick zu nehmen. Wie bereits angekündigt, werden diese Fallgruppen zum Zwecke der Übersichtlichkeit in drei Kategorien eingeteilt, nämlich in Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern (nachfolgend B.), Leistungen in Erwartung eines Vertragsschlusses, wenn kein Vertrag zustande kommt (C.) und Willensmängel und Leistungsstörungen (D.), wobei diese Kategorien sich wiederum in verschiedene Untergruppen von Lebenssachverhalten aufteilen lassen.
B. Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern I. Fehlende Rechtsfähigkeit einer Partei Die extremste Form des Vertragsscheiterns, die sich denken lässt, ist der Fall, dass sich eine vorgebliche Vertrags partei überhaupt nicht an Verträgen beteiligen kann, weil ihr die Rechtsfähigkeit fehlt. In der überwiegenden Mehrzahl von Fällen handelt es sich hierbei allerdings um ein Vertretungsproblem, also um eine Frage, die - wie oben angekündigt _I aus dem Themenbereich der vorliegenden Arbeit ausgeklammert bleiben soll: Da nach den heute zumindest in Europa geltenden Rechtsvorstellungen allen natürlichen Personen unbeschränkte Rechtsfähigkeit zukommt, kann das Problem nur juristische Personen betreffen, die aber ihrem Wesen nach darauf angewiesen sind, durch natürliche (und damit unbeschränkt rechtsfähige) Personen als Vertreter zu handeln. Wo die juristische Person indessen - möglicherweise in Unkenntnis der Unwirksamkeit des Vertrages - Leistungen I
Vgl. Teil 1 B.
B. Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern
311
aufgrund des Vertrages erbracht oder erhalten hat, ist sie jedenfalls in dessen Rückabwicklung eingebunden; eine etwaige Haftung von Vertretern kann demgegenüber in den Hintergrund treten. Vor allem im englischen Recht sind derartige Fälle in den vergangenen Jahren bedeutsam geworden. 1. Englisches Recht a) Ultra-vires-Fälle
Nach der traditionellen ultra-vires-Lehre des englischen Rechts kann die Rechtsfähigkeit juristischer Personen durch ihre Zwecksetzung beschränkt sein; Rechtsgeschäfte, die die juristische Person unter Überschreitung ihrer Zwecke vornimmt, sind unheilbar nichtig? Im Anwendungsbereich der Lehre werden also die Interessen der Anteilseigner - oder auf wessen Rechnung die Tätigkeit der juristischen Person sonst im Endeffekt geht - gegenüber dem Verkehrsschutz privilegiert. Die Frage, ob diese Wertung, über deren Sachgerechtigkeit man ohnehin geteilter Meinung sein kann, auch bei der Rückabwicklung zu beachten sei, hat die Rechtsprechung schon lange beschäftigt. Auf den Fall Sinclair v. Brougham 3 , in dem das House of Lords mit diesem Problem zu kämpfen hatte, ist bereits ausführlich eingegangen worden. 4
Im 20. Jahrhundert hat die ultra-vires-Lehre ihre Bedeutung für das Zivilrecht zunehmend verloren. Geänderte Wertungen 5 und vor allem auch die Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts haben dazu geführt, dass die Lehre für den Bereich des Gesellschaftsrechts praktisch vollständig abgeschafft worden ist; die entsprechenden Regelungen sind heute in ss. 35 ff. des Companies Act 1985 - in der Fassung des Companies Act 1989 - kodifiziert. Allerdings kam es in den 90er Jahren zu einem erneuten Aufflackern der ultra-vires-Problematik, nachdem das House of Lords in Hazell 2 Grundlegend Ashbury Railway Carriage and fron Co. v. Riche (1875) L.R. 7 H.L. 653. Die Einzelheiten sind allerdings kompliziert; so ist die Rechtsfähigkeit der Krone (also des Staates) grundsätzlich nicht eingeschränkt, es sei denn, dies ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Vgl. zu Einzelheiten Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 451 m. w. N. 3 [1914] AC. 398. 4 Vgl. oben Teil 1 AII.2.e) bei Fn. 113, Teil 1 C.I.l.b)(5) bei Fn. 193. 5 Vgl. Atiyah, Rise and Fall, S. 568, der darauf hinweist, dass die öffentliche Meinung (einschließlich Autoren wie Mill und sogar v. [hering) in der Mitte des 19. Jahrhunderts eher mit den "un/ortunate investors" sympathisiert habe, die sich auf die Geschäftsführer ihrer Gesellschaft verlassen müssten, während "third parties who dealt with the company were in a much better position to make due inquiry conceming the authority 0/ the directors"; diese Einschätzung habe sich erst später geändert.
312
3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
v. Hammersmith and Fulham London Borough Councif> die von englischen Gemeinden in beträchtlichem Umfang abgeschlossenen Zinsswapgeschäfte für ultra vires und damit für nichtig erklärt hatte. Die kommunal- und finanzpolitischen Hintergründe dieser Episode sind an anderer Stelle ausführlich dargestellt. 7 Die Schwierigkeit für die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang 8 ergab sich daraus, dass einer - rechtspolitisch höchst erwünschten - Rückabwicklung drei Traditionslinien entgegenstanden: Zum einen hatte das House of Lords in Sinclair v. Brougham9 für die ultra-vires-Fälle den Zugang zu einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung verschlossen und lediglich die Hintertür der (geringere Rechtssicherheit bietenden und damit aus kommerzieller Sicht weniger befriedigenden) equity-Rechtsprechung offengelassen. Die Überzeugungskraft von Sinclair v. Brougham war zu dieser Zeit indes schon so gering, dass die Aufgabe dieser Rechtsprechung lange absehbar war, bevor sie vom House of Lords im Mai 1996 in der Entscheidung Westdeutsche Landesbank Girozentrale v. Islington London Borough Council lO endgültig ratifiziert wurde. Das zweite Hindernis bestand darin, dass eine Rückforderung gezahlter Gelder auf der Grundlage eines Irrtums über die Wirksamkeit der Swapgeschäfte nicht möglich erschien, weil der Rechtsirrtum nicht als relevanter Irrtum galt. 11 Auch diese Hürde nahm das House of Lords (in der Entscheidung Kleinwort Benson Ltd. v. Lincoln City Council),12 freilich erst im Oktober 1998 und damit zu einem Zeitpunkt, als die meisten Rechtsstreitigkeiten aus diesem Anlass bereits durch Vergleiche beigelegt worden waren. 13 Eine größere Hürde für die Rückabwicklung, die bis heute noch nicht durch eine höchstrichterliche Entscheidung ausgeräumt, durch die neuere Rechtsprechung zum Irrtum aber umgangen worden ist, lag (drittens) in der total-failure-of-consideration-Lehre. Denn zumindest nach manchen Aus[1992] 2 A.c. 1. Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 452; dort auch zahlreiche weitere Nachweise. Für eine eingehende Diskussion, bei der die abschließenden Urteile des House of Lords allerdings noch nicht berücksichtigt werden konnten, vgl. McKendrick, Local Authorities and Swaps, S. 201. 8 V gl. zu den Problemen der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang Andrews, [1994] C.L.J. 26. 9 [1914] A.C. 398. 10 [1996] 2 W.L.R. 802. 11 Vgl. oben Teil 2 A.lII.1.a). 12 [1998] 3 W.L.R. 1095 (H.L.). 13 McKendrick, Local Authorities and Swaps, S. 220 f., schildert anschaulich die Probleme, die sich für die Gerichte ergaben, weil in diesem Zusammenhang über 150 Klagen eingereicht wurden, die als Musterprozesse ausgesuchten Verfahren aber allesamt in Vergleichen endeten. 6
7
B. Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern
313
prägungen dieser Lehre musste es zweifelhaft erscheinen, ob eine Rückabwicklung überhaupt in Betracht kam, wo bereits Leistungen ausgetauscht worden waren,14 was in den Swap-Fällen regelmäßig zutraf. Während ein Teil der Rechtsprechung für eine dogmatische Neuorientierung und für die Anerkennung eines neuen Rückforderungsgrundes namens "absence of consideration" plädierte,15 griffen andere Instanzgerichte in ihrer Erklärungsnot auf die so genannten annuity-Fälle aus dem 18. Jahrhundert zurück, in denen sich entfernt ähnliche Rückabwicklungsprobleme gestellt hatten, die aber vor der Herausbildung der modemen failure-of-consideration-Dogmatik entschieden worden waren. 16 Um es vielleicht etwas zynisch auszudrücken, wurden hier Präzedenzfälle herangezogen, um die Bindung an Präzedenzfälle auszuhebeln. 17 Nachdem in Kleinwort Benson 18 der Weg zur Rückabwicklung über Irrtum ermöglicht worden ist, hat diese Diskussion ihre praktische Bedeutung jedoch verloren. 19 Alles in allem handelt es sich Vgl. oben Teil 2 A.III.l.b). Vgl. oben Teil 2 A.III.l.b), Fn. 263. 16 Ausführlich dargestellt wird die Entwicklung der Rechtsprechung in den annuity-Fällen von Stoljar, (1959) 75 L.Q.R. 63 f. Dabei ging es um folgendes: Im 18. Jahrhundert waren Annuitätendarlehen ein beliebtes Instrument des Finanzmarktes. Um Missbräuche zu verhindern, wurde der Annuity Act, 1777, erlassen, der Registrierungs- und andere Formvorschriften enthielt und Annuitätendarlehen bei Zuwiderhandlung für nichtig erklärte. Auf Klage der Darlehensgeber wurde zunächst Rückforderung des gesamten Darlehens zugelassen, ohne dass die vom Darlehensnehmer erbrachten Zahlungen abgezogen wurden; schon bald erkannte man aber, dass dies nicht sachgerecht war, und ließ einen solchen Abzug zu. Wo der Darlehensnehmer sämtliche Raten erbracht hatte, schied eine Rückabwicklung ganz aus. Vgl. ferner Meier, S. 313 ff., der aber die rechtshistorische Pointe der Berufung auf diese Fälle offenbar entgeht. 17 Vgl. insoweit, möglicherweise mit etwas ironischem Unterton, Lord Goff of Chieveley in Westdeutsche Landesbank Girozentrale v. Islington London Borough Council [1996] 2 W.L.R. 807 f.: Glücklicherweise "a line of authority was discovered which had escaped the attention of scholars who work in this field". 18 [1998] 3 W.L.R. 1095 (H.L.). 19 Der britische Gesetzgeber hat durch s. 1(1) Local Governments (Contracts) Act 1997 die Kommunalbehörden nun immerhin allgemein ermächtigt, Verträge abzuschließen .tor the provision or making available of assets or services, or both, (whether or not together with goods) for the purposes of, or in connection with", der Erfüllung ihrer Aufgaben. Für längerfristige Verträge kann die Kommunalbehörde ihrem Vertragspartner zudem in einer schwerfälligen Prozedur (geregelt in ss. 2 bis 4) bescheinigen, dass sie zum Vertragsschluss befugt ist. Die Bescheinigung hat freilich keine Bindungswirkung in einem Gerichtsverfahren (s. 5(1»; das Gericht kann aber nach seinem Ermessen, bei dessen Ausübung besonders auf die "likely consequences for the financial position of the local authority" abzustellen ist, die Aufrechterhaltung eines unwirksamen Vertrages anordnen (s. 5(3». Tut es dies nicht, gilt der Vertrag allerdings auch nicht als nichtig; vielmehr ist der Vertragspartner so zu stellen, als wäre der Vertrag durch Rücktritt nach einem repudiatory breach der Kommunalbehörde beendet worden (s. 7(2», falls nicht die 14 15
314
3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
bei den Swap-Fällen sicherlich um eine in vieler Hinsicht eigentümliche Fallgruppe, die - so groß auch ihre Rolle bei der Weiterentwicklung des englischen Bereicherungsrechts gewesen ist - wenig verallgemeinernde Schlussfolgerungen zulässt. 20 b) Verträge einer juristischen Person vor ihrer Gründung In einem Einzelfall hat die englische Rechtsprechung auch die Rückabwicklung von Verträgen, die eine juristische Person vor ihrer Gründung abgeschlossen hat, beschäftigt. 21 Als entscheidendes Ergebnis für diesen Fall lässt sich festhalten, dass man sich für eine möglichst umfassende Rückabwicklung des nichtigen Vertrages entschieden hat; wie sich die Situation der Parteien bei Wirksamkeit des Vertrages dargestellt hätte, insbesondere welche Rechte wegen Leistungsstörungen ihnen zugestanden hätten, wurde absichtlich unberücksichtigt gelassen. Angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Änderungen des Gesellschaftsrechts ist nicht damit zu rechnen, dass sich solche Fälle in nennenswertem Umfang wiederholen werden. 22 2. Deutsches Recht
Auch im deutschen Recht soll nach einer älteren Entscheidung des BGH die ultra-vires-Lehre für privatrechtliches Handeln juristischer Personen des öffentlichen Rechts gelten. 23 In diesem Fall hatte die beklagte "HauptgeParteien einen anderen Rückabwicklungsmodus vereinbart haben, was sie ohne Beschränkungen durch das ultra-vires-Prinzip tun können (s. 6(1». Ob diese gut gemeinten, aber übermäßig komplizierten Regelungen in erheblichem Maße zum Verkehrsschutz beitragen, darf bezweifelt werden. Die Swap-Fälle wären von ihnen wohl ohnehin nicht erfasst worden. 20 In diesem Sinne bereits das Resümee bei Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 457. 21 Rover International Ltd. v. Cannon Film Sales Ltd. (No. 3) [1989] 1 W.L.R. 912; der Sachverhalt dieses Falles ist oben Teil 2 A.III.2. bei Fn. 315 bereits ausführlich dargestellt. Dass die spätere juristische Person aus solchen Verträgen nicht berechtigt oder verpflichtet sein könne, wurde aus der doctrine of privity abgeleitet; diejenigen Personen, die im Namen der nichtexistierenden juristischen Person auftraten, kamen nur dann als Vertragspartner in Betracht, wenn dies von den Parteien beabsichtigt war, was nur dann angenommen wurde, wenn der Handelnde nicht in der Rolle eines gesetzlichen Vertreters auftrat, vgl. Griffiths, [1993] L.S. 242 f. 22 Nach s. 9(2) European Communities Act 1972 haftet eine Person "purporting to act for the company or as agent for it" für die Erfüllung des Vertrages; unklar ist, ob sie auch Vertragspartner wird, also auch ihrerseits Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen kann, vgl. Griffiths, [1993] L.S. 245 f. Eine Genehmigung durch die Gesellschaft ist nicht möglich, was als Mangel des Gesetzes gesehen wird, vgl. S. 252 f. Vgl. auch schon oben Teil 2 A.I.2.c)(1), Fn. 44. 23 BGHZ 20, 119.
B. Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern
315
schäftsstelle Fischwirtschaft" - eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die Verwaltung des betreffenden Wirtschaftszweiges oblag - kurz vor der Währungsreform bei den klagenden Fischhändlern 24.649 Fass Salzheringe für rund 1,3 Mio. Reichsmark gekauft, die nach der Währungsreform gegen Deutsche Mark an den Großhandel abgegeben wurden. Offenkundiger Zweck dieser Transaktion war es, den Wert von Geldbeständen eines "Ausgleichsstocks", den die Hauptgeschäftsstelle verwaltete, über die Währungsreform hinüberzuretten. Später beriefen sich die Fischhändler darauf, dass die Hauptgeschäftsstelle zum Vertragsabschluss nicht befugt gewesen sei, weil ihr eigenwirtschaftliche Betätigung nicht gestattet war. Der BGH gab ihnen recht und gewährte einen Anspruch auf Herausgabe des (DM)Verkaufserlöses nach §§ 812, 818 BGB. Er stellte in diesem Zusammenhang fest: "Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind jedenfalls grundSätzlich nur im Rahmen des ihnen durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen Aufgaben- und Wirkungsbereichs zu einem rechtswirksamen Handeln befugt. Sie können nur innerhalb des durch ihre Zwecke und Aufgaben bestimmten, sachlich und räumlich beschränkten Lebenskreises handeln. Außerhalb ihres Funktionsbereichs liegende Handlungen entbehren schlechthin der Rechtswirksamkeit.,,24 Keine Rolle spielte dabei offenbar, dass das Verbot einer eigen wirtschaftlichen Betätigung der Hauptgeschäftsstelle nicht notwendigerweise dem Schutz der Kläger, sondern eher dem Interesse der Allgemeinheit an einer sachgemäßen Wirtschaftslenkung dienen sollte: Für die Nichtigkeit des Vertrages sei "allein die objektiv gegebene Rechtslage maßgebend,,?5 Dass die handelnden Organe der Hauptgeschäftsstelle zugleich ihre Vertretungsmacht überschritten hätten, spiele keine Rolle; insbesondere sei eine Genehmigung nicht möglich, auch nicht durch die übergeordnete Aufsichtsbehörde?6 Auch für die Anwendung des § 134 BGB bleibe "kein Raum mehr": Ob der Hauptgeschäftsstelle der Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages verboten war, spiele keine Rolle, weil sie ihn gar nicht habe abschließen können. 27 Vor dem Hintergrund dieser zwar gelegentlich in anderem Zusammenhang zustimmend zitierten,zs praktisch aber weitgehend bedeutungslos gebliebenen Entscheidung ist in der Literatur vereinzelt die Wirksamkeit von 24 BGHZ 20, 124 (Hervorhebung im Original). Ob dies auch für juristische Personen des Privatrechts gelte, wenn "deren Satzungen Beschränkungen ihrer Aufgabenbereiche" enthielten, ließ der BGH (S. 123 f.) ausdrücklich dahingestellt; soweit ersichtlich, ist er auch später nicht mehr auf diese Frage zurückgekommen. 25 BGHZ 20, 124. 26 BGHZ 20, 123. 27 BGHZ 20, 126 f. 28 Vgl. BGH, NJW 1969, 2199: Beitragserhöhung einer Notarkammer, um eine Vertrauensschadensversicherung zu finanzieren; in concreto wurde der Abschluss dieser Versicherung allerdings für intra vires gehalten.
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
Swapverträgen, die von öffentlich-rechtlich verfassten Landesbanken abgeschlossen wurden, angezweifelt worden. 29 Diese Auffassung scheint aber keine praktische Bedeutung erlangt zu haben. 3o In der Rechtsprechung finden sich häufiger Fälle, in denen Vertretungsorgane von Gemeinden beim Abschluss privatrechtlicher Verträge Vorschriften über die Beteiligung anderer Organe oder der Aufsichtsbehörde missachtet haben. Soweit es sich bei solchen Vorschriften nicht ohnehin um rein interne Regelungen handelt, die keine Außenwirkung gegenüber Dritten entfalten, haben sich die Gerichte bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung um einen sinnvollen Interessenausgleich zwischen Gemeinde und Vertragspartnern bemüht. 31 Wie in England und in anderen Ländern kommt auch hier die Praxis "davon ab, den Schutz der Körperschaft und ihrer Mitglieder mit Hilfe der Nichtigkeit und bereicherungsrechtlichen Abwicklung auf dem Rücken des gutgläubigen Geschäftspartners zu verwirklichen,,?2 3. Einheitsrechte
Die Einheitsrechte halten keine eigene Regelung für die - zumindest aus heutiger Perspektive auch nicht besonders relevante - ultra-vires-Problematik bereit. Ob sich die Frage überhaupt für eine Vereinheitlichung eignet, muss auch zweifelhaft erscheinen;33 soweit sie heute noch bedeutsam werden kann, ist nämlich regelmäßig das öffentliche Recht berührt. Im Übrigen verbieten sich schematische Lösungen; ähnlich wie bei gesetzeswidrigen Verträgen ergibt sich auch hier die Notwendigkeit, auf den jeweiligen Zweck der Unwirksamkeitsnorm abzustellen.
Vgl. Koenig, WM 1995, 317. Anders als der BGH hält Koenig, WM 1995, 325, im Übrigen einen Schutz des Geschäftspartners der öffentlich-rechtlichen Körperschaft in Analogie zu den Grundsätzen über die Duldungsvollmacht für möglich. 31 Vgl. dazu Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 430-434, sowie König, S. 119-123. Folgt man nicht der allzu dogmatischen Betrachtungsweise des BGH in BGHZ 20, 119, dann wird man diese Fragestellungen natürlich im Schnittbereich zwischen ultra-vires-Lehre, Missachtung der vorgeschriebenen Form, Gesetzeswidrigkeit und Fehlen der Vertretungsmacht ansiedeln müssen. 32 So die treffende Formulierung von König, S. 123. 33 Hornung, S. 100, hält "Vereinheitlichungsversuche auf der Ebene der Europäischen Union" für sinnvoll, "soweit man sich überhaupt zur Vereinheitlichung der ultra-vires-Problematik entschließt". Es ist nicht ganz klar, ob er damit über die bereits bestehenden Vereinheitlichungsregeln im Gesellschaftsrecht hinausgehende neue Bestimmungen fordern will. 29
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B. Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern
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11. Fehlende Geschäftsfähigkeit einer Partei
Probleme der fehlenden Geschäftsfähigkeit haben im internationalen Handeisverkehr bislang eine verschwindend geringe Rolle gespielt. Zwar wird in den Medien gelegentlich über Minderjährige berichtet, denen es gelungen ist, einen Geschäftsbetrieb bedeutenden und auch internationalen Zuschnitts aufzubauen;34 aber nennenswerte rechtliche Probleme scheinen sich daraus bislang nicht ergeben zu haben. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass ab einer bestimmten Unternehmens größe ohnehin die Wahl gesellschaftsrechtlicher Organisationsformen unumgänglich wird und die MindeIjährigkeit der Gründer damit keine Rolle mehr spielt. Die geringe Bedeutung dieses Rechtsgebietes für den internationalen Handel, verbunden mit der besonderen Nähe zum Familienrecht und seinen kulturell beeinflussten Wertvorstellungen, die sich gegen eine Vereinheitlichung weitgehend sperren, machen es verständlich, dass sowohl die Principles of European Contract Law als auch die Unidroit Principles diese Regelungsmaterie ausgespart haben. Dennoch soll sie im Folgenden, wenn auch in der gebotenen Kürze, behandelt werden, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen wäre eine Vereinheitlichung durchaus wünschenswert, da sie zu einer einheitsrechtlichen Regelung für die Rückabwicklung gescheiterter Verträge als integraler Bestandteil dazugehören würde. Zum anderen aber ist keineswegs garantiert, dass Fälle des Engagements von MindeIjährigen im internationalen Handel auch in Zukunft von vernachlässigbarer Bedeutung bleiben werden. Gerade die zunehmende Nutzung der weltweiten Datennetze für Marketingzwecke könnte durchaus zu einem stärkeren Aufkommen solcher Fälle führen, weil sie auch den letzten Rest von persönlichem Kontakt zwischen den Parteien eines Vertrages, der es ermöglichen würde, die fehlende Geschäftsfähigkeit der Gegenseite zu entdecken, eliminiert. Ein Kind benötigt im Prinzip lediglich Zugang zum Internet, rudimentäre Englischkenntnisse und die Kreditkartennummer der Eltern, um beträchtliche Warenbestellungen oder Wertpapiertransaktionen auch auf internationaler Ebene durchführen zu können. Diese Voraussetzungen können heute schon im Grundschulalter vorliegen. Daneben macht es das Internet aber auch im buchstäblichen Sinne des Wortes kinderleicht, eigene Handels-Websites einzurichten. Davon, dass Geschäftsunfähige diese Möglichkeit in nennenswertem Umfang ausgenutzt hätten, ist bislang allerdings nichts bekannt geworden.
34 In Deutschland ist vor allem der Fall von Lars Windhorst bekannt geworden, der im Alter von 14 Jahren mit dem Import von Computerkomponenten aus China begonnen haben soll, vgl. "Small Beginnings", in: Business in Europe (Beilage zu The Economist, 23.11.1996), S. 23.
318
3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems 1. Englisches Recht35
a) Minderjährigkeit Nach englischem Recht sind die Verträge von Minderjährigen wirksam; der Minderjährige kann daraus auch klagen, allerdings nicht auf Naturalerfüllung. 36 Er selbst wird jedoch nicht gebunden, solange er den Vertrag nicht nach Eintritt der Volljährigkeit genehmigt. 37 Von diesen Grundsätzen gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmen. Bindend sind Verträge, die dem Minderjährigen ein dingliches Recht (interest in property) einräumen oder ihm eine länger dauernde oder wiederkehrende Verpflichtung auferlegen; der Minderjährige kann sie jedoch innerhalb einer angemessenen Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit anfechten. Verpflichtet wird der Minderjährige auch bei Verträgen über Lebensnotwendigkeiten (necessaries); er muss aber nicht notwendigerweise die vertraglich vereinbarte Gegenleistung erbringen, sondern lediglich einen angemessenen Preis zahlen (reasonable price).38 Die dogmatische Einordnung dieses Vergütungsanspruches macht Schwierigkeiten. 39 Im weiteren Sinn zählen zu den Verträgen über necessaries auch etwa Ausbildungs- und Arbeitsverträge, die sich insgesamt zum Vorteil des Minderjährigen auswirken. 4o Der bloße Umstand, dass ihn der Vertrag wegen der Minderjährigkeit nicht verpflichtet hat, berechtigt den Minderjährigen freilich nicht zur Rückforderung des darauf Geleisteten; auch sind die Verfügungen des Minderjährigen über seine Vermögensgegenstände nicht notwendigerweise unwirksam. In Chaplin v. Leslie Frewin (Publishers) Ltd. 41 etwa hatte der 35
Für eine ausführliche Darstellung aus deutscher Sicht vgl. die Dissertation von
Menold-Weber. 36 Vgl. Lumley v. Ravenscroft [1895] 1 Q.B. 683; Grund ist das Fehlen der im equity-Bereich erforderlichen Gegenseitigkeit: Der Minderjährige kann seinerseits
ebenfalls nicht zur Naturalerfüllung verurteilt werden. 37 Nash v. lnman [1908] 2 K.B. 1. 38 Für Kaufverträge vgl. s. 3(2) Sale of Goods Act 1979, der die entsprechende Regel des Common Law - wie sie sich etwa in Nash v. lnman [1908] 2 K.B. 1, Roberts v. Gray [1913] 1 K.B. 520 und Chaplin v. Leslie Frewin (Publishers) Ltd. [1966] Ch. 71 niedergeschlagen hat - widerspiegelt. 39 Vgl. dazu Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 313 Fn. 933. 40 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa De Francesco v. Bamum (1890) 45 Ch.D. 430 (Lehrvertrag mit vierzehnjähriger Bühnentänzerin nichtig, da diese durch diverse Vertragsklauseln benachteiligt wurde) und demgegenüber Doyle v. White City Stadium [1935] 1 K.B. 110 (Disqualifikation eines minderjährigen Boxers wegen Verstößen gegen die Spielregeln wirksam, weil diese Spielregeln insgesamt auch seinem Vorteil dienen). 41 [1966] Ch. 71.
B. Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern
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spätere Kläger - der Sohn von Charlie Chaplin - als Minderjähriger dem beklagten Verlag seine Memoiren zur Veröffentlichung überlassen, bereute diese Entscheidung jedoch später. Der Court of Appeal verweigerte ihm eine einstweilige Verfügung, die die Veröffentlichung untersagt hätte; zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Einräumung des Nutzungsrechtes an dem Werk des Klägers trotz seiner Minderjährigkeit wirksam gewesen sei. In der Literatur wird dagegen gefordert, dem Minderjährigen die Rückforderung zu erlauben, soweit er seinerseits den status quo ante wiederherstellen kann. 42 Dem Vertragspartner des Minderjährigen soll nach älterer, heute aber zweifelhaft gewordener Rechtsprechung sogar die Berufung auf total failure of consideration versagt sein, wenn der Minderjährige nicht leistet. 43 Insbesondere braucht der Minderjährige ein Darlehen nicht zurückzuzahlen. 44 Nach s. 3(1) Minors' Contracts Act 1987 kann das Gericht allerdings nach seinem Ermessen den Minderjährigen verurteilen "to transfer to the plaintiff any property acquired by the defendant under the contract, or any property representing it", wo es dies für ,just and equitable" hält. Rechtsprechung zu dieser Vorschrift ist allerdings nicht bekannt geworden, so dass sich bislang unbeantwortete Auslegungsfragen stellen. 45 b) Geisteskrankheit Das englische Recht behandelt Geisteskranke, anders als Minderjährige. Wird ein Vertrag im Zustand der Geisteskrankheit abgeschlossen, dann ist die Bindung nur dann ausgeschlossen, wenn die andere Seite nachweislich von der Geisteskrankheit wusste. 46 Über den Sinn dieser Unterscheidung ist sich die Literatur allerdings nicht ganz einig. 47 42 Vgl. Gojf/Jones, S. 641 f., im Umkehrschluss aus Valentini v. Canali (1889) 24 Q.B.D. 166; ähnlich Burrows, Law of Restitution, S. 325. 43 Vgl. R. Leslie Ltd. v. Sheill [1914] 3 KB. 607 und Cowern v. Nield [1912] 2 KB. 419. Die Problematik dieser Entscheidungen liegt darin, dass sie sich auf die inzwischen abgelehnte implied-contract-Lehre stützen. Vgl. näher Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 316 Fn. 943. 44 R. Leslie Ltd. v. Sheill [1914] 3 KB. 607. Ausgenommen ist wiederum der Fall, dass der Minderjährige das Darlehen zum Erwerb von necessaries von einem Dritten genutzt hat; in diesem Fall kann der Darlehensgeber aufgrund einer Legalzession (subrogation) den Vergütungsanspruch des Dritten geltend machen, vgl. Gojf/Jones, S. 159-161. 45 Gojf/Jones, S. 640. 46 Imperial Loan Co. v. Stone [1892] 1 Q.B. 599; Hart v. O'Connor [1985] A.c. 1000 (P.C.). 47 Burrows, Law of RestitUtion, S. 327, hält den Verkehrsschutz für ausschlaggebend: Im Gegensatz zur Minderjährigkeit gebe es keine objektiven Kriterien für
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
2. Deutsches Recht Das deutsche Recht bemüht sich um einen möglichst allumfassenden Schutz des Geschäftsunfähigen bzw. beschränkt Geschäftsfähigen nicht nur auf der Ebene des Vertragsschlusses, sondern auch im Rahmen der Erfüllung (Leistung an den Geschäftsunfähigen befreit den Schuldner nicht) und bei der Rückabwicklung (keine Anwendung der Saldotheorie).48 An der Praktikabilität dieses weitgehenden Schutzes lässt sich freilich zweifeln. 49 Seltsame Blüten treibt die Dogmatik des deutschen Minderjährigenrechts auch im Sachenrecht: Eigentum kann nach § 107 BGB lediglich der beschränkt Geschäftsfähige erwerben, der Geschäftsunfähige, der eigentlich stärker geschützt werden sollte, hingegen nicht. 5o
3. Einheitsrechte Wie bereits angeklungen ist, enthalten die Einheitsrechte keine Regelungen zur Frage des Vertragsscheiterns aufgrund fehlender Geschäftsfähigkeit. Sollte man sich allerdings eines Tages einmal dazu entschließen, sich mit diesen Fragen zu befassen, so wird man das deutsche Recht kaum guten Gewissens als Vorbild empfehlen können. Zwar ist ihm deutlich das Bemühen anzumerken, einen Ausgleich zwischen MindeIjährigen- und Verkehrsschutz herzustellen. Auch legt es großen Wert darauf, Rechtssicherheit zu garantieren. Aber seine Regelungen wirken oft übermäßig kompliziert und Geisteskrankheit. Dagegen meint Birks, Role of Fault, S. 260 f., ältere Menschen sollten vor dem Verdacht, geisteskrank zu sein, bewahrt werden; andernfalls bestehe die Gefahr, dass ,,[t]heir gifts and their contracts would be constantly challenged, usually by disappointed members 0/ their /amily"; sie könnten keine Geschäfte abschließen "without obtaining medical certificates and the assent 0/ their children". An einer entsprechenden Fürsorge für die personale Würde von Minderjährigen habe die Gesellschaft hingegen kein Interesse. 48 Auch dort wird allerdings - wie König, S. 95 f., m. w.N. aufzeigt - bei Leistungen, die nicht in Natur zurückgewährt werden können, ähnlich unterschieden wie im englischen Recht: Bei "gebotener oder sinnvoller Inanspruchnahme von Leistungen, die ihm dauerhaft zugute kommen", hat der Minderjährige den angemessenen Preis zu zahlen. 49 Ein Beispiel ist der von Medicus (Bürgerliches Recht, Rn. 231) gebildete Fall, in dem ein Kind "ohne die nötige Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters Süßigkeiten gekauft und diese aufgegessen" hat. Die Rechtsfolge - dass nämlich bei der Kondiktion des Kaufpreises durch das Kind der Wert der Süßigkeiten nicht abgezogen werde, weil das Kind andernfalls "gerade bei solchen Geschäften schutzlos [wäre], die ihm keinen bleibenden Vorteil gebracht haben" - ist zwar logisch schlüssig, kann aber bei einem derart sozialadäquaten Verhalten schwerlich angemessen erscheinen. 50 Auch Menold-Weber, S. 187, erkennt dies, äußert jedoch an dieser Regelung keine Kritik.
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wenig praktikabel. 51 Es kommt hinzu, dass der Minderjährige zwar ausgiebig vor sich selbst geschützt wird, aber nur in beschränktem Maße vor dem Egoismus und so gut wie gar nicht vor der Inkompetenz seiner gesetzlichen Vertreter, eine Problematik, die bereits das Bundesverfassungsgericht auf den Plan gerufen hat. 52 Schließlich ergibt sich auch ein Wertungswiderspruch daraus, dass das deutsche Deliktsrecht traditionell nicht besonders zimperlich war, wenn es galt, Minderjährige in die Haftung zu nehmen eine Grundhaltung, die in jüngerer Zeit zunehmend in Frage gestellt wird. Dem gegenüber mag die Entscheidung des englischen Rechts, Verträge, die der Minderjährige erfüllt hat, ungeachtet der Minderjährigkeit aufrechtzuerhalten, auf den ersten Blick allzu harsch wirken. 53 Dahinter steckt aber eine durchaus beherzigenswerte Überlegung: Es kann nicht Sinn einer Rechtsordnung sein, einen Minderjährigen vor unökonomischem Umgang mit den Ressourcen zu schützen, über die er die Kontrolle ausübt. So wenig die Gemeinschaft einen Minderjährigen dagegen versichert, dass er sein Spielzeug beschädigt oder verliert, so wenig ist es ihre Aufgabe, ihn davor zu schützen, dass er sein Vennögen in anderer Weise vergeudet. 54 Die spezifische Gefahr schuldrechtlicher Verträge, vor der Minderjährige geschützt werden sollten, ist die der Verschuldung: Vergeuden kann man nur Vennögens gegenstände, die man hat, sich verschulden dagegen prinzipiell unbegrenzt. Es ist durchaus konsequent, Minderjährige der einen Gefahr auszusetzen, sie hingegen vor der anderen zu schützen. 55 Dafür spricht schon, 51 Was hier über das Minderjährigenrecht gesagt wird, gilt entsprechend auch für andere Störungen der Geschäftsfähigkeit; zu den praktischen Schwierigkeiten, die die Regelungen des BGB insoweit schon bald nach ihrem In-Kraft-Treten verursacht haben, vg!. König, S. 89-94. 52 Vg!. NJW 1986, 1859, und dazu den durch das Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger vom 25.8.1998 (BGB!. I S. 2487) eingefügten § 1629a BGB. Auch Menold-Weber, S. 106 f., erkennt insofern trotz ansonsten wenig kritischer Haltung gegenüber dem deutschen Recht "Restrisiken" für den Minderjährigen. 53 Auch Meier, S. 323, kann den "Schutz des Minderjährigen" nach englischem Recht auf den ersten Blick nur in einem "bloßen Übereilungsschutz" erkennen. Dies ist insofern verständlich, als sich auch die englische Literatur häufig schwer tut, den rechtspolitischen Sinn der Rechtsprechung zu erklären. 54 Insofern nicht überzeugend Menold- Weber, S. 248 f., die den Fall bildet, dass Eltern ihrem minderjährigen Kind Geld geben, damit dieses sich einen Computer kaufen kann, den es dringend zu Ausbildungszwecken benötigt, und sich das Kind statt dessen ein Mofa kauft. Weshalb Eltern bei derart krassen erzieherischen Fehleinschätzungen auf Kosten des Verkehrs geschützt werden sollen, ist nicht ersichtlich. 55 Die Beschränkung der Haftung des Minderjährigen auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen, wie sie der neue § 1629a BGB vorsieht, dient dem gleichen Zweck, bringt aber zusätzliche Komplikationen, wenn mehrere Gläubiger vorhanden sind.
21 Coen
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
dass die Erziehungsberechtigten eines Minderjährigen weitgehend kontrollieren können, über welche Vermögens gegenstände er Verfügungsgewalt hat; dagegen können sie nicht beherrschen, welche Versprechen er Dritten gegenüber abgibt. Wer einen zusätzlichen Übervorteilungsschutz für Minderjährige für erforderlich hält, mag ihnen ein entsprechendes Widerrufsrecht in Parallele zur Verbraucherschutzgesetzgebung (die schließlich auch auf bestimmte Formen vermuteter Unmündigkeit zugeschnitten ist) zubilligen. Durchaus sinnvoll ist es auch, wenn das englische Recht Verträge über necessaries wirksam sein lässt: Dass Minderjährige ihren Lebensbedarf decken können, liegt im allgemeinen Interesse; den Preis und die übrigen Vertragsbedingungen auf Angemessenheit zu kontrollieren, reicht zu ihrem Schutz vollständig aus. 56 Auf den ersten Blick mag man kritisieren, dass das Kriterium der Notwendigkeit nicht objektiviert wird, sondern an die subjektiven Verhältnisse des Minderjährigen anknüpft: 57 Wer einem Schulkind ein Schreibheft verkauft, geht leer aus, wenn das Kind schon ausreichend mit Heften eingedeckt ist. Auch diese zunächst wenig verkehrsfreundlich erscheinende Regelung erweist sich indes als durchaus berechtigt, wenn man bedenkt, dass sie ohnehin nur einschlägig ist, wenn dem Minderjährigen Kredit gewährt wird. Kreditgeber jedoch pflegen sich ohnehin für die persönlichen Verhältnisse derjenigen zu interessieren, denen sie Kredit gewähren; man kann ihnen deshalb auch zumuten, sich darüber zu vergewissern, dass der Minderjährige tatsächlich Bedarf für das hat, was er auf Kredit bekommen soll. Sollte es je zu einer Vereinheitlichung dieses Rechtsgebiets kommen, dann spricht bei näherer Betrachtung manches dafür, sich an der auf den ersten Blick nicht besonders attraktiven Lösung des englischen Rechts zu orientieren. III. Formverstöße Wenn Verträge Formvorschriften unterworfen werden, können damit die unterschiedlichsten Zwecke verfolgt werden. Häufigstes Motiv dürfte wohl sein, durch das Formerfordernis die Nachweisbarkeit vertraglicher Abreden sicherzustellen und von den Unwägbarkeiten des Zeugenbeweises zu befreien. 58 Daneben kommen aber die diversesten anderen gesetzgeberischen 56 Das deutsche Recht folgt in § 1629a 11 2. Halbsatz BGB einem ähnlichen Gedanken, wenn es "Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften [des Minderjährigen], die allein der Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse dienten", von der Haftungsbegrenzung ausnimmt, sieht allerdings keine Angemessenheitskontrolle vor. 5? Kritisch deshalb Menold- Weber, S. 112 f. 58 Vgl. Atiyah, Introduction, S. 162, der "lack 0/ confidence in the ability 0/ the courts to discover the truth [... ] without the trappings 0/ /ormalities, and perhaps
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Ziele in Betracht: Von der Sorge um eine ordnungsgemäße rechtliche Beratung der Vertragsparteien - wie sie bei der Fonn der notariellen Beurkundung im deutschen Recht, aber auch im Rahmen der modernen Verbraucherschutzvorschriften eine erhebliche Rolle spielt _59 reichen die Möglichkeiten bis hin zu fiskalischen Interessen (man denke an die früher im englischsprachigen Raum verbreitete stamp duty, aber auch an die deutsche Grunderwerbsteuer) sowie zur Absicht, bestimmte Arten von Geschäften schlicht zu erschweren, wie sie sich in § 15 III, IV GmbHG niedergeschlagen hat. Entsprechend unterschiedlich muss auch die Reaktion auf Verstöße gegen die vorgeschriebene Fonn ausfallen. 6o
1. Englisches Recht Die Statute of Frauds 1677 verlangte für eine lange, aus heutiger Sicht wenig kohärente Liste von Vertragstypen die Schriftfonn und legte als Sanktion für Fonnverstöße regelmäßig Unklagbarkeit fest (,,No action shall be brought [... ],,).61 Der Fonnverstoß beeinträchtigte jedoch die Wirksamkeit des Vertrages als solche nicht;62 soweit der Vertrag freiwillig erfüllt wurde, war eine Rückabwicklung wegen des Fonnverstoßes also ausgeschlossen. Anders als im amerikanischen Recht, wo sich die Bestimmungen des Gesetzes in manchen Bundesstaaten noch weitgehend erhalten haben, sind sie in England nach und nach abgeschafft worden; inzwischen gelten lediglich noch Teile von s. 4 Statute of Frauds 1677, die die Schriftfonn für "any special promise to answer Jor the debt, deJault or miscarriage oJ another person" fordern. Außerhalb der Statute of Frauds zieht die Verletzung von Fonnvorschriften in vielen Fällen in erster Linie strafrechtliche Konsequenzen nach sich; ob dies Rückwirkungen auf die zivilrechtliehe Beurteilung des Vertrages hat, kann zweifelhaft sein. 63 other rituals", als traditionellen, heute aber weniger wichtigen Beweggrund für die Einführung von Fonnvorschriften nennt. 59 Insoweit spricht Atiyah (lntroduction, S. 163) treffend von einem "patemalistic device which may protect people from the consequences of hasty or ill-thought promises or agreements". Im Rahmen des Verbraucherschutzes dienten die Fonnvorschriften indirekt auch dazu, einen tatsächlichen Konsens der Parteien sicherzustellen (S. 166). 60 So auch König, S. 116. 61 Ausführlich zu den Hintergründen dieses Gesetzes Atiyah, Rise and Fall, S. 205-208; zur späteren Entwicklung S. 493-495. 62 Dieser Umstand konnte allerdings zu Unzuträglichkeiten führen, wie etwa in Morris v. Baron & Co. [1918] A.C. 1, wo ein fonnbedürftiger Vertrag zunächst schriftlich abgeschlossen und dann durch einen zweiten, mündlichen Vertrag abgeändert worden war. Das hatte zur Folge, dass aus keinem der beiden Verträge geklagt werden konnte: Der erste war durch den zweiten aufgehoben worden, der zweite hingegen genügte nicht der vorgeschriebenen Fonn. 21*
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
Für Verträge, die auf die Veräußerung von Grundstücken abzielen (,.for the sale or other disposition of an interest in land") und die früher ebenfalls von s. 4 Statute of Frauds 1677 erfasst wurden, gilt jetzt s. 2(1) Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989. Diese Vorschrift macht die Schriftform konstitutiv für das Zustandekommen des Vertrages (',A contract [... ] can only be made in writing and only by incorporating alt the terms which the parties have expressly agreed"). Damit wurde eine Klarstellung sowie erhebliche Verschärfung gegenüber der früheren Rechtslage bezweckt, nach der lediglich "some memorandum or note" erforderlich war und Formverstöße als Rechtsfolge lediglich die Unklagbarkeit nach sich zogen. Zudem ist die aus dem equity-Bereich stammende doctrine of part performance abgeschafft worden, nach der eine Heilung des Formfehlers in Betracht kam, wenn eine Partei - vereinfacht gesagt - im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages Aufwendungen gemacht hatte. Diese Einschränkung der Formvorschrift war natürlich konsequent, wenn man ihren Sinn lediglich in der Beweissicherung sah. Freilich enthält das neue Gesetz keine Bestimmungen über eine Rückabwicklung, so dass Zweifel an der Reichweite von Formverstößen bestehen. 64 Im Fall Yaxley v. Gotts65 hat der Court of Appeal auf equity-Rechtsinstitute zurückgegriffen, um ein nach seiner Ansicht gerechtes Ergebnis zu erzielen. Die Beteiligten waren alte Freunde, die mündlich vereinbart hatten, dass einer von ihnen - der Vater des späteren Beklagten - ein renovierungs bedürftiges Haus kaufen sollte; der Kläger sollte es renovieren, in Wohnungen aufteilen und verwalten und als Gegenleistung Eigentümer des Erdgeschosses werden. Der Kläger erfüllte seinen Teil der Abmachung, wurde aber nach drei Jahren vom Beklagten aus dem Haus geworfen. Der Court of Appeal gelangte zu dem Ergebnis, dass dem Kläger ungeachtet s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 - der verblüffenderweise in der ersten Instanz überhaupt nicht erwähnt worden war - ein dingliches Recht am Erdgeschoss aufgrund eines constructive trust oder proprietary estoppel zustehen könne. Inwieweit es freilich sinnvoll ist, Parteien zu schützen, die nicht auf einer 63 Vgl. die Auflistung entsprechender Bestimmungen bei Atiyah, Introduction, S. 166 f.; zu einzelnen dieser Bestimmungen vgl. auch Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 418 f., 425. 64 In Tootal Clothing Ltd. v. Guinea Property Ltd. The Times 8. Juni 1992 vertrat Scott LJ. die Auffassung, das Gesetz betreffe Verträge, die bereits ausgeführt worden seien, überhaupt nicht. Nach der Entscheidung des House of Lords in Kleinwort Benson Ltd. v. Lincoln City Council [1998] 3 W.L.R. 1095, der zufolge die vollständige Erfüllung eines nichtigen Vertrages die Rückabwicklung gerade nicht ausschließt, dürfte es allerdings Schwierigkeiten machen, diese Auffassung aufrecht zu erhalten. Vgl. zum ganzen Thema noch Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 421-424. 65 [2000] eh. 162.
