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German Pages 221 Year 1980
GERD J. VAN VENROOY
Vertrag und Unwirksamkeit bei § 18 GWB
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 34
Vertrag und Unwirksamkeit bei § 18 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Von
Dr. Gerd J. van Venrooy
DUNCKER & HUMBLOT/BERLIN
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1980 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berl1n 61 Printed in Germany
© 1980 Duncker
ISBN 342804711 7
Vorwort Die vorliegende Schrift ist während meiner Assistentenzeit an einem wirtschaftsrechtlichen Lehrstuhl als Dissertation entstanden. Ihr Thema ist eine Klärung der in § 18 GWB verwendeten Begriffe und der dort angeordneten Rechtsfolgen jeweils in ihrem Bezug zum Bürgerlichen Gesetzbuch, das als grundlegende und mithin für die Auslegung privatrechtlicher Terminologie richtungweisende Kodifikation angesehen wird. Dieser Untersuchungsgang machte immer wieder eine Auseinandersetzung mit K. Schmidts bedeutendem Werk "Kartellverfahrensrecht Kartellverwaltungsrecht Bürgerliches Recht" (1977) erforderlich, dem diese Arbeit wichtige Anregungen verdankt. In Begründung und Ergebnissen geht sie allerdings andere Wege; anderenfalls hätte sie nicht geschrieben zu werden brauchen. Die zu den behandelten Problemen bislang erschienene Literatur ist kaum noch zu übersehen. Um den Apparat in noch erträglichem Umfang halten zu können, mußten hier manchmal nicht ganz leichte Entscheidungen getroffen werden, mit denen sicherlich nicht immer allseitiges Einverständnis bestehen wird. Den Herren Professoren Battis und Bemmann danke ich für die Förderung des Verfahrens, Herrn Senator Professor Broermann für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe "Schriften zum Wirtschaftsrecht". Düsseldorf, im Februar 1980
Gerd J. van Venrooy
Inhalts verzeichnis Te i 1 I Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
Erster Abschnitt Grundsätzliches zur Einführung
15
Zweiter Abschnitt Entwicklung eines einheitlichen Vertragsbegriffs
21
1. Schwächen der herrschenden Lehre ................................
21
a) Darstellung der herrschenden Lehre ............................
21
b) Rechtsgeschäft und Vertrag
. .. .. ... ....... .. ...... .. .. . ..... ...
23
c) Rechtsfolgen- und Grundfolgentheorie ..........................
24
d) Die Lukessche Lehre ............................................
24
e) Die Kellmannsche Lehre ........................................
26
... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
27
g) Die Lehre vom Mindesttatbestand ..............................
28
h) Ergebnis ........................................................
29
2. Abschied von der herrschenden Lehre zum Vertragsbegriff ..........
31
a) Die Lehre Ulrich Hubers ........................................
32
b) Erneut: Rechtsgeschäft und Vertrag
............................
33
c) Das "Wesen" des Vertrags ......................................
34
d) Vertrag, Rechtsfolge, Rechtsgeschäft
35
f)
Die Essenz der herrschenden Lehre
............................
Dritter Abschnitt Eine einheitliche Auslegungsmaxime für das GWB
42
1. Das argumentum a maiore ad minus ................................
42
2. Das allgemeine Kartellverbot ......................................
43
3. § 25 Abs.l GWB als Auslegungshilfe ..............................
45
8
Inhaltsverzeichnis
Vierter Abschnitt Einzelprobleme zu Vertrag und Recb.tsfolgen bei § 18 GWB 1. Vertrag und zivilrechtliche Gültigkeit ..............................
47 47
a) § 18 GWB im Verhältnis zu ungültigen Verträgen
47
b) Doppelwirkungen im Recht
49
....................................
c) Folgen der Gegenposition ........................................ 52 aa) Vertragsbegriff in § 18 GWB und in § 1 GWB .. . . . . . . . . . . .. 52 bb) Dialektik von Kompetenzentzug und Kompetenzerweiterung 52 2. Wirtschaftliche Bindungen als vertragliche Rechtsfolgen ............ a) Der Begrüf der wirtschaftlichen Bindungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
56 56
b) Wirkung wirtschaftlicher Bindungen ............................
59
c) Dogmatik der wirtschaftlichen Bindungen
......................
59
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
61
3. Dingliche Rechtsfolgen a) These
..........................................................
61
b) Einzelkritik an der Begründung ................................
61
c) Methodische Kritik an der Begründung ..........................
63
d) Hintergrund: Austauschgeschäfte ................................
64
Abscb.luß des Teils I ..................................................
67
Teil II
Die Unwirksamkeitssanktion Erster Abschnitt Grundsätzliches zum Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB 1. Das Verhältnis der beiden Vorschrüten in der Praxis
68
..............
68
2. Der scheinbare Widerspruch zwischen den beiden Vorschriften. .. ...
69
3. Die These vom Gesamtvergleich Bürgerliches Recht / Wirtschaftsrecht 71 4. Kongruenzmodelle
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
73
a) Einzelnes Rechtsgeschäft und Beeinträchtigung der Marktfunktion 73 b) § 18 GWB und öffentliche Interessen; Ansatz zur Kongruenzfrage 74 c) Konkretisierung der Kongruenzfrage ............................ aa) Der allgemeinbezogene Maßstab des § 138 BGB .............. bb) Auslegung von GeneralklauseIn ............................
77 77 77
Inhaltsverzeichnis
9
d) § 138 BGB und Allgemeininteressen aal Beantwortung der Kongruenzfrage ..........................
80 80
bb) Widersprüche in der herrschenden Lehre. . . .. . . . . . . .. .. . . . .. ce) Zwischenergebnis
85 89
e) Maßstab der Kongruenz; "unbillig" als Kriterium
89
f) Allgemeininteresse und einzelnes Rechtsgeschäft
98
Zweiter Abschnitt Der Kongruenzbereich von § 18 GWB und § 138 BGB
100
1. Kongruenz und Konkurrenz ........................................ 100
2. Die angebliche Unabhängigkeit des § 18 GWB von § 138 BGB ........ 102 3. Billigung der Exklusiv-Bindungssysteme
107
a) Die Entscheidung des Gesetzgebers .............................. 107 b) Die Komplementärfunktion des § 18 GWB zu den gewerblichen Ausschlußrechten ................................................ 110 4. Verfahrensrechtliche Abhängigkeit des § 138 BGB von § 18 GWB .... 119 a) Die Funktionsweise des § 138 BGB
119
126 b) Das Problem der Lückenhaftigkeit aal Der Stand von Lehre und Rechtsprechung ... . . . . . . . . . . . . . . . .. 126 bb) § 26 Abs.2 Satz 2 GWB als Sitz des Lückenlosigkeitserforder134 nisses c) Der Schutz des einzelnen Systems ................................ aal Die Funktionsweise der Abhängigkeit des § 138 BGB von § 18 GWB .................................................. bb) Praktische Konkordanz von System- und Individualschutz .. aaa) Das Problem angeblichen Ermessens .................... bbb) Die Rechtsschutzfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aaaa) Prämisse: Kein Antragsrecht .................... bbbb) § 51 Abs.2 Nr. 1 GWB .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ecce) § 51 Abs.2 Nrn. 2 und 3 GWB ........... . . . . . . . .. dddd) § 51 Abs. 2 Nr.4 GWB .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. eeee) Zwischenergebnis ................. . . . . . . . . . . . . . .. ffff) Konstruktion eines Antragsrechts ................ gggg) Das Außenseiterproblem .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. ce) Durchführung des Systems .................................. aaa) Aufhebung eines ganzen Exklusiv-Bindungssystems .... bbb) Aufhebung einzelner Bindungen ........................ ccc) Verweigerung eines Eingriffs .......................... ddd) Kautelen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aaaa) Andere als Inhaltsmängel ........................ bbbb} Erfordernisse an den Vertragsinhalt .............. ecce) Einrede; Fortsetzung des Systems im Prozeß ....
147 147 150 151 155 155 156 158 159 160 161 166 168 168 171
173 174 175 175 176
10
Inhaltsverzeichnis Dritter Abschnitt
Der alleinige Anwendungsbereiclt des § 18 GWB
179
1. Zur Einführung .................................................... 179
2. Die verfahrensrechtliche Lage ...................................... 179 Vierter Abschnitt
Die Durcl1griffsmodelle
182
1. Das Verhältnis der Durchgriffsmodelle zum hier entwickelten System 182
2. Die Durchgriffsmodelle im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 184 a) Die Auffassung Biedenkopfs .................................... 185 b) Die spezielle These des Bundeskartellamts
...................... 186
c) Jansens Meinung ................................................ 187 d) Die einschlägige Darstellung bei E. Koch ........................ 188 e) Die Ansicht von R. Liebs ........................................ 189 f) Mestmäckers Erwägungen
........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 190
3. Durchgriff und Konkurrenz ..... . .................................. 191 4. Die Lehre K. Schmidts
Literatur
193
.......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. 204
Abkürzungen aaO. ABGB Abs. Abschn. AeP a.E. a.F. AG AGBG AktG
ALR
Anm. arg. Art. BB betr. BetrVG BFH BGB BGBl. BGH BGHZ BKartA BKartA-TB BR-Drucks. BT-Drucks. Buchst. BVerfG BVerfGE bzw. CC Chron.
D. D.
DDR ders. Diss. EG EGBGB EGHGB Einl. Erg. EWG
am angegebenen Ort
österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Absatz, Absätze Abschnitt(e) Archiv für die eivilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende alte Fassung Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Anmerkung(en) argumentum Artikel Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) betreffend Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidung(en) des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskartellamt Tätigkeitsbericht(e) des Bundeskartellamts (siehe auch unter Literatur) Bundesrats-Drucksache(n) Bundestags-Drucksache(n) Buchstabe(n) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise französischer Code eivil Chronique Digesten Reeueil Dalloz Sirey (Zeitschrift) Deutsche Demokratische Republik derselbe Dissertation Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einleitung Ergänzung(en) Europäische Wirtschafts gemeinschaft
12
EWGV f., ff. Fn.
GmbHRdsch GmSOGB GrdstVG
GRUR GWB HGB h.L. IPG iVm. JuS JZ KartVO KG
L
LG LKartB m.N., m.w.N. n° NJW Nr., Nrn. NW OBG OLG OLGZ OWiG p. PolG pr. RabelsZ Rdnr., Rdnrn. RIW/AWD S. sc. Sec. StPO str. StrRG Tit. Tz. überbl. UWG VersR VerwArch.
Abkürzungen Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende(r) Fußnote(n) GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handelsgesetzbuch herrschende Lehre Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht in Verbindung mit Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung Verordnung gegen Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen Kammergericht Leitsatz, Leitsätze Landgericht Landeskartellbehörde mit (weiteren) Nachweisen numero Neue Juristische Wochenschrift Nummer(n) Nordrhein-Westfalen Gesetz über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Gesetz über Ordnungswidrigkeiten page Polizeigesetz erster Satz (einer Digestenstelle) Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Randnummer(n) Recht der internationalen Wirtschaft I Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Seite(n) nämlich Section Strafprozeßordnung streitig Strafrechtsreformgesetz Titel Textziffer(n) überblick Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)
Abkürzungen vgl. VO VwGO VwVfG VwVG WRP WRV WuW WuWIE ZGR ZHR Ziff. ZPO ZRP ZZP
13
vergleiche Verordnung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwal tungs-Vollstreck:ungsgesetz Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) Deutsche Verfassung vom 11. August 1919 Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) Entscheidungssammlung zum Kartellrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer(n) Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Zivilprozeß
Te i I I
Der Vertragsbegrifl und sein Inhalt Erster Abschnitt
Grundsätzliches zur Einführung Gegenstand dieser Arbeit sind zwei zivil rechtliche Kategorien Vertrag und Unwirksamkeit - , die im Wortlaut des § 18 GWB ihren Niederschlag gefunden haben; betrachtet wird also die Beziehung des § 18 GWB zum Zivilrecht. Will man aber das Verhältnis einer bestimmten Vorschrift einer außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs stehenden Normierung zu eben dieser Kodifikation untersuchen, präsumiert man die entscheidende Voraussetzung für ein solches Vorgehen, nämlich einen engen Zusammenhang unter diesen Gesetzen, eine ihnen gemeinsame Grundlage, die man mit dem Titel von Engischs 1935 erschienener Schrift "Einheit der Rechtsordnung" nennen kann1 • Dieser Begriff hat sich eingebürgert2 und soll daher auch hier verwendet werden - dies trotz eines entscheidenden Mangels in der Formulierung: Die Rechtsordnung, von der man ausgeht, hat Einheit zur Voraussetzung; anderenfalls wäre es nicht sinnvoll, von einer Ordnung zu sprechen. Gemeint ist daher auch nichts anderes als das Dogma, daß das innerhalb eines Rechtsgebiets (Geltungsbereich3) geltende Recht widerspruchsfrei4 ist 1 Diesen Auslegungsgrundsatz bespricht K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 123 ff.; ihn selbst interessiert er aber nur für das GWB, S.124. Vgl. zum Problem der Einheit der Rechtsordnung unter internationalrechtlichem Aspekt, Wengler, Betrachtungen, S. 719 ff. 2 Weshalb man K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 126, keineswegs darin zuzustimmen braucht, daß eine Berufung auf die Einheit der Rechtsordnung immer noch einer Berufung auf Engisch gleichkomme. 3 Vgl. zur Klarstellung des Begriffs "Geltungsbereich" Raisch / van Ven-
rooy / Welke-Chlosta, S.77.
4 Eben auf der Basis eines "notwendig bestehende(n) Zusammenhang(s) sämtlicher Normen einer Rechtsordnung untereinander", so Rittner, Öffentlichrechtliche Elemente, S. 59 (63). - Auf die Widerspruchsfreiheit weist auch Kirchhof, S.8 hin. Er macht besonders darauf aufmerksam, daß die Widerspruchsfreiheit beim Rechtswidrigkeits-Verdikt von Interesse ist: "Das Prinzip der Einheit und Ordnung des Rechts begründet die Erwartung, die Rechtsordnung nehme zu einem realen Vorgang stets mit der schlichten Aussage des ,rechtmäßig' oder ,rechtswidrig' Stellung." Zu diesem Problem auch Engisch, S. 54 ff., insbesondere S.58; Wengler, Betrachtungen, S.719 (723).
16
Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
(Einheit der Rechtsordnung als "Axiom"S) oder bei scheinbar einander widersprechenden Wortlauten einzelner Normen widerspruchsfrei ausgelegt werden kann8 (Einheit der Rechtsordnung als "Postulat"1 bzw. "praktische Konkordanz"8); so führt öOY!!(l (Dogma = Lehrsatz) zu 'tEXVlJ (Techne = Handwerk), zu "Rechtstechnik"o bei der Auslegung, die wohl in keiner gesetzlichen Bestimmung so deutlich Ausdruck gefunden hat wie in Art. 1161 CC: "Toutes les clauses des conventions s'interpretent les unes par les autres, en donnant a chacune le sens qui resulte de l'acte entier." "Einheit der Rechtsordnung" ist mithin zu verstehen als Gegenpol zu "Vielheit von Rechtsordnungen'1l0, von der zu sprechen - jedenfalls im hier interessierenden Zusammenhang - nur dann Zweck hat, wenn man zum Ausdruck bringen will, daß das innerhalb eines Gebiets geltende Recht nicht widerspruchsfrei ist. Das wesentliche Beispiel für ein solches Phänomen ist das englische Rechtssystem, das aufgespalten ist in common law (im engeren Sinne) einerseits und equity andererseitsl l , wobei letzteres sich entwickelte, um der Unbeweglichkeit des ersteren Rechnung zu tragen und so durchaus im Widerspruch zu diesem12• War es aber schon nicht möglich, die beiden so entstandenen Rechtsordnungen zu vereinen, so mußte doch früher oder später - ebenso wie Internationales und Interlokales Privatrecht entstanden - eine Kollisionsregel gefunden werden, die das Ausgehen eines Rechtsstreits in etwa vorhersehbar machte; durch sie setzte sich das moderne Recht durch: "Generally in all matters not herein before particularly mentioned, in which there is any conflict or variance between the rules of Equity and the rules of the Common Law with reference to the same S
8
Engisch, S. 69. Kegel, S. 22, schreibt, daß es innerhalb einer Rechtsordnung "jedenfalls
im Ergebnis" weder Normenhäufung noch Normenmangel gebe; ähnlich
Kirchhof, S. 30 f. 7 Engisch, S. 69, und näher auf S. 26 ff., 42 ff., 68 ff.
S Dieser hier und passim verwendete Ausdruck dürfte auf Hesse zurückzuführen sein; vgl. seine Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 28 f. und öfter; siehe nunmehr auch Canaris ZHR 143 (1979), 113 (122 f.). 9 Das Wort ist von K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 1 ff., wo er es weitgehend mit dem gleichsetzt, was herkömmlicherweise unter Dogmatik verstanden wird. Engisch stimmt damit im Grunde überein; er sagt auf S. 1: "Die Dogmatik ist die Einheit der Rechtsordnung"; vgl. auch S. 68 f. In anderem Sinne wird der Ausdruck "rechtstechnisch" verwendet von Kropholler RabelsZ 42 (1978), 634 (652). 10 Vgl. Wengler, Betrachtungen, S. 719. 11 Wie hier unterscheidet IPG 1976 Nr.25 (Hamburg), S.303 (305), ohne weiteres zwischen common law und equity. Vgl. ebenfalls Blumenwitz, S. 4 ff.; Henrich, S.17, 19 f.; jedoch jeweils mit näheren Ausführungen. 12 Vgl. Blumenwitz, S. 6 f.; Henrich, S. 42.
1. Abschn.: Grundsätzliches zur Einführung
17
matter, then the rules of Equity shall prevail13 ." Die erwünschte Rechtssicherheit konnte - wenn sie schon mit mehreren Rechtsordnungen leben mußte - deren selbständige Existenz nicht länger hinnehmen. Rechtssicherheit, Ausfluß des in Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG niedergelegten Rechtsstaatsprinzips, gebietet daher im Bereich unseres Rechts das Dogma von der "Einheit der Rechtsordnung", die sich mithin als nichts anderes erweist denn als KollisionsregeP' des materiellen Rechts15 , die dessen widerspruchsfreie Auslegung gewährleisten soll. Interessiert im folgenden speziell einer ihrer Aspekte, nämlich die Vermutungl6 , ein heuristisches Prinzip also nur, daß gleiche Begriffe auch gleiche Inhalte17 haben - ubi lex non distinguit, nec nos distinguere debemus _18, so ist damit auch gezeigt, daß der Begriffsjurisprudenz 18 noch eine Bedeutung verbleibt, wenngleich sie nicht gesehen hat, daß eine Kollisionsregel so nachgiebig sein muß, daß sie in jedem Fall zu vernünftigen Ergebnissen hinführt, die immer dem jeweiligen Gesetz entnommen werden 20 und mit seinem Sinn und Zweck21 in Einklang stehen müssen2!. Immerhin ist das mehr als das, was systematische23 13 Sec. 25 des Judicature Act von 1873, zitiert nach Blumenwitz, S. 12. Es sei besonders darauf hingewiesen, daß diese Regel auf Grund von Fallrecht schon seit 1615 galt; vgl. Blumenwitz, S. 8; Henrich, S. 43. U Obgleich dieser Begriff seinen Platz im Internationalen Privatrecht hat, beginnt er doch, sich auch im übrigen Recht durchzusetzen; so verwendet ihn Kirchhof, S. 11, für die Spezialitätsregel. 15 Kegel, S. 23, spricht von "sachlichen Kollisionsnormen". 18 Mehr kann eine solche Kollisionsregel nicht leisten. Mit der im Text verwendeten Formulierung wird auch den Bedenken K. Schmidts, Kartellverfahrensrecht, S. 124, gegenüber einer Argumentation aus der "Einheit der Rechtsordnung" entsprochen. 17 Richtig daher der "Ausgangspunkt" bei Wünsche, S. 1. 18 Vgl. Engisch, S. 68, und in Studium Generale 10 (1957), 173 (177). Dieser Grundsatz hat sich auch jüngst in der Untersuchung von Kupisch durchgesetzt, der von einem einheitlichen Leistungsbegriff innerhalb des BGB ausgeht, S. 22, obwohl - so der Hinweis von Harder JuS 1979, 76 (78), der Kupischs Schrift gleichwohl positiv besprochen hat - die Dogmengeschichte ein anderes Ergebnis vorzeichnete. Weitere Beispiele: Canaris NJW 1978, 1891 (1894), macht auf die Notwendigkeit aufmerksam, bei einer Prüfung nach § 138 BGB denselben Zinsbegriff zu verwenden wie bei § 247 BGB; U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 (88 ff.), insistiert auf einem einheitlichen Begriff der "Empfehlung"; zu einer konsequenten Anwendung des BesitzBegriffs vgl. die Stellungnahme in JuS 1979, 102 ff. 18 Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre, S. 20 ff.; und zum Erfordernis klarer Begrifflichkeit in widerspruchsfreier Anwendung Raisch JZ 1970,433 (438 ff.). 20 Ohne daß es sich dabei freilich um "Erkenntnis" handeln könnte; vgl. dazu nur Engisch Studium Generale 12 (1959) 76 (77). 21 Siehe in diesem Zusammenhang Sandrock, Einheit, S. 55 f. 22 Die Regel steht also weder einer uneinheitlichen Auslegung gleicher Begriffe verschiedener Vorschriften noch einer uneinheitlichen Auslegung einer und derselben Norm unter verschiedenen Aspekten a limine entgegen; vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 126, der aber zu Recht betont, daß ein Gleichlauf bei der Auslegung wünschenswert sei. In richtiger Zurückhaltung
2 Venrooy
18
Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
Auslegung meint. "Einheit der Rechtsordnung" sieht ein Auslegungsergebnis vor sich2 4, ohne es im übrigen zu präjudizieren, dem gegenüber systematische Auslegung noch offen ist25 • Dieses Ergebnis ist sogleich in die Praxis umzusetzen: In den bisherigen Ausführungen ist das Programm offengelegt worden, dem die vorliegende Arbeit folgen möchte. Sein wesentlicher Punkt, die Vermutung nämlich, daß gleiche Begriffe gleiche Inhalte haben26 , wird im folgenden zeigen müssen, ob er eine Klärung des Vertragsbegriffs tragen kann. Seine Zielrichtung ist nicht mehr zweifelhaft: Es wird als erstrebenswert angesehen, einen für das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und das Bürgerliche Gesetzbuch einheitlichen Vertragsbegriff zu ermitteln. Seine Verwendung in § 18 GWB wird daher nur als Beispiel jenes einen Begriffs betrachtet, der auch in anderen Normen Eingang gefunden hat. Dabei versteht sich zweierlei. Angesichts des Umstands, daß auf der Grundlage einer Vermutung zu argumentieren ist, wird vom rein methodischen Standpunkt aus gesehen das Ergebnis der Prüfung nicht vorweggenommen; dieses könnte also im Gegensatz zu jener Vermutung stehen, die dadurch für den Einzelfall widerlegt würde, ohne daß sie allerdings dadurch ihren Wert als generelle Interpretationsrichtlinie verlöre. Andererseits kann jedoch als Resultat schon angekündigt werden, daß die Vermutung sich durchsetzen, also in der Tat zu einem einheitlichen Vertragsbegriff hinführen wird 27 ; denn es wäre wenig sachgerecht, zunächst in aller Ausführlichkeit den theoretischen Ansatz darzulegen, der dem Begründungsgang zugrundegelegt wird, wenn dann später doch ein von diesem losgelöstes Ergebnis vertreten werden soll. Diese Arbeit wird sich also - das kann jetzt schon gesagt werden nicht dazu verleiten lassen, einen neuen Beitrag zur Diskussion um einen besonderen Kartellvertragsbegriff zu leisten28 • Jenem Risiko auch Th. Honsell JuS 1979, 81 (85): verschiedene Auslegung ist möglich, doch bedarf das einer Begründung. Bei Schmiedet, S. 175 kommt der heuristische Wert der Begriffe zu kurz "So erweist sich nur, wieder einmal, daß terminologische Fragen kein Eigenleben führen. Sie sind, wie überall in der Rechtswissenschaft, nur als die Konsequenz von Sachfragen zu behandeln. Technische Begriffe haben nicht zu bestimmen. Sie haben Untertanen, nicht Regierende zu sein." 23 Siehe zur "Einheit" als "Gedanke des Systems" Larenz, Methodenlehre, S.20. 24 Raisch JZ 1966, 501 (504), betont die Erfordernisse der Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit bei der Auslegung. 25 Vgl. Ecker JZ 1967,525. 28 Vgl. oben, voriger Absatz. 27 Dazu unten, Zweiter Abschn., 2 d). 28 Hier mag verwiesen werden auf Langen I Niederteithinger I Schmidt, § 1 Rdnrn. 14 ff.; Marx, S. 65 f.; Rittner, Wirtschaftsrecht, S. 340 f.
1. Abschn.:
Grundsätzliches zur Einführung
19
mußte sie aus dem Wege gehen, wollte sie nicht Gefahr laufen, ohne Interesse überhaupt noch erwecken zu können, einer der schon existierenden Theorievarianten zugeschlagen zu werden; denn in dieser Kontroverse einen neuen Lösungsweg zu finden ist nicht möglich; dieser überzeugung sei hier Ausdruck gegeben. Der dargestellte Ausgangspunkt gestattet es - wie im einzelnen ausgeführt werden wird 29 - , ein Ergebnis zu entwickeln, das jenen Theorienstreit nicht zur Voraussetzung hat. Um sich unter dem Gesichtspunkt logischer Gedankenführung das Eingehen auf ihn ersparen zu können, werden die Erörterungen schon zu einem früheren Zeitpunkt mit ihrer Fragestellung einsetzen, als er es getan hat. Dabei wird das Folgende zugrundegelegt: Es wird nicht verkannt und auch das soll noch näher dargestellt werden30 - , daß das BGB von einem seit langer Zeit bekannten, also historisch gefestigt erscheinenden Vertragsbegriff ausgeht, dessen wesentlicher Bestandteil der Rechtsfolgewille der Parteien ist. An diesem Kriterium entzündete sich der Streit um einen besonderen Kartellvertragsbegriff, weil es im GWB keinen sinnvollen Platz einnehmen kann - auch insoweit sei auf die Einzelheiten verwiesen31 • Es wird ferner davon ausgegangen, daß in jener Auseinandersetzung ein wichtiger Aspekt außer acht gelassen wurde, nämlich daß alle gesetzlichen Begriffe auch dann zur freien Verfügung des Gesetzgebers stehen, wenn ihr Begriffsinhalt von ihrer Geschichte her keinem Zweifel mehr offen zu sein scheint. Nun hat allerdings der Gesetzgeber das BGB, dessen Vertragsbegriff also, nicht im Hinblick auf das Inkrafttreten des GWB klargestellt oder gar in seinem Wortlaut geändert. Doch wenn er in einem neuen Gesetz Begriffe verwendet, deren äußeres Bild mit denen einer älteren Kodifikation dekkungsgleich ist, so kann sich wegen des Erfordernisses praktischer Konkordanz auch deren Inhalt geändert haben, wenn sich diese Notwendigkeit aus dem neuen Gesetz ergibt. Das Kriterium "Rechtsfolgewille" ist also seinerseits als disponibel zu erachten; es ist der kritische Punkt, auf den die Prüfung sich zu konzentrieren hat. Da die Kartellrechtslehre nicht in Zweifel gezogen hat, daß dieses Merkmal jedenfalls zum zivilrechtlichen Vertragsbegriff gehört, ist zugleich hier der Ort festzustellen, der einen früheren Zugang zur Problematik erlaubt, als ihn die bisherige Lehre gewählt hat. Zu suchen ist also nach einem zivilrechtlichen Vertragsbegriff, der ohne den "Rechtsfolgewillen" auszukommen vermag. Bei der Klärung wird die Eingangsvermutung wiederum behilflich sein. Sie wird es 29
30 31
Unten, Zweiter Abschn. Unten, Zweiter Abschn. Unten, Zweiter Abschn., 1 a) a. E.
20
Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
nahelegen, die Begriffe "Vertrag" und "Rechtsgeschäft" aus ihrer Teilkongruenz zu befreien. Dabei wird dem "Rechtsgeschäft" sein umfassender Begriffsinhalt erhalten bleiben, der des "Vertrags" hingegen wird reduziert: Er wird als Tatbestand angesehen werden, der gemeinsam mit seinen von einem Rechtsfolgewillen getragenen Rechtsfolgen das "Rechtsgeschäft" bildet32 - dies in übereinstimmung mit der Formulierung des § 305 BGB, wonach ein Vertrag zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft erforderlich ist. Eingeführt wird also ein Begriff, der mit bereits existierender Terminologie vereinbar ist. Die Darlegungen zu einem Begriff, so hier zum Vertrag, sind notgedrungen stets äußerst abstrakt. Ihre geringe Anschaulichkeit wird um des Ergebnisses willen hingenommen - das zudem in dem Bewußtsein methodisch korrekten Vorgehens: Denn ist es schon nicht die Aufgabe von Begriffen, anschaulich zu sein33 , dann obliegt dies ihrer Erörterung umso weniger. Die Eigenschaft geringer Anschaulichkeit wird sich auch der sich anschließenden überprüfung des hier gefundenen Vertragsbegriffs im Rahmen seiner Verwendbarkeit innerhalb eines für das GWB einheitlichen Argumentationsmusters mitteilen: Die Aufdeckung von Zusammenhängen im GWB kann schwerlich zu Ergebnissen führen, die bei den einzelnen Vorschriften nicht schon auf anderer Argumentationsgrundlage besprochen worden wären.
M 83
Dazu unten, Zweiter Abschn., 2 d). So Larenz, Methodenlehre, S. 33.
Zweiter Abschnitt
Entwicklung eines einheitlichen Vertrag8begriffs 1. Schwächen der herrschenden Lehre a) Darstellung der herrschenden Lehre
Die Kollisionsregel von der Einheit der Rechtsordnung legt es mithin nahe, den Begriff vom Vertrag, den § 18 GWB verwendet, dem Gesetz zu entnehmen, das die meisten Elemente zu seiner Definition bietet, ohne indes diese selbst zu enthalten\ nämlich dem BGB2 • Jedoch gebietet die Regel zugleich, davon auszugehen, daß der Vertragsbegriff innerhalb des GWB ein einheitlicher ist. Deshalb war auch in der Tat jede weitere Begründung überflüssig, wenn Langen / Niederleithinger / Schmidt 3 schreiben: "Für § 18 gilt derselbe Vertragsbegriff wie für § 1." Mag das auch in keiner anderen Kommentierung so deutlich ausgesprochen worden sein, so ist es doch allgemeine Meinung - belegt durch die weitere Darlegung, daß auch Exklusiv-Bindungen4 dann (nur) unter §§ 1 ff. GWB fielen, wenn die Parteien doch einmal einen gemeinsamen Zweck mit ihnen verfolgten5 • Das wäre bei unterschiedlichem Vertragsbegriff nicht möglich6• Besteht demnach über den Ansatzpunkt der BegriffskläSo etwa auch L. Raiser, Vertragsfunktion, S. 101. So auch Fuchs, S. 16 f., bezüglich der Auslegung des Begriffs "Unwirksamkeit", wenngleich er zu früh von der Möglichkeit einer spezialgesetzlichen Modifizierung ausgeht, S.17, wozu dann aber keine näheren Darlegungen folgen. Allgemein wie im Text Marx, S. 63 f., jedoch anders auf S. 65 f. Es mag sein, daß Raisch, Mißbrauch, S. 357 (367 f.), ein solches Vorgehen generell ablehnt. - Wie Rittner, Wirtschaftsrecht, S. 340 f., letztlich definieren will, bleibt offen. 3 Langen 1Niederleithinger 1Schmidt, § 18 Rdnr. 14. 4 Da es im Rahmen dieser Arbeit auf die Verschiedenheit der in § 18 Abs. 1 Nrn.1 bis 4 GWB normierten Rechtsgeschäftstypen nicht ankommt, wird als Oberbegriff "Exklusiv-Bindungen" benutzt. Vgl. zu einer Abgrenzung etwa Lehmpjuhl, S. 35 ff.; R. Liebs, S. 26 ff.; Rittner, durchgehend, insbesondere jedoch S. 108 ff. - K. Schmidt, Aufgaben, S. 75, nimmt als obere Kategorie das Wort "Ausschließlichkeitsbindungen". 5 So etwa Emmerich, S. 99; Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 12, 109; Langen 1Niederleithinger 1Schmidt, § 18 Rdnr.182; Marx, S.109; Müller-Henneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1 Rdnrn. 37, 40; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, Vorb. zu §§ 15-21 Rdnr.1; BGH WuW/E BGH 1525, 30.5. 1978, KZR 8/76, "Fertighäuser". • Hier hat sich also gleich zu Beginn ein Punkt gezeigt, bei dem eine einheitliche Begrifflichkeit von Belang ist. Auch wenn man mit K. Schmidt, 1
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rung Einigkeit7 , stößt die Lehre bei der Durchführung der Auslegung auf Probleme. Seit jeher wird nämlich im Zivilrecht unangefochten vertreten, ohne Rechtsfolgewille, also ohne die von den Parteien vorgenommene Qualifikation der getroffenen Regelungen als rechtlich bindend, komme ein Vertrag nicht zustande8 • Mithin - so wird mit einem bedauernden Blick vor allem auf die Bußgeldnorm des § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB gefolgert - bräuchten sich die Parteien nur darüber im klaren zu sein, daß die von ihnen beabsichtigte Bindung vor der Rechtsordnung keinen Bestand haben könne, schon fehle ihnen der Rechtsfolgewille, und ein Vertrag könne konsequenterweise nicht zustande kommenD. So wird denn von einem Teil der Lehre 1o , die an Hand typischer Beispiele Kartellverfahrensrecht, S.34, 127, 131, 259, 384 f., 388 f., 399; Kartellverbot, S. 9 ff., § 25 Abs.1 GWB als Sitz des Kartellverbots ansieht und mithin das Problem von Vertragswirksamkeit und -unwirksamkeit nicht für "die Zentralfrage des Kartellrechts" (Kartell verbot, S. 31) hält, ist eine Beschäftigung mit diesem Thema möglich. K. Schmidt ist entgangen, daß man § 18 GWB und § 138 BGB unter dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeitssanktion für Rechtsgeschäfte miteinander vergleichen kann und deshalb auch insoweit auf eine einheitliche Beurteilungsgrundlage angewiesen ist. - Im Grunde steckt in K. Schmidts Äußerung die generelle Befürchtung, es könne ein Rückfall in die Begriffsjurisprudenz bevorstehen. Mit Kraft, S. 9 f. (m.w.N.), ist indes darauf hinzuweisen, daß es ohne die Klärung von Begriffen nicht geht, denn Freirechtsschule und soziologische Jurisprudenz (vgl. Kraft, S.8) sind ihrerseits überwunden. Auf dieser Grundlage geht es auch im folgenden, wo immer logische Schlüsse versucht werden, nicht darum, aus ihnen allein die Richtigkeit eines Ergebnisses abzuleiten, wie es Merkmal der Begriffsjurisprudenz wäre (vgl. Kraft, S. 32 f.). Jeder Schluß bedarf vielmehr seinerseits einer Begründung hinsichtlich seiner Erforderlichkeit. Deshalb wird stets aufgespalten werden nach Dogmatik und Legitimation, und es wird einige Gelegenheit geben nachzuweisen, daß die Lehre eine Legitimation nicht versucht, sondern es für die Rechtfertigung ihrer Ergebnisse bei dogmatischen Erklärungsversuchen bewenden läßt. 7 Sandrock, S.257, schreibt: "Die ... These, § 1 GWB verwende den Vertrags- und Beschlußbegriff der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, ist überall akzeptiert worden." Er kommt dann wie die h. L., der er angehört, zu dem Ergebnis, § 1 GWB erfasse auch nur das, was nach überkommener zivilrechtlicher Auffassung als Vertrag anzusehen sei, S. 259. 8 Problematisiert wird dieser Punkt nicht mehr; vgl. daher nur Enneccerus / Nipperdey, S.909; Lehmann / Hübner, S.233, obendrein mit mißverständlicher Formulierung. Emmerich / Gansweid JuS 1976, 432, etwa schreiben ohne weiteres von der "rechtliche(n) Bindung durch Abschluß eines Vertrages". Ob Rittner, S. 58 f., eine Stellungnahme zugunsten der h. L. abgibt, ist nicht recht auszumachen; wahrscheinlich bespricht er nur den Fall, in dem eine rechtliche Bindung unzweifelhaft gewollt war. Vordergründig ist die Darstellung bei Frowein, Bindung, S. 301: Es versteht sich, daß die rechtliche Bindung für den Vertrag "charakteristisch" ist. Damit sind aber weder andere Fälle ausgeschlos'Sen, noch ist damit gesagt, daß die rechtliche Bindung zum Vertragsbegriff gehört. Unklar ist, ob Larenz, Schuldrecht I, S. 124, mit seiner Darstellung, eine rechtliche Bindung könnten die Parteien auch dann wollen, wenn sie wüßten, daß die zwangsweise Durchsetzung ihrer Ansprüche an einem Formmangel scheitern würde, der herrschenden Lehre widersprechen will. e Vgl. aus der kartellrechtlichen Literatur etwa BeLke ZHR 143 (1979), 74 (75); Marx, S. 65; MöscheL, S. 145.
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dargestellt werden wird, vertreten, im Kartellrecht sei das Vorliegen eines Vertrags selbst dann anzunehmen, wenn den Parteien der Rechtsfolgewille gefehlt habeu. b) Rechtsgeschäft und Vertrag
Herrschende Lehre wie Mindermeinung beruhen auf zwei Prämissen: zum einen, daß die fürs Zivilrecht entwickelte Auffassung richtig sei12 ; zum anderen, daß die Begriffe "Rechtsgeschäft" und "Vertrag" gleichzusetzen seien und letzterer nur ein Unterfall des ersteren seP3. Sollen die Parteien auf Grund einer übereinkunft keine Leistungen verlangen dürfen (§ 241 BGB), könne auch kein durch Rechtsgeschäft begründetes Schuldverhältnis (§ 305 BGB) vorliegen; eine solche Vereinbarung vermöge für die Beziehung der Parteien untereinander nicht die Stelle eines Gesetzes 14 einzunehmen, mit welcher Wendung römischem 10 Daß die Rechtsprechung diesen Weg nicht gegangen ist, braucht hier nicht näher dargestellt zu werden. Reich, S. 249, jedenfalls bezeichnet das in der Teerfarbenentscheidung (BGH WuWIE BGH 1147 ff., 17.12.1970, KRB 1/70, "Teerfarben") gefundene Ergebnis als "vom Standpunkt der bürgerlichrechtlichen Dogmatik durchaus konsequente Auslegung"; das ist sie gewiß, weshalb dieser Formulierung auch nicht entnommen werden kann, ob Reich sie billigt. U Vgl. etwa die Nachweise zu einer anderen Auslegung des Vertragsbegriffs im GWB als im BGB bei Raisch, Unternehmensrecht 2, S. 199 (Text und Fn. 78). 12 Daher kann dem Ansatz von Möschel, S. 144 f., nicht gefolgt werden, der ohne weiteres von einem Nichtausreichen des zivilrechtlichen Vertragsbegriffs für das Kartellrecht ausgeht. 13 Vgl. etwa die dem Vertragsbegriff parallele Definition des Rechtsgeschäfts bei Enneccerus 1Nipperdey, S. 896 f.; Lehmann / Hübner, S. 141; außerdem die Formulierung bei Coing JuS 1979, 86 (88); "Rechtsgeschäfte, namentlich Verträge". L. Raiser, Vertragsfunktion, S.101, schreibt vorsichtig genug, der Vertragsbegriff erscheine als Sonderfall des Rechtsgeschäfts. Anders hingegen Bartholomeyczik, Vertrag, S.39 (53), sogar mit unmittelbarem Bezug auf das GWB: "Der Vertrag i. S. des § 1 GWB ist als ein Unterbegriff des Rechtsgeschäfts festgestellt worden." U Mailänder, S.143 Fn.32, und L. Raiser JZ 1958, 1, ebenso Vertragsfunktion, S.101 (116), verweisen zu Recht auf den Wortlaut des Art. 1134 CC (genauer hätte auf dessen Abs. 1 Bezug genommen werden müssen): "Les conventions legalement forme es tiennent lieu de loi a ceux qui les ont faites." Durch die Verfassung von 1958 hat der Wortlaut der zitierten Vorschrift eine feierliche Aura erhalten, denn sie verteilte die Gesetzgebungsbefugnis auf Parlament und Regierung, wobei die grundsätzlichen Bestimmungen zur Zuständigkeit und Kompetenz des Parlaments gehören; nur diese werden "loi" genannt; vgl. Art. 34 der Verfassung einerseits und Art.37 der Verfassung andererseits. - Die Auffassung L. Raisers JZ 1958, 1 (Text und Fn. 7), in Art. 1134 Abs. 1 CC komme die Ausstattung mit gerichtlichem Rechtsschutz zum Ausdruck, liegt nicht so nahe wie die, daß die Norm eine Rangordnung aufstellt, derzufolge das Rechtsgeschäft dispositivem Recht vorgeht; zugleich mag der Wortlaut auch auf die strenge Bindung hinweisen, die ein Rechtsgeschäft mit sich bringt. - übrigens zeigt schon allein das Heranziehen dieser Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang eine gewisse Ungenauigkeit, denn Art. 1134 Abs.1 CC benutzt den Begriff vom Vertrag ("contrat") nicht.
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Recht folgend - die Wirkung eines Vertrags im Verhältnis zu den an ihm Beteiligten umschrieben wird15 • Der richtige Weg, einen im Kartellrecht befriedigenden Vertragsbegriff zu entwickeln, wäre beschritten worden, wenn man die zivilrechtliche Lehre selbst in Frage gestellt hätte18 • Die beiden Protagonisten der Mindermeinung, die diesen Weg zu gehen glaubten, - Lukes und Kellmann - sind gescheitert. c) Rechtsfolgen- und Grundfolgentheorie
Zur Darlegung dessen ist kurz auf den in der Zivilistik nahezu vergessenen Streit um Rechtsfolgen- und Grundfolgentheorie einzugehen17• Verlangt die herrschende Rechtsfolgentheorie eine auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtete Erklärung, begnügt sich die Grundfolgentheorie mit dem Wollen eines wirtschaftlichen Ergebnisses, das auf rechtlichem Wege eintreten soll. Von Interesse ist nur das eine: Es ist nie daran gedacht worden, das Vorliegen eines Vertrags auch anzunehmen, ohne daß eine rechtliche Bindung (Wirkung) zumindest deshalb eingetreten wäre, weil die Parteien das der Rechtsfolge zugrunde liegende wirtschaftliche Ziel auf der Grundlage bindender Verpflichtungen gewollt haben. d) Die Lukessche Lehre
Lukes stellt zunächst18 in Frage, ob dem Kartellvertrag eine "Verpflichtung" wesentlich sei. Vom Standpunkt der herrschenden Lehre 15 Vgl. etwa Krasser, Vertragliche Rechte, S.89: " ... daß das vertragsgemäße Verhalten in gleicher Weise geboten, vertragswidriges in gleicher Weise verboten ist, wie wenn ein entsprechendes rechtssatzmäßiges Gebot oder Verbot bestünde." 18 Demgegenüber ist es erstaunlich, daß gerade ein Lehrbuch des Allgemeinen Teils des BGB wie das von Enneccerus I Nipperdey, S. 898 Fn. 11, ohne weiteres davon ausgeht, der Vertragsbegriff im BGB und im GWB sei verschieden (besonders kraß in gleicher Richtung Belke ZHR 143 (1979), 74 (75). Kritisch, jedoch ohne nähere Ausführungen, zum Vertragsbegriff der Zivilistik, Emmerich, S.38. Vordergründig Mestmäcker, Kartellverbot, S.556 (563), der das Merkmal des Rechtsfolgewillens bejaht, obwohl er zum Ausgangspunkt nimmt, im Teerfarbenfall sei anders entschieden worden (ob seine Darlegung in Prinzip, S. 568 (574), damit im Widerspruch steht, ist unklar). Er meint, damit habe eine kartellrechtliche Besonderheit statuiert werden sollen, die er nicht billigt. Tatsächlich ist so gar nicht entschieden worden. Die Kreation nichtklagbarer Ansprüche, von denen er in Fn.22 spricht, leugnet den Rechtsfolgewillen nicht, wie auch pacta de non petendo das einmal geschlossene Rechtsgeschäft nicht aufheben. Auch auf S. 565 führt er den "gesonderten Vertragsbegriff" an, den KG und BGH entwickelt hätten. - Daß schließlich eine Wettbewerbsbeschränkung auch ohne vertragliche Bindung denkbar ist, worauf Emmerich I Gansweid JuS 1976, 432 (435), hinweisen, versteht sich von selbst. 17 Vgl. die Darstellung etwa bei Battes JZ 1969, 683 ff.; Enneccerus I Nipperdey, S. 896 f. Fn.4; U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (91 ff.).
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aus betrachtet hört sich das vielversprechend an. Indes zeigen seine Abgrenzung von den Verträgen, die - ohne zugrunde liegende Verpflichtung, so muß man wohl ergänzen - unmittelbar verfügenden Charakter haben19 , sein Abstellen auf kartellmäßig wirkende Beschlüsse, die nach ihrer Zielsetzung keine Kartelle sind20 , und seine Betonung des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks 2" daß er im Grunde nur das bespricht, was heute unter den Stichwörtern Gegenstands-, Folge- bzw. Zwecktheorie erörtert wird22 • Die Ambivalenz, die seine Darlegungen aufweisen, findet ihre Erklärung darin, daß er einfach nur von "Verpflichtung" spricht; aus dem Zusammenhang muß erst ermittelt werden, daß er die spezifisch "kartellmäßigen Verpflichtungen" meint, also das Vertragsziel. Belegt wird das unmittelbar nur durch eine Stelle23 , wo er schreibt: "Lediglich der Böhm-Entwurf hob hervor, daß der Vertrag ein Verpflichtungsvertrag sei." Der § 1 dieses Entwurfs24 verlangte nun wortwörtlich diese "kartellmäßigen Verpflichtungen", die er im übrigen durch die vertragliche Beeinträchtigung der Freiheit des Marktverhaltens definiert. Allerdings kann das Vorgehen von Lukes nicht verwundern: Sein Ziel ist es, einen "Vertrag mit Außenwirkungen" zu beschreiben. Auch die weiteren Erörterungen von Lukes 25 führen im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter: Zweifelhaft ist schon die Frage, ob zum Begriff von "Rechtsgeschäft" der Wille der Beteiligten gehöre, ihre übereinkunft der Rechtsordnung zu unterstellen!6; keinesfalls ist nämlich ein Rechtsgeschäft ohne Bezug auf die Rechtsordnung denkbar; das wäre ein Widerspruch in sich. Indes war die Frage vorgezeichnet durch eine in der Erörterung erst folgende Klarstellung27: "Vertrag" soll einer der möglichen Oberbegriffe mehrseitiger Rechtsgeschäfte sein. Damit kehrt er zu dem Begriff zurück, den das GWB verwendet. Dessen Tatbestandsmerkmale aber hat er vorher postuliert, um anschließend sagen zu können, sie machten den gesetzlichen Begriff aus. Dieses Vorgehen ist schon methodisch nicht akzeptabel; aber - noch entscheidender: Er kommt nicht ohne Bezug auf die Rechtsordnung aus. Entweder er spricht deutlich vom Wollen der Maßgeblichkeit der Rechtsordnung28, oder er 18 19
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Lukes, Lukes, Lukes, Lukes,
S. 109 ff. S. 110. S. 111. S. 113.
Die Darstellung findet ihre Fortsetzung (bei Lukes) auf S. 123 ff.
Lukes, S. 109.
Mitgeteilt bei LUkes, S. 109 Fn. 15. S. 253 ff.
Lukes, Lukes, Lukes, Lukes,
S. 254. S. 275, 278, 284 ff. S. 261, 265.
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
bezeichnet die "gewollten Reflexwirkungen" als "Rechtswirkungen" 20. Hier erweist sich Lukes als Vertreter der Grundfolgentheorie 30 , womit er zwar der herrschenden Rechtsfolgentheorie nicht folgt, aber auch nicht vermag, die Notwendigkeit eines Bezugs auf die Rechtsordnung hinter sich zu lassen 31 • e) Die Kellmannsche Lehre
Bei KeUmann 32 wird sich überdies erweisen, daß schon der Unterschied zwischen Rechtsfolgen- und Grundfolgentheorie eher ein postulierter als ein in der Realität existenter ist. KeUmann geht von der Überlegung aus, daß die Parteien der meisten Geschäfte des täglichen Lebens bei ihrer Vornahme die rechtliche Regelung nicht bedächten33 • Daher genüge ein natürlicher Bindungswille, also die Absicht, daß der jeweils andere Vertragsteil die Leistung soll unbedingt verlangen können. In einem solchen Fall liefere das Recht, dessen Vertragstatbestand die Parteien erfüllt hätten, die Durchsetzbarkeit; aus der natürlichen Übereinkunft werde - ohne Rücksicht auf den Willen der Parteien eine rechtliche Regelun~4. Es ist nicht recht nachvollziehbar, was hier denn anderes zum Ausdruck gebracht worden sein soll als eine Spielart der Grundfolgentheorie 35• Daß nach dieser Auffassung in der Gestalt, die sie bei KeUmann gefunden hat, ein Vertrag nicht auf "niedrigerer Ebene" (sit venia verbo) zustande kommt, als die herrschende Meinung ihn perfekt sein läßt, erweist die simple Überlegung, wie denn eine Übereinkunft zu qualifizieren sein soll, durch die unbedingte Leistungspflichten im Sinne KeUmanns stipuliert werden, die Parteien sich aber darüber einig sind, daß die Pflichten nicht zur Domäne des Rechts gehören sollen. Man wird keine Bedenken haben können, dieses Einigsein als protestatio facto contraria einzustufen, die ihrerseits keine Rechtswirkungen hervorrufen kann, weil sie ultra vires der Kontrahenten anzusiedeln ist. Und hier in diesem Zusammenhang, wo unbe29
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Lukes, S. 268. So auch Sandrock, S. 257. Bei Wallrajj, S.63, ist es nicht
31 sicher, ob er mit seiner Darstellung, Lukes weiche von der herrschenden Rechtsgeschäftslehre ab, sagen will, er gehe auch über die Grundfolgentheorie hinaus. Das wäre nicht richtig. U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (86 Fn.6), sagt gar, Lukes sei ein dezidierter Anhänger der Lehre vom Rechtsbindungswillen. Die von U. Huber einerseits und im Text andererseits vertretene unterschiedliche Akzentuierung erklärt sich aus der von U. Huber, aaO., aufgezeigten Widersprüchlichkeit in der Lukesschen Lehre. 32 Kellmann NJW 1971, 265 ff. 33 Kellmann NJW 1971, 265. 34 Kellmann NJW 1971, 265 (266 f.). 35 Auch U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (91 Fn.24 zweifelhaft hingegen die Äußerung auf S.86 Fn.6), rechnet Kellmann ohne weiteres der Grundfolgentheorie zu.
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dingte Verpflichtungen gewollt sind, kann die Rechtsfigur der protestatio facto contraria sinnvoll und richtig angewandt werden. Sie als Instrument des Vertrauensschutzes38 führt dahin, daß keiner der Beteiligten sich darauf berufen kann, das Eingreifen der Rechtsordnung sei nicht erwünscht gewesen, denn damit würde er sich zu seiner Verabredung unbedingter Verpflichtungen in Widerspruch setzen. Obwohl gerade Kellmann 37 die Anwendung dieser Rechtsfigur für das Zustandekommen von Schuldverhältnissen aus sozial typischem Verhalten ablehnt - zu Recht, wie sich sogleich zeigen wird -, stellt er doch entscheidend auf ein Vertrauenselement ab: Nimmt jemand eine Leistung in Anspruch, von der er weiß, daß sie nur entgeltlich angeboten wird, dann kann er nicht damit gehört werden, er habe keine Rechtspflicht zur Erlegung des Entgelts eingehen wollen. Recht hat Kellmann in diesem Punkt aus einem anderen Grunde: Es ist a limine fehlerhaft, mit Hilfe einer bloßen Argumentationsfigur ohne eigene Rechtsqualität eine rechtliche Bindung herbeizuführen, die ausdrücklich nicht gewollt war; zur Begründung eines Bindungswillens kann die protestatio facto contraria daher nicht herangezogen werden 38 • Sie dient hier nur dazu klarzustellen, daß Kellmanns Lehre und mithin die gesamte Grundfolgentheorie nichts von der herrschenden Rechtsfolgentheorie Abweichendes ans Tageslicht gefördert haben: Im Fall der Stipulation unbedingter Verpflichtungen ist der Rechtsfolgewille gleichgültig; daraus ergibt sich, daß es auch nicht von sonderlichem Interesse ist, ob die Parteien es ablehnen, ihre übereinkunft der Rechtsordnung zu unterstellen. f) Die
Essenz der herrschenden Lehre
Vergißt man, wie es nunmehr angebracht erscheint, den Unterschied zwischen Rechtsfolgen- und Grundfolgentheorie, kann man die herrschende Lehre wohl zutreffend so darstellen, daß die Auffassung von der Erforderlichkeit eines Bezugs auf die Rechtsordnung jedenfalls im Ergebnis unangefochten den zivilrechtlichen Vertragsbegriff beherrscht, der jetzt - da die kartellrechtliche Mindermeinung als nicht tragfähig erkannt wurde - als mit dem in §§ 18, 1 GWB verwendeten identisch U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 (88). KeHmann NJW 1971, 265 (268). :18 Deshalb trifft auch im Ergebnis die Auffassung WaHraffs, S. 63 f. zu, der sich ohne eigene Begründung dagegen wendet, das gentlemen's agreement sei mit Hilfe der protestatio facto contraria dem (üblichen) Vertragsbegriff einzuverleiben. U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (88), auf den WaHraff sich beruft, weist zutreffend darauf hin, daß die Parteien sich im Fall des gentlemen's agreement gar nicht widersprüchlich verhielten. Indes ist U. Huber entgegenzuhalten, daß er bereits den Tatbestand der protestatio facto contraria prüft, wo doch - so die oben im Text vertretene Ansicht diese Rechtsfigur hier von vornherein nicht anwendbar ist. 38 37
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angesehen werden muß. In die hier vertretene Ansicht ist nun noch das Argument einzupassen, die Kenntnis der Parteien vom Verbotensein ihrer Vereinbarung, von dem Umstand also, daß ihre übereinkunft vor der Rechtsordnung keinen Bestand haben könne, schließe das Zustandekommen eines Vertrags aus 39 • Jetzt kann gesagt werden, daß diese Meinung an einer Inkonsequenz leidet; sie verlangt für den Vertrag mehr, als es die Vertragslehre im übrigen tut. Denn ist oben festgestellt worden, daß der Wille unbedingter Verpflichtungen den Bezug auf die Rechtsordnung in sich trägt, diese also keineswegs selbst Gegenstand des Willens zu sein braucht, so wird hier exakt dieses Kriterium herangezogen, um das Vorliegen eines Vertrags zu verneinen: Kann der Wille, eine unbedingte Verpflichtung solle außerhalb der Rechtsordnung bleiben, eine rechtliche Bindung nicht hindern, so gilt das gleiche für das Bewußtsein, der erstrebte Erfolg werde von der Rechtsordnung nicht zugelassen; beide inneren Tatsachen liegen auf derselben Linie. g) Die Lehre vom Mindesttatbestand
Freilich: ein wirksamer Vertrag kann entgegen gesetzlichem Verbot nicht zustande kommen; um einen Vertrag handelt es sich gleichwohl, nur ist er unwirksam bzw. nichtig. Schließlich bedarf es der Nichtigkeitssanktion gerade für den Fall, daß rechtskundige Parteien nach Wegen suchen, entgegen dem Gesetz unbedingte Verpflichtungen zu vereinbaren; denn solche zur Gesetzesübertretung entschlossene Personen können durch bloße Verbote nicht daran gehindert werden, verbotswidrige Rechtsgeschäfte abzuschließen. Es ist leicht nachzuweisen, daß mit der Terminologie des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Annahme eines sogenannten Mindesttatbestandes40 , eines neutral gesprochen: nicht wirksamen Vertrages durchaus vereinbar ist41 • Das Gesetz spricht von nichtigen Rechtsgeschäften und nichtigen Verträgen, aber keineswegs von Nichtrechtsgeschäften42 und Nichtverträgen43 • Anders ließe sich auch dogmatisch nicht erklären, wieso ein unter § 1 GWB fallender Vertrag dann, wenn er die Voraussetzungen der §§ 2 bis 8 GWB erfüllt, Oben, 1 a). So U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (90 f.), im Gegensatz (oder je nach Fall als Vorstufe) zum vollwirksamen Rechtsgeschäft. 41 Fuchs, S. 17 Fn. 12, schreibt: Nichtiger Vertrag ist Rechtsgeschäft, "wenn schon der äußere Errichtungsakt ohne Rücksicht auf seine Wirksamkeit als Rechtsgeschäft bezeichnet wird" (trotz der Formulierung als petitio principii ist das Richtige gemeint); und Lukes, S.252, sagt mit Bezug auf Rechtsgeschäfte zutreffend, daß man bei der Qualifikation von der Unwirksamkeit, die etwa bestehen könne, absehen müsse. - Im übrigen ist hier wieder U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (90 f.), anzuführen. 42 Vgl. hierzu Flume, S. 102 Fn. 14 a, 550. 43 Die es aber daneben als besondere Kategorie auch gibt; vgl. § 154 BGB. 39
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noch wirksam gemacht werden kann. Hier kann nicht bezweifelt werden, daß ein Vertrag existiert44 , der lediglich (wenn auch nur schwebend unwirksam, so doch jedenfalls) unwirksam45 ist, und daß Parteien, die sich den in §§ 2 bis 8 GWB vorgeseherien Verfahren stellen, diese Unwirksamkeit auch gekannt haben4!. Es ist gerade dieses Beispiel des noch nicht wirksamen Vertrags, durch das die herrschende Meinung ad absurdum geführt wird. So wird bei Eintragung ins Grundbuch ein Vertrag gültig, der unter Außerachtlassung der Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB geschlossen wurde. Die herrschende Auffassung müßte - wäre sie konsequent47 - eigentlich davon ausgehen, daß die Eintragung im Fall der Kenntnis von der Unwirksamkeit (die aber bei Parteien, die beabsichtigen, zum Notar zu gehen, stets anzunehmen ist(8) nur den Formmangel heilt, nicht aber auch nachträglich den Vertrag schafft. Sie müßte dann weiterhin annehmen, daß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt und daß § 313 Satz 2 BGB seines Sinns entleert sei. - Das Ergebnis fällt noch deutlicher aus, wenn Parteien es darauf anlegen, von § 313 Satz 2 BGB Gebrauch zu machen. Hielte hier der Veräußerer dem Erwerber § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen (wie es - wie zuvor gezeigt - in der Konsequenz der herrschenden Lehre läge(9 ), so begegnete dem die herrschende Lehre höchstwahrscheinlich mit dem Arglisteinwand. Um hier keinen Zweifel zu lassen: Dieses Argument fiele schon deshalb auf sie zurück, weil es von vornherein konstruktiv einfacher ist, das Vorliegen eines Vertrags zu bejahen. h) Ergebnis
So zeigt sich, daß die herrschende Ansicht den Fall schwebender Unwirksamkeit in ihrer Lehre nicht unterbringen kann. Es würde auch 44 Zwar vom hier vertretenen Standpunkt aus terminologisch nicht einwandfrei, aber im Kern richtig betont Wünsche, S. 20, daß in solchen Fällen selbstverständlich kein rechtliches nullum vorliege. 45 Richtig BGH NJW 1976, 104 (105), 8.10.1975, VIII ZR 115/74: "Die schwebende Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts vermag eine solche" (sc. Leistungsverpflichtung) "ebensowenig zu begründen wie ein nichtiges Rechtsgeschäft, denn ein Schuldverhältnis, aufgrund dessen etwas gefordert werden kann, setzt, wenn es durch ein Rechtsgeschäft begründet werden soll, dessen Wirksamkeit voraus (§ 305 BGB)." 48 Vgl. zum Fall des Art. 85 Abs. 2 EWGV, wo sich das gleiche Problem stellt, Raisch / van Venrooy / Welke-Chlosta, S. 117 ff. 47 Was sie schon deshalb nicht ist, weil sie glaubt, ihre einander widersprechenden Positionen zur Folge einer Kenntnis der Unwirksamkeit und zum Fall der schwebenden Unwirksamkeit miteinander versöhnen zu können. 48 Es dürfte im Volk zumindest die überzeugung vorhanden sein, daß Grundstücksgeschäfte einer feierlichen Form bedürfen, die nur von einer Amtsperson gewährleistet werden kann. 49 Nicht gesehen von Battes JZ 1969, 683 (684).
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
nicht weiterhelfen anzunehmen, es liege jedenfalls deshalb ein Vertrag vor, weil die Parteien sei es die Genehmigung, sei es die Beurkundung wollten. Hier dürfte es nur korrekt sein, von einer zusätzlichen übereinkunft auszugehen, die mit dem eigentlichen Vertrag nur das eine zu tun hat: Dieser ist Objekt jener übereinkunft. Obendrein ist zu beachten, daß sich solche Formvorschriften, die die Entscheidungsfreiheit Privater zu sichern bestimmt sind, auch dieser übereinkunft mitteilen, weil die Formvorschrift anderenfalls umgangen würde 50 ; anders ist es allerdings wiederum, falls eine behördliche Genehmigung gewollt ist; hier besteht eine BindungSI. Jedenfalls verfährt die herrschende Auffassung hier sehr oberflächlich. Sie kümmert sich nicht mehr um ihren Ansatzpunkt, auf Grund dessen sie schon das Vorliegen eines Vertrags leugnen müßte, sondern fragt nur noch nach der Heilbarkeit der Unwirksamkeit, wobei sie als Vorfrage die nach dem Unterschied zwischen Unwirksamkeit im engeren Sinne (die behebbar ist per definitionem) und (endgültiger) Nichtigkeit stellt52• Die herrschende Meinung zur Auswirkung der Kenntnis des Verbotenseins ist also in sich selbst nicht schlüssig53• Ihre konsequente Durchführung vermag immerhin das Ergebnis 50 Ein schönes Beispiel liefert BGH NJW 1979, 307: Vereinbarung, daß eine als Anzahlung auf einen Grundstückskaufpreis geleistete Zahlung verfallen soll, falls der Grundstücksvertrag nicht zustande kommt. 51 Vgl. hierzu die Darstellung bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 256, 257 Fn. 45. - Konsequent BGH NJW 1979, 372 (Nr.7), 6.10.1978, V ZR 211/77: "Die Parteien eines der Genehmigungspflicht nach § 2 GrdstVG unterliegenden Vertrags können wirksam vereinbaren, daß schon vor Erteilung der Genehmigung der Kaufpreis beim Notar zu hinterlegen ist." - Ebenso konsequent BGH NJW 1976, 104, 8. 10. 1975, VIII ZR 115/74: "Eine Leistung aufgrund eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts ist jedenfalls dann ohne rechtlichen Grund erfolgt, wenn sie in Unkenntnis des Schwebezustandes vorgenommen wurde." Allerdings ist dem BGH vorzuhalten, daß er die entscheidenden Vorschriften nicht mitgeteilt hat, nämlich §§ 309, 308 Abs. 1 BGB. 52 Siehe nur Fuchs, S. 17 ff.; vgl. außerdem Reinhart, S. 28 ff. Baums ZHR 142 (1978), 528 ff. (passim), leugnet diesen Unterschied. - Im Grunde richtig formuliert Fuchs, S.20 (inkonsequent hingegen S.38), dahin, daß ein Kartellvertrag nichtig sei, wenn ein Erlaubnisverfahren nicht angestrebt werden solle; er geht mithin von dem Vorliegen eines Vertrags aus; nach h. L. bestünde schon kein Vertrag. 53 Sie erinnert im übrigen stark an die consideration-Lehre des englischen Rechts, den strengen do-ut-des-Grundsatz also, daß derjenige, der aus einer Zusage Rechte herleiten will, dafür seinerseits ein Opfer gebracht haben muß; deutlich die Erwägung bei Battes JZ 1969, 683 (691); vgl. auch den Hinweis bei KeUmann NJW 1971, 265. Siehe im übrigen Blumenwitz, S.10, 36; Henrich, S. 53 ff.; L. Raiser, Vertragsfunktion, S.101 (122); Hans StoU, Vertrauensschutz, S. 741 f. (vor allem 742, Text und Fn. 9, die die Linie zur kontinentalen Vertragslehre zieht), 747. - Auch eine gewisse Verwandtschaft mit römischem Recht ist nicht zu leugnen, heißt es doch bei Ulpian D. 4, 2, 1 pr.: "Ait praetor: Quod metus causa gestum erit, ratum non habebo." Doch handelte es sich hier (jedenfalls dogmatisch) nicht um eine ex-lege-Nichtigkeit; vielmehr gewährte der Prätor auf Grund dieser Erwägung nur eine Klage, die "actio quod metus causa"; vgl. Kaser, S. 49.
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zu begründen, daß ein Vertrag auch dann entsteht, wenn die Parteien wußten, daß die Rechtsordnung ihn nicht würde billigen können. Das heißt dann aber nichts anderes, als daß dieses subjektive Element tatsächlich nicht zum Vertragsbegriff der herrschenden Lehre und Rechtsprechung gehört. Indes - und das darf nicht vergessen werden - ist hier argumentiert worden auf der Grundlage, daß die Parteien unbedingte Verpflichtungen vereinbaren; für diesen Fall hat sich die herrschende Lehre, einmal auf die Füße gestellt, als noch ausreichend erwiesen. Es mag sogar sein, daß die Praxis zu § 1 GWB S4 mit einem solchen Vertragsbegriff auskommen kann; denn etwa bei einem Einigsein unter Oligopolisten über eine Preiserhöhung liegt es nicht fern, von einer übereinkunft über unbedingte Verpflichtungen auszugehen: Da es im Oligopol hinsichtlich der Preiserhöhung keinen Marktzwang gibtSS , ist derjenige, der mit der Preiserhöhung vorprescht, im Interesse seines eigenen überlebens darauf angewiesen, daß die übrigen Unternehmen nachziehenSG • Indes mag es im Einzelfall auch anders kommen, und es würde sich wieder die Frage nach einer Abkoppelung des kartellrechtlichen vom zivilrechtlichen Vertragsbegriff stellen, was auf der Grundlage der hier angestellten Eingangsüberlegungen57 als fehlerhaft angesehen werden müßte. 2. Abschied von der herrschenden Lehre zum Vertragsbegriff
Es ist schon erörtert worden58 , daß die herrschende Lehre davon ausgeht, der zivilrechtliche Vertragsbegriff sei richtig und "Rechtsgeschäft" und "Vertrag" seien jedenfalls insofern gleichzusetzen, als letzterer zu ersterem ein Unterfall ist; es ist ferner gezeigt worden59 , daß die Mindermeinung, die glaubte, sich vom zivilrechtlichen Vertragsbegriff zu entfernen, mit ihrem Unterfangen gescheitert ist, ja daß sie im Grunde über die nutzlose Debatte über den Wert von Rechtsfolgen- und Grundfolgentheorie nicht hinausgelangt ist. 54 Bei § 18 GWB stellt sich das rein praktische Problem nicht mit der gleichen Schärfe, weil schon allein wegen der Notwendigkeit eines Austauschverhältnisses eine "conspiracy" selten genug anzutreffen sein wird. Das juristische Problem ist dort wie hier allerdings dasselbe. 55 Richtig J. F. BaUT JZ 1978, 586 (588 Fn.36); Heuss NJW 1972, 11 (sogenannte "Asymmetrie beim Oligopol"); Rebe, S. 45 f. se Hier in diesem Zusammenhang sei auf die Kritik hingewiesen, die die Teerfarbenentscheidung des BGH durch wmoweit NJW 1971, 2045 ff., gerade deshalb erfahren hat, weil sie auf die Möglichkeit stillschweigender bzw. schlüssiger Willenserklärungen nicht eingegangen ist (vgl. besonders S. 2046). 57 Oben, Erster Abschn., Zweiter Abschn., 1 a). 58 Oben, 1 b). 59 Oben, 1 cl.
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt a) Die Lehre Ulrich Hubers
Diesen weiteren Schritt über den zivilrechtlichen Vertragsbegriff hinaus ist Ulrich Huber gegangenM • Er beginnt mit der Frage, ob der Rechtsfolgewille notwendiger Bestandteil der Definition vom Rechtsgeschäft sei81 ; er verneint die Frage mit der Feststellung, daß weder Grundfolgen- noch Rechtsfolgentheorie dessen Notwendigkeit zu erklären vermöchten62 • Dieses Ergebnis exemplifiziert er am Problem der den Parteien von vornherein bekannten Teilnichtigkeit, der irrtümlichen Auffassung der Parteien, ihr Geschäft sei nichtig, und der Abgrenzung Rechtsgeschäft / Gefälligkeitsverhältnis83 • Andererseits sagt er, daß bloße Absichtserklärungen nicht ausreichten, weil sie nicht Substrat der Vorschriften über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte sein könnten84 • Jedoch sei es den Parteien möglich, ihr Verhältnis untereinander für rechtlich verbindlich auch dann zu erklären, wenn das außerhalb der Rechtsordnung oder sogar im Widerspruch zu ihr geschehe; die Parteien bewegten sich hier in einer rechtlichen "Subkultur". So könnten nicht erzwingbare Vereinbarungen unter den Parteien geschaffen werden, die noch rechtsgeschäftlichen Charakter besäßen85 • So richtig Hubers Hinweis darauf ist, daß sowohl Grundfolgen- als auch Rechtsfolgentheorie das Wollen der Rechtsordnung als notwendiges Merkmal des Vertrags-, Rechtsgeschäfts- und Willenserklärungsbegriffs im Grunde nur unterstellen, aber nicht begründen, so wenig dogmatisch faßbar ist doch das, was er rechtliche Subkultur nennt. Das müßte entweder eine dritte Kategorie neben "rechtlich" und "außerrechtlich" sein oder aber eine Unterkategorie zu "rechtlich". Bei beiden Varianten hingegen ist die rechtliche Subkultur nicht einzuordnen; es ist keine Möglichkeit ersichtlich, daß man sich neben "rechtlich" und "außerrechtlich" noch ein Drittes vorstellen könnte; noch kann man den Inhalt dieser Begriffe als quantifizierbar, also teilbar ansehen.
U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 ff. U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (91); er behandelt sowohl Willenserklärungen als auch Rechtsgeschäfte. Daß er nicht vom "Vertrag" ausgeht, ist gleichgültig, da nach h. L. dieser nur ein Unterfall des Rechtsgeschäfts ist. 6! U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 (92). 83 U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 (93 f.). 64 U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 (94). 85 U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (94 f.). Man findet mittlerweile annähernd ähnliche Vorstellungen bei Oppetit D. 1979. chron., p. 107 (108 f., 111), wenn sie dort auch als letzten Endes nicht durchgreifend angesehen werden. 80
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2. Abschn.: Entwicklung eines einheitlichen Vertragsbegriffs
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b) Erneut: Rechtsgeschäft und Vertrag
So dürfte sich gezeigt haben: Will man die herrschende Lehre und Rechtsprechung überwinden, ist deren Vertragsbegriff auf Grund der Prämisse in Frage zu stellen, daß "Vertrag" und "Rechtsgeschäft" etwas voneinander Verschiedenes bedeuten, daß also "Vertrag" kein Unterfall von "Rechtsgeschäft" ist. Damit wird im Grunde nur die auf der Basis der Kollisionsregel "Einheit der Rechtsordnung" gefundene Vermutung, daß gleiche Begriffe gleichen Inhalt haben86 , umgekehrt: Verschiedene Begriffe haben verschiedenen Inhalt. Damit wird aber nach nichts anderem gefragt als danach, ob ein Vertragsbegriff denkbar ist, ohne daß mit seiner Verwendung zugleich zum Ausdruck gebracht wird, daß man eine rechtliche Bindung voraussetzt 87 . Dabei muß man sich allerdings von vornherein frei machen von rechtshistorischen Erwägungen88 , die ihren Ursprung in einer vor der Schaffung des BGB existierenden Begrifflichkeit haben69 • Gewiß ist der Begriff "Rechtsgeschäft" jung70 und "Vertrag" eine "Urfigur"71; indes ist die Kodifikation, die beide Begriffe enthält, im Blick auf andere Gesetze, die sie auch verwenden, schlüssig auszulegen; und vom praktischen Standpunkt aus betrachtet kommt man mit dem Begriff "Rechtsgeschäft" mindestens ebenso gut zurecht wie mit dem des "Vertrags"72. Praktische Konkordanz zwischen BGB und GWB besteht also nicht in der einseitig sich annähernden Suche nach einer "Zivilrechtsakzessorietät,m, der gerade 68 Oben, Erster Abschn. 67 "Einheit der Rechtsordnung" als Ausgangspunkt gibt also, wie früher schon angedeutet (oben, Erster Abschn.), auf, von einem als möglich vorgestellten Ergebnis her zu argumentieren (bzw. auf dieses hin - was aber keinen Unterschied ausmacht). Ecker JZ 1967, 265 (271), schreibt mit Recht, daß der stete Gedanke an die Folgen einer bestimmten Gesetzesinterpretation ein notwendiges Vorgehen sei. Freilich bedenkt Ecker zu wenig die das einzelne Gesetz zwangsläufig transzendierende Auslegung, wenn es um die vereinheitlichende Interpretation vom Wortlaut her identischer Begriffe geht; deshalb kann seine (im übrigen von der h. L. keineswegs abweichende, jedoch einen ihrer Aspekte pointierende) Ansicht auch von denen herangezogen werden, die - eben weil sie dieses Ergebnis für wünschenswert halten - für das Kartellrecht einen besonderen Vertragsbegriff entwickeln wollten. 68 Kritisch zum Wert der Rechtsgeschichte bei der Auslegung geltenden Rechts schon oben, Erster Abschn., Fn. 18. 69 Ähnlich Steindorff, Politik, S. 217 (223), für den Fall wechselnder public policy. Entgegen seiner Auffassung braucht dieses Vorgehen nicht dazu zu führen, daß die Dogmatik ("rechtliche Konstruktionen", S.223, 225) zu kurz kommt. 70 Zweigert, Rechtsgeschäft, S. 493 (495). 71 So ebenfalls Zweigert, Rechtsgeschäft, S. 493 (499). In diese Richtung auch Rother, Vertrag, S.435. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Steindorff, Politik, S. 217. 72 Eine naheliegende überlegung, die etwa bei Rother, Vertrag, S. 435, völlig fehlt, obwohl man sie dort wegen des Zusammenhangs hätte erwarten dürfen. 73 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 28. 3 Venrooy
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
auch die Autoren verfallen sind, die sich vom zivilrechtlichen Vertragsbegriff entfernen wollten, weil sie ihn gerade durch dieses Vorgehen zum unverrückbaren Maßstab machten, sondern in einer einheitlichen Auslegung, die den Bedürfnissen beider Gesetze gerecht wird14 • c) Das "Wesen" des Vertrags
Nach Darlegung des Programms ist nun in die Einzelheiten einzutreten. Hierzu muß zunächst auf eine merkwürdige, letzten Endes metajuristische Argumentationsfigur innerhalb der herrschenden Lehre eingegangen werden. Sie bezieht sich teilweise zur Begründung ihrer Auffassung vom Rechtsfolgewillen auf die Wesenheit 75 des Vertrags; sie sieht also ein Phänomen 76 vor sich, dessen Wesen es zu beschreiben gilt. Gerade bei der Beschreibung vermag sie aber das Stadium der Behauptung nicht hinter sich zu lassen; die Begründung, die ihrerseits nur aus einer Erfassung dessen, was das Gesetz als die Wesenheit des Vertrags ansieht, hergeleitet werden dürfte, fehlt; die Berufung auf das Wesen bleibt "Scheinargument,m. Der Hintergrund dieses Vorgehens mag wohl mit Recht in einer Verinnerlichung der Zweigertschen "Urfigur"-These 78 vermutet werden. Mit ihr kann nicht argumentiert werden, aber es bleibt das Bedürfnis zu befriedigen, gesetzliche Regelungen auf 74 Deshalb ist auch K. Schmidts, Kartellverfahrensrecht, S. 29 f., Kritik an Versuchen, praktische Konkordanz im GWB selbst mit Mitteln herkömmlicher Zivilrechtsdogmatik herzustellen, bezüglich seiner grundsätzlichen Position überzogen, wenn auch im Ergebnis, da der falsche Weg gewählt wurde, berechtigt. 75 Hierher gehören vor allem die Autoren, die das Merkmal "Rechtsfolgewillen" gar nicht begründen; sie geben das wieder, was sich ihnen unvermittelt als Wesen des Vertrags erschlossen hat; so etwa Hadding, in: Studienkommentar, vor § 145 Anm. I 1; Kramer, in: Münchener Kommentar, vor § 145 Rdnr. 20; Larenz, S. 453; Palandt / Heinrichs, Einf. vor § 145 Anm. 1 a bb; Lehmann / Hübner, S.152; Soergel/ Heinrich Lange / Hefermehl, vor § 145 Rdnr.4; ferner selbstverständlich diejenigen, die ihre Argumentation offenlegen: Enneccerus / Nipperdey, S.909 ("Wesen"); Erman / Hefermehl, vor § 145 Rdnr.2, die sich inhaltlich auf Rdnr. 1 bezieht ("Kern"); Staudinge1·/ Coing, vor § 145 Rdnr. 1 ("wesentlich"). - Am kritischsten gegenüber einer Argumentation aus dem Wesen Diederichsen, Eigenständigkeit, S.283 (286). Im übrigen etwa Koppensteiner ZGR 1979,91 (93); W. B. Schünemann JuS 1979, 19 (23); Steindorff, Politik, S. 217 (224); ganz vorsichtig auch Kropholler RabelsZ 42 (1978), 634 (642 Fn.32). Insgesamt zu nachsichtig Scheuerle AcP 163 (1963), 429 ff. mit den Ergebnissen auf S. 470 f. 76 Hinweis darauf bei Scheuerle AcP 163 (1963), 429 (460, 464), obwohl man ihn schon bei der ersten Erwähnung Husserls auf S.431 (die zweite folgt auf S. 460) erwartet hätte. 77 Formulierung von Diederichsen, Eigenständigkeit, S.283 (286); er weist interessanterweise darauf hin, daß einer solchen Argumentation andere "sachhaltige Argumente" nachgeschoben zu werden pflegen. Daran läßt es die h. L. zum Vertragsbegriff allerdings fehlen. 78 Zweigert, Rechtsgeschäft, S. 493 (499); dazu schon oben, 2 b).
2. Abschn.: Entwicklung eines einheitlichen Vertragsbegriffs
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"vorpositive Prinzipien"10 und damit letztlich auf fern von gesetzlicher Normierung anzusiedelnde besondere Erwägungen zurückzuführen. Da es aber über Positionen, die ihren Grund nicht im Gesetz haben, keinen Generalkonsens geben kann, bleibt offen, ob auf der Grundlage der Transposition solcher Überlegungen in den Bereich der Jurisprudenz dort Übereinstimmung überhaupt erzielt werden soll80. Eine derartige Stellungnahme wird hingegen dann nicht abgegeben, wenn dem Gesetz die Entscheidung über das Wesen des Vertrags überlassen wird81 ; Wesensschau, so wie sie das Gesetz vermittelt82 , ist zulässig. d) Vertrag, Rechtsfolge, Rechtsgeschäft Frowein ist schon recht gegeben worden 83 hinsichtlich seiner Auffas-
sung, eine Bindung sei für den Vertrag "charakteristisch"84. Im Regelfall ist in der Tat einem Vertragsschluß ein auf die Rechtsordnung gerichtetes, finales (also subjektives) Element beigegeben. Dieses Element ist aber niemals als amorphes vorzustellen; vielmehr hat es in jedem einzelnen Fall ein ganz konkretes, seinerseits auf Gestaltung gerichtetes Aussehen. Anders gewendet: Dieses Element bezeichnet nichts anderes als die ganz konkrete, gewollte Rechtsfolge eines Vertrags 85 , also etwa die Absprache über einen Warenaustausch (§ 433 BGB) 79 Krasser, Vertragliche Rechte, S. 89 f., der auf diese Tatsache zu Recht hinweist und sich zu Unrecht einer Stellungnahme enthält. 80 Gewiß besteht die Möglichkeit, daß wegen der historischen Absicherung des Vertragsbegriffs hier Probleme nie für denkbar gehalten wurden. Als Wesen des Vertrags würde dann lediglich das dargestellt, was schon immer anerkannt war und was schließlich auch, wie ja durchaus anzuerkennen ist, bis zum Erlaß des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nie Schwierigkeiten aufgeworfen hatte. Seither ist aber eine Neuorientierung erforderlich geworden auf der Grundlage einer Prüfung, ob das Gesetz dort, wo es den Begriff vom Vertrag verwendet, wirklich so verstanden werden muß, wie dies bislang communis opinio war. Unten wird gezeigt werden, daß eine derartige Notwendigkeit tatsächlich nie bestand. 81 Hiermit soll gewiß nicht gesagt werden, daß eine Lösung angeboten werden kann, die Ergebnis einer "richtigen" Auslegung wäre. Immerhin aber gibt es bei der Auslegung die Möglichkeit eines Konsenses. 82 Auch U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (91), spricht in seiner Untersuchung davon, es gehe um die Phänomenologie (des Rechtsgeschäfts). 83 Oben, 1 a) Fn. 8, mit der erforderlichen Einschränkung. 84 Frowein, Bindung, S. 30l. 85 Nur in der Terminologie ebenso BFH NJW 1979, 1000 (L 2), 30. 8. 1978, Ir R 28/73. Und Wünsche, S.25 Fn.12, schreibt: "Sollte es deshalb am Bindungswillen der Beteiligten fehlen, so liegt schon kein Rechtsgeschäft vor." Gewiß: ein Rechtsgeschäft nicht, wohl aber ein Vertrag; exakt diesen Unterschied macht Wünsche aber nicht. Interessant ist die Darlegung bei Brox, Rdnr.76, der schreibt, zum Vertragsbegriff gelange man durch Abstraktion von den Besonderheiten der einzelnen Verträge; ähnlich und zum Teil noch deutlicher Flume, S. 601; Lange-Köhler, S. 243.
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
und eine zusätzliche Exklusiv-Bindung (§ 18 GWB). Die herrschende Lehre spaltet dieses eine Element in zwei Teile auf: einen abstrakten, allgemein auf die Rechtsordnung bezogenen88 und einen konkreten, auf einen bestimmten Erfolg abzielenden. Besonders deutlich hat Willoweit 87 diese bedenkliche Theorie vertreten: Ihm zufolge ist der Rechtsfolgewille zweigeteilt zu denken, einmal als die Entscheidung, eine Vereinbarung überhaupt der Rechtsordnung zu unterstellen, ein anderes Mal als die übereinkunft hinsichtlich einer konkreten Rechtsfolge (eines Leistungsanspruchs etwa). Eine solche formlose Entscheidung für die Rechtsordnung ist hingegen nicht denkbar, wie der Fall zeigt, daß die Parteien für ihre Vereinbarung (die keine unbedingten Verpflichtungen herbeiführen sollte) von der Rechtsordnung Abstand nehmen. Hier sind überhaupt keine "Rechts"folgen vereinbart worden, die in irgendeiner Weise etwas mit irgendeinem Gesetz zu tun hätten. Es gibt mithin nur die Vereinbarung ganz konkreter Rechtsfolgen oder die Möglichkeit, jegliche Rechtsfolgen auszuschließen. Die herrschende Lehre gibt sich aber mit dieser Teilung, die schon ihrerseits im Gesetz keine Stütze findet, nicht zufrieden: Den abstrakten Splitter des finalen Elements zieht sie zum Tatbestand des Vertrags 88, den konkreten beläßt sie seiner Rechtsfolge; sie verquickt also die "dogmatischen Kategorien von Tatbestand und Rechtsfolge"89. Ohnehin ist das abstrakte finale Element wertlos, wenn man sein Vorliegen aus der Sicht eines objektiven Beobachters beurteilen läßt 90 ; denn das 86 Das hat mit dem Innominalkontrakt nichts zu tun. 87 WiHoweit NJW 1971, 2045 (2049). 88 Ein Umstand, der bei strenger Durchführung der Rechtsfolgentheorie nicht hätte passieren dürfen. 89 Formulierung von Kupisch, S. 33, bezüglich des Bereicherungsrechts, in dem er die Rechtsfolge der Leistung von ihrem Begriff trennte. Interessant ist, daß Kupisch, der sich ebenda strikt gegen den Positivismus der h. L. wendet, das Gesetz erst rettet, also selbst viel positivistischer verfährt als jene, was aber ausgehend von der Prämisse, daß Jurisprudenz eine hermeneutische Disziplin ist, nur gebilligt werden kann. Raisch, Mißbrauch, S. 357 (367), dürfte einer der wenigen sein, die den Mut hatten auszusprechen, daß der deutsche Jurist notwendig Positivist sein müsse. Kraft, S.8, sagt immerhin, daß "Rechtswissenschaft und Rechtsanwendung" "auf dem positiven Recht basieren" müßten; und auf S.9 gesteht er durch entsprechende Anführungszeichen wenigstens zu, daß Positivismus kein Vorwurf sei. 90 Vgl. etwa Palandt / Heinrichs, § 241 Einl. Anm.2, und die Darstellung bei Medicus, Rdnr.366, die von "Indizien" ausgeht. Die Zweifelhaftigkeit der h.L. zeigt sich besonders bei der Abgrenzung Rechtsgeschäft / unverbindliche Auskunft. Medicus, Rdnr.371, hat schon recht, wenn er sagt, der Befragte hafte nicht, weil er wolle, sondern weil er solle. Aber eben das will er doch nicht, und das wiederum darf er. Und er will es vor allem deshalb nicht, um den Folgen zu entgehen, die eine falsche Auskunft gerade dann herbeiführen kann, wenn der Fragende größere Vermögens dispositionen von der Antwort abhängig zu machen gedenkt. Eben dieses Argument verwendet die
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heißt nichts anderes, als daß es auf das tatsächliche Vorliegen des Willens gar nicht ankommt91 • Doch zeigt sich hier das folgende: Der objektive Beobachter kann - wenn überhaupt irgend etwas - nur den schon ganz konkreten Sachverhalt vor Augen haben; er kann also nur darüber Auskunft geben, ob die bei diesem konkreten Sachverhalt sich anbietende zwangsläufig ebenso konkrete Rechtsfolge von den Parteien gewollt sein kann; er gibt also keine abstrakte, sondern eine konkrete Information. Hier erweist sich mithin besonders deutlich die Konfusion von Tatbestand und Rechtsfolge. Und da die Lehre zum Teil deshalb entwickelt wurde, um der Kategorie der Gefälligkeitsverhältnisse Herr zu werden02, kann nunmehr gesagt werden: Diese Kategorie gibt es nicht; es handelt sich hierbei ganz einfach um Verträge ohne Rechtsfolgen; denn diese Lehre hat von vornherein nur mit der Rechtsfolgenseite etwas zu tun; auf der Tatbestandsseite hat sie nichts zu suchen. Was "Vertrag" ist, steht jetzt fest: Er ist nur der Tatbestand einer übereinkunft, dem - und das wird nach wie vor der Regelfall sein konkrete Rechtsfolgen beigegeben sein mögen. Ist das aber der Fall, dann bilden Tatbestand (= Vertrag) und Rechtsfolgen zusammen das "Rechtsgeschäft,,03.04. So fern dieses Ergebnis von der herrschenden Lehre ist, so sehr könnte man ihm ihre bekannten Formulierungen zugrunde legen. Wenn etwa Lehmann / Hübner 05 schreiben: "Der Vertrag ist die erklärte Willensübereinstimmung zweier (oder mehrerer) sich gegenüberstehender h. L. aber, wenn sie einen Rechtsbindungswillen annehmen will; vgl. Medicus, Rdnrn. 366, 371; anders wohl bislang nur im Fall der Lottospielgemeinschaft BGH NJW 1974, 1705 (1706), 16. 5. 1974, II ZR 12/73 (Sachverhalt auch bei Medicus, Rdnr. 372), ein Bruch in der herrschenden Meinung, den Kornblum JuS 1976, 571 ff., in seiner Besprechung dieser Entscheidung nicht gesehen hat. 91 Von anderem Ansatz her ebenso U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 (94). 92 Vgl. etwa Palandt / Heinrichs, § 241 Einl. Anm. 2; U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S.85 (93 f.). Zuletzt noch BGH NJW 1979, 414 (415), 14.11. 1978, VI ZR 178/77: " ... Abrede, die über eine bloße Gefälligkeit des täglichen Lebens, bei der jeder Rechtsbindungswille fehlt, hinausgeht." 93 Wenn Kellmann NJW 1971, 265 (266), im Zusammenhang mit Gefälligkeitsverhältnisssen sagt, gesellschaftliche Erklärungen stünden unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs, geht er viel zu weit. Diese Frage kann sich erst stellen, wenn die Qualifikation des von den Parteien Gewollten als Rechtsgeschäft bejaht worden ist. 94 Auf der Grundlage dieses Ergebnisses ist nur noch der Vollständigkeit halber interessant, wie denn der Tatbestand, die übereinkunft also, selbst aussieht. Man verfiele wahrscheinlich in den gleichen Fehler wie die herrschende Lehre, dächte man ihn seinerseits als gestaltloses Phänomen; das wäre nicht als genügend zu erachten. Die "Planfunktion" (Rebe, S.165) im Hinblick auf die zu verabredende konkrete Rechtsfolge wird man dem Tatbestand (Vertrag) lassen müssen. 95 Lehmann / Hübner, S. 233.
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Parteien über die Herbeiführung eines einheitlichen Rechtserfolgs", so erweist im Grunde nur der übrige Zusammenhang, daß von der herrschenden Lehre nicht abgewichen werden soll. Auch bei Enneccerus / Nipperdey 96 ist an entsprechender Stelle oft genug von der "Rechtsfolge" die Rede, ohne daß allerdings daraus irgendwelche Konsequenzen gezogen werden. Auch Rebe 97 ist hier einzuordnen mit seinem Akzent auf dem "zweiseitigen Willenskonsens" als Umschreibung des Vertrags, der "Schuldverhältnisse begründen oder ändern" kann (wobei nur noch hinzuzusetzen ist: falls das gewollt ist als Rechtsfolge). Daß ausgehend von dieser Formulierung gerade auch der Wortlaut des § 305 BGB mit der hier vorgestellten Systematik zu vereinen ist, versteht sich. Und auch § 145 BGB paßt: Die Gebundenheit an den Antrag - die im übrigen durchaus dispositiv ist, wie der zweite Halbsatz sagt (ein Umstand, der die ganze Bestimmung zur bloßen Auslegungsregel macht) - bezieht sich auf die konkrete Rechtsfolge. Anders kann es ohnehin nicht sein, denn ungestaltete, abstrakt auf die Rechtsordnung bezogene Anträge werden nicht gemacht; sie wären im übrigen auch sinnlos, weil sie keinesfalls taugliche Grundlagen durch Annahmeerklärungen ins Leben gerufener (konkreter) Rechtsgeschäfte sein könnten 98 • Eine interessante Parallele liefert ein Blick ins französische Recht. Nach dem Wortlaut des Art. 1108 ce verlangt eine convention99 einen "objet certain", ein bestimmtes Objekt also. Über den Wortlaut hinaus geht der Vergleich allerdings nicht. Obwohl es ohne weiteres möglich gewesen wäre, ist er nie in der Weise verstanden worden, wie sie hier für den deutschen Vertragsbegriff entwickelt worden ist, nämlich als Hinweis auf einen Tatbestand (Vertrag), dem bestimmte Rechtsfolgen beigegeben sind. Zweigert sagt denn auch bedauerlicherweise zu Recht, daß mit "objet" eine nichtssagende Trivialität bezeichnet werde 100 • Überhaupt bespricht die herrschende Lehre überall dort, wo sie von Vertragstypen redet, stets die ganz speziellen, in den jeweiligen Vor98 97
Enneccerus I Nipperdey, S. 897 f. Rebe, S. 94.
98 Der hier entwickelte Vertragsbegriff ist mit dem Gesetzeswortlaut fast immer in Einklang zu bringen. Unstimmigkeiten, die hier übrigbleiben sollten, stören nicht. Da das Gesetz - wie oben, 1 a), dargelegt - den Vertragsbegriff nicht definiert, können "dennoch normierte Begriffselemente als unbeabsichtigtes ,obiter dictum' des Gesetzgebers eingeordnet werden", so zu Recht Koppensteiner ZGR 1979, 91 (94). 99 Der Begriff für "Vertrag" wäre allerdings "contrat"; vgl. schon den Hinweis oben, 1 b) Fn.14; doch wiederholt Art. 1126 ce das Erfordernis eines objet und geht dort von einem contrat als Grundlage aus. Allerdings sei darauf hingewiesen, daß die französische h. L. den contrat ebenso wie die deutsche h. L. den Vertrag definiert; vgl. die Nachweise bei Oppetit D. 1979. chron., p. 107 (111 und Fn. 39). 100 Zweigert, Rechtsgeschäft, S. 493 (501).
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schriften niedergelegten Rechtsfolgen, die eine übereinkunft haben soll (weshalb sie auch auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung durchaus weiterhin so genannt werden können). So heißt es um eine unmittelbar einschlägige Stelle zu nennen - bei Schwartz zu § 18 GWB: "Der Vertragstypus ist nicht genannt. In Betracht kommen Kauf-, Miet-, Pacht-, Dienst-, Werk-, Darlehensverträge, auch aus solchen Typen gemischte Verträge 101 ." Die These ist also auch mit § 18 GWB ohne Schwierigkeiten zu vereinbaren; und zu § 1 GWB paßt sie vorzüglich: Legt man nämlich - wie es vom unmittelbaren Sinn des Wortes "geeignet" her einzig richtig erscheint - eine strenge Folgetheorie bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB zugrunde, richtet man also das Augenmerk nur auf die tatsächlichen Auswirkungen eines solchen Vertrags, nicht auf seine gewollten, erkennt man auf der Grundlage der hier für richtig gehaltenen Definition, daß hier der einzige Fall vorliegt, in dem das Gesetz einen Vertrag ohne Rechtsfolgen, den puren Tatbestand also, normiert hat. (Eine Stellungnahme in dem Streit102 zwischen Gegenstands-, Folge- und Zwecktheorie soll mit dieser Feststellung allerdings nicht abgegeben werden; sie bietet sich im Rahmen dieser Arbeit nicht an, und die hier gefundene Definition des Vertragsbegriffs ist auch dann mit § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB vereinbar, wenn man der Folgetheorie nicht beitritt; die Struktur der Vorschrift gliche dann der des § 18 GWB.) Freilich wirft die Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB im Sinne der Folgetheorie und der Inhalt des § 18 GWB das folgende Problem auf: Bei ersterer Vorschrift bleibt dann als Objekt der Unwirksamkeitssanktion nur der rechtsfolgenlose Vertragstatbestand, und auch bei letzterer Norm bezieht sich die Möglichkeit der Unwirksamkeitserklärung ausdrücklich auf den "Vertrag". Nun wäre eine Auslegung des § 18 GWB im Sinne der hier erarbeiteten Theorie auch dahin gehend möglich, daß eigentlich die Rechtsfolgen gemeint seien; dieses Vorgehen verbietet sich aber bei § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB, wenn man die Folgetheorie zugrunde legt. Nun rechtfertigt sich allerdings die Unwirksamkeitssanktion in § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB ohnehin nur im Hinblick auf die weitere Sanktionierungsmöglichkeit des § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB, als deren Substrat sie also durchaus bestehenbleiben könnte. Auf der Grundlage dieser Lösung würde jedoch der hier verwendete Vertragsbegriff zu einer strukturell völlig verschiedenen Interpretation des § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB einerseits und des § 18 GWB andererseits führen; das wäre ein zwar keineswegs a limine zu verwerfendes, sondern 101 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.12 (wo die Verträge zunächst als Austausch- bzw. Individualverträge charakterisiert werden). 102 Zu ihm sei auf die Darstellung bei Rittner, Wirtschaftsrecht, S. 338 ff., verwiesen.
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mögliches, aber durchaus nicht befriedigendes Ergebnis. Ein konsequentes Vorgehen ist aber möglich: Die Unwirksamkeitssanktion in § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB und die Unwirksamkeitserklärung in § 18 GWB können unmittelbar auf den Vertrag, den Tatbestand also, bezogen werden. Da die - jedenfalls im Fall des § 18 GWB vorhandenen - Rechtsfolgen des Tatbestands zur Existenz bedürfen, fallen sie in sich zusammen, werden sie im eigentlichen Sinn des Wortes "gegenstandslos", wenn dem Vertrag durch die Unwirksamkeitssanktion bzw. -erklärung die Eignung genommen wird, Tatbestand der an ihn geknüpften (bzw. zu knüpfenden) Rechtsfolgen zu sein. Nun hat zwar U. Huber geschriebenlo3, tatsächliche Vorgänge könnten sinnvollerweise nicht für unwirksam erklärt werden; doch bestehen hiergegen Einwände: Zum einen kann jederzeit durch Änderung des Wortlauts der §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 18 GWB klargestellt werden, daß es bei der Unwirksamkeitssanktion bzw. -erklärung um die Disqualifikation des Tatbestands als Anknüpfungssubjekt von Rechtsfolgen geht; ein somit im wesentlichen terminologisches Problem sollte ohnehin nicht überschätzt werden. Zum anderen argumentiert U. Huber unter ontologischem Aspekt; das ist nun ein Vorgehen, das bei der Interpretation von Gesetzestexten nicht unbedingt hinführt zu einer Prüfung von Sinn und Zweck; im übrigen versteckt die scheinbar logisch zwingende Formulierung, daß hier wieder ein Versehen unterlaufen ist, auf das schon einmal hingewiesen wurde lo" nämlich die Darstellung des Gesetzesinhalts unter gleichzeitigem Verzicht auf eine Prüfung seiner Tatbestandsmerkmale. Und zum dritten gibt es gesetzliche Formulierungen, die, selb~t ohne daß die hier vertretene Auffassung vom Vertragsbegriff zugrunde gelegt werden müßte, gegen U. Hubers These sprechen: So erfordert § 353 Abs. 2 StPO, daß "die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben" seien; § 564 Abs. 2 ZPO verlangt, "das Verfahren ... aufzuheben". In bei den Fällen geht es darum, daß aus tatsächlichen Vorgängen, deren bloßes Gewesen-Sein selbstverständlich nicht ungeschehen gemacht werden kann, keine rechtlichen Folgerungen mehr sollen gezogen werden dürfen. Aber schließlich sagt auch § 141 Abs. 1 BGB, daß im Falle der Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts eben diese Bestätigung als Neuvornahme zu beurteilen sei. Daß das nichts anderes heißt, als daß das Rechtsgeschäft in aller Ausführlichkeit neu abzuschließen ist, kann mittlerweile als geklärt angesehen werdenlos; mithin ist es aber erforderlich, daß schon der Tatbestand (Vertrag) neu geschaffen wird; das aber kann nur dann erforderlich sein, wenn der schon vorhandene TatU. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 Fn. 2. Oben, 2 c). lOS Vgl. nur Enneccerus I Nipperdey, S. 1211 f.; Lehmann I Hübner, S.170; Palandt I Heinrichs, § 141 Anm.2 und 3. Nichts anderes besagten im übrigen schon ALR I 3 §§ 43 und 44. 103 104
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bestand ebenfalls von der Nichtigkeitssanktion erfaßt wurde, die sich also (hier muß jetzt zurückhaltend formuliert werden:) in ihrer Wirkung nicht auf die Rechtsfolgen beschränkt haben kann. So bleibt also das folgende Ergebnis dieses Abschnitts festzuhalten: Es gibt einen einheitlichen sowohl im BGB als auch im GWB (als auch im übrigen) verwendbaren Vertragsbegriff, dessen Benutzung keinerlei rechtliche Bindung zwischen den Parteien voraussetzt. Er ist der Tatbf'stand einer übereinkunft, der zusammen mit etwa gewollten Rechtsfolgen das Rechtsgeschäft bildet. Ferner ist er Gegenstand von ipso-iureUnwirksamkeitssanktionen sowie behördlicher Unwirksamkeitserklärungen.
Dritter Abschnitt
Eine einheitliche Auslegungsmaxime für das GWB 1. Das argumentum a maiore ad minus
Das Problem des Vertragsbegriffs hat sich - es wurde hier schon früh darauf hingewiesen l - für § 18 GWB im Grunde deshalb gestellt, weil der Ansatz, der ohne weiteres von einem Nichtausreichen des zivilrechtlichen Vertragsbegriffs und einer daraus hergeleiteten Notwendigkeit, für das Kartellrecht einen eigenen Vertragsbegriff zu entwickeln, ausgeht, als unzuträglich angesehen wurde. An der gleichen Stelle stand, daß dieser Ansatz den neuralgischen Punkt in § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB sah, an welcher Vorschrift sich in der Tat jeder Vertragsbegriff zu bewähren hat. Das wiederum ist aber nur deshalb der Fall, weil die Bußgeldnorm des § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB ausdrücklich auf die nach § 1 GWB eingetretene Unwirksamkeit eines Vertrags Bezug nimmt2 • Diese redaktionelle Ungeschicklichkeit des Gesetzgebers3 führte also letztlich zu einer Betonung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB als Zentralvorschrift des Gesetzes. Sie beruhte auf einem Drang nach Perfektion, die ihrerseits nur deshalb veranlaßt war, weil in § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB überhaupt auf den "Vertrag" abgestellt wurde, dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen angesichts des offen zu Tage liegenden legislatorischen Ziels, die Vermachtung von Märkten zu verhindern, völlig irrelevant ist4 • In ihrer engen Auslegung abgesichert durch das heute in § 3 OWiG ausgedrückte ordnungswidrigkeitenrechtliche Analogieverbot5 verstellte sie lOben, Zweiter Abschn., 1 a) und b). 2 Daß gerade hierin die Imperfektion der Norm steckt, ist E. Koch, S.14, entgangen. - Mit gleicher Tendenz wie im Text K. Schmidt, Kartellverbot, S.14. 3 Nicht nur waren den Juristen die Begriffe des GWB (relativ) neu, wie R. Liebs, S. 1, schreibt; dem Gesetzgeber war die ganze Materie fremd. Der deshalb zwangsläufig auf das GWB-Projekt verengte Blick verwehrte es ihm, den Gesetzestext herkömmlichem Zivilrecht anzupassen. • In prägnanter Formulierung bezeichnet daher J. F. BaUT JZ 1978, 586 (587), dieses Kleben am "Vertrag" als "organisationsrechtlichen Aspekt einer überwundenen Kartellrechtsepoche" - eine These, die das Leitmotiv darstellt in K. Schmidts Schrift "Kartellverbot und ,sonstige Wettbewerbsbeschränkungen'" . 5 Vgl. nur SandTock, S.260, und die ganze Diskussion um eine Analogie zu § 1 GWB aaO, S. 259 ff., der er allerdings nicht folgt; vgl. S. 261 ff., insbesondere S.263; sie muß ihrerseits zu einer nicht erwünschten unterschiedlichen Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB einerseits und § 38 Abs. 1 Nr. 1
3. Abschn.: Eine einheitliche Auslegungsmaxime für das GWB
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die Sicht auf eine einfache gedankliche Operation, die schon frühzeitig zur Entdeckung eines als Hintergrund des GWB zu denkenden allgemeinen Kartellverbots hätte führen können: Versagt das Gesetz seine Anerkennung dem (Kartell-) Vertrag als Tatbestand des am stärksten bindenden privaten Rechtsakts, des Rechtsgeschäfts nämlich, dann gilt dies a maiore ad minus für alle Verständigungsformen, die in ihrer auf potentielle Verbindlichkeit angelegten Wirkung hinter dem Vertrag zurückbleiben6 • Aber hier ist sofort mit dem Gegenargument zu rechnen, das weniger auf Verbindlichkeit abzielende Verhalten könne ja als nicht so schwerwiegend durchaus erlaubt sein. Diese Argumentationsfigur bedarf also, wo sie verwendet wird, der Begründung, was nicht nur Sandrock, der auf sie eingeht" übersehen hat, sondern nicht einmal in der Larenzschen Methodenlehre an einschlägiger SteIleS ausgeführt ist; der Begründungszwang läßt die a-maiore-ad-minus-Argumentation also - wie es im übrigen schon für den Topos "Einheit der Rechtsordnung" erkannt wurde 9 - nicht über die Qualität eines heuristischen Prinzips hinausgelangen. Nun reicht allerdings hier als Grund der gesetzgeberische Zweck'o, die Vermachtung der Märkte zu verhindern, zum al er gerade in § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB, der insoweit als Argumentationshilfe herangezogen werden kann, weil er ja tatsächliches Verhalten zu verhindern sucht, aber außerdem auch in (dem heutigen) § 25 Abs. 2 GWB Ausdruck gefunden hat; heute greift hier vor allem § 25 Abs. 1 GWB durch, aber wiederum flankiert von §§ 25 Abs. 2, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB. 2. Das allgemeine Kartellverbot
Diese auf traditionelle Zivilrechtsdogmatik gestützte Argumentation führt also zum gleichen Ergebnis, wie es auch K. Schmidt dargestellt hat, nach dessen allerdings nicht unmittelbar begründeter Auffassung im GWB seit jeher ein unausgesprochenes Kartellverbot existiert habe, das man aus den Sanktionen habe erschließen können", und das mittlerGWB andererseits führen. Sie interessiert im Rahmen dieser Arbeit schon deshalb nicht, weil auch sie davon ausgeht, der herkömmliche zivilrechtliche Vertragsbegriff sei korrekt. e Diese Argumentationsform benutzt Sandrock, S. 265, nur für den EWGVertrag (wo er dann, S.267, durchaus richtig entscheidet); fraglich ist, warum er sie nicht auch auf das GWB anwendet. 7 Sandrock, S. 265. 8 Larenz, Methodenlehre, S. 375 f. 9 Vgl. oben, Erster Abschn. 10 Der oben, 1), schon erwähnt wurde. " Der Grundsatz findet sich bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.8: "Das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen versteht sich als ein Recht der Verbote und Verbotssanktionen"; und auf S.10 sagt er, "daß von der Sanktionsdrohung mit Sicherheit auf ein Verbot zurückgeschlossen werden
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
weile seine positivrechtliche Ausprägung im Verbot abgestimmter Verhaltensweisen des § 25 Abs. 1 GWB gefunden habe l2 , der mithin die Zentralvorschrift des GWB seil3 • Dieser Deutung des § 25 Abs. 1 GWB als Ausdruck eines allgemeinen Kartellverbots kann nur zugestimmt werden. Freilich versucht auch hier die herrschende Lehre, ihre Auffassung vom § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB als nervus rerum dieses Gesetzes durchzusetzen, indem sie ihn als Sitz des Kartellverbots ansieht14 • Diese Lehre ist schon auf Grund einer einfachen überlegung als unschlüssig einzustufen: Ist ein Gesetz sinnvoll in der Weise auslegbar, daß die Verpflichtungen, die es auferlegt, durchsetzbar sind, handelt es sich also um eine lex perfecta, dann ist eine Auslegung fehlerhaft, die zum Ausgangspunkt hat, daß das Gesetz nur kann"; vgl. im übrigen S. 14 ff., 127, und Kartellverbot, S.13 a. E., 36. Ähnlich schon J. F. Baur, S.1, wenn auch ohne die erst von K. Schmidt aufgedeckte Problematik zu erkennen; vgl. auch S.105 ("Verbotsnormen der §§ 1, 15 GWB"), 122. - Gewiß ist nicht zu bestreiten, daß die Unwirksamkeitsbestimmungen selbst keine Verbote sind; insoweit formuliert Schmiedel, S.45, völlig zutreffend; doch steht ein Verbot regelmäßig hinter ihnen, weshalb L. Raiser, Vertragsfunktion, S. 101 (110), sehr gut vom "Verbot sittenwidriger Verträge" sprechen kann. Doch scheint Schmiedel diese Konsequenz nicht ziehen zu wollen, wie seine Auffassung zu § 15 GWB (S. 43 f.) vermuten läßt. - In diesem Zusammenhang mag im übrigen noch auf die Schrift von P. Ulmer, Abgestimmte Verhaltensweisen, hingewiesen werden. 12 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 34, 127, 131, 259, 384 f., 388 f., 399.Zuck NJW 1978, 2194, macht es sich zu billig, wenn er die Auffassung vertritt, das theoretische Konzept K. Schmidts passe nicht immer zu den gesetzlichen Daten. Es befremdet auch, daß gerade in kartellrechtlicher Literatur sogar von "rechtspolitische(r) Zukunftsmusik" gesprochen wird: so Belke ZHR 143 (1979), 74 (79 Fn. 18). - In K. Schmidts dogmatischem System bedeutet es aber wenigstens auf den ersten Blick einen Bruch, daß § 38 Abs. 1 Nr.12 GWB selbst Verbotsnorm sein soll, so seine Darstellung in ZRP 1979, 38 (39). 13 K. Schmidt, Kartellverbot, S. 9: "Grundnorm des GWB ist ... § 25 I GWB"; sie ist der Verbotstatbestand, der §§ 1, 15 GWB zugrundeliegt, S.14. 14 Vgl. etwa Enneccerus I Nipperdey, S.1153; R. Liebs, S. 25 f. (besonders eindringlich); MaUänder, S.163; Marx, S. 53 f., 64 f., 73, 83, 148; Mestmäcker, Kartellverbot, S.556 (563); Schmiedet, S. 43 f. Auch Sandrock, S.64, 245, 333, vertritt diese These, obwohl er auf S. 252 ausdrücklich zwischen der zivilund verwaltungsrechtlichen Regelung der §§ 1 ff. GWB einerseits und der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Beurteilung auf Grund des § 38 GWB andererseits unterscheidet. Der Fehler wird dann - von Sandrock unbemerkt auf S. 260 offenbar, wo er eine Analogie zu § 1 GWB für den Fall des gentlemen's agreement auf der Grundlage des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Analogieverbots für unzulässig hält. Geradezu übersteigert wird die These durch die auf S.298 stehende Ausführung, "weil § 1 GWB nicht nur eine zivilrechtliche Nichtigkeitsvorschrift" darstelle, "sondern zugleich als Tatbestand für die Verhängung ordnungswidrigkeitenrechtlicher Bußen" fungiere, müsse "damit für beide Rechtsgebiete ein einheitliches, isomorphes Systemstück geschaffen werden". Wieso auch K. Schmidt, Kartellverbot, S. 51 (so auch S. 141: unbestritten gelassenes Zitat), entgegen seiner dargelegten Auffassung plötzlich von § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB spricht, ist offen. Auf S. 76, 96, trennt er dann wieder Verbot und Bußgelddrohung, um dann aber erneut (S.76 und auch S.140, 195 f.) §§ 25 Abs.1, 38 Abs.1 Nr.1 GWB in einem Atemzug zu nennen.
3. Abschn.: Eine einheitliche Auslegungsmaxime für das GWB
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auf der Grundlage einer ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktion, die in ihm enthalten ist, funktionieren kann u . Aus dem Umstand, daß eine solche Bußgelddrohung vorhanden ist, daß also eine lex plus quam perfecta vorliegt, kann nicht darauf geschlossen werden, daß das Gesetz im übrigen nicht lebensfähig sei. Diese Darlegung ist auf das GWB anwendbar: Das Verbot ist durch die a-maiore-ad-minus-Argumentationsfigur zu ermitteln und hat in § 25 Abs. 1 GWB seinen Niederschlag gefunden. Das Gesetz vollstreckt sich in den Fällen der ipso-iureSanktionen von selbst und der (so die Terminologie K. Schmidts:) Rechtsfolgeanordnungen kraft Verfahrens durch kartellbehördliche Verfügungen; im übrigen ist die Möglichkeit von Verwaltungszwang zu bejahen16 • Jedenfalls kann nicht damit argumentiert werden, betroffene Unternehmen könnten nur durch die Bußgelddrohung zu gesetzmäßigem Verhalten veranlaßt werden. Daß gerade die Verhängung von Bußgeldern sehr ineffektiv ist, stellt wohl längst kein Geheimnis mehr dar17 ; es scheint für die Unternehmen keine Schwierigkeiten aufzuwerfen, Summen in der jeweils verhängten Höhe aufzubringen. 3. § 25 Abs. 1 GWB als Auslegungshilfe Nun treten allerdings zwei Fragen auf: zum einen, ob angesichts des hier entwickelten Vertragsbegriffs der § 25 Abs. 1 GWB überhaupt noch einen eigenen unmittelbaren Anwendungsbereich hat; zum anderen, warum eigentlich nicht § 25 Abs. 1 GWB - wo er doch nun einmal in dieser Fassung existiert und als Ausdruck des Kartellverbots erkannt ist - zum Ausgangspunkt einer a-fortiori-Argumentation gemacht wird, die ihrerseits eine allgemeine Auslegungsmaxime für das GWB sein könnte18• Die erste Frage hat keine sonderlich praktische Bedeutungl9 ; es ist im Grunde gleichgültig, welche Vorschrift vor allem das Kartellverbot 15 Ein Hinweis auf diese Problematik findet sich, wenn auch ohne nähere Ausführungen, bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 366. 18 Dieser Punkt stellt nicht die entscheidende Argumentation dar; daher sei nur so viel gesagt: Dem GWB selbst ist ein Ausschluß des allgemeinen Verwaltungszwangs nicht zu entnehmen; das VwVG seinerseits enthält ebensowenig einen Anhaltspunkt dafür, daß das Bundeskartellamt bzw. die Landeskartellbehörden nicht von ihm Gebrauch machen könnten. Vgl. im übrigen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 299 f. m. N. Jedenfalls: Da das GWB über die Vollstreckung keine Vorschriften enthält, kann es nicht die zum VwVG speziellere Regelung sein. 17 Vgl. nur die Darstellung bei Raisch / van Venrooy / Welke-Chlosta, S. 69 f. 18 Das klingt bei K. Schmidt, Kartellverbot, S. 9 f., an. 19 Daran ist auch entgegen Möschel, S. 105, festzuhalten, der in der Schaffung des § 25 Abs. 1 GWB die Gefahr erblickt, die bisher herrschende restriktive Auslegung des § 1 Abs.l Satz 1 GWB könne festgeschrieben worden sein. Dieser überlegung ist hier durch die Darlegungen zum Vertragsbegriff der Boden entzogen worden.
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
durchsetzt. Immerhin: Haben die Parteien keine unbedingten Verpflichtungen gewo11t20 , hat ihrem Vorgehen kein gemeinsamer Plan in dem Sinne zugrunde gelegen, daß man von "Vertrag" im hier verwendeten Sinne sprechen könnte 21 , dann greift § 25 Abs. 1 GWB ein; dieser kommt also dann zum Zuge, "wenn sich die Abstimmungsteilnehmer, ohne irgendwelche gemeinsame Kommunikationsregelungen oder sonstige begleitende Organisationsmaßnahmen getroffen zu haben, aufeinander bewußt abgestimmt verhalten"22. Hinsichtlich der zweiten Frage ist sicherlich zuzugestehen, daß § 25 Abs. 1 GWB schon Einverständnisse geringster Verbindlichkeit verbietet und mithin a fortiori auch Verhaltensweisen, die auf die Herbeiführung höherer Bindungskraft angelegt sind. Nun wäre mit dieser Argumentation durchaus zu erklären, daß §§ 1 und 15 GWB der Gültigkeit von Verträgen entgegenstehen, doch könnte von § 25 Abs. 1 GWB ausgehend nicht verständlich gemacht werden, warum § 18 GWB kein (aktuell) verbotenes Verhalten normiert, denn hier bedarf es ja erst eines Einschreitens der Kartellbehörde. Die Argumentationsfigur a maiore ad minus geht hingegen - so wie sie hier verwendet wird - vom Vertrag aus; sie kann also immer unmittelbar bei Vorschriften ansetzen, die dieses Tatbestandsmerkmal aufweisen und dient dann dazu auszuloten, welche Verhaltensweisen die jeweilige Norm erfassen will. Sie geht also im Grunde nur dann über die einzelne Norm hinaus, wenn Verhaltensweisen, die a maiore ad minus ohnehin schon einbezogen wären, eine besondere gesetzliche Regelung gefunden haben. Bei § 18 GWB kommt das nicht in Betracht; von Interesse ist es wiederum bei § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB: An sich erfaßt diese Bestimmung a maiore ad minus auch abgestimmte Verhaltensweisen, die aber auf Grund des Spezialitätsgrundsatzes dem § 25 Abs. 1 GWB vorbehalten sind 23 •
20 Vgl. oben, Zweiter Abschn., 1 f), wo die richtig verstandene herrschende Lehre vorgeführt wurde. 21 Vgl. oben, Zweiter Abschn., 2 d), Fn. 94. 2-2 So Belke ZHR 143 (1979), 74 (87 Fn. 41). Der Teerfarbenfall (BGH WuW/E BGH 1147 ff., 17. 12. 1970, KRB 1/70, "Teerfarben") ist also auch nach der hier vertretenen Meinung nicht unbedingt dem § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB zu subsumieren. 23 Um auf den Teerfarbenfall zurückzukommen (vgl. die vorige Fußnote): § 1 Abs.1 Satz 1 GWB war also schon vor Schaffung des § 25 Abs.1 GWB zu entnehmen, daß das Verhalten der Hersteller - jedenfalls so, wie es allgemein gewertet wurde (schließlich waren auch Beweisschwierigkeiten zu überwinden) - verboten war. Allerdings konnte diese überlegung nicht zur Anwendung des § 38 Abs.1 Nr.1 GWB führen, denn pönalisiert wird nicht einfach die übertretung des Kartellverbots, sondern dies nur, wenn es in bestimmter Weise geschieht. Immerhin wäre mit der Aufdeckung des Verbots die Grundlage für die Anwendung von Verwaltungszwang gegeben gewesen (vgl. oben, 2) und Fn. 16).
Vierter Abschnitt
Einzelprobleme zu Vertrag und Rechtsfolgen bei § 18 GWB Dient die Argumentationsfigur a maiore ad minus dazu auszuloten', welche Verhaltensweisen auf Grund des § 18 GWB für unwirksam erklärt werden können, so ist bei der Feststellung des Inhalts dieser Norm, wie ihn ihr Wortlaut ergibt, zu beginnen und nun von dorther zu Abreden fortzuschreiten, die der Wortlaut des § 18 GWB nicht mehr unmittelbar erfaßt. Soweit nicht das Erfordernis einer Wortlautinterpretation entgegensteht, ist eine Stufenfolge der Argumentation demnach zu beachten. Die darzustellenden Problemlagen halten sich in dem engen, durch das Programm dieser Arbeit umrissenen Rahmen. 1. Vertrag und zivilrechtliche Gültigkeit a) § 18 GWB im Verhältnis zu ungültigen Verträgen
Nach Klärung von Vertragsbegriff2 und Argumentationsweise 3 und einer hier erforderlichen Erinnerung daran, daß es der Vertrag selbst ist, der sowohl nach seinem richtig wiedergegebenen herrschenden Verständnis als auch nach der hier vertretenen Auffassung ipso-iureNichtigkeitssanktionen und durch Rechtsfolgenanordnungen kraft Verfahrens herbeigeführter Unwirksamkeit unterliegt~, ist nun die Frage zu stellen, ob § 18 GWB etwa nur solche Verträge meint, deren zivilrechtlich zu beurteilende Gültigkeit feststeht5 • Gewiß wird diese Überlegung in keiner Weise durch den Vertragsbegriff selbst nahegelegt, denn - so bestand schon Anlaß zu klären6 - dieses Wort meint selbst nach der insoweit festzustellenden, wenn auch nicht konsequent durchgeführten herrschenden Meinung auch nicht-wirksame Verträge. Doch bietet sich die Überlegung an, weil § 18 GWB ausdrücklich "Beschränkungen" und "Verpflichtungen" verlangt, die als Rechtsfolgen dem Vgl. dazu schon oben, Dritter Abschn., 3). Oben, Zweiter Abschn., 2 b). S Oben, Dritter Abschn. ~ Vgl. oben, Zweiter Abschn., 2 d). 5 Vgl. zu dem in diesem Zusammenhang allerdings nur am Rande interessierenden § 10 KartVO Rebe, S. 118 ff. e Oben, Zweiter Abschn., 1 g). 1
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
Vertragstatbestand beigegeben sein sollen7 • Da diese nur dann existieren8 , also "beschränkend" bzw. "verpflichtend" wirken können, wenn der Vertrag als Tatbestand ebenfalls vorhanden ist, scheint § 18 GWB von Rechtsgeschäfteng auszugehen, die in der Lage sind, die "Beschränkungen" bzw. "Verpflichtungen" effektiv durchzusetzen. Für den Fall zivilrechtlicher Ungültigkeit gibt es in der Literatur eine deutliche Stimme, die die Anwendbarkeit des § 18 GWB verneint10 • Die - zum Teil allerdings sehr mißverständlich formulierende l1 Gegenmeinung12 beschränkt sich im wesentlichen auf die Feststellung, immerhin könnten ja unwirksame Rechtsgeschäfte tatsächlich eingehalten werden13 • Wahrscheinlich war in diesem - übrigens peripheren Streit die Lehre vom Mindesttatbestand14 nicht bekannt; dieser Umstand dürfte die Auseinandersetzung hinreichend erklären, die anders als hier der Einstieg in die Thematik gewählt wurde - gar nicht von der durch die Wortwahl indizierten überlegung zur Gültigkeit der Verträge ausging. Und in der Tat soll über die Verwendung der Begriffe "beschränken" und "verpflichten" auch nur der Zugang zu einem von Sinn und Zweck bestimmten Verständnis des § 18 GWB gesucht werden, wohingegen jene Kontroverse von vornherein am juristischen Kern der Problematik vorbeiargumentiert. Der Tatbestand des § 18 GWB enthält zunächst einmal nichts anderes als die Voraussetzungen, unter denen die Kartellbehörde gegen Exklusiv-Bindungen einschreiten kann; ist dieser Tatbestand nicht erfüllt, darf auch die Kartellbehörde keine Unwirksamkeitsverfügung erlassen. Rechnete man zu diesem Tatbestand die Vertragswirksamkeit, die auf Grund zivilrechtlicher überlegungen vorab festzustellen wäre, dürften die Parteien eine solche Abrede auch dann ungehindert durchführen, wenn eigentlich die Eingriffsvoraussetzungen des § 18 GWB gegeben Zum Verhältnis Vertrag I Rechtsfolgen vgl. oben, Zweiter Abschn., 2 d). Siehe oben, Zweiter Abschn., 2 d). g Zu diesem Begriff vgl. oben, Zweiter Abschn., 2 d). 10 Nämlich die von Wes trick I Loewenheim, § 18 Anm.5. Unklar ist, ob auch J. F. Baur, S. 220, dieser Meinung anhängt. 11 Vgl. etwa Emmerich, S. 113, der in diesem Zusammenhang davon spricht, auch "faktische Bindungen" könnten untersagt werden. Das ist hier nicht das Problem. Auch Westrick I Loewenheim, § 18 Anm.5, selbst argumentieren hier nicht ganz schlüssig, wie sich an ihrer Terminologie erweist: Rechtlich unwirksamer Vertrag und bloß faktisches Verhalten sind keineswegs identisch. 12 Mit aller Deutlichkeit wohl nur Koenigs, S. 301 (311). 13 Wovon auch E. Koch, S.134, als praktischer Möglichkeit ausgeht und auf die sich Köhler NJW 1978, 2473 (2475), für einen etwas anderen Zusammenhang beschränkt. Die Tragweite eines solchen Hinweises ist in keinem Fall mit letzter Gewißheit auszumachen; vgl. hier noch einmal Fn. 11. .. Vgl. oben, Zweiter Abschn., 1 g). 7
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4. Abschn.: Einzelprobleme zu Vertrag und Rechtsfolgen
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wärenl5 • Trotz einer wirtschaftlichen Ausgangslage, die mit der identisch ist, die bei wirksamem Vertrag vorläge, schiede die Möglichkeit von Verwaltungszwang18 aus und auch die Voraussetzungen der Bußgeldvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 2 GWB könnten nicht herbeigeführt werden. Man wird angesichts des abstrusen Ergebnisses an die verdientermaßen vereinzelt gebliebene Lehre erinnert, die (hinsichtlich des Kartells im engeren Sinne des Wortes, der hinter §§ 1 ff. GWB steht) von den Freistellungstatbeständen auf das Kartellverbot zurückschlieBen will17• K. Schmidt sagt18 zu Recht, daß dann ja das Kartellverbot "ein Minimum an Organisation und einen gemeinsamen Zweck" voraussetzte. Daß eine solche Anforderung sinnlos wäre, versteht sich; schließlich hängt auch sonst kein Verbot davon ab, daß gegen es (teilweise) verstoßen werden müßte. K. Schmidt trifft wiederum den richtigen Gesichtspunkt, wenn er schreibtl9 : " Es ist ... sinnvoll, über die ,Rechtsformen zulässiger Kartelle' nachzudenken, doch sagt das eben nichts darüber, daß auch über die ,Rechtsformen unzulässiger Kartelle' nachgedacht werden dürfte." Allerdings kann dieser Äußerung nur grundsätzlich beigetreten werden; im Hinblick auf die schon als unglücklich redigiert erkannten Bußgeldvorschriften20 stimmt sie derzeit nur de lege ferenda, denn hier kommt es angesichts des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Analogieverbots, § 3 OWiG, nach wie vor auf eine ganz exakte Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens an. Immerhin: Geht es bei § 18 GWB (nur) um die Möglichkeit einer Mißbrauchsaufsicht, dann muß gesagt werden, daß diese "nicht von der Frage abhängig" sein kann, "ob die vertikale Wettbewerbsbeschränkung auch schon ipso iure verboten, die Vertikalbindung also unwirksam ist"21. b) Doppelwirkungen im Recht
Nun kann die bisherige Darstellung aber im Grunde nur als Rechtfertigung dafür herhalten, daß die a-maiore-ad-minus-Argumentation auch dazu führt, daß unwirksame Verträge von § 18 GWB erfaßt werden können. Sinn und Zweck der Vorschrift sind zwar insoweit geklärt, doch ist das eher auf der Ebene juristischer Konstruktion liegende Problem noch zu lösen, ob denn generell ein schon unwirksamer Vertrag 15 In gleichem Sinne Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 91; Langen I NiederRdnr. 173. 18 Vgl. Dritter Abschn., 2), Fn. 16. 17 Vgl. hierzu K. Schmidt, Kartellverbot, S. 94. 18 K. Schmidt, Kartellverbot, S. 94. 19 K. Schmidt, KarteUverbot, S. 94. 20 Vgl. oben, Dritter Abschn., 1), 3) Fn. 23. 21 K. Schmidt, Kartellverbot, S. 146; deutlich im Ergebnis auch der Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 91.
teithinger I Schmidt, § 18
4 Venrooy
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
durch einen nachfolgenden Vorgang noch einmal vernichtet werden kann. Damit ist das Stichwort gefallen: Es geht um die Klärung der sogenannten "Doppelwirkungen im Recht"22 bzw. - um es in der Terminologie K. Schmidts zu fassen - um die Frage der Zulässigkeit einer Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens neben einer schon eingetretenen ipso-iure-Sanktion23 • Bekanntlich ist die Überzeugung, daß ein solches Vorgehen möglich sei, für juristische Zeitbegriffe noch sehr jung: Den Beginn ihrer Durchsetzung kann man auf das Jahr 1911 festsetzen, in dem Kipps Aufsatz zu diesem Thema erschien2 4; seither ist sie zur herrschenden Auffassung geworden25 • Immerhin hat sie Gegenstimmen gefunden; so hat Oellers 26 an Hand von Einzelproblemen versucht, die Zweifelhaftigkeit dieser Lehre darzustellen, und mußte sich von K. Schmidt entgegenhalten lassen, daß die von ihm vorgeführten Monstrositäten nicht zwingende Folgen der herrschenden Lehre seien27 • Ernst Wolf endlich wollte klarmachen, daß man eine nicht existierende Rechtslage aus ontologischen und logischen Gründen nicht beseitigen könne 2B . 29 • Gerade hier trifft man nun wieder auf eine Argumentationsweise, die schon zweimal in anderem Zusammenhang in Erscheinung trat30 : eine solche, die ausschließlich auf philosophischer Basis aufbaut und - nahezu zwangsläufig - phänomenologisches Gedankengut inkorporierend sich den Blick auf Sinn und Zweck eines Gesetzes erschwert, wie schon gegenüber der Auffassung, tatsächliche Vorgänge könnten sinnvollerweise nicht für unwirksam erklärt werden 3t, betont werden mußte 32• Schon Kipp 33 hat ein Begründungsmuster wie das von Ernst Wolf pauschal als naturwissenschaftlich und daher in juristischer Auseinandersetzung nicht einschlägig abgetan. Das ist die im Ergebnis richtige Sicht der Dinge, doch könnte man aus dieser Kritik 22 Dieser Begriff stammt von Kipp, Doppelwirkungen, S. 211, wo er schon in der Überschrift benutzt wurde. 23 Vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 209 ff. Die im übrigen von ihm so benannte ipso-iure-Sanktion nennt er hier, S.210, "Rechtsfolgenanordnung ipso iure". 24 Kipp, Doppelwirkungen, S. 211 ff. 25 Vgl. nur Enneccerus I Nipperdey, S. 859 f. (Text und Fn.9), 1229 f. (mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 28); Lehmann I Hübner, S. 176 (ebenfalls mit Nachweisen und Wiedergabe des Kerns der Kippschen Lehrmeinung); Palandt I Heinrichs, überbl. vor § 104 Anm. 4 d, § 123 Anm. 1 b. 26 OeHers AcP 169 (1969), 67 ff. 27 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 212 Fn. 10. 28 Ernst Wolf, S. 361 f. 29 Vgl. die Kritik an einem ähnlichen Vorgehen von Zöllner bei Koppensteiner ZGR 1979, 91 (93). 30 Vgl. oben, Zweiter Abschn., 2 c) und d). 31 U. Huber, Abgestimmte Verhaltensweisen, S. 85 Fn. 2. 32 Oben, Zweiter Abschn., 2 d). 33 Kipp, Doppelwirkungen, S.211 (in seinem Hinweis auf Schuppe).
4. Abschn.: Einzelprobleme zu Vertrag und Rechtsfolgen
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herleiten, daß eine Argumentation wie die von Ernst Wolf wenigstens in sich selbst konsequent und schlüssig genannt werden kann. Das indes ist nicht möglich 34 • Was Ernst Wolf als ontologisch (der Wissenschaft vom Sein zugehörig) bzw. logisch35 (wobei die Verwendung beider Begriffe jedenfalls im hier interessierenden Zusammenhang keinen Unterschied greifbar macht) ausgibt, ist eine zwar formal einwandfreie Deduktion, doch beruht sie auf einem willkürlich gesetzten Ausgangspunkt, nämlich der Nichtexistenz einer Rechtslage. Wählt man stattdessen einen anderen fixen Punkt, von dem aus man deduziert, nämlich - hier den Zweck der Mißbrauchsaufsicht, auch dann die Möglichkeit des Einschreitens zu gewährleisten, wenn es darum geht, auch in Fällen zivilrechtlicher Nichtigkeit den Vertragsparteien die effektive Durchführung wettbewerbsbeschränkender Abreden im Wege der von § 18 GWB ausschließlich zur Verfügung gestellten Unwirksamkeitserklärung zu verbieten, dann gelangt man auf dem Wege ebenfalls logischen Syllogismus' zu einem der Ernst Wolfschen Lehre diametral entgegengesetzten Ergebnis. Im Grunde kommt hier nur der Unterschied zwischen einer rein begrifflichen Argumentation und einer Sinn und Zweck prüfenden Gesetzesinterpretation zum Ausdruck, wobei letztere heutzutage nicht mehr verteidigt zu werden braucht; immerhin sei so viel gesagt, wie es das besprochene Beispiel erlaubt: Sie hat den Vorzug, daß sie die Imponderabilien eines sinnvollen Gesetzesverständnisses offenlegt und nicht eine willkürlich gewählte Argumentationsbasis hinter logischen Scheinargumenten, denen eine metajuristische Vorstellung vom Wesen gesetzlicher Begriffe zugrundeliegt36 , versteckt. - Letzten Endes konnte also an Hand dieser negativen Darstellung die Richtigkeit der These von den Doppelwirkungen noch vollständiger gezeigt werden, als es diese Lehre im Anschluß an Kipp tut31, weil sie über diese hinausgehend der Gegenmeinung obendrein ihre innere Folgerichtigkeit nimmt. Damit ist die Frage nunmehr bejaht, ob nach § 18 GWB auch zivilrechtlich 34 Daß überhaupt bei sogenannter naturwissenschaftlicher Argumentation gerade mit Bezug auf ihre (Natur-) Wissenschaftlichkeit Vorsicht angebracht ist, hat jüngst W. B. Schünemann JuS 1979, 19 ff., hinsichtlich der Adäquanztheorie nachgewiesen. 85 Wie Diederichsen, Eigenständigkeit, S.283 (285), zeigt, gehört Ernst Wolf zu den Juristen, die die Präponderanz der Logik in der Rechtswissenschaft betonen; das hindert ihn aber offenbar nicht - wie im weiteren gezeigt werden wird -, von einer unsicheren Basis aus zu argumentieren. - Ein weiteres Beispiel des Wolfschen Argumentierens aus jüngster Zeit stellt sein Aufsatz in der Schiedermair-Festschrift zum Schadensbegriff dar; auch hier dürfte der Einwand angebracht sein, daß allzusehr dem Gesetz parallel, jedoch ohne Bezug zu ihm, vorgegangen wird. 38 Es sei hier erinnert an das schon oben, Zweiter Abschn., 2 cl, verwendete Zitat aus Diederichsen, Eigenständigkeit, S. 283 (286), wonach die Argumentation aus dem Wesen ein Scheinargument sei. An diese Formulierung ist der Text angelehnt. 31 Vgl. nur Lehmann I Hübner, S. 176.
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
unwirksame Verträge (noch einmal) für unwirksam erklärt werden können38 • c) Folgen der Gegenposition
Die Gegenauffassung hätte Weiterungen, die schon in sich nicht hingenommen werden könnten, aber - da sie jenseits von Sinn und Zweck des Gesetzes ihrerseits auf eher dogmatischer Ebene anzusiedeln sind - erst jetzt nach Mitteilung des auf teleologischer Interpretation des Gesetzes beruhenden Ergebnisses erörtert werden sollen.
aal Vertragsbegriff in § 18 GWB und in § 1 GWB Angesichts der Existenz der Lehre von den Doppelwirkungen liegt es nahe, bei einer Doktrin, die im Falle des § 18 GWB wirksame Verträge verlangt, also - ohne das indes auszusprechen - die Lehre von den Doppelwirkungen unangewendet läßt, den Willen zu vermuten, nicht nur für § 1 GWB, sondern auch für § 18 GWB einen besonderen Vertragsbegriff zu postulieren; denn die Lehre von den Doppelwirkungen gehört nun einmal zur Zivilrechtsdogmatik, und wer sie, ohne sie in sich selbst für inakzeptabel zu halten, nicht auf einen Vertrag anwendet, kann das nur von einer besonderen Position zum Vertragsbegriff aus tun. Daß dieser Auffassung vom hier vertretenen Standpunkt einer möglichst einheitlichen Auslegung gleicher Begriffe aus nicht gefolgt werden kann, versteht sich.
bb) Dialektik von Kompetenzentzug und Kompetenzerweiterung übersehen hat diese Lehre auch die in ihrer Konsequenz liegende Dialektik von Kompetenzentzug und Kompetenzerweiterung: Diese Meinung würde dazu führen, daß die Kartellbehörde keine Kompetenz hätte, zivilrechtlich unwirksame Verträge auf der Grundlage des § 18 GWB für unwirksam zu erklären. Diesem Kompetenzentzug (bzw. dieser Kompetenznegation) vorgelagert wäre aber zunächst einmal eine Kompetenzerweiterung. Da die Kartellbehörde vor einem Einschreiten selbstverständlich prüfen muß, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 18 GWB vorliegen, hätte sie auch zu untersuchen, ob die von ihr betrachteten Verträge zivilrechtlich gültig sind 39 ; § 18 GWB wäre dann 38 BKartA WuW/E BKartA 1781 (1792), 21. 3. 1979, B 7-333000-RTV-84/76, "Identteile". Ebenso Köhler, S.57, für das Verhältnis der §§ 22 GWB und 138 BGB zueinander; vgl. nun auch Rittner, Wirtschaftsrecht, S. 387. 39 Die unsichere Formulierung im Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 91, scheint zumindest die Zulässigkeit einer Prüfung der zivilrechtlichen Gültigkeit zu bejahen; davon dürfte im übrigen auch Raisch, Mißbrauch, S.357 (387), für den Fall des § 2 GWB ausgehen. - Zu Recht ablehnend gegenüber einer derartigen Prüfungskompetenz K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 213 f. - Siehe zu einem ähnlichen Problem im Rahmen der Kartellverordnung Inga Schmidt-Syaßen, S. 108 f., 113.
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in zwei Gruppen von Eingriffsvoraussetzungen aufgespalten, die positiven (nämlich die geschriebenen Tatbestandsmerkmale) und die negativen (nämlich die zivilrechtliche Wirksamkeit). Besonders deutlich wird dieser Umstand am Beispiel der Lehre, die die Prüfungsbefugnis in einem speziellen Fall bejaht, aber die Konsequenz (Kompetenznegation) der hier erörterten Auffassung vermeiden möchte. Sie geht davon aus, es müsse verhindert werden, daß die Parteien sich der Mißbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörde dadurch entziehen, daß sie ihre Verträge entgegen § 34 GWB nicht schriftlich abschließen; die Kartellbehörde könne dann trotz der schon auf Grund der §§ 34 GWB, 125 Satz 1 BGB bestehenden Nichtigkeit eine Unwirksamkeitserklärung erlassen40 • Hier wird also nicht nur die Befugnis zur Prüfung zivilrechtlicher Gültigkeit zugelassen; es wird obendrein so konstruiert, daß sich ein nicht normiertes Eingriffsrecht ergibt, das sich mit keiner Auslegungsmethode den anderen Eingriffsvoraussetzungen anpassen läßt. Es versteht sich, daß demnach schon die Frage nach dem Ob des Eingriffs von vornherein doch nur verneint werden kann - ein Problem, das, was Schwartz 41 bei seiner Darstellung nicht gesehen hat, gegenüber der von ihm herangezogenen Frage der Verhältnismäßigkeit vorrangig ist. Indes stimmt schon die Voraussetzung dieser Meinung nicht: Die Mißbrauchs aufsicht ist eben auch gegenüber zivilrechtlich unwirksamen Verträgen möglich. Man kann auch nicht so argumentieren, ohne Einhaltung der Schriftform fehle es der Kartellbehörde an ausreichenden Beweisen für ein Einschreiten; immerhin müßte sie auch für einen Verstoß gegen § 34 GWB die erforderlichen Beweise erbringen, also das Vorliegen eines - nichtigen - Vertrags auch hier nachweisen42 • Um aber auf den juristischen Kern der Sache zurückzukommen: Es fehlt im Grunde eine hinreichende Begründung dafür, warum die Kartellbehörde sich mit einer solchen Prüfung belasten soll. Dieser Aufwand wäre unangebracht, solange nicht in der Konsequenz die Ansicht vertreten wird, daß auch die ordentlichen Gerichte an die Entscheidungen der Kartellbehörde gebunden sind, soweit in diesen die zivilrechtliche Gültigkeit von Verträgen bejaht oder verneint wird, und daß diese Entscheidungen nur in den nach dem GWB vorgesehenen Verfahren anfechtbar sind. Es versteht sich aber angesichts des zuvor Gesagten schon von selbst, daß diese beiden Folgerungen nicht gezogen werden. Vgl. Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 18. Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 18. 42 Die entsprechende Darstellung der Problematik bei Westrick I Loewenheim, § 18 Anm. 46 (a. E.), ist von zweifelhaftem Aussagewert. 40 41
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
Da aber mithin die einzig zulässige Argumentationsweise, nämlich die aus Sinn und Zweck des Gesetzes, nicht plausibel machen kann, daß eine Notwendigkeit für eine Prüfung zivilrechtlicher Gültigkeit von Verträgen seitens der Kartellbehörden besteht, ist - nach allem, was gesagt wurde - daran festzuhalten: Braucht die Kartellbehörde die zivilrechtliche Gültigkeit von Verträgen nicht zu überprüfen, dann darf sie es auch nicht; in § 18 GWB ist ein solches Tatbestandsmerkmal nicht enthalten und - wie gezeigt wurde - auch nicht in die Vorschrift hineinzuinterpretieren, also fehlt der Kartellbehörde die Kompetenz für ein solches Vorgehen43 • Es scheint auch erforderlich zu sein, dieses Ergebnis mit besonderem Nachdruck zu vertreten, denn auf einem zivilrechtlichen Randgebiet beginnt das Bundeskartellamt bereits, seinen Kompetenzbereich deutlich zu überschreiten. Es vertritt die Auffassung4 \ es habe bei seiner Tätigkeit das AGB-Gesetz zu berücksichtigen45 • Das führt in der Praxis dazu, daß die Kautelarjurisprudenz nun auch noch die Auffassung des Bundeskartellamts zu beachten hat. Nirgendwo erweist sich deutlicher, daß eine Kompetenz erschlichen wird, was aber in einem Rechtsstaat nicht hingenommen werden kann - dies ohne Rücksicht darauf, daß eine überwachungspraxis des Bundeskartellamts hinsichtlich allgemeiner Geschäftsbedingungen durchaus einen heilsamen Einfluß haben könnte 46 • Doch auch im übrigen hat es kartellbehördliches Verhalten gegeben, das nur auf der Grundlage der Richtigkeit der oben verworfenen Lehre zu billigen gewesen wäre. So ist von einem Fall zu berichten, in dem ein Unternehmen, das ein Mißbrauchsaufsichts-Verfahren anregte 47 , auf den Zivilrechtsweg "verwiesen" wurde 48 , obwohl ein solches Verfahren möglich gewesen wäre, das jedoch aus Opportunitätserwägungen nicht durchgeführt wurde 49 • Es ist nicht nur so, daß die Kartellbehörde damit dem Sinn der Eingriffsvorschriften nicht gerecht wird, der auch darin liegt, beeinträchtigten Unternehmen einen billigen und trotzdem siche43 Es ist also schon so frühzeitig derart zu entscheiden, wie es K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 593 ff., erst auf Grund einer Verneinung des Opportunitätsprinzips in solchen Fällen tut. 44 BKartA-TB 1977, S. 57, 59, 81. 45 Die Darlegungen im BKartA-TB 1978, S. 38 ff., zu dieser Frage sind ambivalent; jedenfalls verbal bestreitet das Amt, daß es sich auf das AGBG oder sonstiges Zivilrecht stütze, S. 39. 4e Vgl. Bechtold WuW 1978, 741 (745), der diese Meinung des Bundeskartellamts ebenfalls ablehnt. 47 Von "Antragsteller" zu reden, erscheint im Hinblick auf die Darlegungen in Teil II dieser Arbeit nicht als angebracht. 48 Landeskartellbehörde Baden-Württemberg, wiedergegeben im BKartATB 1968, S.90; Fall entschieden in BGH WuW/E BGH 995, 14.11. 1968, KVR 1/68, "Taxiflug". 49 Billigend wohl Möschel, S. 210.
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ren Schutz gegenüber Wettbewerbsbeschränkungen zu gewähren50 , was im übrigen auch in § 38 Abs. 1 Nr. 9 GWB unmittelbar zum Ausdruck kommt - diesem Vorgehen liegt obendrein eine zumindest summarische Prüfung der zivilrechtlichen Rechtslage zugrunde 51 • Da nun aber schon klargestellt wurde, daß eine solche Prüfung außerhalb der Kompetenz der Kartellbehörden (also: aller Kartellbehörden überhaupt) liegt und daß ihnen auch das Opportunitätsprinzip nicht weiterhilft52 , das nicht dazu herhalten kann, Kompetenzgrenzen zu überspielen, erweist sich diese kartellbehördliche Auffassung als dogmatisch nicht abgesicherte Konstruktion einer Subsidiarität kartellbehördlichen Einschreitens53 gegenüber individuellen zivilrechtlichen Klagen, wenngleich nicht im strengen Sinn des Wortes: Da in diesen Fällen die Kartellbehörde nach wie vor einschreiten dart 5" postuliert sie im Grunde genommen prozeßrechtlich gesprochen: nicht eine Subsidiaritätseinwendung, sondern eine Subsidiaritätseinrede, angesichts deren das dogmatische Defizit der Konstruktion noch deutlicher hervortritt, als dies bei einer Einwendung (die ja letztlich nur auf Konkurrenzerwägungen hinsichtlich der in Betracht kommenden Gesetze beruhen könnte) der Fall wäre, denn wo soll die Rechtsgrundlage für ein solches, offenbar auf Grund einer Ermessensentscheidung einzurichtendes Vorgehen zu finden sein, wo doch - es sei erneut daran erinnert - das Opportunitätsprinzip (das wohl allein dazu tauglich wäre) nicht mehr herangezogen werden kann55 • Zuletzt sei noch folgender Ausblick gegeben: Die einmal 50
Raisch, Mißbrauch, S. 357 (391 f.).
Deutlich BGH WuW/E BGH 995 (998), 14.11. 1968, KVR 1/68, "Taxiflug". Oben, voriger Absatz (Text und Fn.43). 53 Vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 116 f. (auch 595), 599 ff. 54 Richtig K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.601, 606. Die hierzu vertretene Meinung des Bundeskartellamts überzeugt nicht; vgl. dazu wiederum K. Schmidt, aaO., S. 626. 55 Die dargelegte Auffassung dürfte der Auseinandersetzung um die angebliche Subsidiarität öffentlich-rechtlichen Tätigwerdens gegenüber privatrechtlichem Handeln zuzuweisen sein, die vor allem mit grundgesetzlichen Argumenten geführt wird und bislang auch nicht annähernd zu einer etwa anerkannten Subsidiaritätstheorie geführt hat (vgl. zu diesem Fragenkomplex etwa Hoffmann-Becking, Begrenzung, S. 445 ff.). Im übrigen: sollte das tatsächlich der Hintergrund jener Meinung sein, so läge ein Mißverständnis vor, denn in jenem Streit geht es um die Sicherung privater Konkurrenzfähigkeit gegenüber wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand, die auf der Grundlage ihrer praktisch unbegrenzten Ressourcen kein Risiko zu scheuen braucht, wohingegen im hier erörterten Fall die Berufung auf eine angebliche Subsidiarität dem einzelnen Unternehmen gerade die dringend benötigte Sicherung gegenüber Wettbewerbsbeschränkungen (anderer Privater oder auch - Vgl. § 98 Abs.l GWB - der öffentlichen Hand; siehe hierzu insbesondere die kritische Darstellung bei Raisch / van Venrooy / Welke-Chlosta, S. 77 ff., und als Einzelfall die in WuW 1979, 84, mitgeteilte Beanstandung des Bundeskartellamts von Nachfragemißbrauch der Deutschen Bundespost) verweigert. - Und zudem: auch die Tätigkeit der angerufenen Zivilgerichte ist staatliches Handeln. Böhmer NJW 1979, 535 (536), schreibt 51
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
vorgetragene Subsidiaritätseinrede wird sich in jedem Fall als Verweigerung von Rechtsschutz durch Mißbrauchsaufsicht erweisen, denn zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Kartellbehörde dann doch einschreiten würde, falls das betroffene Unternehmen im Zivilprozeß (was dort ja bekanntlich aus den vielfältigsten Gründen möglich ist) scheitern sollte, und zum anderen - selbst wenn die Kartellbehörde schließlich eingriffe - käme die Entscheidung zu spät; es ist gerade die stets aktuell vorhandene Interventionsfähigkeit der Kartellbehörde, an der ein solches Unternehmen interessiert ist (und die es zu fürchten hätte, stünde es auf der anderen Seite).
2. Wirtschaftliche Bindungen als vertragliche Rechtsfolgen a) Der Begriff der wirtschaftlichen Bindungen Die Argumentation a maiore ad minus erlaubt es auch, mit einem Problem fertig zu werden, das des öfteren bei § 18 GWB diskutiert wird, ob nämlich auch wirtschaftliche Bindungen erfaßt werden sollen. Hier muß freilich erst der Begriff geklärt werden 58 • 67. Die Lehre war - jedenfalls früher - der Auffassung 58 , es handele sich hierbei um eine bloß faktische, also vor allem faktisch durchsetzbare Bindung. Besonders durchdacht war diese Ansicht von Beginn an nicht; denn § 16 GWB, der diesen Begriff ausdrücklich benutzt, ist eine Freistellung von § 15 GWB 59 , wie schon der Wortlaut des § 16 GWB kundtut; und § 15 GWB im Zusammenhang mit dem Verfahren der Gerichte im Zwangsversteigerungsverfahren: "Da der Staat nicht als ,verlängerter Arm' des Gläubigers, sondern kraft der ihm obliegenden Aufgabe tätig wird, das Recht zu wahren und durchzusetzen, muß er den Eingriff in das Grundrecht verantworten. Diese Verantwortung kann nicht ohne weiteres vom Willen des Gläubigers abhängig sein." 58 R. Liebs, S. 10 ff., benutzt hier Rittners Terminologie von den "Ausschließlichkeitsbedingungen", die dieser auf S.37 bis 39 seiner Schrift über die Ausschließlichkeitsbindungen entwickelt hat. Diesen Ausdruck sollte man indes vermeiden, weil er zu leicht mit den Ausschließlichkeitsbindungen selbst verwechselt werden kann. - Krasser, Vertriebsbindungen, S. 11, konnte diese Gestaltung überhaupt außer Betracht lassen, weil hier ein Dritteingriff nicht denkbar ist, den er vor allem untersucht. Von seinem Ausgangspunkt aus gesehen ist klar, daß er formuliert, es fehle an einer Bindung (nämlich - so ist zu ergänzen - an einer solchen in dem engeren Sinne, der seinen Ausführungen zugrundeliegt). 57 Rinck, Rdnr. 902, erklärt sich außerstande, eine Definition zu liefern. 58 Vgl. nur die Darstellung bei Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.17. 59 Auch § 18 GWB enthält eine Freistellung von § 15 GWB, so K. Schmidt, Kartellverbot, S.100; anders hingegen Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.l, demzufolge § 18 GWB selbständig neben § 15 GWB steht; mit "Ergänzung" - so von Gamm, § 18 Rdnr. 1 - ist allerdings nicht viel gesagt. - Zwar ist diese Kontroverse ohne allzu großen praktischen Belang, doch mag an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß K. Schmidt, aaO.,
4. Abschn.: Einzelprobleme zu Vertrag und Rechtsfolgen
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dekretiert die Nichtigkeit (mithin) auch solcher Bindungen. Wie aber gegenüber rein faktischen, also nur faktisch wirkenden Bindungen die Nichtigkeit des § 15 GWB bzw. die Unwirksamkeitserklärung des § 18 GWB überhaupt taugliche Sanktionen sein könnten, bleibt offen 60 • Hier soll allerdings nicht bestritten werden, daß es mit juristischer Terminologie (oder gar Logik) vereinbar sei, Tatsächliches für unwirksam zu erklären. Dieses Problem ist im Zusammenhang mit der Unwirksamkeitserklärung von Verträgen, die ja gerade nach der hier vertretenen Auffassung im Bereich des Tatsächlichen bleiben°., erledigt worden 62 • Mit Bezug auf Verträge ist die Unwirksamkeitserklärung aber als tauglich erkannt worden, weil ihnen dadurch die Eignung genommen wird, Anknüpfungspunkt, Bezugssubjekt von Rechtsfolgen zu sein, die - falls sie schon vereinbart waren - ihrerseits ohne den Vertrag als Tatbestand nicht weiterexistieren können83 • Die Untauglichkeit einer Nichtigkeitssanktion führt jedenfalls für § 16 GWB zu dem Ergebnis, daß es nur sinnvoll sein kann, die wirtschaftlichen Bindungen den Rechtsfolgen von Verträgen zuzuordnen, also 64 mit dem Bundesgerichtshof15 davon auszugehen, daß bei den wirtschaftlichen Bindungen88 ein Fall vorliegt, bei dem der Bindungssein eigenes System nicht durchhält: Er hat zwar recht, wenn er § 18 GWB als Freistellungstatbestand ansieht, und auch damit, daß es sich um eine Freistellung von § 15 GWB handelt. Es stimmt aber nicht, wenn er damit gleichsetzt, es liege eine Freistellung vom Verbot vor. Da gemäß seiner Darstellung auf S.9 ff., 51 (dazu auch oben, Dritter Abschn., 2», § 25 Abs.l GWB der Verbotstatbestand ist, auf dem §§ 1 und 15 GWB als Sanktionstatbestände aufbauen, wird hier - unmittelbar - eine Freistellung von der Sanktion angetroffen. Anderenfalls könnte er auch seine Auffassung nicht halten, hinter § 18 GWB stehe ebenfalls das allgemeine Verbot, das lediglich durch Verfügung aktualisiert zu werden brauche (Kartellverfahrensrecht, S.48, 128, 147, 154). Prompt wechselt er dann auf S.101 die Ausdrucksweise und spricht von einer Freistellung von § 25 Abs.l GWB, ohne diesen Widerspruch aufzulösen. Die auf S. 103 (ähnlich S. 104; vgl. auch S. 115) zur Diskussion gestellte Alternative zwischen Kartellverbot und Mißbrauchsaufsicht nach § 18 GWB ist demgemäß auch mißverständlich. Im Grunde ist sie nur nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, daß der Akzent bei "Kartellverbot" auf "Kartell" liegt (vgl. S. 196 unter 15), unter welchen Begriff Verträge nach § 18 GWB herkömmlich gerade nicht fallen (vgl. aber S.60). Jedenfalls gehören nach K. Schmidts Lehre "Verbot" und "Mißbrauchsaufsicht" eigentlich stets zusammen. 80 Belke, S.379, zu § 16 GWB; R. Liebs, S.10, 12, mit Bezug auf beide Vorschriften. 81 Oben, Zweiter Abschn., 2 d). 62 Oben, Zweiter Abschn., 2 d). 63 Oben, Zweiter Abschn., 2 d). U Anders etwa Koenigs, S. 301 (312 f.); MülleT / Giessler / Scholz, § 18 Rdnr.12; Rinck, Rdnr.903 (wenn auch insgesamt unentschlossen). 85 BGH WuW/E BGH 251 (257),8.10.1958, KZR 1/58, ,,4711". 86 Die Auffassung von Westrick / Loewenheim, § 18 Anm.6, zu diesem Begriff ist offen. Sie stellen " rechtlich " und "wirtschaftlich" in Gegensatz zu-
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
verwender keinen Anspruch auf Einhaltung der Bindung eingeräumt bekommen hat, sondern das bindungsgemäße Verhalten lediglich durch Vereinbarung wirtschaftlicher Nachteile durchgesetzt wird&7. - Für § 18 GWB gibt es aber angesichts seines von § 16 GWB verschiedenen Wortlauts bislang nur ein negatives Resultat, nämlich daß es jedenfalls nicht sinnvoll ist, ihn auch faktische Bindungen ergreifen zu lassen. Hier tritt noch ein weiteres Argument hinzu: Es ist zwar ohne Rücksicht auf die Tauglichkeit der Sanktion a maiore ad minus denkbar, auch faktische Bindungen in § 18 GWB einzubeziehen, doch stieße sich ein solches Vorgehen an einem übergeordneten Prinzip. Es führt kein Weg daran vorbei, daß die im Bereich des Faktischen (was also nach dem im vorigen Absatz Gesagten durchaus von "Vertrag" abzuheben ist) anzusiedelnden Verhaltensweisen in § 25 GWB geregelt sind, dessen Absätze 1 und 2 aber nur verbotenes Verhalten meinen, wohingegen § 18 GWB kein (aktuelles) Verbot ausspricht&B, und dessen Absatz 3 den § 18 GWB nicht aufführt. Der Gegenschluß aus der spezielleren Vorschrift steht also einer a-maiore-ad-minus-Argumentation aus der allgemeinen Norm entgegen. Das führt zu der Konsequenz, daß im Fall des § 18 GWB ohne Vertrag nicht auszukommen ist69 • Ob es aber für einen Eingriff aus § 18 GWB genügt, daß an einen Vertrag nur wirtschaftlich bindende Rechtsfolgen geknüpft sind, ist damit noch nicht festgestellt. Es ist hier sicherlich R. Liebs 70 zu folgen, wenn er sagt, es sei weder ein Gegenschluß noch eine Analogie aus § 16 GWB angebracht, obzwar er es hierzu an einer Begründung fehlen läßt. Diese indes liegt auf der Hand: Da beide Argumentationsgänge im vorliegenden Fall gleichermaßen schlüssig und mithin möglich sind, bedürfte es zusätzlicher Gründe zur Absicherung einer der Alternativen; diese aber sind dann allein, also ohne Bezug zu § 16 GWB, tragfähig; sie können nur § 18 GWB selbst entnommen werden. einander, was nach der zitierten BGH-Entscheidung gerade nicht richtig ist; andererseits wenden sie sich gegen die h. L. Der Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 47, verfährt zwar in der Terminologie ebenso wie Westrick I Loewenheim, doch wird klar, daß definiert wird in Anlehnung an den BGH; gleichwohl werden die wirtschaftlichen Bindungen nicht als von § 18 GWB erfaßt angesehen. 67 Ebenso Belke, S. 378 f. 6B Die Auseinandersetzung mit den Durchgriffsthesen folgt an passender Stelle (vgl. unten, Teil 11, Vierter Abschn.). Siehe im übrigen oben, Dritter Abschn., 3), bereits zum Spezialitätsverhältnis von § 25 Abs. 1 GWB zu § 18 GWB. &9 Ebenso Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr.50; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 26. Unentschieden bei J. F. Baur, S. 211 Fn. 62. Bei Langen I Niederleithinger I Schmidt, aaO., ist die Argumentation zu § 25 GWB vorgezeichnet, jedoch mit Bezug auf dessen Abs. 2, was in dieser Ausschließlichkeit nicht zutrifft. Daß diese faktischen Bindungen auch zur Domäne des § 22 GWB gehören, versteht sich; vgl. J. F. Baur, S.220 (und die dortige Fn. 111). 70 R. Liebs, S. 11.
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b) Wirkung wirtschaftlicher Bindungen
Hier nun ist die Antwort einfach· Durch Vereinbarung bloß wirtschaftlich wirkender Exklusiv-Bindungen können Wettbewerbsbeschränkungen in genauso effektiver Weise 71 herbeigeführt werden wie durch das Zugeständnis eines Anspruchs auf Einhaltung der Bindungen. Denn die Gebundenen sind in jedem Fall die Bindung um einer wie auch immer gestalteten Gegenleistung 72 willen eingegangen, und diese erhalten sie bei bei den Gestaltungsvarianten. Aus diesem Grunde ist es geboten anzunehmen, daß auch im Falle des § 18 GWB lediglich wirtschaftlich bindende Rechtsfolgen Verträgen zugeordnet sein können73 • c) Dogmatik der wirtschaftlichen Bindungen
Wie diese wirtschaftlichen Bindungen dogmatisch einzuordnen seien, ist noch zu erläutern. Es ist im Anschluß an R. Liebs74 klar, daß es sich um Fälle handelt, in denen Leistungen konditional verknüpft sind 75 und nicht - so die typische Gestaltung - synallagmatisch, wie sie im Richtig der Hinweis im BKartA-TB 1978, S. 79 (rechte Spalte). Auf diesen Umstand wird unten, Teil II, Zweiter Abschn., 3 b), noch näher eingegangen. 73 Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnrn.36 ("wirtschaftliche Bindungen, soweit sie sich aus dem Vertrag ergeben"), 48, 74, 91; so - ohne nähere Erörterungen - auch Rebe, S. 191 (und auch mit einem kurzen Hinweis auf S. 193). Ob auch Jansen, S.104, in diese Richtung tendiert, ist nicht mit Sicherheit auszumachen. Ihm war möglicherweise nicht bewußt, daß es auch hier um eine Rechtspflicht geht. Das von ihm herangezogene Beispiel der Verpflichtung, eine Filmstaffel (Serie von Filmen, die nur zusammen "verliehen" werden) insgesamt abzunehmen (dazu auch Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 44; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.57), paßt jedenfalls nicht zu dem von ihm aufgeworfenen Problem: Hier hat nämlich der Film"verleiher" einen Anspruch darauf, daß alle Filme abgenommen und bezahlt werden. Der bloß wirtschaftliche Nachteil liegt darin, daß bei fehlender Bereitschaft des Kinobesitzers, das Rechtsgeschäft über alle Filme zu schließen, dieses überhaupt nicht zustande kommt; anzusiedeln ist der Nachteil also vor Abschluß des Rechtsgeschäfts, wohingegen hier im Text erörtert wird, wann ein schon existierendes Rechtsgeschäft bloß "wirtschaftlich bindet". Jansen dürfte sich dadurch in die Irre führen gelassen haben, daß die Kartellbehörden nach § 18 Abs.1 Nr.4 GWB die Möglichkeit haben, solche Rechtsgeschäfte für die Zukunft zu verbieten (sofern die Eingriffsvoraussetzungen auch im übrigen vorliegen), also durchaus auch vor Abschluß des einzelnen Rechtsgeschäfts tätig werden können (vgl. zur kartellbehördlichen Praxis bei Filmstaffeln, aaO., S. 109). Auf S. 117, im Zusammenhang mit § 20 Abs.1 GWB, formuliert Jansen richtig. - Anders als im Text Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 47; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 17. 74 R. Liebs, S. 11 ff., der sich seinerseits auf Rittner, S. 37 ff., beruft. 75 Außerordentlich interessant wird dies bei der Abgrenzung von unentgeltlichen und entgeltlichen Leistungen. Eine Schenkung kann mit Gegenleistungen jedenfalls konditional verknüpft sein, ohne dadurch ihren Charakter zu verlieren; vgl. Medicus, Rdnr. 376 f. 71
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übrigen auch § 18 GWB im Auge hae'. Es fragt sich nur, ob die Möglichkeit bloß konditionaler Verknüpfung in einer Weise problematisch zu werden braucht, wie es R. Liebs77 zwar ohne übertreibung, aber doch so tut, daß immer noch die "Verblüffung"78 der Lehre über jene BGHEntscheidung7G zum Begriff der wirtschaftlichen Bindung spürbar bleibt. Diese hingegen ist nicht so recht verständlich, denn immerhin ist eine solche Struktur von Rechtsgeschäften keineswegs unbekannt und vor allem im Versicherungs recht sehr häufig anzutreffen, in dessen Rahmen sie auch eine gesetzliche Regelung gefunden hat: § 6 VVG verhält sich über die Obliegenheitsverletzung und verwendet auch selbst den Begriff der "Obliegenheit" für eine Art von Rechtsfolgen, wie sie hier in kartell rechtlichem Kontext als "wirtschaftliche Bindungen" bezeichnet wurden. Von daher ist zu summieren: "Obliegenheit" und "wirtschaftliche Bindung" sind identische Begriffe80 . 81 . Die Ausgangsüberlegung, 78 R. Liebs, S. 12, argumentiert hier allerdings unschlüssig. Das Vorliegen eines Vertrags (nach der herrschenden Terminologie) ist selbstverständlich nicht Normzweck des § 18 GWB, für den dann auch konditional verknüpfte Leistungen genügen. R. Liebs geht aber noch weiter: Daß die Unwirksamkeitserklärung dann nicht mehr ins Leere geht, ist bei ihm lediglich die Folge seines verfehlt dargestellten Normzwecks; und die wettbewerbsbeschränkende Wirkung solcher Gestaltungen benutzt er nur als Beispiel, an Hand dessen er seine These verifiziert, obwohl sie - so hier der Text - die eigentliche Begründung für die Inkorporation wirtschaftlicher Bindungen in § 18 GWB darstellt. 77 R. Liebs, S. 11 f. 78 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 17. 79 Oben, a) (Text und Fn. 65). 80 Um noch einmal (vgl. oben, a) Fn. 56) Rittners Terminologie aufzunehmen: Die von ihm, S. 37 ff., so genannten "Ausschließlichkeitsbedingungen" konstituieren Obliegenheiten im Sinne der Ausführungen oben im Text; in ihrem Fall bleibt die Gegenleistung des Bindungsverwenders aus, wenn der Gebundene es an dem rechtsgeschäftlich definierten Verhalten fehlen läßt. Die Klauseln, die er, S.39, "Ausschließlichkeitsbindungen mit kausaler Verknüpfung" nennt, unterscheiden sich von ersteren dadurch, daß hier eine Gegenleistung zunächst einmal erbracht wird. Daß diese Fallgestaltung im Wirtschaftsleben selten ist, erwähnt Rittner zu Recht. Er unter läßt allerdings den Hinweis, daß solche Klauseln typische Fälle des § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante, BGB sind. - Unter den Begriff der Obliegenheiten fallen vor allem die Treuerabatte, die mit Belke, S. 2 f., als auf Exklusiv-Bindungen beruhend aufzufassen sind, was dann nicht (zumindest nicht unter dem Aspekt des § 18 GWB) möglich wäre, wenn man die wirtschaftliche Bindung nicht auch als von § 18 GWB erfaßt erachtete. Daß die gleiche Konstruktion auch bei der Empfehlung vorkommt (vgl. Belke, S. 9 f.), ändert nichts, ist im Einzelfall bestenfalls ein Auslegungsproblem; immerhin sagt Belke, S.10, auch, daß die "tatsächliche Bindung" kein Wesensmerkmal der Empfehlung sei. - Lehmpfuhl, S.86, nennt die Verpflichtung des Bindungsverwenders, sein System lückenlos zu halten, eine "Obliegenheit". Es bleibt jedoch offen, ob er diesen Begriff, wie es richtig wäre, als terminus technicus benutzt, ob er also sagen will, die Gebundenen hätten keinen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Sicherung des Systems (vgl. zum Problem der Lückenlosigkeit von Exklusiv-Bindungssystemen unten, Teil H, Zweiter Abschn., 4 b). 81 Vgl. im übrigen zur Obliegenheit die Schrift von Reimer Schmidt und die Äußerungen von Nicklisch BB 1979,533 (534).
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die Frage nämlich, wie sich die dogmatische Einordnung der Obliegenheiten (wirtschaftlichen Bindungen) in § 18 GWB vollzieht, die wohl entgegen R. Liebs 82 von der Darlegung, daß Leistungen auch konditional verknüpft sein können, verschieden sein muß, schließt den Kreis zur Eingangsthese83 : Da die konditionale Verknüpfung von Leistungen in ihren Wirkungen schwächer ist als die synallagmatische Relation, ist die Einbeziehung jener in § 18 GWB durch die Figur des argumentum a maiore ad minus zu erklären, das sich mithin auch hier wieder bewährt hat.