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wirksamen Vereinbarung bestanden haben, wird auch in England als zweifelhaft beurteilt. 66
2. Deutsches Recht Nach deutschem Recht ist ein Rechtsgeschäft, das "der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt", nichtig (§ 125 S. 1 BGB); bei Verstoß gegen eine durch Rechtsgeschäft bestimmte Form gilt das nur im Zweifel (§ 125 S. 2 BGB). Eine Reihe von Vorschriften - für die Praxis am bedeutsamsten wohl § 313 S. 2 BGB-alt (bzw. § 311b I 2 BGB-neu) und § 15 IV GmbHG - sehen allerdings Heilung durch Erfüllung VOr. 67 Soweit keine Heilung eintritt, kann jede Partei ihre Leistung nach § 812 I 1 BGB kondizieren; § 814 BGB ist nicht anwendbar. 68 Allerdings kann die Anwendung der Saldotheorie ebenfalls zu einer faktischen Aufrechterhaltung des Vertrages führen. 69
3. Einheitsrechte Die Klarstellungen des Einheitskaufrechts bezüglich der Formfreiheit von Verträgen waren auf die Statute of Frauds im angloamerikanischen Recht und auf die prozessualen Nachweisvorschriften der romanischen Staaten gemünzt, deren künftige Überwindung schon in den 30er Jahren erwartet und erhofft wurde,7o eine Entwicklung, die zumindest im englischen Recht auch weitgehend eingetreten ist. Dementsprechend bestimmt Art. 11 CISG, dass der Kaufvertrag "nicht schriftlich geschlossen oder nachgewiesen zu werden" braucht und "auch sonst keinen Formvorschriften" unterliegt; allerdings besteht hierzu nach Art. 12, 96 CISG die Möglichkeit eines Vorbehalts, die auch von mehreren Mitgliedsstaaten genutzt worden ist.
66 Vgl. zu Yaxley v. Gatts [2000] eh. 162 Moore, (2000) 63 M.L.R. 915, sowie Tee, [2000] C.L.J. 23, die in dem Fall offenbar die Bestätigung dafür sieht, dass der Versuch, klare und präzise Formvorschriften im Grundstücksrecht durchzusetzen, von vornherein zum Scheitern verurteilt sei. 67 Vgl. dazu König, S. 109 f., der auch zu Recht darauf hinweist, dass der Vorteil dieser Lösung gegenüber einer bloß faktischen Aufrechterhaltung des Vertrages in der Möglichkeit für den Käufer, Gewährleistungsrechte geitend zu machen, sowie im Wirksamwerden von Rückkaufsrechten und anderen Nebenabreden liegt (S. 114). 68 Vgl. ferner König, S. 109-116, und Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 359-371. 69 Vgl. Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 371, und die dort wiedergegebene Entscheidung des BGH ZIP 1997, 1979. 70 Vgl. Rabel, Entwurf, S. 55 f., und die dort zitierte persönliche Meinung der "englischen und französischen Mitglieder des Kaufrechtsausschusses".
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
Die Regelung der Unidroit Principles hat den Text des CISG nahezu wörtlich übernommen; auffällig ist allerdings die einschränkende Formulierung "nach diesen Grundsätzen". Diese Formulierung dürfte auf nationale Formvorschriften zugeschnitten sein, die für bestimmte Arten von Geschäften gelten sollen, wie zum Beispiel Grundstücksgeschäfte: Während die Unidroit Principles selbst keine eigenen Formvorschriften für Verträge allgemein aufstellen, wird die Wirkung derartiger besonderer Formvorschriften der nationalen Rechte (realistischerweise) anerkannt. 71 Art. 3.2 postuliert zwar, in scheinbarem Widerspruch zu Art. 1.2, dass ein Vertrag "durch bloße Vereinbarung der Parteien und ohne weiteres Erfordernis geschlossen, geändert und aufgehoben" wird; diese Vorschrift soll aber nur Erfordernisse für die Vertragsgültigkeit wie die consideration des englischen Rechts ausschließen, für Formvorschriften dagegen ist Art. 1.2 lex specialis. 72 Die Principles of European Contract Law dagegen stellen in Art. 2:101(2) ein wesentlich weniger realitäts gemäßes Prinzip der Formfreiheit auf: "Ein Vertrag braucht nicht schriftlich geschlossen oder nachgewiesen zu werden und unterliegt auch keinem anderen Formerfordernis." Wie bereits festgestellt,73 ist diese Formulierung viel zu weit geraten und daher wenig sinnvoll.
IV. Gesetz- und Sittenwidrigkeit Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Rückabwicklung von Verträgen, die deswegen scheitern, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen oder moralisch derart anstößig sind, dass sich die Rechtsordnung gegen ihre Durchsetzung sperrt. Wollte man hier in jedem Fall eine Rückforderung des Geleisteten zulassen, dann würde dies häufig gerade derjenigen Partei schaden, die durch das Verbot geschützt werden soll. Das wäre etwa der Fall, wenn man dem Wucherer gestatten wollte, das von ihm gewährte Darlehen jederzeit zurückzufordern. Umgekehrt kann aber auch ein Ausschluss der Rückabwicklung Folgen haben, die in Widerspruch zum Zweck des Verbotes stehen, beispielsweise, wenn dem Pächter eines nach Ansicht der anwendbaren Rechtsordnung anstößigen Unternehmens - etwa eines Bordells - gestattet würde, dieses Unternehmen nach Belieben zu behalten und so einen höheren Gewinn zu erzielen. Bei Schwarzarbeit schließlich lässt sich im Rahmen des Zivilrechts schwerlich eine Lösung finden, die weder zu einer faktischen Aufrechterhaltung des Vertrages noch zu 71 Wie Hornung, S. 87, unter Verweis auf Unidroit 1983, Study L - Doc. 26, S. 8, festhält, ist "an die Regelung der Ungültigkeit wegen bestimmter Forrnrnänge1 [... ] zwischenzeitlich gedacht worden, ohne dass dies jedoch vertieft worden wäre". 72 Vgl. auch Kramer, ZEuP 1999, 21l. 73 Vgl. oben Teil 1 C.I1.3.b) bei Fn. 353.
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einer Begünstigung eines der Beteiligten führt. Solche und ähnliche Überlegungen haben sich in den verschiedenen Rechtsordnungen in unterschiedlicher Weise ausgewirkt. 1. Englisches Recht
Anfangliehe Illegalität des Vertrages führt im englischen Recht zu dessen Nichtigkeit oder macht ihn zumindest für eine der Parteien unklagbar,74 während nachträglich eingreifende gesetzliche Verbote regelmäßig zur frustration führen?5 Dass es bei der Durchführung des Vertrages zu Gesetzesverstößen kommt, berührt dessen Wirksamkeit grundsätzlich nicht. 76 Auch bei nichtigen Verträgen ist eine Haftung keineswegs ausgeschlossen: Behauptet eine Partei falschlieh, der Vertrag sei erlaubt, so kann sie etwa wegen Täuschung haften; übernimmt sie es, eine erforderliche Genehmigung zu beschaffen, dann mag sie sogar eine Erfüllungshaftung treffen, wenn die Genehmigung nicht erteilt wird. 77 Soweit die Parteien für den zuletzt genannten Fall im Vertrag selbst Vorsorge treffen, kommt es für die Auslegung allerdings sehr auf die Umstände des Einzelfalles an. In Pagnan SpA v. Tradax Ocean Transportation S.A. 78 ging es um den Export von Tapioka von Thailand nach Italien. Aufgrund einer zwischen Thailand und der Europäischen Gemeinschaft vereinbarten Quotenregelung war hierfür eine Exportlizenz erforderlich, die von den thailändischen Behörden jedoch verweigert wurde. Das Klauselwerk, dessen sich die Parteien bedient hatten, sah für Fälle behördlicher Verbote in einer so genannten prohibition clause Haftungsbefreiung durch force majeure vor. Zugleich hatten die Parteien allerdings noch eine Individualvereinbarung geschlossen, die die Verkäuferin 74 Goode, Commercial Law, S. 133 Fn. 320, wendet sich dagegen, Nichtigkeit als Rechtsfolge der Gesetzwidrigkeit zu postulieren, weil auch der gesetzwidrige Vertrag zum Eigentumsübergang führen und unter Umständen die unschuldige Partei sogar aus dem Vertrag klagen könne. 75 Vgl. etwa Metropolitan Water Board v. Dick, Kerr & Co. Ltd. [1918] A.C. 119. Auch der Fall Fibrosa ([1943] A.C. 32) ist in diese Kategorie einzuordnen: Die Lieferung der Maschinen in das von Deutschen besetzte Polen verstieß gegen das Verbot des Handels mit dem Feind. 76 Vgl. St. lohn Shipping Corporation v. Joseph Rank Ltd. [1957] 1 Q.B. 267, wo ein Frachtführer gewohnheitsmäßig Schiffe überlud, weil der Gewinn, den er dadurch erzielen konnte, erheblich höher war als die einschlägigen Geldbußen; die Eigentümer der Ladung, die dadurch in Gefahr gebracht wurde, versuchten sich zu wehren, indem sie einen beträchtlichen Teil der Frachtraten zurückhielten. Das Argument, der Vertrag sei nichtig, weil er in gesetzwidriger Weise ausgeführt werde, wurde von Devlin J. zurückgewiesen. 77 Vgl. Strongman (1954) Ltd. v. Sincock [1955] 2 Q.B. 525 und Burrows v. Rhodes [1899] 1 Q.B. 818. 78 [1987] 2 Lloyd's Rep. 342.
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verpflichtete, die Exportlizenz zu beschaffen. Das Gericht sah, vielleicht etwas überraschenderweise, keinen Widerspruch zwischen bei den Bestimmungen: Die Käuferin hafte zwar, wenn sie aufgrund eigener Inaktivität oder Fehler der Behörden keine Lizenz erhalte; werde die Lizenz aber aufgrund der gültigen Rechtslage nicht erteilt, dann greife die Haftungsbefreiung der prohibition clause ein. Wie eine Reihe von anderen Rechtsordnungen schließt auch das englische Recht die Rückforderung von Leistungen, die aufgrund gesetz- oder sittenwidriger und deshalb unwirksamer Verträge erbracht worden sind, grundsätzlich aus. Das kann zum einen zu einer faktischen Aufrechterhaltung des nichtigen Vertrages, andererseits aber auch zu zufälligen Begünstigungen einer Partei führen. Ausnahmen vom Grundsatz des Rückforderungsausschlusses sind deshalb in einer Reihe von Fallgruppen anerkannt, in denen seine Anwendung zu schlechterdings widersinnigen Ergebnissen führen würde: So ist die Rückforderung etwa möglich, wenn die Verbotsnorm gerade dem Schutz des Leistenden dienen sollte; 79 daneben wird dem Leistenden auch die Möglichkeit eingeräumt, gleichsam vom Versuch der Ausführung eines rechtswidrigen Vertrages "zurückzutreten" (so genannter loeus poenitentiae) mit der Folge, dass er erbrachte Leistungen zurückfordern kann 80 - eine rechtspolitisch regelmäßig sinnvolle Regelung, weil die Rückabwicklungsregeln dadurch einen Anreiz schaffen, den verbotenen Vertrag nicht zu erfüllen. Außerhalb dieser Kategorien wird der Rückforderungsausschluss zum Teil mit erheblichem Rigorismus angewandt, zum Teil aber auch sehr kritisch betrachtet. Versuche, der Starrheit der Regel zu entkommen, sind so alt wie die Regel selbst. Schon Lord Mansfield C.J. hielt in Holman v. Johnson 81 fest, dass die Einrede der Gesetz- oder Sittenwidrigkeit "sounds at all times very ill in the mouth of the defendant", fügte dabei aber hinzu: ,Jt is not for his sake, however, that the objeetion is ever allowed; but it is founded in general principles of poliey, of whieh the defendant has the advantage, eontrary to the real justiee as between hirn and the plaintif.f, almost, if I may so say, by aecident." In diesem Fall legte Lord Mansfield den Grundsatz denn auch einschränkend aus und gab einer Klage auf den Kaufpreis für Tee statt, der in Dünkirchen geliefert worden war und den der Käufer - wie dem Verkäufer bekannt war - nach England schmuggeln wollte; obwohl der Vertrag gegen englisches Recht verstoße, so Lord Mansfield, sei er am Verkaufs- und Erfüllungsort Dünkirchen gültig, was auch 79 Vgl. Kiriri Cotton Ltd. v. Dewani [1960] A.c. 192 (P.C.) (bei überhöhter Miete kann der Mieter den zuviel gezahlten Betrag zurückfordern). 80 Vgl. Tribe v. Tribe [1995] 3 W.L.R. 913. 81 (1775) 1 Cowper 341.
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für die englischen Gerichte bindend sei - eine sicherlich zweifelhafte Argumentation, die aber im konkreten Fall das gewünschte Ergebnis erreichte. 82 In Parkinson v. College 0/ Ambulance Ltd. 83 hatte sich der Kläger verpflichtet, dem beklagten Krankenhaus f: 10.000 zu spenden, um dafür zum Ritter geschlagen zu werden. Nachdem der Kläger f: 3.000 gezahlt hatte, fand er heraus, dass es keineswegs in der Macht des Krankenhauses stand, ihm die Ritterwürde zu verschaffen, woraufhin er sein Geld zurückverlangte. Dies wurde ihm jedoch verweigert. Ganz ähnlich, aber wohl weniger nachvollziehbar, verfuhr das Gericht in Boissevain v. Weil 84 , wo die Beklagte - eine britische Staatsangehörige, die aber schon seit Jahren in Südfrankreich lebte - im Jahre 1944 bei dem Kläger, einem niederländischen Staatsangehörigen, ein Darlehen über 320.000 französische Francs aufgenommen hatte; sie brauchte das Geld, um damit ihren Sohn von der Deportation nach Deutschland freizukaufen. Im Gegenzug stellte die Beklagte dem Kläger Schecks auf eine Londoner Bank aus, bei der sie aber kein Konto besaß. Die Rückzahlungsklage wurde abgewiesen, weil die Transaktion aufgrund kriegsrechtlicher Devisenbestimmungen unwirksam war. Mit dem vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Bereicherungsanspruch befasste sich das Gericht nicht, da er prozessual verspätet vorgetragen worden war; Lord Radcliffe erklärte jedoch - unter Berufung auf Sinclair v. Brougham 85 -, dass die Klage auch insoweit in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte, weil die Illegalität des Vertrages auch einem Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung des Darlehens entgegenstehe: "The act itself being /orbidden, I do not think that it can be a source 0/ civil rights in the courts 0/ this country...86 In der Entscheidung des Court of Appeal in Mohammed v. Alagi & Co. 87 bezweifelte zumindest Lord Bingham C.J., ob diese Grundsätze angesichts des vom House of Lords in Westdeutsche Landesbank88 vertretenen neuen bereicherungsrechtlichen Ansatzes weiterhin Anwendung finden können. In diesem Fall hatte die beklagte Anwaltskanzlei mit dem Kläger vereinbart, dass dieser ihr somalische Asylbewerber als Mandanten vermitteln sollte; hierfür sollte er die Hälfte des im Rahmen von Prozesskostenhilfe für die Asylverfahren an die Beklagte gezahlten Honorars erhalten. Der Court of 82 Fifoot (Lord Mansfield, S. 122 f.) kommentiert lakonisch: "The balance between private intent and public interest could be sustained only if agreements were scrutinized with an indulgent eye." 83 [1925] 2 K.B. l. 84 [1950] AC. 327. 85 [1914] AC. 398. 86 Boissevain v. Weil [1950] AC. 34l. 87 [1999] EWCA Civ 2855. 88 [1996] AC. 669.
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Appeal bestätigte die Auffassung des High Court, dass das in der anwaltlichen Berufsordnung enthaltene Verbot einer solchen Honorarteilung, von dem der Kläger nichts gewusst hatte, nicht nur die Kanzlei binde, sondern als untergesetzliches Recht auch die Nichtigkeit des dagegen verstoßenden Vertrages bewirke, meinte aber, dass dem Kläger ein bereicherungsrechtlicher Vergütungs an spruch für seine Tätigkeit zustehen könne; entscheidend sei, dass ihm nicht das gleiche Maß an Verschulden zur Last falle wie der Beklagten. Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Bereicherungs- und Sachenrecht. 89 Die Illegalität des schuldrechtlichen Vertrages verhindert den Eigentumsübergang nicht; insoweit kennt das englische Recht also zumindest im Ansatz ein Abstraktionsprinzip.9o Der im Bereicherungsrecht geltende Rückabwicklungsausschluss schlägt dabei nicht auf das Sachenrecht durch;91 der Leistende kann also Rückgewähr verlangen, wo er sich dabei auf sein Eigentum berufen kann und deshalb den nichtigen Vertrag zur Begründung seines Anspruchs gleichsam gar nicht zu erwähnen braucht. 92 Allerdings kann es auch hier wiederum Einschränkungen geben: In einem älteren Fall, Gordon v. Chief Commissioner of Metropolitan Police,93 hatte der klagende Buchmacher illegale Wettgeschäfte betrieben. Die Polizei durchsuchte sein Haus, beschlagnahmte Einnahmen des Klägers aus seinen Wettgeschäften und weigerte sich später unter Berufung auf das ex-turpi-causa-Prinzip, das Geld wieder an den Kläger herauszugeben. In diesem Fall wurde die Rückforderung zugelassen, weil ein Verfall von Wetteinnahmen - wie ihn die Klageabweisung im Ergebnis bewirkt hätte - im Gesetz nicht vorgesehen war. Das Gericht betonte in diesem Fall, dass der Ausschluss wegen Gesetzeswidrigkeit auch für die Geltendmachung von Eigentumsansprüchen gelte, dies aber nur, wo das Eigentum unmittelbar durch ein betrügerisches oder illegales Geschäft erworben worden sei. Ob sich der Vermieter bei einem nichtigen Mietvertrag sogleich auf Vgl. dazu auch Creighton, (1997) 60 M.L.R. 102. Zu den Einzelheiten Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 521. 91 In Deutschland ist die Frage bekanntlich höchst umstritten, vgl. ReuterlMarti89
90
nek, S. 213-215.
92 Vgl. insbesondere Tinsley v. Milligan [1994] 1 A.c. 340, wo die Parteien eine Pension betrieben und dazu gemeinsam ein Haus erwarben. Als Eigentümerin wurde jedoch nur die Klägerin eingetragen, um es der Beklagten zu ermöglichen, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Später kam es zwischen den Parteien zum Streit; die Klägerin zog aus und klagte auf Herausgabe des Hauses. Das House of Lords kam (gegen die Stimmen von Lord Keith of Kinkel und Lord Gaff> zu dem Ergebnis, dass die Beklagte hälftiges Eigentum in equity beanspruchen könne, weil sie die Hälfte des Kaufpreises beigesteuert hatte; auf den Betrug gegenüber den Sozialbehörden kam es insoweit überhaupt nicht an. 93
[1910] 2 K.B. 1080.
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sein Eigentum stützen und Rückgabe der Mietsache verlangen kann oder den Ablauf der vereinbarten Mietzeit abwarten muss, wird ebenfalls unterschiedlich gesehen. 94 Inzwischen hat sich auch die Law Commission des Themas angenommen und im Januar 1999 einen ersten Zwischenbericht vorgelegt. 95 Dieser Bericht enthält die vorläufige Empfehlung, die "present technical and complex rules" durch eine "discretion", also einen Entscheidungsspielraum für das Gericht, zu ersetzen. Dieser Entscheidungsspielraum - der unter dem Vorbehalt einer ausdrücklichen anderweitigen Regelung in einem einschlägigen Verbotsgesetz steht - soll sich auf die Wirksamkeit des Vertrages sowie von aufgrund des Vertrages erfolgten Eigentumsübertragungen, aber auch auf eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erstrecken. Grundsätzlich soll allerdings Gesetzeswidrigkeit lediglich eine Einwendung gegen Ansprüche und nicht eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen. Ferner wird empfohlen, dass der Entscheidungsspielraum "should be structured, in order to provide greater certainty and guidance". Dabei sollen die Gerichte die Schwere des Verstoßes, Kenntnis und Absicht des Anspruchsstellers sowie die Abschreckungswirkung, rechtspolitische Erwünschtheit und Verhältnismäßigkeit einer Anspruchsverweigerung berücksichtigen. 96 Eine Sonderregelung hat der englische Gesetzgeber in s. 132 Financial Services Act 1986 für die Rückabwicklung von Versicherungsverträgen geschaffen, die wegen fehlender Registrierung der Versicherungsgesellschaft nach s. 2 Insurance Companies Act 1982 gesetzwidrig sind. Damit sollte im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung, die die Folgen des Verbotsverstoßes in unterschiedlicher Weise beurteilt hatte,97 Rechtsklarheit geschaffen werden. Nach der Neuregelung hat der Versicherte die Wahl, ob er auf der Vertragserfüllung bestehen oder den Vertrag aufheben will. Im letzteren Fall kann er "any money or other property paid or transJerred by him under the contract, together with compensation Jor any loss sustained by him as a result oJ having parted with it", zurückverlangen (s. 132(1», muss aber seinerseits "repay any money and return any other property received by him under the contract" (s. 132(4». Kann eine Sache nicht mehr herausgegeben 94 Vgl. Birks, Introduction, S. 432. Eindeutig war die Rechtslage insoweit im leading case zur Rückabwicklung gesetzwidriger Mietverträge Bowmakers Ltd. v. Bamet Instruments Ltd. [1945] K.B. 65, weil sich dort die Mieter Verfehlungen hatten zuschulden kommen lassen, die den Vermieter ohnehin zur fristlosen Kündigung berechtigt hätten. 95 Law Comrnission, Consultation Paper No. 154. Das Dokument ist im Internet zugänglich unter der Adresse www.lawcom.gov.uk/library/lccp154/cpI54.pdf. 96 Vgl. die Zusammenfassung in Abs. 1.18 bis 1.20 des Consultation Paper. 97 Vgl. Phoenix General Insurance Co. of Greece SA v. Halvemon Insurance Co. [1988] Q.B. 216, Re Cavalier Insurance Co. Ltd. [1989] 2 Lloyd's Rep. 430.
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werden, weil sie an einen Dritten übertragen worden ist, dann ist statt dessen ihr Wert "at the time of its transfer under the contract" zu erstatten (s. 132(5». Welche praktische Bedeutung diese Bestimmungen, denen Rückwirkung zukommen sOll,98 bei Versicherungsverträgen (über die Rückzahlung erbrachter Geldleistungen hinaus) haben können, ist allerdings nicht ganz klar. Es verblüfft, dass der englische Gesetzgeber sich veranlasst gesehen hat, für ein derart begrenztes Regelungsgebiet eine so ausgefeilte Regelung zu schaffen.
2. Deutsches Recht Nach deutschem Recht ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt (§ 134 BGB). Im Rahmen der danach erforderlichen Gesetzesauslegung wird primär darauf abgestellt, ob es sich um ein beiderseitiges oder lediglich ein einseitiges Verbotsgesetz handelt. Im ersten Fall ist das Geschäft im Zweifel nichtig, im zweiten Fall dagegen grundsätzlich wirksam. Dass etwa ein Handwerker nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist und durch seine Tätigkeit gegen die Handwerksordnung verstößt, macht den Werkvertrag nicht nichtig; möglicherweise kann aber eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Irrtums über die persönlichen Eigenschaften des Handwerkers in Betracht kommen. 99 Auf die äußerst fein ausdifferenzierte Kasuistik kann im vorliegenden Zusammenhang allerdings nicht eingegangen werden. Nach § 138 I BGB sind außerdem Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, nichtig; dass es auch zu den Voraussetzungen dieser Vorschrift eine ausufernde Kasuistik gibt, die allerdings zum Teil durchaus wechselhafte gesellschaftliche Anschauungen widerspiegelt, liegt in der Natur der Sache. Die Rückabwicklung der wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit nichtigen Verträge richtet sich grundsätzlich nach Bereicherungsrecht. Hier ist § 817 S. 2 BGB von Bedeutung, der von der Rechtsprechung als allgemeine Kondiktions sperre interpretiert wird. Auf die Vindikation wird die Vorschrift dagegen nicht angewandt, was zu Wertungswidersprüchen führen kann, wenn die Nichtigkeit nicht nur den Schuldvertrag, sondern auch das Verfügungsgeschäft erfasst. Während der Gesetzgeber vermutlich eine zivilrechtliche Strafvorschrift im Sinn hatte 100 - eine Idee, die heute nicht mehr sonderlich attraktiv er98 Group losi Re (formerly Groupe losi Reassurance SA) v. Walbrook lnsurance Co. Ltd. [1996] 1 W.L.R. 1152 (C.A.). Kritisch zu der ganzen Regelung McMeel, s. 194-198. 99 V gl. BGHZ 88, 240.
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scheint -, wird die Nonn inzwischen eher als eine Rechtsschutzverweigerung für Geschäfte interpretiert, bei denen sich die Parteien bewusst außerhalb der Rechtsordnung gestellt haben. 101 Eine Korrektur des Anwendungsbereichs wird in der Rechtsprechung vor allem dadurch versucht, dass man die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift wegen ihres Ausnahmecharakters 102 besonders hoch ansetzt: So wird verlangt, dass der Vennögensvorteil endgültig in das Vennögen des Empfangers übergegangen sei und dass der Leistende vorsätzlich oder zumindest leichtfertig gehandelt habe; 103 zum Teil wurde auch eine "sittlich-verwerfliche Gesinnung" des Leistenden gefordert, eine Voraussetzung, die natürlich besonderen Raum für Billigkeitserwägungen bietet. 104 Ein weiter Teil der Literatur rät dagegen, offener auf den Zweck der jeweiligen Verbotsnonn abzustellen; dem scheint die Rechtsprechung zunehmend zu folgen. So hat der BGH angenommen, dass bei einem wegen Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsgesetz nichtigen Werkvertrag ein Bereicherungsausgleich möglich sei, da dieses Gesetz vor allem die Wahrung öffentlicher Belange bezwecke und die Gewährung eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs seiner generalpräventiven Wirkung nicht entgegenstehe. Im Hinblick auf die Höhe des Bereicherungsanspruchs bildet das im nichtigen Vertrag vereinbarte Entgelt die Obergrenze; im Regelfall sind jedoch erhebliche Abschläge zu machen, insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass keine Gewährleistungsansprüche bestehen. 105 In sachlichem Zusammenhang mit dem Problem des Rückabwicklungsausschlusses steht auch die Frage, ob der Vertrag teilweise aufrechterhalten werden kann. Hier haben die Meinungen einen merkwürdigen Wandel durchgemacht: § 139 BGB wird heute nur angewendet, wenn die (Teil-) Vgl. ReuterlMartinek, S. 204 unter Berufung auf die Motive. ReuteriMartinek, S. 204 f. m. W.N. 102 Der BGH spricht sogar von einer "dem Zivilrecht an sich fremde[n] Regelung", die "in den von ihrem Zweck her bestimmten Grenzen gehalten werden" müsse (BGHZ 75, 305). 103 Vgl. auch BGH NJW 2000, 1562, wo jetzt ein bewusster Verstoß gegen ein bestimmtes Verbot gefordert wird, um den Kondiktionsausschluss nach § 817 S. 2 BGB auszulösen. Dieses Kriterium hat natürlich den Nachteil, das "abgehärtete Gewissen und das unterentwickelte Moralempfinden" zu belohnen, wie schon Reuterl Martinek, S. 212, kommentierten. 104 Vgl. König, S. 129, der in der dadurch ermöglichten "differenzierende[n] Fallbeurteilung" einen Vorteil dieser Lehre sieht. 105 BGH, BauR 1990, 721. Zustimmend Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 470, mit dem Argument, die "gesellschaftliche Mißbilligung" bei Schwarzarbeit halte sich "wohl in engen Grenzen", weshalb es der Tendenz des Schwarzarbeitsgesetzes besser entspreche, "einseitige Bereicherungen auszuschließen und die Verfolgung des Unrechts dem Strafrecht zu überlassen". Gegen einen Anspruch hingegen LG Mainz, NJW-RR 1998,48. 100 101
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Nichtigkeit ein einheitliches Rechtsgeschäft betrifft, also nicht bei einer nur äußerlichen Verbindung oder einem lediglich wirtschaftlichen Zusammenhang. 106 In der älteren Literatur und Rechtsprechung dagegen wurde gerade umgekehrt ein "aus mehreren Teilen zusammengesetztes Rechtsgeschäft" als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 139 BGB gefordert; bei einem einheitlichen Rechtsgeschäft ergebe sich die (Gesamt-)Nichtigkeit aus § 138 BGB, auf § 139 BGB könne es daher nicht ankommen. 107 Besonders bei sittenwidrigen Verträgen sollte damit vermieden werden, auf § 139 2. HS. BGB eingehen zu müssen. lOS Seit In-Kraft-Treten des BGB wird Gesamtnichtigkeit (meist ohne Umweg über § 139 BGB) zugunsten der geschützten Partei bejaht; später wurde umgekehrt auch die Teilnichtigkeit zu diesem Zweck bejaht,109 um einzelne sittenwidrige Vertragsklauseln (z. B. Bierbezugsverpflichtungen oder Wettbewerbsverbote) für nichtig erklären zu könnenYo 3. Einheitsrechte
Probleme der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit treten auch im internationalen Geschäftsverkehr nicht selten auf, und das keineswegs nur im Rahmen der organisierten Kriminalität. Verstöße gegen Devisenbestimmungen, wie sie sich etwa aus dem Bretton-Woods-Abkommen ergeben haben, sind ähnlich alltäglich wie Verletzungen der Wettbewerbsbestimmungen in Art. 81 f. (früher 85 f.) EU-Vertrag. l1I Zugleich handelt es sich um eine Problematik, die sich einer Vereinheitlichung bislang weitgehend entzogen hat. Das CISG nimmt die "Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen" in Art. 4 lit. a ausdrücklich aus seinem Anwendungsbereich aus. In Art. 4:101 Principles of European Contract Law wird ebenfalls "Ungültigkeit aufgrund von Rechtswidrigkeit [und] Sittenwidrigkeit" ausgeklammert, freilich nur aus dem Anwendungsbereich ,,[d]ieses Kapitel[s]", also des Kapitels 4 über "Gültigkeit".ll2 Vgl. statt aller PalandtlHeinrichs § 139 Rn. 5. RGZ 78, 120, allerdings für einen Fall der Fonnnichtigkeit. Vgl. zur früheren Rechtsprechung Kriechbaum, S. 50-55. 108 Kriechbaum, S. 73. 109 Kriechbaum, S. 58. 110 Kriechbaum, S. 65-72. 111 Zu dieser Problematik aus Sicht des englischen Rechts vgl. Toube, S. 101 ff., sowie A. Jones, (1996) 112 L.Q.R. 606. 112 Allerdings stellt PECL Autorenkommentar Art. 4:101 klar, dass "the Principles do not deal with illegal or immoral contracts", allerdings mit der Einschränkung ,,[flor the moment": Es müsse noch untersucht werden "whether it is feasible to draft European Principles on these subjects". Für alle diejenigen, die - entgegen der hier vertretenen Auffassung, vgl. oben Teil 1 C.II.2. - an die Möglichkeit einer 106 107
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Verzwickter liegen die Verhältnisse bei den Unidroit Principles, bei deren Entstehung der Gedanke einer internationalen Vereinheitlichung von materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen - wie berichtet - eine politisch bedeutsame Rolle gespielt hat. 113 Die Unidroit Principles, so wie sie schließlich veröffentlicht worden sind, befassen sich nach eigenem ausdrücklichem Bekunden zwar ebenfalls nicht mit "Ungültigkeit aufgrund [... ] Sitten- oder Rechtswidrigkeit" (Art. 3.I(c». Der Autorenkommentar begründet diese Abstinenz mit der "inherent complexity" der entsprechenden Fragen und der "extremely diverse manner in which they are treated in domestic law". In Wahrheit enthalten sie freilich doch Regelungen, die diesem Komplex zuzuordnen sind, wenn auch systematisch etwas versteckt eingeordnet (nämlich in Kapitel 6 über "Erfüllung") und nur für einen Teilbereich, nämlich für solche Verträge, die einer Genehmigungspflicht unterliegen. I 14 Wie oben erwähnt, stehen diese Regelungen im Zusammenhang mit dem Interesse der (seinerzeit) sozialistischen Staaten, auf dem Weg über eine internationale Kodifikation des Vertragsrechts eine Anerkennung ihrer (vielfältigen) Genehmigungserfordernisse durch die kapitalistischen Staaten zu erreichen. Nach deutschem Recht werden ausländische Verbotsgesetze nicht von § 134 BGB erfasst; 115 ein Verstoß gegen solche Verbotsgesetze führt (nur) dann zur Unwirksamkeit des Vertrages nach § 138 BGB, wenn sie mittelbar auch deutsche Interessen schützen - was man seinerzeit bei Gesetzgebung westlich orientierter Staaten gelegentlich angenommen hat,116 kaum aber bei der von Ostblockstaaten - oder wenn sie auf allgemein anerkannten rechtlichen Erwägungen beruhen. 117 Daneben können ausländische Verbote kollisionsrechtlichen Wahl der Principles of European Contract Law glauben, halten diese ohnehin ein allerdings etwas halbherziges Bekenntnis zu laisser faire bereit: Nach Art. 1:103(1) finden in diesem Fall "zwingende nationale Vorschriften keine Anwendung", wobei aber nach Art. 1:103(2) ,,[g]leichwohl [... ] denjenigen zwingenden Vorschriften des nationalen, supranationalen und internationalen Rechts Wirkung beigelegt" werden "sollte", für die dies nach den einschlägigen internationalprivatrechtlichen Regeln vorgesehen ist. 113 Vgl. oben Teil 1 C.I1.1. bei Fn. 301. 114 Nach Ansicht von Ernst, S. 146 f., handelt es sich um eine "wesentliche und weiterführende Neuerung", auch wenn diese Bestimmungen verständlicherweise "inhaltlich nur ein erster und rudimentärer Anlauf zur Aufstellung sachdienlicher Regelungen" sein könnten. Übersehen ist die Regelung dagegen offenbar bei Hornung, S. 87, der lediglich festhält, dass es ursprünglich Pläne gab, für den Problemkreis der gesetzlichen Verbote eine einheitliche kollisionsrechtliche Lösung zu schaffen, die jedoch "nicht weiter verfolgt worden" seien. 115 BGHZ 59, 85 (Ausfuhr von Kulturgut aus Nigeria gegen ein Verbotsgesetz dieses Staates). 116 BGHZ 34, 177 (deutschem Recht unterliegender Kaufvertrag über Borax, der amerikanisches Embargo gegen den Ostblock verletzt, nichtig, da Verstoß gegen Bestimmungen zur "Aufrechterhaltung des Friedens und der freiheitlichen Ordnung des Westens").
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die Leistung unmöglich machen 118 oder die Geschäftsgrundlage entfallen lassen. 119 Art. 6.1.14 Unidroit Principles begründet Pflichten der Parteien ganz allgemein für den Fall, dass "das Recht eines Staates eine behördliche Genehmigung verlangt, welche die Gültigkeit des Vertrages oder seine Erfüllung berührt". Der Autorenkommentar stellt allerdings klar, dass sich die Bestimmung nur auf die "requirements prescribed by the applicable law" bezieht. 120 Welches Recht dies sein soll, sagen die Unidroit Principles nicht; hierbei handelt es sich ja gerade um den Punkt, über den man im Rahmen der Beratungen keine Einigkeit erzielen konnte. Bei entsprechend extensiver Auslegung kann man den Unidroit Principles also die Pflicht entnehmen, auch so genannten "lang-arm statutes" nachzukommen und Genehmigungspflichten von Staaten zu erfüllen, die in keiner unmittelbaren Beziehung zum konkreten Vertrag stehen. Die Parteien können ein Interesse an der Einhaltung derartiger extraterritorialer Bestimmungen haben, etwa wenn sie in dem betreffenden Staat Geschäfte machen wollen oder dort Tochterunternehmen besitzen, die von den dortigen Behörden sozusagen in "Sippenhaft" genommen werden könnten. Für den Fall, dass relevante Genehmigungserfordernisse bestehen, erlegt Art. 6.1.14 einer Partei die Pflicht auf, "die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Genehmigung zu erlangen". Im Zweifel ("wenn weder dieses Recht [sc. das Recht des Staates, der die Genehmigung verlangt]121 noch die Umstände etwas anderes besagen", Art. 6.1.14) ist die Genehmigung auf eigene Kosten von derjenigen Partei einzuholen, die ihre Niederlassung in dem Staat hat, der die Genehmigung verlangt (Art. 6.1.14(a), 6.1.15(1»; hat keine Partei ihre Niederlassung in diesem Staat oder sind beide Parteien dort domiziliert, so obliegt dies der Partei, "deren Erfüllung die Genehmigung erfordert". Die Bestimmungen gelten sowohl für von An117 BGHZ 59, 83 (vgl. Fn. 115); 94, 268 (Bestechung ausländischer Amtsträger); BGH NJW 1991, 635 (obiter zu thailändischem Südafrika-Embargo). Kritisch gegenüber diesem Umweg in der Begründung Kegel/Schurig, S. 941. 118 RGZ 93, 182 (englisches Verbot des Handels mit dem Feind). 119 BGH IPRax 1986, 154 (noch unter der Schah-Regierung geschlossener Vergleich über Bierlieferungen in den Iran). 120 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.14 Comment 1 (Hervorhebung nicht im Original). 121 Hier sieht Art. 6.1.14 Unidroit Principles also für die Bestimmung der Partei, die verpflichtet sein soll, die Genehmigung einzuholen, eine kollisionsrechtliche Verweisung auf das Recht des Staates, der die Genehmigung verlangt, vor - ein Fremdkörper innerhalb der Unidroit Principles, der sich wohl nur damit erklären lässt, dass ursprünglich ohnehin geplant war, eine kollisionsrechtliche Regelung für die Anwendbarkeit ausländischer Verbotsgesetze zu schaffen (vgl. oben Teil 1 C.Il.I., Fn. 301).
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fang an bestehende Genehmigungserfordernisse als auch für solche, die nachträglich eingeführt werden. 122 Dass die erforderlichen Maßnahmen ihrerseits legal sein müssen, wird nicht gesagt; denkbar ist also auch etwa, dass die Partei, die die Genehmigung zu beschaffen hat, verpflichtet sein mag, Schmiergelder zu zahlen, wo sich die Genehmigung anderweitig nicht beschaffen lässt. Die Gewährung oder Verweigerung der Genehmigung ist der anderen Partei unverzüglich anzuzeigen (Art. 6.1.15(2». Kümmert sich die Partei, die für die Beschaffung der Genehmigung zuständig ist, nicht darum, dann dürfte darin wohl eine Nichterfüllung (Art. 7.1.1) liegen, so dass der anderen Partei die üblichen Rechtsbehelfe offen stehen. Hat die verantwortliche Partei alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, wird innerhalb einer angemessenen Frist (bzw. einer Frist, die die Parteien vereinbart haben) aber keine behördliche Entscheidung über die Genehmigung getroffen, so ist "jede Partei berechtigt, den Vertrag zu beenden" (Art. 6.1.16), worauf die in Art. 7.3.5, 7.3.6 angeordneten Rechtsfolgen eintreten. 123 Wird die Genehmigung dagegen abgelehnt, so ist zu unterscheiden: Berührt das Genehmigungserfordernis die Gültigkeit des Vertrages, so ist der Vertrag nichtig ("void", Art. 6.1.17(1». Daraus ist aber zugleich zu schließen, dass ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nach den Unidroit Principles von vornherein nichtig ist; denn wie J. Hager zu Recht formuliert (allerdings zur Frage der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäftes nach deutschem Recht, wenn sich das gesetzliche Verbot gegen das zivilrechtliche Erfüllungsgeschäft richtet), "kann [es] wohl kaum einen Unterschied machen, ob das Verbot von vornherein ohne Ausnahme existiert oder aber der Ausnahmetatbestand nicht eingreift".124 Das wird im Autorenkommentar an anderer Stelle auch ausdrücklich ausgesprochen. 125 Spätestens in diesem Zusammenhang hätte man allerdings der Frage, auf welches Recht es insoweit ankommen soll, nicht mehr ausweichen dürfen. Auch über die Rückabwicklung etwa erbrachter Leistungen bei Nichtigkeit sagen die Unidroit Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.1.14 Comment I b. Gemäß Art. 6.1.16(2) gilt dies nicht, wenn "die Genehmigung" (gemeint ist vermutlich das Genehmigungserfordernis) nur einzelne Bedingungen des Vertrages betrifft und es nach den Umständen angemessen ist, den Vertrag trotz Verweigerung der Genehmigung im Übrigen aufrechtzuerhalten. 124 J. Hager, S. 71. Vgl. auch Kramer, ZEuP 1999, 215, der ebenfalls fragt, ob diese Regelung auf den "viel wichtigeren Problemkreis der Teilnichtigkeit wegen Gesetzwidrigkeit insgesamt" bezogen werden sollte, dessen Ansicht nach jedoch Art. 3.1 diesem einleuchtenden Ergebnis entgegensteht. 125 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.3 Comment 1: Wo eine anfängliche Unmöglichkeit auf einem gesetzlichen Verbot beruht, ist für die Wirksamkeit des Vertrages danach zu unterscheiden, ob nach dem Recht, das das Verbot verhängt, der Vertrag insgesamt unwirksam oder nur seine Erfüllung verboten werden soll- von Kramer, ZEuP 1999,215, wird diese Aussage offenbar übersehen. 122 123
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Principles nichts. 126 Betrifft das Genehmigungserfordernis die Eifüllung des Vertrages und wird diese durch die Verweigerung der Genehmigung ganz oder teilweise unmöglich, so sollen hingegen die Regeln über die Nichterfüllung Anwendung finden (Art. 6.1.17(2)).!27 V. Auflösungsrechte für Verbraucher
Eine vergleichsweise junge Kategorie des Vertragsscheiterns stellt die Geltendmachung spezieller Rechte zur Auflösung des Vertrages durch Verbraucher dar. Die Gewährung solcher Widerrufsrechte knüpft zum Teil an bestimmte Vertragstypen an, die als besonders gefährlich empfunden werden (etwa Verbraucherkredit- oder Teilzeitwohnrechteverträge), zum Teil aber auch an bestimmte Absatzwege, bei denen man ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers vermutet (Haustür- und Femabsatzgeschäfte).128 In funktionaler Betrachtung führt die Einräumung solcher Rechte zu einer Art beschränkten Geschäftsfähigkeit des Verbrauchers: Der von ihm geschlossene Vertrag wird nur unter zusätzlichen Voraussetzungen bindend. Es finden sich aber auch Überschneidungen zu anderen der hier diskutierten Schutzmechanismen, etwa zu den Formvorschriften: Regelmäßig ist die vertragliche Bindung des Verbrauchers daran gekoppelt, ob ihm vertragsrelevante Informationen in einer bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen Form übermittelt worden sind. In gleicher Weise lassen sich aber auch Parallelen zur undue influence im englischen Recht erkennen,129 wo eine Pflicht der "überlegenen" Partei statuiert wird, für eine unabhängige Beratung der Gegenseite zu sorgen. 1. Englisches Recht Abgesehen vom Consumer Credit Act 1974, der der entsprechenden europäischen Richtlinie aus dem Jahr 1986 vorausgegangen ist,130 finden sich Vgl. schon oben bei Teil 2 DJ. Fischer, S. 264, meint aber, dass der Schuldner in diesem Fall wegen Irrtums anfechten könne, soweit er nicht grob fahrlässig gehandelt hat. 128 Auch BülowlArtz, NJW 2000, 2050, betonen, das in den EU-Richtlinien verwirklichte Konzept sei ,,[v]öllig losgelöst von der individuellen Schutzbedürftigkeit des Kontrahenten im Einzelfall"; die "Störung der Vertragsparität" werde "im Zusammentreffen des zu privaten Zwecken handelnden Kontrahenten mit dem professionellen Anbieter gesehen, der mit raffinierten Marketingmethoden und ausgeklügelten Vertragskonzepten" vorgehe. 129 Vgl. schon oben Teil 2 A.1.2.c)(2), Fn. 45; näher zu undue injluence unten bei Teil 3 D.II.l.b). 130 Der Anwendungsbereich des Gesetzes beschränkt sich im Wesentlichen auf Kreditvereinbarungen bis zu f 25.000; Voraussetzung des Widerrufsrechts (s. 67 126
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Auflösungsrechte für Verbraucher im englischen Recht meist in Verordnungen (regulations), die auf der Basis von s. 2(2) European Communities Act 1972 zum Zweck der Umsetzung von europäischen Rechtsakten erlassen werden. Die englische Literatur qualifiziert die Ausübung solcher Auflösungsrechte als einen Fall der Anfechtung. 13l Von den entsprechenden Regelungen, die sich zum Teil ähneln, zum Teil aber auch systematisch nicht leicht nachvollziehbare Abweichungen aufweisen, seien nachfolgend zwei herausgegriffen, bei denen sich in besonderem Maße Rückabwicklungsprobleme stellen, nämlich die Regelungen über Haustür- und Femabsatzgeschäfte. 132 Beide lassen die vom englischen Verordnungsgeber angewandte Regelungstechnik gut erkennen.