3. Dingliche Rechtsfolgen a)
These
Jene Argumentationsfigur müßte auch geeignet sein, das Problem der Vereinbarung dinglich wirkender Rechtsfolgen in Exklusiv-Geschäften zufriedenstellend zu erklären. Es ist hier eine relativ verhärtete Auffassung anzutreffen, die reichlich apodiktisch vertritt, Rechtsgeschäfte, die die dingliche Rechtslage änderten, vermöge § 18 GWB nicht zu erfassen84 ; das heißt, Verträge, deren Rechtsfolgen nicht nur eine Wettbewerbsbeschränkung herbeiführen, sondern diese obendrein dinglich sichern, sollen nach § 18 GWB nicht für unwirksam erklärt werden können85 • Die Begründung für diese These überzeugt im einzelnen nicht und ist auch von der Methode her angreifbar. b) Einzelkritik an der Begründung
Die Darstellung von Schwartz81 ist gleich in doppelter Hinsicht vordergründig. - Zum einen schreibt er, eine Dienstbarkeit berühre den jeweiligen Grundstückseigentümer, nicht ein Unternehmen als solches. Indes scheint er vor allem an dem Fall exemplifizieren zu wollen, daß das Grundstück selbst die gelieferte Ware ist. Damit läßt er aber schon die Problematik außer acht, die darin besteht, ob unter "Waren" überhaupt auch Grundstücke zu verstehen seien8 '. Jedenfalls dürfte ein 82
R. Liebs, S. 11 f.
Oben, a). 84 Siehe vor allem Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr. 13 (iVm. Rdnrn. 39 ff.); Müller I Giessler I Schalz, § 18 Rdnrn.15, 19, 22; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnrn. 23, 38. 85 Es wird nicht verkannt, daß das so formulierte wirtschaftliche Phänomen eine a-fortiori-Argumentation nahelegt; dazu wird am Ende des Absatzes Stellung genommen. 81 Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnrn. 23 (38). 87 Obwohl er eigentlich durch die Verweisung, § 18 Rdnr. 12, auf MüllerHenneberg, in: Gemeinschaftskommentar, § 1 Rdnr.89, sie in seine Betrachtungen hätte einbezogen haben müssen. Im Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 22, wird ganz deutlich gegen eine Zurechnung der Grundstücke zu den "Waren" votiert. 83
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
solcher Fall unter den ohnedies seltenen Verwendungsbeschränkungen88 der seltenste sein. Aber selbst wenn es anders wäre, der Ausgangspunkt trifft nicht zu. Es ist nicht einzusehen, warum der willkürlich auf den "Eigentümer" bzw. das "Unternehmen als solches" gesetzte Akzent eine bessere Gesetzesauslegung herbeiführen soll als die Eingangsüberlegung, warum eigentlich ausgerechnet dinglich, also besonders intensiv wirkende Wettbewerbsbeschränkungen aus der Anwendung des § 18 GWB herausfallen sollen. Schon der Zweck einer effektiven Mißbrauchsaufsicht verlangt die Einbeziehung auch solcher Rechtsgeschäftsgestaltungen in § 18 GWB. Zum anderen legt Schwartz89 Wert darauf, daß es sich in einem solchen Falle um keine "schuldrechtlichen Wettbewerbsbeschränkungen i. S. des GWB" handele. Darin steckt zunächst die Auffassung, verfügende Geschäfte fielen nicht unter das GWB; dafür indes bietet dieses Gesetz keinen Anhaltspunkt; schon Lukes 90 erwähnte ausdrücklich Beispiele für derartige Rechtsgestaltungen. Im übrigen, selbst wenn Schwartz recht hätte: Der Verfügung liegt - jedenfalls im hier allein interessierenden Geschäftsverkehr - stets eine Verpflichtung zugrunde, die ihrerseits kartellrechtlich relevant sein kann. - Auch der Frankfurter Kommentar 91 legt die Betonung auf die "obligatorischen Bindungen". Da hier obendrein deutlich wird, daß er vor allem die Fallgestaltung betrachtet, in der ein Gegenstand nur belastet übertragen wird 92 , zeigt sich ein weiterer, den Verfassern wahrscheinlich nicht ins Bewußtsein getretener Hintergrund: Diese Auffassung erinnert nämlich deutlich an jene bei § 107 BGB zur Beantwortung anstehende Frage, ob ein Minderjähriger dann nur einen rechtlichen Vorteil erlange, wenn er einen belasteten Gegenstand erwirbt. Das aber wird herrschend bejaht93 ; man stellt sich das so vor, daß der Gegenstand eben deducto pignore bzw. deducto usufructu erworben wird, ein Umstand, den jene im Grunde parallele kartellrechtliche Lehre nicht mehr erklären könnte. Die Lehre zu § 107 BGB enthält aber den richtigen dogmatischen Kern zur Lösung des Konflikts um dinglich wirkende Wettbewerbsbeschränkungen: Bei aller Skepsis gegenüber diesem nicht ganz naheliegenden Vergleich kann man doch sagen, daß die zivilrechtliche Lehre von den Belastungen, die bei Eigentumsübergang schon vorhanden sind, einfach absieht. Dieses Absehen ist bei den Exklusiv-Geschäften in jedem R8
89 90 91
Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 20. Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 38. Lukes, S. 110. Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 27 und 50, 81; aufrechterhalten in Erg.
§ 18 zu Tz. 27, 50, 81 und zu Tz. 50. oe So war es schon bei Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 23. 93 Vgl. etwa Enneccerus f Nipperdey, S. 930 f. Fn. 3; Lehmann f Hübner, S. 188; Palandt f Heinrichs, § 107 Anm. 2.
4. Abschn.: Einzelprobleme zu Vertrag und Rechtsfolgen
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Fall der richtige Weg - ohne Unterschied, ob ein schon belasteter Gegenstand übertragen oder erst nach übertragung, oder ohne daß eine solche nötig wäre (weil der Gegenstand schon im Eigentum des Gebundenen steht), belastet wird. Denn § 18 GWB erfaßt alle Gestaltungen, die a maiore ad minus aus seinem Wortlaut zu ermitteln sind. Da diese Argumentationsfigur im hier interessierenden Zusammenhang aber, wie bereits klargestellt wurde 9t , unmittelbar den Wortlaut des § 18 GWB zum Ausgangspunkt nimmt, werden Verhaltensweisen erfaßt, die zum Wortlaut passen, jedoch ohne Rücksicht darauf, ob sie im Einzelfall noch stärker wirken, als es § 18 GWB überhaupt verlangt. Da dinglich wirkende Rechtsfolgen in ihrer Bindungsintensität über das nach § 18 GWB Erforderliche hinausgehen, kommt es auf sie nicht mehr an; § 18 GWB greift schon auf der niedrigeren Ebene bloßer (wettbewerbsbeschränkender) Exklusiv-Bindungen ein, ohne daß es auf die zusätzlich absichernde dingliche Wirkung besonders vereinbarter Rechtsfolgen noch ankäme. Nicht nur ist so die Praktikabilität der a-maiore-adminus-Argumentation erneut gezeigt worden; sie hat auch gegenüber dem hier theoretisch ebenfalls möglichen a-fortiori-Schluß 95 den Vorteil, daß sie Rechtsgeschäfte, die sich dinglich wirkender Rechtsfolgen bedienen, von vornherein als dem Anwendungsbereich des § 18 GWB zugehörig ausweist, wohingegen a fortiori eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs begründet würde. c) Methodische Kritik an der Begründung
Indes steht die angekündigte ge methodische Kritik an der herrschenden Lehre noch aus. Gewiß war seit jeher anerkannt, daß in bestimmtem Umfang Grunddienstbarkeiten (§§ 1018 ff. BGB) und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB) wettbewerbsbeschränkenden Inhalt haben dürfen, was im übrigen bei Tankstellenverträgen stets schon praktiziert wurde 87 • Diese eingefahrene Interpretation ist aber Oben, Dritter Abschn., 3). Vgl. oben, a) Fn. 85. 96 Oben, a). 97 Vgl. mit Nachweisen zur Vertragsgestaltung Koeble, S. 13 f., der zu Recht in Anlehnung an den BGH (BGHZ 29, 244 (246 ff.), 30. 1. 1959, V ZB 31/58) solche Dienstbarkeiten wenigstens beschränkt auf Befugnisse, die unmittelbar aus dem Eigentum fließen, also die Klausel, Konkurrenzwaren dürften nicht vertrieben werden, für nicht eintragungsfähig hält. Allerdings scheint das ausdrücklich als Ergänzung zu jener Entscheidung gekennzeichnete Urteil des BGH NJW 1979, 2150 (2151), 18. 5. 1979, V ZR 70/78, nun doch eine solche Konkurrenzklausel zulassen zu wollen. - Vgl. auch Krasser, Vertriebsbindungen, S. 267 f. Er lehnt zu Recht, S. 268, die Entscheidung des OLG Köln WRP 1966, 73 (74), 14.7.1965, 6 U 108/65, ab, derzufolge ein Grundstück, dessen Eigentümer einen ausschließlichen Bierlieferungsvertrag geschlossen hatte, schon deshalb brauereigebunden sei und auch nur von einem Pächter 94
95
Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt spätestens seit Erlaß des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen überholt. Seither muß (Stichwort auch hier: Einheit der Rechtsordnung) nach einer praktischen Konkordanz zwischen § 18 GWB und dem Recht der Dienstbarkeiten gesucht werden, wie es etwa auch im Verhältnis von § 1 GWB zu den handels gesellschafts rechtlichen Wettbewerbsverboten der Fall ist98 ; jeder Norm muß ein sinnvoller Anwendungsbereich verbleiben99 • Die Lösung ist hier aber gar nicht schwierig: § 18 GWB spricht kein ipso-iure-Verbot der in ihm näher bezeichneten Wettbewerbsbeschränkungen aus; er gibt nur der Kartellbehörde die Möglichkeit, in bestehende, jedenfalls grundsätzlich erlaubte Bindungen einzugreifen. Somit aber steht der Inhalt des § 18 GWB nicht einmal in einem scheinbaren Widerspruch zu den Vorschriften über die Grunddienstbarkeiten; um ihn anwenden zu können bedarf· es also keiner teleologischen Reduktion weder seiner selbst noch jener Normen; die praktische Konkordanz stellt sich vielmehr bei Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen im Einzelfall ein: Dinglich wirkende Wettbewerbsbeschränkungen sind also so lange nicht verbietbar, als sie nicht unter § 18 Abs. 1 Buchst. a) bis c) GWB fallen. Bei diesem einfachen Ergebnis ist es nicht verwunderlich, daß sich die herrschende Lehre nie die Mühe einer schlüssigen Begründung ihrer Auffassung gemacht hat: Sie ist nicht begründbar. d) Hintergrund: Austauschgeschäfte
Es ist aber relativ leicht zu erklären, vor welchem Hintergrund sie zustande kam. Sie scheint zu sehr darauf fixiert zu sein, daß im Fall des § 18 GWB Austauschgeschäfte vorliegen müssen, zu denen von ihrem schuldrechtlichen Grund losgelöste (abstrakte) Bestellungen von Grunddienstbarkeiten gewiß nicht gezählt werden dürfen. Eine solche Akzentuierung ließe aber von vornherein eine für die Interpretation des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wesentliche überlegung außer acht, nämlich daß seine Sanktionen bzw. Sanktionierungsübernommen werden könne, wenn er für die von ihm auf dem Grundstück zu betreibende Gastwirtschaft eine ebensolche Bezugsverpflichtung übernehme, anderenfalls der Besitz rechtlos sei. Krasser formuliert noch sehr zurückhaltend, wenn er diese Entscheidung für einen "Rückfall in die Zeit der schon vor hundert Jahren abgeschafften Zwangs- und Bannrechte" hält. Hierher gehört auch die Äußerung Ballerstedts, Zivilrechtsdogmatik, S.257 (270), der Wert auf die sachenrechtliche Unzulässigkeit legt, "Dienstleistungspflichten mit Hilfe einer Dienstbarkeit zu verdinglichen". 98 Vgl. dazu ausführlich Raisch I van Venrooy I Welke-Chlosta, S. 15 ff., insbesondere S. 16. 99 Richtig dem Grundsatz nach Wes trick I }Loewenheim, § 18 Anm. 9: "... muß auch für das Eigentum gelten, daß sich Auslegung und Inhaltsbestimmung privatrechtlicher Institute an der Wettbewerbsordnung orientieren müssen"; ohne Stellungnahme hingegen bei der Erwähnung der Dienstbarkeiten, Anm. 17. Ähnlich wie in Anm. 9 Hirsch, S. 82 ff.
4. Abschn.: Einzelprobleme zu Vertrag und Rechtsfolgen
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möglichkeiten (Rechtsfolgenanordnungen kraft Verfahrens) nur den kartellrechtlich relevanten Teil zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte betreffen 100 und daß über den verbleibenden Teil nicht das GWB, sondern eine nach § 139 BGB vorzunehmende Würdigung entscheidet. Die Austauschgeschäfte selbst dürfen also nicht für unwirksam erklärt werden101 ; dieser Grundsatz kann jedoch nicht die im Einzelfall mögliche Wertung ausschließen, daß das gesamte Rechtsgeschäft hinfällig wird, obwohl dies praktisch nur dann vorstellbar ist, wenn das Austauschgeschäft bei wegfallender Bindung gerade für den bis dato Gebundenen nachteilig wird, denn anderenfalls hätte man § 139 BGB fehlerhaft ausgelegt102 • Denn der Sinn der Unwirksamkeitserklärung, Wettbewerbsbeschränkungen ein Ende zu setzen, geht in jedem Fall der Auslegungsregel des § 139 BGB vor. Diese Norm kann in eben den Fällen nicht eingreifen, die § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB vor Augen hat; Satz 1 bleibt daher keine eigentliche Funktion mehr zu erfüllen103 ; er stellt im Grunde wie auch § 19 Abs. 1 GWB nur noch klar, daß hier tatsächlich zwei in der rechtlichen Behandlung voneinander zu scheidende Rechtsgeschäftsteile vorhanden sind10\ ein Ergebnis, das sich auch aus dem doppelten "soweit" in § 18 Abs. 1 GWB herleiten ließe 105 und abgesichert ist durch das übermaßverbot106 oder - eine Stufe darunter - durch Ganz deutlich der Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 17, 92. Das betont Jansen, S. 103, mit Recht. Eigenartigerweise anders von Gamm, § 18 Rdnr. 5. 102 Vgl. in diesem Zusammenhang zur Problematik der Anwendung des § 18 GWB bei Gebinde- und Absatzkopplungen R. Liebs, S. 13 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 103 Vgl. zu den überlegungen bei der Entstehung des § 19 GWB Langen / Niederleithinger/ Schmidt, § 19 Rdnr.1; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 19 Rdnr. 1. 104 E. Koch, S.133, spricht von Trennbarkeit, weil die vertikale Wettbewerbsbeschränkung eine Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit der Beteiligten darstellt, die über die Bindung hinausgeht, die ein Austauschgeschäft mit sich bringt; ähnlich S.145. - Jansen, S.20: Marktwirkung als weiteres, "charakteristisches wirtschaftliches Tatbestandselement". 105 Richtig Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18 Rdnr. 174; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 79. 108 Diese Argumentation ist bei Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18 Rdnr. 176, nur im Zusammenhang mit ganzen Systemen genannt. Lutz BB 1965, 1336 (1338), schreibt in übereinstimmung mit dem Text, die Kartellbehörde sei verpflichtet, das schonendste Mittel anzuwenden. Raisch, Mißbrauch, S. 357 (397 Fn. 114), hebt den "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" hervor. Auf die Darlegung des übermaßverbots beschränkt sich Sandrock, S. 478. - Bei diesem Begründungsgang ist noch folgendes zu beachten: Art. 2 Abs.l GG gewährleistet die privatautonome Gestaltung rechtsgeschäftlicher Verhältnisse. Unter diesem Gesichtspunkt müßte es sich die Rechtsordnung prinzipiell versagen, aus einem Rechtsgeschäft Teile zu eliminieren, ohne den Parteien zu gestatten, über die Gültigkeit des Restes als selbständiges Rechtsgeschäft zu befinden; § 139 BGB ist Ausdruck dieses Gedankens; völlig richtig Fuchs, S. 40 f. Diese Regel kann aber dann keine Geltung beanspruchen, wenn im Einzelfall speziellere Prinzipien als der allgemeine Privatautonomie100 101
5 Venrooy
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Teil I: Der Vertragsbegriff und sein Inhalt
das Erfordernis praktischer Konkordanz zwischen den Normen des GWB und § 139 BGB. Gewiß müssen Austauschgeschäfte vorliegen, soll § 18 GWB eingreifen können; doch deren wirtschaftliche Effizienz wird durch Exklusiv-Bindungen abgesichert. Diese Bindungen dürfen also, wie ein Umkehrschluß aus § 15 GWB zeigt, nur Hilfsfunktion haben l07 ; sie müssen "Zusatzabrede"108 sein,09 ; denn wären sie selbst prinzipale Verpflichtung, ergriffe sie die von § 15 GWB angeordnete Nichtigkeit - eine Folge, die § 18 GWB gerade ausschließt"°. Diese Zusatz abrede aber losgelöst von dem eigentlichen Austauschgeschäft betrachtet stellt nun keineswegs selbst ein Austauschverhältnis dar, sondern ist ähnlich abstrakt wie die Grunddienstbarkeitsbestellung, als die sie sich im Einzelfall also durchaus darstellen mag. Die eigenartige Auffassung der herrschenden Lehre zur Nichtanwendung des § 18 GWB auf dinglich wirkende Rechtsfolgen läßt letztlich die Trennschärfe vermissen, die §§ 18 und 19 GWB vorgezeichnet haben.
Gedanke eingreifen, wie hier der dem Gebundenen dadurch zuteil werdende Schutz, daß er ohne Bindung die Waren weiterbeziehen kann, und die dem Bindungsverwender zugestandene Möglichkeit, einen Teil seines Bindungssystems zu retten; beide Interessen werden - wie gesagt: nur deklaratorisch - in § 19 Abs.2 Satz 1 GWB als legitim anerkannt. In welch besonderem Maße gerade die Belange des Bindungsverwenders Beachtung verdienen, wird unten, Teil 11, Zweiter Abschn., 4 c), gezeigt werden. 107 Dieser puren Hilfsfunktion wird de Bronett RIW/AWD 1978, 767 (769), nicht gerecht, wenn er das Getränkebezugsgeschäft als selbständiges Ausschließlichkeitsgeschäft ansieht; entgegen seiner Auffassung deckt sich seine These nicht mit der von der "Zusatzabrede", wie auch seine Charakterisierung des Getränkebezugsgeschäfts als (mögliches) gemischtes Geschäft zeigt, S. 771; im Grunde läßt er sich zu sehr (was auf S. 768 unter IV deutlich wird) von seinem Ausgangspunkt, der Preisregelung, leiten. 108 Der Begriff entstammt dem Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 17, mit der richtigen Erläuterung, Tz. 33, Pflichten, die sich bereits aus dem "Grundvertrag" ergäben, seien nicht gemeint; ähnlich Tz. 35, 41; Belke ZHR 143 (1979),74 (94), spricht von "Zusatzelementen". 109 Letztlich ebenso, wenn auch nicht ganz so deutlich, Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnrn. 13, 24. Zutreffend auch Ebel, § 18 Rdnr.2, wenngleich der von ihm verwendete Ausdruck "Nebenverpflichtungen" wegen seines Anklangs an die rechtsgeschäftlichen "Nebenpflichten" nicht so recht paßt. E. Koch, S. 101, schreibt von "Austauschverträge(n) ... , in denen wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden enthalten sind". 110 An diesem Einzelfall erweist sich einmal die praktische Relevanz der These, § 18 GWB stelle eine Freistellung von § 15 GWB dar; vgl. dazu oben, 2 a) Fn.59.
Ahschlu& des Teils I Mit dieser Darlegung schließen die Ausführungen des Teils I dieser Arbeit, der sich mit Problemen des Vertrags im Zusammenhang mit § 18 GWB befaßte. Seine wesentlichen Ergebnisse waren ein einheitlicher Vertragsbegriff - sowohl im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen selbst als auch mit Bezug auf das Bürgerliche Gesetzbuch -, die Aufdeckung eines einheitlichen Argumentationsmusters für das GWB, nämlich des a-maiore-ad-minus-Schlusses, und die Klärung, daß die Kartellbehörde sich nicht für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Verträge interessieren darf, deren Unwirksamkeit sie auf der Grundlage des § 18 GWB erklären möchte.
Teil 11
Die Unwirksamkeitssanktion Erster Abschnitt
Grundsätzliches zum Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB 1. Das Verhältnis der bei den Vorschriften in der Praxis Am Schluß des vorigen Teils wurde noch einmal herausgestellt, daß die Kartellbehörde die zivilrechtliche Gültigkeit von Verträgen, die sie nach § 18 GWB zu überprüfen hat, außer acht lassen muß. Das heißt freilich keineswegs, daß § 18 GWB mit seiner Möglichkeit der Unwirksamkeitserklärung, einer Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens also im Sinne der Terminologie K. Schmidts, und § 138 BGB als einzige vergleichbare und einschlägige ipso-iure-Sanktion des Zivilrechts keine Berührungspunkte! miteinander hätten. Immerhin hat sich die Rechtsprechung seit jeher für befugt gehalten, Exklusiv-Bindungen an Hand des § 138 BGB zu überprüfen. Hier seien die Bierlieferungsverträge2 als Paradigma genannt, das den ganzen Typ beherrscht, jedoch in jüngerer Zeit von den Tankstellenverträgen in ihrer Bedeutung beeinträchtigt worden sind3 , beide nicht so sehr wegen der Vertragsgegenstände, sondern wegen der in der Regel exorbitanten Laufzeiten4 • Dies dürfte auch der entscheidende Grund dafür gewesen sein, warum nicht die wohl wirtschaftlich bedeutsameren Exklusiv-Bindungen im AutomobilhandeP das Interesse auf sich gezogen haben. Im Einzelfall hatte die Rechtsprechung keine Bedenken anzunehmen, daß diese Vorschrift zur Nichtigkeit zumindest der Klauseln geführt habe, die auch nach § 18 GWB Vgl. zum Zusammenhang von § 10 KartVO und § 138 BGB Rebe, S. 128 ff. Vgl. die Darlegungen bei Biedenkopf, S. 39 ff.; Emmerich, S.110; Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 36,81; Lehmpfuhl, S. 39; Rinck, Rdnr. 910; Schmiedel, Alleinverkaufsrechte, S.37 (41); Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnrn. 40 ff.; Westrick I Loewenheim, § 18 Anm. 18. 3 Immerhin befaßt sich die Arbeit von Koeble speziell mit diesem Thema. Siehe im übrigen Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 84; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18, Rdnrn. 36 ff. 4 Auch de Bronett RIW/AWD 1978, 767 (768), weist darauf hin, daß im Mittelpunkt des Interesses die Frage gestanden habe, "welche Grenzen § 138 BGB der zeitlichen Geltungsdauer von Bezugsverträgen setzt". 5 Vgl. dazu vor allem die Arbeit von Schmitt. 1
2
1. Abschn.:
Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
relevant sein können; diese Situation besteht fort'. Aus diesen bloßen Tatsachen ergibt sich dem Wortlaut der §§ 138 BGB, 18 GWB, daß mungen geeignet sind, Exklusiv-Bindungen Wirkungen zu bringen.
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mit Billigung der Lehre in übereinstimmung mit prinzipiell beide Bestimum ihre zivilrechtlichen
2. Der scheinbare Widerspruch zwischen den beiden Vorschriften Immerhin scheint dieses Nebeneinander jener beiden Vorschriften einen Widerspruch zu offenbaren: Denn die Unwirksamkeitssanktion des § 18 GWB hängt von einer Willensäußerung der Kartellbehörde ab 7 , deren Sachverhaltsprüfung aber durch schlichten Rekurs auf die ipso-iure-Sanktion des § 138 BGB - selbstverständlich nur da, wo ihre Voraussetzungen erfüllt sind - ihres Sinns beraubt werden könnte. Der Widerspruch scheint also darin zu bestehen, daß § 18 GWB mittels § 138 BGB unterlaufen werden kann. "Einheit der Rechtsordnung als Postulat"8 verlangt9 eine Bereinigung dieser Situation. Hier ist nun allerdings entscheidend, daß es bei § 138 BGB der einzelne Private ist, der aus dieser Vorschrift Rechte herzuleiten vermag, wohingegen in § 18 GWB eine bloße Kompetenzzuweisung an die Kartellbehörde zu sehen ist, Verträge für unwirksam zu erklären, dies zudem unter Voraussetzungen, die - wenn sie schon nicht sonderlich konkret sind doch jedenfalls genauer gefaßt sind als die des § 138 BGB. Gerade dieser letztere Umstand in Verbindung mit der weiteren Tatsache, daß die Vorschriften sich an verschiedene Rechtsträger richten, also keinem von beiden selbst die Möglichkeit eingeräumt wird, § 18 GWB zu unterlaufen, spricht also dagegen, daß § 138 BGB durch § 18 GWB verdrängt werden sollte10 ; für das Gegenteil fehlt im GWB selbst und , Vgl. etwa Ebel, § 18 Rdnr.3; Emmerich, S. 110; Frankfurter Kommentar, 18 Tz. 52, 114. Ohne Umschweife billigend Krasser, Vertriebsbindungen, S. 254, obendrein mit Kritik an der eher noch zu zurückhaltenden Einstellung der Rechtsprechung, S. 254 f. Siehe auch Lehmpfuhl, S. 39, wo allerdings die Kritik, der Rechtsprechung sei es (generell) nicht gelungen, feste Regeln aufzustellen, doch wohl als überzogen angesehen werden muß; im übrigen S. 85 f. L. Raiser, Vertragsfunktion, S.101 (133); Rittner, Wirtschaftsrecht, S.385, 387; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.62, 103 ff., 221 ff. (wo aber zu sehr auf die ausschließliche Möglichkeit abgestellt wird, mit § 138 BGB Individualschutz zu erreichen), 269; Inga Schmidt-Syaßen, S.33; Schmiedel, Alleinverkaufsrechte, S.37 (41); Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnrn.2, 41, 88, 93; Westrick I Loewenheim, § 18 Anm.3 (wonach der Individualschutz dem § 138 BGB überlassen bleiben solle), und speziell zu Bierlieferungsverträgen Anm. 18, sowie noch einmal generell Anm. 50. 7 Was im übrigen auch von den Anhängern der Durchgriffsthesen, die unten, Vierter Abschn., besprochen werden sollen, nicht bestritten wird. 8 Siehe oben, Teil I, Erster Abschn., mit Nachweisen. U Siehe oben, Teil I, Erster Abschn. 10 Im Ergebnis ebenso Rinck, Einwirkungen, S. 476 (481).
§
70
TeilII: Die Unwirksamkeitssanktion
speziell in dessen § 18 jeder Anhaltspunkt; zudem: Die Materialienll bekennen sich zu einer uneingeschränkten Fortgeltung des § 138 BGBl!. Ihre Bestätigung findet die hier vertretene Begründung an einem Parallelfall, nämlich dem des Verhältnisses von § 138 BGB zu §§ 7, 3 AnfG. Hier wird zu Recht vertreten, daß letztere Bestimmungen dem § 138 BGB vorgehen, der durchaus in den Fällen des § 3 AnfG regelmäßig erfüllt wärelS, übrigens auch in den bloßen Schenkungsfällen des § 3 Abs. 1 Nm. 3 und 4 AnfG unter dem Gesichtspunkt nemo liberalis nisi liberatus14 • Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Hier wird exakt der Rechtsträger beschränkt, der sich anderenfalls auf § 138 BGB berufen würde; mit dessen Hilfe würde er normalerweise die §§ 7, 3 AnfG unterlaufen, weil es niemals einen Grund für ihn geben kann, deren kompliziertes Verfahren durchzuführen, wo er doch auf der Grundlage des § 138 BGB ganz einfach davon ausgehen dürfte, daß die weggegebenen Gegenstände nach wie vor zum Eigentum seines Schuldners gehören, denn es sind die dinglichen Geschäfte, die die Gläubigerinteressen beeinträchtigen, und mithin sind es auch die dinglichen Geschäfte, die von § 138 BGB erfaßt werden (wobei in diesem Zusammenhang gleichgültig ist, ob auch die Kausalgeschäfte in solchen Fällen dieser Vor11 Eindeutig der Schriftliche Bericht, S.23, mit seiner Abwägung zwischen einer Einzelfallentscheidung und einem marktbezogenen Vorgehen, dem der Vorzug gegeben wird, weil die Einzelfallentscheidung "primär Aufgabe der ordentlichen Gerichte", insbesondere auf der Grundlage des § 138 BGB, sei (die Vorschriftensynopse befindet sich auf S.15 der dort zuvor abgedruckten BT-Drucks. 3644). 12 Soweit allerdings der Individualschutz dem Bürgerlichen Recht vorbehalten (so der Bericht der Bundesregierung, S. 57) bleiben soll (kritisch auch BKartA-TB 1965, S.11), kann dem vom Standpunkt des hier noch zu entwickelnden Systems aus betrachtet nicht gefolgt werden. Dieser Auffassung allerdings war etwa auch Jansen, S.107, für die seinerzeit geltende Fassung des § 18 GWB; hierauf kommt er auf S.122 zurück, wo besonders deutlich wird, daß er die Begründung für allein maßgeblich hält. Das aber ist schon vom Ansatz her unrichtig. Zwar ist es zweifellos richtig, daß die Entstehungsgeschichte in jedem Fall zur Auslegung geltenden Rechts herangezogen werden kann; hier finden sich oft genug gute Hinweise für das Verständnis des Texts. Es geht aber nicht an, der Entstehungsgeschichte eine derartige Präponderanz bei der Interpretation zuzugestehen, daß sie sich selbst über das Erfordernis praktischer Konkordanz hinwegzusetzen in der Lage wäre. Mit den Nachweisen sei nun fortgefahren: Siehe im übrigen Frankfurter Kommentar, Erg. § 18; GutzIer BB 1965, 917 (920), der trotz kritischen Ansatzes die vom Gesetzgeber gewollte Folge als eingetreten erachtet; Krasser, Vertriebsbindungen, S. 253 f., 258; R. Liebs, S. 7; Rebe, S. 179. - Mestmäcker, Verhältnis, S.297 (316), verfährt anders. Er geht davon aus, § 138 BGB könne durch das GWB konkretisiert werden. Daß das der Auffassung nahekommt, das GWB könne insoweit die zu § 138 BGB speziellere Regelung sein, liegt auf der Hand; in diese Richtung tendiert Mestmäcker denn auch (aaO., S. 315) mit nicht ganz durchsichtiger Formulierung. - Vgl. im übrigen zum ähnlich liegenden Fall des § 22 GWB E. Koch, S. 131 f. mit weiteren Nachweisen. 13 Vgl. nur Palandt / Heinrichs, § 138 Anm.1 f dd, mit dem Hinweis auf das Verhältnis des § 138 BGB zu § 123 BGB, aaO., ce, das ähnlich ist. 14 Vgl. den Hinweis von Medicus, Rdnr. 389.
1. Abschn.:
Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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schrift zu subsumieren sind). - Im Verhältnis von § 138 BGB zu § 18 GWB ist es - wie dargestellt - anders: Hier handelt jeder Rechtsträger nur auf der Grundlage der für ihn geschaffenen Norm; daß man im Einzelfall annehmen könnte, § 18 GWB sei unterlaufen worden, beruht nicht auf einem Widerspruch, der im Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander angelegt wäre 15 , sondern nur darauf, daß beide Bestimmungen das gleiche Objekt haben können. Zu klären, wann das tatsächlich der Fall sein kann, muß sich "Einheit der Rechtsordnung als Postulat" demnach beschränken; Genugtuung wird ihr dadurch zuteil, daß die Problematik zu lösen ist auf der Grundlage einer Wechselwirkung beider Bestimmungen. 3. Die These vom Gesamtvergleich Bürgerliches Recht / 'Wirtschaftsrecht Bevor allerdings dieser Einzelvergleich von Normen aus verschiedenen Gesetzen unternommen wird, stellt sich die Frage, ob zunächst einmal diese Gesetze insgesamt miteinander verglichen werden müssen, oder ob sie gar in einen übergeordneten Zusammenhang zu bringen sind. Die Problematik wird aufgeworfen durch die Arbeit von Inga Schmidt-Syaßen, die mit folgender Feststellung beginnt: "Einer Untersuchung des Verhältnisses von wirtschafts rechtlichen und privatrechtlichen Normen sowie der gegenseitigen Einflußnahme des Wirtschaftsrechts auf das bürgerliche Recht und umgekehrt müssen überlegungen über die grundsätzliche Bedeutung dieser beiden scheinbar selbständigen Disziplinen vorangehen18." Es gilt, die diesem Bekenntnis zugrundeliegenden entscheidenden Voraussetzungen aufzudecken: Der Ansatz ist nur richtig, wenn man Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht als apriori unterscheidbare Kategorien anerkennt; unterscheidbar sind sie nur, wenn sie selbst Rechtsbegriffe sind, unter deren Tatbestandsmerkmale man eine einzelne Norm subsumieren kann, wobei das Ergebnis der Subsumtion ihre Qualifikation als bürgerlichrechtlich oder wirtschaftsrechtlich sein muß; der Subsumtion muß sich - soll sie sinnvoll sein - eine Rechtsfolge für die einzelne Norm anschließen, etwa eine Auslegungsmaxime, die 15 So ist es nur konsequent, wenn Inga Schmidt-Syaßen, S. 198 ff., vertritt, der Anwendungsbereich des § 26 Abs.2 GWB sei aus dem des § 826 BGB auszugliedern, letzterer also insoweit zu beschränken. Da beide Normen ipso iure wirken, besteht nicht von vornherein ein Bedürfnis nach einer überschneidung. Auf S. 202 hat Inga Schmidt-Syaßen aber schon vorgezeichnet, daß das Verhältnis von § 138 BGB zu § 18 GWB völlig anders gestaltet sein könne, wenngleich sie das nur hinsichtlich der Behandlung sittenwidriger Rechtsgeschäfte meint. 18 Inga Schmidt-Syaßen, S. 1 m. N., jedoch mit gewissen Einschränkungen im folgenden, insbesondere S. 13, 107.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
verschieden ist danach, ob die Norm bürgerlich rechtlich oder wirtschaftsrechtlich ist. Die aufgeworfenen Fragen führen in der Konsequenz ihrer Unauflösbarkeit zur Ablehnung der dargestellten These VOn Inga SchmidtSyaßen: Da jedwede Interpretation immer nur bei der einzelnen Norm ansetzen kann, muß in diesem Augenblick des Beginns einer Beschäftigung mit ihr noch die Möglichkeit anerkannt werden, daß sie - und auch das nur schwerpunktmäßig - entweder bürgerlichrechtlich oder wirtschaftsrechtlich sei17 ; damit aber wird zugleich zugestanden, daß das Resultat, die Aussage also, welcher Charakter überwiegt, erst am Schluß der Auslegung mitgeteilt werden kann. Bei der einzelnen Nonn entscheidet es sich also, zu welcher Kategorie - die man durchaus kreieren mag18 - sie gehört, nicht hingegen befindet die Kategorie darüber, welche Normen sie zu erfassen vennag. Und: Ein Auslegungsstreit um den Charakter einer Nonn wirkt sich unmittelbar auf ihre Kategoriezugehörigkeit aus; die Kategorie könnte dem nur steuern, wenn sie ihre eigene Definition änderte (und tatsächlich ist die Grenze zwischen Zivilrecht und Wirtschaftsrecht fließend). So ergibt sich: Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht sind nichts als Kurzfonneln für Auslegungsergebnisse, keine heuristischen Prinzipien hingegen, geschweige Topoi für die Herleitung VOn Auslegungsergebnissen. Wenn das aber so ist, so muß nicht nur der Kategorienvergleich zwischen Bürgerlichem Recht und Wirtschaftsrecht in sich selbst als zweifelhaftes Unterfangen angesehen werden; es ist obendrein festzustellen, daß er das Ergebnis eines Einzelnonnenvergleichs in keiner Weise präjudizieren kann. Dächte man anders, erläge man der Begriffsjurisprudenz, schreibt doch Kraft ohnehin, daß es sich bei der Verwendung von Begriffen zur Abgrenzung von Rechtsgebieten um Begriffsjurisprudenz handelet', wenngleich - so wird man ihn ergänzen müssen - das nur dann der Fall ist, wenn aus den Begriffen die Abgrenzung hergeleitet wird, sie also nicht nur diese beschreiben20 • u. - Fazit für das weitere Verfahren: Weitere Varianten interessieren in diesem Zusammenhang nicht. Gegen "Wirtschaftsrecht als systematischer Begriff" (so Rittner, Wirtschafts recht, S. 11) ist daher nichts einzuwenden. So meinen es auch Mertens I Kirchner I Schanze, S. 17 ff. und besonders deutlich auf S. 191. 19 Kraft, S. 9 Fn. 3I. 20 Inga Schmidt-Syaßen, S. 1, geht allerdings von einer "gegenseitigen Einflußnahme" beider Normenkreise aus; indes ist offen, wie das mit ihrem einleitenden Programm (vgl. oben) vereinbar sein soll. Die Zuordnung von Normen zum Bürgerlichen Recht oder zum Wirtschaftsrecht müßte eigentlich jeden Weg zu praktischer Konkordanz verschließen; der Ort, an dem die "gegenseitige Einflußnahme" wirken soll, ist im Falle eines Vorrangs des Kategorienvergleichs nicht auszumachen. - Im Grunde wird man wohl Sandrock folgen müssen, der sich, S.57, ohne Umschweife ablehnend gegenüber dem Begriff "Wirtschaftsrecht" jedenfalls als Auslegungstopos erklärt; ebenso jüngst noch Brinkhoff JuS 1979, 309, in seiner Literaturschau zum Wirtschaftsrech t. 17 18
1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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Der unmittelbare Einzelnormenvergleich wird als einzig mögliche Methode aufgefaßt; demnach werden § 138 BGB und § 18 GWB ohne Vermittlung der ihnen etwa übergeordneten Kategorien - deren Darstellung auch nicht nachgeholt wird, da sie für diese Arbeit auf Grund des zuvor Gesagten ohne Belang ist!! - zueinander in Bezug gesetzt. 4. Kongruenzmodelle
Was nun deren Verhältnis zueinander angeht, kann angesichts ihrer bisherigen Handhabung in Lehre und Rechtsprechung die - allerdings noch zu begründende - These gewagt werden, daß zumindest eine Teil-Kongruenz zwischen den Eingriffsvoraussetzungen des § 18 GWB und dem Tatbestand des § 138 BGB besteht; diese kann - das ist abstrakt angebbar - nur die folgenden Gestalten haben: a) § 18 GWB bleibt hinter § 138 BGB zurück; Kongruenz besteht im übrigen; b) § 18 GWB und § 138 BGB sind vollständig kongruent; c) § 18 GWB geht über § 138 BGB hinaus; Kongruenz besteht im übrigen. Nunmehr ist von Interesse zu erfahren, welche dieser drei Kongruenzvarianten die richtige ist, wobei es sich versteht, daß - und zwar wird das gleichzeitig stattfinden - die Eingangsthese verifiziert werden muß, daß überhaupt Kongruenz bestehe; zu suchen ist das tertium comparationis, an Hand dessen sich Tatsache und Maß der Kongruenz ermitteln lassen. a) Einzelnes Reclttsgescltäft und Beeinträclttigung der Marktfunktion
Betrachtet man die §§ 18 GWB und 138 BGB, so versteht sich die Annahme einer Kongruenz nicht einmal von selbst. Denn § 138 BGB hat das einzelne Rechtsgeschäft im Auge23 , wohingegen die Eingriffsvoraussetzungen des § 18 Abs. 1 Buchst. a) bis c) GWB auf die Beeinträchtigung der Marktfunktion abstellen, wovon zwar nicht notwendiger-, wohl aber typischerweise nur dann ausgegangen werden kann, wenn der Markt durch eine (relative) Vielzahl von Exklusiv-Bindun!1 In der Rechtsvergleichung ist der Wert von Systemvergleichen, die sie im übrigen vor allem verfolgt, als durchaus beschränkt anerkannt: Sie gelten der Darstellung typischer Merkmale. Es ist allerdings nie bestritten worden, daß sich ein solches Gesamtbild nur aus der gemeinsamen Erfassung von Einzelnormen ergeben kann. 22 Zur Darlegung des Begriffs "Wirtschaftsrecht" kann auf die Arbeit von Inga Schmidt-Syaßen verwiesen werden. 23 Richtig dieser Akzent bei Biedenkopf, S. 41.
Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
gen vermachtet worden ist. Daß das durch eine einzige Exklusiv-Bindung geschehen kann, ist zwar nicht ausgeschlossen (wie etwa die Eingriffsvoraussetzung b) erweist), aber in einer Weise zu vernachlässigen, daß ein auf der Grundlage einer solchen Sachverhaltskonstellation gefundenes tertium comparationis wertlos wäre; es ist also nur der Fall von Interesse, daß viele oder zumindest mehrere Marktteilnehmer durch das Verhalten eines Verwenders von Exklusiv-Bindungen, vor allem also durch deren Existenz selbst, tangiert werden. Nun mag es allerdings sein, daß eines unter mehreren (oder mehrere unter vielen) Rechtsgeschäften, auf die § 18 GWB abzielt, auch in sich selbst nichtig sein kann, weil es mit § 138 BGB nicht zu vereinbaren ist. Hier könnte der Berührungspunkt unmittelbar das Wort "unbillig" in § 18 GWB sein, ohne daß das jedoch - und auch hier ist wieder K. Schmidt zu folgen 24 - ein zwingender Ausgangspunkt wäre, weil - wie sich hier im übrigen noch erweisen wird25 - "gute Sitten" einerseits und "unbillig" (jedenfalls so, wie dieses Wort in § 18 GWB verwendet wird) andererseits durchaus einen verschiedenen Begriffsinhalt haben mögen. Indes versteht sich eine solche Konstellation von selbst; interessant wird sie dadurch nicht; denn ob sie eintritt, bleibt von den zufälligen Gegebenheiten des einzelnen Falles abhängig. Die Kongruenz läge also im Tatsächlichen, wobei stets die Möglichkeit erhalten bliebe, daß aus den beiden betrachteten Normen inkongruent argumentiert würde. b) § 18 GWB und öffentliche Interessen; Ansatz zur Kongruenzfrage
Der Ausgangspunkt selbst, nämlich daß § 138 BGB das einzelne Rechtsgeschäft erfaßt, § 18 GWB aber die Existenz mehrerer verlangt, hilft gewiß auch nicht weiter, denn stellte man darauf ab, verneinte man die Kongruenzfrage von vornherein, da dieser Unterschied der Tatbestände nicht hinweggedacht werden kann. So muß im Gegenteil diese gegenüber § 138 BGB erhöhte Anforderung des § 18 GWB zum Ausgangspunkt der Suche nach dem tertium comparationis gemacht werden. Es ist also zu erkennen, daß das Erfordernis mehrerer Exklusiv-Bindungen in § 18 GWB eine unbestimmte 28 Vielzahl von Anbietern auf einem Markt betrifft, deren Interessen vom Gesetz gerade dadurch, daß es zu ihrem Schutz27 ein Eingriffsrecht der Kartellbehör24
K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 277.
Unten, Zweiter Abschn., 4 c ce bbb), e). Im Hinblick auf das unten, Fn. 396, noch am Rande zu erörternde Problem Verwaltungsakt I Allgemeinverfügung I Verordnung soll aber von vornherein darauf hingewiesen werden, daß die Zahl und auch die Personen jedenfalls bestimmbar sind. 25
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1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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den, staatliche Intervention zugunsten des Marktes also letztlich, vorsieht, der Charakter von öffentlichen Interessen28 zugebilligt worden ist; und es ist die Frage anzuschließen, ob § 138 BGB auch in solchen Fällen einzugreifen vermag, in denen ein Rechtsgeschäft eine Störung öffentlicher Interessen, des ordre public 29 , oder wie immer man formulieren mag, herbeiführt. Hier ist freilich auf Grund der Entstehungsgeschichte des § 138 BGB eine eingefahrene Terminologie zu beachten. Krasser 30 weist richtig darauf hin, daß man ausdrücklich darauf verzichtet hat, die "öffentliche Ordnung" gesondert zu nennen, weil man nämlich davon ausging, daß Verstöße gegen sie mit dem übrigen Wortlaut des § 138 Abs. 1 BGB ausreichend erfaßt werden könnten31 • Er selbst stimmt dem ZU 32 unter ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht von K. Simitis33 , der im Grunde eine Analogie vorschlägt, die gestattet, den ordre public einzubeziehen, aber andererseits erlaubt, unter "gute Sitten" nur die Moralgebote des Geschlechts- und Familienlebens zu verstehenu. Aber abgesehen davon, daß man hiermit nur eine laienhafte Ausdrucksweise fördert, machte man § 138 BGB auf diesem Wege zu leicht zum Wächter enger bürgerlicher5 Moral, was man tunlichst vermeiden sollteS8 , denn Jurisprudenz ist in diesem Bereich sehr nachsichtig (und darf dies spätestens seit Erlaß des vierten Strafrechtsreformgesetzes37 auch 27 Wobei es völlig gleichgültig ist, ob es sich dabei um Individual-, Kollektiv- oder Institutionenschutz handelt; vgl. etwa Raisch I van Venrooy I Welke-Chlosta, S. 9 !., allgemein zu den Schutzzwecken des GWB. 28 "Interessen der Allgemeinheit an der Offenhaltung der Märkte", so Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr. 145. 29 Es ist purer Nominalismus, "gute Sitten" und "ordre public" danach zu unterscheiden, erstere seien von einem subjektiven Element abhängig, zweiterer hingegen nicht; so aber Rinck, Einwirkungen, S.476 (484). 30 Krasser, Vertragliche Rechte, S.277. Hinweise auf die Entstehungsgeschichte auch bei Mestmäcker, Verhältnis, S.297 (317); Rebe, S. 96 ff.; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 109 Fn.207; Steindorff JZ 1959, 197 (199); 1960, 582 (583). Hingegen scheint Belke, S. 284, die Entstehungsgeschichte nicht als Argument verwenden zu wollen. 31 So mit aller Deutlichkeit Protokolle I, S. 124, unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß der Begriff "gegen die guten Sitten" anders als der zeitweilig vorgeschlagene Ausdruck "gegen die Sittlichkeit" "den richtigen objektiven Maßstab für die Handhabung des Gesetzes" enthalte. 32 Krasser, Vertragliche Rechte, S. 278. 33 K. Simitis, S. 197. :14 Damit stimmte er zwar mit den Motiven zum BGB noch überein; vgl. Motive I, S.211, wo - aber immerhin auch dort schon recht kühl - von "moralischen Interessen" die Rede ist; den Bewußtseinsfortschritt, der sich in den Protokollen niederschlägt (I, S. 124), hätte er wieder aufgehoben. 35 Also: repressiver "Moral" gegenüber den lower classes. 38 In den Protokollen I, S. 123, wurde bereits ähnlich argumentiert. 37 Viertes Gesetz zur Reform des Strafrechts (4. StrRG) vom 23. November 1973, BGBl. I, S. 1725 ff.
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TeilII: Die Unwirksamkeitssanktion
sein)3B. Im übrigen schafft man bei einer solchen Auslegung zwischen guten Sitten und öffentlicher Ordnung einen Gegensatz, der nach der Entstehungsgeschichte eben gar nicht besteht39 , und Steindorff schreibt daher zu Recht, daß es zwischen den guten Sitten und dem ordre public (sie) keine Konfliktsituation gebe40 • Ein Blick über die Grenzen des eigenen Rechtsgebiets bestätigt dies: Art. 1133 ce erwähnt ohne weiteres den "ordre public" neben den "bonnes moeurs"; aber noch interessanter ist, daß das Tatbestandsmerkmal der "bonnes moeurs" keine Bedeutung erlangen konnte; die Anwendung dieser Vorschrift erfolgte meist unter dem Gesichtspunkt des ordre public41 • Daß hier also genau umgekehrt wie im deutschen Recht verfahren wird, erweist im Grunde sehr gut die Austauschbarkeit der beiden Begriffe. Dieser Exkurs diente hier nur der Klarstellung der Wortwahl, sachliche Bedeutung wird er ein wenig später erlangen42 • Hier ist bezüglich des zu prüfenden Gegenstands zu ergänzen, daß es nicht um Konstellationen gehen darf, die bereits von § 134 BGB in Verbindung mit dort bezogenen Vorschriften vernichtet werden. Gewiß mag im Einzelfall diese Sanktion hinzutreten, aber es muß jedenfalls feststehen, daß sie hinweggedacht werden kann, § 138 BGB aber gleichwohl anwendbar ist. Ließe sich dieses Ergebnis - was die Entstehungsgeschichte des § 138 BGB eigentlich schon nahelegt - begründen, stünde damit fest, daß die §§ 134, 138 BGB sich nicht in der Weise zueinander verhielten, daß erstere Vorschrift nur allgemeine Interessen, die ohnehin normiert sind, schützte und letztere nur Individualinteressen der am einzelnen Rechtsgeschäft als Parteien Beteiligten. aA Die bei K. Simitis, S. 168 f., hinter der Verwendung des Ausdrucks "ordre public" stehende Absicht, eine Konfusion mit der "öffentlichen Ordnung" des Polizei- bzw. Ordnungsrechts zu vermeiden, erscheint unschlüssig: So gerät er in das Feld, das vom international-privatrechtlichen ordre public (vgl. Art. 30 EGBGB, der allerdings selbst diesen Ausdruck nicht benutzt) beherrscht wird (vgl. schon den Hinweis in den Protokollen I, S. 124, aber auch K. Simitis, S. 203 ff.), dessen Auslegung sehr streitig ist und auf Grund einer neuen, weiten Interpretation von Raape / Sturm, S. 194 ff., eben doch in die Nähe des polizeirechtlichen Ordnungsbegriffs gerückt wird. Schon Inga Schmidt-Syaßen, S.173, machte auf diese Verwechslungsgefahr aufmerksam; das ist um so ernster zu nehmen, als sie die extensive Auslegung von Raape / Sturm noch nicht kannte. 39 In den Motiven (I, S. 211) ging man von nebeneinander stehenden Tatbestandsmerkmalen aus; die Protokolle (I, S.124) strichen die "öffentliche Ordnung" nur - wie bereits oben erwähnt wurde -, weil der Begriff der guten Sitten der umfassendere sei. Von der nachfolgend im Text herangezogenen Vorschrift des Art. 1133 ce, der - wie nicht vergessen werden solltezur Zeit der Beratungen des BGB in Teilen des Reichsgebiets galt, grenzte man sich nur dadurch ab, daß man nicht nur auf die Leistung abstellte (vgl. Motive I, S. 211); gewollt war also eine noch weitere Fassung. 40 Steindorjf JZ 1959, 197 (199). 41 Vgl. Belke, S. 79 . •~ Unten, c) und d).
1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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c) Konkretisierung der Kongruenzfrage
aa) Der allgemeinbezogene Maßstab des § 138 BGB Die Kongruenzfrage ist allerdings immer noch nicht genau genug gestellt. Das erweist sich bei der Feststellung, daß der Maßstab, von dem ein Eingreifen des § 138 Abs. 1 BGB abhängt, ja ohnehin kein individueller ist, sondern ein allgemeiner, oder vielleicht noch exakter: allgemeinbezogener43 • Was "gute Sitten" sind, das zu bestimmen ist nicht dem Geschmack der Kontrahenten überlassen und schon gar nicht demjenigen unter ihnen allein, der etwa Rechte aus § 138 Abs. 1 BGB herzuleiten versucht; das ist vielmehr dem - wie die Standard formel lautet - Anstandsgefühl bzw. der Ansicht aller billig und gerecht Denkenden" zu entnehmen. Nun ist jedoch diese Formel nicht sonderlich aufschlußreich. bb) Auslegung von Generalklauseln Zwar ist es als Auslegungsmethode4~ bei Generalklauseln anerkannt, daß sie ihrerseits durch weitere generalklauselartige, immer konkreter werdende Wendungen interpretiert werden können 48 und sogar - nach Möglichkeit abgestellt auf verschiedene Fallgruppen47 in dieser 43 Rebe, S. 105, betont zu Recht die Notwendigkeit eines allgemeinverbindlichen Standards. 44 Zu dieser Formel selbst sei auf die Arbeit von Arzt verwiesen. 45 Im einzelnen Kraft, S. 39 ff. 48 Vgl. Inga Schmidt-Syaßen, S. 30 ff., wenngleich ihrer Feststellung, S. 31, diese ihrerseits konkretisierenden Generalklauseln seien der Subsumtion (stets) offener als die ursprüngliche Generalklausel, gerade im hier erörterten Fall nicht gefolgt wird. Man könnte freilich sagen, dann sei die Voraussetzung, eben die Konkretisierung, schon gar nicht erreicht worden, doch zeigt sich das erst an Hand des einzelnen Falles, weshalb die These Inga Schmidt-Syaßens zu weit geht. Jedenfalls unrichtig L. Raiser JZ 1958, 1 (5 Fn.23), der dieses Verfahren für einen circulus vitiosus hält. Raisch, Mißbrauch, S.357 (362 f.), will ein solches Vorgehen wohl nur speziell für § 22 GWB ablehnen. 47 Kraft, S. 28, schreibt von der Herausbildung von Prinzipien, "die über die grundsätzliche Berücksichtigung der effektiv vorhandenen Sonderinteressen Einzelner zu einer zumindest partiellen Typisierung führen"; auf S.42 heißt es: " ... , die Richtlinie ruft nach Kasuistik, ... " Allerdings besteht zwischen Kasuistik und einer Typisierung an Hand einer Kasuistik immer noch ein Unterschied. Das scheint auch Krasser, Vertragliche Rechte, S. 262 f., übersehen zu haben: Er weist darauf hin, daß die Rechtsprechung bei der Konkretisierung der "guten Sitten" vor allem stark kasuistisch verfahren sei, und billigt dieses Vorgehen, weil man sich an die dort entwickelten differenzierten Regeln halten könne, die einen hohen Grad an Voraussehbarkeit gewährleisteten. Man mag ihm heute beipflichten, sollte aber andererseits nicht übersehen, daß bei einer solchen, eher planlosen, von der zufälligen Zusammensetzung des jeweiligen Prozeßstoffs abhängigen Konkretisierungs"methode" Rechtssicherheit erst lange Zeit nach Erlaß einer solchen Generalklausel-Norm hergestellt wird, wohingegen der Wirtschaftsverkehr ein Bedürfnis nach rechtssicherer Auslegung auch neuer Gesetze hat. (Von einem
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
Weise ausgelegt werden müssen48 , was auch völlig im Rahmen herkömmlicher juristischer Hermeneutik bleibt, die man sich ohnehin nicht als logisch-deduktiv vorzustellen hat49 • Gewiß ist - so sei Raisch zugegeben - diese Situation immer noch nicht befriedigendSO, doch ist sie auf Vollkommenheit wenigstens ausgerichtet, da "auch das Richterrecht auf die dogmatische Verfestigung zu Tatbeständen und seine Einbindung in das Rechtssystem konvergiert"sl. Bei der dargelegten Standardformel ist das aber nicht gelungen; sie ihrerseits ist so unbestimmt, daß sie nicht der Konkretisierung dienen kann; über die Existenz einer bloßen TautologieS2 ist sie nicht hinausgelangt. Die Bandbreite zwischen Tautologie und Abkoppelung vom Ausgangspunkt der Interpretation stellt das Dilemma der Auslegung von Generalklauseln dar: Einerseits bedürfen sie - wie schon gesagt der Konkretisierung durch zunächst selbst noch generalklauselhafte Wendungen, andererseits mag das entweder nicht gelingen oder es wird nur in übersteigerter Weise erreicht durch eine Formel, die mit der ursprünglichen Generalklausel nichts mehr zu tun hat. Der Mittelweg wird beschritten, wenn die eine Generalklausel konkretisierenden Generalklauseln nur als heuristische Fingerzeige angesehen werden, die behilflich sind bei einer Auslegung, die nach wie vor bei der ursprünglichen Generalklausel ansetzt. Dann wird mit Sicherheit der Fehler vermieden, daß dem Gesetz Wertungen unterschoben werden, die es nicht enthält. Das sei in zweierlei Richtung exemplifiziert: Ein Abkoppelungsfall liegt etwa vor bei § 263 Abs. 1 StGB, wo bei der Auslegung nur zu gern von dem Wort "Täuschung"S3 ausgegangen wird anstatt solchen Ansatz aus wäre die Kritik, die Krasser, aaO., S. 263, gleichwohl übt, besser verständlich. 48 Inga Schmidt-Syaßen, S. 24 (ähnlich S. 27 f.), hat recht, wenn sie schreibt, Generalklauseln seien streng begrifflicher Subsumtion nicht zugänglich. Das wird herrschend vertreten. 40 Daß eben dies "längst zu den Banalitäten der Rechtstheorie" gehört, betont Diederichsen, Eigenständigkeit, S. 283 (299), völlig zutreffend. 50 Raisch JZ 1965, 625 (626); vgl. auch die dort gegebenen Hinweise zur Geistesgeschichte der Hermeneutik. 51 So Diederichsen, Eigenständigkeit, S.283 (296); vgl. aber auch die anerkennenden Worte von Raisch, Konkretisierung, S.547 (555 ff.), zu einer im Laufe der Zeit zu gewinnenden Rechtssicherheit, andererseits aber auch seine Warnung vor allzu nachlässigem Verfahren bei der Neuformulierung durch den Gesetzgeber: Generalklauseln, S. 227 (235 ff.). 52 Ähnlich Krasser, Vertragliche Rechte, S. 262. 53 "Täuschung" ist die generalklauselartige Konkretisierung der "Vorspiegelung falscher Tatsachen". Ebenso falsch wie eine Interpretation auf der Grundlage der Konkretisierung, wenn man dabei die ursprüngliche Fassung des Textes aus den Augen verliert, ist - ein in der Struktur dem oben besprochenen ähnlicher Fehler - die Herleitung von Ergebnissen durch Anknüpfung an ihrerseits ergebnisbeschreibende Schlagwörter, die ein juristisches Phänomen lediglich auf einen knappen Nenner bringen: So ist es unzulässig, mit dem Begriff "Anwartschaft" zu operieren, und auch das
1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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von der sehr viel engeren gesetzlichen Formulierung der Vorspiegelung falscher Tatsachen54• Und der Fall der Tautologie dürfte im "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" sein Standardbeispiel haben: Nicht nur ist diese Formel schon rein begrifflich nichts wert, wie Breithaupt55 treffend dargestellt hat5e ; da sie zur Leerformel erstarrt ist, kann sie dem Richter dazu dienen, seine persönliche Meinung auf dem Wege durchzusetzen, daß er sie als die aller deklariert57• Diese Gefahr hat sich in einer - wohl als unjuristisch zu charakterisierenden - Entscheidung des LG Hannover 58 realisiert, wo das Behalten einer auf Grund rechtskräftigen Urteils gezahlten Summe als gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden bezeichnet wurde, weil im Rechtsstreit vergessen worden war, eine Teilzahlung zu berücksichtigen. Das Rechtsinstitut des Versäumnisurteils müßte nach dieser Entscheidung neu überdacht werden. Breithaupt jedenfalls hatte guten Grund, darauf aufmerksam zu machen59 , daß die unbewiesene Behauptung, ein Verhalten verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, keine Begründung sei. Immerhin: Ähnlich dem in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG stehenden Satz "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" kann es die Sentenz vom "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" leisten, Legitimierungsformel zu sein, die - obzwar einer Subsumtion unzugänglich - klarstellt, wessen Interessen zu berücksichtigen sind. Und das kann nun gesagt werden: Es sind solche der Allgemeinheiteo . u. über deren Inhalt ist freilich noch nichts ausgesagt. Mit dieser Erkenntnis ist aber zugleich der entscheidende Punkt gefunden, der es erlaubt, die Kongruenzfrage dahin zu stellen, ob die durch den Begriff von den "guten Sitten" wiedergegebenen Interessen der Allgemeinheit so aussehen, daß ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB schon dann bejaht werden Abstraktionsprinzip als solches hilft in keinem Fall weiter; zu letzterem Fall völlig zu Recht U. Huber, Einwendungen, S. 83 (104 f.). 54 Die trotz ihrer logischen Zweifelhaftigkeit sehr brauchbar ist. 55 Breithaupt JZ 1964, 283 ff. se Kritik auch bei Rebe, S. 104. 57 Das scheint auch Breithaupt JZ 1964, 283, sagen zu wollen. 58 LG Hannover NJW 1979, 221 (222), 20.10.1978, 7 0 124/78. Vgl. zu dieser Entscheidung die mittlerweile erschienenen ablehnenden Besprechungen von Braun NJW 1979, 2380, und SpeIlenberg JuS 1979, 554, wobei allerdings Braun (S. 2381 f.) die Möglichkeit einer Kondiktion bejaht und so zum selben Ergebnis kommt wie das angegriffene Urteil. 59 Breithaupt JZ 1964, 283 (285). eo Der Ansatz beim "Anstandsgefühl" findet sich auch bei Giere, S. 67 f., wiedergegeben und, S. 90 ff., dargestellt. 11 Klar schon die Motive I, S. 211, wo von "allgemeinen Interessen des Staates" die Rede ist, wenngleich dort noch mit Bezug auf die "öffentliche Ordnung", die aber in den Protokollen I, S. 124, als den "guten Sitten" zugehörig erkannt wurde.
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
kann, wenn lediglich solche Interessen berührt werden, ohne daß das einzelne Rechtsgeschäft einem der Kontrahenten in einer Weise von Nachteil ist, daß schon aus diesem Grunde § 138 Abs. 1 BGB eingriffeS!. d) § 138 BGB und Allgemeininteressen
aa) Beantwortung der Kongruenzfrage Betrachtete man den Absatz 2 des § 138 BGB als abschließende Erläuterung des Inhalts von Absatz 1, so fiele die Antwort auf die soeben gestellte Frage negativ aus. Indes ist davon auszugehen, daß Abs. 2 lediglich ein Paket besonders krasser Fälle beispielhaft herausstellen wollte 83 , ohne daß dadurch eine Festlegung auf (bloß) individuelle Interessen bereits erfolgt wäre84 • Wie auch sollte es anders sein, wo doch Zweck des § 138 Abs. 1 BGB nichts anderes sein kann als die in ihm zum Ausdruck gekommenens5 öffentlichen Interessen86 und schlechterdings kein Grund zu erkennen ist, daß er gerade diese selbst von dem durch ihn bewirkten Schutz hätte ausnehmen wollen67 . Im Einklang mit diesem Grundgedanken und der schon geschilderten8B Entstehungsgeschichte ist es denn auch anerkannt19 , ohne daß dies auch nur im 62 Der Gedanke, die "Allgemeinheit" sei ja nichts anderes als die Summe einzelner, feststellbarer Kunden und Lieferanten (so E. Koch, S. 23), ist zwar oben, b), zur Darstellung des Inhalts von § 18 GWB benutzt worden, hilft aber hier nicht weiter. Hier geht es vielmehr gerade um die Frage, ob allgemeine Interessen auch dann ausreichen, wenn sich kein konkreter Interessenträger ermitteln läßt. - Abzulehnen ist allerdings die Auffassung Krafts, S. 15, das "öffentliche Interesse" stehe neben oder sogar über der Summe privater Interessen; jeder Gedanke an eine Kategorie, die ihre Verwandtschaft mit der raison d'Etat nicht verleugnen könnte, sollte als unstatthaft angesehen werden. 83 Dies ist eine Technik, die der französische Code civil durchgehend verfolgt. Was das Kartellrecht anlangt, ist hier eine Parallele zu dem Gegensatz zwischen den Fällen der per-se-Wettbewerbswidrigkeit und denen der rule of reason zu ziehen. 84 Gefährlich daher der Prüfungsansatz bei Rebe, S. 110 f., jedoch ohne Entscheidung insoweit. 15 Diese Selbstdefinition kommt in der ganzen Arbeit von Giere (die allerdings das UWG betrifft) nicht vor. oe Vgl. Kraft, S. 20. S7 Kraft selbst (vgl. die vorige Fn.) würde so wohl nicht vorgehen: vgl. S.23 unter b, 29 f., 118, 125, 127, 246 ff., 264 f., 273. Im Ergebnis würde er jedoch übereinstimmen; so schreibt er auf S. 127: "Individualinteressen werden hier also gegeneinander abgewogen; für die Höherbewertung der Interessen der Apotheker wird allerdings als ausschlaggebend anzusehen sein, daß sich ihre Privatinteressen mit dem sog. öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Förderung der Volksgesundheit decken"; vgl. dazu auch S. 246 ff. 88 Oben, b). n Völlig zu Recht ohne weitere Begründung bejahend Krasser, Vertriebsbindungen, S.255 m. N., der den Fall nennt, "daß eine Vertriebs- oder Aus-
1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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mindesten eine "Neuinterpretation"70 wäre, daß ein Verstoß lediglich gegen Interessen der Allgemeinheit für ein Eingreifen des § 138 BGB ausreiche ' . Offen ist allerdings die Tragweite einer bei Krasser angeführten Einschränkung, die Gerichte hätten darauf "Rücksicht zu nehmen", "daß die ,Marktfolgenprüfung' Sache der Kartellbehörde ist"7!. Sollte dieser Satz tatsächlich so gemeint sein, daß den Gerichten eine solche Prüfung verwehrt sei, könnte das dogmatisch nur so erklärt werden, daß dieser Punkt durch Schaffung des § 18 GWB dem § 138 BGB entzogen wurde. Das aber würde dazu führen - da ja Krasser keine These einer verfahrensrechtlichen Abhängigkeit des § 138 BGB von § 18 GWB vertritt -, daß Zivilgerichte Klagen aus Rechtsgeschäften, die vor Erlaß des GWB wegen allgemeinschädlicher Marktfolgen nach § 138 BGB nichtig gewesen wären, stattgeben müßten, denn eine Aussetzung nach § 96 Abs. 2 Satz 1 GWB wäre nicht möglich, da der Rechtsstreit mangels Vorgreiflichkeit der Entscheidung nach § 18 GWB spruchschließlichkeitsbindung die Versorgung der Verbraucher mit lebenswichtigen Gütern gefährdet". - Wie im Text auch Mestmäcker, Verhältnis, S.297 (317 mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte des § 138 BGB). Im Ergebnis ebenso P. Ulmer NJW 1979, 1585 (1586), wenn auch zu zurückhaltend. - Die Darstellung von Rittner, S. 94, die Rechtsprechung habe bei der Anwendung des § 138 BGB "die Auswirkung auf Dritte wie auch auf die Wettbewerbsverhältnisse und die Gesamtwirtschaft nicht in die Beurteilung einbeziehen" können, trifft nach allem nicht zu. - Ohne Stellungnahme bei Belke, S.284. Seine Auffassung, bei wirtschaftspolitischen Interessenwiderstreiten gebe es keine gemeinsame Rechtsüberzeugung, ist vordergründig: Es genügt doch völlig, wenn es eine solche überzeugung hinsichtlich der Lösung eines derartigen Konflikts gibt. - Daß auch § 1 UWG lediglich Interessen der Allgemeinheit zu schützen vermag, ist ebenfalls anerkannt; zuletzt noch BGH NJW 1978, 2598 (2601), 28.4.1978, I ZR 157/76. Die Problematik zu § 1 UWG liegt allerdings etwas anders, weil die guten Sitten, so wie der Begriff dort erläutert ist durch die übrigen gesetzlichen Bestimmungen, einen anderen Inhalt haben (können) als nach BGB; vgl. im übrigen allgemein zur Berücksichtigung des Allgemeininteresses nach UWG die Arbeit von Giere. 70 So drückt es Rebe, S.44, aus, was aber nicht in den Rahmen seiner übrigen Darstellung hineinpaßt. 71 Vgl. hierzu vor allem Rebe, S. 102 ff. und passim, und insbesondere zur Rechtsprechung S. 113 ff.; vgl. auch S.109: "Institutionen- und Gesamtordnungsschutz"; siehe auch den Hinweis auf eine "ordnungspolitische Unterbilanz" bei der Auslegung des Begriffs der "guten Sitten", S. 137, worauf im Text noch einzugehen sein wird. Vgl. im übrigen erneut die schon oben, c bb) Fn. 61, angeführten Stellen der Motive und Protokolle. - Es ist angesichts dieser Darstellung nur konsequent, wenn umgekehrt öffentliche Interessen es sind, die das anderenfalls zu fällende Sittenwidrigkeitsverdikt ausschalten; Kraft, S. 226 f., 261 f., weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die vergleichende Werbung hin. - Zu einseitig interpretiert Inga Schmidt-Syaßen, S. 46 f., die Heranziehung die Allgemeinheit betreffender Gesichtspunkte in der Monopolrechtsprechung als bloße Klarstellung, daß der Schutz des Einzelnen auch Sache der Allgemeinheit sein könne. Das Interesse der Allgemeinheit in diesem engen Sinne bedarf keiner Begründung, denn es wird durch Kreation entsprechender Eingriffsnormen schlicht dekretiert. 72 Krasser, Vertriebsbindungen, S. 255; ähnliche Tendenz bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 233. 6 Venrooy
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
reif wäre 73 • Indes kann ja ohnehin nicht davon ausgegangen werden, daß das GWB den Anwendungsbereich des § 138 BGB habe einschränken wollen. Das ist aber mit Bezug auf die hier geschilderte Problematik auch deshalb abzulehnen, weil man nicht so konstruieren sollte, daß der Staat gezwungen ist, seine justizförmigen Durchsetzungshilfen für Rechtsgeschäfte zu geben, die er - hätte nur eine andere seiner Behörden von ihnen erfahren - nach § 18 GWB untersagen könnte. Darauf muß jedenfalls dann geachtet werden, wenn es durch Interpretation erreichbar ist. Hat nach allem § 138 BGB diese Tragweite, dann wird letztlich dem Bürgerlichen Gesetzbuch eine ordnungspolitische Funktion zugebilligt74 • Das Gegenteil wäre aber auch verwunderlich: Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Gesetz kein Mittel vorsehe, den ordre public interne 75 gegenüber der Privatautonomie76 , die vielmehr von vornherein nur in dem von § 138 BGB gesteckten Rahmen gewährleistet ist77 , durchzusetzen, womit wiederum nur ein Problem praktischer Konkordanz 78 , einer Interessenabwägung zweier 73 Richtig Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 96 Rdnr. 5; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.246, und in NJW 1977, 10, 12; im Ergebnis ebenso Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.88; deutlich auch BGH WuW/E BGH 342 ff., 20.10.1959, VIII ZR 127/58, "Bierhaus"; 347 (349), 10.7. 1958, I ZR 8/58, "Lesemappen"; 1525 (1526), 30.5.1978, KZR 8/76, "Fertighäuser". - Und zur Ergänzung in diesem Zusammenhang: K. Schmidt NJW 1977, 10 (11), schreibt zu Recht, daß es gerade § 96 Abs.2 GWB selbst ist, der belegt, "daß ein Zivilrechts streit nicht schon deshalb Kartellrechtssache i. S. des § 87 I GWB ist, weil in diesem Rechtsstreit auch über Fragen des GWB zu entscheiden ist". - Vgl. noch dazu, daß hier auch § 70 Abs.4 Satz 2 GWB nicht einschlägig ist, K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 551 ff., 572 ff. 74 Dieser Punkt wird bei Koeble, S.157, angesprochen, jedoch offengelassen. Das wäre nicht nötig gewesen, denn es ist auch schon eine ordnungspolitische Entscheidung, daß das Gesetz den Ausgleich privater Interessen prinzipiell persönlicher Initiative überläßt; dann ist es eine zweite ordnungspolitische Entscheidung, wenn das Gesetz selbst Maßstab und Grenze für die Entfaltung dieser Initiative setzt, womit es zeigt, daß es dem Aufbau privater Machtstellungen nicht gleichgültig gegenübersteht. - Der Text zeigt im übrigen - K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.277, ist hier zu folgen -, daß es nicht möglich ist, die §§ 18 GWB, 138 BGB "unter dem Gesichtspunkt von Individualschutz und Institutionenschutz" zu trennen. 75 Zu diesem aus dem romanischen Rechtskreis herrührenden Begriff Kegel, S. 238; Raape I Sturm, S. 203. 76 Der stattdessen von L. Raiser JZ 1958, 1, verwendete Begriff "Parteiautonomie" ist ein terminus technicus des Internationalen Privatrechts. 77 Erklärbar durch Art. 2 Abs. 1 GG und der Einschränkung nach durch die ebendort niedergelegte Schrankentrias. Art. 152 Abs. 1 WRV erkannte einst die Vertragsfreiheit expressis verbis an, wenngleich schon dem Grunde nach nur nach Maßgabe der Gesetze. Art. 152 Abs.2 Satz 2 WRV gab im übrigen den Wortlaut des § 138 Abs. 1 BGB fast exakt wieder. 78 Ein von geltender Normierung abstraktes Problem "Subjektives Recht und Wirtschaftsordnung", das Rebe im zweiten Teil seiner Schrift, S. 51 ff., behandelt, gibt es jedenfalls im Bereich der Jurisprudenz nicht; vorgeführt wird demgemäß typisch phänomenologische Argumentation. Das auf S. 75 f.
1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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gesetzlicher Prinzipien, die im Einzelfall zugunsten der Privatautonomie, aber auch zu ihrem Nachteil ausgehen kann 79 , aufgeworfen ist. Denn die Generalkorrektur über § 134 BGB hat ihre Schwäche darin, daß sie von der Existenz bestimmter Verbotsnormen abhängig istBO , deren Schaffung aber schon durch die Erkenntnis abstrakter Gefährdungen bedingt warBI. Berücksichtigt man zudem, daß der vom heutigen Standpunkt aus wenig ansprechende Wortlaut des § 138 Abs. 1 BGB auf eine entsprechende Ausdrucksweise des römischen Rechts zurückgeht und demnach aus einer Zeit herrührt, in der Recht, Sitte und Sittlichkeit (Moral) noch nicht voneinander unterschieden B2 wurdenB3, dann gilt: Bei anderem Verständnis der Vorschrift fehlte die Klausel für Korrektur im EinzelfallB\ die gerade wegen der unübersehbaren Vielfalt rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmöglichkeiten unverzichtbar istB5. BS, die es auch erspart, allein wegen der theoretischen dargestellte "Zwischenergebnis" leidet - was seine Legitimation anlangt unter diesem Begründungsmangel. Sein auf S. 84 (letzter Satz) angekündigter Ansatz einer (generellen) Klärung der im Wettbewerbsrecht ausgedrückten Wertungen in ihrer Bedeutung für das Privatrecht greift nach dem zuvor Gesagten viel zu weit. 79 Daß schon der Maßstab der "guten Sitten" über eine Interessenabwägung sehr wohl konkretisiert werden kann, stellt Krasser, Vertragliche Rechte, S. 286 f., dar. Vgl. im übrigen die Schrift von Kraft. Im einzelnen stehen hinter dem Topos von der Interessenabwägung sehr verschiedene Vorstellungen. Ba Vgl. zur Kritik an § 134 BGB K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 105 ff. übrigens muß Wert darauf gelegt werden, daß § 134 BGB zumindest die Aussage entnommen werden kann, daß bei Verstoß gegen ein Verbotsgesetz grundsätzlich Nichtigkeit eintritt; das bedarf vom Wortlaut der Vorschrift her keiner Begründung, die allerdings im Einzelfall für das Gegenteil geliefert werden muß. Von einer solchen Auslegung der Norm ist in BB 1979, 555 ff., ausgegangen worden. BI Mailänder, S.134, sagt zutreffend, wenn auch mit nicht sehr glücklicher Formulierung, daß das Verbots gesetz auf die "generellen" Gebote der Rechtsordnung abstelle. B2 ZU den materiellen Voraussetzungen einer solchen Unterscheidung vgl. etwa Luhmann, S. 61 Fn. 3. B3 Formuliert nach Kraft, S. 103; vgl. im einzelnen S. 104 ff. Schon Montesquieu, S. 4, mußte sich in seinem "avertissement" gegen ein Mißverständnis wehren, das hinsichtlich des Wortes "vertu" bei früheren Auflagen seines "Esprit des lois" aufgetreten war; so legt er Wert darauf, daß "Ce n'est point une vertu morale, ni une vertu chretienne, c'est la vertu politique, ... " nicht anders ist hier im Text akzentuiert worden. 84 In dem immerhin noch die allgemeinen Grundsätze der Rechtsordnung als Auslegungsmaßstäbe zur Verfügung stehen, auf die § 138 BGB eben auch verweist; ähnlich Rebe, S. 108. BS SO weist denn Krasser, Vertragliche Rechte, S.272, darauf hin, daß "die Möglichkeit, wegen Verstoßes gegen die guten Sitten ein Verhalten als rechtswidrig zu werten, das anderenfalls nicht rechtswidrig wäre, ... vernünftigerweise nur als Mittel zur Ergänzung, nicht aber zur Durchbrechung des gesetzlichen Normensystems verstanden werden" könne. Und Rebe, S. 112, sagt, daß § 138 BGB rechtliche Regelungslücken ausfüllen solle, was dieser als 6"
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
Denkbarkeit seltener87 Störungsfälle, die allerdings ihrer Schwere wegen nicht hingenommen werden können, die Gesetzgebungsmaschinerie in Gang zu setzen. - Schon die im vorigen getroffene Wortwahl hat den Blick auf die Parallele gelenkt, die hier gezogen werden soll: Im Polizei- bzw. Ordnungsrecht88 ist die Technik, abstrakten Gefahren durch Erlaß von Polizei- bzw. Ordnungsbehördlichen Verordnungen 89 zu begegnen, daneben aber gegenüber solchen konkreten Gefahren, die ansonsten nicht abstrakt umschrieben sind, auf der Grundlage der polizeilichen Generalklause190 einzuschreiten, längst bekannt und bewährt. Es besteht kein Grund, warum man im Verhältnis der §§ 134, 138 BGB zueinander anders entscheiden sollte. Daß es sich bei § 138 BGB im Gegensatz zur polizeilichen Generalklausel um eine ipso-iure-Sanktion handelt, entzieht dem Vergleich nicht den Boden: Einziger Unterschied im Effekt ist der Umstand, daß eine weitere - pönale - Sanktion, die das Gesetz vorsehen mag (eine Geldbuße etwa), im Falle der notwendigen Einzelverfügung erst bei einem Verstoß gegen diese verwirkt werden kann, dies nicht aber schon - wie beim Gesetz oder der Verordnung - durch bloßes Begehen der später beanstandeten Handlung; die polizeiliche Generalklausel sieht in der Terminologie K. Schmidts eine Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens vor.
Bezug auf die Grundsätze der Rechtsordnung (S.108) auch kann; man wird hier mit Kupisch, S. 20 f., von positivierter Analogie reden können. Vgl. im übrigen Mestmäcker, Verhältnis, S.297 (305). - Interessant ist auch hier die Stellungnahme von K. Schmidt; er schreibt in Aufgaben, S. 28, bezüglich des GWB: "Wettbewerbsbeschränkende Praktiken lassen sich schlecht vom Gesetzgeber antizipieren. Darauf beruht die Schwierigkeit, selbst bei prinzipiellem Konsens über die wettbewerbsrechtliche Zielrichtung auch nur überzeugende Ge- und Verbotsnormen zu formulieren." 88 Die Motive I, S. 211, geben allerdings auch zu bedenken, daß ein so großer "Ermessens"spielraum noch nie zuvor gegeben wurde; ihre Hoffnung auf die "Gewissenhaftigkeit des deutschen Richterstandes" (S. 211 f.), die hier als Korrektur wirken sollte, war indes Illusion; vgl. etwa die oben, c bb) Fn. 58, nachgewiesene Entscheidung des LG Hannover. 87 § 138 BGB ist also eine Vorsichtsmaßnahme, nicht Bekenntnis zu einer angeblichen "offenen Ordnung", wie es Rebe, S. 102 f., darstellt (im übrigen sagt der auf S. 103 benutzte Ausdruck: "dynamische Ordnung" noch weniger). 88 Mehr als einer Parallele soll nicht zum Ausdruck: verholfen werden (vgl. auch Spengler, S.26). Es wird nicht der These gefolgt, Kartellrecht gehöre zum Polizeirecht; vgl. zu dieser Meinung Mestmäcker, Verhältnis, S.297 (299 m. N.); Normative Kraft, S.325 (329 m. N.); außerdem den Hinweis bei Inga Schmidt-Syaßen, S. 173. Allerdings ließe sich aus dieser bloßen Kategorisierung ohnehin nichts herleiten; vgl. oben, 3). Die Möglichkeit der Parallele erweist allerdings, daß das Bemühen von K. Simitis - siehe oben, b) Fn. 38 um eine Distanzierung von der polizeirechtlichen Terminologie keinen rechten Gegenstand hat. 89 Vgl. §§ 27 ff. OBG NW. 90 Vgl. §§ 14 Abs. 1 OBG NW, 20 Abs. 1 PolG NW, sowie die Kollisionsnorm § 2 OBG NW.
1. Abschn.:
Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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bb) Widersprüche in der herrschenden Lehre Wiedergegeben ist mit dieser Darstellung einer auf das Allgemeininteresse bezogenen Auslegung des § 138 BGB im Grunde nur eine wenn auch bei der Diskussion um diese Vorschrift nur selten zur Kenntnis genommene - herrschende Auffassung, die als richtig akzeptiert und im folgenden zugrundegelegt wird. Vor diesem Hintergrund muß dann auch die Auslegung der Norm im einzelnen gesehen werden. Hier trifft man allerdings auf das Phänomen, daß es eine weitere herrschende Meinung gibt, die sich mit ersterer nicht vereinbaren läßtu . So wird vertreten, ein Rechtsgeschäft könne nur dann der Nichtigkeit anheimfallen, wenn beide Kontrahenten sittenwidrig handelteno2 , eine Ansicht, die impliziert, sie müßten die die Sittenwidrigkeit konstituierenden Tatsachen gekannt haben. Nun ist es allerdings so, daß § 138 BGB nur in relativ schwerwiegenden Fällen einzugreifen vermag, wie sich dem Gesetz unmittelbar entnehmen läßt: Denn der erforderliche Generalkonsens über das, was gute Sitten seien, wodurch sie im übrigen selbst erst zu solchen werden93 , ist über Sachverhaltsgestaltungen mit Bagatellcharakter nicht zu erzielen04 ; außerdem ist er nicht einmal wünschenswert, und obendrein bestünden gegen ein wenn auch nicht auf Ewigkeit angelegtes Festschreiben von überzeugungen über Minimalia durch § 138 BGB Bedenken, daß dadurch die Meinungs- und Gewissensbildung in einer durch Art. 4 und 5 GG nicht gestatteten Weise eingeschränkt würde. Doch nicht nur diese Voraussetzung grenzt den Anwendungsbereich des § 138 BGB ein; das tut auch seine Rechtsfolge: Die Nichtigkeitssanktion, also die Eliminierung einer übereinkunft unter Privaten als Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen um deren Unerwünschtheit in dieser Rechtsordnung willen, ist angemessen nur gegenüber schweren Störungsfällen05 • oe. Angesichts dieses Umstands mag es 01 Wahrscheinlich gibt es solche Fälle öfter; in JuS 1979, 102 ff., ist bezüglich der Lehre vom Besitz eine vergleichbare Situation festgestellt worden. Dort wie hier ist die Durchführung einer Auslegung logisch nachrangig gegenüber dieser selbst; sie hat sich der Auslegung anzupassen; nicht hat diese vor einer für wünschenswert gehaltenen Durchführung zu weichen. O! Die unbelegte Behauptung Rittners, S. 80, § 138 BGB sei ursprünglich nur für beiderseitigen Sittenverstoß gedacht gewesen, findet in den Materialien keine Stütze. 03 Es taucht hier erneut die schon oben, aa), herausgestellte Selbstdefinition dieser Norm auf. 0' Die Parömie "minima non curat praetor" wird durch diese überlegung erst legitim. 05 Wank JuS 1979, 402 (404), spricht sehr schön vom "weitgesteckten Pfahl des § 138". 98 Diese überlegung ist dort gleichgültig, wo der Gesetzgeber diese Sanktionen an klar umrissene Tatbestände geknüpft hat; dann ist seine Entscheidung hinzunehmen; sie kann dort allerdings auf das übermaßverbot bezogene verfassungsrechtliche Bedenken aufwerfen.
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nun freilich als geradezu typisch bezeichnet werden, daß jeder Partei die Sittenwidrigkeit ihres Handeins bewußt war; damit aber ist eben noch nicht gesagt, daß das ein Erfordernis des § 138 BGB selbst sei 97 • Die Unschlüssigkeit jener Auffassung zeigt sich bei ihrer entscheidenden Einschränkung: Ihre übereinstimmung mit §§ 138 Abs. 2, 817 BGB erreicht sie dadurch, daß sie bei einem Geschäft zum Nachteil eines Kontrahenten Verhalten und Kenntnis desjenigen genügen läßt, der Vorteile aus dem Geschäft zieht. Hier erweist sich nun aber mit besonderer Deutlichkeit, daß bei einem solchen Verständnis des § 138 Abs. 1 BGB sein Eingreifen von der - allein im Bereich des Tatsächlichen verbleibenden - Beweislage in einem etwaigen Prozeß abhängig wäre; denn die Kenntnis hätte derjenige zu beweisen, der § 138 Abs. 1 BGB angewendet sehen will. Nicht anders aber ist die Situation im Falle beiderseitigen Sittenverstoßes, falls sich doch einer der Kontrahenten letzten Endes veranlaßt sehen sollte, aus § 138 Abs. 1 BGB Rechte herzuleiten. Nun stellt sich aber doch die Frage, warum denn der Schutz bloßer Allgemeininteressen davon abhängen soll, daß bewußt gegen sie verstoßen wird 98 • Schon die Frage bezeichnet das Paradoxon dieser Lehre in doppelter Hinsicht: Nicht nur träte das Problem auf, ob in diesen Fällen ein Schutz überhaupt noch möglich ist, weil man nämlich dem vorsätzlich sittenwidrig Handelnden, sich aber gleichwohl auf § 138 BGB Berufenden über den Regelungsbereich des § 817 Satz 2 BGB hinaus mit dem Arglisteinwand müßte begegnen können; es zeigte sich obendrein, daß eine Schutznorm, die Allgemeininteressen nur bei bewußtem Verstoß schützt, gar nicht den Schutz dieser Allgemeininter97 Motive und Protokolle geben mit aller Deutlichkeit zu erkennen, daß der Verstoß "in objektiver Hinsicht" von Belang ist. So heißt es in den Motiven I, S. 211: "Die Grenze ist dahin zu ziehen, daß Nichtigkeit eintritt, wenn der Inhalt eines Rechtsgeschäftes unmittelbar, in objektiver Hinsicht und unter Ausscheidung der subjektiven Seite, die guten Sitten verletzt." Diese Stelle ist um so ernster zu nehmen, als damals noch ein Unterschied zwischen den "guten Sitten" und der "öffentlichen Ordnung" gemacht wurde. Auch die Protokolle I, S. 124, sprechen bezüglich der nun weiter verstandenen "guten Sitten" vom "objektiven Maßstab". Daß sie nun nicht mehr ausdrücklich auf den Inhalt eines Rechtsgeschäfts abstellen, sondern auch "subjektiven Momente(n)" ihren Platz geben wollen, war als Erweiterung der Anwendung gedacht, nicht als Einschränkung (S. 123 f.). Sollte indes diese Erweiterung so verstanden werden sollen (die Stelle in den Protokollen I, S. 123 f., kann eigentlich nicht so aufgefaßt werden), daß auf das objektive Moment verzichtet werden könne, müßte dem entgegengetreten werden; vgl. unten, ce), Fn. 108. 98 Die Frage muß so ohne Rücksicht darauf gestellt werden, daß die Lehre, die Kenntnis verlangt, sich stillschweigend darüber hinwegsetzt, daß § 138 Abs. 1 BGB bloße Allgemeininteressen zu schützen in der Lage ist. Schon diese Lehre selbst müßte von ihrem Standpunkt aus klären, welche Erwägungen dem § 138 Abs. 1 BGB eigentlich zugrundeliegen, wenn es auf Kenntnis ankommen soll; diese Antwort verweigert sie indes. Sie soll sogleich im Text nachgeholt werden; es soll gezeigt werden, daß jene Lehre ein Randphänomen zum Hauptinhalt des § 138 BGB hypostasiert.
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essen bezwecken kann, sondern lediglich des einen spezifischen Allgemeininteresses, das eine willentliche Auflehnung gegen die Rechtsordnung nicht hinzunehmen bereit ist. Mit dieser Konsequenz ließe man aber seinen Ausgangspunkt außer acht, weil man durch das zusätzliche Erfordernis der Kenntnis die Qualität der Allgemeininteressen durch Reduktion auf eine von ihnen ebenso wie Schutzort und -gegenstand des § 138 BGB geändert hätte. Aber dieses eine unter Zugrundelegung der besprochenen Lehre übrigbleibende Allgemeininteresse gibt dieser Meinung den ihr zukommenden Ort: Sie stützt sich auf Erwägungen, die sichtlich pönaler Natur sind 99 , die den dolus malus bestrafen wollen und im Schadensersatzrecht eben um der Schadensersatzfolge etwa bei § 826 BGB willen loo nicht nur akzeptabel, sondern sogar unverzichtbar sind lol , die aber in einem Fall, in dem lediglich die Privatautonomie in ihre Grenzen verwiesenl02 , wo schlicht ein Rechtsgeschäft nicht mehr hingenommen, ihm also - um es in Anlehnung an Mestmäckers Rechtsschutzverweigerungsprinzip l03 zu formulieren - der 99 Vgl. zu § 138 BGB als Strafsanktion gegenüber verwerflicher Gesinnung Rebe, S. 130. Siehe auch zuletzt noch BGH NJW 1979, 365, 9. 11. 1978, VII ZR 54/77, wo doch gerade offenbleibt, wieso es für den Warenlieferanten einen Unterschied machen soll, ob die Bank ihre Globalabtretungsklausel mit oder ohne verwerfliche Gesinnung durchgesetzt hat. Mertens ZHR 143 (1979), 174 (176), schreibt zu Recht, daß "die Erforschung von Gesinnungsmerkmalen und Bewußtseinszuständen nicht das angemessene Instrumentarium bilden" könne, "um eine Haftung, die wirtschaftspolitische Implikationen und Funktionen hat und typischerweise hochorganisierte juristische Personen trifft, in angemessener Weise zu konkretisieren." - Anderes gilt freilich für den Beurteilungszeitpunkt: Die Sittenwidrigkeit bestimmt sich nach dem Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses; richtig BGH, aaO., S.366. Aber diese Erwägung kann sich nur aus folgendem rechtfertigen: Im Gegensatz zu der relativen Klarheit des gesetzlichen Verbots, das - mangels temporaler Kollisionsnorm - jederzeit eingreift, ist der Wandel der guten Sitten nicht mehr in annähernd rechtssicherer Weise faßbar. Auch hier ist also das Bewußtsein des Sittenverstoßes tatsächlich ohne Belang. 100 Vgl. den Hinweis auf die Schadensersatzfolge im Falle des § 826 BGB bei Inga,Schmidt-Syaßen, S. 178. 101 Ihren dogmatischen Sitz haben diese überlegungen, eben weil sie sich gegen den dolus richten, bei seiner Prüfung, also beim Verschulden; bei § 826 BGB hätte das im Text Ausgeführte also längst erkannt sein müssen; dazu, daß es nicht so ist, vgl. neuerdings Mertens ZHR 143 (1979), 174 (179ff. m.N.); seinem eigenen Hinweis auf eine mögliche Tatbestandskonkretisierung je nach Maß der "öffentlichen Funktionen bestimmter Institutionen" (S. 180) stehen daher Bedenken entgegen. - Es ist interessant zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit außer acht gelassen wird, daß nur § 826 BGB ein Verschuldenserfordernis aufstellt, § 138 BGB aber nicht: Rümker ZHR 143 (1979), 195 (203), setzt die angeblich in beiden Fällen bestehenden subjektiven Anforderungen ohne weiteres in ein Stufenverhältnis zueinander, ohne auf den Wortlaut der Vorschriften im mindesten einzugehen. 102 Mailänder, S. 144, schreibt etwas überzogen, aber in der Tendenz zutreffend, "daß die Privatautonomie ihre Anerkennung in der Rechtsordnung nur um ihrer Eignung als Steuerungsmittel in einer freien Wirtschaftsverfassung willen verdient." Das grundgesetzliche Bild vom freien (wenn auch gemeinschaftsgebundenen) Menschen kommt hier zu kurz.
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Rechtsschutz versagt wird, ohne daß indes die Parteien darüber hinausgehende Nachteile treffen, fehl am Platze sind. Es geht auch nicht an, mit Krasser l04 bei fehlender Kenntnis zwar "ein ethisches Unwerturteil" zu fällen, aber andererseits im Interesse der "Handlungsfreiheit" für eine Verbotslosigkeit solcher kenntnislos vorgenommener sittenwidriger Handlungen zu votieren, um "exzessive Sorgfalts- oder Erkundigungspflichten" zu vermeiden. Dieser Argumentation ist - abgesehen davon, daß nicht nachvollziehbar ist, wie man bei gegebenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB an dessen Rechtsfolgen vorbeikommen soll - schon deshalb nicht zu folgen, weil das, was die guten Sitten verlangen, angesichts des schon zu ihrer Konstituierung erforderlichen Generaikonsenses l05 verhältnismäßig leicht festzustellen istlOS, man also "exzessiven Sorgfalts- oder Erkundigungspflichten" schlechterdings nie zu entsprechen brauchtl07. 103 Das nach seiner Auffassung etwa in §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB zum Ausdruck gekommen sein soll; vgl. etwa Kartellverbot, S.556 (563), wenngleich er schreibt, § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB gehe darüber hinaus und begründe das Verbotsprinzip. Eine Funktion bleibt Mestmäckers Rechtsschutzverweigerungsprinzip im Grunde nicht zu erfüllen; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 130, etwa vertritt den Standpunkt, damit könnten nur die Verbotssanktionen der §§ 1, 15 GWB gemeint sein (vgl. im einzelnen S. 129 ff.). Die Auffassung Mestmäckers dürfte ihren Ursprung im angloamerikanischen Recht haben. Wie bei Jansen, S.90 (vgl. auch Fuchs, S.30), nachzulesen ist, gibt es dort einen Grundsatz, demzufolge die Gerichte ihre Hand nicht reichen zur Durchsetzung gesetzwidriger oder dem Gemeinwohl zuwiderlaufender Verträge (wobei es sich fragt, ob er etwas anderes meint als die beiden equity-Grundsätze "He who seeks Equity must do Equity" und "He who comes to Equity must come with clean hands"; vgl. dazu Blumenwitz, S.9; beide Prinzipien gehen sehr viel weiter als das "nemo auditur propriam turpitudinem allegans"). Es stört etwas, daß Jansen schreibt, das ergebe sich aus dem common law; das indes wäre verwunderlich, da nach common law die Erfüllung von Verträgen ohnehin nicht verlangt werden kann (Blumenwitz, S. 10, 36, Text und Fn. 68; Henrich, S. 47 f. Wahrscheinlich verkannt bei Reinhart, S. 120 f.); dies ist vielmehr eine typische equity-Regel, was etwa bei Mailänder, S. 183 (anders aber S. 24 ff., 44, 122, wo von common law gesprochen wird), deutlich zum Ausdruck gebracht wird, wenngleich das entgegen seiner Darstellung heute keine Rechtswegfrage mehr ist (vgl. Henrich, S. 21). - Es mag natürlich sein, daß die genannten Autoren den Begriff "common law" nur als Gegenpol zu "statute law" verstanden wissen wollten, was allerdings einer Klarstellung bedurft hätte. - Anklänge an Rechtsschutzverweigerungserwägungen finden sich auch bei Ballerstedt JZ 1956, 267 (268), und bei Spengler, S.28. Man darf mit einer solchen These aber nicht so unvorsichtig umgehen, wie es etwa L. Raiser, Vertragsfunktion, S. 101 (120), getan hat; entgegen seiner Auffassung hat § 138 BGB nicht den Zweck, "die Gerichte vor der Zumutung zu bewahren, unsinnige oder lächerliche Verträge zu schützen" (vgl. auch S. 133), obzwar eine derartige Erwägung Auslegungshilfe sein kann (vgl. oben, aa) Fn. 69). - Siehe aber zu einer älteren "Rechtsschutzversagungstheorie" nach deutschem bürgerlichen Recht Lehmann I Hübner, S. 162 m. N. 104 Krasser, Vertragliche Rechte, S. 279. 105 So schon oben. lOS Die Motive I, S.211, sind allerdings skeptischer; dort heißt es: "Fehlgriffe sind nicht ausgeschlossen."
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cc) Zwischenergebnis So bleibt nur festzustellen, daß entscheidend im Rahmen des § 138 BGB allein die Nicht-Kongruenz mit den guten Sitten ist, zu denen alleinige allgemeine Interessen durchaus gehören können, daß aber jedenfalls die Kenntnis der Parteien ohne Belang istl08 . Kongruenz zwischen § 138 BGB und § 18 GWB hat sich mithin in dem Punkt ergeben, daß beide Vorschriften sich mit einem Verstoß gegen Allgemeininteressen begnügen. Hinsichtlich des § 138 BGB ist aber mittlerweile festgestellt worden, daß er sich nur gegen schwere Fälle einer Störung von Allgemeininteressen wendetlO~. Demgemäß ist die Frage aufzuwerfen, ob § 18 GWB auch nur ähnlich schwerwiegende Konstellationen betrifft. Was obenllO als Kristallisationspunkt für Kongruenz überhaupt noch abgelehnt wurde, kann hier durchaus als Kriterium für deren Maß von Interesse sein, nämlich das in § 18 Abs. 1 Buchst. a) und b), Abs. 2 GWB verwendete Wort "unbillig". e) Maßstab der Kongruenz; "unbillig" als Kriterium
Ansätze zu einer Definitionl11 dessen, was "unbillig" bedeute, enthält § 18 Abs. 2 GWB, wo - wenn auch dem Wortlaut der Bestimmung nach nur für § 18 Abs. 1 Buchst. b) GWB (auf diesen Umstand wird zurückzukommen sein112) - gesagt wird, "unbillig" meine nicht das, was unwesentlich sei. Sieht man dem Wortlaut der Vorschrift gemäß das Nicht107 Im übrigen hat die Korrektur bei einer etwaigen Schadensersatzpflicht einzusetzen, die - wie schon erwähnt (vgl. oben, bb) - nur bei Kenntnis bejaht werden kann; überdies ist bei § 826 BGB Absicht erforderlich; letzteren Aspekt hat Krasser, Vertragliche Rechte, S.280, auch gesehen, stellt ihn jedoch in einen anderen Zusammenhang. Seine Auffassung dürfte auch im Widerspruch stehen zu dem auf S. 288 aufgestellten Erfordernis der "aus Rechtsgründen notwendigen Erkennbarkeit und Verbindlichkeit des Maßstabs". 108 Für die unter Umständen anzuwendende Abwicklungsnorm § 817 BGB gelten parallele Erwägungen, wie Bachmann NJW 1979, 2082, zu Recht hervorhebt. Rinck, Einwirkungen, S.476 (488), hält es schlicht für unmöglich, von dem Erfordernis der Kenntnis abzusehen; das ist um so erstaunlicher, als er auf S. 484 die Frage zwar aufwirft, sie aber explizit unentschieden läßt. Rebe, S. 105, sagt mit Bezug auf die Entstehungsgeschichte, daß es auf das Verhalten, nicht aber auf die Gesinnung ankomme; das ist richtig: letztere ist von vornherein kein tauglicher Maßstab zu § 138 BGB. Das müßte aber andererseits auch bedeuten, daß die Gesinnung ein "an sich" von § 138 BGB nicht mißbilligtes Rechtsgeschäft nicht sittenwidrig machen kann; diese Konsequenz zieht Rebe indes nicht. 109 Vgl. oben, bb). 110 Oben, b). 111 Nach Auffassung von MüHer I GiessLer I Scholz, § 18 Rdnr. 41, hat sich bislang "keine Formel gefunden, mit der sich der Begriff" "unbillig" definieren lasse. 112 Unten, Text ab Fn. 145.
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Unbillige durch das Unwesentliche als interpretiert113 an, bedeutete es einen Bruch in der Auslegungsstruktur, wenn man den Gegenschluß verwürfe, weil dann offenbliebe, wodurch, was unbillig sei, definiert würde, und der in § 18 Abs. 2 GWB aufzufindende Anhaltspunkt beiseite geschoben würde; das Nicht-Unbillige einerseits und das Unbillige andererseits hingen von verschiedenen Interpretationsfaktoren ab. Deshalb muß gelten: Unbillig im Sinne des § 18 Abs. 2 GWB ist jede wesentliche l14 Wettbewerbsbeschränkung der dort genannten Art115 • Nun ist aber folgendes zu berücksichtigen: § 18 Abs. 2 GWB setzt das Maß vorhandener Wettbewerbsbeschränkung in ein Verhältnis zu verbleibenden Angebots- bzw. Nachfragemöglichkeiten; demnach ist "wesentlich" der Ausdruck für ein Maß, ein Quantitätsbegriff also 1!e; und da er es ist, der definiert, was unbillig sei, macht er auch aus "unbillig" fern jeder ethischen Akzentuierung117 , die auch bloßen Allgemeininteressen zuhanden ist l18 , einen Ausdruck bloßer Quantität119• Der Begriff 113 Freilich nicht mehr: Was "wesentlich" sei, bedarf wiederum der Auslegung. Es ist daher überzogen, wenn Lutz BB 1965, 1336 (1338), schreibt, der Gesetzgeber habe, was unbillig sei, durch Rekurs aufs Wesentliche "klargestellt". Sehr viel kritischer verfährt Gutzler BB 1965, 917 (920). 114 Beide Begriffe sind im BKartA-TB 1961, S.40, zumindest verwoben worden. 115 In diesem Sinne wohl Lutz BB 1965, 1336 (1338); Sandrock, S.477, 485, 490. Nicht eindeutig Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18 Rdnr. 138. Unklar auch Schwartz in seiner nicht ohne weiteres verständlichen Differenzierung bezüglich der verschiedenen Alternativen des § 18 GWB: wohl gleicher Auffassung wie im Text in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.60; zweifelhaft Rdnr. 63 und anders in Rdnr. 64 (konsequenterweise entscheidet er sich in Rdnr.65 gegen die "Zuordnung" anderer Bindungssysteme; dazu unten, Zweiter Abschn., 4 e ce bbb); für die Eingriffsvoraussetzung c) entscheidet er in Rdnr. 67 wiederum anders (auch das von seinem Standpunkt aus zu Recht); erneut anders in Rdnr.78 für die Eingriffsvoraussetzung a). Anderer Ansicht als im Text Ebel, § 18 Rdnr.3; Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 57, wenngleich dort im selben Augenblick gesagt wird, daß unwesentliche Beschränkungen "nur in den seltensten Fällen unbillig sein dürften"; MüHer / Giessler / Scholz, § 18 Rdnr. 51; Schmitt, S. 162 ff., mit stark nominalistischer Argumentation. 116 Konsequent BKartA-TB 1973, S. 75, wo geprüft wird, ob durch das "Ausmaß" der Bindungen der Wettbewerb "wesentlich" beeinträchtigt wird. 117 Richtig Jansen, S.131 (§ 18 GWB ist eine Norm, die nicht Ausdruck sittlicher Wertungen ist); Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 56; Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18 Rdnr.143; MüHer / Giessler / Scholz, § 18 Rdnr.41; Raisch, Mißbrauch, S. 357 (361), zum Begriff des Mißbrauchs in § 22 GWB. Unklar in diesem Zusammenhang Sandrock, S. 490 f., im Hinblick auf seine Auffassung im übrigen (vgl. S. 289,477,485,490). 118 Freilich standen ethische Erwägungen nicht am Anfang; es soll also angesichts der Auslegung des § 138 BGB kann das gar nicht anders sein nicht der These das Wort geredet werden, der Begriff "gute Sitten" sei "auf ethisch begründbare Unwerturteile beschränkt" (Formulierung von K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 109). Allerdings ist der Rekurs aufs Ethische gleichwohl nicht ungefährlich, bedeutet doch nach traditioneller Anschauung die "Ethik in der Zeit" nichts anderes als Moral, ein Begriff, dem schon oben, b), mit der ihm gebührenden Unfreundlichkeit begegnet wurde.
1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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meint also nicht nur "weniger als die guten Sitten"120, wie Rittner schreibt1U ; er bedeutet vielmehr etwas anderes. Rittners Hinweis auf den Wortlaut des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB122 ist zum einen, da diese Vorschrift in einem anderen Gesetz steht, dort zudem eine etwas abseits gelegene Norm ist, die dem Gesetzgeber bei der Beratung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht unbedingt gegenwärtig zu sein brauchte, nicht zwingend123 , zum anderen aber auch in sich selbst nicht überzeugend: Da die bezogene Vorschrift die Bestimmung einer Leistung betrifft, mag auch da sehr wohl ein Quantitätsbegriff gemeint sein, der den Punkt festlegt, von dem an die bestimmte Leistung als schlechterdings nicht mehr obligationsgemäß angesehen werden kannt24 • - Auch Lehmpfuhls Darstellung hinterläßt einen zwiespältigen Eindruck. Er schreibt125 , zwischen Sittenwidrigkeit und Unbilligkeit bestehe ein gradueller Unterschied. Zwar erläutert er das so, "daß jede Sittenwidrigkeit einen Verstoß gegen die Billigkeit in sich schließt, während umgekehrt nicht dasselbe gilt"; doch ergibt sich dieser "graduelle" Unterschied, wie § 138 Abs. 2 BGB zeigt, gerade auf Grund qualitativer Merkmale. Daß bei jedem Sittenverstoß zugleich eine Unbilligkeit vorliegt, folgt daraus, daß - wie sich wiederum aus § 138 Abs. 2 BGB ergibt - die Voraussetzungen (grober) Unbilligkeit vorliegen müssen, bevor zur Prüfung der die Sittenwidrigkeit konstituierenden zusätzlichen Elemente geschritten werden kann1!6· 127. 119 Richtig J. F. Baur, S. 217. Mit dem Frankfurter Kommentar besteht hier jedenfalls insoweit übereinstimmung, als dort, § 18 Tz. 9, hinsichtlich der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs gesagt wird, es komme "hier also gar nicht mehr auf qualitative Merkmale an"; vgl. aber im übrigen Tz. 56 ff. Etwas anders als im Text Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr.140; die dort, Rdnrn. 119 f., zur Eingriffsvoraussetzung a) vertretene These einer Interessenabwägung dürfte jedenfalls mit der hier dargestellten Meinung nicht übereinstimmen. Zweifelnd Schmitt, S. 201 ff., jedoch speziell für § 18 Abs. 1 Buchst. cl, also auch, ohne die unten dargestellte Klammerwirkung des Abs. 2 zur Kenntnis zu nehmen. 120 Schon gar nicht ist Unbilligkeit gegenüber Sittenwidrigkeit der weitere Begriff, wovon aber Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.77, ausgeht. 121 Rittner, S. 8I. 122 Obwohl er hier sagt, das sei "etwas anderes" als unsittlich, meint er auch hier ein Weniger; jedenfalls läßt der Zusammenhang keine andere Deutungsmöglichkeit. 123 Es sei daran erinnert, daß auch "Einheit der Rechtsordnung als Postulat" nur ein heuristisches Prinzip liefert, keinesfalls aber ein Auslegungsergebnis (bindend) präjudiziert; vgl. oben, Teil I, Erster Abschn. 124 Die Kommentierung bei Palandt I Heinrichs zu § 319 BGB zumindest spricht nicht gegen eine solche Interpretation. 125 Lehmpfuhl, S. 53. 128 An dieser Stelle wird das Verhältnis von § 18 GWB zu § 138 BGB praktisch schon entschieden; es bedarf nur noch der Absicherung. 127 Vielleicht ist das, was Lehmpfuhl meint, im Ergebnis gar nicht so weit von dem hier Vertretenen entfernt; nahegelegt wird das auf S.54, wo er
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in der ersten Fassung des § 18 GWB1!8, die in Abs. 2 die Klausel enthielt, unbillig sei auch die Einschränkung, der keine angemessene Gegenleistung1!8 gegenüberstehel30 • Damit hob die Vorschrift sich nicht nur quantitativ von § 138 Abs. 2 BGB ab ("auffälliges Mißverhältnis"), sie stellte insbesondere nicht auf die zusätzlichen Erfordernisse ab, die im Fall dieser Norm erst die Einstufung als sittenwidrig erlauben; zugleich gewann die frühere Fassung des § 18 GWB so eine noch unmittelbarere Verwandtschaft zu § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB, als sie heute zu erkennen ist, von welcher Bestimmung im übrigen schon gesagt wurde, daß sie eher in den Rahmen der hier vertretenen Auslegung hineinpaßt, als daß sie Rittner als Argument dienen könnte l3l • - Nun existiert diese frühere Fassung allerdings nicht mehr; doch kann ihr immer noch entnommen werden, daß "unbillig" seit jeher als Quantitätsbegriff gedacht war132 • 133. 134. Gerade mit Bezug auf das Kriterium der Gegenleistung ist von Interesse, daß jene frühere Variante des § 18 Abs. 2 GWB durch sie Anklänge offenbarte an die insbesondere durch die Zusatzerfordernisse in § 138 Abs. 2 BGB aus dem deutschen bürgerlichen Recht eliminierte135 laesio enormisl38 • Schon diese Rechtsfigur ist BalLerstedts aposagt, "die Frage nach der Billigkeit" decke "sich mit der Frage nach der Gerechtigkeit im Einzelfall". Gerade diese Frage aber stellt § 138 BGB nicht, er befaßt sich nur mit dem Problem, in welchen Fällen eine schon festgestellte Ungerechtigkeit schlechterdings nicht mehr hinnehmbar ist. 128 Die verschiedenen Fassungen des § 18 GWB sind abgedruckt im Frankfurter Kommentar, § 18 vor Tz. 1 bzw. nach Tz. 115. 129 Ein gerade für erst auf Grund Kaufkraftschwunds unbillig werdende Beschränkung interessantes Merkmal; vgl. BKartA-TB 1960, S. 47. 130 Dazu auch Lehmpfuhl, S. 53. 131 Siehe oben, voriger Absatz. 132 Unbilligkeit wird im BKartA-TB 1961, S.40, schon dann angenommen, wenn eine Bezugsverpflichtung "wesentlich" länger dauert als das mit ihr verbundene Darlehen. Vgl. auch BKartA-TB 1976, S.50, wo gesagt wird, die Nachfragesituation habe sich nicht geändert, also sei eine "unbillige" Beschränkung des Marktzutritts nicht zu verzeichnen. Was es allerdings heißen soll, wenn (aaO., S. 70) darauf abgestellt wird, betroffene Unternehmen hätten eine Beschränkung "nicht als unbillig empfunden", ist offen. Im BKartA-TB 1978, S.56, hingegen wird "unbillig" deutlich mit einem Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit gleichgesetzt, wiederum einem Quantitätsbegriff. 133 Gerade in diesem Zusammenhang aber zweifelhaft Steindorff BB-Beilage 3/79, S. 3. 134 Der Bericht der Bundesregierung, S. 56 f., erkennt diese Interpretationsfunktion an, äußert jedoch gerade deswegen Kritik. 135 Weswegen auch gegen ein unter der Bezeichnung "Verbot des inciviliter agere" in der Entwicklung begriffenes allgemeines privatrechtliches übermaßverbot Bedenken bestehen; dazu zuletzt noch Canaris ZHR 143 (1979), 113 (128 ff.), wenn auch keineswegs ohne den Hinweis (S. 129), daß eine schematische Anwendung dieses Prinzips nicht in Betracht komme. Die Tragweite des § 138 Abs.2 BGB wird von Hirsch, S.48, nicht zutreffend eingeschätzt, ebensowenig von OLG Stuttgart NJW 1979, 2409 ff., 24.4. 1979, 6 U 169/78, das sich sogar ausdrücklich auf § 934 ABGB stützt, dies zudem in einer
1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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diktischer Feststellung, wirtschaftliche Unbilligkeit sei kein Kriterium für die Nichtigkeit eines Vertrags1S7, entgegenzuhalten, die im übrigen auch durch § 18 GWB selbst widerlegt wird, der zwar keine ex-IegeNichtigkeit, aber immerhin die Möglichkeit einer Unwirksamkeitserklärung vorsieht im Falle der Unbilligkeit13B • Und erneut: Daß "unbillig" ein Quantitätsbegriff ist, erfährt Unterstützung durch die zur Auslegung des § 24 Abs. 1 GWB vertretene Auffassung. Hier wird die Frage gestellt, ob die Verstärkung einer Marktstellung "wesentlich" sein müsse; verneinend wird geantwortet, daß Spürbarkeit genüge13D• Zur Interpretation des GWB scheint es demnach eine allgemeine überzeugung zu geben, daß "wesentlich" ein Quantitätsbegriff sei; "wesentlich" aber - und hier schließt sich der Kreis definiert "unbillig"140. Die Verbindung zu dem ja auch zu § 1 Abs. 1 Satz 1 GWB vertretenen Spürbarkeitserfordernis wird in der Literatur zur Erläuterung dessen, was unbillig sei, auch im übrigen hergestellt; so benutzt Jansen141 das Wort "fühlbar" und Sandrock schreibt142 : "Denn ,wesentliche' Wettbewerbsbeschränkungen sind nach dem üblichen Sprachgebrauch nur solche formalen Wettbewerbsbeschränkungen, Weise, die gerade vom Standpunkt der Rechtsvergleichung aus nicht befriedigen kann. 138 VgI. dazu etwa aus dem älteren Recht ALR I 11 §§ 58 ff., 250 ff., 343, 486,876, 926 f., I 16 § 439; und heute noch im französischen Recht Art. 1674 ff. ee und passim, insbesondere den interessanten Fall des Art. 1618 ee, sowie Art. 1 der Loi n° 66-1010 du 28 decembre 1966 (relative a l'usure, aux prets d'argent et a certaines operations de demarchage et de publicite). Die laesio enormis ist allerdings kein Grundprinzip des französischen Zivilrechts; vgI. Belke, S. 114, und arg. ex Art. 1313 ee. Im österreichischen Recht hat sie aber nach wie vor ihren Standort: § 934 ABGB. - Die von Rebe, S.58-63, ausführlich kritisierte Entscheidung des OLG Bremen NJW 1963, 1455, ist im übrigen aus dem einfachen Grund abzulehnen, weil sie nur auf der Basis der laesio enormis denkbar wäre, es diese Rechtsfigur im BGB aber nicht gibt. Dieser Umstand ist es auch, der bei krassem Leistungsmißverhältnis dazu zwingt, eine etwaige Sittenwidrigkeit an Hand der von § 138 Abs. 2 BGB vorgesehenen subjektiven Kriterien zu prüfen, denn das bloße Mißverhältnis selbst ist kein geeignetes Objekt für § 138 BGB. 137 BaHerstedt JZ 1956, 267 (270). 138 Es sei noch der Hinweis erlaubt, daß BaHerstedts dictum auch von der Methode her nicht überzeugt: Der Ansatz für ein Urteil, welche Folgen Unbilligkeit nach sich zieht, ist stets im Gesetz selbst zu suchen. Wo es Unbilligkeit nicht als Tatbestandsmerkmal aufweist, kann sich Nichtigkeit nicht als ihre Konsequenz ergeben. Aber der Grund dafür liegt im Gesetz unmittelbar und nicht in einem wie immer gearteten Wesen der "Unbilligkeit". 138 VgI. etwa Emmerich AG 1979, 40 (43); KG WuW/E OLG 1745 (1753 f.), 1. 12. 1976, Kart. 51/76, "Sachs"; bestätigt durch KG WuW/E OLG 1989 (1991), 15.3.1978, Kart.1/77, "Zementmahlanlage"; ebenso BKartA WuW/E BKartA 1753 (1758), 24.5.1978, B 6-251119-U-108/77, "bituminöses Mischgut". 140 Siehe oben, Text ab Fn. 111. 141 Jansen, S.112, ausdrücklich mit Bezug auf § 18 GWB. HZ Sand rock, S. 289, ähnlich S. 468.
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
welche die Ausweichmöglichkeiten der Marktpartner auf andere Angebote effektiv beeinträchtigen, und zu den unwesentlichen Wettbewerbsbeschränkungen zählen diejenigen materiellen Wettbewerbsbeschränkungen, die nicht mehr als eine lediglich abstrakte Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen und Rechtsgüter herbeiführen143 . 144." Nun ist allerdings, wie schon angekündigt145, auf den etwas befremdenden Umstand einzugehen, daß der in § 18 Abs. 2 GWB enthaltene Definitionsansatz eigentlich nur auf § 18 Abs. 1 Buchst. b) GWB abstellt. Das kann aber nicht dazu führen, daß der Begriffsinhalt bei den Eingriffstatbeständen § 18 Abs. 1 Buchst. a) und b) GWB verschieden wäre. Wie schon bei der Begründung des Gegenschlusses aus § 18 Abs. 2 GWB zu bedenken gegeben wurde 148 , ist innerhalb ein und derselben Bestimmung auf eine einheitliche Auslegungsstruktur Wert zu legen, soweit das möglich ist; wegen der Gleichheit der Begriffe tritt hier als zusätzliche Auslegungsrichtlinie die eingangs147 dargestellte Vermutung auf den Plan, daß gleiche Begriffe auch einen gleichen Inhalt haben. Hier führt nun die Frage, ob denn - also anders als in § 18 Abs. 1 Buchst. b) GWB - in der Eingriffsnorm des Buchst. a) auch "Unwesentliches" dem Verdikt der "Unbilligkeit" anheimfällt, das Paradoxe einer unterschiedlichen Auslegung von "unbillig" bei den Tatbeständen a) und b) deutlich genug vor Augen. Obendrein könnte der Verdacht, der Gesetzgeber habe für Buchst. b) durch Abs. 2 die Eingriffsschwelle höher ansetzen wollen als für Buchst. a), wegen fehlender rechtssicherer Nachvollziehbarkeit dieser (unterstellt) sehr feinen Nuancierung keine praktischen Folgen nach sich ziehen. Deshalb ist davon auszugehen, daß "unbillig" bei Buchst. a) und b) das gleiche meint, nämlich eine wesentliche Wettbewerbsbeschränkung. Da nun in § 18 Abs. 1 Buchst. c) GWB anstelle von "unbillig" der Begriff "wesentlich" benutzt wird, "wesentlich" aber im Einklang mit den bisher verfolgten Prinzipien mangels ein gegenteiliges Resultat rechtfertigender Indizien das gleiche bedeuten muß wie in Abs. 2, das Wort aber den Begriff "unbillig" definiert, bedeutet "wesentlich" in Buchst. c) das gleiche wie "unbillig" in Buchst. a) und b). Durch Abs. 2 wird also ein Definitionsgleichlauf der Eingriffsmerkmale "unbillig" bzw. 143 Sandrocks Terminologie beruht Fikentscher; vgl. dort insbesondere
zum Teil auf der Schrift von Borchardt / S.29 zur Definition von formaler und materieller Wettbewerbs beschränkung. U4 Siehe im übrigen Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 70; Jansen, S. 108; Langen / Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr. 138, zur Eingriffsvoraussetzung b); und mit Bezug auf letztere FundsteIle BKartA WuW/E BKartA 1781 (1792),21. 3.1979, B 7-333000-RTV-84/76, "Identteile". 145 Oben, Text bei Fn. 112. 1-16 Oben, Text ab Fn. 113. 147 Oben, Teil I, Erster Abschn.
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"wesentlich" in § 18 Abs. 1 Buchst. a), b) und c) GWB erreicht; Abs. 2 kommt mithin eine Klammerwirkung zu, die einen einheitlichen Quantitätsbegriff zum Ausdruck bringt148• Nur bei einer solchen Interpretation im Sinne eines Quantitätsbegriffs ist im übrigen gewährleistet, daß man bei ein und derselben rechtsgeschäftlichen Gestaltung zu differenzieren vermag danach, ob der Bindungsverwender ein großes oder ein kleines Unternehmen ist149 ; denn in qualitativer Hinsicht mögen sie durchaus gleich zu gewichten sein; quantitativ ist das nie möglichiso. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift stimmt mit dieser These überein: Im Wirtschaftsausschuß war man sich einiglSI, daß Bindungen mittelständischer Unternehmen152 weitgehend von Eingriffen der Kartellbehörden verschont bleiben sollten153• So zeigt auch dieses Beispiel, daß 148 Emmerich, S. 112, meint hier möglicherweise dasselbe. Auf einem übersehen der Klammerwirkung beruht der unterschiedliche Begriffsinhalt, der "unbillig" bei Langen / Niederleithinger / Schmidt, § 18 Rdnrn. 119 f., 137 f. (vgl. jedoch auch Rdnrn. 144, 146), gegeben wird; gleiches Verfahren bei Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnrn.60, 63 ff., 67, 78. Die Klammerwirkung wird auch bei Wes trick / Loewenheim, § 18 Anm. 33 ff., nicht zur Kenntnis genommen, was hier besonders deshalb auffällt, weil in Anm. 39 rein quantitativ argumentiert wird. Die genannten Stellen gehen über das Prinzip hinweg, das zum Ausgangspunkt der überlegungen in dieser Arbeit gemacht wurde, nämlich daß bei gleichen Begriffen wenigstens versucht werden sollte, eine einheitliche Auslegung zu erreichen; vgl. oben, Teil I, Erster Abschn. - Den ausdrücklichen Bezug des § 18 Abs. 2 GWB auf § 18 Abs. 1 Buchst. b) GWB überschätzt demgemäß Rebe, S. 186 f. 149 Vgl. Jansen, S. 108, der aber selbst zweifelhaft argumentiert: Auf S. 112 setzt er "wesentlich" mit "qualitativ" gleich, umschreibt ersteren Begriff aber mit Quantitätsmerkmalen. Vielleicht handelt es sich also nur um einen Irrtum im Ausdruck. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Erwägung, daß eine Wettbewerbsbeschränkung als qualitative überhaupt nur dann faßbar ist, wenn man sie auf den Grad ihrer Verwerflichkeit hin untersucht; gerade diesen Maßstab untersagt § 18 Abs.2 GWB aber mit seiner Gleichsetzung von "unbillig" und "wesentlich". 150 Hier besteht demnach eine Verbindungslinie zwischen § 18 GWB und § 22 GWB. Bekannt ist ja die These des Bundeskartellamts, bei § 22 GWB könne schon in Fallgestaltungen eingegriffen werden, die bei marktschwächeren Konkurrenten durchaus noch hingenommen werden müßten (vgl. BKartA-TB 1977, S. 39 f., sowie den Hinweis von Bechtold WuW 1978, 740 (743); indes fehlt dort im Gegensatz zu § 18 GWB die für eine Differenzierung dieser Art erforderliche gesetzliche Grundlage; da § 22 GWB im übrigen von vornherein an die Marktbeherrschung anknüpft, andere Unternehmen also a limine aus der Betrachtung herausfallen, mangelt es auch an einer Vergleichsmöglichkeit. Bei § 26 GWB besteht nur die Unterscheidung zwischen marktbeherrschenden und marktstarken Unternehmen; soweit die Norm an beide Unternehmensklassen gleiche Verhaltensanforderungen stellt, hat sich auch das Bundeskartellamt an die vorgegebene Legal-Entscheidung zu halten. 151 Vgl. den Abdruck des hier interessierenden Teils des Ausschußberichts bei Müller-Henneberg I Schwartz, Novelle, S.138. 152 Ihr Schutz wiederum wurde durch Streichung des Kumulationserfordernisses hinsichtlich der Eingriffsvoraussetzungen verstärkt; richtig BKartA-TB 1965, S. 11. 153 Siehe hierzu auch Ebel, § 18 Rdnr.3; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 64.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
dem GWB durchaus ein Plan zugrunde liegt, der entgegen oft vertretener Meinung im Wortlaut des Gesetzes sehr wohl seinen Niederschlag gefunden hat. So hat im Grunde der bloße Wortlaut des § 18 GWB im Vergleich mit der Vorerörterung zum Inhalt des § 138 BGB genügt, die Divergenz von "guten Sitten" und "unbillig" zu erweisen. Indes wird dieses Ergebnis vom gesamten Zusammenhang des GWB gestützt. Es geht diesem Gesetz darum, sine ira et studio ein für wünschenswert gehaltenes Maß an Wettbewerb zu gewährleisten; dieses Maß wird definiert durch das, was auf Grund von Leistung, nicht aber Vermachtung, erreicht werden kann, wodurch wiederum der Leistungswettbewerb, soweit er für das GWB von Interesse ist, zu einem quantitativen Begriff wird (dessen qualitative Seite das UWG absteckt, ohne daß das hier zum Gegenstand näherer Ausführungen gemacht werden soll). Als Mittel zum Zweck wird die "Vertrags"freiheit begrenzt "auf den Bereich, in dem sie von ihren Implikationen her ihren Aufgaben gerecht werden kann", wie R. Liebs es ausgedrückt hatl54 • Es ist nicht daran gedacht worden155, ein Bollwerk gegen etwas Verwerfliches zu errichten15B • Wichtigstes Indiz dafür ist der Umstand, daß das Gesetz als pönale Sanktion nicht Kriminalstrafe vorgesehen hat, sondern lediglich die Möglichkeit, Geldbußen zu verhängen. Sicher mag bestritten werden, daß Sanktionen dieser Art angesichts der Zusammensetzung des in Betracht kommenden Täterkreises überhaupt greifen, und die Frage auftreten, ob nicht drohender Freiheitsentzug viel eher in der Lage wäre, diese Unternehmer von einem kartellrechtswidrigen Vorgehen abzuhalten157• Dies aber ändert nichts an der Entscheidung des Gesetzgebers, an seiner Wertung mitR. Liebs, S. 146. Vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 297. 158 Vgl. erneut die zurückhaltende Formulierung von R. Liebs, S.146. 157 Vgl. zu dieser rechtspolitischen Diskussion die Nachweise bei Raisch I van Venrooy I Welke-Chlosta, S. 69 f.; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 296 ff. Allerdings ist mit K. Schmidt ZRP 1979, 38 (39 Fn. 13), das Festhalten am Ordnungswidrigkeitenrecht als rechtspolitisch richtig einzustufen. Schließlich hat ja, wie im Text dargelegt wurde, die Entscheidung für die gegenwärtige Wirtschaftsordnung keinerlei ethischen Bezug. Fraglich ist aber doch, ob mit dieser Vorentscheidung auch schon Stellung genommen worden ist gegen die Möglichkeit, gesetzlich auch Freiheitsentzug vorzusehen. Hierauf ist zunächst einmal eine Antwort zu finden; soweit die Diskussion darum geht, ob das Kartellrecht "kriminalisiert" werden solle (so Marx, S. 56), tut sie den zweiten Schritt vor dem ersten. Am Umstand, daß die Antwort auf die aufgeworfene Frage noch aussteht, zeigt sich die Bedenklichkeit der These, bei (Kartell-)Ordnungswidrigkeiten könne man mit einer geringeren gesetzlichen Tatbestandsbestimmtheit auskommen, als sie das Strafrecht verlange, denn dort stehe ja nur "die schwächere Sanktionsform der Geldbuße" (so Tiedemann NJW 1979, 1849 (1853), der die ebenda mitgeteilte Rechtsprechung zu billigen scheint) in Rede. Die Unangreifbarkeit dieser Konklusion ist keinesweg evident. 154
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Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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hin, Verstöße gegen das GWB nicht als kriminelles Unrecht, nicht als verwerfliches, sittenwidriges Verhalten einzustufen. - So ist letztlich das § 18 GWB zugrundeliegende Allgemeininteresse 158 nichts anderes als die Absicherung eines bestimmten Quantums, eines dekretierten, sich mithin selbst definierenden Maßes an Wettbewerb der in den übrigen Tatbestandsmerkmalen der Vorschrift dargestellten Art. Wie als Ergebnis schon zuvorm angedeutet wurde, ist also gezeigt worden, daß "unbillig" durchaus nicht etwas ähnlich Schwerwiegendes meint wie die "guten Sitten"UO; es meint im Grunde nur, daß eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung vorliegen muß, die das Gesetz eben wegen ihrer Spürbarkeit als wesentlich ansieht. Somit ist "unbillig" Ausdruck des Zwiespalts, der in § 18 GWB selbst angelegt ist: Einerseits nimmt er Exklusiv-Bindungen in der dort umschriebenen Art hin (mehr soll zu der in der Vorschrift niedergelegten Entscheidung des Gesetzgebers hier noch nicht gesagt werden); andererseits soll gewährleistet bleiben, daß die Marktpartner nicht mehr in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, als diese Art von Exklusiv-Bindungen nach ihrer Sachnatur, ihrem Phänotyp, zwangsläufig mit sich bringt. Hält sich ein Bindungsverwender nicht an die ihm so gezogenen Grenzen, soll die Kartellbehörde die Möglichkeit der Intervention haben; in diesem Augenblick entzieht also der keineswegs wirtschaftspolitisch neutrale, vielmehr wirtschaftsüberwachende Staat einem Exklusiv-Bindungssystem den Bestandsschutz. Diese Eingriffsschwelle - und erst in dieser Konsequenz, nicht aber in ihren Voraussetzungen, zeigt sich ein bloß gradueller Unterschied zwischen § 18 GWB und § 138 BGB - ist also sehr niedrig, viel niedriger jedenfalls - und im Grunde kommt es im Rahmen dieser Darlegungen nur auf die Relation an - als die des § 138 BGB16l • Damit aber ist festgestellt, daß der Anwendungsbereich, innerhalb dessen § 18 GWB einzugreifen vermag, über den des § 138 Vgl. oben, b). Oben, Fn. 126. 180 Hierzu wohl anderer Ansicht K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 110 f., der hier beginnt, sein eigenes Durchgriffskonzept zu entwickeln (vgl. dazu insbesondere S. 44: "Konsolidierte FallgruppenU). 181 Allein hierauf liegt die Betonung. Dieses Ergebnis kann also entgegen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 109, sehr gut vertreten werden, ohne daß man sich hinsichtlich der "guten Sitten" dahin festlegt, hier gehe es nur um "ethisch begründbare Unwerturteile". - Rittner, S. 116 f. (ähnlich S. 118 f., 125, 130, 147, 152, 171, 174, 183), hatte sich gegen eine Eingriffsermächtigung gewandt, die über § 138 BGB hinausgehen würde, mit welcher Vorschrift er auszukommen können glaubte. Allerdings machte er den Vorschlag, "gewisse Grundsätze ... , die die Rechtsprechung aus § 138 BGB entwickelt hat", in besonderen Bestimmungen zu positivieren. Dies erinnert entfernt an den Vorschlag K. Schmidts, "konsolidierte Fallgruppen" von ExklusivBindungen dem § 138 BGB zuzuweisen - eine Konstruktion, die unten, Vierter Abschn., 4), abgelehnt werden wird. 158 159
7 Venrooy
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
BGB weit hinausgeht182 ; von den oben183 vorgestellten möglichen Kongruenzvarianten hat sich die letzte als richtig erwiesen: § 18 GWB geht über § 138 BGB hinaus l64 ; Kongruenz besteht im übrigen. Zwischen den beiden Normen gibt es also zwei Beziehungsjelder, das des Kongruenzbereichs und das des alleinigen Anwendungsbereichs des § 18 GWB. Die bisherige Betrachtung hat nur die Notwendigkeit ihrer getrennten Erörterung vor Augen geführt; wie sich jeweils innerhalb eines jeden Beziehungsfeldes die §§ 18 GWB, 138 BGB zueinander verhalten, bedarf noch der Klärung, wobei sich der zweite Abschnitt über den Kongruenzbereich verhalten und der dritte Abschnitt den alleinigen Anwendungsbereich des § 18 GWB zum Gegenstand haben wird. f) Allgemeininteresse und einzelnes Rechtsgeschäft
Bevor aber dieser Abschnitt abgeschlossen werden kann, ist noch ein wichtiger Schritt zu tun. Daß überhaupt Kongruenz besteht, ist dargelegt worden auf der Grundlage, daß beide Vorschriften Allgemeininteressen zu schützen vermögenU5 • Dabei ist nun aber nicht stehenzubleiben, weil anderenfalls alles folgende nur auf den Fall zugeschnitten wäre, in dem § 138 BGB herangezogen würde, alleinige Allgemeininteressen zu verteidigen. Die Herausstellung dieses tertium comparationis soll also nicht dazu führen, daß das vorgestellte Modell nur für diesen wahrscheinlich nicht allzuoft aktuellen l66 Fall gilt. Das allgemeine Interesse an einer Gewährleistung der Vertragsfreiheit (so ist jetzt von vornherein zu akzentuieren) in Beschränkungsfällen, die ob ihres Gewichts nicht mehr hingenommen werden können, daran also, daß sie den mit den allgemeinen (sonstigen) Interessen verträglichen Rahmen nicht 162 Rinck, Einwirkungen, S.476 (481). K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.231, sagt mit Recht, daß vollständige Kongruenz zwischen §§ 17, 18 GWB einerseits und §§ 138, 242, 826 BGB andererseits nicht bestehe. Diese Formulierung ist allerdings noch zu zurückhaltend. - Nach Rebe, S. 179, hat § 138 BGB einen weiteren Anwendungsbereich, weil die Tatbestände des GWB präziser gefaßt seien. Diese Begründung ist nicht recht nachvollziehbar; immerhin können präzise gefaßte Tatbestandsmerkmale sehr exakt einen viel weiteren Anwendungsbereich umschreiben, als es eine denkbar unpräzise Generalklausel tut. - Ähnlich wie im Text Lehmpjuhl, S.40, für das Verhältnis des § 9 KartVO zu § 826 BGB, mit dem Hinweis, daß von Einzelunternehmen ausgehende Exklusiv-Bindungen nicht erfaßt wurden. 163 Oben, a). 164 Mit speziellem Bezug auf Kartellverträge sagt daher Biedenkopj, S. 165, zu Recht, daß die kartellrechtlichen Kontrollen wesentlich über die durch §§ 138, 242, 826 BGB bewirkten hinausgehen; ähnlich auf S. 226 bezüglich des § 18 GWB. 165 Das ist oben, d ce), bereits als Zwischenergebnis formuliert worden. 188 Das liegt freilich zum guten Teil auch daran, daß in der Praxis der Schutzbereich des § 138 BGB eingeengt wurde entgegen seiner eigenen Entelechie. Darauf ist oben, d bb), eingegangen worden.
1. Abschn.: Das Verhältnis des § 18 GWB zu § 138 BGB
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verläßt, ist vielmehr nur der entscheidende Aspekt - eben nicht mehr als das gesuchte tertium comparationis -, von dem sich der Individualschutz auch dann ableitet, wenn andere spezifisch faßbare allgemeine Interessen im Einzelfall nicht angewendet werden können167 • Bis zu diesem Punkt ist Rebe nicht vorgedrungen, obwohl er den hier interessierenden Grundsatz niederzulegen vermochte te8 ; er schreibt169 : "Die auf den ersten Blick paradoxe Tatsache, daß die ,guten Sitten' als Bestandteile einer den einzelnen umfassenden Sittenordnung in den Dienst der Freiheit einzelner gestellt werden sollen, erklärt sich durch die unterschiedliche Sicht, die jeweils zugrunde liegt: Die Freiheit des Handelnden wird durch die ,guten Sitten' in die Bahnen der Rücksicht auf andere gelenkt, deren Interessen und Rechte seinem Handlungsfreiraum Schranken setzen. Vom Standpunkt dieser Dritten schafft das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte damit einen Freiheitsschutz170."
187 Nur insoweit paßt die oben, d aa) Fn. 71, wiedergegebene und im dortigen Zusammenhang abgelehnte Darstellung Inga Schmidt-Syaßens, S. 46 f., der Schutz der Einzelnen könne auch Sache der Allgemeinheit sein. 168 Daß Rebe das entscheidende Stadium fast erreicht hatte, zeigt sich auf S. 133 ff.; den Weg zu der hier vertretenen Auffassung versperrt er sich auf S. 195 durch rein begriffliche Argumentation. Es erklärt sich aus Rebes phänomenologischem Ansatz, daß er das im Text sogleich wiederzugebende Resultat darzustellen vermochte, bevor er § 138 BGB in seinen Einzelheiten erörterte; dort kann er es dann nicht mehr aufnehmen. 169 Rebe, S.97. 170 Vielleicht paßt auch hierher das in einem anderen Zusammenhang verwendete Wort Schmiedels, S.137, vom "Institutionenschutz über Individualschutz", wenngleich die umgekehrte Reihenfolge der Darstellung des Textes besser entspräche. Auch K. Schmidt, Aufgaben, S. 13, akzentuiert - und zwar hinsichtlich des GWB selbst - wie Schmiedel: "Ist es" (sc. das GWB-Deliktsrecht) "nicht wirksam genug oder wird es von der rechts anwendenden Praxis nicht hinreichend ausgeschöpft, so steht nicht nur die Sache einzelner Betroffener auf dem Spiel, sondern zugleich die Sache des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen insgesamt."
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Zweiter Abschnitt
Der Kongruenzbereich von § 18 GWB und § 138 BGB 1. Kongruenz und Konkurrenz
Die exklusive Regelung, als die § 18 GWB sich zugunsten der Kartellbehörden darstellt, war kein Hindernis für die Ermittlung von Kongruenz zwischen § 18 GWB und § 138 BGB1 • Die Feststellung, daß es einen Kongruenzbereich als Beziehungsfeld gibt, auf dem beide Vorschriften anzusiedeln sind, Fälle also, in denen jede von ihnen einzugreifen vermag von ihren Tatbestandsmerkmalen bzw. Eingriffsvoraussetzungen her, bietet nun wiederum keine Basis für die Konsequenz, daß beide Normen in diesem Bereich wirklich unbeeinflußt voneinander ihren Regelungen Durchsetzung verschaffen können. Immerhin haben sie beide den Charakter von Unwirksamkeitssanktionen, mag auch die eine, nämlich § 138 BGB, ipso iure wirken und die andere, also § 18 GWB, eine Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens vorsehen, um wieder der Terminologie K. Schmidts zu folgen. Dieses Nebeneinander von Unwirksamkeitssanktionen, die - hier wird im Kongruenzbereich argumentiert - ein und dieselben Rechtsgeschäfte erfassen, deutet auf eine Redundanz hin; eine solche versteht sich aber nicht von selbst; vielmehr ist immer Vorsicht am Platze, wo man einer solchen auf der Spur zu sein glaubt: Potentielle Redundanz ist heuristisches Prinzip für ihre Auflösung2, für ihre Abstimmung unter dem Aspekt der Rechtseinheit3 , womit wieder der Bezug auf die einleitend dargestellten4 Auslegungsgrundsätze hergestellt ist. So ist es zwar zunächst nur These, aber nach dem soeben Gesagten eine immerhin naheliegende, daß eine Konstruktion auffindbar sein muß, die bei voller Konservierung des kongruenten Anwendungsbereichs eine Abhängigkeit der beiden Normen voneinander schafft, die sich unmittelbar als Folge solcher Inkonvenienzen darstellte, die einträten, wenn man jede Vorschrift ohne Blick für die Belange der anderen durchgreifen ließe. Vorausgesetzt wird also zweierlei: Diskordanz bei der unabhängigen Durchführung beider BelOben, Erster Abschn., Einleitung und die weitere Erörterung. 2 In JuS 1979, 102 (103 Fn. 1) wurde für die Schutzrichtung von Eigentum und Besitz ebenso argumentiert. 3 Zutreffend K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 597. 4 Oben, Teil I, Erster Abschn.
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stimmungen und die Möglichkeit, zu praktischer Konkordanz zu gelangen. Vage Vorstellungen über die Notwendigkeit einer solchen Harmonisierung trifft man in der Literatur an; so ist beispielsweise ein bei Jansen 5 stehender Passus von hohem Interesse: "Darüber hinaus wirkt das GWB privatrechtsgestaltend: Bestehende Schuldverhältnisse werden für nichtig erklärt, Schadensersatzansprüche wegen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens neu begründet. Das kann nicht ohne Einfluß sein auf die nach bisherigem Recht, insbesondere nach den §§ 138, 823, 826 BGB und § 1 UWG, gegebene Rechtslage im Verhältnis Anbieter-Nachfrager-Wettbewerber." Allerdings verspricht gerade der letztere Satz vieles, was in der bei J ansen folgenden Erörterung auch nicht annähernd gehalten wird. In der Tendenz tragfähiger wird sich ein dictum von K. Schmidt 8 erweisen: "Privatrechtlicher und öffentlichrechtlicher Drittschutz nach dem GWB stehen nicht beziehungslos nebeneinander7• " Hier ist zunächst fortzufahren: Ein sehr gesundes Mißtrauen gegenüber potentieller Redundanz, der Glaube also daran, der Gesetzgeber könne keine ob ihrer Objektidentität nutzlosen Doppelregelungen geschaffen haben, dürfte wesentlich zu der Ausformung dogmatischer Darstellungsmodelle für die Konkurrenz solcher Vorschriften beigetragen haben, deren Anwendungsbereich sich (scheinbar) deckt, die jedoch in den Rechtsfolgen voneinander abweichen, oder die bei gleicher Rechtsfolge einen unterschiedlichen Anwendungsbereich aufweisen8 • Wie aber diese Sachverhaltsbeschreibung im Grunde schon hinreichend darlegt, sind die traditionellen Konkurrenzvarianten9 jedoch - wie auch immer sich das in Einzelheiten niederschlagen mag - darauf angewiesen, den Vorrang einer Norm vor der anderen im Wege der Interpretation herauszukristallisieren. Dieser Vorrang aber - ist er erst einmal gefunden - kann ohne Rücksicht darauf, auf welche Topoi die Begründung sich in jedem einzelnen Fall stützt, letztlich nur darauf beruhen, daß sich beim Vergleich der Tatbestände oder der Rechtsfolgen irgendein Mangel an Kongruenz herausgestellt hat10 ; Konkurrenz und Kongruenz schließen einander aus. So wird sich im Einzelfall erweisen, daß von mehreren auf den ersten Blick in Betracht kommenden Bestimmungen doch nur eine zur Anwendung gelangt, weil nur sie, sei es vom Tat5 8
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Jansen, S. 121. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.597. Was allerdings K. Schmidt auf der Grundlage dieser Zielrichtung ent-
wickelt, wird hier nur im Rahmen der Durchgriffskonzepte interessieren und dort (unten, Vierter Abschn., 4}) abgelehnt werden. 8 Zum Verhältnis von § 26 GWB zu § 826 BGB ist hier die schon verschiedentlich zitierte Arbeit von Inga Schmidt-Syaßen besonders zu nennen. D Siehe hierzu vor allem Inga Schmidt-Syaßen, S. 187 ff. 10 Nicht erkannt von Rebe, S. 178.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
bestand her, sei es von der Rechtsfolge her akzentuiert1t, paßt. Gewiß kann es auch so sein, daß bei doppeltem Kongruenzmangel, also einem solchen auf der Tatbestands- und auf der Rechtsfolgenseite, angezeigt ist, daß alle sich anbietenden Normen zu ihrem Recht gelangen, weil nur so alle Aspekte eines Sachverhalts juristischer Beurteilung zugänglich gemacht werden können. Am Ergebnis ändert auch diese Variante nichts: Alle Konkurrenzlösungen - führen sie nun dazu, daß Vorschriften ausgeschaltet werden, oder zu einer Begründung, warum alle in einem bestimmten Fall Geltung beanspruchenden Normen zum Zuge kommen - haben Kongruenzmangel zur logischen Voraussetzung.
2. Die angebliche Unabhängigkeit des § 18 GWB von § 138 BGB Demnach aber taugt die überkommene Konkurrenzlehre nicht, gerade in dem Bereich, in dem hier argumentiert, wo also Kongruenz zwischen § 18 GWB und § 138 BGB angenommen wird, eine mögliche Beeinflussung beider Vorschriften im Verhältnis zueinander darzustellen. Interessant dürfte sein, daß hier - anders als bei der Prüfung, ob Kongruenz überhaupt vorliegen kann - nicht einmal der Punkt aus der Betrachtung ausgeschieden zu werden braucht, daß das Eingreifen des § 18 GWB von einer Verfügung der Kartellbehörde abhängt12, ein Umstand also, der nicht nur bei § 138 BGB unbekannt ist, sondern in der Form der Beteiligung von Behörden an privatrechtlicher Gestaltung auch im Ehe- und Kindschaftsrecht nie heimisch werden konnte l3 • Denn da die Konkurrenzlehre sich der Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite zuwendet, vermag sie ein Drittes, nämlich die Technik, daß die auf Grund vorgegebenen Tatbestands konkretisierte Rechtsfolge erst durch behördliche Entscheidung in Kraft treten kann, nicht zu fassen. Das Verhältnis einer solchen, eine Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens vorsehende Norm zu einer parallellaufenden ipso-iure-Sanktion muß auf Grund sehr viel allgemeinerer Erwägungen ermittelt werden1\ als sie die Konkurrenzlehre zur Verfügung stellt. Jene Klärung hat freilich ergebenl5 , daß hinter der Kreation des § 18 GWB keineswegs der Gedanke einer Eingrenzung des § 138 BGB stand, daß eine solche Zielrich11 Nur zur KlarsteIlung: Selbstverständlich führt kein Weg daran vorbei, daß immer ein geeigneter Tatbestand vorliegen muß; das braucht aber nicht zu hindern, daß vom Ergebnis her im Einzelfall argumentiert wird; vgl. schon oben, Teil I, Erster Abschn., und auch den ebendort zitierten Aufsatz von Ecker JZ 1967, 265, der den Titel trägt "Gesetzesauslegung vom Ergebnis her". 12 Vgl. demgegenüber oben, Erster Abschn., 2). 13 Die Vielzahl abweichender Regelungen in fremden Rechten war wohl immer nur allzu bewußt. 14 So geschah es oben, Erster Abschn., 2). 15 Erneut: oben, Erster Abschn., 2).
2. Abschn.: Der Kongruenzbereich von § 18 GWB und § 138 BGB
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tung auch dem Wortlaut der beiden Bestimmungen nicht entnommen werden kann, daß vielmehr nur der Kartellbehörde die Möglichkeit gegeben werden sollte, das Wirtschaftskonzept, das dem GWB zugrundeliegt, durchzusetzen, jedenfalls bei solchen Sachverhalten, bei denen die prinzipielle Hinnahme traditioneller Vertriebssysteme der Durchsetzung eben jenes Konzepts weichen muß. Gewollt war also eine vom Privatrecht unabhängige Interventionsmöglichkeit. So erweist sich § 18 GWB als von seiner Intention her dem Privatrecht aufgepfropfes, legitimiert durch die vom Staat zu konfrontierende Notwendigkeit, selbst korrigierend einzugreifen, wo privatrechtliche Ausgleichsmechanismen nicht mehr funktionieren. Beabsichtigt war mithin die Möglichkeit, Abstriche vom laisser faire dort vornehmen zu können, wo auf Freiheit gegründete Positionen übermächtig zu werden drohten, ohne allerdings Freiheit selbst in Frage zu stellen. Diese Zielrichtung ist auch in ihrem Wert anzuerkennen, wenngleich nicht - und hier setzt das erste Bedenken gegen die angebliche Unabhängigkeit des § 18 GWB vom Privatrecht ein - ihr Akzent; dieser wird nämlich bestimmt vom wirtschaftlichen Aufschwung, der aber seinerseits auf der Grundlage nun gelöster Aufbauaufgaben zustandekam und mittlerweile be endet ist. Laisser faire bedeutet doch seinerseits nur, daß die Freiheit einer Vielzahl von anderen beschränkt wird17• Wird demnach die Freiheit der Macht beschränkt durch Gesetze, handelt es sich um freiheitssichernde 18 Vorschriften, nicht um freiheitsbeschränkende l9 • Gewisse Ahnungen von 18 Unabhängig von den folgenden überlegungen des Textes könnte ein solches Verhältnis aber auch ein dogmatisches Problem aufwerfen: Hat eine Vorschrift oder gar ein Vorschriftenkomplex eine Hilfsfunktion gegenüber anderen Normen(komplexen), dann müßten die in ihnen niedergelegten Gerechtigkeitsvorstellungen auch für die Auslegung der Hilfsbestimmungen von Belang sein. Damit wäre aber ein Widerspruch aufgedeckt. Denn die gewollte Unabhängigkeit weist einerseits auf eigene Gerechtigkeitsvorstellungen der Hilfsnorm hin; andererseits steht ihr Hilfsnormcharakter ihrer Unabhängigkeit im Wege. Im Text wird durch ein anderes Argumentationsmuster der Unabhängigkeit des § 18 GWB vom Privatrecht widersprochen werden getreu dem Satz von Adorno, Spätkapitalismus, S.354 (367): "Der wirtschaftliche Interventionismus ist nicht, wie die ältere liberale Schule meint, systemfremd aufgepfropft, sondern systemimmanent, Inbegriff von Selbstverteidigung; nichts könnte den Begriff von Dialektik schlagender erläutern." 17 Emmerich I Gansweid JuS 1976, 432 (436), sagen zu Recht: "Denn nicht wirtschaftliche Macht, sondern nur ein wirksamer Wettbewerb bringen auf die Dauer der Allgemeinheit den größten Nutzen." 18 So meint es wohl auch Mailänder, S. 8, wenn er von Ermöglichung und Gewährleistung des Wettbewerbs als Ordnungsform des wirtschaftlichen Lebens sowie von Förderung einer freiheitlichen Ordnung auf wirtschaftlichem Gebiet spricht. 19 Der Akzent liegt dann an anderer Stelle, wenn etwa das "Anstandsgefühl des verständigen und anständigen durchschnittlichen Gewerbetreibenden unabhängig von wirtschaftspolitischem Zweck und Wirkungen einen Sittenverstoß mit einem moralischen Vorwurf bejaht" (so Steindorff JZ 1959, 197 (199), wo also ein Verbot Unschädliches erfaßt.
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einer immerhin denkbaren überpositiven Freiheit werden einst den Hintergrund der These von der Freiheitsbeschränkung gebildet haben. Diese Vorstellungen20 schlugen sich während der Beratungen des BGB sehr prosaisch in der Auffassung nieder, absolute Rechte seien prinzipiell schrankenlos gewährt und gewährleistet!!. Kraft! weist zutreffend darauf hin, daß hier argumentiert wurde mit einer bestimmten Vorstellung vom Inhalt des Begriffs, den man vom absoluten Recht hatte, begriffsjuristisch also. Dieser Lehrmeinung gehören auch Inga Schmidt-Syaßen und Steindorff jedenfalls insoweit an, als sie von einer zunächst einmal grenzenlos existierenden Individualfreiheit ausgehen23 • Das gegenwärtige Recht, das ja im wesentlichen von der grundgesetzlichen Ordnung geprägt ist, kennt von vornherein nur den Menschen innerhalb der Gemeinschaft der Staatsbürger4 ; im sozialen Staat existiert die Freiheit, die es erlaubte, die der anderen zu beseitigen, nicht. Demgemäß akzentuiert der Schweizerische Bundesrat in seiner Botschaft zum Kartellgesetzentwurf vom 18. September 1962 richtig S025: "Soweit jedoch der Staat dem Bürger einen Raum freier Entfaltung gegenüber behördlichen Eingriffen gewährleistet, kann er nicht ohne Widerspruch zulassen, daß mittels privater Abmachungen diese Freiheit unterdrückt wird!8." Das Problem ist also ein solches verfassungsrechtlicher praktischer Konkordanz. Griesbach27 kann unter dieser Voraussetzung zu Recht schreiben, daß das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht nur (sc. verfassungsrechtlich) zulässig, sondern sogar notwendig sei, um "die Voraussetzungen für eine nicht bloß formale, sondern wirkliche Freiheit aller Marktteilnehmer beim Abschluß privater Austauschverträge zu schaffen"28. Auf dieser Grundlage ist 20 Sie sind im übrigen a limine abzulehnen; Recht jenseits des staatlich garantierten Normenbestands gibt es nicht; vgl. hierzu nur die Darlegungen bei Hannah Arendt, S. 39 ff., 255 ff. 21 Vgl. die Darstellung bei Kraft, S. 156 f. 22 Kraft, S. 157; vgl. dort auch im weiteren. 23 Inga Schmidt-Syaßen schon im Titel ihrer Schrift und auf S. 23, wo sehr deutlich von der Eingrenzung einer zuvor eingeräumten Handlungsfreiheit gesprochen wird. Wie sie wohl auch L. Raiser JZ 1958, 1 (2), mit Einschränkungen auf S.3, 6 ff.; Steindorff, Gute Sitten, S.58 (überschrift) und S.59, wo zu vordergründig aus Art. 2 Abs. 1 GG argumentiert zu werden scheint. 24 Zuletzt noch BVerfG NJW 1979, 699 (706), 1. 3. 1979, 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78: "... Bild des Menschen, von dem das Grundgesetz in Art.1 ausgeht; es ist nicht das des isolierten und selbstherrlichen Individuums, sondern das der gemeinschafts bezogenen und gemeinschaftsgebundenen Person, die, von unverfügbarem Eigenwert, zu ihrer Entfaltung auf vielfältige zwischenmenschliche Bezüge angewiesen ist." 25 Zitiert nach Giger, S. 48. 26 Richtig auch E. Koch, S. 50 m. w. N., 58, 60. 27 Griesbach BB 1962, 1011 (1012). 28 Griesbach BB 1962, 1011, fährt auf S. 1013 fort: "Förderung des Wettbewerbes ist identisch mit der Förderung der individuellen Betätigungsfrei-
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auch Rebe zuzugeben, daß Normen wie § 138 BGB nicht ("so sehr") die Freiheit beschränken als vielmehr gesellschaftliches Handeln strukturieren2D • So erweist sich letztlich auch schon hier die These von der Unabhängigkeit des § 18 GWB vom Privatrecht als nur wenig überzeugend, denn Freiheit, in deren Rahmen Privatrecht sich realisiert, wird auch von § 18 GWB her geformt, der privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten um der Freiheit willen begrenzt3o • Die hinter dem Privatrecht als solchem und vor allem hinter der Auffassung von der Unabhängigkeit wirtschaftsrechtlicher Eingriffsbefugnisse von jenem stehende These vom aus sich selbst funktionierenden privatrechtlichen Interessenausgleich muß überdies die Möglichkeit behördlichen Einschreitens in eine bloße Hilfsfunktion hineininterpretieren, die nicht nur als bloßer Notbehelf gegen Machtmißbrauch31 geschaffen worden wäre, sondern dann auch nur als solcher benutzt werden dürfte. Hier zeigt sich, daß hinter der schon abgelehnten 32 Meinung von der Subsidiarität kartellbehördlichen Vorgehens Erwägungen stehen mögen, mit denen sich auseinanderzusetzen oben keine Veranlassung bestand, zumal sie dort nie ausgesprochen wurden. Aber auch heit, ... " Belke, S. 19, verfährt ähnlich, will aber wohl gar auf einen logischen Mangel der These von der Freiheitsbeschränkung hinweisen, wenn er schreibt, die freie Konkurrenz im Markt sei "ureigenstes Erzeugnis" der Freiheit. - Suhr NJW 1979, 145, bewegt sich auf anderem Feld, jedoch mit einschlägiger Argumentation, wenn er über die Zwangsvollstreckung sagt, sie offenbare handgreiflich, "inwiefern das Recht und die Freiheit des einen auf Pflicht und Unfreiheit des anderen hinauslaufen." - Und wiederum Griesbach BB 1962, 1011 (1013 f.), ist es, der in diesem Zusammenhang das richtige Beispiel anführt, daß die Befreiung der Wirtschaft von staatlicher Bevormundung im vorigen Jahrhundert nur dann sinnvoll gewesen sei, wenn nicht staatliche durch private Macht ersetzt werden könne. Ein ähnliches Problem stellt sich heutzutage bezüglich der Freiheit zwischenstaatlichen Handels im Rahmen der EG; vgl. dazu Raisch / van Venrooy / Welke-Chlosta, S.104. 29 Rebe, S.98, wo er auch von der "sozialordnende(n) Bedeutung von § 138" spricht; und noch einmal treffend auf S.110: "Die Nichtigkeitssanktion ist nur ein Mittel, den Rechtsgeschäftsverkehr in die Bahnen der ,guten Sitten' zu lenken." Hier wird man an K. Schmidts Lehre vom hinter der Sanktion stehenden Verbot erinnert. Ein Gebot, sich den "guten Sitten" gemäß zu verhalten, gibt es allerdings in dieser Allgemeinheit nicht; richtig Rebe, S. 112; es fragt sich nur, ob diese Feststellung in der Jurisprudenz von sonderlichem Interesse ist, denn jedenfalls Rechtsgeschäfte müssen sich im Einklang mit den guten Sitten halten, wie sich eben aus § 138 BGB als dem Verbot des Gegenteils ergibt. - Siehe im übrigen Rebe, S. 175, und zum Mißbrauchsverbot auf S. 197 ff., insbesondere zum "Mißbrauch der Vertragsfreiheit" auf S. 207 ff. ao Was hier zum Ausdruck gebracht wird, ist nichts anderes als die von Reich, S.64, so bezeichnete "doppelte Instrumentalität des Wirtschaftsrechts". Wieso das ein "Grundwiderspruch" (so Reich, S.65) sein soll, ist nicht nachzuvollziehen; dergleichen ist letztlich Charakter jeder Norm. 31 Dieses Wort wird hier abstrakt von bestimmten Normen des GWB benutzt. 32 Oben, Teil I, Vierter Abschn., 1 c bb).
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hier tritt ein Begründungsmangel zutage: Dieser Staat verfolgt als wirtschaftspolitisches Konzept das der sozialen Marktwirtschaft33, was insbesondere in den beiden wichtigsten marktlenkenden Gesetzen GWB 34 und UWG Ausdruck gefunden hat35 • Eben in diesen hat er sich zugleich die Möglichkeiten zur Absicherung seines Konzepts geschaffen, und es besteht kein Grund anzunehmen, er müsse mit dem Einsatz dieser Instrumente zuwarten, bis das System, das der Wirtschaft gegeben wurde, an den Rand des Abgrunds gerät. Dabei soll in der Voraussetzung gar nicht versucht werden, darüber hinwegzutäuschen, daß dieser kritische Punkt wiederum dort anzusiedeln ist, wo ihn der Staat selbst auf Grund seiner wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen, die sich in Normen niedergeschlagen haben, die er also vorgibt, lokalisiert hat38 ; indes: Das steht ihm zu. Die, bis jener Punkt erreicht ist, schon eingetretenen Schäden an der Marktstruktur durch Ausfall kleiner und mittlerer Anbieter37, die ja überdies - es sei daran erinnert38 - zumin33 Es wird nicht verkannt, daß diese Begriffsbildung in sich selbst zweifelhaft ist: Marktwirtschaft ist, wie die Geschichte, insbesondere der Zeitraum von der Reichsgründung 1871 bis zum Ersten Weltkrieg, gezeigt hat, der exakte Gegenpol zu "sozial"; sozial zu sein aber ist dem heutigen Staat vorgeschrieben durch Art. 20 Abs. 1 GG. So ist der Begriff "soziale Marktwirtschaft" äußerstenfalls als schwache, wenn auch gängige Umschreibung des Ergebnisses praktischer Konkordanz verschiedener Zielvorstellungen anzuerkennen. 34 Den Zusammenhang von "Kartell- und Monopolpolitik" mit der sozialen Stellung kleiner und mittlerer Gewerbetreibender hat Blaich sehr ausführlich für eine Zeit (nämlich die in der vorigen Fn. angesprochene) beschrieben, in der es noch keine Kartellgesetzgebung gab. Vgl. auch Raisch, Unternehmensrecht 2, S. 187 ff. und passim. 35 Indes ist dem Grundgesetz selbst keinerlei wirtschaftspolitisches Konzept zu entnehmen; das dürfte seit Ehmkes Antwort (Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, insbesondere S. 18 ff.) auf Nipperdey (Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft) geklärt sein, wird auch vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertreten: zuerst in BVerfGE 4, 7 (17 f.), 20.7.1954, 1 BvR 459, 484, 548, 555, 623, 651, 748, 783, 801/52, 5, 9/53, 96, 114/54, und zuletzt noch im Mitbestimmungsurteil NJW 1979, 699 (702), 1. 3. 1979, 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78. Gerade diesen kleinen Ausschnitt aus der Mitbestimmungsentscheidung hielt die Zeitschrift WuW für so wichtig, daß sie in einer Kurzinformation besonders darauf hinwies (WuW 1979, 147). Allerdings dürfte die Entwicklung dahin gegangen sein, daß die "soziale Marktwirtschaft" auf europäischer Ebene durch die dort existierenden Vertragswerke festgeschrieben wurde, so daß sie tatsächlich innerhalb der Normenhierarchie mit noch höherer Qualität abgesichert ist, als sie das Grundgesetz erreichen könnte. 36 Wiederum ein Problem praktischer Konkordanz. Es erscheint fraglich, ob Rebe, S. 53 ff., mit seiner soziologisch akzentuierten Darstellung letztlich etwas anderes sagen will. Jedenfalls aber kommt bei ihm zu kurz, daß hier kein apriori existierendes Problem menschlichen Daseins in der Gesellschaft vorliegt, sondern daß es "vordergründig" um Normenkoordination geht (was auf S. 57 aber wenigstens anklingt). 37 Die seit jeher unter der Marktvermachtung als erste zu leiden hatten (neben den Verbrauchern natürlich); hierzu sei erneut auf das Werk von Blaich verwiesen.
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dest einen vom GWB ausgehenden Schutz reflex genießen sollten, oder im Falle von Mangelgütern: entsprechender Nachfrager, braucht er nicht hinzunehmen 39 , zumal er sie nur mit Hilfe hoher Subventionen reparieren könnte, die aber ihrerseits einen Strukturmangel im marktwirtschaftlichen System offenbarten. Sind jene Normen geschaffen worden aus der Erfahrung jahrzehntelanger Marktvermachtung seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, so kann ihr Sinn nur darin liegen, solche Notsituationen für eine große Anzahl von Marktteilnehmern künftig zu vermeiden. Der Staat darf also seine Interventionsinstrumente zur Steuerunt o der Wirtschaft einsetzen ohne Rücksicht darauf, ob schon ein Notfall eingetreten ist: "En droit, il est habituel de constater une premiere infraction sans attendre la realisation de la seconde 41 ." So erweist sich also auch an diesem Punkt die These von der Subsidiarität kartellbehördlichen Einschreitens als verfehlt, aber gleiches gilt auch für die Möglichkeit der Annahme einer Unabhängigkeit der Eingriffsmöglichkeit nach § 18 GWB vom Privatrecht, was hier vor allem zu klären war. 3. Billigung der Exklusiv-Bindungssysteme a) Die Entscheidung des Gesetzgebers
Zum anderen aber offenbarte eine Verfolgung der These von der Unabhängigkeit, von der Beziehungslosigkeit kartellbehördlicher Eingriffsbefugnisse vom zugrundeliegenden Privatrecht gerade im Falle des § 18 GWB einen Mangel an Einfühlungsvermögen in das in dieser Vorschrift angelegte dialektische Element42 , das darauf beruht, daß 38 Siehe schon oben, Erster Abschn., 4 e), Text ab Fn.149. Vgl. nun auch zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Marktes mit besonderer Berücksichtigung anderer als Großunternehmen BKartA-TB 1978, S. 6 f. 39 So meint es im Ergebnis wohl auch das Bundeskartellamt im BKartA-TB 1958, S. 11; und im BKartA-TB 1977, S.6, legt es zu Recht Wert auf eine ständige überwachung der Wirtschaft. 40 Wenn auch etwas zurückhaltender meint doch Welbergen WuW 1979, 291 (295), - immerhin von Unternehmerseite - nichts anderes. 41 MabiHe de Za Paumetiere D. 1978. ehron., p. 287. Diese Äußerung steht in einem Aufsatz über ein in Frankreich hochkontroverses Grundrechtsproblem - die Einführung einer präventiven Alkoholkontrolle durch Gesetz vom 12. Juli 1978; hier waren persönliche Freiheit und allgemeines Sicherheitsbedürfnis gegeneinander abzuwägen. - In der Tendenz wie im Text wohl auch L. Raiser JZ 1958, 1 (3). - Aus der gleichen Erwägung heraus ist es richtig, mit J. F. Baur JZ 1978, 586 (590), vom Kartellverbot als einem Gefährdungstatbestand zu sprechen, der auf den tatsächlichen Erfolg nicht abstellt. 42 Nur darum handelt es sich, nicht um einen Grundwiderspruch, wie es Reich, S. 65, mit Pathos bezeichnet. Es ist erstaunlich, wie ein Autor, der auch über Marxismus gearbeitet hat, den Akzent so setzen kann; hier liegt doch höchstens ein sogenannter nicht-antagonistischer Widerspruch im Sinne jener Theorie vor.
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diese Norm nicht nur Eingriffsermächtigung ist, sondern - wie schon angedeutet43 - durch Festlegung der Interventionsvoraussetzungen in ihrem Tatbestand zugleich Ausdruck eines Marktstrukturprogramms. Die Auffassung vom Selbstausgleich innerhalb des Privatrechts, den das Kartellrecht nur absichern soll, wird nämlich gerade durch § 18 GWB - dies vor allen anderen Normen des GWB - selbst erheblich modifiziert: Schon die bloße Existenz dieser Bestimmung erlaubt zu sagen, daß es Fälle gibt, in denen der Gesetzgeber wettbewerbsbeschränkende Verträge (und um solche handelt es sich im Falle des § 18 GWB) nicht verbietet, obwohl auf der Grundlage von ExklusivBindungen, deren Entelechie es so und nicht anders will, eine Machtstellung gegenüber einer Vielzahl von Händlern und damIt auch von Endabnehmern aufgebaut werden kannu . Das Bestehen einer so groben Lücke, verstärkt obendrein durch das Fehlen einer Verpflichtung zur Anmeldung solcher Bindungen bei den Kartellbehörden45 , in dem im übrigen, jedenfalls seit Schaffung des heutigen § 25 Abs. 1 GWB, nahezu perfekten Verbotssystems gegenüber wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen ist nicht mehr mit Zufall erklärbar; es kann nicht einmal plausibel gemacht werden mit einem skeptischen Gewährenlassen, mit einem Zurücktreten des Staats vor einem überkommenen Phänomen des Wirtschaftslebens; es vermag seine adäquate Deutung nur in einer Billigung 48 zu finden, die der Gesetzgeber gegenüber ExklusivBindungssystemen ausgesprochen hat47 • Diese schon durch die Systematik des GWB zutage tretende Entscheidung des Gesetzgebers für Exklusiv-Bindungssysteme wird in der Literatur zum Teil nicht ausreichend gewürdigt, vielmehr unterschätzt. So formuliert Lehmpfuhl48 zu distanziert, wenn er schreibt, es bestehe "kein Anhalt anzunehmen, daß er" (sc. der Kartellgesetzgeber) "die faktische Wirkung der VerSiehe oben, 2). Diese Konsequenz zeigt der BKartA-TB 1969, S. 32, auf. Insgesamt zu negativ akzentuiert Biedenkopf, S. 193 f. 45 BKartA-TB 1960, S.9, dürfte insoweit ein Ton des Bedauerns zu entnehmen sein. 46 Dies ergibt sich auch daraus, daß deren Umfang erst im Laufe der Zeit austariert wurde. 50 ließ die bis zur Kartellgesetznovelle 1965 geltende Kumulierung von Eingriffsvoraussetzungen auch Arten von Exklusiv-Bindungen ungeschoren, die wettbewerbspolitisch unerwünscht waren; vgl. MüHer I Giessler I Scholz, § 18 Rdnrn. 3 f. 47 In diese Richtung weisen etwa J. F. Baur, S. 211; Belke, S.341 Fn. 6 a; Bericht der Bundesregierung, S.58 (billigende Zusammenfassung); BKartATB 1976, S. 218 (unter 1. Satz 1); Ebel, § 18 Rdnrn. 1, 3; Ernestus, S. 260; Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr. 6; Raisch, Mißbrauch, S. 357 (369 f.), zur Marktbeherrschung; Schmiedel, Alleinverkaufsrechte, S. 37 (38); Westrick I Loewenheim, § 18 Anm.28. - Anders jedoch K. Schmidt, Kartellverbot, 5. 100, der aber nicht seine auf dieser Basis zweifelhafte Auffassung erläutert, daß § 18 GWB eine Freistellung normiert habe. 43 41
~8
Lehmpfuhl, S. 51.
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triebsbindung auf Außenseiter oder gar die Durchführung einer solchen Bindung als System mißbilligt habe"·u. Rebe gar hat schlicht unrecht, wenn er sich nur zu dem Eingeständnis verstehen mag, solche Systeme seien nicht generell unzulässig50 • In der Tat bestätigt auch die Entstehungsgeschichte"' des § 18 GWB diese schon der Vorschrift selbst mit ihrer zu spürenden Fremdkörpereigenschaft im Gesamtzusammenhang des GWB zu entnehmende Charakteristik. Gewollt war eine Absicherung der Existenz traditioneller Exklusiv-Bindungssysteme52 , denen gegenüber ein per-se-Verbot unverhältnismäßig gewesen wäre, weil sie sich nämlich vom Typ her als ungefährlich erwiesen hatten53 • Schon dieser im Grunde rein negativ akzentuierende Aspekt relativer Unschädlichkeit54 hätte ausgereicht, auch fürderhin nur die Hinnahme solcher Systeme als rechtmäßig erscheinen zu lassen. Doch wird diese Erwägung sofort von einer solchen der Zweckmäßigkeit unterstützt: Sandrocks Hinweis, bei einem Verbot der Exklusiv-Systeme werde die vertikale Konzentration sich verstärken55, sollte nicht unterschätzt werden. Diese zwangsläufige Entwick4U Innerhalb von Lehmpjuhls Darstellung besteht allerdings eine gewisse Ambivalenz, die es erlaubt zu vermuten, daß er der im Text vertretenen Anschauung nicht allzu fern ist; er fährt nämlich auf S. 51 (ähnlich S. 52 f.) fort: "Einer dahingehenden Äußerung hätte es schon deshalb bedurft, weil dem Gesetzgeber vor allem aus der Zeit vor dem letzten Weltkrieg bekannt war, in welcher Weise die höchstrichterliche Rechtsprechung das Außenseiterverfahren im Rahmen intakter vertikaler Bindungssysteme gewürdigt hat." Noch deutlicher sagt er auf S.84: "Nach § 18 Abs.1 Ziff.3 GWB sind Vertriebsbindungen erlaubt ... " Und auf S. 130 führt er aus: " ... hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er im Rahmen dieser Institution eine Leistungssteigerung mit dem Ziel einer bestmöglichen Versorgung der Verbraucher auch ohne vollständigen Wettbewerb als erreichbar ansieht" (ähnlich noch einmal im Anschluß). 50 Rebe, S.184; vgl. allerdings S.186: prinzipielle Zulässigkeit; mit dem richtigen Hinweis, daß einer der Gründe dafür das "Gegenseitigkeitsprinzip" sei. 51 Vgl. auch die Nachweise zur Entstehungsgeschichte bei Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 11; sehr deutlich auch Rdnr. 49. 52 Vgl. Begründung, S. 31. 53 Mit gleicher Tendenz BKartA-TB 1965, S. 20 (bzgl. des europäischen Handels); Emmerich, S.108: Die Beurteilung hängt vom Einzelfall ab; ein Einschreiten ist nur möglich, wenn von einem Exklusiv-System schädliche Wirkungen im Einzelfall ausgehen. 64 Ihn stellt auch E. Koch, S.61, heraus, ohne allerdings auf § 18 GWB einzugehen. Freilich ist es falsch zu sagen, daß es sich bei § 18 GWB um eine Bestimmung zur Verhütung des Mißbrauchs einer wirtschaftlichen Machtstellung handele, deren Bildung nicht zu verhindern sei; so L. Raiser, Vertragsfunktion, S. 101 (133). Hier wird das rein technische Problem tatsächlicher überwachung, von dessen Lösbarkeit das Gesetz bei den Verbotsvorschriften ausgeht ebenso wie bei den Mißbrauchsvorschriften im Widerspruch zu diesen für eine Interpretation des § 18 GWB benutzt. 55 Sandrock, S. 429.