Consumer Credit Act 1974) ist ferner u.a., dass die Vertragsurkunde vom Verbraucher nicht in den Geschäftsräumen der Unternehmerseite unterzeichnet wird. Für den Fall, dass beim Abschluss des Vertrages die gesetzlich vorgeschriebenen Formvorschriften und Belehrungspflichten nicht erfüllt worden sind, kann der Vertrag nach s. 65(1) nur auf besondere Anordnung des Gerichts gegen den Kreditnehmer durchgesetzt werden, wobei auch Auflagen oder Modifikationen der Vertragsabwicklung vorgesehen werden können. Hat die Vertragsurkunde nicht alle vorgeschriebenen Bestandteile enthalten oder ist der Vertrag vom Kreditnehmer nicht unterschrieben worden, hat der Kreditnehmer keine Ausfertigung der Vertragsurkunde erhalten oder ist er nicht auf sein Widerrufsrecht hingewiesen worden, dann sind Ansprüche des Kreditgebers (einschließlich einer etwaigen Rückforderung) möglicherweise ganz ausgeschlossen; so jedenfalls Tettenbom, Rn. 13-43, der diesen "draconian effect" für beabsichtigt hält. Etwas bankenfreundlicher dagegen Paget, S. 69, dem zufolge die Forderung des Kreditgebers lediglich unklagbar ist, aber etwa zur Aufrechnung gegen Ansprüche des Kreditnehmers zur Verfügung steht. 131 Vgl. etwa Chitty, Rn. 1-039, wo dies allerdings nicht ganz eindeutig zum Ausdruck kommt. 132 Daneben sind noch Timeshare Act 1992 mit Timeshare Regulations 1997 (S.I. 1997 No. 1081) sowie Package Travel, Package Holidays and Package Tours Regulations 1992 (S.1. 1992 No. 3288, geändert durch S.1. 1995 No. 1648 und 1998 No. 1208) zu nennen, die allerdings im vorliegenden Zusammenhang weniger bedeutsam sind. Bei Timeshare-Verträgen stellt die Annahme von Vorauszahlungen von einem Verbraucher während des Laufs der Widerrufsfrist grundSätzlich sogar eine Ordnungswidrigkeit dar (s. 5A(2) Timeshare Act 1992); dennoch gezahlte Beträge können in voller Höhe zurückgefordert werden, s. 5(8)(a). Ein etwa aufgenommener Kredit kann nach s. 7(2) innerhalb eines Monats zinslos zurückgezahlt werden; andernfalls sind die vertraglich ausbedungenen Zinsen zu zahlen, aber keine Gebühren, ss. 6(5), 7(3). Für Pauschalreisen sind Rückabwicklungsvorschriften für den Fall vorgesehen, dass der Verbraucher bei einer wesentlichen Änderung der Vertragsbedingungen zurücktritt (reg. 12(a) Package Travel, Package Holidays and Package Tours Regulations 1992) beziehungsweise der Veranstalter die Reise absagt (reg. 13(1». Schließlich gibt reg. 15 der Electronic Commerce (EC Directive) Regulations 2002 (S.1. 2002 No. 2013), vorbehaltlich gegenteiliger Anordnung des Gerichts, ein Recht "to rescind the contract" für den Fall, dass die notwendigen technischen Mittel zum Erkennen und Beheben von Eingabefehlern nicht zur Verfügung gestellt werden; besondere Rückabwicklungsvorschriften sind nicht vorgesehen. 22*
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Nach den Consumer Protection (Cancellation of Contracts Concluded away from Business Premises) Regulations 1987 133 hat der Verbraucher das Recht, den Vertrag durch schriftliche Erklärung innerhalb von sieben Tagen nach Abschluss zu widerrufen ("to cancel the contract", reg. 4(5»;134 wird er über dieses Recht nicht ordnungsgemäß belehrt, kann aus dem Vertrag nicht gegen ihn geklagt werden (reg. 4(1». Folge des Widerrufs ist grundsätzlich, dass der Vertrag "shall be treated as if it had never been ente red into by the consumer" (reg. 4(6». Der Verbraucher kann Rückzahlung von Geld "paid by or on behalf of the consumer under or in contemplation of the contract" verlangen (reg. 5(1».135 Ist er vor Widerruf des Vertrages in den Besitz von Sachen gelangt, so ist er verpflichtet, "on the cancellation to restore the goods to the trader [... ] and meanwhile to retain possession of the goods and take reasonable care of them" (reg. 7(1».136 Verletzungen dieser Pflicht ziehen deliktische Haftung wegen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz (breach of statutory duty) nach sich (so ausdrücklich reg. 7(8».137 Offenbar will man mit dieser Konstruktion dem Einwand begegnen, dass eine vertragliche Haftung des Verbrauchers nach rückwirkender Beseitigung des Vertrages nicht in Betracht kommen kann. Eine solche Pflicht besteht jedoch nicht bei verderblichen Sachen (reg. 7(2)(i», bei verbrauchbaren und vor dem Widerruf auch tatsächlich verbrauchten Sachen (reg. 7(2)(ii», bei "goods supplied to meet an emergency" (reg. 7(2)(iii» und Sachen, die vor dem Widerruf mit einer nicht vom Vertrag betroffenen S.1. 1987 No. 2117. Nach reg. 4(7) gilt der Widerruf bei Versendung mit der Post im Zeitpunkt der Absendung als zugegangen. 135 In Zahlung gegebene Sachen des Verbrauchers muss der Unternehmer binnen zehn Tagen nach Widerruf "in a condition substantially as good as when they were delivered" zurückgeben; andernfalls kann der Verbraucher Barauszahlung des für sie angesetzten Wertes verlangen, reg. 8(2). 136 An Sachen, die sich aufgrund des Vertrages in seinem Besitz befinden, steht ihm jedoch im Hinblick auf seinen Rückzahlungsanspruch nach reg. 5(1) ein Pfandrecht (lien) zu (reg. 5(2), 7(1)). Die Rückgewährverpflichtung ist eine Holschuld und setzt nach reg. 7(3) eine schriftliche Aufforderung des Unternehmers voraus, die innerhalb von 21 Tagen nach Widerruf zugehen muss; andernfalls endet die Obhutspflicht des Verbrauchers (reg. 7(6)). 137 Die Haftung für breach 01 statutory duty ist grundsätzlich unabhängig von einem Verschulden, vgl. lohn Summers & Sons Ltd. v. Frost [1955] A.C. 740. Soweit es um die Verletzung einer Pflicht "to take reasonable care" geht, ergibt sich das Verschuldenserfordernis aber natürlich schon aus dem Inhalt der Pflicht. Allerdings ist die Pflicht "to restore the goods to the trader" als absolute Pflicht formuliert, so dass sich der Verbraucher an sich schon dadurch schadensersatzpflichtig machen müsste, dass er die Sachen nicht an den Verkäufer zurückgibt; in diesem Fall wäre jedoch unverständlich, warum ihm zusätzlich noch eine Obhutspflicht auferlegt werden müsste. Rechtsprechung zur Auslegung der Vorschrift hat sich nicht finden lassen. 133
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B. Störungen, die die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages verhindern
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Sache verbunden werden (reg. 7(2)(iv»; hierfür muss der Verbraucher "in accordance with the cancelled contract for the supply of the goods and for the provision of any services in connection with the supply of the goods before the cancellation" zahlen, der Vertrag bleibt also insoweit faktisch aufrechterhalten. Auch die Consumer Protection (Distance Selling) Regulations 2000 138 geben dem Verbraucher ein Recht zum Widerruf (reg. 10), dessen Ausübung grundsätzlich dazu führt, dass der Vertrag "shall be treated as if it had not been made" (reg. 10(2». Die Frist beträgt bei ordnungsgemäßer Belehrung des Verbrauchers über seine Rechte rechtzeitig vor Vertrags schluss sieben Werktage ab Vertragsschluss (reg. 11(2), 12(2»; wird die Belehrung innerhalb von drei Monaten nach Vertragsschluss nachgeholt, so endet die Frist sieben Werktage, nachdem der Verbraucher die Belehrung empfängt (reg. 11(3), 12(3», sonst drei Monate und sieben Werktage nach Vertragsschluss (reg. 11(4), 12(4».139 Nach Widerruf ist der Unternehmer zur Rückzahlung empfangener Beträge verpflichtet (reg. 14(1».140 Allerdings kann vereinbart werden, dass der Verbraucher empfangene Sachen auf seine Kosten zurücksenden muss; verstößt er gegen diese Pflicht, kann der Unternehmer einen Betrag "not exceeding the direct costs of recovering any goods supplied under the contract" beanspruchen (reg. 14(5».141 Mit Widerruf gilt der Verbraucher rückwirkend als verpflichtet "to retain possession of the goods, and [... ] to take reasonable care 0/ thern" (reg. 17(2»; ferner trifft ihn die Pflicht, die Sachen an den Unternehmer zurückzugeben "and in the rneanwhile to retain possession 0/ the goods and take reasonable care of thern" (reg. 17(3».142 Auch hier zieht die Verletzung dieser Pflichten deliktische Haftung wegen breach 0/ statutory duty nach sich (reg. 17(10». Grundsätzlich wird der Vertrag ferner automatisch aufgehoben, und zwar rückwirkend, wenn der Unternehmer eine Bestellung des Verbrauchers nicht innerhalb von 30 Tagen erfüllt; dem Verbraucher bleiben in diesem Fall jedoch seine Rechte wegen Nichterfüllung (reg. 19(1), (5». S.1. 2000 No. 2334. Auch hier tritt Zugang des Widerrufs mit Absendung ein, und zwar nicht nur bei Versendung mit der Post (reg. 1O(4)(b», sondern auch mit Telefax (reg. 1O(4)(c» und E-Mail (reg. 1O(4)(d»; eine entsprechende Regelung gilt beim Zurücklassen des Widerrufs "at the address last known to the customer" (reg. 1O(4)(a». 140 Die Regelung für in Zahlung gegebene Sachen des Verbrauchers ähnelt der bei Haustürgeschäften (reg. 18; vgl. soeben Fn. 135). 141 Eine Ausnahme gilt u. a., wenn der Verbraucher bei Erklärung des Widerrufs berechtigt gewesen wäre, empfangene Sachen (etwa wegen Vertragswidrigkeit) zurückzuweisen (reg. 14(6)(a». 142 Die Rückgabeverpflichtung ist auch hier Holschuld und setzt eine schriftliche Aufforderung innerhalb von 21 Tagen nach Widerruf voraus (reg. 17(4), (7»; ist vertraglich ausdrücklich eine Rückgabepflicht des Verbrauchers vereinbart, verlängert sich diese Frist allerdings auf sechs Monate (reg. 17(8». 138 139
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
2. Deutsches Recht Auch im deutschen Recht hat man zunächst den Widerruf in den einzelnen Verbraucherschutzgesetzen getrennt geregelt, wobei allerdings das Verbraucherkreditgesetz im Hinblick auf die Modalitäten des Widerrufs und die Rückabwicklung auf § 3 HaustürWG verwies (§ 7 IV VerbrKrG).143 Die dogmatische Einordnung der Widerrufsrechte war uneinheitlich und zum Teil umstritten; 144 allerdings legte die Formulierung der Gesetzesvorschriften teilweise die Vorstellung einer schwebenden Unwirksamkeit der Verträge während des Laufs der Widerrufsfrist nahe, was den Nachteil hatte, dass innerhalb dieses Zeitraums noch kein Erfüllungsanspruch des Verbrauchers bestehen konnte. Dennoch erbrachte Leistungen waren nach Widerruf zurückzugewähren. Bei Unmöglichkeit unversehrter Rückgabe kam es darauf an, ob der Verbraucher Kenntnis von seinem Widerrufsrecht hatte: falls ja, haftete er grundSätzlich auch für einfache Fahrlässigkeit (§ 3 I 3 HaustürWG), andernfalls nur für diligentia quam in suis (§ 3 11 HaustürWG). Geändert wurde dieser Zustand durch das FernAbsG, das eine Vereinheitlichung aller für das Widerrufsrecht relevanten Regelungen - soweit nach den EU-Richtlinien möglich - beabsichtigte und das Widerrufsrecht dem Rücktritt annäherte (vgl. § 361a 11 BGB).145 Dabei wurde der Haftungsmaßstab für den Fall einer Unkenntnis des Verbrauchers von seinem Widerrufsrecht geändert: An die Stelle der diligentia quam in suis trat die Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 36la 11 5 BGB). Allerdings wurde die neue Regelung nach wenig mehr als anderthalb Jahren zum 1. Januar 2002 wiederum durch eine Neufassung abgelöst, die nunmehr in § 355 ff. BGB angesiedelt ist. Es bleibt bei der Parallele zum Rücktrittsrecht, wobei man allerdings von der groben Fahrlässigkeit wieder zur diligentia quam in suis - die sich nun auch im Rücktrittsrecht, nämlich in § 346 III 1 Nr. 3 BGB, findet - zurückgekehrt iSt. 146
3. Einheitsrechte Für das CISG und die Unidroit Principles spielt die hier behandelte Kategorie des Vertragsscheiterns keine Rolle, weil sich beide Texte nicht mit 143 PalandtlHeinrichs, § 36la Rn. 2 spricht von einem schwer durchschaubaren, fast schon chaotischen Durcheinander, das die Gesetzgebung der EU angerichtet habe. 144 Vgl. zum früheren Rechtszustand BülowlArtz, NJW 2000, 2051. 145 BülowlArtz, NJW 2000, 2052, nennen den Widerruf "nichts anderes als ein in Voraussetzungen und Folgen besonders ausgestaltetes gesetzliches Rücktrittsrecht". 146 Vgl. bereits oben Teil 2 B.II.
C. Leistungen in Erwartung eines Vertragsschlusses
343
Verbraucherverträgen befassen. Dagegen hat man bei den Principles of European Contract Law, die ausdrücklich auch auf Verbraucherverträge anwendbar sein und sich eigentlich auf das Recht der Europäischen Union hin orientieren wollen, die Thematik - aus welchen Gründen auch immer nicht behandelt. 147 Das ist bedauerlich, denn gerade hier hätte sich die Möglichkeit geboten, ein einheitliches Konzept und eine kohärente Terminologie für die eher disparate europäische Richtliniengesetzgebung bereitzustellen. 148
c.
Leistungen in Erwartung eines Vertragsschlusses, wenn kein Vertrag zustande kommt
Das klassische Modell des Vertragsrechts geht von einem binären Denken aus: Entweder ist ein Vertrag geschlossen worden, der die Parteien bindet, oder nicht; eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. So zwingend dieser Ansatz sich aus Gründen der Rechtssicherheit aufdrängt, so unvollkommen gibt er die Realität wieder. Bei einfachen Handgeschäften des täglichen Lebens mag es zwar noch realistisch sein, von einem gewissermaßen spontanen Vertragsschluss auszugehen. Überall dort, wo der schuldrechtliche Vertrag seine eigentliche Funktion als Planungsinstrument erfüllen soll, geht dem Moment, in dem die gemeinsame Planung rechtlich bindend fixiert wird, eine mehr oder weniger ausgedehnte Vorbereitungsphase voraus. Je näher die Vorbereitung dem Abschluss kommt, desto mehr wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass im Rahmen der Vertragsvorbereitung bereits Leistungen erbracht werden - Leistungen, die angesichts der Tatsache, dass der beabsichtigte Vertragsschluss immer noch scheitern kann, möglicherweise rückabgewickelt werden müssen. Dem Vertragsrecht verlangt dieser Umstand die schwierige Aufgabe ab, durch Auslegung des Parteiverhaltens oder durch flankierende Rechtsinstitute diesem graduellen oder sogar schleichenden Zustandekommen des Vertrages Rechnung zu tragen, ohne andererseits den Fixpunkt des Vertragsschlusses seiner Bedeutung zu berauben. 149 Zur Kritik hieran vgl. bereits oben Teil 1 C.II.3.b) bei Fn. 350. Für eine Übernahme entsprechender Regelungen in die Principles of European Contract Law auch Wolf, S. 118-122, allerdings mit nicht durchweg überzeugender Einordnung des Schutzzwecks der entsprechenden Widerrufsrechte. 149 Vgl. allerdings Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 2.15 Comment 3, wo ausdrücklich von einem ,,point of no return" bereits vor dem formellen Abschluss des Vertrages die Rede ist; wann dieser Punkt erreicht sei, hänge von den "circumstances of the case, in particular the extent to which the other party, as a result of the conduct of the first party, had reason to rely on the positive outcome of the negotiations, and on the number of issues relating to the future contract on which the parties have already reached agreement" ab. Auch Jaffey, S. 118, hält die Vorstellung, dass noch kein bindender Vertrag bestehen könne, solange die Par147 148
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
I. Englisches Recht Bei längerfristig auszuführenden Verträgen - etwa einem Werkvertrag über die Errichtung eines Gebäudes in mehreren Bauabschnitten - wird in der englischen Praxis nicht selten nur über den jeweils anstehenden Abschnitt ein bindender Vertrag geschlossen, verbunden mit einem letter 01 intent für den Rest der Arbeiten. Ist der Besteller mit der Arbeit des Bauunternehmers unzufrieden, dann gibt ihm dies die Möglichkeit, dem Vertrag zu entkommen, ohne den Nachweis einer tatsächlichen Mangelhaftigkeit der Bauleistungen führen zu müssen. 150 Grundstückskäufe werden häufig zunächst freibleibend, "subjeet to eontraet", vereinbart, um so dem Käufer die Möglichkeit zu geben, die Finanzierung des Kaufs sicherzustellen. Allerdings ermöglicht dies umgekehrt den Parteien auch das so genannte "gazumping", das heißt die Möglichkeit, die - nicht bindende - Verkaufsabrede ungestraft zu brechen und auf diese Weise kurzfristige Veränderungen des Grundstücksmarkts zu ihren Gunsten auszunutzen (oder auch auf Veränderungen der eigenen finanziellen Situation zu reagieren). In diesem Zusammenhang stellen sich für das englische Recht erhebliche Probleme. Da das englische Recht das Rechtsinstitut der eulpa in eontrahendo nicht anerkennt, kann es den Schaden, der einer Partei dadurch entsteht, dass die andere ohne berechtigtes Interesse den Abschluss eines Vertrages verweigert, nur auf dem Umweg über das Bereicherungsrecht ausgleichen; das macht oft dogmatische Verrenkungen erforderlich, um eine Bereicherung des Schädigers zu identifizieren. 151
In Chillingworth v. Esehe 152 war ein Angeld (deposit) im Rahmen eines formlos geschlossenen Grundstückskaufvertrages gezahlt worden, der ausdrücklich als "subjeet to eontraet" bezeichnet worden war. Als der Kaufvertrag scheiterte, konnte das Angeld zurückgefordert werden. Wie Robert Walker L.J. später in Guinness Mahon & Co. Ltd. v. Kensington L.B.c. 153 feststellte, bedeutet das Fehlen eines Vertrages in solchen Fällen nicht, dass eine Leistung als Geschenk zu betrachten sei: ,,[ ... ] the eontext 01 a supposed or expeeted eontraet is still relevant as explaining what the parties are about". Da ein deposit normalerweise als Sicherheit für Abschluss und Durchführung des Vertrages gedacht ist, dürfte die Rückforderbarkeit wohl teien noch über die genaue Formulierung des Vertragstextes verhandeln, für "surely not a realistic picture 01 what happens in practice". 150 Vgl. Beale, S. 213. 151 So zu Recht Nicholas Strauss Q.C. in Countrywide Communications Ltd. v. [CL Pathway Ltd. 21.10.1999 (Queen's Bench Division); das unveröffentlichte Urteil ist zugänglich über die Bereicherungsrechts-Website der Universität Cambridge, www.law.cam.ac.uklrestitution/engl.htm. 152 [1924] 1 Ch. 97. 153 [1998] 3 W.L.R. 850.
C. Leistungen in Erwartung eines Vertragsschlusses
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vor allem davon abhängen, wer für das Scheitern des Vertrages verantwortlich ist. Nicht selten haben die Rechtsprechung auch Fälle beschäftigt, in denen Leistungen erbracht werden, während noch Vertragsverhandlungen laufen. In Brewer Street Investments Ltd. v. Barclays Woollen Co. Ltd. 154 hatten die Parteien über einen langfristigen Mietvertrag für Geschäftsräume verhandelt. Der Beklagte wünschte, dass bestimmte Veränderungen an den Räumen vorgenommen werden sollten; unter anderem sollte in einen Aufzug eine zusätzliche Tür eingebaut werden, wozu sich der klagende Eigentümer bereit erklärte. Infolge unüberbrückbarer Differenzen kam jedoch kein Vertragsabschluss zustande, und der Eigentümer ließ die Umbauarbeiten einstellen. Ihm wurde Ersatz für die bereits angefallenen Kosten zugesprochen, allerdings mit unterschiedlicher Begründung: Somervell und Romer L.JJ. waren der Ansicht, der Beklagte müsse zahlen, weil er am Nichtzustandekommen des Vertrages schuld gewesen sei, was letztlich natürlich ein Institut der culpa in contrahendo voraussetzt, wie es das englische Recht gerade nicht anerkennen will. Dagegen meinte Denning L.J., die rechtliche Grundlage für den Anspruch des Klägers sei nicht leicht zu formulieren, könne aber nur im Bereicherungsrecht gefunden werden. Im Gegensatz zu Somervell L.J. war er der Ansicht, dass keiner der beiden Parteien ein Verschulden zur Last falle. Allerdings stimmte er im Ergebnis mit den anderen Richtern dahingehend überein, dass der Beklagte die Arbeiten zahlen müsse, weil sie in seinem Interesse vorgenommen worden seien; soweit der Kläger allerdings selbst davon profitiert habe, müsse er sich diesen Betrag anrechnen lassen. 155 Das Fehlen eines Vertrages kann in derartigen Situationen zu einem Ungleichgewicht zwischen den Parteien führen. Erkennen lässt sich das an der Entscheidung von Robert Goff J. in British Steel Corp. v. Cleveland Bridge and Engineering Co. Ltd. 156 Hier sollte die Klägerin speziell angefertigte Stahlbauteile für ein Bankgebäude in Saudi-Arabien liefern. Während zwischen den Parteien noch über die Vertragsbedingungen verhandelt wurde, wurden die Stahlbauteile bereits angefertigt und - bis auf eines der Bauteile - an die Beklagte geliefert. Weil die Beklagte nicht zahlte, hielt die Klägerin das letzte Teil zunächst zurück; durch einen Streik bei der Klägerin wurde die Lieferung dann für mehrere Monate verzögert. Die Klägerin 154 [1954] 1 Q.B. 428. Vgl. dazu McMeel, S. 213 f. Tettenbom, Rn. 7-51, meint einschränkend, dass "that case depends very much on its own facts"; Atiyah, Introduction, S. 102 Fn. 24, betont, die genaue Grundlage der Entscheidung sei bis heute umstritten. Nach Ansicht von Jajfey, S. 120 Fn. 218, hatten die Parteien eine vertragliche Abrede über die entgeltliche Verrichtung der Arbeiten getroffen. 155 [1954] 1 Q.B. 436 f. 156 [1984] I All E.R. 504.
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
hatte mit ihrer Klage auf quantum meruit für die gelieferten Bauteile Erfolg; dagegen scheiterte die Beklagte mit ihrer Widerklage auf Schadensersatz wegen verspäteter Lieferung, weil kein Vertrag geschlossen worden sei und die Klägerin deshalb auch nicht auf vertraglichen Schadensersatz haften könne. 157 In G. Percy Trentham Ltd. v. Archital Luxfer Ltd. 158 nahm Steyn L.J. dagegen in einer ähnlichen Situation den konkludenten Abschluss eines Vertrages an. Keine Vergütung wurde dagegen in Regalian Properties plc. v. London Docklands Development Corporation 159 gewährt. Hier bewarb sich die Klägerin darum, Grundstücke in Wapping in den ehemaligen Docklands zu entwickeln. Sie erhielt auch von der Beklagten, der zuständigen Behörde, den Zuschlag, allerdings nur "subject to contract". Die von der Klägerin vorgelegten Pläne gefielen der Behörde nicht; sie überredete die Klägerin, ein Architektenbüro mit der Planung zu beauftragen, wodurch der Klägerin erhebliche Kosten entstanden. Der Abschluss des förmlichen Vertrages verzögerte sich, weil es der Behörde nicht gelang, die erforderlichen Räumungen durchzuführen. Ab 1988 fielen dann die Grundstückspreise in London, woraufhin die Klägerin das Interesse an dem Projekt verlor. Rattee J. betonte, dass der Zuschlag an die Klägerin ausdrücklich unter dem Vorbehalt späteren Vertragsabschlusses gestanden und die Klägerin deshalb gewusst habe, worauf sie sich einließ; außerdem sei der Behörde kein Vorteil entstanden, da eine Bebauung des Grundstücks ab 1988 wirtschaftlich uninteressant geworden sei und daher auch niemand von den Planungen der Klägerin habe profitieren können. 160 Wohl die neueste Entscheidung, die sich mit der Frage befasst, ist das Urteil der Queen's Bench Division, Technology & Construction Court, im Fall Hellmuth, Obata + Kassabaum Incorporated v. King. 161 Die Klägerin, ein amerikanisches Architektenbüro, hatte Pläne für ein neues Sportstadion in Hannover erarbeitet. Die Beklagten hatten als Geschäftsführer einer deutschen Vor-GmbH, die das Stadion bauen sollte, einen letter of intent unterzeichnet, der ausdrücklich als "subject to contract" bezeichnet worden war. Noch bevor die GmbH ins Handelsregister eingetragen und ein förmlicher Vertrag mit der Klägerin geschlossen wurde, scheiterte das Projekt aufgrund fehlender Finanzierung. Der Richter, Colin Reese Q.C., stellte fest, dass 157 Kritisch McMeel, S. 208. Vgl. ferner Tettenbom, Rn. 7-53, der eine Lösung über change 01 position vorschlägt. 158 [1993] 1 Lloyd's Rep. 25 (C.A.). 159 [1995] 1 WLR. 212. 160 Vgl. hierzu Mannolini, (1996) 59 M.L.R. 111, sowie McMeel, S. 211-214, der die Entscheidung kritisiert. 161 [2000] EWHC Technology 64. Gegenstand der Entscheidung war allerdings nur die Vorfrage, ob den Beklagten eine persönliche Haftung treffen könne.
C. Leistungen in Erwartung eines Vertragsschlusses
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,,[w]hen work is done or services are performed whilst contractual negotiations are ongoing, there is no hard and Jast answer to the question whether payment can properly be claimed Jor that work or those services".162 Vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalles an: Die Leistungen können "on a gratuitous or speculative basis" erbracht sein, so dass keine Vergütung erwartet werde, falls die Vertragsverhandlungen scheitern, es mag aber auch ein "express interim agreement covering payment Jor the work or services" existieren oder sich der Schluss aufdrängen "that a reasonable remuneration should be paid Jor the work or services". Im vorliegenden Fall sei aber offensichtlich gewesen, dass die Klägerin ihre bereits sehr detaillierten Planungsleistungen nicht unentgeltlich oder in spekulativer Absicht habe erbringen wollen. 163 Eine zusätzliche Schwierigkeit ergab sich daraus, dass die Klägerin ihren Vergütungsanspruch alternativ auf Vertrag und auf Bereicherungsrecht stützte, s. 36C Companies Act 1985 die Haftung der für eine Vorgesellschaft Handelnden aber auf Fälle beschränkt, wo "a contract [... ] purports to be made by or on behalf oJ a company at a time when the company has not been Jormed". Der Richter war aber - insbesondere im Hinblick auf den weiteren Wortlaut von Art. 7 der Ersten Gesellschaftsrichtlinie, den diese Bestimmung umsetzen soll - der Auffassung, dass "iJ a claim Jor remuneration can succeed on the basis oJ an inJerred agreement that a reasonable remuneration should be paid, that would be a sufficiently contractual type oJ claim (even iJ commonly ca lied ,quasi-contractual') to Jall within the term contract as used in Section 36C" .164 11. Deutsches Recht
Auch im deutschen Recht sind die hier vorhandenen Probleme bekannt, wobei das Institut der culpa in contrahendo, das seit langem richterrechtlieh anerkannt ist und nunmehr durch § 311 11 Nr. 1,2 i.V.m. § 241 11 BGB sogar eine Verankerung im Gesetzestext erhält, natürlich einen relativ 162 Hellmuth, Obata + Kassabaum Incorporated v. King, Abschnitt 79 der Urteilsbegründung. 163 Vgl. ferner Nicholas Strauss Q.C. in Countrywide Communications Ltd. v. ICL Pathway Ltd. (soeben Fn. 151), dessen Ansicht nach dabei zu berücksichtigen ist, (I) ob "the services were of a kind which would nonnally be given free of charge"; (2) "the extent of the risk (if any) which the plaintiffs may fairly be said to have taken that such services would in the end be unrecompensed", etwa wenn der Vertrag ausdrücklich als "subject to contract" bezeichnet werde oder umgekehrt die andere Seite den Abschluss eines Vertrages in Aussicht stelle; (3) ob dem Beklagten ein handfester wirtschaftlicher Vorteil entstanden sei; und (4) die Frage eines Vertretenmüssens. Das Gewicht der einzelnen Faktoren könne je nach Einzelfall variieren. 164 Hellmuth, Obata + Kassabaum Incorporated v. King, Abschnitt 82 der Urteilsbegründung.
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
leichten Zugang zu einem Großteil der auftretenden Probleme gewährt. Soweit keiner Partei ein Verschulden anzulasten ist, können das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag und das Bereicherungsrecht in breiterem Umfang eine außervertragliche Rückabwicklung von Leistungen ermöglichen, als dies in England der Fall ist. Freilich muss auch insoweit die Interessenlage der Parteien sehr genau beachtet werden. Ein Beispiel bietet das Bauvertragsrecht, wo sich häufig das Problem der Vergütung von Vorarbeiten - etwa der Erstellung von Leistungsverzeichnissen, Massenberechnungen, Kostenvoranschlägen, Plänen, Modellen und dergleichen - stellt, und dies namentlich dann, wenn der Auftrag für das entsprechende Gewerk an einen anderen Anbieter vergeben wird. 165 Hier kann grundsätzlich nur dann ein Vergütungsanspruch geltend gemacht werden, wenn die Parteien die entsprechenden Vorarbeiten tatsächlich zum Gegenstand eines separaten, auf beiden Seiten verpflichtenden Vertrages machen wollten. Dies ist aber regelmäßig nicht anzunehmen, was der BGH mit Erwägungen der Risikoverteilung begründet hat: Nur der Anbieter könne beurteilen, ob sich der Aufwand für die Angebotsabgabe angesichts des Risikos seiner Beteiligung an dem ausgeschriebenen Wettbewerb lohne; notfalls könne er immer noch versuchen, den Auftraggeber zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zu bewegen. Umgekehrt würde eine öffentliche Ausschreibung den Auftraggeber in unabsehbare Kosten stürzen, was eine derartige Form der Angebotsvergabe wirtschaftlich unzumutbar machen würde; denn für den Auftraggeber ist vorher nicht abzusehen, wie viele Mitbewerber sich an der Ausschreibung beteiligen und welchen Umfang ihre Vorarbeiten annehmen werden. 166 Anders kann die Situation natürlich liegen, wenn sich der Auftraggeber nicht an seine eigenen Ausschreibungsbedingungen hält oder in anderer Weise den Anbieter hintergeht, so dass dieser seine Chancen nicht mehr korrekt beurteilen kann. 167 111. Einheitsrechte
In den Einheitsrechten wird die Frage von Leistungen auf später abzuschließende Verträge, die dann nicht zustande kommen, nicht ausdrücklich behandelt. Im CISG ist ausdrücklich davon abgesehen worden, eine allgeVgl. zur Problematik WemeriPastor, Rn. 1105-1112. BOR NJW 1979, 2202. Bestimmungen in AOB, nach denen für Kostenvoranschläge, die nicht zu einem Auftragsverhältnis führen, eine Bearbeitungsgebühr zu zahlen ist, sind deshalb - soweit nicht im Einzelfall branchenüblich - nach § 9 AOBO (jetzt § 307 BOB-neu) unwirksam, vgl. BOR NJW 1982, 765. Vgl. ferner § 20 VOB/A. 167 Vgl. zur Kasuistik PalandtlHeinrichs, § 276 Rn. 76 f. m. w. N.; dort auch zur Regelung in § 126 OWB, die enttäuschten Anbietern u. U. einen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses zubilligt. 165
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D. Willensmängel und Leistungsstörungen
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meine culpa-in-contrahendo-Haftung einzuführen, so dass insoweit auf unvereinheitlichtes nationales Recht zurückzugreifen ist. 168 Allerdings muss dabei beachtet werden, dass der Rückgriff auf nationale Regelungen nicht die im CISG kodifizierten Wertungen zur Abschlussfreiheit unterlaufen darf. 169 Dagegen enthalten die Prinzipien-Texte zumindest einzelne ausdrückliche Regelungen, die diese Frage betreffen. Die Unidroit Principles erlegen in Art. 2.15(2) einer Partei, die "in bösem Glauben verhandelt oder Verhandlungen abbricht", die Haftung "für die Schäden, die der anderen Partei daraus entstanden sind", auf; böser Glaube soll insbesondere dann vorliegen, wenn "eine Partei in der Absicht in Verhandlungen eintritt oder diese fortsetzt, keine Vereinbarung mit der anderen Partei zu erreichen" (Art. 2.15(3)). Dem haben sich die Principles of European Contract Law in Art. 2:301(2), (3) fast wörtlich angeschlossenYo Im Regelfall dürften diese Vorschriften allerdings ohnehin unanwendbar bleiben, wenn gar kein Vertrag zustande kommt und damit auch die Anwendung der Prinzipien-Texte nicht vereinbart wird. 171 In diesem Fall bleibt nur der Rückgriff auf nationale Rechte.
D. Willensmängel und Leistungsstörungen Nachdem in den vorigen Abschnitten verschiedene Fälle von Störungen angesprochen worden sind, die das Zustandekommen eines rechtlich durchsetzbaren Vertrages von vornherein verhindern - sei es, dass von außen kommende Hindernisse der Durchsetzbarkeit entgegenstehen oder dass die Parteien von ihrer ursprünglichen Absicht einer gemeinsamen vertraglichen Planung abkommen, bevor diese endgültig bindend fixiert worden ist -, sollen im Folgenden Gründe des Scheiterns behandelt werden, die eher die Ausführung des Vertrages betreffen. Die Einordnung auch der Willensmängel in diesen Abschnitt ist, wie schon angesprochen worden ist, zwar wenig systematisch, da auch Willensmängel den Vertragsschluss verhindern; sie Schlechtriem, CISG-Kommentar, Vor Artt. 14-24 Rn. 6. Vgl. Schlechtriem, CISG-Kommentar, Vor Artt. 14-24 Rn. 6 Fn. 48. 170 Die Unidroit Principles sprechen von Verhalten "in bösem Glauben" (in bad faith), die Principles of European Contract Law dagegen von Verhalten "entgegen den Geboten von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs" (contrary to good faith and fair dealing). Ein sachlicher Unterschied könnte sich allenfalls daraus ergeben, dass nach den Principles of European Contract Law ein solcher Verstoß schon anzunehmen ist, wenn "no real intention"zu einem Vertragsschluss besteht, während die Unidroit Principles von "intending not to reach an agreement" sprechen; insbesondere könnte damit eine abweichende Beweislastverteilung intendiert sein. 171 Etwas naiv insoweit PECL Autorenkommentar Art. 2:301 F ("i! the claim arises out of the contract the Principles should apply"). 168
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
drängt sich jedoch aus pragmatischen Gründen auf, weil sich behauptete Willensmängel regelmäßig darauf beziehen, dass die Abwicklung des Vertrages nicht so ausgefallen ist, wie sich zumindest eine Partei sie vorgestellt hat. Die Nähe zu den Leistungsstörungen liegt auf der Hand. I. Täuschung Dass Verträge, deren Abschluss durch Täuschung erreicht worden ist, die getäuschte Partei nicht binden können, dürfte zu den gemeinsamen Überzeugungen aller Vertragsrechte gehören. Wie schon in der Einleitung erwähnt, ergibt sich dies auch unmittelbar aus der Funktion des Vertrages als Planungsinstrument. 172 Freilich kann die Abgrenzung zwischen Betrug und Geschäftstüchtigkeit einer Seite in EinzeWillen Schwierigkeiten bereiten. Während sich leicht Einigkeit darüber erzielen lässt, dass ein aktives Belügen der anderen Partei inakzeptabel ist, hat die wesentlich schwierigere Frage, wann ein bloßes Schweigen Betrug darstellt, inwieweit eine Partei also verpflichtet ist, die andere aktiv über Umstände aufzuklären, die für den Vertragsabschluss relevant sein könnten, Juristen und Philosophen schon seit der Antike beschäftigt. 173 Wo der Vertrag bereits teilweise ausgeführt worden ist und nicht mehr die Möglichkeit besteht, die Parteien in den status quo ante zurückzuversetzen, stellt sich zudem die Frage, inwieweit es gerechtfertigt sein kann, dem Betrüger einen vollständigen Ausgleich zu verweigern, um den Betrogenen zu schützen. 1. Englisches Recht
Aussagen über die Beschaffenheit des Vertrags gegenstandes können selbst Vertragsbestandteil werden, in englischer Terminologie also condition oder warranty;174 erweist sich eine solche Zusicherung als unzutreffend, dann liegt eine Leistungsstörung vor, die die übliche Haftung nach sich zieht. Es mag aber auch sein, dass eine Aussage über den Vertragsgegenstand kein Vertragsbestandteil geworden, aber dennoch geeignet gewesen ist, einen vernünftig denkenden Vertragspartner an ihre Wahrheit glauben zu lassen und ihn so zum Vertragsschluss zu bewegen. Derartige Aussagen werden im englischen Recht als representation bezeichnet. Sie sind wieVgl. oben Teil 1 A.II.2.c). Vgl. etwa Cicero, 3.50-53, wo unter anderem die Frage diskutiert wird, ob ein Händler, der eine große Ladung Getreide von Alexandria nach Rhodos bringt, wo eine Hungersnot herrscht, den Käufern verraten muss, dass auch noch weitere Schiffe mit Getreidelieferungen unterwegs sind und demnächst ankommen werden. Diogenes von Babylon habe dies verneint, sein Schüler Antipater dagegen bejaht. 174 Vgl. oben Teil 2 A.1.2.c)(4). 172
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D. Willensmängel und Leistungsstörungen
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derum zu unterscheiden von bloßen Anpreisungen ("mere puffs"), die für das Vertragsrecht völlig belanglos sind und von vornherein keine Haftung begründen, weil sie zum einen vom Verkehr nicht sonderlich ernst genommen werden und zum anderen auch regelmäßig Werturteile zum Inhalt haben, die einem Beweis gar nicht zugänglich sind. 175 Bloße Meinungsäußerungen begründen nur dann eine Haftung, wenn sie arglistig erfolgen, weil sie nur in diesem Fall eine Täuschung über eine Tatsache - nämlich darüber, dass der Täuschende wirklich der geäußerten Meinung sei - mit sich bringen. 176 Absichtserklärungen stellen dagegen Behauptungen über (innere) Tatsachen dar. l77 Bloßes Schweigen wiederum ist keine representation. 178 Eine Pflicht zur Aufklärung über vertragsrelevante Umstände wird lediglich für bestimmte Vertragstypen angenommen, die als contracts uberrimae fidei bezeichnet werden; dazu gehören vor allem Versicherungsverträge. Die Abgrenzung zwischen Zusicherungen über die Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes, die Bestandteil des Vertrages geworden sind, und bloßen representations ist im englischen Recht relativ jung und wurde wohl vorwiegend aus prozessrechtlichen Gründen eingeführt. 179 Verbunden mit einer Rechtsprechung des House of Lords, die allgemein dahingehend ver175 Wie Goode, Commercial Law, S. 85 Fn. 63, feststellt, kann man über die Einordnung mancher Fälle allerdings streiten. Ein von Goode angeführtes Beispiel ist Dimmock v. Hallett (1866) L.R. 2 Ch.App. 21, wo der Verkäufer eines als unbrauchbar aufgegebenen Stückes Ödland dieses als "very fertile and improvabZe" bezeichnet hatte; das Gericht verneinte eine Haftung, weil es sich dabei um eine bloße Anpreisung gehandelt habe. Goode hält es für unwahrscheinlich, dass dieser Fall heute noch so entschieden würde, da die Gerichte inzwischen einer "robust philosophy of caveat emptor" skeptischer gegenüberständen. 176 Vgl. Bisset v. Wilkinson [1927] A.C. 177 (P.C.) (Aussage, dass ein bestimmtes Stück Land in Neuseeland zweitausend Schafe ernähren werde, obwohl dort praktisch noch keine Schafzucht stattgefunden hatte). 177 Vgl. Edgington v. Fitzmaurice (1885) L.R. 29 Ch.D. 459 (C.A.) (Aussage in einem Prospekt für Schuldverschreibungen, dass die Erträge für neue Investitionen des Unternehmens verwendet werden sollten, obwohl die Geschäftsführer in Wirklichkeit die Absicht hatten, damit existierende Schulden abzubezahlen). 178 Vgl. Turner v. Green [1895] 2 Ch. 205, wo der Anwalt des Klägers für seinen Mandanten einen Vergleich abschloss, ohne zu enthüllen, dass eine für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsame Vorentscheidung soeben zuungunsten des Klägers ausgegangen war. Der Vertrag war wirksam, weil der Anwalt lediglich die Unkenntnis der Gegenseite von der Entscheidung ausgenutzt, aber selbst nichts zur Aufrechterhaltung des Irrtums beigetragen hatte. 179 Goode, Commercial Law, S. 86 f., führt sie auf den Fall HeiZbut, Symons & Co. v. BuckZeton [1913] A.c. 30 und die sogenannte parol evidence ruZe zurück. Nach dieser Regel durfte eine in einer Vertragsurkunde niedergelegte Vereinbarung grundsätzlich nur aus sich heraus ausgelegt werden; eine Beweiserhebung über die Absichten, die die Parteien dabei verfolgt haben, ist unzulässig. Ob diese Regel in England heute noch gilt, ist umstritten; in der Praxis spielt sie jedenfalls aufgrund
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standen wurde, dass Voraussetzung einer deliktischen Haftung für unzutreffende Tatsachenbehauptungen der Nachweis von Arglist sei,180 brachte diese Abgrenzung den Nachteil mit sich, dass fahrlässig falsche Aussagen, die für den Vertragswillen der anderen Seite von Bedeutung waren, keine Schadensersatzhaftung begründeten, sondern nur zur rückwirkenden Vertragsaufhebung berechtigten, was die Gerichte wiederum zur Abhilfe in Form einer Ausdehnung der vertraglichen Haftung, etwa durch Annahme so genannter collateral warranties, veranlasste. 181 Umgekehrt war die Anfechtung eines durch Täuschung zustande gekommenen Vertrages nicht möglich, wo die Zusicherung Vertragsbestandteil geworden oder der Vertrag bereits vollständig ausgeführt worden war. 182 Diese Problematik ist jedoch durch den Erlass des Misrepresentation Act 1967 wesentlich entschärft worden. Gemäß s. 2(1) des Gesetzes besteht jetzt in allen Fällen der misrepresentation Anspruch auf Schadensersatz, es sei denn, der Beklagte weist nach "that he had reasonable grounds to believe and did believe up to the time the contract was made that the facts represented were true".183 Bei einer unzutreffenden Aussage wird also Arglist sozusagen fingiert. 184 Diese Schadensersatzhaftung wird in der englischen Literatur als quasi-deliktisch eingestuft,185 wobei allerdings Zweifel zahlreicher Ausnahmen keine Rolle mehr. Vgl. Goode, Commercial Law, S. 96-98 m.w.N. 180 Vgl. Derry v. Peek (1889) 14 App. Cas. 337, wo die Geschäftsführer einer Straßenbahngesellschaft in einem Wertpapierprospekt behaupteten, sie seien befugt, ihre Straßenbahnen mit Dampf anzutreiben; tatsächlich fehlte ihnen dazu eine behördliche Genehmigung, deren Erteilung die Geschäftsführer jedoch irrtümlich für eine bloße Formalität hielten. Als die Genehmigung versagt wurde, führte dies zur Liquidation der Gesellschaft. Das House of Lords lehnte eine Haftung ab, weil keine Arglist vorgelegen habe; hierfür wurde der Nachweis verlangt, dass der Äußernde nicht an die Wahrheit seiner Äußerung glaubte beziehungsweise die Unwahrheit kannte oder dass ihm die Wahrheit gleichgültig war. Diese Einschränkung der Haftung wurde weithin kritisiert (vgl. Brown/Chandler, [1992] L.M.C.L.Q. 43-45). 181 Vgl. dazu Goode, Commercial Law, S. 87. 182 Vgl. hierzu etwa Angel v. Jay [1911] 1 K.B. 666; Seddon v. North Eastem Salt Co. Ltd. [1905] 1 Ch. 326. 183 Unscharf deshalb Schwartze, S. 57: Für den Schadensersatzanspruch nach s. 2(1) Misrepresentation Act 1967 werde "zumindest Verschulden vorausgesetzt". Zumindest im Hinblick auf England erscheint Schwanzes apodiktische Aussage, die "Regelungen über die arglistige Täuschung" erweiterten "die Rechte des Käufers wegen der Lieferung einer mangelhaften Sache nur unwesentlich" (S. 55, Hervorhebungen im Original), nicht ganz zweifelsfrei. 184 Vgl. allerdings Brown/Chandler, [1992] L.M.C.L.Q. 50, deren Ansicht nach die Erwähnung von fraud in s. 2(1) "was intended to be purely by way of explanation and analogy"; der Gesetzgeber könne nicht beabsichtigt haben "to attach the moral opprobrium of deceit to negligent misrepresentation". 185 Vgl. etwa Goode, Commercial Law, S. 71 Fn. 5.
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im Hinblick auf die Kriterien, die bei der Bemessung des Schadensersatzes anzuwenden sind, bestehen. 186 Schon seit das House of Lords in der berühmt gewordenen Entscheidung Hedley Byrne & Co. Ltd. v. Heller & Partners Ltd. 187 wenige Jahre vor Erlass des Misrepresentation Act 1967 eine deliktische Haftung auf Ersatz von wirtschaftlichen Nachteilen, die durch fahrlässige Falschinformation hervorgerufen werden, anerkannte, hätten Ansprüche allerdings auch auf diese Grundlage gestützt werden können. Die vom House of Lords aufgestellte Voraussetzung einer hinreichend engen Beziehung zwischen den Parteien liegt beim Abschluss von Verträgen regelmäßig vor. Allerdings ist es einfacher, die Voraussetzungen von s. 2(1) Misrepresentation Act 1967 darzutun, so dass für Klagen auf der Grundlage von negligence wenig Anlass besteht. 188 Auch der Vorrang der vertraglichen Haftung vor der Anfechtung und der Ausschluss von Rechten wegen misrepresentation bei vollständiger Ausführung des Vertrages sind durch den Misrepresentation Act 1967 beseitigt worden. 189 Soweit es um die Möglichkeit einer Anfechtung wegen misrepresentation geht, kommt es auf ein Verschulden des Anfechtungsgegners dagegen grundsätzlich nicht an. Auch für Bemühungen, eine irrtümliche Falschangabe richtig zu stellen, trägt der Erklärende das Risiko. In Torrance v. Bolton 190 war die Versteigerung eines Grundstücks mit der falschen Angabe angezeigt worden, das Grundstück sei unbelastet. Während der Versteigerung wurde zwar ausdrücklich auf die Belastung hingewiesen; dem Käufer entging dies jedoch, weil er schwerhörig war. Der Kaufvertrag konnte angefochten werden. Sogar die Gefahr, dass eine ursprünglich zutreffende Aussage aufgrund zwischenzeitlicher Veränderungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr der Realität entspricht, geht zu Lasten des Erklärenden. 191 Allerdings kann das Gericht inzwischen bei einer nicht arglistigen Täuschung die Anfechtung für unwirksam erklären und den Getäuschten stattdessen auf die Geltendmachung von Schadensersatz verweisen (s. 2(2) Misrepresentation Act 1967).192 Ausführlich dazu Brown/Chandler, [1992] L.M.C.L.Q. 53-70. [1964] A.c. 465. 188 Vgl. Brown/Chandler, [1992] L.M.C.L.Q. 40. 189 Vgl. s. l(a) und l(b) Misrepresentation Act 1967. 190 (1872) L.R. 8 Ch.App. 118. 191 Vgl. With v. O'Flanagan [1936] Ch. 575 (C.A.), wo eine ursprünglich wahrheitsgemäße Angabe über den Umsatz einer Arztpraxis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wegen einer längeren Erkrankung des Verkäufers nicht mehr zutraf, der Käufer darüber aber nicht aufgeklärt worden war. 192 Für die Entscheidung ist darauf abzustellen, ob "it would be equitable to do so, having regard to the nature 0/ the misrepresentation and the loss that would be caused by it if the contract were upheld, as weil as to the loss that rescission would cause to the other party". 186 187
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Die Anfechtung erfolgt nach nahezu einhelliger Auffassung durch einseitige Parteierklärung. 193 Sie kommt allerdings - wie bereits mehrfach erwähnt - grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Anfechtende Leistungen, die er von der anderen Seite empfangen hat, zurückgewähren kann: 194 ,,[ ... ] if a plaintiff who has been defrauded seeks to have the contract annulled and his money or property returned to him, it would be inequitable if he did not also return what he had got under the contract from the defendant. Though the defendant has been fraudulent, he must not be robbed, nor must the plaintiff be unjustly enriched, as he would be if he both got back what he had parted with and kept what he had received in return. ,,195 Eine Wertersatzlösung, wie sie in der moderneren Literatur häufig vorgeschlagen wird,196 wird von der Rechtsprechung bislang abgelehnt, wobei traditionell auf die Schwierigkeiten einer Bewertung hingewiesen wurde. Allerdings haben insbesondere die equity-Gerichte den Rückabwicklungsausschluss nie besonders strikt gehandhabt, und zwar um so weniger, je verwerflicher das Verhalten des Täuschenden war. 197 So wurde keine vollständige Rückabwicklung in natura gefordert; solange der Anfechtende überwiegend zur Rückgewähr in der Lage war, konnte er etwa fehlende Teile der Leistung durch Geldersatz ausgleichen. 198 Jedoch kommt es des öfteren zu Unsicherheiten, was die Grenzen dieser Möglichkeit angeht: So wurde der klagenden Bank in dem - sogleich noch näher zu behandelnden - Fall Smith New Court Securities Ltd. v. Scrimgeour Vickers (Asset Management) Ltd. vom Court of Appeal die Anfechtung verweigert, weil sie die empfangenen Aktien verkauft hatte; 199 in der Revisionsinstanz akzeptierte die Bank diesen Rechtsstandpunkt und verfolgte ihren Schadensersatzanspruch weiter, 193 Vgl. aber oben Teil 2 A.1.2.c)(2), Fn. 47. Wo der Anfechtungsgegner aus Gründen, die in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegen, nicht erreicht werden kann (etwa weil er spurlos verschwunden ist), verzichtet die Rechtsprechung sogar auf den Zugang der Anfechtungserklärung, vgl. Car and Universal Finance Co. Ltd. v. Caldwell [1965] 1 Q.B. 525. Kritisch aus Gründen des Verkehrsschutzes Goff/ Jones, S. 280, sowie Comish. (1964) 27 M.L.R. 472. 194 Vgl. schon oben Teil 2 A.1.2.c)(2). 195 Lord Wright in Spence v. Crawford [1939] 3 All E.R. 288 f. 196 Vgl. Burrows, Law of Restitution, S. 134 und 192; McKendrick, Total Failure of Consideration, S. 232 f., sowie Virgo, S. 34. 197 Zu den Einzelheiten vgl. Schlechtriem. Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 351-355. 198 Vgl. etwa Erlanger v. New Sombrero Phosphate Co. (1878) 3 App. Cas. 1218. 199 [1994] 1 W.L.R. 1280 per Nourse LJ.: Es sei eine "necessary condition" für die Anfechtung, dass "the plaintiff should be able to make substantial restitution in specie of the property wh ich he has received"; im Falle von vertretbaren Vermögensgegenständen wie Aktien sei die Regel, die die Anfechtung sperre, "a hard one", der nicht jede Rechtsordnung folge.
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musste aber vom House of Lords erfahren, dass "if the current law in fact provides (as the Court of Appeal thought) that there is no right to rescind the contract [... ] once the specijic shares purchased have been sold, the law will need to be closely looked at hereajter"?OO Ob der Umstand, dass ein Dritter mittlerweile gutgläubig Eigentum an einer aufgrund des anfechtbaren Vertrages übereigneten Sache erworben hat, die Anfechtung ausschließt, ist ebenfalls unklar. 201 Das Anfechtungsrecht kann auch durch Zeitablauf verloren gehen. In Oscar Chess Ltd. v. Williams 202 wurde ein Gebrauchtwagen verkauft, dessen Erstzulassung im Jahre 1948 stattgefunden hatte. Weil der Verkäufer nur dieses Datum kannte, gab er an, dass es sich um ein Modell aus dem Jahre 1948 handele. Als sich die Käuferin ein halbes Jahr später bei dem Autohersteller erkundigte, stellte sich heraus, dass das Auto tatsächlich schon 1939 gebaut worden und deshalb erheblich weniger wert war. Die Mehrheit des Court of Appeal ging davon aus, dass das Herstellungsjahr 1948 nicht Vertragsbestandteil geworden sei, dass die Käuferin den Vertrag jedoch hätte anfechten können, wenn sie rechtzeitig gehandelt hätte. Auch in Leaf v. International Galleries, 203 wo fälschlicherweise angegeben worden war, dass das verkaufte Gemälde von Constable stamme, und der Käufer den Irrtum erst fünf Jahre später beim Versuch, seinerseits das Gemälde zu verkaufen, entdeckte, wurde die Anfechtung verweigert. Denning L.J. begründete dies mit einem Erst-Recht-Schluss: Wenn schon das Recht zur Vertragsaufhebung wegen einer wesentlichen Leistungsstörung nach s. 35 Sale of Goods Act nach Ablauf einer "reasonable time" verloren gehe,204 dann müsse dies um so mehr für das schwächere Anfechtungsrecht wegen innocent misrepresentation gelten. Angesichts der Einschränkungen, denen das Anfechtungsrecht unterliegt, verwundert es nicht, dass die Frage, inwieweit eine Gegenleistung des Täuschenden zu berücksichtigen ist, die Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang mit der Bemessung des Schadensersatzanspruches beschäftigt hat. Die entschiedenen Fälle betreffen typischerweise den Verkauf von Unternehmen oder von Beteiligungen daran, wobei sich die Gerichte die Frage der Risikoverteilung meist unter dem Aspekt des Zeitpunktes, der für die
Lord Browne-Wilkinson, [1996] 3 W.L.R. 1056. Virgo. S. 34, nimmt dies an, ohne Belege zu nennen, kritisiert diese angebliche Rechtsfolge jedoch selbst. Vgl. näher Schlechtriem. Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 349. Dass der gutgläubige Dritte geschützt wird, ist allerdings unstreitig; vgl. dazu bereits oben unter Teil 2 A.I.2.b)(2). 202 [1957] 1 W.L.R. 370. 203 [1950] 2 K.B. 86. 204 Vgl. dazu schon oben bei Teil 2 A.I.2.c)(4), Fn. 107. 200
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Bewertung des vom Getäuschten erlittenen Differenzschadens maßgeblich ist, gestellt haben. 2os Smith New Court Securities Ltd. v. Scrimgeour Vickers (Asset Management) Ltd. 206 ist die jüngste Entscheidung, in der sich das House of Lords mit dieser Problematik befassen musste. In diesem - bereits erwähnten Fall war der Käuferin eines größeren Aktienpakets arglistig vorgespiegelt worden, dass die Aktien sich als langfristige Investition eigneten und dass (bei einem Börsenkurs von 78 p) andere Interessenten bis zu 81 p geboten hätten; die Käuferin erklärte sich deshalb bereit, einen Preis von 82 p pro Aktie zu zahlen. Ohne dass den Parteien dies bekannt war, war der Börsenkurs selbst durch betrügerische Machenschaften eines Dritten künstlich in die Höhe getrieben worden; nachdem der Betrug aufgedeckt wurde, konnte die Käuferin beim Weiterverkauf nur noch 30-49 p je Aktie erzielen. Das House of Lords entschied sich einstimmig, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, dazu, den nachträglichen Wertverlust der Verkäuferin aufzuerlegen. 207 Entscheidend dabei war die Überlegung, dass der spätere Wertverlust zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits im Keim angelegt war, weil der Betrug des Dritten irgendwann einmal herauskommen musste, und dass sich die Käuferin auf ein langfristiges Halten des Aktienpakets eingestellt hatte. 2os Im Normalfall soll jedoch der Marktwert des Vertragsgegenstandes zum Zeitpunkt des Erwerbs entscheidend sein, wobei sich freilich die Ausnahmen von dieser Grundregel nicht erschöpfend wiedergeben lassen,z°9 Dabei stellte das House of Lords auch klar, dass auch der SchadensVgl. Halson, [1997] L.M.CLQ. 425. [1997] A.C. 254, [1996] 3 WLR. 1051 (HL). 207 Vgl. Halson, [1997] L.M.CLQ. 428, der hervorhebt, Lord Browne-Wilkinson habe eher auf die Notwendigkeit abgestellt, den vollen Schaden des Getäuschten auszugleichen, während Lord Steyn offen auf den rechtspolitischen Zweck einer Bestrafung des arglistig Täuschenden hingewiesen habe; Halson hält die letztgenannte Position für vorzugswürdig. Auch Payne, [1997] C.LJ. 19, begrüßt, dass einem arglistig, also nicht bloß fahrlässig handelnden Verkäufer das "risk 01 a catastrophic event, such as a third party lraud", auferlegt werde, und entnimmt der Entscheidung des House of Lords, dass "fraudulent delendants will take the risk 01 all inherent delects in the property which they lraudulently induce a plaintiff to purchase, subject to the uncenain protection 01 two limiting lactors: causation and mitigation". 208 Vgl. demgegenüber etwa William Sindall Plc v. Cambridgeshire County Council [1994] 1 W.L.R. 1016, wo der Käufer eines Grundstücks dem Kaufvertragder infolge eines allgemeinen Zusammenbruchs der Grundstückspreise unattraktiv geworden war - mit der Begründung entkommen wollte, dass ihm die Existenz einer Abwasserleitung unter dem Grundstück verschwiegen worden war. Der Court of Appeal verneinte misrepresentation, betonte aber, dass in diesem Fall ohnedies gemäß s. 2(2) Misrepresentation Act 1967 eine Anfechtung verweigert worden wäre. 209 Vgl. Lord Browne-Wilkinson in Smith New Court Securities Ltd. v. Scrimgeour Vickers (Asset Management) Ltd. [1996] 3 W.L.R. 1061. 205
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ersatzanspruch für deceit - der in jedem Fall, auch bei einer Unmöglichkeit der Rückgabe empfangener Leistungen in Natur, zur Verfügung steht - die Rückabwicklung des Vertrages bezweckt. Wie Lord Browne-Wilkinson betonte, ist der Geschädigte berechtigt "to recover by way oJ darnages the Juli price paid by hirn, but he rnust give credit Jor any benefits which he has received as a result oJ the transaction"; auf eine Vorhersehbarkeit des Schadens kommt es nicht an, lediglich auf die Kausalität zwischen täuschungsbedingt abgeschlossenem Geschäft und dem Schaden?lO Jedoch ist es irrelevant, ob der Geschädigte möglicherweise auch ohne die Täuschung einen Verlust gemacht hätte; eine solche hypothetische Ersatzkausalität vermag den Täuschenden nicht zu entlasten?!! Andererseits ist es aber auch nicht nötig, dass das aufgrund der Täuschung abgeschlossene Geschäft für den Getäuschten einen Verlust gebracht hat; es genügt, wenn er dadurch weniger Gewinn gemacht hat, als er ohne die Täuschung gemacht hätte. 2!2 Ein Mitverschulden des Geschädigten spielt keine Rolle. Dass es die Anfechtung nicht ausschließt, wenn es dem Getäuschten möglich gewesen wäre, die Wahrheit herauszufinden, steht schon seit langem fest, und zwar auch dann, wenn dem Täuschenden keine Arglist vorzuwerfen ist. 213 In Standard Charte red Bank v. Pakistan National Shipping Corporation 2 !4 hatte die beklagte Reederei ein zurückdatiertes Konnossement ausgestellt, das der klagenden Bank im Rahmen eines Dokumentenakkreditivs vorgelegt wurde. Die Bank zahlte, wobei sie allerdings übersah, dass andere gleichzeitig vorgelegte Dokumente nicht mit den Anforderungen des Akkreditivs übereinstimmten, sie also nicht hätte zahlen müssen und dürfen. Die Reederei berief sich deshalb auf Mitverschulden der Bank. Die Mehrheit des Court of Appeal (Aldous und Ward L.JJ.) entschied, dass zumindest bei Arglist des Täuschenden ein Mitverschulden des Getäuschten keine Rolle 210 Vgl. auch [1996] 3 W.L.R. 1074, wo Lord Steyn ausdrücklich die Abgrenzung zum auf den "positive interest in the bargain" gerichteten Schadensersatzanspruch bei Vertragsverletzung zieht. 211 [1997] A.C. 283 f., Lord Steyn, entgegen der von Hobhouse L.I. in Downs v. Chappell [1997] 1 W.L.R. 444 vertretenen Auffassung. 212 So jedenfalls der Court of Appeal in Cle! Aquitaine S.A.R.L. v. Laporte Materials (Barrow) Ltd. [2000] 3 W.L.R. 1760. In diesem Fall hatte die Klägerin für die Beklagte den Vertrieb von Bauprodukten in Frankreich übernommen. Bei den Vertragsverhandlungen hatte die Beklagte der Klägerin eine Preisliste vorgelegt und Hilschlich behauptet, dabei handele es sich um Mindestpreise, die sie ihren Kunden berechne; tatsächlich pflegte sie Großkunden erhebliche Rabatte zu gewähren. Die Klägerin konnte das Gericht davon überzeugen, dass sie bei Kenntnis der wahren Vertriebspreise ihrerseits gegenüber der Beklagten niedrigere Preise durchgesetzt hätte. Die Differenz wurde ihr als Schadensersatz zugesprochen. 213 Vgl. Redgrave v. Hurd (1881) L.R. 20 Ch.D. 1 (Täuschung über Umsätze einer Rechtsanwaltskanzlei). 214 [2000] 2 Lloyd's Rep. 511 (C.A.).
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spiele, wobei sich jedenfalls Ward LJ. ausdrücklich auf Abschreckungserwägungen berief. Dagegen wollte Sir Anthony Evans, der sich unter anderem auf Smith New Court Securities Ltd. v. Scrimgeour Vickers (Asset Management) Ltd. 215 stützte, den Getäuschten den Schaden tragen lassen, der durch sein eigenes, vom Glauben an den Wahrheitsgehalt der täuschenden Behauptung unabhängiges Verschulden entstanden ist. Nach Entdeckung der Täuschung trifft den Getäuschten jedoch eine Schadensminderungsobliegenheit. 216 Häufig wird versucht, die Haftung für Falschinformationen abzubedingen. Das kann durch Vertrags bestimmungen geschehen, die einen ausdrücklichen Haftungsausschluss vorsehen, aber auch durch die Klausel, dass die Entscheidung einer Partei zum Vertragsschluss ausschließlich durch bestimmte, im Vertragstext oder einer Anlage dazu aufgeführte Informationen beeinflusst worden sei. In S. Pearson & Son Ltd. v. Dublin Corporation 217 hatte sich das House of Lords mit einem Vertrag zu befassen, in dem eine Klausel vorsah, dass die Beklagte keine Haftung für bestimmte vertragswesentliche Informationen übernehme und dass es Sache des Klägers sei, diese Informationen zu überprüfen. Es entschied, dass die Haftung für arglistige Täuschung durch eine solche Klausel nicht ausgeschlossen werden könne?18 Nach heutigem Recht (s. 3 Misrepresentation Act 1967 in der Fassung aufgrund des Unfair Contract Terms Act 1977) unterliegen derartige Klauseln der Überprüfung anhand des Kriteriums der "reasonableness" gemäß s. 11(1) Unfair Contract Terms Act 1977. Die Entscheidung darüber hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, ob der anderen Partei alles relevante Material zur eigenen Überprüfung und Meinungsbildung zugänglich gemacht worden iSt. 219 Ob eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf fahrlässige oder schuldlose Falschinformationen möglich ist oder nicht, ist von den Gerichten unterschiedlich beurteilt worden?20 [1997] AC. 254 (H.L.). So Smith New Court Securities Ltd. v. Scrimgeour Vickers (Asset Management) Ltd. [1996] 3 W.L.R. 1061. 217 [1907] AC. 351. 218 Nach heutigem Rechtsverständnis ist dieses Ergebnis sogar "beyond doubt", so jedenfalls Brown/Chandler, [1992] L.M.CLQ. 50; anders noch um die Jahrhundertwende, vgl. die Teil 1 AI. zitierte Ansicht von Holmes (Fn. 7). 219 Vgl. obiter Chadwick LJ. in E. A. Grimstead & Son Ltd. v. McGarrigan 27.10.1999, unveröffentlicht, zitiert nach Govemment of Zanzibar v. British Aerospace (Lancaster House) Ltd., [2000] 1 WLR. 2345. Auch die Haftung für negligent representation nach s. 2(1) Misrepresentation Act 1967 kann abbedungen werden; insoweit wird nicht die von der Gesetzesformulierung nahe gelegte Gleichstellung mit fraud vorgenommen, vgl. Brown/Chandler, [1992] L.M.CLQ. 50. 220 Für die Möglichkeit geltungserhaltender Reduktion Judge Raymond lack Q.C. in Govemment of Zanzibar v. British Aerospace (Lancaster House) Ltd. [2000] 1 215
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Dass die Zurechnung von Kenntnis und Täuschungsabsichten innerhalb von größeren Organisationen Schwierigkeiten machen kann, zeigt der allerdings etwas ungewöhnliche Fall Allason v. CampbeU221 , in dem eine Zeitung eine unwahre und ehrenrührige Meldung über den späteren Kläger, einen Politiker und Autor von Kriminalromanen, veröffentlicht hatte. Als sich dieser beschwerte, teilte ihm der Justititar der Zeitung in gutem Glauben mit, es habe sich um einen redaktionellen Irrtum gehandelt. Im Gegenzug gegen den Abdruck einer Richtigstellung erklärte sich der Politiker daraufhin bereit, auf rechtliche Schritte gegen die Zeitung zu verzichten, fand später jedoch heraus, dass der Artikel in Wirklichkeit Teil einer gegen ihn gerichteten Intrige von Journalisten der Zeitung gewesen war. Die Zeitung verteidigte sich gegen die nunmehr erhobene Verleumdungsklage mit dem Argument, der Politiker habe durch einen bindenden Vergleich auf die Geltendmachung von Ansprüchen verzichtet; er könne diesen Vergleich auch nicht wegen Täuschung anfechten, weil er nicht mehr in der Lage sei, die Veröffentlichung des Widerrufs durch die Zeitung rückgängig zu machen und so restitutio in integrum zu leisten. Der Court of Appeal folgte dieser Argumentation nicht: Der Justitiar habe zwar gutgläubig gehandelt, die Zeitung müsse sich aber auch die Täuschung, die ihre Redakteure dem Justitiar gegenüber verübt hatten, zurechnen lassen. 2. Deutsches Recht
Im deutschen Recht sind Fragen der Rückabwicklung bei arglistiger Täuschung vor allem im Zusammenhang mit den so genannten Gebrauchtwagenfällen diskutiert worden. 222 Auch dort ergab sich das Problem, die sich bei einer Rückabwicklung nach Anfechtung ergebenden Lösungen mit den Ansprüchen im - weitgehend parallel liegenden - Fall von Leistungsstörungen sowie den deliktischen Schadenseratzansprüchen abzustimmen. 223 Einigkeit besteht insofern, dass ein Untergang oder eine Verschlechterung der Kaufsache infolge eines bereits bei Gefahr angelegten Mangels "den Käufer nicht hindern [soll], sein Geld zurückzuverlangen oder seinen vollen Schaden zu liquidieren, auch wenn er die Sache nicht mehr zurückgeben oder nur noch ihre Trümmer oder Überreste zur Verfügung stellen kann,,?24 Ebenso besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass der Getäuschte bei einem von ihm selbst schuldhaft verursachten Untergang der Kaufsache keine W.L.R. 2346 f., dagegen Jacob J. in Thomas Witter Ltd. v. T.B.P. Industries Ltd. [1996] 2 All E.R. 598. 221 [1998] EWCA Civ 958. 222 BGHZ 53, 144, und 57, 137. Vgl. dazu auch schon oben Teil 2 B.III., Fn. 493. 223 Vgl. v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 171. 224 So v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 174.
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volle Rückgewähr des Kaufpreises fordern kann. 225 Dagegen ist heftig umstritten, wer das Risiko für einen Untergang oder eine Verschlechterung der Kaufsache tragen soll, die auf Zufall oder auf dem Verschulden eines Dritten beruht. In Anbetracht der durch die Schuldrechtsreforrn vorgenommenen Neuregelung der Rückabwicklung nach Sachmängelgewährleistung dürfte sich insoweit Anpassungsbedarf ergeben. 226 Denn anstelle der umstrittenen Regelung des bisherigen § 350 BGB sieht § 346 BGB nunmehr grundsätzlich eine Wertersatzlösung vor,227 bürdet allerdings dem Verkäufer unter anderem das Risiko eines Schadens auf, der "bei ihm gleichfalls eingetreten wäre" (§ 346 III 1 Nr. 1 BGB-neu) oder der vom Käufer bei Anwendung eigenüblicher Sorgfalt herbeigeführt worden ist (§ 346 III 1 Nr. 3 BGB-neu). Dass man über die dahinter stehenden Wertungen des Gesetzgebers rechtspolitisch geteilter Meinung sein kann, ist bereits erörtert worden; man wird jedoch schwerlich umhin kommen, sie auch auf die Risikoverteilung im Rahmen der bereicherungs- und schadensersatzrechtlichen Rückabwicklung zu übertragen. Der bloße Umstand, dass der betrogene Käufer das Fahrzeug "bewußt den Risiken des Straßenverkehrs ausgesetzt" hat,228 kann danach wohl nicht genügen, ihn das Risiko des Untergangs tragen zu lassen, soweit ihm dieses Risiko für den Fall des Rücktritts von § 346 III 1 Nr. 3 BGB-neu ebenfalls abgenommen wird.
3. CISG Das CISG klammert - wie bereits erwähnt - Fragen der Gültigkeit des Vertrages und damit auch die Möglichkeit einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung grundsätzlich aus seinem Regelungsbereich aus (vgl. Art. 4 lit. a CISG). Damit bleibt insoweit der Rückgriff auf nationale Anfechtungstatbestände möglich. 229
225 Zweifelhaft allerdings die Begründungsversuche des BGH im zweiten Gebrauchtwagenfall BGHZ 57, 137: Auch der vom Käufer allein verschuldete Unfall mit dem gekauften Gebrauchtwagen sei noch adäquate Folge der Täuschung, weil der Käufer - wäre er nicht getäuscht worden - den Wagen nicht gekauft hätte und daher auch nicht mit ihm gefahren wäre. Allerdings müsse sich der Käufer seinen Schadensersatzanspruch nach § 254 BGB kürzen lassen. Die Saldotheorie sei bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zwar unanwendbar; auch insofern müsse indes die Verantwortlichkeit des Käufers für den Untergang der Kaufsache nach § 242 BGB anspruchsmindernd berücksichtigt werden. 226 Vgl. bereits oben Teil 2 B.III. 227 De lege ferenda in diesem Sinn bereits v. Caemmerer, Gesammelte Schriften III, S. 179 f. 228 Vgl. König, S. 106. 229 Vgl. SchlechtriemlHuber, CISG-Kommentar, Art. 45 Rn. 55.
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4. Unidroit Principles Nach Art. 3.8 Unidroit Principles kann eine Partei den Vertrag anfechten, wenn sie "durch die andere Partei zum Vertrags schluß bestimmt worden ist durch arglistige Vorspiegelung falscher Umstände, einschließlich arglistigen Sprachgebrauchs oder eine arglistige Handlungsweise, oder durch das Verschweigen von Umständen, welche die andere Partei nach angemessenen Maßstäben eines redlichen Geschäftsgebarens hätte offenlegen müssen".230 Rechtsfolge der Anfechtung ist - wie dargestellt _231 die Pflicht zur vollständigen Rückgewähr der beiderseitigen Leistungen; soweit Rückgewähr in Natur nicht möglich ist, ist Wertersatz zu leisten (Art. 3.17(2». "Unabhängig von einer etwaigen Anfechtung" kann der Getäuschte auch Schadensersatz verlangen, der ihn "in die gleiche Lage [... ] versetzen" soll, in der er sich "ohne Abschluss des Vertrages befunden haben würde" (Art. 3.18). Die Inkohärenz dieser Regelung wird zu Recht kritisiert: Es hat wenig Sinn, auch für den Fall, dass der Vertrag nicht angefochten wird, der Anfechtungsberechtigte sich also für die weitere Durchführung entscheidet, den Anfechtungsberechtigten so zu stellen, als habe er den Vertrag nicht geschlossen. 232 Vermutlich ist die Bestimmung eher auf den Fall zugeschnitten, in dem das Anfechtungsrecht durch Zeitablauf verloren geht (Art. 3.15). Auch das im Autorenkommentar angeführte Beispiel überzeugt allerdings nicht: Wusste der Verkäufer von Software, dass sie für den Käufer ungeeignet war, dann soll er dem Käufer die Kosten für die Schulung seines Personals in der Anwendung dieser Software ersetzen, nicht aber für den Verlust haften, den der Käufer dadurch erlitten hat, dass er die Software nicht für den geplanten Zweck einsetzen konnte. 233 Hier ist in der Tat zu fragen, warum nicht primär die Rechtsbehelfe wegen Nichterfüllung eingreifen sollen. 234 Offen bleibt angesichts der Formulierung von Art. 3.18 auch, ob der Anfechtende Wertersatz für eine empfangene Leistung, den er 230 Zur Anfechtung bei Täuschungen, die von Dritten verübt werden, vgl. Art. 3.11 Unidroit Principles. 231 Vgl. oben bei Teil 2 D.II. 232 Vgl. J. Hager, S. 91. Auch die Erläuterungen zum ursprünglichen Entwurf von Drobnig und Lando (Unidroit 1980, Study L - Doc. 17, S. 42) bringen keinen näheren Aufschluss. Vgl. aber Barker, [1993] L.M.C.L.Q. 296, nach dessen Ansicht kein logischer Widerspruch zwischen "restitutionary awards and contract damages" besteht. 233 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.18 Comment 2 Illustration. 234 Vgl. J. Hager, S. 82, dessen Ansicht nach Gewährleistungsrecht zum Tragen kommt: "Damit ist jedenfalls gewährleistet, daß der Käufer die untaugliche Software gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben kann. Das entspricht viel mehr seinem Interesse als der Ersatz der Schulungskosten, deren Höhe auch ganz gering sein kann, wenn sich die mangelnde Eignung alsbald herausstellt." Hager stellt die Frage nach der Vereinbarkeit mit § 11 Nr. lOa und b AGBG (jetzt § 309 Nr. 8 b aa,
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an sich an den Anfechtungsgegner zu erbringen hätte, wiederum als Schadensersatz zurückverlangen könnte. Auch insoweit wirkt die Regelung wenig konsequent. 5. Principles of European Contract Law Die Principles of European Contract Law sehen einen relativ weit gefassten Tatbestand für die Täuschungsanfechtung vor. Die deutsche Übersetzung der Principles of European Contract Law von Drobnig, Zimmermann und Wicke täuscht über diesen Punkt allerdings hinweg. Danach soll Anfechtung nach Art. 4: 107 nämlich nur möglich sein, wenn eine "Vorspiegelung falscher Umstände" oder ihr Verschweigen "zur Täuschung bestimmt" waren. Diese Übersetzung ist doppelt unglücklich: Schon die Wiedergabe des neutralen Begriffs "representation", der letztlich nur eine Tatsachenbehauptung gleich welcher Art bedeutet,235 mit "Vorspiegelung falscher Umstände" ist tendenziös. Es kommt hinzu, dass der englische Text von Art. 4:107(2) von "intended to deceive" spricht; das bezieht sich eindeutig auf die weite Definition von "intentional" in Art. 1:301(3)?36 Dieser begriffliche Zusammenhang wird von der Übersetzung unterschlagen. Dass auch leichtfertige Äußerungen arglistig sein können, geht aus ihr nicht hervor. 237 Allerdings kann man angesichts solcher Verwirrungen den Wert der in Art. 1:301(3) angewandten Verweisungstechnik durchaus bezweifeln. Die Täuschung kann innere oder äußere Tatsachen oder Rechtsfragen betreffen 238 und ausdrücklich oder konkludent erfolgen?39 Wie im englischen Recht scheiden aber Äußerungen, die "obviously mere sales talk" darstellen, aus?40 Daneben kommt eine Anfechtung auch bei "arglistige[m] Verbb BGB) und meint, dass man "zumindest dem Nachbesserungs- bzw. Ersetzungsrecht nach Art. 7.2.3 U[nidroit ]P[rinciples] Vorrang einräumen" müsse. 235 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4:107 B: ,,A representation is adefinite statement that something is the case." 236 So ausdrücklich PECL Autorenkommentar Art. 1:301 C: "The definition of ,intention' is relevant for the purposes of Article[ ... ] 4:107" sowie PECL Autorenkommentar Art. 4: 107 A (ii): ,,[ ... ] it intended to deceive, or was reckless as to deceiving". Der französische Text vollzieht die Terminologie der englischen Version allerdings nicht nach (Art. 4:107: "destinees a tromper", Art. 1:301(3): "intentionnel"). Diese linguistische Diskrepanz kann nur bedauert werden. 237 Für die französische Version gilt - wie dargestellt - dasselbe; insoweit verständlich die unzutreffende Aussage von Hornung, S. 90. Besteht die Täuschung in der Unterlassung einer gebotenen Aufklärung, muss allerdings auf die Absicht abgestellt werden; vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4: 107 C a. E., E. 238 PECL Autorenkommentar Art. 4: 107 B. 239 PECL Autorenkommentar Art. 4:107 C, insb. Illustration 3.
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schweigen einer Information, die [der Anfechtungsgegner] nach den Geboten von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs hätte offenlegen müssen", in Betracht, wobei Art. 4: 107(3) einen Katalog von Kriterien aufstellt, die insoweit zu berücksichtigen sind?41 Rechtsfolge der Anfechtung ist auch nach den Principles of European Contract Law die Pflicht zur vollständigen Rückgewähr des Empfangenen, notfalls in Form von Geldersatz (Art. 4: 115) und flankiert von Schadensersatzansprüchen auf das negative Interesse (Art. 4: 117(1». Beim Zusammenspiel von Schadensersatz- und Erfüllungsansprüchen einerseits sowie Wertersatz bei der Rückabwicklung und Schadensersatz andererseits ergeben sich dieselben Inkonsequenzen wie in den Unidroit Principles. Im Gegensatz zu den Unidroit Principles, denen sich kaum nähere Informationen zum Inhalt des Schadensersatzanspruches entnehmen lassen, legt der Autorenkommentar zu den Principles of European Contract Law allerdings nahe, dass primär an einen Ersatz von Folgeschäden gedacht ist. 242 Daneben betont der Autorenkommentar auch, dass dann, wenn der Vertrag nicht angefochten wird, Schadensersatzansprüche nach Art. 4: 117 den Getäuschten nicht notwendigerweise in die Lage versetzen sollen, in der er sich befände, wenn der Vertrag nicht abgeschlossen worden wäre. 243
240 PECL Autorenkommentar Art. 4:107 B, insb. Illustration I, wo es offenbar aber auch nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung geht. Auch Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.8 Comment 2 erklärt einen "mere ,puff' in advertising or negotiations" für nicht ausreichend. 241 Wolf, S. 108, nennt die Bestimmung "besonders hilfreich" und meint, die dort genannten Gesichtspunkte könnten auch im deutschen Recht "ohne weiteres bei der Frage herangezogen werden, ob nach Treu und Glauben eine Aufklärungspflicht besteht". Bedenkt man die Betonung des Informationsvorsprungs einer Partei, dann scheinen die Principles of European Contract Law eher auf der Seite von Antipater (oben Teil 3 D.I. Fn. 173) zu stehen. 242 V gl. PECL Autorenkommentar Art. 4: 117 A Illustration 1 und 2. 243 V gl. PECL Autorenkommentar Art. 4: 117 C mit der Erläuterung, dass ,,[t]o allow this might permit it [sc. dem Getäuschten] to throw other losses, such as a decline in the value of the property, on to the other party, when that item of loss was in no way related to the ground for avoidance". Illustration 6 ist dabei William Sindall Plc v. Cambridgeshire County Council [1994] 1 W.L.R. 1016 (oben Teil 3 D.l.l. Fn. 208) nachgebildet. Vgl. dort ferner unter B Illustration 3 (unzutreffende Behauptung des Vermieters, dass die gemietete Wohnung mit einem Recht zur Gartenbenutzung verbunden sei); entgegen der Darstellung des Autorenkommentars läuft die dort geschilderte Lösung offensichtlich nicht darauf hinaus "to put the party back into the position it would have been in had it not ente red the contract", sondern stellt den Mieter so, als ob er den Vertrag zu den Bedingungen geschlossen hätte, die bei korrekter Information angemessen gewesen wären.
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
11. Drohung und andere Formen der Willensbeugung Fälle, in denen der Vertragsabschluss durch Gewalt, Drohungen oder andere Formen der Willensbeugung herbeigeführt wird, werfen ähnliche rechtspolitische Fragen auf, wie sie auch in den Täuschungsfällen zu beantworten sind. Insbesondere kann die Abgrenzung zwischen in einer Marktwirtschaft sozial adäquater Beeinflussung der anderen Partei einerseits und verwerflichem Verhalten andererseits Schwierigkeiten bereiten. Im Folgenden kann daher weitgehend auf die Ausführungen zur Täuschung verwiesen werden. 1. Englisches Recht a) Duress
In England wurde eine Anfechtung lange nur bei Gewalt gegen die Person (duress to the person), nicht dagegen bei Gewalt gegen Sachen (duress to goods) oder ökonomischer Druckausübung (economic duress) zugelassen. Auch wenn diese Einschränkungen inzwischen aufgegeben worden sind, wird weiter eine Beugung des Willens gefordert, die einen Konsens zwischen den Parteien ausschließt; bloßer wirtschaftlicher Druck genügt nicht. Für die Abgrenzung kommt es auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls an. 244 Ähnlich wie bei der Täuschung kann das Recht zur Anfechtung beispielsweise durch Zeitablauf verloren gehen. 245 b) Undue injluence
Die undue-injluence-Lehre entstand im Bereich der equity-Rechtsprechung, um die Starrheiten von duress auszugleichen. 246 Neben Fallgruppen übermäßiger Willensbeeinflussung - die sich mit den Kategorien von duress nach heutiger Vorstellung überschneiden - ging und geht es dabei besonders um Fälle, in denen die aufgrund einer bestimmten persönlichen Beziehung zu vermutende Abhängigkeit ausgenutzt wird. 247 Ein Nachweis, dass der Wille des Abhängigen tatsächlich konkret beeinflusst worden war, 244 Vgl. Pao On v. Lau Yiu Long [1980] A.c. 614 (P.c.). Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Sehleehtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 2 Rn. 179 f. 245 Vgl. North Oeean Shipping Co. Ltd. v. Hyundai Construetion Co. (The Atlantie Baron) [1979] Q.B. 705 (achtmonatige Untätigkeit schließt Rückforderung aus). 246 Vgl. den geschichtlichen Überblick von Lord Nieholls 01 Birkenhead im Grundsatzurteil Royal Bank 01 Seotland v. Etridge [2001] UKHL 44 Nr. 6 ff. Vgl. ferner Capper, (1998) 114 L.Q.R. 479.
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wird dabei nicht gefordert. Vielmehr ist es Sache der anderen Seite, nachzuweisen, dass der Abhängige aus freiem Entschluss gehandelt hat;248 mit anderen Worten, das Vorliegen der Vertrauens- oder Abhängigkeitsbeziehung begründet eine widerlegliche Vermutung dafür, dass der Abhängige ausgenutzt worden ist,249 soweit sich keine sozusagen harmlose Erklärung für das Geschäft finden lässt. 250 Darüber hinaus wird im Rahmen bestimmter Arten von Beziehungen - namentlich zwischen Eltern und Kind, Rechtsanwalt und Mandant sowie Arzt und Patient, nicht jedoch zwischen Ehegatten untereinander - unwiderleglich das Bestehen einer Abhängigkeitsbeziehung vermutet (presumption 01 undue injluence)?51 Soweit eine Abhängigkeitsbeziehung anzunehmen ist, kommt auch eine Zurechnung zu Lasten Dritter in Betracht. Von praktischer Bedeutung sind Fälle, in denen Ehegatten oder andere Lebenspartner dazu veranlasst werden, zugunsten von Gläubigem - insbesondere Banken - Sicherheiten zu bestellen, also Fallkonstellationen, die auch die deutsche Rechtsprechung in den letzten Jahren in erheblichem Ausmaß beschäftigt haben. Nach der englischen Lösung darf die Bank, die Kenntnis von der Beziehung zwischen dem Schuldner und dem Sicherungsgeber hat, vor der nahe liegenden Möglichkeit einer Abhängigkeit nicht die Augen verschließen; vielmehr trifft sie die Obliegenheit, dafür zu sorgen, dass der Sicherungsgeber unabhängige Beratung - regelmäßig durch einen Rechtsanwalt - erhält, damit ihm die Bedeutung des Geschäftes unmissverständlich klargemacht wird. 252 Nicht anders als in Deutschland existiert auch hier inzwischen eine vielfältig ver247 Vgl. etwa Bainbridge v. Browne (1881) L.R. 18 Ch.D. 188 (verarmter Vater veranlasst seine Kinder dazu, zur Sicherung seiner Schulden Pfandrechte auf ihr Eigentum zu bestellen). 248 Für diesen Nachweis kann etwa eine Rolle spielen, dass der Abhängige von einem unabhängigen Dritten, etwa einem Rechtsanwalt, beraten worden ist; allerdings genügt eine solche Beratung nicht notwendigerweise in allen Fällen, vgl. Royal Bank 0/ Scotland v. Etridge [2001] UKHL 44 Nr. 20. 249 Royal Bank 0/ Scotland v. Etridge [2001] UKHL 44 Nr. 14, 16. 250 Vgl. die in Royal Bank 0/ Scotland v. Etridge [2001] UKHL 44 Nr. 21 zitierten Ausführungen von Lindley L.I. in Allcard v. Skinner (1887) L.R. 36 Ch.D. 185: kleinere Zuwendungen, die sich mit ,triendship, relationship, charity, or other ordinary motives on which ordinary men act" erklären lassen, begründen keine Vennutung von undue influence. Das Erfordernis wurde von Lord Scarman in National Westminster Bank v. Morgan [1985] A.c. 704 mit dem Begriff "manifest disadvantage" umschrieben, der aber in der Anwendung zu Missverständnissen führte, vgl. Lord Nicholls 0/ Birkenhead in Royal Bank 0/ Scotland v. Etridge [2001] UKHL 44 Nr. 26--29. 251 Royal Bank 0/ Scotland v. Etridge [2001] UKHL 44 Nr. 18 f. 252 Vgl. vor allem Barclays Bank pie v. O'Brien [1994] 1 A.C. 180 und jetzt Royal Bank 0/ Scotland v. Etridge [2001] UKHL 44. Für die Qualität der Beratung trifft die Bank dabei allerdings keine Haftung.
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
ästelte, kaum noch zu übersehende und nicht immer kohärente Kasuistik, die hier nicht in Einzelheiten dargestellt werden kann. Während die Rechtsfolgen bei duress eher auf einem Alles-oder-NichtsPrinzip basieren, ist bei undue influence eine Anpassung des Vertrages möglich, die auf einen im konkreten Fall gerechten Interessensausgleich abzielt. O'Sullivan v. Management and Music Agency Ltd. 253 betraf eine Fallgestaltung, wie sie insbesondere im Urhebervertragsrecht häufig auftritt: Ein Produzent namens Mills hatte mit dem späteren Kläger, einem seinerzeit gänzlich unbekannten und unerfahrenen Popsänger namens Gilbert O'Sullivan, einen für diesen sehr nachteiligen Vertrag geschlossen; später, nachdem er - nicht zuletzt durch die Bemühungen von Mills - ein bekannter Popstar geworden war, versuchte O'Sullivan, den Vertrag anzufechten. Der Court of Appeal bestätigte das Vorliegen von undue influence und verurteilte Mills zur Rückübertragung der Urheberrechte an den Liedern O'Sullivans sowie zur Auskehr der erzielten Gewinne, abzüglich voller Vergütung für seine Anstrengungen einschließlich eines angemessenen, wenn auch bewusst eher niedrig angesetzten, Profitelements. Ähnliche Flexibilität bewies der High Court in Cheese v. Thomas,254 wo der über 80 Jahre alte Kläger sich mit f, 43.000 am Erwerb eines f, 83.000 teuren Hauses durch seinen Großneffen beteiligt hatte, wofür ihm ein Dauerwohnrecht eingeräumt wurde. Der Großneffe geriet fast sofort mit der Rückzahlung des für seinen Kaufpreisanteils von f, 40.000 aufgenommenen Darlehens in Verzug, woraufhin der Kläger auszog und sein Geld zurückverlangte. Ein verwerfliches Verhalten fiel dem Beklagten nicht zur Last; er hatte sich lediglich nicht um eine unabhängige Beratung des Klägers gekümmert, so dass infolge der Verwandtschaftsbeziehung die presumption 01 undue influence eingriff. Das Gericht entschied, die Parteien den inzwischen eingetretenen Wertverlust des Hauses, das infolge eines allgemeinen Rückgangs der Grundstückspreise nur noch f, 55.400 wert war, anteilig tragen zu lassen. 2. Deutsches Recht
In Deutschland behandelt § 123 I BGB den Fall, dass eine Partei zur Abgabe einer Willenserklärung "widerrechtlich durch Drohung bestimmt" wird, parallel zur arglistigen Täuschung; hinsichtlich der Modalitäten der Rückabwicklung kann auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden. Die Fallkonstellationen, die in England der undue influence zugeordnet werden, finden sich dagegen im deutschen Recht in einer Reihe unter253 254
[1985] Q.B. 428. [1994] 1 All E.R. 35.
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schiedlicher Kategorien; insbesondere ist an die bei den Absätze des § 138 BGB zu denken. 3. CISG
Auch die Herbeiführung eines Vertragsschlusses durch Drohung gehört zu den Fragen, die nach Art. 4 lit. a CISG aus dem Regelungsbereich des CISG ausgeklammert sind. 4. Unidroit Principles Art. 3.9 Unidroit Principles ermöglicht die Anfechtung, wenn eine Partei "zum Vertragsschluß bestimmt worden ist durch eine widerrechtliche Drohung, die nach den Umständen so unmittelbar und ernsthaft ist, daß der ersten Partei keine vernünftige Alternative bleibt,,;255 die Widerrechtlichkeit kann dadurch begründet werden, dass die angedrohte Handlung oder Unterlassung "für sich genommen unrechtmäßig" ist oder dass es "unrechtmäßig ist, sie als Mittel zur Erreichung des Vertrags schlusses zu benutzen".256 Für die Durchführung der Rückabwicklung und für den Schadensersatz kann auf die Ausführungen zur Täuschung verwiesen werden.