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lung wiederum findet ihre Erklärung in der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Exklusiv-Bindungssysteme: b) Die Komplementärfunktion des § 18 GWB zu den gewerblichen Ausschlußrechten
Es sind vor allem die Inhaber gewerblicher Ausschlußrechte, die sich der Exklusiv-Bindungssysteme sinnvoll bedienen können in der Vielzahl der Fälle, wo sie selbst produzieren und die produzierte Ware als solche vertreiben, nicht also Lizenzen oder Know-how, für die die §§ 20 und 21 GWB einschlägig wären 5G . Freilich sind die von § 18 GWB gewährten Gestaltungsmöglichkeiten nicht ihr Reservat; ein Vorgehen nach dieser Norm hängt in seiner Zulässigkeit also nicht von der Inhaberschaft etwa an einem Warenzeichen ab. Aber diese Verbindung, nämlich daß ein Schutzrechtsinhaber seine Waren über Exklusiv-Bindungssysteme absetzt, ist für die Marktverhältnisse kennzeichnend51 . Lehmpfuhl sagt zutreffend, daß es sich bei den Exklusiv-Bindungssystemen58 um "Mittel der Absatzpolitik"Sg, um "erstrangige absatzpolitische Maßnahmen"GO handele, die - eben wegen der ihnen zugrundeliegenden "absatzpolitischen Interessen"Gl - unumgänglich seien, weil es allein mit der Herstellung von Qualitätswaren angesichts eines verwöhnten Käuferpublikums nicht mehr getan sei. Das hat seine Gründe: Ausgangspunkt ist im Regelfall der Markenname selbst, denn er erst sichert die Nachfragbarkeit einer Ware im Handel 62 • Will der 56 Es kann keinesfalls eine Rolle spielen, ob die hergestellte und vom Hersteller vertriebene Ware patentiert ist oder nicht, für eine etwa zu stellende Frage, ob nun §§ 20, 21 GWB oder nur § 18 GWB anzuwenden seien. §§ 20, 21 GWB haben nicht das Produkt, sondern das Herstellungsverfahren als Gegenstand eines Austauschgeschäfts im Auge; richtig wohl Lehmpfuhl, S.26. Jansen, S.115 (letzter Satz des zweiten Absatzes; ähnlich der letzte Satz auf der Seite), formuliert hierzu zumindest mißverständlich (korrekt aber wohl der allgemeine Hinweis auf S. 118). 51 Lehmpfuhl, S. 19, 22. 58 Die Notwendigkeit eines ganzen Systems betont Lehmpfuhl auf S. 48. Indes spricht er enger von "Vertriebsbindungen". Jedoch handelt es sich um Mittel der Absatzpolitik, gleichgültig, ob nun eine Ausschließlichkeitsbindung (im engeren Sinne des Wortes) oder eine Vertriebsbindung vorliegt. Es ist nicht recht einzusehen, wieso Lehmpfuhl, S.37, beiden Bindungsarten "eine völlig andere Zielsetzung" als der jeweils anderen zuordnet; diese Darstellung steht auch zu seiner Äußerung im Widerspruch, der Wirkungsgrad der Ausschließlichkeitsbindung sei "höher" als der der Vertriebsbindung (so S. 36; deshalb ebenfalls unrichtig S. 48). 59 Lehmpfuhl, S. 23; vgl. auch S. 24 ff.; ähnlich Hirsch, S. 8. 80 So Lehmpfuhl, S. 127. 61 J. F. Baur, S. 219. 62 In der letzten Zeit ist zu beobachten (dazu zuletzt noch DER SPIEGEL 38/1979, S. 140, mit Abbildung von Werbemitteln), daß Waren ohne Namen, nur mit ihrer Produktbezeichnung, auf den Markt gelangen. Mit ihnen, die im übrigen regelmäßig zu niedrigeren Preisen verkauft werden.. als sie für
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Hersteller auf der Grundlage seines Markennamens, der für Waren steht, für deren Herstellung ihm wiederum andere gewerbliche Ausschluß rechte zustehen mögen, Marktgeltung erlangen, muß er Marktund Produktpflege63 • 64 betreiben. Was darunter von der Voraussetzung her zu verstehen ist, sagt das GWB selbst, nämlich bei der Definition der Markenwaren in § 38 a Abs. 2. Entscheidend sind hiernach die gleichbleibende oder verbesserte Güte einer Ware und ein ihre Herkunft kennzeichnendes Merkmal 6s• Mit dem Vertrieb von Markenartikeln wirbt der Produzent beim Abnehmer um besonderes Vertrauen 8G , wozu er aber flankierender Maßnahmen bedarf67 • Wie diese im Einzelfall aussehen werden, variiert mit der Produktart. So darf etwa ein Sportschuhhersteller mit vollem Recht Wert darauf legen, daß seine Händler beim Schuhverkauf eine sachkundige Bedienung88 zu gewährMarkenwaren gleicher Qualität verlangt würden, wird von den entsprechenden Läden Werbung getrieben. Das ist im Grunde paradox, denn besonderes Kennzeichen dieser Waren ist eben ihre Namenlosigkeit; das aber macht von der Werbungs struktur her keinen Unterschied zu Waren, die mit einem bestimmten Markennamen verknüpft sind. So aber zeigt gerade diese Tatsache, daß man beim Absatz auf eine einheitliche Kennzeichnung nicht verzichten kann, wie sie bei dieser Warensorte im übrigen auch in gleicher Weise schlagwortartig verwendet wird, als würden Markennamen benutzt. So ist zum Beispiel von "no-name-Waren" die Rede, was gewiß sehr einprägsam und auch in dieser Weise nachfragbar ist; zweifelhaft kann hier nur sein, ob es glücklich war, eine Begriffsverbindung aus dem Englischen zu wählen, deren Aussprache sicherlich einer großen Verbrauchergruppe nicht geläufig ist. 83 Richtig der Hinweis von E. Koch, S. 145, daß aus eben diesem Grund die EG-Gruppenfreistellungsverordnung (VO Nr. 67/67/EWG; zu ihr Raisch 1 van Venrooy 1Welke-Chlosta, S.116) ergangen ist. 84 Vgl. zur Bedeutung des Kundendienstes im Autohandel wegen der Notwendigkeit ständiger Wartung Schmitt, S. 82 ff. 85 Daß dadurch keine Zusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB gegeben wird, haben Linhard 1Stöhr BB 1957, 1021 (1022), zutreffend herausgearbeitet vor allem mit dem schlüssigen Argument, die Abnehmer erhielten anderenfalls Rechte, die ihnen nach dem Zivilrecht normalerweise nicht zustünden. Man wird diese Darstellung aber wohl ergänzen müssen: Es wäre schon eigenartig, wenn der Gesetzgeber eine Pflicht, Eigenschaften zuzusichern, ausgerechnet im GWB statuierte, zumal eine Fiktion auch technisch einfacher wäre. Linhard 1Stöhr weisen (aaO.) auch auf die folgende Parallele hin: Selbst die Hervorhebung bestimmter Eigenschaften einer Ware in der Werbung läßt regelmäßig die Auslegung nicht zu, es sollten Eigenschaften zugesichert werden. 86 So Raisch, Unternehmensrecht 1, S. 40, im Zusammenhang mit der Produzentenhaftung. 67 Was er aber, wie BKartA-TB 1975, S.26, zeigt, unter Umständen nur vorschützt. An der grundsätzlichen Wertung kann das aber nichts ändern. Hier mag - soweit die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen - auf Grund der Mißbrauchsvorschriften eingeschritten werden. 88 Was diesen Punkt anlangt, zeigt BGH WuW/E BGH 1530 (1532), 18.9. 1978, KZR 17/77, daß es bei der Bierlieferung auf richtigen Transport und Einlagerung ankommt. - Zum Gesichtspunkt der Bedienung auch Belke, S. 358 f.; Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 8; Lehmvfuhl, S.25, 32; Wes trick 1 Loewenheim, § 18 Anm. 23.
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leisten vermögen6', weil nämlich der Durchschnittskunde (auf den hier zu Recht ebenso abgestellt wird wie bei der Prüfung von Verstößen gegen das UWG) seine auf Grund unzureichender Beratung falsche Entscheidung mit der Marke verbinden würde 70 • Lehmpfuhl71 schreibt in diesem Zusammenhang, daß der Hersteller Wert darauf legen wird, "daß seine Ware in Einzelhandelsgeschäften ausgestellt und dem Kaufinteressenten womöglich vorgeführt wird. Gerade bei Markenartikeln kann die Art ihrer Zurschaustellung von erheblicher Bedeutung sein. Der Verbraucher ist leicht geneigt, von der äußeren Form, in der ihm die Ware dargeboten wird, auf ihre Qualität, den Ruf der Marke und das Ansehen des Herstellers zu schließen". Und so ist es auch gängige übung, daß Benzingesellschaften von ihren Tankstellenhaltern unter anderem verlangen, daß sie ihre Tätigkeit in sauberer Kleidung durchführen 72 • Die Markenpflege kann theoretisch auch über einen überall einheitlich verlangten Preis durchgeführt werden73 ; seit Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand hat der Hersteller diese Möglichkeit nicht mehr1\ wenn man einmal von der Ausnahme für Verlagserzeugnisse 75 und der Zulässigkeit von Preisempfehlungen nach § 38 a GWB76 absieht. Es versteht sich praktisch von selbst, daß diese Markt- und Produktpflege wenn nicht sogar am leichtesten, so doch jedenfalls am sichersten mit Hilfe von Händlern zu erreichen ist, deren Treue zur Marke durch rechts geschäftliche Bindung gewährleistet wird77 • Allerdings werden sie 69 Hiermit ist allgemein angesprochen, daß die Händler geeignet sein müssen, woran etwa dann ein besonderes Interesse besteht, wenn leicht verderbliche Waren vertrieben werden (vgl. Lehmpfuhl, S. 42). 70 LG Düsseldorf WuW/E LG/AG 435 (436 f.), 15.2.1978, 12 0 149/77, "Divi". 71 Lehmpfuhl, S. 31 (ähnlich S. 55, Text und Fn. 14). 72 Siehe den Hinweis von Koeble, S. 14. 73 Hier ist von Interesse, daß es in Frankreich Ladenketten gibt, die speziell mit diesem Umstand werben: "Uniprix" und "Monoprix". 74 Auch würde sich jeder Versuch mittelbarer tatsächlicher Durchsetzung einer einheitlichen Preisgestaltung an § 26 Abs. 2 GWB stoßen; vgl. etwa OLG Karlsruhe WRP 1979, 61 (66 f.), 8.11.1978, 6 U 192/77. Es kann im übrigen nicht hingenommen werden, daß die Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Preisbindung mit dem UWG-Aspekt des Schleuderpreisverkaufs unterlaufen wird; insofern zweifelhaft Krüger-Nie land WRP 1979, 1 (3 a. E.). 75 Hier kann im Grunde Markenpflege nur schwer betrieben werden: Auf den Verlag kommt es bei der Werbung für Bücher nicht an, sondern vor allem auf den Autor und auf den Buchtitel, wobei letzterer durchaus in den Hintergrund treten mag, wenn es sich um einen gut eingeführten Autor handelt; indes ist hier wie auch sonst der Inhalt (zunächst einmal) ohne Belang. - Vgl. im übrigen zur Motivation für die Ausnahme zugunsten der Verlagserzeugnisse Raisch / van Venrooy / Welke-Chlosta, S.29. 7. Diese Regelung ist in ihrer Berechtigung durchaus angreifbar; immerhin kann sie zur "Ausschaltung des Preiswettbewerbs auf der Handelsstufe benutzt werden"; so Reich, S. 201; billigend Raisch / van Venrooy / WelkeChlosta, S. 28, wo ihr Verbot gefordert wird.
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solche Bindungen nur um ihres eigenen Vorteils willen eingehen,
wegen78 einer Gegenleistung also, die zumindest darin bestehen wird,
daß sie an der Marktgeltung des Herstellers und seiner Ware partizipieren79 und auf diese informelle Weise eine mittelbare Absatzgarantie erhalten. Bewendet es bei dieser Art von Gegenleistung, so besteht keine synallagmatische VerknüpfungB° mit dem Eingehen der Bindung. Das wird dazu geführt haben, daß die Literatur diesen Aspekt81 vernachlässigt8!. Er ist jedoch wesentlich: Der Händlerabsatz wird gewährleistet durch die Verwendung des Markenzeichens des Herstellers, eine Gestaltung, die stets mit der Eingliederung in ein Exklusiv-Bindungssystem verbunden ist83 • In diesem Bezug schlägt sich zugleich das Geschäftsrisiko des Händlers nieder84 • Zwar profitiert er vom good will des Her77 Daß aber die Exklusiv-Bindung in sich selbst auch den Marktchancen angepaßt sein muß, zeigt BKartA-TB 1970, S. 22 (betr. Preisbindung). 78 Rebe, S. 186, spricht geradezu von einem "Gegenseitigkeitsprinzip" als Rechtfertigung der Exklusiv-Systeme, wenngleich dieser Grund kein ausschließlicher sein soll. 78 Biedenkopf, S. 190 (vgl. auch S. 204 ff.), der die Entgeltung vor allem in der Bereitschaft zum Geschäftsverkehr sieht, muß zwangsläufig annehmen, daß die Bindungen vorrangig im Interesse des Bindungsverwenders eingegangen werden. 80 Wo sie es doch ist, wird sie als Gegenleistung anerkannt. So vertritt bekanntlich (vgl. dazu auch oben, Erster Abschn., 1» die Rechtsprechung unter richtiger Zugrundelegung des § 138 BGB, daß die Bindung, die ein Bierlieferant seinen Abnehmern auferlegt, je größer sein darf, desto umfangreicher seine Leistungen an die Abnehmer sind (etwa in Form von Darlehen zu günstigen Zinssätzen oder Lieferung von Ausstattungsgegenständen). 81 Der Folgen hat, auf die noch einzugehen sein wird; vgl. unten, 4 b bb). 82 Am deutlichsten wohl noch de Bronett RIW/AWD 1978, 767 (770), und E. Koch, S.9 (ähnlich S. 117), der schreibt, daß Unternehmer sich in der Regel nur dann zu einer Wettbewerbsbeschränkung zusammenfinden, wenn Vorteile winken. So ist wohl auch Krasser, Vertriebsbindungen, S. 260, zu verstehen (anders jedoch wieder auf S. 306 Fn. 49); sein Ausgangspunkt immerhin ist deutlich: Auf S 172, 175, weist er darauf hin, daß kein Händler eine Bindung auf sich nehmen wird, wenn er gerade durch sie im Wettbewerb mit anderen, nicht gebundenen Händlern nicht mehr bestehen kann. Richtig auch Rittner, S. 28 f.: " ... doch wird der Anbieter eine solche Ausschließlichkeitsbindung im allgemeinen nur eingehen, wenn sein Partner ihm dafür andere Vorteile zukommen läßt, da ihm ja infolge des Verlustes seiner Beweglichkeit auf dem Markte Einbußen drohen." Rittner formuliert aber noch zurückhaltend genug; wie ein Rechtsgeschäft in praxi aussehen soll, in dem eine Bindung ohne Gegenleistung übernommen wird, erläutert er nicht, obgleich er es offenbar für möglich hält. - Siehe auch Steindorff BB-Beilage 3/79, S.2. Vgl. auch den Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 8 (ähnlich Tz. 64), dessen Darstellung: "und ermöglicht dem ,Gebundenen' die Begründung einer selbständigen Existenz" zu viel Wert auf ein angebliches Entgegenkommen des Bindungsverwenders (Herstellers) legt. Siehe auch Sandrock, S. 428 f. Verkannt hingegen bei Hirsch, S. 53 f.; Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 19 Rdnr.2. Auch gegenüber Lehmpfuhl, S.53, ist zu betonen, daß eine Gegenleistung immer vorhanden ist. 83 Richtig Koeble, S.48. 84 Daß es sicll hierbei um eine Abhängigkeit handelt, wird im weiteren noch interessieren; siehe unten, 4 b bb).
8 Venrooy
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stellers85 • 86 , doch darf nicht vergessen werden, daß er ihn auch pflegt81 , und vielleicht hat er sogar an seiner Entstehung mitgewirkt; denn wie Mestmäcker schreibt88 - Exklusiv-Bindungssysteme sind sachgemäße Hilfsmittel, eine wirksame Verkaufsorganisation zu ermöglichen bei gleichzeitiger Senkung der Kostenlast 89 (was sich im übrigen nur günstig auf den Preis auswirken und unter Umständen auch dazu beitragen kann, geschlossene Märkte zu öffnen90 ); gerade im Oligopol hat es der newcomer schwer, Fuß zu fassen, wenn nicht Händler ihm beim Absatz behilflich sind 91 • Und daran zeigt sich: Vermag die Ware bzw. die Marke sich nicht durchzusetzen, hat der Händler vergebliche Mühe aufgewandt, im Regelfall werden sogar Investitionen nutzlos geworden sein; und verliert die Marke später an Geltung, verwirklicht sich beim Händler ein Absatzrisiko als Kehrseite der mittelbaren Absatzgarantie 92 • So deckt sich hoher Wert der Exklusiv-Bindungssysteme mit der Gefahr, die sie für die Beteiligten mit sich bringen. Das sei noch an einem weiteren deutlichen Beispiel veranschaulicht: Bietet es sich, wie schon angedeutet wurde 93 , gerade bei "beratungs- und service intensiven Angebotssparten" an, Waren im Wege von Exklusiv-Bindungssystemen Zutreffend insoweit Koeble, S. 48. Der Hersteller wird von dem, was er für seinen good will tun muß, oft genug seine eigenen Vorstellungen haben. Bei Koppelungsgeschäften, § 18 Abs.1 Nr.4 GWB, diente es zur Begründung von Gestaltungen, durch die die Abnehmer zum Beispiel einer Maschine gebunden wurden, auf dieser Maschine weiterzuverarbeitendes Material ausschließlich vom Hersteller der Maschine zu beziehen (ähnliches wurde sehr oft bei Ersatzteilen durchgeführt), weil nämlich anderenfalls die Maschine sehr leicht reparaturanfällig werde und dies dem Ruf des Herstellers schaden könne. Das so verstandene good-will-Argument diente also ausschließlich den Interessen des Herstellers zum Nachteil der Händler. Tatsächlich widerlegt es !:dch selbst; denn besteht wirklich eine so enge technische Abhängigkeit der Maschine von bestimmtem Material, wird jeder Verwender der Maschine schon im eigenen Interesse nur dieses Material kaufen; diese Wechselbeziehung hätte in ihrer Automatik den Interessen des Herstellers Genüge getan. Aber der Umstand, daß diese Klauseln oft genug zum Streit führten, zeigt, daß es mit der technischen Abhängigkeit nicht allzu weit her war. Das Bundeskartellamt ist denn auch vor allem in Ersatzteilfällen erfolgreich eingeschritten; vgl. Jansen, S. 110 m. w. N. 81 Das hat Koeble, S. 48, nicht gesehen. 88 Mestmäcker JZ 1954, 621. 89 Richtig dieser Hinweis von Sand rock, S. 428. 90 BKartA-TB 1965, S. 20; 1971, S. 30. 91 Mestmäcker JZ 1954, 621 (623; ähnlich S.624); er vergißt aber auch die Einschränkung nicht, daß die Schwierigkeit bei der Markterschließung zum Teil darin begründet liegt, daß der Markt durch Exklusiv-Bindungssysteme abgeschottet ist; vgl. zu letzterer Erscheinung BKartA-TB 1969, S. 32 (siehe auch S. 104 f.). 92 Belke, S. 216, 220, sieht die Situation allerdings etwas zu einseitig, wenn er das Absatzrisiko des Händlers gegenüber dem des Herstellers allzu sehr betont. Verwirklicht sich das Risiko beim Händler, ist auch der Hersteller mit seiner Marke am Ende und muß sich neu orientieren. 93 Oben, Text ab Fn. 68. 85 86
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über den sachkundigen Einzelhandel zu vertreiben, so behält der Einzelhandel zunächst eine sichere Einnahmequelle auch dort, wo große "Verbrauchermärkte" als leistungsstarke Konkurrenten auftreten, bei denen es aber jene gebundenen Waren nicht gibt94 • Indes 95 müssen sich diese Leistungen des Einzelhandels dann zwangsläufig verteuern, weil ihm die Absatzmöglichkeit hinsichtlich nicht gebundener Waren genommen wird, damit aber zugleich die Voraussetzungen einer Mischkalkulation. Dann ist es aber nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Kundschaft nach Substitutionsprodukten für die gebundenen Waren umgesehen haben wird. - Der Zwang für den Verbraucher herauszufinden, welche Markenartikel durch andere (oder auch ganz einfach durch beliebige andere Produkte) funktionell substituierbar sind 96 , stellt sich freilich als allgemeiner Nachteil97 in der Folge von ExklusivBindungssystemen dar, die im Wege der Markenpflege einen "Sondermarkt" für bestimmte Artikel schaffen 98 • Doch kann entgegen der insoweit schlechthin unrichtigen Auffassung von Ernestus9~ keine Rede davon sein, daß diese Konsequenz erst dann herbeigeführt werden dürfe, wenn die Käuferpräferenzen für eine gewisse Ware ein bestimmtes Gewicht erreicht hätten. Diese Meinung interpretiert in § 18 GWB eine Einschränkung hinein, die weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn entnommen werden kann. Exklusiv-Bindungssysteme sind ebenso wie Werbung an sich auch zulässig zur Steuerung von Käuferpräferenzen10o ; das marktwirtschaftliche System gestattet es auch, Bedarf erst zu wecken101 • Und Ernestus übersieht auch, daß mit dem Kauf von Waren Statusinteressen verbunden sein können: Die Werbung darf zunächst einmal auf den Snob abstellen, der eine Ware nachfragt, solange und soweit sie von anderen Kunden nicht verlangt wird (Snob-Effekt102), oder solange und soweit diese sie nicht bezahlen können (Veblen-EfVgl. Kisseler WRP 1979, 7 (9). Vgl. auch zum folgenden Kisseler, aaO. 96 Vgl. zu dieser Schwierigkeit Belke, S.223 und im übrigen S. 217; ebenfalls skeptisch die Stellungnahme der Bundesregierung zum BKartA-TB 1971, S.Vf. 97 Deshalb klingt es etwas zu euphorisch, wenn Lehmpfuhl, S. 102, hervorhebt, der ganze Wettbewerb diene dem "Wohle der Allgemeinheit". Diese hat indes nicht nur seine Auswüchse zu tragen, sie bezahlt ihn auch im übrigen. 98 Richtig Belke, S. 6. 94 95
9~
Ernestus, S. 261.
Die Begründung, S. 15, geht davon aus, daß der "Konsument" "Lenker des Wirtschaftsgeschehens" sei. 101 Etwas zurückhaltender, aber mit gleicher Tendenz die Stellungnahme der Bundesregierung zum BKartA-TB 1971, S. VI. 102 Vgl. zu diesem Effekt und zu den im folgenden benutzten Begriffen "Veblen-Effekt" und "Bandwagon-Effekt" Sandrock, S.175 (Text und Fn.23 bis 25). 100
8"
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fekt); auf diese Weise wird die Werbung mit der Zeit andere Kundenschichten nachziehen (Bandwagon-Effekt), woran ihr wegen der größeren Abnehmerzahl auch dann gelegen sein kann, wenn sie den Snob verliert. Solange aber dieses Stadium nicht eingetreten ist, empfiehlt es sich, die Ware über Exklusiv-Bindungssysteme einzuführen und abzusetzen; so wird nicht nur die Ware "exklusiv" in jenem besonderen Sinn des Wortes, sondern auch der Kunde, der durch ihren Kauf sein eigenes Prestige erhöht (wobei es ausreicht, wenn er nur daran glaubt). Die wirtschaftliche Notwendigkeit der Exklusiv-Bindungssysteme vor allem für Waren, mit denen gewerbliche Ausschlußrechte verbunden sind, verleiht § 18 GWB eine Komplementärfunktion zu eben diesen Schutz rechten. Auch § 18 GWB erläutert demnach, wie mit einem Ausschluß recht verfahren werden darf, und wenn Raisch schreibt103 : "Die Immaterialgüterrechte oder gewerblichen Schutzrechte weisen dem Berechtigten, z. B. dem Erfinder, bestimmte Benutzungsarten zu, in denen sich der gewerbliche Wert seiner Leistung äußert", so gilt für § 18 GWB, der die Möglichkeit der Nutzung von Ausschlußrechten ausdehnt, ein Gleiches104 . 105. 106. Nun scheint hier (wie Marx es ausdrückt107 :) eine "Antinomie" zwischen Kartellrecht und gewerblichem Rechtsschutz zu bestehen, denn das Kartellrecht wendet sich - jedenfalls grundsätzlich - gegen Marktvermachtung, die gewerblichen Schutz rechte aber gewähren ihren Inhabern ein Monopop08 hinsichtlich des geschützten GeRaisch, Unternehmensrecht 1, S. 103 Fn. 123. 104 Der Funktionsbeschreibung tut es keinen Abbruch, daß der historische Hintergrund des Schutzes von Exklusiv-Bindungssystemen möglicherweise in eine andere Richtung wies. Krasser, Vertragliche Rechte, S.305, teilt die These mit, daß im Anschluß an die große Wirtschaftskrise eine gewisse Wettbewerbsmüdigkeit eingetreten sei, auf Grund deren diese Systeme, "die den Wettbewerb auf der Handelsstufe entschärfen, als willkommene Ordnungsfaktoren" erschienen. 105 § 18 GWB müßte demnach systematisch richtiger der Regelung jener Ausschlußrechte inkorporiert sein, doch war seine Aufnahme in das GWB deshalb einfacher und mithin angebracht, weil er anderenfalls in jedem der einschlägigen Gesetze hätte wiederholt werden müssen; im übrigen konnte auch nur so klargestellt werden, daß Exklusiv-Bindungssysteme auch für Waren zulässig sind, denen keine gewerblichen Schutzrechte zugrundeliegen. - Die Lage ist also insgesamt anders als bei der Normierung der Ausnahmebereiche im GWB, wo der Vorbehalt spezialgesetzlichen Legiferierens schlechterdings überflüssig und mithin verfehlt ist; vgl. die Kritik bei Raisch / van Venrooy / Welke-Chlosta, S. 82 und passim. 108 Vom Rechtspolitischen her ist dieser Hintergrund vergleichbar mit der weiteren Zulassung von Preisbindungen für Verlagserzeugnisse; siehe dazu oben, Fn. 75 und Text ebenda. 107 Marx, S. 114. Es ist nicht recht verständlich, wie er zu dieser Auffassung gelangt, ist er doch - ebenso wie es hier im folgenden Text vertreten wird - der Meinung, daß die Ausschlußrechte erforderlich seien, um den Fortschritt zu sichern. 108 Emmerich, S.114; Hirsch, S. 130 f.; Marx, S.114; Raisch / van Venrooy / Welke-Chlosta, S.31; K. Schmidt, Kartellverbot, S.112. Vgl. auch das Zitat 103
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genstandes log • Hierbei ist gleichgültig, daß ein Schutzrecht, insbesondere ein Patent seinem Inhaber nur in den seltensten Fällen ein "Monopol" im Sinne der Wirtschaftstheorie verschafft llO , obwohl immerhin ein monopole de fait in der Konstellation rein zufälliger Konkurrenzlosigkeit ll1 bestehen kann, solange die Verbraucher die Substituierbarkeit eines geschützten Produkts, das immer Markenartikel sein wird, noch nicht erkannt haben112• Indes - und auch das ist wieder nur ein Fall, in dem praktische Konkordanz angestrebt wird - sind die gewerblichen Schutz rechte unverzichtbar als Garantie materiellen Ertrags aus Erfindungen und sonstigen Neuerungen, mithin als Anreiz, den wirtschaftlich-technischen Fortschritt in Gang zu halten, Vorsprung vor Konkurrenten zu erlangen und damit letztlich Konkurrenz selbst zu fördern 113• Dieses Ergebnis, nämlich daß dann ja doch erreicht wird, was auch das GWB erstrebt, Wettbewerb also, ist ebenso erstaunlich wie unvermeidbar. Man darf schon von vornherein nicht vergessen, daß es im Wettbewerb nur darum geht, auf Kosten des Wettbewerbers Vorteile zu erlangen, daß dies mittelbar aber nur dadurch ermöglicht wird, daß man den potentiellen Kunden etwas bietet, durch "Inaussichtstellen möglichst günstiger Geschäftsbedingungen'C114, was im Verhältnis zum Mitwettbewerber nur auf der Grundlage eines Fortschritts denkbar ist, den jener noch nicht erreicht hat115• bei Möschel, S.57. Siehe in diesem Zusammenhang Sandrock, S. 427: "Patente und andere, nicht geschützte Erfindungsleistungen können die Position des Herstellers besonders festigen." 109 Raisch, Mißbrauch, S. 357 (390). 110 Worauf Sandrock, S. 447 f., so viel Wert legt. Immerhin gesteht er auch zu, S. 448 f., daß durch Patentverleihung zumindest ein geschlossener Teilmarkt entsteht. Auf der Grundlage einer solchen engen Auffassung vom "Monopol" ist wohl Rittner, S. 132 f., zu seiner pauschal ablehnenden Haltung gelangt. Indes sind Monopol und marktbeherrschende Stellung nicht ohne weiteres deckungsgleich. Monopolist ist abgesehen von den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB auch, wer allein ein bestimmtes Produkt herstellt, mag es auch mit anderen Waren im Substitutionswettbewerb stehen; zu letzterem außerdem sogleich im Text. 111 Vgl. Belke, S. 95. m Vgl. zu diesem Problem, dessen Lösung stets den Abnehmern obliegt, schon oben, Text bei Fn. 96. 113 Vgl. Belke, S. 84; Ernestus, S.47 (Differenzierungen sind wettbewerbsfördernd); Kraft, S.247; Krieger GRUR 1979, 350 ff.; Marx, S. 114 f. In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis Sandrocks, S.67, von Interesse, daß die von einem Außenseiter eingeführte Exklusiv-Bindung sehr wohl in der Lage sei, einen geschlossenen Markt aufzubrechen; auf S. 425 f. betont er das legitime Interesse eines solchen Außenseiters, ein Exklusiv-Bindungssystem zu errichten. Siehe dazu auch Mestmäcker JZ 1954, 621, 623 f. 114 So Borchardt / Fikentscher, S. 15. 115 Krieger GRUR 1979, 350 (351), mit besonderem Akzent (S. 352 f.) darauf, daß es gerade die kleineren und mittleren Unternehmen seien, die der gewerblichen Ausschlußrechte bedürfen, weil große Unternehmen sich ohnehin am Markt durchsetzen könnten. Dieser Hinweis ist deswegen so interessant,
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
Was sich an diesem Beispiel als richtig bestätigt hat, ist nichts anderes als die wirtschaftswissenschaftliche ErkenntnisllO , daß Wettbewerb stets auf Vormachtstellungen abzielt, daß also Konkurrenz nur als monopolistische denkbar ist. Soweit damit nur die Beschreibung eines Phänomens vorgetragen wird, ist diese Lehre inzwischen anerkannt; im übrigen ist zugestandenermaßen nach wie vor unklar, wie unerwünschte von erwünschter Marktmacht zu trennen, wie Wettbewerb von seiner Beschränkung abzuheben sei117• 118• Für Exklusiv-Bindungssysteme aber ist durch § 18 GWB die Entscheidung des Gesetzgebers getroffen worden: Sie sind erlaubt; sie sind Rechtens; sie sind Teil des Wettbewerbssystems, das das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sichern soll119. Die Einsicht um das monopolistische Element der Konkurrenz 12o weil ja auch die Exklusiv-Bindungssysteme selbst dieser Art von Unternehmen helfen sollen (vgl. oben, Erster Abschn., 4 e), Text ab Fn. 151). 116 Hier wird den Wirtschaftswissenschaften nur eine Information entnommen; sie erfüllen also insoweit eine Hilfsaufgabe; vgl. Rebe, S.39. Es geht demnach nur um die Mitteilung eines Ist-Zustands, nicht um eine Inkorporation der Wirtschaftswissenschaften in die Rechtswissenschaften. Eine Auffassung, das Kartellrecht könne überhaupt nur mit Hilfe der Wirtschaftswissenschaften sinnvoll angewandt werden, muß zurückgewiesen werden; für den Begriff des Wettbewerbs ist das mit aller Deutlichkeit ausgesprochen worden etwa bei Raisch 1van Venrooy 1Welke-Chlosta, S. 4 ff., 7. Geäußert worden ist jene Ansicht auf wirtschaftswissenschaftlicher Seite etwa von I. Schmidt JZ 1967, 247, und auf juristischer Seite etwa von Sandrock, S. V, 3 ff.; selbst die dort, S. 27 ff., gemachte Einschränkung nimmt die Wirtschaftswissenschaften zur Grundlage (kritisch jedenfalls gegenüber der Wirtschaftspolitik, S. 69). Zweifelhaft die Darstellung im BKartA-TB 1968, S. 12 f. 117 Formuliert in Anlehnung an J. F. Baur JZ 1978, 586 (589). 118 Der Akzent wird zu negativ gesetzt, wenn man wie Rebe, S. 1 ff., im wesentlichen auf die von Karl Marx vorgebrachte Kritik einer noch durchweg staatlich unbeeinflußten Wettbewerbswirtschaft abstellt. Daß Karl Marx durchaus nur das System seiner Zeit vor Augen hatte, kommt an der von Rebe, S. 1, unvollständig zitierten Stelle im Kapital, Band 1, S.377, deutlich zum Ausdruck. Auf S. 4 erkennt Rebe immerhin an, daß das marktwirtschaftliche System in Westdeutschland funktioniert. Allerdings hätte er von seinem Ausgangspunkt erklären müssen, wie das trotz nach wie vor monopolistischer Konkurrenz eigentlich sein kann. Vom hier vertretenen Standort aus wäre das überflüssig, denn diese Art der Konkurrenz ist eben der Grund des Funktionierens. 119 Biedenkopf folgend erkennt Jansen, S. 19 f., eine Wettbewerbsförderungsfunktion der Exklusiv-Bindungen nur an, wenn der relevante Markt im übrigen gestört ist. Indes wird hier in unzulässiger Weise von der durchaus bestehenden Möglichkeit, den Markt durch Exklusiv-Bindungen zu vermachten, auf den Grund für den Abschluß solcher Bindungen zurückgeschlossen. Richtig hingegen betont das LG Düsseldorf WuW/E LG/AG 435 f., 15.2.1978, 12 0 149/77, "Divi", daß die selektive Absatzpolitik ein legitimes Mittel zur Absatzförderung sei und § 18 GWB deshalb "folgerichtig" nur eine Mißbrauchsaufsicht vorsehe. 120 Damit hätte sich korrekterweise die Meinung widerlegen lassen, Exklusiv-Bindungen seien als Mittel des Monopolkampfes a limine abzulehnen. Rittner, S.28, hingegen beschränkt sich auf die Annahme, diese Ansicht habe sich wohl zu sehr von dem Verhalten marktbeherrschender Verbände und Unternehmen leiten lassen.
2. Abschn.: Der Kongruenzbereich von § 18 GWB und § 138 BGB
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hebt den Widerspruch121 auf, daß Wettbewerb auch durch Maßnahmen gefördert werden kann, die sich isoliert betrachtet als wettbewerbsbeschränkende darstellen; Wettbewerb hat nur als widersprüchliches Phänomen eine Existenz122 •
4. Verfahrensrechtliche Abhängigkeit des § 138 BGB von § 18 GWB a) Die Funktionsweise des § 138 BGB
Wollte man angesichts der geschilderten Umstände die Unabhängigkeitsthese - die Auffassung vom unverbundenen Nebeneinander von § 18 GWB und § 138 BGB - weiterverfolgen, so stieße man sich an der soeben festgestellten Präponderanz der in § 18 GWB, also in der Eingriffsnorm selbst, zum Ausdruck gelangten Stellungnahme des Gesetzgebers zugunsten der Exklusiv-Bindungssysteme. Das Gesetz entzieht solchen Systemen eben nur dann die Billigung - die es ihnen zunächst einmal prinzipiell gewährt hat - , wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 GWB vorliegen, soweit diese die Eingriffsbefugnisse der Kartellbehörden betreffen. Mit dieser Darstellung wird die Blickrichtung der Untersuchung gegenüber ihrem bisherigen Verlauf modifiziert: Wurden zunächst Exklusiv-Bindungen betrachtet im Zusammenhang mit der Möglichkeit, daß ihnen auf Grund des § 18 GWB unter den dort normierten Umständen die Wirksamkeit entzogen wird, war also Ausgangspunkt die potentielle GegnersteIlung von § 18 GWB zu existierenden Exklusiv-Bindungen, dient im Weiteren die Einsicht als Grundlage, daß Exklusiv-Bindungen in § 18 GWB ihre positivierte Legitimationsgrundlage gefunden haben, daß mithin Exklusiv-Bindun121 Damit einher geht ein in der Vertragsfreiheit angelegter Widerspruch, den Rittner, S.13, darstellt: Die Vertragsfreiheit gestattet Exklusiv-Bindungen, beseitigt sich damit aber partiell selbst, solange die Bindung dauert; die durch Exklusiv-Bindungen herbeigeführte Teil-Monopolisierung betrifft also nicht nur den Markt, sondern auch den privatautonomen Bereich. Exklusiv-Bindungen sind, um Rittner, S.44, zu zitieren, "Kinder der Vertragsfreiheit" , weshalb eben das Problem ihrer gesetzlichen Regelung eine Rechtsfrage ist: "Es handelt sich darum, die Grenzen der vertraglichen Gestaltungsfreiheit zu bestimmen und die Wahrung dieser Grenzen zu sichern"
(S.56). 122 E. Koch, S. 64, hat recht, wenn er darauf hinweist, daß es den voll-
kommenen Wettbewerb nicht gebe und daß daher den Marktteilnehmem zwangsläufig ein gewisser Markteinfluß zugestanden sei (sollte er allerdings das Kausalverhältnis gemeint haben, hätte er genau umgekehrt formulieren müssen): "Bessere Leistung ... bedeutet Unterschreitung der Marktdaten und Marktbeeinflussung." Wie Konkurrenz als unvollkommene steuerbar ist, hat Clark mit seiner "Gegengiftthese" dargelegt: Er nahm "die Unvollkommenheiten des Wettbewerbs, den unvollkommenen Wettbewerb mithin, als unausweichlich" hin, empfahl aber, "den Wettbewerb auf dem jeweils relevanten Markt durch Hinzufügen marktadäquater weiterer Unvollkommenheiten zu erhalten" (Formulierung von Raisch I van Venrooy I Welke-Chlosta, S.5).
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
gen ohne § 18 GWB nicht denkbar sind. Im folgenden wird also zu prüfen sein, wie diese Entscheidung des § 18 GWB für Exklusiv-Bindungen gegen drohende Eingriffe abgesichert und möglichst effizient gestaltet werden kann. Die potentielle Gegnerstellung, von der soeben die Rede war, wird § 18 GWB genommen und § 138 BGB zugewiesen. Hier wird nun besonders interessant, daß § 18 GWB stets ein Exklusiv-Bindungssystem vor Augen hat, andere parallel geschaltete Rechtsgeschäfte also. Zwar genügt für die Anwendung der Vorschrift im Grundsatz auch eine einzige Bindung, aber - es sei daran erinnert123 - dieser Fall, der nur bezüglich einer Monopolware eintreten kann, ist für die Behandlung der Vorschrift zu vernachlässigenl24 • § 138 BGB jedoch stellt von vornherein nur auf das einzelne Vertragswerk ab, wenn auch - wie hier zur Klarstellung des Standpunkts wiederholt sei - die Zielrichtung beider Vorschriften, nämlich Schutz gegen schwerwiegende Eingriffe in ein Umfeld, das der wirtschaftlichen Ordnung unter dem Aspekt des Allgemeininteresses zugeordnet ist, im Kongruenzbereich gleich ist. Gestattete man nun ein Vorgehen gegen ein solches einzelnes Rechtsgeschäft unter Berufung auf einen Sachverhalt, der dem § 138 BGB zu subsumieren ist, so greift man in ein Exklusiv-Bindungssystem ein, entzieht ihm also einen Bestandteil, damit aber zugleich den Bestandsschutz. Ein solches Ergebnis hingegen vertrüge sich nicht mit der dem § 18 GWB entnommenen Wertung, daß solche Systeme als Ergänzungen zu gewerblichen Ausschlußrechten individuell notwendig, aber obendrein auch dem Wettbewerb insgesamt auf diese mittelbare Weise förderlich sind. Nun wäre dieser Gesichtspunkt de facto - wenn auch selbst dann nicht de iure - unerheblich, wenn der Bindungsverwender im Weg eines auf der Basis des § 138 BGB geführten und zu seinen Ungunsten ausgegangenen Rechtsstreits lediglich einen Teil seines Systems verlöre, dessen Zugehörigkeit zum System eben wegen Verstoßes gegen § 138 BGB von vornherein labil, fehlerhaft125 demnach, war, wenn es also so aussähe, daß der Gebundene, dessen Bindung eine derartige Intensität erfahren hat, daß § 138 BGB auf den Plan gerufen wird - was innerhalb eines einheitlichen Exklusiv-Bindungssystems entweder durch unterschiedlich formulierte Einzelverträge oder durch individuelle Unterschiede in der Situation einzelner Händler bei gleich formulierten Bindungen herbeigeführt werden Siehe oben, Erster Abschn., 4 a). Daß das im folgenden vorgestellte Abhängigkeitssystem zwischen § 18 GWB und § 138 BGB an diesem Fall nicht scheitern darf, versteht sich hingegen; wie er dem System eingepaßt werden kann, wird unten, c ce ddd ecce), gezeigt. 125 Eine vom Wort her denkbare Parallele zu fehlerhaften Arbeits- und GesellschaftsverhäItnissen hilft jedenfalls an dieser Stelle rechtlich nicht weiter; rechtstatsächlich ist die gleiche Interessenlage jedoch von Belang. 123 124
2. Abschn.: Der Kongruenzbereich von § 18 GWB und § 138 BGB
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kann128 - , vollständig aus dem System ausscherte. Hätte ein Individual-Rechtsstreit nur diese Konsequenz, so wäre sie als relativ unproblematisch wohl zuzulassen, dann müßte der Bindungsverwender das Risiko, daß er die Gestaltung seiner Exklusiv-Bindungen individuellen Belangen seiner Händler nicht genügend angepaßt hat, eben tragen. Indes dürfte diese Konstellation die seltenste sein; denkbar ist sie im Grunde nur, wenn der betreffende Gebundene (Händler) sich neu orientieren, sich von der Ware dieses Bindungsverwenders abwenden und seine Tätigkeit bald schon, in naher Zukunft auf andere Produkte abstellen will. Das ergibt sich aus folgendem: Dient § 18 GWB mit dem Schutz von Exklusiv-Bindungssystemen der Realisierung von Werten, die in gewerblichen Ausschlußrechten angelegt sind 127 , damit aber zugleich Aufbau und Pflege der Marktgeltung des Herstellers, so ergibt sich im Rahmen eines solchen Systems eine schon angedeutete128 wechselseitige Abhängigkeit, einmal des Bindungsverwenders von seinen Händlern, deren er zur Entstehung und Aufrechterhaltung von good will bedarfm , und der Gebundenen (Händler) vom Bindungsverwender (wenn man die juristische Seite betrachtet) bzw. von seinem Produkt, wenn man die im vorliegenden Zusammenhang alles entscheidende wirtschaftliche Seite sieht: denn der rechtliche Träger der Produktion mag wechseln; er ist austauschbar und den Gebundenen im Grunde gleichgültig130 ; sie interessiert im wesentlichen die Marke. Aus dieser Abhängigkeit ergibt sich also jedenfalls auf Händlerseite, um die es hier geht, ein Interesse daran, im Exklusiv-Bindungssystem auch nach einem wegen § 138 BGB gewonnenen Prozeß insoweit zu verbleiben, als der betreffende Händler auch weiterhin an der Marktgeltung des Herstellers partizipieren möchte und darauf auch im eigenen wirt128 Der Frankfurter Kommentar, § 19 Tz. 7, weist darauf hin, daß in der unterschiedlichen Strukturierung der Abnehmerunternehmen die Existenz des § 19 GWB ihren Grund habe. Und K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.231, macht darauf aufmerksam, daß die inter-omnes-Wirkung der nach § 138 BGB ergangenen Entscheidungen häufig eben deshalb Theorie bleiben werde, weil es sich um eine konkretisierungsbedürftige Generalklausel handele. 127 Vgl. die Formulierung von Raisch, Unternehmensrecht 1, S. 103 Fn. 123. 128 Oben, 3 b), Text ab Fn.80. Auch hier sei darauf verwiesen, daß diese Abhängigkeit als solche noch rechtlicher Würdigung zugeführt wird (vgl. unten, b bb». 129 Vgl. etwa die Formulierung von LG Nürnberg-Fürth WuW/E LG/AG 442 (443), 4.8.1978, 4 HK. 0 2906/78: "das vom Prinzip der Fachhandelstreue getragene Vertriebsbindungssystem". 130 Wenn sie auch gegen den Nachfolger die Rechte aus der Bindung geltend machen können. Dafür sorgt jedoch schon der Bindungsverwender durch entsprechende rechts geschäftliche Gestaltung, denn das Exklusiv-Bindungssystem macht selbst einen Teil seines good will aus, und er wird stets daran interessiert sein, die Rechte aus solchen Verträgen zusammen mit seinem Unternehmen veräußern zu können, wenn er das überhaupt beabsichtigt.
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
schaftlichen Interesse Wert legen muß, also die Produkte dieses Herstellers nach wie vor beziehen will. Kurz: Der ihm aufoktroyierten Nachteile entledigt er sich, die Vorteile aus seinem Rechtsgeschäft mit dem Hersteller will er aber auch fürderhin genießen - Ausdruck seines legitimen Strebens nach Gewinnmaximierung als Prinzip allen wirtschaftlichen HandeIns. Bürgerliches Recht gestattet ein solches Ergebnis, denn die sittenwidrige Bindung wird durch § 138 BGB vollständig vernichtet, da diese Vorschrift nur ein Ziel kennt: Entfernung des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts aus der Rechtsordnung, jedoch kein Maß, also keine Anpassung des sittenwidrigen Geschäfts an die Erfordernisse des § 138 BGB. Bei anderer Auffassung ließe man die besonders von Kötz l31 , Tiedtke l32 und P. Ulmer l33 zuletzt noch herausgestrichene Abschreckungsfunktion des § 138 BGB außer acht, geriete aber auch in Schwierigkeiten, den Erfordernissen logischer Begründung zu genügen. Das aber ist in der Rechtsprechung bei weitem nicht immer beachtet worden. So paßt es nicht zu § 138 BGB, daß ein Bierlieferungsvertrag mit einer über 20 Jahre hinausreichenden Laufzeit nur für den 20 Jahre überschreitenden Zeitraum für nichtig "erklärt" wurdelM • Eine andere BGH-Entscheidung formuliert hier eindeutigl35 : "Könnte derjenige, der seinen Vertragspartner in sittenwidriger Weise übervorteilt, damit rechnen, schlimmstenfalls durch gerichtliche Festsetzung das zu bekommen, was gerade noch vertretbar und damit sittengemäß ist, verlöre das sittenwidrige Rechtsgeschäft für ihn das Risiko, mit dem es durch die vom Gesetz angedrohte Nichtigkeitsfolge behaftet sein soll." Erstaunlicherweise soll das aber auch nach dieser Entscheidung - und auf eben dieses Argument stützte sich die zuvor genannte Entscheidung - dann anders sein, wenn durch analoge Anwendung von § 139 BGB der sittenwidrige Teil exakt ausgeschieden werden könne 138• Das ist kaum nachvollziehbar: Für die analoge Anwendung des § 139 BGB 131 132 133
Kötz NJW 1979, 785 (787 Fn. 14).
Tiedtke NJW 1978, 2572 (2573). P. Ulmer NJW 1979, 81 (86): "methodische Problematik eines solchen
Vorgehens". 134 Hierzu und zum folgenden BGH NJW 1972, 1459, 14.6.1972, VIII ZR 14/71; ohne Kritik wiedergegeben bei Koeble, S.18 Fn.25. - Kritik an der hinsichtlich der Anwendung von § 138 BGB zu distanzierten Rechtsprechung bei Krasser, Vertriebsbindungen, S. 254 f. 135 BGH NJW 1977, 1233 (1234), 21. 3.1977, 11 ZR 96/75; ebenso BGH NJW 1979, 1605 (1606), 13.3.1979, KZR 23/77. 138 Ebenso BGH NJW 1979, 865 (866), 17.1. 1979, VIII ZR 262/77. Die auf § 139 BGB basierende Rechtsprechung wird bei Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.41, mitgeteilt. - Nunmehr offengelassen jedenfalls für eine parallelgeschaltete Dienstbarkeit von BGH NJW 1979, 2149 (2150 a. E.), 13.7.1979, V ZR 122/77.
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hätte es einer dogmatischen Voraussetzung, nämlich der Feststellung einer Lücke, bedurft. Schon daran läßt es der BGH fehlen. Er hätte sie aber auch nicht finden können, weder auf dem von ihm eingeschlagenen Weg; auf ihm verwechselt er einfach eine von Sinn und Zweck des § 138 BGB bestimmte Interpretation mit einer Suche nach dogmatischen Möglichkeiten, sich über das gefundene Interpretationsergebnis hinwegzusetzen - noch von der Sache her: § 139 BGB geht davon aus, daß Nichtigkeit eingetreten ist, läßt also (auch) § 138 BGB zuvor voll durchgreifen; es kommt mithin nicht einmal eine Abwägung zwischen § 138 BGB und § 139 BGB in Betracht; zugleich sagt das aber, daß der Bereich, den der BGH erst einer Regelung zuführen möchte, bereits geregelt ist. Endlich offenbart diese Rechtsprechung aber auch eine logische Unvollkommenheit: Wenn der BGH137 schreibt: "Je länger der Zeitraum ist, für den ausschließliche Bezugsverpflichtungen übernommen werden, desto näher liegt der Schluß, daß die wirtschaftliche Freiheit des Gastwirts in einer Weise beschränkt wird, die den an das Wirtschaftsleben zu stellenden Anforderungen von dem, was billig und gerecht ist, nicht mehr entspricht", dann kommt darin der angesichts des § 138 Abs. 1 BGB einzig richtige Grundsatz zum Ausdruck, daß das Rechtsgeschäft in seiner Gesamtheit zu würdigen ist. Teilte man es - jedenfalls auf der Grundlage des vom BGH gewünschten Ergebnisses, mit dieser Zielrichtung also - nach § 139 BGB auf, so erhielte man zwei Rechtsgeschäfts-Teile (die nach dem Willen des BGH Teil-Rechtsgeschäfte sein sollen), die beide gültig wären, also gerade nicht nichtig, wie es § 139 BGB doch verlangt. Hielte man dem entgegen, daß die nur "analoge" Anwendung des § 139 BGB eben darin bestehe, daß man aufteile, was zuvor nicht geteilt gewesen sei, so offenbarte sich ein weiterer Denkfehler: Daß bei einer solchen Operation auf der Grundlage des § 139 BGB nun ausgerechnet ein Ergebnis herauskommen soll, das so aussieht, daß es nicht mehr gegen § 138 BGB verstoßen kann, ist § 139 BGB nämlich nicht zu entnehmen. § 139 BGB enthält dafür, wie die Aufteilung denn vorzunehmen sei, keinen Maßstab. - So muß es dabei bleiben: Diese Rechtsprechung ist ein Verstoß gegen den von ihr im Regelfall richtig verstandenen Sinn des § 138 BGB13B • BGH NJW 1970, 279, 2. 10. 1969, KZR 10/68. Ob auch das OLG Köln NJW 1979, 221, 27.6.1978, 3 U 5/78, die Tragweite des § 138 BGB außer acht gelassen hat, kann dem veröffentlichten Teil der Entscheidung nicht entnommen werden. Jedenfalls hatte die Klage nur wegen der Hauptsumme und der "Zinsen", nicht aber wegen der Kosten, Erfolg, weil anderenfalls die Effektivzinsbelastung auf über 30 % gestiegen wäre und das Gericht das nicht mehr hinnehmen wollte. Wahrscheinlich also ist die Entscheidung mit § 138 BGB unvereinbar. Richtig dagegen LG Frankfurt NJW 1978, 1925, 11.5.1978, 2/23 0 506/77. Unklar BGH NJW 1979, 365 (366), 9.11. 1978, VII ZR 54/77: Der BGH ist hier möglicherweise der Ansicht, 137
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
Indes gibt es auch Stimmen in der Lehre, die die Wirksamkeit des § 138 BGB gern beschnitten sehen möchten. So will Heyn139 bei Buchwertabfindungen140 das eigentlich aus § 138 BGB folgende Ergebnis über § 242 BGB korrigieren. Ist das schon dogmatisch gewagt, ist es doch entgegen der von ihm geäußerten AuffassungUI gerade die "Allesoder-Nichts-Lösung", die dem § 138 BGB erhalten bleiben muß, denn sie macht seine Schlagkraft aus. Sie ist auch nicht "unbillig"; "unbillig" ist vielmehr nur, daß in Gesellschaftsverträgen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" bis zum Äußersten auf die Probe gestellt wird. Wer so verfährt, ist das Risiko, daß § 138 BGB eingreift, eingegangen. Es ist unerfindlich, warum ihm dann dessen Folgen erspart bleiben sollenU!. Das verkennt auch de BronettU3 , immerhin auf der Grundlage einer interessanten Konstruktion: Er geht davon aus, daß der Inhaber eines tatsächlichen Monopols einem Kontrahierungszwang aus § 826 BGB unterliege144 ; der Bindungsverwender habe ein solches MonopoP45; die Verträge, an denen er beteiligt sei, müßten daher unter dem Aspekt des § 138 Abs. 1 BGB141 so ausgelegt werden, daß die Vertragsfreiheit der Gebundenen nicht in einer gegen § 138 BGB verstoßenden Weise eingeschränkt werde. Abgesehen davon, daß die Monopolrechtsprechung ein solches Ergebnis nicht herbeiführen würde, ist hier schon der Ausgangspunkt nicht zu billigen: über § 826 BGB sollte der Bezug wichtiger Güter gesichert werdenl47 ; der Gebundene aber wird ohnehin beliefert. Aber auch die weitere Argumentation überzeugt nicht; sie zeigt jedoch, wie weit letztlich auch die Rechtsprechung gehen könnte und wie falsch der Weg ist, auf dem sie sich befindet: Es ist ein unmögliches Vorgehen, Verträge so "auszulegen", eine Anpassung per Auslegung sei zulässig. Aber auch das ist nicht der Fall; es kann vom Sinn des § 138 BGB ausgehend nicht einmal eine salvatorische Klausel hingenommen werden, die eine nichtige Vertragsbestimmung selbst (also nicht den übrigen Teil des Vertrags; hierzu durchaus richtig BGH NJW 1979, 805 f., 9. 11. 1978, III ZR 21/77) auf ein zulässiges Maß zurückführen will. 139 Heyn, Grenzen, S. 271 (285); ebenso Esch NJW 1979, 1390 (1393 f.). 140 Dazu jüngst noch der Aufsatz von Flume NJW 1979, 902. 141 Heyn, Grenzen, S. 271 (286). 142 Eine Erklärung dafür vermißt man auch bei Erman, Abfindung, S. 75 (77 f.), der ebenfalls einer einschränkenden Anwendung des § 138 BGB auf gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln das Wort redet. - Ob Kratts Interessenabwägungskonzept (vgl. insbesondere S. 129) der hier vertretenen Auslegung des § 138 BGB entgegengesetzt ist, kann nicht ausgemacht werden. 143 De Bronett RIW/AWD 1978, 767 (769 f.l. 144 Vgl. zur Monopolrechtsprechung aus § 826 BGB Belke, S. 282 ff., 419 ff.; Inga Schmidt-Syaßen, S. 35 ff. 145 Siehe sogleich zu den Unterschieden von Diskriminierungsverbot und Monopolrechtsprechung Mestmäcker, Normative Kraft, S. 325 (334 ff.). UI Womit wohl ein Gleichlauf von § 138 BGB und § 826 BGB dargelegt werden sollte. 147 Richtig die Akzentsetzung bei Lehmptuhl, S. 39.
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daß § 138 BGB leerläuft; eine solche Auslegung verstieße gegen § 138 BGB selbst148• Nun müßte eigentlich der abtrennbare Teil des Rechtsgeschäfts, nämlich die übereinkunft hinsichtlich der Belieferung, auf Grund des § 139 BGB der Bindung in der Nichtigkeit folgen 148 ; aber hier greift sehr richtig die auf Sinn und Zweck des § 138 BGB abstellende restriktive Interpretation des § 139 BGB1SO ein l51 , die dazu führt, daß der Lieferungsanspruch des (zuvor) sittenwidrig Gebundenen· bestehen bleibt152 • Dieses Ergebnis ist richtiger Ausdruck eines allgemeinen, einzig in § 817 Satz 2 BGB positivierten, dem römischen Recht schon bekannten und jüngst von Knütel vielleicht zu abwertend als "mittelalterliche Parömie" bezeichnetenlS3 Grundsatzes, nämlich nemo auditur propriam turpitudinem allegans, der auf die vorliegend behandelte Sachverhaltskonstellation abgestellt lauten würde: Niemand kann eine Belieferung deshalb verweigern, weil er zu ihr nur unter sittenwidrigen Bedingungen bereit war1S4• 148 Der im französischen Recht arbeitende Autor (0. Fn. 143) hat sich bei seiner Lehre vielleicht zu sehr von der etwas positiveren Haltung gegenüber der Gültigkeit von Verträgen beeinflussen lassen, die das französische Recht im Verhältnis zum deutschen auszeichnet, und wie sie insbesondere in den Auslegungsregeln der Art. 1156 ff. ce, in Art. 1125 ce (der Vorschrift, die anordnet, daß derjenige, der mit einem Nicht-Vertragsfähigen kontrahiert hat, das nicht selbst geltend machen kann) und im Gesetz über wucherische Darlehen (Loi n° 66-1010 du 28 decembre 1966 relative a l'usure, aux prets d'argent et a certaines operations de demarchage et de publicite) zum Ausdruck kommt. Gleichwohl bringen Art. 1133, 1131 ce eine dem § 138 BGB zumindest nahekommende Regelung. - Der Hinweis soll nicht unterlassen werden, daß de Bronetts Konstruktion nicht neu ist (nullum est iam dictum quod non dictum sit prius): Schon Nipperdey, Kontrahierungszwang, S.99 (billigend Belke, S.434), vertrat sie für Fälle gleichmäßiger sittenwidriger Bedingungen, aber eben nur im Zusammenhang mit der Monopolrechtsprechung. Die Annahme einer "Vertragskorrektur" war aber gar nicht erforderlich. Soweit dem Abnehmer der Belieferungsanspruch verbleiben mußte, konnte von Sinn und Zweck des § 138 Abs. 1 BGB her argumentiert der § 139 BGB jenen ohnehin nicht erfassen, und über den Preis mußte man sich dann eben einigen (zu § 315 BGB in diesem Zusammenhang vgl. Belke, S. 435). Der oben folgende Text befaßt sich mit dem Problem des § 139 BGB. 148 So in der Tat Biedenkopf, S. 236, für den Fall der kartellbehördlichen Unwirksamkeitserklärung. 150 Sie ist oben, Fn. 148, schon angedeutet worden. 151 Ebenso E. Koch, S. 126, für den Fall des verbotswidrigen Koppelungsgeschäfts. 151 Die schon einmal (oben, Fn. 125) jedenfalls prinzipiell für möglich gehaltene Parallele zum Gesellschaftsrecht erweist sich hier als richtig. P. Ulmer NJW 1979, 81 (85), schreibt: "Darüber, daß die Gesamtnichtigkeitsvermutung des § 139 BGB auf Gesellschaftsverträge regelmäßig unanwendbar ist, herrscht in der Gesellschaftsrechtsdiskussion im wesentlichen Einigkeit" (m.w.N.). 163 Knütel, Diligenzpflichten, S. 559 (574 Fn. 80). 164 Freilich erinnert das Verhältnis Lieferungsanspruch I Exklusiv-Bindung auch an die allgemeine Relation von Schuldverhältnissen und sie sichernden
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
So zeigt sich aber letztlich, daß auf § 138 BGB gestütztes individuelles Vorgehen nach bisheriger Doktrin in der Lage ist, innerhalb eines Systems von Exklusiv-Bindungen zwei Klassen von Abnehmern des Bindungsverwenders zu schaffen: Die eine Gruppe bezieht die Waren des Bindungsverwenders und ist belastet mit der Exklusiv-Bindung, die andere Gruppe hingegen (bzw. der einzelne auf Grund des § 138 BGB von Bindungen befreite Abnehmer) kann sich auf den Bezug der Ware beschränken; ausschließlich gebunden ist sie nichtl55 • b) Das Problem der Lück.enhaftigkeit
aal Der Stand von Lehre und Rechtsprechung Es liegt auf der Hand, daß diese Konsequenz nicht hingenommen werden kann156 • Die dargestellte, aus § 18 GWB zu entnehmende Entscheidung des Gesetzgebers für Systeme von Exklusiv-Bindungen würde sie in zweierlei Hinsicht konterkarieren: Der Bindungsverwender hätte Abnehmer in seinem System, die gar nicht verpflichtet sind, seine Marke zu pflegen, die sich vielmehr jederzeit einer gewinnträchtigeren Marke zuwenden oder diese zusätzlich übernehmen können, ohne deshalb den Vertrieb seiner Ware einstellen zu müssen. In bezug auf sie wäre also die Komplementärfunktion des § 18 GWB zu den gewerblichen Ausschlußrechten beseitigt. Zum anderen - und dieser Gesichtspunkt ist für den Bindungsverwender wirtschaftlich schlechthin ausschlaggebend - wird sein Exklusiv-Bindungssystem Zückenhaft 151 • 158. 159, Abreden. So zieht etwa die Nichtigkeit einer Vertragsstrafe nicht die des gesicherten Rechtsgeschäfts nach sich (zurückhaltend in der Formulierung Palandt / Heinrichs, § 343 Anm. 1 b; deutlich aber Art. 1227 AbS.2 ce - herangezogen als Ausdruck dessen, was ohnehin richtig ist -, dessen Abs. 1 dem § 344 BGB entspricht). 155 Aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des BGH GRUR 1968, 95 (100), 26.4.1967, I b ZR 22/65, wo die Sittenwidrigkeit einer Verleitung zum Vertragsbruch eines exklusiv Gebundenen daraus hergeleitet wird, "daß derjenige, der den Vertragsbruch des Vorlieferanten herbeiführt, darauf baut, daß die Bindung, der er sich entzogen hat, für seine Wettbewerber bestehen bleibt". IS6 In die gleiche Richtung tendiert eine kurze Bemerkung von Lehmpfuhl, S.69 (vgl. auch S. 62); er meint allerdings, das Problem damit lösen zu können, daß § 26 Abs.2 GWB (hinsichtlich Außenseiter) nur auf eindeutige Subsumtionsfälle angewendet werde. Das aber ist eine untaugliche Methode: Kein Rechtsanwender wird einem anderen verwehren, daß er in der Subsumtionsfrage eine andere Meinung vertritt als er selbst; für ihn ist das Ergebnis aber stets eindeutig, denn sich stellende Rechtsfragen sind eben zu entscheiden, ohne daß die Möglichkeit eines Zweifels bliebe, der nur vor der Entscheidung seinen Platz hat. 151 Fraglich ist, ob diese Konsequenz R. Liebs bei seinem auf S. 106 angeführten Beispiel nicht interessiert. 158 Für Eingriffe der Kartellbehörde in Preis bi ndungs systeme ist diese Konsequenz immerhin schon erkannt worden; vgl. Schwartz, in: Gemein-
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und es versteht sichuo - jedenfalls für Preisbindungen war das stets anerkannt -, daß dieser Fall nicht eintreten darf 181 • 162 , soll nicht das ganze System an den Rand des Abgrunds geraten. Das allerdings ist im folgenden näherer Betrachtung zu unterziehen. LückenlosigkeitU3 als Erfordernis von Exklusiv-Bindungssystemen, als ihre Eigenschaft, von der sie leben, ihr Substrat also, taucht in gesetzlichen Vorschriften nicht auf1G4 ; daher bedarf sie der Erläuterung, derentwegen nur ein Rekurs auf die Lehre möglich ist. Zu unterscheiden sind zwei Formen der Lückenlosigkeit, zum einen die theoretische 165 Lückenlosigkeit1B6 , auf Grund deren zu prüfen ist, ob der Bindungsverwender seine Exklusiv-Bindungen - Vertragstreue der Gebundenen vorausgesetzt - einheitlich durchsetzen kann; zum anderen die praktische LückenlosigkeitU7 , die feststellt, ob die einheitlichen vertraglichen Exklusiv-Bindungen tatsächlich eingehalten werden168 ; letztere stellt also vor allem die Frage danach, ob der Bindungsverwender schaftskommentar, § 19 Rdnrn. 12, 21. Interessant ist auch der Hinweis von Schmitt, S. 178, durch Entscheidungen zu § 26 Abs.2 GWB dürften nicht nach § 18 GWB unangreifbare Systeme durchlöchert werden. Im übrigen ist natürlich Mestmäcker JZ 1954, 621 (622), zu folgen, wenn er schreibt, ein kartell-
behördlicher Eingriff erfasse hier - im Gegensatz zum Kartell - eine Vereinbarung und nicht eine Organisation; wenn aber ein Unternehmen nur auf der Grundlage solcher Vereinbarungen leben kann, sind die Eingriffsfolgen in gleicher Weise wie beim Kartell schwerwiegend. 159 Eine Reihe von Beispielen zur Preisbindung findet sich im BKartA-TB 1965, S. 50 f. Im BKartA-TB 1972, S.77, wird außerdem darauf hingewiesen, daß wegen § 34 GWB nichtige Preisbindungsübereinkommen zu Lückenhaftigkeit des Systems führen. 180 Vgl. dazu auch BKartA-TB 1961, S. 21 f. 161 Vgl. nur als Beispiel LG Nürnberg-Fürth WuW/E LG/AG 439 (440), 21. 4.1978, 4 HK 0 1576/78, "Grundig-EG-Vertriebsbindung": Darlegung der Lückenlosigkeit eines Exklusiv-Bindungssystems als Voraussetzung der Begründetheit eines Antrags auf einstweilige Verfügung (nach § 25 UWG; mit Darlegungen zur Rechtslage nach dem UWG und zum Beweisrecht, S. 442). Es handelt sich hier um einen typischen Außenseiterfall. 162 Eine interessante Möglichkeit, Lückenhaftigkeit zu verhindern, eröffnen Produkte, die gar nicht oder nur mit erheblichem technischem Aufwand einem bestimmten Produzenten zugeordnet werden können. So besteht die übung, daß auch "freie" Tankstellen Benzin der großen Gesellschaften beziehen, ohne allerdings mit deren Markennamen werben zu dürfen; vgl. Koebte, S.4. Hier zeigt sich einmal deutlich die Präponderanz des gewerblichen Ausschlußrechts. 163 Siehe zu ihr vor allem den Frankfurter Kommentar, Anhang 1 zu § 16, mit zahlreichen Nachweisen (sämtlich bezüglich Preisbindung). 164 Richtig der Hinweis von Krasser, Vertriebsbindungen, S. 7. 105 Zu deren Anforderungen etwa BKartA-TB 1969, S. 30 ff. 118 Vgl. etwa Lehmpfuht, S.87, der selbst von "gedanklicher" Lückenlosigkeit spricht. 167 Lehmpfuht, S. 89. 188 Vgl. Krasser, Vertriebsbindungen, S. 7 f., im Zusammenhang mit der Preisbindung, jedoch in allgemeingültiger Formulierung.
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Durchbrechungen seines Systems duldet. - Insgesamt bezieht sich das Erfordernis der Lückenlosigkeit auf die Vertragsklausel, die das Exklusive des Exklusiv-Bindungssystems ausmachtl69 ; das betrifft auch die von ihr abhängigen Vertragsteile. Liegt Lückenlosigkeit nicht vor, so stellen Lehre und Rechtsprechung darauf ab, ob es für die übrigen Gebundenen (noch) zumutbar sei17O, sich an die Bindung zu halten. Ist das nicht mehr zumutbar, sind sie der Bindung ledig. Das allerdings wird erst dann bejaht, wenn es schon zu Durchbrechungenl7l gekommen ist172 , was für den Bindungsverwender die sehr kostengünstige Konsequenz hat, daß die Gebundenen sich ständig gegenseitig überwachen müssen, wollen sie die Einhaltung des Systems sichern bzw. aus seiner Nichteinhaltung Folgen ziehen. Die Belastung der Gebundenen ist gerade auf Grund einer gegenüber den Bindungsverwendern sehr großzügigen Rechtsprechung nicht mehr kalkulierbar. So heißt es in einer BGH-Entscheidung, daß "vorübergehende Lücken selbst in einem größeren Bereich schon objektiv noch nicht notwendig zum Zusammenbruch der Preisbindung führen"173. Wie man in einem so drastischen Fall überhaupt noch die Frage nach der Zumutbarkeit stellen kann, wie es der BGH tut, ist nicht mehr nachvoll169 So meint es wohl auch Lehmpfuhl, S. 50. Im Grunde wird hier nur eine Selbstverständlichkeit ausgedrückt, und deshalb fällt auch entgegen der von BGH GRUR 1969, 474 (475), 28.3.1969, I ZR 33/67, zu pauschal geäußerten Auffassung das Erfordernis der Lückenlosigkeit auch bei Bezugsbindungen ins Gewicht (KTasseT, Vertragliche Rechte, S.236, referiert die Entscheidung nur; in Vertriebsbindungen, S.259, verfährt er aber ebenso). Entscheidend bei allen Exklusiv-Bindungen ist die für die Eingehung der Bindung gewährte Gegenleistung (vgl. oben, 3 b, Text bei Fn.78); diese fehlte bei lückenhafter Bezugsbindung. 110 KTasseT, Vertriebsbindungen, S. 193, 196,281,284; Lehmpfuhl, S. 49 f., 88; ähnlich S. 91; WestTick / Loewenheim, § 18 Anm.51. Aus der BGH-Rechtsprechung als Beispiel BGH WuW/E BGH 623 (624), 3. 6. 1964, I b 49/63, "Grauer Markt". 111 Im BKartA-TB 1972, S.24, heißt es: "gedanklich lückenhaft und damit zivilrechtlich nicht mehr durchsetzbar"; die Formulierung ist richtig: gedankliche (theoretische) Lückenlosigkeit muß stets vorliegen; gleichwohl bleibt offen, wie sich die Lückenhaftigkeit gegenüber der einzelnen rechtsgeschäftlichen Bindung durchsetzt; die Konsequenzen praktischer Lückenhaftigkeit sind nur zu klären durch die Feststellung, welche Erwägungen es sind, die das Erfordernis (auch schon theoretischer) Lückenlosigkeit aufzustellen erlauben. - Unklar in seinen Anforderungen Ebel, § 16 Rdnr. 3· deutlich Langen / NiedeTleithingeT / Schmidt, § 16 Rdnrn.71 a ff.; MülZeT JGiessleT / Scholz, § 16 Rdnr.18; SchwaTtz, in: Gemeinschaftskommentar, § 16 Rdnr.126; WestTick / Loewenheim, § 16 Anm. 16, 21. 112 Siehe die sehr deutliche Darstellung im BKartA-TB 1964, S.41, und bei KTasseT, Vertriebsbindungen, S. 238 f., 180, sowie bei Lehmpfuhl, S.88 Fn.16. 173 BGH NJW 1970, 557 (559), 10. 12. 1969, I ZR 20/68. Für die Behandlung des Problems der Lückenlosigkeit ist es gleichgültig, daß die Entscheidung zur Preisbindung erging.
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ziehbar; möglicherweise hat der BGH selbst seine eigenen Abgrenzungsregeln noch nie als sonderlich praktikabel empfunden. Diese Unsicherheit in der Handhabung des Erfordernisses der Lückenlosigkeit beruht letztlich auf der fehlenden Legitimationsbasis für dieses Kriterium, auf der Unklarheit, wie es hergeleitet werden sollm. Einer solchen Herleitung175, einer Begründung also, bedarf das Erfordernis der Lückenlosigkeit jedoch, wie auch Krasser178 zutreffend hervorhebt; allein seine Konstruktion vermag noch nicht sein Hineinlesen ins Gesetz zu rechtfertigen und ebensowenig darüber zu entscheiden, welche Folgen sich aus seiner Nichteinhaltung ergeben sollen177•
Krasser als Protagonist der herrschenden Meinung trägt zur Lösung des Problems ebensowenig wie jene insgesamt bei. Gewiß besteht die bei ihm178 ausführlich erörterte Möglichkeit, daß das Erfordernis der Lückenlosigkeit in jedem einzelnen Rechtsgeschäft mit jedem einzelnen Gebundenen angelegt ist17O• Doch widerspricht er sich schon im Ansatz, wen er schreibtl80 , dieses Kriterium sei Wirksamkeitsvoraussetzung eines Exklusiv-Bindungssystems. Sicherlich ist das - und zwar zu Recht - die herrschende Auffassung181 , doch kann sich diese Konsequenz nicht aus jedem einzelnen Rechtsgeschäft ergeben, sondern nur aus ihrer Gesamtheit, so wie sie das System konstituieren. Wird wohl schon da, in der durch nichts begründeten Konstruktion einer exceptio ex iure tertii, der Fehler der herrschenden Lehre anzusiedeln sein, ist sie auch im Grundsatz unrichtig: Die ergänzende Vertragsauslegung 174 Dieser Umstand führt etwa bei Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 89, zu einer Unterschätzung des Erfordernisses der Lückenlosigkeit. Bei K. Schmidt, Kartellverbot, S.136, hingegen heißt es deutlich:
"Lückenhaftigkeit gilt als Mißbrauchsfall" (Die auf eine Fiktion hindeutende Formulierung ist untechnisch gemeint) - allerdings eine Argumentation aus § 17 GWB. 175 Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr. 122, stellen für den Fall der Vertriebsbindung unmittelbar auf § 18 GWB ab; diese Darstellung ist jedoch verkürzt, weil die herangezogene Eingriffsvoraussetzung a) dann keineswegs schon vorzuliegen braucht. 176 Krasser, Vertriebsbindungen, 8.8. 177 Im Grunde ist auch damit nur ein Beispielsfall für die allgemeine Problematik angeführt, daß das, was dogmatisch möglich ist, nicht allein deshalb schon als zulässig angesehen werden kann. - Daß der Versuch dogmatischer Einordnung andererseits unabdingbar ist, hat das LG Oldenburg NJW 1979, 432 f., 11. 7.1978, 1 8 535/77, am Beispiel der Frage aufgezeigt, ob Angaben, die "ins Blaue hinein" gemacht werden, wie arglistiges Vortäuschen bzw. Verschweigen zu behandeln seien. 178 Krasser, Vertriebsbindungen, 8. 175 ff. m Etwa auch Müller I Giessler I Scholz, § 16 Rdnr.17; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 16 Rdnrn.119 a. E., 122 a. E., zweifelhaft hingegen Rdnr.124. 180 Krasser, Vertriebsbindungen, 8.173 f. 181 Vgl. die Nachweise bei Krasser, Vertriebsbindungen, 8.175 ff. 9 Venrooy
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nach §§ 157, 242 182 . 183 BGB, als die sie sich darstellt184 und als die sie überhaupt nur denkbar ist185 , bedürfte schon ihrerseits der Begründung. Es wäre die Frage zu stellen gewesen, welcher Gesichtspunkt es eigentlich gebiete, justament bei der Anwendung dieser Bestimmungen Lükkenlosigkeit eines Exklusiv-Bindungssystems zu verlangen. Die Lehre wirft das Problem nicht auf und gibt keine Lösung. Gerade Krasser, der 188 einer Modifikation das Wort redet, die sich darauf beschränkt zu sagen, Treu und Glauben (§ 242 BGB) verböten es dem Bindungsverwender in einem solchen Fall, auf seinen Bindungsklauseln zu bestehen18 \ verliert aus den Augen, daß er zu Beginn188 auf der Suche nach einer Begründung für das Tatbestandsmerkmal der Lückenlosigkeit war, wenn er sie hier nicht dafür anbietet, wieso Treu und Glauben, also Generalklauseln, die doch ihrerseits stets der Konkretisierung auf der Grundlage einer spezifischen fall bezogenen Betrachtung bedürfen 189, ein solches Ergebnis verlangen, ja überhaupt zu verlangen vermögen190• Dieser Legitimationsmangel, der bislang festgestellt worden 182 Erwähnung der Zumutbarkeit und des § 242 BGB in einer Entscheidung des LG Berlin, so wie sie im BKartA-TB 1968, S.48, wiedergegeben wird. 183 Hierzu insbesondere der Frankfurter Kommentar, Anhang 1 zu § 16 Tz. 2, § 17 Tz. 29, dies obwohl im Anhang 1 zu § 16 Tz. 2 a die gleiche Argumentation für die Frage, ob die Verpflichtung, Lückenlosigkeit sicherzustellen, sich eigentlich aus dem Vertrag ergebe, abgelehnt wird. Dort ist das indes richtig, denn unmittelbar in § 242 BGB kann weder diese Verpflichtung noch die Lückenlosigkeit selbst ihren Grund haben. 184 Krasser, Vertriebs bindungen, S. 176. 185 Die Lehre selbst führt das Erfordernis allerdings unmittelbar auf § 242 BGB zurück; vgl. nur den Frankfurter Kommentar, Anhang 1 zu § 16 Tz. 2, § 17 Tz. 29. 186 Krasser, Vertriebsbindungen, S. 178 ff. 187 Krasser, Vertriebsbindungen, 8.178. 188 Vgl. erneut Krasser, Vertriebsbindungen, S. 8. 189 Was Krasser, Vertriebsbindungen, S.248, selbst grundsätzlich anerkennt. 190 Interessant ist auch seine Stellungnahme zu einem Vorschlag von Lukes, der allerdings von vornherein nur bei der Preisbindung verwendbar war. Dieser meint (Lukes ZZP 77 (1964), 78 (85 f.), schon der Wortlaut des § 16 GWB (a. F.) deute darauf hin, daß alle Abnehmer gebunden werden müßten; dies werde durch die überlegung bestätigt, daß ein Kriterium, dessen Vorliegen zur Unwirksamkeit der Bindung führe, auch bei Rechtsgeschäftsabschluß nicht gegeben sein dürfe, sollen die abgeschlossenen Rechtsgeschäfte wirksam sein. Krasser (Vertriebsbindungen, S. 175) vermag dem nur entgegenzusetzen, Sinn und Zweck der in Betracht kommenden Vorschriften des GWB (er formuliert hier sehr zurückhaltend) verlangten die Lückenlosigkeit als Voraussetzung für die Wirksamkeit der einzelnen Preisbindungsverträge nicht. Im Grunde steckt hierin das Eingeständnis, daß die gesuchte Norm (Krasser, Vertriebsbindungen, S.8) nicht aufzufinden sei, was zugleich die Bankrotterklärung für die herrschende Lehre bedeutet hätte. So weit hätte Krasser indes Lukes gegenüber nicht zu gehen brauchen, denn dieser argumentiert vordergründig, wenn er die Unwirksamkeit - in sich konsequent - dem § 15 GWB entnimmt; seine als Wortlautinterpretation gewollte Konstruktion ist nämlich ungenau: Nach der damaligen Fassung des § 16 GWB konnte
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ist, hat vielleicht bei LehmpfuhP 91 seinen deutlichsten Ausdruck gefunden, wenn er schreibt, der Begriff der praktischen Lückenlosigkeit sei "ein unbestimmter Rechtsbegriff" , ohne daß er zuvor erörtert hätte, wie es zu erklären sei, daß dieser Begriff überhaupt eine legale Existenz habe. "Konsequenterweise" , ist man versucht zu sagen, ist die gesamte Darstellung bei Lehmpfuhl in sich nicht kohärent. So führt er einen Hinweis auf die Geschäftsgrundlage an192 ; indes hilft auch das nicht weiter, denn warum die Lückenlosigkeit zur Geschäftsgrundlage gehören sollte, bedürfte ebenfalls erst der Begründung\93. Gleiches gilt für seine Erklärung19\ der Gleichbehandlungsgrundsatz zwinge den Bindungsverwender zu gleichmäßiger Durchführung seiner Konzeption gegenüber allen seinen Abnehmern. Zwar wird sich letzten Endes dies als Schritt in die richtige Richtung erweisen, doch ohne gesetzliche Grundlage ist ein "Gleichbehandlungsgrundsatz" im Privatrechtsverkehr nicht zu ermitteln - eine Binsenweisheit, die keiner näheren Belege bedarf. Diese Art der Begründung wird auch nicht dadurch richtiger, daß man sie, wie es Kraft tut195 , sehr viel konkreter faßt und davon spricht, das Erfordernis der Lückenlosigkeit ergebe sich aus der Notwendigkeit der "par conditio" (concurrentium). Das ist nicht allein schon deswegen unschlüssig, weil mit "Notwendigkeit" höchstens ein Postulat aufgestellt wird198 , das nicht Grundlage von Recht sein kann, sondern auch, weil Kraft selbst davon ausgeht197 , daß die - offenbar mannigfachen - "par conditiones concurrentium"U8 jeweils gesetzlich festgelegt bzw. vertraglich vereinbart sind. Also liefert die par condicio wiederum nur die dogman davon ausgehen, daß alle Abnehmer von Markenwaren gebunden werden mußten; Folge war, daß § 15 GWB insoweit nicht galt; der Wortlaut gebot also gerade keine Erstreckung des § 15 GWB auf Rechtsgeschäfte, in denen die Bindung enthalten war. Von diesem Standpunkt ist also auch Lukes eine Begründung für seine These schuldig geblieben. Aber sei es, wie es wolle: Da bei dem im Rahmen dieser Arbeit interessierenden § 18 GWB schon vom Ansatz her keine solche Wortlautinterpretation möglich ist, wie sie Lukes für § 16 GWB (a. F.) vorgeführt hat, kann seine Argumentation hier ohnehin nicht übernommen werden. tU Lehmpfuhl, S. 89, ähnlich S. 95. 192 Lehmpfuhl, S. 49 f.; so auch von Gamm, § 16 Rdnr. 15; Müller I Giessler I Scholz, § 16 Rdnr. 17. 193 Hier wird im übrigen recht deutlich, daß die dogmatische Einordnung eines Phänomens seine rechtliche Existenz schon erweisen soll. 194 Lehmpfuhl, S. 19. 195 Kraft, S. 237. 196 übrigens ein seinerseits postuliertes, denn ob die "par conditio" und bejahendenfalls in welcher Weise - wünschenswert ist, wird sicherlich Gegenstand einer Diskussion sein können. 191 Kraft, S. 235. 198 Hier hätte es richtig "pares" heißen müssen, wie auch im übrigen die Schreibung "condicio" vorzuziehen gewesen wäre. 9'
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matische Konstruktion für die Lückenlosigkeit; ihre Legitimation, den Beweis ihres legalen Vorhandenseins, bleibt auch sie schuldig. Selbst im Standardwerk zum Gleichbehandlungsgrundsatz, nämlich der Habilitationsschrift von G. Hueck, ist die Begründungslage nicht überzeugender: Er meintI9~, (im Fall der Preisbindung) sei Gleichbehandlung vertraglich vereinbart. Da sich eine entsprechende Klausel aber in den Vertragstexten regelmäßig nicht findet, ist ein Grund zu suchen, warum die Verträge ergänzend mit einem solchen Inhalt ausgelegt werden sollen; eine solche Erklärung findet sich bei G. Hueck nicht200 , deren Möglichkeit er sich obendrein dadurch verbaut, daß er den an sich naheliegenden Bezug zu dem von ihm so bezeichneten "wirtschaftlichen Diskriminierungsverbot"201 nicht herstellt. Vollends widerlegt er seine Eingangsthese, wenn er bei der Besprechung des § 242 BGB sagt202, daß er wegen zu geringer Konkretisierbarkeit zur Begründung einer allgemeinen Gleichbehandlungspflicht nicht herangezogen werden könne, daß hierzu vielmehr weitere Voraussetzungen erforderlich seien. Dieser Feststellung ist in sich gewiß zu folgen, nur die erforderliche, nach §§ 157, 242 BGB auf Treu und Glauben basierende ergänzende Vertragsauslegung kann dann eben auch keine Gleichbehandlungspflicht als Ergebnis haben. Auch der Topos "Gemeinschaftsbindung"203 hilft nicht weiter; er könnte ohnehin nur ein anderweitig gefundenes Ergebnis stützen, dies schon deshalb, weil er weder Art noch Maß einer Gleichbehandlung zu offenbaren vermöchte und genauso gut der herrschenden Zumutbarkeitsdoktrin nützlich sein könnte. Im übrigen ist nicht ganz sicher, ob G. Hueck hier nicht ein Zirkelschluß unterlaufen ist, denn die "Gemeinschaftsbindung" kann im Grunde nur durch Vorschriften bewiesen werden, die Gleichbehandlung verlangen, auch wenn es - wie er zu Recht bemerkt204 - nicht darum geht, ob Personen tatsächlich gleich behandelt werden205. 199 G. Hueck, S. 16 f. 200 Hier sei im übrigen erneut auf das schon oben, Text ab Fn. 180, erhobene Bedenken hingewiesen, daß selbst die Verletzung einer einheitlich vereinbarten Gleichbehandlung nicht ohne weiteres zur Hinfälligkeit eines Exklusiv-Bindungssystems führen kann. 201 G. Hueck, S. 77 ff. 202 G. Hueck, S. 112; vgl. auch S. 139 ff. 203 G. Hueck, S. 151 ff. (insbesondere). 204 G. Hueck, S. 152. 205 Interessant ist auch, daß G. Hueck, S. 160 f., im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Diskriminierung das Bestehen einer "Gemeinschaftsbindung" leugnet, weil man (S. 161 f.) den Begriff der Gemeinschaftsverhältnisse nicht auf solche Fälle ausdehnen dürfe, man vielmehr daneben von besonderen hoheitlichen Gleichbehandlungsgeboten ausgehen müsse (S.166). Dieser Bruch im System nimmt ihm seinen heuristischen Wert, den er wohl hätte haben können, obwohl der Gerechtigkeitsgedanke, auf den G. Hueck sich letztlich stützt (S. 169 ff.), keine dogmatisch faßbare Argumentationsgrundlage ist.
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Wie schon erwähnt wurde!08, ist die Vagheit des Zumutbarkeitskriteriums getreues Abbild der fehlgeschlagenen Versuche, das Erfordernis der Lückenlosigkeit zu rechtfertigen. In ihm kommt die fehlende Gewißheit darüber zum Ausdruck, ob man wirklich Lückenlosigkeit verlangen darf. Das erweist sich daran, daß das Zumutbarkeitskriterium in der praktischen Handhabung zwar der Rechtsfolge einer Nichteinhaltung des Lückenlosigkeitserfordernisses zugeordnet erscheint, der Prüfung nämlich, wann ein Gebundener von seiner Bindung frei wird, daß es aber dadurch die tatbestandliche Voraussetzung, das Lückenlosigkeitserfordernis selbst, relativiert207 : Wie insbesondere die oben208 zitierte BGH-Entscheidung deutlich werden ließ, führt das Zumutbarkeitskriterium tatsächlich dazu, daß nur besonders krasse Fälle von Lückenhaftigkeit Befreiung von der Bindung herbeizuführen vermögen, ohne daß dieser Umstand oder gar sein Maßstab im geringsten klargestellt würden. Woher das Zumutbarkeitskriterium kommt, ist offen. Indes erinnert es deutlich an die entsprechende These, die im Falle der Unzumutbarkeit des Festhaltens an einem Vertrag eine Nachfristsetzung nach § 326 BGB nicht mehr für erforderlich häwoG• Nun wäre es keinesfalls abwegig, die Rechtsfolge des Eintritts von Lückenhaftigkeit dieser Norm zu entnehmen210 ; das indes vermeidet die herrschende Meinung, was jedoch kein Wunder ist: Denn stützte man sich expressis verbis auf diese Bestimmung, gälte es, Farbe zu bekennen. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB spricht nämlich von der "obliegenden Leistung", womit hier eine Leistung gemeint ist, auf die ein Anspruch besteht!U. Man müßte sich dann also festlegen, daß gegen den Bindungsverwender ein Anspruch existiert auf Durchführung der Lückenlosigkeit. Eine deutliche Entscheidung in diese Richtung trifft die herrschende Lehre jedoch nicht, weil sie dann vor dem Zwang stünde, die Rechtsgrundlage des Lückenlosigkeitserfordernisses offenzulegen212 • Wie auch immer sie diese Anforderung an Exklusiv-Bindungssysteme dogmatisch einordnet, sie scheint von einer Obliegenheit213 sensu stricto auszugehen214 • 208 Oben, Text ab Fn. 174. 207
Lehmpfuhl, S. 91 f., tendiert deutlich in diese Richtung.
208 Fn.173. 209 Vgl. etwa Palandt / Heinrichs, § 326 Anm. 6, insbesondere d, wenn-
gleich nicht ausdrücklich von "Zumutbarkeit" die Rede ist. 210 Vgl. die Nachweise zu einer Anwendung der ,,§§ 320 ff. BGB" im Frankfurter Kommentar, Anhang 1 zu § 16 Tz. 2 a. 211 Vgl. Palandt / Heinrichs, § 326 Anm. 3 b. 212 Es ist angesichts dieser Lage schon wieder als konsequent zu bezeichnen, daß der BGH laut BKartA-TB 1970, S.62, einerseits von der vertraglichen Pflicht des Bindungsverwenders spricht, Lücken aufzudecken und zu verfolgen, andererseits wiederum auf die Zumutbarkeit weiterer Einhaltung der Bindung abstellt.
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bb) § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB als . Sitz des Lückenlosigkeitserfordernisses Der weitere Versuch, mit der herrschenden Lehre zu operieren, dürfte wenig hilfreich sein. Indes ist das Erfordernis der Lückenlosigkeit eines Exklusiv-Bindungssystems ja durchaus wünschenswert, weil es zu einer Gleichbehandlung der Abnehmer in einem System führt. Ausgehend also von der Erkenntnis, daß das Postulat der Lückenlosigkeit nichts betrifft als einen speziellen Fall von Gleichbehandlung, hat dieses Erfordernis seine Rechtsgrundlage - dies sei der herrschenden Lehre als These entgegengehalten - in § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB 215 • 218 • Bevor diese Norm seinerzeit mit der Novelle 1973 geschaffen wurde, hat es ein allgemeines Lückenlosigkeitserfordernis für Exklusiv-Bindungssysteme nicht gegeben; es wäre bei striktem Bezug auf geltendes Recht vorher nicht zu ermitteln gewesen. Äußerungen vor dieser Zeit, die das 213 Dazu etwa oben, Teil I, Vierter Abschn., 2 c). Auf die interessante Parallele im Werkvertrags recht, wo jedenfalls nach h. L. den Mitwirkungspflichten des Bestellers kein Rechtsanspruch des Unternehmers gegenüberstehen soll (dazu jüngst Nicklisch BB 1979, 533 (534 f.), sei hier nur hingewiesen. 214 Es kann noch eine andere, nicht ganz so naheliegende Parallele gezogen werden, nämlich die mit der Abgrenzung von Unmöglichkeit und Leistungsverzögerung. Hier fragt man, ob ein Abwarten, daß die Leistung möglich werde, zugemutet werden kann (vgl. Medicus, Rdnr.291). Auch hier ist im Grunde unklar, woher dieses Kriterium kommt, doch kann es immerhin dadurch objektiviert werden, daß man ähnlich wie beim absoluten Fixgeschäft danach fragt, ob das Geschäft auch nach vergangener Zeit noch dasselbe ist: wenn nicht, liegt Unmöglichkeit vor. 215 Nur diese Vorschrift jedenfalls gibt eine dogmatisch ausreichende Erklärung für die Sogwirkung jeder Einzelfallentscheidung, von der Lehmpfuhl, S. 64 Fn.29, viel zu generell spricht (von seinem eigenen Ansatz ausgehend). 216 Der Zusammenhang zwischen Lückenhaftigkeit (betr. Preisbindung) und Diskriminierung wird im BKartA-TB 1962, S. 36, klar erkannt, allerdings wird § 26 Abs. 2 GWB nicht genannt. Anklänge finden sich auch im BKartA-TB 1963, S.48 (unter Nr. 3); 1964, S.41; 1967, S. 58; 1970, S.64, besonders deutlich auf S. 78; soweit auf § 26 Abs. 2 GWB rekurriert wird, scheint ihm aber nur die Bestätigung dafür entnommen zu werden, daß die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 GWB vorliegen. - Es ist überhaupt festzustellen, daß der Zusammenhang des Erfordernisses der Lückenlosigkeit einer Preisbindung mit der Diskriminierung auch schon Gebundener durchaus bekannt ist, wenngleich nie gesehen wurde, daß sich das Erfordernis selbst aus dem Diskriminierungsverbot ergibt; vgl. Ebel, § 26 Rdnr. 43 einerseits und § 16 Rdnr.3 andererseits; Frankfurter Kommentar, Anhang 1 zu § 16 Tz. 2 a; von Gamm, § 16 Rdnr. 11; relativ deutlich Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 16 Rdnrn. 2, 9, 61, jedoch ohne Erörterung der Tatbestandsmerkmale des § 26 Abs. 2 GWB und obendrein widersprüchlich, weil, Rdnrn. 71 a ff., die Zumutbarkeitsdoktrin ausdrücklich aufrechterhalten wird; Müller I Giessler I Scholz, § 16 Rdnrn. 16, 27, gleichwohl wird auf Geschäftsgrundlage und Vertragsinhalt abgestellt (Rdnr.17) und nach der Zumutbarkeit gefragt (Rdnr. 18); Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 16 Rdnr. 127 a. E. einerseits, Rdnrn.119 a. E., 122 a. E., 124 andererseits; Westrick I Loewenheim, § 16 Anm. 16 a. E., vgl. jedoch Anm. 17, 28.
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Lückenlosigkeitserfordernis mit dem Diskriminierungsverbot in Verbindung bringen, können nicht die Rechtsgrundlage dieses Kriteriums gemeint haben. - So erwähnt Krasser 17 eine Entscheidung des OLG Stuttgart218 , die der Sache nach, jedoch ohne Bezug auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, so ähnlich21u verfährt, wie es hier für richtig gehalten wird; gleichwohl tritt § 26 Abs. 2 GWB auch bei Krasser 220 als Sitz des Lückenlosigkeitserfordernisses nicht in Erscheinung 22 t, obwohl das für den Fall der Preisbindung (§ 16 GWB ging damals bekanntlich über Verlagserzeugnisse hinaus), auf die § 26 Abs. 2 GWB auch schon damals Bezug nahm, möglich war, zum al Krasser diese Problematik ausführlich behandelt. - Auch Lehmpfuhl222 hatte die Möglichkeit einer Erörterung des Satzes 2 von § 26 Abs. 2 GWB noch nicht. Gleichwohl hätte ihm die Anwendung der Vorschrift in ihrer damaligen Fassung naheliegen müssen wenigstens gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen, auf die sie schon Anwendung fand, geht er doch davon aus223 , daß nur Unternehmen mit monopolistischer bzw. oligopolistischer Stellung durch Exklusiv-Bindungen den Wettbewerb so beeinträchtigen können, daß ein Eingreifen des § 18 GWB zulässig erschien. - So zeigt sich, daß selbst für die beiden Konstellationen, bei denen sich das auch schon vor der Novelle 1973 angeboten hätte, § 26 Abs. 2 GWB nicht als geeignete Rechtsgrundlage des Lückenlosigkeitserfordernisses erkannt wurde224 • Es hätte aber, wie schon gesagt wurde, eine allgemeingültige, also über die Fälle der Preisbindung und der marktbeherrschenden Unternehmen hinausgehende Aussage über den rechtlichen Grund des Lückenlosigkeitserfordernisses damals noch nicht gemacht werden können; und gerade deshalb ist eine aus der Anfangszeit des GWB stammende Äußerung von Linhard-Stöhr25 Vertriebsbindungen, S. 258 Fn. 26. OLG Stuttgart GRUR 1962, 526 (527 f.), 2.8.1961,4 U 75/61. 219 Es handelt sich um einen Außenseiterfall. 2"lO Abgesehen von einem kurzen Hinweis auf S. 175 im Zusammenhang mit der Darstellung der Auffassung von Lukes. 221 Auch nicht auf S. 255 ff., wo Krasser die Diskriminierung behandelt. 2"l2 Lehmpjuhl, S. 45. 223 Lehmpfuhl, S. 58. Er erörtert die damalige Fassung des Diskriminierungsverbots nur in bezug auf Außenseiter, S. 58 ff. 224 Unklar ist allerdings, ob schon Mestmäcker, Diskriminierungen, S. 598 (632 f.), in die hier gewiesene Richtung tendierte; dies jedoch würde dann durch die allzu sehr auf das Rechtsschutzverweigerungsprinzip abgestellte Terminologie verdeckt. - Ernestus, S. 131, hingegen schreibt völlig ablehnend: "Auch wurde das Diskriminierungsverbot nicht eingeführt, weil eine Ungleichbehandlung Gebundener ,anstößig' ist, ... " Diese sehr enge Sicht führte dann dazu, daß sich selbst in dem Abschnitt über "Vertriebsabhängigkeit" (S. 186 ff.) kein Ansatz zu einer Lösung des Problems der Lückenlosigkeit findet. 225 Linhard / Stöhr BB 1957, 1021 (1023). 217
218
Krasser,
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
- nämlich: "Dies" (sc. das Erfordernis der Lückenlosigkeit), "ergibt sich aus dem Diskriminierungsverbot der §§ 25 ff." - unzutreffend, obwohl sie von der Formulierung her der hier vertretenen Auffassung am nächsten steh~e. IU. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, daß Linhard-Stöhr den Fall vor Augen hatten, für den die Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB seit jeher unproblematisch und mithin anerkannt ist, also im Verhältnis des Exklusiv-Bindungssystems zu Außenseitern. Von diesem Standpunkt aus tritt sehr leicht die Gefahr ein, daß man ein solches System schon dann für lückenlos hält, wenn kein Außenseiter an die gebundenen Waren herankommen kann228 ; damit allerdings ließe man den Ausgangspunkt außer acht!!', wonach sich das Lückenlosigkeitserfordernis auf die Vertragsklausel bezieht, die das Exklusive eines Exklusiv-Bindungssystems ausmacht, daß dieses Kriterium also gerade auch in der Lage ist, Gleichbehandlung innerhalb eines solchen Systems zu gewährleisten230 • Die These, § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB sei Sitz des Lückenlosigkeitserfordernisses, soll nunmehr ausgeführt werden. Hierbei ist anzuknüpfen an das schon angedeutete Phänomen231 vom gegenseitigen Aufeinander-angewiesen-Sein des Bindungsverwenders und der Gebundenen in einem Exklusiv-Bindungssystem, an ihr miteinander verschränktes Geschäftsrisiko, das sich auf Händlerseite in einem Absatzrisiko äußert232 • Die beiden Seiten, die ein solches System konstituieren, 126 Ausgeführt wird die These bei Linhard / Stöhr denn auch nicht; es wird allerdings darauf hingewiesen, die Lückenlosigkeit sei "nicht mehr wie bisher nur zivilrechtliche Voraussetzung für wirksame Preisbindungsverträge, sondern kartellrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung"; die Darstellung läßt demnach letztlich offen, ob Rechtsgrund des Lückenlosigkeits-Kriteriums nicht doch ein außerkartellrechtlicher Rechtssatz sein kann. 227 Unklar ist, ob de Bronett RIW/AWD 1978, 767 (770), eine Lösung wie die hier vorgeschlagene ebenfalls denkbar erschien. 228 So dürfte es Belke, S.341 Fn. 6 a, gemeint haben, womit sich dann auch Stellen erklären, die mit der hier vertretenen Auffassung in Berührung zu stehen scheinen, S. 16, 321 f. (wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß er im engeren Kontext, S. 311 ff., nur den Anspruch von Außenseitern auf Teilhabe an der Belieferung bespricht). 229 Oben, aa), Text bei Fn. 169. 230 Mit beiderlei Zielrichtung des Lückenlosigkeitserfordernisses und damit auch des § 26 Abs. 2 GWB setzt sich Krasser, Vertriebsbindungen, S. 257 f., in Widerspruch, wenn er schreibt, der Diskriminierende könne grundsätzlich darüber entscheiden, ob der irreguläre Bezug des Außenseiters andauern oder ob dieser in das System aufgenommen werden solle, gegebenenfalls unter Anpassung der Verträge der übrigen Gebundenen. Krasser hat hier nicht bemerkt, wie nahe doch die Prüfung eines Zusammenhangs zwischen Lückenlosigkeit und Diskriminierung lag; er hat obendrein übersehen, daß die Diskriminierung, die er ausschließlich aus der Sicht des Außenseiters betrachtet, auch die übrigen Gebundenen beinträchtigt, die im Zweifel zu einer "Vertrags anpassung" nicht ohne weiteres bereit sein werden. 231 Oben, 3 b). 232 Vgl. Belke, S. 220.
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haben also - neben den gegeneinander, auf möglichst große Gewinnteilhabe gerichteten Interessen - ein gemeinsames, und es ist zu betonen: identisches Interesse daran, daß das System am Markt funktioniert, daß also - abgestellt auf die weitaus meisten Fälle, in denen sich § 18 GWB tatsächlich als Komplementärnorm zu den gewerblichen Ausschluß rechten erweist - die zu vermarktende Markenware bei den potentiellen Abnehmern ankommt233 • So muß man letzten Endes jedes Exklusiv-Bindungssystem als wirtschaftliche Einheit234.235 betrachten, die als solche (mag sie auch nicht ohne weiteres als solche erkennbar sein) auf dem Markt operiert und im Wettbewerb (auch) zu anderen 233 Sehr richtig spricht Belke ZHR 143 (1979), 74 (81), davon, daß bei vertikalen Bindungen im Regelfall ein gemeinsames Interesse der Parteien vorliege, weil ihre Abrede anderenfalls wirtschaftlich kaum sinnvoll sei. Auch der Frankfurter Kommentar redet von gleichgerichteten Interessen, § 18 Tz. 67. So ist es auch im Zusammenhang mit der Darstellung der Situation der Vertragshändler durchaus schon erkannt worden, daß es hier nicht allein um Interessenwahrung, sondern vor allem (diesen Akzent setzt Koeble, S. 44, nicht zu Unrecht, streicht ihn aber zu stark heraus) um Interessenverbindung und Interessengleichrichtung geht. Dieserart Erörterungen sind aber stets im Rechtstatsächlichen stecken geblieben. Das zeigt sich bei Koeble, S.61, wo er seine Vorerörterungen nicht fortsetzt und stattdessen Wert darauf legt, § 1 GWB sei mangels Vorliegen eines gemeinsamen Zwecks nicht anwendbar (ähnlich S. 107 f.). - Die Klärung der Problematik wurde auch behindert durch die Auffassung, bei Rechtsgeschäften, die als Interessenwahrungsverhältnisse konzipiert seien, sei § 18 GWB nicht anzuwenden (so jüngst noch Rittner, Wirtschaftsrecht, S.384; vgl, auch P. Ulmer, S. 5 f., 347 ff.). Das ist kaum noch verständlich: Daß Bindungen, die noch über die von § 18 GWB für typisch gehaltenen Verpflichtungen hinausgehen, in der Lage sein sollen, von § 18 GWB zu befreien, wurde schon bei der Besprechung dinglich wirkender Rechtsfolgen (oben, Teil I, Vierter Abschn., 3) als nicht hinnehmbar erkannt (abI. auch Koeble, S. 136 ff. m. w. N., wenn auch mit zu nachsichtiger Begründung). Daß ein solches Ergebnis auch nicht mit Rechtsformerwägungen herbeigeführt werden kann, wie es etwa Rittner, S. 156, versucht, versteht sich: Schutzvorschriften können durch Rechtsformwahl in keinem Fall umgangen werden. - Das Vertragshändlerproblem stellt R. Liebs, S. 8 f. (mit ausführlichen Nachweisen) dar, entscheidet aber nicht, weil die Frage auch nicht zum Gegenstand seiner Arbeit gehörte. 23~ Also keineswegs als rechtliche. Daraus folgt freilich nichts: Im Fall der Bezugsbindungen ist der von Krasser, Vertriebsbindungen, S.259, herangezogene Gesichtspunkt der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Rechtsgeschäfte irrelevant, denn das sind sie in jedem Fall der Exklusiv-Bindung. Auch das unten, e ee ddd bbbb), vorgeschlagene Erfordernis, aus jedem ein Exklusiv-Bindungssystem konstituierenden Rechtsgeschäft müsse seine Einbettung in eben dieses System zu erkennen sein, änderte an deren rechtlicher Selbständigkeit nichts. Es wäre auch eigenartig, könnte man sich allein durch die Vertragsgestaltung dem Erfordernis der Lückenlosigkeit und damit § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB entziehen. So ist auch Lehmpfuhl gegenüber zu betonen, daß sie selbst dann rechtlich selbständig bleiben, wenn sich ihr Inhalt insbesondere hinsichtlich der Exklusivklauseln aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bindungsverwenders ergibt, wohingegen Lehmpfuhl, S. 48, zu dieser Gestaltungsmöglichkeit den "selbständigen Vertrag" offenbar als aliud ins Verhältnis setzt. 235 VgI. auch die eher zurückhaltende Darstellung von Biedenkopf, S. 188 ff., jedoch unter Beschränkung auf das Verhältnis der Händler untereinander.
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ähnlichen Einheiten steht; Markt- und Produktpflege sind der gemeinsame Zweck, den Bindungsverwender und Gebundene, die in einer solchen Einheit zusammengefaßt sind, verfolgen. Es erweist sich an dieser überlegung, daß die Darstellung der herrschenden Lehre 238 , §§ 1 ff. GWB unterschieden sich durch das Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Zwecks von den §§ 15 ff. GWB, durchaus vorgergründig ist237 • Freilich kann keine Rede von einer Anwendung des § 1 GWB auf solche Systeme sein; hier ist K. Schmidt238 schon recht zu geben, daß ein Rechtsgeschäft nicht allein wegen einer Nebenabrede (hier also der Bindung) als Gesellschaft zu qualifizieren sei (zu ergänzen: mit der Folge, daß § 1 GWB eingriffe). Doch ist diese Darstellung verkürzt: Immerhin könnte ja ein Hersteller in Wettbewerb zu seinen Händlern treten239 • Die Problematik ist also (soweit sie hier interessiert) eine solche der Konkurrenz von § 18 GWB und § 1 GWB240 ; § 18 GWB muß seinen Anwendungsbereich behalten241 , der im Interesse des Wettbewerbs selbs~42 eine Wettbewerbsbeschränkung herbeizuführen gestattet, durch die die Position einer aus Händlern und Hersteller gebildeten Einheit am Markt gefestigt wird. Daß das eine richtige Entscheidung ist, zeigt sich daran, daß jedenfalls die einzelnen Einheiten sich einer Bewertung ihrer Leistungen durch den Markt nicht entziehen243, oder - um mit der Fikentscherschen Terminologie fortzufahren!44: - Die von solchen Einheiten durchgeführte Wettbewerbsbeschränkung ist formal, nicht 236 Vgl. etwa Lehmpfuhl, S. 44. 237 Eine Ausführung dieser Problematik bietet sich im Rahmen dieser Arbeit nicht an; vgl. zu ihr die gesamte Diskussion bei K. Schmidt, Kartellverbot; siehe auch dens. JuS 1978, 736 (740 f.). Dazu, daß bei geeigneten Fallgestaltungen durchaus die Stichwörter "Gesamt-" bzw. "Sternvertrag" zu überprüfen sein können, vgl. zuletzt noch Steindorff BB-Beilage 3/79; siehe im übrigen auch Hirsch, S. 9. 238 K. Schmidt, Kartellverbot, S. 46. 239 Inkonsequent K. Schmidt, Kartellverbot, S. 79 ff., wo diese Möglichkeit nicht erwogen wird gegenüber der klaren Stellungnahme, S.63, wo es heißt: "Wo kein Wettbewerbsverhältnis unter den an der Abstimmung Beteiligten vorliegt, fehlt der gemeinsame Zweck." 240 So muß auch die Auffassung Rittners, S. 45, der sagt, Ausschließlichkeitsbindungen seien leicht von horizontalen Vereinbarungen zu unterscheiden, weil an ersteren nur Partner verschiedener Wirtschafts stufen teilnähmen, als zwar nicht falsch, aber doch rein aufs Äußerliche gerichtet und vor allem nur auf den Rechtsgeschäftsabschluß selbst bezogen erscheinen, auf seine Durchführung hingegen nicht mehr. 241 Vielleicht meint K. Schmidt, Kartellverbot, S.45 (vgl. auch S.53, 56, 90), das gleiche. Von dieser Warte aus betrachtet ist auch seine Feststellung zutreffend: "Das Kartellverbot erfaßt nicht das durch einen Dritten - z. B. also das bindende Unternehmen im Fall des § 18 GWB - abgestimmte Verhalten." 242 Vgl. oben, 3 b), Text ab Fn. 113. 243 Formulierung von E. Koch, S. 18. ZI4 Borchardt-Fikentscher, insbesondere S. 29.
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aber materiell, auf welchen Unterschied § 18 GWB ja auch letztlich abstellt245 • 248 • Daß ein so konstruiertes System von durch Exklusiv-Bindungen verbundenen Unternehmen am Markt sehr viel stärker als Einheit auftritt, als man das von kartellierten Unternehmen behaupten könnte 247 , ist an anderer Stelle ebenfalls erkannt und in seinen Konsequenzen geradezu überbetont worden: So waren Ausschließlichkeitsbindungen nach dem sogenannten Josten-Entwurf248 als Zusammenschlußfall eingestuft worden249 ; und die Circulaire vom 14. Februar 1978 zum französischen Kartellgesetz vom 19. Juli 1977 sieht Exklusiv-Bindungen unter bestimmten Umständen ebenfalls als Zusammenschlußtatbestände an250 ; die geplante Novelle zum schweizerischen Kartellgesetz geht von "kartellähnlichen Organisationen" aus251 • Soll diese nunmehr ohnehin schon festgestellte enge Verknüpfung von Bindungsverwender und Gebundenen zu einer Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB als Sitz des Erfordernisses von Lückenlosigkeit, also von Gleichbehandlung innerhalb eines Exklusiv-Bindungssystems führen, müßte sich zwangsläufig auch feststellen lassen, daß die Gebundenen vom Bindungsverwender "abhängig" im Sinne dieser Vorschrift sind. Was den Beginn eines solchen Systems anlangt (oder auch nur den "Beitritt" eines einzelnen Händlers zu einem solchen System), bedarf es der Eingehung einer Exklusiv-Bindung durch Rechtsgeschäft; dieses hat zum Inhalt, daß die Gebundenen sich nicht mehr frei am Markt bewegen können, welche der in § 18 Abs. 1 Nm. 1 bis 4 GWB genannten Fallkonstellationen auch immer vorliegen mag, wobei der Fall, daß sie nun nicht mehr auf andere Waren ausweichen dürfen, der häufigste sein wird. Zivilistisch läßt sich dieses Bindungsverhältnis mit Rittneil52 als "rechtsgeschäftliche Kontrahierungsgebote bzw. rechtsgeschäftliche Kontrahierungsverbote" begreifen253 • Diese rechtsgeschäftSo meint es wohl auch E. Koch, S. 19. Rittner, S.17, hat unrecht, wenn er schreibt, Hersteller und Händler eines solchen Systems schieden aus dem "Spiel des Marktes" aus und verlören "das Interesse der Teilnehmer auf der gegenüberliegenden Marktseite", "die sich bisher um ihre Gunst" beworben hätten. Die den Markt bearbeitende Einheit hat nunmehr eine einheitliche Marktgegenseite, an der sie Interesse hat und das ihr auch von dieser entgegengebracht wird. In diesem Punkt ist auch die Darstellung bei Hirsch, S. 55, unvollständig. 247 So aber J. F. Baur JZ 1978, 586 (589). 248 "Entwurf zu einem Gesetz zur Sicherung des Leistungswettbewerbs" . 249 Vgl. die Nachweise bei Rittner, S. 99. 250 Vgl. den Hinweis von Grauet WuW 1978, 751 (753). 251 So sagt es Dürrhammer WuW 1979, 392 (393). 245
~46
252
Rittner, S. 32.
Diese werden in einer Art gedachten oder tatsächlich so abgeschlossenen Rahmenrechtsgeschäfts stipuliert, das Rittner, S. 33, "Grundvertrag" nennt, 253
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
lich bewirkte Eingliederung in die Geschäftspolitik des Bindungsverwenders ist nichts anderes als eine instrumentis iuris25f geschaffene Abhängigkeit im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB265. Dabei ist es gleichgültig, also nicht mehr zu prüfen und mithin rechtlich irrelevant, ob - wie es diese Norm vorsieht - "ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen"2~e, denn da eben dieses "Ausweichen" rechtsgeschäftlich untersagt ist, darf nach ihm nicht mehr gefragt werden257 • Dies aber bedeutet nichts anderes, als daß die Fälle des § 18 GWB immer auch solche des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB sind2~8; letztere Vorschrift ergänzt - nur dies ist hier geohne daß er sich jedoch mit dieser Terminologie hätte durchsetzen können. Bei dem Begriff "Kontrahierungsverbot" darf man nicht aus den Augen verlieren, daß ein Fall des § 134 BGB nicht vorliegt und ebensowenig durch Parteiwillen konstruiert werden kann; § 138 BGB greift bei einem Verstoß gegen ein solches Kontrahierungsverbot nur in seltenen Fällen ein (vgl. zu dem damit angesprochenen Problemkreis Krasser, Vertragliche Rechte, S. 215 ff.). 254 Insofern fragt das Gesetz entgegen Köhler, S. 66, eben doch danach, wie die Abhängigkeit zustande gekommen ist. - Im übrigen scheint diese Konstruktion im Verhältnis Kreditgeber/Kreditnehmer nicht unbedingt als fremd empfunden zu werden; vgl. Canaris ZHR 143 (1979), 113 (125, und seinen Hinweis auf § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB auf S. 127); siehe auch Rümker ZHR 143 (1979), 195 (197).
255 Zu Recht schreibt Lehmpfuhl, S. 55 Fn. 15, daß "die Auswahl bestimmter Händlergruppen für den Vertrieb einer Ware ... nicht selten die Einsatzbereitschaft der Händler" erhöhe und "zu einer Intensivierung der Geschäftsbeziehungen" beitrage. Von Interesse ist, daß er sich zugleich mit erhobenem Zeigefinger gegen die Annahme wendet, Bindungsverwender könnten Marktrnacht haben. 256 Daß auf Grund dieser Kriterien auch ohne Exklusiv-Bindungssystem die Abhängigkeit von einzelnen Waren festgestellt werden kann, ist einhellig anerkannt und stellt sich als Standard-Anwendungsfall des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB dar. In eine der durch ein Exklusiv-Bindungssystem geschaffenen ähnliche Situation können aber auch Einzelhändler geraten, "die sich einmal auf den Geschäftsverkehr mit einer Handelsgenossenschaft eingerichtet und ihre eigene Kundschaft für deren Sortiment gewonnen haben", so Steindorff, Handelsgenossenschaften, S. 51. 257 Hier äußert sich das Bundeskartellamt im BKartA-TB 1978, S. 66 (rechts), nicht ganz klar, wie weit es die Vorschrift auszulegen gedenkt. 258 Von diesem Standpunkt aus kann der vom OLG Düsseldorf WuW/E OLG 2010 (2012), 19.9.1978, U (Kart) 28/77, "Plaza SB Warenhaus", gegebene Hinweis, der Begriff "Abhängigkeit" sei aus dem Zweck des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB zu ermitteln, im Hinblick auf die hier dargestellte Präponderanz des § 18 GWB in dieser Allgemeinheit nicht gebilligt werden. Indes war er aus dem Sachverhalt heraus verständlich, bei dem es um einen präsumtiven Anspruch auf Abschluß eines Exklusiv-Bindungsgeschäfts ging. Damit im Einklang steht die dort folgende Äußerung, der Nachfrager müsse bei geringer Bedeutung der Ware aus seiner Situation heraus begründen, warum er abhängig sei. Dieses Problem entsteht nach hiesiger Auffassung bei den hier behandelten Sachverhaltskonstellationen nicht. - Nur beim Anspruch auf Abschluß ist die Frage relevant, ob § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB auch auf newcomer, also auf erst potentiell abhängige Geschäftspartner anzuwenden sei. Das indes trifft zu (may GRUR 1979, 71) angesichts der beim Tatbestandsmerkmal "abhängig" erforderlichen generalisierend objektivierenden Be-
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meint - erstere durch das Erfordernis, Exklusiv-Bindungssysteme lückenlos durchzuführen. So hat sich also schon hier gezeigt, daß das, was K. Schmidt für eine zukünftige Regelung vorschlägt259 , nämlich die Einbeziehung der Bindungsverwender in § 26 Abs. 2 GWB, ohne konstruktive Schwierigkeiten schon als geltendes Recht angesehen werden kann. Stellt man freilich auf die rechtsgeschäftlich vereinbarten Kontrahierungsverbote bzw. -gebote ab, lassen sich die Fälle bloß wirtschaftlicher Bindung200 noch nicht unter § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB subsumieren. Hier muß im Text der Vorschrift fortgeschritten und auf das Zumutbarkeitskriterium - das hier, wie zu betonen ist, vom Gesetz selbst aufgestellt wird - abgestellt werden: Will sich ein Bindungsverwender eines Händlers zur Förderung des eigenen Absatzes bedienen, sich insbesondere seiner (durchaus eigennützigen) Hilfe beim Aufbau eigener Marktgeltung versichern, dann darf der Händler seine eigene Geschäftspolitik auch schon bevor er entsprechende Investitionen gemacht hat, die nur in Verbindung mit Waren dieses Herstellers sinnvoll sind, auf weitere Geschäftsverbindung mit diesem Hersteller einrichten; es ist ihm nicht zumutbar, sich anderen Unternehmen zuzuwenden. In diesem besonderen Fall ist also § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB ebenfalls anzuwenden, doch speziell gestützt auf das Zumutbarkeits-Tatbestandsmerkmal. - Auf dieses Kriterium könnte man allerdings auch bei Bindungen sensu stricto abstellen2U , und man erhielte dann eine Einheitlichkeit bei der Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB. Diese Lösung wäre jedoch dann beeinflußt von den wirtschaftlichen Bindungen, einer Fallgestaltung also, deren Atypizität es nicht angezeigt erscheinen läßt, sie zur Theoriebildung heranzuziehen auf Kosten des klaren Faktums der rechtsgeschäftlichen Kontrahierungsverbote bzw. -gebote. Es reicht, daß § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB in jedem Fall als Sitz des Lückenlosigkeitserfordernisses brauchbar ist, mag auch für einen Teil von Sachverhaltskonstellationen auf ein weiteres Tatbestandsmerkmal dieser Norm abzustellen sein, als dies im Regelfall notwendig ist. Wird demnach bei normaler Fallgestaltung - so wie eben besprochen - Abhängigkeit schon durch bloße rechts geschäftliche übereinkunft hinsichtlich der Exklusiv-Bindung herbeigeführt, kommt es trachtung; so OLG Karlsruhe WRP 1979, 61 (63), 8.11. 1978, 6 U 129/77; in gleichem Sinne BKartA-TB 1974, S.17; vgl. zu dieser Frage auch Köhler, S. 63 ff., 96. 258 K. Schmidt, Aufgaben, S. 82. 260 Oben, Teil I, Vierter Abschn., 2). 101 An dieser Stelle würden auch Bedenken widerlegt, die sich mit der Erklärung im vorigen Absatz nicht zufriedengeben im Hinblick darauf, daß § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB speziell auf die Weise der Abhängigkeit Wert legt: Der Tatbestand ist theoretisch voll zu erfüllen.
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darauf, ob der Bindungsverwender, wie er es bei Aufbau seines Systems gewollt hat, tatsächlich Marktstärke erreicht, nicht mehr an. Deshalb auch akzentuieren Äußerungen unrichtig, die davon ausgehen, Exklusiv-Bindungen würden "oft" nur wegen der Marktstärke des Bindungsverwenders eingegangen 282 ; dabei ließe man zu sehr den Aspekt außer acht, daß der Hersteller seinen Markteinfluß seinem Händlersystem verdankt, das auch den Händlern ein Stück wirtschaftlicher Sicherheit gibt263 . Allerdings: Hat er auf Grund einer durch das System herbeigeführten Marktpflege Marktstärke erlangt284, unterfällt er schon nach herkömmlicher Auslegung 265 des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB dieser Bestimmung, ohne daß sie aber auch nur insoweit als Rechtsgrundlage des Lückenlosigkeitserfordernisses jemals erkannt worden wäre. - Dies wiederum beruht darauf, daß auch bei jener Auslegung durchweg unterlassen wurde, den Umstand, daß die Händler an Entstehung und Pflege des Markteinflusses des Herstellers beteiligt sind, einzubringen, der insbesondere bei der Beendigung der Zugehörigkeit eines Händlers zum System von hohem Interesse ist. Sie kann, wird sie gegen den Willen des Händlers auf der Grundlage ungleicher Kündigungsmöglichkeiten herbeigeführt, durchaus zu seinem Ruin hinleiten, wie Koeble 266 zutreffend bemerkt, der aber erstaunlicherweise nicht danach fragt, ob das so ohne weiteres hingenommen werden kann, selbst dort nicht, wo er ausdrücklich auf die von Benzingesell262 So E. Koch, S. 150; ähnlich Biedenkopj, S. 205. 283 Mit ähnlicher Tendenz wie hier wohl auch Jansen, S. 19 (ähnlich S. 21 f.), obzwar er die für die Händler nachteilige Seite eines solchen Systems allzu sehr in den Vordergrund stellt. In etwa auch Koeble, S.150; Rebe, S.188, und Rittner, S.112 (ebenfalls noch zu eng, S.113, 160; zutreffend auf S.114, wenn auch unrichtig an einem typischen Koppelungsgeschäft erläutert). - Die Situation ist gewiß dann anders zu bewerten, wenn ein (obendrein marktstarkes) Unternehmen es darauf anlegt, durch Exklusiv-Bindungen einen Markt zu monopolisieren; vgl. Jansen, S. 50 Fn. 151. 2M Dieser Mechanismus ist bei OLG Düsseldorf WuW/E OLG 2010 (2011), 19.9.1978, U (Kart) 28/77, "Plaza SB Warenhaus", treffend dargestellt, obwohl der Hinweis auf einen Marktanteil, der bei § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB im äußersten Fall Indizfunktion haben kann und bei hochangesehenen Luxuswaren mit sehr geringem Marktanteil gleichgültig ist, besser unterblieben wäre; kritisch bezüglich dieses Merkmals auch Danelzik BB 1979, 651 (652). 265 In deren Rahmen bleibt auch Schmitt, S. 186, wenn er die Abhängigkeit auf Händler beschränkt, die dem System bereits angehören und nun schon spezialisiert sind; ähnlich S. 195, wo er ebenfalls auf "markenbezogene Investitionen" abstellt. Nicht viel anders Ernestus, S. 212 f., bei artikelbedingter Abhängigkeit (im Grundsätzlichen aber zuvor ablehnend, S. 191 f.), jedoch beschränkt auf schon existierende marktstarke Marken. Daß anderenfalls etablierten Händlern ein Bestandsschutz gewährt werde (S. 212), ist als Argument untauglich, denn über § 18 GWB soll ja gerade diese Folge erreicht werden können, die sich als die stets vorhandene Gegenleistung für die Bindung erwiesen hat; vgl. oben, 3 b), Text bei Fn. 78. 286 Koeble, S. 48.
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schaften regelmäßig vereinbarte erleichterte Kündigungsmöglichkeit eingeht287 • Immerhin liegt doch die Erwägung nahe, daß bei gleichgewichtiger Beteiligung an einer wirtschaftlichen Entwicklung für jede Seite - wenn überhaupt, dann: - eine gleichwertige Kündigungsmöglichkeit vorliegen muß 288 • 289. Wie auch immer: Besteht nach allem die von § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB verlangte Abhängigkeit, ist er also Sitz des Kriteriums "Lückenlosigkeit", fragt sich, wie die Handhabung der Vorschrift in bezug auf dieses Merkmal aussieht. Die Wirkung des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB geht weit über das hinaus, was die außerordentlich vage und labile herrschende Lehre von der Lückenlosigkeit verlangt. Da allein die Vereinbarung der Exklusiv-Bindungen die Bestimmung eingreifen läßt, erfaßt sie also von vornherein schon den Fall theoretischer Lückenlosigkeit270 , verlangt also eine solche Konstruktion, die bei vertrags getreuer Handhabung durch alle Beteiligten tatsächliche Gleichbehandlung herbeiführt; ein System, das diesen Anforderungen nicht genügt, nimmt § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB nicht hin. Insoweit besteht vom Ergebnis her noch Deckung mit jener Lehre271 ; gleichwohl ist ein eigenartiger Einwand abzuwehren: So sagt LehmpfuhL272 , die theoretische Lückenlosigkeit eines Exklusiv-Bindungssystems sei "nicht von heute auf morgen zu erreichen". Das ist im Grunde genauso wenig nachvollziehbar wie das Zumutbarkeitskriterium, wonach die herrschende Lehre die Frage beantwortet, ob ein Gebundener sich noch an die Exklusiv-Bindung halten muß und dessen getreues Abbild diese Äußerung LehmpfuhLs in ihrer geringen Greifbarkeit ist. LehmpfuhL hat unrecht: Es trifft nur zu, daß nicht alle Rechtsgeschäfte eines Exklusiv-Bindungssystems zu gleicher 55. 5 BGB erwiese sich so als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens von einer personenrechtlichen Gleichbehandlungspflicht, die etwa in der Form der gesellschaftsrechtlichen (vgl. § 53 a AktG) Gleichbehandlungspflicht (wenn auch mit richtiger Möglichkeit, von ihr durch Rechtsgeschäft abzuweichen, da hier von einem Abhängigkeitsverhältnis nicht ausgegangen werden kann) und der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht (vgl. die positiv-rechtliche Ausprägung in § 75 BetrVG) anerkannt ist. Unter diesem rein wirtschaftlichen Gesichtspunkt hat denn auch die alte Idee vom Arbeitsverhältnis als "Gemeinschaftsverhältnis" (dazu vor allem Wiedemann, insbesondere S. 25 ff. und die klar ablehnende Position auf S. 10 oben), die im Zuge einer dankenswerten Entideologisierung dieses Rechtsverhältnisses untergegangen ist, eine gewisse Existenzberechtigung zurückerhalten. 289 Eine etwas kritischere Haltung wäre von Koeble schon deshalb zu erwarten gewesen, weil er, S. 58 f., schreibt, daß bloße Rechtsformerwägungen nicht dazu führen könnten, Schutzvorschriften nur deshalb nicht anzuwenden, weil sie von ihrem Wortlaut her für andere Rechtsformen gedacht waren. 270 Zu den beiden Formen der Lückenlosigkeit, der theoretischen und der praktischen, vgl. oben, aal. 271 Vgl. oben, aal Fn. 171. 288
Koeble, S. § 622 Abs.
272
Lehmpjuhl, S. 89.
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Zeit geschlossen werden können. Aber hier darf man doch von vornherein nicht vergessen, daß potentielle Geschäftspartner vor Vereinbarung einer solchen Bindung auch noch nicht mit den Waren des Bindungsverwenders in Berührung kommen können; die Lückenlosigkeit ist also theoretisch gewährleistet. Sollte ein Bindungsverwender tatsächlich einmal einen umgekehrten Weg wählen273 , also die ExklusivBindungen erst nach Vereinbarung des Warenbezugs durchsetzen wollen274 (worauf sich die Händler nur bei zusätzlicher Gegenleistung einlassen werden), muß er allerdings durch entsprechende Formulierung dafür sorgen, daß die Exklusivklauseln für alle Warenbezieher zum gleichen Zeitpunkt in Kraft treten27S , was aber mit einer aufschiebenden Befristung, § 163, 1. Variante, BGB, leicht zu erreichen ist. Diese kann - wenn man helfen will - auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung, § 157 BGB, hineingedacht werden. Es fragt sich nur, auf Grund welcher Erwägung sich diese Ergänzung rechtfertigt. Hier kann nur wiederum § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB herangezogen werden, denn daß diese Norm gerade schon im Aufbaustadium eines Exklusiv-Bindungssystems anwendbar ist, wurde im Rahmen dieser überlegungen bereits bejaht21G • Die Wirkung des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB in den Fällen theoretischer Lückenhaftigkeit ist denkbar einfach277 . Da es hier um rechtsgeschäftliche Ungleichbehandlung geht, vermag § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB ohne weiteres als gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 278 BGB zu wirken mit der Folge der Nichtigkeit der diskriminierenden, also Lückenhaftigkeit herbeiführenden Klauseln, ohne daß über § 139 BGB zugleich der Belieferungsanspruch der Händler in Frage gestellt werden könnte. Die Vorschrift wirkt also gleichsam automatisch, und die Gebundenen sind nicht darauf verwiesen, um ihre Befreiung%79 von der Bindung zu prozessieren28o . 273 Vgl. den wirtschaftlich ähnlich liegenden Fall im BKartA-TB 1965, S.49 (unter Nr. 7). 274 Gefährlich für die Einhaltung der Lückenlosigkeit ist auch die Ankündigung des Bindungsverwenders, seine Bindung in absehbarer Zeit aufheben zu wollen; vgl. BKartA-TB 1967, S.54; wirtschaftlich gleich liegt der Fall bei auslaufenden Modellen; vgl. BKartA-TB 1968, S. 50. 275 Verkannt im BKartA-TB 1964, S.41. Möglicherweise gesehen im Frankfurter Kommentar, § 16 Tz. 44. 276 Oben, Text bei Fn. 254. 277 Zum folgenden sei verwiesen auf die Ausführungen in BB 1979, 555 ff., deren Manuskript bereits längere Zeit fertiggestellt war, bevor der Entschluß zur vorliegenden Arbeit gefaßt wurde. Der dortige Gedankengang soll hier nicht wiederholt werden. 278 Seltsam unentschlossen zur Anwendung des § 134 BGB OLG Stuttgart WuW/E OLG 2103, 23.3.1979, 2 W (Kart) 8/79, "Porsche-Vertragshändler"; Langen J Niederleithinger / Schmidt, § 16 Rdnr. 2; bejahend Müller / Giessler J Schalz, § 16 Rdnr. 16, bei insgesamt inkonsequenter Darstellung in Rdnrn. 16-18.
2. Abschn.: Der Kongruenzbereich von § 18 GWB und § 138 BGB
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Es ist dann noch festzustellen, ob § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB auch mit dem Problem praktischer Lückenhaftigkeit, die bei theoretischer Lükkenlosigkeit eintritt, fertigwerden kann; denn anderenfalls bestünden Bedenken dagegen, diese Norm als allgemeinen Sitz des Lückenlosigkeitserfordernisses anzusehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß praktische Lückenhaftigkeit eintreten mag, ohne daß der Bindungsverwender davon erfährt und diesen Mangel abstellen kann. Sein legitimes Interesse im Fall bloß praktischer Lückenhaftigkeit geht also dahin, Gelegenheit zu erhalten, eine Bereinigung seines Systems durchzufü~·, ren, ohne daß die Gebundenen sofort § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB ihm ent'legenhalten dürften. Das Geschehenlassen praktischer Lückenhaftig\.reit ist als Unterlassen zu qualifizieren. Dieses Unterlassen ist deshalb nicht gestattet, weil so ein Zustand eintritt bzw. perpetuiert wird, der mit § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB nicht zu vereinbaren ist281 . Unterlassen hat aber schon von der Definition her, wenn man es von bloßem Nicht-Tun abheben will, Wissen und Wollen, also Vorsatz, zur Voraussetzung. Jeder Gebundene kann durch eine entsprechende Anregung - die er schon deshalb vortragen sollte, um sich ein Beweismittel zu verschaffen - , die eingetretene Lückenhaftigkeit abzustellen, den Bindungsverwender "bösgläubig machen"282. Unternimmt dieser daraufhin nichts, 279 Man muß hier wie im folgenden klar erkennen, daß der rein juristische Ruin eines solchen Systems die unausweichliche Folge des Umstands ist, daß es auch wirtschaftlich nicht mehr funktioniert (so wohl auch Lehmpjuhl, S. 51, und klarer auf S. 86, 101). Gewährleistet etwa ein Sportschuhhersteller, der prinzipiell nur an Händler liefert, die beim Schuhkauf eine Bedienung sicherstellen, nicht, daß Selbstbedienungswarenhäuser seine Artikel nicht erwerben können, so versteht es sich, daß die Einzelhändler .. allenfalls die Schuhmodelle mit geringerer Nachfrage noch kostendeckend werden anbieten können" (richtig LG Düsseldorf WuW/E LG/AG 435 (439), 15.2.1978, 12 0 149/77, "Divi"); wie kämen sie dazu, die übrigen Produkte noch abzunehmen? (auf diesen Gesichtspunkt ist schon oben, 3 b), Text bei Fn.95, hingewiesen worden). 280 Es versteht sich, daß es in der Praxis nahezu stets zu Rechtsstreitigkeiten kommen wird; auch im Fall des § 138 BGB ist das nicht anders, obwohl auch er eine ipso-iure-Nichtigkeit anordnet. 281 Einer Heranziehung des § 8 OWiG, also einer Entscheidung dahin, ob der Bindungsverwender für den Erfolg rechtlich einzustehen hat, bedarf es demnach nicht. Hier ergibt sich also, daß man - jedenfalls für die Zwecke dieser Darstellung - ebensowenig wie die herrschende Lehre Stellung zu der Frage zu nehmen braucht, ob eigentlich auf Durchführung der Lückenlosigkeit ein Anspruch seitens der Gebundenen besteht; vgl. oben, aal am Ende; man kommt auch hier mit der Konstruktion einer Obliegenheit aus und braucht nicht das Problem zu klären, ob aus §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 26 Abs. 2 Satz 2 GWB überhaupt ein bestimmtes Tun verlangt werden kann; wenn schon anders das Bestehen eines Anspruchs nicht zu ermitteln ist. Diese Konsequenz sieht Lehmpjuhl, S. 91 f., nicht, der deshalb Lückenhaftigkeit nur als gegeben ansieht, wenn der Hersteller nichts gegen den Bruch der Bindungen unternimmt, S. 92. Was das aber noch mit dem Wort von der Lückenhaftigkeit bzw. als Kehrseite mit dem Erfordernis .. Lückenlosigkeit" zu tun haben soll, ist unerfindlich. 282 Erneut: Es ist gleichgültig, ob man von einem entsprechenden Anspruch ausgeht oder nicht. 10 Venrooy
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
ist § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB erfüllt283 • Freilich vermag die Vorschrift hier nicht über § 134 BGB den Wegfall der Bindung zu bewirken; dies tut sie, indem sie den Gebundenen den Arglisteinwand gegen ein etwaiges Bestehen des Bindungsverwenders auf der Bindung gewährt. Die gleiche Rechtsfolge tritt ein, wenn die theoretische Lückenhaftigkeit erst später nach Konstituierung eines Systems durch unvollkommenen Inhalt der Bindungsvereinbarung mit einem neu hinzugekommenen Händler bewirkt wird 284 • Nach allem hat sich also die Zuweisung des Problems der Lückenlosigkeit von Exklusiv-Bindungssystemen zu § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB als dogmatisch wie praktisch zufriedenstellend erwiesen. Die Norm hat demnach zu § 18 GWB eine ähnliche Komplementärfunktion wie die letztere Vorschrift zu den gewerblichen Ausschlußrechten285 . 288. 281. Nach Klärung des Problems der Lückenlosigkeit ist auf seinen Anlaß zuriickzukommen. Es wurde gesagt, daß der einzelne Gebundene durch Berufung auf § 138 BGB die Möglichkeit habe, sich seiner Bindung zu entledigen, ohne daß naCh § 139 BGB zugleich sein Belieferungs283 Im BKartA-TB 1969, S.74; 1971, S.71 (ähnlich S.78); 1972, S.68, ist die Rede von einem Preisbindungssystem, das für unwirksam erklärt wurde, weil der Bindungsverwender die Lückenlosigkeit nicht "in einer angemessenen Frist" wiederherstellen konnte. Hier könnten gleiche Erwägungen zugrunde liegen wie dem hier vertretenen Modell, zumindest sähen die Rechtsfolgen bei Verletzung des Lückenlosigkeitserfordernisses ähnlich aus. Vgl. auch BKartA-TB 1970, S. 67. 284 Zur Frage, warum hier § 134 BGB nicht Platz greifen kann, sei erneut auf die Darstellung in BB 1979, 555 ff., verwiesen: Eine "Behandlung" gegenüber den schon vorhandenen Gebundenen liegt nicht vor. 285 Dazu oben, 3 b), Text bei Fn. 103. Dieser Zusammenhang wurde in dieser Weise bislang noch nicht dargestellt. Ein entfernt ähnlicher Gedankengang findet sich bei Jansen, S. 118, wo gesagt wird, Marktbeherrschung (usw.) brauche bei dem gekoppelten Gut, hinsichtlich dessen differenziert werde, gerade nicht vorzuliegen. Zu verweisen ist auch auf Jansen, S.119, wo ein Zusammenhang erörtert wird zwischen §§ 20, 21 GWB einerseits und §§ 22 Abs. 1, 26 Abs. 2 GWB andererseits; indes fehlt auf S.120, also dort, wo es sich angeboten hätte, eine entsprechende Prüfung für das Verhältnis von § 18 GWB und § 26 Abs. 2 GWB. 286 Die Zumutbarkeitsdoktrin der h. L. stellt also einen Wertungswiderspruch zu § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB dar, aber darüber hinaus zu § 13 Abs. 1 Satz 2 GWB, demzufolge ein (legales) Kartell dann gekündigt werden kann, "wenn die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Kündigenden ... durch eine nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung im Verhältnis zu den übrigen Beteiligten beeinträchtigt wird". Ein Kartell kann also schon auf Grund interner Diskriminierung gekündigt werden, wohingegen die Bindung an ein lückenhaftes Exklusiv-System von Zumutbarkeitserwägungen bestimmt werden soll. 281 Lehmpfuhls Unterscheidung (S. 66), § 26 Abs. 2 GWB richte sich gegen primär destruktives Verhalten, wohingegen § 18 GWB sich gegen primär konstruktives ("nämlich auf Absatzförderung allgemein bedachtes Marktverhalten") wende, kommt kein heuristischer Wert zu, weil nach § 18 GWB eben erst dann eingeschritten werden kann, wenn destruktives Verhalten zu diagnostizieren ist.
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anspruch in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Ein solches Vorgehen habe Lückenhaftigkeit des Exklusiv-Bindungssystems zur Folge, die auch die Bindung aller übrigen Gebundenen zu zerstören in der Lage sei. Soweit diese Zusammenfassung der hier behandelten Problematik. Die Frage ist anzuschließen, welcher Art von Lückenhaftigkeit, der theoretischen oder der praktischen, eine Anwendung des § 138 BGB zuzuordnen ist. Die Lage ist so: § 138 BGB zieht ipso iure die Konsequenz aus der Sittenwidrigkeit rechtsgeschäftlicher Klauseln und ahndet sie mit Nichtigkeit, ohne daß - wie das im französischen Recht der Fall ist - dies durch Klage geltend gemacht werden müßte. Ein Exklusiv-Bindungssystem, in dem die Bindung eines Händlers § 138 BGB unterfäIIt, ist also - eigentlich - theoretisch lückenhaft mit der Folge der §§ 26 Abs. 2 Satz 2 GWB, 134 BGB für die Bindungen aller anderen Händler dieses Systems bei Lückenhaftigkeit von Beginn an bzw. des Arglisteinwands aus § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB bei später bewirkter Lückenhaftigkeit. Doch führt erst die Berufung auf § 138 BGB zu manifester theoretischer Lückenhaftigkeit, die erst dann in praktische Lückenhaftigkeit umschlägt, wenn der sittenwidrig Gebundene, der sich mit Hilfe des § 138 BGB von seiner Bindung befreit hat, die praktischen Konsequenzen aus seiner Freiheit zu ziehen beginnt, indem er etwa nun auch Waren eines Konkurrenten seines Bindungsverwenders bezieht. Die theoretische Lückenhaftigkeit erweist sich also als von ihrer Intensität her zweistufig, und es fragt sich, welche Stufe zur Beurteilung der Zuordnungsfrage heranzuziehen ist, wenn nicht gar die praktische Lückenhaftigkeit vorgezogen werden muß. Indes wird die vorliegende Arbeit in der Folge ohnehin die Durchsetzungskraft des § 138 BGB, gegen den - wie erkannt288 - die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten von Exklusiv-Bindungssystemen sich zu wehren hat, erheblich einschränken. Deshalb besteht an dieser Stelle keine Veranlassung, § 138 BGB nicht schon im frühestmöglichen Zeitpunkt eingreifen zu lassen; er ist also der theoretischen Lückenhaftigkeit und dort der unmittelbar ersten Stufe zuzuweisen. c) Der Schutz des einzelnen Systems
aa) Die Funktionsweise der Abhängigkeit des § 138 BGB von § 18 GWB Nun war schon Ausgangspunkt aller dieser überlegungen, daß § 18 GWB die Existenz von Exklusiv-Bindungssystemen schützt im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs 28Q selbst. Es wäre 288 28Q
10·
Oben, a). Siehe oben, insbesondere 3 b), Text bei Fn. 113.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
nicht sonderlich effektiv, wollte man diesen Schutz auf das Vorhandensein solcher Systeme abstrakt vom EinzelfaWvo, auf die Institution also, beschränken, daneben aber beliebige Durchbrechungen auf der Grundlage des § 138 BGB gestatten. Die gesetzgeberische Billigung der Exklusiv-Bindungssysteme liefe leer; ihr Schutz bliebe Postulat. Der Wettbewerb kann durch solche Systeme tatsächlich nur dann gefördert werden291 , wenn jedes einzelne System als solches teilhat an diesem Schutz, wenn also (nun ganz deutlich gesagt:) der Bindungsverwender selbst geschützt wird. So erweist sich - zwangsläufig angesichts des bislang Gesagten - die Eingriffsbefugnis, die § 18 GWB gewähre 92 , als äußerste Hilfe 293 gegenüber einer Störungsintensität, die der Gesetzgeber nicht vorhersehen konnte, die er aber in jedem Einzelfall in den Griff bekommen wollte. Zwei einander ergänzende Inhalte hat § 18 GWB demnach: Zum einen die "Erlaubnis" von Exklusiv-Bindungssystemen als vorherrschenden, wenn auch abseits vom unvermittelten Wortlaut gefundenen Anordnungsgehalt der Vorschrift; zum anderen die Korrekturmöglichkeit, die besteht in einer den Kartellbehörden gewährten Eingriffsbefugnis, durch die sich der Staat, für den die Kartellbehörde handelt, die Fähigkeit vorbehält, die zunächst erteilte "Erlaubnis" zu "widerrufen" - Konstruktion einer Erlaubnis mit Widerrufsvorbehalt, wenn einmal diese aus anderer Sphäre herrührende Begriffsverbindung gestattet sein mag, oder um einen Vergleich aus dem GWB selbst heranzuziehen: § 18 GWB gleicht den Freistellungstatbeständen in den §§ 2 ff. GWB; die in § 18 GWB enthaltene Eingriffsbefugnis ist parallel zu § 12 GWB zu sehen 294 • Will man die so vorgetragene Argumentation durchhalten, muß man die Konsequenz ziehen, die nur darin bestehen kann, daß der Bindungsverwender seinerseits befähigt wird, Aufweichungen seines Systems zu begegnen allerdings, ohne daß der Individualschutz, den das Bürgerliche Recht mit § 138 BGB bereithält, deshalb zu kurz kommt. Eine Stärkung der Position des Bindungsverwenders kann also nicht darin bestehen, daß § 138 BGB ausgeschaltet wird; wäre das überhaupt möglich, hätte es sich schon an früherer Stelle entscheiden müssen, nämlich bei der Klärung des grundsätzlichen Verhältnisses von § 138 BGB zu § 18 290 Gerade der ausführlich besprochenen Vorschrift § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB geht es um den gerechten Ausgleich im Einzelfall; richtig dieser Hinweis bei Inga Schmidt-Syaßen, S.203, wenngleich nicht ohne Kritik, S. 203 ff. Eine Ableitung der Einzelschutzfunktion ist in BB 1979, 555 (556), versucht worden, wobei hier nur zu ergänzen ist, daß Einzelschutz und Schutz im Einzelfall zwei Aspekte derselben Konstellation sind. 291 Siehe oben, 3 b), Text ab Fn. 103. 292 Dazu schon oben, 2). 293 So wohl auch R. Liebs, S. 146. 294 Hingegen nicht mit § 11 GWB, der den Widerruf eigentlich erst vorsieht.
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GWB295 ; hier kann nun nicht mehr im Widerspruch zu jenen Feststellungen anders verfahren werden. Gleichwohl muß nunmehr, um das zu § 18 GWB entwickelte Programm durchsetzen zu können, zu einer Einschränkung der Durchsetzbarkeit des § 138 BGB geschritten werden, der ein Vorrang des § 18 GWB korrespondiert, ohne daß dieser mit den traditionellen Konkurrenzvarianten erklärt werden dürfte 298 • Es ist nur die Frage, wie jene Einschränkung auszusehen hat. Will man sich hier nicht in einer unübersehbaren Kasuistik297 verlieren, mit der keiner Seite gedient wäre, weil ihr der Charakter einer rechtssicheren Richtlinie abginge, bleibt nur die Möglichkeit, auszugehen von einer verfahrensrechtlichen Interdependenz bei der Vorschriften in der Weise, daß bürgerlichrechtliche Sanktionierung auf Grund des § 138 BGB abhängig298 ist von einem Einschreiten der Kartellbehörde auf der Grundlage des § 18 GWB299 • Rechte aus § 138 BGB können also erst geltend gemacht werden, wenn die Kartellbehörde nach § 18 GWB vorgegangen ist. Das muß freilich - über die Hemmung des § 138 BGB vermittelt - auch für die anderen systemangehörigen Gebundenen gelten, deren Bindung, wie sich gezeigt hat300 , nach §§ 26 Abs. 2 Satz 2, 134 BGB weggefallen Oben, Erster Abschn., 1) und 2). Dazu oben, 1). 297 Einer kasuistischen Lösung redet K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.229, 278, das Wort, wenngleich er an ein System wie das hier entwickelte nicht gedacht hat. Daß eine solche Lösung abzulehnen ist, dürfte für die parallele Interessenlage des baulichen Nachbarrechts Bartlsperger VerwArch.60 (1969), 35 (39 f.), gezeigt haben. 298 Eine Anlehnung an die oben b bb), Text bei Fn. 234 entwickelte Darstellung vom Auftreten eines Exklusiv-Bindungssystems als Einheit am Markt läßt den Gedanken an den Vorrang eines Interessenausgleichs im Innenverhältnis vor staatlicher Hilfe auftreten, wie er etwa im Rahmen nur beschränkter überprüfbarkeit von Vereinsbeschlüssen (wesentlich vor allem bei Strafmaßnahmen gegenüber Mitgliedern) praktisch ist. Indes ergibt sich hier höchstens eine Parallele, kein allgemeiner Rechtsgedanke, aus dem seinerseits konkrete Folgen abgeleitet werden könnten. (Sehr dankenswert hierzu die Besprechung der FZumeschen Gruppendoktrin bei P. UZmer, Lehre, S. 301 (308 ff., insbesondere 309 f.). 299 Es ist zeitweilig zu § 18 GWB eine der hier vertretenen entfernt ähnliche Meinung vertreten worden. Die Frage war, ob man § 18 GWB Schutzgesetzeigenschaft zubilligen, die Schadensersatzpflicht gleichwohl von einem Einschreiten der Kartellbehörde abhängig machen könne (vgl. Jansen, S.126, 128; außerdem Baumbach / HefermehZ, § 18 Rdnr. 18, § 35 Rdnr. 6 mit jeweils sehr undurchsichtiger Formulierung, die sich diese Auffassung zu eigen gemacht haben). Abgesehen davon, daß § 18 GWB keine Schutzgesetzeigenschaft zukommt, wozu unten, Vierter Abschn., noch Stellung zu nehmen sein wird, ist diese These in sich unstimmig: Die Notwendigkeit des Einschreitens wäre entweder § 18 GWB oder § 35 Abs. 1 GWB zuzuordnen. Tut man ersteres, stimmt die Prämisse nicht; § 18 GWB wäre kein Schutzgesetz; von Interesse wäre nur die Verfügung. Verfährt man nach der zweiten Variante, stößt man sich am Wortlaut des § 35 Abs. 1 GWB, der Schutzgesetz und Schutzverfügung gleichberechtigt nebeneinander nennt und keinen Weg offenhält, den Bezug aufs Schutzgesetz seinerseits vom Vorliegen einer Schutzverfügung abhängig zu machen. 300 Vgl. oben, b bb), Text bei Fn. 278. 295 296
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ist301 • 3 1r.!. Anders läßt sich der in § 18 GWB zum Ausdruck gekommene Grundsatz, daß Exklusiv-Bindungssysteme gestattet sind, nicht durchführen303•
bb) Praktische Konkordanz von System- und Individualschutz Allerdings: Der304 beschworene Individualschutz kann sich um seines überlebens willen nicht mit einer puren, unbereinigten Abhängigkeit von einer Aktivität der Kartellbehörde zufriedengeben, die orientiert an gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen (vgl. § 70 Abs. 4 Satz 2 GWB) nur allzu leicht geneigt sein wird, seine Pflege zu vernachlässigen, soweit sie eine solche Möglichkeit angesichts der eher kollektiv akzentuierten Eingriffsvoraussetzungen des § 18 GWB überhaupt hat. Individualschutz darf also ebensowenig wie der Schutz von Exklusiv-Bindungssystemen im unausgereiften Aggregatzustand des Postulats stekkenbleiben. Und so tritt wieder, worauf zu deuten schon mehrfach in dieser Arbeit Veranlassung bestand, ein Problem praktischer Konkordanz 305 auf: Die durch verfahrensmäßige Abhängigkeit des § 138 BGB von einem Einschreiten nach § 18 GWB bewirkte Einschränkung ersterer Norm bedarf ihrerseits der Aufweichung, für deren Durchführung 301 Es sei erneut daran erinnert, daß hier im Kongruenzbereich der §§ 138 BGB, 18 GWB argumentiert wird. Da hier ein Vorrang des § 18 GWB vor individualrechtlicher Sanktionierung ermittelt wurde, kann sich die Frage einer Schutzgesetzeigenschaft hier schon von der Konstruktion her nicht stellen; sie bleibt Problem, das der Domäne einer alleinigen Anwendung des § 18 GWB (dazu unten, Dritter Abschn.) zugehört. Das Dilemma der Schutzgesetzeigenschaft hatte auch Lehmpfuhl vor Augen, der auf S. 62 formuliert: "Der Individualschutz ist vielmehr stets von einer vorherigen Anordnung der Kartellbehörde abhängig, ... " Er meint also anderes als das hier im Text Vertretene. 302 Man sieht, daß so das Vermißte, nämlich theoretische Lückenlosigkeit, doch erreicht wäre. Das gilt freilich nur für Verfahrenszwecke; an der materiellrechtlichen Beurteilung vermag sich nichts zu ändern. 303 Es sei nur am Rande erwähnt, daß es ähnliche Erwägungen waren, die im US-amerikanischen Recht den Kartelleinwand bei Ansprüchen aus Folgeverträgen beschnitten (MailändeT, S.44; zur Rechtslage der Folgeverträge im deutschen Recht Raisch I van VenTooy I Welke-Chlosta, S. 25 f. und 19). Doch dachte man vor allem an öffentliche Interessen am Funktionieren der Anti-Trust-Behörden, das durch individuelles Vorgehen nicht gestört werden sollte (Mailänder, S. 45); im Rahmen der vorliegenden Arbeit paßt das Argument also besser als Gegenposition zu den Durchgriffsthesen, wo (unten, Vierter Abschn.) es aber nicht verwendet wird. - Die von MailändeT, S. 45, dargestellte weitere Begründung, einzelstaatliche Gerichte sollten nicht inzidenter über die Zulässigkeit von Wettbewerbsbeschränkungen entscheiden dürfen, die auf Grund Bundesrechts zu prüfen wäre, kann auf die Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland nicht übertragen werden, die - als unitarischer Bundesstaat (um diesen Titel einer Schrift von Hesse zu verwenden) - alle in etwa wesentlichen Normenbereiche bundeseinheitlich geregelt hat. 304 Oben, aa). 305 Ähnlich BKartA-TB 1965, S. 20, für den europäischen Handel.
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nunmehr nach Wegen zu suchen ist, wobei die Argumentation streng auf das hier entwickelte System zu beschränken ist. aaa) Das Problem angeblichen Ermessens Wichtigste Voraussetzung ist, daß die Verfahrenseinleitung nicht in das Belieben der Kartellbehörde gestellt ist; bei ihr zeigt sich die erste zu behebende Schwierigkeit. § 51 Abs. 1 GWB stellt bezüglich der Verfahrenseinleitung den Grundsatz auf, daß sie geschieht von Amts wegen oder auf Antrag. Der Wortlaut des § 18 GWB sieht ein Antragsrecht aber - für wen auch immer - nicht vor. Mit diesem angesichts des § 51 Abs. 1 GWB immerhin rechtssicheren Ergebnis könnte man sich im Anschluß etwa an E. Koch 306 und Langen / Niederleithinger / Schmidt 307 zufriedengeben. Es versteht sich aber, daß eine Auffassung von § 18 GWB, die es in das Belieben der Kartellbehörde stellte, ob sie gegen Exklusiv-Bindungssysteme vorgehen wolle oder nicht - ganz abgesehen von ihrer verfassungs rechtlichen Zweifelhaftigkeit - diese Vorschrift ausschließlich im Sinne der Bindungsverwender interpretierte, deren Position selbst vom Standpunkt der herrschenden Meinung aus in praxi weitgehend unangreifbar wäre. Im Rahmen des hier vorgestellten Systems wäre eine solche Anordnung gar unhaltbar: Es wurde ja gerade davon ausgegangen, daß die durch § 18 GWB getroffene Entscheidung zugunsten von Exklusiv-Bindungssystemen zwar eine deutliche Präponderanz der Stellung des Bindungsverwenders mit sich bringt, aber keineswegs den Einzelschutz ad acta legen wollte. Gerade die Eingliederung eines Händlers in ein solches System wirft die Frage seines Schutzbedürfnisses erst mit aller Deutlichkeit auf. Indes, so intensiv wie zuvor braucht der Schutz nicht zu sein, denn der von ihm auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse vollzogene Eintritt in das System bringt die Einschränkung seiner Rechte mit sich, die dessen Funktionsfähigkeit erfordert. - Wie auch immer: Diese Darlegungen stellen klar, daß es eine Insuffizienz des hier entwickelten Abhängigkeitsverhältnisses von § 138 BGB und § 18 GWB wäre, wollte man die Verfahrenseinleitung in das Belieben der Kartellbehörde stellen. Die Konsequenz ist, daß der Gebundene auf die Einleitung des Verfahrens einen Einfluß von der Art haben muß, die seinen Interessen gerecht wird. Da aber jedenfalls im Wortlaut308 des § 18 GWB ein Antragsrecht nicht enthalten ist, fällt konform mit § 51 Abs. 1 GWB der Blick zu306 307
E. Koch, S. 114, ohne weitere Erörterung. Langen 1Niederleithinger 1Schmidt, § 18 Rdnr. 171; interessanterweise -
so der dortige Hinweis - entschied die Vorauflage noch anders. 308 Ein sehr zweifelhaftes systematisches Argument findet sich in einer Antragsschrift der Landeskartellbehörde Hessen WuW/E LKartB 83 (84), 23.8.1962, R 351/62, "Stadthalle".
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nächst auf die Verfahrenseinleitung von Amts wegen. Es steht jedermann frei, dadurch auf eine Verfahrenseinleitung Einfluß zu nehmen, daß er sie anregt30D• Die Frage stellt sich also, ob die Kartellbehörde im Fall der Anregung derart auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 GWB verpflichtet ist, daß sich ein hinreichender Schutz für die Gebundenen ergibt. Das Problem ist mithin zunächst, inwieweit das in § 18 GWB verwendete Wort "kann" ein Ermessen310 zugunsten der Kartellbehörde bedeutet. Hier ist von vornherein eine These von R. Liebs zurückzuweisen: Er meint311 , mit "kann" sei schon deshalb kein Ermessen zur Verfügung gestellt, weil die übrigen in § 18 GWB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe alle rechtlich relevanten Gesichtspunkte aufwiesen, für die Ausübung eines daneben angesiedelten Ermessens also kein Raum bleibe. Hier wird dreierlei übersehen: zum einen, daß jeder Ermessenstatbestand abhängt von rechtlichen Voraussetzungen, über deren Vorliegen sich die das Ermessen ausübende Behörde ebenfalls schlüssig werden muß; zum anderen, daß gerade die Kombination von Ermessen und unbestimmten Rechtsbegriffen gängig ist, § 18 GWB insofern also keinerlei Besonderheit enthält, die zu einer Abweichung von der üblichen Behandlung solcher Vorschriften zwänge; und zum dritten, daß dann, wenn man in einem krassen Fall wirklich einmal annehmen muß, die in einer scheinbaren Ermessensnorm verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe enthielten eigentlich schon die Entscheidung, nach einer praktischen Konkordanz gesucht werden muß zwischen ihnen und der dem Wortlaut zufolge gegebenen Ermessensermächtigung: Diese sieht dann so aus, daß das Ermessen anerkannt, aber durch die unbestimmten Rechtsbegriffe weiter eingegrenzt wird; aus beiden Teilen einer solchen Vorschrift wird also eine einheitliche (zielorientierte) Ermessensnorm 312• Aber selbst das von R. Liebs aufgeworfene Problem stellt sich nur dann, wenn man das Bestehen einer Ermessensermächti309 Auf diese Möglichkeit verweist das BKartA im BKartA-TB 1960, S.59; immerhin ist dem BKartA zugute zu halten, daß es auf Anregung hin aktiv wird (vgl. etwa BKartA-TB 1974, S. 68), was einst Biedenkopf, S.211, als Wunsch formulierte. Ohne weitere Erläuterungen beschränken auch MüHer / Giessler I Scholz, § 18 Rdnr. 6, die Gebundenen auf die Anregung. 310 In diesem Sinne ohne weiteres Ebel, § 18 Rdnr. 3; Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 101, 102, 103; Langen / Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr. 170; Sandrock, S.477; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.84; Wes trick I Loewenheim, § 18 Anm. 28, 49. 311 R. Liebs, S.42. 312 So jedenfalls die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes NJW 1972, 1411, 19.10.1971, GmS OGB 3/70; ein Beschluß, der allerdings nur wegen seiner Bemühung um Konkordanz befriedigt, weswegen Kloepfer in seiner Anmerkung NJW 1972, 1411 (1412), durchaus zu Recht auf gewisse Mängel in der Logik der Gedankenführung aufmerksam machen mußte.
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gung geprüft hat3l3 , wobei aber zu betonen ist, daß das, was derartige "kann"-Formeln bedeuten, sich schlechterdings nie aus einer Wortinterpretation erschließt314 ; entgegen der von R. Liebs offenbar vertretenen Auffassung müßte hier das Ergebnis korrekterweise immer dasselbe sein: Wer "kann", "kann" eben auch bleiben lassen, was er tun darf 315 • Tatsächlich ist die Interpretation, ob Ermessen vorliegt oder bloß gebundenes In-Macht-Stellen316 , aufzubauen vor allem auf der Basis von Sinn und Zweck317 der Vorschrift, die die "kann"-Formulierung enthält. Nun ist aber § 18 GWB mittlerweile schon so weit ausgelotet worden, daß ein Urteil über das Wort "kann" möglich ist: Wird § 18 GWB so verstanden, daß nur ein Einschreiten auf Grund seiner Tatbestandsvoraussetzungen den Weg freimacht zu Individualschutz im Zusammenhang mit § 138 BGB, dann ist dieser ausreichend nur gewährleistet, wenn die Kartellbehörde ihre Verfügung ausschließlich auf Grund der Kriterien des § 18 GWB trifft, wenn also ihre Entscheidung eine gebundene ist318 ; gäbe man ihr ausgehend von einer Ermessensermächtigung die Möglichkeit, unter mehreren prinzipiell richtigen Entscheidungen auszuwählen, müßte das geschehen orientiert an Merkmalen, die bei der Konstituierung des Verhältnisses zwischen § 138 BGB und § 18 GWB keine Rolle gespielt haben, die es also bei nachträglicher Einfügung verfälschten und ihm die Berechtigung nähmen. Diesem Ergebnis einer schon logischen Unmöglichkeit, von einer anderen als einer gebundenen Entscheidung auszugehen, mag eine Wertung beigefügt werden: Eine etwaige Ermessensfreiheit der Kartellbehörde 313 Auf der Grundlage von R. Liebs' Ausführungen ist nicht recht einsehbar, warum er die Möglichkeit, die Unwirksamkeit erst für einen späteren Zeitpunkt zu erklären, offenbar für unproblematisch hält (S.43, 49, 85, 119 Fn.56). Soll ein und dasselbe "kann" in bezug auf verschiedene Tatbestandsmerkmale ein und derselben Norm unterschiedlichen Inhalt haben? Eine solche These wäre nicht zu billigen. 314 Daß die Interpretation aus dem Wortlaut "aussichtslos" ist, stellt K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 566, treffend dar. 315 So hört es sich mit Bezug auf § 18 GWB bei Lutz BB 1965, 1336 (1338), denn auch an. Der GmS OGB ist in der oben, Fn. 312, zitierten Entscheidung jedenfalls diesem Fehler nicht verfallen. 316 Der BGH stellt in NJW 1979, 1354 (1356), 15. 2. 1979, III ZR 108/76, als neue Erkenntnis vor, daß die Behörde von einer Ermessensermächtigung nur im Sinne des Gesetzeszwecks Gebrauch machen dürfe. Nun hat sich das auch bisher schon von selbst verstanden. Sollte damit aber tatsächlich eine Einschränkung der Tragweite jeglicher Ermessensermächtigung gemeint sein, schrumpfte der im Text dargestellte Unterschied sehr stark zusammen. 317 Daher ist auch der Ansatz Rittners, Ermessen, S. 307 (308), ausschließlich im GWB selbst der richtige. 318 Interessanterweise scheint das BKartA auch davon auszugehen; im BKartA-TB 1971, S.59, schreibt es: "Diese Vertriebsbindung hätte vom Bundeskartellamt nach § 18 für unwirksam erklärt werden müssen" (Hervorhebung nicht im Original), "da sie für den Beschwerdeführer den Zugang zum Markt unbillig eingeschränkt hat." Freilich kann diese Äußerung ebensogut ein undurchdachtes obiter dictum gewesen sein.
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
bei einem Einschreiten nach § 18 GWB wäre stets auf die Position des Bindungsverwenders zu projizieren; solange also die Kartellbehörde nicht einschritte, bliebe sein System intakt; so hätte er teil an der Freiheit der Behörde. Dieser Freiheit entspräche aber auf der Seite der Gebundenen nicht einmal die regulär vorhandene Freiheit, in einem Gleichordnungsverhältnis des Privatrechts eine gerichtliche überprüfung zu veranlassen3l9 • So aber entfernte man sich von dem Gleichordnungsverhältnis überhaupt und schüfe im Verhältnis der Gebundenen zum Bindungsverwender ein Unterordnungsverhältnis, das durch Privatautonomie nicht mehr legitimiert werden könnte. Gewiß geht es hier nicht darum, die Schwelle zu ermitteln, die die Zulässigkeit privatrechtlicher (und mithin privatautonomer) Verpflichtungen trennt von unzulässiger (und wohl ohne weiteres nichtiger320 ) Veräußerung eines Ausschnitts der Rechtsfähigkeit (vgl. Art. 1 Abs. 2 GG), denn diskutiert wird hier ja letztlich die Reichweite einer Norm. Nur ginge man so weit in der Auslegung des § 18 GWB, wie es hier als möglich vorgeführt wurde, ließe man die Basis außer acht, auf die sich die These vom Vorrang des § 18 GWB stützte. Gesagt wurde, daß es der Wettbewerb selbst sei, der um seiner Funktionsfähigkeit willen den Vorrang nahelegt, ja ihn geradezu erfordert im Hinblick auf eine wirksame Ergänzung zu den gewerblichen Ausschlußrechten321 • Eben den Wettbewerb das faktische Gleichordnungsverhältnis schlechthin3!2, das das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als Gleichordnungsverhältnis zumindest erhalten will - tangierte man aber, wenn man in Verfolgung der Vorrangthese dem Bindungsverwender eine durch Reflex einer angeblichen Ermessensfreiheit der Kartellbehörde herbeigeführte Marktposition einräumte, die die Gebundenen in seine Macht gäbe; eben das verlangt die Ausgangsbegründung nicht. - So ist also endgültig die Konsequenz für die Auslegung des § 18 GWB, daß die "kann"Klausel kein Ermessen für die Kartellbehörde bedeutet323 , sondern ledig319 Diese ist selbst in den Fällen, die oben, aal Fn. 298 erwähnt wurden, nicht gänzlich beseitigt, und normalerweise besteht nur die Wahl zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht, welcher Mechanismus in § 1027 a ZPO niedergelegt ist; die Möglichkeit hingegen, Gerichtsbarkeit überhaupt auszuschließen, besteht nicht. 320 Vgl. schon die Wertung bei Papinian, D. 2, 14, 38: lus publicum privatorum pactis mutari non potest. :J21 Siehe oben, 3 b), Text bei Fn. 103. 322 Montesquieu, S.58, schreibt apodiktisch: "Le commerce est la profession des gens egaux, ... " 323 Eine völlig andere innerhalb des hier für richtig gehaltenen Systems nicht verwertbare - Begründung ist bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 566 (Ergebnis), zu finden. Ob seinem Gedankengang überhaupt zugestimmt werden könnte, wäre nur zu klären, wenn er die der Kartellbehörde zugestandene Terminierungsmöglichkeit in seine Darstellung eingebaut hätte, wie es hier (unten, ce aaa) noch geschehen wird; sie spricht vom Wortlaut her
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lich ein In-Macht-Stellen; sie hat ihre Entscheidung also einzig auf der Grundlage der Tatbestandsmerkmale des § 18 GWB zu fällen. bbb) Die Rechtsschutzfrage aaaa) Prämisse: Kein Antragsrecht Die also in den Fällen des § 18 GWB bestehende Eingriffspflicht der Kartellbehörde gewährleistet den Gebundenen eines Exklusiv-Bindungssystems den benötigten Individualschutz. So lautet das hier zu formulierende Zwischenergebnis, das sogleich wieder in Frage gestellt werden soll. Diese Anschlußfrage ist dahin zu formulieren, ob der für die Behörde bestehende Tätigkeitszwang als ausreichend betrachtet werden darf, ob die Behörde also im Verhältnis zu den Gebundenen endgültig entscheidet. Das kann aus ihrer Interessenlage nur anhand der Konstellation geklärt werden, daß die Kartellbehörde negativ entscheidet, also ein Verfahren trotz Anregung nicht einleitet bzw. das eingeleitete einstellt. Das Problem ist, ob die Gebundenen eine derartige negative Entscheidung gerichtlich anfechten können. Bevor hier eine Antwort gegeben wird, muß aber die Vorfrage geklärt werden, ob die Möglichkeit gerichtlicher Anfechtung im vorliegenden Zusammenhang überhaupt gegeben werden muß. Wäre diese Vorfrage zu verneinen, könnte man sich in der Tat mit der auf Anregung hin stattfindenden Verfahrenseinleitung von Amts wegen zufriedengeben ohne Rücksicht darauf, wie sich die Kartellbehörde im Einzelfall tatsächlich verhält; denn eine solche Lösung wäre Rechtens. Nun ist es aber so, daß die Kartellbehörde durch eine negative Entscheidung den Gebundenen den Weg zum Individualrechtsschutz versperrt, womit sie aber in eine Position eingreift, die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geschützt ist324 • Nicht also ist die streitige Frage aufgeworfen, ob diese Norm einen Privatrechtsschutz überhaupt garantiert325 ; hier wird das Verhältnis der Gebundenen zur Kartellbehörde betrachtet, deren Weigerung, tätig zu werden, nach der hier vertretenen Konstruktion den auf Grund anderer Vorschriften eingerichteten Individualfür (relativ freies) Ermessen. (- Erneut unter dem Gesichtspunkt des Opportunitätsprinzips, S. 593.) 324 Hier sei wegen der vom ihm behandelten parallelen Problemlage des baulichen Nachbarrechts lediglich Bartlsperger VerwArch. 60 (1969), 35 (48), als Beleg gebracht zu der im übrigen deutlichen Formulierung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der - ohne daß insoweit Auslegungsschwierigkeiten bestünden - eine eindeutige Rechtsposition gewährt. Die WRV kannte eine ähnliche Bestimmung nicht. 325 Vgl. dazu K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.610. Insoweit besteht also ein Auslegungsproblem, wobei seine Tragweite dahingestellt bleiben mag: Jedenfalls im Bereich des Handels, zumal des internationalen, hat man sich um staatliche Gewährleistung von Gerichtsbarkeit nicht gekümmert und statt dessen private Schiedsgerichtsbarkeit errichtet.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
rechtsschutz unterbindet. Und hier ist es in der Tat so, wie es K.Schmidt treffend formuliert hat326 : "Was dem Verwaltungshandeln an Würde nicht zukommt - nämlich das letzte Wort in einer Rechtssache -, nimmt ihm Art. 19 IV GG327." Diese Vorschrift328 zwingt also zur Gewährung von Rechtsschutz im vorliegenden Fa1l329 • Postulat ist also, daß ein Weg gangbar gemacht wird, der den Gebundenen gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung stellt. Ob das denkbar ist unter der fortwährenden Annahme, ein Antragsrecht auf Einleitung eines Verfahrens bestehe nicht, sei im folgenden geprüft. Heranzuziehen ist hier die Beschwerdebefugnis nach § 62 Abs. 2 GWB, die wiederum von der in § 51 Abs. 2 und 3 GWB geregelten Verfahrensbeteiligung abhängig ist 330 • bbbb) § 51 Abs. 2 Nr. 1 GWB Nach § 62 Abs. 2 GWB ist beschwerdeberechtigt schon der, der nach § 51 Abs. 2 Nr. 1 GWB dadurch am Verfahren vor der Kartellbehörde 326 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 81. Freilich ist vom Dogmatischen her eine Einschränkung anzubringen: Gerichtsbarkeit überprüft Verwaltungshandeln nur; hat die Verwaltung sich kompetenzgemäß verhalten, wird sie auch das letzte Wort behalten - nach Verfahrens abschluß. 327 Es ist hier allerdings eine Erläuterung beizufügen, die der Vorschrift ihre feierliche Aura nimmt. Sie wird nur als positives Recht in Bezug genommen. Herkömmliches Denken, das ausgeht von einer (nach Möglichkeit gar a-priorischen) Existenz verschiedener "Gewalten" im Staat, wird ausdrücklich verworfen; als Grundlage wird vielmehr eine gesetzliche Kompetenzverteilung innerhalb einer einheitlichen Staats"gewalt" angesehen. Insoweit besteht übereinstimmung mit der Staatslehre, die "die" Staatsgewalt für eines der konstituierenden Merkmale des Staates hält. 328 Sie allein ist der Grund; sie erweist letztlich auch jede Argumentation mit einer angeblichen Schutzrichtung einer Norm für die Fälle als vordergründig, in denen versucht wird, aus ihr Einzelergebnisse abzuleiten. Zugleich zeigt der Text bis hierher, daß das GWB nicht allein die Normierung von Verwaltungs- und Sanktionenrecht zum Gegenstand hatte; so meint es wohl auch Mailänder, S. 10, der sich selbst auch gegen eine vorschnelle Argumentation aus dem Schutzzweck wendet (S. 130 f.). 329 Mit einer ähnlichen überlegung begründet Soell, Beiladung, S. 439 (461), die Notwendigkeit einer Beiladung im Regelfall. Bei ihm ist jedoch der Hintergrund ein anderer: Er geht davon aus, daß die übrigen gesetzlichen Individualschutzmöglichkeiten materiell nicht ausreichten (S. 446 ff.); diesen Mangel müsse das Recht auf Beiladung ausgleichen. Das ist eine zweifelhafte Konstruktion, die sich im Grunde in ähnlich unbekümmerter Weise über den Gesetzeswortlaut hinwegsetzt wie die unten, Vierter Abschn., geschilderten Durchgriffsthesen. 330 Die ausdrückliche Verweisung auf § 51 Abs. 2 und 3 GWB in § 62 Abs. 2 GWB hindert, den Beteiligtenbegriff auszudehnen. Gleiches Ergebnis, jedoch ohne Bezug auf den insoweit klaren Wortlaut des § 62 Abs. 2 GWB, bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 474 f.; zweüelhaft hingegen seine Äußerung auf S.476 Fn.327, wobei hier jedenfalls davon ausgegangen wird, daß er aus seiner Erstreckung der Beteiligtenvorschriften auf das Nebenverfahren um die Beiladung (von dessen Existenz das BKartA im BKartA-TB 1960, S. 59, ausgeht, wie seine dortige deutliche Unterscheidung von "Anregung" und "Antrag auf Beiladung" zeigt) nicht mittelbar das Eingreifen des Beteiligtenbegriffs bzw. der BeteiligtensteIlung vorverlagern will -das müßte anderenfalls abgelehnt werden.