5. Principles of European Contract Law
Nach Art. 4: 108 Principles of European Contract Law kann. die "unmittelbare und ernsthafte Androhung einer Handlung,,257 zur Anfechtung berechtigen, wenn diese Handlung "für sich genommen unrechtmäßig" oder "deren Verwendung als Mittel zur Erreichung des Vertragsschlusses unrechtmäßig" ist. Es spielt keine Rolle, ob Gewalt oder lediglich wirtschaftliche Nachteile - etwa die Nichterfüllung bestehender Pflichten - angedroht werden. 258 Das Recht zur Anfechtung besteht nicht, wenn dem Opfer "nach den Umständen eine vernünftige Alternative" geblieben ist, wie etwa die 255 Kritisch Hornung, S. 90 f., dessen Ansicht nach die Ausführungen des Autorenkommentars widersprüchlich sein sollen, weil die Existenz einer zumutbaren Alternative nach einem objektiven Standard unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden soll. Das überzeugt nicht: Auf das Verhalten einer vernünftigen Person in der konkreten Situation des Betroffenen abzustellen, ist natürlich nicht widersprüchlich. 256 Letzteres soll der Fall sein, wenn die gerichtliche Geltendmachung einer Forderung, mit deren Erfüllung der Schuldner in Verzug ist, nur dazu angedroht wird, um den Abschluss eines günstigen Mietvertrages über Eigentum des Schuldners zu erreichen (Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.9 Comment 2 Illustration 1) oder ein angedrohter Streik die geschäftliche Reputation der anderen Seite beeinträchtigen würde (Comment 3 Illustration 2). 257 Oder Unterlassung, vgl. Art. 1:301(1) Principles of European Contract Law.
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
Möglichkeit, die andere Seite durch rechtliche Schritte zur Erfüllung von Pflichten zu zwingen. 259 Aus den Erläuterungen des Autorenkommentars geht hervor, dass sich die Principles of European Contract Law an der englischen Rechtsprechung zu duress orientieren?60 Im übrigen kann auch insoweit auf die Ausführungen zur Täuschung verwiesen werden. III. Laesio enormis
Grundsätzlich muss jede Partei selbst das Risiko tragen, dass sich ein Vertrag als unvorteilhaft für sie erweist; auf diese Risikozuweisung gründet sich gerade ein wesentlicher Teil der Planungsfunktion des Vertrages. In manchen Fällen sind die Vor- und Nachteile aus dem Vertrag freilich derart ungleich verteilt, dass man den Vertragsabschluss kaum auf einen selbst bestimmten Konsens der Parteien zurückführen kann, sondern der Schluss auf einen Willensmangel nahe liegt. 1. Englisches Recht
Der bloße Umstand, dass ein Vertrag seinem Inhalt oder seinen Auswirkungen nach unfair ist, berührt seine Wirksamkeit nach englischem Recht nicht. 261 Dies beruht auf der Grundauffassung, dass die Prüfung der materiellen Gerechtigkeit eines Vertrages Sache der Parteien und nicht der Gerichte ist. Diese Grundauffassung gründet sich allerdings ihrerseits auf die Annahme, dass der Abschluss des Vertrages auf einen freien Entschluss beider Parteien zurückzuführen ist; die Überprüfung, ob ein solcher freier Entschluss vorliegt, ist wiederum Aufgabe des Gerichtes. Aus diesem Grund hat das englische Recht die schon im vorangehenden Abschnitt dargestellte undue-injluence-Rechtsprechung entwickelt, lässt darüber hinaus in Extremfällen aber auch eine Anfechtung wegen unconscionability zu. Vorausset258 PECL Autorenkommentar Art. 4: 108 A, insb. Illustration 2 (Androhung, Schulden nicht zu zahlen und den Gläubiger so in die Insolvenz zu treiben). Die bloße Mitteilung, man werde nicht leisten können, soll jedoch nicht genügen, vgl. unter B, insb. Illustration 4. 259 PECL Autorenkommentar Art. 4: 108 E. 260 PECL Autorenkommentar Art. 4:108 A Illustration 3 ist North Ocean Shipping Co. Ltd. v. Hyundai Construction Co. (The Atlantic Baron) [1979] Q.B. 705 nachgebildet (so ausdrücklich Notes 2), D Illustration 6 dem Fall Williams v. Roffey Brothers & Nicholls (Contractors) Ltd. [1991] 1 Q.B. 1 (C.A) und Illustration 7 Barton v. Armstrong [1976] AC. 104 (P.C.). 261 Vgl. aber Lord Denning, der in Lloyds Bank Ltd. v. Bundy [1975] Q.B. 326 über die Möglichkeiten einer Vertragskorrektur wegen "inequality of bargaining power" nachgedacht hat; die spätere Rechtsprechung und die Literatur sind ihm darin jedoch nicht gefolgt, vgl. insbesondere Pao On v. Lau Yiu Long [1980] AC. 614 (P.C.) und National Westminster Bank v. Morgan [1985] A.C. 686.
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zung dafür ist, dass eine Partei gegenüber der anderen durch Armut, Unverstand, mangelnde Beratung oder aus anderen Gründen schwer benachteiligt ist und dadurch in unbilliger Weise ausgenutzt werden kann, dass die andere Partei diese Schwäche in einer moralisch schuldhaften Weise ausgebeutet hat und dass das dadurch zustande gekommene Geschäft nicht lediglich hart und unvorteilhaft, sondern schlechterdings "overreaching and oppressive" ist. 262 2. Deutsches Recht Im deutschen Recht erfordert § 138 11 BGB seinem Wortlaut nach über ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hinaus eigentlich auch die "Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche". Allerdings schwächen sich die Anforderungen an den Nachweis einer subjektiven Ausnutzung des Willensmangels zunehmend ab: So hat der BGH in einer neueren Entscheidung 263 in Fortentwicklung früherer Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass ein Rechtsgeschäft, das die Voraussetzungen von § 138 11 BGB nicht erfüllt, dennoch als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 I BGB nichtig sein könne; hierfür sei nur erforderlich, dass über das objektiv bestehende aummige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hinaus "außerdem mindestens ein weiterer Umstand" hinzukomme, der "den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen" lasse?64 Ein besonders grobes objektives Missverhältnis, von dem bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen sei, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, rechtfertige dabei den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten, auch wenn diesem das objektive Missverhältnis nicht bekannt gewesen ist. 265 Von dieser Rechtsprechung ist der Weg zu einem allgemeinen Institut der laesio enormis, wie es insbesondere die romanischen Rechtsordnungen kennen,266 natürlich nicht mehr weit. Allerdings betont der BGH, dass auf das subjektive Element der Siuenwidrigkeit keineswegs verzichtet werde; vielmehr lasse 262 Alec Lobb (Garages) Ltd. v. Total Oil Great Britain Ltd. [1983] 1 W.L.R. 87 (Peter Millett Q.C.); vgl. ferner Multiservice Bookbinding Ltd. v. Marden [1979] Ch. 84 (Browne-Wilkinson J.); Credit Lyonnais v. Burch [1997] 1 All E.R. 144
(C.A.).
NJW 2001, 1127. BGH NJW 2001, 1127. 265 BGH NJW 2001, 1128. 266 Vgl. dazu für das französische Recht - wo sich voll Geschäftsfähige allerdings nur unter einschränkenden Bedingungen darauf berufen können - Hornung, S.39. 263 264
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unter bestimmten Umständen das krasse Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung den Rückschluss darauf zu, dass sich der Begünstigte zumindest leichtfertig der Einsicht in die Anstößigkeit des Geschäftes verschlossen habe. Deshalb soll diese Rechtsprechung etwa nicht notwendigerweise für gewerbliche Miet- und Pachtverträge gelten, bei denen häufig Bewertungsschwierigkeiten bestünden. 267 Probleme bereitet die Lösung des deutschen Rechts unter anderem deshalb, weil der Vertrag - gleichgültig, ob er gegen § 138 I oder 11 BGB verstößt - nicht lediglich für den Übervorteilten anfechtbar, sondern gesetzes- bzw. sittenwidrig und damit nichtig ist. 268 Das Bemühen, ein Rückabwicklungsregime zu finden, durch das keine der beiden Parteien übermäßig begünstigt oder benachteiligt wird, hat Anlass zu einer komplizierten Kasuistik gegeben. 269
3. Einheitsrechte Vom CISG sind natürlich auch zu diesem besonders problematischen Aspekt der materiellen Vertragsgültigkeit keine Regelungen zu erwarten. Dagegen sehen die beiden Privatkodifikationen jeweils eine Vertragsanfechtung bei "grobem Mißverhältnis" (Art. 3.10 Unidroit Principles) beziehungsweise "übermäßigem Vorteil oder unangemessener Ausnutzung" (Art. 4:109 Principles of European Contract Law) vor. 270 Beide Bestimmungen ähneln einander, verwenden aber unterschiedliche Regelungstechniken: 271 Nach den Unidroit Principles ist Voraussetzung der Anfechtung, BGH NJW 2002, 57. Allerdings sehen manche Autoren darin auch gerade einen Vorteil der deutschen Regelung, weil die Unwirksamkeit von Amts wegen zu beachten ist, vgl. Wolf, S. 111 f., und dazu sogleich Fn. 270. 269 Vgl. näher König, S. 135-137. 270 Gegen die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit statt Nichtigkeit Wolf, S. 111 f., dessen Ansicht nach das Anfechtungsrecht "gerade in den dringendsten Fällen keine Abhilfe zu gewährleisten" vermöge, weil der Berechtigte es erst ausüben könne, wenn die Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit beseitigt sei und bis dahin "der Begünstigte seinen übermäßigen Vorteil sogar vor Gericht einklagen" könnte. Das überzeugt nicht: Dass der Anfechtungsberechtigte einerseits noch so sehr unter dem Einfluss der anderen Partei steht, um an der Ausübung seines Anfechtungsrechts gehindert zu sein, sich andererseits aber von dieser verklagen lässt, dürfte kaum realistisch sein. 271 Wolf, S. 109, sieht einen wesentlichen Unterschied darin, dass die Unidroit Principles sowohl die Anfechtung des Vertrages insgesamt als auch einzelner Vertragsbestimrnungen in einem Artikel regeln, während sich Art. 4: 109 Principles of European Contract Law nur auf die Anfechtung des Vertrages insgesamt bezieht und in Art. 4:110 eine besondere Bestimmung für die Anfechtung einzelner Vertragsbedingungen formuliert ist. Er hält die Regelung der Principles of European 267
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dass "der Vertrag [... ] der anderen Partei unbilligerweise einen übermäßigen Vorteil verschaffte", wobei eine etwaige "Abhängigkeit" oder andere die freie Willensbestimmung beeinträchtigender Umstände lediglich ,,[z]u berücksichtigen sind".272 Dagegen verzichten die Principles of European Contract Law auf eine vorgeschaltete GeneralklauseI, nennen unter den zur Anfechtung berechtigenden Umständen auch - wohl in Anlehnung an das englische Recht - ein "Vertrauensverhältnis" zur anderen Partei, fordern jedoch zusätzlich ein subjektives Element, nämlich Kenntnis oder Kennenmüssen und eine Ausnutzung der Lage, in der sich die andere Partei befunden hat (Art. 4:109(1)(b»?73 Beide Prinzipien-Texte sehen übereinstimmend die Möglichkeit einer Vertragsanpassung durch das Gericht vor, und zwar zum einen auf Verlangen des Anfechtungsberechtigten, zum anderen aber auch auf Verlangen des Anfechtungsgegners, dem eine Anfechtungserklärung zugegangen ist. 274 Flankierend gewähren beide Prinzipien-Texte wie im Falle der Täuschung dem Anfechtungsberechtigten Schadensersatz, wenn die andere Seite den Anfechtungsgrund kannte oder kennen musste (Art. 3.18 Unidroit Principles, Art. 4:117 Principles of European Contract Law). IV. Irrtum Ein potentieller Scheiternsgrund, der besondere Schwierigkeiten bereitet, ist der Irrtum. Sieht man den Grund der vertraglichen Bindung wie die klassische Vertragslehre in der Willensübereinstimmung der Parteien, dann liegt die Schlussfolgerung nahe, dass gar keine Bindung eintreten kann, wenn eine der Parteien gar keinen "wirklichen" Vertragswillen gehabt hat, Contract Law für sachgerechter, weil "die Vernichtung des gesamten Vertrages einen stärkeren Eingriff in die Vertragsbindung" bedeute und deshalb strengere Voraussetzungen verlange. Dabei übersieht Wolf allerdings wohl, dass es sich bei Art. 4: 11 0 um eine Sonderregelung für allgemeine Geschäftsbedingungen handelt (vgl. dazu ausdrücklich PECL Autorenkommentar Art. 4: 110 E). Dass die Regelung von Art. 4: 110 Principles of European Contract Law nicht europarechtskonforrn ist, ist bereits erwähnt worden (Teil 1 C.II.3.b) Fn. 350). 272 Hornung, S. 91, spricht - etwas unscharf - von "Regelbeispiele[n]". Nicht ganz klar S. 99: Die Bestimmung sei "keine Verallgemeinerung der laesio enormis, was im internationalen Handel auch sicher nicht sachgerecht wäre". 273 V gl. jedoch Wolf, S. 111, dessen Ansicht nach das Erfordernis eines bewussten Ausnutzens sich auch Art. 3.10(1) Unidroit Principles entnehmen lässt. Das ist aber wohl kaum mit Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.10 Comment 2 b zu vereinbaren, wo es heißt, es gebe Situationen "where an excessive advantage is unjustifiable even if the party who will benefit from it has not abused the other party' s weak bargaining position". 274 Gegen eine Anpassung auf Verlangen des Anfechtungsgegners mit überzeugender Begründung Wolf, S. 113 f. 24*
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sondern ihre Zustimmung durch Irrtum hervorgerufen worden ist. Ein solches Vertragsverständnis würde freilich der Funktion des Vertrages als Planungsinstrument zuwiderlaufen: Dass sich eine Partei falsche Vorstellungen über den Inhalt der vertraglichen Planung macht, muss grundsätzlich in ihren Risikobereich fallen; es ist deshalb nur unter besonderen Umständen angemessen, sie im Fall solcher Fehlvorstellungen aus der vertraglichen Bindung entkommen zu lassen. Es verwundert nicht, dass die verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedliche Techniken verwenden, um diesem Dilemma gerecht zu werden. 1. Englisches Recht
Das Common Law behandelt den Irrtum ganz im Sinne der klassischen Vertragsrechtslehre: Er führt dazu, dass es am Konsens der Parteien fehlt, und führt daher zur anfänglichen Nichtigkeit des Vertrages. Das stellt vor allem deshalb eine besonders drastische Rechtsfolge dar, weil die Nichtigkeit des Vertrages zur Konsequenz hat, dass ein Eigentumsübergang aufgrund des Vertrages ausgeschlossen ist; selbst ein Eigentumserwerb gutgläubiger Dritter kommt in aller Regel nicht in Betracht. 275 Es verwundert deshalb nicht, wenn der Anwendungsbereich des Irrtums im Common Law sehr weit zurückgedrängt wird. Dies ist auch deshalb nachvollziehbar, weil der Irrende sehr weitgehend durch die Möglichkeit einer Anfechtung wegen misrepresentation geschützt wird: Wie oben dargestellt,276 ist dafür seit jeher nur erforderlich gewesen, dass eine - auch ganz schuldlos aufgestellte unzutreffende Tatsachenbehauptung der anderen Partei für den Vertragsschluss kausal geworden ist; der Misrepresentation Act 1967 hat die Anfechtungsmöglichkeit nur in unbedeutendem Maße eingeschränkt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass der Irrende dem Vertrag immer dann entkommen kann, wenn der Irrtum durch eine unzutreffende Tatsachenbehauptung der anderen Partei hervorgerufen worden ist; dagegen wird das Risiko anderer Irrtümer dem Irrenden selbst aufgebürdet. Bei Kaufverträgen gibt es auch noch einen anderen Grund dafür, warum jedenfalls der Qualitätsirrtum keine nennenswerte Rolle spielt: Soweit sich eine konkludente Qualitätszusicherung des Verkäufers feststellen lässt, wozu die Gerichte in weitem Ausmaß bereit sind, ist es regelmäßig vorteil275 Das englische Recht kennt keinen Grundsatz des gutgläubigen Eigentumserwerbs vom Nichtberechtigten, sondern geht von dem Grundsatz nemo dat quod non habet aus. Zwar finden sich in verschiedenen Gesetzen - namentlich in s. 9 Factors Act 1889, Part III Hire-Purchase Act 1964 und s. 25 Sale of Goods Act 1979 Ausnahmen, die aber regelmäßig das Bestehen eines zumindest anfänglich wirksamen Vertrages zwischen Eigentümer und Besitzer voraussetzen. 276 Vgl. Teil 3 D.I.l.
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hafter für den Käufer, sie geltend zu machen;277 wo es an einer implied warranty of quality fehlt, liegt kein relevanter Irrtum vor, weil sich die Parteien über die essentialia negotii - Identität der Gegenpartei, Bestimmung der Kaufsache und des Preises - einig gewesen sind. 278 Eine Ausnahme ist allenfalls in Situationen wie dem berühmten Fall Smith v. Hughes 279 denkbar, wo der klagende Bauer dem Beklagten, einem Trainer von Rennpferden, Hafer verkauft hatte, der sich als frisch geerntet erwies; der Beklagte konnte seinen Pferden aber nur Hafer verfüttern, der bereits abgelagert war. Nach Ansicht des Gerichtes, das die Entscheidung über die Kaufpreisklage an die Geschworenen zurückverwies, kam es darauf an, ob der Beklagte lediglich geglaubt hatte, dass der ihm angebotene Hafer abgelagert sei, oder ob er geglaubt habe, dass er ihm als abgelagert angeboten werde. Im ersten Fall trage er selbst das Risiko einer Fehlbeurteilung des Hafers, im zweiten dagegen fehle es am nötigen Konsens, so dass kein Vertrag zustande gekommen sei. 28o Als Anwendungsbereich für mistake im Common Law bleiben daher im Wesentlichen Fälle, in denen Betrüger unter Täuschung über ihre Identität Sachkredit erlangt haben; diese Fälle sind in der englischen Literatur als rogue cases bekannt. Zwar ist der Getäuschte natürlich regelmäßig auch in diesen Fällen zur Anfechtung wegen misrepresentation berechtigt; dieses Recht ist aber für ihn wertlos, wo der Betrüger - was regelmäßig zu erwarten ist - den erschwindelten Gegenstand an einen Gutgläubigen weiterveräußert hat. Wegen der erwähnten Konsequenzen für den Eigentumsübergang ist es für den Geschädigten unter diesen Umständen daher von besonderem Interesse, wenn er sich darauf berufen kann, sein Vertrag mit dem Betrüger sei wegen Irrtums nichtig. 277 Vgl. Atiyah, Introduction, S. 223, der darauf verweist, die implied conditions des Sale of Goods Act 1979 seien "very extensive, very Javourable to the buyer, and, at least in consumer sales, non-excludable", weshalb kein Raum für die Geltendmachung angeblicher Qualitätsirrtümer bestehe. 278 Das gilt auch bei sehr erheblichen Abweichungen zwischen den Vorstellungen der Parteien und der Realität, vgl. etwa LeaJ v. International Galleries [1950] 2 K.B. 86 (irrtümliche Annahme, ein Gemälde sei von Constable gemalt worden) und Oscar Chess Ltd. v. Williams [1957] 1 W.L.R. 370 (irrtümliche Annahme, ein Auto sei sieben statt sechzehn Jahre alt). 279 (1871) L.R. 6 Q.B. 597. 280 Etwas konfus Schwartze, S. 51, nach dessen Ansicht die Common-Law-Regeln über den Irrtum aufgrund s. 62(2) Sale of Goods Act 1979 verdrängt würden, soweit sie mit dessen Bestimmungen unvereinbar seien; die Vereinbarkeit werde verneint, da ein Qualitätsirrtum nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages führe. Ein gemeinsamer Irrtum komme nur in Betracht, wenn die Ware "essentially different" von der Erwartung der Parteien sei, was auf eine Falschlieferung hinauslaufe. Schon im Ausgangspunkt trifft das natürlich nicht zu: s. 62(2) bestimmt vielmehr ausdrücklich, dass "in particular the rules relating to [... ] mistake [... ] apply to contracts Jor the sale oJ goods".
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
Die rogue cases haben zu einer schwer zu übersehenden Kasuistik geführt. Die Gerichte haben einen relevanten Irrtum regelmäßig nur dann anerkannt, wenn der Vertrag per Post geschlossen wurde;281 denn bei einem Vertrag inter praesentes habe der Getäuschte tatsächlich mit seinem anwesenden Gegenüber kontrahieren wollen und sich lediglich über dessen Identität oder Bonität getäuscht, wofür er das Risiko tragen müsse. 282 Allerdings hat der Court of Appeal in einem Fall angenommen, dass es sich hierbei um eine widerlegliche Vermutung handele, dem Getäuschten also die Möglichkeit eines Nachweises offen stehe, er habe in Wirklichkeit an denjenigen verkaufen wollen, als der sich der Betrüger ausgegeben hat. 283 Das Urteil ist überwiegend kritisiert worden, zumal man den Verdacht nicht los wird, es handele sich um eine Billigkeitsentscheidung zugunsten der betrogenen älteren Damen. Nichtsdestoweniger hat der Court of Appeal unlängst in Hudson v. Shogun Finance Ltd. 284 wieder ähnlich entschieden. In diesem Fall hatte sich der Betrüger als ein Herr Patel ausgegeben, der tatsächlich existierte und dessen Führerschein er offenbar gestohlen hatte. Der Vertragsantrag wurde vom Autohändler per Fax an ein Finanzierungsunternehmen übermittelt, das die Angaben des Betrügers überprüfte, eine Kreditauskunft über Herrn Patel einholte und die vom Betrüger geleistete Unterschrift mit der Unterschrift von Herrn Patel auf dem Führerschein verglich. Angesichts dieser Vorsichtsmaßregeln kam der Court of Appeal zu dem Ergebnis, 'dass das Finanzierungsunternehmen nicht mit dem Betrüger, sondern mit Herrn Patel habe kontrahieren wollen; mangels eines wirksamen Vertragsschlusses konnte das Finanzierungsunternehmen das Auto von einem gutgläubigen Dritten herausfordern. 285 281 Klassisch der Fall Cundy v. Lindsay (1878) 3 App. Cas. 459 (H.L.), wo der Betrüger, der eine große Lieferung von Taschentüchern bestellte, bei der Verkäuferin absichtlich eine Verwechslung mit einer tatsächlich existierenden und hochangesehenen Firma erweckte. Vgl andererseits jedoch King's Norton Metal Co. Ltd. v. Edridge, Merrett & Co. (1897) 14 T.L.R. 98 (C.A.): kein relevanter Irrtum, wo der Betrüger durch Verwendung eines entsprechend ausgestatteten Briefpapiers lediglich den Anschein eines besonders solventen internationalen Handelsunternehmens hervorruft. 282 Vgl. Phillips v. Brooks Ltd. [1919] 2 K.B. 243 (Betrüger gibt sich gegenüber einem Juwelier als Sir George Bullogh aus); Lewis v. Averay [1972] 1 Q.B. 198 (C.A.) (Autokäufer erweckt bei den Verkäufern den Eindruck, er sei der Schauspieler Richard Greene). 283 Ingram v. Little [1961] 1 Q.B. 31 (Seilers und Pearce L.JJ.; Devlin LJ. war dagegen der Ansicht, dass kein relevanter Irrtum vorliege). 284 [2001] EWCA Civ 1001. 285 Vgl. jedoch auch die abweichende Meinung von Sedley L.J., dem zufolge sich das Finanzierungsunternehmen die Absicht des Autohändlers - seines Vertragsgehilfen -, mit dem ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehenden Betrüger zu kontrahieren, zurechnen lassen müsse; der dadurch zu erzielende Verkehrs schutz sei rechtspolitisch überzeugend, die dogmatische Herleitung jedoch "unsatisfactory".
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Neben den rogue cases kommen als Anwendungsbereich für mistake vor allem Fälle in Betracht, in denen beide Parteien derselben Fehlvorstellung anheim gefallen sind (so genannter common mistake). Zu denken ist hier zum einen an Fälle der anfänglichen Unmöglichkeit, für die aber Sonderregelungen existieren (v gl. sogleich V.l.). Die Bedeutung des leading case zu common mistake, Bell v. Lever Brothers Ltd.,286 ist allerdings infolge Meinungsverschiedenheiten zwischen den Richtern des House of Lords schwer einzuschätzen. In diesem Fall hatte die klagende Gesellschaft die beklagten Geschäftsführer durch Zahlung erheblicher Abfindungen zur - lediglich aufgrund interner Umstrukturierungen gewünschten - Aufhebung ihrer Anstellungsverträge bewegt, später aber erfahren, dass sie aufgrund des Verhaltens der Beklagten zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen wäre. Dass den Beklagten selbst ihre Verstöße, die auch eher formaler Natur waren, beim Abschluss des Abfindungsvertrages überhaupt bewusst gewesen waren, ließ sich nicht nachweisen. Während Wright J. der Klage auf Rückzahlung der Abfindungen stattgab und der Court of Appeal das Urteil einstimmig bestätigte,z87 lehnte das House of Lords mit drei zu zwei Stimmen einen Anspruch ab, wobei die Begründungen allerdings erheblich voneinander abweichen?88 Die Verunsicherung darüber, welche Schlussfolgerungen aus der Entscheidung zu ziehen sind, hält bis heute an?89 [1932] A.C. 161. Die Entscheidungen sind abgedruckt in [1931] 1 K.B. 557 (Wright J.) und [1931] 1 K.B. 574 (C.A.). 288 J. C. Smith, (1994) 110 L.Q.R. 413 f., vennutet, dass es sich um einen "hard case making bad law" gehandelt habe: In Anbetracht der Dienste ,,0/ untold value", die die Beklagten für den Konzern geleistet hatten und die dieser mit einer erheblichen Abfindung habe belohnen wollen, und der relativen Trivialität des Verstoßes gegen den Anstellungsvertrag sei es unbillig erschienen, aus dem Recht auf fristlose Entlassung einen Anspruch auf Rückzahlung der Abfindung herzuleiten, wie dies konsequent gewesen wäre. 289 Vgl. näher Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn.564. Für einen neueren Interpretationsversuch in der Rechtsprechung vgl. etwa Associated Japanese Bank v. Cridit du Nord SA [1989] 1 W.L.R. 255, wo ein Bürge über die Existenz der Maschinen, für deren Kaufpreis er sich verbürgt hatte, getäuscht worden war. Nach Ansicht von Steyn J. stand die Bürgschaft allerdings unter der konkludenten Bedingung, dass die Maschinen - mittels derer nach Vorstellung des Bürgen die Rückzahlung des Darlehens erwirtschaftet werden sollte existierten, so dass sich die Frage eines Irrtums nicht mehr stellte. Vgl. J. C. Smith, (1994) 110 L.Q.R. 403-408. In Great Peace Shipping Ltd. v. Tsaviliris Salvage (International) Ltd. 09.l1.2001 (Commercial Court) - veröffentlicht auf der Website der Universität Cambridge, www.law.cam.ac. uklrestitutionlarchi vel englcasesl greac peace.htm - war ein Schiff im Indischen Ozean in Seenot geraten; zum Zwecke der Rettung wurde für fünf Tage zum Preis von US$ 16.500 pro Tag das Schiff der Klägerin gechartert, das sich nach den beiden Parteien in London vorliegenden Infonnationen am nächsten an der HavariesteIle befand. Tatsächlich war ein anderes Schiff, das zufallig derselben Reederei gehörte wie das havarierte, wesentlich näher, 286 287
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In einer späteren Entscheidung des Court of Appeal, Solle v. Butcher,290 hat Denning LJ. Bell v. Lever Brothers Ltd. 291 dahingehend interpretiert, dass nur eine Nichtigkeit des Vertrages nach Common Law ausscheide, dass jedoch im Rahmen der equity-Rechtsprechung die Möglichkeit zur Anfechtung oder zur Anpassung des Vertrages bleibe. 292 In diesem Fall hatten die Parteien einen Mietvertrag in der irrtümlichen Annahme geschlossen, dass das Gebäude durch Umbau maßnahmen aus dem Anwendungsbereich kriegsbedingter Miethöheregelungen herausgefallen sei, und demzufolge eine marktgerechte Miete von f 250 jährlich vereinbart. Tatsächlich betrug die zulässige Höchstmiete nur f 140, wobei der Vermieter - hätte er von der Anwendbarkeit der Miethöheregelungen gewusst - die Möglichkeit gehabt hätte, durch entsprechende Erhöhungsverlangen doch auf einen Mietzins von rund f 250 zu kommen. Der Court of Appeal lehnte eine Rückforderung des überzahlten Mietzinses ab und gab dem Mieter die Wahl, entweder eine rückwirkende Aufhebung des Mietvertrages zu akzeptieren und eine noch zu bestimmende angemessene Nutzungsentschädigung (vermutlich in der Region von f 250) zu zahlen oder aber einen neuen Mietvertrag zu f 250 abzuschließen?93 Dem sind die Gerichte in ähnlichen Fallkonstellationen gefolgt. 294 Entsprechendes gilt für den ebenfalls der equity-Rechtso dass das Schiff der Klägerin nicht mehr benötigt wurde. Die Beklagte wurde dennoch zur Zahlung verurteilt; nach Ansicht von Toulson J. fiel der Irrtum in den Risikobereich der Beklagten. 290 [1950] 1 K.B. 671. 291 [1932] A.C. 161. 292 Wie Meier, S. 36, zutreffend festhält, stellt sich in diesem Fall allerdings die Frage, warum das House of Lords in Bell v. Lever Brothers Ltd. die Möglichkeit einer Anfechtung des Abfindungsvertrages nach equity-Grundsätzen nicht geprüft hat. So auch schon J. C. Smith, (1994) 110 L.Q.R. 415 f., der zudem darauf hinweist, dass die "voidability reeognised in Solle v. Butcher is quite different" von anderen Formen der Vertragsanfechtung und dass sie eher auf eine Vertragsanpassung durch das Gericht hinausläuft. Vgl. auch die Bemerkung von Rimer J. in Clarion Ltd. v. National Provident Institution [2000] 1 WLR. 1898, es sei "tolerably clear [... ] that it is an area of law in whieh even by the end of the 20th eentury there has been little merging of the streams of eommon law and equity". 293 In seiner Urteilsbegründung bezog sich Denning L.J. unter anderem auf den Fall Torranee v. Bolton (1872) L.R. 8 Ch.App. 118 (vgl. oben Teil 3 0.1.1. Fn. 190), aus dem sich ergebe, dass das Gericht "had power to set aside the eontraet whenever it was of opinion that it was uneonscientious for the other party to avail himself of the legal advantage which he had obtained" ([1950] 1 K.B. 692 0. Kritisch Rimer 1. in Clarion Ltd. v. National Provident Institution [2000] 1 WLR. 1900, dessen Ansicht nach es sich in Wirklichkeit um einen einfachen Fall von misrepresentation handelt. 294 Vgl. Magee v. Pennine Insuranee, Ltd. [1969] 2 Q.B. 507 (C.A.), wo die beklagte Versicherung die Regulierung eines Autounfalls zugesagt, später aber Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers entdeckt hatte; der Court of Appeal ließ - auf der Grundlage seiner Rechtsprechung in Solle v. Buteher [1950] 1 K.B.
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sprechung zuzuordnenden Rechtsbehelf der rectification, der eine Anpassung schriftlich fixierter Verträge an das wirklich Gewollte erlaubt. 295 Allerdings hat die venneintliche Flexibilität der equity-Rechtsprechung auch Kritik hervorgerufen?96 Zum Teil sind deshalb einschränkende Tendenzen zu erkennen?97 In Clarion Ltd. v. National Provident Institution 298 betrieb die Beklagte verschiedene Rentenfonds und ennöglichte ihren Investoren, ihre Gelder unter bestimmten Bedingungen von einem Fonds zum anderen zu verschieben. Im Rahmen einer besonderen Vereinbarung zwischen den Parteien wurde der Klägerin gestattet, der Beklagten ihre Investitionsentscheidungen bis 17 Uhr eines jeden Börsentages mitzuteilen, wobei die Abrechnung aufgrund der Börsenpreise um 12 Uhr desselben Tages stattfinden sollte. Die Beklagte dachte, dass es sich hierbei nur um eine administrative Erleichterung zugunsten der Klägerin handele; als sie bemerkte, dass der Klägerin damit in Wirklichkeit risikolose Gewinne auf ihre Kosten ennöglicht wurden, wollte sie die Vereinbarung anfechten. Rimer J. war der Ansicht, dass sich die Beklagte nicht über den Inhalt des Vertrages geirrt, sondern nur nicht bedacht habe, dass dieser durch die Klägerin ausgenutzt werden könnte, und deshalb nicht anfechten könne. Möglich war nur eine Kündigung der Vereinbarung ex nunc.
2. Deutsches Recht Das deutsche Recht lässt eine Irrtumsanfechtung in einem im Vergleich zum englischen Recht fast schockierend weiten Umfang zu. Sogar bestimmte Fonnen von Motivirrtümern - nämlich Irrtümer über verkehrswesentliehe Eigenschaften der Person oder Sache - werden erfasst (§ 119 11 BGB). Der Grund für diese Großzügigkeit ist in der Regelung des § 122 671 - Anfechtung der Deckungszusage zu. Vgl. ferner Grist v. Bailey [1967] eh. 532 (irrtümliche Annahme, das verkaufte Haus sei an eine durch soziale Mieterschutzbestimmungen geschützte Person vermietet und deshalb weniger wert). 295 Vgl. dazu näher Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 566. 296 Vgl. etwa Atiyah, Introduction, S. 228, der argumentiert, schon für die Anwendung der Common-Law-Regeln könne berücksichtigt werden ,,(in the absence of an express allocation of risks) how risks ought reasonably to be allocated". Ein Anwendungsbereich für die equity-Rechtsprechung sei demzufolge nicht ersichtlich, weil man nicht davon ausgehen könne "that equity would require risks to be allocated in an unreasonable manner" (Hervorhebungen im Original). Wo die CommonLaw-Regein wegen ihrer Starrheit kritisiert würden, gehe es meist darum, dass man die Risikoverteilung nicht akzeptieren wolle. 297 Vgl. etwa bereits William Sindall Pie v. Cambridgeshire County Couneil [1994] I W.L.R. 1016. 298 [2000] 1 W.L.R. 1888.
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BGB zu finden, nach der der Anfechtende seinem Vertragspartner das negative Interesse ersetzen muss, es sei denn, dieser ist bösgläubig gewesen. Der BGB-Gesetzgeber nimmt dem Irrenden also das Risiko seines Irrtums weitgehend ab, lässt ihn jedoch das Risiko eines Vertrauensschadens der anderen Seite tragen. Angesichts der Weite der Irrtumsregelung im BGB stellt sich anders als im englischen Recht das Problem einer Abgrenzung zu den Gewährleistungsansprüchen. Diese Frage ist im Gesetz nicht geregelt; die römischrechtlichen Quellen waren offenbar uneinheitlich,299 ebenso die Rechtslage in den unterschiedlichen deutschen Rechtsgebieten vor In-Kraft-Treten des BGB 300 und die ersten Urteile des Reichsgerichts danach. 301 Das Reichsgericht hat sich jedoch schon im Jahre 1905 für den Ausschluss der Anfechtung nach § 119 11 BGB in dem Fall, dass grundsätzlich Gewährleistungsansprüche eröffnet sind, ausgesprochen _302 eine Position, von der die Rechtsprechung seither nicht mehr abgewichen ist. Entscheidend für das Reichsgericht war, dass bei Zulässigkeit der Irrtumsanfechtung die kurze Vetjährung der Gewährleistungsansprüche, die eingeführt worden sei, um "dem Verkehre die notwendige Sicherheit zu geben und um gerade Kaufgeschäfte, die im rechtsgeschäftlichen Verkehr eine Hauptrolle spielen, einer glatten Abwicklung in verhältnismäßig kurzen Fristen entgegenzuführen", ausgehebelt würde; mit dem Erlass des § 119 11 BGB sei nicht beabsichtigt gewesen, "daß damit auch für den Käufer ein zweiter Weg, wie er vom Kaufvertrage loskommen könne, eröffnet" werde. Auch wenn sich das Argument der kurzen Vetjährung der Gewährleistungsansprüche durch die Schuldrechtsreform erledigt haben dürfte,303 spricht alles dafür, die Regelungen über die Sachmängelgewährleistung auch in der neuen Fassung des BGB als leges speciales zur Irrtumsanfechtung aufzufassen. 3. CISG
Auch die Frage einer Anfechtbarkeit oder Unwirksamkeit eines Kaufvertrages infolge Irrtums betrifft die "Gültigkeit des Vertrages", also ein nach Art. 4 S. 2 lit. a CISG aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens 299 Beziehungsweise lassen sich unterschiedlich interpretieren, vgl. dazu Ranieri, S. 213-251 m. w.N. 300 Vgl. Ranieri, S. 216-221. 301 Diskutiert bei Ranieri, S. 221-224. 302 RGZ 61, 171. Vgl. dazu auch Ranieri, dessen Ansicht nach es sich bei dieser Frage um eine "klassische[ ... ] Streitfrage des Kaufrechts in allen kontinentalen Rechtssystemen" handelt (S. 210). 303 Nach § 438 I Nr. 3 BGB-neu beträgt die kürzeste Frist für die "Verjährung der Mängelansprüche" zwei Jahren, was nicht mehr wesentlich unter der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB-neu) liegt.
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ausdrücklich ausgeklammertes Gebiet. Ob dies allerdings bedeutet, dass sich der Käufer bei vertragswidriger Ware auf einen etwaigen Irrtum beim Vertragsschluss berufen kann, oder ob das eISG selbst eine abschließende Regelung der Haftung für die nicht vertragsgemäße Beschaffenheit der Ware bereithält und damit nationale Vorschriften verdrängt, die die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums zulassen,304 wird von den Kommentatoren in verschiedenen Ländern unterschiedlich beurteilt. 305 4. Unidroit Principles
In den Unidroit Principles lässt Art. 3.5 die Anfechtung wegen "erheblichen Irrtums" zu, wobei als Irrtum nach der Definition in Art. 3.4 überhaupt nur eine Fehlvorstellung über "Tatsachen oder das Recht, wie sie bei Vertrags schluß bestehen", in Betracht kommt; nach Art. 3.6 wird ein Erklärungs- und Übermittlungsfehler dem Irrtum des Erklärenden gleichgestellt. Die Erheblichkeit des Irrtums setzt zum einen voraus, dass "eine vernünftige Person in der gleichen Lage wie die irrende Partei bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Vertrag nur zu wesentlich anderen Bedingungen oder überhaupt nicht abgeschlossen hätte", und dass zum anderen beide Parteien demselben Irrtum unterlagen oder der Anfechtungsgegner den Irrtum der anderen Seite verursacht hat oder ihn hätte erkennen und den Vertragspartner darüber aufklären müssen (Art. 3.5(l)(a)) oder der Anfechtungsgegner "zum Zeitpunkt der Anfechtung noch nicht im Vertrauen auf den Vertrag gehandelt hatte" (Art. 3.5(1)(b))?06 Eine Ausgrenzung von Motivirrtümern als grundsätzlich unbeachtlich gibt es nicht. 307 Ausgeschlossen ist die Anfechtung allerdings, wenn der Irrtum grob fahrlässig war (Art. 3.5(2)(a))308 oder das Risiko eines derartigen Irrtums "von der irrenden Partei übernommen wurde oder nach den Umständen von ihr zu tragen 304 So SchlechtriemlFerrari, CISG-Kommentar; Art. 4 Rn. 24 f., dessen Ansicht nach auch nationale Regeln über die Anfechtung wegen Irrtums über die Leistungsfähigkeit und Bonität des Vertragspartners verdrängt werden, nicht aber Vorschriften über den Inhaltsirrtum und über die Identität des Vertragspartners. 305 Nach Ansicht von Ranieri, S. 211, gewinnt man dabei den Eindruck, dass "trotz des Gebotes einer international einheitlichen Handhabung der Konvention die nationalen Lösungen [... ] im Rahmen des internationalen Kaufrechts spiegelbildlich weiterleben". Vgl. auch Hornung, S. 118. 306 Art. 3.5(l)(b) knüpft an die in manchen Rechtsordnungen zu findende Lehre an, die als res integra bekannt ist; im Hinblick auf die wertende Risikoverteilung handelt es sich in mancher Hinsicht um ein Gegenstück zu § 122 BGB. 307 Vgl. Wolf, S. 97. 308 Bei einfacher Fahrlässigkeit kommt möglicherweise eine Schadensersatzhaftung des Irrenden nach Art. 3.18 in Betracht, vgl. J. Hager, S. 82, unter Berufung auf Kramer, ZEuP 1999,227.
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ist" (Art. 3.5(2)(b)). Namentlich die zuletzt genannte Bestimmung ist natürlich in hohem Maße wertungsoffen. 309 Alles in allem ist die Anfechtung wegen Irrtums in den Unidroit Principles nur unter weit strengeren Voraussetzungen möglich als im deutschen Recht. 310 Den Fällen, in denen die andere Partei "noch nicht im Vertrauen auf den Vertrag gehandelt hatte" (Art. 3.5(1)(b)), dürfte keine besondere Bedeutung zukommen, da sich ein entsprechender Nachweis kaum wird führen lassen. 311 Nach Ansicht mancher Autoren soll der Irrtum über die anfängliche Liefer- und Leistungsfahigkeit bzw. über die Verfügungsbefugnis einer Partei ausgenommen sein?12 Dem Autorenkommentar zufolge sollen in solchen Fällen regelmäßig die Bestimmungen über Leistungsstörungen eingreifen;313 jedoch ist offenbar auch eine Anfechtung wegen Irrtums keineswegs ausgeschlossen. 314 Nach Art. 3.7 verdrängen die Rechtsbehelfe wegen Nichterfüllung die Anfechtung wegen Irrtums. Für diese Regelung hat man sich erst nach längeren Diskussionen entschieden?15 Begründet wird sie damit, die Regeln über Leistungsstörungen seien besser geeignet und weniger einschneidend als die Irrtumsanfechtung?16
Zu den Kriterien der Risikozuweisung Wolf, S. 106 f. So auch J. Hager, S. 83. 311 So zu Recht Wolf, S. 103 f. 312 Wolf, S. 98. 313 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.3. 314 Vgl. dazu das ausdrückliche Beispiel in Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.5 Illustration 1: anfängliche subjektive Unmöglichkeit infolge Diebstahls der verkauften Sache. In den Beratungen war die Frage umstritten, bei der 2. Sitzung der Study Group in Rom 1982 wurde aber trotz gewisser Bedenken hinsichtlich der "logical coherence and the practical implications" beschlossen, dass Unmöglichkeit die Anwendung der Irrtumsregelungen nicht ausschließen solle, vgl. Unidroit 1982, Study L - Doc. 22, S. 9 f. Vgl. aber Kramer, ZEuP 1999, 212 Fn. 19, dem zufolge die Irrtumsanfechtung grundsätzlich wegen Art. 3.7 nicht zum Zuge kommen soll. 315 Zu den Differenzen zwischen den ursprünglichen Berichterstattern Drobnig und Lando vgl. Unidroit 1980, Study L - Doc. 17 (,,Proposed Rules on the (Substantive) Validity of International Contracts (excluding Illegality"), S. 10-12. Auch auf der 2. Sitzung der Study Group in Rom 1982 konnte keine Einigkeit erzielt werden, vgl. Unidroit 1982, Study L - Doc. 22, S. 5; bei der 2. Sitzung der Informal Working Group in Hamburg 1981 war das kontroverse Thema ebenfalls schon zurückgestellt worden, vgl. Unidroit 1981, Study L - Misc. 3, S. 3. 316 Zustimmend Hornung, S. 119 f. 309
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5. Principles of European Contract Law Die Konzeption der Irrtumsanfechtung in den Principles of European Contract Law ähnelt in weiten Teilen derjenigen in den Unidroit Principles. Das Recht zur Anfechtung setzt voraus, dass der Irrtum "durch Angaben der anderen Partei hervorgerufen wurde" (Art. 4: l03(1)(a)(i)),317 dass die andere Partei den Irrtum erkannt hat oder hätte erkennen müssen und es zugleich treu widrig war, die Gegenseite nicht darüber aufzuklären (Art. 4:103(1)(a)(ii»318 oder dass die andere Partei "demselben Irrtum unterlag" (Art. 4:103(1)(a)(iii». Anders als in den Unidroit Principles berechtigt der Umstand, dass der Anfechtungsgegner noch nicht im Vertrauen auf den Vertrag gehandelt hat, nicht zur Anfechtung. Hinzu kommen muss, dass die andere Partei wusste oder hätte wissen müssen, dass die irrtümliche Annahme für den Vertragsschluss kausal war (Art. 4:103(1)(b»?19 Zudem darf der Irrtum nicht "nach den Umständen unentschuldbar" (Art. 4:103(2)(a» gewesen sein und nicht in den Risikobereich der irrenden Partei fallen (Art. 4: 103 (2)(b ». 320 In zwei Punkten ergeben sich erhebliche Abweichungen zur Regelung der Unidroit Principles: Zum einen schließt die Existenz von Rechtsbehelfen wegen Leistungsstörungen die Irrtumsanfechtung nicht aus,321 zum anderen besteht die Möglichkeit einer Vertragsanpassung. 322 Auch zu den Principles of European Contract Law wird die Auffassung vertreten, der Irrtum über die anfängliche Liefer- und Leistungsfähigkeit bzw. über die Verfügungsbefugnis einer Partei sei ausgenommen. 323 Das 3I7 Kritisch Lookofsky, 46 American Journal of Comparative Law 496 (1998), nach dessen Ansicht es logischer gewesen wäre, den von der anderen Partei verursachten Irrtum den Fällen des Betruges beizuordnen. Tatsächlich ist in Anbetracht der relativ weiten Fassung der Bestimmung über die arglistige Täuschung in Art. 4: 107 nicht recht ersichtlich, weshalb noch zusätzlicher Bedarf für einen derartigen Anfechtungstatbestand bestehen sollte. 318 Ausgenommen sind etwa spekulative Verträge und solche, bei denen eine Seite erhebliche Kosten aufgewandt hat, um die Wahrheit herauszufinden, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4:103 E. 319 Damit soll ein Irrtum gefordert werden, der ,fundamental" und nicht lediglich "material" im Sinne von Art. 1:301(5) war, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4:103 C. Die Übersetzung von Drobnig/ZimmennannlWicke unterschlägt diese Differenzierung, da sie beide Wörter mit "wesentlich" übersetzt. 320 Allerdings scheinen die Principles of European Contract Law stringente Aufklärungs- und Hinweispflichten vorauszusetzen, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4: 103 I und dort Illustration 8. 321 Zustimmend Wolf, S. 127, der außerdem der Ansicht ist, die gegenteilige Auffassung der herrschenden Meinung im deutschen Recht sollte "auch im Interesse eines einheitlichen europäischen Rechts aufgegeben werden". 322 Vgl. dazu oben Teil 2 E.I.