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beteiligt ist, daß er ein Verfahren beantragt hat 331 • Da diese Vorschrift nicht auf ein Antragsrecht abstellt, könnte man dem Gebundenen empfehlen, die Einleitung eines Verfahrens nicht nur anzuregen, sondern zu beantragen332. Käme einer solchen Empfehlung nicht im Hinblick auf das folgende ein heuristischer Wert zu, müßte man sie indes als eher kurios bezeichnen, denn Anregung und Antrag sind vom Phänotyp her identische Aufforderungen, ein Verfahren einzuleiten. Sie unterscheiden sich aber durch das Antragsrecht333 , das mit dem Antrag verbunden und mithin Rechtsgrund für die Verfahrenseinleitung in diesem Fall ist, wohingegen Rechtsgrund für die Verfahrenseinleitung auf Anregung hin eine normative Ermächtigung oder Verpflichtung der Behörde selbst ist334 , die überdies von einer Betätigung des Ermessens abhängig sein mag. Im Sinne bloßer Anregung kann die herangezogene Vorschrift nach allem - soll sie in sich noch sinnvoll sein335 - nicht verstanden werden; vielmehr hat sie die Existenz eines Antragsrechts zur Voraussetzung336, ist also unter der hier geltenden Prämisse, ein Antragsrecht bestehe nicht, von keinerlei Belang.
331 Dann ist in jedem Fall auch § 62 Abs. 3 Satz 1 GWB gegeben, der von einem schon beantragten Verfahren ausgeht, das die Kartellbehörde aber nicht einleitet. Die bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 495, 582, 584, auf einen unterschiedlichen Antragsbegriff in § 51 Abs. 2 Nr. 1 GWB einerseits und in § 62 Abs. 3 GWB andererseits gestützte Argumentation geht fehl. Gewiß muß letztere Vorschrift immer dann eingreifen, wenn Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dies gebietet; gerade dann dient sie aber nur dazu, ein rechtswidriges Verhalten der Kartellbehörde zu beseitigen, denn auf den Antrag hin hätte schon nach GWB ein Verfahren zur Hauptsache stattfinden müssen. Die Beteiligung erwirbt der Antragsteller durch den Antrag, sei es nun am Verfahren zur Hauptsache selbst, sei es im Verfahren über die Zulässigkeit des Antrags (dazu K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 528 f.). Entgegen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 495, besteht also ein Gleichlauf beider Normen. 332 Wie es offenbar auch schon geschehen ist, wenn die Formulierung im BKartA-TB 1972, S. 79 (rechts oben), kein lapsus linguae war. 333 Vgl. die Darstellung bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 494 f., wobei auf S.495 ähnlich wie hier argumentiert wird, wenngleich wiederum zu wenig aus dem Gesetz selbst. 334 Diese Darlegung zeigt, daß es ein Antragsrecht auf Verfahrenseinleitung von Amts wegen nicht geben kann; eine solche Konstruktion wäre nicht nur redundant, sie wäre perplex (zum Begriff Vgl. Medicus, Rdnr. 133); das ist dem BVerfG NJW 1978, 2591, 15.9.1978, 2 BvR 707/78, bei dem dort geschilderten Sachverhalt entgangen. 335 Sehr richtig stellt daher das BKartA zur Unterscheidung von Anregung und Antrag nur auf den Gesetzeswortlaut ab; BKartA-TB 1961, S. 59. Verfehlt ist die im BKartA-TB 1976, S. 109, wiedergegebene Entscheidung des OLG Düsseldorf. 338 So auch die offenbar zustimmende Wiedergabe einer Entscheidung des OLG Düsseldorf im BKartA-TB 1975, S.98 unter Nr. 5.
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ecce) § 51 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 GWB In Betracht zu ziehen ist auch § 51 Abs. 2 Nr. 2 GWB. Indes vermag diese Bestimmung nicht einzugreifen, weil sich ein Verfahren nach § 18 GWB niemals "gegen"337 die Gebundenen richten würde, deren Beteiligteneigenschaft hier - es sei daran erinnert - zu prüfen ist. Diese Wortlautinterpretation ist allerdings kontrovers 338 ; sie genügt aber für die hier einzig interessierende Konstellation, daß der Gebundene einen Weg sucht, auf dem er letztlich die Kartellbehörde dazu zwingen kann, "gegen" den Bindungsverwender einzuschreiten. Legt man im übrigen auch hier den schon zur Einführung339 verwendeten Satz des ubi lex non distinguit nec nos distinguere debemus als heuristisches Prinzip zugrunde, so kann auf der Grundlage seiner Umkehrung340 aus dem Vergleich des "gegen" in Nr. 2 mit dem "betroffen" in Nr. 3 sehr gut gefolgert werden, daß "gegen" nicht so interpretiert werden darf, daß ein Gleichlauf mit "betroffen" erreicht würde341 . Diese Begründung nun läßt es als möglich erscheinen, die Gebundenen nach § 51 Abs. 2 Nr. 3 GWB M2 als "betroffen" einzustufen. In der Tat ist hinsichtlich des Wortlauts kein durchgreifendes Gegenargument ersichtlich. Zwar nimmt § 19 GWB, von dem sich § 51 Abs. 2 Nr. 3 GWB abhängig macht, zunächst nur auf denjenigen Bezug, dessen ExklusivBindungssystem beeinträchtigt wird, aber schließlich ist das weitere Problem zu entscheiden, ob der Rest des Systems aufrechterhalten bleiben so1l343, und insoweit jedenfalls sind auch die Gebundenen selbst "betroffen". Sie sind es obendrein auf der Grundlage der hier für richtig gehaltenen Darstellung, weil es um ihre Möglichkeit von Individualrechtsschutz geht. § 51 Abs. 2 Nr. 3 GWB scheint also in Verbindung mit § 62 Abs. 2 GWB dem Postulat gerichtlicher überprüfungsmöglichkeit gerecht zu werden. Jedoch mutet diese Konsequenz eigenartig an: Die Gebundenen haben keinen Anspruch auf Einleitung eines Verfahrens nach § 18 GWB, sie haben - so war bislang die Voraussetzung - kein Antragsrecht; nun scheint es aber so zu sein, als könnten sie eine Entscheidung, die ihrer Anregung auf Einleitung eines Verfahrens 337 Das BKartA meint im BKartA-TB 1959, S.54, rechtlich richte sich ein Verfahren auch dann "gegen" jemanden, wenn es ihm günstig sei. 338 Vgl. nur die Darstellung bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 496 ff. m.w.N.
339 Oben, Teil I, Erster Abschn. 340 Vgl. oben, Teil I, Zweiter Abschn., 2 b). 3U Dieser im Grunde vorrangige Gesichtspunkt ist K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 496 ff., entgangen. 342 Dazu im einzelnen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 498 ff., worauf nicht näher einzugehen ist, weil die folgende Erwägung logisch vorrangig ist. 343 Vgl. insoweit unten, ce bbb).
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nicht stattgibt, anfechten; dann aber hätten sie diesen Verfahrensbeginn doch in der Hand. Ein solches Ergebnis wäre nicht nur als überflüssiger Umweg zu charakterisieren; allein die ermittelte Konsequenz ließe im Durchgriff auf sie, als unmittelbare Qualifizierung sozusagen, nur das Fazit zu ziehen übrig, daß ein Antragsrecht besteht. Nun wäre den Gebundenen zwar gerade damit sehr geholfen, doch das so unerwartet erhaltene Resultat ist nicht akzeptabel. Es wurde erlangt unter der Prämisse, daß kein Antragsrecht bestehe. Führt aber eine so begonnene Argumentation zu einem Ergebnis, das zu ihrer Basis in diametralem Gegensatz steht, muß der Begründungsgang fehlerhaft sein. Dieser muß von vornherein an der Stelle abgebrochen werden, wo der Weg zum falschen Ziel sichtbar wird, nämlich bei der Auslegung des Worts "betroffen". Obwohl vom Wort selbst und seinem systematischen Zusammenhang her keine Bedenken dagegen bestünden, die Gebundenen als "betroffen" anzusehen, ist eben das nicht möglich, weil es nur erreicht werden könnte bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Argumentationsgrundlage. dddd) § 51 Abs. 2 Nr. 4 GWB Letztlich kann auch für die Erörterung des § 51 Abs. 2 Nr. 4 GWB, den Fall der "Verfahrensbeteiligung kraft Verfahrens"344, nichts anderes gelten. Es ist gewiß möglich, daß es Fälle anzuerkennen gilt, die im Gegensatz zur nahezu einhelligen Lehre 345 die Konstruktion einer notwendigen Beiladunga'6 auch im GWB-Verfahrensrecht347 richtig erscheinen lassen348 , Konstellationen also, in denen die Kartellbehörde gar nicht anders soll entscheiden können, als einem Beiladungsbegehren zu entsprechen34D, mit der Folge einer Anfechtungsmöglichkeit für denjenigen, der beigeladen sein will, falls die Kartellbehörde ihrer (alsdann) gesetz344 So
K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 462. Vgl. die Darstellung bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 470 f. m. N.; richtig auf S.471 gegen eine Mindermeinung, die einen Anspruch auf Beiladung aus § 51 Abs. 2 Nr. 4 GWB selbst herleiten will, worüber diese Norm gerade keine Auskunft gibt. 346 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, erörtert die Beiladungsfälle nach der VwGO auf S. 462 ff. 347 Erörterung bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 470 ff. 848 Soell, Beiladung, S. 439 (446), betont zu Recht, daß ein Schadensersatzanspruch, der per definitionem erst dann eingreifen kann, wenn Schaden schon entstanden ist (S.445), nicht als ausreichender Schutz angesehen werden kann (ebenso das Fazit auf S.451 a. E.). Auf S.461 sagt er gar, daß die Kartellbehörde im Regelfall beiladen muß. 349 So auch R. Liebs, S. 89 Fn. 9, der zu Recht Art. 19· Abs. 4 GG heranzieht und auch § 40 VwGO, der anderenfalls eingreifen müßte. Auch Schwartz in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 85, nennt Fälle notwendiger Beiladung. Beginn der entsprechenden Argumentation bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.450, 472; zur Diskussion im Gesetzgebungsverfahren, S.458; im einzelnen S. 493 ff., 502 ff.; speziell für § 18 GWB (Gebundener) bejaht, S. 508, 588 f. 345
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lichen Pflicht nicht genügen sollte. Doch bringt diese Diskussion hier keinen Gewinn: Mit der Annahme einer notwendigen Beiladung Gebundener im Falle des § 18 GWB würde wie auch schon bei § 51 Abs. 2 Nr. 3 GWB auf der Grundlage, daß kein Antragsrecht besteht, eben doch ein solches konstruiert350• Freilich wäre der einzuschlagende Umweg hier noch grotesker als bei jener Vorschrift; etwaige gerichtliche Verfahren wären mehrstufig durchzuführen, und nur die Prozeßökonomie würde vielleicht gestatten, zwei in einem Stufenverhältnis zueinander stehende Anträge zusammen abzuhandeln. Am Ergebnis änderte sich nichts: Eine Argumentation, die mit ihrem Resultat ihrer Basis widerspricht, taugte nichts. eeee) Zwischenergebnis So ist an dieser Stelle festzuhalten, daß ausgehend von der Prämisse, es bestehe kein Antragsrecht auf Einleitung eines Verfahrens nach § 18 GWB, auf der Grundlage der Beschwerdevorschriften des Kartellverfahrensrechts kein Ergebnis konstruiert werden kann, das den Gebundenen gerichtlichen Rechtsschutz gewährte. Für sich selbst gewertet ist dieses Ergebnis keineswegs unbefriedigend, weil es dem rein verfahrensrechtlichen Charakter des § 51 GWB Rechnung trägt; die Hilfsfunktion dieser Norm, die nur der Durchsetzung materiellen Rechts zu dienen bestimmt ist, aber nicht selbst die Qualität materiellen Rechts hat, bleibt auf diese Art und Weise unangetastet. Nun war aber schon deutlich darauf hingewiesen worden, daß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gerichtlichen Rechtsschutz verlangt351; da dieser aber ohne Antragsrecht allein mit Hilfe der Beschwerdevorschriften nicht erreichbar gemacht werden kann, muß in der Folge eben wegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nach einem Antragsrecht gesucht werden352 , soll nicht das hier entwickelte System scheitern. 350 Das entgeht K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 501 ff. Es ist eben nicht möglich, eine Konstruktion zu entwickeln, bei der die Folge des § 62 Abs. 2 GWB nicht mitbedacht wird - auch dies gegen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, der doch selbst auf S. 471, 473, auf eine Konkordanz mit § 62 Abs. 2 GWB Wert legt. 351 Oben, aaaa). :lS2 Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG löst also für diesen speziellen Fall die "Selektionsaufgabe" zwischen (nur) behördlicher und (auch) subjektivrechtlicher Durchsetzbarkeit eines Verbots; gerade die angeführte grundgesetzliche Vorschrift macht hier ein subjektives (Antrags-) Recht unentbehrlich; vgl. zum ganzen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 291 f. Entgegen seinen auf S. 313 f. geäußerten Befürchtungen wird das subjektive (Antrags-) Recht hier also nicht aus überpositiven Erwägungen abgeleitet (deren Existenz, sollen sie Rechtscharakter haben, überdies rundheraus zu bestreiten wäre; dazu schon oben, 2) Fn.20). Andererseits hat es sich entgegen seiner Forderung, S.381, erwiesen, daß es nicht notwendig ist, zu einer angeblich bei § 18 GWB vorhandenen Drittschutzproblematik Stellung zu nehmen. Wie er auf S.420 (ähnlich S. 425, 429 f.) zeigt, dürfte ihm entgangen sein, daß gerade Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dazu zwingen kann, ein "sekundäres subjek-
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ffff) Konstruktion eines Antragsrechts Auszugehen ist - das versteht sich - vom Wortlaut des § 18 GWB, und dieser enthält kein Antragsrecht. Die herrschende Auffassung ist sich indes des Umstands bewußt, daß die pure Wortlautinterpretation - obwohl ihr selbstverständlich unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit der Vorrang gebührt - letzte Gewißheit nicht zu geben vermag; so ist sie in der Lage, den Gegenschluß aus Vorschriften zu ziehen, in denen ein Antragsrecht ausdrücklich vorgesehen ist, und sie kann auf ihre - wie gezeigt - korrekte Auslegung des § 51 Abs. 2 Nr. 1 GWB verweisen, der davon ausgeht, daß es Bestimmungen gibt, die ein Antragsrecht gewähren, und andere, die das nicht tun oder gar verweigern. Sie stützt sich auch, wie jüngst noch der BGH353 auf die Gesetzgebungsgeschichte, die, so wie sie wiedergegeben wird, in der Tat der Annahme eines Antragsrechts in § 18 GWB entgegenzustehen scheint, kann doch mit gutem Recht darauf verwiesen werden, daß das im Entwurf noch geplante Antragsrecht im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens fallengelassen wurde. Jochen Schröder sah sich vor einiger Zeit veranlaßt, darüber Klage zu erheben, daß die Wissenschaft auf Grund ihrer Praxisferne nicht mehr in der Lage sei, der Praxis Handlungsrichtlinien zu geben354• Näher hätte allerdings die Beschwerde darüber gelegen, daß die Praxis sich weigert, wissenschaftliche Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen. Und unter diesem Aspekt ist jene BGH-Entscheidung zum Antragsrecht nach § 18 GWB zu bedauern, denn K. Schmidt hatte schon vorher nachgewiesen35s, daß die so wiedergegebene Gesetzgebungsgeschichte verkürzt ist356 : In Wirklichkeit war es so, daß während des Gesetzgebungsverfahrens das ursprünglich vorgesehene Antragsrecht nach Auffassung des zuständigen Ausschusses zu eng gefaßt war. Da aber eine Einigung über die Eingrenzung der potentiell Antragsberechtives öffentliches Drittrecht" zu schaffen; die Norm dient also nicht nur der Absicherung eines Rechts, sie ist zugleich sein Geltungsgrund, weshalb sie auch kein bloßes Verfahrensrecht setzt (vgl. aaO.). Freilich kann, wie noch zu zeigen sein wird (unten, Text bei Fn. 368), nicht auf eine dogmatische Einordnung des postulierten Antragsrechts verzichtet werden, weil ja Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht unmittelbar Antwort auf die Frage gibt, in welcher Weise die aufzuzeigende Lücke geschlossen werden kann. 353 BGH WuW/E BGH 1515 f., 1. 12. 1977, KVR 4/76, "Rhenania Pilsener" (mit einer die Problematik nicht ausreichend darstellenden Anmerkung von Kroitzsch GRUR 1978, 489). 354 Jochen Schröder JuS 1978, 284. 355 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 279 f., 581 f. 356 Lehmpjuhl, S.62 Fn.15, schreibt ohne weiteren Kommentar: "Das im Regierungsentwurf enthaltene Antragsrecht hat der Wirtschaftspolitische Ausschuß gestrichen." Unvollständig etwa auch Lutz BB 1965, 1336 (1339). Ohne jeden Hinweis Westrick / Loewenheim, § 18 Anm. 49. - Mit der nötigen Ausführlichkeit hingegen Biedenkopj, S. 210 f.; R. Liebs, S. 39 f., 83 f., Siehe auch den Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 4, 102, und Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 84. 11 Venrooy
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tigten nicht zu erzielen war, wurde die ganze Formulierung gestrichen, hinter welchem Vorgang nur die Absicht gesehen werden kann, den Umfang des Antragsrechts durch die Diskussion in Wissenschaft und Rechtsprechung ermitteln zu lassen357 • Es soll an dieser Stelle die Feststellung nicht unterlassen werden, daß ein solches Vorgehen schlechterdings keineswegs zu akzeptieren ist358• Gerade bei einem Verfahrensrecht kann auf die präzise Ausgestaltung durch den Gesetzgeber nicht verzichtet werden; der Staatsbürger muß wissen, in welchen Fällen er Anspruch auf das Tätigwerden einer bestimmten Behörde hat; ihm jedenfalls ist es nicht zuzumuten, sich in die Gesetzgebungsgeschichte zu vertiefen, um dem Richter das Recht nachweisen zu können, ein Erfordernis zu erfüllen, das nur das anglo-amerikanische System kennt, nicht aber das deutsche, womit er im übrigen mehr täte, als selbst der BGH - wie gezeigt - zu tun bereit ist. Letzten Endes stellt das gesetzgeberische Verfahren im vorliegenden Fall einen politischen Kompromiß dar, dessen Tragweite von seinen Autoren nicht erkannt wurde, und der in der Art nicht getroffen werden durfte. Wie auch immer: Hier kann festgestellt werden, daß der Gesetzgeber von einem in § 18 GWB enthaltenen Antragsrecht ausging, und da dessen Wortlaut zumindest nicht gegen ein solches Recht angeführt werden kann, spricht im Grunde auch nichts dagegen, in der Folge ein auf § 18 GWB bezogenes Antragsrecht als bestehend anzuerkennen. Nur: Auslegungsmethodisch befriedigt das nicht; der Mangel, der dadurch spürbar wird, daß der Wortlaut ein Antragsrecht nicht ausdrücklich zur Verfügung stellt, kann durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift nur bewußter, aber nicht vollends wettgemacht werden359 ; hier ist nach überzeugenderen Topoi zu suchen, als sie die bloße, im Wortlaut der Bestimmung nicht zum Ausdruck gekommene Gesetzgebungsgeschichte zu liefern vermag. 357 Die in ihrer Widersprüchlichkeit hochinteressante Formulierung sei im folgenden wiedergegeben. Es heißt im Schriftlichen Bericht, S. 23: "Um klarzustellen, daß nicht nur das durch die Ausschließlichkeitsklausel gebundene Unternehmen sich beschwerdeführend an die Kartellbehörde wenden kann, sondern auch der durch den Vertrag ausgeschlossene Dritte, der gewöhnlich gerade die nachteiligen Auswirkungen der Exklusivvereinbarung zu tragen hat, ist der Ausschuß von der Bundesratsfassung insofern abgewichen, als er die sich auf das Eingreifen der Kartellbehörde beziehenden Worte ,auf Antrag eines betroffenen Unternehmens oder von Amts wegen' gestrichen hat. Die Tatsache, daß die Kartellbehörde in folge der Streichung des Antragsrechtes bei Beschwerdefällen mangels der damit entfallenden Möglichkeit der Untätigkeitsklage nicht in gleichem Maße zu handeln verpflichtet ist wie im Falle der Wahrnehmung eines gesetzlich gesicherten Antragsrechtes, wird in Kauf genommen." 358 Scharfe Kritik auch bei Biedenkopf, S. 21l. 359 Insofern hat der Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 4, recht, wenn er aus der Entstehungsgeschichte nur das schlichte Fazit zieht: "In der Sache bedeutet dies, daß § 18 nur noch ein Amtsverfahren kennt; ... " (ähnlich Tz. 102).
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K. Schmidt hat es in seiner Habilitationsschrift unternommen, das gesamte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf einheitliche dogmatische Grundlagen zu stellen. Aus der Betroffenheit Einzelner durch kartellbehördliche Entscheidungen, aus der Angewiesenheit Einzelner auf sie, hat er das Rechtsinstitut des sekundären subjektiven Rechts entwickelt360 , das - je nach Intensität des Betroffenseins - ein Recht auf Beteiligung am Verfahren mit der Rechtsfolge einer notwendigen Beiladung oder aber ein Antragsrecht auf Einleitung eines Verfahrens mit sich bringen soll, wie er es für § 18 GWB bejaht361 • Letzteres tut er zu Recht; es fragt sich nur, ob seine Argumentation dafür eine ausreichende theoretische Grundlage abgeben kann. Die Theorie ist kurz so zusammenzufassen362 : Das sekundäre subjektive Recht ist Mittel zur Durchsetzung und Sanktionierung objektivrechtlicher Pflichten. Ein primäres subjektives Recht ist nicht sein notwendiges Korrelat, doch kann es Gegenstand subjektivrechtlichen Schutzes sein, wobei es gleichgültig ist, ob man den Gegenstand des Schutzes überhaupt als primäres subjektives Recht definiert. Das sekundäre subjektive Recht ist also nicht deswegen sekundär, weil es an primäre subjektive Rechte angeknüpft wäre, sondern weil es an objektivrechtliche Pflichten angelehnt ist363 • So betrachtet kann die Theorie vom sekundären subjektiven Recht aber nichts anderes sein als die Grundlage für eine Kategorie 864 der Fälle subjektiven Betroffenseins; mehr will sie auch zunächst nicht leisten365 , worin aber zugleich ihr Mangel begründet liegt: Die einzige unmittelbar aus ihr ableitbare Rechtsfolge ist die, daß ein so Betroffener zu einem Verfahren beigeladen werden darf, aber schon die darüber hinausgehende Folgerung, nämlich daß 360 Diese Theorie gehört zu den Kernstücken der Lehre K. Schmidts; vgl. Kartellverfahrensrecht, s. 311 H. 361 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 565 (Ansatzpunkt), 580 (Grundsatz), 582 (die Streichung des Antragsrechts bei § 18 GWB habe nur eine Entfernung aus dem numerus clausus der Antragsverfahren des § 51 Abs. 2 Nr. 1 GWB bedeutet), 588 ff., 621 (deutlicher allgemeiner Grundsatz), 622. 362 Vgl. zur folgenden Definition K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S 314 f., dessen Formulierung hier zum Teil übernommen wird. 383 Es soll der Hinweis nicht vergessen werden, daß diese Theorie sich so in die Nähe des bereits oben, bbbb) Fn. 334, abgelehnten Antragsrechts auf Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen rückt. 364 Ein Umstand, den K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 101, der Lukesschen Lehre vorhält. 365 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.317, schreibt, diese Rechtsfigur diene nur der richtigen Fragestellung, nicht aber auch der Feststellung, in welchen Fällen subjektiver Drittschutz angenommen werden könne. Für diesen begrenzten Zweck ist sie allerdings theoretisch überhöht. Im übrigen muß bezweifelt werden, ob sie wenigstens als Kategorie einheitlicher Fragestellung tauglich ist, da ja die Analogie, die nach der im folgenden vertretenen Auffassung überhaupt nur möglich ist, von Vorschrift zu Vorschrift einen unterschiedlichen Begründungshintergrund hat.
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er beigeladen werden müsse, vermag sie nicht mehr zu vermitteln366 ; erst recht kann sie nicht zur Konstruktion eines Antragsrechts führen, wie es in ihrer - so gewollten - Konsequenz läge 367 • Daß die Theorie durchaus nur beschränkt hilfreich ist, erwiese sich auch an Hand der Fälle, in denen entweder ein vorhandenes Antragsrecht enger den Rahmen der Antragsberechtigten faßte, als ihn die Theorie vom sekundären subjektiven Recht umrisse, oder dort wo kein Antragsrecht vorgesehen ist, es sich aber ermitteln ließe, daß dieser Umstand vom Willen des Gesetzgebers gedeckt ist. Es könnte bei bei den Konstellationen nicht als zulässig angesehen werden, sich mit jener Theorie über die gesetzgeberische Entscheidung hinwegzusetzen. Sie mag allenfalls dazu herhalten, den Ausschluß Betroffener von der Anfechtungsmöglichkeit als verfassungswidrig zu begründen, aber bevor ein solches Gesetz geändert wird, bleibt sein Wortlaut jedenfalls insoweit bindend, als ein Antragsrecht nicht vorgesehen wird; die diskutierte Theorie kann daran nichts ändern. Hat sie sich also gerade in den Fällen nicht als durchgreifend erwiesen, in denen die Betroffenen vor allem auf sie angewiesen wären, kann ihr doch nicht die Anerkennung versagt werden, daß sie einen Schritt auf dem Weg in die richtige Richtung gegangen ist. Auf der Grundlage der hier dargestellten Auffassung vom Vorrang des § 18 GWB vor § 138 BGB müssen die Gebundenen - wie im einzelnen im Verlauf dieser Arbeit geklärt wurde - mit Blick auf § 18 GWB das Recht haben, die Einleitung eines Verfahrens zu beantragen. Nur auf diese Weise ist es im Zusammenhang mit §§ 62 Abs. 2, 51 Abs. 2 Nr. 1 GWB möglich, den von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verlangten gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten. Dieses Antragsrecht fehlt im Gesetz, das mithin planwidrig lückenhaft ist368 • Die Lückenhaftigkeit selbst wird von der Entstehungsgeschichte des § 18 GWB bestätigt, wie ausgeführt wurde, nicht hingegen die Planwidrigkeit, denn der Gesetzgeber wollte die Lücke als solche. Ob der Rechtsanwender an eine solche negative Entscheidung gebunden ist, kann hier dahingestellt bleiben, da die Planwidrigkeit sich aus dem Bezug des § 18 GWB auf das hier entwickelte System ergibt und keiner Belege aus der Gesetzgebungsgeschichte bedarf369• Die so ermittelte Lücke ist durch Gewäh366 Dabei ist stehenzubleiben, will man nicht Rechtsfolgen an bloße Fakten knüpfen; zu dieser Gefahr P. mmer, Lehre, S. 301, 304, 314. 367 Vgl. oben, Fn.361; dies durchaus im Gegensatz zu K. Schmidts Darlegung, die Rechtsfigur diene nur der Fragestellung; vgl. oben, Fn.365. 368 Die Lückentheorie hat jüngst noch Th. Honsell JuS 1979, 81 (82 ff.), dargestellt. Er weist, S. 85, mit Recht auf den Grundsatz hin, daß der mögliche Wortsinn die Grenze zwischen Auslegungs- und Lückenbereich bezeichnet, eine Grenze, die K. Schmidt in seinem System überschritten hat, ohne die im Lückenbereich erforderliche Analogiebegründung zu liefern. 369 Diese Sachlage hat R. Liebs, S.39, 82 f., übersehen: Seinen Analogievorschlag begründet er allein mit der Entstehungsgeschichte, die ja durchaus
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rung eines Antragsrechts zu schließen, dogmatisch: durch Rechtsanalogie 370 zu den Antragsrechten371 , die in Fällen gewährt werden, in denen ein ähnliches individuelles Betroffensein vorliegt, wie es für die Gebundenen im Fall des § 18 GWB anzunehmen ist. Hier und nur hier paßt die Theorie vom sekundären subjektiven Recht; sie kann nichts anderes sein als die dogmatisch formulierte Basis für die Analogie zu Verfahrensrechten, angewandt in Fällen, die das nach allgemeinen Regeln über die Schließung von Lücken im Gesetz als möglich und (aber erst in der Folge der festgestellten Möglichkeit) angezeigt erscheinen lassen372. Die Theorie ist also letzten Endes nicht unrichtig; sie ist nur nicht weit genug gegangen. Hätte sie, anstatt eine "spezifizierte, verselbständigte Rechtsfigur"373 anzunehmen, aus sich selbst, aus ihrer Anlage, die erforderlichen Konsequenzen gezogen, so wäre sie einzugliedern gewesen in die traditionell anerkannten Auslegungsmethoden bürgerlichen Rechts, die die Vermutung der Richtigkeit für sich haben, weil sie ausgehen vom Vorrang gesetzten Rechts und ihre Ergebnisse diesem zwanglos anzupassen gestatten. ergibt, daß das Antragsrecht gestrichen wurde, ohne daß das eigentlich gewollt war (vgl. seine Nachweise, S. 83 Fn. 20). Gerade damit ist aber doch dargelegt, daß die entscheidende Voraussetzung für eine Analogie, nämlich die planwidrige Unvollständigkeit (von der R. Liebs kein Wort sagt), deshalb nicht vorliegt, weil es an der Planwidrigkeit fehlen müßte, die sich mithin nur aus anderer Begründung ergeben kann, die R. Liebs aber nicht liefert. Im Gegenteil: Durch seinen bloßen Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren verneint er die Planwidrigkeit gerade dort, wo er sie bräuchte. 370 Zur Rechts- bzw. Gesamtanalogie allgemein Raisch, Unternehmensrecht 1, s. 58 f. Analogie bedeutet übereinstimmung; sie in einem gesetzlich nicht gelösten Fall mit der übrigen Rechtsordnung herzustellen, ist Aufgabe des Rechtsanwenders, der - so Raisch, Mißbrauch, S. 357 (367), zu Recht - Positivist sein muß. Kirchhof, S.9, macht im übrigen darauf aufmerksam, daß "Analogie" (also offenbar im Einklang mit der ursprünglichen Wortbedeutung) früher "die Widerspruchslosigkeit und Einheit der Rechtsordnung bezeichnete". - Woher Möschel, S.21O, im Rahmen des § 22 GWB einen Anspruch auf fehlerfreies Ermessen nimmt, bleibt offen; allerdings ist auf der Grundlage seiner Äußerungen in NJW 1975, 753 (757), nicht mehr klar, ob das nicht nur ein Vorschlag de lege ferenda sein sollte. 371 Nämlich zu §§ 17 Abs. 1, 27 Abs. 1 GWB; so der Vorschlag von R. Liebs, S. 39, 83. Es ist allerdings, insbesondere auf Grund des Ansatzes auf S. 82, offen, ob er sich allgemein für ein Antragsrecht entscheidet, oder ob er es auf die Fälle beschränken will, wo die Kartellbehörden bereits eingeschritten sind, jedoch die Verfügung auf eine Alternative des § 18 GWB gestützt haben, die dem Betroffenen (wie er es für möglich hält) nicht weiterhilft. Falls er es so meint, hat er keine Konstruktion geliefert, die die dogmatische Zulässigkeit seines Modells dartun würde. 372 Nur so wird sie im übrigen auf das Maß zurückgeführt, das K. Schmidt ihr ursprünglich nur zubilligen wollte; vgl. oben, Fn. 365 einerseits und Fn. 367 anderersei ts. 373 Formulierung von Kupisch, S. 5, der statt dessen zu Recht die Analogie befürwortet, als deren Voraussetzung er in übereinstimmung mit der h. L. die Lücke nennt, S. 6, 29. Auch Rittner, Staat, S. 241 (251), wird wohl dahin richtig verstanden, daß er der Analogie ob ihrer methodischen Klarheit das Wort redet.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
gggg) Das Außenseiterproblem So ist hier als Ergebnis festzustellen, daß die Gebundenen im Fall des § 18 GWB ein Antragsrecht haben, das ihnen die Möglichkeit gewährt, die Einleitung eines kartellbehördlichen Verfahrens auf der Prüfungsgrundlage dieser Vorschrift zu verlangen mit der Folge, daß sie nach §§ 62 Abs. 2, 51 Abs. 2 Nr. 1 GWB gegen eine ablehnende Entscheidung der Kartellbehörde das zuständige Gericht anrufen können. Mit dieser Möglichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes ist dem hier entwickelten System und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Genüge getan, das sich mithin als durchführbar erwiesen hat. Bevor zur Prüfung der Durchführung im einzelnen geschritten wird, ist aber noch ein Randproblem zu klären, nämlich ob auch Dritte in das System einzubeziehen sind, ob also letztlich auch ihnen ein Antragsrecht zu gewähren ist. Von der Konstruktion her wäre das sicherlich möglich unter der Voraussetzung, daß auch ihnen der Individualrechtsschutz zunächst versagt bliebe374 • Es darf aber nicht jetzt der Hintergrund des hier entwickelten Systems aus den Augen verloren werden; es wurde errichtet unter dem Aspekt der sicherzustellenden Lückenlosigkeit von Exklusiv-Bindungssystemen. Die Frage ist also präzise dahin zu stellen, ob Dritte durch Individualklage eine Lücke in ein solches System reißen könnten. Das wiederum hängt von der heranzuziehenden Anspruchsgrundlage §§ 826 BGB, 26 Abs. 2 GWB ab. Hier zeigt sich nun, daß das Praktizieren eines lückenlosen Exklusiv-Bindungssystems nicht sittenwidrig ist (§ 826 BGB), da es ja von § 18 GWB ausdrücklich gebilligt wird, und daß es auch nicht im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB diskriminiert. So ergibt sich, daß Dritte keine Lücke herbeizuführen vermögen; es besteht also keine Veranlassung, sie in das hier entwickelte System einzubeziehen und ihnen auch ein Antragsrecht nach § 18 GWB zu gewähren. Ihnen gegenüber wirkt § 18 GWB also als Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit 375 , wie sie nach Art. 2 Abs. 1 GG ohne Schwierigkeiten zu rechtfertigen ist. Einige verdeutlichende Worte sind aber nicht zu vermeiden: Der außenstehende Dritte kann unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 374 Der von R. Liebs, S. 49, geschilderte Fall dürfte also nicht eintreten, daß ein Dritter mit einer Lieferungsklage gegen einen Gebundenen Erfolg hat und der Bindungsverwender desgleichen mit einer Klage gegen den Gebundenen, die Lieferung zu unterlassen - übrigens eine Konstellation, die man per Streitverkündung, § 72 ZPO, hätte verhindern können, was aber in der Praxis oft genug vergessen wird. 375 Interessant in diesem Zusammenhang die hier nicht unmittelbar einschlägige Äußerung bei Biedenkopf, S. 187 f.: "Gerade weil die Preisbindung lückenlos sein muß, um auch gegenüber nicht gebundenen Händlern durchsetzbar zu sein, wirkt sie gegenüber dem Dritten wie eine Norm." Kilian ZHR 142 (1978), 453 (475), spricht von den "selektiven Vertriebssysteme(n), die notwendig zu einer Ungleichbehandlung der ausgeschlossenen Marktteilnehmer führen".
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GWB selbstverständlich Teilhabe an einem existierenden Exklusiv-Bindungssystem verlangen; zugleich versteht es sich, daß dadurch keine Lücke in das System gerissen würde, weil er seinen Bindungen nunmehr auch unterliegt. Krasser hingegen, der eine offenbar weitergehende Rechtsprechung billigt376, die sich auch zu Ergebnissen wie dem oben wiedergegebenen377 versteht, scheint diesen Fall nicht zu meinen, denn er legt Wert auf die Feststellung, daß es nicht darauf ankomme, ob die Kartellbehörde "nach § 18" GWB eingreife. Hier kann sich indes nur die Frage stellen, ob die Kartellbehörde nach §§ 37 a Abs. 2, 26 Abs. 2 GWB einschreiten kann, denn für ein Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen des § 18 GWB bietet ein solcher Sachverhalt keinen Anhaltspunkt378 • Jedenfalls stieße sich ein solches Ergebnis an der aus § 18 GWB entnommenen vorrangigen Wertung zugunsten des Bestands von Exklusiv-Bindungssystemen. - Außerdem: Auf der Grundlage der in dieser Arbeit behandelten Problematik geht es doch - jedenfalls in den Ergebnissen - nur um die theoretische Lückenlosigkeit379 ; die Herbeiführung tatsächlicher Lücken durch Dritte führt also unter keinem Gesichtspunkt dahin, ihnen die Teilnahme an dem hier entwickelten System zu gestatten in Gestalt der Gewährung eines Antragsrechts 380 • Ergebnis dieses Exkurses ist also, daß Dritte keines Antragsrechts bedürfen. Damit kann nun der Blick auf die Durchführung der hier für richtig gehaltenen Auffassung gelenkt werden. Krasser, Vertriebsbindungen, S. 256. Oben, Fn. 374. 378 Daß sich hier im übrigen die weitere Frage steIlte, ob die Kartellbehörde aus § 37 a Abs.2 GWB den Abschluß von Verträgen vorschreiben kann, sei nur am Rande bemerkt (str.; die h. L. lehnt ab, vgl. Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 37 a Rdnr.6). - Andererseits dürfte Krasser, Vertriebsbindungen, S. 257, auf den hier erörterten Fall eingehen wollen, wenn er schreibt, "daß bereits die Rechtswidrigkeit der Diskriminierung die Bereitschaft des Außenseiters zur übernahme von Bindungen" voraussetze, "die seinen bevorzugten Konkurrenten zulässigerweise auferlegt werden". Abgesehen davon, daß es hier schon um die Tatbestandsmäßigkeit ginge, kann dem nur beigetreten werden. 379 Vgl. oben, b bb), Text nach Fn. 287. 380 Solches Verhalten Dritter kann im übrigen jedenfalls vom Bindungsverwender abgewehrt werden. Zwar kann nicht über § 18 GWB Sicherheit dagegen gewährt werden, daß Dritte sich die Waren des Herstellers auf Schleichwegen verschaffen (dazu ausführlich Krasser, Vertriebsbindungen, S. 182 ff., 194 ff., 268 ff.), doch ist es anerkannt, daß über § 1 UWG verboten werden kann, daß Dritte unter Ausnutzung fremden Vertragsbruchs Waren erlangen, deren Vertrieb durch § 18 GWB gelenkt ist. "Der Schutz vertraglicher Rechte gegen Eingriffe Dritter" (so der Titel einer weiteren Schrift von Krasser) findet hier ein praktisch sehr bedeutsames Anwendungsgebiet. Es muß allerdings betont werden, daß § 1 UWG auf den Fall beschränkt bleiben muß, daß fremder Vertragsbruch ausgenutzt wird. Handelt etwa der Wiederverkäufer rechtmäßig, stößt sich § 1 UWG an einem für immaterielle Rechte anerkannten Prinzip, nämlich dem Erschöpfungsgrundsatz: Das Schutzrecht schlägt dem rechtmäßig handelnden Zweiterwerber gegenüber (der zugleich Drittverkäufer ist) nicht durch (dazu Krasser, Vertragliche Rechte, S. 115 f.). 378
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion cc) Durchführung des Systems aaa) Aufhebung eines ganzen Exklusiv-Bindungssystems
Hebt die Kartellbehörde - das ist die erste denkbare Möglichkeit, die außerdem durch die kollektiv orientierten Eingriffsvoraussetzungen des § 18 GWB nahegelegt wird - alle Teile eines Exklusiv-Bindungssystems auf, ist der Weg zu § 138 BGB frei ebenso wie der zu einer Berufung der anderen Gebundenen auf die wegen Verstoßes gegen § 138 BGB eingetretene Lückenhaftigkeit des Exklusiv-Bindungssystems. Dies ist auch gerade für § 138 BGB von Interesse, denn er bewirkt für die betroffenen Rechtsgeschäfte im Gegensatz zu § 18 GWW81 eine Nichtigkeit von Anfang an, die dann auch eine Rückabwicklung der ursprünglich verschobenen Leistungen erlaubt, wozu § 18 GWB keine Handhabe bietet. Zu fragen ist aber, wann eigentlich die Kartellbehörde ein Exklusiv-Bindungssystem für unwirksam erklärt hat; problematisch ist also der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der kartellbehördlichen Verfügung. Die Antwort ist auf dem Weg einer Klärung des Umstands zu suchen, daß die Eingangsworte des § 18 Abs. 1 GWB der Kartellbehörde gestatten, die Unwirksamkeitserklärung auf einen von ihr zu bestimmenden Zeitpunkt hinauszuschieben. Gewiß kann hier das eine festgestellt werden: Besteht nach dem bislang Gesagten ein Anspruch auf Tätigwerden der Kartellbehörde, ein Antragsrecht also, dann kann dieser Anspruch nicht dadurch ausgehöhlt werden, daß die Kartellbehörde das Wirksamwerden ihres Eingreifens um einen Zeitraum hinausschiebt, über den sie nach dem Wortlaut des Gesetzes die Verfügung hat; kurzum - ist die Entscheidung selbst eine gebundene, so ist sie es auch hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens. Freilich ergeben sich aus dem Gesetz keine Kriterien für die Festlegung des Zeitpunkts; deren Auslotung kann allerdings dann dahingestellt bleiben, wenn sie im Rahmen dieser Arbeit, für die Frage des Wirksamwerdens der Verfügung als solcher mithin, ohne Bedeutung ist. Demnach ist ganz allgemein zu fragen, wann eine kartellbehördliche Verfügung nach § 18 GWB überhaupt wirksam wird. Wie sich aus dem Zusammenspiel der §§ 63 a, 63 Abs. 1 GWB ergibt, wird die kartellbehördliche Verfügung im hier erörterten Fall mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit wirksam382 oder anders gewendet: Wirksamkeit und Unanfechtbarkeit 381 Nach E. Koch, S. 114, wirkt die Verfügung der Kartellbehörde in keiner Weise in die Vergangenheit zurück. Das ist in allen den Fällen nur konsequent, wo ohne eine solche Verfügung überhaupt noch kein aktuelles Verbot vorhanden ist. 382 Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 94 f. (ebenfalls mit einer Argumentation aus den genannten Vorschriften); Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr. 179; Müller I Giessler I Scholz, § 18 Rdnr. 67; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 79. Dazu, daß das nicht unstreitig ist, vgl. R. Liebs, S. 119 f. (und mit Bezug hierauf S. 123), der selbst der hier im Text
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sind grundsätzlich Begriffe gleichen Inhalts, von einem Fall abgesehen, in dem die Kartellbehörde das Wirksamwerden (hier im übrigen von durchaus minderer Qualität) durch Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 63 a GWB)383 zeitlich vorzieht. Tut die Kartellbehörde das nicht, wie es in übereinstimmung mit den besonderen Anforderungen, die § 63 a Abs. 1 GWB statuiert, der Regelfall ist, wird die Verfügung (selbstverständlich sofern sie nicht angefochten wird) mit Ablauf eines Monats seit Zustellung wirksam, § 65 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GWB. Das heißt aber nichts anderes, als daß die besondere Regelung der Unwirksamkeitserklärung zu einem künftigen Zeitpunkt in § 18 GWB nur in dem Fall überhaupt von Interesse sein kann, daß die Kartellbehörde den Zeitpunkt der Unwirksamkeit auf einen Termin nach Eintritt der Wirksamkeit, also der Unanfechtbarkeit ihrer eigenen Verfügung, festsetzt. Diese Betrachtung der allgemeinen Regeln über das Wirksamwerden kartellbehördlicher Verfügungen im Fall des § 18 GWB liefert mithin den Schlüssel für das Verständnis der Terminierungsmöglichkeit in § 18 Abs. 1 GWB: Selbst wenn die Wirksamkeit des Eingriffs erst auf einen späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, betrifft dieser Umstand nicht die Wirksamkeit der Verfügung als solcher im Sinne ihrer Unanfechtbarkeit; nur diese ist von Belang, nur an ihr ist sie zu messen. Tritt sie ein, ist der genannten Voraussetzung für einen freien Weg zu § 138 BGB und einer Berufung auf die Lückenhaftigkeit eines Exklusiv-Bindungssystems, nämlich Einschreiten der Kartellbehörde, Genüge getan. Diese Argumentation mag sich zunächst als rein formale darstellen, sie ist es nicht. Daß sie im Gegenteil interessengerecht ist, ergibt sich daraus, daß mit Unanfechtbarkeit der Verfügung der Kartellbehörde geklärt ist, daß das betroffene Exklusiv-Bindungssystem den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. Mithin verlangen Sinn und Zweck der hier dargelegten Abhängigkeit individuellen Vorgehens gegen einen Bindungsverwender nicht, daß mit ihm zugewartet wird, bis eventuell erst nach der schon unanfechtbar gewordenen Entscheidung der Kartellbehörde nun auch das Bindungssystem endgültig scheitert. Dieses Ergebnis erlaubt nun auch, dogmatisch präzise festzustellen, welcher Aspekt des kartellbehördlichen Einschreitens eigentlich es ist, der den Weg zum Bürgerlichen Recht freimacht. Es kann nur das im Wortlaut der Verfügung nicht zum Ausdruck kommende Verdikt sein, das als Grundlage der so erscheinenden Unwirksamkeitsentscheidung das Verbotensein eines Exklusiv-Bindungssystems feststellend ausspricht. Hier also kreuzt diese Arbeit erneut den Weg der dogmatischen vertretenen Auffassung zuneigt, allerdings ausdrücklich unter dem Gesichtspunkt des § 38 Abs. 1 Nr. 2 GWB. 383 Nicht betroffen ist auch der Fall der einstweiligen Anordnung nach § 56 GWB; dazu ein Beispielsfall bezüglich § 18 GWB im BKartA-TB 1959, S. 130.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
Grundlegung von K. Schmidt, der völlig zutreffend herausgearbeitet hat, daß das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf einem allgemeinen Kartellverbot beruht38" das in Fällen wie denen der §§ 18 und 22 GWB erst noch des Ausspruchs bedarf, der allerdings konkludent 385 in jeder Unwirksamkeitsentscheidung enthalten ist386 • Schon das zeigt aber, daß es eine verkürzte Darstellung ist, wenn man, wie es Lehmpfuhl tut 387 , darauf hinweisen zu müssen glaubt, die Verfügung der Kartellbehörde sei dann deklaratorisch, wenn die Exklusiv-Bindung bereits nach bürgerlichem Recht unwirksam sei. Dies nämlich wäre nur dann richtig, wenn man von einer Unwirksamkeitsverfügung ausgehen dürfte. Handelt es sich aber letzten Endes doch vor allem um die Durchsetzung des allgemeinen Kartellverbots, um seine Anwendung auf eine konkrete Sachverhaltskonstellation, liegt es viel näher, von einer Verbotsverfügung zu sprechen388, die dann aber keinesfalls nur deklaratorisch sein kann. Doch ungeachtet dieser eher dogmatisch akzentuierten Einordnung gilt innerhalb des hier entwickelten Systems folgendes: Ausgegangen wird von einem Eingreifen des § 138 BGB; es läge also auf der Hand, im Sinne Lehmpfuhls von einer bloß deklaratorischen Verfügung der Kartellbehörde auf der Grundlage des § 18 GWB auszugehen. Da es aber diese Entscheidung ist, die erst den Weg zu einem Durchgreifen des § 138 BGB, zu individualrechtlichem Schutz also, freigibt, hat sie - obwohl sie von ihrem Inhalt her zunächst einmal nur feststellt - stets regelnden Charakter, kann also niemals als rein deklaratorisch eingestuft werden389 • - An dieses Ergebnis jedenfalls, daß es der feststellende Aspekt der Verfügung der Kartellbehörde ist, der die Berufung auf § 138 BGB gestattet, läßt sich die Frage anknüpfen, ob denn die Kartellbehörde als minus zu der ihr möglichen Eingriffsentscheidung auch eine bloße Feststellungsverfügung erlassen dürfte. Jedoch scheiterte das nicht nur daran, daß man dem Wortlaut des § 18 GWB, der von einer Unwirksamkeitserklärung spricht, eine Tenorierungsregelung entnehmen muß, an die sich die Behörde zu halten hat ohne Rücksicht auf den dogmatischen Hintergrund dieser UnwirkDazu schon oben, Teil I, Dritter Abschn., 2). K. Schmidt macht in Kartellverfahrensrecht, S. 152, zu Recht darauf aufmerksam, daß es die überlegenheit seiner "Rechtsfolgenanordnungen kraft Verfahrens" unter anderem ausmache, daß sie nicht wie die Lehre vom privatrechts gestaltenden Verwaltungsakt "vordergründig auf den Tenor" behördlicher Verfügungen abstellen. 388 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.48 (dort bereits die Grundlegung), 128, 147, 154; bestätigt in Aufgaben, S. 60 Fn. 8. 387 Lehmpfuhl, S. 84. 388 Zu Recht K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 213 f. und 201. 389 Demgemäß wird letztlich der von K. Schmidt vorgenommenen Qualifizierung gefolgt, wenngleich auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeit (und nur für ihre Zwecke) eine stringentere Begründung gefunden werden konnte. 384 385
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samkeitserklärung. Man setzte sich damit auch über das negative Ergebnis jener Diskussion hinweg, die zum Gegenstand hatte, ob der Kartell behörde eine Prüfung bürgerlichen Rechts erlaubt sei390 • In eine solche Prüfung hätte sie einzutreten, denn eine Feststellungsentscheidung bliebe zwar rein äußerlich hinter einer Unwirksamkeitsverfügung nur zurück, gleichwohl wäre sie eine qualitativ andere Anordnung als letztere, auf die sich auch das Antragsrecht eines Gebundenen beziehen müßte; dessen Vorliegen aber wäre auf Grund eines Feststellungsinteresses zu prüfen, das die Kartellbehörde nur über eine Exploration der bürgerlichen Rechtslage ermitteln könnte. So ergibt sich zwanglos das Resultat, daß § 18 GWB eine bloße Feststellungsentscheidung nicht zuläßt391 • bbb) Aufhebung einzelner Bindungen Bislang wurde der Fall betrachtet, daß die Kartellbehörde ein ganzes Bindungssystem aufhebt. Nunmehr ist die Konstellation zu erörtern, daß sie lediglich gegen einzelne Bindungen vorgeht, die Teile eines Systems sind. Ein solches Vorgehen wird dann problematisch, wenn sie in einer Weise entscheidet, daß das System (in schädlicher Art) lückenhaft wird392 , wenn sie also bewirkt, was der einzelne Gebundene eben wegen des Vorrangs von § 18 GWB nicht zu tun in der Lage wäre. Es versteht sich, daß ein solches Ergebnis verhindert werden muß, denn die Kartellbehörde schaffte so eine Situation, die sie zu erneutem Tätigwerden zwänge, weil sie ja die Lückenhaftigkeit eines solchen Systems ebenso wenig hinnehmen darf 393 • Daraus aber ergibt sich, daß die Kartellbehörde stets so weit gehen muß mit ihrem Einschreiten, daß kein lückenhaftes Exklusiv-Bindungssystem übrigbleibt 3.'. Diese 390 Vgl. oben, Teil I, Vierter Abschn., 1 c bb). Daher auch zu Recht ablehnend K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 213 f. 391 Richtig Langen 1Niederleithinger 1Schmidt, § 18 Rdnr. 177 (keine Abschwächung der Bindung). 392 Das Problem ist für Eingriffe in Preisbindungssysteme bereits bekannt; vgl. Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 19 Rdnrn.12, 21. 393 Es sei wiederum auf K. Schmidt, Kartellverbot, S. 136, verwiesen, wo es heißt: "Lückenhaftigkeit gilt als Mißbrauchsfall." 39. Dieses Ergebnis ergibt sich aus dem Tatbestand, so wie er auf der Grundlage praktischer Konkordanz ermittelt wurde; um eine Einschränkung des Eingriffsermessens handelte es sich selbst dann nicht, wenn man überhaupt noch von Ermessen ausgehen wollte. Insoweit muß KG WuW/E OLG 2053 (2059), 24.8.1978, Kart 3/77, "Valium", auch für den dort angeschnittenen Fall des § 22 GWB widersprochen werden, denn daß - so das KG zu Recht - der Wettbewerb verfälscht werde, wenn im Falle des Oligopolmißbrauchs nur gegen einen der Oligopolisten eingeschritten werde, muß schon in die Auslegung des Tatbestands eingehen und kann nicht erst auf Ermessensebene, wo es dann bloße Korrektur wäre, berücksichtigt werden. Daß es im Falle des § 3 Abs.4 GWB nicht anders sein kann, ergibt eine Formulierung im BKartA-TB 1978, S.14: "Das Bundeskartellamt sah sich in den drei genannten Fällen nicht in der Lage, in Ausübung pflichtgemäßen Er-
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wie gezeigt - ohnehin von der inneren Logik des hier entwickelten Systems gebotene Konsequenz findet ihre Bestätigung in § 19 Abs. 2 GWB 395 , der der Kartellbehörde lediglich gestattet, sich über § 139 BGB hinwegzusetzen, der in seiner Tragweite ohnehin von den Vorschriften abhängt, die ihn von ihrem eigenen Telos her durchgreifen lassen wollen. § 18 GWB selbst und die ihn flankierende Vorschrift des § 26 GWB sind auch und gerade für die Kartellbehörde bindend; sie kann und darf sie nicht außer acht lassen, will sie nicht die in beiden Bestimmungen zum Ausdruck gekommene gesamtwirtschaftliche Wertung vernachlässigen, wohingegen § 139 BGB nichts liefert als eine Auslegungsregel für das Verhältnis zweier Parteien zueinander. Dieses Ergebnis beinhaltet zugleich eine positive Stellungnahme zu dem angesichts der ja in jedem Einzelfall zu bejahenden Eingriffsvoraussetzungen des § 18 Abs. 1 Buchst. a) bis c) GWB nur scheinbar vorhandenen Problem, ob überhaupt ganze Bindungssysteme für unwirksam erklärt396 werden dürfen 397 , was bislang stillschweigende Prämisse war, da Scheinmessens von einer Unwirksamkeitserklärung abzusehen." Diese paradox erscheinende Äußenmg kann nur dadurch gerettet werden, daß man annimmt, das Nicht-in-der-Lage-Sein schließe die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung bereits aus. 395 Bei der Anwendung der Vorschrift ist ihrem Wortlaut gen aue Beachtung zu schenken; sie betrifft nur "die in der Verfügung ausgesprochene Unwirksamkeit", nicht eine solche, die schon auf Grund anderer Vorschriften eingetreten ist. Mag dies auch nach den Ergebnissen dieser Arbeit nicht geltend gemacht werden können, so ist es doch nicht Sinn der Vorschrift, der Kartellbehörde die Möglichkeit zu geben, sich über sie hinwegzusetzen (Frankfurter Kommentar, § 19 Tz. 15; Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 19 Rdnr. 5; zweifelhaft die Formulierung in Rdnrn.26, 27). Doch kann man angesichts der deutlichen Fassung des Wortlauts stets davon ausgehen, daß die Kartellbehörde die ihr gesetzten Schranken eingehalten hat; das Gegenteil dürfte nur dann erwiesen sein, wenn sie ausdrücklich eine aus anderen Gründen eingetretene Unwirksamkeit in Bezug nimmt; dann bedarf es der Anfechtung, die wegen § 19 Abs. 2 Satz 1 GWB Erfolg hätte. 398 Hier ist immerhin die Frage zu klären, ob die Vertragspartner genannt werden müssen. Da es die Möglichkeit einer Allgemeinverfügung (von der auch R. Liebs, S.88 Fn.7, ausgeht) nach § 35 Satz 2 VwVfG gibt, ist das nicht erforderlich (so im Ergebnis auch Langen I Niederleithinger I ~chmidt, § 18 Rdnr.168; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.79; Wes trick I Loewenheim, § 18 Anm. 46); es genügt, die Gebundenen "durch Gruppenbezeichnung" zu individualisieren (so schon Lutz BB 1965, 1336 (1339). So weit aber muß die Kartellbehörde gehen. Sollte der in der Lehre aufgetretene Streit, ob die Kartellbehörde ein System als solches für unwirksam erklären dürfe, auf die Möglichkeit hinauslaufen, daß sie hinter den Anforderungen zurückbleiben könne, die an eine Allgemeinverfügung gestellt werden, so könnte dem nicht gefolgt werden: Alles andere ist nämlich Rechtsnorm, und zu deren Erlaß ist die Kartellbehörde nicht befugt (zumindest wären die Voraussetzungen des Art. 80 Abs.1 GG nicht erfüllt). Das somit aufgeworfene, wenn auch denkbar unpräzise formulierte Problem löst sich also bei der Kompetenzfrage. - Zweifelhaft ist die Darstellung bei Müller I Giessler I Scholz, § 18 Rdnr. 67. 391 Mit Recht bejahend Emmerich, S.113; Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 96; Knöpfle, Bündelung, S.203 (208 für § 18 GWB, erste Alternative, und
2. Abschn.: Der Kongruenzbereich von § 18 GWB und § 138 BGB
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probleme der Ausführung nicht bedürfen. Jedenfalls wird es auf Grund der hier dargestellten Erwägungen sogar der Regelfall sein müssen, daß Exklusiv-Bindungssysteme insgesamt für unwirksam erklärt werdenSg8 • ccc) Verweigerung eines Eingriffs
Der Blick fällt nun auf die Situation, daß die Kartellbehörde nicht einschreitet. Da ein Antragsrecht besteht, kann, wie ausgeführt, dieses negative Verhalten gerichtlich angefochten werden durch Beschwerde nach §§ 62 ff. GWB, die Entscheidungen herbeiführt, die ihrerseits nach §§ 73 ff. GWB mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden können. In der Konsequenz des hier entwickelten Systems liegt es indes, daß eine unanfechtbar gewordene, die Eröffnung eines Verfahrens ablehnende oder es einstellende Entscheidung der Kartellbehörde den Weg zu § 138 BGB endgültig versperrt. Das ist der Preis39g , den der Einzelne dafür entrichten muß, daß er Teil eines Exklusiv-Bindungssystems ist, das ihn an der Marktgeltung des Bindungsverwenders partizipieren läßt, mag er an ihrer Entstehung auch mitgewirkt haben, aus dem er jedenS. 210 f. für die zweite Alternative); Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr. 175; Lehmpfuhl, S. 57; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 232; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnrn. 59, 81. Auch Koeble, S. 86, spricht sich dafür aus, doch dürfte er diese Frage mit der weiteren konfundieren (S. 87 ff.), ob einem Hersteller parallele Systeme seiner Konkurrenten zugerechnet werden dürfen, damit die Eingriffsvoraussetzungen bejaht werden können (ablehnend Knöpfle, Bündelung, S.203 (209 f.); Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnrn.59, 81, was deshalb konsequent ist, weil er "unbillig" nicht für einen Quantitätsbegriff hält; für die Zurechnung treten etwa Westrick I Loewenheim, § 18 Anm.30, 40, ein, die allerdings den Hintergrund der Auffassung von Schwartz zu verkennen scheinen; positiv auch BKartA-TB 1968, S. 36; vgl. im übrigen die Nachweise bei R. Liebs, S. 113. Den entgegen Koeble bestehenden Unterschied betont zu Recht Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.65). Dieses Problem ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit ohne Belang, doch sei dies gesagt: Eine Zurechnung liegt nicht allzu fern, werden doch solche Systeme zumindest von Wettbewerbern eben "mit Rücksicht auf die Wettbewerbslage faktisch ähnlich strukturiert" (so Lehmpfuhl, S.55). Dementsprechend ist Lehmpjuhl inkonsequent, wenn er auf S. 57 gegen eine solche Zurechnung eintritt. Wie insbesondere aus seinem Schlußsatz auf dieser Seite hervorgeht, scheint er aber anzunehmen, bei einer solchen Zurechnung dürfe nur das neu hinzutretende System aufgehoben werden; das wäre in der Tat eigenartig (so aber auch der Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 79), trifft aber nicht zu (richtig Knöpfle, Bündelung, S.203 (219 Fn.36); Müller I Giessler I Scholz, § 18 Rdnr. 63; Sandrock, S.478). 398 Sollte hier ein Widerspruch zu der herausgearbeiteten Entscheidung des § 18 GWB zugunsten von Exklusiv-Bindungssystemen gesehen werden, wäre dem entgegenzuhalten, daß dieses Ergebnis an keiner Stelle zu einer Einschränkung der Eingriffsvoraussetzungen des § 18 GWB geführt hat. Die Billigung dieser Systeme besteht nur im Rahmen des § 18 GWB selbst (vgl. oben, 2). 399 Ihn haben die übrigen Gebundenen nicht zu entrichten, da durch die Präklusion des § 138 BGB das System über das Verfahren hinaus (vgl. oben, aal Fn. 302) nunmehr theoretisch lückenlos ist und bleibt.
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falls jetzt selbst wirtschaftlichen Vorteil zieht. Der Fall kann also eintreten, daß ein Einzelner an ein an sich gegen § 138 BGB verstoßendes Rechtsgeschäft gebunden bleibt, weil die Kartellbehörde nicht auf Grund des § 18 GWB einzuschreiten vermag. An dieser Stelle kann also nur betont werden, daß das hier dargestellte Abhängigkeitsverhältnis der §§ 18 GWB, 138 BGB untereinander den Individualrechtschutz nicht ausschaltet, aber verschlechtert40o . 401 • Hinnehmbar ist das nicht nur wegen des soeben geschilderten, den Gebundenen rekompensierenden wirtschaftlichen Hintergrunds, sondern erst recht wegen der durchaus juristischen überlegung, daß der Gebundene die Bindung ja freiwillig übernommen hat402. Gewiß soll damit die Parömie "volenti non fit iniuria"4oa nicht als geltendes Recht hingestellt werden, doch ergibt die Wertung des § 138 Abs. 2 BGB404 , deren Gegenbild schließlich der Kaufmann ist, der kalkuliert, ob ihm eine Exklusiv-Bindung Vorteile zu bringen vermag, daß ein solcher Gebundener des Individualschutzes nur in geringerem Maße bedarf als jeder andere wirtschaftlicher Macht Ausgelieferte. ddd) Kautelen Immerhin gebietet die Abwägung der Interessenlage von Bindungsverwender und Gebundenen einige Klarstellungen, die sich aus dem Inhalt des Gesetzes und als Folge einer richtigen Durchführung des hier vorgestellten Systems rechtfertigen. 400 Eine Konsequenz, die K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 61, offenbar nicht wünscht; auf S. 62 bejaht er die uneingeschränkte weitere Anwendbarkeit des § 138 BGB. 401 Nichts verschlägt der Einwand, der Antragsgegner habe die Möglichkeit, auf die Antragstellung mit wirtschaftlichen Retorsionen (vgl. als Fall etwa OLG Karlsruhe WuW/E OLG 2085 (2090 a. E.), 8.11.1978, 6 U 192/77 Kart) zu antworten, denn diese besteht bei jedem individuellen Vorgehen gegen Exklusiv-Bindungssysteme, also auch, wenn der einzelne Gebundene die Wirksamkeit seiner Bindung ohne Vorverfahren vor dem Zivilgericht in Frage stellen dürfte. (Wie Mailänder, S. 98, für das US-amerikanische Recht zeigt, ist dieses Argument dann von besonders hohem Interesse, wenn die Kostenlast von Anti-Trust-Prozessen groß ist. Beiden kostentreibenden Situationen kann sich der finanzschwache Prozeßgegner nicht auf einmal entziehen). Im übrigen darf die Sanktions norm des § 38 Abs. 1 Nr. 9 GWB nicht aus den Augen verloren werden, von der dieselbe Behörde Gebrauch machen kann, bei der auch der Antrag auf Einschreiten nach § 18 GWB einzureichen ist, die also ein Interesse daran haben dürfte, daß ihr Verfahren unbeeinträchtigt von Störungen durchgeführt werden kann. Es gibt keine Vorschrift, die bei Aktionen gegen die Verfahrenseinleitung bei einem Zivilgericht in ähnlich frühem Stadium einzugreifen in der Lage wäre. 402 Richtig der Hinweis von Ebel, § 18 Rdnr. 3. 40a Siehe hierzu schon Ulpian D. 47, 10, 1,5. 404 Diese konkrete Abwägung dürfte überzeugender sein als die sich nur in Nuancen von jenem römischrechtlichen Grundsatz abhebende Auffassung, "die besondere Legitimationsgrundlage" "bei zweiseitigen Rechtsgeschäften" liege "in der Mitwirkung der Betroffenen"; so aber Canaris ZHR 143 (1979), 113 (123).
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aaaa) Andere als Inhaltsmängel § 18 GWB bezieht sich auf den Inhalt des Rechtsgeschäfts; ihn stellt er frei vom anderenfalls eingreifenden Verbot. So versteht es sich, daß er Abschlußmängel nicht deckt405 ; er rechtfertigt also nicht einen mit Bezug auf den Abschluß des Rechtsgeschäfts ausgeübten, gegen § 138 BGB verstoßenden Zwang. Ebenso wird deutlich geworden sein, daß Mängel bei der Beendigung eines Rechtsgeschäfts ihre ganze Tragweite behalten. So kann der Bindungsverwender, der eine Exklusiv-Bindung in einer mit § 138 BGB nicht vereinbaren Weise kündigt, unmittelbar auf Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung verklagt werden406 •
bbbb) Erfordernisse an den Vertragsinhalt Zu fordern ist, daß der Gebundene nicht in dem Augenblick, in dem er sich entschließt, gegen seine Bindung vorzugehen, überrascht wird von der Beschränkung seiner Rechtsposition, so wie sie hier entwickelt wurde. Vielmehr muß der Bindungsverwender bei Rechtsgeschäftsabschluß dargelegt haben, welche Macht ihm der Abschluß gibt. Aus dem einzelnen Rechtsgeschäft muß sich also in einer der Formvorschrift des § 34 GWB genügenden Weise ergeben407 , daß es Teil eines ExklusivBindungssystems ist408 ; anderenfalls ist der Bindungsverwender nicht schützenswert; es gibt kein legitimes, vom Recht abzusicherndes Interesse daran, dem Kontrahenten durch Berufung auf tatsächliche, nur diesem bei Rechtsgeschäftsabschluß nicht bekannte Umstände Nachteile zuzufügen. - Dieses Erfordernis ist denjenigen Publizitätsvorschriften zuzuordnen, deren Erfüllung es erst erlaubt, die durch sie verlautbarten Rechtsverhältnisse Dritten entgegenzusetzen, wie dies insbesondere für die gewerblichen Ausschlußrechte gilt, die zum Ausgangspunkt des hier 405 Ähnlich Jansen, S. 119, für das Verhältnis der §§ 20, 21 GWB zu den §§ 22 Abs. 1, 26 Abs.2 GWB. Zu § 18 GWB wird auf S. 120 eine parallele
Argumentation nicht versucht. 40G Vgl. BGH NJW 1970, 855, 26. 2. 1970, KZR 17/68. 407 Diese Auffassung paßt zu dem herrschend vertretenen allgemeinen Satz, daß § 34 GWB "alle von der Ausschließlichkeitsvereinbarung in ihrer sachlichen Gestaltung erfaßten Bestimmungen" ergreift; so OLG Düsseldorf WuW/E OLG 2014, 19.9.1978, U (Kart) 7/78, "Bauernstübchen". Auf strikte Befolgung des § 34 GWB legen auch Emmerich, S. 108; Lehmpfuht, S. 87 f. und Westrick 1Loewenheim, § 18 Anm.7, Wert. - § 34 GWB verhindert im übrigen auch, daß über die Annahme stillschweigenden Rechtsgeschäftsabschlusses (eigentliche) Außenseiter zu Gebundenen gemacht werden; richtig der Hinweis von Krasser, Vertriebsbindungen, S. 170 m. N. zur älteren Rechtsprechung. 408 Das ist bei Vertriebsbindungen wohl meist ohnehin der Fall; vgl. R. Liebs, S. 105. Hieraus darf aber nun nicht geschlossen werden, das sei so typischerweise der Fall, daß es nicht mehr expressis verbis in die einzelnen Vereinbarungen hineingeschrieben zu werden bräuchte. Jedenfalls wäre dann § -34 GWB nicht entsprochen worden.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
vorgestellten Systems gemacht wurden40~. Mehr ist dogmatisch untersucht nicht geschehen. Freilich könnte es auf den ersten Blick betrachtet so aussehen, als bestehe für den Gebundenen keine durch allgemeines Recht begründete Pflicht, sich das Funktionieren eines Exklusiv-Bindungssystems entgegenhalten zu lassen, als werde dieses Dulden-Müssen erst durch die Vereinbarung einer Exklusiv-Bindung selbst begründet, in der er schlüssig darauf verzichtete, sie ohne Rücksicht auf parallele Bindungen zum Gegenstand eines Rechtsstreits zu machen410. Dann allerdings wäre gezeigt, daß die Umsetzbarkeit der hier entwickelten Konstruktion in die Praxis im Einzelfall davon abhinge, ob die jeweilige Vereinbarung dies gestattete. Abstrakt gesehen wäre das unschädlich, doch offenbarte eine solche überlegung einen Kurzschluß: Sie betrachtete nur das Erfordernis vertraglicher Verlautbarung des Exklusiv-Bindungssystems selbst, ohne zu berücksichtigen, daß es seinerseits aufgestellt wurde in der Konsequenz des hier vorgestellten Systems einer Abhängigkeit des § 138 BGB von § 18 GWB. Diese Abhängigkeit ist also Rechtsgrund für die Formulierung der einzelnen übereinkunft, die mithin nicht ihrerseits erst jene Abhängigkeit herbeiführt. ecce) Einrede; Fortsetzung des Systems im Prozeß
Die Abhängigkeit wiederum beruht - wie im einzelnen dargestellt wurde - auf der Voraussetzung, daß Exklusiv-Bindungssysteme dem Wettbewerb förderlich sind. Hier ist nun die Frage zu stellen, ob dieser Grund so weit trägt, daß in einem von einem Gebundenen auf Grund des § 138 BGB angestrengten Prozeß von Amts wegen zu berücksichtigen wäre, daß der Gebundene Teil eines Exklusiv-Bindungssystems ist und mithin zunächst einmal die Kartellbehörde mit seiner Angelegenheit befassen muß. Das aber liefe darauf hinaus, daß der Bindungsverwender auf den Schutz seines Systems nicht "verzichten" kann. Dies wiederum bedeutete einen Argumentationswiderspruch, denn ebenso wie gesagt wurde, daß es zwecklos sei, Systeme dieser Art nur als Institution, abstrakt vom Einzelfall also, zu schützen, daß vielmehr gerade jedem einzelnen System unmittelbar der Vorteil der hier entwickelten Abhängigkeit des § 138 BGB von § 18 GWB mitgeteilt werden müsse 411 , das mithin selbst Schutzgegenstand sei, so muß es nunmehr in 409 Siehe oben, 3 b). - Betroffen sind etwa auch alle Vorschriften, die eine Beschränkung einer im übrigen gesetzlich umrissenen Vertretungsmacht zulassen, beispielsweise § 50 Abs. 3 HGB, aber auch § 1412 BGB, Art. 4 EGHGB. 410 Eine solche Gestaltung wäre keineswegs etwas Besonderes; sie findet sich dort, wo Kontrahenten eine ihrer rechtlichen Streitigkeiten ausfechten und sich verpflichten, die übrigen gemäß der Entscheidung des Gerichts auf rechtsgeschäftlicher Basis beizulegen. 411 Siehe oben, aal.
2. Abschn.: Der Kongruenzbereich von § 18 GWB und § 138 BGB
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der Konsequenz jener Ausführungen liegen, auch bei einem denkbaren "Verzicht" auf den Schutz aus der Position des einzelnen Systems zu argumentieren, dem einzelnen Bindungsverwender also zu gestatten, den Schutz nicht in Anspruch zu nehmen. Daran kann er im Einzelfall ein erhebliches Interesse haben. Vielleicht hat ihn erst die Klageschrift auf Fehler seines Systems aufmerksam gemacht, oder vielleicht ist ihm bloß klargeworden, daß der von ihm bewußt herbeigeführte Fehler nun auch von anderen bemerkt worden ist. Dann mag er die Zeit dieses einen Prozesses nutzen wollen, um die nötigen rechtsgeschäftlichen Änderungen mit den übrigen Gebundenen durchzuführen412 und möglicherweise auch den Kläger zu einem Vergleich zu bewegen. Dies alles kann ihm lieber sein, als daß die Kartellbehörde die Vernichtung seines Systems bewirkt. Da dieser Weg nur gangbar ist, wenn Vergünstigungen angeboten werden, auf die sich die Gebundenen umgehend einlassen können, kann ihm die Legitimität nicht abgesprochen werden. Mithin muß es möglich sein, daß der einzelne Prozeß ohne Rücksicht auf die hier entwickelte Konstruktion durchgeführt wird. Das kann der Bindungsverwender aber nur dadurch erreichen, daß er den Umstand, daß die in Frage stehende Vereinbarung Teil eines Exklusiv-Bindungssystems ist, nicht vorträgt. Kommt es aber auf den Vortrag im Prozeß an, so handelt es sich um den Fall einer Einrede; erhebt der Bindungsverwender sie, kann der Individualprozeß gegen ihn nicht durchgeführt werden413 • Zwei Einzelprobleme bedürfen in diesem Zusammenhang noch der Klärung. Das eine betrifft den Fall, daß die Einrede des Exklusiv-Bindungssystems erhoben wird, obwohl tatsächlich nur ein einziger Gebundener vorhanden ist, was etwa dann sein kann, wenn das System sich erst im Aufbau befindet. Die Lösung ist einfach: Die tatsächliche Voraussetzung der Einrede läge nicht vor; sie wäre unbegründet; im Streitfall müßte der Bindungsverwender beweisen, daß es noch sonstige Gebundene gibt. Die Situation ist hier also nicht anders als bei jeder 412 In praxi kommt das vor, wenn die Kartellbehörde sich einschaltet. So ist etwa in BKartA-TB 1963, S. 30 f.; 1968, S.40, 76, auf solche Fälle der Änderung von Ausschließlichkeitsbindungen hingewiesen worden. 413 Prozessual ist die Lage also so: Es ist die Einrede selbst, die den Fortgang dieses einzelnen Zivilrechts streits hindert; wird sie nicht erhoben, kommt eine Aussetzung nach § 96 Abs. 2 GWB nicht in Betracht, denn der Prozeß kann dann entschieden werden; die Verfügung der Kartellbehörde ist nicht vorgreiflich in dem engen, zu § 96 Abs. 2 GWB entwickelten Sinn des Wortes (vgl. zum Ganzen schon oben, Erster Abschn., 4 d aa) Fn. 69 m. N.). Es versteht sich, daß von § 148 ZPO weiterhin Gebrauch gemacht werden kann (zweifelhaft in diesem Zusammenhang OLG Hamburg WuW/E OLG 2074, 2.11. 1978, 3 U 103/78, wohl auf Grund einer Gleichsetzung der Tragweite von § 96 Abs.2 GWB und § 148 ZPO), wenn die Einrede nicht erhoben wird; hingegen dann nicht, wenn sie erhoben wird, denn ihre Voraussetzung ist rein formal das Fehlen der kartellbehördlichen Entscheidung; liegt diese nicht vor, muß abgewiesen werden.
12 Venrooy
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beliebigen Einrede; das Problem ist kein solches der rechtlichen Konstruktion, vielmehr stellt es sich als Tatfrage dar. Des weiteren ist offen, wie zu verfahren ist, wenn der Bindungsverwender die Einrede des Exklusiv-Bindungssystems erhebt, aus dem Einzelrechtsgeschäft dessen Einbeziehung in ein solches System aber nicht hervorgeht. Gewiß ist gesagt worden, daß die hier entwickelte Konstruktion eine solche Verlautbarung verlangt414 • Das heißt, daß dem Bindungsverwender eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Gebundenen obliegt415. Verletzt er diese Pflicht, wäre die Lösung des Falles grundsätzlich den Anfechtungsvorschriften des BGB zuzuweisen, hier speziell dem § 123 BGB (ohne daß es noch auf § 119 BGB mit der unerquicklichen Folge des § 122 BGB ankäme), der eben aus dem Grund einzugreifen in der Lage ist, weil die korrespondierende Aufklärungspflicht verletzt wurde. Verführe man so, müßte der Gebundene anfechten und die Tatsache der Anfechtung mittels (Gegen-) Einrede in den Prozeß einführen. Dieses Procedere wäre möglich, es befriedigt hingegen aus dem gleichen Grund nicht, der dazu geführt hat416 , die Beschränkung der Rechtsposition des Gebundenen nicht auf die rechtsgeschäftliche Offenlegung, sondern unmittelbar auf die hier entwickelte Konstruktion zurückzuführen. Das Erfordernis, im Einzelrechtsgeschäft die Beziehung zum gesamten Exklusiv-Bindungssystem herzustellen, wirkt ohne Umweg über dieses Rechtsgeschäft selbst; dieses ist nicht handelnder Teil der Konstruktion, vielmehr nur Mittel für den Bindungsverwender, die Funktionsfähigkeit seines Systems weitgehend zu gewährleisten. Mithin ist es hier so, daß die Einrede des ExklusivBindungssystems in ihrer Begründetheit davon abhängt, daß in dem Rechtsgeschäft, aus dem geklagt wird, der Bezug zu eben diesem System manifest geworden ist. Dieser Punkt der Begründetheit ist also von Amts wegen zu erheben.
Vgl. oben, bbbb). Gleicher Ansatzpunkt bei Mailänder, S. 157, für die Frage, ob der Partner eines Folgevertrags anfechten könne, weil sein Kontrahent seine Kartellzugehörigkeit nicht offenbart habe; Mailänder verneint zu Recht eine Aufklärungspflicht in diesem Fall (ähnlich S. 182). m Siehe oben, bbbb). 414 415
Dritter Abschnitt
Der alleinige Anwendungsbereich des § 18 G WB 1. Zur Einführung Es sei daran erinnert, daß zwei Beziehungsfelder zwischen § 18 GWB und § 138 BGB entwickelt worden sindt, deren eines den Kongruenzbereich der beiden Vorschriften betrifft. Dieser Bereich ist im zweiten Abschnitt dargestellt worden; nur ihn betreffend bestand Veranlassung, einen Abhängigkeitsmechanismus zu konstruieren, der einerseits § 18 GWB seine Präponderanz sicherte, andererseits jedoch auch einen Individualrechtsschutz über § 138 BGB gewährleistete. Im alleinigen Anwendungsbereich des § 18 GWB scheidet ex definitione eine Anwendung des § 138 BGB aus; das aber bedeutet, daß auch jener Abhängigkeitsmechanismus hier nicht eingreifen kann. 2. Die verfahrensrechtliche Lage Verfahrensrechtlich wirft dieser Unterschied kein Problem auf, was die Individualklage aus § 138 BGB angeht. Da sie nur im Kongruenzbereich denkbar ist, kommen angesichts dessen, was im zweiten Abschnitt gesagt wurde, drei Möglichkeiten in Betracht: Liegt eine auf Grund des § 18 GWB ergangene Verfügung der Kartellbehörde nicht vor, so ist die Klage unzulässig und wird auf Einrede hin abgewiesen. Ist die Verfügung aber erlassen worden, ist der Klage stattzugeben, wenn sie begründet ist; anderenfalls ist sie abzuweisen (weil sie unbegründet ist). Die Situation ist bei dem an die Kartellbehörde zu stellenden Antrag auf Einschreiten nach § 18 GWB ungleich schwieriger, obwohl von der Theorie her auf der Hand liegt, daß es ein Antragsrecht nur im Kongruenzbereich geben dürfte, weil es nur hier konform mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Funktion erfüllen kann, den Weg zum Individualrechtsschutz freizumachen, daß aber im übrigen ein Antragsrecht nicht existiert, daß also ein im alleinigen Anwendungsbereich des § 18 GWB gestellter Antrag unzulässig sein müßte. Praktisch umsetzbar wäre dieser theoretische Ansatz immerhin dann noch, wenn Anträge tatsächlich nur im Kongruenzbereich gestellt würden, wenn potentielle Antragsteller also prüften, ob ihr Fall im Kongruenzbereich angesiedelt 1
12"
Vgl. das Ergebnis oben, Erster Abschn., 4 e) am Ende.
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
ist. Davon kann hingegen nicht ausgegangen werden; es wird stets auch vorkommen, daß Anträge im alleinigen Anwendungsbereich des § 18 GWB gestellt werden, dies schon deshalb, weil über die Abgrenzung der Bereiche auf der Seite der Antragsteller einerseits und der der Kartellbehörde andererseits oft genug unterschiedliche Auffassungen bestehen werden. Nun könnte die simple Antwort lauten, daß in solchen Fällen die Kartellbehörde die mithin unzulässigen Anträge eben zurückweisen möge. Sie indes verkürzte die Problematik, denn ob ein Antrag zulässig oder unzulässig ist, könnte die Kartellbehörde ihrerseits nur auf der Grundlage dessen entscheiden, ob der zur Prüfung gestellte Fall dem Kongruenzbereich zugehört oder dem alleinigen Anwendungsbereich des § 18 GWB. Den Kongruenzbereich jedoch müßte sie feststellen, indem sie an den Fall den Maßstab bürgerlichen Rechts legte. Nun ist aber schon verschiedentlich im Laufe dieser ArbeW betont worden, daß der Kartellbehörde eine Prüfung bürgerlichen Rechts nicht zusteht. Gewiß könnte sich jenes Ergebnis an dieser Stelle als verfehlt erweisen; das aber ist eine Hypothese, die durch ihre vorzustellenden praktischen Auswirkungen falsifiziert wird: Die Feststellung des Kongruenzbereichs bedeutete nichts anderes als eine Subsumtion des Falles unter § 18 GWB unter gleichzeitiger Prüfung der bürgerlichen Rechtslage, also eine vollständige Prüfung, die die Begründetheit beträfe, falls der Antrag zulässig wäre, und noch darüber hinausginge, eben weil auch bürgerliches Recht geklärt werden müßte. Niemandem wäre damit gedient, daß die Kartellbehörde sich diese Arbeit macht, die nicht nur, ohne daß das in § 18 GWB vorgesehen wäre, zu einer Prüfung bürgerlichen Rechts zwänge, die obendrein im Falle der Unzulässigkeit des Antrags zu nichts geführt hätte, und die zudem wegen der zusätzlichen Grundlage der Entscheidung im bürgerlichen Recht einen Mangel des im zweiten Abschnitt entwickelten Systems erwiese, falls der Antrag als zulässig eingestuft würde. Es sind an dieser Stelle also drei Punkte zu beachten: zum einen darf die Theorie von den zwei Beziehungsfeldern nicht zu unerträglichen praktischen Auswirkungen führen; zum anderen dürfen nicht hier die im zweiten Abschnitt gefundenen Ergebnisse in Frage gestellt werden, die vielmehr ihre folgerichtige Fortsetzung finden müssen; und zum dritten muß auch hier darauf geachtet werden, daß die Kartellbehörde bürgerliches Recht nicht zu prüfen hat. Es liegt auf der Hand, wie dieses Resultat zu erreichen ist, nämlich dadurch, daß der Kartellbehörde nicht die Aufgabe zufällt, die Zulässigkeit eines Antrags nach bürgerlichem Recht zu untersuchen. Braucht sie das hingegen 2 Vgl. oben, Teil I, Vierter Abschn., 1 c bb); Teil 11, Zweiter Abschn., 4 c ce aaa) am Ende.
3. Abschn.: Der alleinige Anwendungsbereich des § 18 GWB
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nicht, dann darf der ermittelte theoretische Unterschied der beiden Anwendungsbereiche des § 18 GWB nicht zu verschiedenen Verfahrensabläufen führen, was aber auch nicht schadet, da jener Unterschied ohnehin in § 18 GWB nicht zum Ausdruck gekommen ist, vielmehr erst im Wege praktischer Konkordanz mit § 138 BGB aufzufinden war. Die Lösung muß daher lauten, daß auch im alleinigen Anwendungsbereich des § 18 GWB ein Antragsrecht gewährt wird, wobei es dogmatisch so aussieht, daß auch hier das Gesetz eine planwidrige Lücke enthält, weil es kein Mittel vorsieht, wie die zu Beginn dieses Absatzes aufgezeigten Anforderungen sich durchsetzen können. Die Lücke 3 ist durch ein Antragsrecht in Rechtsanalogie zu den übrigen im GWB vorhandenen Antragsrechten zu schließen. Eine Einschränkung bleibt: Wie schon zum Kongruenzbereich dargelegt wurde\ betrifft das Antragsrecht nur schon Gebundene und diese auch nur im Hinblick auf das Exklusiv-Bindungssystem, dem sie selbst angehören. Das ist hier nicht anders, denn die Lösung wurde entwickelt auf der Grundlage der im zweiten Abschnitt dargestellten Konstruktion und nur in ihrer Fortführung. Immerhin: Für den schon betroffenen Personenkreis hat sich ein allgemeines Antragsrecht auf Tätigwerden aus § 18 GWB ergeben.
Vgl. nunmehr oben, Zweiter Abschn., 4 c bb bbb ffff), Text ab Fn. 368. Vgl. oben, Zweiter Abschn., 4 c bb bbb gggg), zur Behandlung des Außenseiterproblems. 3 4
Vierter Abschnitt
Die DurchgriffsIDodelle 1. Das Verhältnis der Durchgriffsmodelle zum hier entwickelten System Nicht nur die zuvor geschilderten Erwägungen zur Zulässigkeit des Antrags vermögen bei fehlender Umsetzung in die Praxis das hier entwickelte System empfindlich zu stören; es gibt noch einen zweiten Weg. Der Gebundene, der um die Beschränkung seiner Individualposition weiß, mag sich denken, daß er mit einer Schadensersatzforderung zumindest wirtschaftlich das gleiche Ergebnis erlangen könnte wie bei unbehindertem Vorgehen aus § 138 BGB. Freilich ist es ausgeschlossen, daß dabei eine etwa eingetretene Nichtigkeit geltend gemacht wird; die Tatbestandsmerkmale des § 138 BGB dürfen ohne vorherige Entscheidung der Kartellbehörde auch nicht inzidenter herangezogen werden; eine derartige Ausnahme ist bei dem hier vorgestellten System nicht vorgesehen gewesen. Indes könnte ein Gebundener seine Forderung auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB stützen, den er angewendet sehen will in Verbindung mit § 18 GWB, also wenn dessen Eingriffsvoraussetzungen gegeben sind, jedoch ohne Rücksicht darauf, ob die Kartellbehörde bereits eine Verfügung auf Grund dieser Vorschrift erlassen hat. Nun ist diese These nicht schon im Ansatz falsch, denn § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB ist eine offene Normt, und es richtet sich ausschließlich nach dem Inhalt des heranzuziehenden Schutzgesetzes, ob sie eingreifen kann. Es ist auch zuzugeben, daß die Eingriffsvoraussetzungen des § 18 GWB taugliche Schutzbestimmungen im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB sein könnten; daran kann auf der Grundlage der hier vertretenen Konstruktion kein Zweifel bestehen2 • Indes ist es un1 Richtig sagen auch Langen I Niederleithinger / Schmidt, § 35 Rdnr.2, die Vorschrift habe nicht festgelegt, welche Normen Schutzgesetze seien; ähnlich Müller / Giessler / Scholz, § 35 Rdnr.2; Rittner, Wirtschaftsrecht, S.469. 2 Nur von hier aus wird entschieden; die allgemeine Schutzzweckdiskussion, die an keiner Stelle dieser Arbeit zu verwenden war, argumentiert im luftleeren Raum und hat keinen heuristischen Wert; unannehmbar ist daher die Argumentation bei Enghusen, S.187. Immerhin hat Fikentscher schon in BB 1956, 793 (796), geschrieben, daß es keinen Wettbewerbsschutz gebe, den man von den Marktteilnehmern abstrahieren könne, und man versteht ihn wohl richtig, wenn man ihm keine Reflextheorie in den Mund legt, sondern annimmt, daß er schon mit "Wettbewerb" letztlich nichts anderes als die Kategorie aller sich auf dem Markt Betätigenden meint. Auch Mestmäcker,
4. Abschn.: Die Durchgriffsmodelle
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möglich, sich darüber hinwegzusetzen, daß § 18 GWB nur die Eingriffsvoraussetzungen festlegt, unter denen die Kartellbehörde einschreiten darf; Dritten gibt er keine Rechte'. Keine Erwägung; führt an diesem Umstand vorbei6• So schreibt denn auch Belke zu Recht7 : "Diese Bestimmung scheidet daher von vornherein als umgehungsfähiges Verbot aus8 , da sie nur ein verwaltungsmäßiges Eingriffsrecht der Kartellbehörde vorsieht"9; und K. Schmidt nennt das "eine positivrechtliche Verhältnis, S. 297 (307), sagt, daß man sich beim Streit über den Schutzzweck nicht lange aufzuhalten brauche, weil er als Gegensatz unterstelle, was nur als Erscheinungsformen des einen Problems recht verstanden werden könne; so im übrigen auch Inga Schmidt-Syaßen, S. 205 Fn. 1 m. w. N.; ähnlich Belke, S.411. Im übrigen kritisch zur Schutzzweckdiskussion K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 49 ff., 63 ff., der allerdings selbst ein sehr detailliertes Drittschutzkonzept entwirft; kritisch auch in Aufgaben, S. 31; in die gleiche Richtung zielt Schmiedel, S. 8. Vgl. auch Clodius, S. 65 ff. 3 Schon der Tatbestand des § 18 GWB geht also den Nachteilen "einer doppeigleisigen, zivil- und zugleich verwaltungsrechtlichen Kontrolle über verbotene Marktabreden" (so Ballerstedt JZ 1956, 267 (271) aus dem Wege - freilich aus eben dem Grunde, daß ein aktuelles Verbot ohne Verfügung der Kartellbehörde gar nicht vorliegt. 4 In der gebotenen Kürze Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 35 Rdnr.5; Frankfurter Kommentar, § 35 Tz. 33; Langen / Niederleithinger I Schmidt, § 18 Rdnr.190; § 35 Rdnr.3; Marx, S.137 (zu § 22 GWB); Müller I Giessler I Scholz, § 35 Rdnr.14; Rittner, Wirtschaftsrecht, S.388; K. Schmidt ZRP 1979, 38 (45); Schmiedel, S.45 (eine Ermächtigungsvorschrift ist keine Verbotsvorschrift); Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr.98; Westrick / Loewenheim, § 18 Anm. 53. Zweifelhaft die Formulierung bei Steindorft, Politik, S.217 (241). - Vgl. zu der auch insoweit anderen Rechtslage nach dem Dekartellierungsrecht Fikentscher BB 1956, 793 (795 m. w. N.). Die angeschnittene Frage stellte sich in der Arbeit von Inga Schmidt-Syaßen von vornherein nicht: § 26 Abs. 2 GWB wirkt ipso iure, wenngleich die Kartellbehörde hier zusätzlich aus § 37 a Abs.2 GWB vorgehen kann. - Vgl. nunmehr die allgemeinen überlegungen im Aufsatz von Schwark JZ 1979, 670. 5 Die anderenfalls überdies um eine Erörterung der Frage ergänzt werden müßte, wie man eigentlich die in § 18 GWB enthaltene Terminierungsmöglichkeit erklärt. Sie veranlaßt Biedenkopf, S.210, § 134 BGB nicht anzuwenden. 6 Der Ansatz zur Klärung des Durchgriffs-Scheinproblems, den R. Liebs, S. 2, darlegt, dürfte schon zu sehr abseits vom Wortlaut des Gesetzes operieren. Er schreibt, die Antwort sei "im legislatorischen Zweck dessen, daß § 18 GWB als Eingriffstatbestand konzipiert" sei, "zu suchen. Von da aus" müsse "auch der maßgebende Verbotstatbestand ermittelt werden". Dies geht zu weit, weil selbstverständlich nicht von dem Zweck, sondern dem als Eingriffstatbestand formulierten Wortlaut des § 18 GWB auszugehen ist. Die Folgerung trifft nicht zu, weil sie die Existenz eines schon wirkenden Verbots präsumiert. Indes bedarf das auch bei § 18 GWB vorhandene Verbot (vgl. dazu schon oben, Teil I, Dritter Abschn., 2); Teil II, Zweiter Abschn., 4 c ce aaa), Text ab Fn. 384) erst noch des Ausspruchs durch eine kartellbehördliche Verfügung. 7 Belke, S. 368. 8 Als Verbot überhaupt allerdings nicht; vgl. den letzten Satz der Fn.6. 9 Erstaunlicherweise erwägen die Durchgriffsmodelle die Anwendung des § 134 BGB nicht ernsthaft (vgl. etwa Biedenkopf, S.21O, im Verhältnis zu S. 217 ff.), obwohl sie nur konsequent wäre; richtig der Hinweis von K. Schmidt,
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
Entscheidung des materiellen Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen", die es zu verteidigen gelte10 • Die Verteidigung ist erforderlich gegen diejenigen Auffassungen, die trotz des klaren Wortlauts des § 18 GWB dessen Eingriffsvoraussetzungen in § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB inkorporieren wollen, die mithin die Eingriffsbefugnis beiseite lassen und unmittelbar auf die Tatbestandsmerkmale der Eingriffsnorm durchgreifen11 , weshalb sie als Durchgriffsmodelle (oder -thesen) zu kennzeichnen sind. Um ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, soll im folgenden ihre Widerlegung versucht werden sowohl in sich als auch auf der Grundlage allgemeiner bürgerlichrechtlicher Erwägungen, obwohl kein Zweifel daran gelassen werden soll, daß die im Wortlaut des § 18 GWB zum Ausdruck gekommene Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen Durchgriff als ausreichend angesehen wird12 •
2. Die Durchgriffsmodelle im einzelnen Wie etwa die Formulierung des § 134 BGB zeigt, gibt es auch bei der Auslegung von Gesetzen Regeln, die dann eingreifen, wenn sie nicht widerlegt werden13 ; sie statuieren also eine Art materieller Beweislast. Gleiches gilt für § 18 GWB: Wer sich über seinen Wortlaut hinwegsetzen will, mag ihn widerlegen14 • 15 - eine Anforderung, die die bisKartellverfahrensrecht, S. 274; vgl. im übrigen ihn, S. 273 ff., zum Durchgriff bei § 18 GWB. - Auch R. Liebs, S.48 (nähere Ausführungen auf S. 48 ff.), macht auf die Inkonsequenz aufmerksam, daß die Vertreter der Durchgriffsthesen einer Anwendung des § 134 BGB nach Möglichkeit aus dem Wege gehen wollen. Es scheint also doch ein Bewußtsein dafür vorhanden zu sein, daß der klare Wortlaut des § 18 GWB nicht einfach unterlaufen werden darf, obwohl natürlich - wie R. Liebs, S. 49, zutreffend erwägt - nicht zu verstehen ist, warum diese Lehre der "vergleichsweise mäßige(n) Rechtsfolge der Nichtigkeit" nicht nähertreten will, aber Schadensersatz bejaht. 10 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 87 (vgl. auch S. 226 ff). 11 Zum Durchgriff ausführlich K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 248 ff. - Es befriedigt nicht, wenn K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 249, schreibt, beim Durchgriffsproblem gehe es um den "Vorgriff auf eine erst ,kraft Verfahrens' herbeizuführende Rechtsfolge". Gerade wenn man wie er (S. 228, 250) die "Einheit der Rechtsordnung" ins Spiel bringt, stellt sich das Problem doch folgendermaßen: Es besteht die Möglichkeit einer Rechtsfolgenordnung kraft Verfahrens, deren Voraussetzungen man einer ipso-iureSanktion zuordnen könnte. Täter man das aber, unterliefe man die Regel über die Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens. Da eben dieses Ergebnis falsch wäre, ist der Durchgriff nicht zulässig. 12 So dürfte es auch Rinck, Einwirkungen, S.476 (481), sehen; vgl. auch S.485. 13 Aus diesem Grunde ist auch die von Flume, S. 341, aufgestellte These, § 134 BGB bedeute eigentlich gar nichts, nicht zu akzeptieren. Vgl. hierzu im übrigen schon oben, Erster Abschn., 4 d aal Fn. 80. 14 Lehmpfuhl, S.62, schreibt: ,,§ 18 GWB verbietet oder gebietet nichts" (in der Formulierung ähnlich Frankfurter Kommentar, § 35 Tz. 33). Das ist - jedenfalls aktuell - richtig; gleichwohl ist auch hier - wie bei ande-
4. Abschn.: Die Durchgriffsmodelle herigen Auffassungen, die die Eingriffsvoraussetzungen dem § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB zuweisen wollten16 , nicht ten l7 ; diesen Fehler in ihrem System vermochten sie zuinterpretieren l8 • Ihre wichtigsten Varianten seien im gestellt.
185 des § 18 GWB erfüllen konnnicht hinwegfolgenden dar-
a) Die Auffassung Biedenkopfs
Biedenkopfs Konzeption scheut den inneren Widerspruch nicht. Einerseits wird die Anwendung des § 134 BGB rundheraus verneint, weil das "Kontrollrecht der Kartellbehörde" in § 18 GWB ein "echtes Gestaltungsrecht" seP9; andererseits wird der Durchgriff über § 35 GWB ren Autoren - der Ansatz zu breit angelegt, nämlich als Frage nach dem Verbot oder Gebot, die ein Schutzgesetz ausmachen sollen. Mit dieser griffigen Formulierung, die, generalklauselhaft, selbständig auslegbar ist, wird vom Wortlaut des § 18 GWB unnötig und mithin nicht ohne Risiko abstrahiert. Die Frage ist ganz konkret danach zu stellen, ob § 18 GWB seinem Wortlaut entsprechend ein Verbot erst mit ergangener Verfügung der Kartellbehörde eintreten läßt, ob also § 18 GWB meint, war er sagt. 15 Deshalb ist es auch von der Methode her nicht akzeptabel, wenn Möschel NJW 1975, 753 (757), dem BGlI vorwirft, er habe den Schutzgesetzcharakter des § 22 GWB "mit oberflächlicher und unvollständiger Begründung" verneint. Möschel hat unrecht: Nur das Gegenteil hätte einer Begründung bedurft. Dem gleichen Fehler ist Emmerich NJW 1974, 902 (903), erlegen; daß - so Emmerich - anderenfalls die Mißbrauchsaufsichtsbestimmung zu ineffektiv sei, ist keine Begründung für eine andere Auslegung des § 22 GWB als die, die der Wortlaut nahelegt, sondern stellt eine rechtspolitische Argumentation dar, was Fischerhof NJW 1974, 1556 (1557), sehr zu Recht bereits ausgeführt hat. - Wie Emmerich und Möschel nun auch K. Schmidt, Aufgaben, S.74. 18 Wie falsch das ist, ergibt sich etwa auch aus einer einfachen, bei SchrniedeI, S.7, angeführten überlegung: § 35 GWB zeigt nur, daß es im GWB Schutzgesetze gibt; welche das sind, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen, die - wie schon gesagt wurde (vgl. oben, 1) - insoweit offen ist. 17 Es ist interessant, daß der Gesetzgeber die ganze (Schein-) Problematik hätte vermeiden können, wenn er einer rechtzeitig vorgelegten Empfehlung von Rittner gefolgt wäre; es heißt bei ihm auf S.106: "Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der durch die Ausschließlichkeitsbindungen beeinträchtigten Dritten, aber auch möglicherweise der Gebundenen, dagegen vermögen die Wirksamkeit gesetzlicher Verbote wesentlich zu erhöhen, ohne daß die Nachteile der soeben erörterten Sanktionen auftreten. Sie entsprechen in vielen Fällen auch durchaus dem Sinn der Verbots norm, da diese zumindest auch dem Schutz der Mitbewerber des Bindenden sowie dem Schutz des Gebundenen dient. Eine gesetzliche Bestimmung über Grundlagen und Ausmaß dieser Ansprüche wird sich schon deswegen empfehlen, weil anderenfalls unnötige Streitfragen über die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 2 BGB entstehen." Jedenfalls von seiner Zielrichtung her (nicht in jedem Punkt seiner Begründung) ist Rittner beizupflichten. 18 Die Ausführungen von Ebel, § 35 Rdnr. 1, zu diesem Thema müssen wohl jenseits juristischer Argumentation angesiedelt werden. 19 Biedenkopf, S.210. Die These vom Gestaltungsrecht ist übrigens nur dann haltbar, wenn sie in engerem Sinne einer Möglichkeit verstanden wird, in Rechtsgeschäfte gestaltend einzugreifen, nicht aber hinsichtlich der Gestaltung der Wirtschaftsordnung.
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bejahtZo • Zwar genügte zur Ablehnung seiner Auffassung schon diese dargestellte Inkohärenz, gleichwohl sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, daß seine Durchgriffsthese auch in sich selbst Zweifel weckt. Biedenkopf erklärt die in § 18 GWB vorgesehenen ExklusivBindungen zu Fällen vertraglich vereinbarten Boykotts; Boykottmaßnahmen aber verbiete § 26 Abs. 1 GWB21 , dem man entnehmen könne, daß eine unmittelbare Möglichkeit bestehen müsse, gegen die viel schwerer wiegenden Fälle vertraglich vereinbarten Boykotts erst recht vorzugehen!2. Fällt hier schon als offenbar unzulässig auf, daß aus einer bloßen Kategorisierung Rechtsfolgen abgeleitet werden, muß man doch des weiteren sagen, daß gerade dann, wenn man die §§ 18, 26 Abs. 1 GWB für Regelungen des Boykotts hält, § 18 GWB die Sondernorm zu § 26 Abs. 1 GWB sein muß, die dieser Vorschrift zwangsläufig auch dann vorgeht, wenn eine unbillige Beschränkung des Wettbewerbs vorliegt. Biedenkopf, der diese Konsequenz leugnet23 , ist mithin nicht bereit, sein eigenes System durchzuhalten. Natürlich: auch seiner Ausgangsthese vom vertraglich vereinbarten Boykott ist zu widersprechen; es ist im Verlauf dieser Arbeit dargelegt worden, daß hinter § 18 GWB andere Erwägungen stehen24 • b) Die spezielle These des Bundeskartellamts
Das Bundeskartellamt hat im Zusammenhang mit dem früheren § 25 Abs. 1 GWB, der mittlerweile zu Abs. 2 geworden ist, seine eigene Durchgriffsthese entwickeW5• Es sagt, die von § 18 GWB "mißbilligten Marktfolgen"26 dürften nicht in den von § 25 Abs. 2 GWB genannten Verhaltensweisen erstrebt werden27 • Das ist schon deshalb unrichtig, weil § 18 GWB ohne Verfügung keine Marktfolgen mißbilligt28 ; ferner deshalb, weil § 25 Abs. 2 GWB die Verfügungen besonders nennt und dieser Teil der Vorschrift nicht durch Zurechnung der Tatbestandsmerkmale des § 18 GWB zum in § 25 Abs. 2 GWB ebenfalls angesprochenen Verbotsgesetz unterlaufen werden darf2 9 • Der Versuch einer Widerlegung des Wortlauts des § 18 GWB wird nicht gemacht. Nun S. 217 ff. S. 220 f. 22 S. 221. 23 S. 221. 24 Vgl. oben, Zweiter Abschn., 3 a). Anders schon Hirsch, S. 19 f. 25 Vgl. BKartA-TB 1969, S. 68. Kritik bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 236, 252 f. 2& So BKartA-TB 1969, S. 68, und R. Liebs, S. 125. 27 Im Widerspruch hierzu dürfte BKartA-TB 1966, S. 41, stehen. 2R Richtig R. Liebs, S. 125; I. Schmidt, S. 385. 28 Erneut richtig R. Liebs, S. 125. 20 21
Biedenkopf, Biedenkopf, Biedenkopf, Biedenkopf,
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haben behördliche Äußerungen dieser Qualität nur allzu sehr den Charakter eines obiter dictum, über das sich die Behörde in einem Fall, wo es genauer zu subsumieren gilt, hinwegsetzen wird. Hier ist das hingegen zweifelhaft, wie sich aus folgendem ergibt: Da das Bunrleskartellamt - abgesehen von den seltenen Fällen des § 44 Abs. 1 Nr. 3 (hier in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. d) GWB - diejenige Behörde ist, die die Verfügung nach § 18 GWB zu treffen hätte, kann die dargestellte Konstruktion nur den Zweck haben, daß die Anwendbarkeit der auf § 25 Abs. 2 GWB bezogenen Bußgeldvorschrift des § 38 Abs. 1 Nr. 8 GWB erschlichen wird30 ; das ist um so ernster zu nehmen, als das Bundeskartellamt zusätzlich gestützt auf die gelegentlich geäußerte Meinung von der Subsidiarität kartellbehördlichen Einschreitens31 sich so praktisch darauf beschränken könnte, betroffene Unternehmen zur Kasse zu bitten, ohne im übrigen auf Grund des § 18 GWB tätig werden zu müssen, obwohl es gerade die durch eine Eingriffsverfügung herbeigeführte Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften ist, die von Interesse wäre, die die betroffenen Unternehmen auch an einer empfindlichen Stelle träfe, wohingegen sie Bußgelder letztlich doch über die Preise abwälzen. c) Jansens Meinung
Bei Jansen 32 zeigt sich mit aller Deutlichkeit ein fehlsamer Umgang mit der hier ohnehin schon abgelehnten33 Schutzzweckdiskussion34• Entgegen seiner Erwägung kann man nicht aus dem Ergebnis einer Prüfung, ob § 18 GWB Dritte schütze, schließen, die Vorschrift sei Schutzgesetz im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB bzw. des § 823 Abs. 2 BGB35• Diese Vorgehensweise zeigt einen gleich dreifachen Mangel: zum einen wird übersehen, daß der von einer Vorschrift herbeigeführte Schutz keinesfalls auf einem Schutzzweck zu beruhen braucht, vielmehr auch bloßer Reflex sein kann; zum anderen werden Schutzzweck und Schutzgesetz (im Sinne der beiden herangezogenen Blankettnormen) miteinander verquickt. Endlich wird nicht zur Kenntnis genommen, daß jede Vorschrift selbst entscheidet, in welcher Weise (wenn überhaupt) sie schützen will (nämlich im Fall des § 18 GWB nur im Weg der Verfügung mit erst anschließendem Eingreifen des § 35 Abs.1 Satz 1 30 Auf sie bezieht sich das Bundeskartellamt im BKartA-TB 1969, S. 68, ausdrücklich. 31 Vgl. dazu oben, Teil I, Vierter Abschn., 1 c bb), Text ab Fn.47; Teil H, Zweiter Abschn., 2), Text ab Fn. 31. 32 Jansen, S. 123 f. 33 Vgl. oben, 1) Fn. 2. M Es ist interessant, daß Jansen, S. 124 Fn. 283, zu ihr Belege anführt. 35 Letztere Norm anzuführen gab der Textzusammenhang keine Veranlassung.
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GWB). Gewiß hat Jansen, was letzteren Punkt angeht, recht, wenn er schreibt36 , ob eine Bestimmung als Gebot oder Verbot formuliert sei, gelte gleich für ihre Schutzgesetzeigenschaft; wie aber diese Äußerung seine Meinung stützen soll, bleibt verborgen 37 • Endlich hat die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis38 , wobei die Verfügung der Kartellbehörde nur das Außenverhältnis betreffen soll, die Bejahung der Schutzgesetzeigenschaft des § 18 GWB bereits zur Voraussetzung39; deshalb ist es inkonsequent, der herrschenden Lehre vorzuwerfen, sie vernachlässige jenen Unterschied 40 , da sie ja keine Veranlassung hat, ihn herauszubilden. Auch hier41 kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als werde von einer bestimmten, im Rahmen der Schutzzweckdiskussion vorgefaßten Position auf ein Schutzgesetz zurückgeschlossen. d) Die einschlägige Darstellung bei E. Koch
E. Koch hat sich die Begründung eines Durchgriffs recht billig gemacht. Nach seiner Meinung42 gestaltet das GWB die Wettbewerbsordnung und bestimme daher, was die nach Zivilrecht zu schützende Wettbewerbsfreiheit sei; deshalb müßten den Zivilgerichten die Tatbestände des GWB (hier zieht er § 18 GWB als Beispiel heran) auch dann "zugänglich" sein, wenn sie sich vom Wortlaut her nur an die Verwaltung wendeten. Er kommt nicht auf den Gedanken, daß gerade in der Beschränkung auf einen behördlichen Eingriff im Fall des § 18 GWB die Erklärung des Gesetzgebers gesehen werden kann, daß er - was die 38
Jansen, S. 124 f.
Nicht recht ersichtlich ist auch, was es nützen soll, daß Jansen sich auf S.125 auf eine BGH-Entscheidung zum Schutzgesetzcharakter des § 15 GWB beruft; diese Vorschrift kann ja mit ihrer ipso-iure-Sanktion im Gegensatz zu § 18 GWB unmittelbar wirken. Auch die weitere BGH-Entscheidung, die den Schutzgesetzcharakter des § 27 GWB bejaht, zieht Jansen, S.125, zu Unrecht heran: Entweder diese Entscheidung ist unzutreffend, oder man folgt K. Schmidts (in Kartellverfahrensrecht, S. 282, wenn auch sehr undeutlich geäußerter) Auffassung vom Ausnahmecharakter dieser Norm; in beiden Fällen - einer Wahl bedarf es also nicht - verhält sich jene Entscheidung disparat zu Jansens Lösungsweg. Sie tut das erst recht, wenn man ihren Hintergrund bedenkt: So weist R. Liebs, S.33, darauf hin, daß sie deshalb zustande gekommen sei, weil für die eigentlich einschlägigen Anspruchsgrundlagen §§ 826 BGB, 1 UWG die tatsächlichen Voraussetzungen nicht festgestellt worden seien und der BGH dem Kläger eine Rückverweisung habe ersparen wollen. Wenn das aber so ist, dann gibt es nicht einmal eine Gewähr dafür, daß der BGH seine Rechtsprechung fortsetzen wird; die Entscheidung taugt also nicht als Argumentationsbasis. 38 Jansen, S. 128 f. 39 Wie sich insbesondere im zweiten Absatz der S. 128 bei Jansen zeigt. 40 Jansen, S. 129. 41 Jansen, S. 129. 42 E. Koch, S. 66 f. 37
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Eingriffsvoraussetzungen angeht - die Ausgestaltung der Wettbewerbsfreiheit dem Einzelfall vorbehalten will. Da E. Koch das nicht sieht, muß er konsequenterweise 43 Bedenken, die sich aus der "kann"Formel des § 18 GWB ergeben, verwerfen, ohne indes den bei seiner Auffassung zwangloseren Schritt zu tun, eine gebundene Entscheidung anzunehmen. Nach allem ist es geradezu dankenswert, daß er sich später widerspricht. So schreibt er44 : " ••• §§ 18 ... GWB bestimmen, welches wettbewerbsbeschränkendes Verhalten verboten ist45 ." Wäre es so, erwiese sich seine gesamte Eingangsdiskussion als selbst für seinen eigenen Standpunkt wenig hilfreich; tatsächlich sagt der Wortlaut des § 18 GWB aber nur, welches Verhalten zum Gegenstand eines aktuell wirkenden Verbots gemacht werden kann. - Letztlich finden E. Kochs genannten zweifelhaften Formulierungen in einer Äußerung46 ihre Erklärung, die offenbar seine Grundthese ist: "Das GWB hat materielle und Verfahrensregeln systemlos und unübersichtlich verknüpft." Für die Arbeit mit einem Gesetz wäre eine solche Basis nicht einmal dann geeignet, wenn sie zuträfe; daß ihr indes Berechtigung nicht zukommt, dürfte K. Schmidt in seiner Habilitationsschrift nachgewiesen haben41 • e) Die Ansicht von R. Liebs
R. Liebs' Durchgriffskonzept ist kompliziert. Er entwickeJt48 es - beschränkt auf den Fall des Sich-Hinwegsetzens über die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts - auf der Grundlage eines aus den Ordnungswidrigkeitentatbeständen in Verbindung mit § 18 GWB zu folgernden Verbots. Schon früh im Verlauf dieser Arbeit49 ist darauf hingewiesen worden, daß eine Lehre, die ein Gesetz, das leges perfectae enthält, so auslegt, daß es nur mit Hilfe der ihm beigegebenen Sanktionen zu funktionieren vermag, nicht zufriedenstellen kann; im Grunde ist ihr vorzuhalten, daß sie bei der Auslegungsarbeit zu früh resigniert. Die von R. Liebs versuchte Begründung50 eines Zusammenklangs von § 18 GWB mit den Ordnungswidrigkeitentatbeständen ist demgemäß auch nicht überzeugend: Er stellt es so da~" daß die auf § 18 GWB 43 44
E. Koch, S. 68.
E. Koch, S. 116 (ähnlich S. 120). Demgemäß kann E. Koch, S. 114 (ähnlich S. 124, Text und Fn.
6, zu Abs. 3 (a. F.) GWB) es auch zur Prämisse weiterer überlegungen machen, daß § 18 GWB sich einem Tatbestand unerlaubter Handlung inkorporieren lasse, obwohl eben das erst als Frage zu formulieren gewesen wäre. 48 E. Koch, S. 116. 41 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht. 45
§ 22
48 49 50 51
R. Liebs, S. 52 ff.
Siehe oben, Teil I, Dritter Abschn., 2), Text ab Fn. 14.
R. Liebs, S. 55. R. Liebs, S. 52 ff.
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
gestützte Verfügung kein Verbot enthalte52 , sondern daß dieses den Ordnungswidrigkeitentatbeständen zu entnehmen sei, das sich durch Einschalten des § 18 GWB (aus dem zwar selbst auch ein Verbot hergeleitet werden könne, was aber unfruchtbar sei53 ) zu einem durch die Tatbestandsmerkmale beider Normen(gruppen) konstituierten Verbot des Sich-Hinwegsetzens über die Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften verdichten lasse. Nun wird allerdings nicht erklärt, wie durch Einschaltung des § 18 GWB in die Ordnungswidrigkeitentatbestände das Erfordernis einer auf der Basis des § 18 GWB ergangenen Verfügung entfallen soll. Der Hintergrund ist freilich deutlich: R. Liebs hält die Erwähnung der Schutzverfügung in § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB für überflüssig54 - eine Auffassung, die allein jenen Mangel selbst dann nicht beheben könnte, wenn sie richtig wäre 55• Obendrein könnte sie aber kein zureichender Grund sein, mit dem Tatbestandsmerkmal "Schutzverfügung" nun gar nicht mehr zu operieren, sondern nur noch auf das Schutzgesetz abzustellen56 ; das geht nicht an, weil jenes Tatbestandsmerkmal im Gesetz steht, man mit ihm umgehen kann und es deshalb seinen Anwendungsbereich behalten muß. f) Mestmäckers Erwägungen
Mestmäckers Durchgriffsansatz ist von vornherein nicht haltbar. Er schreibt57 : "Die Befugnis der Kartellbehörden, Verträge für unwirksam zu erklären oder einen Mißbrauch zu untersagen, schließt weitergehende privatrechtliche Rechtsfolgen nicht aus." Soweit kann man noch folgen, weil man eine Prüfung der Frage erwartet, ob Eingriffsnormen ipso-iure-Sanktionen entnommen werden können. So geht Mestmäcker aber nicht vor; er fährt demgegenüber fort: "Vielmehr muß im Einzelfall geprüft werden, ob die betreffende Vorschrift zugleich Schutzgesetz i. S. von § 35 GWB sein kann, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslöst." Hier ist die zu suchende Rechtsfolge in der Form des § 35 GWB schon als vorhanden postuliert. Daß sie von ihrem Wortlaut her nicht paßt, eben weil sie (auch) auf Verfügungen abstellt, gerät nicht in den Blick. Damit schließt R. Liebs an seine Ausführungen auf S. 25 fan. Auf S.66 heißt es bei R. Liebs demgegenüber: " ... des auf § 18 GWB beruhenden Verbots ... ", aber auf S.145 wiederum: " ... ist es nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 18 GWB untersagt, ... " (bestätigt auf S.146). 5~ R. Liebs, S. 25 f. 55 Aus diesem Grund erübrigt sich ihre Erörterung. 56 Dessen Voraussetzungen prüft R. Liebs auf S. 57 ff. 57 Mestmäcker, Verhältnis, S. 297 (305). 52
53
4. Abschn.: Die Durchgriffsmodelle
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3. Durchgriff und Konkurrenz Nun ist gerade die Kritik an Mestmäckers These als Ausgangspunkt für eine Gesamtwiderlegung der Durchgriffsmodelle geeignet. Denn nicht nur Sinn und Zweck der kartellrechtlichen Eingriffsbefugnisse58 , die jene Lehren ohnehin nicht zur Kenntnis nehmen wollen, sondern schon die bei § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB anzusetzende herkömmliche Konkurrenzlehre 59 vermag ihnen den Boden zu entziehen: Schon innerhalb des GWB ist das Ergebnis einer derartigen Betrachtung klar. § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB stellt ausdrücklich (zusätzlich) auf die Schutzverfügung60 abU; soweit von Schutz gesetz die Rede ist, scheidet eine ausdehnende Auslegung auf Schutzverfügung aus62 , denn - so wurde schon als Kritik zu R. Liebs formuliert 83 - die beiden nun einmal vorhandenen Tatbestandsmerkmale müssen ihren jeweiligen Anwendungsbereich behalten. Dies wird dadurch erreicht, daß man beide Wörter auf die Bedeutung beschränkt, die in ihnen unmittelbar zum Ausdruck kommt; sie verhalten sich zueinander exklusiv. Dieses Verhältnis hätte nun in der offenen Norm des § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB keine Funktion zu erfüllen, wenn es nicht die in Bezug genommenen Vorschriften unterteilte mit der Folge, daß diejenigen, die, um aktuelle Wirkung zu erzielen, einer Schutzverfügung bedürfen, nicht unter den Begriff des Schutzgesetzes subsumiert werden dürfen G4 • So K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, passim und besonders S. 248 ff. Hierzu Inga Schmidt-Syaßen, S. 187 ff. 60 Zum Problem der Schutzverfügung im einzelnen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 365 ff. R. Liebs' These, S.25, der auf Grund des § 18 GWB erlassene privatrechtsgestaltende Verwaltungsakt (in der Terminologie K. Schmidts: die Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens) könne nicht den Schutz eines anderen bezwecken, geht fehl, da schon allein durch ihn die Bindung der bislang Gebundenen beseitigt wird. Es dürfte schwerfallen, diesen durch die Verfügung (insofern ist die Lage anders als bei der Kritik an Jansen, oben, 2 c) herbeigeführten Schutz als bloßen Reflex zu deuten. In gleichem Sinne wie R. Liebs aber auch Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 35 Rdnr. 5 in Verbindung mit 3 (der dort ebenfalls bezogen sein müßte), allerdings mit einem Widerspruch zu Rdnrn. 6, 16. - Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Argumentation, die R. Liebs anbietet, gesteuert ist von einer vorgefaßten Ansicht zu dem, was der Begriff von der Schutzverfügung meine. Daß auf Grund ihrer das Gesetz nun so ausgelegt wird, daß es zum Teil als sinnlos sich erweist, kann nicht als zulässiges Verfahren angesehen werden. 61 Es ist interessant zu sehen, daß weder bei Jansen noch bei E. Koch auf dieses durch den Wortlaut der Norm heraufbeschworene Problem eingegangen wird. 62 So im Ergebnis auch 'Sand rock, S. 290 Fn. 223. 83 Siehe oben, 2 e) am Ende. 6' Möschel, S.72 (ähnlich S. 217 ff., zweifelhaft hingegen S.219, wo von der Klarstellung des Schutzgesetzcharakters des § 18 GWB die Rede ist), hält eine Auslegung des § 18 GWB als Schutzgesetz erst dann für möglich, wenn bei ihm das "Verbotsprinzip" eingeführt sei. Gerade von daher ist es nicht nachvollziehbar, wieso er, S. 210 f., § 22 GWB als Schutzgesetz ansieht. 58
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Teil 11: Die Unwirksamkeitssanktion
Die durchaus enge Bedeutung des Worts vom Schutzgesetz läßt sich bei § 823 Abs. 2 BGB deshalb besonders gut verifizieren, weil er die Schutzverfügung nicht erwähnt und weil § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB von § 823 Abs. 2 BGB abgeleitet wurde 85 • Schon daß Schutzverfügungen in § 823 Abs. 2 BGB nicht genannt sind, läßt wegen Art. 2 EGBGB nur den Schluß zu, daß sie auch durch Auslegung nicht in jene Vorschrift inkorporiert werden können86 • Des weiteren: Daß die Schutzverfügungen in § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB besonders aufgenommen wurden, zeigt, daß sie in § 823 Abs. 2 BGB niemals enthalten waren87 , so daß also auch von hier aus deutlich wird, daß Schutzgesetz die Schutzverfügung nicht umfaßt - nicht nur in § 823 Abs. 2 BGB, sondern auch in dem ihm nachgebildeten § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB. Freilich hat es - um diesen Hinweis nicht zu unterlassen - einige wenige hilflose Versuche gegeben, "Schutzgesetz" im Hinblick auf Schutzverfügungen erweiternd auszulegen, wobei im wesentlichen mit unzutreffenden Zitaten operiert wurde 8B • Diese Darstellungen sind keines weiteren Wortes mehr wert; widerlegt sind sie längst69 • Ergebnis dieser überlegungen ist ein dreifaches: § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB ist die gegenüber § 823 Abs. 2 BGB speziellere Vorschrift70 • 71 ; Daß die individuelle Schutzrichtung im Vordergrund stehe (S. 211) verschlägt nichts. Interessanterweise versucht er auf S.211, das Verhältnis des so verstandenen § 22 GWB zu § 138 BGB darzustellen. Er meint, es sei ein Wertungswiderspruch, die Fälle des § 22 GWB stets der ipso-iure-Sanktion des § 138 BGB zuzurechnen, obwohl doch bei § 22 GWB eine Verfügung der Kartellbehörde erforderlich sei. Gerade davon will er aber doch beim Ausgangspunkt seiner überlegungen absehen. 65 Vgl. etwa Belke, S.410; Ernestus, S.268; R. Liebs, S.18; Lukes, S.187; Mailänder, S. 10, 113, 130, 160, 163, 169, 185; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 107 (der selbst aber noch weiter geht); ausführlich Schmiedel, S. 1 ff. 68 Da die Argumentation aus dem Gesetz heraus stets genügt, reicht auch entgegen K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.367, der Bezug auf Art. 2 EGBGB im Grunde völlig aus. Auch R. Liebs, S.23, zieht Art. 2 EGBGB heran, verkennt aber, daß dieses Argument selbst schon durchgreift und vermißt eine weitere Erörterung der Problematik in der kartellrechtlichen Literatur daher grundlos (S. 25). 67 Richtig Mailänder, S. 10 (ähnlich S. 163), und mit aller Deutlichkeit Schmiedel, S.9 (und zur Entstehungsgeschichte des § 823 Abs. 2 BGB auf S. 12 ff.). 6R SO immer noch der Frankfurter Kommentar, § 35 Tz. 12, und Müller I Giessler I Schotz, § 35 Rdnrn. 1, 56, letztere jedoch ohne Belege. 69 Verwiesen sei hier insbesondere auf R. Liebs, S. 22 f., und Schmiedet, S. (2 f. Fn.12, 8 und) 47 ff. - Unklar ist, ob E. Koch, S.20, 114, mit seiner nicht weiter begründeten Darstellung, auch wettbewerbsschützende Verfügungen seien "Schutzgesetze", nur ein lapsus linguae unterlaufen ist. 70 So Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 35 Rdnr. 31; etwa auch Mailänder, S. 163; Müller I Giessler I Scholz, § 35 Rdnr. 56; Rinck, Einwirkungen, S. 476 (481); unklar Frankfurter Kommentar, § 35 Tz. 93; von Gamm, § 35 Rdnr. 3; keine Entscheidung bei Lukes, S. 182 f., jedoch wie im Text auf S. 191; verfehlt Langen I Niederleithinger I Schmidt, § 35 Rdnr. 2. Der Hinter-
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sie wird in sich durch die Wechselbezüglichkeit ihrer Tatbestandsmerkmale sowie heteronom durch ihren historischen Bezug zu § 823 Abs. 2 BGB definiert. Das Resultat dieses Vorgangs ist eine unterschiedliche Bedeutung von Schutzgesetz und Schutzverfügung. Diese Divergenz führt zu einer Unterteilung der Bezugsnormen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB in Schutzgesetze und solche, deren Wirkung von Schutzverfügungen abhängt, wobei § 18 GWB zu den letzteren gehört und mithin nicht als Schutzgesetz angesehen werden kann. 4. Die Lehre K. Schmidts Es erscheint angebracht, der Lehre K. Schmidts, der die vorliegende Arbeit vieles schuldet, einen besonderen Punkt zu widmen, wobei vergrund dieses Verhältnisses ist gleichgültig; zu Recht sagt R. Liebs, S.19, eine solche Vorschrift wie § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB habe schon deshalb aufgenommen werden müssen, um klarzustellen, daß es im GWB überhaupt Schutznormen gebe, die individueller Verfolgung zugänglich seien, und um das Problem der Schutzverfügungen zu lösen. 71 Hier sei ein Exkurs gestattet: Theoretisch ist es auch diskutabel, die Wettbewerbsfreiheit als durch § 823 Abs. 1 BGB (vgl. Lukes, der sich auf S. 182 f. nicht entscheidet und auf S. 191 wahrscheinlich ablehnt) geschützt anzusehen (vgl. E. Koch, S.59 m. w. N.). Gewiß darf der bloße, durch Wettbewerbsvorsprung herbeigeführte Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit schon als tatbestandsmäßig angesehen werden (insoweit hat E. Koch, S. 59, unrecht). Dann ist auch das konstruktive Problem, die Schadensersatzschwelle festzustellen, lösbar: Es sind die Tatbestandsmerkmale der einzelnen GWB-Vorschriften, die diese Grenze markieren und zwar am Punkt der Rechtswidrigkeit. Die Situation ist insofern die gleiche wie beim eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, den etwa R. Liebs, S. 17, auch erwähnt, weswegen es umso verwunderlicher ist, daß er von der Ungeeignetheit des § 823 Abs. 1 BGB ausgeht, ohne die Möglichkeit zu prüfen, wie Geeignetheit geschaffen werden könnte. - Jedoch: Abgesehen davon, daß auch diese Überlegung nicht darüber hinweghelfen könnte, daß in § 18 GWB bloß ein Eingriffsrecht für die Kartellbehörde vorgesehen ist ohne aktuelle Entscheidung des Gesetzgebers, erweist ihr Weiterdenken ihre Kurzschlüssigkeit. Denn über § 823 Abs. 1 BGB würde dann nur erreicht, was nach § 35 GWB ohnehin schon gilt (es ist letztlich der gleiche Gedanke, der Steindorff JZ 1959, 582 (583), veranlaßt haben mag, bezüglich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Überlegenheit der §§ 823 Abs. 2, 826 BGB gegenüber § 823 Abs. 1 BGB zu betonen); dann wird man aber doch mit Recht sagen dürfen, daß § 35 GWB nicht nur § 823 Abs. 2 BGB vorgeht, sondern auch Abs. 1 dieser Norm (dieses Ergebnis übersieht Mailänder, S.160, 163; daß er selbst eine Subsidiaritätsthese vertritt, S. 161 f., scheint er nicht für widersprüchlich zu halten). Vom Ergebnis kann man deshalb Belke nur zustimmen, der auf S.20 vom inhaltsleeren Recht spricht, das anderenfalls auf der Grundlage des § 823 Abs. 1 BGB geschaffen würde, ein Vorgehen, das nicht weiterführe, weil zu seiner Konkretisierung doch auf außerhalb liegende Kriterien zurückgegriffen werden müsse. Und auch K. Schmidt hat letztlich recht, wenn er in Aufgaben, S.28, schreibt: "Die Freiheit im Wettbewerb ist kein absolutes Recht i. S. des § 823 I BGB. Nicht ein konsolidierter Rechtskreis des Geschädigten (wie z. B. das Eigentum), sondern nur die verletzte Norm und das konkrete Delikt vermögen uns zu sagen, ob eine rechtserhebliche individuelle Beeinträchtigung vorliegt." 13 Venrooy
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Teil II: Die Unwirksamkeitssanktion
wundern mag, warum diese Erörterung ihren Platz im Zusammenhang mit den Durchgriffsmodellen findet, ist es doch K. Schmidt selbst, der jene Thesen verworfen hat. Im folgenden soll gezeigt werden, daß er seine Verurteilung zu allgemein ausgesprochen und selbst ein Durchgriffskonzept entworfen hat. Seine Lehre geht aus von der Unterscheidung zwischen ipso-iureSanktionen und Rechtsfolgenanordnungen kraft Verfahrens 72 • Letztere habe das noch unausgereifte73 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen dort gewählt, wo mangels Erfahrung Rechtssätze angesichts der Mannigfaltigkeit der Rechtswirklichkeit nicht so konkret hätten gefaßt werden können, daß sie Substrate von ipso-iure-Sanktionen hätten sein 72 Der terminologische und auch sachliche Zusammenhang mit Luhmanns Buch "Legitimation durch Verfahren" wird bei K. Schmidt nicht verwischt; vgl. Kartellverfahrensrecht, S.446. - Es soll hier deutlich darauf hingewiesen werden, daß schon der Titel jenes Buchs die Gefahr einer Ideologie heraufbeschwört, die eine Rechtfertigung von Verfahrensergebnissen auf das Verfahren selbst stützt. Nicht strikt genug kann vertreten werden, daß dem Verfahren in keinem Fall legitimierende Wirkung zukommt für irgendein Ergebnis, dies auch dann nicht, wenn man bestimmte Anforderungen an das Verfahren stellt, etwa einen genau definierten Umfang von Drittbeteiligung verlangt, wie es K. Schmidt in Kartellverfahrensrecht, S. 449 ff., tut. Im Gegenteil, hier gerade zeigt sich, daß Form dem Inhalt vorgezogen wird. Wem wird damit gedient? - Gewiß: Luhmann meint es nicht so, wie der Titel seines Buchs suggeriert, wie K. Schmidt es für vertretbar hält und wie es von Scherer JuS 1979, 470 (475), jüngst noch mißverstanden wurde. Ihm geht es allein um eine "funktionale Analyse" (S. 6), die keineswegs Rechtfertigungscharakter habe bzw. nachweisen könne (S.6, 37, 60), nicht jedoch um den "Entscheidungsprozeß mit seinen Inhalten" (S.6). Es bleibt hingegen die Frage, ob nicht mit einer solchen "funktionalen Analyse" dem Verfahren bereits eine Eigenständigkeit (nicht umsonst wird auf S. 69 ff. von "Autonomie" gesprochen), ein Eigenwert zugestanden werden, die gar nicht ohne Auswirkung auf die Wertschätzung der Entscheidung bleiben können, ob diese also nicht gerade dadurch eine Rechtfertigung durch Verfahren erhält, weil der Zusammenhang zwischen Verfahren und Entscheidungsinhalt als aus der Betrachtung ausscheidbar angesehen wird, ob demnach nicht letztlich der Ansatz von Luhmanns Ausführungen bereits paradox ist. 73 Dieser Zustand ist allerdings von vornherein nicht als Argumentationsbasis anzuerkennen. Ein solcher Mangel haftet jedem Gesetz an, und gewiß ist er gemessen an einem immerhin vorstellbaren Ideal (vgl. Raisch JZ 1965, 625 ff.) unerfreulich; gewiß ist er auch bei relativ jungen Rechtsmaterien noch weniger vermeidbar als etwa bei dem alten Bürgerlichen Gesetzbuch (mit dieser Tendenz vielleicht schon Raisch JZ 1965, 625 (631), und jetzt Raisch I van Venrooy I Welke-Chlosta, S.I11, für das europäische Recht). Alles das ist aber kein Grund, den Weg zur Rechtssicherheit nicht zu suchen, ein Erfordernis, dem K. Schmidt, wie gezeigt werden wird, nicht entspricht. Im übrigen kann man über das, was unausgereift sei, sehr verschiedener Ansicht sein. So ist Internationales Privatrecht bereits sehr alt, ohne daß es dieses Rechtsgebiet inzwischen - in welchem Land auch immer - zu "ausgereiften" Normenwerken gebracht hätte. Dementsprechend finden sich denn auch im US-Recht Auffassungen, die - exakt wie K. Schmidt - anwendbares Recht auf Grund materiellrechtlicher Einzelfallentscheidung suchen, anstatt auf herkömmliches, anerkanntes und funktionierendes Kollisionsrecht zu rekurrieren. Dieses Vorgehen: Verfahren statt Regel wird von Kegel, Vaterhaus und Traumhaus, S. 551 ff., zu Recht gerügt.
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können. Billigt man diese Prämisse, muß man K. Schmidt auch in der Konsequenz folgen: Das von der Kartellbehörde durchgeführte Verfahren, das erst der Klärung dient, ob überhaupt ein Fall vorliegt, in dem eine Rechtsfolgenanordnung kraft Verfahrens erlassen werden solF\ darf nicht durch einen Durchgriff unmittelbar auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm unterlaufen werden75 ; nicht nur wäre das ein übergriff auf fremde Kompetenz 76 ; entschieden würde zudem auf untauglicher Grundlage, denn Basis war ja, daß in solchen Fällen die Eingriffsvoraussetzungen nicht konkret genug sind; anderenfalls hätte der Gesetzgeber eine ipso-iure-Sanktion an sie geknüpft. Indes ist schon jenem Ausgangspunkt die Berechtigung abzusprechen. An keiner Stelle erläutert K. Schmidt, was eigentlich die Normen, die Rechtsfolgenanordnungen kraft Verfahrens der von ihm dargestellten Art ermöglichen, von herkömmlichen Generalklauseln scheidet77 • 78 • Deren Existenz 79 aber ist unabdingbar80 ; sie sind der Preis, der für jede Es wird bewußt in dieser Weise akzentuiert. Das gleiche Argument findet sich schon bei R. Liebs, S. 46 f. Entgegen seiner auf S.47 geäußerten Meinung ist - wie hier im Text noch dargelegt werden wird - eine solche Norm zu unbestimmt, als daß sie Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit gewährleisten könnte. Prompt widerspricht er sich im folgenden Absatz, wo er davon ausgeht, daß Rechtssicherheit erst im Laufe der Zeit hergestellt werden könne (ähnlich S.52: "Unbestimmtheit der Kriterien" des Eingriffstatbestands; und wiederum ähnlich S.122: "die mit Hilfe der Verfügung der Kartellbehörde gewonnene Rechtssicherheit"). Wie sollte es auch anders sein, wenn die Norm selbst erst durch Verfahren zu konkretisieren ist. 78 Weswegen Krasser, Vertriebsbindungen, S.168, auch ganz apodiktisch (hinsichtlich der Preisbindung und ähnlich auf S.254 betreffend die Ausschließlichkeits- und Vertriebsbindungen) sagen kann, die Gerichte dürften der Entschließung der Kartellbehörden auch dann nicht vorgreifen, wenn sie einen Mißbrauch für gegeben erachteten. Er macht auch, S. 171, zutreffend darauf aufmerksam, daß anderenfalls die kartellrechtliche Zuständigkeitsverteilung umgangen werde. Richtig der Hinweis bei Benisch, in: Gemeinschaftskommentar, § 35 Rdnr. 5; Schwartz, in: Gemeinschaftskommentar, § 18 Rdnr. 98; Spengler, S.26. Anders jedoch erstaunlicherweise K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 250 ff. 17 Selbst Generalklauseln wird man mit In ga Schmidt-Syaßen, S. 28 (m. w. N.), nicht als etwas gegenüber anderen Vorschriften Wesensverschiedenes ansehen dürfen. Sie hat recht, wenn sie, S.29, schreibt, daß "alle Rechtsnormen zu ihrer Anwendung auf den Einzelfall mehr oder weniger schöpferischer Konkretisierung" bedürfen und daß mithin "der Unterschied zwischen Generalklauseln und den übrigen Normen nur als ein gradueller aufzufassen sein" wird. 78 Das KG sagt in WuW/E OLG 995 (998), 18. 2. 1969, Kart V 34/67, "Handpreisauszeichner", sehr klar, daß die Eingriffsklausel des § 22 GWB "sich in ihrem Wesen nicht von anderen in unserer Rechtsordnung enthaltenen Generalklauseln" unterscheide. 79 Zu ihrer Handhabung vgl. bereits oben, Erster Abschn., 4 c bb). 74
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Kraft, S. 2.
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TeilII: Die Unwirksamkeitssanktion
Kodifikation zu zahlen ist, mit der sie zwangsläufig verbunden sind8I, weil bei ihrem Erlaß nicht alle möglichen Sachverhaltskonstellationen bereits denkbar waren. Das aber ist schließlich nicht nur negativ: Es sind stets Normen erforderlich, die so konstruiert sind, daß sie sich in ihrer Auslegung dem Wandel der Zeit anzupassen vermögen82 ; nur sie sind es, die der Kodifikation den Charakter des Ephemeren nehmen83 • Legitim ist ihre Aufstellung mithin - freilich nur bis zu einer gewissen Grenze, die - wie schon die Formulierung zeigt - ungewiß ist84 • Immerhin kann man abstrakt folgendes sagen: Der Gesetzgeber hat sich zu bemühen85 , Normen zu kreieren, deren Tragweite von vornherein überschaubar ist86 • Mag das auch nur mehr oder weniger erreichbar sein, geht es doch jedenfalls nicht an, daß man "Normen" akzeptiert, gar postuliert87 , deren Eigenart doch wohl nur darin bestehen kann, daß man erst bei Abschluß eines Konkretisierungsverfahrens88 "weiß", ob man sie eingehalten hat oder nicht 89 • Auf diese Weise nimmt man aber jenseits der die Generalklauseln ausmachenden unbestimmten 81 Vgl. Raisch, Unternehmensrecht 1, S. 27 f.; Inga Schmidt-Syaßen, S. 25 f. m.w.N. 82 So wohl auch Inga Schmidt-Syaßen, S. 26. 83 Es ist schon oben, Erster Abschn., 4 d aa), Text bei Fn.80, darauf verwiesen worden, daß unter diesem Gesichtspunkt § 138 BGB als die den § 134 BGB ergänzende Generalklausel angesehen werden kann. S4 Generalklauseln sind, wie Raisch, Mißbrauch, S.357 (360), sagt, "unvollkommene Normierungen". Es versteht sich, daß die Unvollkommenheit ein nicht mehr hinnehmbares Ausmaß erreichen kann. 85 Daß die Generalklauseln gerade im GWB Zuflucht vor drängenden Definitionsproblemen waren, stellt Möschel, S. 17 f., zutreffend dar. Bei ihm ist die Verlagerung der Problematik auf die Rechtsanwendungsorgane (S. 18) nur zwangsläufige Folge der aufgezeigten Unvollkommenheit, nicht aber Postulat wie bei K. Schmidt. 88 So mit aller Deutlichkeit Raisch JZ 1965, 625. K. Schmidt stellt mit seiner Auffassung allzu sehr auf die durch das Verfahren gebotene Richtigkeitsgewähr ab (sehr klar in Kartellverfahrensrecht, S.223). Die hier dargelegten Bedenken sind auf einer logisch vorrangigen Stufe anzusiedeln, die er überspringt: Die Frage ist doch, warum ein Gesetz nicht so gefaßt werden bzw. sein soll, daß sein Anordnungsgehalt greifbar ist. Das Procedere, das K. Schmidt präkonisiert, bietet keinen Vorteil gegenüber einem, in dem ein ergangenes Verbot lediglich überprüft wird. 87 Wenn Kirchhof, S. 15, nicht mißverstanden wird, vertritt er jedoch ohne Begründung - eine ähnlich weite Ansicht wie K. Schmidt. 88 Es ist dieser Punkt, der K. Schmidts Meinung so stark an die These annähert, die für die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe Repräsentativbefragungen verlangt; vgl. die Nachweise bei Diederichsen, Eigenständigkeit, S.283 (293 Fn.44; siehe auch S.292 Fn.40); ihr Hintergrund ist die Hoffnung, sich von Wertungen bei der Auslegung weitgehend freimachen zu können. Diederichsen (S.293) sagt zu Recht, daß das nicht möglich sei; überdies weist er zutreffend darauf hin (S. 293 f.), daß schon die bloße Abfragbarkeit solcher Begriffe bei Nicht juristen nicht gegeben sei. 89 Doch scheint auch Schmiedel, S.45 (ähnlich S. 47 Fn. 77), von einer solchen Möglichkeit auszugehen. - Vgl. in diesem Zusammenhang auch Rebes Hinweis (S. 137) auf das Verfahren nach der KartVO.
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Rechtsbegriffe die Existenz unbestimmbarer Rechtsbegriffe an DO , also von Normen ohne genügende "Normqualität", um Raischs 91 Wort aufzunehmen, wie man im übrigen auch verfährt, wenn man sagt, die Rechtsprechung übernehme es, aus Generalklauseln anwendbares Recht zu machenD!. Von solchem "Recht" aber kann man nur sagen, daß es jedenfalls aktuell - nichts verbietet und nichts erlaubt, was aber dann zumal vor dem Hintergrund des Grundgesetzes zu der präponderanten Auslegung führt, daß es nichts verbietet93 , daß es also der Durchfühl'l:lng des mithin Nicht-Verbotenen nicht im Wege steht. - Dieser Folgerung kann nicht mit Hilfe der Kategorie von der Verbietbarkeit ausgewichen werden94 • Es ist gewiß ein wenig eigenartig, wenn man im Falle von Rechtsfolgenanordnungsmöglichkeiten kraft Verfahrens dann von Erlaubtsein spricht, wenn die Eingriffsvoraussetzungen bereits vorliegen; und gerade bei dem hier vorgestellten System gibt es auch keine Ermessensermächtigung mehr95 , die als Gegenargument angeführt werden könnte96 • Andererseits aber ist es unmöglich, von 90 Deutlich K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 134, der Raischs Einlenken (JZ 1967, 404, (405 Fn.5) gegenüber I. Schmidt (JZ 1967, 247) nicht mitmacht und gleichwohl auf S.141 sagt, jedes sanktionsfähige Verbot bedürfe eines Mindestmaßes an Bestimmtheit. - Hier im übrigen weicht K. Schmidts Kategorisierung ab von der aus dem US-amerikanischen Recht bekannten Unterscheidung der rule of reason (die die Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit im Einzelfall verlangt) und den per-se-Verboten, die als per-se-unreasonableness (vgl. Jansen, S.76) aus der rule of reason entwickelt - schlechthin wettbewerbswidriges Verhalten betreffen. 91 Raisch ZHR 128 (1966), 161. 92 So Inga Schmidt-Syaßen, S.31, die damit ihren oben, Fn.77, dargelegten Ausgangspunkt aus den Augen verliert. Tatsächlich ist es so, daß die Anwendbarkeit einer Rechtsnorm bereits feststehen muß, bevor die Rechtsprechung auf Grund ihrer einen Rechtsfall beurteilt. Inga Schmidt-Syaßen relativiert ihre Äußerung auf S. 141, wo es heißt, derartige Normen würden "erst durch die praktische Anwendung lebendiges Recht"; das allerdings mag sein; man darf dann aber nicht - wie sie es auf S. 205 tut - offenlassen, ob man bei "konkretisierungsbedürftigen" (es gibt keine anderen) "Generalklauseln von einer ,lex lata' sprechen" könne. - Ähnlich wie Inga SchmidtSyaßen auch Kraft, S. 1, wenngleich er die Rechtsprechung ein wenig romantisch sieht. 93 Diese Folgerung ist sehr deutlich niedergelegt in Art. V Satz 2 der Declaration des droits de l'homme et du citoyen von 1789 (bestätigt in den Präambeln der französischen Verfassungen von 1946 und 1958); es heißt dort: "Tout ce qui n'est pas defendu par la loi ne peut etre empeche et nul ne peut etre contraint a faire ce qu'elle n'ordonne pas." 94 Das Problem der "Verbietbarkeit wegen Verbots" ist ein solches der Doppelwirkungen und interessiert deshalb hier nicht; vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 211, 214 ff. 95 Vgl. oben, Zweiter Abschn., 4 c bb aaa). 98 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 127 (ähnlich S. 134, 367 f.), sagt denn auch, Verbietbares sei als unerlaubt anzusehen. Dem ist nicht zuzustimmen, und zwar schon deshalb nicht, weil es ein Widerspruch zu seiner Prämisse ist. Was verbietbar ist, kann erst im Augenblick der Beschlußfassung über das Verbot feststehen, denn angeblich sind ja die Eingriffs-
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"Verbot" zu reden, weil dieser Begriff nur eine ipso-iure-Sanktion beträfe. So bietet sich die dritte Möglichkeit, nämlich die "Verbietbarkeit", geradezu an. Diese aber kann sich nach dem zuvor Gesagten nicht in der Mitteg7 von Verbotensein und Erlaubtsein befinden, denn - um es zu betonen - ein Verbot ist (noch) nicht erlassen, also ist das (verbietbare) Verhalten (derzeit noch) erlaubt. So kann man etwa sagen, daß Verbietbarkeit die Rechtsfolge sei, die zum Tatbestandsmerkmal des Erlaubtseins von Fall zu Fall gehören mag; so kann aber Verbietbarkeit auch als Seinsweise des schon auf den konkreten Fall bezogenen, aber noch ohne Rechtsfolge gebliebenen Verbots angesehen werden, was aber an dem Noch-Erlaubtsein nichts ändert. - Kann nun nach Abschluß eines auf der Grundlage solcher "Vorschriften" durchgeführten Verfahrens das Ergebnis herauskommen, daß sich vergangenes Verhalten doch als (bereits) verboten (gewesenes) herausstellt, erweist sich in diesem Augenblick spätestens ihre Perplexität98 • Diese Perplexität hätte aber wiederum zur Folge, daß von dem Vorhandensein eines Verbots nicht ausgegangen werden kann99 • Man mag es drehen und wenden, wie man will: Die von K. Schmidt postulierte Gattung von Vorschriften kann nicht Grundlage von Verbotsentscheidungen sein. Sie darf es aber auch nicht: Inhalt seiner Begriffsbestimmung ist nämlich tatsächlich und unausgesprochen die Verbotskonkretisierung durch eine Behörde, wie sie nur durch Gesetz oder nach Art. 80 Abs. 1 GG von ermächtigungsfähigen Behörden auf Grund eines Gesetzes, das das Programm des Gesetzgebers klar erkennen läßt, vorgenommen werden dürfte100, aber auch das nur generell und nicht an Hand von Einzelfällen oder etwa nur auf solche bezogen, wie Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG deutlich genug ausweist. Vorgeschlagen wird also ein rechtsstaatswidriges Verfahren10I • Dieses Ergebnis ist auch wünschenswert. Die voraussetzungen nicht so konkret, daß es früher festgestellt werden könnte. So verwundert es kaum, daß er in Aufgaben, S.80, schreibt: "Was ,verbietbar' ist, ist noch nicht verboten." 97 So aber Fikentscher, S.241, obwohl er schon im folgenden Satz sagt, eine Handlung sei (erst) nach Ausspruch des Verbots verboten. Unrichtig verfährt Clodius, S. 53 f. 98 Zum Begriff vgl. Medicus, Rdnrn. 133, 134, 155, jeweils für Willenserklärungen. g9 Schmiedel, S. 45 ff., dürfte mit der hier vertretenen Meinung übereinstimmen; und in Alleinverkaufsrechte, S.37 (38), schreibt er, das GWB erkenne Alleinverkaufsrechte so lange als wirksam an, wie sie nicht durch Verfügung der Kartellbehörde für unwirksam erklärt würden; auf S.39 heißt es: "weder verboten noch nichtig". 100 Raisch, Mißbrauch, S.357 (360 und ebda. Fn. 7), sagt zu Recht, daß es Aufgabe des Juristen (nur) sei, den objektiven Sinn einer Norm festzustellen; alles, was darüber hinausgehe, verlasse die bloß rechtsanwendende Tätigkeit. 101 Konsequenterweise ablehnend Raisch, Mißbrauch, S. 357 (363); JZ 1965, 625 (630), jedoch mit Abschwächung in JZ 1967, 404 (405 Fn.5); I. Schmidt
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Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen richten sich an Unternehmen, die in einem derzeit privatwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystem existieren und mithin einen Teil ihres Risikos selbst tragen; deswegen müssen die Unternehmensführungen schon vor einem bestimmten Verhalten wissen können, ob es gegen das Gesetz verstößt oder nicht; anderenfalls bliebe jenes Risiko nicht mehr überschaubar, und die Grenze zwischen unternehmerischer Entscheidung und Hasardspiel würde verwischt102 • Recht muß demnach JZ 1967, 247 (249). K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 202, setzt seinen unter dem Gesichtspunkt der Legitimation begonnenen kritischen Ansatz gegenüber den Rechtsfolgenanordnungen kraft Verfahrens nicht in der erwarteten Weise fort. - Die Situation ist von vornherein ganz anders, wenn das Verfahren zu den Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm gehört. So legt Peters NJW 1979, 688, treffend dar, daß der Gesetzgeber im Fall des § 326 Abs. 1 BGB unklare "Begriffe vermieden und stattdessen ein formalisiertes Verfahren geschaffen" habe, "das die Unzuverlässigkeit des Schuldners schlagend erweist". - Im übrigen ist bei der Annahme der Rechtsstaatswidrigkeit ein klärendes Wort erforderlich hinsichtlich der Generalklauseln. Oben, Text bei Fn. 81, ist darauf hingewiesen worden, daß sie der Preis der Kodifikation seien. Kodifizierte man nun nicht, hätte man auch das Problem der Generalklauseln nicht zu bewältigen; das Rechtssystem wäre unter dem Aspekt der Rechtssicherheit noch unvollkommener, gleichwohl würde es nicht als verfassungswidrig eingestuft, denn mit Fallrecht muß schließlich in großen Rechtsgebieten gelebt werden, und das anglo-amerikanische common law kommt mit ihm sehr gut zurecht. Generalklauseln sind also nicht etwa deswegen hinzunehmen, weil die ihretwegen notwendigerweise fehlerhaften Kodifikationen verfassungswidrig wären, jedoch näher an den Zustand herankämen, den die Verfassung verlangte (vgl. zur entsprechenden Judikatur des Bundesverfassungsgerichts jüngst noch Kirchhof, S.17 f.), als bestünden gar keine Kodifikationen, sondern weil die Verfassung ein so perfekt durchgearbeitetes Gesetzesrecht, wie man es sich idealiter vorstellen kann, nicht gebietet, was indes keine übertragung einer Rechtsfindungskompetenz auf die Kartellbehörde ermöglichen kann, wie sie in der Konsequenz von K. Schmidts System liegt. 102 Hier sagt auch Rittner, S.108 (vgl. auch S. 107 f., 124), völlig zu Recht: "Jedenfalls aber ist der Wirtschaft die sichere Grundlage ihrer Dispositionen überall dort genommen, wo die Ermächtigung nicht unter ganz eindeutig gefaßten Voraussetzungen steht." Für R. Liebs, S. 46 f., scheint das unproblematisch zu sein. Unerfindlich ist es, wieso das Risiko, daß ein Verhalten für die Zukunft verboten werden kann, gegenüber den Auswirkungen eines (eigentlichen) Verbotstatbestands vermindert sein soll. Die mögliche Verwirklichung eines Ordnungswidrigkeitentatbestands, der in letzterem Fall meistens zusätzlich vorhanden ist, kann getrost vernachlässigt werden angesichts der Verluste aus nutzlos aufgewandten Investitionen, die den Unternehmen doch gerade bei bloßen Eingriffstatbeständen noch viel weniger aufgebürdet werden dürften als bei (eigentlichen) Verbotstatbeständen (so ist möglicherweise auch Raisch ZHR 128 (1966), 161 (164), zu verstehen). Entgegen R. Liebs (S.47) ist es also auch bei Eingriffstatbeständen immer der Adressat, der das Risiko trägt. Wie wenig überzeugend R. Liebs' Darstellung ist, wird auch dadurch erwiesen, daß K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 143, wenn er recht verstanden wird, genau umgekehrt argumentieren kann. Er meint, im Vergleich mit bereits kraft Gesetzes verbotenem Verhalten bestehe ein geringerer Bedarf an Rechtsgewißheit und mithin auch an Bestimmtheit des Tatbestands. Dem ist schon im Text entgegengetreten worden. Auch sein auf S. 144 stehender Hinweis auf "riskante Unternehmens-
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eine Voraussage l03 darüber bleiben, wie die Gerichte in einem gegebenen Fall urteilen würdenl04 ; "für Kadijurisprudenz hat der Geschäftsmann kein Verständnis"105. Annähernd gewährleistet ist diese Interessenlage aber nur, wenn man auch für GWB-Normen normale Handhabbarkeit, Auslegbarkeit also, postuliertl 06 , wobei man sich an das Postulat dadurch hält, daß man entsprechend verfährt, wobei alles das die Verbesserungsfähigkeit jener Bestimmungen keinesfalls in Abrede stellen soll107. Nicht recht verständlich ist im übrigen, warum K. Schmidt eine derartige Maximallösung vertritt und nicht wenigstens versucht, seine Auffassung mit derjenigen Lehre zu versöhnen, die Rechtssicherheit wenigstens zu fördern in der Lage ist, nämlich der aus dem angloamerikanischen Rechtskreis herrührenden Methode des prospective overruling lOB , für die sich mittlerweile auch im deutschen Recht genügend Anwendungsbeispiele finden l09 . Zum Gegenstand hat sie folgenstrategien" (worin der Hintergrund seiner Auffassung zu erblicken sein dürfte) hilft nicht weiter; jedes unternehmerische Handeln birgt ein Risiko in sich, und es muß wenigstens gewährleistet sein, daß der Unternehmer sich eine Realisierung dieses Risikos selbst zurechnen kann. 103 In diesem Sinne Raisch, Wettbewerb, S.28. 104 In etwa mit dieser Formulierung gibt Diederichsen, Eigenständigkeit, S. 283 (289), eine Äußerung des US-amerikanischen Richters Oliver Wendel! Holmes wieder. Diederichsens Kritik an diesem Wort, es enthalte eine Zurückdrängung aller Dogmatik, ist nicht recht einleuchtend: Dogmatik soll Konsens beim Umgang mit dem Gesetz erreichen helfen, also die Voraussagefähigkeit erleichtern, aber keinesfalls erschweren. 105 Prägnant F. A. Mann, Schiedsrichter und Richter, S.593 (594; vgl. auch S. 598 Fn. 24). Wie recht er hat, ist etwa der Fassung der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive zu entnehmen, die sich bemühen, für weitgehend klare Formulierungen zu sorgen und sich beispielsweise in Art. 14 Buchst. bund 29 Buchst. a über mißverständliche Wortwahl rundheraus hinwegsetzen; vgl. ihren Abdruck bei Staudinger I Firsching, vor Art. 12 EGBGB Rdnr. 542; siehe auch Basedow RabelsZ 43 (1979), 116 (129), der über die Entstehung der Incoterms schreibt, daß Rechtssicherheit allein maßgeblich dafür gewesen sei. - Anderer Hintergrund, aber richtige Entscheidung auch in § 5 AGBG (Unklarheitenregel). 10ft Wer sich dazu nicht entschließen kann, wie K. Schmidt, Aufgaben, S. 64, wo es heißt: "M. E. macht die unleugbare Unbestimmtheit gerade des § 22 GWB die Eingriffsbefugnis der Kartellbehörden unentbehrlich ... ,u der muß die Verfassungswidrigkeit der Norm befürworten; richtig I. Schmidt JZ 1967, 247 (249). 107 Der Frankfurter Kommentar, § 18 Tz. 9, macht nicht unrichtig auf die Rechtsunsicherheit beim Umgang mit § 18 GWB aufmerksam, die langfristige unternehmerische Planungen, die gerade in den Fällen dieser Vorschrift typischerweise anzutreffen seien, gefährden könnte. Hier liegt der Akzent sehr richtig darauf, daß die Gesetzesfassung selbst einen Mangel darstelle; dieser aber kann durch Verfahren nicht behoben werden. lOB Da diese Lehre nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, kann insoweit voll und ganz auf die Dissertation von Wipprecht verwiesen werden. 109 Vgl. Wipprecht, S. 67 ff. Das scheint Baden NJW 1979, 623, unbekannt zu sein. Jüngstes Beispiel ist die Judikatur des BGH zur Firma der GmbH
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des: Kommt ein Gericht llO in einem laufenden Verfahren zu der Ansicht, daß es von früheren Entscheidungen abweichen oder ganz einfach für einen Rechtssatz eine neue Auslegung zugrundelegen111 müsse, so kündigt es dies in seinem Verdikt an, das es aber noch auf der Grundlage bisher anerkannter Anschauungen erläßt112 • Gewiß: Auch dieses Modell ist verfassungsrechtlich keineswegs unproblematischl13 ; fraglich bleibt, ob hier nicht von Behörden Kompetenzen wahrgenommen werden, die eigentlich nur dem Gesetzgeber zukommen1l4 • Indes ist hier ein Fragenkomplex angesprochen, der sich nicht mit letzter Trennschärfe wird klären lassen, da jede Entscheidung eines Einzelfalls im Grunde schon die Feststellung bedingt, die angewandten Vorschriften seien auch tatsächlich anwendbar, ein Vorgehen, das genaugenommen eine authentische Interpretation1l5 der herangezogenen Vorschriften zur Voraussetzung hätte, die aber - weil sie den Inhalt von Normen festsetzte - zur Kompetenz des Gesetzgebers gehörte. Wahrscheinlich ist hier nur ein Minimalkonsens möglich, der sich anlehnt an die Art. 80 Abs. 1, 129 Abs. 3 GG: Behörden bleiben innerhalb ihrer Kompetenz, solange sie nicht auf Grund unbestimmter Ermächtigungen tätig werden116 - eine Formulierung, die die Lehre vom prospec& Co. KG: BGH NJW 1974, 1191 (1193), 18.3. 1974, II ZR 167/72; 1978, 2030, 8.5.1978, II ZR 97/77; angeschlossen haben sich etwa das KG OLGZ 1978, 277 (280 f.), 13.1.1978, 1 W 498/77; OLG Oldenburg GmbHRdsch 1979, 112, 24. 1. 1979, 5 Wx 30/78. 110 Von der Methode her ist das Subjekt gleichgültig; es kann auch jede andere Behörde sein. 111 In diesem Fall müßte allerdings genau von prospective application gesprochen werden (Wipprecht, S. 25), eine Formulierung, die sich aber als Schlagwort nicht durchsetzen konnte. 112 Das KG WuW/E OLG 2007 (2010), 8. 9. 1978, Kart 3/78, "Kunststoffrohre", mißinterpretiert diese Lehre, wenn sie ihm überhaupt bekannt war. Es ordnet keine Kostenerstattung an, obwohl Kosten nicht entstanden wären, wenn die Beschwerdeführerin sich gemäß der nunmehr erstmals vertretenen Rechtsauffassung des Gerichts geweigert hätte, einen Zusammenschlußtatbestand der dort in Frage stehenden Art beim BKartA anzumelden. Hier wird also das BKartA geschützt, nicht aber der Bürger; letzteres jedoch will diese Lehre; die Möglichkeit, daß der Staat seine eigenen fiskalischen Interessen schützt, ergibt sich aus ihr nicht. (Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß amerikanische Gerichte vom prospective overruling gern "zum Nachteil des Steuerzahlers" abweichen; vgl. Wipprecht, S. 55 f.). 113 Wie elegant die Problematik aber überspielt wird, wenn die Praxis aus der zu gewährenden übergangszeit Vorteile ziehen kann, zeigt die Anmerkung von Boketmann NJW 1978, 2594 f., in der er sich gegen die oben, Fn. 109, zitierte BGH-Entscheidung vom 8. 5. 1978 wendet, weil sie keine ausreichende übergangszeit gegeben habe. 114 Der hier dargestellte Aspekt fehlt in der Arbeit von Wipprecht, abgesehen von einigen einschlägigen Äußerungen zur Rechtsquellenproblematik; vgl. S. 112 ff. 115 Vgl. zu deren Begriff und Folgen bereits Motive I, S. 23 f. tu Das Kompetenzproblem wird so doch wieder zu der Frage, welche Qualität ein Gesetz eigentlich haben muß.
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tive overruling passieren läßt, K. Schmidts Auffassung aber erneut im Wege steht117• Wie auch immer: K. Schmidts Ansicht könnte nur dann als wenigstens folgerichtig angesehen werden, wenn sie nur die Fälle beträfe, in denen ein Verfahren tatsächlich durchgeführt wird oder zumindest durchgeführt werden müßte, so daß eine Verfügung ohne solches vorgängige Verfahren sich als fehlerhaft darstellen würde. Dieses Postulat hätte sich zwanglos in seine Lehre einfügen lassen; er erhebt es hingegen nicht118 • Im Gegenteil verteidigt er sein Modell ausdrücklich auch für die Konstellation, bei der kein Verfahren stattgefunden hat, nämlich bei Widerspruchskartellen, die schlicht auf Grund einer Untätigkeit der Kartellbehörde wirksam werden. Hier führt aber kein Weg an der Erkenntnis vorbei, daß es kein Konkretisierungsverfahren gegeben hat11O• Dann kann aber die Prämisse vom Konkretisierungsmangel nicht stimmen; zumindest hat sie mit solchen Fallgestaltungen nichts zu tun. Erklärt wird dieses Fehlen von Systemkohärenz nicht. Sie wird sogar noch weiter relativiert: K. Schmidt ist der Meinung, es sei nicht erforderlich, "konsolidierte Fallgruppen" , wie er sie nennt, dem GWB vorzubehalten; vielmehr sei es möglich, sie den Generalklauseln des BGB zuzuweisen120• Nicht nur wird das so günstig angebotene Verfahren der Praxis als Rechtfertigung für ihr von K. Schmidt selbst kritisiertes121 Vorgehen dienen, auf BGB-Generalklauseln zurückzugreifen, anstatt die einschlägigen GWB-Normen zu benutzen; hier ist überdies die Inkonsequenz eine doppelte: zum einen zeigt diese von Vgl. schon oben, Text ab Fn. 89. Vgl. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, insbesondere S. 164 ff. 119 Entgegen K. Schmidts Auffassung (Kartellverfahrensrecht, S.168) kommt es nicht darauf an, ob das Stadium, das sich an die Antragstellung bzw. Anmeldung anschließt, als "Verfahren" bezeichnet werden kann. Es wäre darauf angekommen zu zeigen, daß ein Verfahren beginnt, das rechtssicherer Konkretisierung dient; jedes andere "Verfahren" hat mit seiner Lehre von den Rechtsfolgenanordnungen kraft Verfahrens nichts zu tun. Offen bleibt allerdings, warum er auf der Grundlage seiner Meinung nicht verlangt hat, daß in jedem Fall ein solches Verfahren durchgeführt wird; damit hätte er die aufgezeigte Inkonsequenz vermieden - allerdings ein konstruktives Problem angesichts der gesetzlichen Regelung der Widerspruchskartelle; da ist der im Text vorgeschlagene Weg einer Beschränkung seines Modells auf ohnehin schon erforderliche Verfahren leichter gangbar. 1%0 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.227, 229 (Ansatz), außerdem etwa S.271, 277 f., 287; ähnlich in Aufgaben, S.79; ähnlich auch schon eine Erwägung bei Biedenkopf, S. 209. Es erscheint jedoch fraglich, ob K. Schmidts Stellungnahme in Kartellverbot, S. 31, hier übereinstimmt. Inga SchmidtSyaßen, S. 201 f., dürfte hinsichtlich der §§ 826, 26 Abs. 2 GWB den umgekehrten Weg gehen wollen; in übereinstimmung hiermit Rinck, Einwirkungen, S.476 (478, 479), der im übrigen auf S.481 die im Text erörterte These ablehnt, ohne jedoch K. Schmidt zu erwähnen. 121 K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S. 111 f. 117
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K. Schmidt für möglich gehaltene Ausnahmeregelung, daß sein Modell eine rechtssichere Abgrenzung von ipso-iure-Sanktionen und Rechtsfolgenanordnungen kraft Verfahrens nicht einmal anstrebt122 , obwohl sich der Wortlaut der entsprechenden Vorschriften als exaktes Unterscheidungskriterium angeboten hätte; zum anderen aber paßt auch die Konsolidierungsphase selbst nicht in das Konzept. Denn noch in der Konsolidierung begriffene Fallgruppen müßten auf seiner Grundlage als unzulässige Durchgriffsfälle eingestuft werden 123 , denn nur im Durchgriff könnten sie sich konsolidieren, was aber wiederum bedeutete, daß ihrer Konsolidierung entgegengetreten werden müßte. Andererseits ist es so, daß bereits konsolidierte Fallgruppen der Zuweisung zum bürgerlichen Recht nicht mehr bedürfen, zu dem sie ohnehin bereits gehören.
Hat sich bereits hier eine Verwandtschaft seiner Lehre zu den Durchgriffsthesen gezeigt, führt der Weg vollends dorthin über sein Modell vom sekundären subjektiven Recht l2