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kann aber nicht zutreffen; denn der Autorenkommentar geht ausdrücklich von der Möglichkeit aus, dass hier ein ,fundamental mistake" vorliegt, der beide Parteien zur Anfechtung berechtige, ja erklärt dies sogar zum Regelfall. 324 Eine Schadensersatzpflicht des Irrenden ist nicht vorgesehen. 325 Angesichts der restriktiven Tatbestandsvoraussetzungen der Irrtumsanfechtung in Art. 4: 103, die die Möglichkeit einer Zurechnung des Irrtums zum Anfechtungsgegner voraussetzen, besteht dafür aber auch kein Anlass?26 V. Anfängliche Unmöglichkeit
Die anfängliche Unmöglichkeit, die am Schnittpunkt zwischen Irrtum beim Vertragsschluss und nachträglichen Leistungsstörungen liegt, bereitet besondere Schwierigkeiten und wird besonders kontrovers diskutiert. Während früher entsprechend der Maxime impossibilium nulla obligati0 327 jedenfalls bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit meist von der Nichtigkeit des Vertrages ausgegangen wurde - eine Rechtsfolge, die auch in § 306 BGB bisheriger Fassung kodifiziert war -, bemühen sich modeme Rechtsordnungen um eine differenziertere Abgrenzung der jeweiligen Risikosphären. 1. Englisches Recht
Im Kaufrecht bestimmt s. 6 Sale of Goods Act 1979: "Where there is a contract for the sale of specijic goods, and the goods without the knowledge of the seiler have perished at the time when the contract is made, the contract is void." Die Vorschrift, die von manchen als frustration-Regelung angesehen wird,328 nach Ansicht anderer dagegen einen Unterfall des IrrWolf, S. 98. PECL Autorenkommentar Art. 4: 102. 325 Das konstatiert auch l. Hager. S. 82. 326 So auch Wolf, S. 128, der ferner S. 95, 101 f., die rechtspolitische Überlegenheit eines Ausschlusses des Anfechtungsrechts gegenüber dem Ersatz des Vertrauensschadens betont. 327 Die Maxime wird auf Celsus zurückgeführt, vgl. D. 50.17.185. 328 Goode, Commercial Law, S. 248; anders jedoch S. 271: s. 6 "is not afrustration rule but simply an exemplar of the rule of common law rendering a contract void for antecedent impossibility". Zur unklaren Basis der Regel vgl. auch Brown, [2000] L.M.C.L.Q. 12. Zweifelhaft deshalb Fischer, S. 269, der zufolge frustration sich nur auf nachträgliche Leistungshindernisse beziehen soll. Vgl. zu dieser Problematik Atiyah, Introduction, S. 230 f., und Amalgamated Investment & Property Co. v. lohn Walker & Sons [1977] 1 W.L.R. 164, wo ein zum Zweck des Abrisses und der Neubebauung verkauftes Gebäude unter Denkmalschutz gestellt worden war, 323
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turns regele 29 und von wieder anderen auf eine implied condition precedent zurückgeführt wird,33o geht zum einen auf den Fall Couturier v. Hastie 33l , andererseits aber auch auf französisches Vorbild zurück 332 und stellt einen Fremdkörper innerhalb des englischen Vertragsrechts dar. Sie wird deshalb auch in verschiedener Weise eingeschränkt. 333 Schon ihrem Wortlaut nach gilt die Vorschrift nur, wenn die Kaufsachen "have perished", was voraussetzen soll, dass sie irgendwann vor Vertragsschluss einmal existiert haben. 334 Bei wesentlicher Verschlechterung der Kaufsache ergeben sich daraus natürlich die üblichen metaphysischen Abgrenzungsschwierigkeiten: Sind Kartoffeln "untergegangen", wenn sie verfault sind?335 Wie steht es mit einer Ladung Datteln, die bei Vertragsabschluss auf dem Grund der Themse liegt, weil das sie transportierende Schiff im wörtlichen Sinn untergegangen ist?336 Und ist ein vermeintlich in einem Lagerhaus zur Lieferung bereitstehender Posten von 700 Sack Nüssen "untergegangen", wenn vor was seinen Wert auf weniger als ein Achtel reduzierte; ob die Behörde die Entscheidung vor oder nach Vertragsschluss getroffen hatte, ließ sich nicht mehr aufklären. Nach Ansicht des Court of Appeal kam es darauf an, wann die Entscheidung bekanntgegeben worden war; dies war jedenfalls nach Abschluss des Kaufvertrages gewesen. Frustration schied dennoch aus, weil es sich dabei um ein typisches Risiko des Grundstückskaufs handele. 329 Vgl. etwa Bell v. Lever Brothers Ltd. [1932] A.c. 161. 330 Denning L.i. in Solle v. Buteher [1950] 1 K.B. 691. 331 (1856) 25 LJ. Ex. 253 (H.L.): Getreide war schwimmend unter der Klausel "Kosten und Fracht" verkauft worden. Die Parteien wussten nicht, dass das Getreide schon vor Vertragsabschluss wegen Überhitzung auf Anweisung des Schiffskapitäns (wie in diesen Fällen üblich) entladen und veräußert worden war. Obwohl das Risiko normalerweise mit Vertragsabschluss auf den Käufer übergegangen wäre, wies das Gericht die Kaufpreisklage - die der Verkäufer darauf gestützt hatte, dass der Käufer weiterhin verpflichtet sei, die Frachtdokumente anzunehmen - ab. Als Begründung führte das Gericht lediglich an, der Vertrag habe sich auf eine Fracht bezogen, die nach Ansicht der Parteien existierte, und nicht auf "goods lost or not lost". Vgl. auch Sealy, [1972B] C.LJ. 233. 332 Rheinstein, S. 185 f., zeigt auf, dass Sir Maekenzie Chalmers, der Autor des (ursprünglichen) Sale of Goods Act 1893, sich in dieser Frage von Pothier beeinflussen ließ, in dessen Werk er "eine Art ratio scripta erblickt" und Grundsätze entnommen habe, die "nicht nur für das französische Recht der Coutüme [sie] d'Orleans gelten sollen, sondern universal als eine Art Naturrecht oder ius gentium". 333 Vgl. auch Goff, S. 316 f.: "That seetion [... ] presupposes aRomanist doetrine 0/ mistake whieh [... ] we have all been able to abandon." 334 So jedenfalls Brown, [2000] L.M.CLQ. 12. 335 Anscheinend nicht: so obiter Horn v. Minister 0/ Food [1948] 2 All E.R. 1036. 336 Hier wurde Untergang angenommen, weil die Datteln in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht mit der vertraglich beabsichtigten Kaufsache identisch seien: As/ar & Co. v. Blundell [1896] 1 Q.B. 123 (allerdings handelte es sich nicht um einen Kaufrechtsfall, sondern um eine versicherungsrechtliche Entscheidung).
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
Vertragsabschluss 109 Sack gestohlen worden sind?337 Der Begriff "specijic goods" in s. 6 Sale of Goods Act 1979338 ist im Übrigen doppeldeutig: Kommt es darauf an, ob die Kaufsachen nach dem Inhalt des Vertrages als Speziessachen verkauft werden, oder darauf, ob sie es wirklich sind? Nach Ansicht der englischen Literatur ist Letzteres der Fall; es spielt also keine Rolle, ob der Vertrag den Eindruck erweckt, dass noch eine Konkretisierung der Kaufsache erforderlich sei. 339 Freilich ist die Unwirksamkeit keineswegs zwingende Rechtsfolge; es wird nämlich auch die Möglichkeit einer Risikoübernahme durch eine Partei anerkannt. In diesem Fall ist der Vertrag bindend, und die Partei, die das Risiko übernommen hat, haftet für die Existenz des Vertragsgegenstandes. In dem berühmt gewordenen australischen Fall McRae v. Commonwealth Disposals Commission 34o hatte die beklagte Behörde für f 285 das Wrack eines Tankers verkauft, das auf einem Riff liegen und angeblich Öl enthalten sollte. Der Kläger rüstete unter erheblichen Kosten eine Expedition zu der ihm benannten Stelle aus, musste jedoch feststellen, dass der Tanker nicht existierte. Das Gericht hielt den Vertrag zwischen den Parteien für wirksam, wobei eine Rolle spielte, dass den auf Seiten der Behörde handelnden Personen grobe Fahrlässigkeit zur Last fiel, während der Kläger bei Vertragsabschluss keinerlei Möglichkeit hatte, die Nichtexistenz des Tankers festzustellen, und sich deshalb auf die Angaben der Behörde verlassen musste. Dem Kläger wurde daher Schadensersatz wegen Vertragsbruchs zugesprochen, wobei angesichts der spekulativen Natur des Vertrages der dem Kläger entgangene Gewinn nicht festgestellt werden konnte; statt dessen wurden ihm die Kosten für die Expedition zur angeblichen Fundstelle des Wracks, im Ergebnis also das negative Interesse, gewährt. Übernimmt umgekehrt der Käufer das Risiko, dass die Kaufsache nicht existiert, dann liegt nur eine emptio spei vor, auf die der Sale of Goods Act ohnehin keine Anwendung findet. 341 Auf den Gattungskauf ist s. 6 Sale of Goods Act 1979 ebenfalls unanwendbar. Das gilt auch dann, wenn es sich 337 Auch dies wurde von der Rechtsprechung bejaht, weil die spezifische Menge von 700 Sack Nüssen nicht mehr existiere: Barrow, Lane and Ballard Ltd. v. Phillip Phillips & Co. Ltd. [1929] 1 K.B. 574. Kritisch Diamond, S. 260: Ein Anlass, den Verkäufer aus der vertraglichen Haftung zu entlassen und ihm so die Möglichkeit zu geben, die verbleibenden 591 Sack vielleicht anderswo teurer zu verkaufen, sei nicht erkennbar. Der Käufer hätte die Lieferung von 591 Sack ohnehin ablehnen können, wenn er kein Interesse mehr daran gehabt hätte, vgl. s. 30(1) Sale of Goods Act 1979. 338 Definiert in s. 61(1) Sale of Goods Act 1979 als "goods identified and agreed on at the time a contract 0/ safe is made". Vgl. auch Diamond, S. 258. 339 Goode, Commercial Law, S. 215 f. 340 (1950) 84 C.L.R. 377 (High Court of Australia). 341 Vgl. Goode, Commercial Law, S. 206 f., Fn. 78.
D. Willensmängel und Leistungsstärungen
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um eine Vorratsschuld handelt oder wenn Konkretisierung eingetreten ist. In diesen Fällen dürften, ebenso wie außerhalb von Kaufverträgen überhaupt, die allgemeinen Regeln über Irrtum und frustration, gegebenenfalls einschließlich des Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943, gelten; Anwendungsbeispiele aus der Rechtsprechung haben sich allerdings nicht finden lassen. Auch hier kommt allerdings eine Risikoübernahme durch eine Partei in Betracht, wie der Fall Eurico SpA v. Philipp Brothers (The Epaphus p42 zeigt. Hier hatten die Parteien die Lieferung von Reis zu einem größeren italienischen Hafen vereinbart, der von der Käuferin zu bestimmen war; die Käuferin entschied sich für Ravenna. Wie jedoch für beide Parteien leicht zu erkennen gewesen wäre, durfte das Schiff bei voller Beladung wegen zu großen Tiefgangs nicht in den Hafen von Ravenna einfahren. Es wurde deshalb nach Ancona umgeleitet, wo es zum Teil entladen wurde; bei der Rückkehr nach Ravenna wurden dann Insekten und Ratten in der Ladung entdeckt. Der Court of Appeal war der Ansicht, die Parteien seien frei, auch Unmögliches zu vereinbaren, auch wenn ein Gericht namentlich bei Handelsgeschäften zögern müsse, bevor es eine mehrdeutige Vereinbarung auf diese Weise auslege; im vorliegenden Fall sei aber eindeutig auch Lieferung nach Ravenna geschuldet gewesen. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn ein nachträgliches Ereignis die Erfüllung unmöglich mache. 343 Umgekehrt kann eine von den Parteien vereinbarte force-majeure-KlauseI auch bei anfänglicher Unmöglichkeit zur Befreiung einer Partei führen. Das ist zwar nicht immer unbestritten gewesen,344 wird aber heute zumindest dort angenommen, wo die Partei, die sich auf die Klausel beruft, das bereits bestehende Leistungshindernis nicht kannte 345 beziehungsweise es nicht kennen musste. 346 In Navrom v. Callitsis Ship Management S.A. (The Radautip47 scheiterte die Erfüllung des Vertrages daran, dass ein Schiff nicht in den Hafen von Tripoli einfahren konnte, weil dort Überfüllung herrschte. Obwohl das Problem schon seit längerem und jedenfalls bereits bei Abschluss des Vertrages bestanden hatte, wurde die force-majeure-Klausel angewandt. Das Gericht betonte, dass sich auch aus der Verwendung des Begriffs ,force majeure" selbst nichts Gegenteiliges er[1987] 2 Lloyd's Rep. 215. [1987] 2 Lloyd's Rep. 218-220, Sir lohn Donaldson M.R., dem sich Stephen Brown LJ. anschloss; dagegen jedoch Groom-lohnson LJ. 344 Vgl. Roche J. in Safadi v. Western Assurance Co. (1933) 46 Lloyd's Rep. 143. 345 Reardon Smith Line Ltd. v. Ministry of Agriculture [1962] 1 Q.B. 83, Seilers LJ., und S. 107 f., Willmer LJ. 346 So (einschränkend) Kerr 1. in Trade and Transport [ne. v. lino Kaiun Kaisha Ltd. (The Angelia) [1972] 2 Lloyd's Rep. 163. 347 [1987] 2 Lloyd's Rep. 276 (Staughton J.), [1988] 2 Lloyd's Rep. 416 (C.A.). 342 343
25 Coen
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
gebe. 348 Verhindert ein ungewöhnlich langer Streik die Vertragsausführung, dann schadet es möglicherweise nicht einmal, dass die Parteien von dem Streik wussten; vielmehr durften sie davon ausgehen, dass der Streik wie üblich - in absehbarer Zeit enden würde. 349 Hier danach differenzieren zu wollen, ob etwa derselbe Arbeitskampf unerwartet lange andauert (dann anHingliehe Unmöglichkeit) oder ob er zunächst beigelegt wird und erst zum Erfüllungszeitpunkt erneut ausbricht (dann nachträgliche Unmöglichkeit), wäre auch wenig sinnvoll. Ein eigenartiger Sonderfall, der bis heute Verständnisschwierigkeiten bereitet, ist Cooper v. Phibbs,350 wo ein Fischereirecht verpachtet worden war, das dem Pächter bereits gehörte, aber wohl nur in equity.35I Nach Ansicht des House of Lords war der Pachtvertrag wegen eines mutual mistake aufhebbar, jedoch nicht nichtig. Der Pächter musste jedoch für Verwendungen zahlen, die der Verpächter auf die Fischereigründe gemacht hatte. 2. Deutsches Recht
Die Situation in Deutschland ähnelte bislang im Wesentlichen der in England: Darüber, dass die Regelung des bisherigen § 306 BGB missglückt war, besteht weitgehende Einigkeit;352 wo die Nichtigkeitsfolge und die von § 307 BGB angeordnete Beschränkung der Haftung auf das negative Interesse als unangemessen erschien, entnahm die Rechtsprechung den Umständen des Falles, dass der Schuldner eine Garantie für die Erbringbarkeit der versprochenen Leistung übernommen habe. 353 Eine Sonderregelung bestand ohnehin schon nach bisherigem Recht für den Verkauf einer nichtexistenten Forderung (§ 437 BGB), für den Fall des Fehlens zugesicherter Eigenschaften beim Sachkauf (§ 463 BGB) sowie im Mietrecht (früher § 538, inzwischen § 536a BGB)?54 348 Vgl. ferner noch Pagnan SpA v. Tradax Ocean Transportation S.A. [1987] 2 Lloyd's Rep. 342: anfängliche rechtliche Unmöglichkeit durch Einführung von Exportquoten; Befreiung aufgrund einer prohibition clause wurde bejaht. 349 So im Ergebnis Berg, S. 78. 350 (1867) L.R. 2 H.L. 223. 351 Vgl. Matthews, (1989) 105 L.Q.R. 599, dem zufolge der Fall heute meistens missverstanden wird, weil die im 19. Jahrhundert noch bedeutsamen Feinheiten der Abgrenzung zwischen Common Law und equity nicht mehr im Bewusstsein der Juristen seien. 352 Vgl. statt vieler Canaris. ZRP 2001, 330 f., dem zufolge die Kategorie der Unmöglichkeit hier zu "schweren Mängeln im Leistungsstörungsrecht des BGB geführt" habe. 353 Vgl. Bundesminister der Justiz, S. 16; ebenso Grunewald. JZ 2001, 434 m.w.N.
D. Willensmängel und Leistungsstörungen
387
Die Schuldrechtsreformkommission hat die vollständige Streichung der
§§ 306 bis 309 BGB empfohlen?55 Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sieht dagegen in § 31la I BGB die ausdrückliche Feststellung vor, der
Wirksamkeit eines Vertrages stehe es nicht entgegen, dass die Leistung für den Schuldner oder für jedermann schon bei Vertragsschluss unmöglich oder unzumutbar ist. Der amtlichen Begründung zufolge handelt es sich dabei um eine lediglich klarstellende Bestimmung, die bewusst an Art. 4: 102 der Principles of European Contract Law angelehnt sei. Wie noch darzustellen sein wird, ist diese Bestimmung ihrerseits allerdings wenig klar?56 Eine Anfechtung wegen Unkenntnis der Unmöglichkeit soll dem Schuldner verwehrt sein; in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass eine Anfechtung unzulässig sei, wenn sie nur das Ziel haben kann, sich etwaigen Schadensersatz- oder Gewährleistungsansprüchen zu entziehen. 357 Andererseits soll die Schadensersatzhaftung wegen des Verschuldensprinzips entfallen, wenn der Schuldner seine Unkenntnis von dem Leistungshindernis nicht zu vertreten hat. 358 In der Literatur wird allerdings auch vorgeschlagen, das Leistungsversprechen zugleich als Übernahme einer Garantie des eigenen Leistungsvermögens bei Vertragsschluss auszulegen, um so über § 276 I BGB-neu an der Garantiehaftung bei anfänglichem Unvermögen festhalten zu können. 359 Es steht zu vermuten, dass diese - praktisch wohl nicht allzu bedeutsamen 354 Kritisch v. Caemmerer, Gesammelte Schriften I, S. 4, der auch zu Recht anmerkt, dass es in der Sache meist "um (freilich nicht durch § 119 BGB gedeckte) Irrtumsprobleme" gehe. 355 Bundesminister der Justiz, S. 145 f.; insoweit zustimmend Fischer, S. 270. 356 Vgl. unten Teil 3 D.V.5. 357 Verwiesen wird auf BGH, NJW 1988, 2598. 358 So jedenfalls Canaris, ZRP 2001, 331. Vgl. ferner Grunewald, JZ 2001, 434 f. Kritisch Wilhelm, JZ 2001, 867: Der Vorwurf, dass der Schuldner die anfängliche Unmöglichkeit habe kennen müssen, betreffe "eine Sorgfaltsverletzung in einer Zeit, in der von einer Pflicht aus einern Leistungsversprechen noch gar nicht die Rede war", und könne deshalb nicht eine Haftung auf das positive Interesse begründen. Das überzeugt nicht: Anknüpfungspunkt für die Haftung auf das positive Interesse ist das Erfüllungsversprechen des Schuldners; dass sich der Schuldner sich von dieser Haftung befreien kann, wenn er unverschuldet nichts von seiner Unfahigkeit zur Leistung wusste, stellt keine Inkonsequenz dar. So auch Canaris, DB 2001, 1817-1819. Ähnlich auch Zimmer, NJW 2002, 7 f., dessen Ansicht nach es sich in der Sache zwar um eine Haftung für ein Verschulden bei Vertragsanbahnung handelt, die Haftung auf das positive Interesse gleichwohl sachgerecht erscheinen könne, weil der Schuldner aus seinem Leistungsversprechen in Anspruch genommen werde. Anders jedoch Altmeppen, DB 2001, 1822 f., nach dessen Meinung bei " ,pflichtgemäßem' Handeln des Schuldners [... ] der Irrtum vermieden und das Geschäft deshalb nicht abgeschlossen worden" wäre. Motsch, JZ 2001, 430, meint, die Nichtigkeit wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit möge "zwar kein Rechtsinstitut von überragender praktischer Bedeutung" sein, ein ,,rechtspolitisches Bedürfnis für die Haftungsverschärfung" sehe er aber nicht. 359 Zimmer, NJW 2002,3. 25*
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
Probleme die Rechtsgelehrten auch nach der Reform noch beschäftigen werden. 36o
3. CISG Für das CISG ist anerkannt, dass die anfängliche objektive Unmöglichkeit die Wirksamkeit des Vertrages nicht berührt, der Verkäufer möglicherweise aber nach Art. 79 I CISG entschuldigt sein kann?61
4. Unidroit Principles Die Regelung der Unidroit Principles zur anfänglichen Unmöglichkeit ist leider recht unklar. Art. 3.3 bestimmt zwar ausdrücklich, dass ,,[d]ie bloße Tatsache, daß bei Vertrags schluß die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung unmöglich war" (Art. 3.3(1», sowie ,,[d]ie bloße Tatsache, daß eine Partei bei Vertrags schluss nicht zur Verfügung über die Vermögenswerte befugt war, auf die sich der Vertrag bezieht" (Art. 3.3(2», die Gültigkeit des Vertrages nicht berühren. Dem Autorenkommentar zufolge sollen in solchen Fällen regelmäßig die Bestimmungen über Leistungsstörungen eingreifen;362 jedoch ist offenbar auch eine Anfechtung wegen Irrtums keineswegs ausgeschlossen. 363 Möglicherweise soll der Ausdruck "die bloße 360 Auch Fischer, S. 271-273, befürchtet neue Streitfragen und bedauert, dass der Grundsatz der Garantiehaftung für die eigene Leistungsfähigkeit aufgegeben wird. Vgl. ferner die Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks. 14/6857, S. 17 f.), wo auf die Problematik der anfänglichen Unmöglichkeit beim Rechtskauf hingewiesen wird. 361 SchlechtriemlStoll, CISG-Kommentar, Art. 79 Rn. 18. Vgl. dazu auch Grunewald, JZ 2001, 434. 362 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.3 Comment 1. 363 Vgl. dazu das ausdrückliche Beispiel in Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.5 Illustration 1: anfängliche subjektive Unmöglichkeit infolge Diebstahls der verkauften Sache. Wenn sich der Schuldner aber schon bei Irrtum über sein Leistungsvermögen befreien kann, muss das erst recht bei Unkenntnis von der objektiven Unmöglichkeit der Leistung gelten. Von der Möglichkeit einer Irrtumsanfechtung gehen auch Huber, Leistungsstörungen I, S. 539, und Grunewald, JZ 2001, 433, aus. Nach Art. 3.18 müsste dann unabhängig von einer Anfechtung "die Partei, die den Anfechtungsgrund kannte oder ihn hätte kennen müssen", der anderen Ersatz des Vertrauensschadens leisten. Canaris, JZ 2001, 508, spricht einerseits davon, dass die Frage hier "in richtiger Erkenntnis des Problemschwerpunktes im Zusammenhang mit dem Irrtumsrecht" geregelt werde, wie Art. 3.3 zeige, meint aber andererseits, dass Art. 3.7 "dann doch wieder ins Reich der Nichterfüllung zu verweisen" scheine. Auch nach Grunewald, JZ 2001, 433, soll ,,[r]egelmäßig" die "Rechtsfolge der wesentlichen Nichterfüllung" eingreifen. Hornung, S. 358, meint, die Unidroit Principles ordneten die Frage "dem Recht der Leistungsstörungen zu", was er begrüßt. Wilhelm, JZ 2001, 864 Fn. 26, glaubt, die Prinzipien-Texte wollten
D. Willensmängel und Leistungsstörungen
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Tatsache" zum Ausdruck bringen, dass sich der Irrtum über die anfangliche Leistungsfähigkeit durchaus auf die Gültigkeit des Vertrages auswirken kann, weil er eine über das Fehlen der Leistungsfähigkeit hinausgehende zusätzliche "Tatsache" darstellt. Andererseits stellt sich die Frage, wie sich dies mit der Regelung in Art. 3.7 verträgt, wonach die Leistungsstörungsregeln die Möglichkeit zur Irrtumsanfechtung verdrängen. 364 Nach Ansicht mancher Autoren soll der Irrtum über die anfängliche Liefer- und Leistungsfähigkeit bzw. über die Verfügungsbefugnis einer Partei auch gar keinen relevanten Irrtum darstellen. 365 Wo der Schuldner die Unmöglichkeit nicht vorhersehen und ihr auch nicht abhelfen konnte, kann ihn das möglicherweise als "höhere Gewalt" nach Art. 7.1.7 entlasten; auch das wird zwar von manchen Autoren bestritten,366 liegt aber eindeutig in der Konsequenz der Aussagen im Autorenkommentar zu Art. 3.3, wonach "initial impossibility of performance is equated with impossibility occurring after the conclusion of the contract", so dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien "according to the rules on non-performance" bestimmen, wobei unter Umständen auch "the fact that the obligor (or the obligee) already knew of the impossibility of performance at the time of contracting" zu berücksichtigen sei?67 Auch auf die "Änderung der Geschäftsgrundlage" (hardship) "die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit auf das negative Interesse beschränken", und kritisiert, dass die Schuldrechtsreform dem nicht folgen wolle. 364 Aus diesem Grund meint Kramer, ZEuP 1999,212 Fn. 19, dass die Irrtumsanfechtung bei anfänglicher Unmöglichkeit grundsätzlich ausscheide. Fischer, S. 263, ist der Auffassung, der Gläubiger der ausbleibenden Leistung könne nicht anfechten, wohl aber der Schuldner, soweit er nicht grob fahrlässig gehandelt hat. 365 V gl. Wolf, S. 98. 366 Vgl. Huber, Leistungsstörungen I, S. 116, 122, 540, dessen Ansicht nach unter "impediment" im Sinne von Art. 7.1.7 "nur ein nachträglich eingetretenes Leistungshindernis verstanden werden kann"; ebenso ZIP 2000, 2143 Fn. 44. Irgendeine Erklärung für diese einschränkende Auslegung des Begriffs "impediment" bleibt Huber schuldig, wenn man - von der ebenfalls nicht begründeten - Aussage absieht, anfängliche Leistungshindernisse seien "keine ,force majeure' in diesem Sinn" (Leistungsstörungen I, S. 116). Die von Huber zitierten Stellen im Autorenkommentar der Unidroit Principles sind allesamt unergiebig. Auf dieser äußerst bescheidenen Argumentationsgrundlage beruht übrigens Hubers Aussage, dass "die Unidroit Principles [... ] (anders als der Entwurf der Schuldrechtskommission) an der Unterscheidung anfänglicher und nachträglicher Leistungshindernisse" festhielten. Vgl. ferner Fischer, S. 268 f., die eine Analogie zu Art. 79 CISG ziehen will, wo nach der von ihr vertretenen Auffassung (S. 251-255) ebenfalls nur nachträgliche Leistungshindernisse erfasst sein sollen; auch dem liegt aber letztlich das zweifelhafte Postulat zugrunde, der Schuldner könne sein Leistungsvermögen bei Vertragsschluss sicher einschätzen, die spätere Entwicklung hingegen nicht. Inkonsequenterweise sollen aber die Bestimmungen über hardship anwendbar sein (S. 269). 367 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 3.3 Comment 1. Im Rahmen der Erarbeitung der Unidroit Principles wurde die Frage, ob auch vorvertragliehe Leistungshindernisse erfasst werden sollten, von dem Berichterstatter Furmston aus-
390
3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
kann sich der Schuldner berufen, wenn die entsprechende Störung zwar schon bei Vertragsabschluss vorgelegen hat, ihm aber erst später bekannt wird (Art. 6.2.2(a»?68 5. Principles
0/ European
Contract Law
Im Gegensatz zum CISG und den Unidroit Principles und anders, als es zunächst den Anschein haben mag, halten die Principles of European Contract Law sehr wohl eine Sonderregelung für den Fall der anfänglichen Unmöglichkeit bereit, die ihn aus den übrigen Leistungsstörungen heraushebt. Art. 4:102 bestimmt zunächst, dass die anfängliche Unmöglichkeit (einschließlich der fehlenden Befugnis einer Partei, über den Vertragsgegenstand zu verfügen) nicht zur Ungültigkeit des Vertrages führt. 369 Allerdings soll dem Autorenkommentar zur zweiten Version der Principles of European Contract Law zufolge die Vorschrift des Art. 8:108, die an sich die Risikoverteilung für den Fall der Unmöglichkeit regelt, auf den Fall der anfänglichen Unmöglichkeit gerade nicht mehr anwendbar sein; bei der ersten Auflage hatte man dies noch genau umgekehrt gesehen, ohne dass die Gründe für den zwischenzeitlich eingetretenen Sinneswandel mitgeteilt würden?70 Nach dem Wortlaut von Art. 8: 108 sollte die Vorschrift aber eigentlich einschlägig sein, falls nicht von dem Schuldner "vemünftigerweise [... ] erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsschluss in Bedrücklich als Problem aufgeworfen, vgl. Unidroit 1990, Study L - Doc. 45, S. 5 f.; vgl. ferner die Diskussion auf dem Treffen der Informal Working Group in Rom 1990, Unidroit 1990, Study L - Misc. 15, S. 56 f., wo schließlich von Farnsworth vorgeschlagen wurde, sich am Text des CISG zu orientieren, weil man wohl kaum ein besseres Ergebnis erzielen werde. 368 Der Text der Bestimmung wird von Huber, Leistungsstörungen I, S. 540 Fn. 69 zwar korrekt zitiert; Schlussfolgerungen, die seine Theorie über die angebliche Trennung von anfanglichen und nachträglichen Leistungshindernissen in den Unidroit Principles in Frage stellen würden, zieht Huber daraus indes nicht. 369 Anders Brüggemeier/Reich, BB 2001, 216, denen zufolge die anfängliche Unmöglichkeit laut Art. 4: 102 Principles of European Contract Law als Vertragsaufhebungsgrund behandelt werde; möglicherweise beruht dies auf der missverständlichen Formulierung in PECL Autorenkommentar Art. 4: 102 Note a. E. 370 PECL Autorenkommentar Art. 8: 108 B ("This situation is not covered by Artiele 8:108"); insoweit zutreffend Huber, ZIP 2000, 2143. Dagegen hieß es an der entsprechenden Stelle der ersten Ausgabe (dort zu Art. 3.108), das Leistungshindernis könne auch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden haben; in diesem Fall sei der Vertrag nicht nichtig. Eine Erklärung für diese Diskrepanz wird nicht gegeben. Möglicherweise hängt die geänderte Einstellung damit zusammen, dass man die nunmehr geschaffene Möglichkeit der Anfechtung wegen Irrtums für eine lex specialis hält. Uberholt daher Hornung, S. 104 ("auch die anfangliehe objektive Unmöglichkeit der Leistung" könne "unter Umständen ein impediment" sein), Grunewald, JZ 2001, 434, und Fischer, S. 259.
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tracht zu ziehen". Im Übrigen kann die Folgerung aus der Neufassung des Autorenkommentars nur sein, dass jede Partei grundsätzlich für ihr Leistungsvermögen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses einzustehen hat. Nur dort, wo eine Partei zur Anfechtung wegen Irrtums berechtigt ist, kann sie sich aus der Haftung befreien; in Betracht kommt hier vor allem Art. 4: l03(1)(a)(iii), der außerhalb der anfänglichen Unmöglichkeit auch keinen klar erkennbaren Anwendungsbereich hat. 371 Freilich haftet eine Partei auch hier, wo "das Risiko des Irrtums von ihr übernommen wurde oder nach den Umständen von ihr getragen werden sollte" (Art. 4: 103 (2)(b» - eine augenscheinlich äußerst wertungsoffene Einschränkung?72 Hier kann man letztlich hineinlesen, was man will: eine Einladung, die von manchen Autoren offensichtlich dankbar aufgegriffen worden ist. 373 VI. Nachträgliche, von keiner Seite zu vertretende Leistungshindernisse
Nachträgliche Entwicklungen, die die Leistung einer Partei unmöglich machen oder wesentlich erschweren, ohne dass dies von einer der Parteien zu verantworten wäre, stellen die Planungsfunktion schuldrechtlicher Verträge auf eine besondere Bewährungsprobe. Einerseits entspricht es dem Sinn der vertraglichen Bindung, dass jede Partei das Risiko einer Leistungserschwerung grundSätzlich selbst trägt und damit ungeachtet derartiger nachträglicher Entwicklungen weiter für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen 371 Vgl. dazu PECL Autorenkommentar Art. 4:103 F, insbesondere Illustration 5, und G. 372 Vgl. PECL Autorenkommentar Art. 4:103 G Illustration 7; ähnlich auch PECL Autorenkommentar Art. 4: 102 Illustration mit einem Fallbeispiel, das offensichtlich an McRae v. Commonwealth Disposals Commission (1950) 84 c.L.R. 377 (High Court of Australia) angelehnt ist. In dem in PECL Autorenkommentar Art. 4: 103 F Illustration 5 geschilderten Fall soll Irrtumsanfechtung vermutlich deshalb möglich sein, weil die Vermieterin des Ferienhauses, das vor Vertragsschluss abgebrannt ist, nicht gewerbsmäßig vermietet hat; klar ausgesprochen wird dies jedoch nicht. PECL Autorenkommentar Art. 4: 103 J Illustration 10 begrundet das gegenteilige Ergebnis mit der Gewerbsmäßigkeit der Vermietung, aber auch mit der überlegenen Informationsmöglichkeit des Vermieters. 373 Ein Beispiel sind die Ausführungen von Huber, ZIP 2000, 2143 und 2280 f. Auch Brüggemeier/Reich, BB 2001, 216, behaupten unter Berufung auf Art. 4: 102, aber ohne nähere Begrundung, bei "Vermeidbarkeit des überflüssigen Vertragsschlusses" sei nach den Principles of European Contract Law "der Vertrauensschaden des anderen zu ersetzen"; im Umkehrschluss ergebe sich, dass derjenige, der sich zu einer subjektiv unmöglichen Leistung verpflichte, grundsätzlich gebunden bleibe. Hornung, S. 358, begruBt, dass die Frage "dem Recht der Leistungsstörungen" zugeordnet werde; Fischer, S. 269 Fn. 637, fordert dagegen, "Irrtums- und Entlastungsregeln" sollten "unterschiedliche Anwendungsbereiche zugewiesen werden".
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
aus dem Vertrag haftet. Andererseits kann es ausnahmsweise Fälle geben, in denen diese Risikoverteilung ungerecht erscheint, weil man billigerweise von keiner der Parteien erwarten konnte, die spätere Entwicklung in ihre Kalkulationen einzubeziehen. Besonders offensichtlich ist das bei den großen sozialen Katastrophen wie Krieg, Revolution oder Hyperinflation; auf die konkrete Vertragsbeziehung können sich aber auch lokalisiertere Ereignisse wie Streiks oder staatliche Verbote ähnlich katastrophal auswirken. Die Parallelen zum Irrtum und zur anfänglichen Unmöglichkeit liegen auf der Hand: Warum es einen praktischen Unterschied machen sollte, ob das vermietete Haus fünf Minuten vor Vertragsunterzeichnung vom Blitz getroffen wird und ausbrennt oder erst fünf Minuten danach, liegt nicht unbedingt auf der Hand. 374 Dass eine Vertragspartei kontrollieren kann, ob sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Leistung imstande ist, spätere Entwicklungen aber nicht unbedingt beherrschen kann, stellt zwar eine grundsätzlich plausible Vermutung dar, die aber nicht notwendigerweise zutreffen muss. Ein angemessenes Gleichgewicht zwischen einem allzu starren Festhalten an einer vertraglichen Planung, die auf die geänderten Verhältnisse nicht mehr recht passt, und einer allzu konturenlosen Billigkeitsrechtsprechung zu finden, ist allerdings nicht leicht. Auch die Rückabwicklung läuft in dieser Fallgruppe häufig in Wirklichkeit auf eine Anpassung des Vertrages hinaus - eine Aufgabe, für die sich allgemeine Regeln natürlich kaum kodifizieren lassen. 1. Englisches Recht a) Abgrenzung zwischen frustration und breach of contract Im englischen Recht lässt sich das Schwanken der Rechtsprechung bei dem Versuch, eine sachgerechte Lösung zu finden, gut an der besonders gewundenen historischen Entwicklung ablesen, die schon oft dargestellt worden ist. 375 Diese Entwicklung lässt sich wie folgt skizzieren: Während die Rechtsprechung im 17. Jahrhundert zunächst von dem Postulat ausging, dass jede Seite die Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtungen garantiere und deshalb bei Nichterfüllung ohne Entschuldigungsmöglichkeit hafte (so genannte doctrine of absolute contracts),376 wurde diese strenge 374 J. C. Smith, (1994) 110 L.Q.R. 401, meint, dass "it would be astrange law which did not apply the same principles to the two situations". 375 In deutscher Sprache vgl. etwa Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 652-654, Treitel, Unmöglichkeit, "Impracticability" und "Frustration", S. 3 ff., sowie neuerdings Hammer, S. 17 ff. 376 Berühmt ist vor allem der Fall Paradine v. Jane (1647) Aleyn 26, hier zitiert nach Treitel, Unmöglichkeit, "Impracticability" und "Frustration", S. 3, in dem ein unglücklicher Pächter von einer Bürgerkriegsarmee aus seinem Besitz vertrieben
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Regel von Blackburn J. im Court of Queen's Bench im Fall Taylor v. Caldwell 377 dadurch aufgeweicht, dass für eine Befreiung nicht mehr eine ausdrückliche Freizeichnung gefordert wurde. Vielmehr sollte ein Vertrag, dessen Erfüllung von der Existenz einer bestimmten Person oder Sache abhängt, aufgrund einer implied condition automatisch aufgehoben werden, wo die Person stirbt beziehungsweise die Sache ohne Verschulden einer Partei untergeht (doctrine of frustration). Gemeint war allerdings nur, dass beide Parteien automatisch von der weiteren Leistung befreit werden; eine Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen war nicht vorgesehen. Diese Rechtsprechung wurde dann in den bereits erwähnten Krönungszugfällen über die Unmöglichkeit im eigentlichen Sinn hinaus auf den Wegfall eines von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzten Zwecks ausgedehnt. Wie ebenfalls schon diskutiert,378 hing die Position der Parteien davon ab, ob der Fälligkeitstermin für die Leistung der einen Partei vor oder nach dem Ereignis lag, das die weitere Vertragsausführung unmöglich oder sinnlos machte. 379 Diese Einschränkung wurde erst im Fall Fibrosa Spolka Akcyjna v. Fairbairn Lawson Combe Barbour Ltd. 380 überwunden. Auch danach blieben allerdings Unvollkommenheiten der Rechtslage zurück, die nach Ansicht des House of Lords in Fibrosa nur vom Gesetzgeber bereinigt werden konnten: Eine Rückabwicklung war nur möglich, wenn eine total failure of consideration vorlag, also der Leistungsaustausch ganz einseitig geblieben war; außerdem konnten die Parteien Aufwendungen, die sie zum worden war; das Gericht verurteilte ihn dennoch zur Zahlung des vereinbarten Pachtzinses. Zu Grenzen und Kritik der doctrine of absolute contracts vgl. Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgieich in Europa I, Kap. 3 Rn. 652. 377 (1863) 3 B. & S. 826, hier zitiert nach Treite!, Unmöglichkeit, "Impracticability" und "Frustration", S. 7. 378 Vgl. oben Teil 1 A.II.2.c) bei Fn. 98, 99. 379 Vgl. einerseits Krell v. Henry [1903] 2 KB. 740 (Befreiung des Mieters, dessen Mietzahlung erst nach Absage des Krönungszuges fällig wurde) und Chandler v. Webster [1904] I KB. 493 (keine Befreiung, sondern fortbestehende Zahlungspflicht, da Fälligkeitstermin vor Absage). Diese Rechtsprechung wurde wenig später bereits in Cantiare San Rocco S.A. v. Clyde Shipbuilding & Engineering Co. Ltd. [1924] A.c. 257 - einer Entscheidung des House of Lords, die allerdings schottisches Recht betraf - kritisiert. Anzumerken ist, dass keineswegs in allen der Krönungszugfälle frustration angenommen wurde, vgl. Herne Bay Steam Boat Co. v. Hutton [1903] 2 KB. 683, wo ein Schiff gemietet worden war, um die Marineparade aus Anlass der Krönung zu sehen, die wegen der Erkrankung des Königs ebenfalls abgesagt wurde; der Court of Appeal lehnte - in identischer Besetzung wie in Krell v. Henry - frustration ab. Ob der Unterschied darin zu sehen ist, dass die Schiffspartie auch ohne Marineparade unterhaltsam sein mochte, während der Blick aus dem gemieteten Fenster uninteressant war, wenn kein Krönungszug stattfand, ist ungewiss. 380 [1943] A.c. 32; zur Bedeutung dieser Entscheidung vgl. bereits oben Teil 2 A.1.2.b)(1).
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
Zwecke der Vertragserfüllung gemacht hatten, dem Rückgewähranspruch der anderen Seite nicht entgegensetzen. Auf diesen Hinweis des House of Lords reagierte das Parlament innerhalb weniger Monate mit dem Erlass des Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943. Seither ist die Rechtslage im Wesentlichen unverändert geblieben; allerdings bestehen erhebliche Ungewissheiten im Hinblick auf die Auslegung des Gesetzes, zumal Rechtsprechung dazu - wie noch zu zeigen sein wird - nur in spärlichem Umfang existiert. Eine wichtige Besonderheit des englischen Rechts ist der Umstand, dass frustration auf einem Alles-oder-Nichts-Prinzip beruht: Tritt sie ein, dann ist der Vertrag damit automatisch beendet. 381 Eine Anpassung von Dauerschuldverhältnissen an die neue Lage ist nicht möglich. 382 Diese einschneidende Rechtsfolge mag erklären, warum die Gerichte alles in allem nur selten von frustration ausgehen. Allerdings scheint die Tendenz der Gerichte nach dem Zweiten Weltkrieg ohnehin eher darauf hinauszulaufen, die Wirksamkeit des Vertrages zu verteidigen. In Davis Contractors v. Fareham Urban District CouncU383 wollte sich die klagende Baufirma auf frustration berufen, weil die von ihr ausgeführte Errichtung von Sozialwohnungen wegen eines unerwarteten Mangels an qualifizierten Arbeitskräften statt acht Monaten nahezu zwei Jahre gedauert hatte. Da die Baufirma ihre Seite des Vertrages bereits in vollem Umfang erfüllt hatte, ging es ihr nicht um Befreiung von ihren Leistungspflichten, sondern im Kern um eine Anpassung ihrer Vergütung an die nunmehr üblichen Sätze - ein Ansinnen, auf das sich das House of Lords nicht einließ. Während diese Entscheidung schwer zu kritisieren ist - dass die Bauarbeiten länger dauern als erwartet und dass die Vergütung in diesem Fall nicht mehr kostendeckend sein mag, dürfte in der Tat zum Kern der in Ermangelung abweichender Vereinbarungen vom 381 Die Rechtsfolge tritt grundsätzlich unabhängig von einer Erklärung und sogar vom Willen der Parteien ein. Allerdings gibt es Ausnahmen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, vgl. etwa die nächste Fn. sowie F. C. Shepherd & Co. Ltd. v. Jerrorn [1987] Q.B. 301: frustration eines Arbeitsvertrages durch Inhaftierung des Arbeitnehmers; es ist Sache des Arbeitgebers, ob er dem Arbeitnehmer kündigen oder den Vertrag fortsetzen will. 382 Vgl. in diesem Zusammenhang Staffordshire Area Health Authority v. South Staffordshire Waterworks [1978] 1 W.L.R. 1387, wo sich ein Wasserwerk im Jahre 1919 dazu verpflichtet hatte, ein Krankenhaus "at all tirnes hereafter" zu einem Preis von f 0,029 je 1.000 Gallonen (was rund 4 m3 entspricht) zu beliefern. Im Jahre 1975 kündigte das Wasserwerk den Vertrag, weil die normale und kostendeckende Rate mittlerweile bei f 0,45 lag. Der Court of Appeal hielt die Kündigung für wirksam; allerdings ist zweifelhaft, ob es sich überhaupt um einen Fall der frustration handelt. Vgl. ferner Schanze, S. 155, der betont, dass die Möglichkeit von Neuverhandlungen in der englischen Vertragsrechtsliteratur zwar kaum erwähnt, in der Praxis aber häufig genutzt werde. 383 [1956] A.c. 696.
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Bauunternehmer zu tragenden Risiken zählen _,384 erscheint die Tendenz, auch bei den Fällen im Zusammenhang mit der Sperrung des Suez-Kanals frustration abzulehnen, problematischer, auch wenn sich die einzelnen Entscheidungen aufgrund der jeweiligen Umstände des Falles erklären lassen. 385 Fragwürdig erscheint es auch, wenn dem Käufer eines Gebäudes das Risiko auferlegt wird, dass dieses ungefähr zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter Denkmalschutz gestellt wird, obwohl bei den Parteien bekannt ist, dass der Käufer das Gebäude abreißen und das Grundstück neu bebauen lassen will?86 Zuweilen hat die Rechtsprechung die Parteien trotz geradezu grotesker Leistungserschwerungen an ihren vertraglichen Pflichten festgehalten. In Libyan Arab Foreign Bank v. Bankers Trust CO. 387 begehrte die Klägerin Auszahlung eines in England geführten Guthabens in Höhe von US$ 292 Mio. Die Bank wandte Unmöglichkeit ein: Angesichts des Volumens ließ sich die Transaktion nur mit Hilfe des amerikanischen Zahlungsnetzes ausführen; damit hätte sich die Bank jedoch in den USA wegen eines dort verhängten Embargos gegen libysche Unternehmen strafbar gemacht. Staughton J. war der Ansicht, dass man dies der Bank zwar in der Tat nicht zumuten könne; nichtsdestoweniger blieb die Bank zur Leistung verpflichtet, weil ihr zumindest die theoretische Möglichkeit offen stand, sich in den USA ganz legal $ 292 Mio. in bar zu beschaffen, diese Summe per Schiff oder Flugzeug über den Atlantik zu transportieren und sie dort an die Klägerin auszuhändigen. Das Gericht war sich dabei durchaus bewusst, dass ein solcher Transport erhebliche Logistik- und Sicherheitsprobleme aufwerfen müsste, hielt diesen Umstand jedoch nicht für ausschlaggebend. 388 So auch ausdrücklich Lord Reid, [1956] AC. 724. Vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere Tsakiroglou & Co. Ltd. v. Noblee Thorl GmbH [1962] AC. 93, der einen Kaufvertrag über sudanesische Erdnüsse betraf, die nach Hamburg verschifft werden sollten; nach Ansicht des House of Lords war der Umstand, dass die Erdnüsse den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung nehmen mussten, nicht schwerwiegend genug, um eine Auflösung des Vertrages herbeizuführen. In diesem Fall war u. a. entscheidend, dass es sich um einen cif-Vertrag handelte, bei dem der Verkäufer grundsätzlich ohnehin das Risiko einer Steigerung der Transportkosten zu tragen hat, vgl. dazu Treitel, Unmöglichkeit, "Impracticability" und "Frustration", S. 48 f., und Atiyah, Introduction, S. 240. In Ocean Tramp Tankers Corporation v. VIO Sovfracht (The Eugenia) [1964] 2 Q.B. 226 (C.A) war u. a. entscheidend, dass sich die Parteien bei ihren Verhandlungen der Möglichkeit einer Sperrung des Kanals bewusst gewesen waren, darüber aber keine Einigkeit hatten erzielen können, und dass die Charterer das Schiff nicht an der Reise nach Port Said gehindert hatten, obwohl die Umgebung des Kanals bereits zur Gefahrenzone erklärt worden war. 386 Amalgamated Investment & Property Co. v. lohn Walker & Sons [1977] 1 W.L.R. 164. 387 [1989] Q.B. 728. 384 385
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
Besonderheiten ergeben sich beim Stückkauf. Beim Kauf beweglicher Sachen führt nach der Auslegungsregel in s. 18 Rule 1 Sale of Goods Act 1979 regelmäßig bereits der Abschluss des Kaufvertrages zum Eigentumsübergang; damit geht nach s. 20(1) Sale of Goods Act im Zweifel auch die Gefahr auf den Käufer über. Handelt es sich beim Käufer allerdings um einen Verbraucher, dann tritt der Gefahrübergang neuerdings erst mit Übergabe ein?89 Beim Grundstückskauf wird der Käufer - wie erwähnt _390 sogleich Eigentümer in equity, was ebenfalls einen Gefahrübergang bereits mit Vertragsschluss nach sich zieht. In solchen Fällen scheidet die Möglichkeit einer frustration also von vornherein aus. Das kann für den Käufer, der möglicherweise noch gar nicht in Besitz der Sache ist, harsche Folgen haben, die allerdings durch die Möglichkeit einer Versicherung gemildert werden?91 Unter Berufung auf den Fall Paradine 392 und angesichts des Umstandes, dass auch ein lease nach englischem Recht ein dingliches Recht gewährt, hat man lange auch dem Mieter oder Pächter die Berufung auf frustration verweigern wollen. Das House of Lords hat inzwischen jedoch klargestellt, dass frustration bei einem lease keineswegs grundsätzlich ausgeschlossen ist, allerdings nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommt. 393 Auch über den Stückkauf hinaus kommt es beim Kaufvertrag für die Abgrenzung zwischen breach of contract und frustration entscheidend auf die 388 Für eine ausführliche Diskussion der Frage, ob es jemals frustration nach sich ziehen kann, wenn sich die Kosten der Leistung erhöhen, vgl. Beatson, Increased Expense, S. 121 ff. 389 So die neue s. 20(4) des Sale of Goods Act, eingefügt durch reg. 4 der Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 (S.1. 2002 No. 3045) mit Wirkung zum 31.03.2003. 390 Oben Teil 2 AIV. bei Fn. 334. 391 Zu den Voraussetzungen eines insurable interest und zu den ggf. eintretenden Legalzessionen beim Kauf beweglicher Sachen vgl. Goode, Commercial Law, S. 269 f.; beim Kauf von Grundstücken sieht s. 47 Law of Property Act 1925 eine Legalzession von Ansprüchen des Verkäufers gegen seine Versicherung an den Käufer vor. 392 (1647) Aleyn 26. 393 National Carriers Ltd. v. Panalpina (Northern) Ltd. [1981] AC. 675. Im konkreten Fall führte der Umstand, dass die einzige Zufahrtsstraße zu dem auf zehn Jahre gemieteten Lagerhaus 20 Monate lang gesperrt war, nicht zur frustration. Nach Ansicht von Atiyah, Introduction, S. 234 f., soll frustration in Betracht kommen, wenn etwa neu eingeführte Baubestimmungen die beabsichtigte Nutzung des Grundstückes vereiteln, nicht aber, wenn das gemietete Haus lediglich abbrennt. Vgl. aber Cricklewood Property and Investment Trust Ltd. v. Leighton's Investment Trust Ltd. [1945] AC. 221, wo ein 99-jähriger building lease infolge kriegsbedingter Bauverbote vorübergehend nicht genutzt werden konnte; frustration wurde abgelehnt, weil absehbar gewesen sei, dass die Beeinträchtigungen durch den Krieg nur während eines geringen Bruchteils der Laufzeit anhalten würden.
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vom Kaufrecht vorgesehene Gefahrverteilung an. In Vitol S.A. v. Esso Australia Ltd. (The Wise 194 sollten 27.500 Tonnen Treibstoff per Schiff nach Melbourne geliefert werden, wobei Eigentum und Risiko mit Beladung des Schiffs auf den Käufer übergehen sollten. Das Schiff, das in Wirklichkeit nur mit 26.895 Tonnen beladen war, wurde im Persischen Golf von einer Exocet-Rakete getroffen. Das Gericht entschied, dass dem Verkäufer kein Kaufpreisanspruch zustehe: Wegen des Quantitätsmangels hätte der Käufer den Treibstoff zurückweisen können; er sei deshalb nicht endgültig Eigentümer geworden, so dass er auch nicht das Risiko tragen müsse. Zum gleichen Ergebnis hätte es wohl geführt, wenn das Schiff zuviel Treibstoff geladen hätte. 395 Erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten stellten sich dagegen in Comptoir d'achat et de vente du Boerenbond Beige S.A. v. Luis de Ridder Limitada (The Julia),396 wo die Beklagte der Klägerin im April 1940 fünfhundert Tonnen Roggen cif Antwerpen verkauft hatte. Wie zwischen den Parteien üblich, erhielt die Klägerin eine Benachrichtigung über die Versendung des Roggens und zahlte daraufhin den Kaufpreis. Während sich das Schiff noch auf See befand, wurde Belgien von den deutschen Truppen besetzt. Zwischen den Schiffseignern und der Beklagten, aber ohne Kenntnis der Klägerin, wurde vereinbart, das Schiff nach Lissabon umzuleiten, wo der Roggen zu einem niedrigeren Preis verkauft wurde. Die Beklagte bot Auskehr des Verkaufserlöses an, die Klägerin bestand jedoch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Im Gegensatz zum Court of Appeal, nach dessen Ansicht es an einer total failure of consideration fehlte, weil die Klägerin bereits in den Besitz von Frachtdokumenten gekommen war, entschied das House of Lords, dass das Risiko noch nicht auf die Klägerin übergegangen war; es lag also gar kein wirklicher cif-Vertrag vor. 397 Auch die Tatsache, dass die Beklagte im Rahmen früherer Vertragsabwicklungen bereits zweimal Versicherungssummen an die Klägerin ausgezahlt hatte, änderte an der Entscheidung nichts. Wird die Erfüllung allerdings durch eine Katastrophe vereitelt, die nicht offensichtlich in den Risikobereich einer der Parteien fällt, dann muss der Gläubiger Verschulden des Schuldners nachweisen. In Joseph Constantine Steamship Line Ltd. v. Imperial Smelting Corp. Ltd. 398 wurde die Erfüllung eines Vertrages über die Lieferung von Erzen von Port Pirie in Australien [1989] 1 Lloyd's Rep. 96 (Cornm. Ct.). Vgl. Mustill J. in Karlshamns Oljefabriker v. Eastport Navigation Co. Ltd. (The Elafi) [1981] 2 Lloyd's Rep. 679 und dazu Ulph, [1998] L.M.C.L.Q. 5. 396 [1949] A.c. 293. 397 Kritisch McMeel, S. 136 f. ("appears to be motivated by adesire to allow the 394 395
buyer to recoup the price for goods which were never physically delivered"). 398
[1942] A.C. 154.
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
nach Europa dadurch unmöglich gemacht, dass auf dem Schiff noch vor der Ankunft in Port Pirie eine heftige Explosion stattfand. Die Ursache der Explosion ließ sich nicht aufklären. Die Klägerin machte erfolglos geltend, die Beklagte müsse nachweisen, dass sie an der Explosion schuldlos sei. Nach Ansicht des Gerichts war die Unaufklärbarkeit der Unfallursache frustration gleichzustellen. b) Rechtsfolgen von frustration nach Common Law Das vom Common Law vorgesehene Rückabwicklungsregime für den Fall der frustration kann - wie schon erwähnt - zu erheblichen Unzuträglichkeiten führen. In Appleby v. Myers 399 hatte sich der Kläger verpflichtet, in der Fabrik des Beklagten Maschinen aufzubauen. Ein Teil der Maschinen war bereits errichtet, als ein Feuer die Fabrik zerstörte. Während der Court of Common Pleas dem Kläger noch mit der Annahme helfen wollte, der Vertrag enthalte einen implied term, dass der Beklagte eine intakte Fabrik für die Arbeiten zur Verfügung stellen müsse, entschied die Exchequer Chamber, dass beide Parteien durch den Brand von ihren Vertragspflichten frei würden; selbst wenn die eingebauten Maschinen bereits Eigentum des Beklagten geworden seien, so Blackbum J., sei dieser nicht zur Vergütung verpflichtet, weil nach dem Inhalt des Vertrages der Werklohn erst mit Fertigstellung fällig werde. An diesem Ergebnis hätte auch die spätere Entscheidung des House of Lords in Fibrosa Spolka Akcyjna v. Fairbaim Lawson Combe Barbour Ltd. 4OO nichts geändert; dort wurde lediglich die Rückgewähr erbrachter Geldleistungen für den Fall einer total failure of consideration infolge frustration zugelassen, nicht aber eine Vergütung von Werkleistungen eingeführt. Der Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943, der den Mängeln des Common Law abhelfen sollte, gilt allerdings nicht für alle Arten von Verträgen. Ausgenommen sind nach s. 2(5) des Gesetzes bestimmte Arten von Charterverträgen, für Versicherungsverträge und für Kaufverträge über Speziessachen, bei denen frustration durch Untergang der Kaufsache vor Gefahrübergang eintritt, was angesichts der Regelungen des Sale of Goods Act 1979 über den Eigentums- und Gefahrübergang, auf die bereits hingewiesen worden ist, nur dann in Betracht kommt, wenn sich die Speziessache bei Vertragsschluss nicht in einem deliverable state befindet oder die Parteien ausdrücklich eine Vereinbarung getroffen haben, die den Gefahrübergang hinausschiebt. Für den zuletzt genannten Fall sind die CommonLaw-Regeln über frustration in s. 7 Sale of Goods Act 1979 kodifiziert. 401 399 400
(1867) L.R. 2 c.P. 651. [1943] A.C. 32.
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Danach soll avoidance eintreten, wenn bei einem Kaufvertrag über Speziessachen diese, "without any fault on the part of the seiler or buyer, perish before the risk passes to the buyer." Gemeint ist nicht eine rückwirkende Aufhebung des Vertrages, sondern der Wegfall der beiderseitigen Leistungspflichten: Der Verkäufer braucht nicht mehr zu liefern (da die definitionsgemäß einzig erfüllungstaugliche Sache nicht mehr existiert, kann er dies auch gar nicht mehr), der Käufer nicht mehr zu zahlen. Die Tatsache, dass die Bestimmung einerseits allgemein von "the risk" spricht, andererseits aber nur eine Regelung für das Risiko eines Untergangs der Sache enthält, hat zu Diskussionen darüber geführt, wie bei anderen unvorhersehbaren Leistungshindernissen zu verfahren ist. 402 Nach der Formulierung des Gesetzes ist jedoch davon auszugehen, dass in solchen Fällen das Rückabwicklungsregime des Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 Anwendung findet. 403 c) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 Nach den Regelungen des Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 können vor Eintritt der frustration erbrachte Geldzahlungen als money had and received zurückgefordert werden (s. 1(2)); spätere Zahlungen werden nicht geregelt, allerdings dürften insoweit die üblichen Regeln des Bereicherungsrechts eingreifen. 404 Das Gericht kann jedoch nach dieser Vorschrift, "iJ it considers it just to do so having regard to all the circumstances of the case", einen Abzug für Aufwendungen ("expenses") vornehmen, die der Schuldner vor Vertragsbeendigung "in, or for the purpose of, the performance of the contract" gemacht hat. Wie dieses weite Ermessen auszuüben ist, ist unklar. 405 401 Vgl. dazu Diamond, S. 261 f., sowie in deutscher Sprache - allerdings etwas oberflächlich - Hammer, S. 26 f. 402 Vgl. den erwähnten Fall Comptoir d'achat et de vente du Boerenbond Beige S.A. v. Luis de Ridder Limitada (The Julia) [1949] A.C. 293: Besetzung des Zielhafens Antwerpen durch die Deutschen. Nach Ansicht von Atiyah/Adams, S. 307, gilt dasselbe wie bei s. 6 Sale of Goods Act 1979, wo die Frage allerdings ebenfalls Schwierigkeiten bereitet (vgl. oben unter Teil 3 D.V.1). 403 Vgl. - auch zu anderen Eigentümlichkeiten von s. 2(5) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 - Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 655 Fn. 1863 m. w. N. 404 So Goff/Jones, S. 558 f., Tettenbom, Rn. 6-49 Fn. 111, und Virgo, S. 377. 405 Nach Ansicht von Robert Goff J. in BP Exploration Co. (Libya) Ltd. v. Hunt (No. 2) [1979] 1 W.L.R. 800 sollte damit ein Entreicherungseinwand (change of position) kodifiziert werden, was die Folge hätte, das Risiko der Nutzlosigkeit solcher Aufwendungen in vollem Umfang dem Zahlenden aufzuerlegen; kritisch McKendrick, Frustration, Restitution, and Loss Apportionment, S. 156-158, Burrows, Law of Restitution, S. 284 f. und Virgo, S. 378 f. Auch Atiyah/Adams,
400
3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
Für Leistungen, die nicht in einer Geldzahlung an die andere Partei bestehen,406 ennöglicht s. 1(3) einen Ausgleich, soweit solche Leistungen dem Schuldner ein "valuable benefit" gebracht haben. Allerdings steht auch dieser Anspruch wiederum unter dem wertungsoffenen Vorbehalt, dass ihn das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles für ,just" hält; zu berücksichtigen sind insbesondere Aufwendungen, die der Empfanger des valuable benefit seinerseits gemacht hat, und Ausgleichszahlungen, die er an die andere Partei entrichten muss. Ausdrücklich ausgeschlossen ist nach s. 1(5) eine Berücksichtigung von Leistungen einer Versicherung, es sei denn, dass aufgrund Gesetzes oder ausdrücklicher Vereinbarung im Vertrag eine Pflicht zu deren Abschluss bestand. In der Literatur werden die Regelungen des Gesetzes überwiegend kritisiert, weil sie eindeutige Kriterien vennissen lassen, nach denen sich der Ausgleich zwischen den Parteien richten soll.407 Der Mangel an Präzedenzentscheidungen wirkt sich ebenfalls nicht sonderlich hilfreich aus: Seit Erlass des Gesetzes vor nahezu sechzig Jahren sind lediglich zwei Urteile bekannt geworden, in denen es auf seine Auslegung ankam. Der erste dieser Fälle - dem deshalb besonderes Gewicht zukommt, weil die erstinstanzliche Entscheidung von Robert Goff J., dem späteren Lord Goff, stammt - ist BP Exploration Co. (Libya) Ltd. v. Hunt (No. 2y4°8. In diesem Fall befand sich der Beklagte, ein texanischer Unternehmer, im Besitz einer Ölförderkonzession in Libyen, verfügte jedoch selbst nicht über die Mittel, das entsprechende Wüstenstück zu explorieren und gegebenenfalls auszubeuten. Er vereinbarte deshalb mit dem klagenden ÖlunternehS. 316, meinen, es habe wenig Sinn, den Verlust lediglich von einer Seite auf die andere zu verlagern. Für Abzug nur der halben Aufwendungen im Hinblick auf die zwischen den Parteien bestehende Gefahrengemeinschaft, soweit sich nicht eine andere Verlustverteilung geradezu aufdrängt, bereits Williams, S. 36; ähnlich McMeel, S. 162 (außer, wo es sich um eine joint venture handelt, bei der typischerweise ohnehin beide Parteien Aufwendungen machen). Gegen hälftige Verlustteilung als allgemeine Regel aber wiederum Burrows, S. 286 f., sowie in der Rechtsprechung Gamerco S.A. v. I.C.M./Fair Warning (Agency) Ltd. [1995] 1 W.L.R. 1226 (Garland 1.). 406 Ob dies auch Geldzahlungen an einen Dritten erfasst, ist unklar, dafür Tettenborn, Rn. 6-50, zweifelnd, ob nicht doch s. 1(2) eingreift, dagegen Williams, S. 33 f. 407 McKendrick, Frustration, Restitution, and Loss Apportionment, S. 154, kritisiert die "inadequate discussion and analysis 0/ the relevant issues" und findet "a number 0/ shortcomings [... ] in the structure 0/ the Act". Zu der Tatsache, dass andere Common-Law-Länder dem englischen Vorbild nicht gefolgt sind, vgl. dort S. 165-169 sowie Goff/Jones, S. 576, und Virgo, S. 388-390. McMeel, S. 168, hält es sogar regelmäßig für ratsam, die Bestimmungen des Gesetzes abzubedingen (was nach s. 2(3) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 zulässig ist). 408 [1979] I WLR. 783 (Robert Goff J.).
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men, dass dieses die nötigen Investitionen tätigen und ihn in der Anlaufphase mit Geld und Öllieferungen unterstützen sollte; im Gegenzug übertrug der Beklagte der Klägerin einen hälftigen Anteil an seiner Konzession und verpflichtete sich zu weiteren Zahlungen aus seinem Anteil an den erhofften Öleinnahmen. Ein Gesellschaftsvertrag war aus steuerlichen Gründen nicht erwünscht. Bald nachdem 1967 tatsächlich die Ölproduktion aufgenommen worden war, kam es zu politischen Umwälzungen in Libyen mit der Folge, dass 1971 zunächst die Klägerin, 1973 dann auch der Beklagte (allerdings gegen eine erhebliche Entschädigung) enteignet wurde. Erst ein Drittel des Wertes der von der Klägerin an den Beklagten erbrachten Leistungen waren zu diesem Zeitpunkt von ihr wieder erwirtschaftet worden. Dass die Enteignungen zu einer frustration des Vertrages zwischen den Parteien geführt hatten und dass der Klägerin grundsätzlich Ansprüche aufgrund des Law Reform (Frustrated Contracts) Act offen standen, lag auf der Hand; fraglich war allerdings, wie das "valuable benefit" zu bestimmen sei, das der Beklagte erhalten habe. Robert Goff J. hätte es für rechtspolitisch wünschenswert gehalten, die Dienstleistungen der Klägerin selbst als benefit einzustufen, hielt dies jedoch für ausgeschlossen, soweit es sich um Dienstleistungen handelte, die ihrer Natur nach kein Endprodukt hinterlassen. 409 Soweit er ein solches Endprodukt identifizieren konnte - nämlich den Wertzuwachs, den die Ölkonzession des Beklagten dadurch erhalten hatte, dass tatsächlich Öl entdeckt worden war -, war der Vorteil daraus durch die Enteignung freilich wieder entwertet worden. Die Ansprüche der Klägerin beschränkten sich also auf die Öleinnahmen, die dem Beklagten zugeflossen waren, sowie auf die Enteignungsentschädigung, wobei die dadurch entstehende Bereicherung nach Einschätzung des Richters je zur Hälfte auf die Anstrengungen der Klägerin und auf den Besitz der Ölkonzession zurückzuführen war. Während der danach anrechnungsfahige Betrag bei $ 85 Mio. lag, hatte die Klägerin aber nur $ 35 Mio. an Investitionen und sonstigen Aufwendungen erbracht, und nur dieser niedrigere Wert wurde ihr als ,just sum" zugesprochen. 4 !O Im Endeffekt wurde die Klägerin also nur gegen Verluste aus dem durch frustration beendeten Vertrag geschützt; den bis zur Enteignung erzielten Gewinn konnte der Beklagte dagegen in vollem Umfang behalten. 411 409 [1979] 1 W.L.R. 802; zur Diskussion über diese Frage vgl. McKendrick, Frustration, Restitution, and Loss Apportionment, S. 161-163, Birks, Introduction, S. 251-253, und Virgo, S. 382. Kritisch zu den verschiedenen Diskussionspositionen aus deutscher Sicht Meier, S. 268-272. 410 Zustimmend Birks, Introduction, S. 254; kritisch dagegen Virgo, S. 388, der sich für eine breitere Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ausspricht. 411 Wenig hilfreich für die weitere Rechtsfindung verhielt sich in diesem Fall der Court of Appeal ([1981] 1 W.L.R. 232), der über Rechtsmittel gegen das Urteil von Robert Goff J. zu befinden hatte: Zwar kritisierte er zum Teil die Begründung 26 Coen
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
Auch die andere der beiden Entscheidungen, Gamerco S.A. v. I.C.M.I Fair Warning (Agency) Ltd.,412 trägt nur in bescheidenem Maße zu einem besseren Verständnis des Gesetzes bei. In diesem Fall klagte eine spanische Konzertagentur gegen den juristischen Arm der Rockgruppe Guns N'Roses, für die die Klägerin ein Konzert in Madrid hatte organisieren sollen. Vereinbart war, dass die Beklagte 90% des Nettoerlöses, mindestens aber $ 1,1 Mio. erhalten sollte. Weil das für das Konzert vorgesehene Stadion baupolizeilich gesperrt wurde und sich auf die Schnelle kein anderer Veranstaltungsort finden ließ, konnte die Gruppe nicht auftreten. Zum Zeitpunkt der Absage hatte die Klägerin bereits $ 412.500 Vorschuss an die Beklagte gezahlt und weitere $ 450.000 für die Vorbereitung des Konzertes und für Werbung investiert; die Aufwendungen der Beklagten wurden auf $ 50.000 geschätzt. Garland J. nahm frustration an, weil die Klägerin zwar das Risiko geringer Einnahmen übernommen habe, nicht aber das einer völligen Absage des Konzertes. Die Klägerin konnte aber lediglich Rückzahlung ihres Vorschusses von $ 412.500 verlangen, nicht hingegen Ersatz ihrer weiteren Aufwendungen; denn diese Aufwendungen hatten der Beklagten keinen bleibenden Vorteil gebracht, was nach den von Robert Goff J. in BP Exploration Co. (Libya) Ltd. v. Hunt (No. 2)413 aufgestellten Kriterien, denen Garland J. sich trotz aller Kritik anschloss, erforderlich gewesen wäre. Umgekehrt verweigerte das Gericht aber auch der Beklagten Ersatz ihrer Aufwendungen; dabei lehnte Garland J. sowohl den change-of-position-Gedanken, auf den sich Robert Goff J. gestützt hatte, als auch eine hälftige Teilung zwischen den Parteien, wie sie in der Literatur ihre Befürworter findet, ab und entschied sich für eine "broad discretion" zugunsten des entscheidenden Gerichts. Alles in allem lässt sich die Rechtslage in England also nur als wenig klar bezeichnen. Es fragt sich zudem, welchen Fortschritt gegenüber dem Common Law der Law Reform (Frustrated Contracts) Act gebracht haben soll, wenn Aufwendungsersatz nur in derart beschränktem Umfang zugesprochen werden kann und die Gerichte ihr Ermessen dahingehend ausüben, die Partei, die Aufwendungen gemacht hat, nicht an den Gewinnen zu beteiligen, die der anderen Partei dadurch zugeflossen sind. Das ist zu des angefochtenen Urteils, beschränkte sich aber im Ergebnis auf die Feststellung: "What is just is what the trial judge thinks is just" (S. 238, Lawton L.J.). Dies solle nur dann nicht gelten, wenn das Urteil der Tatsacheninstanz "is so plainly wrong that it cannot be just". Kritisch gegenüber dieser Verweigerung einer prinzipiellen Stellungnahme Goff/Jones, S. 562, und Birks, Introduction, S. 254 ("disappointing lack 0/ interest"). Zwar wurden weitere Rechtsmittel zum House of Lords eingelegt, die sich jedoch auf Randfragen - insbesondere die Frage der Zinsen - beschränkten. 412 [1995] I W.L.R. 1226 (Garland J.). 413 [1979] I W.L.R. 783.
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bedauern, weil man es nicht als sonderlich sachgerecht bezeichnen kann, wenn eine Partei, die sich zum Zwecke der Vertragserfüllung besonders "ins Zeug gelegt" hat, bestraft wird, falls der Vertrag infolge eines von keiner der Parteien zu beherrschenden Ereignisses scheitert.
2. Deutsches Recht Der Gesetzgeber des deutschen BGB hat geglaubt, den Schlüssel zur Lösung der hier interessierenden Probleme in Gestalt der - anscheinend Rechtsklarheit und -sicherheit verbürgenden - Begriffe der "Unmöglichkeit" und des "Vertretenmüssens" gefunden zu haben. Wie sich angesichts späterer Entwicklungen, insbesondere der sozialen Umwälzungen und Katastrophen, die sich im 20. Jahrhundert in Deutschland in besonderem Ausmaß ereignet haben, gezeigt hat, war dieser Glaube allerdings utopisch. Bei näherer Betrachtung verliert der Begriff der Unmöglichkeit seine scharf umrissene Konturierung: Vieles, was möglich sein mag, erscheint im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses schlechterdings unzumutbar. Daneben ist das richterrechtliche Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage geschaffen worden, um bei schwerwiegenden Veränderungen der Umstände eine Anpassung und notfalls auch Beendigung des Vertrages zu ermöglichen. a) Unmöglichkeit Nach dem bisher geltenden BGB war Grenze der Leistungsverpflichtung des Schuldners die nicht zu vertretende objektive oder subjektive Unmöglichkeit (§ 275 I, 11 BGB); damit entfiel zugleich die Gegenleistungspflicht des Schuldners (§ 323 I 1. HS. BGB) beziehungsweise minderte sich, soweit die Leistung nur teilweise unmöglich geworden war (§ 323 I 2. HS. BGB) oder der Gläubiger ein stellvertretendes commodum verlangte, wozu er nach § 281 I BGB berechtigt war. Für die Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen galt eine Rechtsfolgenverweisung auf Bereicherungsrecht (§ 323 III BGB). Diese Regelung wurde aus mehreren Gründen kritisiert. Wie bereits erwähnt, lässt sich bezweifeln, ob es sachgerecht war, dem Begriff der Unmöglichkeit eine so herausgehobene Stellung einzuräumen. 414 Daneben wurde die Verquickung von Unmöglichkeit und Vertretenmüssen als problematisch empfunden. 415 Ob diese Verknüpfung auf inzwischen überwundeVgl. oben Teil 2 A.II. Vgl. die amtliche Begründung des Schuldrechtsmodemisierungsgesetzes BTDrucks. 14/6040, S. 127. 414 415
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
nen dogmatischen Vorstellungen beruhte416 oder ob sie dem praktischen Zweck diente, gegen einen Schuldner, der nicht nachweisen kann, dass ihm die Leistung unmöglich geworden ist und dass er dies nicht zu vertreten hatte, sozusagen zur Probe die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen, ist zweifelhaft. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz behält - entgegen den Vorschlägen der Schuldrechtsreformkommission - den Verweis auf die Unmöglichkeit bei (§ 275 I BGB-neu),417 gesellt ihr aber als weiteren Befreiungstatbestand ein - im Unterschied zu § 275 I BGB-neu als Einrede ausgestaltetes - Leistungsverweigerungsrecht für den Fall zu, dass die Leistung "einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht", wobei ein Vertretenmüssen des Schuldners lediglich "auch zu berücksichtigen" ist (§ 275 11 BGBneu).418 Die Neuregelung weicht in den Formulierungen von den Vorschlägen der Schuldrechtsreformkommission ab, die entscheidend darauf abstellen wollte, zu welchen "Anstrengungen" der Schuldner bei der Erbringung der Leistung verpflichtet sei; soweit und solange er die Leistung nicht mit den geschuldeten Anstrengungen zu erbringen vermag, sollte er die Leistung verweigern können. 419 Obwohl sich die verabschiedete Fassung offensichtlich um eine weitere Präzisierung der verwendeten Begriffe bemüht hat, wird sie kritisiert, weil es sich um "nichts anderes als eine ausfüllungsbedürftige Generalklausei" handele, die "geeignet" sei, "die im deutschen Recht geltende Vertragsstrenge zu beeinträchtigen".42o Diese Kritik überzeugt nicht: Dass es Situationen gibt, in denen einem Schuldner die Leistung nicht zuzumuten ist, obwohl sie theoretisch weiterhin möglich bleibt, dürfte unstreitig sein; ebenso dürfte auf der Hand liegen, dass es kaum möglich sein dürfte, diese notwendigerweise heterogenen Situationen in einer glatt subsumtionsfähigen Formel zusammenzufassen. Während sich die Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht nach § 275 BGB-neu richtet, bestimmt sich die Haftung nach den §§ 280 I, 283 BGB. Danach braucht der Schuldner weiterhin keinen Schadensersatz zu leisten, wenn er den ihn befreienden Umstand nicht zu vertreten hat, 416 Vgl. Zimmer, NJW 2002, 2, der die Regelung auf das "klassisch-römischrechtliehe Prinzip der condemnatio pecuniaria" und die damit verknüpfte Vorstellung zurückführt, falls der Schuldner die Leistung nicht mehr schulde, könne ihn auch bei Vertretenmüssen keine Haftung treffen. 417 Zu den Gründen für diesen Sinneswandel vgl. oben Teil 2 B.lI. bei Fn. 416 f. 418 Zu einem weiteren Leistungsverweigerungsrecht bei persönlich zu erbringenden Leistungen vgl. § 275 III BGB-neu und oben Teil 2 B.II., Fn. 416. 419 Vgl. Bundesminister der Justiz, S. 120 f. 420 So die Formulierung von Zimmer, NJW 2002, 3.
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wofür er (wie bei § 282 BGB-alt) die Beweislast trägt. Auch im Hinblick auf die Herausgabe eines stellvertretenden commodums (jetzt in § 285 BGB angesiedelt) und auf die Befreiung von der Gegenleistungspflicht (§ 326 I, m BGB) bleibt im Ergebnis alles beim Alten, abgesehen davon, dass sich die Rückgewähr nicht mehr nach Bereicherungs-, sondern nach Rücktrittsrecht bestimmt (§ 326 IV BGB)421 und dass der Gläubiger - obschon ohnehin von seiner Leistungspflicht befreit - der Klarstellung halber auch den Rücktritt erklären kann (§ 326 V BGB). b) Störungen der Geschäftsgrundlage Wegfall der Geschäftsgrundlage kann zu einer Anpassung des Vertrages führen, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Vorrangig ist jedoch zu prüfen, ob sich dem Vertrag im Rahmen der (notfalls ergänzenden) Auslegung Regeln für die eingetretene Leistungsstörung entnehmen lassen. 422 Zudem kommt eine Anpassung nur in Betracht, wenn das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung erheblich gestört ist, wenn also einem Vertrags partner durch die nicht vorhergesehene veränderte Situation ein unzumutbares Opfer aufgebürdet würde; auf Umstände, die in den eigenen Risikobereich fallen, kann sich eine Partei nicht berufen. Die in Betracht kommenden Fallkonstellationen sind naturgemäß äußerst vielgestaltig. Im Bauvertragsrecht ist etwa an die Fälle zu denken, dass die Parteien bei der Festlegung eines Pauschalpreises einem gemeinsamen Irrtum bezüglich der Mengen zum Opfer gefallen sind oder dass nicht zu erwartende Schwierigkeiten bei der Bauausführung auftreten,423 aber auch etwa, dass sich das Grundstück als unbebaubar erweist. 424 Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sind - mit den von der Schuldrechtsreformkommission vorgeschlagenen Formulierungen - nunmehr in einem neuen § 313 BGB kodifiziert worden, der unter der Überschrift "Störung der Geschäftsgrundlage" steht. 425 Danach kann Anpassung des Vertrages verlangt werden,426 wenn sich Umstände, die zur Grundlage Vgl. dazu bereits oben Teil 2 B.H., Fn. 424. Vgl. etwa BGH, NJW-RR 1989, 775; 1990,601. 423 Zu den Einzelheiten vgl. WemerlPastor, Rn. 2487-2498. 424 BGHZ 60, 315. 425 Vgl. die amtliche Begründung, der zufolge die Bedeutung der Vorschrift "allein darin liegen [soll], die zum Rechtsinstitut gewordenen Grundsätze [... ] wegen ihrer erheblichen Bedeutung im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern"; lediglich zur Frage, ob Störungen der Geschäftsgrundlage von Amts wegen zu berücksichtigen seien, werde "eine vom bisherigen Meinungsstand teilweise abweichende Regelung vorgesehen" (BT-Drucks. 14/6040, S. 175). 426 Zur Ausgestaltung des Anpassungsrechts als Anspruch vgl. Bundesminister der Justiz, S. 150. 421
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des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, falls sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten, und einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 313 I BGB-neu). Einer Veränderung der Umstände soll es gleichstehen, wenn "wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen" (§ 313 11 BGB_neu).427 Ist eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, hat die benachteiligte Partei ein Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht (§ 313 III BGB-neu). Anders als nach den Vorstellungen der Schuldrechtsreformkommission428 soll die Vorschrift allerdings nicht als lex specialis den Leistungsstörungsregelungen vorgehen. 429 Bei den Dauerschuldverhältnissen ergeben sich Überschneidungen mit der Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314 I BGBneu); auch insoweit ist kein Vorrang der Vertragsanpassung vorgesehen. 43o
3. CISG Bei der Erarbeitung eines einheitlichen Kaufrechtes hat sich die Frage, inwieweit nachträgliche Leistungshindernisse zu berücksichtigen sein sollen, als besonders dornig erwiesen. In dem von Rabel ursprünglich vorgelegten Entwurf stellte sich die Aufgabe, die entlastenden Umstände positiv zu umschreiben, sogar als so schwierig heraus, dass ein abschließender Vorschlag gar nicht vorgelegt werden konnte; vielmehr wurde lediglich, als eine "Verlegenheitslösung",431 "sozusagen das Minimum an befreienden Tatbeständen" festgelegt. 432 Danach sollte eine Partei dann befreit werden, wenn die Erfüllung durch ein Ereignis vereitelt wird, das ein unüberwindliches Hindernis darstellt, und der Schuldner diese Verhinderung nicht vo427 Zu dieser Regelung des Fehlens der subjektiven Geschäftsgrundlage vgl. Bundesminister der Justiz, S. 151: Erfasst werden "Fälle des gemeinschaftlichen Motivirrtums sowie solche Fälle, in denen sich nur eine Partei falsche Vorstellung macht [sie], die andere Partei diesen Irrtum aber ohne eigene Vorstellungen hingenommen hat". 428 Bundesminister der Justiz, S. 151 f. 429 Vgl. die amtliche Begründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 176: In seinem Anwendungsbereich gehe § 275 BGB grundSätzlich vor; die Frage nach einer Anpassung des Vertrages könne sich nur stellen, wenn der Schuldner danach nicht bereits befreit sei. Insoweit unverständlich Zimmer, NJW 2002, 12, der in der Regierungsbegründung Ausführungen zu diesem Thema vermisst. 430 Auch hier anders die Schuldrechtsreformkommission, vgl. Bundesminister der Justiz, S. 156. 431 Rabel, Entwurf, S. 64. 432 Rabel, Entwurf, S. 61.
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rauszusehen brauchte. Damit lehnte sich der Entwurf an französische Terminologie, nämlich an die Begriffe insurmontable und imprevisible an, freilich im Bewusstsein, dass diese Begriffe "in der französischen Praxis selbst starken Zweifeln ausgesetzt und wohl auch im Entwurf nicht unzweideutige und nicht schlechthin erfreuliche Größen" seien.433 Indes hielt Rabel die übrig bleibenden Zweifel für "nicht schlimmer, sondern eher erträglicher [... ], als sie sich bisher überall, auch in Deutschland [... ] ergeben".434 Die Regelung sonstiger Befreiungsgründe sollte den "Landesgesetzen", also dem vom internationalen Privatrecht berufenen Vertragsstatut, überlassen bleiben; Rabel dachte dabei an "die niederen Zufälle (BGB § 275), subjektives Unvermögen mit Unterscheidungen (BGB § 279), außer der Unmöglichkeit auch außergewöhnliche unzumutbare Erschwerung USW.,,435 Während das aufgrund von Rabels Vorarbeiten zustande gekommene EKG in Art. 74 eine relativ weit gefasste Entlastungsklausel enthielt, bemüht sich das CISG, das die Frage in Art. 79 regelt, wieder um eine stärkere Eingrenzung. Erforderlich ist danach, dass die Nichterfüllung einer Partei "auf einem außerhalb ihres Einflußbereichs liegenden Hinderungsgrund (an impediment beyond his contro!) beruht und daß von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluß in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden" (Art. 79 I CISG).436 Schwierigkeiten beim Verständnis der Vorschrift bereitet insbesondere der Umstand, dass nach Art. 79 V CISG lediglich das Recht auf Schadensersatz ausgeschlossen wird, also - neben der Möglichkeit für den Gläubiger, den Vertrag aufzuheben, die in solchen Fällen durchaus sachgerecht ist - offenbar auch der Erfüllungsanspruch erhalten bleiben soll. Inwieweit das wirklich beabsichtigt ist, ist ebenso umstritten wie die Frage, ob gegebenenfalls eine Korrektur mittels nationalen Rechtes (etwa dank Art. 28 CISG) in Betracht kommt; praktisch bedeutsam dürfte die Problematik aber kaum werden, da im internationalen Handelsverkehr kaum zu erwarten ist, dass auf eine unmöglich gewordene Naturalerfüllung geklagt wird. 437
Rabel, Entwurf, S. 61 f. Rabel, Entwurf, S. 63. 435 Rabel, Entwurf, S. 64. 436 Ausführlich zur Entstehung der Vorschrift SchlechtriemlStoll, CISG-Kommentar, Art. 79 Rn. 1-5. Zum Begriff "impediment" vgl. auch Hudson, S. 275 f. 437 Zum Streitstand vgl. SchlechtriemlStoll, CISG-Kommentar, Art. 79 Rn. 8, 5557. Goode, Commercial Law, S. 937, hält es für möglich, auf Naturalerfüllung zu klagen, fügt jedoch (Fn. 63) hinzu, dass "this obviously assumes that the contract is still capable of performance and that the impediment can therefore be removed or affects only part of the contract". 433
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheiterns
In den meisten Fällen dürfte Art. 79 CISG voraussetzen, dass dem Schuldner die Leistung tatsächlich durch Umstände, die er nicht vorhersehen oder beherrschen konnte, unmöglich geworden ist; in ganz seltenen Ausnahmefällen kann aber auch eine Erschwerung der Leistung, die eine äußerste Opfergrenze übersteigt, die Befreiung auslösen. So wird man dem Verkäufer in dem (im internationalen Handel typischen) Fall des marktbezogenen Gattungskaufs keine schrankenlose Beschaffungspflicht aufbürden dürfen. 438 Vorschriften über eine Anpassung des Vertrages bei Störungen der Geschäftsgrundlage enthält das CISG nicht; angesichts der Regelung in Art. 79 CISG scheidet auch ein Rückgriff auf nationales Recht insoweit aus. 439 Allerdings bleibt den Parteien die Möglichkeit, in den Kaufvertrag entsprechende Anpassungsklauseln aufzunehmen.
4. Prinzipien-Texte Anders als das CISG und das englische, aber ähnlich wie das deutsche Recht sehen die Prinzipien-Texte jeweils zwei verschiedene Tatbestände vor, die sich auf nachträgliche Leistungserschwerungen beziehen; der eine dieser Tatbestände regelt die Befreiung des Schuldners, der andere ermöglicht eine Anpassung des Vertrages. In den Unidroit Principles werden diese Tatbestände - in Anlehnung an international im Rahmen der Vertragsgestaltung übliche Bezeichnungen _440 mit ,force majeure" (in der deutschen Version als "höhere Gewalt" übersetzt) und "hardship" ("Änderung der Geschäftsgrundlage") überschrieben. In den Principles of European Contract Law ist dagegen von "excuse due to an impediment" ("Entschuldigung aufgrund eines Hinderungsgrundes") und "change 01 circumstances" ("veränderten Umständen") die Rede. Inhaltlich ähneln sich die verschiedenen Vorschriften dagegen bis in die Formulierungen, so dass sie im Folgenden auch gemeinsam behandelt werden können. 438 So auch SchlechtriemlStoll, CISG-Kommentar, Art. 79 Rn. 30, 39 f. Auch Nicholas, (1989) 105 L.Q.R. 236, hält es für möglich, Fälle von "enormous cost increases" unter Art. 79 einzuordnen. Hudson, S. 271 f., ist der Ansicht, falls Art. 79 auf solche Fälle nicht anwendbar sei, müsse in Ermangelung passender allgemeiner Grundsätze (vgl. Art. 7 11 CISG) auf nationales Recht zurückgegriffen werden, was aber zu wenig kohärenten Ergebnissen führe. Wenig überzeugend dagegen Fischer, S. 194-215, die zunächst mit großem argumentativen Aufwand begründet, warum Art. 79 CISG auf Fälle der Leistungserschwerung nicht passe, jedoch im Hinblick auf "Fälle extremster wirtschaftlicher Leistungserschwerung" eine Regelungslücke konstatiert, die sie wiederum durch eine Analogie zu Art. 79 CISG schließen will. 439 So übereinstimmend SchlechtriemlFerrari, CISG-Kommentar, Art. 4 Rn. 44 und SchlechtriemlStoll, CISG-Kommentar, Art. 79 Rn. 39. 440 Zu dieser Anlehnung Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.2.1 Comment 2, Art. 7.1. 7 Comment 1.
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a) Force majeure bzw. excuse due to an impediment Die Regelung über force majeure441 findet sich in Art. 7.1.7 Unidroit Principles, das Pendant in den Principles of European Contract Law in Art. 8:108. 442 Beide entsprechen nahezu wörtlich Art. 79 CISG. 443 Bei den Principles of European Contract Law ist allerdings zusätzlich zu beachten, dass ein "vollständiges und dauerhaftes Leistungshindemis" zur automatischen Aufhebung des Vertrages führt (Art. 9:303(4)). Der Autorenkommentar zu den Unidroit Principles betont, die Definition der höheren Gewalt sei "necessarily of a rather general character"; es sei deshalb empfehlenswert, sie durch entsprechende Vereinbarung an die "particular features of the speciftc transaction" anzupassen. 444 Dieser Rat stellt natürlich ein Eingeständnis dar, dass die Vorschrift nur begrenzten Wert hat, zumal Risiken, für die die Parteien konkrete Regelungen treffen, ohnehin nicht mehr in den Anwendungsbereich einer Bestimmung über höhere Gewalt fallen dürften. Kommt es zu einer Aufhebung des Vertrages, dann findet das jeweilige Rückabwicklungsregime für den Fall von Leistungsstörungen Anwendung. Anzumerken ist, dass die Regelungen der Prinzipien-Texte dabei nicht wesentlich hilfreicher sind als der Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 im englischen Recht: Die Unidroit Principles sehen in Art. 7.3.6 zwar die Rückgewähr erbrachter Leistungen in Natur vor; ist diese aber "nicht möglich oder angemessen", dann "soll" Wertersatz geleistet werden, "wenn 441 Kritisch gegenüber dieser Benennung Ernst, S. 138 f., der meint, die Verwendung dieses Begriffs in der Überschrift zu Art. 7.1.7 scheine "die Auslegung in eine andere, gegenüber dem Schuldner etwas strengere Richtung zu lenken" als in den Principles of European Contract Law, obwohl die Regelung ,,[glanz gleichlaufend [... ] angelegt" sei; die Verwendung des Begriffs force majeure - der im Text der Vorschrift selbst nicht erscheint - sei "unnötig [... ]" (S. 139). 442 Nach Ansicht von Ernst, S. 139, ist im Hinblick auf die Principles of European Contract Law fraglich, "ob der Haftungsmaßstab, der sich aus der Befreiungswirkung wegen eines impediment ergibt, nicht etwas zu streng ausgefallen" sei; die verwendeten Ausdrücke seien aber "wohl flexibel genug", um im Einzelfall, etwa bei Geschäften unter Nichtgewerbetreibenden, sachgerechte Lösungen zu ermöglichen. 443 Allerdings ergibt sich aus Art. 7.2.2 lit. a und b Unidroit Principles (bzw. Art. 9: 102(2)(a)(b) Principles of European Contract Law), dass Naturalerfüllung einer Sachleistung nicht gefordert werden kann, wo sie entweder "rechtlich oder tatsächlich unmöglich" (bzw. "rechtswidrig oder unmöglich") oder aber "unzumutbar beschwerlich oder teuer" ist (bzw. "dem Schuldner unangemessene Anstrengungen oder Kosten verursachen würde"). 444 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.7 Comment 4. Eine nahezu identische Formulierung findet sich im Rahmen der Vorschriften zu hardship (Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.2.2 Comment 7). Auch PECL Autorenkommentar Art. 8.108 A betont die Freiheit der Parteien, abweichende Vereinbarungen zu treffen.
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dies vernünftig ist". Die Principles of European Contract Law sehen zwar in Art. 9:309 einen Anspruch auf "Zahlung eines angemessenen Betrages" für den Wert vor, den eine Leistung, die nicht in Natur zurückgegeben werden kann, "für die andere Partei hat"; ob dies aber einer Partei weiterhilft, die - wie in BP Exploration Co. (Libya) Ltd. v. Hunt (No. 2)445 oder in Gamerco S.A. v. I.C.M.lFair Warning (Agency) Ltd. 446 - Aufwendungen gemacht hat, ohne die andere Partei dauerhaft zu bereichern, steht in den Sternen. b) Hardship bzw. change 01 circumstances Im Rahmen der Vorschriften über Störungen der Geschäftsgrundlage (hardship) betont Art. 6.2.1 Unidroit Principles zunächst, dass die Vertragsbindung auch dann grundsätzlich bestehen bleibt, wenn "die Erfüllung eines Vertrages für eine der Parteien belastender wird"; eine nahezu identische Formulierung findet sich in Art. 6: 111 (1) Principles of European Contract Law. Eine Ausnahme gilt nach Art. 6.2.2 Unidroit Principles (bzw. Art. 6: 111 (2) Principles of European Contract Law) dann, wenn "der Eintritt von Ereignissen das Gleichgewicht des Vertrages grundlegend ändert" (bzw. "die Erfüllung des Vertrages durch eine Veränderung der Umstände übermäßig belastend" wird)447 und es sich nicht um von Anfang an bekannte, vernünftigerweise beim Vertragsabschluss zu berücksichtigende oder im Einfluss- oder Risikobereich einer Partei liegende Ereignisse handelt. Ob hiervon auch Fälle der Zweckstörung, Zweckerreichung oder des Zweckwegfalls erfasst werden, ist unklar. 44B Der Autorenkommentar betont, dass regelmäßig nur an Dauerschuldverhältnisse zu denken sei, obwohl Ausnahmen möglich seien.449 Rechtsfolge von hardship in den Unidroit Principles ist zunächst das Recht der benachteiligten Partei, Nachverhandlungen zu verlangen (Art. 6.2.3(1)), das freilich keine aufschiebende Wirkung im Hinblick auf die Leistungspflichten dieser Partei hat (Art. 6.2.3(2)); die Principles of [1979] 1 W.L.R. 783. [1995] 1 WLR. 1226. 447 Wie sich aus Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.2.2 Comment 2 ergibt, soll bereits eine "alteration amounting to 50% or more of the cost or the value of the performance" im Regelfall eine "Jundamental' alteration" bedeuten. Gegen das Abstellen auf die übermäßige Belastung für eine Partei in Art. 6: 111 (2) Principles of European Contract Law, weil sie "die bedenkliche Möglichkeit, nach der Betroffenheit des Schuldners in seinem gesamtwirtschaftlichen Status zu entscheiden, sich also vom Argument der deepest pockets leiten zu lassen", eröffne, Ernst, S. 149. 448 Ernst, S. 148 f. 449 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.2.2 Comment 5. 445
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European Contract Law sprechen von einer Verpflichtung beider Parteien, "in Verhandlungen über eine Änderung oder Aufhebung des Vertrages einzutreten" (Art. 6: 111(2». Soweit innerhalb einer angemessenen Frist keine Einigung erzielt wird, kann "jede Partei das Gericht anrufen" (so ausdrücklich Art. 6.2.3(3) Unidroit Principles), das den Vertrag entweder aufheben (Art. 6.2.3(4)(a) Unidroit Principles, Art. 6: 111(3)(a) Principles of European Contract Law) oder anpassen kann, und zwar Letzteres "mit dem Ziel der Wiederherstellung seines Gleichgewichts" (Art. 6.2.3(4)(b) Unidroit Principles) beziehungsweise "so [... ], daß die Verluste und Gewinne, die sich aus der Veränderung der Umstände ergeben, unter den Parteien in gerechter und billiger Weise verteilt werden" (Art. 6: 111 (3)(b) Principles of European Contract Law).450 Inhaltlich lässt dies natürlich alle Möglichkeiten offen. Ob solche Regelungen im Rahmen einer Kodifikation sinnvoll sind, lässt sich bezweifeln: Wo sich das Verhältnis der Parteien für eine Anpassung durch Verhandlungen oder im Wege der Schlichtung eignet, werden die Parteien wohl ohnehin zu diesem Mittel greifen; in anderen Fällen kann dagegen eine rasche, klare Abwicklung unter Umständen sinnvoller sein. 451 Die Autoren der Unidroit Principles sehen in den Vorschriften über hardship eine untrennbare Ergänzung ihrer force-majeure-Regelung. 452 Bei
Überschneidungen soll die betroffene Partei die freie Wahl zwischen der Berufung auf Leistungsfreiheit und einer Anpassung des Vertrages haben. 453 Im Gegensatz dazu gehen die Autoren der Principles of European Contract Law trotz nahezu identischer Formulierung des Normtextes davon aus, dass beide Bestimmungen sich gegenseitig ausschlössen und das Gericht zu entscheiden habe, welche einschlägig sei, auch wenn eine klare Abgrenzung oft nicht möglich sei. 454 450 Es kann auch etwa eine Nachfrist für die Erfüllung gewährt werden, vgl. PECL Autorenkommentar Art. 6: 111 D. 451 Lookofsky, 46 American Journal of Comparative Law 500 f., ist der Ansicht, die hardship-RegeJn der Unidroit Principles gäben den (Schieds-)Gerichten eine zu weitgehende Befugnis zum Eingriff in Verträge (vgl. auch dort Fn. 116, wo er sich auf den Aufsatz von Bernstein, 144 U. Pa. L. Rev. 1765 (1996), der bereits oben Teil 1 A.II.1. Fn. 50 zitiert wurde, bezieht). Kritisch auch Schanze, S. 158-161, der die Einführung einer Pflicht zu Neuverhandlungen als einen verfehlten Ausdruck von Paternalismus empfindet und (S. 165) weitere Untersuchungen über "alternatives to ,duties to re-negotiate' in long-term relations" für erforderlich hält. 452 Vgl. Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 7.1.7 Comment 3. 453 Unidroit Principles Autorenkommentar Art. 6.2.2 Comment 6. Zustimmend Ernst, S. 154 f. 454 PECL Autorenkommentar Art. 6: 111 A. Dagegen meint Hornung, S. 115, ,,[r]ichtig verstanden" lasse sich die Vertragsaufhebung "sinnvoll von der Änderung der Geschäftsgrundlage [... ] abgrenzen", weil der Schuldner grundSätzlich trotz der Erschwerung weiter leisten müsse.
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
VII. Von einer Seite zu vertretende Nichtoder Schlechterfüllung
Als letzte Form des Vertragsscheiterns ist der Fall der von einer Seite zu vertretenden Nicht- oder Schlechterfüllung zu untersuchen. Da es sich hierbei natürlich um den Kemfall der vertraglichen Haftung handelt, sind die entsprechenden Regelungen bereits im Zusammenhang mit der Diskussion der einzelnen Rechtsordnungen und ihrer Rückabwicklungsregime ausführlich behandelt worden, so dass die nachfolgenden Ausführungen kurz gehalten werden können. Wie sich gezeigt hat, teilen alle untersuchten Rechtsordnungen im Wesentlichen das gleiche Grundprinzip, wenn auch mit Unterschieden in den Einzelheiten: Bei besonders schwerwiegenden Vertragsverletzungen kann der Gläubiger ohne weiteres den Vertrag beenden, bei weniger schwerwiegenden Vertragsverletzungen zum Teil erst, nachdem er dem Schuldner erfolglos eine Frist zur Erfüllung gesetzt hat, zum Teil auch gar nicht. 455 Auch stimmen die verschiedenen Rechtsordnungen darin überein, dass die Vertragsbeendigung grundSätzlich eine Form der Rückabwicklung nach sich ziehen soll. Erhebliche Unterschiede sind freilich dort zu finden, wo eine Rückabwicklung in Natur nicht möglich ist. In Fällen, in denen die Rückgewähr in Natur nach dem Wesen der erbrachten Leistung ausscheidet, weil es sich um eine Dienstleistung im weitesten Sinn (also einschließlich der Gebrauchsüberlassung von Sachen) handelt, unterscheidet das englische Recht zwischen der vertragstreuen und der vertragsbrüchigen Seite. Während der einen relativ großzügig ein Anspruch auf den Marktwert der erbrachten Leistung gewährt wird,456 wird der anderen aufgrund der doctrine 0/ entire contracts regelmäßig jede Vergütung verweigert. 457 Das deutsche Recht neigt hingegen dazu, den Vertrag aufrechtzuerhalten, sei es, indem lediglich eine ex nunc wirksame Kündigung zugelassen wird, sei es, indem trotz Rücktritt die Pflicht zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung aufrecht erhalten bleibt, wie dies bisher schon § 346 S. 2 BGB vorsah und künftig in noch erheblich weiterem Ausmaß in § 346 11 2 BGB-neu niedergelegt ist. Während sich das Problem im eISG praktisch nicht stellt (v gl. allerdings die flankierende Regelung In Vgl. in diesem Zusammenhang auch Fischer, S. 110 f. Fn. 52. Darüber herrscht in der Literatur Einigkeit, obwohl zugleich darauf verwiesen wird, dass sich wenig Präzedenzfalle finden lassen (vgl. Goff/Iones, S. 530--534, und McMeel, S. 141, der sich sogar über "conceptual under-development and paucity of authority" beklagt). Als Beispiel lässt sich immerhin der berühmte Fall Planche v. Colbum (1831) 8 Bing. 14 nennen. Zu Einzelheiten vgl. auch Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich in Europa I, Kap. 3 Rn. 664. 457 Sumpter v. Hedges [1898] 1 Q.B. 673; Bolton v. Mahadeva [1975] Q.B. 326. 455
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Art. 84 11 CISG), lässt sich den Rückabwicklungsvorschriften der Prinzi-
pien-Texte letztlich kein klares Regelungskonzept entnehmen.
Komplizierter ist die Problematik, wenn der Leistungsgegenstand zwar seinem Wesen nach in Natur hätte zurückgegeben werden können, eine unversehrte Rückgewähr aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht möglich ist. Diese Problematik hat bekanntlich unter dem Schlagwort "mortuus redhibetur" bereits die römischen Juristen beschäftigt. 458 Im deutschen Recht ist diese Frage im Zusammenhang mit den so genannten Gebrauchtwagen-Fällen, die bereits im Rahmen der Diskussion über die Rückabwicklung nach arglistiger Täuschung erwähnt worden sind, ausführlich behandelt worden;459 der Gesetzgeber hat nunmehr im Rahmen der Schuldrechtsmodemisierung in § 346 11 und III BGB eine Regelung getroffen, über deren Einzelheiten man rechtspolitisch geteilter Meinung sein mag, die man aber akzeptieren muss. Um so isolierter steht das CISG nun mit seiner altmodischen Ausschlusslösung in Art. 82 I CISG dar, wobei andererseits die Kriterien der Risikozuweisung in Art. 82 11 CISG im Wesentlichen ins BGB übernommen worden sind. Den Prinzipien-Texten lässt sich - wie dargestellt - auch in diesem Zusammenhang kein brauchbares Konzept entnehmen. Zweifelhaft ist allerdings auch die Haltung des englischen Rechts. Es existiert letzten Endes nur ein einziger einschlägiger Präzedenzfall, Head v. Tattersall,46o der zudem nicht leicht verständlich ist. In diesem Fall hatte der Kläger ein Pferd unter der ausdrücklichen Zusicherung gekauft, dass das Pferd mit den Bicester hounds gejagt habe. Der Vertrag enthielt die Klausel, dass Pferde, die der Zusicherung nicht entsprächen, bis zum folgenden Mittwoch zurückzugeben seien; andernfalls müsse der Käufer sie behalten. Das Pferd, das der Zusicherung nicht entsprach, wurde ohne Verschulden des Käufers verletzt. Unklar ist, ob die Klausel als Beschränkung der Käuferrechte zu verstehen war oder ob sie - wie Kelly C.B. meinte dem Käufer ein zusätzliches Rücktrittsrecht geben sollte. 461 Cleasby B. dagegen vertrat die Auffassung, dass der Rückfall des Eigentums an den Verkäufer infolge der Zurückweisung des Pferdes durch den Käufer nach der Regel res perit domino auch zu einem Rückfall des Risikos führe. 462 FragVgl. Zimmermann, Law of Obligations, S. 330-334. Siehe oben Teil 3 D.I.2. 460 (1871) L.R. 7 Exch. 7. 461 So auch Adams, S. 3; ähnlich anscheinend auch Stoljar, (1953) 69 L.Q.R. 510 ("promise on the seller's part that he will take back the article and return the purchase-price to the buyer in a specified event, i. e., the buyer's disapproval of the article in question sowie Sealy, [1972B] C.L.J. 241 f. 462 (1871) L.R. 7 Exch. 14: "The person who is eventually entitled to the property in the chattel ought to bear any loss arising from any depreciation in its 458 459
H
),
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3. Teil: Einzelne Fallgruppen des Vertragsscheitems
lieh ist auch, was geschehen wäre, wenn das Pferd nicht nur verletzt worden, sondern gestorben wäre. In Chapman v. Withers 463 entschied das Gericht, dass der Käufer trotz Tod des Pferdes Schadensersatz wegen nicht vertragsgemäßer Beschaffenheit in Höhe von f 42 verlangen konnte; ob dies dem vom Käufer bezahlten Kaufpreis entsprach, ist unklar. 464 In einer anderen Entscheidung aus dem 19. Jahrhundert, Twycross v. Grant465 vertrat Cockburn C.J. dagegen - wenn auch obiter - die Auffassung, der Käufer könne in einem solchen Fall nur einen Schadensersatzanspruch auf den Unterschied zwischen dem vertraglich vorausgesetzten und dem wahren Wert der Kaufsache geltend machen: Wenn das Pferd "dies of some latent disease inherent in its system at the time he [sc. der Käufer] bought it, he may claim the price he gave", da "the horse was by reason of the latent mischief worthless when he bought"; dies gelte jedoch nicht, "iJ it catches some disease and dies".466
value caused by an accident for which nobody is in fault." Zustimmend Sealy, [1972B] C.LJ. 244. Kritisch dagegen G. Hager, S. 179, der nicht zu Unrecht beanstandet, die Belastung des Verkäufers mit der Gefahr führe "zu einem unglücklichen Auseinanderfallen von Gefahrtragung auf der einen Seite und Gefahrbeherrschung und Versicherungsschutz auf der anderen Seite"; außerdem würden "Streitigkeiten darüber provoziert, ob nun der Untergang der mangelhaften Sache auf Zufall beruht oder vom Käufer zu vertreten ist und ob die Sache überhaupt mangelhaft war". Nach Ansicht von Adams, S. 8, soll der Verkäufer trotz Übergabe und Übereignung der Sache das Risiko tragen, wenn der Käufer die Sache zurückweisen kann, nicht aber, wenn er ein vertraglich vereinbartes Rückgaberecht hat. 463 (1888) 20 Q.B.D. 824. 464 Vgl. Adams, S. 8 f. 465 (1877) 2 C.P.D. 469. 466 (1877) 2 C.P.D. 544 f.
Teil 4
Schlussfolgerungen Die Untersuchung der Regelungen über das Scheitern von Verträgen und die daran anschließende Rückabwicklung in den verschiedenen Rechtsordnungen hat gezeigt, wie nahe trotz unterschiedlicher dogmatischer Ausgangspunkte die konkreten Lösungen gleicher Sachprobleme zum Teil ausfallen, wie sehr die verschiedenen Rückabwicklungsregime andererseits aber auch von vielfältigem, historisch geprägtem Ballast beschwert werden. Den Einheitsrechtsprojekten ist es im Großen und Ganzen kaum gelungen, sich von diesem Ballast zu befreien. Im Gegenteil: Sie haben das Problem zum Teil durch eine Tendenz zum Synkretismus - also dazu, einzelne isoliert sinnvoll erscheinende Regelungen aus einzelnen Rechtsordnungen zu übernehmen und ohne Rücksicht auf ihr Zusammenspiel zu amalgamieren noch potenziert. Bei einem Vergleich der verschiedenen Einheitsrechtsversuche schneidet, vielleicht überraschenderweise, das CISG keineswegs schlecht ab. Seine Regelungen über die Rückabwicklung nach Vertragsaufhebung mögen zum Teil altmodisch wirken; immerhin bietet das CISG aber ein kohärentes, hinreichend detailliertes und praktisch erprobtes Regelungssystem. Die hohe Qualität des CISG lässt sich auch damit erklären, dass sich seine Autoren auf besonders sorgfältige Vorarbeiten stützten konnten, insbesondere auf das Recht des Warenkaufs von Rabel, ein Werk, das auch nach Jahrzehnten noch höchste Bewunderung einflößt. Ähnliches gilt auch für die Unidroit Principles, denen es allerdings an manchen Punkten noch etwas an Feinschliff fehlt und bei denen man bedauern muss, dass sie sich für die Durchführung der Rückabwicklung auf äußerst vage Andeutungen einer Regelung beschränken. Wie die Lektüre der Materialien nahe legt, konnte man sich hier in der Sache zum Teil nicht einigen, wollte sich aber nicht eingestehen, dass man sich nicht einigen konnte, und hat deshalb die Waffen gestreckt und einen Formelkompromiss geschlossen. Vielleicht ist demgegenüber eher die größere Ehrlichkeit gegenüber verbleibenden Meinungsdifferenzen, die sich etwa in Art. 28 CISG zeigt, zu begrüßen. Dagegen dürften die Rückabwicklungsregeln der Principles of European Contract Law für die Praxis weitgehend unbrauchbar sein. Man gewinnt zum Teil den Verdacht, dass bei ihrer Redaktion wesentliche Sachprobleme nicht wirklich durchdrungen worden sind, sondern dass einzelne Autoren weitgehend iso-
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4. Teil: Schlussfolgerungen
liert voneinander gearbeitet haben und dass die Principles of European Contract Law unter einem Dach weitgehend unverbundene und unvereinbare Regelungsblöcke beherbergen. Schade ist das deswegen, weil der Versuch, einen eigenständigen Ansatz zu finden, eigentlich nur begrüßt werden kann. Möglicherweise hätte den Principles of European Contract Law mehr Zeit zu Überlegung und Diskussion gut getan. Auch in diesem Zusammenhang kann man deshalb nur bedauern, dass die Autoren der Principles of European Contract Law dem Fehler anheim gefallen sind, ihre Arbeit als Konkurrenz zu den Unidroit Principles zu verstehen, statt die schon gefundenen Lösungen der Unidroit-Gruppe ihren eigenen Vorschlägen zugrunde zu legen, sie aber kritisch zu überarbeiten. 1 Der Versuch einer Vereinheitlichung des Vertragsrechts sollte sich auf Dauer nicht darauf beschränken, eine Kollektion notdürftig zusammengefügter Rechtsinstitute zu präsentieren, die deswegen mehrheitsfähig erscheinen mag, weil möglichst viele Nationen darin diejenigen Regelungen wieder erkennen können, die ihnen jeweils am Herzen liegen. Wünschenswert wäre vielmehr eine kreative Synthese, die dem Bestehenden qualitativ überlegen ist. Bis es soweit kommt, werden allerdings wohl noch vertiefte funktional-rechtsvergleichende Untersuchungen erforderlich sein, die sich noch stärker von nationalen Begrifflichkeiten befreien, als dies bislang möglich erschienen ist. Als Ausgangspunkt für derartige Untersuchungen wird man wahrscheinlich im Auge behalten müssen, welche Bedeutung die Rückabwicklung nach Vertragsscheitern für den Planungs zweck des schuldrechtlichen Vertrages hat. Dabei dürfte wohl eine Rolle spielen, dass ein Geldausgleich regelmäßig eine flexiblere Abwicklung des Vertragsverhältnisses ermöglichen kann und dass eine Rückabwicklung in Natur deshalb nur unter bestimmten Bedingungen interessant ist - sei es, dass eine Partei den von ihr geleisteten Gegenstand zurückfordern will, sei es, dass sie sich der Leistung, die sie erhalten hat, entledigen will. Wo eine Rückabwicklung in Natur nicht möglich ist, bleibt ohnehin nur die Möglichkeit eines Geldausgleichs. Für die Ausgestaltung der Rückabwicklung wird man, wie in der vorliegenden Arbeit durchgehend betont, nach den Gründen des Vertragsscheiterns differenzieren müssen. Wo eine Partei durch unlautere Machenschaften der anderen Seite - wie etwa arglistige Täuschung oder Drohung - zum Abschluss des Vertrages veranlasst worden ist, ist es angemessen, bei der Rückabwicklung den Geschädigten möglichst schadlos zu stellen. Grund dafür ist nicht die Absicht, den Schädiger zu bestrafen, sondern die Notwendigkeit, die Funktion des schuldrechtlichen Vertrages als Planungsinstrument für beide Parteien zu verteidigen: Im Falle des Betruges etwa hat 1
Vgl. dazu schon oben Teil 1 C.II.3.b).
4. Teil: Schlussfolgerungen
417
nur der Betrüger planen können; dem Betrogenen ist die Absicht, im Wege der vertraglichen Planung für seine Interessen zu sorgen, gerade vereitelt worden. In einem solchen Fall ist es Aufgabe des Vertragsrechts, die Situation sozusagen umzukehren. Lässt sich dagegen eine unlautere Beeinflussung der anderen Partei nicht nachweisen, sondern wird sie lediglich aufgrund bestimmter typisierender Annahmen vemlUtet - wofür die Fälle der Geschäftsunfähigkeit und der presumed undue influence nach englischem Recht als Beispiele genannt werden könnten, aber auch manche Formvorschriften und die modernen Verbraucherwiderrufsrechte, die ebenfalls an Situationen oder Geschäftstypen anknüpfen, die als gefährlich für die Entschlussfreiheit des Verbrauchers angesehen werden -, gilt dies nicht ohne weiteres. Hier reicht das Recht, sich der vertraglichen Bindung zu entziehen, regelmäßig bereits zum Schutz der Betroffenen aus; ist der Vertrag einmal in einer Weise in Vollzug gesetzt worden, in der nicht mehr zum status quo ante für beide Parteien zurückgekehrt werden kann, dann muss nach einem angemessenen Ausgleich gesucht, gegebenenfalls der Vertrag auch faktisch oder sogar rechtlich (durch entsprechende Heilungsvorschriften oder als Naturalobligation) aufrechterhalten werden. Kompliziert sind die Fälle der Sitten- und Gesetzeswidrigkeit, weil hier das Interesse der Öffentlichkeit daran, von der verbotenen Handlung abzuschrecken, gegen die Vermeidung von Ungerechtigkeiten abgewogen werden muss. Aus diesem Grund mag es etwa sinnvoll sein, dem Auftraggeber einen Rückforderungsanspruch gegen den gedungenen Mörder zu verweigern, wenn dieser den Mord nicht ausführt, während man bei weniger schwerwiegenden Delikten anders entscheiden würde. Bei den Formvorschriften schließlich spielt die Sicherung der Entscheidungsfreiheit mit vielfältigen öffentlichen Interessen zusammen, was die Lage besonders kompliziert macht. Im Falle des Vertragsscheiterns wegen Leistungsstörungen besteht wohl weitgehende Einigkeit darüber, dass die so genannte "Ausschlusslösung" also der Ausschluss der Vertragsbeendigung bei Nichtdurchführbarkeit der Rückabwicklung -, wie sie sich (jeweils in unterschiedlicher Ausprägung) im englischen Recht, im bisher geltenden BGB und im eISG findet, wenig sinnvoll ist. Eine "Wertersatzlösung", also eine Regelung, die die Vertragsbeendigung zulässt und die Rückabwicklung in der Weise durchführt, dass der Wert einer nicht mehr in Natur zurückzugebenden Leistung in Geld erstattet wird, dürfte demgegenüber rechtspolitisch vorzuziehen sein. Insoweit verdient der Ansatz des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und der Prinzipien-Texte grundsätzlich Beifall. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Bemessung des Wertersatzes Schwierigkeiten machen kann. Insbesondere muss man bedenken, dass es im Ergebnis doch eine (Teil-)Aufrechterhaltung des Vertrages bedeutet, wenn man den Wertersatz anhand der vertraglich vereinbarten Gegenleis27 Coen
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4. Teil: Schlussfolgerungen
tung berechnet, wie dies die Schuldrechtsreform in Deutschland und (vielleicht) die Principles of European Contract Law vorsehen. Letztendlich wird damit wiederum die Ausschlusslösung in anderer dogmatischer Gestalt verwirklicht? Die Vertragsbeendigung mutiert zu einer Art Minderung, die aber den Vertrag als solchen bestehen lässt, den Gläubiger insbesondere anders als bei der Möglichkeit zur Rückgabe der Leistung in Natur - an einen für ihn ungünstigen Vertrag bindet. Bei von vornherein nicht in Natur zurückzugewährenden Leistungen wird der Gläubiger zudem faktisch gezwungen, sich Teilleistungen auch dort gefallen zu lassen, wo der Vertrag sie nicht vorsieht. Freilich bringt auch die Alternative, nämlich den Wertersatz anhand des objektiven Wertes der erbrachten Leistung zu bemessen, Schwierigkeiten mit sich. Zum einen wäre es sinnwidrig, wenn man es der vertragsbrüchigen Partei gestatten würde, die andere Seite durch Leistungsstörungen zur Vertragsbeendigung zu provozieren und sodann den objektiven Wert ihrer nicht vertragsgerechten Leistung - der höher sein mag als der Vertragspreis für die volle Leistung - zu liquidieren. 3 Das könnte opportunistisches Verhalten begünstigen; so bestünde für Werkunternehmer der Anreiz, bewusst zu niedrige Angebote zu machen, um sich einen Auftrag zu sichern, und dann vermöge Leistungsstörungen doch noch zu einer objektiv angemessenen Bezahlung zu gelangen. Zumindest für die vertragsbrüchige Partei muss daher der zu beanspruchende Wertersatz nach oben durch den - anteiligen bzw. geminderten - Vertragspreis begrenzt werden. Das lässt sich auch mit dem Rechtsgedanken der "aufgedrängten Bereicherung" (in deutscher Terminologie) bzw. der "subjective devaluation" (in englischer Terminologie) begründen: Für einen Gläubiger, der sich vertraglich eine Leistung zu einem bestimmten Preis gesichert hat, ist diese "subjektiv" auch nicht mehr wert; eine darüber hinausgehende objektive "Bereicherung" durch die Leistung des Schuldners ist "aufgedrängt". Im Hinblick auf die vertragstreue Partei erscheint die Beschränkung durch den anteiligen Vertragspreis dagegen nicht sinnvoll. Dieser würde da2 In der deutschen Schuldrechtsreformdiskussion wird dieser Gedanke selten ausgesprochen; auch Hornung etwa ignoriert die Problematik in seiner Dissertation nahezu vollständig, weil er sich auf Kaufverträge und Dauerschuldverhältnisse beschränkt, Werkleistungen jedoch nicht behandelt. Das überzeugt schon deshalb nicht, weil auch bei Dauerschuldverhältnissen eine Rückabwicklung in der Vergangenheit erbrachter Leistungen in Betracht kommen kann: Soll der Postbote, der sich als promovierter Mediziner ausgegeben hat, wirklich die jahrelang vereinnahmten Chefarzthonorare behalten dürfen? In England wird der Zusammenhang zwischen solchen Formen der Wertersatzlösung und der Vertragsaufhebung klar gesehen, vgl. etwa Jaffey, S. 49 f. (insb. Fn. 100). Überraschend deutlich insoweit auch Herold, S. 112-115. 3 So etwa auch Tettenborn, Rn. 6-35.
4. Teil: Schlussfolgerungen
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durch praktisch wiederum die Möglichkeit genommen, einem für sie wirtschaftlich ungünstigen Vertrag zu entkommen; im Ergebnis wäre man also erneut bei der Ausschlusslösung angelangt. Eine derartige Bevorzugung der vertragstreuen Partei wird allerdings von manchen Autoren abgelehnt, weil es system widrig sei, die Verantwortlichkeit für die Leistungsstörung in das Rückgewährschuldverhältnis zu übertragen. 4 Insoweit handelt es sich aber um ein bloßes dogmatisches Postulat, gegen das die wohl besseren praktischen Argumente sprechen. Erwägenswert ist auch, ob man der vertragstreuen Seite das Recht vorbehalten sollte, von ihr empfangene (Teil-)Leistungen - unter Erbringung der anteiligen vertraglichen Gegenleistung - zu behalten. Wo der Vertrag schließlich an einer Entwicklung scheitert, die so überraschend eintritt und so katastrophale Konsequenzen hat, dass keiner der Parteien die Verantwortung beziehungsweise das Risiko aufgebürdet werden kann, was freilich nur in äußersten Ausnahmefl:Hlen eintreten wird, da bleibt letztlich nur die Möglichkeit, einen neuen Vertrag für die Parteien zu schaffen - sei es im Wege der Vertragsanpassung, sei es durch eine Rückabwicklung, die die Vor- und Nachteile solidarisch auszugleichen versucht.
4 So Kaiser, JZ 2001, 1064: Die Reaktion des Gesetzes auf eine Leistungsstörung beschränke sich "darauf, dem Gläubiger die einseitige Lösung vom Vertrag und damit die Wiederherstellung des status quo ante zu erlauben"; bei dieser Wiederherstellung stünden sich die Vertragspartner "als Rückgewährschuldner gegenüber, an die die gleichen Sorgfaltsanforderungen zu stellen" seien.
27'
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Court of Conscience 65 culpa in contrahendo 189, 191, 208, 223, 256, 344, 345, 347 damages for breach of contract siehe Schadensersatz für Vertragsbruch damages, restitutionary siehe Vorteilsabschöpfung Dauerschuldverhältnisse 235, 248, 253, 265, 267, 286, 406 debt, writ of 62 deceit siehe Täuschung Deckungsgeschäft, Obliegenheit zum Abschluss 147,213, 272, 279 declaratory judgment, als remedy 219 deposit 137, 138, 139, 344 description, sale by 129 Dienstleistungen, Vergütung für 80, 200, siehe auch quantum meruit Differenztheorie 38, 126, 191, 198 - abgeschwächte 40 - eingeschränkte 40 diligentia quam in suis 203, 204, 342 discharge for breach siehe Vertragsbeendigung Doppelmangel 208 Drittschadensliquidation 37 Drohung 124, 178,208,224,254,364, 416 duress siehe Drohung Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 48 Einheitskaufrecht, Haager 88, 95, 121, 210, 213, 218, 280 ejectment 175 Electronic Commerce (EC Directive) Regulations 2002 339 emptio spei 384 entire contracts rule 171,281,412 Entreicherungseinwand 153, 155 equity 58, 62, 67, 73, 79, 124, 142, 176, 177, 179, 312, 318, 324, 354, 364, 376, 386, 396 Erfüllungsanspruch 210, 218
- Common-Law-Länder 22, 147 Erfüllungsort - bei Geldschulden 107 - Rückabwicklung von Verbrauchergeschäften, englisches Recht 340 Erfüllungsverweigerung 133, 146 estoppel 78, 176, 277 - proprietary 183, 324 Europäische Union, Rechtsvereinheitlichung 33, 58, 96, 99, 107, 343 European Communities Act 1972 - section 2(2) 339 - section 9(2) 314 ex turpi causa 330 failure of consideration 43, 118, 152, 155, 158, 181, 319 - total 137, 276, 281, 302, 312, 393, 397,398 faktisches Synallagma 206 Financial Services Act 1986, s. 132 331 Fixgeschäft 129, 190, 196,239,271 force majeure 243, 278, 408, 409, siehe auch frustration, Unmöglichkeit Force-majeure-Klausel 129, 327, 385 forfeiture, relief against siehe relief against forfeiture Formverstoß 74, 107, 124, 142, 164, 183,316,323,417 fraud siehe Täuschung free acceptance 170 frustration 114, 116, 117, 120, 125, 141, 160, 172, 185, 258, 278, 327, 382,393,396 Gandolfi-Kommission 92 Garantiehaftung 126, 189 gazumping 344 Gebrauchsvorteile 179, 204, 208, 216 Gefahrübergang 113, 141 Geisteskrankheit siehe Geschäftsfahigkeit, fehlende Genehmigungserfordemisse, staatliche 222,227,327,336
Sachregister Gerechtigkeit, ausgleichende 44 Geschäftsfähigkeit, fehlende 43, 46, 74,123,124,142,207,317 Geschäftsgrundlage, Wegfall 125, 205, 226, 227, 253, 389, 403, 405, 408 Gesetzeswidrigkeit 47, 124, 142, 143, 178, 221, 258, 316, 326, 417 - Unidroit Principles, Regelungen 95, 221,335 Haager Einheitskaufrecht siehe Einheitskaufrecht hardship siehe Geschäftsgrundlage Heilung unwirksamer Verträge 45, 142, 324,325,417 impediment 389,407,408,409 implied-contract-Lehre 50, 63, 71, 72, 73, 75, 77, 319 implied term 140, 383, 393, 398 incontrovertible benefit 169 Indian Contract Act 1872, ss. 68-72 71 Ingebrauchnahme 201, 204 injunction 114 innominate terms 131 Institut international pour lunification du droit prive siehe Unidroit intermediate terms 131 Internationales Privatrecht 101, 219, 336 ipso facta avoidance siehe Vertragsbeendigung, automatische Irrtum 43, 118, 124, 152, 158, 166, 178, 224, 254, 256, 257, 371, 388, 389,391 Kommission für Europäisches Vertragsrecht siehe Lando-Kommission Krönungszugfälle 46, 117, 393 Kündigung 136, 184,253,406 laesio enormis 224, 254, 369 Land Registration Act 1925, s. 82 175 Lando-Kommission 96, 108 29*
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Late Payment of Commercial Debts (Interest) Act 1998 179 Law Commission for England and Wales 45, 95, 161, 163, 171, 172, 173, 331 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 142, 183 - section 2 124, 324 - section 3 143 Law of Property Act 1925 - section 47 37, 396 - section 49(2) 137 Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 125,385,394,398,409 - section 1(2) 160, 399, 400 - section 1(3) 172, 400 - section 1(5) 37, 400 - section 2(3) 400 - section 2(5) 125, 398, 399 Legalzession - Darlehen an MindeIjährige, englisches Recht 319 - Versicherungsansprüche, englisches Recht 37, 396 letter of intent 344 lex mercatoria 96, 105 liquidated claim 116 Local Governments (Contracts) Act 1997 313 locus poenitentiae 328 loss of bargain damages 131 mailbox rule 213 Marktpreisregel 147,219 mesne profits 180 MindeIjährigkeit siehe Geschäftsfähigkeit, fehlende Minderung 115, 149, 161, 172, 198, 201, 218, 247, 259, 267, 284, 297, 302,418 - und Teilrückabwicklung 162 Minors Contracts Act 1987, s. 3(1) 319 misrepresentation, innocent 355 Misrepresentation Act 1967 352, 372
452
Sachregister
- section 1 353 - section 2(1) 352 - section 2(2) 353, 356 - section 3 358 misrepresentation siehe Täuschung mi stake siehe Irrtum mistake, common 375, 386 money had and received 118, 150 Nachbesserung 134, 212, 214, 237, 240, 243, 269 - Fehlschlagen 136 Nachfrist 129, 187, 193, 210, 226, 228, 238,258, 265, 273, 412 Nachlieferung siehe Nachbesserung Naturalerfüllung 24, 114, 115, 116, 175, 177, 183, 192, 209, 218, 219, 240, 249, 259, 291, 304, 318 Naturalobligation siehe Unklagbarkeit necessaries 318, 322 negligence 122, 353 Nichterfüllung siehe auch Vertragsverletzung - Begriff 228, 259 - entschuldigte 238 - wesentliche 226, 229, 231, 258 Nichtigkeit 116, 117, 118, 123, 164, 184, 205, 221 no rejection clauses 132 Nutzungen siehe Gebrauchsvorteile, Sachfrüchte, Zinsen Obhutspflichten nach Vertragsbeendigung 141,214,256,271,340 Ökonomische Analyse des Rechts 26 Package Travel, Package Holidays and Package Tours Regulations 1992 339 part payment 137, 139 part performance 142, 324 performance, Doppeldeutigkeit des Begriffs 229, 276 performance bond 140 Pflichtverletzung 87, 192
positive Forderungsverletzung 187, 191, 208 postal rule 213, 268 Principles-Texte - Auslegung 109 - Konkurrenz 106, 108 - personelle und inhaltliche Übereinstimmungen 106, 108 - Rechtsqualität 57 - und Schuldrechtsreform 87 Privatstrafe 47, 332 pro rata payments siehe progress payments progress payments 172, 174 Progressive Codification of International Trade Law, ursprünglicher Name der Unidroit-Principles 93 prohibition clause 327 puffs, mere 351, 362 Quantitätsmangel 129, 149, 172, 177, 397 quantum meruit 63, 118, 150, 169, 281, 307, 346 quantum valebat 118, 150, 169, siehe auch quantum meruit Rechtsflihigkeit, Fehlen der siehe ultra vires Rechtsgrund 166, 168, siehe auch causa-Lehre Rechtsirrtum 164, 165, 234, 264 - Ausschluss der Rückforderung 154 - und Zweifel an der Vertragswirksamkeit 166 Rechtsmängel, Haftung für 129, 191 Rechtsvereinheitlichung, Skepsis gegenüber 58,90, 104 Rechtsvergleichung, funktionale 27 Rechtswahl, kollisionsrechtliche 100 Rechtswidrigkeit siehe Gesetzeswidrigkeit rectification 377 rejection 134, 259, 268, 276, 284, 299
Sachregister reliance interest 195 relief against forfeiture 135, 237, siehe auch Nachbesserung remedy 210,219 Rentabilitätshypothese 126, 144, 195 replevin 175 representation 350 repudiation 132, 134, 263 repurchase, right of 141 res integra 379 res perit domino 113, 413 rescission siehe Anfechtung, Vertragsbeendigung Restatements of Law 92, 99 restitution, Begriff 74, 76 rogue cases 373 Römisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht 100, 102,219 Rückabwicklung - Begriff 36 - in natura, Unmöglichkeit 45, 51, 113, 125, 141, 158, 178, 200, 202, 217, 225, 249, 255, 297, 305, 354, 412 Rückabwicklungsregime 185,207 - als Stenogramm für bestimmte Risikoverteilung 48 Rückgewährschuldverhältnis 112, 117, 185, 190, 216 Rücktritt 48,49, 184, 190 Sachfrüchte 216 Sachmangel und aliud, Abgrenzung 191 Saldotheorie 45, 50, 186, 205, 208, 325 - Einschränkungen 49, 320, 360 Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 115, 181, 396 Sale of Goods Act 1979 128 - section 2(4) 176 - section 2(5) 176
-
section 2(6) 176 section 3(2) 318 section 6 382, 399 section 7 125, 398 section 10(1) 129 section 11 (3) 128 section 11(4) 135 section 12(1) 129 section 12(5A) 129 section 13(1) 129 section 13(1A) 129 section 14(2) 129 section 14(3) 129 section 15A 131 section 15A(1)(b) 262 section 16 177 section 17(1) 177 section 18 Rule 1 177, 396 section 20(1) 396 section 20(4) 396 section 25 372 section 28 126, 288 section 30(1) 129, 149, 159, 172 section 30(2) 129 section 30(2A) 131,262 section 31(2) 263 section 35 134, 355 section 35(1) 135 section 35(2) 135 section 35(4) 135, 136 section 35(5) 135 section 35(6) 136 section 35(7) 136 section 35A 134, 136 section 48(3) 129 section 48C 136, 149 section 48C(3) 181 section 48E(2) 115 section 48E(5) 181 section 49 115 section 51(3) 146 section 52(1) 114
453
454
Sachregister
- section 54 147 - section 61(1) 384 - section 61(5) 177 - section 62(2) 373 Schadensberechnung, abstrakte 146 Schadensersatz - für Vertragsbruch 114 - großer 41, 191, 195,208 - neben Vertragsbeendigung 188 - negatives Interesse 119 - statt der Leistung 193 - wegen Nichterfüllung 120 - wegen Nichterfüllung, Ausschluss bei Anfechtung 119 - wegen Nichterfüllung und Vertragsbeendigung 190 Scheitern des Vertrages - als Druckmittel zur Vertragserfüllung 42 - Begriff 37 - Gründe und ihr Einfluss auf die Rückabwicklung 49 Schiedsgerichte 32, 90, 220, 227 Schlechtleistung 187, 193 Schuldrechtsreform 82, 88 - und Principles-Texte 87 Schwarzfahrer, Vertragshaftung 63 Sittenwidrigkeit siehe Gesetzeswidrigkeit Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten diligentia quam in suis 203 specific performance siehe Naturalerfüllung stage payments siehe progress payments Statute of Frauds 1677 142, 157, 323, 325 Stellvertretung, mittelbare 271 subject to contract 344 subjective devaluation 151,418 subrogation siehe Legalzession substantial performance 171, 172 Sukzessivlieferungsverträge 215, 235, 261, 263, 267, siehe auch Dauerschuldverhältnisse
Supreme Court Act 1981, s. 35A 179 Swap-Fälle 164, 312 Täuschung 43, 46, 66, 118, 122, 124, 178, 205, 207, 208, 224, 254, 256, 257,350,353,381,416 - Abbedingen des Aufhebungsrechts 21, 358 Teilleistungen 267, 300 - Rückgewähr 194, 246 - und mangelhafte Leistungen, Abgrenzung 171,215,240 - Vergütung 171 termination for breach siehe Vertragsbeendigung termination for convenience 131 Timeshare Act 1992 339 Torts (lnterference with Goods) Act 1977 175 - section 6(1) 183 Treu und Glauben 32 Übermittlungsrisiko 213, 268, 340, 341 uberrimae fidei, contracts 351 ultra vires 72, 123, 311 undue influence 124, 338, 364 - presumption of 365,417 unenforceable siehe Unklagbarkeit Unfair Contract Terms Act 1977 358 - section 11(1) 358 Unfair Terms in Consumer Contract Regulations 1994 137 Unidroit 93 Uniform Commercial Code 32, 99, 227 Uniform Law on International Sales Act 1967, s. 1(3) 89 unjust factors 48, 72, 118, 152, 164 - absence of consideration, Diskussion über 164, 313 - ignorance, Diskussion über 80 Unklagbarkeit 116,124,185,417 Unmöglichkeit 87, 186, 192, 198,403 - anfängliche 382 - anfängliche objektive 23, 223
Sachregister - anfangliche, und common mi stake 375 - faktische 186 - nicht zu vertretende 125, 278, 391, 403, siehe auch frustration - wirtschaftliche 186 Unsicherheitseinrede 199, 226, 235, 265 Unwirksamkeit, schwebende 184,342 Verbrauchergeschäfte 124, 185, 204, 322, 338 Verbrauchsgüterkauf 131,. 136, 181, 396 - Richtlinie 82, 136, 149, 181 - Richtlinie, Umsetzung in Großbritannien 115 verhaltener Anspruch 216, 293 VeDährung 79, 155, 220, 378 Vertrag, fehlerhafter 45 Vertragsbeendigung 116,117,119, 120, 134, 184,226 - als Form der Selbsthilfe 127 - als Voraussetzung von Bereicherungsansprüchen 117, 158, 170 - automatische 148, 213, 228, 258, 278,280 - und Schadensersatz wegen Nichterfüllung 120, 245 Vertragskosten 143 Vertragsrechtsgesetzbuch, europäisches, Projekt der Gandolfi-Kommission 92 Vertragsverletzung siehe auch Nichterfüllung - Begriff 211 - vorweggenommene 133, 146, 226, 235, 265, 272
455
- wesentliche 210, 211, 213 Vertretenmüssen 23, 114, 126, 187, 189,403 Vertretungsmacht, Fehlen 55, 316 Verwendungen 181, 204, 209, 216, 256 Verwirkung des Rechts zur Vertragsbeendigung 215, 240, 355 Verzögerung der Leistung 187, 193, 213, 238, 275 voidable siehe Anfechtung voidness siehe Nichtigkeit vollständiger Vertrag 26 Vorleistungsfälle 207 Vorteilsabschöpfung 38, 76 Wandelung 49, 184, 190 warranty 127, 133, 350 - collateral 352 Wertersatzlösung 305, 354, 360, 417 Wesentlichkeitsbegriff, dynamischer 214, 244, 270, siehe auch Vertragsverletzung, wesentliche Widerruf von Verbrauchergeschäften 124, 204, 338, siehe auch Verbrauchergeschäfte, Verbraucherkauf writs 61, siehe auch aktionenrechtliches Denken Wucher 254, 326, 369, siehe auch laesio enormis Zinsen 79, 179, 216, 303 Zugangs theorie, modifizierte 214 Zurückbehaltungsrecht 42, 45, 267,272 Zweckverfehlung 43
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